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German Pages [488] Year 2000
BEIHEFTE ZUM ARCHIV FÜR KULTURGESCHICHTE IN VERBINDUNG MIT KARL ACHAM, GÜNTHER BINDING, WOLFGANG BRÜCKNER, KURT DÜWELL, WOLFGANG HARMS, GUSTAV ADOLF LEHMANN, HELMUT NEUHAUS HERAUSGEGEBEN VON
EGON BOSHOF HEFT 50
Helmut Feld
Frauen des Mittelalters Zwanzig geistige Profile
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2000
B Ö H L A U VERLAG K Ö L N WEIMAR WIEN
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Feld, Helmut: Frauen des Mittelalters : zwanzig geistige Profile / Helmut Feld. Köln ; Weimar ; Wien : Böhlau, 2000 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte ; H. 50) ISBN 3-412-05800-9 Umschlagabbildung: Die heilige Klara begegnet Franziskus von Assisi (Tavola Istoriata, Basilica di S. Chiara, Assisi, Ausschnitt, retuschiert und seitenverkehrt, © Sacro Convento, Assisi) © 2000 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 91 39 00, Fax (0221) 91 39 011 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Satz: Peter Kniesche, Tönisvorst Druck und Bindung: Krips b.v., NL-Meppel Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the Netherlands ISBN 3-412-05800-9
FILIIS KAROLO ET PETRO
Inhalt Vorwort Einleitung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
Adelheid: Mutter der Königreiche und der Klöster Hrotsvitha von Gandersheim: Dramatikerin der Jungfräulichkeit Adele Gräfin von Blois: Ehefrau im heiligen Krieg Eleonore von Aquitanien: Zweifache Königin und zweifache Gemahlin Heloise: Philosophin und Geliebte Hildegard von Bingen: Die Prophetin vom Rupertsberg Elisabeth von Schönau: Offenbarte Kirchengeschichte Herrad von Hohenburg: Der Garten der feinen Genüsse Klara von Assisi: Armut und Verlobung mit dem höchsten König Cecilia von Rom: Erinnerungen an den heiligen Dominikus Angela von Foligno: Braut Christi im Tal von Spoleto Margherita von Cortona: Einzigartige Geliebte Christi Mechthild von Magdeburg und die Cistercienserinnen von Helfta: Die Ohren des ewigen Geistes Marguerite Porete: Vernichtung der Seele in Gott Birgitta von Schweden: Römische Sibylle aus dem Norden Katharina von Siena: Kirchenpolitikerin und Priesterin des heiligen Blutes Jeanne d'Arc: Die Jungfrau und Tochter Gottes Jeanne de Jussie: Der Stand der Jungfräulichkeit und das große Gut der Ehe
IX 1 5 14 31 43 78 99 120 127 134 150 168 174 182 200 211 224 236 308
Epilog: Einige unzeitgemäße Anmerkungen zur religiösen Erfahrung in der Neuzeit
326
Anmerkungen
333
Bibliographie Quellen Literatur
415 415 425
Register Personennamen Ortsnamen Moderne Autoren
442 442 458 466
Vorwort Dieses Buch ist aus Vorlesungen entstanden, die ich im Wintersemester 1993/94 und im Sommersemester 1994 an der Universität des Saarlandes unter den Titeln: „Frauen des Mittelalters: Religiöse Erfahrung und meditative Theologie" und: „Visionäre Erfahrung und religiöse Weltdeutung spätmittelalterlicher Frauen" gehalten habe. Ich habe die Vorlesungen als Einführungen in die religiösen Vorstellungen und das geschichtliche Umfeld dieser Frauen verstanden, als Anregungen also, sich mit Hilfe der Quellen und der Forschungsliteratur mit der einen oder anderen von ihnen eingehender zu befassen. Das gleiche Ziel hat auch das vorliegende Buch. Man wird dem Text noch gelegentlich den Stil mündlichen Vortrags anmerken, was aber der Lesbarkeit eher förderlich sein dürfte. Ich habe mich bemüht, die oft so befremdliche, zuweilen aber auch überraschend modern anmutende geistige Welt des Mittelalters anhand der literarischen Quellen selbst, die ich zum Teil neu übersetzt und so sorgfältig wie möglich interpretiert habe, der Leserin und dem Leser nahezubringen. Es ist möglich, daß sich dabei von einigen der hier behandelten Frauen ein anderes Bild ergibt, als es in älteren und neueren Schriften hagiographischen Charakters verbreitet wird. In solchen Werken werden nicht selten, um eines vorgeblichen höheren Zweckes der Erbaulichkeit oder Frömmigkeit willen, wichtige Fakten unterdrückt oder verbogen, an sich klar durchschaubare Vorgänge vertuscht oder vernebelt. Ich meine, daß in der Forschung die Begriffe „Wahrheit" und „Redlichkeit" keine hohlen Worthülsen sind, sondern eine ethische Verpflichtung zum Ausdruck bringen, die den historischen und philologischen Wissenschaften von ihrer humanistischen und natürlich auch von ihrer religiösen Tradition her aufgebürdet ist. Von daher sehe ich es als meine Aufgabe an, nicht zu systematisieren und zurechtzurücken, sondern aufzuklären und zum Verständnis hinzuführen. In dem Kapitel über Klara von Assisi habe ich versucht, die an dem Abschnitt: „Klara und die Armen Frauen" in meinem Buch: „Franziskus von Assisi und seine Bewegung" (Darmstadt 1994) von verschiedenen Seiten geäußerte Kritik aufzunehmen. Ein erneutes Studium der Quellen, vor allem der Briefe Klaras, hat mein Bild von der Heiligen präzisiert, jedoch nicht wesentlich verändert. Für wertvolle Hinweise, Anregungen und Ermutigung während der langen Jahre der Entstehung des Buches danke ich herzlich: Mag. REINHARD BREYMAYER, WALTER SIMON (Tübingen), D r . BERND JASPERT ( H o f g e i s m a r ) , D r . D r . ADOLF HOLL (Wien), P r o f e s s o r D r . ULRICH KÖPF (Tübingen), P r o -
fessor Dr. JOSEF NOLTE (Hildesheim), Professor Dr. GERHARD MAY (Mainz),
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Vorwort
Professor Dr. LEIF GRANE (Kopenhagen), Professor Dr. Dr. HARALD ZLMMERMANN (Tübingen), Frau Dr. BRIGITTE DEGLER-SPENGLER (Basel), Bischof Professor Dr. Dr. KARL LEHMANN (Mainz), Professor Dr. GERT MELVILLE ( D r e s d e n ) , P r o f e s s o r D r . KASPAR ELM ( B e r l i n ) , D r . CORNELIUS BICKEL
(Kiel), Frau Dr. GISELA DROSSBACH (München), Professor Dr. ARNOLD ANGENENDT ( M ü n s t e r ) , KARL FELD ( B e r l i n ) , F r a u D i p l . - P s y c h . EVITA H . KOPT-
SCHALITSCH (Tübingen), Professor Dr. WOLFGANG HAASE (Boston, Massachusetts), Diözesankonservator WOLFGANG URBAN (Rottenburg). Einige der folgenden Kapitel wurden, in einer für den Hörfunk bearbeiteten Form, im Süddeutschen und im Südwestdeutschen Rundfunk als RadioEssays vorgetragen. Dr. BERND H. STAPPERT gebührt Dank für die redaktionelle Bearbeitung und zahlreiche im Gespräch gegebene Hinweise, die auch der endgültigen Textfassung des Buches zugute gekommen sind. ILRIS ARNOLD und Dr. STEFAN HLLSBECHER, die sachkundig und einfühlsam Regie führten, sowie allen Sprecherinnen und Sprechern danke ich für die Gestaltung der Sendungen. Professor Dr. EGON BOSHOF (Passau) danke ich für die Aufnahme des Buches in die von ihm herausgegebene Reihe, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Böhlau Verlages für angenehme Zusammenarbeit. Ein besonderes Dankeswort gebührt JOHANNES VAN OOYEN, der mir ein verständiger Berater und Lektor war. Mössingen, 25. März 2000
Helmut Feld
Einleitung Fragt man sich, welche geistigen Strömungen und Mächte das Mittelalter bestimmten, so fallen einem spontan Begriffe ein wie Imperium und Sacerdotium (königliche und priesterliche Macht), Mönchtum, Kreuzzüge, Armutsbewegungen, Häresien, scholastische Theologie, Apokalyptik, Franziskanertum, Mystik. 1 An allen diesen Bewegungen hatten bedeutende Frauen einen mehr oder weniger großen Anteil. Zwar waren die geistigen und politischen Möglichkeiten der Frauen im Mittelalter gegenüber denjenigen der Männer beschränkt. Aber sie waren doch nicht so gering, wie es nach der Mehrzahl der historischen Gesamtdarstellungen den Anschein hat. Insbesondere wird in den Darstellungen der Kirchengeschichte, die ja männlich und klerikal geprägt sind, die Rolle der Frauen durchweg unterbewertet. Nimmt man z.B. das in Deutschland am meisten benutzte, von HUBERT JEDIN herausgegebene „Handbuch der Kirchengeschichte", so werden von den von uns im folgenden behandelten mittelalterlichen Frauengestalten sechs überhaupt nicht erwähnt, die übrigen gerade eben in einem oder wenigen Sätzen gestreift. Es ist hier von solchen Frauen die Rede, deren geistige, politische, religiöse Wirksamkeit literarisch dokumentiert ist, entweder durch das, was sie selbst aufgeschrieben haben, oder durch das, was andere von ihnen überliefert haben. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die religiöse Erfahrung dieser Frauen: worin sie bestand, inwieweit sie ihr Leben bestimmt hat und wie sie sie denkerisch und existentiell bewältigt haben. Nicht selten dient die religiöse Erfahrung den Frauen auch als Mittel der Selbstbehauptung gegenüber ihrer Umwelt, der Gesellschaft, in der sie lebten, der kirchlichen Autorität. Die religiöse Erfahrung mittelalterlicher Frauen ist weithin, wenn auch nicht ausschließlich, durch visionäre Erlebnisse bestimmt. Damit kommt die seelische und körperliche Verfaßtheit und nicht selten auch die Krankheit der betreffenden Personen ins Spiel. Das Krankheitsbild, das sich aus den Quellen erkennen oder erahnen läßt, ist jedoch mit den Mitteln moderner Medizin und Psychologie meist nur unvollkommen zu erfassen. U m hier gleich einem Mißverständnis vorzubeugen: ich bin nicht der Meinung, daß sich religiöse Erfahrung auf psychische Krankheit reduzieren und mit psychologischen Mitteln restlos erklären lasse. Vielmehr sind Visionen und das Sprechen darüber eine Form religiösen Denkens, dem nachzudenken keineswegs eine beliebige Spielerei, sondern so etwas wie ein solides, mit den Methoden der Philologie und der historischen Wissenschaft praktiziertes Handwerk ist.
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Einleitung
Zum Bereich der religiösen Erfahrung gehören nicht nur innerpsychische Vorgänge und vermeintliche oder tatsächliche Berührungen mit der transzendenten Welt. Es gehören dazu auch die positiven und negativen Erfahrungen, welche die Frauen mit den Repräsentanten von Kirche und Theologie, dem Mönchs- und Hochklerus, gemacht haben; ebenso ihre Auseinandersetzungen mit dem jeweiligen religiösen Umfeld, den herrschenden Strömungen der Volksfrömmigkeit. Wo es notwendig erscheint und die Quellen entsprechende Aussagen enthalten, wird davon die Rede sein. Es ist die Frage, ob es sich bei den Dokumenten über religiöse Erfahrung im Mittelalter „nur" um Zeugnisse der Volksfrömmigkeit oder um „richtige" Theologie handelt. Ich meine, daß es wirkliche Theologie ist, weil es durchweg um die denkende Auseinandersetzung mit religiösen Phänomenen geht, wenn es auch nicht das ist, was man gemeinhin unter „Theologie" versteht: nämlich scholastische, wissenschaftliche Theologie. Ich spreche deshalb von meditativer Theologie - womit nicht ein niedrigeres Niveau des Denkens bezeichnet ist. Auffällig in der religiösen Gedankenwelt mittelalterlicher Frauen ist die große Bedeutung, die der Jungfräulichkeit, dem Virginitäts- und Keuschheitsideal und dessen Ideologie, zukommt. Es ist keine Nebensache, sondern ein zentraler Bestandteil der christlichen Religion des Mittelalters, mit allen positiven und negativen Ausstrahlungen vor allem auf die Lebensgestaltung der Frauen. Seine höchste Verkörperung erreicht es in der Gestalt der Jeanne d'Arc, der „Jungfrau von Orléans". Ein Jahrhundert später erfolgt in der Reformation das Herausschneiden des Virginitätsideals, zusammen mit dem des monastischen Lebensideals überhaupt, aus der Religion: was tausend Jahre lang als eine der tragenden Säulen des Christentums gegolten hatte, erscheint nunmehr als „unbiblisch" und „widernatürlich". In dem kirchlichen Prozeß, der gegen Jeanne d'Arc geführt wurde, wird ein weiterer, vielleicht noch bedeutsamerer Umbruch im religiösen Bewußtsein erkennbar, durch den vor allem das in der mittelalterlichen Kirche noch allgemein anerkannte weibliche Prophetentum betroffen wurde: wie CLAUDIO LEONARDI gezeigt hat, war Katharina von Siena (f 1380) die letzte große Prophetin, deren Stimme auch von den kirchlichen Autoritäten als authentische Willensäußerung göttlichen Geistes anerkannt wurde.2 Gegen Ende des Mittelalters setzte sich dann die Auffassung durch, daß göttliche Offenbarung nur in der Bibel enthalten sei, und deren verbindliche Auslegung war dem kirchlichen Lehramt vorbehalten. Das Jungfräulichkeitsideal dagegen überlebte, aller reformatorischen Kritik zum Trotz, in der Katholischen Kirche bis in die Neuzeit. Sein erster großer Propagandist in der westlichen Christenheit war Ambrosius von Mailand (339-397) gewesen, der in mehreren Schriften das zölibatäre, mönchische Leben als die vollkommene christliche Daseinsform schlechthin, das Leben verheirateter, sexuell nicht enthaltsamer Frauen und Männer dagegen als einen eher defizienten Modus des Christentums dargestellt
hatte.3 Das hohe Ansehen des „jungfräulichen Standes" innerhalb der mittelal-
Einleitung
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terlichen Gesellschaft beruhte aber vor allem darauf, daß die ihm angehörenden Frauen und Männer eine fromme Elite bildeten, deren Lebensaufgabe es war, für das Heil der anderen, der Weltleute, zu beten. In eine wirklich lebensbedrohende Krise - für jedermann erkennbar an den Massenaustritten aus den Ordensgemeinschaften - geriet das Ideal jungfräulichen Lebens erst in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Wir wollen dazu hier keine ins einzelne gehende Ursachenforschung betreiben/ Eine der Ursachen der genannten Krise ist jedoch die Tatsache, daß individuelles Glück und Selbstverwirklichung für höhere Werte angesehen werden als das Opfer des eigenen Lebens auf dem Altar der Jungfräulichkeit. Die in dieser Mentalität heranwachsenden Generationen sehen in der Virginität, ebenso wie etwa im sakralen Königtum, einen Mythos längst vergangener Zeiten. Mit dem Ende des Glaubens an das postmortale Weiterleben der Seele, die nach dem Tode zur „ewigen Ruhe" gelangen will, werden auch der Totenkult und die Fürbitten für die Toten, die im Mittelalter in der Feier des Requiem und des göttlichen Offiziums vollzogen wurden und die dem „jungfräulichen Stand" seinen gesellschaftlich anerkannten Sinn gaben, für überflüssig gehalten. Wenige Jahre bevor sich in dem großen Exodus aus den Klöstern und Priesterseminarien die Flucht vor der Jungfräulichkeit manifestierte, hatte der Papst Pius XII. Pacelli (1939-1958) in seiner Enzyklika „Sacra Virginitas" (25. März 1954) eine lehramtliche Verteidigung der heiligen Jungfräulichkeit und vollkommenen Keuschheit gegeben, „die dem göttlichen Dienst geweiht ist und zu den überaus kostbaren Schätzen zählt, die der Stifter der Kirche der von ihm gegründeten Gemeinschaft gleichsam als Erbe hinterließ". 5 Um die gleiche Zeit (1956-1961) gab der wohl bedeutendste katholische Theologe des 20. Jahrhunderts, der Jesuit WILHELM KLEIN (1889-1996), in seinen römischen Vorträgen eine ebenso tiefgründige wie fragwürdige Deutung von priesterlichem Zölibat und Jungfräulichkeit als marianischem Mysterium.6 Die marianische Theologie Kleins, die durchaus in der Tradition der großen mittelalterlichen Frauenmystik steht und als ein großartiges Gedankengebäude keineswegs überholt ist, konnte gleichwohl in der Dynamik der Geschehnisse, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil einsetzten, nicht systemstabilisierend wirken, ebenso wenig wie seine kluge, fein gesponnene theologische und spirituelle Begründung des jesuitischen Kadavergehorsams. Es gehört zu den merkwürdigen Erscheinungen der neueren christlichen Religionsgeschichte, daß die kirchlichen Reformer (falsi nominis) eifrig am Zerstörungswerk der eigenen kultischen Substanz wirkten, ohne die geistigen Tendenzen des modernen Zeitalters wirklich aufzuarbeiten. Eine echte Erneuerung der christlichen Religion, die in einer Synthese der neuzeitlichen Forderung nach Gedankenfreiheit und der Mühe um die alten Sprach- und Gedankenmonumente, einer Versöhnung des modernen Strebens nach irdischem Glück und der von Antike und Mittelalter überkommenen Sorge für die Seele (Mt 16,26) bestünde, scheint bislang noch nicht bedacht worden zu sein.
1 ADELHEID
Mutter der Königreiche und der Klöster Nähert man sich, von Westen kommend, der elsässischen Kleinstadt Seltz am Rhein, so erblickt man alsbald einen weniger schönen, modernen Kirchturm, auf dem Störche nisten. Am Fuße des Turms, auf dem Platz vor der Kirche, steht ein gleichfalls nicht sehr anziehendes Denkmal. Es stellt die heilige Adelheid, Gründerin der Abtei Seltz dar. In Seltz, ihrem Hauskloster, wurde sie nach ihrem Tode am 17. Dezember 999 bestattet. Weder von dem Kloster, noch von der Grabstätte ist noch irgend etwas erhalten. Die Gebäude, die südöstlich der Stadt in der Rheinaue lagen, wurden schon 1307 bei einem Hochwasser des Rheins vollständig zerstört. Adelheid (die bei Hrotsvitha von Gandersheim überlieferte Namensform lautet: Aethelheitha) wurde um 931/932 in Burgund als Tochter des Königs Rudolf (Rothulf) II. von Hochburgund und seiner Frau Bertha1 geboren. Nach dem Tode Rudolfs (12./13. Juli 937) heiratete Bertha den König Hugo von Italien, der Ambitionen auf das Königreich Burgund hatte. Die damals sechsjährige Adelheid wurde mit Hugos Sohn Lothar verlobt. Zehn Jahre später (947) heiratete sie den König Lothar. Aus dieser Ehe hatte sie eine Tochter, Hemma, die 966 als Gemahlin des vorletzten Königs aus dem Hause der Karolinger, Lothars II., Königin des westfränkischen Reiches wurde. Adelheids Gemahl Lothar starb am 22. November 950 in Turin. Ob ihn der Markgraf Berengar II. von Ivrea, der ihn damals schon weitgehend entmachtet hatte und selbst das Königtum in Italien anstrebte, vergiften ließ, ist nicht erwiesen. Hrotsvitha von Gandersheim, deren Informationen doch wohl auf Adelheid selbst zurückgehen, berichtet jedenfalls nichts dergleichen.2 Adelheid war mit 19 Jahren Witwe, und sie hätte einen Nachfolger für ihren verstorbenen Mann designieren können. Um dies zu verhindern, ließ Berengar sie in Como ergreifen3 und auf der Burg von Garda gefangensetzen. Die Bedingungen der Gefangenschaft waren äußerst hart. Der Königin wurde ihr gesamter Besitz weggenommen. Von ihrem Gefolge durften nur eine einzige Dienerin und ein Priester bei ihr bleiben. Berengar ließ sie scharf bewachen. Gleichwohl gelang ihr die Flucht, deren abenteuerliche Umstände Hrotsvitha geschildert hat.4 Die Initiative dazu ging von dem Bischof Adelhard von Reggio aus, der ihrer Familie treu geblieben war: er ließ Adelheid (wohl mit Hilfe des Priesters) eine geheime Botschaft zukommen, in welcher er sie zur Selbsthilfe ermutigte. Zusammen mit ihren beiden Getreuen grub sie einen Tunnel, der aus dem Gelaß, in dem sie gefangen gehalten wurde, ins
6
Adelheid
Freie führte. Wie das gelang, ohne daß die Bewacher etwas davon merkten, wird nicht berichtet. Vielleicht waren sie bestochen worden. Vor den Häschern, die der Graf, dessen Bewachung sie anvertraut worden waren, dann auch Berengar selbst hinter ihnen herschickten, verbargen sich die Flüchtlinge tagsüber in Verstecken, die das Gelände bot, hauptsächlich aber in den hochstehenden Weizenfeldern. Es war also Sommer (951). GERTRUD BÄUMER, deren berühmter historischer Roman „Adelheid: Mutter der Königreiche" 1936 erschien, hat die bei Hrotsvitha überlieferten Ereignisse phantasievoll erweitert und ausgestaltet - was nicht immer ganz gelungen ist. So heißt es etwa einmal: „In der nächsten Nacht mußten sie in die Ebene. Da war es nicht leicht, am Tage Deckung zu finden. Einmal lagen sie im hohen Mais - während immer neue Reitertrupps über die Wege sprengten."5 Hrotsvitha erwähnt zweimal, daß sich Adelheid und ihre Begleiter im hochstehenden Getreide versteckten, ohne die Getreidesorte zu nennen. - Einmal gebraucht sie die poetische Metapher: „unter den Fittichen der Ceres". 6 - Aber Mais kann es wohl nicht gewesen sein, da derselbe erst nach der Entdeckung Amerikas, im 16. Jahrhundert, aus seinen ursprünglichen mittelamerikanischen Anbaugebieten über Spanien und Portugal zunächst in die Türkei und von dort über den Balkan nach Mitteleuropa gelangte.7 Im Spätsommer 951 unternahm der deutsche König Otto I., dessen erste Gemahlin, die Engländerin Edith, im Jahre 946 gestorben war,8 seinen ersten Zug nach Italien. Einflußreiche Männer seiner Umgebung rieten dem König zur Heirat mit Adelheid. Die erste Begegnung beider fand in Pavia, der alten Hauptstadt der Langobarden, statt. Bald darauf heiratete Otto I. Adelheid in Pavia, nachdem er Berengar in die Flucht geschlagen und das Königtum über die Langobarden in Besitz genommen hatte. Der König (geboren am 23. Oktober 912) war damals neununddreißig Jahre alt und somit etwa neunzehn Jahre älter als seine neue Gemahlin. Im Frühjahr 952 nahm er Adelheid mit nach Deutschland, wo sie sich alsbald große Sympathien bei der Bevölkerung erwarb. Sie nahm aktiven Anteil an den politischen Geschäften Ottos und wurde als „consors regni" (später als „consors imperii") an der Regierung beteiligt - zum großen Mißfallen Liudolfs, des Sohnes Ottos aus erster Ehe, und anderer Großer des Reiches, welche darauf einen Aufstand gegen den König anzettelten. 955 wurde Ottos und Adelheids gemeinsamer Sohn, der spätere Kaiser Otto II., geboren. Adelheid begleitete ihren Gemahl auf dessen zweitem (961-965) und drittem (966-972) Zug nach Italien. Am 2. Februar 962 empfing sie mit ihm zusammen in Rom durch den Papst Johannes XII. die kaiserliche Salbung und Krönung. Otto I. starb am 7. Mai 973 in Memleben und wurde im Dom zu Magdeburg bestattet. Bis 978 war Adelheid einflußreichste politische Beraterin ihres Sohnes Otto II. Dann wurde sie kaltgestellt. Zwei Jahre später gelang jedoch, auf Vermittlung des Abtes Maiolus von Cluny, die Versöhnung des Kaisers mit seiner M u t t e r . N a c h d e m frühen u n d u n e r w a r t e t e n T o d e des
Kaisers am 7. Dezember 983 in Rom führte Adelheid zusammen mit der Kai-
Mutter der Königreiche und der Klöster
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serin Theophanu, ihrer Schwiegertochter, die Regentschaft für den noch unmündigen Otto III. Bald aber geriet sie mit Theophanu in Streit und zog sich (985) nach Italien zurück. Die Kaiserin Theophanu starb am 15. Juni 991 in Nymwegen und wurde in der Kirche St. Pantaleon zu Köln bestattet. Adelheid übernahm nun erneut die vormundschaftliche Regierung des Reiches, und zwar bis zur Mündigkeit ihres Enkels Otto III. im September 994. Danach zog sie sich in die von ihr gegründete Abtei Seltz zurück, wo sie ihre letzten Lebensjahre verbrachte. Von Seltz aus unternahm sie im Jahre 999 noch einmal eine Reise durch Burgund und die heutige Westschweiz, um auf Bitten ihres Neffen Rudolf III., des Sohnes ihres Bruders Konrad, Frieden in dessen Königreich zu stiften. Sie starb, wie schon erwähnt, am 17. Dezember des gleichen Jahres in Seltz, wo sie auch begraben wurde.9 Wichtige Quellen für die Beurteilung der Persönlichkeit Adelheids sind das unvollständig erhaltene Epos „Gesta Ottonis" der Gandersheimer Nonne Hrotsvitha, das zur Glorifizierung des ottonischen Hauses geschrieben wurde und in dem vieles Negative beiseitegelassen oder geschönt ist; Hrotsvitha hat aber mit ziemlicher Sicherheit die Kaiserin persönlich gekannt und von ihr selbst einige Einzelheiten ihres bewegten Lebens erfahren; sodann die Briefsammlung Gerberts von Aurillac (des späteren Papstes Silvester II.),10 Gerbert war Domscholaster in Reims, Vertrauter des Erzbischofs Adalbero und einer der größten Gelehrten des Mittelalters.11 Während seiner Zeit als Rektor der Domschule von Reims schrieb Gerbert Briefe für verschiedene bedeutende Persönlichkeiten seiner Umgebung, unter anderem auch für die westfränkische Königin Hemma, die Tochter Adelheids. In diesen Briefen taucht gelegentlich für Adelheid die Bezeichnung „mater regnorum" (Mutter der Königreiche) auf,12 die GERTRUD BÄUMER in den Titel ihres oben erwähnten Romans aufgenommen hat. Schließlich ist noch die Lebensbeschreibung Adelheids zu nennen, die der große Abt Odilo von Cluny verfaßt hat.13 Odilo (ca. 962-1049) war als Nachfolger des Maiolus ab 994 (fünfter) Abt von Cluny. Als ihr enger Vertrauter und Seelenführer hat er die Kaiserin auf ihrer letzten Reise begleitet, und seine Lebensbeschreibung enthält eine Art Chronik dieser Reise. Darüber hinaus scheint ihm Adelheid damals vertrauliche Informationen aus ihrem früheren Leben und tiefere Einblicke in ihr Seelenleben gegeben zu haben. Odilo stellt die früh verwitwete Adelheid als Leidende und Verfolgte dar: durch Gottes Vorsehung sei ihr körperliches Leid widerfahren, damit sie nicht, jung wie sie war, durch die fleischliche Begierde von innen verbrannt würde; Gott habe sie mit so vielen Schlägen gebeugt, damit sie nicht, entsprechend dem Wort des Apostels Paulus (1 Tim 5,6), als lebende Witwe infolge ihrer Lüste tot sei. Man sieht: das ist die Sprache eines von der Welt abgewandten Mönchs, und man wird mißtrauisch. Aber Odilo fährt fort, Adelheid selbst habe ihren vertrauten Getreuen oft von den Leiden, die sie als junge Frau durchmachen mußte, erzählt, und wie Gott sie aus den Händen ihrer Feinde errettet habe. Und das ist durchaus glaubhaft. Adelheid hat
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Adelheid
demnach in den Leiden ihrer Jugend eine erzieherische Fügung Gottes gesehen, die sie für ihre späteren Aufgaben als Herrscherin tauglich machte. Über die Befreiung Adelheids aus dem Gefängnis Berengars weiß Odilo, im Gegensatz zu Hrotsvitha, keine Einzelheiten zu berichten. Aber über die Flucht erzählt er ein merkwürdiges Detail, das er zweifellos von der Kaiserin selbst erfahren hat. Als Adelheid mit ihrer Dienerin halbverhungert in den Sümpfen der Po-Ebene umherirrte, da sei ihnen ein Fischer mit seinem Kahn begegnet, der einen großen Stör gefangen hatte. Der habe sie gefragt, wer sie seien und was sie da zu suchen hätten. Adelheid habe ihm, ihrer Notlage entsprechend, geantwortet: Siehst du, daß wir hier ohne jede menschliche Unterstützung wandern und, was härter ist, in der Gefahr sind, vor Einsamkeit und Hunger umzukommen? Wenn du kannst, gib uns etwas zu essen; wenn nicht, gib uns Trost.14
Adelheid gibt also aus Vorsicht ihre Identität nicht preis, ohne jedoch zu lügen. Der Fischer aber hat Mitleid mit den beiden Frauen, und da er Feuer bei sich hat, brät er den Fisch für sie. Inzwischen kommt der Priester, der die Gefangenschaft mit ihnen geteilt hat, und meldet, daß eine Schar bewaffneter Ritter in der Nähe ist. Sie geleiten Adelheid zu einer festen Burg, wo sie vorerst in Sicherheit ist.15 Die zeitgenössischen Quellen vermitteln den Eindruck, daß Adelheids Verhältnis zu Otto I. ungetrübt war. Zweifellos hat sie die Verbindung mit dem Kaiser als von Gott gefügte Erhöhung nach den Erniedrigungen, die sie als Witwe erfahren mußte, angesehen. Was die geistigen und politischen Fähigkeiten betrifft, waren sich die beiden ebenbürtig. Das Gleiche darf man für den Einklang der Charaktere annehmen: sie waren beide gute, großherzige Menschen. Ob das Verhältnis des kaiserlichen Paares zueinander durch die „große Liebe" oder die „tiefe Leidenschaft" im modernen Sinne bestimmt war, scheint fraglich. Die mittelalterlichen Biographen reden von so etwas im allgemeinen nicht, und wenn, dann eher abwertend - was verständlich ist, da sie fast ausnahmslos Mönche und Kleriker sind. Nebensächlich sind für sie auch andere „weltliche" Dinge, die den heutigen Leser interessieren würden. Zum Beispiel: In welcher Sprache haben Otto und Adelheid sich unterhalten? Adelheid war in Burgund geboren, das heißt: im (alt-)französischen Sprachgebiet. Und Otto? Uber seine Sprachenkenntnisse gibt es eine wertvolle Notiz, die Widukind von Corvey im Zusammenhang seiner Beschreibung der Persönlichkeit des Kaisers gibt: Er hatte eine überaus bewundernswerte Begabung; denn nach dem Tode der Königin Edith lernte er das Lesen, das er vorher nicht beherrscht hatte, so gut, daß er Bücher in vollem Umfang lesen und verstehen konnte. Außerdem konnte er auch die französische und die slavische Sprache. Aber er geruhte sie nur selten zu benutzen."
Mutter der Königreiche und der Klöster
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Wir sehen jetzt: Adelheid konnte sich mit ihrem Gemahl in der gleichen Sprache unterhalten, in der sie, gegen Ende ihres Lebens, mit ihrem Biographen Odilo sprach, nämlich in ihrer altfranzösischen Muttersprache. Man kann aber annehmen, daß sie auch deutsch sprechen konnte; denn ihre Mutter Bertha war ja Schwäbin. Nach der Darstellung Odilos begann für Adelheid nach dem Tode Ottos I. eine neue Leidenszeit. Zunächst machte ihr die Schwiegertochter Theophanu das Leben schwer. Die „Griechin" scheint sie kräftig gehaßt zu haben, und die Entfremdung, die zwischen Adelheid und ihrem Sohn Otto II. zeitweilig eintrat, ist gewiß auch auf ihren Einfluß zurückzuführen. Odilo hat einen denkwürdigen Satz der Theophanu überliefert: Wenn ich auch nur noch ein Jahr länger lebe, dann wird Adelheid auf der ganzen Welt über nicht mehr herrschen, als man mit einer Handfläche umspannen kann.'7
Er vermerkt dann mit Genugtuung, daß es dazu nicht kam: Theophanu starb kaum vier Wochen, nachdem sie die gehässige Äußerung gegen ihre Schwiegermutter getan hatte; die göttliche Gerechtigkeit hatte den unbedacht dahingesagten Satz wahr werden lassen. Odilo spricht von einer Lebenshaltung der Trauer bei Adelheid, was sie aber nicht daran hinderte, tatkräftig die politischen Geschäfte zu führen. Sie erwägt die Leiden, die sie von Fremden und Eigenen erdulden mußte, empfindet aber keinerlei Rachegefühle, in Erinnerung an das Wort Gottes: „Mein ist die Rache, ich werde vergelten" (Deut 32,35; Rom 12,19). Sie weiß, daß sie durch ihre Leiden Anteil gewinnt an der Passion Christi (nach 2 Cor 1,7) und „daß die Leiden dieser Zeit in keinem Verhältnis stehen zu der bevorstehenden Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird" (Rom 8,18). Um ihrem politischen Werk von der religiösen Seite her einen Bestand zu sichern, es gewissermaßen im Jenseits zu verankern, gründete sie drei Klöster. Odilo hat diesen Zusammenhang hergestellt, wenn er sagt: So viele Königtümer sie nämlich nach Gottes Willen innegehabt hatte - zuerst mit dem Kaiser, sodann mit dessen Sohn und dessen Enkel, den kaiserlichen Ottonen - ebenso viele Klöster gründete sie aus ihren eigenen Mitteln zu Ehren des Königs der Könige.18
Es waren drei benediktinische Männerklöster: Payerne (Paterniacum; Peterlingen), wo sie über dem Grab ihrer Mutter eine prächtige Kirche errichten ließ. Die heutige romanische Klosterkirche ist nicht mehr diejenige Adelheids, sondern deren im 11. und 12. Jahrhundert errichteter Nachfolgebau. Aber nach Entfernung der Einbauten der Reformationszeit in ihrer ursprünglichen Schönheit vorbildlich restauriert, läßt sie den verständigen Betrachter doch noch etwas vom Geist der Stifterin ahnen.19 Als rechtmäßige Königin der Langobarden gründete Adelheid dann nahe bei Pavia (iuxta Ticinensem urbem in Italia) ein weiteres Kloster. Ihre letzte Stiftung schließlich ist die Ab-
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Adelheid
tei Seltz am Rhein (Salsa; Selz), die sie zu ihrer Grabstätte bestimmte. Erster Abt war Ecemannus, ein gelehrter Mönch, der sie in die Heilige Schrift eingeführt hatte. Der Bischof Widerald (Wilderod) von Straßburg weihte die Abteikirche am 18. November 996 in Gegenwart des Kaisers Otto III. 20 Der Biograph erwähnt, daß sie außer ihren Gründungen noch zahlreiche andere Klöster mit Zuwendungen bedachte, daß sie auch den Armen gegenüber eine freigebige Hand hatte und dafür ihren kaiserlichen Schmuck veräußerte. Ihre letzte Reise, auf der sie der damals noch jugendliche Abt Odilo begleitete, war in politischer Hinsicht eine Friedensreise, in religiöser Hinsicht eine Pilgerfahrt zu den ihr teuren Grabstätten und großen Wallfahrtsorten im Gebiet der heutigen Westschweiz.21 Ihr erstes Ziel war Payerne - das Grab der Mutter! Dann zog sie nach St-Maurice (Agaunum), der altehrwürdigen Abtei an der oberen Rhône, an der Paßstraße über den Großen St. Bernhard. Dort war ihr Vater, König Rudolf II., im Jahre 937 bestattet worden. Aber dort ruhten auch die Reliquien des heiligen Mauritius, des Anführers der legendären Thebäischen Legion und besonderen Patrons des abendländischen Kaiserreichs, und einiger seiner Gefährten. Rudolf II. hatte dem deutschen König Heinrich I. im Jahre 926 oder 935 (man weiß es nicht so genau) die Heilige Lanze geschenkt, die später zu einem der großen Reichsinsignien wurde.22 In der Abteikirche von Agaunum-St-Maurice versenkte sich die Kaiserin in meditativem Gebet in das Leiden der dort bestatteten römischen Märtyrer in der Weise, daß sie in ihren Gefühlen gewaltig aufgewühlt wurde: Mit welcher Andacht, mit welcher Ehrfurcht erbat sie die Fürbitten des großen Märtyrers Mauritius und seiner Gefährten! Wie oft stöhnte sie dort auf? Wie oft seufzte sie? Wie viele Bekundungen der Trauer äußerte sie? Wie viele Tränenströme vergoß sie?25
Der Biograph nimmt dies zum Anlaß, über die Religiosität Adelheids ganz allgemein und über ihr Zeitgefühl eine wichtige Bemerkung zu machen. Diese Bemerkung ist umso bedeutsamer, als hier einer spricht, der den Charakter der Kaiserin sehr gut kannte: Am allermeisten empfand sie Trauer wegen ihres liebevollen Mitleidens für alle, die vom Gesetz Gottes abwichen ... Die Sünden von anderen beweinte sie so, wie viele nicht einmal ihre eigenen Fehler beweinen können. Sie empfand Freude über die Würde (gravitas!) und die Fortschritte der Menschen der Vergangenheit; sie empfand täglich Trauer über das Versagen der Menschen der Gegenwart, vor allem aber derjenigen der Zukunft. Wenn ich aber von der Zukunft spreche, dann meine ich damit, daß sie ganz zweifellos den Geist der Prophetie besaß.24
Odilo führt hier das, was er vorher schon über die Lebenshaltung der Trauer bei Adelheid gesagt hat, weiter aus. Demnach hing das Herz dieser großen alten Dame bewundernd an der Größe der Menschen vergangener Zeiten; bezüglich der Menschen und Verhältnisse der Gegenwart und der in der Zukunft zu erwartenden Ereignisse war sie von Pessimismus und Trauer erfüllt.
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Doch nun wird das Leid gewaltig. Und wiederum gewinnt diese große tragische Szene des Mittelalters 25 dadurch eine besondere Eindringlichkeit, daß es ein Augenzeuge ist, der sie uns mitteilt. Beim Weggang aus dem Heiligtum verweilt die Kaiserin noch einmal betend in einer Ecke der Kirche. Da trifft, zweifellos über den Paß des Großen Sankt Bernhard kommend, ein Bote aus Italien ein. Er meldet, daß der Bischof Franco von Worms in Rom gestorben sei. Der mit Adelheids jugendlichem Enkel Otto III. ungefähr gleichaltrige Bischof befand sich in der engsten Umgebung des Kaisers. Wie der Biograph seines Bruders Burkhard, der sein Nachfolger als Bischof von Worms wurde, schreibt, wurde er trotz seiner Jugend einer der wichtigsten politischen Berater Ottos III.26 Aber der Kaiser fand in Franco auch einen Gefährten seines religiösen und mystischen Erlebens. Im Sommer zog er sich mit ihm zusammen in eine Höhle bei der Basilika S. Clemente zurück, wo beide gemeinsam vierzehn Tage in Gebet und Fasten verbrachten. Man erzählte auch, sie hätten dort häufig göttliche Visionen und Auditionen erlebt. Ende Juli 999 unternahm Otto III. in Begleitung Francos eine Bußwallfahrt nach Subiaco, zur Heiligen Höhle (Sacro Speco) des Mönchsvaters Benedikt von Nursia. Einen Monat später, am 28. August, starb Franco und wurde in Rom beerdigt. Seine Grabstätte ist unbekannt. 27 Nachdem sie die Botschaft vom Tod Francos erhalten hat, spricht die Kaiserin zunächst ein sehr persönliches, frommes Gebet, in dem sich gleichwohl Ratlosigkeit, Entsetzen und Niedergeschlagenheit widerspiegeln: Was soll ich denn jetzt tun, Herr, oder was soll ich sagen von unserem Herrn da unten, meinem Enkel? Viele, glaube ich, werden mit ihm in Italien zugrunde gehen. Nach ihnen furchte ich, ach ich Arme! wird der so kaiserlich gesinnte Otto zugrunde gehen! Ich werde zurückbleiben ohne jeden menschlichen Trost. Es sei fern, o Herr, König der Zeiten, daß ich einen so traurigen Verlust noch erleben muß!28 Dann übermannt sie das Leid. Sie legt sich flach auf den Boden. Abt Odilo, der fromme Mönch, deutet diesen gewaltigen Gestus als Annäherung an die Spuren des Märtyrers Mauritius. 29 Das wird nicht unbedingt falsch sein. Das Religiöse und das Menschliche sind im Charakter dieser Frau eine Einheit. Dennoch: es ist vor allem der Schmerz um den Verlust eines geliebten Menschen, der hier kurz und elementar zum Ausbruch kommt. Der so plötzlich verstorbene junge Bischof war nicht nur ein enger Freund und Gefährte ihres Enkels, sondern, wie Odilo fast nebenher bemerkt: „Die Frau Kaiserin liebte ihn sehr."30 Die Einrahmung des entscheidenden Satzes: „Domna Augusta valde illum diligebat" enthält in der vorausgehenden Begründung („Und weil er ein Mann von gutem Leumund war") und in der nachfolgenden Verallgemeinerung („weil sie alle guten Menschen zu lieben pflegte") eine doppelte Abschwächung, die der mönchische Biograph offenbar für notwendig gehalten hat. Damit wird aber nicht die Gewalt des Schmerzes erklärt, und durch den ungeschickten Versuch der Zurücknahme wird der Satz gerade auffällig.
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Nach diesem denkwürdigen Ereignis setzte die Kaiserin Adelheid ihre Reise fort. Ihre nächsten Ziele waren zwei bedeutende Wallfahrtsstätten am Genfer See. Von St-Maurice zog sie am Südufer des Sees entlang zunächst nach Genf. Dort befand sich das Kloster St. Viktor, ein der Abtei Cluny unterstelltes Priorat, wo ebenfalls das Grab eines Märtyrers der Thebäischen Legion verehrt wurde. Jeanne de Jussie, die Genfer Klarisse und spätere Äbtissin, hat in ihrer Chronik eindrucksvoll die Zerstörung dieses uralten Gnadenortes durch die Bürger von Genf Anfang August 1534 geschildert.31 Von Genf aus zog Adelheid am Nordufer des Sees entlang nach Lausanne, einem der großen Marien-Wallfahrtsorte des Mittelalters, wo sie in der Kathedrale das Gedächtnis der Gottesmutter feierte. Die nächste Station der Reise war Orbe, wo sie bei einer Zusammenkunft ihres Neffen, des Königs Rudolf III., mit dem burgundischen Adel Frieden stiftete. Von Orbe aus sandte sie Geschenke nach Fleury (St-Benoît-sur Loire), wo das Grab des heiligen Benedikt verehrt wurde, an den Abt Maiolus von Cluny, „der schon durch die himmlische Glorie gekrönt war",32 und an den heiligen Martin von Tours. Diese Heiligen waren zwar schon gestorben, aber nach Auffassung der mittelalterlichen Zeitgenossen lebten sie an ihren Grab- und Gedächtnisstätten als virtuelle, geistige Personen weiter.33 An Sankt Martin übersandte Adelheid einen Teil des Kaisermantels (Chlamys) ihres Sohnes Otto II. als Altardecke. Dabei schärfte sie dem Überbringer die Worte ein, mit denen er den Heiligen anreden sollte: Ich bitte dich, mein Lieber, ich bitte dich inständig, daß du den hochheiligen Priester folgendermaßen anredest: „Nimm, Priester Gottes, mir zu Gefallen die kleinen Geschenke an, die Adelheid dir zugedacht hat, die Magd der Diener Gottes, aus sich heraus Sünderin, durch Gottes Gnade Kaiserin. N i m m einen Teil des Mantels meines einzigen Sohnes, des Kaisers Otto, an und bitte für mich zu dem, den du durch Teilung deines Kleides in dem Armen bekleidet hast: Christus." 34
Abt Odilo schildert auch den bewegten Abschied, den die Kaiserin von ihm genommen hat, und er zitiert die letzten Worte, die sie an ihn richtete: Denke an mich, mein Sohn, in deinen Meditationen! U n d du sollst wissen, daß ich dich mit leiblichen Augen nicht mehr sehen werde. Wenn ich aus den menschlichen Verhältnissen hinausgegangen bin, dann vertraue ich meine Seele den Gebeten der Brüder an.35
Der, dem sie hier ihre Seele anvertraut, ist nicht irgend einer von vielen tausend für das Bestehen der Welt und das Heil der Seelen betenden Mönchen des Mittelalters, sondern der Stifter des Allerseelen-Kultes und des Allerseelen-Festes,36 welche von den Reformatoren im 16. Jahrhundert heftig bekämpft und abgeschafft,37 von den Katholiken im 20. Jahrhundert, im Gefolge der sogenannten Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils, ins kultische Abseits gedrängt wurden.
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In ihre Abtei Seltz zurückgekehrt, nimmt Adelheid keine Kenntnis mehr von den „weltlichen Geschäften" (saecularia negotia). Sie hat keinen Wunsch mehr, als „von diesem Todes-Leib" befreit zu werden (Rom 7,24) und „bei Christus zu sein" (Phil 1,23). In ihren letzten Tagen soll sie das oft gesagt haben.
2 HROTSVITHA VON GANDERSHEIM
Dramatikerin der Jungfräulichkeit Hrotsvitha (Hrotsvith; Roswitha) lebte in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in dem adeligen Damenstift Gandersheim, einer Gründung der ottonischen Familie.1 Viel mehr ist von ihren Lebensumständen nicht bekannt. In dem Stift Gandersheim waren vor allem Töchter des sächsischen Hochadels als sogenannte Kanonissen untergebracht. An ihrer Spitze stand eine Äbtissin, die meistens Angehörige des kaiserlichen Hauses war. Zur Zeit Hrotsvithas war es Gerberga II., Tochter Heinrichs von Bayern, des Bruders Kaiser Ottos I. Der Äbtissin Gerberga ist ein Teil der Werke Hrotsvithas gewidmet. Hrotsvitha ist die erste und zugleich die bedeutendste Dichterin des Mittelalters. Ihre Dichtungen umfassen drei literarische Genera, die nahe miteinander verwandt sind: 1. Verslegenden, das heißt, in daktylischen Hexametern gedichtete Heiligenlegenden; 2. dramatische Dialoge, auch „Lesedramen" genannt; 3. historische Epen, wie „Die Taten Ottos" und „Die Anfänge des Klosters Gandersheim", die wie die Heiligenlegenden in Hexametern abgefaßt sind.2 Generalthema der Legenden und Dramen Hrotsvithas ist die Keuschheit oder Jungfräulichkeit, verkörpert zumeist in Frauengestalten, die von der lasterhaften Begierde, verkörpert in Männergestalten, bedroht wird. Manchmal sind es allerdings auch heilige Einsiedler, Eremiten, die Huren bekehren und vor der Verderbnis retten. Literarisches Vorbild der Dramen und zugleich Gegenstand der Auseinandersetzung sind die Komödien des römischen Dichters Terenz, die damals in gebildeten Kreisen eifrig gelesen wurden. Um über den Stand der Bildung im ottonischen Zeitalter ein Wort zu sagen: Man muß sich von der noch immer verbreiteten Vorstellung verabschieden, daß das 10. Jahrhundert in kultureller und literarischer Hinsicht eine Wüste war. Am Hofe der Ottonen hielten sich bedeutende Gelehrte, wie die Bischöfe Luitprand von Cremona und Rather von Verona auf. Sie sind ebenso wie Widukind von Corvey und Thietmar von Merseburg sachkundige Historiker und aufmerksame Beobachter des Zeitgeschehens. Hochgelehrt war der Erzbischof-Herzog Brun (925-965), der jüngste Bruder Ottos I., mit dem sich Hrotsvitha auseinandergesetzt hat. Gerbert von Aurillac, Domscholaster, dann Erzbischof von Reims, danach Erzbischof von Ravenna und schließlich Papst (Silvester II.) war einer der gelehrtesten Männer des Mittel-
alters. Hauptsächlich durch Ausstellungen sind in den letzten Jahren die
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überragenden Kunstwerkstätten der Bischöfe Egbert von Trier und Bernward von Hildesheim in das Bewußtsein der Allgemeinheit gerückt worden. 3 Zentren der Bildung und Wissenschaft im ottonischen Zeitalter waren die Abteien Reichenau, St. Gallen, St. Emmeram in Regensburg (heute als fürstliches „Schloß" Wohnsitz der Fürstin Mariae Gloria von Thurn und Taxis), und nicht zuletzt das Damenstift Gandersheim, in dem Hrotsvitha lebte. Bemerkenswert ist der hohe Bildungsstand der Frauen dieses Konvents. Hrotsvitha wurde in den philosophischen Disziplinen von einer Lehrerin namens Rikkardis und der späteren Äbtissin Gerberga unterrichtet, die ihrerseits ihre Ausbildung bei den Mönchen von St. Emmeram erhalten hatte. Über Sinn und Zweck ihrer Dichtungen hat Hrotsvitha in ihrer zweiten Vorrede, die am Beginn ihrer sechs dramatischen Dialoge steht, Auskunft gegeben:4 Es gibt zahlreiche Katholiken - und auch wir können uns nicht ganz von diesem Tatbestand freisprechen - die wegen der gehobenen Sprachkultur den nichtigen Glanz der heidnischen Bücher dem Nutzen der heiligen Schriften vorziehen. Es gibt auch andere, die sich beständig mit den heiligen Schriften beschäftigen und die anderen Werke heidnischer Schriftsteller verachten, dennoch aber die Dichtungen des Terenz immer wieder aufs neue lesen, und die, während sie sich an seiner angenehm eingängigen Sprache erfreuen, durch die Kenntnisnahme unsäglicher Dinge beschmutzt werden. Deshalb habe ich, die „Durchdringend laute Stimme von Gandersheim",5 keine Bedenken gehabt, ihn beim Diktieren meiner Werke nachzuahmen, während andere sich seiner beim Lesen annehmen, damit in derselben literarischen Gattung, in der das schändliche Treiben zügelloser Frauen seinen sprachlichen Ausdruck fand, nunmehr die lobenswerte Keuschheit heiliger Jungfrauen entsprechend der Fähigkeit meines geringen Talentes geschildert werde. Das aber läßt mich nicht selten vor Scham erröten und durchdrungen werden, daß ich, gezwungen durch diese Art des Diktierens, die abscheuliche Verrücktheit der in sündiger Weise sich Liebenden und ihre in schlimmer Weise betörenden Gespräche, die wir eigentlich nicht einmal hören dürften, beim Diktieren in meinem Geist durchgegangen bin und sie niederschreiben ließ. Doch wenn ich das aus Scham unterließe, dann könnte ich weder mein Vorhaben verwirklichen, noch das Lob der Schuldlosen so gut nach meinem Können darlegen. Denn je geeigneter das Liebesgeflüster der Verrückten zur Verführung ist, desto höher ist auch der Ruhm des göttlichen Helfers, und der Sieg der Uberwinder erweist sich umso ruhmvoller, vor allem dann, wenn die Schwachheit der Frau den Sieg erringen und die Stärke des Mannes der Konfusion unterliegen sollte. Ich zweifle nicht daran, daß einige mir vorwerfen werden, daß die Gemeinheit dieser Ausdrucksweise viel niedriger, viel beschränkter als die Sprache desjenigen ist, den nachzuahmen ich mir vornahm, ja überhaupt nicht an diese heranreicht. Ich gebe das zu. Ich sage aber denselben Leuten, daß man mich nicht aus dem Grunde tadeln kann, als ob ich in unzulässiger Weise einen Vergleich mit denen suchte, welche die Ungeschicktheit meiner Person in einer höheren Wissenschaft bei weitem übertroffen haben. Denn ich bin nicht so eingebildet, daß ich mir anmaßen würde, mich auch nur den allerletzten Schülern der Schriftsteller zu vergleichen. Vielmehr erstrebe ich nur dieses eine, daß ich, wenn ich auch in keiner
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Hrotsvitha von Gandersheim Weise zu etwas tauge, doch das empfangene Talent im Geist demütiger Ergebenheit auf seinen Geber zurückwende. Deshalb bin ich nicht so verliebt in mich selbst, daß ich, um dem Tadel zu entgehen, aufhörte, die Kraft Christi zu preisen, der in den Heiligen wirkt, wo immer er mir die Fähigkeit dazu gibt. Wenn meine fromme Gesinnung jemandem gefällt, dann will ich mich freuen. Wenn ich aber, sei es wegen meiner Niedrigkeit, sei es wegen meiner fehlerhaften und ungehobelten Sprache, niemandes Beifall finde, so freut doch das, was ich geschaffen habe, mich selbst, weil ich meine eigene unbedeutende Arbeit, die in den anderen Kleinwerken meiner Unwissenheit mit dem heroischen Versmaß verbunden ist, in der Reihe der folgenden Dramen in gebundener Form zur Darstellung bringe und so durch Enthaltsamkeit die gefährlichen Lüste der Heiden vermeide.
Es ist hier so etwas wie das Programm der Dichterin ausgesprochen: der heidnische Dichter Terenz soll gewissermaßen umgedreht werden, ohne daß die Wirkung verlorengeht. An die Stelle der von Terenz besungenen unaussprechlichen Schweinereien soll der Wert der Keuschheit und Jungfräulichkeit treten, die stilistischen, formalen Mittel des Heiden aber sollen möglichst erhalten bleiben. Dabei ist sich Hrotsvitha durchaus bewußt, daß sie hier eine Gratwanderung unternimmt: beim genauen Durchgehen der Liebesszenen des Terenz setzt sie sich selbst der Verführung aus, und, indem sie das Liebesgeflüster in ihre Neugestaltung übernimmt, ebenso die Leser. Aber je verlockender die Versuchung ist, umso ruhmvoller ist deren Uberwindung mit Hilfe Christi, besonders wenn auf diese Weise die angebliche Schwäche der Frau sich der Stärke des Mannes überlegen erweist. Die Überlegenheit der Frau über den Mann zeigt sich nach Hrotsvitha in der Bewahrung der Keuschheit, dem Nicht-Nachgeben gegenüber der Begierde des Mannes. Wenn es ihr auch gelingt, dies in ihren Dramen aufzuzeigen, so setzt sie sich doch hinsichtlich der sprachlichen Form dem Vorwurf aus, daß ihre Ausdrucksweise noch gemeiner und primitiver ist als die des Terenz. Hrotsvitha akzeptiert diesen Vorwurf; aber sie läßt sogleich durchblicken, von welcher Seite er kommt: von den Vertretern „einer höheren Wissenschaft", und das heißt doch wohl: aus Kreisen des in der wissenschaftlichen Theologie gebildeten Mönchs- und Hochklerus. Hrotsvitha möchte sich mit den Talenten dieser Leute nicht messen, da sie sich bewußt ist, mit ihren geistigen Fähigkeiten an sie bei weitem nicht heranzureichen. Aber der Hinweis auf ihre „Ungeschicklichkeit", „Untauglichkeit" und „Niedrigkeit" ist reine Ironie. Sie ist nämlich fest davon überzeugt, daß Gott ihr ihre Fähigkeit gegeben hat und die Kraft Christi in ihr wirkt. Dieses Selbstbewußtsein geht so weit, daß sie behauptet, sie könne auf den Beifall anderer auch verzichten und für sich allein an ihrer Arbeit Freude und Genugtuung empfinden. Bemerkenswert ist der Hinweis am Schluß der Vorrede: Hrotsvitha legt sich, im Gegensatz zu dem in den Heiligenepen verwendeten heroischen Versmaß (das heißt, dem daktylischen Hexameter und Pentameter), eine einfachere Sprachform auf. Sie sieht darin eine „Enthaltsamkeit" (abstinendo!),
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eine Art von schriftstellerischer Keuschheit also, um so auch im Bereich der sprachlichen Ästhetik den heidnischen Verlockungen einen Widerstand entgegenzusetzen. In der Forschung hat man vermutet, der geheime Adressat dieser Vorrede sei der mächtige und hochgebildete Brun (Bruno), Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen, dessen Lieblingsschriftsteller Terenz war. 6 Als sicher kann gelten, daß Hrotsvitha ihre Kritiker in den Kreisen des theologisch gebildeten Hochklerus sah und ihre Werke tatsächlich von diesen Leuten aufmerksam gelesen wurden. Kann man mehr sagen? Uber den Erzbischof Brun schreibt sein Biograph Ruotger: Die skurrilen und komödiantenhaften Dinge, die von verschiedenen Leuten in ihren Lustspielen und Tragödien herausgebracht werden und über die sich manche schütteln, indem sie vor endlosem Lachen bersten, die las er immer voller Ernst durch. Denn er hielt den Inhalt für das Unbedeutendste, das in der Darstellung zum Ausdruck kommende Gewicht dagegen für das Wichtigste.7
Demnach hätte Brun vor allem auf die Form, die sprachliche Komposition der ihm vorgelegten „modernen" Dramen Wert gelegt, an deren witzigem Inhalt aber kaum Interesse gezeigt. (Es geht hieraus übrigens hervor, daß Hrotsvitha nicht die einzige Dichterin ihrer Zeit war). Der dies schreibt, ist ein Kleriker, der seinen verstorbenen Erzbischof als Heiligen stilisieren möchte. Aber aus seinem reichlich produzierten hagiographischen Schwulst läßt sich immerhin soviel erkennen, daß Brun ein hochgebildeter „Humanist" war - was allein schon aus dessen bemerkenswerter Bücherfreundlichkeit hervorgeht. Daß ihm der Inhalt, sowohl der antiken wie der zu seiner Zeit gedichteten Dramen, mehr oder weniger gleichgültig gewesen wäre, ist absolut unglaubwürdig. Ruotger hat in anderem Zusammenhang, wo er berichtet, daß die vor den Uberfällen der Normannen Flüchtenden bei dem Erzbischof Zuflucht suchten, eine berühmte sprichwortartige Sentenz aus dem „Selbstquäler" (Heautontimorumenos) des Terenz zitiert: Die Vorsorge unseres Chefs - der wußte, daß er ein Mensch war und deshalb überzeugt war, daß ihm nichts Menschliches fremd sei - brachte es zustande, daß alle zu ihm wie zu einem absolut sicheren Hafen ihre Zuflucht nahmen, welche Ruhe und Frieden liebten.8
Zwar meint der Biograph hier mit dem „humanuni" die menschliche Not, die dem Erzbischof trotz seiner herausgehobenen Stellung nicht fremd war, aber man darf dieses Urteil doch wohl auf seinen Charakter überhaupt ausdehnen. In welchem Verhälnis stand Hrotsvitha zu Brun? Sah sie in ihm so etwas wie eine Vaterfigur, an der sie sich gelegentlich rieb? Oder war sie tatsächlich seine Tochter? Das wäre eine reine Vermutung. Es gibt aber einige Anhaltspunkte, die eine solche Vermutung nicht ganz abwegig erscheinen lassen. Brun, jüngster Bruder Ottos I., wurde im Jahre 925 geboren. Im Alter von vier Jahren
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wurde er dem Bischof Baldrich von Utrecht zur Erziehung übergeben,9 wohl in der Absicht, ihn dem geistlichen Stand zuzuführen. Daß er damit seine Zeugungsfähigkeit verloren hätte, ist nicht anzunehmen. Später zog ihn sein Bruder an den kaiserlichen Hof, wo er lebte, bis er im Jahre 953, im Alter von 28 Jahren, zuerst zum Herzog von Lothringen, dann zum Erzbischof von Köln erwählt wurde. Er starb mit 40 Jahren am 11. Oktober 965 und wurde in der Abteikirche St. Pantaleon zu Köln bestattet. Wäre Hrotsvitha kurz nach 940 geboren, dann hätte sie ihre Dramen im Alter von etwa 22 Jahren, um 962964 verfaßt - eine Annahme, die vielleicht etwas gewagt, aber doch keineswegs unmöglich ist. Auffällig und ungewöhnlich ist das große Selbstbewußtsein, das in allen Werken Hrotsvithas deutlich zutage tritt. So spricht nicht irgend eine Nonne, die etwa aus dem niederen Adel Sachsens stammen würde, sondern eine Frau, die sich ihrer hohen - wenn auch nicht offen nennbaren - Herkunft bewußt ist. Sie redet mit den Mitgliedern der kaiserlichen Familie zwar höflich und ehrfürchtig, doch als durchaus Gleichrangige.10 Heiligenlegenden Wir sagten schon, daß Jungfräulichkeit der zentrale Begriff ist, um den Denken und Dichten der Hrotsvitha kreisen. Bereits ihr erstes Gedicht „Maria" ist eine Hymne der Virginität. Das Proömium beginnt feierlich, in elegischen Distichen: Einzige Hoffnung der Welt, des Himmels glorreiche Herrin, Mutter des Königs bist du, leuchtender Meeresstern. Hast der Welt das Leben erneuert, erhabene Jungfrau; Preisgegeben hat es Eva, die Alte, vormals. Laß dich herab und steh in Güte nun bei Hrotsvitha: Dienerin ist sie ja dir, neu ihr bescheidenes Lied. Hilfe verlieh bei dem Werk der Beistand der weiblichen Muse, Demütig sing ich es dir in daktylischem Maß. Wünschen möchte ich mir, einen winzigen Teil zu erlangen Jenes Lobs, das dir, Jungfrau, so herrlich gebührt, Wenn ich deinen Ursprung erzähl', deine ruhmvolle Herkunft, Auch besinge den Sohn, Christus den König der Welt.
Da ja die Evangelien über Maria bekanntlich nur spärliche Nachrichten enthalten, zieht Hrotsvitha die apokryphe Tradition heran. Es scheint ihr eine Handschrift des sogenannten Pseudo-Matthäus-Evangeliums vorgelegen zu haben, eines der zahlreichen apokryphen Evangelien, die aus dem Protevangelium Jacobi entstanden waren. Das wohl schon aus dem zweiten Jahrhundert stammende Protevangelium des Jacobus enthält unter anderem die ausführliche Geschichte der Eltern Marias und einen Bericht über ihre Erziehung im Tempel zu Jerusalem." Das Leben, das Maria im Tempel führt, ist nach Darstel-
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lung Hrotsvithas das einer Nonne: Chorgebet, Handarbeit, Studium heiliger Texte. Der Hohepriester Abiathar und die übrigen Priester wollen Maria verheiraten: Wird nicht Gott verehrt und seiner Macht entsprechend gepriesen In des jüdischen Volks gesetzlich gebotener Nachkunft? Keinesfalls darf ein solches Mädchen ehelos bleiben!
Antwort Marias: Ihnen antwortet drauf mit festem Herzen die Jungfrau: Gott hat doch Freude daran, im reinen Tempel zu wohnen Und in nüchternen Herzen, und freut sich nicht an denen, Die mit Sünde befleckt die zügellose Begierde.
Man muß sich vor Augen halten, daß es hier nicht um die Verführung zu einer unmoralischen Handlung geht, sondern um die normale Verehelichung. In der mönchischen Weltsicht und Moral gibt es aber keinen Unterschied zwischen ehelicher und außerehelicher Begierde. Die Sexualität als solche ist crimen magnum·, eine große Verfehlung. Nur die Enthaltsamen, die Jungfrauen erlangen die himmlische Krone. Maria führt dafür den schriftkundigen Priestern zweier jüdische virgines als Beispiele an: Abel und Elias. Glauben wir doch, daß Elias das himmlische Reich erlangte Mit seinem wahren Leib, denn er blieb ja kraftvoll jungfräulich; Niemals nämlich beschmutzt' er den Leib mit bitteren Flecken. Dieses hab' ich gelernt mit Gewißheit aus dem Gesetze, Und ich hab'es mir eingeprägt ganz fest in der Seele, Und ich habe gelobt, jungfräuliche Keuschheit zu halten.
Die Priester wollen aber dem Gesetz Genüge tun, so wie sie es verstehen, und Maria wird mit Joseph verheiratet. Die Jungfräulichkeit Mariens wird auch durch die Geburt des Kindes nicht verletzt. Die zentrale Szene ist die, in welcher die Hebamme Salome, die an das Wunder nicht glaubt, versucht, die Probe aufs Exempel zu machen. Die andere Amme, Zelemi, verkündet das Wunder: es besteht darin, daß die Brüste der gattenlosen Jungfrau sich mit Milch füllen, die Mutter ohne Schmerzen gebiert und das Kind ohne maculatio bleibt, das heißt, nicht durch Kot und Urin beschmutzt wird. Für den Sohn der Jungfrau trifft also das Sprichwort: „Inter urinas et faeces nascimur" nicht zu. Salome aber glaubt das nicht und will sich von der intakt gebliebenen Jungfräulichkeit auf handgreifliche Art überzeugen: Deshalb dringt sie ein und streckt verwegen die Hand aus, Um die keusche Maria mit frecher Hand zu betatschen.
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D i e Gottesstrafe für den Unglauben folgt auf dem Fuße: die neugierige H a n d wird mit Lähmung und dazu noch mit heftigen Schmerzen bestraft. Ist das nicht ein mechanisches, „naturalistisches" Verständnis von J u n g fräulichkeit? G a n z gleich, wie wir es qualifizieren wollen - über das ganze Mittelalter hin herrscht die Auffassung, daß die Jungfräulichkeit körperlich ist, erkennbar und ertastbar am Zustand des weiblichen Geschlechtsorgans. A b e r es gibt daneben auch eine andere Auffassung, wie wir noch sehen werden. A u c h in der zweiten Verslegende, „Himmelfahrt des H e r r n " (Ascensio D o m i n i ) ist die Keuschheit ein zentrales Thema. D e r Abschied nehmende, in den H i m m e l auffahrende Christus sagt zu Maria: Sei nun nicht traurig, ich bitt' dich, mein liebes, keusches Fräulein ... Denn ich habe dich ja allein vor allen den andern Keusch gefunden und wert, meinen heiligen Leib zu gebären ... Doch nun befehl' ich, daß bei dir der treue Johannes verharre Edelsteinen gleich erglänzt sein jungfräuliches Leben Daß auch dein ruhmvolles Leben noch heller erstrahle, wenn es Nunmehr öfter der dienstbare Geist der Keuschheit umheget. Hrotsvitha hat noch weitere Verslegenden verfaßt, in welchen das Schicksal von Heiligen geschildert wird. I n dem „Pelagius" ist ein fast noch zeitgenössisches Ereignis behandelt, nämlich der Märtyrertod des schönen Knaben P e lagius im Jahre 925 zu C o r d o b a , der Hauptstadt des Kalifen A b d er-Rahman I I I . ( 9 1 2 - 9 6 1 ) . Geschichtlicher Hintergrund ist der Aufstand der Christen in Galizien gegen die muslimische Herrschaft im Jahre 921. D i e Christen werden vernichtend geschlagen und müssen Geiseln stellen, darunter den zehnjährigen Sohn des Fürsten, Pelagius. 12 D i e in Haft gehaltenen Geiseln wissen, daß der Kalif das „sodomitische Laster" kultiviert, also homosexuellen Praktiken huldigt. N a c h drei Jahren Kerkerhaft wird der Knabe Pelagius dem Kalifen vorgeführt, der ihn von den Fesseln befreien, ihn baden und kostbar einkleiden läßt. D e r Kalif entbrennt in Liebe zu dem schönen Jüngling und sucht die Vereinigung mit ihm. Zunächst versucht er ihn zu küssen, was aber Pelagius verweigert. Dann will er ihn mit süßen Worten verführen, um schließlich erneut einen gewaltsamen K u ß zu versuchen. Hrotsvitha schildert genau, wie er das anstellt: So sagt er und drückt mit der rechten Hand des Märtyrers Mund zusammen, umfaßt mit der linken den Hals, den heil'gen: Wenigstens einen Kuß möchte' er auf die Lippen ihm drücken. Pelagius schlägt darauf dem Kalifen auf die Nase, daß das Blut spritzt und in den Bart träufelt. N a c h verschiedenen Martern und Wundertaten wird der keusche Jüngling schließlich enthauptet. Bemerkenswert ist die Ausführlichkeit, mit der die sexuelle Annäherung geschildert wird; sie ist ebenso auffällig
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wie die Breite bei den verführerischen Worten des Kalifen. Hrotsvitha badet das Geschehen regelrecht aus, womit sie sich auf einem sehr dünnen Eis bewegt. In der Verslegende „Basilius" geht es um einen Pakt mit dem Teufel, den ein junger Sklave schließt, um an seine Herrin heranzukommen. Höhepunkt ist die Szene, in der die Teufel die Begierde des Mädchens erregen, so daß es unbedingt zu dem Sklaven will. Der heilige Mann Basilius vermag aber in einem Gespräch mit dem Teufel diesen zum Verzicht auf den Vertrag zu bewegen. In der Legende „Agnes" wird die Heldin, die sich weigert, den Sohn des (römischen) Stadtpräfekten Simphronius zu heiraten, zunächst nackt in ein Bordell gesteckt. Sofort wachsen ihr am ganzen Körper lange Haare. Die bösen Stadtbuben, die nacheinander kommen, um mit ihr zu huren, werden durch das wundersame Licht, das die heilige Jungfrau umstrahlt, bekehrt. Zuletzt kommt der Sohn des Präfekten, um sie zu nehmen, wird aber von dem himmlischen Bräutigam der Agnes für seinen perversen Trieb mit dem Tode bestraft. Agnes erweckt ihn wieder zum Leben, erleidet aber schließlich doch das Martyrium, durch das sie mit der Schar der himmlischen Jungfrauen vereint wird. Wir haben schon auf die merkwürdige Tatsache aufmerksam gemacht, daß Hrotsvitha das eigentlich Negative, in der Gesamtsicht moralisch Anstößige, mit großer Ausführlichkeit schildert. FERRUCCIO BERTINI sagt, daß die Dichterin „uns mit einer einzigartigen Folge von Szenen versuchter Vergewaltigung, Leichenschändung, sadomasochistischer Gewalt und Folter sowie Bildern aus dem Bordellalltag konfrontiert." 13 Er meint, durch die „äußerste Unschuld" der Erzählweise erhalte das alles wieder ein versöhnliches Kolorit. Ich meine, daß das Ganze so harmlos nicht ist. Es handelt sich um das Werk einer Nonne, die, indem sie Heiligkeit und Keuschheit verherrlicht, mit der ausführlichen Schilderung von deren extremen Gegensätzen doch teils den Schauder (der ja auch etwas Wollüstiges hat!), teils das berühmte Kribbeln im Bauch erzeugen will. In ihrer ersten Vorrede hat Hrotsvitha Überlegungen angestellt über den Wahrheitsgehalt der von ihr behandelten Stoffe. Man hatte ihr, offenbar aus Kreisen des theologisch gebildeten Klerus, vorgehalten, daß ein Teil ihrer Stoffe apokryphen Schriften entnommen war - also solchen, die kirchlicherseits nicht als „heilige" Schriften anerkannt waren. Ihre Antwort auf diesen Vorwurf zeugt, bei aller Bescheidenheit in der Wortwahl, von einem großen Selbstbewußtsein: Wird mir aber vorgeworfen, einiges aus diesem Werk sei nach der Meinung gewisser Leute aus apokryphen Schriften entnommen, so ist das kein Vergehen aus böswilliger Anmaßung, sondern ein Irrtum aus Unwissenheit. Denn als ich mit der Sammlung des Materials für diese Serie begann, da wußte ich nicht, daß die Themen, die ich mir zur Bearbeitung vorgenommen hatte, von zweifelhafter N a tur waren. Als ich das aber erkannte, da wollte ich mein Werk nicht mehr der
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Hrotsvitha von Gandersheim Vernichtung preisgeben. Denn was heute Fälschung zu sein scheint, kann vielleicht morgen als echt (oder: als Wahrheit) erwiesen werden.
Gegenüber dem beschränkten Hochmut eingebildeter Fach-Theologen erweisen sich diese Erwägungen von einer überraschenden und überlegenen Klugheit: Hrotsvitha erkennt die Zufälligkeit und Kurzlebigkeit exegetischer und theologischer Hypothesen; denn es geht ja hier auch um das, was als Heilige Schrift und Offenbarung zu gelten hat, mit anderen Worten: um die Verbindlichkeit der religiösen Erfahrung.
Dramen Wir wollen jetzt noch einen Blick auf einige der dramatischen Dialoge Hrotsvithas werfen. Hintergrund ist, wie schon erwähnt, der Terenz, dessen Komödien die Dichterin beständig vor Augen hatte. Terenz scheint in dieser Zeit, vor allem in den Klöstern und bei den gebildeten Klerikern, der am meisten gelesene Dichter gewesen zu sein, also eine Art „Bestseller". Hrotsvitha möchte gegen die Schwäche des Fleisches, die Unsittlichkeit, die ihrer Meinung nach in den Komödien des antiken Dichters verherrlicht wird, angehen. Ihr geheimer Widerpart sind auch hier die wissenschaftlich gebildeten (männlichen!) Theologen und Großpriester, wie der Erzbischof-Herzog Brun, der aber vielleicht zur Zeit der Entstehung der Dramen schon nicht mehr am Leben war. Wie sich bei Terenz alles um die Liebe und deren (sexuelle) Erfüllung dreht, so bei Hrotsvitha alles um den Verzicht auf sexuelle Betätigung: die Jungfräulichkeit, auch um den Preis des Martyriums. Deutlich zeigt sich dies in dem Drama „Dulcitius", dessen vollständiger Titel lautet: Leidensgeschichte der heiligen Jungfrauen Agapes, Chionia und Hirena, die der Praeses Dulcitius im nächtlichen Schweigen insgeheim aufsuchte mit dem Wunsch, sich an ihren Umarmungen zu sättigen. Aber sobald er bei ihnen eintrat, wurde er verrückt und umarmte und küßte Töpfe und Pfannen an Stelle der Jungfrauen, bis sein Gesicht und seine Kleider von abstoßender Schwärze entstellt waren. Darauf übergab er dem Comes Sisinnius die Jungfrauen mit dem Befehl, sie zu bestrafen. Auch der wird auf seltsame Weise getäuscht, läßt aber schließlich Agapes und Chionia verbrennen, Hirena durchbohren.
Die Geschichte spielt in der Zeit der Christenverfolgung des Kaisers Diokletian (284-305). Der Kaiser läßt die drei Schwestern vor sich kommen und redet sie folgendermaßen an (es ist der Anfang des Dramas!): DIOKLETIAN: Die hochberühmte Abstammung eurer Familie, eure Schönheit, gepaart mit einem heiteren Wesen, verlangen, euch mit den vornehmsten Männern im kaiserlichen Palast in der Ehe zu verbinden. Dazu werden "Wir unsere Zustimmung geben, wenn ihr Christus verleugnen und unseren Göttern opfern wollt.
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AGAPES: Sei ohne Sorgen, und auch die Vorbereitung unserer Hochzeit soll dich nicht belasten, weil wir weder zur Verleugnung des zu bekennenden Namens, noch zur Zerstörung unserer Unversehrtheit (ad corruptionem integritatis) durch irgend etwas veranlaßt werden können. DIOKLETIAN: Was bedeutet diese Einfalt, die euch antreibt? AGAPES: Was für ein Zeichen von Einfalt entdeckst du bei uns? DIOKLETIAN: E i n evidentes und großes!
AGAPES: Worin? [d.h.: Worin besteht das Zeichen der Einfalt?] DIOKLETIAN: Darin hauptsächlich, daß ihr die Befolgung der alten Religion hinter euch laßt und der unnützen Neuheit des christlichen Aberglaubens folgt. Diokletian erscheint also hier als Vertreter der alten Religion, während das Christentum das Neue (und in den Augen des Kaisers Absurde) ist. Am Ende des ergebnislosen Gespräches läßt der Kaiser die drei Mädchen in den Kerker werfen, wo sie der Obhut des Praeses (Statthalters) Dulcitius anvertraut werden. Der läßt sie in das hinterste Gelaß des Gefängnisses sperren, wo er meint, sie ungestört vergewaltigen zu können. Im Vorraum werden die Küchengeräte der Diener aufbewahrt. In der Nacht nähert sich Dulcitius dem Gelaß. Einige Soldaten werden vor der äußeren Tür als Wache postiert. Die eingeschlossenen Mädchen hören, wie sich Dulcitius im Vorraum zu schaffen macht. AGAPES: W a s lärmt v o r der T ü r ?
HIRENA: Der unglückselige Dulcitius kommt herein. CHIONIA: G o t t s c h ü t z e u n s ! AGAPES: A m e n .
CHIONIA: Was bedeutet das Scheppern von Töpfen, Kesseln und Pfannen? HLRENA: Ich will nachsehen. Kommt bitte her und schaut durch die Ritzen!
AGAPES: W a s ist das?
HlRENA: Sieh mal, der Dummkopf! Er hat den klaren Verstand verloren und meint, er genieße unsere Umarmungen.
AGAPES: W a s m a c h t er?
HlRENA: Bald drückt er die Töpfe zärtlich an seinen Schoß, bald umarmt er die Pfannen und Kessel und gibt ihnen sanfte Küsse. CHIONIA: Lächerlich! HlRENA: Sein Gesicht, seine Hände und Kleider sind so beschmutzt, so verdreckt, daß er bei der Schwärze, die ihm anhaftet, einem Neger gleicht. AGAPES: Das gehört sich so; mit seinem Äußeren (Körper) soll er so erscheinen, wie er in seinem Inneren (Geist) vom Teufel besessen ist. HlRENA: Sieh da! Er will sich zurückziehen. Wir wollen achtgeben, was die Soldaten, die vor der Tür stehen, tun, wenn er herauskommt! Nach Ansicht der Agapes ist es nur folgerichtig, wenn sich die Teufelsbesessenheit des Dulcitius auch in seiner äußeren Erscheinung zeigt. Und so ergreifen auch die Soldaten, sobald sie den von dem Ruß der Töpfe geschwärzten Dulcitius erblicken, schleunigst die Flucht, weil sie ihn für den Teufel persönlich halten. Hrotsvitha unternimmt auch hier wieder eine moralische
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Gratwanderung, wenn sie, indirekt in den Berichten der durch die Türritze spähenden Mädchen (es ist eine echte Teichoskopie!), die sexuellen Betätigungsversuche des Dulcitius an den verrußten Wölbungen der Kasserolen schildert. Man muß sich vorstellen, wie diese Szene gewirkt hat, wenn sie, im Kreis der versammelten Nonnen, mit verteilten Rollen gelesen wurde. N a c h d e m sich Dulcitius auf diese Weise blamiert hat, übergibt der Kaiser dem Sisinnius die Mädchen. Agapes und Chionia werden verbrannt. Die jüngste, Hirena, wird von Sisinnius noch einmal gesondert in die Mangel genommen. SISINNIUS: Hirena, befürchte den gleichen Tod wie deine Schwestern und hüte dich davor, wie sie zugrunde zu gehen! HIRENA: Ich wünsche, im Sterben ihrem Beispiel zu folgen; damit verdiene ich die ewige Freude mit ihnen zusammen. SISINNIUS: Laß dich doch überreden! HIRENA: Ich denke nicht daran. SISINNIUS: Wenn du nicht nachgibst, dann werde ich dir kein schnelles Ende bereiten, sondern ich werde es in die Länge ziehen und jeden Tag neue Qualen anhäufen. HIRENA: Je schärfer ich gepeinigt werde, umso glorreicher werde ich triumphieren. SISINNIUS: Fürchtest du die Folterqualen nicht? Ich werde etwas bringen lassen, wovor du erschauderst. HIRENA: Was du mir auch an Widerwärtigem zufügst, mit Hilfe Christi werde ich davonkommen. SISINNIUS: Ich werde dich ins Bordell führen und deinen Körper schimpflich besudeln lassen. HIRENA: Es ist besser, wenn der Körper mit allen möglichen Schändungen verunziert wird, als wenn die Seele von den Götzen befleckt wird. SISINNIUS: Wenn du die Genossin der Huren bist, dann kannst du, befleckt wie du bist, nicht mehr zur Gemeinschaft der Jungfrauen gezählt werden. HIRENA: Die Wollust gebiert Strafe, der Zwang aber die Krone, und von Schuld kann man nur da sprechen, wo die Seele einverstanden ist. Sündhaft ist demnach nur das Wohlgefallen, die Lust am sexuellen Tun; der erzwungene Geschlechtsverkehr dagegen ist ohne Schuld und kann sogar verdienstvolles Martyrium sein. Hrotsvitha kennt also eine seelische Unversehrtheit trotz körperlicher Korruption der Jungfräulichkeit. Es kommt aber nicht z u m Äußersten: Hirena wird zwar ins Bordell gesteckt, jedoch durch zwei Engel entführt und auf einen Berg gebracht. D o r t erschießt Sisennius sie mit seinem Bogen. Ihre letzten Worte lauten: Über meinen Tod darf ich mich gewaltig freuen. Du aber mußt trauern, weil du für deine abgründige Bosheit zur Hölle verdammt wirst. Ich dagegen werde die Palme des Martyriums und die Krone der Jungfräulichkeit erlangen und werde eingehen in das himmlische Brautgemach des ewigen Königs, dem die Ehre und Herrlichkeit ist in Ewigkeit.
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Die Krone, der ewige Lohn der standhaft bewahrten Jungfräulichkeit besteht also in der Vereinigung mit dem ewigen König in dessen Schlafgemach. In dem Stück „Drusiana und Calimachus" geht es um die Verführung einer keuschen Ehefrau: Die Wiedererweckung der Drusiana und des Calimachus, der sie nicht nur zu ihren Lebzeiten, sondern sogar noch, als sie aus Traurigkeit und Abscheu vor der verbotenen Liebe im Herrn gestorben war, über das rechte Maß hinaus liebte. Deshalb ging er am Biß einer Schlange elend zugrunde. Aber auf die Fürbitte des heiligen Johannes zusammen mit Drusiana wieder auferweckt, wurde er in Christus wiedergeboren.
Den Stoff hat Hrotsvitha in den apokryphen Johannes-Akten gefunden.14 Das Stück spielt im ersten Jahrhundert n. Chr. in Ephesus, zu Lebzeiten des Apostels Johannes. Ein junger Heide, Calimachus, ist in die schöne Drusiana verliebt, die aber bereits mit dem vornehmen Andronichus verheiratet ist. Das wäre an sich kein unüberwindliches Hindernis, wie das einleitende Gespräch des Calimachus mit seinen Freunden offenbart; auch nicht die Tatsache, daß die Begehrte getauft ist. Die Erfüllung der Liebessehnsucht scheint vielmehr dadurch aussichtslos, daß Drusiana eine Anhängerin des (keuschen!) Apostels Johannes geworden ist und deswegen seit langem nicht einmal mehr in das Ehebett ihres christlichen Mannes zurückkehrt. Die nun folgende Szene der Annäherung des Calimachus an Drusiana gestaltet Hrotsvitha sehr realistisch und mit großem psychischen Einfühlungsvermögen. Calimachus nennt der Geliebten, die ihn kühl nach einer rechtlichen Grundlage(!) für seine Liebe fragt, als einzigen Grund ihre Schönheit Damit bringt er Drusiana in eine verzweifelte Lage, aus der sie nur noch den Tod als Ausweg sieht: Macht sie das an sie herangetragene Ansinnen bekannt, dann kommt es zu Zwistigkeiten unter den Bürgern (weil ihr Mann dann für sie eintreten und den Calimachus zur Rede stellen muß); sagt sie nichts, dann vermag sie den teuflischen Verführungskünsten nicht zu widerstehen. Was nützt ihr das Gelübde der Keuschheit, wenn allein ihre Schönheit (species) zum Fallstrick für den zarten Jüngling wurde? Sie bittet deshalb Christus um die Gewährung eines raschen Todes, welcher Wunsch ihr auch erfüllt wird. Drusiana wird danach von ihrem Mann und dem Apostel Johannes ehrenvoll in einer Gruft bestattet. Calimachus besticht nun den Sklaven Fortunatus, damit der ihm einen makabren Dienst erweist: er soll ihm Zugang zu der Leiche verschaffen, damit er sich mit dem Körper der Geliebten vereinigen kann. Während er sich über die noch frische Leiche hermacht und sie entkleidet, erscheint eine Schlange und tötet den Fortunatus. Calimachus aber stirbt aus lauter Angst. Durch den Apostel Johannes, der sich auf Befehl Christi selbst zusammen mit Drusianas Ehemann Andronichus zur Grabstätte begeben hat, wird Calimachus auf wunderbare Weise wieder zum Leben erweckt. Er erzählt nun den Akt der versuchten Leichenschändung noch einmal und berichtet, es sei
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plötzlich ein Jüngling mit feuersprühendem Gesicht erschienen, der den entblößten Leichnam bedeckt habe. Dann habe ihn ein Funke aus dem Gesicht des Jünglings getroffen und getötet." Die doppelt - in der Handlung selbst und im erzählenden Rückblick des Betroffenen - vorgeführte Szene der versuchten Leichenschändung, ist der eigentliche Höhepunkt dieses kurzen Lesedramas, das eben reichte, um eine halbstündige Rekreationspause im Kloster auszufüllen.17 Diese Szene entspricht, was ihre Stellung in der Komposition des Werkes und ihren Inhalt betrifft, genau der versuchten Vergewaltigung der Kasserolen durch Dulcitius in dem gleichnamigen Drama. Hier wie dort steht eine bis an den Rand des Obszönen gehende grobe Posse im Zentrum eines erbaulichen Lesestücks. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um das Ventil für die unter dem Deckel strenger Zucht gehaltene Jungfräulichkeit - eine Art Seelenbad in der trockenen Gleichförmigkeit des Kloster-Alltags, wozu auch das sich beinahe Totlachen über komische oder zweideutige Situationen gehörte. Bis in die allerjüngste Gegenwart erfüllte diese Funktion in den Klöstern, Priesterseminaren und anderen „geistlichen" Häusern die sogenannte „Muftik". Um das Schicksal einer Dirne geht es jeweils in den Dramen „Abraham" und „Pafnutius". BERTINI hat zur Einstellung Hrotsvithas „ihren" Huren gegenüber bemerkt: „Die liebevolle Sympathie, mit der in ihren Dramen die jungen Prostituierten - nicht so sehr reizvolle Gegenfiguren, als vielmehr Trägerinnen eines eigentümlichen Zaubers, den die Welt der Sünde auf Hrotsvith ausübt - gezeichnet werden, erscheint nur verständlich, wenn man sie als offenkundige Übernahme einer ähnlichen Einstellung bei Terenz erkennt."18 Der vollständige Titel des „Abraham" lautet: Fall und Bekehrung der Maria, der Nichte des Einsiedlers Abraham, die, nachdem sie zwanzig Jahre lang ein Einsiedlerleben geführt hatte, ihre Jungfräulichkeit zerstören ließ, in die Welt zurückkehrte und kein Bedenken trug, sich in die Gesellschaft der Huren zu begeben. Aber nach zwei Jahren wurde sie durch die Ermahnungen des vorgenannten Abraham, der sie in der Gestalt eines Freiers aufsuchte, wieder zurückgeführt, und sie reinigte durch ausgiebiges Vergießen von Tränen und beständiges Ü b e n in Fasten, Nachtwachen und Gebeten über zwanzig Jahre hin die Befleckungen ihrer Vergehen.
Als Vorlage diente Hrotsvitha die „Legende von dem Eremiten Abraham und seiner Nichte Maria", die um die Mitte des 6. Jahrhunderts in der Gegend am Hellespont gelebt haben sollen. Autor der Legende ist ein nicht näher bekannter Ephrem. Hrotsvitha hat sich ziemlich eng an den Inhalt der Legende gehalten, die ihrerseits bereits reich an dramatischen Zügen ist." Maria war, bevor sie sich wieder den weltlichen Lüsten zuwandte, eine Inkluse gewesen. Die Einsiedler Effrem und Abraham hatten sie im Alter von acht Jahren zu einem Leben als „unverletzte Jungfrau" überredet, und Abraham hatte sie selbst in eine Zelle am Eingang seiner Wohnung eingemauert. Kontakt mit der vermauerten Jungfrau war nur möglich durch ein Fenster, an
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dem ihr Abraham des öfteren Unterricht im Psalterium (und das heißt immer auch: im Lesen und Schreiben!) und den anderen heiligen Schriften erteilte. Eines Tages war Maria verschwunden: ein als Mönch verkleideter Liebhaber hatte sie durch das Fenster entführt. Abraham schickt zunächst einen Freund ab, um seine Nichte zu suchen. Der kehrt erst nach zwei Jahren zurück und eröffnet dem Onkel, daß Maria als käufliche Dirne im Hause eines Zuhälters gelandet ist. Der Einsiedler verkleidet sich nun als Soldat und versteckt seine Tonsur unter einer Kappe. In dieser Ausrüstung kommt er zu der Herberge, in der Maria ihre Freier zu empfangen pflegt. Er kommt mit dem Herbergswirt, der ihn sehr freundlich aufnimmt, ins Gespräch. Der Wirt preist ihm die Vorzüge der Maria an, wundert sich aber zugleich, daß so ein alter Knacker noch Lust auf die Liebe einer jungen Frau hat. WIRT: Ich wundere mich, daß du in deinem klapprigen Greisenalter noch Verlangen nach der Liebe einer jungen Frau hast. ABRAHAM: Ich bin ganz gewiß aus keinem anderen Grunde gekommen, als um sie zu sehen.
Der Wirt ruft dann Maria herbei: WIRT: Komm heraus, komm heraus, Maria, und zeige unserem neuen Gast deine Schönheit! MARIA: Ich komme schon! WIRT: Glückliche Maria, freue dich! Denn nicht nur kommen zu dir, wie bisher, deine Altergenossen, sondern sogar die Tattergreise: sie strömen herbei, um dich zu lieben. MARIA: Alle, die mich lieben, erhalten von mir die gleiche Liebe zurück. 20
Maria wird hier nicht nur als liebenswürdige, gutherzige Dirne vorgestellt, sondern Hrotsvitha geht es darüber hinaus darum, das Gute in der Sünde aufzuzeigen, ganz ähnlich wie Jesus es von der Sünderin im Hause des Pharisäers Simon sagt (Lc 7,47). Man muß sich nun vorstellen, daß ein Mahl aufgetragen wird. Während des Essens unternimmt Abraham einen ersten Annäherungsversuch: ABRAHAM: Komm her, Maria, und gib mir einen Kuß! MARIA: Ich werde dir nicht nur süße Küsse geben, sondern auch unter vielen Umarmungen deinen Greisenhals streicheln. ABRAHAM: Das habe ich gern! MARIA(Z« sich selbst): Was fühle ich? Was empfinde ich da für einen ganz neuen Geschmack? Sieh da, dieser Duft erinnert mich an den Duft der einst ausgeübten Enthaltsamkeit. ABRAHAM (zu sich selbst): Jetzt, jetzt heißt es: sich verstellen. Jetzt gilt es nach Art eines geilen Jungen zu scherzen, damit ich nicht an meinem ernsten Benehmen erkannt werde und die da sich aus Scham in ihr Versteck zurückzieht.
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D e r Duft erhält hier die gegenteilige Qualität als sonst beim Liebesspiel: er stimuliert nicht die Begierde, sondern erinnert Maria an ihre einst geübte Enthaltsamkeit. 21 Laut beginnt sie zu klagen: MARIA: Weh mir Unglücklichen! Von wo bin ich herabgefallen und in welche Kluft des Verderbens bin ich gestürzt? ABRAHAM: Hier ist nicht der geeignete Ort zur Klage, wo die Schar der Gäste zusammenströmt. WIRT: Frau Maria, warum seufzst du? Warum bist du in Tränen aufgelöst? Bist du nicht seit zwei Jahren hier, und niemals ist dir ein Seufzer entfahren, niemals ein trauriges Wort über deine Lippen gekommen? MARIA: Oh, wäre ich doch vor drei Jahren gestorben, um nicht zu solchen Abscheulichkeiten herunterzukommen! ABRAHAM: Ich bin nicht gekommen, um mit dir deine Sünden zu beweinen, sondern um mich mit dir in Liebe zu vereinigen. MARIA: Ich hatte nur einen leichten Anfall von Reue; deshalb plapperte ich solche Sachen. Aber jetzt wollen wir speisen und uns freuen, denn, wie du richtig gesagt hast: hier ist keine Zeit, um die Sünden zu beweinen. ABRAHAM: Wir sind jetzt hinlänglich gestärkt, hinlänglich besoffen, durch deine großzügige Bedienung, mein guter Wirt. Gib die Erlaubnis, vom Essen aufzustehen, damit ich meinen müden Leib zu Bett bringen und die süße Ruhe genießen kann. WIRT: W i e ' s beliebt!
MARIA: Steh auf, mein Herr, steh auf! Ich will mit dir ins Bett gehen! ABRAHAM: Einverstanden! In keiner Weise könnte ich gezwungen werden, mit dir zusammen nicht hinauszugehen. Diese letzten W o r t e lallt Abraham, denn mittlerweile ist er so betrunken oder er mimt den Betrunkenen - , daß er sich nur noch mit Mühe erheben kann. Die nächste Szene spielt dann bereits im Schlafgemach: MARIA: Hier ist ein Gemach, geeignet für unseren Aufenhalt; da ist ein Bett, nicht mit schlechten Decken ausgestattet. Setz dich, dann ziehe ich dir die Schuhe aus, damit du selbst dich beim Schuhe Ausziehen nicht müde machst! ABRAHAM: Sperr erst die Tür zu, damit niemand hereinkommen kann! MARIA: Mach dir darüber keine Sorgen! Ich werde schon machen, daß so leicht keiner zu uns kommt. Jetzt gibt sich Abraham zu erkennen. Seine Vorhaltungen lösen bei der Nichte tiefe Reue aus. Sie ist schließlich bereit, mit ihm in seine Einsiedelei zurückzukehren. Abraham schließt sie jetzt in der inneren Zelle (cellula interior) ein, nicht mehr in ihrer früheren, am Eingang gelegenen, in der sie der teuflischen Versuchung anheimgefallen war. Das Dasein der eingemauerten Einsiedler (Inklusen) - es waren wohl in der Mehrzahl Frauen - erregte damals großes Interesse, gerade in klösterlichen Kreisen. Auf der einen Seite bedeutete das Leben, das sie führten, gegenüber dem „normalen", zönobitischen Klosterleben nochmals eine Steigerung bis hin zum höchsten Grad der Askese und fand so allgemeine Be-
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wunderung. Eine solche Bewunderung konnte aber sehr rasch in Spott und Nasenrümpfen (auch im wörtlichen Sinn!) umschlagen, wenn man sich die primitiven Verhältnisse und den Gestank vorstellte, in dem diese unglücklichen Kreaturen lebten. Denn die Beseitigung der Exkremente scheint bei den Eingemauerten ein besonderes Problem gewesen zu sein. Es gab offenbar auch moralische Probleme. Ruotger, der Biograph Bruns von Köln, erzählt im Rahmen seines Berichtes über die kirchlichen Reformmaßnahmen des Erzbischofs, dieser habe die verstreut wohnenden oder umherziehenden Einsiedler bei verschiedenen Klöstern und Kirchen teils einzeln, teils zu zweien einschließen lassen; waren es zwei, so wurden sie in der Weise voneinander getrennt, daß sie sich zwar sehen und miteinander reden, aber nicht zueinander gelangen konnten.22 Man muß sich also vorstellen, daß sie nur durch vergitterte Fenster miteinander Kontakt aufnehmen konnten. Unter allen Stücken Hrotsvithas wird von manchen am meisten das Drama „Pafnutius" geschätzt; andere sehen in ihm das schwächste Werk der Dichterin. Bekehrung der H u r e Thais, die der Einsiedler Pafnutius, ähnlich wie Abraham, unter der Gestalt eines Freiers besuchte und bekehrte, ihr eine Buße auferlegte und für fünf Jahre in einer engen Zelle einschloß, bis sie, durch eine würdige Genugtuung mit G o t t wieder versöhnt, am T a g der vollbrachten Buße in Christus entschlief.
Auch Thais ist eine gute, ja sogar fromme und gläubige Hure; in ihrem Haus hat sie ein geheimes Gemach, dessen Zugang nur Gott kennt - also wohl ein Oratorium. Es gibt in diesem Stück eine bewegte Szene, in der die von Pafnutius bekehrte Thais sich öffentlich von ihren bisherigen Stammkunden, ihren Freiern verabschiedet. Dabei verbrennt sie alle durch ihre Sünden erworbenen Habseligkeiten auf einem Scheiterhaufen.23 Pafnutius, der schon befürchtet hat, ihr Entschluß habe sie gereut, stellt darauf befriedigt fest: „Weil du dich von deinen Liebhabern losgesagt hast, kannst du nun mit dem himmlischen Geliebten verbunden werden."24 Pafnutius übergibt Thais der Äbtissin eines Konvents, die in Eile eine Zelle für sie erbauen läßt, in der sich nur ein kleines Fenster befindet. Gemeinsam mit der Äbtissin - man darf sich vorstellen, daß ihre Rolle beim Lesen des Dramas in Gandersheim von der amtierenden Äbtissin Gerberga übernommen wurde - begibt sich Pafnutius zu der Zelle, um Thais für den Rest ihres Lebens einzumauern. ÄBTISSIN: ... W a r u m schließt du sie nicht ein? Sieh, die Zelle, die du gewünscht hast, ist fertig! PAFNUTIUS: In O r d n u n g ! Thais, geh nun in das Gelaß hinein! E s ist deinen bedauernswerten Fehltritten gerade angemessen. THAIS: Wie eng, wie dunkel und wie u n b e q u e m als W o h n u n g f ü r eine zarte Frau! PAFNUTIUS: W a r u m hast du Abscheu vor dem Gelaß? W a r u m schauderst du, hineinzugehen? E s gehört sich, daß du, die bisher zügellos umhergeschweift ist, nun endlich an einem einsamen O r t in Zucht g e n o m m e n wirst.
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Hrotsvitha von Gandersheim Ist man an die Zügellosigkeit gewöhnt, so erträgt man meist nur ungern ein strengeres Leben. PAFNUTIUS: Der aufmüpfigen Gesinnung müssen deshalb die Zügel strenger Zucht angelegt werden, bis sie den Widerstand aufgibt. THAIS: Ich weigere mich nicht, meine Nichtsnutzigkeit deiner Vatersorge zu unterwerfen. Doch hat diese Wohnung einen Nachteil, der für meine Schwachheit schwer zu ertragen ist. PAFNUTIUS: Was ist das für ein Mangel? THAIS: Ich schäme mich, es auszusprechen. PAFNUTIUS: Du brauchst dich nicht zu schämen. Sag es nur ganz offen heraus! THAIS: Was wird wohl unangenehmer und widerwärtiger sein, als daß ich an einem und demselben Ort die verschiedenen leiblichen Bedürfnisse verrichten muß? Zweifellos wird das Gelaß sehr bald vor lauter Gestank unbewohnbar werden. PAFNUTIUS: Fürchte lieber die ewigen Höllenqualen und höre auf, vor Vergänglichem Angst zu haben! THAIS: Meine Zerbrechlichkeit zwingt mich zur Furcht. PAFNUTIUS: Es ist ganz in Ordnung, wenn du für die Lust trügerischen Wohllebens mit der Last unerträglichen Gestanks Buße tust. THAIS:
Man kann sich bei dieser Szene lebhaft den Schauder vorstellen, der die vornehmen Nonnen ergriffen haben muß, wenn sie sich die Bedingungen des extrem beengten Zellendaseins der Inklusen vorstellten und bis in die Einzelheiten ausmalten. Tröstlich klingt immerhin die Zusage der gütigen Äbtissin an den Einsiedler: Mach dir keine Sorgen um sie, denn ich werde sie mit mütterlicher Zuwendung umhegen.25 Obwohl Hrotsvitha von Gandersheim zweifellos eine fromme Nonne war, ist ihre Kanonisation wohl niemals in Erwägung gezogen worden. Gleichwohl ist sie, wie es in dem Evangelium des Matthäus heißt, eine gelehrte Schreiberin im Reich Gottes gewesen, die aus dem Schatz ihrer reichen Begabung Neues und Altes hervorbrachte (Mt 13,52).
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ADELE GRÄFIN VON BLOIS Ehefrau im Heiligen Krieg Mit Adele (Adela, Hadala) Gräfin von Blois tauchen wir ein in die Zeit und Welt der Kreuzzüge, der „heiligen Kriege", welche die mittelalterliche Christenheit gegen die islamischen Völker des Vorderen Orients zur Befreiung des Heiligen Grabes von Jerusalem führte. Am 27. November 1095 hatte der Papst Urban II. (1088-1099) in einer Messe, die er im Anschluß an eine in Clermont abgehaltene Synode vor den Toren der Stadt unter freiem Himmel hielt, die christliche Ritterschaft zum Aufbruch nach Osten aufgerufen. Texte der Predigt oder der Predigten, die Urban II. in Clermont gehalten haben soll, sind bei mehreren Schriftstellern des Kreuzzugszeitalters überliefert.1 Es ist eine Hetzrede, in der eindringlich auf die Schändung der heiligen Stätten in Jerusalem, insbesondere des „glorreichen Grabes" (Is 11,10) des Herrn, durch die „Türken-Drecksäcke" („Turci, spurci et immundi") hingewiesen wird. Guibert von Nogent spricht von der „piperata facundia", der gepfefferten Beredsamkeit des Papstes.2 Auch das österliche Feuerwunder, das sich im Grab Christi ereignet, wird in der Predigt bereits erwähnt. (Der schamanenhafte Schwindel dieses griechischen Feuers wird von den örtlichen Amtsträgern der Orthodoxen Kirche bis auf den heutigen Tag praktiziert!) Die Christen werden dazu aufgerufen, in Jerusalem für Christus zu sterben, der in dieser Stadt für sie gestorben ist. Allen Teilnehmern an dem Unternehmen wird im voraus der Ablaß von allen Sünden zugesagt; denen, die bei der Befreiung Jerusalems und des Heiligen Grabes ihr Leben verlieren, wird der Einzug in das himmlische Paradies verheißen.3 Solche päpstlichen Open-air-Veranstaltungen fanden im Mittelalter sehr viel seltener statt als heute, am Ende des 20. Jahrhunderts, wo sie inflationären Charakter angenommen haben, und sie markierten immer tiefe geschichtliche Einschnitte. Die Kreuzzüge, die mit der Papstmesse von Clermont begannen, waren bis in die frühe Neuzeit hinein Unternehmungen, an denen hauptsächlich die Päpste interessiert waren:4 verbrecherische Kriege, die über die Jahrhunderte hin einen hohen Blutzoll sowohl von der abendländischen Christenheit wie von den sogenannten „Ungläubigen" forderten und bis heute eine schwer abzutragende moralische Hypothek des Apostolischen Stuhles sind. Die Mehrheit der mittelalterlichen Zeitgenossen sah dies aber anders, selbst wenn es hin und wieder auch skeptische und kritische Stimmen gab. Adele von Blois war die Tochter Wilhelms des Eroberers, Herzogs der Normandie ( f 7. September 1087) und der Mathilde von Flandern. Sie wurde
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Adele Gräfin von Blois
um das Jahr 1065 geboren.5 1066 setzte Herzog Wilhelm mit einem Heer nach England über, wo er am 14. Oktober in der Schlacht bei Hastings den König Harold (Harald), der auf Edward den Bekenner (1042-1066) gefolgt war, besiegte. Die Vorgeschichte und die Ereignisse dieses Feldzugs sind, im Sinne der siegreichen Normannen, auf dem berühmten Teppich von Bayeux dargestellt.6 Adele war eine in jeder Hinsicht bedeutende Frau. Die Zeitgenossen rühmen ihre Bildung, ihren literarischen Geschmack, ihre Schönheit, aber auch ihre Qualitäten als Herrscherin und ihr ungebrochenes Verhältnis zur Macht. Hugo von Fleury hat ihr seine Kirchengeschichte7 gewidmet: Ich halte es für angemessen, hocherhabene Herrin, das Geschenk des hier vorliegenden Werkes Euer Gnaden in Ergebenheit zu widmen, da Ihr vielen hochgestellten Menschen unseres Zeitalters voranzustellen seid, sowohl was Euer allgemein bekanntes edles Wesen, als auch Eure hervorragend untadelige Gesinnung betrifft; sodann weil Ihr literarisch gebildet seid, was einen besonderen Vorzug und hohen Grad an höfischer Bildung bedeutet. Guibert von Nogent nennt sie „eine Frau von überaus scharfsinnigem Intellekt": 8 Wenn wir ihre Klugheit, ihre Großzügigkeit, ihre Freigebigkeit, ihren Reichtum loben wollten, dann könnte leicht durch das Lob, das sie auch als Witwe verdiente, der Glanz ihres hervorragenden Mannes wie von einer Wolke verdunkelt werden. Wilhelm von Malmesbury bezeichnet Adele als „ein mannhaftes Weib von weltweit berühmter Kraft"; 9 Wilhelm von Newburgh: „eine bemerkenswerte Frau" und: „eine wunderbare Mutter". 10 Nachdem ihr erster Verlobter, Simon Crispin, Sohn des Grafen von Amiens, sich in ein Kloster zurückgezogen hatte, heiratete sie um 1081 den Grafen Stephan II. von Blois (f 1102). Aus der Ehe, die in Breteuil geschlossen und in Chartres gefeiert wurde," gingen vier Söhne und eine Tochter hervor. Der Alteste, Wilhelm, war ein ein ziemlicher Taugenichts; seine Mutter schloß ihn deshalb von der Erbfolge aus und beschränkte seine Herrschaft auf die Stadt Chartres. Nachfolger seines Vaters in der Grafschaft Blois wurde der zweite Sohn Thibaud (Theobald II.). In einem kurzen Nachruf auf ihn, der im Januar 1152 starb, rühmt ihn Robert von Torigny, Abt des Mont-Saint-Michel, als einen „Fürsten von großer Heiligkeit und Freigebigkeit gegenüber den Armen". 12 Der dritte Sohn, Heinrich, Abt von Glastonbury und Fécamp, wurde später Bischof von Winchester. Stephan, der vierte Sohn, bestieg 1135 als Nachfolger seines Onkels Heinrich I. den englischen Königsthron. Heinrich I. Beauclerc war 1100 auf seinen Bruder Wilhelm II. als König gefolgt. Als bei einer Uberfahrt von der Normandie nach England im Jahre 1120 das Schiff, die Blanche Nef (White Ship, Candida Ν avis), sank, kamen der Thronfolger Wilhelm Etheling (Adelin) und alle übrigen Kinder Hein-
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richs ums Leben, ausgenommen allein die Tochter Mathilde (engl.: Maud), die mit dem Kaiser Heinrich V. verheiratet war. Nach dem Tode Heinrichs V. (1125) kehrte Mathilde zu ihrem Vater zurück, der sie zu seiner Nachfolgerin bestimmte." 1128 heiratete sie Gottfried Plantagenêt, den Sohn des Grafen Fulko von Anjou, Maine und Touraine. 1139 landete Mathilde in England, um ihre Erbansprüche gegenüber Stephan, dem Sohn Adeles, durchzusetzen. Es begann ein langjähriger Bürgerkrieg, der in England zu chaotischen Verhältnissen führte. Erst 1153 wurde ein Frieden geschlossen, in welchem Stephan den Sohn der Kaiserin Mathilde, Heinrich II. von Anjou-Plantagenêt, als Nachfolger anerkannte. In dieser Zeit spielt der große historische Roman von KEN FOLLET: „Die Säulen der Erde", 14 in welchem einige der hier genannten Personen in Nebenrollen auftreten, so Adeles Söhne König Stephan und Bischof Henry von Winchester. Hintergrund und Schlüssel des Romans ist der Untergang der Blanche Nef, über den der Autor eine eigene Verschwörungshypothese vorträgt, die zwar nicht ganz abwegig, aber historisch nicht zu belegen ist. Von der Katastrophe war Adele übrigens auch persönlich betroffen, da sich ihre Tochter Mathilde und ihr Schwiegersohn Richard, Sohn des Grafen Hugo von Chester, an Bord befanden und damals ums Leben kamen.15 Eine weitere Mathilde, die Gemahlin des oben erwähnten englischen Thronfolgers Wilhelm Adelin, zog sich in das Kloster Fontevraud (Fontevrault) zurück, wo sie später Äbtissin wurde. Soviel zu dem geschichtlichen Zusammenhang. Wir kehren aber jetzt zu dem Beginn des ersten Kreuzzugs, in das Jahr 1096, zurück. Stephan von Blois, Adeles Ehegemahl, nahm am ersten Kreuzzug teil. Zusammen mit seinem Schwager, Herzog Robert von der Normandie, dem ältesten Sohn Wilhelms des Eroberers, stand er an der Spitze eines großen Aufgebots des nordfranzösischen Adels. Mit von der Partie waren der Graf Robert von Flandern und der Kaplan Fulcher von Chartres, der später die Chronik dieses Kreuzzugs verfaßte.16 Da Stephan einer der reichsten und mächtigsten Fürsten Frankreichs war, konnte er sowohl die finanziellen Mittel als auch ein großes Aufgebot von Kriegsleuten ohne Schwierigkeiten zusammenbringen. Dennoch scheint er für das Unternehmen wenig begeistert gewesen zu sein. STEVEN RUNCIMAN, der bedeutende Geschichtsschreiber der Kreuzzüge, schreibt über Stephans Aufbruch: „Stephan von Blois hegte keinerlei Wunsch, sich dem Kreuzzug anzuschließen. Aber er hatte Wilhelms des Eroberers Tochter Adele geheiratet; und in ihrem Haushalt war sie es, die die Entscheidungen traf. Sie wünschte, daß er ziehen solle; also zog er. In seiner Begleitung befanden sich seine bedeutendsten Lehnsleute ..."" Demgegenüber stellt JAMES A. BRUNDAGE, unter Hinweis auf Ordericus Vitalis, nüchtern fest, daß wir über die näheren Umstände von Stephans Kreuznahme „nichts wissen".18 Das von Stephan von Blois und Robert von der Normandie befehligte Aufgebot war eines von insgesamt vier Kreuzfahrerheeren, die von Frank-
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reich aus aufbrachen. Das geschah im Oktober 1096." Über die Einzelheiten der Heerfahrt sind wir durch den schon erwähnten Fulcher von Chartres unterrichtet. Das Heer, dem er sich angeschlossen hatte, nahm seinen Weg in Richtung Italien. Wahrscheinlich über den Großen Sankt Bernhard, dann über einen der westlichen Apenninen-Pässe (Cisa, Cerreto, Abetone) gelangte man nach Mittelitalien. Im November trafen Stephan von Blois und Robert von der Normandie in Lucca mit dem Papst Urban II., dem Initiator des Kreuzzugs, zusammen. Der Papst segnete die Kreuzfahrer, die weiter nach R o m zogen. In der weitgehend verwüsteten Hauptstadt der Christenheit bekämpften sich die Anhänger Urbans und des Gegenpapstes Wibert (Clemens III.) Fulcher bezeichnet ihn als „Dumm-Papst" (papa stolidus) - , welche letztere die St. Petersbasilika beherrschten und die Pilger drangsalierten.20 Von R o m zog man weiter durch die Campagna und Apulien nach Bari, wo die Kreuzfahrer dem heiligen Nikolaus in dessen berühmtem Heiligtum ihre Verehrung darbrachten. Die Heerführer hatten zunächst vor, noch die Überfahrt über die Adria zu wagen, doch da der Winter bereits anbrach, verweigerten die Schiffsleute den Dienst. Robert von der Normandie und Stephan zogen deshalb nach Kalabrien, wo sie überwinterten. Allein Robert von Flandern setzte noch im Dezember mit einer kleinen Begleitmannschaft über. Von den in Süditalien Verbliebenen wurden schon damals viele von Angst und Heimweh ergriffen; sie verkauften ihre Waffen und kehrten mit dem Pilgerstab in die Heimat zurück. Im darauffolgenden Frühjahr, als das Meer wieder ruhig geworden war, wagten die beiden Heerführer die Überfahrt. Am 5. April 1097 lag die Flotte im Hafen von Brindisi bereit zum Absegeln. Da ereignete sich vor aller Augen ein großes Unglück: ein schwer beladenes Schiff barst mitten entzwei, und 400 Personen beiderlei Geschlechts ertranken. (Dies ist eine von den Stellen, an denen wir nebenher erfahren, daß sich bei den Kreuzfahrerheeren auch zahlreiche Frauen befanden). Als man die Leichen einsammelte, entdeckte man bei einigen, daß Kreuze auf ihren Schultern eingeprägt waren. Daß die Kreuze, die sie zu Lebzeiten nur auf ihren Kleidern getragen hatten, sich nunmehr auf ihrer Haut abzeichneten, wurde von den Anwesenden als göttliches Wunder gedeutet, das nichts anderes bedeutete, als daß die Ertrunkenen bereits die Ruhe des ewigen Lebens erlangt hatten. Guibert von N o gent, ein mittelalterlicher „Rationalist", 21 dem der Bericht Fulchers vorlag, hat über die an den Leichen sichtbaren Zeichen ganz anders gedacht: prinzipiell hielt er es für durchaus möglich, daß durch göttliche Einwirkung ein sacrum stigma auf der Haut der Ertrunkenen erscheinen konnte; doch sei es ebenso bekannt, daß bereits bei Beginn der Kreuzfahrt gemeine Leute und sogar Frauen(!) in ihrer Verworfenheit sich selbst Kreuze eingeritzt hätten, die sie mittels Säften frisch und rot hielten und als Wunderzeichen ausgaben; sogar ein bekannter Abt (es handelt sich um den späteren Erzbischof Balduin von Caesarea) habe einen solchen Betrug begangen22 — eine bemerkenswerte Vorgeschichte späterer Stigmatisationen.
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Vier Tage nach der Schiffskatastrophe von Brindisi, am 9. April 1097, landete Stephan mit seinen Leuten in Durazzo (Durrës im heutigen Albanien). Der Zug bewegte sich dann durch Bulgarien, wo beim Durchqueren des Flusses Dewol mehrere Kreuzfahrer ertranken, in Richtung Konstantinopel. Das von Stephan und dem Normannenherzog Robert befehligte Heer traf als letztes der Kreuzfahrerheere um die Mitte des Mai 1097 vor Konstantinopel ein. Stephan wurde von dem Kaiser Alexios I. Komnenos (1081-1118) auf das freundlichste empfangen. Zehn Tage lang war er Gast des griechischen Kaisers. Am 29. Mai verließ er mit seiner Abteilung die Hauptstadt und zog vor Nikaia (Nicaea), um die Belagerung der stark befestigten, von den Türken verteidigten Stadt zu verstärken. Aus dem Kreuzfahrerlager bei Nikaia schrieb Stephan um den 24. Juni einen Brief an seine Frau Adele, dessen Text überliefert ist.23 Die Anrede Stephans ist bemerkenswert: Graf Stephan sendet an Gräfin Adele, seine allerliebste Freundin, seine Gemahlin, das Beste und Liebste, was sein Geist sich ausdenken kann!24
In dem Brief berichtet Stephan voller Stolz, daß der Kaiser ihn wie einen Sohn behandelt und reich beschenkt habe. Auch habe Alexios angeboten, einen von Stephans Söhnen zu sich an den Hof zu nehmen, um ihn dort erziehen zu lassen. Es folgt ein eingehender Bericht über den Verlauf der Belagerung von Nikaia. Sultan der Türken war damals Kilidsch Arslan ibnSuleiman I. aus dem Stamm der Seldschuken, der gegen Ende Mai versucht hatte, die belagerte Stadt mit einem großen Heer zu entsetzen, durch die Kreuzfahrer aber zurückgeschlagen worden war (27. Mai 1097). Die Festung Nikaia wurde schließlich am 19. Juni 1097 erobert. Der Schlußsatz von Stephans Brief an Adele lautet: Ich versichere Dir, meine Liebe, daß wir von dem öfters erwähnten Nicaea nach Jerusalem in fünf Wochen gelangen werden, wenn uns Antiochia nicht aufhalten wird. Bleib gesund!25
Nach der Eroberung von Nikaia zog das Kreuzfahrerheer in der Sommerhitze unter unsäglichen Entbehrungen und Strapazen weiter durch Kleinasien und kam schließlich vor Antiochia an. Die Befürchtung, die Stephan am Ende seines Briefes angedeutet hatte („nisi Antiochia obstiterit nobis"), wurde wahr. Antiochia, die Stadt, die mit der Geschichte des Urchristentums auf das engste verbunden ist - Petrus und Paulus gehörten der dortigen Gemeinde an, dort kam die Bezeichnung „Christen" für die Jesus-Sekte auf (Act 11,26; 13,1) - war eine starke Festung der Türken. Das Kreuzfahrerheer traf am 21. Oktober 1097 vor der Stadt ein, die man für „nicht erstürmbar" (inexpugnabilis) hielt, und begann noch im November mit der Belagerung. Ein zweiter Brief Stephans von Blois an seine Gemahlin, der auf den 29. März 1098 datiert ist, teilt mit, daß „das Heer Christi die Belagerung des Herrn Jesus mit
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seiner gewaltigen Kraft bereits seit 23 Wochen" durchhält.26 Man sieht: nach Meinung der Kreuzfahrer ist es der Krieg des Herrn Jesus selbst, den sie führen! Auch dieser Brief beginnt mit einem sehr anrührenden Gruß: Graf Stephan entbietet Adele, seiner vielgeliebten und liebenswerten Gattin, seinen lieben Kindern und allen seinen Getreuen, den großen und den kleinen, Gnade und Segen allen Heils!
Der Text ist mit zahlreichen liebevollen Anreden an Adele durchsetzt: „dilectio tua", „mi dilecta", „carissima". Du kannst mir ganz sicher glauben, meine Liebste (carissima), daß der Bote hier, den ich an Deine Liebden (dilectioni tuae) sende, mich gesund und unbeschadet und durch jede Art von Glück verherrlicht durch Gottes Gnade vor Antiochia verlassen hat.
Stephan hatte den Brief seinem Kaplan Alexander diktiert. (Eine Handschrift des 12. Jahrhunderts befindet sich noch in der Bibliothèque Nationale zu Paris). Er teilt seiner Frau viele Einzelheiten des zurückliegenden Marsches durch Kleinasien und der Kämpfe gegen die Türken mit.27 Er versichert ihr, daß er jetzt doppelt so viel besitze als bei seiner Abreise von Zuhause (zweifellos nicht nur durch die kaiserlichen Geschenke und Zuwendungen, sondern auch infolge Plünderns und Beutemachens). Die anderen Fürsten haben ihn zum obersten Leiter der Belagerung gemacht. Nach der Einnahme von Nicaea hatte das Kreuzfahrerheer in schweren Kämpfen die Türken besiegt, war durch Romanien und Kappadokien gezogen und hatte dort gegen einen Türkenfürsten namens Assam gekämpft. Beim anschließenden Durchzug durch Armenien wurden die Türken bis zum Euphrat verfolgt. Ein Teil der Besiegten zog nach Antiochia, um die dortige Besatzung beim Herannahen der Kreuzfahrer zu verstärken. Stephan berichtet weiter, es hätten bisher schon sieben Schlachten vor Antiochia stattgefunden, bei denen viele christliche Mitbrüder ums Leben gekommen seien; deren Seelen seien ins Paradies gelangt.28 Der Tod im heiligen Krieg hat als Belohnung unweigerlich die Freuden des Paradieses zur Folge. Die in diesem Krieg erduldeten Leiden sind dem Martyrium gleichzusetzen: Um also diese Feinde Gottes und von uns zu bekämpfen, haben wir bis jetzt mit der Gnade Gottes viele Beschwernisse und zahllose Widrigkeiten auf uns genommen. Viele haben auch schon ihre gesamte Habe in dieser hochheiligen Passion aufgebraucht.29
Die Türken sind die Feinde Gottes und als solche Unmenschen. Die Christen dagegen erdulden das „allerheiligste Leiden" Christi. Den ganzen "Winter hindurch haben wir vor der oft genannten Stadt Antiochia unter überaus starker Kälte und Unmengen von Regenschauern für den Herrn
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Christus zu leiden gehabt. Wenn manche behaupten, es könne kaum jemand in ganz Syrien die Hitze der Sonne aushalten, so ist das falsch. Denn der Winter bei ihnen ist unserem westlichen durchaus ähnlich. 30
Stephan war allerdings nur im Herbst und Winter in der Gegend von Antiochien! Es folgen noch weitere detaillierte Schilderungen von Ereignissen im Zusammenhang mit der Belagerung der Stadt bis zum Ostermontag (29. März 1098), dem Tag, an dem der Brief diktiert wurde. Durch diese Einzelheiten wird der Brief zu einer der wertvollsten und authentischsten Quellen des ersten Kreuzzugs. Stephan schließt mit den folgenden Sätzen: Es ist gewiß Weniges, meine Liebste, was ich Dir von vielen Ereignissen schreibe, und weil ich Dir nicht zum Ausdruck bringen kann, wie es mir ums Herz ist, Liebste, gebe ich Dir den Auftrag, daß D u richtig handelst und für Dein Land die bestmögliche Vorsorge triffst; daß D u Deine Kinder und Deine Leute anständig, wie es sich für Dich gehört, behandelst. Denn D u wirst mich in kürzest möglicher Zeit Wiedersehen. Bleib gesund!
Der „Auftrag", den Stephan seiner Frau hier gibt, ist rein rhetorischer Natur, denn er kann sicher sein, daß sie all das ohnehin tut. Es ist aber in dem letzten Satz schon angedeutet, was Stephan zwei Monate später in die Tat umsetzte: er verließ noch vor der Eroberung Antiochias mit seinen Leuten das Heer der Belagerer und machte sich nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in dem von seinen Leuten gehaltenen Kastell Alexandreta (Alexandriola, Alexandria minor; heute: Iskenderun), nördlich von Antiochia, auf die Rückreise nach Europa.31 Auf dem Marsch durch Kleinasien begegnete er bei Philomelion (heute: Akschehir) dem Kaiser Alexios, der mit einem Heer unterwegs war, um den Franken vor Antiochien zu Hilfe zu kommen. Nach einem Gespräch mit Stephan, in dem dieser die Situation der Franken vor Antiochien als hoffnungslos dargestellt hatte, zog der Kaiser nicht weiter. Die Nachrichten über diese Ereignisse scheinen sich im Bereich der westlichen Christenheit sehr rasch herumgesprochen zu haben. Allenthalben spottete man über Stephans Feigheit. Zu Hause bekam er keine Ruhe. Im Jahre 1101 machte er sich deshalb erneut auf den Weg nach Outremer, ins heilige Land. Er schloß sich mit seinem Aufgebot dem großen Heer an, das der Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien, Graf von Poitou und Großvater der berühmten Eleonore von Aquitanien, aufgestellt hatte. Wie es dazu kam, schildert der Geschichtsschreiber Ordericus Vitalis (1075-1142), Mönch in der normannischen Abtei Saint-Évroul, der noch Zeitgenosse der Ereignisse 32 war: Im Jahre nach der Geburt des Herrn 1101 z o g der H e r z o g Wilhelm von Poitou ein gewaltiges Heer aus Aquitanien und dem Baskenland zusammen und begann frohgemut die heilige Pilgerreise. E r war ein mutiger und rechtschaffener Mann und überaus fröhlich, und er übertraf sogar die witzigen Schauspieler mit vielerlei Witzen. Man sagt, seiner Fahne seien 300 000 Bewaffnete gefolgt, als er die Gren-
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Adele Gräfin von Blois ze Aquitaniens überschritt. Der Pfalzgraf Stephan von Blois wurde fast von allen heruntergemacht und unaufhörlich beschämt, weil er von dem belagerten Antiochia schimpflich geflohen war und seine ruhmvollen Gefährten, die für Christus das Martyrium auf sich nahmen, im Stich gelassen hatte. Von vielen Personen wurde er sehr oft getadelt, und er sah sich gezwungen, den Kriegsdienst Christi teils aus Schrecken, teils aus Verlegenheit wieder aufzunehmen. Dazu ermahnte ihn auch seine Frau Adele des öfteren, und sie sagte zu ihm unter den liebevollen ehelichen Zärtlichkeiten: „Fern sei es von dir, mein Herr, so lange die Schmähungen so vieler Menschen zu erdulden! Erinnere dich an die berühmte Umtriebigkeit deiner Jugend und nimm sie wieder auf! Ergreife die Waffen des lobenswerten Kriegsdienstes zum Heil vieler, damit hieraus für die Christen auf der ganzen Welt ein ungeheuerer Jubel entspringe, für die Heiden aber Angst und die öffentliche Abtuung ihres verbrecherischen Gesetzes!" Dies und vieles Ahnliche trug die scharfsinnige und beherzte Frau ihrem Mann vor. Aber er kannte sehr wohl die Gefahren und Schwierigkeiten und schreckte davor zurück, die harten Beschwernisse ein zweites Mal auf sich zu nehmen. Schließlich raffte er doch seinen Mut und seine Kräfte zusammen und machte sich mit vielen tausend Franken auf den Marsch. Er gelangte bis zum Grab Christi, obwohl ihm die widrigsten Hindernisse im Wege standen.
Was Ordericus Vitalis hier zitiert, sind die einzigen Worte, die von Adele überliefert sind. Wenn sie tatsächlich so oder so ähnlich, im Rahmen zärtlichen Liebesgeflüsters, geprochen wurden, dann wollte die Fürstin ihren Gatten wohl so schnell wie möglich wieder aus dem ehelichen Bett hinauswerfen. Auf seinem zweiten Zug gen Osten erreichte Stephan Jerusalem, das irdische und, nach Meinung der meisten damaligen Zeitgenossen, auch himmlische Ziel der kriegerischen Pilgerfahrt. Ende Mai 1102 ist er in einem Gefecht bei Ramallah, in der Nähe der Heiligen Stadt entweder ums Leben gekommen oder in die sarazenische Gefangenschaft geraten." Seiner W i t w e fiel nunmehr die alleinige Verantwortung für die Länder zu, die sie bereits zu Lebzeiten ihres Mannes faktisch regiert hatte. Aus der Witwenzeit Adeles gibt es einige Briefe, die Licht auf die Auseinandersetzungen werfen, in die sie mit Kreisen des Hochklerus verwickelt war. Bemerkenswert sind vor allem die Briefe des Bischofs Ivo von Chartres, der ein bedeutender Rechtsgelehrter und, wenn man so will, auch Gesellschaftstheoretiker des Mittelalters war 34 und zu dem Adele ein denkbar schlechtes Verhältnis hatte. Einmal beschwert sie sich brieflich bei dem Bischof über die Nonnen des Klosters St. Fara, sie hätten ihr Kloster in ein Bordell verwandelt. 35 Ivo seinerseits protestiert bei Adele, weil sie gegen seinen Erzpriester Radulf vorgegangen war. 36 Aus einem Brief Ivos an den Erzbischof Daimbert von Sens geht hervor, daß schwere Konflikte zwischen den Gefolgsleuten der Gräfin und dem Klerus der Diözese Chartres im Gange waren. Der Erzbischof hatte wohl zugunsten Adeles Stellung bezogen, denn Ivo verteidigt sich und erklärt, er habe bereits den Papst um eine Entscheidung gebeten. Anlaß des Streites war die Praxis der Kooptation des Domkapitels von Chartres: die Kanoniker hatten beschlossen, nur noch Angehörige
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des Adels in ihre Reihen aufzunehmen, und Ivo hatte dies durch den Papst bestätigen lassen.37 Adele hatte also keine Bedenken, sich auch in kirchliche Rechtsangelegenheiten einzumischen, wenn es ihr geboten schien. Ivo beschwert sich einmal bei der Gräfin, ihr Sohn Wilhelm habe sich gegen ihn und den Klerus von Chartres verschworen. Deshalb habe er den bischöflichen Segen eingestellt und droht nun mit der Exkommunikation. Der Brief ist überschrieben: Ivo, der demütige Diener der Kirche von Chartres, wünscht der Pfalzgräfin Adele, sie möge in der Gesinnung des Friedens und der Liebe überfließen!38
Eine großpriesterliche Unverschämtheit, ebenso wie der Gruß eines weiteren Briefes an Adele: Ivo, von Gottes Gnaden demütiger Diener der Kirche von Chartres, wünscht der durchlauchtigen Gräfin Adele gut zu denken und gut zu handeln."
Der Anlaß dieses Briefes war, daß Adele die Stiftsherren eines Kapitels von der Nahrungszufuhr hatte abschneiden lassen. Ivo erinnert sie daran, daß sie erst in dem jetzt laufenden Jahr (1107) in die Hand des Papstes (Paschalis' II., der sich damals in Frankreich aufhielt), drei Jahre zuvor in seine eigene Hand den Frieden gelobt hatte, und droht ihr mit der Exkommunikation. Adele war gewiß in der Durchsetzung ihrer Machtinteressen nicht zimperlich. Sie scheute auch die Konfrontation mit dem Hochklerus nicht, der seinerseits alles andere als ein gebrochenes Verhältnis zur politischen Macht hatte. Mit was für Leuten Adele es zu tun hatte, zeigt neben dem erwähnten Ivo von Chartres der Bischof Hildebert de Lavardin (1067-1133) von Le Mans. Von Hildebert ist bekannt, daß er einem berühmten und berüchtigten Bußprediger, Heinrich von Lausanne, im Jahre 1116 die Predigterlaubnis erteilte und ihn, nachdem es zu Tumulten gekommen war, aus seinem Bistum auswies. Sein Brief an Adele,40 von dem wir im folgenden den wichtigsten Teil zitieren, bedarf eigentlich keines weiteren Kommentars. Er stellt eine durchaus unerquickliche Mischung aus vorgeschobener spiritueller Anleitung, versteckter Anmache und mit Bibelzitaten garniertem Schwulst dar. Der Leser möge sich selbst ein Urteil darüber bilden, ob das übertrieben ist. Zitiert wird das Dokument aber nicht, um die seelischen Abgründe eines mittelalterlichen Großpriesters bloßzustellen, sondern um eine für die Epoche charakteristische Situation zu erhellen. Anlaß des Briefes war wohl der Eintritt Adeles in das Kloster Marcigny im Jahre 1122. Der demütige Bischof von Le Mans, Hildebert, wünscht Adela, seiner Herrin und seiner Geliebten, einen guten Ausgang ihres guten Anfangs zu verdienen! Daß ich Dich Herrin nenne, kommt, wie Du wissen sollst, aus Deinem Verdienst; daß ich Dich Geliebte nenne, aus meiner Verpflichtung. Die Braut meines Herrn ist meine Herrin. Deshalb umarme ich Dich in reiner und einfältiger Liebe, bin
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Adele Gräfin von Blois ich Deinetwegen eifersüchtig mit der Eifersucht Gottes. Es ginge mir schlecht beim Gericht Christi, wenn ich nicht eifersüchtig wäre um die Braut Christi in Christus und für Christus. Ich sage es noch einmal: Du bist die Braut des Herrn Jesus Christus! Zu den Umarmungen des Königs wurdest Du aus dem Schlafzimmer des Ritters hinübergeführt. Aus der Gattin eines Menschen bist Du die Gattin Gottes geworden. Ich möchte aber nicht, daß Du die Verstoßung fürchtest, weil Du, als Du noch Jungfrau warst, den Menschen dem Gott, dem König den Ritter vorgezogen hast. Unser Prophet Osee heiratet eine Hure [Os 1,2; 3,1]; Moses erfreut sich an der Verbindung mit der Negerin [Num 12,1]. Christus löscht seinen Durst, wobei ihm die Samariterin ihren Becher reicht [Joh 4,7]. Auf den Plätzen und Gassen sucht das Evangelium die Armen und Schwachen, die Blinden und Lahmen, mit denen das Haus des Vaters gefüllt werden soll [Lc 14,21]. Was von den Reptilien und unreinen Tieren in der Apostelgeschichte gesagt ist, hast Du gelesen: „Schlachte und iß!" [Act 10,13]. Schließlich war es auch eine Sünderin, von der Johannes im Evangelium sagt: „Jesus liebte Maria und ihre Schwester Martha und Lazarus" [Joh 11,5], Unzählig sind die Beispiele dafür, daß Christus auch die Sünderinnen der Ehe mit sich für wert hält. Denn nicht von den Gerechten, sondern von den Sünderinnen ist gesagt: „Kehret euch um zu mir, und ich will mich zu euch umwenden" [Zach 1,3]. Und der Evangelist sagt: „Einige von ihnen kamen von weit her" [Mc 8,3]. Von weit her kam jener verhurte Sohn, den der Vater mit Musik und Gesang aufnahm und für den er das Mastkalb schlachtete [Lc 15,13. 20. 25. 23]. Um die von weitem Herkommenden ist Dein Verlobter eifersüchtig und bietet sich denen zum Gatten an, die eine Anzahl von Gatten verloren haben. Christus hat also viele Gemahlinnen. Seine Gattin ist Agnes, Anna und Susanna. Agnes ist nur seine Gattin; Anna nach einem anderen dennoch seine; Susanna zugleich die eines anderen und seine. Die ihn mehr liebt, gebiert häufiger. Die mehr gebiert, wird reicher von ihm ausgestattet. Doch keine bleibt unbeschenkt, weil keine unfruchtbar ist. Bei den menschlichen Bräuten kommt, wenn der Arzt recht hat, die Fruchtbarkeit aller zum Erliegen. Einige haben überhaupt keinen Kindersegen. Bei den Gemahlinnen Christi ist das nicht so. Keine von ihnen macht die Natur, keine die Zeit unfruchtbar. Frauen aller Altersstufen empfangen von ihm, gebären für ihn. Bei ihrer Geburt nehmen sie schon den Anfang der Hochzeit mit Christus auf. Alle werden sie ja als Jungfrauen geboren, und diesem Geschick wird im himmlischen Brautgemach der Vorrang zuteil. Eine Frau, die eine Frau gebiert, ist die Schwiegermutter Gottes, bevor die die eines Menschen wird. Festliche, ach so festliche Ehe! Glückliche, kaum geboren und schon verheiratet! Wahrhaft Glückliche, die für den König und das Gesetz der Engel geboren wird! Denn die Engel heiraten weder, noch werden sie verheiratet [Mc 12,25]. Ihr Zustand kennt kein Geschlecht. Was soll ich noch von den anderen Gattinnen Christi erzählen, deren Fruchtbarkeit im Greisenalter überströmt? Die achtzigjährige Anna war fruchtbarer als sie als junges Mädchen war [1 Sam 1,20]. Einen Sohn gebar Sara dem Abraham, dem Herrn mehrere. „Alle haben sie", wie Salomon sagt, „Zwillingsnachwuchs, und eine Unfruchtbare findet sich unter ihnen nicht" [Cant 4,2]. Das sind die, die mit dem Propheten sagen: „Wir sind von deiner Furcht abgefallen, und wir haben S c h m e r z e n erlitten u n d h a b e n g e b o r e n . W i r h a b e n den G e i s t der R e t t u n g auf die
Erde gebracht" [Is 26,18].
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Von ihm hast auch Du, meine Schwester, meine Herrin, von ihm hast auch Du, wenn ich nicht irre, empfangen. Wenn Du aber empfangen hast, dann mußt Du notwendigerweise vor der Geburt Schmerzen erleiden. Wenn Du Schmerzen erlitten hast, dann mußt Du dich anstrengen, daß Du gebierst. Wenn Du geboren hast, dann wirst Du mit Recht sagen können: „Den Geist deiner Heilung haben wir auf die Erde gebracht." [Is 26,18]. Ich weiß, meine Liebste, daß Du den Salomon gelesen hast, der sagt: „Wer den Herrn fürchtet, wird Gutes tun" [Sir 15,1]. Und im Psalm steht: „Der Anfang der Weisheit ist die Furcht des Herrn" [Ps 110,10]. Im Zusammenhang mit diesen Warnungen erinnert der Bischof seine Adressatin auch an die Geschichte des Sündenfalls: der Teufel hat mittels eines A p fels den Sieg errungen! Man wüßte gern, wie die Adressatin auf dieses Elaborat reagiert hat. H a t sie sich darüber geärgert oder halbtot gelacht? Vielleicht hat sie es einfach nur beiseite gelegt. Daß der Brief bis in unsere Tage überlebt hat, dürfte dem Umstand zu verdanken sein, daß ihn der Autor selbst einer Sammlung seiner Korrespondenz einverleibt hat. Hildebert ist nicht der einzige kirchliche Großherr, der sich mit seinen Ergüssen an Adele blamiert hat. Baudri von Bourgueil ( 1 0 4 6 - 1 1 3 0 ) , Erzbischof von Dol in der Bretagne, singt die Fürstin mit den folgenden unbeholfenen elegischen Distichen an (die Holprigkeit der Verse liegt nicht nur an der Übersetzung!): 4 1 Nicht an Tugend geringer folgt auf den Vater die Tochter, Ausgenommen allein, daß nicht gewappnet sie ist. Dennoch nähme sie gern die Waffen zur Hand, untersagten Sitt' und Gesetze nicht zarten Frauen das Schwert. Doch gibt es eines, worin übertrifft die Tochter den Vater: Dichtungen spendet sie Lob, Büchern widmet sie Zeit; Weiß, daß den Dichtern gebührt die angemessne Vergütung: Keiner verläßt sie jemals, den nicht entlohnt ihre Hand. Außerdem kann sie dir eine große Menge diktieren; Treffend ist ihr Geschmack, wenn sie beurteilt ein Lied. Hab also kein Bedenken, da sie dem Gespräche geneigt ist, Zeit schenken wird sie dir und den geeigneten Ort, Und die Gräfin wird dich, wie ich meine, nicht leer entlassen; Fehlt es an Bildung auch dir, sie gleicht es trefflich aus. Aber sie wird dich nicht nach deinen Verdiensten beschenken, Nein, sie gewährt dir nur, was ihr zur Ehre gereicht. Weiß doch die ganze Welt schon von ihrer Mild' zu berichten, Mancher kommt von weit her, möcht eine Gabe von ihr. Lange schon kenne ich sie, doch sie kennt mich überhaupt nicht; Ländlich bescheiden bin ich, unauffällig für sie. Hätte auch jetzt nicht gewagt, ein Gedicht ihr von mir zuzustellen, Aber sie wollte mein Lied, und sie ließ bitten darum. Denn vor kurzem kam etwas zu Ohren ihr von unserm Werke, Das ihren Beifall fand, und sie bat mich um mehr. Nun füg ein Lied ich hinzu, doch meine ich nicht, daß es käme
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Adele Gräfin von Blois Je ihrer Güte gleich, kommt doch von da sein Gehalt: Ein bedeutender Inhalt hat meine Lieder geadelt; Nicht verleiht mein Gedicht Adel dem würdigen Stoff. Ehre verleihn dieser Frau Geradheit und keusche Gesinnung, Kinder sind ihr zum Schmuck und ein Mann, der sie liebt. Viele Männer gibt es, die ziehn den Blick mancher Mädchen Auf sich, schön wie sie sind und auch charaktervoll. Wer von ihnen hätt' je mit Erfolg versuchen sie können? Hält sie doch fest am Vertrag unverbrüchlicher Eh'. Ungewöhnliche Zier, eine unvergleichliche Anmut Zeichnen vor allen sie aus, geistvoll ist sie im Gespräch. Welcher Mann vermocht ein so steinernes Herz zu erweichen? Aussichtslos starren sie, doch das Starren macht Spaß. Machen sie doch sich vergebliche Hoffnung, ans Ziel zu gelangen, Glotzen voll Gier sie an, reizen die Augen umsonst. Das ist kein Wunder, ist doch der Glanz ihrer Schönheit so strahlend, Daß an der Spitze sie steht der jungfräulichen Schar. Sehen hätt' ich sie können, hätt nicht geschämt mich ich Bauer. Scham ließ mich senken den Blick, während ich zu ihr sprach. Hätt' ich damals nicht abgelenkt meine schweifenden Augen, Alsbald hätte sie mich ganz zum Verstummen gebracht.
Wir müssen den Leser um Entschuldigung bitten, daß wir ihm dieses geschmacklose Zeug zugemutet haben. Das Gedicht umfaßt insgesamt 1367(!) Verse und ist mit zahlreichen Anspielungen an die antike Mythologie aufgeputzt. Aus dem Text geht hervor, daß Stephan von Blois noch lebte, sich aber fern der Heimat befand, als der Bischof seine Frau in dieser Weise andichtete. In einem zweiten, sehr viel kürzeren Gedicht erinnert Baudri die Gräfin Adele an das ihm versprochene Geschenk eines prachtvollen Chormantels; den Gipfel der Unverschämtheit erreicht dieses Machwerk in seinem letzten Vers: Adele möge ja nicht die goldene Quaste oder den goldenen Fransenbesatz vergessen.42 Wie schon erwähnt, trat Adele im Jahre 1122 in das Kloster Marcigny an der oberen Loire (heute Département Saône et Loire) ein. Sie Schloß damit gewissermaßen ihr irdisches Leben ab und wandte sich dem jenseitigen zu. Adele starb am 8. März 1138.45 Es sind vor allem die Äußerungen von Zeitgenossen, nicht ihre eigenen, durch die Adeles Persönlichkeit indirekt beleuchtet wird. Aber gerade an der Spur, die sie im Werk der Schriftsteller ihrer Epoche hinterlassen hat, offenbart sich ihr überragender geistiger Rang. Wenn die schreibenden Männer ihrer Zeit sie, entweder ausdrücklich oder in Andeutungen, für eine Virago (Mannweib, Heroine) hielten, so spricht sich darin schon ein wenig Spott und Neid, ebenso aber auch Respekt und Bewunderung aus.
4 ELEONORE VON AQUITANIEN
Zweifache Königin und zweifache Gemahlin Eleonore (lat. Alienor oder Alienordis; franz. Aliénor, Ellénore; engl. Eleanor, Elinor) von Aquitanien wurde um das Jahr 1122 als eines von drei Kindern des Herzogs Wilhelm X. von Aquitanien und seiner Frau Aenor von Châtellerault geboren. Ihr einziger Bruder Wilhelm starb früh, und ihre Schwester Aelith, auch Petronilla genannt, war jünger als sie. So wurde Eleonore Erbin des Herzogtums Aquitanien und der Grafschaft Poitou, eines Gebietes, das den gesamten Südwesten des heutigen Frankreich umfaßte.
Der Großvater Eleonore war, was ihren Charakter betrifft, - wenn man es einmal so sagen darf-, erblich belastet. Ihr Großvater Wilhelm (Guilhelm) IX.(* 1071, f 10. Februar 1127), Herzog von Aquitanien (seit 1086), war ein äußerst gerissener Politiker und gefürchteter Kämpfer, aber auch hochgebildet und ein bedeutender Dichten er gilt als der erste Troubadour.1 Die Geschichtsschreiber des 12. Jahrhunderts haben nicht einmütig über seinen Charakter geurteilt. Für Ordericus Vitalis war er das, was die Engländer a merry fellow, einen fröhlichen Kerl, nennen.2 Andere kolportieren eher Abträgliches. So bemerkt Wilhelm von Newburgh, er sei ein Verschwender und Schuldenmacher gewesen.3 Wilhelm von Malmesbury stellt ihn als völlig haltloses Subjekt, Possenreißer und großen Hurenbock hin.4 JEAN MARKALE, der eine bemerkenswerte Biographie Eleonores verfaßt hat,5 sagt über ihren Großvater: „In seiner Brust wohnten zwei Seelen, eine aufrichtig mystische und eine zügellos sinnliche." Wilhelm IX. von Aquitanien stellte also, mitten im Mittelalter, eine ausgesprochen barocke Existenz dar, eine genuin katholische Existenz, wenn man so will. Auf seinem berühmten Kreuzzug des Jahres 1101, mit dem Wilhelm IX. 60 000 - nach anderen sogar 300 000 - Bewaffnete in den Orient geführt haben soll, erheiterte er die heiligen Krieger mit lustigen Geschichten. In seiner Stadt Niort, auf halbem Wege zwischen Poitiers und La Rochelle, ließ er ein Bordell erbauen, das wie ein Frauenkloster organisiert war; Huren von besonderem Ruf bekleideten dort die Würden der Äbtissin, Priorin und anderer klösterlicher Amtsträgerinnen.6 Später verstieß er seine Gemahlin Philippie (Mahaut) von Toulouse und spannte dem Vicomte von Châtellerault die Frau aus. Das Bild dieser „Maubergeonne" genannten Geliebten ließ er auf seinem
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Schild anbringen und bemerkte dazu, er wolle sie so im Kampf tragen, wie sie ihn auf dem Sofa trage. Der Bischof Girardus von Angoulême sprach darauf über ihn die Exkommunikation aus und befahl ihm, der unerlaubten Liebe zu entsagen. Wilhelm erwiderte dem glatzköpfigen Herrn: „Eher wirst du dir das Haar aus der Stirn kämmen, als ich der Vicomtesse ihre Verstoßung ankündige." Darauf rückte ihm der Bischof Peter von Poitiers, der schon zu Lebzeiten im Rufe der Heiligkeit stand, auf den Leib. Auch dieser Großpriester begann die Bannformel herzubeten. Wilhelm wurde wütend, packte ihn am Schöpf, hielt ihm seinen Dolch vor die Nase und drohte, er werde ihm den Garaus machen, falls er ihm nicht wieder die Absolution erteile. Der schlaue Bischof tat so, als sei er tief erschrocken, und bat den Herzog um die Erlaubnis zu sprechen. Aber anstatt Wilhelm loszusprechen, fuhr er mit dem Rezitieren des Bannfluches fort. Der Herzog, der offenbar das lateinische Gemurmel nicht verstand, bemerkte den Betrug nicht. Als der Bischof mit seinem Spruch fertig war, bot er seinen Hals dar und sagte zu Wilhelm: „Stoß zu, stoß zu!" Der hatte aber schon wieder zu seiner Fassung und zu seinem gewohnten Humor zurückgefunden und erwiderte: „Ich hasse dich so, daß ich dich nicht einmal meines Hasses für wert erachte, und schon gar nicht sollst du durch meine Hand ins Paradies eingehen." Kurze Zeit später jagte er aber den lästigen Mahner aus seinem Land. Die erhaltenen Liebeslieder Wilhelms IX. sind Zeugnisse einer nahezu absoluten Freizügigkeit der Gefühle und des erotischen Erlebens. Für ihn selbst und seine Kumpane (companho) scheinen weder moralische noch gesellschaftliche Schranken existiert zu haben. In dem ersten Gedicht bittet er die ritterlichen Gefährten um Rat in seiner Situation: er hat zwei Pferde, die ihm sehr gut unter dem Sattel gehen, auch im Kampf brauchbar sind, sich aber gegenseitig nicht leiden können:7 Dos cavalhs ai a ma selha ben e gen;
B o n son e adreg per armas e valen; Mas no-ls puesc amdos tener que l'us l'autre non Cossen.
Gemeint sind natürlich zwei Frauen, zwei Geliebte, die Damen Agnes und Arsen, von denen er sich um keinen Preis trennen will. Denn beide „Pferdchen" haben ihre Vorzüge, auf die er nicht verzichten möchte. Die Bitte um Rat, die er an seine Freunde richtet, ist deshalb rein rhetorischer Natur und seine Verzweiflung eine gespielte: Cavallier, datz mi cosselh d'un pessamen! Anc mais no fuy issarratz de cauzimen: Ges non sai ab quai mi tengua de Ν'Agnes o de N'Arsen. Die Situation ist ausweglos, das heißt: sie muß so bleiben, wie sie ist, denn beide Frauen sind ihm, wie zwei Städte, die ihm gehören, durch einen feierlichen Lehnseid verbunden:
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C'ambedui me son jurat e plevit per sagramen.
Man sieht, weshalb ein mönchischer Geschichtsschreiber wie Wilhelm von Malmesbury in dem Herzog nichts anderes als eine Sau sehen konnte, die sich im Schlamm ihrer Laster wälzte.8 Der Klerus führte im Mittelalter einen zumeist vergeblichen Kampf gegen die Polygamie, dieses unausrottbare Erbe vorchristlicher, germanischer Kultur. Männer, die es sich nach Stand und Vermögen leisten konnten, gingen irgendwann in ihrem Leben die Verbindung mit einer Zweitfrau ein. So ist es bis heute geblieben: die sich auf Jesus selbst berufende Auffassung, nach der die Einehe „göttlichen Rechts" sei, hat sich in die moderne, sich bürgerlich-liberal gebende westliche Gesellschaft herübergerettet, die zwar die Scheidung legalisiert hat, aber doch daran festhält, daß immer nur die Verbindung mit einer einzigen Frau legitim sein kann. Dabei weiß jedermann, daß die tatsächlichen Sitten andere sind. In einem anderen Gedicht Wilhelms, dem dritten der kleinen Sammlung,9 geht es um das Ding am Weibe, das in der mittelhochdeutschen Sprache die schöne Bezeichnung „künne" (lateinisch: cunnus; provenzalisch und französisch: con; englisch: cunt) hat und nach dem römischen Dichter Horaz die älteste Kriegsursache ist.10 Herzog Wilhelm stellt seinem Schöpfer die Frage: Herr Gott, der du der Welt Schöpfer und König bist, Weshalb verschied der nicht sogleich, Der Wachen stellen ließ als erster vor das Künne? Denn niemals gab man Frauen schlechtem Dienst und Wache.
Nach Meinung des Dichter-Fürsten ist der möglichst häufige Gebrauch das Beste, was dem con widerfahren kann. Man kann hier natürlich fragen, wie ernst so etwas gemeint ist und ob es philosophische und theologische Implikationen hat. Aber ein frommer Zeitgenosse konnte immerhin den Eindruck haben, Wilhelm lebe so, „als ob er glaube, alles geschehe rein zufällig und werde nicht durch die Vorsehung geleitet."11 Dennoch gehörte der Herzog zu denen, die, neben anderen Motiven, gewiß auch zur Rettung ihrer Seele in den heiligen Krieg gezogen waren. Das müssen keine sich ausschließenden Gegensätze sein: ein nachdenklicher und gebildeter Mensch des Mittelalters konnte im Verlauf seines Lebens, nacheinander oder gleichzeitig, in verschiedenen religiösen Vorstellungswelten leben. In dem letzten seiner erhaltenen Lieder, in dem er von der Welt Abschied nimmt, offenbart Wilhelm Gefühle aufrichtiger Reue: Mög' mein Gefährte mir vergeben, Was je ich Unrecht ihm getan, Und ich bitt' Jesus auf dem Himmelsthron Für mich auf Romans und Latein. In Stolz und Freud hab ich gelebt, Doch heißt's von beiden Abschied nehmen,
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Eleonore von Aquitanien Und ich begebe mich zu dem, Wo alle Sünder Frieden finden.
Die Erbin Auch Wilhelms I X . Sohn Wilhelm X . (1126-1137) legte sich zeitweilig mit kirchlichen Amtsträgern an. Entgegen dem Beschluß des Klerus von Frankreich auf der Synode von Étampes (1130), Innocenz II. als Papst anzuerkennen, hielt er, unter dem Einfluß des Bischofs Girardus von Angoulême, Anaklet II. Pierleone für den rechtmäßigen Papst. Er fand aber seinen Meister in dem furchtbaren Abt Bernhard von Clairvaux, auf dessen Betreiben die Entscheidung von Étampes zustandegekommen war.12 In Parthenay kam es zu einer Begegnung zwischen Wilhelm X . und Bernhard, bei der sich der Herzog wohl bereit erklärte, Innocenz II. anzuerkennen, er wollte jedoch die vorher abgesetzten Bischöfe nicht wieder in ihr Amt einführen. Da inszenierte Bernhard einen merkwürdigen Auftritt. Er trat mit erhobener konsekrierter Hostie vor den am Kirchenportal wartenden Wilhelm X . und stellte ihm drohend seinen göttlichen Richter vor („Adest Iudex tuus!"). Der Herzog erlitt darauf einen epilepsieartigen Anfall und fiel zu Boden. Danach zeigte er sich „von der Autorität des Heiligen Geistes und der Gegenwart des Sakraments" überzeugt und söhnte sich mit dem Bischof Wilhelm von Poitiers, den er zuvor aus seinem Bistum vertrieben hatte, wieder aus." Die Szene von Parthenay ist auf einem Sandsteinrelief rechts vom Portal der Abteikirche von Aldersbach in Niederbayern (Diözese Passau) in der dramatischen Bildersprache des barocken Zeitalters dargestellt. Man muß sich davor hüten, aufgrund solcher Vorkommnisse der fürstlichen Familie von Aquitanien einen nativen Antiklerikalismus im modernen Sinne anzudichten.14 Die Mitglieder der Familie legen allerdings durchweg eine gewisse Unbekümmertheit gegenüber den kirchlichen Autoritäten und auch den moralischen Forderungen der offiziellen Kirche an den Tag. Im Frühjahr 1137 unternahm Wilhelm X . eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela, um, wie Ordericus Vitalis schreibt, für seine auf dem Herbstfeldzug 1136 in der Normandie verübten Greueltaten Buße zu tun.15 Am Karfreitag, dem 9. April 1137, starb er vor dem Altar des Apostels Jakobus im Alter von nicht ganz 35 Jahren. Sein angebliches Testament, in dem er seine Tochter Eleonore als seine alleinige Erbin bestimmt und den König Ludwig VI. bittet, sie mit seinem Sohn zu verheiraten, ist höchst wahrscheinlich eine Fälschung.16 Es kann aber kein Zweifel sein, daß der sterbende Wilhelm X . den König von Frankreich als Rechtsnachfolger in seinen Herrschaftsgebieten eingesetzt und Ludwig den Jüngeren zu seinem Schwiegersohn bestimmt hat. So überliefern es übereinstimmend Ordericus Vitalis und Suger von Saint-Denis, deren Berichte durchaus glaubwürdig sind.17 Den mächtigsten potentiellen Gegner der eigenen Dynastie mittels Heirat an dieselbe zu
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binden, war zudem keine dumme Entscheidung und nach Lage der damaligen Machtverhältnisse die beste Vorsorge, die der Herzog von Aquitanien für seine Tochter treffen konnte. Nach Rücksprache mit dem engeren Kreis seiner Berater, deren wichtigster der Abt von Saint-Denis war, nahm Ludwig VI., der selber bereits dem Tode nahe war, das Angebot Wilhelms von Aquitanien an. Ludwig der Jüngere - er war schon am 25. Oktober 1131, nachdem sein älterer Bruder Philipp in Paris durch einen Unfall ums Leben gekommen war, während des Konzils von Reims, in Gegenwart des Papstes Innocenz' II., zum König gesalbt und gekrönt worden18 - machte sich unverzüglich an der Spitze eines Geleitzuges von 500 der vornehmsten Ritter und Vasallen Frankreichs auf den Weg nach Aquitanien. Als wichtigste Begleiter hatte der König seinem Sohn die Grafen Theobald von Champagne und Raoul von Vermandois sowie den Abt Suger zugesellt. In Gegenwart des hohen Adels der Gascogne, der Saintonge und des Poitou wurde Eleonore am 25. Juli 1137 in der Kathedrale von Bordeaux mit dem königlichen Diadem von Frankreich gekrönt und anschließend mit Ludwig VII. verheiratet. Bei ungewöhnlich drückender Sommerhitze trat man die Rückreise nach Paris an. Unter dem Jubel der Bevölkerung zogen die Neuvermählten in Poitiers ein. Ludwig VI. erlebte die Heimkehr seines Sohnes nicht mehr. Er starb am 1. August 1137 im Alter von 60 Jahren in Paris." Sein Nachfolger, der nun die Herrschaft antrat, war etwa sechzehn, die junge Königin etwa fünfzehn Jahre alt. Nach heutigen Begriffen waren sie also noch Kinder, aber in ihrer Zeit hatten sie sich als Erwachsene zu bewähren.
Erste Ehe und Kreuzzug In den neueren Biographien Eleonores ist viel über die Veränderungen phantasiert worden, die mit dem Einzug der jungen Fürstin aus dem Süden und ihres Gefolges in Paris und dem gesamten französischen Norden eingetreten seien. Aufgrund ihres Einflusses hätten sich in Paris kultiviertere Umgangsformen, eine neue Mode, Dichtung und Musik, eine heitere, „südliche" Lebensart und freiere Sitten durchgesetzt. Träfen diese Schilderungen zu, dann hätte das Auftreten Eleonores eine Art Kulturrevolution ausgelöst. Dem steht entgegen, daß Paris schon vor der Ankunft der jungen Königin aus dem Süden eine Großstadt (man schätzt die Einwohnerzahl um 1130 auf etwa 200 000) mit einem international geprägten intellektuellen Leben war. Entgegen anders lautenden Darstellungen war das geistige Klima nicht durch einen lebensfremden, öden, „klerikal" oder „scholastisch" geprägten Wissenschaftsbetrieb bestimmt. Die intellektuelle Atmosphäre hatte vielmehr einen ausgesprochen offenen, kritischen, „philosophischen" Charakter. Die Kenntnis der antiken Literatur, gerade auch der Dichtung, war weit verbreitet. Man braucht nur die „Leidensgeschichte" des berühmten Pariser Magisters Abae-
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lard (1079-1142) zu lesen: sie gibt nicht nur einen tiefen Einblick in den damaligen Lehrbetrieb in Paris, sondern auch in den Alltag der Studenten. U n ter anderem geht daraus hervor, daß Liebeslyrik nicht erst mit Eleonore nach Paris gekommen ist.20 Es wurde schon erwähnt, daß man Eleonore keine generelle Abneigung gegen den Klerus andichten kann. Zu dem Abt Suger, dem wohl bedeutendsten politischen Kopf des Königreichs, scheint sie immer ein gutes Verhältnis gehabt zu haben, das auf gegenseitiger Schätzung beruhte. Die Eheschließung zwischen Ludwig VII. und der Erbin von Aquitanien und Poitou war ja nicht zuletzt aufgrund seines Rates zustandegekommen. In seiner Lebensbeschreibung Ludwigs VI. nennt Suger Eleonore „ein hochadeliges Fräulein" (nobilissimam puellam),21 und das ist nicht bloß eine eben hingeschriebene Floskel, will auch nichts über ihren Stand aussagen, der ja jedermann bekannt war, sondern bringt ein Werturteil zum Ausdruck, das für einen Mönch in Bezug auf eine junge Frau sehr weit geht. Als das königliche Paar sich auf dem Kreuzzug befindet (1148) und die Ehe schon zerrüttet ist, schreibt Suger dem König:22 Was die Königin, Eure Gattin, betrifft, so wagen wir Euch zu empfehlen, Ihr möchtet die Erbitterung Eures Herzens, wenn es eine solche gibt, zudecken, bis Ihr nach Gottes Willen in Euer Königreich zurückgekehrt seid und über diese und andere Angelegenheiten eine Verfügung treffen könnt.
Im Jahre 1137, als Eleonore in Paris eintraf, war die neue Abteikirche von Saint-Denis bereits seit sieben Jahren im Bau. Bekanntlich hat Suger selbst ausführlich über die Arbeiten und die Weihe des Chors im Jahre 1144 berichtet.23 Wenngleich seine Rolle bei dem Bau und vor allem die Frage, ob in seinem Werk eine implizite „Theorie" oder so etwas wie ein architektonisches Programm des gotischen Sakralbaus enthalten ist, in der Forschung umstritten ist,24 so kann doch kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, daß er der maßgebende spiritus rector des gesamten Unternehmens gewesen ist, so wie er es selbst darstellt. Für die Erneuerung zunächst des Westwerks, dann für den Neubau des Chors und des Querhauses der Abteikirche mußte Suger große Geldmittel aufbringen, zumal er die qualifiziertesten Handwerksleute heranzog. In seinen eigenen Schriften hat er keine direkte Auskunft darüber gegeben, woher er das Geld hatte. Ebenso wenig findet sich darüber in anderen zeitgenössischen Quellen. Sugers Korrespondenz aus der fraglichen Zeit ist nicht erhalten. In dem Rechenschaftsbericht über seine Amtsführung (Liber de rebus in administratione sua gestis) schildert er aber ausführlich, wie er alte Rechtstitel und Besitzansprüche der Abtei Saint-Denis erneuerte, womit sicher auch die Einnahmen des Klosters in erheblichem Maße verbessert wurden. Aber es werden daneben auch reiche Spender tätig geworden sein. D i e v o n ELEANOR S. GREENHILL geäußerte V e r m u t u n g , d a ß das k ö n i g l i c h e
Paar den Neubau der Abtei mit beachtlichen Summen gefördert haben müsse, ist nicht abwegig.25 Da aber die Kasse des Königs von Frankreich bestän-
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dig leer war, wie wir aus anderen Quellen wissen, werden die reichen Dotationen letztlich wohl aus dem riesigen, schier unerschöpflichen Vermögen geflossen sein, das die Erbin von Aquitanien und Poitou der französischen Krone zugeführt hatte. Saint-Denis war ja nicht nur die „königliche Abtei" Frankreichs schlechthin, sondern die Grabstätte der herrschenden Dynastie, in die Eleonore durch ihre Heirat eingetreten war; die Abteikirche war damit auch ihr voraussichtlicher Begräbnisplatz geworden. Suger erwähnt fürstliche Spender im Zusammenhang mit der Ausschmükkung der goldenen Tafel vor dem Grab des heiligen Dionysius mit edlen Steinen.26 Von Eleonore, die zusammen mit ihrem Gemahl und ihrer Schwiegermutter Adelheid die Reihe der illustren Gäste bei der Weihe des Chors der Abteikirche anführte,27 stammt das heute noch erhaltene Gefäß aus Bergkristall, das Suger mit einer Inschrift versehen ließ und den „Ornamenta ecclesiae" des heiligen Dionysius einverleibte. Eleonore hatte es ihrem Gemahl kurz nach der Hochzeit geschenkt. Das kostbare Stück entstammte dem Erbe ihres Großvaters Wilhelm IX., der es wohl als Geschenk eines gewissen Mitadolus, vielleicht aus dem Orient, vielleicht aus Spanien, mitgebracht hatte. Die Inschrift in zwei Hexametern, mit der Suger die Reihe der Besitzer auf dem Fuß des Kännchens verewigen ließ,28 lautet übersetzt ungefähr: Dieses Gefäß schenkt Alienor als Braut König Ludwig; Mitadolus ihrem Ahn, mir der König, den Heil'gen ich, Suger. Es ist wohl anzunehmen, daß Ludwig VII. das Brautgeschenk seiner Gattin mit deren Einverständnis an Suger weitergab, damit es im eucharistischen Kult Verwendung finde. In seiner Weiheinschrift erwähnt der Abt Eleonore und ihren berühmten Großvater ausdrücklich. Das ist sicher alles andere als ein Indiz für eine distanzierte oder gar feindselige Gesinnung gegenüber der Königin und ihrer aquitanischen Familie. Der wirkliche Widersacher Eleonores und ihrer Familie war ein anderer mächtiger Abt: nämlich der heilige Bernhard von Clairvaux. In den Jahren 1143-1144 erreichten die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Ludwig VII. und dem Grafen Theobald (Thibaut) von Champagne ihren Höhepunkt. Die königlichen Truppen legten die Stadt Vitry-le-François in Schutt und Asche, wobei ein Großteil der Bevölkerung ums Leben kam. Die Feindseligkeiten zwischen dem König und seinem mächtigen Vasallen hatten neben machtpolitischen Ursachen auch einen sehr privaten Hintergrund: Theobalds Nichte Leonora war mit dem Grafen Raoul von Vermandois verheiratet gewesen. Der hatte in bereits vorgerücktem Alter seine Zuneigung zu der sehr viel jüngeren Petronilla, der noch unverheirateten Schwester der Königin, entdeckt. In den Bischöfen von Noyon, Laon und Senlis fand man willige kirchliche Richter, welche - wie im Mittelalter üblich - die bestehende Ehe aus Gründen der Verwandtschaft zwischen den Ehepartnern auflösten. (Einer der Bischöfe, Simon von Noyon, war überdies Raouls Bruder). Raoul
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von Vermandois konnte nun Petronilla heiraten. Aber die Eheschließung fand, zweifellos durch den Einfluß Bernhards, der auf Seiten Theobalds stand, keine Anerkennung. 1142 exkommunizierte der Papst Innocenz II. Raoul und Petronilla. In den darauffolgenden Jahren wandte sich Bernhard in mehreren Briefen an den König und dessen Ratgeber, Abt Suger von Saint-Denis und Bischof Joscelin von Soissons, um Ludwig VII. zu einer Änderung seiner Politik zu veranlassen.29 Der Ton, den er dabei anschlug, war überaus scharf, um nicht zu sagen: unverschämt. Dem König hielt er mit den Worten des Propheten vor, er halte es mit den Dieben und Ehebrechern (Ps 49,18).'° Wer damit gemeint ist, ist klar: nämlich Raoul von Vermandois, dem Ludwig VII., zusammen mit Suger, die Verwaltung des Königreichs übertrug, als er sich auf den Kreuzzug begab, obwohl der Papst Eugen III. Raoul und Petronilla 1145 erneut exkommuniziert hatte. Wie aus der Korrespondenz Sugers hervorgeht, kümmerte sich dieser offenbar nicht um das mehrfache päpstliche Verdikt und arbeitete mit seinem Statthalter-Kollegen während der über zweijährigen Abwesenheit des Königs hervorragend zusam31
men. Bernhard von Clairvaux wußte, daß seine gefährlichsten politischen Widersacher nicht Suger und Raoul waren, sondern die Königin selbst, welche die Interessen ihrer Familie vertrat und ihren Gemahl entsprechend beeinflußte. In einem Brief, den er um dieselbe Zeit (1143) an den Kardinalbischof Stephanus von Palestrina schreibt und in dem er sich wortreich über die vielen Untaten des Königs beklagt, kolportiert er das Gerücht, Ludwig lebe mit seiner mit ihm im dritten Grad verwandten „Cousine" zusammen, und stellt damit die Gültigkeit der Ehe des königlichen Paares in Frage.32 Was trieb ihn zu dieser Gemeinheit? Waren es der Eifer für Gott und die Sorge für die Kirche, wie er selbst behauptet? Oder war es sein zartes, durch die Meditation der heiligen Texte geschultes Mönchsgewissen? Später suchte er dann das persönliche Gespräch mit dem königlichen Paar. AMY KELLY bemerkt zu der Begegnung, daß dabei wohl der „unheimliche Schatten" Wilhelms X . von Aquitanien, Eleonores Vater, und die Erinnerung an die spektakuläre Szene von Parthenay vor Bernhards innerem Auge aufgetaucht sei.33 Bernhards Sekretär und Biograph Gottfried von Auxerre berichtet, die Königin habe sich während des Gesprächs den Friedensbemühungen des Abtes widersetzt. Als Bernhard sie ermahnte, dem König bessere Ratschläge zu geben als bisher, da habe sie sich mitten im Gespräch plötzlich über ihre Unfruchtbarkeit beklagt und den heiligen Mann demütig um seine Fürbitte bei Gott für eine Geburt gebeten. Bernhard habe darauf geantwortet: „Wenn D u tust, was ich von Dir verlange, dann werde ich meinerseits für Dein Anliegen den Herrn anflehen." Die Königin habe darauf ihren Widerstand gegen den Friedensschluß aufgegeben und auch der König habe den Gottesmann in aller Demut um Erfüllung seines Versprechens gebeten. Schon ein Jahr später habe Eleonore ihr erstes Kind geboren.34 Gemeint ist die im Jahre 1145 geborene Tochter Marie, die später den Grafen Heinrich von Champagne, den Sohn Theobalds, des Feindes ihrer Mutter, heiratete.
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Man darf nicht übersehen, daß der Bericht über dieses Gespräch, das wahrscheinlich am Rande der Feierlichkeiten bei der Weihe des Chors der Abteikirche Saint-Denis im Jahre 1144 stattfand, auf Bernhard zurückgehen muß. Und derjenige, der ihn überliefert hat, ist sein getreuer Adept gewesen. Die Demutsbekundungen des königlichen Paares gegenüber dem Abt können also erfunden sein. Andererseits ist es nicht unwahrscheinlich, daß sich Eleonore von Bernhard, der in dem Rufe stand, ein großer Wundertäter zu sein, tatsächlich eine Hilfe übernatürlicher Art erhoffte. Daß sie im Laufe einer mit Erbitterung geführten politischen Auseinandersetzung ihren geheimen Kummer offenbarte, ist psychologisch durchaus verständlich. Wenn es Bernhard auch gelang, den Krieg zwischen Ludwig VII. und Theobald von Champagne zu beenden, so erreichte er doch nicht sein zweites Ziel: den König von dem „Ehebrecher" Raoul von Vermandois zu trennen und dessen zweite Ehe aufzulösen. Die Angelegenheit nahm vielmehr ein ganz anderes Ende. Die Ehesache wurde, noch während der Abwesenheit des Königs, im Jahre 1148 auf einem in Reims tagenden Konzil durch den Papst Eugen III. persönlich entschieden, und zwar keineswegs im Sinne von Bernhards hohem moralischem Anspruch. Wie das zuging, berichtet am eindrücklichsten Johannes von Salisbury in seiner Papstgeschichte, den wir hier zu Wort kommen lassen:35 Graf Raoul von Vermandois, der drei Jahre zuvor exkommuniziert worden war, weil er seine Gemahlin, die er in ungerechter Weise weggeschickt hatte, nicht wieder aufnehmen wollte, erhielt nunmehr die Absolution, - die er auch bei dem letzten Gespräch nicht hatte erreichen können, als der König der Franken nach Jerusalem abreiste und für ihn eintrat, - und zwar mit Hilfe und Rat der beiden Kardinaldiakone, des Johannes Paparone und des Gregor von Sant'Angelo, wobei sich der Verdacht einstellte, daß dabei Geld im Spiel war. Er hatte nämlich ohne jede Vorbedingung einen Eid geleistet, die Weisung des Papstes auszuführen, was er vorher immer abgelehnt hatte. Aber jetzt wußte er durch die vorgenannten Kardinäle, was der Papst anordnen würde. Als nun sowohl der Graf als auch seine Gemahlin, die er verstoßen hatte, an dem für sie angesetzten Tag in dem Reimser Palast zusammenkamen, um ihren Prozeß zu führen, da erklärte der Herr Papst allen Anwesenden, weshalb er den Grafen lossprechen lasse, nachdem er entsprechend der Gewohnheit der Kirche den feierlichen Eid entgegengenommen habe. Und weil er sich schämte, öffentlich im Angesicht der Kirche das zu tun, was er damals tat (er annullierte nämlich das Urteil seiner Vorgänger Innocenz, Coelestin und Lucius," das allgemein für sehr angemessen gehalten wurde; sie hatten den dem Grafen zur Last gelegten Ehebruch, den er mit der Schwester der Königin begangen hatte, verurteilt), hatte es den Anschein, als ob er vor allem das Wohlwollen der Frau und ihrer Partei gewinnen wolle, denn er sagte, er entscheide so, damit jene einen angemessenen Trost erhalte und endlich von den erlittenen Schädigungen und Peinlichkeiten befreit würde und in Zukunft keinen Grund mehr habe, sich über irgend eine Zumutung zu beschweren. „Du beklagst dich", sagte er, „daß Dir die Anhörung verweigert wurde und daß Du durch die Hinterlist und Gewalt der gegnerischen Partei benachteiligt wur-
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Eleonore von Aquitanien dest. Wir aber versetzen Dich in Deinen früheren Rechtsstatus, damit Du und Deine Angehörigen für Dich und ebenso auch der Graf für sich, was Euch gut scheint, anführen könnt." Sie aber hatte das Gefühl, sie werde dazu eingeladen, ihre Interessen zu vertreten; aber sie war keineswegs begierig darauf, zu dem Grafen zurückzukehren, dessen Herz ihr eine andere entrissen hatte. Sie bedankte sich deshalb und sagte, sie werde gern anhören, was von der Gegenpartei vorgebracht würde. Was soll ich noch viel sagen? Bartholomäus, der Bischof von Laon und andere traten vor, um die Verwandtschaft, von der sie bei früherer Gelegenheit nichts gesagt hatten, mit der Hand auf den Evangelien zu beschwören. Aber der Papst hinderte den Bischof daran, die Heilige Schrift zu berühren, indem er sagte, es müsse genügen, wenn der Bischof mit Blick auf das geöffnete heilige Buch seine Zeugenaussage mache. So wurde, nach Leistung des Eides, die Scheidung vollzogen und beiden die Möglichkeit gegeben, wieder eine Ehe einzugehen nach ihrem Belieben, „jedoch im Herrn".37 Der Graf aber wurde dazu verurteilt, seiner Frau die Mitgift zu erstatten. Er wandte jedoch ein, er habe sie schon an den Grafen Theobald zurückbezahlt. Deshalb hatten alle den Verdacht, es sei zwischen den Parteien vorher so abgesprochen worden.
Ein für das kirchliche Eherecht des Mittelalters und dessen Handhabung hoch bedeutsamer Text. Der ihn niedergeschrieben hat, ist nicht nur einer der bedeutendsten Philosophen und Rechtsgelehrten des 12. Jahrhunderts, sondern seiner Gesinnung nach ein echter Humanist mit klarem Urteil und untrüglichem Empfinden für das Recht. Johannes von Salisbury (ca. 1115/112025. Oktober 1180) stand über viele Jahre hin im Dienst kirchlicher Großherren, bis er in seinen letzten vier Lebensjahren noch Bischof von Chartres wurde. 38 Er war also alles andere als ein Ketzer oder Kirchenfeind. Umso vernichtender ist die Darstellung, die er hier von der Praxis der päpstlichen Ehegerichtsbarkeit gibt. Denn es handelt sich keineswegs um einen Sonderfall, sondern es wird das Gängige und Übliche beschrieben: mit Berufung auf eine - meist sehr entfernte - Verwandtschaft der Ehepartner, die überdies bereits bei der Eheschließung bekannt gewesen sein muß, wird die bestehende Ehe aufgelöst. Jede innerhalb der europäischen Fürsten- und Adelsfamilien geschlossene Ehe war damit im Prinzip ungültig und konnte „annulliert", das heißt: für von Anfang an nicht bestehend, erklärt werden. Wenn Johannes von Salisbury, dem natürlich die korrekte kanonistische Terminologie bekannt war, trotzdem das Wort „Scheidung" (divortium) verwendet, dann zeigt er damit, was er von der im Kirchenrecht üblichen heuchlerischen Begriffsmanipulation hält. Voraussetzung für den Vollzug der Ehescheidung zwischen dem Grafen von Vermandois und seiner ersten Frau ist die Beeidung der Verwandtschaft durch die zu dem Prozeß vorgeladenen Zeugen. Dem Papst, der als Richter das Scheidungsurteil zu verkünden hat, ist dieser Vorgang nicht ganz geheuer. Deshalb verbietet er dem Bischof von Laon, seine Hand auf das Evangelienbuch zu legen. Überdies hält er es für nötig, über den formaljuristischen Trennungsgrund hinaus vor den Anwesenden seine Entscheidung umständ-
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lieh (und letzlich doch unglaubwürdig!) zu begründen, weil er über die (mit Geld erkaufte) Manipulation des Rechts Scham empfindet. Wie bereits erwähnt, war die durch den Papst verfügte Scheidung der ersten Ehe keineswegs im Sinne der Politik Bernhards von Clairvaux. Sie ist eines der Indizien dafür, daß um diese Zeit der Einfluß Bernhards auf Eugen III., der ja Cistercienser war, bereits nachzulassen begann. A n Ostern (31. März) 1146 hetzte Bernhard den in Vezelay versammelten Adel und den König von Frankreich zu einem erneuten Kreuzzug auf, w i e es der Papst Urban II. ein halbes Jahrhundert davor in Clermont getan hatte. Ein Augenzeuge der Ereignisse, Odo von Deuil, damals Mönch in SaintDenis, später Nachfolger Sugers als Abt des königlichen Klosters, der das französische Heer auf dem Zweiten Kreuzzug begleitete, berichtet über den Auftritt Bernhards in Vezelay: 39 Schließlich war der vom König ins Auge gefaßte Tag gekommen. Auch der Abt, ausgestattet mit apostolischer Autorität und seiner eigenen Heiligkeit, sowie ein Riesenaufgebot von Menschen waren an dem Ort zum festgesetzten Termin anwesend. Der König nahm nun das Kreuzeszeichen, das ihm der Papst zugesandt hatte, und mit ihm viele Mitglieder des Adels. Und weil in dem Städtchen kein Platz vorhanden war, der eine so große Menschenmenge hätte fassen können, wurde draußen auf dem Feld ein Gerüst aus Holz für den Abt aufgeschlagen, damit er von dem erhöhten Standort aus zu den Umstehenden sprechen konnte. Dieses Gerüst bestieg er zusammen mit dem kreuzgeschmückten König. Und als seine himmlische Stimme auf seine Art den Tau des Gotteswortes ausgegossen hatte, da begannen die Menschen ringsherum zu schreien: „Kreuze, Kreuze!" Und da er ihre Bereitschaft zum Aufbruch eher ausgestreut als gegeben hatte, sah er sich gezwungen, seine Kleider in Kreuze zu zerschneiden und dieselben auszustreuen. Damit war er beschäftigt, solange er sich in der Stadt aufhielt. Ich verzichte darauf, die Wunder aufzuschreiben, die sich damals dort ereigneten und durch die es augenscheinlich wurde, daß das Unternehmen Gott gefiel, damit nicht, wenn ich nur weniges aufschreibe, angenommen wird, es hätten sich nicht mehr Wunder ereignet; oder, wenn ich vieles mitteile, den Anschein erwecke, daß ich den Faden verloren hätte. Schließlich wurde verkündet, daß man binnen Jahresfrist aufbrechen werde, und alle kehrten voller Freude nach Hause zurück. A m darauffolgenden Weihnachtsfest ist Bernhard in Speyer, w o er auch den deutschen König Konrad III., den ersten Herrscher aus dem Hause der Staufer, für die Kriegsfahrt in den Orient zu gewinnen sucht. Nachdem eine kurz davor stattgehabte Unterredung mit dem König in Frankfurt keinen Erfolg gezeitigt hatte, gelingt es ihm nun endlich, den Zaudernden durch massive Drohungen mit dem Jüngsten Gericht in der Hohen Messe des JohannesTages (27. Dezember 1146) umzustimmen. Der Speyerer Dom hallt wider vom begeisterten Kriegsgeschrei der Massen, als der Abt dem König das Kreuz anheftet und ihm die vom Altar genommene Fahne übergibt. Mit Konrad III. erhalten auch dessen Neffe Friedrich (Barbarossa) und viele deutsche Fürsten das Kreuz aus der Hand Bernhards. 40
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Den äußeren Anlaß für den zweiten großen Kreuzzug hatte der Fall der christlichen Festung Edessa (heute: Urfa im Südosten der Türkei) geboten, die im Jahre 1144 durch den türkischen Feldherrn Nur-ed-Din erobert worden war. Die Nachricht davon verbreitete sich rasch in der gesamten westlichen Christenheit.41 Die Fürsten und Ritter, die in Vézelay und Speyer „das Kreuz auf sich nahmen", d.h., sich ein Kreuz aus Stoff an ihr Kleid heften ließen, zeigten damit ihre Bereitschaft zu der heiligen Kriegsfahrt. Aber es war, wie schon bei dem Ersten Kreuzzug, nicht nur das religiöse Motiv der Befreiung der heiligen Stätten von den Ungläubigen, das die christlichen Ritter, die hohen geistlichen Herren und viele andere zur Teilnahme an dem Unternehmen beflügelte, sondern auch die Hoffnung, sich an den Schätzen des Orients bereichern zu können. Johannes von Salisbury hat in den Bischöfen Arnulf von Lisieux und Gottfried von Langres traurige Beispiele einer solchen Gesinnung und der entsprechenden Taten gebrandmarkt.42 Am 16. Februar 1147 kamen in Étampes die Bischöfe und die weltlichen Fürsten Frankreichs und eine große Anzahl auswärtiger Gesandter mit dem König zusammen, um konkrete Beschlüsse über den Kriegszug in den Orient zu fassen. Trotz warnender Stimmen vor der Hinterlist der Griechen beschloß man, den Weg über Konstantinopel zu nehmen. Die Gesandten des Königs Roger von Sizilien, die dessen politischen Interessen entsprechend für den Weg über Süditalien und das Mittelmeer eingetreten waren, zogen enttäuscht ab.43 Als Termin für den Aufbruch wurde Pfingsten 1147 festgesetzt. An diesem Tag (8. Juni) übergab der Papst Eugen III., der sich seit Ostern in Saint-Denis aufhielt, dem König das Banner des heiligen Dionysius, die später so genannte Oriflamme, und den Doppelsack des Pilgers. Die Mutter des Königs und dessen Gemahlin waren bei der Zeremonie anwesend. Odo von Deuil berichtet, daß sich Ludwig VII., nachdem er die Dionysius-Reliquie geküßt und den päpstlichen Segen empfangen hatte, in das Dormitorium der Mönche zurückzog, um dem Gedränge der weinenden und wehklagenden Menge zu entgehen. Von einer Absicht Eleonores, sich dem Kreuzfahrerheer anzuschließen, ist dagegen hier nicht die Rede. Es hat fast den Anschein, als hätte sie an dem allgemeinen Abschiedsschmerz der versammelten Menge teilgenommen. Doch ist der Bericht in diesem Punkt nicht eindeutig.44 Vielleicht hat sie sich gerade damals kurzfristig entschlossen, ihren Gemahl auf der Pilgerfahrt zu begleiten. Es ist viel herumgerätselt worden, weshalb Eleonore an dem Kreuzzug teilnehmen wollte. Man hat vermutet, ihr Motiv sei reine Abenteuerlust gewesen und sie habe ihre vorher schon häufig an französischen Rittern erprobten Verführungskünste nun auch einmal in Outremer exerzieren wollen. Andere meinten, sie sei in Ludwig VII. auch damals noch so verliebt gewesen, daß sie sich nicht von ihm trennen und alle Gefahren mit ihm teilen wollte. Ziemlich nahe an die Wahrheit in dieser Frage scheint der Chronist Wilhelm v o n N e w b u r g h zu kommen: 4 5
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Sie hatte von Anfang an das Herz des Jünglings durch die Anmut ihrer Gestalt so an sich gefesselt, daß er beim Aufbruch zu jenem hochberühmten Unternehmen, von überaus heftiger Eifersucht gegenüber seiner jungen Gemahlin geplagt, sich entschied, sie auf gar keinen Fall zu Hause zu lassen, sondern sie mit sich in den Krieg zu nehmen. Viele andere adelige Herren folgten seinem Beispiel und nahmen gleichfalls ihre Gattinnen mit. Da diese nicht ohne Kammerdienerinnen auskommen konnten, hielt sich im christlichen Lager (castra), das doch hätte keusch (casta) sein sollen, eine große Anzahl Frauen auf. Das wuchs sich für unser Heer zum Ärgernis aus. Bekanntlich hat später auch Bernhard von Clairvaux in der Zuchtlosigkeit des christlichen Heeres die Ursache für das Scheitern, das totale Fiasko des Zweiten Kreuzzugs gesehen.46 Was Eleonores Motive betrifft, so ist es durchaus möglich, daß auch politische Erwägungen bei der Entscheidung, ihren Gemahl auf dem Zug zu begleiten, eine Rolle spielten: sie war ja die Landes- und Lehnsherrin der zahlreichen Teilnehmer aus der Gascogne und dem Poitou. Bei beiden Motivgruppen, der persönlichen wie der politischen, erkennt man unschwer im Hintergrund das Wirken Sugers von Saint-Denis, dem ja sowohl an der Erhaltung der königlichen Ehe wie an der durch sie geschaffenen neuen politischen Einheit gelegen sein mußte. Man darf aber annehmen, daß, ebenso wie bei den übrigen jungen und älteren Frauen, die an dem Unternehmen teilnahmen, auch bei der Königin Abenteuerlust mit im Spiel war. Das französische Kreuzfahrerheer sammelte sich in Metz, zog dann über Regensburg entlang der Donau durch Ungarn und erreichte über Belgrad und Adrianopel schließlich Konstantinopel, wo es von dem Kaiser Manuel Komnenos auf das freundlichste empfangen wurde.47 Konstantinopel war eine überaus reiche Stadt, der kaiserliche Hof entfaltete eine unvorstellbare Pracht, und die fränkischen Krieger fühlten sich in eine Märchenwelt versetzt. Odo von Deuil, der Mönch von Saint-Denis, der das alles geschildert hat, wird gleichwohl nicht müde, die Korruptheit, Hinterlist und Falschheit der Griechen in den schwärzesten Farben zu malen. In der Tat betrieb der Kaiser Manuel, hinter seinen äußeren Gebärden der Höflichkeit, mit den westlichen Königen ein verräterisches Doppelspiel. Er hatte geheime Absprachen mit den Türken getroffen, von deren Duldung der Fortbestand seiner Herrschaft weitgehend abhing. Auch hatte man in den verflossenen fünfzig Jahren in Konstantinopel die Erfahrung gemacht, daß die nach dem Ersten Kreuzzug entstandenen Staaten der westlichen Einwanderer eher ihre eigenen Machtinteressen als diejenigen des oströmischen Kaisers vertraten. Der sich aus dieser Situation ergebenden byzantinischen Politik fiel das deutsche Kreuzfahrerheer zum Opfer, das unter Führung des Königs Konrad III. vor den Franzosen in Konstantinopel angekommen war und den Bosporus überquert hatte. Von seinen griechischen Führern in die Irre geleitet, wurde es in den unwegsamen Bergen Kleinasiens, in der Nähe von Dorylaion, von den türkischen Truppen aufgerieben. Die Deutschen hatten sich allerdings bei den Griechen dadurch unbeliebt gemacht, daß sie den an der Stadtmauer ge-
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legenen Wildpark mit den Sommervillen des Kaisers und des Adels unter den Augen der Stadtbewohner verwüstet hatten.48 Abneigung und Mißtrauen gegen die Griechen waren in beiden Kreuzfahrerheeren, dem deutschen und dem französischen, weit verbreitet. Der Bischof Gottfried von Langres riet dazu, sich mit dem König Roger von Sizilien, dem Hauptfeind des Kaisers Manuel, zu verbünden und Konstantinopel zu erobern. Dieser Meinung war auch der Chronist Odo.49 Daß Eleonore ihren im ganzen bescheidenen, frommen und äußerlich nicht sehr imposanten Gatten mit der glanzvollen Erscheinung des byzantinischen Imperators verglichen habe und eben dadurch eine Entfremdung zwischen den Eheleuten entstanden sei, wird in den Quellen an keiner Stelle berichtet oder auch nur angedeutet. Wir wissen überhaupt nicht, was auf diesem Kreuzzug zwischen Eleonore und Ludwig VII. passierte, und alle diesbezüglichen Spekulationen beruhen auf reiner Phantasie. Phantastisch sind auch die später erfundenen Erzählungen über Eleonores aktive Teilnahme an den Kämpfen gegen die Türken, wonach sie wie eine Amazone an der Spitze der Frauen der Kreuzfahrer geritten sei und dergleichen mehr.50 Evidente Anzeichen eines tiefen Zerwürfnisses bei dem königlichen Paar sind erst nach dessen Ankunft in Antiochia bezeugt. Zu Beginn seines Marsches durch Kleinasien war das französische Heer Anfang November 1147 bei Nikaia auf Konrad III. und die versprengten Reste der Deutschen gestoßen, die der Katastrophe von Dorylaion entronnen waren. Die beiden Könige beschlossen nun, gemeinsam weiterzuziehen. In Ephesus erkrankte der deutsche König und wurde zu Schiff nach Konstantinopel zurückgebracht. Wieder genesen ließ er sich dann im Frühjahr 1148, wiederum auf einem griechischen Schiff, ins Heilige Land bringen und konnte in Jerusalem doch noch sein Pilgergelübde erfüllen. Die französische Armee dagegen gelangte unter endlosen Strapazen und zermürbenden Kämpfen, bei denen Ludwig VII. einmal nur knapp dem Tode entging," über das TaurosGebirge nach Attalia (Antalya). Während die Hauptmacht zu Fuß weiterzog, setzten der König und die Königin mit ihrem Gefolge in wenigen Schiffen nach Antiochia in Syrien über. Am 19. März 1148 liefen sie in St. Simeon, den Hafen von Antiochia, ein. Dort wurden sie durch die christliche Bevölkerung und den Grafen Raimund von Poitiers, den jüngeren Bruder von Eleonores Vater, Wilhelms X. von Aquitanien, unter großen Freudenkundgebungen empfangen. Raimund war, nach mancherlei Abenteuern, im Jahre 1136 Fürst von Antiochien geworden. Neuere Biographen nehmen an, er sei einmal der Jugendgeliebte Eleonores gewesen, zu dem sie jetzt wieder intime Beziehungen aufgenommen habe. Beweise für eine jugendliche Liaison Eleonores mit ihrem Onkel gibt es nicht. Sicher ist nur, daß während der zehn Tage, die das Königspaar sich in Antiochia aufhielt, Eleonore mit ihrem Onkel enge politische und persönliche Beziehungen pflegte. Raimund hatte sich von der Ankunft des französischen Heeres eine Stärkung seines Fürstentums erhofft, das durch Nur ed-Din
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bedroht war. Er hatte vor, die beiden türkischen Festungen Aleppo und Hama, die für die Kreuzfahrerstaaten eine beständige Bedrohung darstellten, zu erobern. Der Plan, der politisch nicht unvernünftig war, wurde von Eleonore unterstützt, die ihrerseits ihren Gatten dafür zu gewinnen suchte. Der aber wollte so schnell wie möglich nach Jerusalem weiterziehen, um sein Kreuzfahrergelübde zu erfüllen.52 Eleonore dagegen scheint die Absicht gehabt zu haben, ihren Aufenthalt in Antiochia unter allen Umständen zu verlängern, und das nicht nur aus politischen Gründen. Johannes von Salisbury berichtet darüber:" Als sie sich dort aufhielten, um den Uberlebenden des angeschlagenen Heeres Zuspruch zu geben, sie zu pflegen und wiederherzustellen, da erregten die Vertrautheit des Fürsten mit der Königin und die häufigen Gespräche, die sie fast ununterbrochen miteinander führten, den Verdacht des Königs. Der Verdacht wurde noch durch die Tatsache verstärkt, daß die Königin dort bleiben wollte, während der König bereits die Abreise vorbereitete. U n d der Fürst gab sich alle Mühe, sie zurückzuhalten, wenn es im Einverständnis mit dem König geschehen könnte. Als aber der König es eilig hatte, sie von dort wegzubringen, da erwähnte sie die Verwandtschaft und sagte, es sei nicht erlaubt, daß sie länger zusammenblieben, weil zwischen ihnen eine Verwandtschaft im vierten und fünften Grad bestehe. Dieser Ausspruch aber wurde in Frankreich schon vor ihrer Abreise aus dem Orient kolportiert, und Bartholomäus, der damalige Bischof von Laon, berechnete die Verwandtschaftsgrade. Aber ob die Rechnung stimmte oder nicht, ist ungewiß. Der König war darüber sehr verstört. U n d obwohl er die Königin mit einer beinahe jedes Maß überschreitenden Zuneigung liebte, wäre er doch damit einverstanden gewesen, sie ziehen zu lassen, wenn es seine Ratgeber und die fränkischen Großen erlaubt hätten.
Eleonore wußte also, daß sie mit Ludwig in einem Grade verwandt war, der ihre Ehe als kanonisch ungültig konstituierte. Sie drohte damit, diesen Anfechtungsgrund geltend zu machen, und offenbar tat sie dies vor Zeugen, denn die Kunde davon gelangte mit Windeseile nach Frankreich. Der König war wohl schon bereit zu resignieren, doch seine Ratgeber, die einen massiven Verlust für das Ansehen des Königtums befürchteten, wenn zu allem Mißgeschick des Kreuzzugs auch noch herumerzählt würde, der König sei von seiner Frau verlassen worden. Diese und andere Bedenken trug dem König einer seiner Schreiber, ein Ritter namens Terricus Gualerancius (Thierry Galeran) vor, der ein Eunuch war und dem gegenüber Eleonore von Anfang an nur Haß und Spott gezeigt hatte. Aber ausgerechnet er, dessen Vater schon ein enger Vertrauter Ludwigs gewesen war, riet dem König, fest zu bleiben und auf der Abreise der Königin von Antiochien mit ihm zusammen zu bestehen, weil, wie er meinte, ein Vergehen, das innerhalb der Familie blieb, leichter zugedeckt werden könne und so dem Königtum eine nachhaltige Schande erspart bliebe. Ob er diesen Rat aus hinterhältigen Beweggründen gab oder ob er tatsächlich so dachte, darüber ist sich der Geschichtsschreiber nicht im Klaren.54
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Ein profundes eheliches Zerwürfnis zwischen Eleonore und Ludwig wurde, wie gesagt, erst in Antiochien, dann aber sogleich in aller Öffentlichkeit, erkennbar. Das Geflecht politischer und persönlicher Gründe, das dabei maßgebend war, hat wohl am besten der Erzbischof Wilhelm von Tyros (ca. 1130— 1186), der bedeutende Geschichtsschreiber der Kreuzzüge, der noch ein Zeitgenosse der Ereignisse war, dargelegt:55 Als sich Raimund in seiner Hoffnung enttäuscht sah, da änderte er seine Taktik, und er begann damit, dem König dessen Pläne zu vereiteln, ihn vor aller Augen hereinzulegen und sich zu wappnen, um ihn zu verletzen. Denn er nahm sich vor, die Gemahlin des Königs, die sich mit ihm im Einverständnis befand, - sie war nämlich eines von diesen dämlichen Weibern - entweder gewaltsam oder mit Hilfe dunkler Ränkespiele von seiner Seite zu entführen. Sie war, wie eben gesagt und wie sie es schon vorher und auch später noch deutlich zeigen sollte, eine unkluge Frau, die entgegen der königlichen Würde das Eheband mißachtete und die eheliche Treue vergaß. Als der König das erfuhr, kam er den Ränkespielen des Fürsten zuvor, indem er sein Leben und Heil in Sicherheit brachte: auf den Rat seiner Großen verließ er schleunigst in aller Heimlichkeit die Stadt Antiochien. Der schöne Glanz wandelte sich also, und die letzten Dinge wurden den früheren unähnlich, und derjenige, der bei seiner Ankunft mit so viel Ehre aufgenommen worden war, dessen Geschick hatte sich nun gewandelt, und er zog ruhmlos ab. Es gibt Leute, welche dem König die Angelegenheit allzu sehr zum Bösen auslegen, und die sagen, es sei für ihn so ausgegangen, wie er es verdient habe, weil er nämlich auf die Bitten eines so bedeutenden Mannes, der sich um ihn und seine Angelegenheiten sehr verdient gemacht hatte, nicht gehört habe. Dabei versichern sie beständig, daß er leicht eine oder mehrere von den erwähnten Städten, wenn er die Mühe dazu hätte auf sich nehmen wollen, hätte erobern können.
Wilhelm von Tyros unterstellt damit Eleonore, daß sie tatsächlich vor den Augen der engeren Umgebung des Königs und der anwesenden Fürsten Frankreichs die Ehe gebrochen hatte („thori coniugalis fide oblita"). Zurückhaltender, aber doch vielsagend äußert sich der englische Chronist Gervasius von Canterbury: die Zwietracht zwischen König und Königin sei auf Ereignisse während der Pilgerfahrt zurückgegangen, über die man besser schweige.56 Als Ludwig VII. heimlich und ruhmlos mit seinem geschwächten Heer Antiochien den Rücken kehrte, um den Weg nach Jerusalem einzuschlagen, zog Eleonore gleichwohl mit ihm. Was hätte sie auch anderes tun sollen? Ein Verbleiben in Antiochien und eine wie immer geartete Verbindung mit ihrem Onkel Raimund hätte ins politische und moralische Abseits geführt. Und obwohl der Erzbischof Wilhelm Eleonore zu den „bescheuerten Weibern" zählt, war sie klug genug, ihre politischen und persönlichen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen, wie ihr späteres Vorgehen beim Einfädeln ihrer zweiten Ehe zeigt. Johannes von Salisbury bemerkt, daß das königliche Paar von da an seine gegenseitige Abneigung, so gut es eben ging, vor Außensteh e n d e n verheimlichte; aber das, was in Antiochien geschehen war, hatte doch
das Vertrauen zwischen den beiden für immer zerstört.57
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Das fränkische Heer gelangte ziemlich rasch und ohne nennenswerte Schwierigkeiten nach Jerusalem. Dort hatte einen Monat davor schon der deutsche König Konrad III. in Begleitung zahlreicher Fürsten seinen Einzug gehalten. Bei einer gemeinsamen Beratung, die am 24. Juni 1148 in Anwesenheit des jungen Königs Balduin III. von Jerusalem und seiner Mutter Melisende in Akkon stattfand, faßte man den Beschluß, das bis dahin mit Jerusalem verbündete Damaskus anzugreifen. Die Belagerung der stark befestigten und gut verteidigten Oasenstadt mußte jedoch nach wenigen Tagen erfolglos abgebrochen werden. (Spätestens jetzt wurde deutlich, daß Raimund von Antiochien mit seinen Plänen doch wohl den größeren politischen Weitblick besessen hatte). Danach sah Konrad III. den Kreuzzug für seine Person als beendet an. Am 8. September 1148 bestieg er ein Schiff, das ihn zunächst nach Konstantinopel brachte. Von dort kehrte er nach Deutschland zurück. Der französische König dagegen hielt sich noch über ein halbes Jahr im Heiligen Land auf. Er suchte ein Bündnis mit dem König Roger II. von Sizilien, dem erklärten Feind sowohl des Kaisers in Konstantinopel als auch des Fürsten von Antiochien. Aber auch die Allianz mit dem Normannen, die man vor Beginn des Kreuzzugs verschmäht hatte, konnte nun dem Unternehmen keine glückliche Wende mehr bringen. Ostern 1149 traten der König und die Königin von Frankreich auf zwei verschiedenen Schiffen die Rückreise an. Unterwegs wurde das Schiff der Königin von den Byzantinern gekapert. Nach Darstellung Johannes von Salisburys sollten Eleonore und ihre Begleitung wohl als Geiseln herhalten und dem König sollte notfalls mit Gewalt die Rückkehr auf die Seite seines „Freundes und Bruders", des Kaisers Manuel, nahegelegt werden.58 Doch das rechtzeitige Eintreffen sizilianischer Galeeren wendete erneut das Geschick: die Königin wurde befreit, und die Normannen brachten sie wohlbehalten nach Palermo. Ludwig VII. landete am 29. Juli 1149 an der Küste Kalabriens, wo er ehrenvoll aufgenommen wurde.5' In Potenza traf das königliche Paar wieder zusammen; eine schwere Krankheit Eleonores machte dort einen längeren Aufenthalt nötig.60 Um diese Zeit traf die Nachricht vom Tode Raimunds von Antiochien ein, der am 29. Juni 1149 in einem Gefecht gegen den Emir Nur ed-Din gefallen war. Im Herbst ließ Roger II. die Franzosen durch sein Königreich nach Norden geleiten. Am 4. Oktober traf der königliche Zug in der Abtei Monte Cassino ein und erreichte kurz darauf in Ceprano die Grenze des Kirchenstaates. Von dort zog man weiter nach Tusculum, wo sich der Papst Eugen III. aufhielt. Am 9. und 10. Oktober waren Eleonore und Ludwig Gäste des Papstes, der sich jede nur erdenkliche Mühe gab, das Paar wieder zu versöhnen und die königliche Ehe endgültig und für immer zu stabilisieren. Johannes von Salisbury:61 Den Streit zwischen dem König und der Königin, der in Antiochien ausgebrochen war, schlichtete der Herr Papst gänzlich, nachdem er sich die Beschwerden der beiden gesondert angehört hatte. Er untersagte ihnen, in Zukunft die Blutsverwandtschaft im gegenseitigen Gespräch auch nur zu erwähnen, und er bestä-
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Eleonore von Aquitanien tigte die Ehe sowohl mündlich wie schriftlich. Sodann verbot er unter Strafe des Kirchenbannes, daß jemand, der die Ehe angriffe, angehört würde und daß sie aus irgend einem Anlaß aufgelöst würde. Dem König schien diese Entscheidung sehr zu gefallen, weil er die Königin heftig und fast auf kindische Weise liebte. Der Papst veranlaßte, daß sie im gleichen Bett schliefen, das er mit sehr kostbaren Stoffen von seinem eigenen Bett hatte ausstatten lassen, und während der einzelnen Tage ihres kurzen Aufenthalts versuchte er im vertraulichen Gespräch ihre Liebe wiederherzustellen. Er ehrte sie mit Geschenken, und beim Abschied von ihnen konnte er die Tränen nicht zurückhalten, obwohl er ein sehr strenger Mann war. Er entließ sie mit seinem Segen für sie persönlich und für das Königreich der Franken, das er höher schätzte als alle Königreiche der Welt.
Eugen III. als oberster kirchlicher Richter stellte also damals die kanonische Gültigkeit der Ehe des Königs von Frankreich fest. Das bestehende Ehehindernis der Verwandtschaft wurde für alle Zukunft als nichtig erklärt. Jede Anfechtung der königlichen Ehe unter Berufung auf die Blutsverwandtschaft der Ehepartner wurde unter Exkommunikation verboten. Wie wir sehen werden, geschah all dies nur zweieinhalb Jahre später, und zwar durch ein offizielles kirchliches Tribunal, das dazu noch im Vergleich zu dem obersten kirchlichen Richter eine niedere Instanz darstellte. Im Herbst 1149 sorgte der Papst nicht nur für die kanonische, sondern auch für die emotionale Stabilisierung der Ehe. In dem mit seinen eigenen Decken ausgestatteten Bett wurde wohl das Versöhnungskind, Eleonores zweite Tochter Alix (Aélis), gezeugt, die nach der Rückkehr nach Frankreich, um die Mitte des Jahres 1150, geboren wurde. Am 13. Januar 1151 starb der wichtigste Ratgeber des Königs, Abt Suger von Saint-Denis. Während der fast dreijährigen Abwesenheit Ludwigs in Outremer hatte er nicht nur das Königreich verwaltet, sondern er hatte auch die großen Summen aufgebracht, um die ihn der König in mehreren Brandbriefen aus dem Orient gebeten hatte.62 Aus politischen und vielleicht auch aus persönlichen Gründen war Suger am Weiterbestand der königlichen Ehe interessiert gewesen.63 Mit seinem Tode fiel dieses stabilisierende Element weg. Um diese Zeit begann Eleonore, ihren Gemahl öffentlich zu verunglimpfen. Der englische Chronist Wilhelm von Newburgh berichtet, sie habe jedem, der es hören wollte, erzählt, „sie habe einen Mönch, keinen König geheiratet".64 Sie „outete" ihn also, wie man heute sagt, als ehelichen Versager. In der Fastenzeit (um den 20. März) 1152 trat in Beaugency an der Loire, unterhalb von Orléans, ein aus hohen kirchlichen Würdenträgern bestehendes Tribunal zusammen, um über die Auflösung der Ehe des Königs von Frankreich zu verhandeln. Ihm gehörten vier Erzbischöfe: Samson von Reims, Hugo von Sens, Hugo von Rouen und Gottfried von Bordeaux, sowie einige ihrer Suffraganbischöfe an. Anwesend waren auch zahlreiche Mitglieder des französischen Hochadels, aus denen wohl die Zeugen aufgerufen wurden, die einmütig die Blutsverwandtschaft des Königspaares beschworen. Die Ehe wurde im Eilverfahren annulliert, wobei ausdrücklich die Legitimität der beiden Töchter Marie und Alix festgestellt wurde. Eine weitere Pikan-
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terie bei dem Verfahren ist die Tatsache, daß einer der kirchlichen Richter, der Erzbischof von Bordeaux, fünfzehn Jahre zuvor die Ehe Eleonores und Ludwigs eingesegnet hatte. Robert von Torigny, Abt des Mont-Saint-Michel, schreibt in seiner Chronik, daß die beiden, nach Vorliegen der eidlichen Zeugenaussagen über ihre Blutsverwandtschaft, „kraft der Vollmacht der Christenheit" (auctoritate christianitatis) geschieden worden seien.65 Daß eine solche Scheidungspraxis nichts anderes als ein (über Jahrhunderte hin) institutionalisierter Skandal ist, braucht wohl nicht mehr eigens gesagt zu werden. Daß nachdenkliche mittelalterliche Zeitgenossen, und zwar solche aus dem Kleriker- und Mönchsstand, dies bereits genau so beurteilten, haben wir bei Johannes von Salisbury gesehen.66 Bezüglich der Scheidung Eleonores und Ludwigs bemerkt Gervasius von Canterbury, sie sei „unter großem Aufwand und einem arglistigen Eid im Angesicht der Kirche feierlich vollzogen worden."67 Nach der Auflösung ihrer Ehe zog sich Eleonore zunächst in ihre Hauptstadt Poitiers zurück. Unterwegs wollte sie der Graf Theobald V. von Blois entführen, natürlich weniger aus Liebe als um an ihre Erbländer Aquitanien und Poitou heranzukommen. (Dieser Theobald heiratete später Alix, die zweite Tochter Eleonores). Auch Gottfried von Anjou, der jüngere Bruder Heinrich Plantagenêts, versuchte, sich ihrer Person zu bemächtigen. Eleonore aber hatte sich Heinrich, den ältesten Sohn Gottfried Plantagenêts, als zukünftigen Gemahl ausersehen.68 Als Sohn Gottfrieds, der am 9. September 1151 gestorben war, und der ehemaligen deutschen Kaiserin Mathilde, der Witwe Heinrichs V. und Tochter des englischen Königs Heinrich I., war Heinrich nicht nur Herzog der Normandie und Graf von Anjou, sondern er erhob Anspruch auf den englischen Thron, den noch der König Stephan innehatte. Eleonore bot also dem gerade neunzehnjährigen Heinrich69 die Ehe an. Sie selbst war bereits dreißig Jahre alt. Die Trauung fand zwei Monate nach der Scheidung, um Pfingsten (18. Mai) 1152 in Poitiers statt. Bemerkenswert ist, daß auch diese zweite Ehe, rechtlich gesehen, bereits den Keim der Scheidung in sich trug; denn Eleonore war auch mit Heinrich Plantagenêt im fünften Grad verwandt.
Die zweite Ehe Nach der Hochzeit besuchte Eleonore die Abtei Fontevraud. Das berühmte, von Robert von Arbrissel um 1100 gegründete Doppelkloster wurde damals von der Äbtissin Mathilde (Mahaut) von Anjou regiert. Sie war die Tochter des Königs Foulques von Jerusalem und Witwe des englischen Thronfolgers Wilhelm Adelin, der 1120 beim Untergang der Blanche Nef den Tod gefunden hatte; als Schwester des kurz davor verstorbenen Gottfried Plantagenêt war sie die Tante von Eleonores neuem Gemahl Heinrich. Mathilde war die Nachfolgerin der ersten regierenden Äbtisssin von Fontevraud, der noch von
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Robert von Arbrissel selbst (am 28. Oktober 1115) eingesetzten Petronilla (Pétronille de Chemillé). 70 Eleonore wußte, daß sie einer Familie bedeutender Klosterstifter angehörte. Einer ihrer Ahnen, Wilhelm I. „der F r o m m e " 918), H e r z o g von Aquitanien und Graf von Macon, hatte im Jahre 909 die Abtei Cluny in Burgund gegründet." Ihr Großvater und ihr Vater hatten das Kloster Fontevraud reich dotiert. Eleonore wußte natürlich auch um die Bedeutung eines klösterlichen T o tengedächtnisses. Nachdem Saint-Denis für sie als voraussichtliche Grabesstätte ausgefallen war, scheint sie sich um diese Zeit wieder auf Fontevraud besonnen zu haben, w o sie ja dann in der Tat, über ein halbes Jahrhundert später, an der Seite ihres zweiten Gemahls Heinrich II. und ihres Sohnes Richard Löwenherz, bestattet wurde. Die Urkunde, die sie im Jahre 1152, anläßlich ihres Besuches, für Fontevraud ausstellen ließ, ist kein rein geschäftliches Schriftstück. Sie trägt vielmehr unverwechselbare individuelle Züge und ist, ebenso wie das an die Abtei Saint-Denis geschenkte Kristallgefäß, ein Denkmal ihrer persönlichen Frömmigkeit, insigne pietatis monumentum. Alle Kinder der heiligen Mutter Kirche, die gegenwärtigen und die zukünftigen, sollen wissen, daß ich, Alienordis, durch Gottes Gnade Gräfin von Poitiers, nachdem ich von meinem Herrn Ludwig, dem erhabenen König der Franken, wegen Verwandtschaft geschieden und mit meinem Herrn Heinrich, dem hochedlen Grafen von Anjou, ehelich verbunden worden war, durch göttliche Erleuchtung angerührt die Gemeinschaft der heiligen Jungfrauen von Fontevraud aufzusuchen begehrte und das, was ich vorhatte, mit Hilfe der Gnade Gottes auch in die Tat umsetzte. Ich kam nämlich unter Führung Gottes nach Fontevraud und betrat das Kapitel der vorgenannten Jungfrauen und bewilligte, gewährte und bestätigte dort mit tief bewegtem Herzen all das, was mein Vater und meine Vorfahren Gott und der Kirche von Fontevraud gegeben hatten, insbesondere das Almosen von 500 Solidi poitevinischer Münze, wie mein Herr Ludwig, der König der Franken, zur damaligen Zeit mein Gemahl, und ich es damals gegeben hatten, wie es auch seine und meine Urkunden aussprechen und zeigen, das habe ich von jetzt an auf ewige Zeiten, unter Beseitigung entgegenstehender Bestimmungen und möglicher Einsprüche, ebenfalls gewährt. Zeugen dieses Aktes sind: mein Truchseß (Seneschall) Saildebroil, Josbert Ohneland, Pagan von Rochefort und sein Bruder Nivard, Hugo von Longchamp, Petrus Rognard, Robert von Montfort, Radulf von Faia, Magister Matthäus. Getätigt wurde dieser Akt in Gegenwart der Frau Äbtissin Mathilde, im gemeinsamen Kapitel der Nonnen, im Jahre nach der Menschwerdung des Herrn 1152, in der Regierungszeit Ludwigs, des Königs der Franken, Gisleberts, des Bischofs von Poitiers, und als Heinrich das Reich von Poitou und Anjou regierte. Ich meine, daß der Text dieser Urkunde, wenn man ihn aufmerksam und einfühlsam meditiert, sich in religionsgeschichtlicher Hinsicht als das wichtigste der von Eleonore hinterlassenen Dokumente herausstellt. Neben der darin ausgesprochenen Beziehung zu der Abtei Fontevraud ist vor allem das (königliche) Bewußtsein, unmittelbar von Gott inspiriert und geleitet zu sein, bedeutsam: sie spricht es nicht weniger als dreimal aus! 72
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Die Eheschließung seiner ehemaligen Frau mit dem Herzog Heinrich Plantagenêt versetzte Ludwig VII. in Wut. Er meinte, er müsse seinen beiden Töchtern ihr legitimes Erbe, Aquitanien und das Poitou, retten, und fiel in die Normandie ein. Heinrichs jüngerer Bruder Gottfried, der sich ebenfalls um sein Erbe betrogen sah, sprang ihm vom Anjou aus bei. Innerhalb eines knappen Jahres wurde Heinrich mit beiden Gegnern fertig, zumal der König während seines sinnlosen Raub- und Verwüstungsfeldzugs in der Normandie erkrankte. Am Ende des Jahres 1152 waren der Krieg beendet und Eleonores Erbländer endgültig in Heinrichs Hand, womit dessen Ansehen und Beliebtheit sprunghaft anstiegen.73 Um diese Zeit herrschten in England noch einigermaßen wirre Verhältnisse. Auf einem nach London einberufenen Konzil versuchte König Stephan, seinen Sohn Eustachius als Nachfolger salben und krönen zu lassen. Das Vorhaben scheiterte an dem Widerstand des Erzbischofs Theobald von Canterbury (seit 1139), der sich obendrein noch ein päpstliches Verbot besorgt hatte, den Sohn Stephans auf rechtswidrige Weise zum König zu erheben. Wie Gervasius von Canterbury zu berichten weiß, hatte das Ganze ein Kleriker namens Thomas (Becket) aus London eingefädelt, der später einmal als Kanzler des Königreichs, Erzbischof von Canterbury und Märtyrer Berühmtheit erlangen sollte.74 Die Kaiserin Mathilde, Heinrichs Mutter, starb am 3. Mai 1152. Am 6. Januar 1153 setzte Heinrich nach England über. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ihm und Stephan zogen sich über das Jahr hin, ohne daß es zu einem entscheidenden Treffen gekommen wäre. Doch allmählich gewann der Herzog die Oberhand. Als das Pferd des Königs einmal scheute und ihn vor seinem versammelten Heer abwarf, wurde dies von seiner Umgebung als unheilvolles Vorzeichen angesehen. Die Lords rieten zu einer Einigung mit Heinrich, die dann auch zustande kam. Ein Jahr nach Heinrichs Ankunft in England leisteten die Grafen und Barone des Königreichs ihm in Oxford, in Anwesenheit des noch regierenden Königs Stephan, den Treueeid. Der enttäuschte Eustachius starb in geistiger Umnachtung. Danach kehrte Heinrich in die Normandie zurück und sah danach den König nicht mehr, der am 25. Oktober 1154 starb.75 Im August 1153 hatte Eleonore ihren ersten Sohn geboren, der (nach seinem Urgroßvater Wilhelm dem Eroberer) den Namen Wilhelm erhielt.76 Das Kind starb schon im Juni 1156. Als die Nachricht vom Tode Stephans aufs Festland gelangt war, begab sich Heinrich zusammen mit Eleonore auf dem schnellsten Wege nach England. Nach stürmischer Uberfahrt landete er am 10. Dezember an der englischen Küste. In Winchester hatte sich der Adel des Landes versammelt und leistete ihm erneut den Treueschwur. Am 19. Dezember 1154 wurden Heinrich und Eleonore in der Westminster Abbey zu London in Anwesenheit zahlreicher Bischöfe, Grafen und Barone aus England und vom Festland durch den Erzbischof Theobald gekrönt. Bei dieser Gelegenheit empfahl der Erzbischof dem neuen König den schon erwähnten
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Thomas von London, den er zwei Monate zuvor zum Erzdiakon von Canterbury erhoben hatte, als Kanzler.77 In den nächsten elf Jahren, von 1155 bis 1166, gebar Eleonore weitere sieben Kinder. Das erste war der nach dem Vater benannte Sohn Heinrich, der am 8. Februar 1155 in London geboren und durch den Erzbischof Theobald getauft wurde; sein Vater ließ ihn 1170 zum Mitkönig krönen;78 er starb 1183 an einer im Mittelalter als „Dysenterie" bezeichneten Infektionskrankheit der Eingeweide. 1156 wurde die Tochter Mathilde geboren; 1165 kam Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln und Kanzler des Kaisers Friedrich I., als Brautwerber für Heinrich den Löwen, damals noch Herzog von Sachsen und Bayern, nach England; Heinrich war 26 Jahre älter als Mathilde, die er 1168 heiratete. Am 8. September 1157 wurde Richard (Löwenherz), der spätere König geboren, am 23. September 1158 Gottfried, der 1186 an der Dysenterie starb. Es folgten zwei Töchter: 1161 Eleonore, die später mit dem König Alfonso VIII. von Kastilien verheiratet wurde; ihre Tochter Bianca (Blanche) war die Mutter Ludwigs IX. von Frankreich; 1165 Johanna, die später den König Wilhelm II. von Sizilien (f 1189) und danach (1196) in zweiter Ehe den Grafen Raimund VI. von Toulouse heiratete. Jüngstes Kind war der am 27. Dezember 1166 geborene Johann („Ohneland"), der 1199 seinem Bruder Richard als König von England und Herzog der Normandie nachfolgte. Während dieser Jahre, in denen Heinrich II. Plantagenêt England und die festländischen Besitzungen, deren rechtmäßiger Herr er durch die Heirat mit Eleonore geworden war, mit fester Hand und sich überall durchsetzend regierte, scheint die Königin selbst sich politisch zurückgehalten zu haben. Wenigsten überliefern die Quellen nichts Aufsehenerregendes über sie. Mächtigster Mann nach dem König war bis Anfang 1161 der Kanzler Thomas Becket, den der Chronist Gervasius in hohen Tönen preist.79 Am 18. April 1161 starb der Erzbischof Theobald von Canterbury. Im Mai beorderte der König, der sich damals auf dem Festland aufhielt, eine Versammlung von Bischöfen und Mönchen nach London, um seinen Kanzler zum Erzbischof und Primas von England wählen zu lassen. Dies geschah auch wunschgemäß, und Thomas wurde am 2. Juni 1162 durch den Bischof Heinrich von Winchester zum Priester, am Tage darauf zum Bischof geweiht. Schon im folgenden Jahr begannen die schweren Auseinandersetzungen zwischen dem König und seinem ehemaligen Freund und Günstling um Rechte und Besitztümer der Kirche von Canterbury, die schließlich, am Abend des 29. Dezember 1170, zum „Mord im Dom", der spektakulären Ermordung Thomas Beckets in seiner Kathedralkirche durch vier Ritter aus dem Gefolge des Königs führten. Dieses Ereignis, das schon zu seiner Zeit in ganz Europa großes Aufsehen erregte, hat bis in die Neuzeit die Phantasie der Dichter beschäftigt, um nur CONRAD FERDINAND MEYERS Novelle „Der Heilige" (1870/1880) und T.S. ENOTS Drama „Murder in the Cathedral" (1935, und im gleichen Jahr in der Kathedrale von Canterbury uraufgeführt)
zu nennen. Vielleicht noch eindrücklicher als die genannten, gewiß meister-
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haften, dichterischen Gestaltungen ist der nüchterne Bericht des Gervasius, der seit 1163 Mönch in dem Kathedral-Kloster von Canterbury und damit zweifellos Augenzeuge der Untat war.80 Eleonore hatte mit der Ermordung Thomas Beckets sicher nichts zu tun. Der Einfluß auf die politischen Entscheidungen ihres Gemahls nahm weiter ab, womit sich die machtbewußte Königin aber nicht abfand. Im Frühjahr 1173 probten die drei älteren Königssöhne, Heinrich der Jüngere, Richard und Gottfried, den Aufstand gegen ihren Vater. Sie fanden mächtige Verbündete in dem König Ludwig VII. von Frankreich und dem Grafen Philipp von Flandern. Zu den Gegnern Heinrichs gesellte sich außerdem der König Wilhelm von Schottland, der in England einfiel. Aber Heinrich wurde in verlustreichen Kämpfen mit allen seinen Widersachern sowohl in England wie auf dem Kontinent fertig. Ende September 1174 war der Krieg zu Ende. Heinrich vergab seinen aufständischen Söhnen und nahm sie in Gnaden wieder auf.81 Nach Gervasius von Canterbury hatte Eleonore die Verschwörung angezettelt. Als sie vor den Leuten des Königs in Männerkleidern fliehen wollte, wurde sie erwischt und von da an zwölf Jahre lang (1174-1185) unter strenger Bewachung in Gefangenschaft gehalten.82 Im Herbst 1175 betrieb Heinrich seine Scheidung von Eleonore und ließ zu diesem Zweck den Kardinal Huguccio nach England kommen, den er durch große Bestechungssummen auf seine Seite brachte.83 Uber die Bestechlichkeit und Geldgier dieses päpstlichen Legaten fällt der Mönch von Canterbury ein vernichtendes Urteil und stellt ihn der charaktervollen und untadeligen Persönlichkeit des heiligen Märtyrers Thomas gegenüber. Natürlich wäre eine Scheidung des englischen Königspaares kirchenrechtlich ohne weiteres möglich gewesen, da Eleonore, ebenso wie mit ihrem ersten Gemahl Ludwig VII. von Frankreich, auch mit Heinrich II. verwandt war. Weshalb das Verfahren zur Feststellung der Ungültigkeit der Ehe dann doch nicht eröffnet wurde, wird nicht berichtet. Die Vermutung liegt aber nahe, daß Heinrich wegen möglicher, für ihn negativer, politischer Folgen, welche die erbrechtlichen Auseinandersetzungen um Eleonores Länder nach sich gezogen hätten, auf die Scheidung verzichtete. Im Jahre 1185 wurde Eleonore, auf Bitten des Erzbischofs Baldewin von Canterbury, aus der Gefangenschaft entlassen. Sie begab sich in Begleitung ihres Schwiegersohnes Heinrich des Löwen und ihrer Tochter Mathilde in die Normandie.84 Um diese Zeit wandte sich das Geschick Heinrichs II. Auf Ludwig VII. von Frankreich, der am 18. September 1188 gestorben war, folgte sein Sohn Philipp II. Richard Löwenherz, der befürchtete, daß sein Vater ihm seinen jüngeren Bruder Johann (Ohneland) vorziehen und zum König machen könnte, suchte die Verbindung mit Philipp. Als er bei einem Treffen der beiden Könige in Bonsmoulins im November 1188 seinen Vater nicht zu einer festen Zusage bezüglich der Nachfolge bewegen konnte, leistete er dem König von Frankreich für die Normandie, Poitou, Anjou, Maine, Berry und Toulousain den Lehnseid. Zwei Tage vor seinem Tod am 6. Juli 1189 sah sich Heinrich genötigt, im Vertrag von Azay-le-Rideau die geschaffenen Tatsa-
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chen zu akzeptieren. Heinrich II. ging nach fünfunddreißigjähriger Regierungszeit „in Chinon auf üble Weise zugrunde", wie Gervasius von Canterbury nicht ohne eine gewisse Genugtuung bemerkt, „und er wurde in Fontevraud elend bestattet", womit eine Prophezeiung, die Thomas von Canterbury während seines Exils in Frankreich hatte verlauten lassen, in Erfüllung gegangen sei.85
Königinmutter und Regentin Der Chronist von Canterbury sagt zweimal, Heinrichs Tod sei „auf üble Weise" eingetreten und seine Beisetzung in Fontevraud sei „schimpflich" gewesen, ohne aber näher zu erläutern, weshalb." Vielleicht will er andeuten, daß Eleonore, die mit dem Regierungsantritt Richards ihre Macht wiedergewonnen hatte, nach ihrem Belieben über den Leichnam ihres Mannes verfügte, indem sie ihn in „ihrer" Abtei bestatten ließ. Daß es Eleonore war, die die Beisetzung des Königs in Fontevraud, das sie auch für sich selbst als Grabstätte vorgesehen hatte, veranlaßte, ist mehr als wahrscheinlich. ELIZABETH BROWN bemerkt, das Begräbnis Heinrichs II. in Fontevraud bedeute „ihren endgültigen Sieg über ihn".87 O b dem König damit, daß sein Leichnam an einem Ort bestattet wurde, wo er nicht wollte, tatsächlich ein postmortaler Schimpf angetan wurde, kann man bezweifeln. Aber so etwas wie eine Genugtuung wird die nunmehr siebenundsechzigj ährige Eleonore nach so vielen Jahren der Demütigung schon empfunden haben. Andererseits ist es keineswegs unmöglich, daß Heinrich II., der unter dem Eindruck der erlittenen Rückschläge und dem Herannahen seines Todes in sich ging, selbst seine Bestattung in Fontevraud angeordnet hat, das er bei Lebzeiten, ebenso wie seine Gemahlin, reich dotiert hatte.88 So jedenfalls stellt es, im Gegensatz zu Gervasius, der dem König wohlgesonnene Wilhelm von Newburgh 1 89 dar: Sein Leichnam wurde, wie er selbst es in seiner letzten Stunde in frommer Ergebenheit verfügt hatte, zu dem berühmten und vornehmen Frauenkloster, das man Fons Ebraudi nennt, gebracht und dort in Gegenwart seiner Söhne und im Beisein vieler Adeliger mit königlichem Prunk bestattet. Denn er hatte das Kloster, das sich wegen des in ihm gepflegten religiösen Lebens eines überragenden Rufes erfreute, zu seinen Lebzeiten in besonderer Weise gefördert und mit so großen Zuwendungen ausgestattet, um in ihm gemäß seinem Verdienst und Wunsch für seinen Leib einen Ort der Ruhe zu finden, w o er die Auferstehung erwarten konnte.
Sein Sohn Richard, der auf Seiten seiner Gegner gestanden hatte, zeigte sich durch den Tod sehr betroffen:90 Auf die Nachricht war der Graf von Poitiers verstört und stöhnte auf, und u m Sühne dafür zu leisten, daß er sich seinem Vater zu dessen Lebzeiten nicht dienst-
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bereit gezeigt hatte, erwies er sich, wenn auch verspätet, beim Dienst des väterlichen Begräbnisses als Sohn. In diesem Zusammenhang gibt Wilhelm auch die Weissagung eines seiner Mitbrüder aus dem Augustinerchorherren-Stift Newburgh wieder, das Heinrich II. ebenfalls gefördert hatte;91 die Prophezeiung bezieht sich auf die Kreuznahme und das Ende des Königs: Er wird mein Zeichen auf sich nehmen, aber in der Marter Marter erdulden, denn der Uterus seiner Gemahlin wird gegen ihn anschwellen, und schließlich wird er mit den Verschleierten verschleiert werden. Der neue König Richard landete am 12. August 1189 an der Küste Englands und wurde zwei Tage spätere in Winchester feierlich durch Adel und Klerus des Landes empfangen. Er wollte sofort einen Feldzug gegen die Waliser unternehmen, die in England eingefallen waren. Aber auf den Rat seiner Mutter begab er sich nach London, wo am 3. September unter gewaltigem Zulauf des Volkes die Krönung stattfand.' 2 Merkwürdigerweise berichtet Gervasius von Canterbury nichts von dem spektakulären Ereignis, das auf Richards Regierungsantritt einen dunklen Schatten warf. Umso ausführlicher ist dafür die Schilderung Wilhelms von Newburgh. Die Juden, die sich unter Heinrich II. der besonderen königlichen Gunst erfreut hatten, sandten ihre angesehensten Leute mit Geschenken zur Krönung Richards, um auch ihn für sich einzunehmen. Der neue König erließ aber aus unbekannten Gründen ein Edikt, das den jüdischen Abgesandten sowohl die Teilnahme an seiner Krönung als auch das Betreten des Palastes, in dem das anschließende Krönungsmahl stattfand, untersagte.' 3 Während der König und die geladenen Gäste innerhalb des Gebäudes tafelten, kam es unter den draußen Wartenden zum Gedränge. Die Juden, die zur Krönung gekommen waren und denen der Eintritt verwehrt worden war, hatten sich unter die Volksmenge gemischt. Als der Pöbel gegen das Tor drängte, befand sich unter denen, welche die Schwelle überschritten, auch ein Jude. Einer von den Christen griff ihn tätlich an. Das wirkte in der erregten Masse ansteckend, und alsbald erhob sich ein Tumult, in dessen Verlauf zahlreiche Juden erschlagen und ein vornehmer Jude aus York namens Benedikt (Baruch) in eine Kirche geschleppt und zwangsgetauft wurde. Der Tumult wuchs sich danach zu einem allgemeinen Gemetzel an den zahlreichen jüdischen Einwohnern Londons aus. Ihr Häuser und Läden wurden ausgeplündert und danach angezündet. Die Plünderungen dauerten von drei Uhr nachmittags bis weit in die Nacht hinein. Der König, dem die Exzesse noch während des Mahles gemeldet wurden, sandte seinen Statthalter Ranulf de Glanville und mehrere Ritter hinaus, um dem Pöbel Einhalt zu gebieten, jedoch vergeblich. Der Chorherr von Newburgh sieht in diesem Greuel, einem der größten bekannten Juden-Pogrome des Mittelalters, in naiver Weise die Fügung und
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das Gericht Gottes am Werk.94 Außerdem handelt es sich nach seiner Auffassung um ein günstiges, gottgefügtes Vorzeichen für die Christen im allgemeinen und den König im besonderen: die Tatsache nämlich, daß Tag und Ort der Königsweihe Richards durch den Untergang des gotteslästerlichen Judenvolkes ausgezeichnet wurden und am Anfang seines Königtums die Feinde des christlichen Glaubens um ihn herum fielen und geschwächt wurden.95 Richard selbst allerdings war über das, was sich an seinem Krönungstag ereignet hatte, alles andere als begeistert, sah vielmehr darin eine schwere Majestätsbeleidigung. Eine Bestrafung der Schuldigen erwies sich jedoch als nahezu undurchführbar, einmal wegen der Menge der Täter - fast die gesamte christliche Einwohnerschaft Londons hatte sich an der Erstürmung des Judenviertels beteiligt! - sodann aber auch, weil zahlreiche Mitglieder hochadeliger Familien, die zur Krönung nach London gekommen waren, die Gelegenheit benutzt hatten, sich am Vermögen der Juden zu bereichern. Im darauf folgenden Jahr 1190 kam es in weiteren Städten Englands zu Massakern an den Juden, unter anderem in Lincoln und York. Die Juden von York hatten sich in der dortigen königlichen Burg verschanzt. Als ihre Lage aussichtslos wurde, beging ein Teil von ihnen kollektiven Selbstmord. Der Rest erklärte sich den Belagerern gegenüber bereit, zum Christentum überzutreten. Dafür wurde ihnen Schonung versprochen. Doch als sie das Schloß verließen, wurden sie alle niedergemacht, obwohl Richard gleich nach dem Londoner Pogrom ein scharfes Gesetz zum Schutz der Juden erlassen hatte; sie waren nämlich seine wichtigsten Geldbeschaffer.96 Der König war aber, als die Juden von York ermordet wurden, nicht mehr in England. Er hatte sich, nachdem er sich durch den Verkauf von Ämtern und anderen weniger feinen Methoden große Mengen Geld für seinen bevorstehenden Kreuzzug beschafft hatte, bereits im Dezember 1189 wieder nach der Normandie eingeschifft. Vom Festland aus wies er seinen Kanzler und Statthalter, Wilhelm von Longchamp, Bischof von Ely, an, die an dem Massaker von York Schuldigen zu bestrafen. Der Bischof rückte mit einem Heer an, aber offenbar so langsam, daß die Haupttäter nach Schottland entkommen konnten. Die zurückgebliebenen Bürger von York beteuerten ihre Unschuld und entzogen sich der weiteren Strafverfolgung durch Zahlung einer Geldbuße. Schon als Graf von Poitiers hatte Richard zusammen mit dem französischen König Philipp II. August das Kreuzfahrergelübde abgelegt. Im August 1190 sammelten sich die Armeen beider Könige am Hafen von Marseille. Die Franzosen segelten als erste nach Sizilien, ein paar Tage später folgten die Engländer.97 Philipp II. hatte sich die Stadt Messina als Winterquartier für sein Heer gesichert. Richard hatte ebendieselbe Absicht. Den Einwohnern von Messina schien aber die Einquartierung von zwei Armeen eine allzu große Belastung zu sein. Von den Boten, die der englische König vorausgeschickt hatte, brachten die Sizilianer einige um und jagten die übrigen aus der Stadt. Richard geriet daraufhin in Wut und ließ Messina, das von den eigenen Bewohnern und den Franzosen verteidigt wurde, stürmen. Am 4. Oktober
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zog er als Sieger in die Stadt ein, mäßigte aber seinen Zorn gegenüber den Besiegten und nutzte deren Niederlage nicht aus. Doch der König von Frankreich faßte Richards gewaltsames Vorgehen als persönliche Beleidigung auf, und so wurde der Keim der Zwietracht zwischen den beiden königlichen Kreuzfahrern gesät.98 Beleidigt war Philipp auch, weil Richard nicht mehr bereit war, seine Schwester Alice, mit der er seit vielen Jahren verlobt war, zu heiraten. Um diese Zeit muß der König von Frankreich Richard von dem Heiratsversprechen gegenüber seiner Schwester entbunden haben." Denn während der Uberwinterung auf Sizilien kam Richards zukünftige Frau Berengaria, die Tochter des Königs Sancho VI. von Navarra, in Begleitung Eleonores, welche die Ehe angebahnt hatte, in das königliche Lager; mit den Worten Wilhelms von Newburgh:100 Während die Könige der Franken und der Engländer auf der Insel Sizilien in Erwartung des Feldzuges, der im Frühjahr beginnen sollte, überwinterten, kam die Königin Eleonore, die ihr hohes Alter verdrängt und Länge und Beschwerlichkeit der Reise und die Strenge des winterlichen Wetters nicht beachtet hatte, von ihrer Mutterliebe geführt oder eher herbeigezogen, von den Grenzen der Erde nach Sizilien zu ihrem Sohn, und sie brachte die Tochter des Königs von Navarra mit sich, um sie mit ihm zu verheiraten.
Richard kam seiner Mutter und seiner zukünftigen Frau auf das italienische Festland entgegen. Die Begegnung fand am 30. März 1191 in Reggio statt. Anschließend geleitete er sie nach Messina. Eleonore verließ ihren Sohn schon am 2. April und kehrte in Begleitung des Erzbischofs von Rouen, Walter von Coutances, über Salerno in die Normandie zurück. Während der Überwinterung in Sizilien, gegen Ende des Jahres 1190, war es zu der denkwürdigen Begegnung Richards mit dem Abt Joachim von Fiore ( t 1202) gekommen. Der König hatte von der prophetischen Begabung des schon zu Lebzeiten berühmten Mannes gehört und ließ ihn zu sich kommen. Der Chronist Roger von Howden, der wahrscheinlich selbst bei dem Gespräch anwesend war, berichtet in aller Ausführlichkeit, wie Richard und seine engere Umgebung mit großem Vergnügen (plurimum delectabantur!) der Auslegung lauschten, die der Abt von einigen Stellen der JohannesApokalypse (Apoc 12,1; 17,3-7; 17,9f.: „... et reges Septem sunt; quinqué ceciderunt; unus est; alius nondum venit...") gab. Richard interessierte sich vor allem für den Zeitpunkt des Auftretens des letzten der sieben in der Apokalypse erwähnten Könige, welcher in der Deutung Joachims der Antichrist war. Joachim behauptete, der Antichrist sei bereits in der Stadt Rom geboren und werde auf den Apostolischen Stuhl erhoben werden. Es ist das erste Mal überhaupt in der mittelalterlichen Geschichte, daß der Papst als Antichrist vorgestellt wird. Da der König offenbar an dieser Auslegung Gefallen fand, gaben der Erzbischof Walter von Rouen und die anderen ihn begleitenden Bischöfe sich alle Mühe, ihm eine „rechtgläubige" Vorstellung von dem Auf-
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treten des Antichristen zu geben, wobei es ihnen vor allem darauf ankam, die fatale Gedankenverbindung zu dem römischen Papst zu neutralisieren: der Antichrist werde ein Jude aus dem Stamme Dan sein, der, mit Hilfe des Teufels gezeugt, in Babylon geboren und im Tempel von Jerusalem als „Sohn Gottes" seine Herrschaft errichten werde, und vieles andere mehr.101 Am 10. April 1191 setzte die englische Flotte die Segel; es war der Mittwoch der Karwoche. Die Franzosen hatten sich bereits am 30. März zur direkten Uberfahrt nach Akkon eingeschifft. Richard schickte einige Schiffe mit seiner Verlobten Berengaria und seiner Schwester Johanna, der Witwe des Königs Wilhelm II. von Sizilien, nach Zypern voraus. Der König nahm mit der Hauptmacht der Flotte den Weg über Kreta, wo sie nach tagelangen heftigen Stürmen am 17. April landete. Man stellte fest, daß 25 Schiffe fehlten. Am 22. April erreichte die Flotte Rhodos. In den Ruinen der Insel, auf der damals nur noch wenige Bewohner lebten, erholte sich der König, der gesundheitlich angeschlagen war, zehn Tage lang.102 Von der Besatzung eines Lastenseglers erfuhr er dort, daß der König von Frankreich am 20. April vor Akkon angekommen war und mit den Vorbereitungen der Belagerung begonnen hatte. Richard jedoch entschloß sich, noch nicht nach dem Heiligen Land zu fahren, sondern er wollte zunächst dem Usurpator Isaak Komnenos, der Zypern regierte und sich „Kaiser" nannte, eine Lektion erteilen. Der galt nämlich als Verräter an der Sache der Christenheit, weil er mit dem Sultan Saladin ein geheimes Abkommen geschlossen hatte und die Pilger ausraubte und gefangennahm. Das Schiff der Königinnen war am 1. Mai 1191 in den Hafen von Limassol eingelaufen. Der Tyrann versuchte nun, die Frauen an Land zu locken, um sie in seine Gewalt zu bekommen. Die Ankunft König Richards und der englischen Flotte am 6. Mai befreite sie aus ihrer mißlichen Lage. Nachdem Isaak eine Verständigung abgelehnt hatte, schlug Richard ihn und das zahlenmäßig überlegene zypriotische Heer in die Flucht. Am 12. Mai fand in Limassol die Eheschließung von Richard und Berengaria statt; anschließend krönte der Bischof Johann von Evreux in der Normandie Berengaria zur Königin. Tags zuvor war Guy (Guido) de Lusignan, König von Jerusalem, persönlich gekommen, um Richard zur Eile zu mahnen, denn er fürchtete seine Absetzung durch Philipp II. von Frankreich, der gerne den Markgrafen Konrad von Montferrat zum König des Kreuzfahrerstaates erhoben hätte. Danach einigte sich Richard mit Isaak, der sich bereit erklärte, 500 Berittene für den Kreuzzug zu stellen und eine Entschädigung von 3 500 Mark Silber zu zahlen. Der Kaiser hielt sich aber nicht an den Vertrag, machte sich vielmehr des Nachts aus dem Staub und setzte sich nach Famagusta ab. Inzwischen kamen Boten des Königs von Frankreich, die Richard vorwarfen, er halte sich unnötigerweise bei dem Krieg gegen Christen auf, anstatt gegen die Sarazenen zu kämpfen. Darüber ärgerte sich Richard maßlos, u n d er erteilte d e n f r a n z ö s i s c h e n G e s a n d t e n in g r o b e n W o r t e n eine A b f u h r .
Den Kaiser Isaak verfolgte er von Famagusta über Nikosia bis zu der Festung
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Candaira, wo sich Isaak endgültig ergeben mußte (31. Mai 1191). Richard ließ ihn in silberne Ketten legen.105 Erst jetzt setzte Richard von Famagusta aus nach Palästina über. Die englische Flotte kam am 7. Juni vor Tyrus an. Vor dem belagerten Akkon wurden die Engländer in der Pfingstwoche mit Prozession und Gesängen freudig begrüßt. Die Türken in der Festung erfaßte Mutlosigkeit. Doch kam ihnen Saladin mit einem Heer zu Hilfe, und die Christen wurden in die Zange genommen. Den Belagerten gelang es, die Belagerungsmaschinen mit dem sogenanten „griechischen Feuer" in Brand zu setzen. Obendrein erkrankten beide Könige. Doch die Christen erhielten durch die Ankunft einer großen Schar tapferer normannischer und französischer Ritter Verstärkung. Nach weiterhin wechselndem Kriegsglück mußten sich die Türken schließlich am 12. Juli 1191 ergeben. Saladin hatte dazu die Erlaubnis gegeben. Die Türken erkauften sich freien Abzug durch Zahlung von 200 000 Talenten. Seit der Eroberung Akkons durch Saladin waren knapp vier Jahre vergangen.104 Als die christlichen Heerführer ihre Banner auf die Zinnen der eroberten Stadt pflanzten, ereignete sich ein Zwischenfall, der für Richard später unangenehme Folgen zeitigen sollte. Befehlshaber der wenigen deutschen Truppen, die von der Armee des Kaisers Friedrich Barbarossa übriggeblieben waren, war der Herzog Leopold V. von Osterreich (1177-1194) aus dem Hause Babenberg. Er ließ seine Standarte neben denjenigen der Könige von Frankreich und England aufrichten. Darauf rissen einige von Richards Kriegern, zweifellos mit dessen Billigung, sie herunter und warfen sie in einen Graben für den Babenberger eine schwere Demütigung, die er dem König von England nicht vergaß, wie sich zwei Jahre später herausstellen sollte.105 Nachdem auch die Armee des Sultans abgezogen war, begannen Streitereien zwischen den beiden christlichen Königen. Richard unterstützte den König Guy, während Philipp sich für dessen Konkurrenten, den Markgrafen Konrad von Montferrat, einsetzte. Ende Juli gab der König von Frankreich seine Absicht bekannt, nach Hause zurückzukehren. Kurz danach nahm er Abschied von Richard. Der größte Teil des französischen Heeres blieb jedoch unter dem Befehl des Herzogs Hugo von Burgund zurück. Bis zum Herbst 1192 blieb Richard in Palästina und kämpfte mit wechselnden Kriegsglück gegen die Truppen Saladins.106 Das Ziel des Dritten großen Kreuzzugs, die Wiedereroberung Jerusalems, erreichte er nicht. Doch gelang schließlich mit Saladin, der Richards Tapferkeit respektierte, ein Ubereinkommen, das christlichen Pilgern den freien Zugang zu den heiligen Stätten sicherte. Am 9. Oktober 1192 ließ der König von England die Segel setzen und nahm bewegten Abschied vom Heiligen Land.107 Er segelte zunächst bis zur Insel Korfu, wo er am 11. November landete. Dort verkleidete er sich und vertraute sich mit nur vier Begleitern der Obhut dalmatinischer Seeräuber an. Die Entscheidung, inkognito weiterzureisen, dürfte mehrere Gründe gehabt haben. Der Verfasser von Richards Itinerarium gibt an, er habe den Nachstellungen des griechischen Kaisers (Isaak II. Angelos: 1185-
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1195) entgehen wollen. Doch galt Richards Tarnung zweifellos auch dem deutschen Kaiser Heinrich VI. und dem Herzog Leopold V. von Osterreich, dessen Feindschaft er sich in Akkon zugezogen hatte. Die Seeräuber brachten Richard und seine Begleiter bis in die Nähe von Aquileja. Von dort gelangte er durch die schwerbewachten Täler Kärntens und Steiermarks nach Wien, wo ihn der Herzog Leopold am 20. Dezember 1192 gefangennehmen ließ.108 Als offiziellen Grund für die Gefangennahme ließ Leopold verbreiten, Richard trage die Schuld am Tode des Markgrafen Konrad, der am 28. April 1192 von zwei Gefolgsleuten des „Alten vom Berge" (sogenannten Assassinen) in Tyros erdolcht worden war. Schon damals war unter den Franzosen das Gerücht entstanden, der König von England habe die beiden Mörder gedungen.'09 Nach Richards Gefangennahme in Osterreich tauchte ein angeblicher Brief des „Alten vom Berge" an den Herzog Leopold auf, der den König von dem Verbrechen entlasten sollte.'10 Der eigentliche Grund für Richards Gefangennahme war aber gar nicht die Ermordung Konrads, sondern die Tatsache, daß der König von England als Schwager Heinrichs des Löwen Gegner der staufischen Dynastie war und durch sein Auftreten in Sizilien bewiesen hatte, daß er imstande war, den Interessen Kaiser Heinrichs VI. in Süditalien in die Quere zu kommen. Im übrigen sahen sowohl der Kaiser als auch der ihm ergebene Herzog die Gelegenheit gekommen, sich enorm zu bereichern. Für den gefangenen König wurde die ungeheuere Lösegeldsumme von 100 000 Mark Silber festgesetzt, von denen Leopold die Hälfte erhalten sollte. Sehr willkommen war Richards Zwangsaufenthalt in Deutschland auch Philipp II. von Frankreich, der während der Abwesenheit des Königs von England die französische Krondomäne durch Teile der Normandie auszudehnen hoffte, und dem Grafen Johann, dem jüngeren Bruder Richards, der sich in England breit zu machen suchte. Inzwischen war die Königin-Mutter Eleonore nach England zurückgekehrt, um den Intrigen Johanns entgegenzuwirken und um möglichst schnell das Lösegeld für Richard aufzubringen. Der war zunächst, wie vermutet wird," 1 nach der Burg Dürnstein bei Krems an der Donau verbracht worden (was jedoch keineswegs sicher ist!). Anfang Januar 1193 fanden in Regensburg Ubergabeverhandlungen zwischen dem Herzog von Österreich und dem Kaiser statt, wobei hauptsächlich um den Preis des königlichen Gefangenen gefeilscht wurde. Eine Einigung kam erst um Mitte Februar zustande, wonach Leopold Richard über Ochsenfurt und Würzburg nach Speyer geleiten ließ, um ihn dort dem Kaiser zu übergeben. Bis zu seiner Freilassung am 4. Februar 1194 wurde der englische König, mit einigen Unterbrechungen, auf der Burg Trifels in der Pfalz in Haft gehalten.112 Er erhielt aber mehrfach Besuch von seinen Getreuen, die in England, bei dem Papst und bei dem Kaiser seine Sache vertraten; so war Ende März 1193 der Bischof Hubert Walter von Salisbury bei ihm, dessen Treue er während der Kämpfe im Heiligen Land erprobt hatte. Ihn wollte er auf den erz-
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bischöflichen Stuhl von Canterbury erheben lassen und schrieb in dieser A n gelegenheit an seine Mutter, den Konvent an der Kathedrale von Canterbury und an seine hohen Beamten in England." 3 Der Brief, den Richard am 30. März von Speyer aus an seine Mutter schrieb, beleuchtet sein persönliches und politisches Vertrauensverhältnis zu ihr. E r beginnt mit folgenden Sät114 zen: Richard, von Gottes Gnaden König von England usw., an seine ehrwürdige Herrin und liebste Mutter Eleonore, durch eben die gleiche Gnade Königin von England, Gruß und alles Glück, das ein ergebener Sohn seiner Mutter wünschen kann. Vor allem sagen wir Gott und danach Eurer Erhabenheit, liebste Mutter, allen Uns möglichen Dank - wenngleich Wir zu einem angemessenen Dank nicht fähig sind - für die treue Fürsorge und Sorgfalt, die Ihr für den Frieden und die Verteidigung Unserer Länder so ergeben und wirksam aufwendet. Denn Wir haben zur Genüge erfahren und wissen zum Teil, daß durch Gottes Erbarmen und Euere Umsicht und Hilfe für die Verteidigung Unserer Länder weitgehend Vorsorge getroffenworden ist und weiterhin wird. Denn es ist vor allem eine Sache Eurer Klugheit und Eures Augenmaßes, daß Unser Land bis zu Unserer Ankunft in einem friedvollen Zustand bleibt. Jetzt aber, liebste Mutter, senden Wir an Eure Güte Unseren vielgeliebten, ehrwürdigen Hubert, den Bischof von Salisbury. Er hat, wie alle Welt weiß, in Outremer der gesamten Christenheit und Uns so angenehme Dienste erwiesen, daß sie überhaupt nicht geschildert werden können. Er hat auch bei der Römischen Kurie für Unsere Befreiung viele Mühen und Ausgaben auf sich genommen und hat die so mühevolle und gefährliche Reise bis zu Uns nach Deutschland unternommen. Die Bemühungen der englischen Diplomatie bei der Römischen Kurie sind durch die Tatsache zu erklären, daß der König von England bei einem kirchlichen Unternehmen, der Rückkehr von dem durch den Papst gebotenen heiligen Krieg, widerrechtlich gefangengenommen worden war. In England löste das eine gewaltige Empörung aus, die sich in den Werken der zeitgenössischen Chronisten niedergeschlagen hat. Maßlose Empörung ist auch in dem Brief erkennbar, den Eleonore zu Beginn des Jahres 1193 an den Papst Coelestin III. schreibt und in dem sie Seiner Heiligkeit gegenüber kein Blatt vor den Mund » 115 nimmt. Dem hochwürdigen Vater und Herrn Coelestin, von Gottes Gnaden oberstem Priester, wünscht Eleonore, im Zorn Gottes Königin von England, Herzogin der Normandie, Gräfin von Anjou, er möge sich einer elenden Mutter gegenüber als Vater erweisen. Ich hatte mich entschlossen zu schweigen, damit mir nicht Unverschämtheit und Anmaßung vorgeworfen würde, wenn ich im Uberschwang meines Herzens und der Heftigkeit meines Schmerzes gegen den Fürsten der Priester ein unvorsichtiges Wort riskierte. Der Schmerz freilich unterscheidet sich nicht sehr von der Verrücktheit, wenn er sich zur Aggressivität steigert; er erkennt keinen Herrn an, nimmt keine Rücksicht auf den Gefährten, übt gegenüber niemandem Nachsicht und Schonung, auch Dir gegenüber nicht...
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Eleonore von Aquitanien Die Kinder Israels nahmen in ihrer N o t zu Moses, dessen Stelle Ihr vertretet, ihre Zuflucht und flohen in ihrer Bedrängnis zum Bundeszelt. Unser König ist in Schwierigkeiten und von allen Seiten bedrängen ihn Nöte. Seht den Zustand, oder besser: den Fall, des Königreiches an, die Schlechtigkeit der Zeit, das Wüten des Tyrannen, der im Glutofen der Habgier unaufhörlich die Waffen der Bosheit gegen den König schmiedet, den er auf der heiligen Pilgerschaft, unter dem Schutze des Gottes des Himmels und der Römischen Kirche gefangennahm und im Kerker gefesselt hält und dabei ist, auf schreckliche Weise zugrundezurichten. Denn er mißachtet Gott und sein furchtbares Gericht, lauert auf Beute, und niemand ist, der seiner Hand entrinnen kann. Wenn die Römische Kirche ihre Hände in den Schoß legt und gegenüber solchem Christus zugefügten Unrecht schweigt, dann soll Gott aufstehen und über unsere Sache richten und auf das Antlitz seines Gesalbten blicken [Ps 73,22; 42,1; 131,810; 83,10]. W o ist der Eifer des Elias gegen Achab? Der des Johannes gegen Herodes? Der Eifer des Ambrosius gegen Valens? Der Eifer Alexanders III., der, wie Wir gehört und gesehen haben, den Vater dieses Fürsten, Friedrich, mit der ganzen Autorität des Apostolischen Stuhles feierlich und fürchterlich von der Gemeinschaft der Gläubigen abgeschnitten hat? Aber jetzt macht sich der Tyrann über die apostolische Schlüsselgewalt lustig und hält das Gesetz Gottes für leere Worte... Oft kommen Eure Kardinäle in weniger wichtigen Angelegenheiten mit großer Machtfülle ausgestattet als Legaten in die unzivilisierten Gegenden. In einer so schwierigen, bedauernswerten, allgemeinen Sache habt Ihr bis jetzt nicht einmal einen Subdiakon oder Akolythen beauftragt. Legaten macht nämlich heuzutage die Gewinnsucht, nicht die Achtung vor Christus, nicht die Ehre der Kirche, nicht der Frieden der Königreiche oder das Heil des Volkes. Was für ein Vorteil oder Gewinn könnte ruhmreicher sein als durch die Befreiung des Königs die Hochmütze des obersten Priesters wie das Priestertum des Aaron und Phinees zu erhöhen? Du hättest doch gewiß die Würde des Apostolischen Stuhles nicht allzu sehr herabgesetzt, wenn Du dich in eigener Person zur Befreiung eines solchen Fürsten nach Deutschland begeben hättest. Denn denjenigen, dem man so beflissen im Glück seine Aufmerksamkeit schenkte, den hätte man im Unglück nicht im Stich lassen dürfen. Warum legt Ihr nicht die Wohltaten auf die Waage der Gerechtigkeit, die Heinrich guten Andenkens, der Vater dieses Königs, Euch, wie Wir gesehen haben, in extremer Notlage erwiesen hat? Wie auch andererseits die Gewaltherrschaft Friedrichs, die er über Euch, die Besitzungen der Römischen Kirche und über alle, die Eure getreuen Anhänger waren, ausübte? Als nämlich der erwähnte Friedrich, der Förderer und Urheber des schismatischen Zwiespalts, sich gegen den, wie Ihr wißt, in kanonischer Form gewählten Alexander III. verschworen und sich auf die Seite des Apostaten Octavian geschlagen hatte und unter dieser Erschütterung durch das Schisma die Kirche ganz allgemein überall auf Erden zu leiden hatte, da wurden die Könige von Frankreich und England von verschiedenen Gesandtschaften beider Parteien aufgesucht. Während der König von Frankreich infolge der verschiedenen Ratschläge, die ihm gegeben wurden, in seiner Meinungsbildung lange Zeit schwankte, trat der König Heinrich, den es schmerzte, daß der Leibrock Christi so lange zerrissen wurde, als erster auf die Seite des Papstes Alexander. Mit großer Vorsicht zog er dann den König der Franken gleichfalls auf die Seite des Papstes, indem er ihm zuriet und ihm seine H i l f e zusagte. U n d auf diese W e i s e v e r s e t z t e er das S c h i f f P e t r i , das in der G e f a h r
des gewissen Untergangs schwebte, an einen sicheren Platz am Gestade.
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Das alles haben Wir in Châteauroux erlebt, wo er auch den Wünschen der Römer mit königlicher Freigebigkeit, wie sie es selbst als wunderbares Ereignis ausriefen, mit stattlichen Gastgeschenken aus Gold und Silber entgegenkam. Es wäre also dem Ruhm des Apostolischen Stuhles in bemerkenswerter Weise abträglich, wenn jemals eine Undankbarkeit das Andenken an eine so große Wohltat auslöschen würde ...
Während sie hier noch in selbstbewußten Ton den Dank des Apostolischen Stuhls für die Haltung Heinrichs II. gegen den durch den Kaiser Friedrich Barbarossa unterstützten Papst Viktor IV. (Octavian von Monticelli) in den Jahren 1160-1163 einfordert, schlägt sie in einem bald danach geschriebenen, langen Brief an den Papst einen viel jämmerlicheren Ton an. Aus diesem Brief wird auch deutlich, wie sie zu ihrem jüngsten Sohn Johann steht, der während der Gefangenschaft Richards seine eigene Macht in England und auf dem Kontinent zu festigen suchte. 1 " Weggerissen wurden von mir meine Kinder, meine Nachkommenschaft wurde entfernt und von meiner Seite gerissen. Der jüngere König [Heinrich d. J. "f 1183] und der Graf von Bretagne [Gottfried f 1186] schlafen im Staub, und ihre unglückselige Mutter ist gezwungen zu leben, um unheilbar durch das Andenken an die Toten gepeinigt zu werden. Zwei Söhne waren mir zum Trost verblieben, die mir Elender und Verdammter heute zur tödlichen Qual übrig bleiben. Der König Richard wird in Fesseln gehalten. Sein Bruder Johann verheert das Reich des Gefangenen mit dem Schwert und verwüstet es durch Feuer. In allen Dingen hat sich mir der Herr zu einem grausamen gewandelt und ist mit harter Hand gegen mich. Wirklich kämpft sein Zorn gegen mich, und deshalb kämpfen auch meine Söhne untereinander - wenn denn das ein Kampf ist, wo der eine in Fesseln gelegt ist, der andere, um mir Schmerzen über Schmerzen zuzufügen, mit grausamer Gewaltherrschaft das Königreich des Verbannten an sich zu reißen sucht.
Den Papst ersucht die Königin, gegen den gottlosen Tyrannen (Kaiser Heinrich VI.) vorzugehen, der es gewagt hat, sich an dem „Gesalbten des Herrn" auf dessen Wallfahrt zu vergreifen. Noch in einem dritten Brief erinnert sie den Papst an die Ergebenheit Heinrichs II. und Richards selbst gegenüber dem Apostolischen Stuhl.117 In der Angelegenheit des gefangenen Königs bahnte sich aber inzwischen eine andere Lösung an. Wie Richard seiner Mutter schreibt, hatte sich sein Kanzler, Bischof Wilhelm Longchamp von Ely, mit Erfolg um eine Begegnung seines Herrn mit dem kaiserlichen Paar bemüht. In der Pfalz Hagenau, wohin Richard von der Burg Trifels aus geleitet worden war, gelang es ihm, mit Heinrich VI. einen Vertrag auszuhandeln.118 Gleichwohl mußten Geiseln gestellt werden, und Richard, der sich von da an ehrenvoll in der Nähe des Kaisers aufhalten durfte, sollte erst nach Eintreffen von 70 000 Mark des Lösegeldes freigelassen werden, das noch in England eingetrieben werden mußte. Diese Vorgänge, und damit seine Befreiung, zu beschleunigen, ist denn auch der eigentliche Zweck von Richards Brief an seine Mutter und seine Getreuen in England.
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Bekanntlich mußte Eleonore auch noch den Tod ihres Lieblingssohnes erleben: Richard starb an den Folgen der Verwundung durch einen Bolzen oder Pfeil, den ihm bei der Belagerung der Burg Châlus bei Limoges ein gewisser Bertram de Gurdun in die Schulter geschossen hatte, am 6. April 1199. Dem Schützen, der nach Eroberung der Burg vor ihn geführt wurde, gewährte Richard Verzeihung; doch ließ ihn nach dem Tod des Königs einer von dessen Gefolgsleuten schinden und aufhängen."9 Richard Löwenherz war ein tapferer, furchtloser Ritter und gewaltiger, draufgängerischer Kämpfer. Aber er war auch ein kluger, weitblickender Politiker. Verdüstert wird sein Bild durch seine häufige Unbesonnenheit und Unberechenbarkeit sowie zahlreiche Handlungen sinnloser Grausamkeit. In vielen Charakterzügen ähnelt er seinem Urgroßvater Wilhelm IX. von Aquitanien, von dem er auch das dichterische Talent geerbt zu haben scheint.120 Kurz vor seinem Tod hatte Richard bestimmt, daß sein Gehirn, sein Blut und seine Eingeweide in Charroux beigesetzt werden sollten; sein Herz sollte nach Rouen gebracht und sein Leichnam in Fontevraud, zu Füßen seines Vaters, bestattet werden.121 Dort, in ihrer Abtei, wurde auch Eleonore nach ihrem Tode im Jahre 1204 bestattet. In der Mitte des Langhauses der Abteikirche, eines strengen, majestätischen romanischen Baus, ruhen heute die aus Tuffstein gehauenen Gisants Heinrichs II. Plantagenêt, Richards I. Löwenherz und Eleonores von Aquitanien in ihren Krönungsornaten. Die farbigen Fassungen wurden in der Neuzeit mehrmals übermalt. Auffällig sind vor allem die tiefblauen Königsmäntel. Was dem Besucher noch mehr in die Augen fällt, ist der Umstand, daß Eleonore ein Buch in den Händen hält, in dem sie liest. Das ist umso merkwürdiger, als ihre daneben liegende Schwiegertochter Isabella von Angoulême, dritte Gemahlin des Königs Johann (Ohneland) die Hände in der üblichen Weise über der Brust gekreuzt hat.122 Man ist geneigt zu fragen, in was für einem Buch Eleonore liest. Sind es die frommen Totengebete, wie manche vermuten, oder die Lieder ihres Großvaters oder die ihres Sohnes? Wir wissen es nicht, und es ist auch nicht so wichtig. Bedeutsamer ist vielmehr die Tatsache, daß sie sich überhaupt als Lesende, mit einem Buch in ihren Händen, und damit als Nachdenkende, hat darstellen lassen. ERWIN PANOFSKY hat auf die Neuerung hingewiesen, die darin besteht, „die ausgestreckten Liegefiguren eines Ehepaars in einem Denkmal nebeneinanderzustellen". Eine derartige Darstellung tauche in Fontevrault zum ersten Mal auf und könne „kaum zweimal erfunden sein".123 Es stellt sich dann aber die Frage, wer diese Idee „erfunden" haben könnte. Die Antwort ist naheliegend, denn es war niemand anderes als Eleonore, die für die Bestattungen ihres Gemahls und ihres Sohnes gesorgt und für ihre eigene vorgesorgt hatte. Wie PANOFSKY vermutet, hat sich die Idee der „expliziten Liegefigur" von Fontevraud aus nach Deutschland verbreitet, wo sie in dem um 1240 entstandenen Doppelgrab Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde im Braunschweiger Dom ihre erste Verwirklichung gefunden hat.124 Mathilde aber war die Tochter Eleonores und Schwester von Richard Löwenherz.
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Eleonore war ungefähr 82 Jahre alt geworden. Noch bis drei Jahre vor ihrem Tod war sie diplomatisch und auch kriegerisch tätig gewesen. Sie wird es als große Genugtuung empfunden haben, daß im Mai 1200 von den Königen Philipp August und Johann, (der am 27. Mai 1199 in der Westminster Abbey die englische Krone empfangen hatte), die Eheschließung zwischen dem Sohn Philipps, dem späteren König Ludwig VIII., und ihrer Enkelin Blanche, der Tochter Alfonsos' VIII. von Kastilien, vereinbart wurde.125 Ihre Enkelin und der Enkel ihres ersten Gemahls wurden so die Eltern Ludwigs IX. des Heiligen, der mit dem Papst Innocenz III., dem heiligen Franziskus von Assisi und dem Kaiser Friedrich II. zu den vier überragenden Gestalten gehört, die das kommende 13. Jahrhundert prägten. König Johann hatte seine Mutter nach Kastilien geschickt, um Blanche abzuholen und bis nach Bordeaux zu geleiten. Danach zog sich Eleonore in die Abtei Fontevraud zurück. Aber daß sie dort dann endgültig geblieben sei, wie Roger von Howden berichtet,126 scheint nicht ganz korrekt zu sein, denn noch im Jahre 1202 wurde sie von ihrem Enkel Arthur, dem Sohn Gottfrieds, in der Burg Mirabel (Mirebeau bei Poitiers) belagert, bis König Johann selbst zu ihrem Entsatz heranrückte.127 Ob Eleonore zu ihrer Zeit „die unangefochtene Königin der Troubadours" gewesen ist,128 ist mehr als fraglich. Aber - entgegen anderslautenden Darstellungen - hat sie sehr wohl in den von ihr hinterlassenen Schriftstücken authentische Zeugnisse ihrer Persönlichkeit und ihres Denkens gegeben. In den drei Briefen an Coelestin III. läßt sie sogar ihren (echten!) Gefühlen freien Lauf. Aber auch die oben zitierte Urkunde, die sie kurz nach ihrer zweiten Heirat für Fontevraud ausstellte, ist ein genuines Zeugnis für ihre religiöse Vorstellungswelt. Der heutige Besucher der königlichen Abtei Fontevraud mag, wenn er bewundernd vor den ruhig mächtigen Gisants Eleonores, ihres zweiten Gemahls und ihres liebsten Sohnes steht, in nachdenkender Meditation das erfassen, was Bewußtsein und Leben dieser merkwürdigen Frau des Mittelalters entscheidend bestimmte: vielleicht die Welt des Minnesangs und des höfischen Daseins; mit Sicherheit die Sorge für ihr Weiterleben in ihrer Nachkommenschaft und für die Seelen der von ihr am meisten geliebten Menschen und ihre eigene.
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HELOISE
Philosophin und Geliebte Auf dem Friedhof des Père Lachaise in Paris ruht Seite an Seite, unter gotischen Grabplatten, das wohl berühmteste Liebespaar des Mittelalters, Heloise und Abaelard. Wie an den Trachten zu erkennen ist, sind beide geistliche Personen, und der zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Gelände des ehemaligen Landhauses der Jesuiten angelegte Friedhof ist nicht ihr ursprünglicher Bestattungsplatz. Ihre Gräber gehören eigentlich in eine Kirche, und in einer solchen befanden sie sich ursprünglich auch. Das Schicksal Heloises und Abaelards ist in allen seinen Einzelheiten bemerkenswert und ungewöhnlich. Sie lernten sich um das Jahr 1116 in Paris kennen. Die Stadt war damals, lange vor der Ankunft Eleonores von Aquitanien, das Zentrum des intellektuellen Lebens in Europa. Studenten von überall her strömten zu den Kathedralschulen von Nord- und Zentralfrankreich: Chartres, Orléans, Reims, Laon, Tours, Poitiers. Die Schule von Paris überragte sie alle, und der Star unter den dortigen Lehrern war der damals etwa siebenunddreißigj ährige Abaelard. In der Philosophie- und Theologiegeschichte wird diese Epoche als „Frühscholastik" eingeordnet, was ihr in neuerer Zeit den Ruf eingetragen hat, sie sei von lebensfremdem Schulmief und fruchtlosen Spekulationen bestimmt gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Geistiges und „wirkliches" Leben bildeten in der bedeutendsten Metropole des Hochmittelalters eine komplexe Einheit, wie an der Geschichte von Heloise und Abaelard zu erkennen ist. Heloise ist um das Jahr 1099 geboren. Als sie Abaelard begegnete, war sie etwa siebzehn Jahre alt, also ziemlich genau zwanzig Jahre jünger als er. Sie starb im Mai 1164 in dem Kloster Le Paraclet bei Nogent-sur-Seine, dessen Äbtissin sie war. Die Geschichte der Heloise kennen wir vor allem aus der „Autobiographie" Abaelards, der Historia calamitatum, und aus dem Briefwechsel der beiden.1 Die Echtheit dieses Briefcorpus ist allerdings in der Forschung umstritten.
Probleme der Echtheit Nachdem bereits im 19. Jahrhundert Zweifel bezüglich der Verfasserschaft der Briefe a u f g e k o m m e n waren, 2 stellte B E R N H A R D S C H M E I D L E R erstmals 1913 und danach in weiteren Publikationen Beweise für seine Hypothese zu-
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sammen, daß Abaelard, mit Sicherheit Verfasser der Historia Calamitatimi, auch die Heloise-Briefe geschrieben habe.3 SCHMEIDLERS Argumentation setzt bei den Widersprüchen ein, die er in den Briefen Heloises zu der Darstellung Abaelards zu entdecken glaubt. So erzählt Abaelard ausführlich, wie er sich der durch Abt Suger von Saint-Denis aus Argenteuil (1129) vertriebenen Heloise und ihrer Gefährtinnen angenommen und ihnen das leerstehende Oratorium Le Paraclet geschenkt hatte.4 Dort hatte er sie oft besucht, womit er sich üble Nachreden zugezogen hatte. In krassem Gegensatz zu dieser Darstellung stehen nach SCHMEIDLER zwei Passagen in Heloises erstem Brief, in denen sie sich bitter darüber beklagt, daß sie von ihm seit ihrer beider Eintritt ins Kloster nichts mehr gehört und gesehen habe.5 Damit ist erwiesen, daß der Brief unter keinen Umständen zu der Zeit, zu der er es vorgibt, geschrieben worden sein kann. Der folgende Brief Abaelards, der dritte der Sammlung, beweist nach SCHMEIDLER seine Unechtheit schon in dem ersten Satz, weil Abaelard hier den falschen Tatbestand der Vernachlässigung Heloises anstandslos zugibt.6 Danach hat es JOHN F. BENTON unternommen, eine radikale kritische Abräumarbeit zu leisten, indem er den Texten die geschichtliche Grundlage entzog: er sah in ihnen eine Fälschung des 13. Jahrhunderts. Der Fälscher habe, in der Absicht, die Befugnisse der Äbtissin des Klosters Le Paraclet zu reduzieren, unter Verwendung echter Schriften Abaelards und der Historia calamitatum, die in Wirklichkeit die Stilübung eines Anonymus des 12. Jahrhunderts sei, das Briefcorpus zusammengeschrieben.7 Einige Jahre später sah sich BENTON genötigt, seine Hypothese zu revidieren: er kam nun zu der Auffassung, daß Abaelard doch der Autor der der Historia calamitatum gewesen sei, und fand gute Gründe anzunehmen, daß er auch die Heloise zugeschriebenen Briefe verfaßt habe. Er erneuerte also die Position SCHMEIDLERS, nach der die Korrespondenz eine literarische fiction Abaelards ist.8 Die Argumente BENTONS machten in der Zunft der mittelalterlichen Fachgelehrten einen gewaltigen Eindruck.' Für einige Jahre schien es so gut wie sicher, daß nur noch unverbesserliche, romantisch angehauchte Naivlinge annehmen konnten, es handele sich bei den Briefen Heloises nicht um irgend eine Art literarischer Fiktion. Dennoch haben hervorragende Gelehrte und Kenner der mittelalterlichen Literatur immer an der Echtheit der Briefe festgehalten, SO ÉTIENNE GLLSON,10 RÉGINE PERNOUD," WALTER BERSCHIN," PETER DRONKE. 1 3 Aber in den historischen Wissenschaften hat, anders als in der dogmatischen Theologie, die Berufung auf Autoritäten keinen Wert. Gleichwohl haben auch Historiker ihre Grenzen, wenngleich sie dieselben oft nicht wahrnehmen. Es fehlt ihnen nicht selten das Gespür für die größere Wahrscheinlichkeit, die höhere Plausibilität, das psychologisch Mögliche. Für das eher Unwahrscheinliche oder eine Vermutung müssen wirklich überzeugende Gründe angeführt werden. Als Erfinder oder Fälscher der Briefe Heloises käme, wie schon SCHMEIDLER angenommen hat, noch am ehesten Abaelard in Frage. Aber können diese Briefe von einem Mann stammen? Die
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Textanalyse einzelner Passagen muß zeigen, ob ein „echter" oder ein „fiktiver" Kontext oder „Sitz im Leben" die größere Wahrscheinlichkeit für sich hat.14 Grundsätzlich kann gelten: Nimmt man von einem Dokument der Vergangenheit an, daß es ich um eine Fälschung handelt, so muß man deren Zweck anzugeben wissen. Ein Beispiel dafür sind die zahllosen Urkundenfälschungen des Mittelalters: sie haben den Zweck, einem Kloster oder einer anderen Institution Besitz, bestimmte Rechte und Privilegien zu sichern. Es gibt auch, wie schon in der Antike, zahlreiche Brieffälschungen im Mittelalter. Das Phänomen der Pseudepigraphie hat meist die Ursache, daß dem betreffenden Schreiben die Autorität eines bekannten und anerkannten Verfassers unterlegt werden soll. Es kann aber auch die Absicht eines Autors sein, /¿ciîon-Literatur im eigentlichen Sinn zu produzieren, die nichts anderem als der Unterhaltung potentieller Leser dienen soll und also dem Genus des Romans verwandt ist. Fiktion in diesem Sinne ist - um Unvergleichbares zu vergleichen - JEAN-JACQUES ROUSSEAUS gefühlsbeladener Briefroman „Julie ou la Nouvelle Héloïse", ein reines Produkt der Phantasie seines Verfassers. In den Briefen der „alten", der mittelalterlichen, Heloise ist aber ein anderer Geist am Werk.
Eine Liebe in Paris Da Leben und Werk Abaelards sowie die theologischen Auseinandersetzungen, in die er verwickelt war, für die philosophie- und theologiegechichtliche Forschung naturgemäß im Vordergrund stehen, wird Heloise in ihr eher als Randfigur behandelt. Damit wird man ihr nicht ganz gerecht. Sie hat zwar kein umfangreiches literarisches Lebenswerk hinterlassen, nur ein paar Briefe, und die werden ihr von gelehrten Philologen des 20. Jahrhunderts auch noch abgesprochen. Aber die Historia calamitatum Abaelards, die doch auch Heloises Leidensgeschichte ist, spiegelt ihren hohen Geist wider - und ihre außergewöhnliche Schönheit. Da es im folgenden vor allem um Heloises Persönlichkeit und ihre geistige Welt geht, lassen wir Einzelheiten der Biographie Abaelards, die nicht direkt mit ihr zu tun haben, beiseite.15 Abaelard ordnet in seiner „Autobiographie" die Geschichte seiner Beziehung zu Heloise als Krankheits- und Heilungsgeschichte ein. Er sei nämlich damals von zwei schweren Krankheiten erfaßt gewesen: Hoffart und Sinnlichkeit (Hochmut und Geilheit). Um ihn zu heilen, nahm Gott ihm zunächst das Werkzeug, seine Sinnlichkeit zu befriedigen, das heißt, sein Geschlechtsteil wurde ihm abgeschnitten; dann ließ er das wissenschaftliche Werk, auf das Abaelard besonders stolz war, verbrennen. (Es handelt sich um das Buch über die Einheit und Dreifaltigkeit Gottes - De unitate et trinitate - , das 1121 auf der Synode von Soissons verurteilt und verbrannt wurde). Im Rückblick sieht Abaelard beides als Fügung der Güte Gottes, nicht als Schicksal.'6
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Heloise war die Nichte eines Domherrn der Kathedrale Notre-Dame in Paris namens Fulbert, der für ihre sorgfältige Ausbildung gesorgt hatte. Der Ruf der Bildung des Mädchens war weit verbreitet.17 Außerdem war sie schön. Abaelard sagt: „Sie war, ohne damit aufzufallen, eine anmutige Erscheinung." Man braucht nicht lange zu rätseln, welches Milieu es war, in dem der Ruf von Heloises Klugheit und Schönheit kolportiert wurde: es war das der Pariser Studenten. Nicht anders als heute drehte sich das studentische Leben im Mittelalter um zwei geistige Mächte: Wissenschaft und Liebe. In beidem wurden Abaelard und Heloise zu viel beredeten und besungenen Leitfiguren. Und niemand hat die städtischen und intellektuelle Atmosphäre so lebensnah und realistisch geschildert wie Abaelard. An Heloises Persönlichkeit zog ihn sowohl die äußere Erscheinung als auch die geistige Begabung an. Was ihn selbst betraf, so war er davon überzeugt, daß seine eigenen Vorzüge denjenigen Heloises entsprachen:18 Die Gabe der wissenschaftlichen Bildung ist bei Frauen ziemlich selten. U m s o mehr trug sie zum Ruf des Mädchens bei, und sie hatte sie im ganzen Königreich bekannt gemacht. Nachdem ich mir alle Vorzüge vor Augen geführt hatte, die Liebende für gewöhnlich anziehen, kam ich zu der Meinung, es sei nicht allzu schwer, sie als Geliebte gewinnen zu können, und ich würde es mit Leichtigkeit schaffen. War ich doch damals hochberühmt und stach hervor durch jugendliche Anmut und gutes Aussehen, so daß ich von keiner Frau, die ich meiner Liebe würdigte, ein Abweisung zu fürchten hatte.
Abaelard erreicht sein Ziel schneller, als er sich erträumt hatte. Die Annäherung an das begehrte Mädchen wird dadurch erleichtert, daß Fulbert in dem gefeierten jungen Professor an der Domschule den geeigneten Lehrer sieht, die Bildung seiner Nichte zu vervollkommnen. Auf die Fürsprache von Freunden nimmt er Abaelard sogar in sein Haus auf, um durch dessen Mietzahlungen seine Einkünfte zu verbessern. Abaelard soll die Ausbildung Heloises übernehmen, soweit ihm seine Vorlesungen Zeit dazu belassen, bei Tag oder bei Nacht. Fulbert gibt ihm sogar die Befugnis, sie zu züchtigen, wenn sie faul sein sollte. Der Ruf des Professors ist so gut, daß ihm Fulbert blindlings vertraut. Was dann folgt, schildert Abaelard:" Ich kann es jetzt wohl kurz machen: der Hausgemeinschaft folgte die Herzensgemeinschaft. Der Unterricht bot uns die Gelegenheit, uns ausgiebig unserer Liebe zu widmen, und die geheimen Schlupfwinkel, welche die Liebe sich wünschte, bot das Studium der Lektüre an. Sobald die Bücher aufgeschlagen waren, war alsbald mehr die Rede von der Liebe als von dem gelesenen Text. E s gab mehr Küsse als Lehrsätze. Die Hände fanden ihren Weg öfter zu den Brüsten als zu den Büchern. Die Liebe ließ öfter unsere Augen sich ineinander spiegeln als das Lesen sie auf den Text hinlenken konnte. U m weniger Verdacht zu erregen, gab es zuweilen Schläge, aus Liebe, nicht aus wütender Erregung, aus Zuneigung, nicht aus Zorn, damit sie köstlicher wären als alle Salben. Schließlich unterließen wir in unserer Gier keine Abstufung der Liebe, und wenn sich die Liebe etwas Ungewöhnliches
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Heloise ausdenken konnte, wurde auch das ausprobiert. Da wir diese Freuden bis dahin noch nicht erfahren hatten, kosteten wir sie umso glühender aus und wurden ihrer nicht überdrüssig. Je mehr mich diese Lust in Anspruch nahm, desto weniger Zeit hatte ich für die Philosophie und die Arbeit an den Vorlesungen. Es war mir überaus widerwärtig, zu den Vorlesungen zu gehen und die dabei verbrachte Zeit wurde mir zur Qual, da ich die Nachtstunden für die Liebe brauchte und den Tag für das Studium übrig behielt. Bei der Vorlesung wurde ich zunehmend nachlässig und lau, so daß ich schon nichts mehr aus neuer Eingebung, sondern alles nur noch aus Gewohnheit vortrug. So war ich nur noch ein Herunterleierer von früher Ausgedachtem. Wenn es mir glückte, noch einige Lieder zu dichten, so waren es Liebeslieder, keine philosophischen Geheimlehren. Von diesen Liedern sind die meisten, wie du selbst weißt, noch in vieler Menschen Munde, und sie werden landauf landab von denen gesungen, die in ihrem Leben ähnlich erfreuliche Erfahrungen machen.
Die realistische, auch literarisch bedeutende Schilderung eines Liebeslebens in wissenschaftlich-klerikalem Milieu, im Schatten einer der großen mittelalterlichen Kathedralen; mit ziemlicher Sicherheit nicht die Stilübung eines Rhetorik-Schülers. Bemerkenswert ist vor allem, daß die Beschreibung der Erlebnisse nicht transitorisch ist, vielmehr das Exzessive der Liebesspiele, bis hin zu sadistischen Zügen, in Erinnerung gerufen wird; dann die eher beiläufige, für uns jedoch kostbare Erwähnung der literarischen Früchte dieser Liebe: die Lieder - offenbar „Ohrwürmer", denen eine lange Lebensdauer beschieden war. Man sieht: Paris mußte nicht auf Eleonore von Aquitanien warten, um die Liebesdichtung zu erwecken. Abaelards Studenten waren weniger begeistert, denn die Liebestollheit des beliebten Meisters ging vor allem auf ihre Kosten. Das Verhältnis ist schließlich stadtbekannt. Ahnungslos ist allein der Kanonikus Fulbert, dessen Ehre am meisten betroffen ist. Aber schließlich kommt auch er dahinter. Die Liebenden müssen sich trennen. Bald darauf bemerkt Heloise, daß sie schwanger ist. Sie ist „außer sich vor Freude" und schreibt es sofort Abaelard. Die Liebenden beschließen, gemeinsam zu fliehen, und Abaelard bringt Heloise zu seiner Schwester Dionysia in seine bretonische Heimat.20 Dort kommt (1117) der Sohn Astrolabius (Astralabius) zur Welt. Fulbert wird durch den Verlust der geliebten Nichte fast wahnsinnig. Abaelard, der sich selber Vorwürfe macht, bietet ihm eine Einigung an: er will Heloise heiraten. Nur soll die Eheschließung geheim bleiben, da sonst sein guter Ruf beeinträchtigt würde. Fulbert ist einverstanden und bekräftigt die Aussöhnung, auch im Namen seiner Familie, mit Schwur und Friedenskuß. Aber es war, wie Abaelard schreibt, keine ehrlich gemeinte Übereinkunft; Fulbert hatte verräterische Absichten. Den Zusagen der Familie Fulberts vertrauend reist Abaelard in seine bretonische Heimat, um die Geliebte wieder nach Paris zu holen und sie dort zu heiraten. Heloise ihrerseits rät dringend von einer Eheschließung ab: Fulbert werde sich dadurch nicht versöhnen lassen; eine Ehe bedeute für sie beide eine Erniedrigung; es sei ein schwerer Verlust für die Kirche und die Wissen-
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schaft daraus zu erwarten. Heloise argumentiert mit Stellen aus der Heiligen Schrift und den Kirchenvätern gegen die Ehe, aber auch mit den Äußerungen antiker (heidnischer) Philosophen. Sie macht sich die platonisch-stoische und mönchische Argumentation zu eigen, nach der Frau und Familie Hindernisse für eine „philosophische" Existenz, Wissenschaft und E h e grundsätzlich unvereinbar sind. Eindrücklich hält sie Abaelard die Mißlichkeiten und B e schwernisse des Ehestandes vor Augen: 2 1 U m aber dieses Hindernis für das Studium der Philosophie jetzt beiseitezulassen, befrage selbst den Stand ehrbaren Lebenswandels. Wie passen denn Studenten und Hausmägde, Schreibzimmer und Wiegen, Bücher oder Schreibtafeln und Spinnrocken, Schreibzeug und Spindeln zusammen? Wer schließlich kann, wenn er mit theologischen oder philosophischen Gedankengängen beschäftigt ist, das Geplärr von Kindern, das Gesinge der Ammen, die sie zu beruhigen suchen, den umtriebigen Lärm des männlichen und weiblichen Hausgesindes aushalten? Wer ist imstande zu ertragen, wenn die Kleinen beständig die Windeln vollmachen? Du wirst zugeben, daß so etwas allenfalls die reichen Leute können, deren Paläste oder geräumigen Häuser genügend Zimmer haben. Für ihren Reichtum spielen Ausgaben keine Rolle, und er sorgt dafür, daß sie nicht von den Sorgen des Alltags geplagt werden. Aber die Lebenslage der Philosophen ist nicht die der Reichen, so wie umgekehrt diejenigen, die sich um die Mehrung ihres Vermögens kümmern und in die Sorgen dieser Welt verwickelt sind, keine Zeit haben für die Beschäftigung mit Theologie und Philosophie. Heloise hält Abaelard schließlich das beispielhafte Leben der antiken Philosophen und der jüdischen Nasiräer, als abschreckendes Beispiel dagegen die E h e des Sokrates mit Xanthippe vor. Sie unterstellt - fast höhnisch - dem Geliebten, er hänge an schändlichen Lüsten und obszönen Schweinereien. 22 Wenn aber Laien und Heiden so gelebt haben, die an kein Ordensgelübde gebunden waren, was ist dann deine Pflicht als Kleriker und Kanoniker, damit du nicht dem Gottesdienst schändliche Lüste vorziehst, damit dich diese Charybdis nicht verschlingt, wenn du dich kopfüber hineinstürzst, damit du nicht in diesen Schweinereien untertauchst, ohne Scham und unwiderstehlich? Wenn dir am Klerikerstand nichts liegt, dann halte wenigstens die Würde des Philosophen hoch! Wenn schon die Ehrfurcht vor Gott mit Füßen getreten wird, dann sollte doch wenigstens das Gefühl für Ehrbarkeit die Schamlosigkeit zügeln! A u f dieses temperamentvolle Plädoyer für ein keusches, ehrbares Klerikerund Philosophenleben und gegen ein sexuell zügelloses Eheleben folgt aber nun merkwürdigerweise alsbald eine Verteidigung der „freien Liebe": Schließlich sagte sie noch, wie gefährlich es für mich sei, sie [nach Paris] zurückzubringen, und wieviel lieber es ihr sei und für mich ehrenvoller, wenn man sie meine Geliebte nenne anstatt meine Ehefrau. Auf diese Weise würde mich allein die Zuneigung für sie bewahren und nicht die Gewalt der ehelichen Fessel. Auch würden wir, wenn wir zeitweilig getrennt leben müßten, die Freuden über unsere Zusammenkunft zwar seltener, dafür aber umso angenehmer auskosten.
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Zwischen beiden Argumentationsreihen besteht nur ein logischer, kein vitaler, existentieller Gegensatz: Auf der einen Seite möchte Heloise, daß der Geliebte seinen Status als angesehener geistlicher Professor bewahrt. Zugleich möchte sie auf die heimlichen Zusammenkünfte mit ihm nicht verzichten. Sie verrät aber hier schon, daß sie sich im klaren darüber war, was Abaelard vor allem an sie band: nämlich das sexuelle Element. Die physische Seite des Liebesspiels hat zwar auch für Heloise eine große Bedeutung, aber sie sieht doch in ihrer Liebe etwas Höheres als in derjenigen Abaelards, wie wir noch sehen werden. Was die Entscheidung für die nähere Zukunft betrifft, setzt Abaelard sich durch: Er bringt Heloise nach Paris, wo einige Tage nach der Ankunft in der Morgendämmerung die heimliche, aber rechtlich korrekte Trauung der beiden stattfindet. Von dem heutigen katholischen Eherecht her ist man geneigt zu fragen, wie das möglich war. Mit Sicherheit gehörte Abaelard dem Klerikerstand an; außerdem war er Domherr der Kathedrale von Sens.23 Ob er damals schon Priester war, ist nicht sicher. (Er empfing die Priesterweihe spätestens, als er zum Abt von Saint-Gildas de Rhuys gewählt wurde). Aber weder der Empfang der Klerikertonsur noch derjenige der Subdiakonats- oder Priesterweihe Schloß damals eine gültige Trauung aus. Die kirchlichen Autoritäten führten zwar seit der sogenannten Gregorianischen Reform des 11. Jahrhunderts auf zahlreichen Synoden den Kampf gegen die „beweibten Priester" (Nikolaiten), aber die Einhaltung des Zölibats hatte sich auch hundert Jahre später keineswegs durchgesetzt.24 Die Ehe Heloises und Abaelards war durch Klerikat und Priestertum Abaelards nicht ungültig, und sie wurde niemals annulliert, auch nicht, als Abaelard Mönch und Abt wurde. Nach ihrer formellen Eheschließung sahen sich die beiden Liebenden nur noch selten. Dem Domherrn Fulbert war jedoch die Geheimhaltung der Ehe seiner Nichte, die er Abaelard zugesichert hatte, auf Dauer nicht recht. Er sorgte dafür, daß die Sache allgemein bekanntgemacht wurde. Heloise ihrerseits bestritt unter Eid ihre Verheiratung mit Abaelard, wofür sie von ihrem Onkel Prügel bezog. Darauf brachte Abaelard sie in das Kloster Argenteuil, wo sie als Laienschwester Aufnahme fand. Fulbert und seine Familie sahen darin den Versuch, Heloise abzuschieben. Sie beschließen, für die ihnen zugefügte Schmach grausame Rache zu nehmen. Sie dingen ein paar Verbrecher und bestechen einen Diener Abaelards. „Eines Nachts, während ich im Schlafgemach meiner Wohnung in tiefem Schlaf lag, nahmen sie an mir auf grausame und beschämende Weise Rache, von der alle Welt mit höchster Verwunderung Kenntnis nahm: sie schnitten mir von meinem Leib die Teile ab, mit denen ich sie beleidigt hatte."25 Obwohl sein Diener und einer der Spießgesellen kurz darauf erwischt und ihrerseits kastriert und geblendet wurden, empfand Abaelard seine Kastration als unerhörte Schande. Galten doch auch nach dem Wortlaut des göttlichen Gesetzes Eunuchen als ein Greuel, und sie waren zum Kult nicht zugelassen (Lev 22,24; Deut 23,1). In seiner Niedergeschlagenheit, nickt aus innerer Berufung, wie er selbst
sagt, sucht Abaelard Zuflucht hinter Klostermauern: er tritt in die königliche
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Abtei Saint-Denis ein. Auch Heloise läßt sich in Argenteuil als Nonne einkleiden und legt das Gelübde ab. Wie Abaelard berichtet, waren die bewegenden Klageworte, die Cornelia bei Lucan (Pharsalia 8,94-98) an ihren Gatten Pompeius richtet, Heloises Abschiedsgruß an die Welt: O herrlicher Gatte, Besseren Ehebetts würdig! Wie konnte das Schicksal Recht gewinnen über ein solches Haupt? Wie könnt ich Wagen nur, dir Unglück zu bringen? Doch nimm nun die Buße; Willig bring ich sie dar. Dies ist zwar „nur" ein Zitat aus einem antiken Epos. Doch die Erwähnung des Schicksals (fortuna) durch Heloise an dieser entscheidenden Wende ihres Lebens hat mehr als nur rhetorischen Charakter. Das Studium der „heidnischen" Schriftsteller hatte bei Heloise nicht nur formal-stilistische Bedeutung. Vielmehr ist der antike Schicksalsglaube Bestandteil ihres religiösen Weltbildes geworden. Nach seiner schimpflichen Verstümmelung, durch die auch sein Außeres gravierend verändert wurde,26 dachte Abaelard daran, sich über den Bischof Gilbert von Paris und das Domkapitel von Notre-Dame in Rom zu beschweren, weil er mit der Bestrafung Fulberts, des eigentlich Schuldigen an seiner Entmannung, nicht zufrieden war. In seiner Historia calamitatum übergeht Abaelard diesen Plan mit Schweigen. Daß er aber tatsächlich vorhatte, seine Beschwerde in Rom persönlich vorzutragen, geht aus einem Brief des mit ihm befreundeten Priors Fulco von Deuil hervor. Fulco riet ihm dringend von einem solchen Schritt ab: Sein Vermögen würde nicht ausreichen, die Habgier der päpstlichen Kurie zu befriedigen; Bischof und Kapitel von Paris würden seine und seines Klosters Todfeinde.27
Logik der Liebe Auf das weitere Schicksal Abaelards, das er in der Historia calamitatum mit bewegten Worten schildert, wollen wir hier nicht näher eingehen: wie ihm erneut große Scharen von Studenten zuströmen; wie auf Betreiben seiner alten Gegner Alberich von Reims und Lotulf von Novara auf dem Konzil von Soissons (1121) seine Lehre verurteilt und er eigenhändig sein Werk über die Trinität verbrennen mußte; wie er wegen Bestreitung der Echtheit der Reliquien des heiligen Dionysius mit seinem Abt Adam (f 19. Januar 1123) und dem Konvent von Saint-Denis in Streit geriet. Er konnte schließlich in dem sumpfigen Tal des Flüßchens Arduzon bei Nogent-sur-Seine ein Gelände erwerben, wo er aus Schilf und Lehm ein der heiligen Trinität geweihtes Oratorium errichtete;28 später nannte er das dort entstandene Kloster „Paracletum" (Le Paraclet). Auch hier stellte sich wieder ein gewaltiger Zulauf von
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Scholaren ein, die um das Heiligtum herum ihre Hütten erbauten und ihren Lehrer kräftig unterstützten. Später wurden aus Holz und Stein feste Klostergebäude errichtet. Im Jahre 1129 vertrieb der (im März 1122 zum Nachfolger Adams gewählte) Abt Suger von Saint-Denis die Nonnen von Argenteuil. Wie er selbst in seinem Tätigkeitsbericht und in der Lebensbeschreibung König Ludwigs VI. schreibt, hatte er im Archiv seines Klosters Urkunden entdeckt, aus denen der Besitzanspruch von Saint-Denis auf das Kloster von Argenteuil hervorging. Einen willkommenen Vorwand, den Konvent, dem mittlerweile Heloise als Priorin vorstand, aufzulösen, bot auch der skandalöse Lebenswandel der Nonnen.29 Der Verdacht liegt nahe, daß Suger mit dieser Maßnahme vor allem Abaelard treffen wollte, der inzwischen zum Abt von Saint-Gildas de Rhuys an der bretonischen Küste gewählt worden war. Was indes die Bemerkungen über die Zügellosigkeit der Nonnen von Argenteuil betrifft, so scheinen sie nicht ganz aus der Luft gegriffen. Abaelard selbst erinnert später Heloise daran, wie er sich einmal bei einem Besuch in Argenteuil in einer Ekke des Refektoriums mit ihr gepaart hatte.30 Andererseits werden die korrupten Zustände des Frauenklosters das damals übliche Maß nicht so sehr überschritten haben - auch die königliche Abtei Saint-Denis war nicht eben ein Hort klösterlicher Zucht! - denn der Papst Honorius II. (1124-1130) zeigt sich in einem Schreiben an Suger (Lateran, 23. April 1129) um die Zukunft der aus Argenteuil vertriebenen Nonnen besorgt, und er legt dem Abt zweimal ans Herz, für eine angemessene Unterbringung derselben Sorge zu tragen.31 Im Einverständnis mit dem Bischof Hato von Troyes (und wohl auch mit Suger) schenkt Abaelard Heloise das Kloster Le Paraclet. Ein Teil der Nonnen von Argenteuil folgt ihr dorthin. 1131 bestätigt der neue Papst Innocenz II. die Stiftung.32 Hauptsächlich aufgrund der Beliebtheit Heloises erhält das Kloster innerhalb kurzer Zeit reiche Schenkungen. In die darauf folgenden Jahre (1133-1135) ist der Briefwechsel zwischen Heloise und Abaelard zu datieren. Wie wir gesehen haben, war es eine Zeitlang wissenschaftliche Mode, dessen Echtheit und den in den Dokumenten selbst angegebenen historischen Hintergrund in Zweifel zu ziehen. Anlaß des Briefwechsels war die Tatsache, daß der von Abaelard an einen Freund gerichtete Trostbrief, das heißt, die Historia calamitatum, durch Zufall in die Hände Heloises geriet. So wenigsten stellt sie selbst es am Beginn ihres ersten Briefes dar.33 Dem entspricht der Anfang der Leidensgeschichte, wo Abaelard, damals noch Abt von Saint-Gildas, dem namentlich nicht genannten Freund den Zweck seines Schreibens mitteilt: in einer schwierigen Lebenssituation will er ihn, dem er vorher schon mündlich Trost gespendet hatte, durch die schriftlich festgehaltene Erzählung seiner eigenen, viel schlimmeren Leiden aufrichten.34 Handelt es sich hier bereits um eine literarische Fiktion? Nach einer in der Forschung gelegentlich geäußerten Meinung hätte Abaelards Leidensgeschichte in Wirklichkeit „öffentlichen" Charakter gehabt: er
habe damit seine Rückkehr nach Paris vorbereiten wollen.35 Damit wäre dann
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auch das Verschweigen des Namens des Adressaten sowohl bei Abaelard wie bei Heloise erklärt: es gab überhaupt keinen solchen Empfänger. Nehmen wir aber einmal an, daß es sich bei dem Adressaten tatsächlich um eine reale Person handelt. Dann gab es vielleicht Gründe, seinen Namen nicht zu erwähnen, zum Beispiel Rücksichtnahme auf einen Menschen in diffiziler politischer Situation, um ihn nicht zu kompromittieren. Dieser Mensch müßte Abaelard nahegestanden haben, mit ihm befreundet gewesen sein. Beides trifft auf Étienne de Garlande zu, der seit 1106 Kanzler Ludwigs VI. und von 1120 bis 1127 auch Seneschall (Dapifer, Truchsess) des Königreichs war; er hatte neben der Würde eines Erzdiakons von Paris noch zahlreiche weitere kirchliche Pfründen inne." Abaelard erwähnt ihn als Vermittler in seinem Streit mit Abt Suger und dem Konvent von Saint-Denis; Étienne hatte sich damals für eine Lösung im Sinne Abaelards eingesetzt: Suger gab Abaelard die Erlaubnis, die ihm sein Vorgänger Adam verweigert hatte, nämlich sich in ein Eremitorium seiner Wahl zurückzuziehen.37 Auch er [Suger] war zunächst nicht damit einverstanden. Dann aber richtete ich in dieser Angelegenheit mit Unterstützung einiger meiner Freunde [!] ein Gesuch an den König und seinen Rat und erreichte so, was ich wollte: Nämlich Stephan, der damals [!] Seneschall des Königs war, rief den Abt und seine Vertrauten beiseite und fragte sie, warum sie mich gegen meinen Willen zurückhalten wollten, wodurch sie doch leicht in schlechten Ruf geraten könnten und keinerlei Nutzen hätten, da mein Leben und das ihre in gar keiner Weise in Ubereinstimmung gebracht werden könnten.
Étienne, der sich hier als Freund Abaelards erwies, wurde von Bernhard von Clairvaux in einem an Suger gerichteten Brief in abgründiger Weise schlechtgemacht.38 Bernhard ging es dabei nach seinen eigenen Worten um die monströse Existenz des Kanzlers, der Unvereinbares in seiner Person zusammenbrachte, indem er zugleich Diakon und Weltmann, Kleriker und Ritter sein wollte, und so, im Widerspruch zum Evangelium, Gott und dem Mammon zugleich diente. In Wirklichkeit ging es dem Abt von Clairvaux um die Entmachtung eines politischen Gegners, der seinen eigenen „geistlichen" Ambitionen im Wege stand. Dafür suchte er den ihm bis dahin keineswegs freundlich gesinnten Suger als Bundesgenossen zu gewinnen, indem er ihn im ersten Teil seines Briefes wegen der Änderung seines Lebenswandels und der gelungenen Reform von Saint-Denis mit (heuchlerischen) Lobsprüchen überhäuft. Étienne de Garlande fiel denn auch 1127 beim König in Ungnade und ging seiner politischen Amter verlustig. Zwar wurde er vier Jahre später in die Würde des Kanzlers wiedereingesetzt; aber seine politische Machtstellung war inzwischen an Suger übergegangen. Wenn Étienne der Adressat von Abaelards Trostbrief ist, dann wäre seine Nichterwähnung an dessen Beginn durch sein politisches Schicksal hinreichend erklärt. Natürlich kannte er auch Heloise, und es ist keine abwegige
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Vermutung, daß er es war, der ihr Abaelards Autograph durch einen quidam zusandte, allein schon, um es vor unbefugtem Zugriff zu bewahren. Nachdem Heloise die Leidensgeschichte gelesen hat, schreibt sie an Abaelard:39 Domino suo, immo patri, coniugi suo, immo fratri, anelila sua, immo filia, ipsius uxor, immo soror, Abaelardo Heloissa. An ihren Herrn, vielmehr ihren Vater, an ihren Gatten, vielmehr ihren Bruder, seine Dienerin, vielmehr seine Tochter, seine Gattin, vielmehr seine Schwester, an Abaelard, Heloise.
Man muß diese Anschrift nüchtern und genau lesen. Dann stellt man fest, daß sie, schlaglichtartig, wie eine Abbreviatur, die präzise Beschreibung der Liebesbeziehung Heloises zu Abaelard aus der Perspektive Heloises enthält. Das Wort im(m)o gibt im Lateinischen die Korrektur des zuvor Gesagten an; es heißt entweder: „ja eher noch" oder: „nein vielmehr". Beide Partikel sagen letztlich dasselbe. Die Aussage des ersten Glieds soll damit gewissermaßen überboten, jedoch keineswegs negiert oder aufgehoben werden: Heloise bleibt Abaelards Gemahlin, auch wenn sie beide jetzt, als geistliche Personen, Bruder und Schwester geworden sind. Die Anschrift ist in der mittelalterlichen Briefliteratur einzigartig, so etwas wie ein Solitär. Wie ist dieses bewußte Beiseitelassen üblicher Topik einleuchtender zu erklären: im Rahmen einer Fiktions-Hypothese oder als „verdichtete" Aussage einer wirklich existierenden liebenden Frau ? Zu Beginn ihres Briefes rekapituliert Heloise kurz die wichtigsten Stationen von Abaelards Leidensgeschichte.40 Schon in diesen ersten Sätzen wird deutlich, daß sie, anders als Abaelard, der in seinen Geschicken Gottes strafende und gnädige Hand erkennt, auf jede theologische Sinngebung verzichtet. Sie beklagt sich dann über die lange Vernachlässigung und bittet ihn, ihr und ihren Schwestern in Zukunft häufige und zuverlässige Nachrichten über sich zukommen zu lassen. Sie spricht von einem Schuldanspruch (debitum) der Schwestern auf die geistliche Fürsorge Abaelards, der sich auf die Tatsache gründet, daß Abaelard der Erbauer des Klosters Le Paraclet und der Stifter der Schwesterngemeinschaft ist. Eine viel größere Bedeutung hat aber für Heloise das Schuldnerverhältnis, das Abaelard ihrer Meinung nach zu ihr persönlich hat.41 Sie leitet diese Verpflichtung zunächst von dem Sakrament der Ehe ab, geht aber dann ganz unvermittelt auf ihre maßlose Liebe zu ihm über:42 Du weißt, daß Du mir mit einer viel größeren Schuld verpflichtet bist, da es ja feststeht, daß Du weiterhin durch das Band des Ehesakraments gebunden bist.
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Und noch viel mehr bist Du mir verpflichtet, weil ich Dich stets, wie alle Welt weiß, mit maßloser Liebe umfangen habe. Du weiß es, Liebster, alle Welt weiß es, wieviel ich in Dir verloren habe und durch welch unheilvollen Schicksalsschlag ein abgrundtiefer und allgemein bekannter Verrat mich Dir und mir selbst entrissen hat. Du weißt auch, daß der Schmerz über die Art des Verlustes größer ist als der Schaden selbst. Das ist nun etwas ganz Neues: daß eine Frau unter Berufung auf ihre jedes Maß überschreitende Liebe die verlorengegangene Nähe des Geliebten gewissermaßen einklagt. Und es geschieht unter Berufung auf die Tatsache, daß die Beständigkeit (semper!) dieser Liebe allgemein bekannt ist (ut omnibus patet). Die Öffentlichkeit wurde Zeuge dieser Liebe, nicht zuletzt durch die von Abaelard gedichteten und komponierten Liebeslieder, die in aller Munde waren. 43 Zwei Gaben hattest Du vor allem, wie ich zugeben muß, durch die Du die Herzen aller Frauen sofort an Dich ziehen konntest: nämlich die Begabung zum Dichten und zum Singen. Bekanntlich haben die anderen Philosophen das niemals erreicht. Du hast damit gewissermaßen spielerisch Erholung von der Denkarbeit des Philosophen gefunden und hast eine Menge wohlgesetzter, kunstvoller Liebeslieder hinterlassen. Sie erfreuten sich wegen des süßen Wohlklangs ihrer Worte und ihrer Melodie einer großen Beliebtheit und bewirkten, daß Dein Name beständig in aller Munde war; sogar den Ungebildeten prägte er sich aufgrund der anmutigen Melodien ein. Das war vor allem der Grund für die verliebten Seufzer der Frauen nach Dir. Und weil die meisten von diesen Liedern die Freuden unserer Liebe besangen, machten sie mich binnen kurzem in vielen Gegenden bekannt und entzündeten den Neid vieler Frauen auf mich. Die Ehe, die Heloise ohnehin nie gewollt hat, verblaßt gegenüber dieser maßlosen, auch in der Öffentlichkeit gefeierten Liebe. Inwieweit sich Heloise bezüglich dieser Anerkennung ihrer Liebe Illusionen gemacht hat, wissen wir natürlich nicht. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß man sowohl in dem intellektuellen wie in dem populären Pariser Milieu der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts auf die kirchliche Ehemoral im buchstäblichen Sinne „gesungen" und „gepfiffen" hat. Nach Darstellung Heloises ist in der Öffentlichkeit die Meinung verbreitet, daß es bei Abaelard eher Begierde als Gefühle freundschaftlicher Zuneigung, sexuelle Lust eher als Liebe war, die ihn an Heloise band. Beweis dafür ist, daß mit dem Erlöschen der Sexualität bei ihm das Interesse an einer Verbindung mit der Geliebten überhaupt entschwand. Wer sind die „omnes", die hier ihrer „publica coniectura" Ausdruck geben? Heloises Mitschwestern oder weitere Kreise, die sich immer noch für die Liebesbeziehung des einstmals berühmten Paares interessieren? Und woher hat Heloise Kenntnis von deren Vermutungen? Man wird wohl annehmen dürfen, daß es sich hier um eine rhetorische Argumentation handelt, in der Heloise (in ihrer Phantasie) die zur Zeit des Liebesverhältnisses herrschende Anteilnahme der Pariser Öffentlichkeit Wiederaufleben läßt.
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Mehrfach erinnert sie Abaelard daran, daß sie nicht freiwillig, sondern gegen ihren Willen, allein auf seinen Wunsch, ins Kloster eingetreten ist. Ihr Herz gehörte ja dem Geliebten in einem Maße, daß sie auf seinen Wunsch auch mit ihm in die Hölle (sie gebraucht dafür den antiken Ausdruck: Vulcaniti loca) gegangen oder ihm dorthin vorausgeeilt wäre.44 Denn mein Herz war nicht bei mir, sondern es war bei Dir. Aber auch jetzt noch ist es nirgends, wenn es nicht bei Dir ist. Ohne Dich jedoch kann es in gar keiner Weise existieren. Ich bitte Dich: Laß es bei Dir gut aufgehoben sein. Das wird der Fall sein, wenn es bei Dir Zuneigung findet, wenn Du Sympathie für Sympathie zu geben bereit bist, etwas ganz Geringes für Großes, Worte für Sachen. Könnte sich doch Deine Liebe weniger auf mich verlassen, Geliebter! Sie wäre dann besorgter. Aber jetzt, da ich Dich sehr sicher gemacht habe, muß ich Deine Nachlässigkeit ertragen. Bedenke doch, bitte, was ich getan habe, und beachte, was Du mir schuldest! Als ich mit Dir die körperliche Lust genoß, da mochten viele sich fragen, ob ich das aus Liebe oder Begierde tat. Jetzt aber bezeugt das Ende, welcher Art der Anfang meiner Liebe war. Schließlich habe ich mir alle Lüste untersagt, um Deinem Willen zu gehorchen. Nichts habe ich für mich aufbewahrt, als gerade jetzt die Deine zu werden. Die Beschreibung ihres Seelenzustandes, die Heloise hier gibt, ist die wohl dichteste Stelle des Briefes. Die präzise Diktion des lateinischen Textes ist im Deutschen nur schwer wiederzugeben, wie die sich in umständlichen Phrasen ergehende Verlegenheit der Ubersetzer beweist. In den ersten Sätzen spricht Heloise von ihrem animus, was wir mit „Herz" übersetzt haben. Gemeint ist ihr Inneres, das, was ihr eigentliches Leben ausmacht, ihr geistiges Wesen. Es hat ohne den Geliebten keinen Bestand. Deshalb ihre verzweifelte Bitte um Zuneigung, Sympathie (gratia pro gratia). Die Anspielung an J o h 1,16 ist deutlich, und einer, der mit der Milch der frommen Denkungsart aufgezogen wurde, könnte sie für lästerlich halten. Es geht Heloise aber nicht nur um Zuneigung, sondern ihre geistige Existenz bei dem Geliebten soll ein bene esse sein. Die Worte, die sie vonseiten Abaelards als Versicherung dieses Wohlseins erwartet, wären nur etwas ganz Geringes im Vergleich zu dem, was sie aus Liebe preisgegeben hat. Man könnte, vor allem aus der Perspektive moderner emanzipatorischer Vorstellungen, annehmen, daß sich eine Frau hier sehr klein macht, sich unter ihren Wert erniedrigt, und das einem alten Eunuchen gegenüber, der zu einem starken Gefühl gegenüber Frauen nicht mehr fähig ist. Aber auch ein mittelalterlicher, klerikal und theologisch gebildeter, Leser geriet beim Lesen dieser Stelle gewiß in Verlegenheit, wenn er etwa von der „Philosophin" Heloise eine rationale Argumentation erwartete. Statt dessen zieht sich hier eine liebende Frau vollständig nackt aus - man muß es wohl so deutlich sagen, um diesem singulären Text gerecht zu werden. Diese vollständige und anarchische Preisgabe des Innersten, die zugleich den schreiende W i d e r s p r u c h z u r äußeren, regulierten Existenz der amtierenden und betenden Äbtissin offen-
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bart, entspricht einer Logik der Liebe, die viele Menschen späterer Generationen verstanden oder mitgefühlt haben. Deshalb ist Heloise berühmt geworden. Den Brief, der mit den Worten: „Vale, unice" (Bleib gesund, Einziger) endet, hat Abaelard nicht verstanden, oder er konnte ihn nicht verstehen. Schon den Klostereintritt (nostram a seculo ad Deum conversionem) wertet er ganz anders als Heloise: nämlich so, als ob es sich um einen gemeinsamen Entschluß gehandelt hätte, der Welt den Rücken zu kehren.45 Die Tröstungen, die er zu bieten hat, sind rein religiöser Natur. Er antwortet so, als ob Heloise ihn um Rat in Problemen der Theologie und des klösterlichen Lebens gebeten hätte, und indem er sie an ihre Begabungen erinnert, weist er sie auf ihre Rolle als geistliche Führerin ihrer Mitschwestern hin. Seine kunstvollen Schlußverse mahnen Heloise und die Nonnen von Le Paraclet zum Leben in Christus: Vive, vale, vivantque tuae valeantque sorores. Vivite, sed Christo, quaeso, mei memores. Lebe, bleibe gesund, und ebenso Deine Schwestern! Lebet, doch bitte für Christus! Meiner gedenkt im Gebet! In ihrem Antwortbrief (es ist der vierte Brief der Sammlung)46 scheint Heloise Abaelard entgegenzukommen. Ihre Anschrift verbindet ihr Sein in dem Geliebten mit dem Leben in Christus; sie lautet: Unico suo post Christum unica sua in Christo. Ihrem Einzigen nach Christus seine einzige in Christus. Heloise beklagt, daß Abaelards Brief ihr und ihren Mitschwestern keinen Trost gebracht habe. Die Befürchtung, daß seine Feinde (gemeint sind die Mönche von Saint-Gildas) ihn eines Tages umbringen könnten, hat sie tief erschreckt. Sie möchte ihn auf keinen Fall überleben, sondern ihm im Tod vorausgehen. Ihr eigenes Leben und das ihrer Schwestern Leben wird sinnlos, wenn Abaelard nicht mehr unter den Lebenden ist, denn er hat sie dem Klosterleben geweiht. Wenn ein unabwendbares, trauriges Geschick bevorsteht, möchte sie, daß es plötzlich kommt und nicht vorher noch lange Qualen bereitet. Sie führt dafür Lucans Gebet zu Jupiter an: Plötzlich komme, was immer du planst. Laß blind für zukünftig Schicksal der Menschen Geist sein. Doch hoffen mag er noch angstvoll. Verliert sie aber ihn, dann hat sie selbst auch nichts mehr zu hoffen.47 Es folgt eine bewegte, heftige Klage über ihrer beider grausames Schicksal (infortunata fortuna), in der ein antikes Lebensgefühl seinen Ausdruck findet:
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sie sieht ihren Lebenslauf nicht durch die Vorsehung Gottes bestimmt, sondern durch ein irrationales Geschick. 48 Gott, der strenge Richter, sah ruhig die Freuden ihrer verbotenen Liebe, ihre Hurerei, mit an. Als sie aber in legitimer Ehe verbunden waren, fiel Gottes Zorn schwer auf sie hernieder. Besonders schwer lastet auf Heloise, daß sie selbst letztlich die Ursache für Abaelards Entmannung war. Vielleicht ist das ja die Strafe für die verbotene Lust, die sie vorher genossen hat. Aber sie kann keine Reue darüber empfinden, zumal sie weiterhin den Willen zur Sünde hat und sich nach den mit dem Geliebten genossenen Freuden zurücksehnt.49 Jene Liebesfreuden, die wir miteinander genossen haben, waren mir so angenehm, daß sie mir nicht mißfallen und auch kaum aus meinem Gedächtnis entschwinden konnten. Wohin ich auch gehe, sie drängen sich beständig vor meine Augen samt ihren Lüsten. Selbst wenn ich schlafe, bin ich vor ihren Halluzinationen nicht sicher. Sogar während der Meßfeier, wo das Gebet besonders rein sein sollte, nehmen mich die unzüchtigen Vorstellungen von diesen Lüsten in der Weise in Besitz, daß ich bei diesen Schändlichkeiten mehr Zeit zubringe als im Gebet. Ich sollte die Schändlichkeiten beklagen, die ich begangen habe; aber ich sehne mich nach ihnen, weil ich sie verloren habe. Und nicht allein, was wir getan, sondern auch die Orte und Zeiten, an denen wir es getan haben, haben sich mir zusammen mit Dir so eingeprägt, daß ich alles mit Dir aufs neue tue. Selbst im Schlaf habe ich keine Ruhe davor. Zuweilen verraten sich meine Gedanken durch Bewegungen meines Körpers und sogar durch unbedachte Worte.
Mit dem Apostel sehnt sie die Erlösung von ihrem Todesleib herbei, hat aber, im Unterschied zu Paulus, keine Hoffnung auf die Gnade Gottes in Jesus Christus (Rom 7,24f.). Dem Geliebten ist dagegen die göttliche Gnade entgegengekommen: Indem sie ihn durch eine einzige Wunde von den sexuellen Reizungen befreite, hat sie ihn auch von vielen seelischen Beschwerden geheilt. So hat sich Gott ihm gegenüber als zuverlässiger Arzt erwiesen. Heloise aber fühlt sich bei ihrem jugendlichen Temperament (sie war damals etwa fünfunddreißig Jahre alt) und der Schwachheit ihrer Natur dem Ansturm der Sinnlichkeit nicht gewachsen. Das ist im wesentlichen ihr Schuldbekenntnis gegenüber Abaelard, das nach ihrem eigenen Urteil nicht echt ist, weil ihm die Reue fehlt. Weiterhin will sie ihm in jeder Hinsicht gefallen; aber bei dem Zustand ihrer Seele muß er sich Sorgen um sie machen.50 Hab', bitte, lieber beständig Angst um mich, als daß Du mir vertraust, damit ich so immer durch Deine Sorge Hilfe erfahre!
In seiner Antwort 51 geht Abaelard auf Heloises Brief nach Art eines scholastischen Traktats ein. Der Ton ist völlig gefühllos. Für die verzweifelte seelische Lage der Geliebten scheint ihm jedes Verständnis zu fehlen. Mehrfach betont er, daß er in seinem eigenen Unglück, dem Verlust des Organs seiner Sinnlichkeit, und ihrem gemeinsamen Geschick rückblickend die überaus gerechte und gütige Fügung Gottes sieht. Von Heloises „alten und beständigen
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Klagen ... über die Art ihrer Bekehrung" will er überhaupt nichts mehr hören: ihre Bitterkeit ist für sie selbst gefährlich und ihm ist sie lästig. Er greift sogar, auf der Basis ihrer Liebe zu ihm, zu einer Art von spiritueller Erpres52 sung: Wenn D u dich bemühst, mir in allen Dingen zu gefallen, wie D u beteuerst, dann lege diese Bitterkeit ab, damit D u mich wenigstens in diesem einen Punkt nicht mehr peinigst, mir vielmehr in höchstem Maße gefällst. Mit diesem Seelenzustand kannst D u mir nicht gefallen und auch mit mir nicht zur Seligkeit gelangen. D u wirst es ertragen müssen, daß ich mich ohne Dich dorthin auf den Weg mache, dem D u doch angeblich sogar in die Hölle folgen willst. Bemühe Dich doch wenigstens in diesem einen Punkt u m ein gottgefälliges Leben (religionem), damit D u nicht von mir getrennt wirst, wenn ich Deiner Meinung nach zu Gott eile.
Heloise hat die geistliche Lektion des Geliebten verstanden, aber nicht verinnerlicht. Ihr Antwortbrief53 ist ein Dokument der Resignation. Da sie jedoch den Geliebten nicht verlieren möchte, will sie ihm nicht mehr mit Klagen über ihre seelischen Nöte auf die Nerven gehen. Der Brief trägt die wunderbare Anschrift: Suo 54 specialiter Sua singulariter: An den, der in besonderer Weise der Ihre ist, Die, die auf einzigartige Weise die Seine ist.
Sie ist von nun an bereit, Abaelard mit ihrer schreibenden Hand, in ihren Briefen, zu gehorchen, wozu sie bei einer persönlichen Begegnung mit ihrer Zunge nicht imstande wäre. Wäre doch auch das Herz der Schmerzerfüllten so bereit zum Gehorsam wie die Hand der Schreiberin! Immerhin bist D u imstande, ein weniges zur Linderung meines Schmerzes beizutragen, wenn D u ihn auch nicht vollständig wegnehmen kannst.
Die Äbtissin Alle weiteren Fragen beziehen sich dann auf Einzelheiten des Klosterlebens der Frauengemeinschaft und der Benediktsregel. Das heißt: Heloise verhält sich so, wie man es von einer Äbtissin erwartet. Sie spricht, auch Abaelard gegenüber, nicht mehr von ihrer Doppelexistenz, die sie in ihrem zweiten Brief als Heuchelei (hypocrisis) bezeichnet hatte.55 Aus der Geliebten wird die Philosophin und Theologin, die fortan in ihren schriftlichen Äußerungen vorwiegend intellektuelle Probleme erörtert. Hauptgegenstand des erwähnten dritten und letzten Briefes Heloises (des sechsten der Sammlung) ist die
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Bitte um eine eigene Regel für die Frauengemeinschaft von Le Paraclet. Denn die für Mönche bestimmte Regula Benedirti erweist sich ihrer Ansicht nach in vielen konkreten Punkten als für Frauen ungeeignet. Insbesondere will sie in der von Abaelard zu verfassenden Regel rein gesetzliche Bestimmungen und zu große Härten vermieden wissen. So soll den Schwestern der Weinund Fleischgenuß erlaubt werden. Wie insbesondere Heloises Problemata beweisen,56 ging der intellektuelle Dialog zwischen Heloise und Abaelard weiter. Die beiden haben sich bis zum Konzil von Sens (Anfang Juni 1140), auf dem der Konflikt zwischen Abaelard und Bernhard von Clairvaux eskalierte, wohl noch gelegentlich gesehen. Dabei brachte Heloise noch o f t ihr eigentliches Problem zur Sprache, über das zu schreiben sie sich auf Wunsch Abaelards versagt hatte: das ihres Gefühlslebens und ihrer aussichtslosen Liebe. Abaelard hat es in seinem Mahngedicht an den gemeinsamen Sohn Astrolabius in die Form von elegischen Distichen gebracht:57 Sunt quos oblectant adeo peccata peracta, Ut nunquam vere poeniteant super his ... Est nostrae super hoc Eloysae crebra querela, Quae mihi, quae secum dicere saepe solet: „Si, nisi poeniteat me comisisse priora, Salvari nequeam, spes mihi nulla foret. Dulcía sunt adeo commissi gaudia nostri, Ut memorata iuvent, quae placuere nimis." Mancher erlebt noch die Sünden von einst in seligem Nachklang, Daß ihm nimmer und nie Reue von Herzen erwächst... Öfters beklagt Heloisa, die uns so teuer, den Zwiespalt; Oftmals spricht er zu mir, spricht zu ihr selber ihr Mund: „Winkte Errettung mir nur, wenn frühere Sünden mich reuten, Dann versänke für mich Hoffen auf Rettung ins Nichts. Süß sind noch immer die Freuden unsrer gemeinsamen Sünde, Daß mich die Tiefe der Lust noch im Erinnern umfängt."
Nicht nur aus diesem Text, der sich dadurch verdächtig machen könnte, daß er von Abaelard stammt, sondern aus Heloises eigenem Geständnis ergibt sich klar, daß ihre Liebe stark sexuell geprägt war. Das schließt nicht aus, daß sie in höchstem Maße selbstlos war, das heißt: daß sie nur das Wohl des Geliebten, einschließlich dessen sexueller Befriedigung suchte.58 ÉTIENNE G l L S O N hat diese Haltung als „Moral der ,reinen Liebe'" bezeichnet und die Quelle dafür in Ciceros Schrift De amicitia zu finden geglaubt. 5 ' Aber man darf nicht übersehen, daß Heloises Liebe nicht in der Weise selbstlos ist, daß sie nicht nach dem Besitz des Geliebten gestrebt hätte, und zwar solange dieser lebte. Das Denkwürdige und Eigenartige von Heloises Liebe besteht nicht in irgend einem selbstlosen, geistigen, philosophischen Ideal, sondern darin, daß hier eine Frau des Mittelalters zur Totalität ihrer Liebe, mit allen ihren Elementen, geistigen wie sinnlichen, in präzisen und treffenden Worten bekennt;
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ferner, daß sie sich bewußt ist, daß diese Liebe nicht nur im Widerspruch zu dem steht, was sich für eine Ordensfrau und Äbtissin gehört, sondern überhaupt nichts „Christliches" an sich hat, vielmehr nach den Maßstäben traditioneller christlicher Ethik geradewegs zur Verdammnis führen muß. GlLSON hat insofern recht, wenn er feststellt, Heloise habe „Abaelard gegen Gott" geliebt. Mehr als fragwürdig ist aber seine Bewertung der völligen Entsagung Abaelards als verwandelnder conversio, die sich im Glänze rechten Christentums von der stoischen Resignation Heloises abhebe.40 Abaelard hat nach seiner Entmannung sein schweres Schicksal mit Hilfe dessen, was das Mönchtum an Disziplin und Ideologie bereitstellte, hervorragend gemeistert. Gleichwohl konnte und wollte er sich mit den Gefühlsproblemen Heloises nicht mehr befassen; sie waren ihm einfach lästig. Die fundamentale Ursache für diesen Wandel seines eigenen Gefühlslebens waren die psychischen Folgen der Kastration. Daß dadurch das Liebesverhältnis Abaelards zu ihr gravierend beeinträchtigt wurde, ist von Heloise unterschätzt worden. Im Nachhinein muß man sich vor einer religiösen Überhöhung der „Bekehrung" Abaelards hüten. Seine radikale Zuwendung zum religiösen Leben war gewiß nicht zum geringsten Teil eine Folge der Entmannung. Umgekehrt gilt für Heloise, daß man mit Urteilen über ihr Christsein oder ihre Bekehrung sehr vorsichtig sein muß. Was weiß man denn über ihre seelische Entwicklung? In dem Lebensabschnitt, über den sie in ihren Briefen Auskunft gibt, hatte sie einen tiefen existentiellen Zwiespalt durchzustehen. Es war der Zwiespalt zwischen der von ihr nicht gewollten „Hochform" christlichen Daseins, der mönchischen, und den individuellen Lebenserwartungen der liebenden Frau, die an den Dichtungen des Ovid und Lucan gelernt hatte, das Recht auf ihr Gefühl zu denken und zu artikulieren. Mit der Dido des Ovid, die ihr gewiß nicht unbekannt war, hätte sie sagen können: „Quod crimen dicis praeter amasse meum?"61 (Welches Verbrechen kannst du mir denn zur Last legen außer dem, geliebt zu haben?). Heloises Größe besteht in der Größe ihrer Liebe und darin, wie sie ihr literarischen Ausdruck gegeben hat. Und das ist auch ihr Beitrag zur Größe der Epoche, in der sie gelebt hat. Zwei Jahre vor seinem Tod stand Abaelard noch einmal vor einer schweren Prüfung: der schon erwähnten Auseinandersetzung mit Bernhard von Clairvaux, die auf dem Konzil von Sens zu seiner Verurteilung führte und beinahe mit seiner definitiven Exkommunikation durch den Papst Innocenz II. geendet hätte. Schon bevor Bernhard die Bischöfe Frankreichs eilig nach Sens zusammenrief,62 hatte er einen Besuch in Le Paraclet gemacht. Was hatte der Schleicher dort zu suchen? Auf der Suche nach belastendem Material gegen Abaelard hoffte er wohl, auch in der Klostergemeinschaft Heloises fündig zu werden. Und tatsächlich, er fand das berühmte Haar in der Suppe: Wie Abaelard sie gelehrt hatte, beteten die Schwestern das Pater noster nach der Version des Matthäus-Evangeliums (6,9-13), wo es in der vierten Bitte heißt: „Panem nostrum supersubstantialem da nobis hodie", anstatt nach der geläu-
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figeren des Lukas-Evangeliums (11,2-5): „Panem nostrum quotidianum da nobis hodie." Im Gespräch mit Heloise hatte Bernhard das verhängnisvolle Wort „novitas" fallen lassen. „Neuerung": das bedeutete soviel wie Häresie. Abaelard bemüht sich nun redlich, dem furchtbaren Abt in einem Brief darzulegen, daß in der Ubersetzung des Matthäus-Evangeliums das griechische έπιοΰσιον mit „supersubstantialem" korrekter wiedergegeben ist als im Lukas-Evangelium.63 Für Bernhard jedoch mußte allein schon der kritische Vergleich zweier Textüberlieferungen eine Provokation bedeuten. Bekanntlich hatte Abaelard vor, sich gegen die von Bernhard betriebene Verurteilung durch Innocenz II.64 persönlich in Rom zu verteidigen. Auf der Reise kehrte er in Cluny ein, wo er durch Abt Petrus Venerabiiis (Pierre de Montboissier) mit großer Freundlichkeit aufgenommen wurde. Petrus setzte sich mit Nachdruck zunächst für die Aussöhnung Bernhards mit Abaelard wobei er den im kirchlichen Rang über Bernhard stehenden Abt Rainald von Cîteaux bemühte - , dann bei dem Papst persönlich für Abaelard ein. Sein Brief an Innocenz II. ist ein Dokument großen persönlichen Mutes, aber auch des enormen kirchenpolitischen Einflusses des Groß-Abtes von Cluny." Er bittet den Papst um sein Einverständnis, daß Abaelard die restlichen Tage seines Lebens, „die vielleicht nicht mehr viele sind", in Ruhe vor seinen Feinden in Cluny verbringen kann.
Zwei Gräber Abaelard starb am 21. April 1142 in dem zu Cluny gehörenden Priorat SaintMarcel bei Chalon-sur-Saône. In dem bereits erwähnten Brief an Heloise, in dem er ihre wissenschaftlichen und religiösen Vorzüge in den höchsten Tönen preist, unterrichtet Petrus Venerabiiis die Äbtissin von Le Paraclet über die letzten Lebenswochen ihres Geliebten.66 Da er an Hautausschlag und anderen Gebrechen litt, hatte ihn Petrus zur Erholung nach Chalón geschickt. Dort brachte er die Zeit bis zum friedlichen Ende seines Lebens mit Beten, Lesen, Schreiben und Diktieren zu. Aus einem Brief, den Heloise später an Petrus schrieb, geht hervor, daß der Abt von Cluny an einem 16. November in Le Paraclet gewesen, dort die Messe gefeiert und für die Schwestern im Kapitel gepredigt hatte.67 Das Jahr, in dem der Besuch stattfand, ist unbekannt. Der Abt hatte den Schwestern bei dieser Gelegenheit den Leib ihres Magisters Petrus geschenkt; das heißt wohl, dessen Uberführung von Chalón nach Le Paraclet angeordnet. Dafür bedankt sich Heloise nun. Zum Schluß ihres Briefes äußert sie noch drei Bitten: Das Versprechen des Abtes, daß nach ihrem Tode für sie in Cluny das Tricenarium gehalten würde (das heißt, an dreißig Tagen sollten Seelenmessen gelesen werden), möchte ihr durch eine gesiegelte Urkunde bestätigt werden.68 Ein weiteres Schriftstück mit dem Siegel des Abtes von Cluny sollte in deutlichen Worten die Absolution Abaelards enthalten; Heloise hatte vor, es am Grabe des Magisters anzubrin-
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gen. Sie befürchtete also noch eine postmortale Ketzerverfolgung des Geliebten. Die dritte Bitte gilt der Versorgung des Sohnes Astrolabius: sie bittet Petrus, sich bei dem Bischof von Paris oder einem anderen Bischof um eine Pfründe für ihn zu verwenden. Der Abt von Cluny entspricht den Bitten. Die Absolution Abaelards schreibt er sogar mit eigener Hand. Bezüglich der Versorgung des Astrolabius kann er keine konkrete Zusage machen, da sich die Bischöfe in diesen Dingen im allgemeinen sehr unzugänglich zeigen. Er will aber tun, was er kann.69 Heloises Bittbrief an Abt Petrus ist die letzte Äußerung, die von ihr überliefert ist. Sie starb, zweiundzwanzig Jahre nach Abaelard, am 16. Mai 1164 und wurde neben Abaelard in einer Kapelle („Petit-Moustier") der Abteikirche von Le Paraclet bestattet.70 Man darf wohl annehmen, daß in Cluny damals das dreißigtägige Totengedächtnis für sie gehalten wurde, obwohl der mächtige Abt, der es ihr versprochen und seine Hand über sie gehalten hatte, schon 1157 gestorben war. Pierre de Montboissier, dieser große Humanist des 12. Jahrhunderts, der einer einflußreichen Adelsfamilie der Auvergne entstammte, hatte den der Häresie beschuldigten Abaelard in seinen Konvent aufgenommen, unter anderem, weil er sich von dem reichen Wissen des großen Gelehrten Nutzen für die Mönche von Cluny versprach. Daß er auch sonst keine Berührungsängste mit den vorgeblichen trinitarischen Ketzereien Abaelards hatte, beweist die Tatsache, daß er mit Heloise und ihren Schwestern eine Messe vom Heiligen Geist (dem Parakleten!) feierte. Er schätzte auch an Heloise vor allem ihre wissenschaftliche Bildung und ihre Gelehrsamkeit. Wie er ihr schreibt, hätte er sie gern für seinen Klosterverband und das Cluny unterstellte Frauenkloster Marcigny - vielleicht als Äbtissin - gewonnen.71 Wie so vielen bedeutenden Menschen des Mittelalters war auch Heloise und Abaelard eine definitive Grabesruhe nicht vergönnt. CHARLOTTE CHARRIER hat die Geschichte der verschiedenen Translationen ihrer Reliquien eingehend erforscht.72 Am 2. Mai 1497 veranlaßte die damalige Äbtissin Catherine de Courcelles eine Übertragung der Gebeine aus der Kapelle Saint-Denis, genannt „Petit-Moustier", wo sie bis dahin geruht hatten, in den Chor der Abteikirche von Le Paraclet. Sie wurden in getrennten Gräbern, rechts und links vom Hochaltar, bestattet. Am 15. März 1621, unter der Regierung der Äbtissin Marie III. de La Rochefoucauld, wurden die beiden Särge exhumiert und unter den Hochaltar piaziert. Ihre Nachfolgerin Marie IV. de La Rochefoucauld ließ zu Beginn des 18. Jahrhunderts, auf Bitten von zwei Benediktinern der Kongregation von Saint-Maur, die berühmte Statuengruppe der Trinität, die Abaelard hatte anfertigen lassen, unmittelbar hinter dem Gitter des Hochchores aufstellen, damit sie für Besucher der Abteikirche sichtbar war. (Das einzigartige religiöse Kunstwerk, das die drei göttlichen Personen nebeneinander darstellte, wurde während der Französischen Revolution demoliert). Unter der neunundzwanzigsten und letzten Äbtissin von Le Paraclet, Marie-Charlotte de la Rochefoucauld de Roucy, fand am 1. Juni 1780 eine Erhebung und Rekognoszierung der Gebeine des berühmten Liebespaares
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statt. Vor allem die beiden Schädel zeigten sich gut erhalten. Die Überreste wurden in einen Bleisarg gelegt und erneut unter dem Hochaltar bestattet. 1792 wurde, im Gefolge der Revolution, das Kloster Le Paraclet verkauft. Am 9. November des gleichen Jahres veranlaßten die Behörden der benachbarten Stadt Nogent-sur-Seine die Übertragung der Gebeine in ihre Pfarrkirche. Um diese Zeit entwickelte der Maler Alexandre Lenoir den Plan, in Paris ein zentrales Museum der französischen Grabdenkmäler einzurichten. In dem Garten dieses Museums sollten in einer Art Nekropole, die er das Elysée nannte, berühmte Franzosen bestattet werden. Nach einer Zwischenlagerung im Museum, bei der ein Teil der Gebeine abhanden kam, wurden die Überreste von Heloise und Abaelard 1807 in einem kapellenartigen Monument im Garten Elysée bestattet. Teile des Bauwerks entstammten einer Kapelle der Abtei Saint-Denis. Die liegende Grabstatue (Gisant) Abaelards war von seinem Kenotaph in Saint-Marcel-lez-Chalon herbeitransportiert worden. Für Heloise fand man im Fundus des Museums unter den von dem Vandalismus der Revolution hinterlassenen Trümmern eine verstümmelte Grabplatte. Beide Gisants wurden restauriert, die Gesichter nach den echten Schädeln modelliert. Im Jahre 1814 wurde der Garten Elysée als Bauplatz benötigt, und man mußte für die dort mittlerweile versammelten Toten neue Ruheplätze suchen. Heloise und Abaelard wurden am 16. Juni 1817 in ihre auf den Friedhof des Père Lachaise versetzte Grabkapelle übertragen. Unglückliche und glückliche Liebende schmücken dort ihr Grab bis auf den heutigen Tag mit Blumen.
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Die Prophetin vom Rupertsberg Hildegard ist, was Umfang und Qualität des von ihr hinterlassenen Werkes betrifft, die bedeutendste religiöse Schriftstellerin des 12. Jahrhunderts gewesen. Den größten Teil ihrer Schriften hat sie auf dem Rupertsberg, auf der linken Naheseite gegenüber der Stadt Bingen, verfaßt. Von dem Kloster, dessen Äbtissin sie war, ist nichts mehr erhalten; es wurde im Dreißigjährigen Krieg durch die Schweden zerstört. Hildegard entfaltete während ihres Lebens vor allem auf Reisen und durch ihre Briefe eine große Wirksamkeit. Nach ihrem Tode geriet sie weitgehend in Vergessenheit. In den letzten dreißig Jahren unseres Jahrhunderts bahnte sich eine Wiederentdeckung ihrer Persönlichkeit und ihres Werkes an - man spricht von einer „HildegardRenaissance" - , die 1998, anläßlich der 900. Wiederkehr ihres Geburtsjahres, in zahlreichen Feiern und wissenschaftlichen Tagungen einen Höhepunkt erreichte.' Als Initialzündung für die neuere Hildegard-Forschung darf die kritische Edition ihres Hauptwerkes Savias durch ADELGUNDIS FÜHRKÖTTER im Jahre 1978 gelten.2 „Scivias" bedeutet: „Wisse die Wege"; die „Wege" sind die Methoden, die Art und Weise, wie man die Welt deutet, und zwar mit Hilfe der göttlichen Offenbarung, die ihrerseits verstanden und gedeutet werden muß.3 Seit der erwähnten Ausgabe von Savias sind kritische Editionen weiterer Werke Hildegards und eine schwer zu überschauende Fülle von Untersuchungen erschienen, unter denen mehrere Biographien und Gesamtdeutungen des Denkens der „Prophetin vom Rupertsberg" hervorragen.4 Wer sich mit diesem Denken des näheren befassen will, dem bleibt es leider nicht erspart, sich durch viele hundert Seiten Sekundärliteratur hindurchzuarbeiten. Wichtiger ist aber das Studium der Quellen selbst, aus denen Hildegards Stimme, mit der sie ihre schon damals nicht leicht zu deutenden Sätze diktierte, aus der Distanz von fast einem Jahrtausend zu uns herüberdringt. Im Blick auf das Viele, was an Deutungen Hildegards mittlerweile vorliegt, begnügen wir uns, einige „Stichgräben" in ihrem Werk anzulegen.
Von der Klausnerin zur Prophetin Am Beginn von Savias findet sich eine Datumsangabe. Demnach hatte Hildegard die Vision, von der im Anschluß die Rede sein wird, im Jahre 1141
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der Inkarnation Christi, als sie zweiundvierzig Jahre und sieben Monate alt war.5 Sie ist also 1098 geboren. Im Alter von acht Jahren wurde sie von ihren adeligen Eltern Hildebert und Mechthild von Bermersheim (bei Alzey) als Oblate in das nicht weit entfernte Kloster auf dem Disibodenberg an der Nahe gebracht. Eine adelige Dame der Gegend, Jutta von Sponheim, hatte sich dort in der Absicht, den Rest ihres Lebens als Inkluse zu verbringen, eine Klause erbauen lassen. Hildegards späterer Schreiber Guibert von Gembloux hat in einem Brief an seinen Freund Bovo die wichtigsten Ereignisse ihres Lebens festgehalten. Dort hat er auch geschildert, wie das Kind, zusammen mit Jutta und deren gleichnamiger nichtadeliger (also wohl unehelicher) Nichte, die ihre Dienerin werden sollte, von den Mönchen in einer feierlichen Begräbniszeremonie in die Klause geführt und eingemauert wurde.6 Die Inkluse übernahm von nun an Hildegards Erziehung. Das Kind wurde von ihr in das Singen und Beten des Psalters eingeführt und erlernte damit auch das Lesen und Schreiben.7 Aber auf engstem Raum mit einer älteren Frau eingeschlossen, bekam sie sicher auch deren intime körperliche Vorgänge mit, was nicht ohne Folgen für ihre seelische Entwicklung und die Ausrichtung ihrer Erotik blieb. Manche ihrer späteren Phantasien und zahlreiche Bilder in den Codices ihrer Schriften zeigen dies eindrucksvoll und handgreiflich. Infolge Zuzugs weiterer Schülerinnen Juttas entstand auf dem Disibodenberg allmählich ein Nonnenkonvent. Irgendwann muß Hildegard die Klause verlassen haben. Wann dies geschah, ist jedoch nicht bekannt. Als Jutta 1136 starb, wurde Hildegard von ihren Mitschwestern einstimmig zu ihrer Nachfolgerin als Magistra des Nonnenkonvents gewählt. Etwa zehn Jahre später suchte sie, anfangs gegen den heftigen Widerstand des Abtes und der Mönche vom Disibodenberg, eine Trennung der beiden Konvente durchzuführen. Schließlich setzt sie den Auszug des Frauenkonvents durch, indem sie krank wird und nicht eher aufsteht, bis der Abt seine Einwilligung gegeben hat. In den Jahren 1147-1152 läßt sie auf dem Rupertsberg bei Bingen ein neues Kloster erbauen, in das sie mit ihren Schwestern umzieht. Ab 1141 hatte sie ihre Visionen in dem Buch Scivias niedergeschrieben. In den fünfziger Jahren sind dann ihre naturkundlichen und medizinischen Schriften entstanden: „ Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum", auch „Physica" genannt, eine Art Lehrbuch der Biologie mit einem Herbarium (Kräuterbuch), einem Bestiarium (Zoologie) und einem Lapidarium (Mineralkunde); „Causae et curae", über Ursachen und Heilmethoden der Krankheiten.8 1158-1163 wurde der „Liber vitae meritorum" (Buch eines verdienstvollen Lebens) niedergeschrieben; zusammen mit dem ab 1163 verfaßten „Liber divinorum operum"9 und Savias bildet dieses Buch die Trilogie der sogenannten Offenbarungsschriften der heiligen Hildegard. Hinzu kommt eine umfangreiche und bedeutende Korrespondenz, die von der hohen Achtung zeugt, in der sie bei den Zeitgenossen stand und die so weit ging, daß man ihrem Rat und ihrer Fürbitte einen n u m i n o s e n C h a r a k t e r zuerkannte.
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Als schon betagte Frau unternahm Hildegard ab 1158 vier große Predigtreisen, von denen je eine nach Franken (über Mainz, Wertheim, Würzburg, Kitzingen, Ebrach, Bamberg) und Schwaben (Maulbronn, Hirsau, Kirchheim, Zwiefalten) führte. Eine weitere Reise unternahm sie über Trier und Metz nach Lothringen. In den Jahren 1161-1163 war sie zu Schiff unterwegs auf dem Rhein und besuchte zahlreiche Städte und Klöster (unter anderem Andernach, Siegburg, Bonn, Köln, Kaiserswerth). Bei mehreren Gelegenheiten predigte sie vor großen Menschenmassen, die aufgrund ihres Rufes als Prophetin und Wundertäterin zusammenströmten, auch in einigen Kathedralkirchen Frankens und des Rheinlandes. Am 17. September 1179 ist sie, in ihrem zweiundachzigsten Lebensjahr, auf dem Rupertsberg gestorben. Was von Hildegards Gebeinen übriggeblieben ist, ist heute in der Pfarrkirche zu Eibingen bei Rüdesheim bestattet. Sie hatte dort 1165 ein zweites Frauenkloster gegründet. Am Berghang oberhalb von Eibingen liegt die Abtei St. Hildegard, eine Neugründung aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Die gelehrten Benediktinerinnen von Eibingen, insbesondere ADELGUNDIS FÜHRKÖTTER und ANGELA CARLEVARIS, haben sich um die kritische Edition
der wichtigsten Werke Hildegards verdient gemacht.10 In den schon erwähnten Offenbarungsschriften teilt Hildegard ihre Visionen mit. Diese Visionen sind in ihrem Verständnis keine Produktionen ihres eigenen Geistes, ihrer Träume oder Phantasien; vielmehr wird ihr in ihnen das authentische Wort Gottes mitgeteilt, das sie hört und in sich aufnimmt, um es dann als Prophetin anderen zu verkünden. Sie betont den wachen Zustand ihres Geistes beim Empfang der Visionen." Der Bereich des visionären Prophetentums war im Mittelalter der große Freiraum, innerhalb dessen Frauen religiöses Denken betreiben und, abseits und jenseits der Wege der Schul- und Hochtheologie der Kleriker, zur Entfaltung einer eigenständigen meditativen Theologie kommen konnten. Nicht immer ging es dabei ohne Konflikte mit den kirchlichen Amtsträgern ab; aber im Falle Hildegards erhielt das weibliche Prophetentum sogar die allerhöchste kirchliche Billigung. Um die Jahreswende 1147/1148 hielt sich der Papst Eugen III. (1145-1153) als Gast des Erzbischofs Albero von Montreuil in Trier auf. Er ließ durch zwei Emissäre die bereits fertigen Teile des Buches Scivias herbeischaffen. Der Text beeindruckte ihn so, daß er persönlich (vermutlich im Dom oder in der Abteikirche St. Matthias) der versammelten Klerikerschaft daraus vorlas.12 Ein sehr merkwürdiger Vorgang, wenn man bedenkt, daß Eugen III. Cistercienser und Schüler Bernhards von Clairvaux war, der damals ebenfalls in Trier anwesend war. Im Bereich der kirchlichen Politik lief damals sehr wenig, im Bereich der Glaubensdisziplin überhaupt nichts an dem mächtigen Abt vorbei. (Auch der Erzbischof Albero verdankte seine Wahl einer Intervention Bernhards; und Albero seinerseits hatte mittels einer staatsstreichähnlichen Intrige den Staufer Konrad III. am 7. März 1138 auf den deutschen Königsthron gebracht.)1' Man darf deshalb annehmen, daß die Anerkennung der Prophetie Hildegards durch den Papst hauptsächlich auf den Einfluß Bern-
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hards zurückging. Eugen III. billigte nicht nur Hildegards Werk, sondern trug ihr im Namen Christi und des heiligen Petrus auf, „alles aufzuschreiben, was der Heilige Geist ihr an Erkenntnis eingeben würde".14 Danach hat auch sein Nachfolger Anastasius IV. (1153-1154) Hildegards Schriften ausdrücklich gebilligt.15 Die Hildegard zuteilgewordenen Offenbarungen werden also offiziell als vom Heiligen Geist inspirierte Wahrheiten anerkannt. Ihre Werke haben damit den Charakter heiliger, göttlicher Schriften. Hildegard selbst hat sich über ihre prophetische Begabung mehrfach geäußert, so in einer berühmten Stelle im Prolog von Savias Es geschah im Jahre 1141 der Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus, als ich zweiundvierzig Jahre und sieben Monate alt war: da kam aus dem geöffneten Himmel ein feuriges Licht von gewaltigem Glanz; es durchströmte mein ganzes Gehirn und entzündete mein ganzes Herz und meine ganze Brust wie eine Flamme, die indes nicht brannte [d. h., keine Verbrennung verursachte], sondern erhitzte, so wie die Sonne ein Ding erwärmt, auf das sie ihre Strahlen legt. Und sogleich erlangte ich die Einsicht in die Auslegung der Bücher, nämlich des Psalteriums, des Evangeliums und der anderen katholischen Bücher sowohl des Alten wie des Neuen Testaments; ich besaß aber nicht die Interpretation der Worte ihres Textes, auch nicht die Aufteilung der Silben oder die Kenntnis der Fälle (casus) und Zeiten (tempora). Aber die Kraft und das Mysterium der geheimen und bewundernswerten Visionen hatte ich in mir seit meiner Kindheit gefühlt, nämlich von meinem fünften Lebensjahr an bis zur gegenwärtigen Zeit, auf wunderbare Weise, wie es auch jetzt noch der Fall ist.
Was Hildegard hier mit ziemlich genauer Datumsangabe beschreibt, ist die entscheidende religiöse Erfahrung ihres Lebens: ein visionäres Erlebnis, in dem ihr die Einsicht (intellectus) in die Auslegung der Heiligen Schriften gegeben wurde. Es handelte sich dabei nicht um eine Erkenntnis der grammatischen Strukturen des Textes und die Fähigkeit, eine korrekte Literal-Exegese zu geben. Vielmehr fühlte sie in sich die Kraft, die überlieferten heiligen Texte zu erschließen aufgrund einer visionären Begabung, die sie seit ihrem fünften Lebensjahr hatte. Die Lichtvision des Jahres 1141 gab ihr dann den Mut, ihre Offenbarungen niederzuschreiben oder zu diktieren. Sie sagt weiter, sie habe über ihre visionären Erkenntnisse nur mit ganz wenigen Menschen gesprochen. Wir wissen im ganzen von fünf Personen, die Hildegard besonders nahestanden. Die erste ist die schon erwähnte Jutta von Sponheim, ihre Erzieherin und Vorgängerin im Amt der Vorsteherin des Nonnenkonvents auf dem Disibodenberg; sodann ihr „Praepositus" Volmar, ein Mönch des gleichen Klosters, der ihr bei der Niederschrift ihrer ersten Visionen behilflich war. Sie nahm ihn mit auf den Rupertsberg, wo er ihr weiter als Spiritual und Schreiber diente. Das Verhältnis zu ihm war von Vertrauen und tiefer Sympathie geprägt." Nachdem Volmar 1173 gestorben war, weigerten sich die M ö n c h e des Disibodenberges zunächst, für Hildegard ein Mitglied ihres K o n -
vents als Praepositus freizustellen. Es bedurfte der Intervention des Papstes
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Alexander III. (1159-1181), daß Hildegard in der Person Gottfrieds einen neuen Schreiber erhielt.18 Gottfried blieb vier Jahre bei ihr und verfaßte in dieser Zeit ihre Vita. Uber die darauf folgenden letzten Lebensjahre der Prophetin schreibt MARIATERESA FUMAGALLI: „Nach Gottfrieds Tod kam für die nun fast am Ende ihrer Tage angelangte Äbtissin noch einmal die Zeit bedeutender, mit zärtlicher Zuneigung erfüllter Nähe zu einem vertrauten Menschen: Guibert von Gembloux. Guibert (Wibert) war ein Mönch aus Wallonien, fernab von dem Personenkreis, der sich um Hildegard gebildet hatte, aber auch von weitem an ihren Schriften und Gedanken lebhaft interessiert. Die tiefe Freundschaft zwischen den beiden begann mit zwei vor Fragen und staunender Bewunderung fast berstenden Briefen Guiberts und einer ausführlichen Antwort Hildegards. Die Antwort der greisen Nonne erfüllte Guibert mit so großer Begeisterung, daß er ihr unbedingt dienen und beistehen wollte; es gelang ihm, auf dem Rupertsberg angenommen zu werden, wo er ihr zwei Jahre, die letzten in Hildegards Leben, zur Seite stand, so treu und aufmerksam wie einst Volmar."19 Es wiederholte sich also noch einmal die tiefe seelische Beziehung der älteren Frau zu einem jüngeren Mann, diesmal vielleicht noch intensiver an Gefühlen, als es bei Volmar der Fall gewesen war. Eine andersgeartete, aber nichtsdestoweniger stark erotisch geprägte Beziehung verband Hildegard mit der jungen Nonne Richardis von Stade, die ihr von allen ihren Mitschwestern am nächsten stand und die auch, zusammen mit Volmar, an der Niederschrift von Savias beteiligt war. Wir werden später darauf zurückkommen. Zunächst aber noch einige Bemerkungen zur Abfassung von Savias. Hildegard sagt im Prolog über ihre Visionen, es handele sich bei ihnen nicht um Träume, sondern sie habe sie in wachem Zustand, bei hellem Verstand und klarem Bewußtsein, empfangen. Die offenbarende Stimme befiehlt ihr, den Inhalt der Visionen niederzuschreiben: „Scribe, quae vides et audis." Sie weigert sich zunächst, wofür sie mit einer Krankheit bestraft wird. Danach schreibt bzw. diktiert sie das Buch im Verlauf von etwa zehn Jahren. Die Originalhandschrift, die sich in der Hessischen Landesbibliothek zu Wiesbaden befand und seit 1945 verschollen ist, enthielt außer dem Text fünfunddreißig Miniaturen, schöne, gestochen ausgemalte Illustrationen, welche die hauptsächlichen Visionen Hildegards auch bildlich festhielten. Glücklicherweise gibt es davon ziemlich genaue Kopien, so daß wir uns von dem Gesamtkunstwerk eine Vorstellung machen können. Bei den Bildern handelt es sich durchweg um Erfindungen, Invenzioni im prägnanten Sinne, da sie ohne Vorbilder sind20 - so wie ja auch das Denken Hildegards eine neue und eigenständige Verarbeitung der christlichen Tradition darstellt. Am Anfang von Savias und auf dem unteren Rand zahlreicher Miniaturen des Liber divinortim Operum hat Hildegard sich selbst als Seherin und Schreiberin malen lassen. Um das Werk kurz zu charakterisieren: Savias ist eine auf visionären Erfahrungen beruhende theologische Weltdeutung am Leitfaden der Heiligen Schrift. In der Meinung der Verfasserin handelt es sich dabei um authentische, verbindliche Gottesoffenbarung.
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Besonders eindrückliche Beispiele von Hildegards Exegese finden sich in ihrem Alterswerk, dem „Buch von den Werken Gottes". Man kann wohl sagen, daß hier der Höhepunkt ihrer biblischen Theologie erreicht wird. Sowohl die verbalen Beschreibungen der betreffenden Visionen als auch die dazu gehörenden Miniaturen geben darüber hinaus einen tiefen Einblick in die Schöpfungstheologie und das Weltbild der Prophetin. Im Rahmen der Beschreibung der vierten Vision des ersten Buches gibt Hildegard eine Auslegung des Johannes-Prologs. 21 Dies tue ich, der Uralte (antiquus dierum: Dan 7,9. 13. 22; vgl. Apoc 4,2f.), denn durch mein Wort, das ohne Anfang beständig in mir war und ist, hieß ich einen großen Leuchtenden hervortreten, und mit ihm zahllose Funken, nämlich die Engel Als Gottes Wort ertönte, da rief es alle Kreatur, die vor der Zeit in Gott vorgeordnet und bereit war, zu sich, und durch seine Stimme wurde alles zum Leben erweckt.
In der folgenden Vision, der ersten des zweiten Buches, wird eine Auslegung des Schöpfungsberichts der Genesis gegeben;22 es ist eine der tiefsten meditativen Erklärungen, die der Anfang der Bibel in der Auslegungsgeschichte erfahren hat. Im Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde. Das ist folgendermaßen zu betrachten: Im Anfang, das heißt, am Beginn aller Dinge, die im Wissen Gottes waren, so wie sie einmal werden sollten, erschuf Gott, das heißt, er ließ durch sich selbst hervorgehen, den Himmel und die Erde, nämlich die Materie (den Stoff) aller himmlischen und irdischen Kreaturen; den Himmel, das ist die lichtvolle Materie, und die Erde, das ist die trübe Materie. Und diese beiden Materien wurden zugleich geschaffen und erschienen in einem Kreis. Dieser Kreis ist die Macht Gottes im Himmel und auf Erden. Aus der Helligkeit, welche die Ewigkeit ist, erstrahlte die erwähnte lichtvolle Materie wie ein intensives Licht, und dieses gleiche Licht leuchtete auf die trübe Materie hinab ...
Die zu den beiden Visionen gehörenden Bilder zeigen sowohl Wachstum und Leben (viriditas) auf der Erde als auch deren Bedrohung durch feindliche Mächte. Die bildliche Darstellung der ersten Vision des zweiten Teils zeigt die rotunditas der Erde zwischen dem Licht eines weißen Sterns im Osten und der Finsternis eines aufgesperrten Höllenrachens im Westen, der sich in ein unendliches Dunkel fortzusetzen scheint.23 Der weiße Stern aber steht über einer Ebene, die sich von einer roten Kugel, die in einen saphirblauen Kreis eingefaßt ist, zu ihm hin erstreckt. Die Kugel stellt das für den menschlichen Intellekt unfaßbare Zusammenwirken von Zorn (rot) und Liebe (blau) Gottes dar.24 Der die Kugel überstrahlende weiße Stern ist die Jungfräulichkeit, „wo der fleischgewordene Gottessohn als von der Jungfrau geborener erscheint", 25 mit anderen W o r t e n : Gerechtigkeit und
Liebe Gottes treffen in dem Mysterium der Inkarnation zusammen. In den
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Gestalten der vier apokalyptischen Reiter (Apoc 6) sieht Hildegard das in den verschiedenen Welt-Zeiten sich vollziehende Gericht Gottes bildlich dargestellt.26 Die Unterwelt hat sie nicht nur als Bedrohung der Welt, gewissermaßen von deren westlichem Rande her, gesehen. Sie wurde in ihren Visionen gelegentlich auch mitten in die Schrecken der Hölle geführt; besonders eindrücklich beschreibt sie eine solche im fünften Teil des „Buches vom verdienstvollen Leben.27
Natur- und Heilkunde Wir haben schon die medizinisch-naturkundlichen Schriften der heiligen Hildegard erwähnt: „Physica" (Naturkunde), „Causae et curae" (Heilkunde). Doch sind auch ihre übrigen Werke stark von physiologischem und psychologischem Interesse bestimmt. U m die medizinischen und naturkundlichen Kenntnisse Hildegards wird heutzutage viel Aufhebens gemacht, als ob sich darin altes, auch für die Gegenwart noch nützliches und wertvolles Wissen erhalten hätte. Man kann vor einer Uberschätzung und Übertragung der Natur- und Heilkunde Hildegards auf heutige Verhältnisse nur warnen.28 Bei eingehender Lektüre der naturkundlichen Schriften Hildegards erweist sich vieles als zeitbedingten, nicht mehr nachzuvollziehenden Vorstellungen verhaftet, anderes als kompletter Unsinn. Auffällig ist, daß der Libido, den erotischen Gefühlen, dem Sexuellen, dem Zeugungsakt, wie auch in Hildegards theologischen Werken, ein breiter Raum gewidmet ist. Sie behandelt den sexuellen Bereich sehr unbefangen, ohne Tabus. Die geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau ist keine Sünde, sondern eine „coniunctio caritatis", die in ihrem Wesen sittlich gut ist.29 Auch die Begierde und die wollüstigen Regungen sind etwas ganz Natürliches, Elementares. Hildegard hat ja eine Elementen-Lehre entwickelt, die detaillierte Ausführungen über Wesen und Wirksamkeit der alles durchdringenden und den Ablauf der Jahreszeiten bestimmenden vier Elemente Feuer (Sommer), Erde (Herbst), Wasser (Winter), Luft (Frühling) enthält. Die Luft, die durchaus auch identisch ist mit dem realen Wind, hat einen großen Einfluß auf die Sexualität speziell der Frau. Hildegard sagt von sich selbst, sie habe im Jahre 1150 den trockenen, warmen Südwind, gespürt, wie er in ihren Körper eindrang, ihr das Blut austrocknete und mit seiner Wärme ihr beinahe den Unterleib ausgebrannt habe. Die Luft ist aber auch Träger des Lebens und der vitalen Bewegung; sie transportiert z.B. den Samen. Hildegard spricht vom „Wind der Lust", der das Verlangen der Frau steigert; er kommt aus dem Rückenmark und steigt bis in die Lenden (d.h., die Geschlechtsteile) hinab, erwärmt das Blut und ruft ein lustvolles Gefühl (delectatio) hervor. Im Mann dagegen verteilt sich wegen seiner schmaleren Hüften der Wind nicht so weit wie im Körper der Frau. Deshalb entbrennt die männliche Lust viel stärker. Der Mann kann sich in der Liebe nicht beherr-
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sehen und vergißt sich selbst. Die Frau ist dagegen im ganzen kälter, weil luftiger, aber auch feuchter als der Mann; der Mann wiederum ist heißer, trockener. Diese verschiedenen physischen Konstitutionen zeitigen dann auch ihre Auswirkungen auf das Lust- und Orgasmusverhalten beider Geschlechter. Bei der Lust der Frau, die nach außen viel offener ist, sagt Hildegard, verteilt sich der Wind der Liebe über alle Glieder und brennt sanfter; die Lust der Frau ist also im Unterschied zu derjenigen des Mannes, die stark in den Sexualorganen konzentriert ist, ein sinnliches Erleben des ganzen Körpers. In „Causae et curae" heißt es:30 Die Lust in der Frau läßt sich der Sonne vergleichen, die sanft, leicht und beständig die Erde mit ihrer Wärme durchdringt, so daß sie Früchte hervorbringt; würde sie stärker und ununterbrochen auf die Erde brennen, so würde sie mit ihrer gleichbleibenden Glut die Früchte zerstören, anstatt sie reifen zu lassen. Auf dieselbe Weise besitzt die Liebeslust der Frau eine sanfte und doch beständige Kraft, die ihr erlaubt, das Kind zu empfangen und in ihrem Leib wachsen zu lassen; denn wenn sie beständig in der Hitze der Lust verbliebe, dann wäre sie nicht fähig zu empfangen und zu gebären. Über die Lust des Mannes und den Liebesakt:31 Die große Liebe, die Adam für Eva empfand, die aus seinem Körper entstanden war, und die Süße des Schlafes, aus dem er erwachte, verwandelten sich in eine andere, aber gleichfalls liebliche Süße. Der Mann spürt weiter in sich jenes zarte Verlangen, und wie der Hirsch schnell zur Quelle läuft, so läuft er zu seiner Frau." Und die Frau verhält sich zu ihm so wie eine Getreidetenne, die von zahlreichen Schlägen erschüttert und erhitzt wird, wenn die Körner auf ihr ausgedroschen werden. Man hat nun im Blick auf solche Stellen die Unbefangenheit und „Normalität" Hildegards gerühmt. Bei aller Zurückhaltung, die überhaupt bei solchen Urteilen über die Sichtweise mittelalterlicher Menschen geboten ist, scheint aber eher das Gegenteil der Fall zu sein: Wenn eine Nonne, eine geweihte Jungfrau also, sich in dieser Weise für alles interessiert, was mit dem Geschlechtsakt zusammenhängt, und es detailliert beschreibt, so ist das doch schon eine Form verbaler Erotik - und Kompensation! Hildegard beschreibt auch genau das Verhalten der Männer der vier verschiedenen Temperamente beim Geschlechtsakt, die Grade ihrer Lust und, mit unverkennbarer Freude am Detail, die Erektion des Penis. (Woher hat sie die Kenntnis von alldem?); ebenso den Verlauf der Menstruation bei den verschiedenen charakterlichen Grundtypen der Frauen. MARIATERESA FUMAGALLI hat auf den möglichen Einfluß platonischer Vorstellungen auf das Denken Hildegards hingewiesen: demnach bewahrt die geschlechtliche Liebe - wie alle materiellen und untergeordneten Dinge — in Hildegards Vorstellungswelt eine unübersehbare Spur überirdischer Schönheit.33
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Partizipation an der Ewigkeit In diesen Bereich gehört auch Hildegards Auffassung von der Musik: Die irdische Musik, auch die Instrumentalmusik, ist gewissermaßen ein Nachklang, eine Nachahmung der himmlischen Harmonie. Vor dem Sündenfall war der gesamte Kosmos mit himmlischem Wohlklang erfüllt. Nach Hildegards Vorstellung ist der Sündenfall eine kosmische Katastrophe, in welcher der Einklang (die Symphonie) von Mensch und Weltall zerstört wurde. Die Wiederherstellung sowohl des Menschen wie des Kosmos geschah im Fleisch der Jungfrau Maria. Die Inkarnation ist also als Anfang der kosmischen Wiederherstellung gedacht. Damit kann die kosmische Freudenmusik erneut tönen, an der Instrumental- und Vokalmusik der Menschen partizipieren.34 Hildegard hat selbst viele Hymnen und Lieder gedichtet und die Melodien dazu komponiert. Unter ihnen befindet sich auch eine Reihe von Hymnen an die Jungfrau Maria, die ihre höchst eigenartige marianische Theologie und Frömmigkeit dokumentieren. 35 In der Antiphon „O splendidissima gemma" wird Maria als „lucida materia", das heißt, die lichtvolle Urmaterie, bezeichnet. Sie ist damit identisch mit dem von Gott im Anfang, vor der Zeit, geschaffenen Himmel (Gen 1,1).36 Wie BARBARA NEWMAN zutreffend festgestellt hat, ist die Mutter Gottes das Herz von Hildegards Theologie des Weiblichen. Die Prophetin von Bingen ignorierte jedoch vollständig die neuen Strömungen, wie sie in den Werken ihrer Zeitgenossen, eines Rupert von Deutz, Honorius von Regensburg 37 und Bernhard von Clairvaux greifbar werden. Sie war an den menschlichen Zügen der Mutter Christi: ihrer Geburt, Kindheit, Mutterschaft, ihren Schmerzen, so wenig interessiert wie an der Psychologie Evas. „Beide Frauen sind überlebensgroß und keine Individuen, sondern kosmische Erscheinungen des Weiblichen, und der Sinn des Weiblichen ist es, Gott in der Welt zu manifestieren." 38 Präziser im Sinne Hildegards wäre es vielleicht, zu sagen: Gott in die Welt zu bringen - und die Welt zu Gott. In der fünften Vision des dritten Teils des „Buches der Werke Gottes" sieht Hildegard ein großes Rad, das Gott darstellt, „der ohne Anfang und Ende, jedoch sanft in seinen Werken und zu jeglichem Guten bereit" ist. In der Mitte des Rades befindet sich die sitzende Gestalt der Caritas, und zwar deshalb, „weil in jener Vollkommenheit, durch die Gottes Macht sich alles unterwirft, die Liebe dem Willen Gottes gewissermaßen in Ruhe (quiescendo) verbunden ist; denn die Liebe erfüllt jeglichen Willen Gottes." Die Caritas hat vor ihren Augen eine kristallklare Tafel: „weil sich vor dem Blick der Liebe Gottes Vorherwissen zeigt, denn die Liebe und das Vorherwissen Gottes stimmen vollständig überein." 39 Dem Abt Adam von Ebrach hatte Hildegard ebenfalls von einer Vision der Caritas in der Gestalt eines überaus schönen Mädchens berichtet. Das Mädchen sagte zu dem saphirblauen Bild eines Menschen, das auf ihrer Brust erschien, den Vers aus dem 109. Psalm: „Dein ist die Herrschaft am Tage dei-
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ner Kraft im Glänze der Heiligen; ich habe dich aus meinem Mutterleib hervorgebracht noch vor dem Lucifer."40 Die erläuternde Stimme erklärt der Seherin: Das Mädchen hier, das du siehst, ist die Liebe, die in der Ewigkeit ihre Wohnung hat. Denn als Gott die Welt erschaffen wollte, da beugte er sich in überaus zärtlicher Liebe herab, und er sah alles Notwendige voraus, so wie ein Vater, der für seinen Sohn das Erbe vorbereitet. Und so ordnete er alle seine Werke in großer Liebesglut. Da erkannte das Geschöpf (creatura) in diesen seinen Bildern und Gestalten seinen Schöpfer; denn die Liebe war am Anfang die Materie ebendesselben Geschöpfes, sobald Gott sagte: „Es werde, und es ward" [Gen 1,3]. Denn jegliches Geschöpf wurde gewissermaßen in einem Augenblick durch sie geschaffen. Dies ist eine der zentralen Stellen, an denen Hildegard von der Jungfrau als dem geistigen Geschöpf spricht, das nach Texten alttestamentlicher Weisheitsliteratur (Prov 8,22 und Sir 24,14) von Gott „am Anfang seiner Wege" geschaffen wurde, ein Zwischenwesen, das Anteil an der Ewigkeit Gottes hat. Die Prophetin von Bingen steht hier, weit über der Schultheologie ihrer Zeit, in der unmittelbaren Gefolgschaft des großen Platonikers der Spätantike, des heiligen Augustinus. Auch er hatte, auf dem Gipfel seines Denkens, im zwölften Buch der Confessiones, über die intellectualis creatura meditiert, die nicht in der gleichen Weise ewig wie Gott, sich dennoch nicht in den Wechsel der Zeiten verliert, sondern als lichtvolles Haus im Himmel eine ewige Existenz hat.41 In dem ersten seiner schon erwähnten Briefe stellt Guibert von Gembloux Hildegard drei Fragen: erstens, ob sie sich an den Inhalt ihrer Visionen noch erinnern könne, nachdem dieselben von Sekretären aufgezeichnet wurden; zweitens, ob sie ihre Visionen auf Lateinisch diktiere, oder auf Deutsch und ein anderer sie ins Lateinische übersetze; und drittens, ob sie lesen und schreiben gelernt habe und ob sie sich die heiligen Schriften mittels intensiver Lektüre oder allein aufgrund der Begnadung durch den göttlichen Geist angeeignet habe.42 Hildegard antwortet dem Mönch, der später ihr Schreiber werden sollte, ausführlich auf seine Fragen:43 Alles, was ich in dieser Vision sehe oder lerne, daran habe ich über lange Zeit hin eine Erinnerung, so daß ich mich daran erinnere, weil ich es einmal gesehen und gehört habe. Und zugleich sehe, höre und weiß ich, und gewissermaßen in einem Augenblick lerne ich das, was ich weiß. Was ich aber nicht sehe, das weiß ich auch nicht, weil ich ungelehrt bin. Und was ich schreibe, das sehe und höre ich in der Vision, und ich gebrauche keine anderen Worte als die, die ich höre, und ich äußere sie, nicht in einem geschliffenen Latein, so wie ich sie in der Vision höre; denn ich werde in dieser Vision nicht unterwiesen, so zu schreiben, wie die Philosophen schreiben. Doch die Worte, die ich in dieser Vision sehe und höre, sind nicht die Worte, die aus dem Munde eines Menschen ertönen, sondern sie bewegen sich wie eine sprühende Flamme und wie Wolken in reiner Luft. Die Form dieses Lichts vermag ich in keiner Weise zu erkennen, so wie ich auch die Sonnenglut nicht vollständig anschauen kann.
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In demselben Licht sehe ich zuweilen, nicht häufig, ein zweites Licht, das mir als „lebendiges Licht" bezeichnet wurde. Wie ich es sehe, kann ich noch viel weniger sagen als bei dem ersten Licht. Während ich es anschaue, wird mir alle Traurigkeit und jeglicher Schmerz aus dem Gedächtnis weggenommen, so daß ich dann das Verhalten eines einfachen Mädchens, nicht das eines alten Weibes habe. Hildegard erklärt weiter, mittels dieses lebendigen Lichtes seien ihr auch die im Buche Savias festgehaltenen Visionen zuteilgeworden, „nicht von einer anderen Lehre her". Nach ihren eigenen Worten ist es ihr gegeben, das Licht der Gottheit zu schauen, jedoch ohne differenzierte Erkenntnis. Das „lebendige Licht", das sich innerhalb des geheimen Zentrums der Gottheit befindet, hat eine vermittelnde Funktion: es übermittelt der Seherin eine Kraft, die ihr das Lebensgefühl eines jungen Mädchens gibt. Die klare Schau des Vorgangs der Vermittlung ist dagegen den Engeln der höchsten Ordnung vorbehalten. In ihrem Hymnus an die Engel singt Hildegard die Cherubim und Seraphim als „Siegel der Geheimnisse Gottes" an:44 Und ihr, Cherubim und Seraphim, Siegel der Geheimnisse Gottes, Lob sei euch, Die ihr den Ort des ewigen Herzens Im Ursprung anschaut. Denn ihr seht Die innere Kraft des Vaters, Die von seinem Herzen her atmet, Wie ein Angesicht. Lob sei euch, Die ihr den Ort des ewigen Herzens Im Ursprung anschaut. Das „ewige H e r z " - „the everlasting heart" (BARBARA NEWMAN) - ist das Innerste des ewigen Vaters, das Zentrum der Gottheit, die Caritas. Das antiquum cor ist aber zugleich auch das Herz der alten Frau Hildegard, das am Geheimnis des Ursprungs der Schöpfung und der Inkarnation teilhat, ohne es wie die Seraphim - zu durchschauen. 45 Einen tiefen Einblick in Hildegards theologisches Weltverständnis und in die Verhältnisse, die unter ihrem Abbatiat in dem Nonnenkonvent von Bingen herrschten, gewährt der Briefwechsel mit der Magistra Tenxwind (Tengswich) von Andernach. 46 Tenxwind war die leibliche Schwester des Abtes Richard von Springiersbach ( f 1158), der in dem von seiner Mutter gegründeten Kanonikerstift eine strengere, am urkirchlichen Armutsideal orientierte Lebensweise eingeführt hatte. In ihrem Brief, der auf die Jahre 1148-1150 datiert wird, kommt Tenxwind auf drei ungewöhnliche Phänomene bei Hildegard selbst und ihrem Konvent zu sprechen, die ihr zu Ohren gekommen sind, wobei, trotz der ehrfürchtigen Stilisierung des Briefes, die latente Kritik unüberhörbar ist. Zu Beginn erwähnt sie die an Hildegard er-
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gangenen außergewöhnlichen Offenbarungen, ohne dazu Stellung zu nehmen: Uber die Meinung (opinione), die bezüglich Eurer Heiligkeit herrscht, ist uns eine weithin verbreitete, seltsame und erstaunliche Kunde (fama) zu Ohren gekommen; sie hat uns den hohen Rang Eurer religiösen Lebensweise und Eures einzigartigen Vorhabens bestens empfohlen. Wir haben nämlich aus dem Zeugnis vieler Menschen erfahren, das Euch von den himmlischen Geheimnissen das meiste, was für die gewöhnlichen Sterblichen schwer zu verstehen ist, durch einen Engel vonseiten Gottes offenbart werde, um es niederzuschreiben, und daß alles, was Ihr zu tun habt, nicht aufgrund menschlicher Überlegung, sondern aufgrund seiner Anweisung angeordnet werde. Wenngleich hier noch keine offene Kritik ausgesprochen wird, so bringt doch die Wortwahl der Schreiberin (De sanctitatis vestre opinione Celebris fama late pervolans quedam mira et stupenda) gleich zu Beginn des Briefes eine gewisse Distanzierung und Skepsis zum Ausdruck. Dieser Eindruck verstärkt sich im weiteren Verlauf des Textes, wo Tenxwind auf zwei merkwürdige consuetudine s in Hildegards Kloster zu sprechen kommt. Auch wir wissen nur aufgrund dieses Briefes von deren Existenz, und da sie von Hildegard nicht bestritten, sondern verteidigt werden, ist an ihrer Tatsächlichkeit kaum zu zweifeln. Eine weitere ungewöhnliche Nachricht über Eure Gewohnheit gelangte zu uns: Eure Jungfrauen nämlich stünden an den Festtagen beim Psalmensingen mit gelösten Haaren in der Kirche; sie benutzten zu ihrem Schmuck weiße, seidene Schleier, die so lang seien, daß sie den Boden berührten; ferner trügen sie auf ihren Köpfen aus Gold geschmiedete Kronen, auf denen seitlich und hinten Kreuze eingraviert seien, an der Stirnseite aber sei die Gestalt eines Lammes fein eingraviert; ferner seien ihre Finger mit goldenen Ringen geschmückt. Der erste Hirt der Kirche allerdings wendet sich in seinem Brief gegen derartige Dinge, indem er folgende Mahnung ausspricht: „Die Frauen sollen sich mit zurückhaltender Scham zurechtmachen, ihr Haar nicht zu Locken drehen, auch keinen Gold- und Perlenschmuck oder kostbare Kleider anlegen" [1 Tim 2,9]. Die vom klösterlichen Reformeifer ihres Bruders angesteckte Magistra von Andernach erlaubt sich also, Hildegard aufmerksam zu machen, daß eine von ihr eingeführte consuetudo im Widerspruch zu der ausdrücklichen Anweisung des Apostels Paulus für Frauen steht, also nicht schriftgemäß ist. Es ist nicht auszuschließen, vielmehr sogar wahrscheinlich, daß derartige eigenwillige Einführungen neuer consuetudines nicht nur das Befremden benachbarter Klostervorsteherinnen erregten (die natürlich auch eifersüchtig und neidisch waren), sondern auch eine von den Ursachen des Konflikts waren, in den Hildegard mit dem Abt und den Mönchen des Disibodenbergs geriet. Ihr Ruhm als Prophetin muß auch zu einem beträchtlichen Zufluß von Gold geführt haben. Hätte sie sonst ihre Jungfrauen mit Seide und kostbarem
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Schmuck ausstaffieren können? A b e r all das stand in eklatantem Widerspruch zur apostolischen A r m u t , welche die zeitgenössischen Reformatoren des klösterlichen Lebens, Bernhard von Clairvaux und N o r b e r t von Xanten, erneut z u m Ideal erhoben hatten. N i c h t anders war es u m die elitäre A u s wahlpraxis Hildegards bei der Zusammenstellung ihres Konvents bestellt: Außerdem - und das scheint uns nicht weniger verwunderlich als all das - führtet Ihr in Eure Gemeinschaft nur Frauen aus angesehenen und adeligen Familien ein, den nicht adeligen und weniger vermögenden aber verweigertet Ihr durchaus das gemeinsame Wohnen. Darüber sind wir überaus erstaunt und geraten in Zweifel und Ungewißheit, wenn wir bei uns im Stillen bedenken, daß der Herr selbst in der Urkirche bescheidene und arme Fischer erwählt hat, und der heilige Petrus den später zum Glauben bekehrten Heiden gesagt hat: „Ich habe in Wahrheit erfahren, daß bei Gott kein Ansehen der Person gilt" [Act 10,34]. Auch erinnern wir uns gut an die Worte des Apostels an die Korinther: „Es gibt bei uns nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, vielmehr hat Gott die niedrigen und verächtlichen Kreise dieser Welt erwählt" [1 Cor 1,26-28]. Wir haben auch alle Verordnungen der älteren Väter, nach denen gerade alle geistlichen Menschen sich ausrichten müssen, so gut wir konnten, sehr genau durchforscht, haben aber in ihnen nichts dergleichen gefunden. Das heißt: die v o n Hildegard in ihrem Kloster eingeführten Gewohnheiten sind Neuerungen,
die in ausdrücklichem Widerspruch zu den Lebensregeln
der Heiligen Schrift stehen, und über die in den Anweisungen der älteren Kirchen- und Mönchsväter nichts zu finden ist. Entsprechend der v o n der Fragestellerin vorgegebenen Reihenfolge geht auch Hildegard an zweiter Stelle auf den V o r w u r f der Ungleichbehandlung der Bewerberinnen für das klösterliche Leben ein. D e r Hauptgrund, weshalb sie es ablehnt, Frauen von niedriger Herkunft in ihr Kloster aufzunehmen, ist, weil sie befürchtet, daß diese die Gelegenheit z u m sozialen Aufstieg benutzen und dadurch U n r u h e und Streitereien in der Gemeinschaft entstehen: Gott beurteilt nämlich jede Person in ihren innersten Absichten, so daß der niedrige Rang (die niedrige Klasse) über den höheren nicht aufsteigt, wie es Satan und der erste Mensch getan haben, die höher emporsteigen wollten, als es ihrem Rang entsprach. Und wer sperrt auch sein gesamtes Vieh in einen Stall: Ochsen, Esel, Schafe, Böcke, so daß sie nicht getrennt sind? So muß auch in dieser Angelegenheit das rechte Augenmaß herrschen, damit nicht verschiedenartige Leute zu einer Herde versammelt werden, um anschließend durch ihren anmaßenden Hochmut und ihre Verschiedenheit auf schimpfliche Weise wieder auseinanderzugeraten; vor allem aber, damit Anstand und Sittlichkeit dort nicht in Verfall geraten, wenn sie sich gegenseitig aus Haß zerfleischen, wenn der höhere Rang über den niederen herfällt und der niedere über den höheren emporsteigt. Denn Gott macht einen Unterschied zwischen den Leuten auf der Erde, wie auch im Himmel, wo er ja die Engel, Erzengel, Throne, Herrschaften, Cherubim und Seraphim unterscheidet. Sie alle werden von Gott geliebt, haben jedoch keine gleichen Bezeichnungen. Der Hochmut liebt die Fürsten und Adeligen eben dadurch, daß er sie erhöht, gleichwohl haßt er sie aber auch, weil sie ihn überwinden. Es steht ge-
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schrieben: „Gott verwirft nicht die Mächtigen, da er selbst mächtig ist" [Job 36,5]. Er liebt aber nicht die Personen, sondern die Werke, die an ihm ihren Geschmack haben, wie der Sohn Gottes sagt: „Meine Speise ist es, den Willen meines Vaters zu tun" Qoh 4,34], W o Demut ist, da speist Christus beständig. Und eben deshalb ist es notwendig, daß die Leute ferngehalten werden, die mehr nach eitler Ehre als nach der Demut streben, wenn sie das zu Gesicht bekommen, was höher als sie ist. Auch soll ein krankes Schaf entfernt werden, damit nicht die gesamte Herde angesteckt wird.
Die fein gesponnene, theologisch verbrämte Argumentation kann ihren eigentlichen Zweck kaum verhüllen: Hildegard möchte keine Schwierigkeiten haben mit Nonnen von niedriger Herkunft, die möglicherweise aufmüpfig werden und die Konformität des Konvents mit Reformideen durcheinanderbringen. Denn dieser Jungfrauen-Konvent steht, wie sie im ersten Teil ihres Briefes dargelegt hat, in paradiesischer Unversehrtheit und in jungfräulicher Heiligkeit. Kleidung und Haartracht der Nonnen an den Feiertagen werden von Hildegard in den Kontext ihrer subtilen Theologie des Wesens der Frau gestellt, deren wichtigste Gedanken wir schon kennengelernt haben. Das „Wesen der Frau" (forma mulieris), ihre Urgestalt gewissermaßen, erstrahlte „in der ersten Wurzel, in der das geformt wurde, in dem jegliche Kreatur verborgen ist". In dieser Ur-Schöpfung hat sie die Berührung durch Gottes Finger erfahren und wurde der ewigen Schönheit teilhaftig. Der Apostel Paulus, der um dieses Geheimnis wußte, da er zum Himmel erhoben worden war, hat gleichwohl die verborgene Wahrheit nicht offenbart (arcana verba: 2 Cor 12,4!).47 Vielmehr, was er über die Verbindung der Frau mit dem Mann und die Verhüllung des weiblichen Haupthaares sagt, das gilt nur für die verheiratete Frau, bei der die ursprüngliche Jugendkraft (viriditas) und die Schönheit-der Blume (pulchritudo floris) vertrocknet ist, „weil der Winter sie weggenommen hat". Diese winterlich ausgetrocknete Ehefrau darf sich, wie der Apostel sagt, nur in dem Maße frisieren und schmücken, wie es dem Willen ihres Ehemannes entspricht. Diese Vorschriften gelten aber nicht für die Jungfrau: „Hec non pertinent ad virginem!" Das gilt aber nicht für die Jungfrau. Die steht vielmehr in der Einfachheit und Unversehrtheit des schönen Paradieses, das niemals trocken erscheinen wird, sondern es bleibt beständig in der vollen Jugendkraft des Zweiges der Blüte (in plena viriditate floris virge). Die Jungfrau hat keinerlei Gebot bezüglich der Verhüllung ihrer jugendkräftigen Haare, sondern sie bedeckt sich allenfalls freiwillig, aus ganz demütiger Gesinnung heraus, weil der Mensch die Schönheit seiner Seele versteckt, damit nicht ein Raubvogel sie aus Hochmut raubt. Die Jungfrauen sind vereint in der Heiligkeit des Geistes und in der Morgenröte der Jungfräulichkeit. Deshalb müssen sie zum höchsten Priester kommen wie ein Gott geweihtes Opfer. Deshalb gehört es sich auch, aufgrund der Erlaubnis und Offenbarung im mystischen Hauch des Fingers Gottes, daß die Jungfrau ein weißes Kleid anlegt, einen deutlichen Hinweis auf die Verlobung mit Christus, indem sie sieht, daß ihr Geist in nahtloser Unversehrtheit gefestigt wird, und indem sie
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erwägt, wer es ist, dem sie verbunden ist, wie geschrieben steht: „Sie haben seinen Namen und den Namen seines Vaters auf ihre Stirn geschrieben" [Apoc 14,1], und wiederum: „Sie folgen dem Lamm, wohin es geht" [Apoc 14,4].
Durch ihre symbolische Kleidung und Haartracht offenbaren Hildegards Jungfrauen zeichenhaft, was Paulus über das Mysterium der Schöpfung verschwiegen hat. Wie sie die vorzeitliche Existenz der forma mulieris bezeugen, so nehmen sie die endzeitliche Existenz der apokalyptischen Jungfrauen voraus. Damit wird auch die Bedeutung der auf den goldenen Stirnreifen der Schwestern eingravierten Symbole, Lamm und Kreuz, klar. Durch die gesamte Herrichtung wird die Jungfrau überdies als Braut und Opfer markiert. Demgegenüber verlieren aktuelle Vorschriften des Kirchenrechts, wie die, daß die geweihten Jungfrauen die Tonsur zu tragen, also ihr Haar kurz zu scheren haben, jede Bedeutung und Verbindlichkeit. Am Schluß ihres Briefes versäumt es Hildegard nicht, Tenxwind, die es gewagt hatte, unter Berufung auf den Maßstab der apostolischen Kirche und die Anweisungen der Väter, an ihrer forma vitae Kritik zu üben, an ihre beschränkte intellektuelle und spirituelle Kapazität zu erinnern und nochmals auf den göttlichen Ursprung ihrer eigenen Worte hinzuweisen: Gott hat den Menschen ihren klaren Verstand eingegossen, damit ihr Name nicht vertilgt wird. Es ist nämlich gut, wenn der Mensch nicht einen Berg angeht, den er nicht bewegen kann, vielmehr im Tal bleibt und nach und nach das lernt, was er begreifen kann. Das hier wurde gesagt von dem lebendigen Licht, nicht von einem Menschen. Wer es hört, soll zusehen und im Glauben bedenken, woher es ist.48
An diesem wie an zahlreichen anderen Punkten zeigt sich die Selbständigkeit und teilweise auch das souveräne Hinweggehen Hildegards über den Rahmen, innerhalb dessen sich die zeitgenössische Schultheologie bewegte. Ihre Visionen, die sie in ihren drei Büchern, aber auch in vielen ihrer Briefe festgehalten hat, waren der Weg, auf dem sie ihr Denken zum Ausdruck brachte, das alles andere als kirchenkonform war.49 Hildegard bewegte sich dabei am Rande der Orthodoxie, ohne jedoch deren Grenzen zu überschreiten. Vielmehr suchte sie, mit Hilfe der gewaltigen, eindrucksvollen Bilder ihrer Visionen in eine tiefere Dimension der überlieferten christlichen Lehren zu führen. Ihr theologisches Denken steht damit nicht nur in der Nachfolge des Augustinus, sondern auch des Orígenes - womit nicht gesagt sein soll, daß sie von dem Werk des großen Alexandriners eine direkte Kenntnis hatte.
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Seherin und Verkünderin einer höheren Weisheit Hildegard war für ihre Zeitgenossen eine Prophetin, eine Art göttliches Orakel, das man befragte, so wie die Griechen einst die Pythia von Delphi befragt hatten. (Sie wird deshalb in der Literatur gelegentlich als „das Orakel von Bingen" bezeichnet). Zeugnis davon geben vor allem die Briefe an sie und von ihr, von denen ungefähr dreihundert überliefert sind. Hildegards Briefe enthalten nicht selten eine überaus scharfe Kritik an den Fürsten und Großpriestern ihrer Zeit: diese Prophetin hat überhaupt kein Blatt vor den Mund genommen; sie sprach ja, in ihrem eigenen Selbstverständnis, als Stimme Gottes: „Haec in vera visione audivi." Im Jahre 1178 hatte Hildegard auf dem Kirchhof ihres Klosters einen Exkommunizierten bestatten lassen, der nach damaligem kanonischen Recht keinen Anspruch auf geweihte Erde hatte. Darauf hatte das Mainzer Domkapitel die Exhumierung des Leichnams, unter Androhung des Interdikts für das Kloster, verlangt. Hildegard verweigert die kirchlich angeordnete Grabschändung unter Berufung auf eine persönliche Offenbarung Christi, was sie dem Erzbischof Christian von Mainz schreibt, der sich damals in Rom aufhielt.50 Die Verweigerung des Gehorsams gegen ein bestehendes Gesetz unter Berufung auf eine höhere Verpflichtung und den direkten persönlichen Zugang zum Göttlichen erinnert an die Sophokleische Antigone, worauf MARIATERESA FUMAGALLI mit R e c h t h i n g e w i e s e n hat. 51 Sanftmütiger Vater, als unsere Mainzer Prälaten uns befahlen, den toten Jüngling, der vor seinem T o d vom Bann losgesprochen und mit sämtlichen Sakramenten des christlichen Glaubens gestärkt - wie ich es Dir auch vorher schon in einem Brief mitgeteilt habe - und dann bei uns bestattet worden war, entweder aus unserem Kirchhof hinauszuwerfen oder den Gottedienst einzustellen, da blickte ich, wie ich zu tun pflege, zum wahren Licht auf. In ihm wies mich Gott an, ich dürfe niemals freiwillig meine Einwilligung dazu geben, daß der hinausgeworfen würde, den er selbst aus dem Schöße der Kirche aufgenommen habe, um ihn zur Glorie des Heils zu bestimmen. Denn es wäre uns daraus eine große, dunkel drohende Gefahr entstanden, weil die Handlung gegen den Willen seiner Wahrheit erfolgt wäre. Wenn mir nämlich diese Furcht vor dem allmächtigen Gott nicht entgegengestanden hätte, hätte ich ihnen demutsvoll gehorcht.
Hildegard befürchtet also eine elementare Rache, wenn die Ruhe des Toten gestört würde. Es tritt hier, genau wie bei Antigone, der urweibliche Instinkt, vielmehr das klare Bewußtsein für das ältere und höhere Recht gegenüber dem bestehenden, auch kirchlich-sakralen, Recht in Aktion - mit dem Unterschied, daß Antigone ein Mythos, eine erdichtete Gestalt ist; im Falle von Hildegard handelt es sich dagegen um historische Tatsachen. Und es ist einer der bemerkenswerten Fälle im Mittelalter, in denen sich vorchristliches, archaisches religiöses B e w u ß t s e i n einer F r a u g e g e n d a s herrschende kirchliche
Machtsystem wendet. Der archaischen Selbstgewißheit Hildegards entspricht
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das große Vertrauen, das ihr Ratsuchende aus allen sozialen Schichten, selbst weltliche und geistliche Großherren, wie der Pythia von Delphi, entgegenbringen. Sie nimmt die Rolle einer Priesterin (im religionsgeschichtlichen Sinne) an, das heißt: einer Mittlerin zwischen Menschen und Gott. An ihr haftet der Glanz des δεινόν, des furchtgebietenden Göttlichen. Aber es geht in dem vorliegenden Fall auch um eine Frage geistlicher Macht: Wer sich innerhalb des Klosterbezirks bestatten ließ, vertraute damit seine Seele der Fürbitte des betreffenden Konvents an, und er hatte dafür, mit Geld oder Immobilienbesitz, bezahlt. Nicht zuletzt durch solche Vermächtnisse war Hildegards Kloster im Verlauf der Jahrzehnte ihres Abbatiats reich geworden. Sie hatte also auch einen Ruf zu verlieren, wenn es ihr nicht gelang, die ihr anvertrauten Toten zu schützen. Bei den Mainzer Prälaten allerdings, „deren Augen verfinstert waren", nutzte auch ihre persönliche Vorsprache nichts, und sie mußte weinend wieder abziehen. Aber der Erzbischof Christian, der Hildegard ehrfürchtig als „vielgeliebte Herrin in Christo" anredet, greift dann doch von Rom aus in ihrem Sinne durch. Wir haben schon Richardis von Stade erwähnt, die Herzensfreundin Hildegards. Richardis war die Schwester des Erzbischofs Hartwig von Bremen. 1151 wurde sie zur Äbtissin des Frauenklosters Bassum bei Bremen gewählt. Hildegard weigerte sich, die Geliebte ziehen zu lassen. Da wandte sich der damalige Erzbischof Heinrich von Mainz in einem Brief an sie, der die Anweisung enthielt, Richardis aus ihrem Konvent zu entlassen und den Gesandten des Erzbischofs von Bremen anzuvertrauen.52 Hildegard dachte nicht daran, dem für sie zuständigen kirchlichen Oberen Gehorsam zu leisten. An den Erzbischof schreibt sie in prophetisch-dunkler Sprache (im Namen Gottes!):53 Die klar durchsichtige Quelle, die nicht trügerisch, sondern gerecht ist, spricht: Die Gründe, die über die Vollmacht über dieses Mädchen vorgebracht wurden, sind bei Gott nutzlos, weil ich, der Hohe und Tiefe und Umfassende, der ich das hereinfallende Licht bin, sie weder festgesetzt noch ausgewählt habe, sondern sie wurden ausgedacht in der zusammenwirkenden Frechheit unwissender Herzen. Alle Gläubigen sollen dies hören mit den aufnahmefähigen Ohren des Herzens und nicht mit den Ohren, die äußerlich hören wie das Vieh, das nur den Ton aufnimmt, nicht das Wort. Der Geist Gottes sagt im Eifer (zelo): O Hirten, weint und trauert in dieser Zeit, denn ihr wißt nicht, was ihr tut, weil ihr die für Gott festgesetzten officia [d.h., die Ämter oder Gottesdienste, oder beides] in Geldmittel zerstreut [d. h., in Geldmittel umsetzt] und zur Verdummung mieser Menschen, die keine Gottesfurcht haben. Deshalb sind auch eure verfluchten boshaften und drohenden Worte nicht anzuhören. Eure in dieser Weise hochmütig erhobenen Zuchtruten sind nicht in der Autorität Gottes ausgestreckt, sondern mit den Strafen sanktioniert, die ihr Euch mit eurem verbrecherischen Willen anmaßt. Aber der, der ist, sagt Dir, o Mensch: Höre, der du mich in vielen Diensten vernachlässigst! Der Himmel steht zur Rache Gottes offen, und jetzt sind die Stricke für die Feinde herabgelassen. Du aber steh auf, weil deine Tage kurz bemessen sind, und erinnere dich, daß Nabuchodonosor gefallen ist und seine Krone verlorenging. Und viele andere sind gefallen, die sich vermessen zum Himmel
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erhoben. Ach, du Asche, warum schämst Du dich nicht, dich in die Höhe auszubreiten, da Du doch im Dreck liegen müßtest? Jetzt sollen also die Tollen schamrot werden. Du aber steh auf und laß den Fluch zurück, indem Du die Flucht davor ergreifst. Aber die aus Hildegard sprechende Stimme Gottes beeindruckte natürlich die Großpriester in keiner Weise, weder den Erzbischof von Mainz, noch den von Bremen, noch den A b t des Disibodenberges. D a wandte sich Hildegard an den Papst Eugen III. persönlich, mit dem Erfolg, daß der Papst zwar an den Erzbischof von Mainz schrieb, ihm aber doch die Entscheidung über die Zukunft der Schwester anheimstellte. 54 D a s heißt: es geschah nichts. Damit sind Hildegards Mittel erschöpft; sie resigniert. In ihrem Abschiedsbrief, den sie an die Freundin schreibt, stehen die bemerkenswerten Sätze: 55 Höre, Tochter, mich, Deine Mutter, die Dir im Geiste sagt: Mein Schmerz ist gewachsen. Der Schmerz macht den Trost und das große Vertrauen, das ich in einen Menschen hatte, zunichte. Von jetzt an werde ich sagen: „Besser ist es auf Gott zu hoffen als auf die Fürsten" [Ps 114,9], Deswegen soll sich der Mensch nicht auf eine hochgestellte Persönlichkeit verlassen, die vergeht, so wie eine Blume fällt. Darauf habe ich nicht geachtet wegen der Liebe zu einem edlen Menschen ... Ich habe den Adel Deiner Sitten geliebt, Deine Weisheit, Deine Keuschheit, Deine Seele, Dein ganzes Leben, so daß viele sagten: Was tust du da? ... Denk an Deine arme Mutter Hildegard, damit dein Glück nicht schwinde! K u r z nach ihrer Ankunft in Bassum starb Richardis (am 29. N o v e m b e r 1152). Ihr Bruder, Erzbischof Hartwig, schrieb an Hildegard, die junge Frau habe noch vor ihrem T o d die Absicht geäußert, zu ihrer ehemaligen Äbtissin zurückzukehren. 5 6 Hildegard antwortet ihm voll Trauer, aber mit ungebrochenem Selbstbewußtsein: 57 Jetzt höre zu, mein Lieber! Das ist so geschehen mit meiner Tochter Richardis, die ich meine Tochter und Mutter nenne, weil in meinem Herzen die vollkommene Liebe zu ihr war. Denn das lebendige Licht hat mich in einer sehr starken Vision gelehrt, sie zu lieben ... Jetzt, mein lieber Hartwig, der Du die Stelle Christi einnimmst, erfülle den Willen der Seele deiner Schwester, wie es der notwendige Gehorsam erfordert. Und wie sie immer besorgt war um Dich, so sei Du es jetzt für ihre Seele, und tue gute Werke, wie sie es immer gewollt hat. So verjage auch ich den Schmerz aus meinem Herzen, den Du mir zugefügt hast in dieser meiner Tochter. D a s scheint doch, auf der H ö h e des Mittelalters, mehr als nur ein H a u c h von antiker Tragik zu sein. Hildegards Liebe hat sich, trotz ihres „geistlichen", „platonischen" Charakters, durchaus in irdischen Dimensionen entfaltet. D a s unterscheidet die Pythia von Bingen von den Mystikerinnen des 13. und 14. Jahrhunderts, deren Liebe (und Erotik) sich ausschließlich auf den himmlischen König und Bräutigam ausrichtete. 58
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Hildegard hat auch mit der einflußreichsten Persönlichkeit ihres Zeitalters, mit Bernhard von Clairvaux, einen Briefwechsel gehabt. Aus den Texten der beiden Briefe geht nicht klar hervor, welcher das Anschreiben und welcher die Antwort ist.59 Es scheint so, als habe Hildegard zuerst einen Brief an Bernhard geschrieben, der jedoch nicht erhalten ist; denn der Brief Bernhards ist zweifellos ein Antwortschreiben. Der noch erhaltene Brief Hildegards wiederum erweist sich bei näherem Zusehen als Antwort auf Bernhards Schreiben. Bernhard zeigt im Umgang mit der Prophetin noch eine gewisse Unsicherheit: er umkreist sie. Der letzte Satz des Briefes enthält, in sanftmütige Suada eingehüllt, eine unüberhörbare Warnung. Hildegard, der geliebten Tochter in Christo, Bruder Bernhard, der sogenannte Abt von Clairvaux, wenn denn das Gebet eines Sünders etwas vermag. Daß einige Leute über unsere Bedeutungslosigkeit ganz anders, als wir uns selbst einschätzen, zu denken scheinen, ist nicht unseren Verdiensten, sondern der Dummheit der Menschen zuzuschreiben. Ich beeile mich aber, an die Süßigkeit Deiner frommen Liebe zu schreiben, obwohl mich die Fülle meiner Geschäfte dazu drängt, mich viel kürzer zu fassen, als ich möchte. Wir gratulieren Dir zu der Gnade Gottes, die in Dir ist, und wir ermahnen Dich, sie als Gnade zu haben und danach zu streben, ihr mit Deiner ganzen Gesinnung der Demut und Frömmigkeit zu antworten, in dem Bewußtsein, daß Gott den Hochmütigen widersteht, den Demütigen aber Gnade gibt Qac 4,6; 1 Petr 5,5]. Im übrigen: wo die innere Bildung ist und die Salbung, die über alles belehrt, was können wir da lehren oder ermahnen? Man sagt nämlich, daß Du die himmlischen Geheimnisse erforschst und das, was die menschliche Fassungskraft übersteigt, mit Hilfe der Erleuchtung durch den Heiligen Geist erkennst.60 Deshalb bitten wir umso mehr und verlangen demütig, daß Du bei Gott unserer gedenkst und auch derjenigen, die mit uns in geistlicher Gemeinschaft verbunden sind. Denn viel gilt das beständige Gebet des Gerechten [Jac 5,16]. Auch wir beten beständig für Dich, daß Du gestärkt werdest zum Guten, gelehrt werdest zum Inneren, gelenkt werdest zum Bleibenden, damit nicht diejenigen, die ihre Hoffnung auf Gott gestzt haben, Deinetwegen verzweifeln und ins Stolpern geraten, sondern daß sie in dem Segen, den Du offenbar von Gott erhalten hast, ordentlich gestärkt immer weiter zu Gott fortschreiten.
Hildegards Antwort an den Abt bewegt sich zwischen dunklen Andeutungen über die Größe und den unheimlichen Charakter ihrer Visionen und einem Grundriß ihrer Trinitäts- und Schöpfungslehre, zwischen der lebhaften Schilderung ihrer Schwachheit und Ungewißheit und der selbstbewußten Betonung ihrer gottgegebenen höheren Gelehrsamkeit. Sie appelliert an das Verständnis, die vom Heiligen Geist inspirierte Weisheit Bernhards. Bemerkenswert ist ihre Sicht des Sündenfalls, der die Verbannung Adams in eine fremde Welt nach sich zog. In der Sicht der Welt als Exil deutet sich eine platonische Grundströmung im Denken Hildegards an. In der Kreatur tönt gleichwohl noch etwas von der ursprünglichen Harmonie nach (vgl. Rom 8,22!). In der Inkarnation, die im Leib der Jungfrau geschieht, wird das ewige Lied wieder
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z u m Klingen gebracht. In dem durch die Erlösung erneuerten K o s m o s erhält es gewissermaßen ein Gehäuse. Wie Bernhard schließt sie ihren Brief mit einer unmißverständlichen Warnung: in ihren Worten geistlos herumzustochern; und das heißt doch wohl: in inquisitorischer Manier darin nach Ketzereien zu suchen. Im Geiste der Geheimnisse sage ich Dir, ehrwürdiger Vater - der Du auf wunderbare Weise in den hohen Ehren der Kraft Gottes sehr zu fürchten bist für die haarsträubende Dummheit dieser Welt; für das Feldzeichen des heiligen Kreuzes nimmst Du mit hohem Eifer in glühender Liebe zum Sohne Gottes die Nenschen ein zum Kriegführen im Rittertum Christi, gegen die Wildheit der Tyrannen - ich sage Dir, daß ich sehr eingespannt (constricta) bin in der Vision, die mir im Geist der Geheimnisse erscheint und die ich nicht mit den äußeren fleischlichen Augen sehe. Ich Elende und mehr als Elende im weiblichen Geschlecht habe von meiner Kindheit an große Wunder gesehen, die meine Zunge nicht zum Ausdruck bringen kann, es sei denn, der Geist Gottes lehrt mich, wie ich sie sagen soll. Gewisser (certissime) und sanftmütiger Vater, höre in Deiner Güte mich, Deine unwürdige Dienerin, die ich seit meiner Kindheit niemals in Sicherheit gelebt habe, und erkenne mit Deiner Frömmigkeit und Weisheit in Deiner Seele in der Weise, wie Du es im Heiligen Geiste gelehrt wirst! Mit dem nämlich, was Dir über mich gesagt wurde, verhält es sich folgendermaßen: Ich weiß nämlich bei einem Text die innere Bedeutung [interioran intelligentiam: den inneren Sinn] der Auslegung des Psalters, des Evangeliums und der anderen Bücher, die mir in dieser Vision gezeigt werden; sie berührt meine Brust und verbrennt meine Seele wie eine Flamme, indem sie mich diese tiefen Bedeutungen lehrt; doch lehrt sie mich die Texte, die ich nicht verstehe, nicht in deutscher Sprache. Ich kann nur in Einfalt lesen, nicht in der Einteilung des Textes in Abschnitte, weil ich ein ungelehrter Mensch bin in jeglicher Beherrschung eines äußerlichen Stoffes. Aber drinnen in meiner Seele bin ich gelehrt. So spreche ich denn auch zu Dir, indem ich an Dir nicht zweifle, sondern aus Deiner Weisheit und Frömmigkeit empfange ich Trost dafür, daß viele Spaltungen bei den Menschen sind, wie ich die Menschen erzählen höre. Denn einem Mönch, den ich über einen besseren Lebenswandel befragt habe, habe ich das zuerst gesagt, und ich habe ihm alle meine Geheimnisse mitgeteilt. Und er hat mich getröstet, weil nämlich diese Dinge groß und furchtbar sind. Ich möchte, Vater, daß Du um der Liebe Gottes willen meiner in Deinen Gebeten gedenkst. Ich habe Dich vor zwei Jahren in dieser Vision gesehen als einen Menschen, der in die Sonne blickt und keine Furcht hat, sondern sehr kühn ist. Und ich weinte, weil ich nur Scham empfinde und mutlos bin. Guter und sanftmütiger Vater, nimm mich in Deine Seele, bete für mich, weil ich große Mühen mit dieser Vision habe, um das zu sagen, was ich sehe und höre! Und dann erleide ich infolge dieser Vision heftige Schwächeanfälle und werde aufs Bett gestreckt, weil ich schweige, so daß ich mich nicht mehr aufrichten kann. Ich weine also in Trauer vor Dir, weil ich beweglich bin in meiner Natur mit der Bewegung eines Kelterbaums, entsprungen aus einer in Adam aufsteigenden Wurzel, der zu einem in eine fremde Welt Verbannten wurde aufgrund der Einflüsterung des Teufels. Jetzt aber stehe ich auf und laufe zu Dir. Ich sage Dir: Du bist nicht beweglich, aber Du richtest den Baum immer auf, und Du bist Sieger in Deiner Seele, indem
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Du nicht allein dich, sondern auch andere Menschen zum Heil aufrichtest. Du bist auch ein Adler, der in die Sonne blickt. Ich bitte Dich durch die Heiterkeit des Vaters und durch sein wunderbares Wort und durch die milde Gesinnung der Reue, nämlich den Geist der Wahrheit, und durch den heiligen Schall, mit dem jegliche Kreatur tönt [vgl. Rom 8,22!], und durch das Wort selbst, von dem die Welt entstanden ist, und durch die Höhe des Vaters, der das Wort in angenehmer Frische [viriditas: Jugendkraft] in den Uterus der Jungfrau sandte, aus dem es sein Fleisch [carnem; vielleicht zu lesen: carmen: sein Lied!] saugte, so wie der Honig durch die Wabe ringsum aufgebaut wird, damit Du nicht müßig in meinen Worten blöd herumstocherst. Lege sie vielmehr in Dein Herz, damit Du nicht aufgibst, während Du durch die Tür Deiner Seele hindurchgehst, indem Du zu Gott für mich aufblickst; denn er will Dich. Lebe wohl in Deiner Seele, und sei stark in Gott in Deinem Kampf! Amen. Hildegards Größe besteht nicht zuletzt darin, daß es ihr gelang, aus der stinkenden Klause, in der ihre Eltern sie als Kind eingemauert hatten, aufzutauchen, u m zur Prophetin zu werden, bei der kirchliche und weltliche Großherren Rat und Fürbitte suchten. Auf ihre ganz originelle Weise hat sie Anteil an dem großen geistigen Aufbruch, der „Renaissance" des 12. Jahrhunderts. U n d der furchtbare Abt von Clairvaux bahnte ihr, wenige Jahre nachdem er Abaelard beiseitegedrückt hatte, der immerhin der größte Denker seines Zeitalters war, den W e g zur päpstlichen Anerkennung als inspirierte Stimme des göttlichen Geistes.
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SCHÖNAU
Offenbarte Kirchengeschichte Die bei uns übliche Kirchengeschichtsschreibung ist ganz überwiegend kirchenpolitisch orientiert. Daneben gibt es die Dogmen- und Theologiegeschichte, deren Forschungsgegenstand die „hohe" Theologie ist. Die Geschichte der Frömmigkeit, der religiösen Mentalität und der Volksreligion wird weitgehend vernachlässigt.1 Zumindest ebenso wichtig wie die theologischen Ideen waren aber in der Geschichte des Christentums die Visionen und Offenbarungen, oft mitgeteilt mit dem gleichen Anspruch göttlicher Autorität und Legitimation wie die heiligen Schriften der Bibel. Die Visionen beziehen sich meistens auf jenseitige, himmlische Verhältnisse oder sie sind in die Zukunft weisende Prophetien. Daß auch geschichtliche Ereignisse beschrieben werden, ist eher selten. Bei Elisabeth von Schönau ist es der Fall, und es betrifft das Martyrium der heiligen Ursula und der elftausend Jungfrauen zu Köln. Eine solche mit dem Anspruch auf Historizität auftretende, gänzlich unglaubwürdige Legende ist sich für aufgeklärt und kritisch haltenden Historikern eher peinlich. Und auch die Systematiker unter den Theologen halten derartige Geschichten für „überwunden", weil sie weitgehend vergessen sind. Elisabeth, eine etwas jüngere Zeitgenossin der heiligen Hildegard, war Nonne in dem Kloster Schönau an der Quelle des Mühlbachs (Millus fluviolus), der bei Nassau in die Lahn mündet. Es war ein Doppelkloster, das im Mittelalter zum Erzbistum Trier gehörte (heute zur Diözese Limburg). Ihre Visionen begannen im Jahre 1152. Sie war damals dreiundzwanzig Jahre alt und seit elf Jahren im Kloster. Sie ist demnach 1119 geboren und war also genau zwanzig Jahre jünger als Hildegard. Sie starb am 18. Juni 1164, in ihrem sechunddreißigsten Lebensjahr.2 Elisabeths Visionen wurden von ihrem Bruder Ekbert auf Geheiß ihres Abtes aufgeschrieben.3 Ekbert, der später selbst Abt von Schönau wurde, hat dazu auch ein Vorwort verfaßt. Erhellend für Elisabeths Seelenzustand am Beginn ihrer Visionen und überhaupt von großer Aussagedichte ist das zweite Kapitel des ersten Buches der Visionen. Es geschah am heiligen Pfingsttag, als die Schwestern sich zum Herrenmahl (ad Dominicam coenam) versammelten. Ich wurde durch irgend ein Ereignis verhindert, an dem göttlichen und lebenspendenden Sakrament teilzunehmen. So erheiterte die Festlichkeit jenes Tages mich nicht wie gewöhnlich, sondern ich verblieb den ganzen Tag über in einer gewissen Düsternis. A m T a g darauf und in dieser ganzen Woche ging ich traurig und in der gleichen Düsternis des Gemüts
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einher, und ich konnte die Traurigkeit von meinem Gemüt nicht abschütteln. Alle Vergehen stiegen in meinem Herzen mehr als gewöhnlich auf, und ich vergrößerte die einzelnen bei mir. Auf diese Weise häufte ich meine Schmerzen an.
Elisabeth schildert hier mit großer Genauigkeit den Anfang eines depressiven Seelenzustandes, dessen ersten Anlaß sie in ihrer Verhinderung, an der feierlichen Pfingstmesse teilzunehmen, sieht. Die Niedergeschlagenheit wurde noch verstärkt durch übertriebene Gewissensskrupel bezüglich vergangener Sünden. Als nun diese ungute Traurigkeit (non bona tristitia) allmählich in mir wuchs, wurde ich in meinem Geist so verdunkelt, daß ich meinte, ich ginge, wohin ich mich auch wandte, in Finsternis umher, im Vergleich zu dem Licht, das ich vorher in mir wahrgenommen hatte. Inzwischen wurde ich auch von solchem Ekel erfaßt, daß es gar nichts gab, das mir nicht innerlich zuwider war. Sogar die Gebete waren mir lästig, die mich vorher in höchstem Maße erfreut hatten. Das Psalterium, das mir stets angenehm gewesen war, warf ich weit von mir weg, wenn ich kaum einen Psalm zu Ende gelesen hatte. Wenn ich dann die Sache erneut bedachte und mich bei mir selbst über das wunderte, was mir zugestoßen war, dann nahm ich es wieder an mich und las weiter. Aber ich erlebte erneut einen geistigen Zusammenbruch.
Die „ungute Traurigkeit" steigert sich bei Elisabeth zu einem Zustand allgemeinen Überdrusses. Der Ekel bezieht sich sogar auf die Stütze des spirituellen und meditativen Lebens, das Psalterium. Nebenbei erfahren wir bei dieser Gelegenheit, daß Elisabeth lesen konnte und daß sie die lateinische Sprache beherrschte. Im folgenden erzählt die Seherin dann, wer der Verursacher des zuvor geschilderten Seelenzustandes ist und wie sich das Gefühl der Traurigkeit und des Überdrusses bei ihr zum intellektuellen Glaubenszweifel an fundamentalen christlichen Wahrheiten steigerte. Denn mein Feind goß alle seine Kräfte in mich aus. Dieser Treulose ließ mich sogar im Glauben wanken, so daß mir über unseren Erlöser Gedanken des Zweifels kamen (dubie cogitarem) und ich bei mir selbst sagte: Wer war denn jener, der sich so sehr wegen der Menschen verdemütigte? Ist denn das alles, was über ihn geschrieben steht, auch wahr? Ich wandte mich zu einem anderen Gedanken und sagte: Er war aber doch ein guter Kerl, wer immer es war, von dem soviel Gutes gepredigt wird. In gleicher Weise hegte ich auch über unsere allerseligste Fürsprecherin Gedanken des Zweifels, als die Schwestern ihr Andenken begingen.
Es wird hier deutlich, daß der Zweifel, der inzwischen an den theologischen Lehranstalten, den Domschulen, hauptsächlich durch den Einfluß Abaelards, Mode und Methode geworden war, auch das meditative Milieu der Frauenklöster erreicht hatte. Bemerkenswert ist hier aber noch ein modern anmutender Vorgang: Der Zweifel an der göttlichen Natur Christi hat eine Zuwendung zu dem „guten Menschen" Jesus zur Folge - wie wir es auch in der
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kirchlichen Verkündigung des ausgehenden 20. Jahrhunderts beobachten können. Mit anderen Worten: wenn der Glaube an Göttlichkeit und Erlösertum Christi verlorengeht, glaubt man in der Beispielhaftigkeit, den ethischen Qualitäten des Menschen Jesus das eigentliche Zentrum des Christentums vorstellen zu können. Was aber besagt der gleichartige Zweifel bezüglich „unserer Anwältin", von dem Elisabeth spricht? In dem Begriff „advocata nostra" ist zweifellos eine Anspielung an das Salve Regina gegeben. Wenn die Schwestern diese berühmte Antiphon sangen, dann erfaßten Elisabeth auch Zweifel bezüglich der Mittlertätigkeit der Jungfrau Maria. Und was Wunder, Bruder? Beinahe jedes Gefühl in mir war verdreht. Manchmal aber, wenn ich mich wieder faßte, erkannte ich, daß ich versucht wurde, und ich leistete tapfer Widerstand und bat meine vertrauten Gefährtinnen, für mich zu beten. Aber mein Feind insistierte nur umso mehr und brachte mich so in Verwirrung, daß es mich sogar anwiderte, zu leben. Speise und Trank konnte ich vor lauter Ekel nur noch ganz wenig zu mir nehmen, und allmählich nahm ich am ganzen Körper ab und schwand dahin. Schließlich flüsterte dieser Treulose mir ein, ich solle meinem Leben selbst ein Ende machen; so könnte ich meinen Beschwernissen, die ich so lange ertragen hatte, ein Ende machen.
Elisabeth schildert hier den äußersten Tiefpunkt ihrer Krise, in dem ihr, wie Shakespeares Hamlet, der Suizid der einzige Ausweg aus allen Widrigkeiten des Lebens zu sein scheint.4 Dies ist eine der wenigen Stellen, an denen im christlichen Mittelalter, in dem der Selbstmord äußerst selten war, über ihn existentiell reflektiert wird. Elisabeth wird von ihrer Versuchung plötzlich befreit, indem „der nicht schlafende Wächter Israels", das heißt: der Gott, den sie aus den Psalmen kennt,5 sie die Bosheit Satans erkennen läßt und ihre Seele damit vor der Hölle bewahrt: Aber in dieser üblen Versuchung schlief über mir nicht der Wächter Israels. Er ließ nämlich nicht zu, daß diese übergroße Bosheit die Herrschaft über mich gewann, sondern ließ mich die Arglist meines Feindes, der mich belauerte, erkennen und brachte mich auf diese Weise plötzlich von meinem Gedanken ab. Wie reich bist Du, Herr, in deiner Barmherzigkeit, der Du diejenigen, die auf Dich vertrauen, aus solchen Gefahren befreist! Ich bekenne Dir, Vater [Mt 11,25]: Hättest Du mir nicht beigestanden, hätte meine Seele beinahe ihre Wohnung in der Hölle genommen [Ps 93,17],
Wie Hildegard von Bingen hatte Elisabeth auch Teufelsvisionen. Im dritten Kapitel des ersten Buches berichtet sie über eine Erscheinung, die sie am Fest des heiligen Maximin (29. Mai) hatte:6 An diesem Tag, zur Zeit der Komplet, sah ich in unserer Kapelle ein kleines phantastisches Gebilde, das mit so etwas wie einer Mönchskukulle bekleidet war. Sogleich nach dem Beten der Komplet hatte ich einen schweren Schwächeanfall, und ich bat die Magistra, sie möchte mich zusammen mit den Schwestern in den
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Kapitelsaal begleiten und sie möchten dort über mir beten. Als ich mich dort vor dem Crucifixus zu Boden werfen wollte, wurden meine Knochen so steif, daß ich nicht einmal mehr die Knie beugen konnte. Ich nahm mich deshalb gewaltsam zusammen und warf mich mit meinem ganzen Gewicht zu Boden. Als ich mich vom Gebet wieder erhob, wurde das Evangelienbuch herbeigebracht, und sie ließen mich die Leidensgeschichte des Herrn lesen. Sie halfen mir dabei, weil ich zu schwach war zum Lesen. Während wir aber lasen, erschien mir die gleiche phantastische Gestalt wie zuvor. Und als wir die Stelle lasen, w o der Evangelist sagt: „Es fuhr aber der Satan in Judas mit dem Beinamen Iskarioth" [Lc 22,3], da begann der Bösewicht sich zu freuen und zu lachen. Ich sagte zu den Schwestern, sie sollten ihn vertreiben. Sie aber fragten verwundert, von wem ich zu ihnen spräche. Als dann das Evangelium zu Ende gelesen war, verschwand er.
Nach dieser Heimsuchung durch einen Rumpelstilzchen-ähnlichen Dämon hatte Elisabeth noch weitere Satans-Erscheinungen: der Teufel erschien ihr in Gestalt eines kurzgewachsenen Menschen, eines abscheulichen Köters, eines großen Stieres; schließlich nahm er die Gestalt eines gepflegten Klerikers in weißem Chorhemd an, der ihr gegenüber eine unanständige Gebärde machte.7 Im ersten Buch der Visionen sind hauptsächlich Gesichte von biblischen Ereignissen und Gestalten beschrieben. Elisabeth sieht aber in ihren Ekstasen auch die himmlische Glorie oder Teile davon. Besonders eindrucksvoll ist die sogenannte Rad-Vision im dreizehnten Kapitel: die Chöre der Engel und Heiligen mit dem Thron Gottes in der Mitte bilden ein riesiges Rad. Die Vorstellung radförmiger Gebilde als Symbolen der ewigen Herrlichkeit ist der damaligen Zeit vertraut: Hildegard von Bingen hatte eine ähnliche Vision gehabt,8 und der Kaiser Friedrich Barbarossa stiftete 1165 den berühmten Radleuchter der Pfalzkapelle zu Aachen.9 Danach erfährt Elisabeth eine besondere Vision des Mysteriums der Trinität. Der Einfluß der Johannes-Apokalypse ist überall deutlich zu erkennen: die Visionen des Sehers der Apokalypse dienen Elisabeth als Vorbild. Im zweiten Buch sind Visionen der Erzengel, der elftausend Jungfrauen, des Fegfeuers, des himmlischen Jerusalem, der Passion, Auferstehung, Himmelfahrt Christi, des Himmels und andere beschrieben. Elisabeth hat einen besonderen Engel in Jünglingsgestalt, der zu ihr spricht und ihr das Geschaute deutet. Derselbe Engel heilt sie auch einmal von einer schweren Krankheit und stärkt sie beständig. Er diktiert ihr streng tadelnde Worte an die Christen, die falschen Klosterinsassen - Mönche und Nonnen - und unwürdigen Priester. Die Zerstörung der religiösen Lebensweise nimmt ihren Ausgang von den Priestern.10 Das dritte Buch der Visionen wurde 1156 niedergeschrieben. Es enthält vor allem Predigten, die Elisabeth in ihrer Ekstase eingegeben wurden: über die Wege (viae), auf denen die „Stände" in der Kirche zur Vollkommenheit und Seligkeit gelangen können: die Kontemplativen, die Aktiven, die Märtyrer, die Verheirateten, die Enthaltsamen usw. Die Verheirateten werden vor allem
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Elisabeth von Schönau
vor einem widernatürlichen Geschlechtsverkehr gewarnt (es sind damit sexuelle Praktiken gemeint, bei denen die Zeugung ausgeschlossen ist). Sie sollen nicht nach Art und Weise der Tiere miteinander verkehren. Weiterhin werden sie aufgerufen, an den dafür vorgesehenen Festtagen und Zeiten Enthaltsamkeit zu üben." In dem Kapitel über die Jungfräulichkeit geht es um die integritas. Wird die jungfräuliche Integrität bereits durch die in der Versuchung aufsteigende Begierde verletzt? Antwort des Engels: Ja, aber nicht so, daß der Schaden irreparabel wäre. Man kann durch Buße und gute Werke die erlittene Verletzung wieder heilen.12 Im vierzehnten Kapitel des dritten Buches geht es um den Lebenswandel des Hochklerus. Die Hirten der Kirche sind wie in einem tiefen Schlaf befangen. Sie sind Ehebrecher, Hurenböcke, Gewalttäter, Diebe, Meineidige, Wucherer, Betrüger. Der Apostolische Stuhl wird durch Hochmut okkupiert; die Habgier wird dort gepflegt; er ist erfüllt mit Bosheit und Gottlosigkeit; die Großpriester geben den Schafen Gottes ein schlechtes Beispiel und führen sie in die Irre, anstatt sie zu behüten und zu leiten. Dem Hochklerus (magnis Praelatis Ecclesiae) wird das Gericht Gottes angedroht. Das vierte Buch (niedergeschrieben 1157) enthält vor allem die berühmte Vision über die heilige Ursula und die elftausend Jungfrauen von Köln sowie einige Briefe (z.B. an die lebenden Schwestern der heiligen Jungfrauen zu Köln und an den Abt Gerlach von Deutz). Am 29. Juni (St. Peter und Paul) 1157 diktiert der Engel des Herrn Elisabeth einen Brief an die Erzbischöfe von Trier, Köln und Mainz:" Angekündigt sei Euch von dem großen und zu fürchtenden Herrgott und von dem Engel des Testamentes [vgl. Mal 3,1!] dieses Buches, damit Ihr die Worte, die Ihr in dem vorliegenden Buch finden werdet, der Römischen Kirche und dem gesamten Volk und der gesamten Kirche Gottes verkündigt: Reinigt euch und kehret um von euren Irrtümern, und nehmt die heilige und göttliche Ermahnung nicht unwillig auf, denn es handelt sich hier nicht um menschliche Erfindungen. Ich sage Euch aber aufgrund eures offiziellen Titels, denn Ihr seid in dieser Provinz hier die offiziellen Vertreter der Religion: Lest und hört die göttlichen Ermahnungen und nehmt sie auf mit sanftem Gemüt, und bildet euch nicht ein, die hier gesagten Dinge seien Weiberphantasien; denn das sind sie nicht. Vielmehr stammen sie von Gott, dem allmächtigen Vater, welcher die Quelle und der Ursprung aller Güte ist. Was ich aber Euch sage, das sage ich auch allen anderen.
Was hier in hochfahrendem prophetischen und geradezu aggressiven T o n angekündigt wird, sind die in dem Brief folgenden Offenbarungen über Ursula, Königin von Britannien, und ihre elftausend Jungfrauen. 1156, in der Regierungszeit des Erzbischofs Arnold II., waren an der Stadtmauer von Köln, in der Gegend des Eigelsteins, zahlreiche Gräber, zum Teil mit römischen Inschriften, entdeckt worden. Die exhumierten Gebeine hielt man für die der elftausend Begleiterinnen der heiligen Ursula. 14 Man fand auch ein Grab mit der Inschrift: „Sancta Verena Virgo et Martyr". Die Gebeine dieser Jungfrau
Offenbarte Kirchengeschichte
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schenkte der Abt Gerlach von Deutz dem Abt Hildelin von Schönau. Später schickte Gerlach eine große Menge weiterer Gebeine - es waren laut Grabinschriften auch Männer darunter - an Elisabeth, um sie indentifizieren zu lassen. Die heilige Verena offenbart Elisabeth, daß es sich bei den Männern um britannische Bischöfe handelt, die sich dem Zug der Jungfrauen angeschlossen hatten, sowie den Bischof Pantulus von Basel, der das Heer der Mädchen über die Alpen bis nach Rom geleitet hatte. Nach der Legende sollten der Papst Cyriacus und der Kardinalpriester Vincentius die Jungfrauen nach Köln zurückgeleitet und dort mit ihnen den Märtyrertod erlitten haben. Dieser Cyriacus sei ein geborener Engländer gewesen, der elfte in der Reihe der römischen Päpste. Er habe abgedankt, um die Jungfrauen auf ihrer Rückreise zu begleiten. Daraufhin entstand eine Feindseligkeit der Kardinäle gegenüber den Jungfrauen. Zum Nachfolger des Cyriacus wurde Antherus gewählt. Elisabeth sieht nun im Katalog der Päpste nach und findet dort keinen Cyriacus. Verena offenbart ihr die Lösung: er wurde in das Verzeichnis der Päpste nicht aufgenommen, weil er abgedankt hatte! Die namentliche Identifizierung zahlreicher Gebeine durch Elisabeth von Schönau aufgrund ihrer visionären Offenbarungen gab dem ElftausendJungfrauen-Kult einen gewaltigen Auftrieb. Zu verstehen ist dies auf dem Hintergrund des geradezu explosionsartigen Anschwellens des Reliquienkultes im 12. Jahrhundert. Am 1. September 1127 waren in der Abtei St. Eucharius zu Trier die angeblichen Gebeine des Apostels Matthias „wiedergefunden" worden. Bei der Weihe der neuen Abteikirche St. Matthias hatte man eine Unmenge von Reliquien in die Altäre eingemauert.15 Nach dem Fall Mailands am 1. Mai 1162 wurden die Gebeine der Heiligen Drei Könige oder das, was man dafür hielt, nach Köln gebracht, wo sie heute noch in dem berühmten Schrein auf dem Hochaltar des Doms liegen. In Köln wurde auch eine weitere legendäre Märtyrerschar, die quer durch Europa gezogen war, verehrt: die Thebäische Legion. Ihre Kultstätte war die Kirche St. Gereon, die damals erweitert wurde. Weitaus bedeutender war aber der um St. Ursula und ihre Begleiterinnen gesponnene phantastische Mythos - der absolute Gipfel der Verherrlichung des Jungfräulichkeitsideals. Elftausend Jungfrauen ziehen zweimal durch ganz Europa und erleiden schließlich in Köln das Martyrium: eine märchenhafte Vorstellung, die aber geglaubt und deren historische Glaubwürdigkeit durch Elisabeth von Schönau untermauert wurde. Das fünfte Buch (in der Ausgabe von ROTH ist es das vierte) enthält die Briefe, die Elisabeth an kirchliche Persönlichkeiten ihrer Zeit sowie an Männer- und Frauenklöster geschrieben hat. Im Prolog wird erzählt, wie ein Mönch aus der Abtei Busendorf im Bistum Metz Elisabeth besuchte und sie um ein Schriftstück zu seinem Trost bat. Dieser Mönch hieß Ludwig und wurde später Abt von St. Eucharius (St. Matthias) in Trier. Elisabeth erfüllte ihm seinen Wunsch und gab ihm auch einen Brief für den Abt von Busendorf mit. Von da an diktierte sie weitere Briefe. Sie korrespondierte auch mit Hil-
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Elisabeth von Schönau
degard von Bingen." In einem Brief beklagt sie sich bei der älteren Mitschwester über die Anfeindungen, die sie aus klerikalen Kreisen wegen ihrer Offenbarungen zu erleiden hat. Ihr Offenbarungsengel wird auch von Mönchen ihres Klosters als Dämon angesehen. Elisabeth sucht bei Hildegard, für die sie eine große Verehrung empfindet, Rückhalt und Unterstützung. In ihrem Antwortbrief gibt die Prophetin eine kurzgefaßte theologische Deutung der Schöpfung und der tristen Gegenwart, in welcher sie in eine lasche Welt blickt, der die Jugendkraft der Tugend fehlt (mundus lassus est in omni viredine virtutum). In dieser Welt soll Elisabeth wie Hildegard selbst als Tuba mittels ihrer Töne wirken. Das sechste Buch enthält den Bericht Ekberts über die letzten Tage, den Tod und die Bestattung seiner Schwester. Wenngleich Elisabeth bei weitem nicht an das intellektuelle Niveau der Seherin von Bingen heranreicht, so hat ihr diese doch die Anerkennung als Instrument Gottes nicht versagt. Elisabeth von Schönau ist niemals - ebenso wenig wie Hildegard - offiziell heiliggesprochen worden. Sie wurde aber schon bei Lebzeiten, dann sogleich nach ihrem Tode, als Heilige verehrt. 1584 wurde sie in das von Gregor XIII. autorisierte Martyrologium Romanum, also das offizielle Verzeichnis der Heiligen aufgenommen (Festtag: 18. Juni). Man vermied es dabei allerdings, ihre Offenbarungen zu erwähnen, vor allem weil deren Hauptkomplex, die Erzählung über das Maryrium der heiligen Ursula und ihrer elftausend Jungfrauen im vierten Buch der Visionen, für gänzlich unglaubwürdig gehalten wurde.17 Man sieht daran die Inkonsequenz des „ordentlichen" Lehramts (magisterium ordinarium) der Katholischen Kirche. Denn wenn die Hauptoffenbarungen Elisabeths unglaubwürdig sind, dann ist es ja wohl auch die Person selbst. Sie könnte also folglich keine „Heilige" im kirchenamtlich definierten Sinne sein. Ein Kanonisationsprozeß, wie er in der Neuzeit üblich ist, müßte eine Frau wie Elisabeth als Schwindlerin entlarven. Die kirchlichen Autoritäten haben es aber vorgezogen, an diesen Komplex nicht zu rühren, weil eine Kanonisation Elisabeths durch das Volk längst stattgefunden hatte und der Ursula-Kult Bestandteil der Volksreligion geworden war. Es folgt daraus nicht, daß es überhaupt keine Transzendenz und folglich auch keine „Offenbarung" derselben gibt. Aber die Offenbarung des Transzendenten in der Geschichte geschieht immer in zweideutiger, „verlogener" Form. Von einer theologischen Bewältigung dieser und ähnlicher Fragen kann bis heute keine Rede sein. Vielmehr nimmt der aufmerksame Beobachter den zur Zeit im Gange befindlichen, hauptsächlich von pseudogelehrten Priestern betriebenen spätrationalistischen Zerstörungsprozeß der christlichen Religion wahr, von dem auch Elisabeth von Schönau, zeitkritisch und prophetisch, spricht.
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HERRAD VON HOHENBURG Der Garten der feinen Genüsse Herrad (Herrat) wurde um das Jahr 1176 Äbtissin des Klosters auf dem Odilienberg bei Obernai (Oberehnheim), dem heiligen Berg des Elsaß. Sie starb 1196 oder bald danach.1 Gegen Ende des 7. Jahrhunderts hatte der Herzog Eticho (französ.: Adalric oder Athic) seine auf dem Berg gelegene Burg seiner Tochter Odilia als Kloster überlassen.2 Auf dem Odilienberg befand sich schon in prähistorischer Zeit eine Festung. Ein imposanter Mauerring, die sogenannte „Heidenmauer", ist erhalten. Unterhalb des Gipfelplateaus entspringt eine heilige Quelle, ein „Augenborn", der vermutlich schon eine vorchristliche Kultund Pilgerstätte war, wie der „Augenborn" im Wald von Oppen (Kreis Merzig). Von der mittelalterlichen Klosteranlage auf dem Odilienberg sind nur noch wenige Reste übriggeblieben, darunter zwei romanische Kapellen und mehrere in den Fels gehauene Gräber. Die heutigen Klostergebäude stammen aus dem 17. und 19. Jahrhundert. Im Bereich des ehemaligen Kreuzgangs ist noch eine Stele aus dem 12. Jahrhundert erhalten, auf der die Ubergabe des Klosters durch Eticho an seine Tochter Odilia sowie Herrad mit ihrer Vorgängerin Relindis (Rilindis, Rilinda) dargestellt sind. Der Kaiser Friedrich Barbarossa (1152-1190) hatte anläßlich eines Besuches in dem damals heruntergekommenen Kloster die energische und kluge Relindis, die vielleicht seine Verwandte war, als Äbtissin eingesetzt. Herrad war ihre Schülerin und Nachfolgerin. Sie hat, zusammen mit anderen Schwestern des Konvents, den Hortus Deliciarum geschrieben und ausgemalt. Der „Garten der Freuden", oder genauer: „der Kostbarkeiten" oder: „der feinen Genüsse" (man kann dabei an kostbare Gewürzkräuter und Delikatessen denken) ist ein umfassendes Bildungsbuch, eine Enzyklopädie religiösen und weltlichen Wissens, welche die Äbtissin für ihre Mitschwestern, besonders die Novizinnen, geschaffen hat. Das Buch enthält eine Glaubenslehre nach Art eines ausführlichen Katechismus (manche Stücke mit Fragen und Antworten!) am Leitfaden der Bibel, darüber hinaus aber eine Beschreibung der gesamten Welt- und Heilsgeschichte, philosophische Erörterungen, Gedichte und Lieder. Das Werk diente aber offenbar auch als Lehrbuch der lateinischen Sprache, da es von zahlreichen lateinischen Wörtern die deutschen Äquivalente enthält. Dadurch ist es auch als Dokument der mittelhochdeutschen Sprache wertvoll. Das Original des Hortus Deliciarum verbrannte im Krieg von 1870 bei der Belagerung Straßburgs durch die deutsche Armee; ein unersetzlicher Verlust,
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Herrad von Hohenburg
hauptsächlich wegen der wunderbaren Buchmalereien. Diese Miniaturen sind das Wertvollste an dem Hortus Deliciarum, weil sie das Weltbild des Staufischen Zeitalters, die religiöse Vorstellungswelt einer gebildeten Nonne, dokumentieren und illustrieren.3 Herrad war übrigens keine Visionärin wie ihre Zeitgenossinnen Hildegard von Bingen und Elisabeth von Schönau; ihr Werk ist das Produkt aus Tradition, Bildung und (künstlerischer) Phantasie. Sie ist damit so etwas wie das „normale" Gegenbild der großen Visionärinnen des 12. Jahrhunderts. Ihre religiöse Erfahrung ist nicht durch Erlebnisse transzendenter Natur, sondern ganz einfach durch Bildung bestimmt. In der Prosa-Vorrede, die Herrad ihrem Werk für die Fräulein (virgunculas) von Hohenburg voranstellt, heißt es: Herrad, durch Gottes Gnade, wenn auch unwürdige, Äbtissin der Kirche von Hohenburg, den allerliebsten Jungfrauen Christi, die in derselben Kirche gleichsam wie im Weinberg des Herrn getreu arbeiten, Gnade und Herrlichkeit, die der Herr verleihen wird. Ich lege Eurer Heiligkeit ans Herz, daß ich dieses Buch mit dem Titel „Garten der feinen Genüsse" aus den verschiedenen Blüten der heiligen und der philosophischen Schrift wie eine kleine Biene auf Gottes Eingebung hin zusammengetragen und zum Lob und zur Ehre Christi und der Kirche um Eurer Liebe willen gewissermaßen zu einer honigfließenden Wabe Seite für Seite zusammengeschrieben habe. Deshalb sollt Ihr in diesem Buch fleißig angenehme Nahrung suchen und euren müden Geist mit süßen Honigtropfen erfrischen, damit Ihr so, beständig beschäftigt mit den liebenswürdigen Worten des Bräutigams und mit geistlichen Köstlichkeiten (spiritalibus deliciis) gesättigt, sicher die vergängliche Welt durcheilt und die Ewigkeit mit Freude und Grück in Besitz nehmt; mich aber, die ich unter Gefahren auf verschlungenen Pfaden über das Meer schreite, mittels eurer fruchtbringenden Gebete von den irdischen Leidenschaften ablöst und zusammen mit Euch in die Liebe eures Geliebten emporziehet. Amen.
Man sieht: es ist eine gebildete Frau, die hier schreibt, und eine Meisterin literarischer Rhetorik. Die Kirche von Hohenburg, das ist die Gemeinschaft ihrer Schwestern, ist dem himmlischen Bräutigam anverlobt. Diese Gemeinschaft steht im Mittelpunkt, im Prolog wie im gesamten Buch, nicht die Autorin selbst. Schon in dem der Prosa-Vorrede vorangehenden Gedicht redet Herrad die Hohenburger Fräulein (Hohenburgenses virgunculas) in freudig gestimmten Trochäen an: Salve cohors virginum Hohenburgiensium Albens quasi lilium, Amans Dei Filium... Sei gegrüßt, du holde Schar Hohenburger Jungfrauen, Weiß wie eine Lilie, Liebvoll zu Gottes Sohn!
Der Garten der feinen Genüsse
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Herrad, die dir Mutter ist, Treu ergebne Magd zugleich, Singt dir hier ein frohes Lied, Grüßt dich auch viel tausend mal, Wünscht dir jeden Tag aufs Neu, Daß du frohgestimmten Muts Siegest über diese Welt. Vorbild vieler Menschen du, Laß die Welt jetzt hinter dir, Schaff dir einen Tugendschatz, Schar des Himmelsbräutigams ... Meerstern, Jungfrau, Mutter du, Zieh auch mich mit dir empor Durch beständiges Gebet Zu dem vielgeliebten Sohn! Daß ich deines Siegs gewiß, Von dem Irdischen befreit, Deiner hohen Herrlichkeit Würdige Genossin werd. Lebe wohl, du reine Schar, Meine Freude bist du ja, Lebe ohne Sünd und Fehl, Liebe Christus, deinen Herrn! Dieses Buch sei dir von Nutzen, Bringe dir auch manche Freude. Trag beständig es im Herzen Und bedenk es im Gemüte! Der lateinische Text, an den natürlich keine unbeholfene Ubersetzung heranreicht, ist von großer Musikalität. Der Rhythmus erinnert an EDUARD MÖRIKES Gedicht: „Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte ..." A m Ende ihres Buches (fol. 323r) hat Herrad den gesamten K o n vent der Hohenburger Fräulein und sich selbst abgebildet; auf dem Blatt, das überschrieben ist: „Die Ordensgemeinschaft, die zur Zeit der Äbtissinnen Rilindis und Herrad im Dienst Gottes auf der Hohenburg in Liebe vereint war", 4 befinden sich die Brustbilder von sechzig Nonnen - siebenundvierzig Chorfrauen und dreizehn Konversen - mit ihren Namen und am Schluß(!) das Bild der Äbtissin Herrad in voller Gestalt: ein singuläres Denkmal der Liebe und Hochachtung für einen Frauenkonvent. Man hat dieses Blatt als Wandgemälde in den Kreuzgang des heutigen Klosters auf dem Odilienberg übertragen: eine glückliche Idee, durch die auch der moderne Pilger und Tourist einen bescheidenen Anteil an diesem Glanzstück mittelalterlicher Memorialkultur gewinnen kann.
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Herrad von Hohenburg
Über dem Bild Herrads steht eine Inschrift, in der sich die Autorin als Schülerin ihrer verehrten Meisterin und Vorgängerin bekennt: 5 Herrad, als Äbtissin von Hohenburg nach Rilinda geweiht und durch ihre belehrenden Worte und beispielhaften Taten unterwiesen.
Sie spricht ein Gebet zu Christus in der Form zweier Hexameter: 6 Sei du, Christ, unsrer Mühen fromme Belohnung; Gib uns Anteil an deiner Erwählten ewigem Lose.
Ihre Mitschwestern spricht sie ebenfalls in einem hexametrischen Gedicht 7 an: Schneeweiße Blüten, verbreitend der Tugend wohlriechende Düfte, Allzeit verweilt ihr betrachtend im Anblick göttlicher Dinge. Schüttelt den irdischen Staub nun ab und eilet zum Himmel, Dort vermögt ihr den jetzt noch verborgnen Geliebten zu schauen.
Auf dem unteren Teil des Blattes ist in grüner Farbe der mit Latschenkiefern und Büschen bestandene Odilienberg („Möns Hohenburc dellifer id est sublimis") aufgemalt. Der Berg erstreckt sich auch über das gegenüberliegende Blatt (fol. 322v), wo die Gründungslegende des Klosters bildlich dargestellt ist.8 In der Mitte, zwischen den beiden Türmen der romanischen Abteikirche, steht Christus, neben ihm die himmlischen Patrone: die Jungfrau Maria, Johannes der Täufer, „den die heilige Odilia ganz besonders vor allen anderen Heiligen liebte", und Sankt Odilia selbst. Auf der linken Bildhälfte ist dargestellt, wie der heilige Herzog Eticho, auch Adalricus genannt, Christus über den heiligen Petrus und die Jungfrau Maria das Kloster mit allen seinen Besitztümern, symbolisiert in einem Stab, übergibt. 9 Darunter überreicht er dann seiner Tochter Odilia, hinter der ihre Mitschwestern stehen, den Schlüssel des neugegründeten Klosters. In der rechten unteren Ecke, genau ihrem eigenen Bilde gegenüber, hat Herrad ihre Vorgängerin Relindis dargestellt. Uber ihr Lebenswerk berichtet die beigegebene Inschrift, sie habe zu ihrer Zeit die Schäden an der Kirche von Hohenburg sorgsam beseitigt und das an diesem Ort beinahe vollständig zerstörte religiöse Leben weise reformiert.10 Auf einem neben ihr stehenden Kreuz befindet sich eine weitere Inschrift, deren Text - gewissermaßen als geistliches Vermächtnis der toten Äbtissin an den Konvent gerichtet ist:" Relindis an die Gemeinschaft von Hohenburg: O fromme Herde, die du lebst nach Gottes Gesetz, ganz ohne Arglist, Hier ist der Berg Sion selbst als Brücke zum Vaterland, und eine Quelle des Guten. Er, der das Leben, das Licht ist, sei dir hier Führer, dich schütze das erhabene Kreuz.
Der Garten der feinen Genüsse
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Der ein milder Tau, ein festes Rückgrat, eine jungfräuliche Blüte ist, Er leite dich, immer und überall, und er erbarme sich meiner. Amen. Der Odilienberg ist hier als ein zweiter Berg Sion gesehen, der für die auf ihm nach dem von Gott verordneten Gesetz lebende Gemeinschaft eine Brücke zur ewigen Heimat ist. In der „Quelle des Guten" darf man wohl eine Anspielung an die heilige Odilienquelle unterhalb des Klosters sehen. Es ist eine durchaus geistliche Atmosphäre, in welcher der Konvent von Hohenburg nach den von Relindis durchgeführten Reformen lebt. Aber diese Reformen schlossen eben auch die Gelehrsamkeit, das Wissen ein. In Herrads Buch wird das Wissen über ein religiöses Weltbild vermittelt, das im wesentlichen durch die Schöpfungs- und Erlösungsgeschichte bestimmt ist. Das erste Bild des Hortus (fol. 3r) stellte in der oberen Hälfte den allmächtigen Gott, umgeben von den Engeln, die er soeben erschaffen hat, dar; in seiner linken Hand hält Gott das himmlische Buch. In der unteren Hälfte steht der gottähnliche Lucifer in seiner Glorie „auf dem Berge Gottes" (Ez 28,14).12 Es folgt eine Gottes-(Trinitäts-)lehre, in der vor allem die bildliche Darstellung der Dreifaltigkeit bemerkenswert ist: es sind drei einander ähnliche, nebeneinander sitzende Männer, die nach dem von ihnen gehaltenen Spruchband den Plan zur Erschaffung des Menschen fassen: „Laßt uns den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis; er soll herrschen über alle Lebewesen der Erde" (Gen 1,26).13 Wir erinnern uns an die Statuen-Gruppe der Trinität, die Abaelard für die Abteikirche von Le Paraclet anfertigen ließ.14 Sollte hier eine Beziehung bestehen? Auszuschließen ist es gewiß nicht. Es folgt in dem Hortus eine ausführliche Beschreibung des Sechstagewerks Gottes und im Anschluß daran eine Himmels- und Erdkunde. Das Weiterleben antiker Vorstellungen zeigt sich besonders in dem Sonnenwagen (fol. 13r) mit Phoebus Apollo als Verkörperung der Sonne und den Namen der vier Pferde Pirous (Pyrois), Eous, Ethon (Aethon), Fligon (Phlegon) nach den Metamorphosen (2,153f.) des Ovid. Ein Fortleben des antiken Schicksalsglaubens wird in der Darstellung des Glücksrades (fol. 215r) deutlich; es ist Symbol für „den eitlen Ruhm dieser Welt". Die Frauengestalt, die das Rad dreht, ist Fortuna; in den aufsteigenden und fallenden Gestalten ist die Unbeständigkeit weltlichen Glücks illustriert. In seinem Gesamtzusammenhang handelt der begleitende Text von der Kirche, innerhalb der die Schriften der Heiden (gentilium littere), und damit auch Teile des in ihnen vermittelten Weltbildes, ihren Platz haben.15 Diese Auffassung von den heidnischen Schriften wird auch deutlich in der ausführlichen Behandlung des Mythos von den Sirenen („Meerweibern"); von den dazugehörigen drei Miniaturen kann man sich leider nur noch aufgrund dürftiger Nachzeichnungen eine Vorstellung machen. Auf dem ersten Bild waren drei Sirenen dargestellt, von denen die erste sang, die zweite eine Flöte, die dritte eine Lyra spielte." Auf einem im Vordergrund vorbeifahrenden Schiff kauern vier Seeleute, die von den Sirenen in Schlaf gesungen wurden; das folgende Bild (Nr. 298)
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Herrad von Hohenburg
zeigte, wie die Unholdinnen die Seeleute zerfleischen und das Schiff versenken. Auf dem dritten Bild war dann die Uberlistung der Sirenen durch Odysseus dargestellt, wie sie in der Homerischen Odyssee beschrieben wird.17 Herrad kennt allerdings die Erzählung nicht direkt aus der Odyssee, sondern aus dem Speculum Ecclesiae, einer Predigtsammlung des Honorius von Regensburg (Augustodunensis),18 aus dem sie auch sonst viele Stellen abgeschrieben hat. Mit ihrem Gewährsmann erkennt sie aber den geistlichen Sinn der Erzählung, obwohl dieselbe aus Kreisen der „Feinde Christi" stammt." Demnach ist das Meer „diese Welt" mit ihren Gefahren; die Insel der Sirenen „die Freude der Welt"; mit den drei Sirenen aber sind die Lüste (delectationes) gemeint, welche die Menschen zu den Lastern verleiten und zum Todesschlaf führen. Die mit menschlicher Stimme singende Sirene ist die Habgier (avaricia); die Flötenspielerin ist die Ruhmsucht (iactantia); die Leierspielerin ist die Wollust (luxuria). Es fällt auf, daß mehrere Elemente, die für diese geistlich-moralische Auslegung wichtig sind, in der ursprünglichen Erzählung bei Homer fehlen: so vor allem die Dreizahl der Sirenen (in der Odyssee wird ihre Anzahl nicht genannt; es gibt auch keine Instrumentenspielerinnen, sondern alle singen); Odysseus fährt mit seinem Schiff an den Sirenen vorbei, ohne sie, wie in der mittelalterlichen Nacherzählung, am Ende zu ersäufen. An das Schöpfungswerk schließt sich in dem Hortus ein Durchgang durch das gesamte Alte Testament, die Geschichtsbücher und die Propheten, an. Sehr schön ist die Tafel mit dem Stammbaum Christi (fol. 80v).20 Damit ist schon der Themenbereich des Neuen Testaments betreten, an dessen Beginn die überragende Rolle der Jungfrau Maria im Drama der Erlösung und ihr Gegensatz zum Teufel herausgestellt wird. In den neutestamentlichen Rahmen hineingestellt ist eine ausführliche Ekklesiologie und Sakramententheologie. Auch die Legende vom heiligen Kreuz wird theologisch reflektiert (fol. 147r-149v). Umfangreichen Raum, sowohl in den Texten wie in den Miniaturen, nimmt die Ethik, der Kampf der Tugenden mit den Lastern, ein. Sodann werden die kirchlichen Stände und die weltlichen Berufe (Richter, Reiche, Arme, Ritter, Kaufleute, Bauern, Laien) beschrieben. Auch die äußeren Erscheinungen kirchlichen Lebens, wie heilige Orte, sakrale und kultische Gegenstände (z.B. Glocken, Paramente) werden in ihrer Bedeutung erklärt (fol. 227r233v). Hier wie in dem gesamten Werk sind immer auch die deutschen Bezeichnungen angeführt. Ecclesia wird ins Deutsche übersetzt mit: cristenheit. Die Texte sind fast alle aus den Kirchenvätern (z.B. Augustinus, Gregorius Magnus) und mittelalterlichen Quellen (z.B. Petrus Lombardus, Honorius von Regensburg) exzerpiert. Herrad ist also im Bereich des geschriebenen Wortes eher Kollektorin als Autorin, was durchaus ihrer Selbstbezeichnung als „kleine Biene" entspricht. Aber sie erhebt den Anspruch, daß die Leserinnen diese Texte meditieren und sie verinnerlichen, und dazu dienen die Bilder. Die Selbständigkeit, die Originalität - wenn anders solche Begriffe hier angemessen sind - soll also nach der Intention des Werkes bei der Leserin beginnen, von der eine meditative Aneignung des christlichen Traditionsgu-
tes erwartet wird.
Der Garten der feinen Genüsse
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Auf den letzten Blättern des Hortus sind die apokalyptischen Ereignisse breit dargestellt. Erhalten ist das phantasievolle, grausige Bild der Hölle (fol. 255r): in vier Stockwerken des Inferno werden die Verdammten von abscheulichen, nackten Dämonen gequält. In der zweiten Etage von unten werden in zwei Kesseln die Juden und die bewaffneten Ritter (Kriegsverbrecher) gekocht. In den tiefsten Raum der Unterwelt führt von links her ein Teufel einen Mönch herein, der einen großen Geldbeutel festhält. Rechts davon thront zwischen zwei Köpfen des Höllenhundes, mit einer schweren Kette um den Hals, „Lucifer oder Satan"; auf seinem Schoß hält er den Antichristen. Das ganze ist eingerahmt von kleinen Kammern, in denen isoliert verängstigte Seelen brennen, aber nicht verbrennen. Ein düsterer, gespenstischer Alptraum. Eindrucksvoll sind auch die Bilder von der Hure Babylon. Wenn in der Jungfrau Maria gewissermaßen die Apotheose der Jungfräulichkeit dargestellt wird, so ist dieses apokalyptische Weib, das majestätisch auf einem siebenköpfigen roten Vieh sitzt (Apoc 17,3), das Gegenbild der Jungfrau und der Kirche. Die Hure auf dem Höhepunkt ihres Triumphes wird bewundert und verehrt von Königen, Bischöfen, Priestern, Mönchen, Weltleuten (fol. 258r). Doch das Bild danach stellt schon ihren Sturz und das Wehklagen ihrer Verehrer dar (fol. 258v). Die Erwählten dagegen erwarten die Freuden des himmlischen Jerusalem. Nicht nur über dem Schluß, sondern über dem Werk insgesamt scheint, soweit sich das aus den erhaltenen Texten und den mangelhaften Bildreproduktionen noch beurteilen läßt, eine freundliche, optimistische Stimmung zu liegen. Das Buch endet mit den oben bereits beschriebenen Szenen der Gründung des Klosters auf dem Odilienberg und der Gesamtdarstellung des Frauenkonvents. Der Hortus Deliciarum gibt, neben seinem Hauptzweck als Lehrbuch des christlichen Glaubens und Lebens, ein reiches, plastisches Bild von der hohen Zeit, in der er entstanden ist: dem Staufischen Zeitalter. In einer der beiden anfangs erwähnten romanischen Kapellen auf dem Odilienberg sind auf (modernen) Mosaiken die heiligen Frauen, die auf dem Berg gelebt haben, dargestellt. Es fällt auf, daß sowohl bei Relindis wie bei Herrad die Bezeichnung „Sancta" fehlt. Läßt sich die Tatsache, daß diese beiden großen Frauen, die zweifellos auch große Heilige waren, niemals in das offizielle Verzeichnis der kirchlichen Heiligen aufgenommen wurden, auch nicht beiläufig hineinrutschten, wie Hildegard von Bingen und manche andere, vielleicht dadurch erkären, daß sie Mitglieder des Hauses der Hohenstaufen waren, in welchem die Päpste eine Dynastie von Kirchenverfolgern erblickten?
9 K L A R A V O N ASSISI
Armut und Verlobung mit dem höchsten König Klara von Assisi ist von vielen ihrer Zeitgenossen und von späteren Verehrern als eine ganz besondere, einzigartige Heilige angesehen worden. Schon der Papst Alexander IV. (1254-1261), der sie gut zwei Jahre nach ihrem Tod, im September 1255 heiligsprach, erwähnt in der Bulle der Kanonisation („Clara claris praeclara meritis") eine visionäre Prophezeiung, die an ihre Mutter Hortulana ergangen war, als sie mit Klara schwanger ging: sie werde ein Licht gebären, das einmal die Welt erleuchten werde. 1 Die Bulle preist im übrigen die Vorzüge, Tugenden und Verdienste der neuen Heiligen. Was aber hier, unter beständigen Anspielungen auf Klaras Namen (die „Leuchtende", „Berühmte") vorgebracht wird, fällt keineswegs aus dem Rahmen dessen, was von einer heiligmäßigen, der Kirche in allem gefälligen und angepaßten Nonne gesagt werden kann. Ist also auch Klaras Einzigartigkeit nur eine Übertragung von dem „unvergleichlichen Heiligen" Franziskus, auf den sie zeitlebens ausgerichtet war und als dessen „kleine Pflanze" (plantuncula) sie sich selbst inihrem Testament bezeichnet hat?2 Klara ist eine komplexe, schwer zugängliche Persönlichkeit. Annäherungen an sie im Laufe der Geschichte geschehen eher in einer Art Ahnung von ihrer Größe. Die Beliebtheit des Namens „Klara" für Mädchen, über die sich schon Luther lustig machte,3 hat nie nachgelassen, und in unserer Gegenwart ist die italienische Form „Chiara" im deutschen Sprachgebiet in Mode gekommen. Zeugnis einer ahnungsweisen Annäherung (entweder des Künstlers selbst oder von dessen Auftraggeber) an Klaras überragende Bedeutung ist auch Rubens' Gemälde im Prado zu Madrid, auf dem die Heilige inmitten der Kirchenlehrer Ambrosius, Augustinus, Gregor d. Gr., Hieronymus, Norbert von Xanten und Thomas von Aquin dargestellt ist. Neben dem gewaltigen Werk dieser antiken und mittelalterlichen Großtheologen nimmt sich Klaras (direkte und indirekte) literarische Hinterlassenschaft eher bescheiden aus. Ich habe in den vergangenen zwanzig Jahren des öfteren noch bestehende Klarissen-Konvente aufgesucht und deren Äbtissinnen und andere Schwestern nach der Vorstellung, die sie von ihrer Ordensgründerin haben, befragt - vor allem danach, worin ihrer Ansicht nach das Besondere von Klaras Berufung bestanden habe, wie ihre heutigen Nachfolgerinnen dazu stehen und ob sie glauben, im Vergleich zu anderen Frauenorden, auch in der gegenwärtigen Welt noch eine besondere Aufgabe zu erfüllen. Bei aller Hochachtung, die man vor Frauen haben muß, die auf die moderne sogenannte Selbstverwirkli-
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chung verzichten und heute noch ihr Leben nach den strengen mönchischen Regeln gestalten, waren doch die Antworten der betreffenden Damen in bezug auf Klara und das Verständnis von einer besonderen franziskanischen Berufung enttäuschend. Auch nach langen Gesprächen entstand bei dem Befrager häufig der Eindruck, daß trotz äußerlicher Kenntnis der historischen Umstände, unter denen Klara die Welt verließ, über ihre eigentlichen Motive und ihre religiöse Weltvorstellung insgesamt keine Klarheit besteht. Dementsprechend werden als Hauptmotive für den Eintritt in die lebenslängliche strenge Klausur der Klarissen fast ausschließlich Gesichtspunkte aufgezählt, die Mitglieder anderer, etwa benediktinischer oder cisterciensischer, Frauenabteien ebenfalls nennen: Berufung zu einer besonderen Form der Gottesund Nächstenliebe, zu einem vollkommenen Gehorsam gegenüber der Kirche und einer radikalen Hingabe an das religiöse Ideal und dergleichen. Es ist klar, daß die genannten und andere mönchische Ideale und Tugenden auch in den zu Franziskus' und Klaras Zeiten bereits bestehenden Orden gepflegt wurden. Trotzdem wollte Klara, ebensowenig wie Franziskus, weder in eines der zahlreichen Klöster Mittelitaliens eintreten, noch ihre Gemeinschaft den bereits bestehenden anpassen, ja sie haben beide alle derartigen Ratschläge anderer als Zumutung zurückgewiesen. Denn sie waren von der Neuheit, Besonderheit und Unverwechselbarkeit ihres Lebensideals überzeugt. Ein Zugang zur Persönlichkeit Klaras kann sich deshalb nur erschließen, wenn man das Eigentümliche, für uns Heutige auch Befremdliche in ihrem Charakter und Lebenslauf herausstellt, anstatt es, im Interesse eines „frommen" Heiligenbildes, zu nivellieren und zu vertuschen.4 Von Klaras Lebens sind - hauptsächlich aufgrund der Zeugenaussagen in ihrem Heiligsprechungsprozeß - viele Einzelheiten bekannt, ja sie kann als eine der am besten dokumentierten Heiligen des Hochmittelalters angesehen werden.5 Aus ihrer eigenen Feder (oder ihrem Diktat) sind nur wenige Dokumente erhalten; die wichtigsten davon sind ihr „Testament" und vier Briefe an Agnes von Prag. Sie sind von großer sprachlicher Dichte und Präzision und lassen das Profil ihrer Persönlichkeit und ihres religiösen Weltbildes klar und eindrucksvoll hervortreten.6 Das Neue und Eigenartige bei Klara von Assisi läßt sich im wesentlichen auf zwei Komplexe reduzieren: 1. ihr Armutsverständnis (und in engem Zusammenhang damit die Bedeutung, die Franziskus für ihre religiöse Erfahrung hatte); 2. das, was man als ihre „Braut-Mystik" bezeichnen kann, und ihre Vorstellung vom jenseitigen Leben. Doch da bei Klara alles in irgend einer Weise auf Franziskus bezogen ist, muß zuerst von ihrem Verhältnis zu ihm die Rede sein.
Klaras Beziehung zu Franziskus Wahrscheinlich im zeitigen Frühjahr 1207 begann Franziskus, der Weisung entsprechend, die ihm der Crucifixus von San Damiano gegeben hatte, mit
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den Wiederaufbauarbeiten an der kleinen Kirche am Berghang unterhalb der Stadt Assisi. In ihrem Testament erzählt Klara ihren Mitschwestern eine für sie wichtige Episode aus dieser Zeit: 7 Wir müssen, geliebte Schwestern, die gewaltigen Wohltaten Gottes erwägen, die uns verliehen wurden, unter anderem, was er durch seinen Knecht, unseren geliebten Vater Franziskus, in uns zu wirken geruhte, nicht erst nach unserer Bekehrung, sondern bereits als wir noch in der Eitelkeit der Welt lebten. Denn der Heilige selbst, der damals noch keine Brüder und Gefährten hatte, prophezeite über uns - es war gleich nach seiner Bekehrung, als er die Kirche San Damiano aufbaute, wo er von Gottes Tröstung in entscheidender Weise heimgesucht, veranlaßt wurde, die Welt gänzlich zu verlassen - voller Freude und vom Heiligen Geist erleuchtet, was der Herr danach auch erfüllte. Er stieg nämlich auf die Mauer der genannten Kirche und rief einigen armen Leuten, die sich dort in der Nähe aufhielten, mit lauter Stimme auf französisch zu: „Kommt und helft mir bei der Arbeit am Kloster San Damiano! Es werden sich dort einmal Damen aufhalten, durch deren ruhmreichen und heiligen Lebenswandel unser himmlischer Vater in der gesamten Kirche verherrlicht wird." Die v o m Heiligen Geist inspirierten(!) prophetischen W o r t e , die Franziskus v o n der Mauer der Ruine von S. Damiano herabruft, sind für Klara so etwas wie der feierliche Gründungsakt ihrer Schwesterngemeinschaft, v o n dem sie betont, daß er noch vor der Gründung der franziskanischen Bruderschaft stattfand. Es ist G o t t selbst, der durch die ekstatische, in französischer Sprache gehaltene Rede des Franziskus die himmlische Bestätigung der zukünftigen Gemeinschaft der Schwestern Klaras gibt: Darin also können wir die überreiche Güte Gottes zu uns erwägen, der aus seiner überfließenden Barmherzigkeit und Liebe sich herabgelassen hat, über unsere Berufung und Erwählung durch den Mund seines Heiligen dies zu sprechen. Und nicht nur über uns prophezeite unser seliger Vater dies, sondern auch über die anderen, die noch in Zukunft zu der heiligen Berufung gelangen würden, zu der uns der Herr gerufen hat. Die Prophezeiung, die Franziskus in französischer Sprache von der Mauer von S. Damiano herab verkündete, ist in annähernd gleichem Wortlaut auch in der sogenannten Drei-Gefährten-Legende überliefert. 8 D e r Verfasser fügt hinzu: Da sieht man, wie er, erfüllt von prophetischem Geist, wahrheitsgemäß zukünftige Ereignisse voraussagte. Denn dies ist der heilige Ort, an dem die ruhmreiche religiöse Gemeinschaft und der überragende Orden der armen Damen und heiligen Jungfrauen fast sechs Jahre nach der Bekehrung des heiligen Franziskus durch ebendenselben heiligen Franziskus ihren glücklichen Anfang nahm. Ihr staunenswertes Leben und ihre ruhmreiche Stiftung wurde von dem Herrn Papst Gregor I X . heiligen Angedenkens, der damals noch Bischof von Ostia war, kraft der Autorität des Apostolischen Stuhles in vollem Umfang bestätigt.
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Nach Klaras Flucht aus ihrem elterlichen Haus (wahrscheinlich in der Nacht des 28. März 1211) und derjenigen ihrer jüngeren Schwester Agnes gut zwei Wochen später9 konstituierte sich die anfangs kleine, bald aber rasch anwachsende Gemeinschaft der „Armen Damen" in den Jahren 1211-1212 in dem Kloster S. Damiano, das ihnen Franziskus als endgültigen Wohnsitz angewiesen hatte. Wohl im Spätherbst des Jahres 1207 arbeitete Franziskus, von mehreren freiwilligen Helfern unterstützt, an der Wiederherstellung der PortiunculaKirche (S. Maria degli Angeli). Bona de Guelfuccio, Freundin und Nachbarin Klaras, die als Zeugin in ihrem Kanonisationsprozeß vernommen wurde, berichtet, Klara habe ihr damals Geld gegeben mit dem Auftrag, es den an der Kirche Arbeitenden zu überbringen, damit sie sich Fleisch kaufen könnten.10 Es ist die Frage, ob Klara, die damals gerade vierzehn Jahre alt war, Franziskus schon persönlich kannte oder bloß von ihm gehört hatte. Ich neige dazu, das erstere anzunehmen. Die Lossagung des Franziskus von seinem Vater in Gegenwart des Bischofs Guido von Assisi (wohl zu Beginn des Jahres 1207) war ein spektakuläres Ereignis, das sich gewiß blitzschnell in der kleinen Stadt Assisi herumsprach. Wo fand es statt? Die meisten Forscher nehmen an, daß die Szene sich auf dem Platz vor der alten Kathedrale S. Maria Maggiore abspielte, an der auch heute noch das bischöfliche Palais liegt." RAOUL MANSELLI jedoch meint, das Ereignis habe sich auf dem Platz vor der neuen Kathedrale S. Rufino zugetragen, an dem Klaras Elternhaus lag.12 Im Gegensatz zu der von mir früher geäußerten Ansicht neige ich heute eher der Auffassung MANSELLIS zu. MANSELLI hielt es allerdings für unwahrscheinlich, daß Klara selbst Augenzeugin der Szene war; sie habe vielmehr durch Erzählungen der anderen Frauen ihres Hauses davon erfahren. Wenn aber die Vermutung zutrifft, daß der formelle Verzicht des Franziskus auf Vermögen und Erbrecht gegenüber seinem Vater und die dramatische Rückgabe der Kleider einschließlich der Unterhose sich vor dem Dom S. Rufino und dem angrenzenden Haus des Domkapitels zutrugen, dann ist es doch sehr wahrscheinlich, daß Klara das Ereignis, das sich vor ihrer Haustür abspielte, selbst mitbekommen und daß sie folglich Franziskus nackt gesehen hat. Psychologisch wäre dadurch einiges in ihrem späteren Leben erklärbar, unter anderem die Vision von der Brustwarze des heiligen Franziskus, die von den älteren Biographen Klaras gern schamhaft übergangen wurde. Denn der sich in dieser Vision zeigende Franziskus entblößt sich vor Klaras Augen. Klara hat die Vision vier ihrer vertrautesten Mitschwestern erzählt, die sie ihrerseits im Kanonisationsprozeß zu Protokoll gaben." Die Prozeßakten geben die Aussage der Schwester Filippa de Leonardo aus Assisi, die als dritte Zeugin vernommen wurde, im Wortlaut wieder. Dieselbe Frau Klara berichtete auch, daß es ihr einmal, in einer Vision, so schien, als trage sie zu Sankt Franziskus ein Gefäß mit heißem Wasser, mit einem Handtuch, um die Hände abzutrocknen.
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Und sie stieg eine hohe Treppe hinauf; aber sie ging so leicht, als ob sie über ebenes Gelände ginge. Und als sie zu Sankt Franziskus gekommen war, da zog dieser Heilige aus seiner Brust eine Warze hervor und sagte zu derselben Jungfrau Klara: „Komm, nimm und sauge!" Und als sie gesaugt hatte, ermunterte der Heilige sie, noch einmal zu saugen. Und während sie saugte, war das, was sie dort heraussaugte, so süß und angenehm, daß sie es in keiner Weise erklären konnte. Und als sie gesaugt hatte, da blieb dieses runde Ding oder besser Mundstück der Brustwarze, aus dem die Milch herauskommt, zwischen den Lippen der heiligen Klara zurück. Und als sie das, was ihr im Mund geblieben war, mit den Händen anfaßte, da schien es ihr, daß es Gold war, so klar und leuchtend, daß sie sich ganz darin sah, so ähnlich wie in einem Spiegel. Dieser Bericht ist eines der wertvollsten Dokumente für die Biographie Klaras, denn er beleuchtet wie kein anderer Text ihr Verhältnis zu dem Heiligen. Sie erfüllt sich im Traum den Wunsch nach dem intimen, auch sexuellen Kontakt mit dem Geliebten, der im realen Leben für sie unerreichbar ist. Bevor sie aus der Welt hinausging, hatte sie sich des öfteren insgeheim mit Franziskus getroffen. Uber die Tatsache dieser Gespräche, nicht aber über deren Inhalt, sind wir durch die Zeugenaussage ihrer schon erwähnten Freundin und Nachbarin Bona de Guelfuccio unterrichtet.14 Im Gegensatz zu ihrer Schwester Pacifica trat Bona nicht der Gemeinschaft der Armen Damen von S. Damiano bei. Man wüßte gern, aus welchem Grunde; aber die Quellen schweigen darüber. Sowohl Bona de Guelfuccio als auch der namentlich nicht bekannte Verfasser der Legenda Sanctae Ciarae berichten, daß Franziskus an Klara ein rein religiöses Interesse hatte: er wollte sie zur „Bekehrung" und dem „Hinausgehen aus der Welt" überreden.15 Was Klara betrifft, so ist es keine abwegige Spekulation, wenn man annimmt, daß sich in dieser Zeit ihre Beziehung zu Franziskus entfaltet hat. Berücksichtigt man das Alter der beiden - Klara war zur Zeit der geheimen Treffen vielleicht sechzehn Jahre alt; Franziskus war elf bis zwölf Jahre älter - dann wird Klara wohl zu Franziskus als einer geistigen Vatergestalt, einer Art Guru, aufgeblickt haben. Das wird umso wahrscheinlicher, als dem jungen Mädchen in den entscheidenden Jahren ihrer geistigen Entwicklung die väterliche Leitfigur fehlte. Es gibt Gründe anzunehmen, daß der Vater, Favarone di Offreduccio, seine Frau und die Familie verlassen hatte. In der Aussage der Pacifica de Guelfuccio, Nachbarstochter und späterer Mitschwester Klaras, befindet sich diesbezüglich ein verräterischer Satz. Pacifica wurde im Kanonisationsprozeß als erste Zeugin vernommen, weil man annahm, daß sie Klara am besten gekannt hatte. Sie war mit Klaras Mutter Ortolana eng befreundet gewesen und hatte sie auf drei Pilgerreisen, ins Heilige Land (Outremer), nach Sant'Angelo auf dem Monte Gargano und nach Rom, begleitet. Das Haus der Guelfucci lag gegenüber dem der Offreducci an der Piazza San Rufino. Pacifica hatte gemeinsam mit Klara die Welt verlassen und war mit ihr während ihres langen Klosterlebens, wie sie selbst angibt, „Tag und Nacht"
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zusammen." Innerhalb dieses Berichts, der alle Merkmale der Zuverlässigkeit an sich hat, sticht der Halbsatz: „lo quale essa non vide" in die Augen: Pacifica, die jahrelang im Hause Offreducci ein- und ausging, hat Klaras Vater Favarone niemals kennengelernt. Die Formulierung schließt aus, daß er damals bereits tot war. Der reiche Ritter hatte also, aus welchen Gründen auch immer, seine Frau und seine Familie verlassen. Die Rolle des Familienoberhauptes hatte ein gewisser Herr Monaldo übernommen, Klaras Onkel. Bei den beiden Versuchen, Klara und ihre jüngere Schwester Agnes nach ihrer Flucht aus dem elterlichen Haus wieder in den Schoß der Familie zurückzuholen, tat er sich teils durch Brutalität, teils durch unfreiwillige Komik hervor.17 Merkwürdig ist, daß Herr Favarone bei diesen dramatischen Ereignissen, in denen es um das Lebensschicksal seiner Töchter ging, nicht in Erscheinung trat. Er war also damals offenbar nicht in Assisi. In den sich über längere Zeit hinziehenden geheimen Gesprächen, zu denen sich Klara mit Franziskus traf, wurde der Heilige allmählich ihr geistlicher Vater, der sie zur „Verachtung der Welt" und der „süßen Ehe mit Christus" überreden konnte.18 Er wurde aber auch zum heimlichen Geliebten, zu dem allerdings der „normale" Zugang verwehrt blieb. Die Traumvision, in der sie die „hohe Treppe" zu Franziskus „mit Leichtigkeit" (leggeramente) überwindet, ist deshalb auch eine Kompensation ihres Wunsches nach Vereinigung mit dem Geliebten. In ähnlicher Weise wurde sie in der Weihnachtsnacht des Jahres 1252, der letzten, die sie erlebte, im Geist in die feierlichen Metten der Brüder in S. Francesco versetzt." Die Vision von der Brustwarze hat aber auch eine theologisch-mystische Komponente. Klara kannte das Hohe Lied und die in seiner mittelalterlichen allegorischen Auslegung zum Ausdruck kommende Liebesmystik. Wenn es im ersten Vers heißt: „Er möge mich küssen mit dem Kuß seines Mundes, denn deine Brüste sind besser als Wein", so verband man damit die Vorstellung, daß die gläubige Seele aus den Brüsten des Erlösers genährt wird, wie es Bernhard von Clairvaux in seinem Hohelied-Kommentar ausgesprochen hat.20 Die visionäre Traumgestalt des Franziskus, die Klara aus ihrer Brust trinken läßt, rückt damit in die unmittelbare Nähe des Erlösers, ja sie verschmilzt mit ihm zu einer Person: die von Franziskus mitgeteilte Lebenslehre ist identisch mit dem Evangelium Christi. Die wichtigste Aussage der „Vision von der Brustwarze des heiligen Franziskus", gewissermaßen deren Pointe, ist demnach, daß Klara in dem goldenen Mundstück der Brustwarze die Seele, die geistige, virtuelle Persönlichkeit des geliebten Heiligen samt dessen geistlichem Vermächtnis, zwischen ihre Finger nehmen kann. Sie wird für sie selbst zum „Spiegel" ihrer Persönlichkeit, das heißt: zum Maßstab, nach dem sie ihr inneres Profil ausrichtet. Aus alldem geht hervor, was Klara in ihrem Testament und anderswo deutlich in Worte faßt: Franziskus war für sie Lebensinhalt schlechthin.
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Durch ihn äußerte sich für sie der Willen und die Stimme Gottes.21 Es war deshalb für sie überhaupt keine Frage, auf wen im Konfliktsfall mit den Autoritäten der Römischen Kirche zu hören war.
Armutsideal und Konflikt mit der Römischen Kirche Während der zweiundvierzig Jahre ihres Klosterlebens (1221-1253) befand sich Klara in Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Autoritäten der Römischen Kurie, Päpsten und Kardinälen, um die endgültige Fassung ihrer Regel. Von entscheidender Bedeutung war dabei das Verständnis der Armut. Franziskus hatte ihr sein radikales Armutsverständnis als treu zu bewahrendes Vermächtnis hinterlassen. Klara ihrerseits schärft in ihrem Testament ihren Mitschwestern ein, „immer in der heiligen Armut auszuharren".22 Der entschiedenste und hartnäckigste Gegner der „heiligen Armut", wie sie Franziskus und Klara verstanden, war der Kardinalbischof Hugolino von Ostia, den Honorius III. auf Bitten des Franziskus ab dem Jahre 1220 der Bewegung als Protektor gegeben hatte. Schon als Kardinal, vor allem aber nachdem er als Gregor IX. den Apostolischen Stuhl bestiegen hatte, versuchte er, mit sanftem, aber anhaltendem Druck, Klara und ihre Gemeinschaft von dem franziskanischen Armutsideal abzubringen. Zwar bestätigte er, wie schon Innocenz III., mit einem apostolischen Schreiben, daß niemand die Schwestern dazu zwingen dürfe, gemeinsamen Besitz anzunehmen.23 Aber die betreffenden Schreiben hatten jeweils den Charakter eines apostolischen Indults, waren also Klara gewährte Privilegien oder Ausnahmegenehmigungen. In den Text der normalen Ordensgesetzgebung, das heißt: die offizielle, päpstlich approbierte Regel, fanden sie keinen Eingang. Für die Aufnahme des Armutsideals als verbindliche Bestimmung in die Regel hat Klara mit den Päpsten Gregor IX. und Innocenz IV. sowie mit dem Kardinalprotektor Rainald (dem späteren Papst Alexander IV.) einen lebenslangen, bis einen Tag vor ihrem Tod andauernden Kampf geführt. Schon im Jahre 1219 hatte der Kardinal Hugolino San Damiano und die damals schon existierenden Konvente „Armer Frauen" in Italien auf die Regula Benedicti verpflichtet und ergänzend dazu Konstitutionen (Constitutiones Hugolinianae) erlassen.24 In den von Hugolino erlassenen Bestimmungen fehlt die ewige Verpflichtung auf die absolute gemeinschaftliche Besitzlosigkeit, an der Klara so sehr gelegen war. Statt dessen schärft der Kardinal den Schwestern die lebenslängliche Einschließung ein:25 Die gesamte Zeit ihres Lebens müssen sie eingeschlossen bleiben. Und wenn einige in die Klausur dieses Ordens eingetreten sind und die Lebensweise nach der Regel angenommen haben, dann wird ihnen hinfort keine Erlaubnis oder Möglichkeit mehr gegeben, von dort wieder hinauszugehen, es sei denn, es werden einige abgeordnet, um denselben Orden an einem anderen Ort auszupflanzen oder aufzubauen. Wenn sie aber sterben, dann sollen sowohl die Damen als auch die
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Dienerinnen, welche die Profeß abgelegt haben, innerhalb der Klausur, wie es sich gehört, bestattet werden. Im Jahr der Heiligsprechung des Franziskus (1228) hielt es Gregor IX. für notwendig, Klara an die Gültigkeit der Regel zu erinnern, die er ein Jahrzehnt zuvor als Kardinal dem Kloster S. Damiano geben hatte.26 Bei Gelegenheit eines Besuches in S. Damiano versuchte der Papst dann, Klara zur Annahme von Besitz zu überreden. Als Grund dafür gab er an, die Gemeinschaft der Schwestern brauche eine Absicherung für den Fall widriger Ereignisse und Gefahren. Er bot Klara sogar Güter aus seinem eigenen Privatbesitz an und wollte sie von dem Franziskus gegenüber geleisteten Armutsversprechen dispensieren. Der Verfasser der Legenda S. Ciarae hat die denkwürdige Antwort überliefert, die sie dem Papst darauf gab:27 Heiliger Vater, ich will in gar keiner Weise, in Ewigkeit nicht, von der Nachfolge Christi dispensiert werden. Klara erkannte also in den Worten des Papstes die Absiebt, sie von der Nachfolge Christi abzubringen. „Sequela Christi": das war für Klara das Lebensideal absoluter Armut auf den Spuren des armen, leidenden, gekreuzigten Christus, so wie Franziskus es sie gelehrt hatte. Hinter ihrem Lebensideal stand also die Autorität des Stifters und die Autorität Christi. Wenn sich der Papst mit seiner apostolischen Autorität dagegen stellte, dann stellte er sich gegen Christus. Nicht mehr und nicht weniger sagt Klara hier zu Gregor IX. Von seinem sachlichen, theologischen und juridischen Gehalt her betrachtet, ist dieser Satz der massivste Widerspruch, der je einem mittelalterlichen Papst von Seiten eines einfachen Kirchenmitgliedes geleistet wurde. Klara erhebt damit den Anspruch zu wissen, was „Nachfolge Christi" ist, und sie behauptet implizit, daß der Papst es nicht weiß oder, falls er es weiß, wider besseres Wissen handelt. Diese schwere untergründige Auseinandersetzung blieb natürlich nicht ohne Folgen für das Leben des Konvents von S. Damiano, wie die Aussagen der ältesten Gefährtinnen Klaras, Pacifica, Benvenuta und Filippa, und die ihrer leiblichen Schwester Beatrice im Heiligsprechungsprozeß erkennen lassen.28 Sogar die Kanonisationsbulle Alexanders IV., der den Kardinal Hugolino als Protektor der franziskanischen Gemeinschaften abgelöst und sich wie er als Gegner des Armutsideals hervorgetan hatte, enthält noch einen abgeschwächten Reflex des Ungehorsams Klaras gegenüber Gregor IX., der hier in die Floskeln der Bewunderung für eine außergewöhnliche Tugend gekleidet ist, Klaras entschiedene und harsche Antwort mit ihrem ungeheuerlichen Vorwurf an den Papst aber mit Schweigen übergeht.29 Daß es sich um wirklichen Ungehorsam und Widerstand gegenüber dem Papst handelt, hat schon HERIBERT HOLZAPFEL, Franziskaner und Verfasser der ersten großen deutschsprachigen Geschichte des Franziskanerordens und seiner Zweige, klar erkannt: Klara hat die im Sinne des Kirchenrechts ver-
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bindlicbe Regel Hugolinos überhaupt nicht beachtet.30 Wenn auch nicht in ganz deutlichen, so doch für die Adressatin unmißverständlichen Worten hat sich Klara in diesem Punkt gegenüber Agnes von Prag geäußert (was bestimmt während des Pontifikats Gregors IX. nicht ganz ungefährlich war):31 Damit Du aber sicherer auf dem Wege der Gebote Gottes gehen kannst, halte dich an den Rat unseres ehrwürdigen Vaters, des Generalministers Bruder Elias, und ziehe ihn den Ratschlägen der anderen vor und sieh ihn als wertvoller für Dich an als jedes Geschenk. Wenn aber jemand Dir etwas anderes sagen, Dir etwas anderes einreden sollte, was Deiner Vollkommenheit im Wege steht, was der göttlichen Berufung entgegenzustehen scheint, auch wenn Du ihn verehren mußt, halte Dich dennoch nicht an seine Empfehlung, sondern umarme den armen Christus als arme Jungfrau. Der falsche Ratgeber, der hier namentlich nicht genannt wird, ist kein anderer als der Papst selbst, der im Jahre 1238 gegenüber Agnes von Böhmen versucht hatte, auch für das Frauenkloster in Prag seine eigene Regel durchzudrücken.32 Das jahrzehntelange Ringen zwischen Klara und den Päpsten wird erst verständlich, wenn man sich die eigentlichen Ziele und Absichten der Kontrahenten vor Augen führt. Klara wollte unter gar keinen Umständen, daß die Gemeinschaft der „Armen Damen" irgendwelchen Besitz annähme. Vor allem galt dies für die Gebäude des Klosters San Damiano und den Grund und Boden, auf dem sie standen. Der Grund dafür war zwar die Verpflichtung gegenüber dem Armutsgebot des Franziskus; aber ebenso entscheidend war, daß Klara keine definitive Bindung an einen Ort eingehen wollte. Sie wollte sich und ihren Schwestern die Möglichkeit eines Wegganges offenhalten. Den Titel einer Äbtissin lehnte sie nicht nur aus Bescheidenheit ab, sondern vor allem, weil damit die Anerkennung des rechtlichen Status eines an den Ort gebundenen Konvents benediktinischer Tradition verbunden war. Eben deshalb lehnte sie auch die Regel Hugolinos ab, deren harter (rechtlich verbindlicher) Kern in der lebenslänglichen Einschließung der Frauen hinter Klostermauern bestand. Es muß für Klara besonders enttäuschend gewesen sein, daß Franziskus in der Frage der Inklaustrierung der Nonnen auf Seiten der Kurie stand, und zwar schon längst, ehe der Kardinal Hugolino auf den Plan getreten war. Bereits im Jahre 1214 hatte der Heilige sie ja genötigt, Äbtissin zu werden.33 Die psychischen Reaktionen Klaras auf die von ihr innerlich abgelehnte Inklaustrierung sind in den Quellen klar ablesbar: In ihren Vorstellungen und Traumvisionen entflieht sie den Klostermauern, und sie wird krank. Von 1224 an fesselte sie eine schwere, nicht genannte Krankheit für 29 Jahre dauernd ans Bett. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um ein „typisches" Frauenleiden gehandelt hat. Schon zwei von Klaras Mitschwestern, Cecilia de G u a l t i e r i u n d B a l v i n a de Martino, haben einen Zusammenhang hergestellt
zwischen dem Ausbruch der Krankheit und der Nachricht vom Märtyrertod,
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den fünf Minderbrüder in Marokko erlitten hatten.34 Die Botschaft erweckte in Klara Begeisterung und den Wunsch, gleichfalls nach Marokko zu reisen. Vielleicht hatte Klara eine Abschrift der Legende vom Tod der naiven, unerfahrenen, aber begeisterten Jünglinge (Berard, Peter, Adiutus, Accursius, Otho) erhalten, die am 16. Januar 1220 hingerichtet worden waren. Franziskus dagegen war über den Tod der Protomärtyrer des Ordens alles andere als erbaut, und er verbot den Brüdern, die bald danach entstandene Legende zu lesen.35 Bei Klara aber wird sich damals die Hoffnung, jemals ein apostolisches Wanderleben wie die Brüder oder auch die Frauen der Katharer und Waldenser führen zu können, endgültig zerschlagen haben. Die Folgen waren, wie erwähnt, Krankheit und kompensatorische Wunschträume. Einem aufmerksamen Beobachter der ketzerischen Szene in Italien und Frankreich, wie es der Kardinal Hugolino war, konnte kaum die potentielle Gefahr entgehen, die von Klara ausging, wenn man sie ihr Leben nach ihren Vorstellungen verwirklichen ließe. Um dieser Gefahr vorzubeugen, legte er so großen Wert darauf, die Einsperrung der Schwestern in juristisch verbindlicher Form festzulegen. Aus dem schon erwähnten Brief an Agnes von Prag wird der Hohn und Zynismus deutlich, den der Papst dabei kaum unterdrükken konnte. Er bezeichnet dort das Vermächtnis des Franziskus, die Klara anvertraute Lebensform nach dem Vorbild des Erlösers, verächtlich als „Milchschoppen", eine unfertige, vorläufige Kleinausgabe einer Lebensform (formula vitae).36 Und auch als Innocenz IV. Klara schließlich wenige Stunden vor ihrem Tod ihre Regel mit dem Armutsideal bestätigte, kann man keinesfalls von einem Sieg Klaras sprechen. Denn diese päpstliche Approbation hatte für das Leben der Schwesterngemeinschaft keinerlei Folgen mehr. Die „Armen Damen" waren längst zu einem ganz normalen Frauenorden geworden, in dem, bis auf den heutigen Tag, der Gehorsam gegenüber den kirchlichen Oberen als wichtigste Lebensnorm angesehen wird, nicht die Nachfolge Christi im Sinne von Klara und Franziskus - wie alle Nachfolgerinnen Klaras bestätigen, wenn man sie danach fragt.
Religiöser Lebensinhalt und meditative Theologie Klaras Franziskus, der, wie bereits bemerkt, an der Einschließung der Schwestern von S. Damiano nicht ganz unbeteiligt war, dichtete zu ihrer Erbauung und zu ihrem Trost ein Lied. In eingängigen Rhythmen und Reimen führt der Heilige den Nonnen darin vor, wie sie sein Ideal im alltäglichen Klosterleben verwirklichen können. Das Lied schließt mit der Aussicht auf den himmlischen Lohn, der die Schwestern nach einem von Verzicht, Krankheiten und Leiden erfüllten Leben erwartet.37 Audite, poverelle, dal Signor vocate, ke de multe parte et provincie sete adunate:
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Vívate sempre en veritate ke en obedientia moriate. Non guardate a la vita defora, ka quella dello spirito è migliora. Io ve prego per grand'amore, k'aiate discrecione dele lemosene ke ve da el Segnor. Quelle ke sunt adgravate de infirmitate et l'altre ke, per lor, suo' adfatigate, tute quante lo sostengate en pace, ka multo vederi cara questa fatiga: Ka cascuna será en celo coronata, cum la vergene Maria. Hört, ihr kleinen Armen, die ihr vom Herrn gerufen Aus vielen Ländern und Provinzen hier vereinigt seid: Lebet immer in Wahrheit, Damit ihr im Gehorsam sterbet! Schaut nicht auf das äußerliche Leben, Denn ein bess'res, das des Geists, ist euch gegeben! In großer Liebe bitt' ich euch, Verteilt mit Augenmaß die Almosen, Die euch gibt der Herr! Manche von euch sind durch Krankheit schwer geplagt, Andern ist die Ruhe deshalb ganz versagt: Für sie alle seid besorgt in Frieden! Großer Preis ist eurer Mühe Lohn. Einer jeden wartet ihre Krön, Himmelskönigin dereinst zu sein Mit der Jungfrau Maria. Es ist unbestreitbar, daß Klara einen Teil ihrer Leiden mit Vorsatz und Absicht selbst herbeigeführt hat. Hierzu gehören das extreme Fasten und masochistische Praktiken mittels sogenannter Bußgürtel, die Klara schon als junges Mädchen, lange vor ihrem Klosterleben, ausübte. Die genannten Marterinstrumente dienten dazu, mit Hilfe stacheliger Schweinsborsten und geflochtener Pferdehaare die sensible Haut der weiblichen Brust zu malträtieren, um ihr die Sinnlichkeit auszutreiben. Das exzessive Maß dieser Selbstquälereien war sogar ihren Mitschwestern unheimlich. Man wird aber Klara von Assisi nicht gerecht, wenn man ihre Persönlichkeit ausschließlich von dem psychosomatischen Krankheitsbild her betrachtet, das sie bietet. Sie war zugleich ein Mensch von hoher intellektueller Fähigkeit, und sie hat ihre Leiden auf der Basis der von Franziskus übernommenen Armutsauffassung und eines subtilen religiösen Weltbildes geistig verarbeitet. Daß sie dazu in der Lage war und nicht etwa der Nach- und Formulierungshilfe des Kaplans von S. Damiano oder eines anderen theologisch versierten Minderbruders bedurfte, steht außer jedem Zweifel. Wir wissen zwar kaum etwas über die Bildung, die Klara und ihren beiden Schwestern Agnes und Beatrice
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in ihrer Jugend zuteil wurde, aber es gibt doch in den Quellen einige untrügliche Spuren, die nahelegen, daß diesen Töchtern eines sehr reichen adeligen Hauses Kenntnisse der antiken Literatur und Geisteswelt vermittelt wurden. Am Beginn ihres vierten und letzten Briefes an Agnes von Prag bezeichnet sie die böhmische Königstochter, der sie durch die Korrespondenz sehr nahe gekommen ist, als „Hälfte ihrer Seele", was ein Zitat aus einer (an Vergil gerichteten) Ode des Horaz ist.38 In dem gleichen Brief richtet sie besondere Grüße von ihrer Schwester Agnes, der „überaus klugen Jungfrau", aus.39 Agnese di Favarone di Offreduccio - nach einer nicht ganz zuverlässigen Quelle des 15. Jahrhunderts hätte sie „in der Welt" den Namen Caterina getragen - hatte vielleicht schon 1221 auf Wunsch des Franziskus und des Kardinals Hugolino (so J A C Q U E S CAMBELL) 4 0 oder erst um 1232 auf Wunsch Gregors IX. und des Generalministers Elias (so I G N A C I O O M A E C H E V A R R I A ) 4 1 die Leitung des Klosters Monticelli bei Florenz übernommen und dort die franziskanische Reform eingeführt. Sie kehrte kurz vor Klaras Tod (11. August 1253) nach S. Damiano zurück, wo sie wahrscheinlich drei Monate später, am 16. November 1253, starb.42 Von ihren Briefen an ihre Schwester ist ein einziger erhalten, den sie vermutlich nicht lange nach ihrer Ankunft in Monticelli geschrieben hat.43 Daß er die Zeiten überdauert hat, ist fast ein Wunder; denn er ist eine bewegte Klage über die Trennung von ihren Schwestern mit Zügen der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. 44 Weil das Schicksal aller Menschen so beschaffen ist, daß es niemals in dem gleichen Stand bleiben kann, deshalb versinkt einer gerade dann im Unglück, wenn er meint, er sei in glücklichen Verhältnissen. Du sollst deshalb wissen, Mutter, daß mein Fleisch und mein Geist in der allergrößten Verwirrung und maßloser Traurigkeit sind, und ich werde über jedes Maß belastet und gequält und bin fast nicht mehr imstande zu sprechen, weil ich von Euch und meinen anderen Schwestern dem Leibe nach getrennt bin. Dabei meinte ich, ich könnte mit ihnen auf dieser Welt sterben und leben. Diese Verwirrung hat einen Anfang, kennt aber kein Ende; sie läßt niemals nach, sondern wird immer noch größer. Sie ist mir kürzlich aufgegangen, aber sie strebt in keiner Weise dem Untergang zu. Sie ist beständig in meiner allernächsten Nähe und empfindet niemals den Wunsch, sich von mir zu entfernen. Ich meinte, daß ein Tod und ein Leben auf Erden denen bestimmt sei, denen ein gemeinsamer Aufenthalt im Himmel ist, und daß eine gemeinsame Grabstätte für die bestimmt wäre, welche die gleiche Natur haben. Aber wie ich sehe, wurde ich getäuscht, geängstigt, verlassen, von überallher verwirrt.
Wie haben hier eines der nicht wenigen Zeugnisse im Mittelalter, wo der christliche Glaube zu versagen scheint und der antike Schicksalsglaube durchbricht. Ein Mensch sieht sich einem blinden, unberechenbaren Schicksal ausgesetzt; Glauben und Vertrauen auf die Vorsehung Gottes sind verschwunden. Der Text des Briefes ist ein Beweis dafür, daß Agnes und Klara(!) mit diesem Lebensgefühl vertraut waren, es also aus der antiken Literatur kannten. Dafür sprechen auch Stil und Diktion des Briefes, insbesondere dessen erster Satz.
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Der Brief endet mit der Mitteilung, der Papst (Gregor I X . ) habe „in der Angelegenheit des Eigentums" zu ihrer Zufriedenheit entschieden. (Gregor hatte also für ihr Kloster ein ähnliches Armutsprivileg ausfertigen lassen wie für S. Damiano). Schließlich bittet sie dringend darum, Klara möge sich bei Bruder Elias dafür einsetzen, daß er sie öfter besucht. Von dem Generalminister erwartet sie Trost und Stärkung. 45 Auch Klara selbst hat Agnes von Prag in ihrem zweiten (um 1235-1236 geschriebenen) Brief eindringlich an die Autorität des Elias verwiesen. Die entsprechende Bemerkung Klaras steht im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit dem Papst um die Aufnahme des Armutsideals in die Regel, in die auch das von Agnes in Prag gegründete Kloster involviert war.46 Demnach kann kein Zweifel bestehen, daß Elias in dem Streit auf der Seite der Schwestern stand. Das mag zunächst etwas unglaubwürdig klingen: Ist doch bekannt, daß dem Nachfolger des Franziskus ziemlich wenig an der Armut gelegen war; erst nach seiner Absetzung durch den Papst an Pfingsten 1239 wurde er gezwungen, das Armutsgelübde abzulegen.47 Auch danach hielt er engen Kontakt zu den „Armen Damen". Nach der glaubwürdigen Darstellung des englischen Chronisten Thomas von Eccleston hielt er sich nicht an das Verbot seines Nachfolgers Albert von Pisa, die Klarissen-Klöster aufzusuchen, und dies war einer der Gründe für seine erste Exkommunikation. 48 Es ist zu vermuten, daß Elias kaum an der asketisch-praktischen Seite der franziskanischen Armut interessiert war als vielmehr an deren christologischen und eschatologischen Implikationen und daß er darüber auch mit Klara in gedanklichem Austausch stand.49 In ihrem zweiten Brief ermahnt Klara Agnes von Böhmen zur Betrachtung und Umarmung des armen Christus. Die Stelle folgt unmittelbar auf die Erwähnung des Bruders Elias! 50 Sieh auf ihn, der verächtlich für Dich geworden ist, und folge ihm nach, die Du selbst um seinetwillen verächtlich in dieser Welt geworden bist! Schau Deinen Verlobten an, hochedle Königin, der schöner ist als alle Menschenkinder [Ps 44,3], der aber um Deines Heiles willen zum schäbigsten der Männer wurde, verachtet, geschlagen [Is 53,2f.] und am ganzen Körper mit Geißelhieben bedeckt! Sieh ihn an, wie er unter Ängsten am Kreuz stirbt, betrachte ihn in dem Wunsch, ihn nachzuahmen! Von dem himmlischen Bräutigem, dessen T o d am Kreuz Agnes im Alltag des Klosterlebens mitvollziehen soll (in cruce tribulationis commoriens cum ipso), wird hier die Verbindung von Schönheit in der himmlischen Sphäre (nach Ps 44,3) und Gestaltlosigkeit im Leiden (nach Is 53,2f.) ausgesagt, die der meditativen Theologie des Mittelalters vertraut war. In dem Rundschreiben, das Bruder Elias von Cortona unmittelbar nach dem Tode des Franziskus an den Orden gerichtet hatte, hatte er eine Beschreibung vom Aussehen des Toten gegeben: Der Leichnam des Heiligen war demnach von sehr schönem Aussehen. Dies stand, wie Elias weiter ausführt, in krassem Gegensatz zu dem verächtlichen Anblick, den Franziskus zu seinen Lebzeiten, infolge
Armut und Verlobung mit dem höchsten König
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seiner vielfältigen Leiden, geboten hatte. Elias will damit sagen, daß sich bei Franziskus die gleiche Verbindung von Gestaltlosigkeit im Leiden und Schönheit in der Verklärung zeigte wie bei Christus51 - womit er Franziskus nicht nur in die allernächste Nähe des Erlösers rückte, sondern ihn de facto zum „alter Christus" erhob. Klaras Vorstellung von Franziskus unterschied sich nicht wesentlich von derjenigen des Elias, aber sie konnte sich darüber natürlich nicht mit dem Papst oder dem Kardinal Rainald unterhalten, sondern allenfalls mit dem Generalminister selbst, und später, unter den notwendigen Kautelen, schriftlich mit Agnes von Prag. Sie hat ihre Korrespondenz mit der geistesverwandten, auf dem gleichen intellektuellen und theologischen Niveau wie sie stehenden böhmischen Königstochter nicht als harmlos angesehen. Ihren vierten Brief eröffnet sie mit folgender Bemerkung:52 O Mutter und Tochter, Braut des Königs aller Welt-Zeiten, wenn ich Dir auch nicht oft geschrieben habe, wie es Deine Seele und meine in gleicher Weise wünscht und manchmal sehr begehrt, wundere Dich nicht, und glaube nicht, daß das Feuer meiner Liebe zu Dir weniger zärtlich im Herzen Deiner Mutter brennt! Der Hinderungsgrund liegt nur bei dem Fehlen von Boten und den offenkundigen Gefahren der Wege.
Der letzte Satz läßt (in der Form der „verdeckten Mitteilung") einiges durchblicken: Es fehlt natürlich nicht an Briefboten überhaupt, sondern an vertrauenswürdigen Leuten, denen man vertrauliche Briefe anvertrauen kann; auch ist bei den erwähnten Gefahren der Reise weniger an Wegelagerer zu denken als an willfährige Untertanen des Papstes, in deren Hände die Briefe gelangen könnten. Am Ende dieses letzten Briefes kann Klara aber schreiben: Die Überbringer dieses Briefes, unsere überaus geliebten Brüder Amatus, bei Gott und den Menschen beliebt, und Bonaugura, empfehle ich Deiner Liebe, so gut ich nur kann, mit diesem Brief. Amen.
Nach alldem ist es nicht verwunderlich, daß Klaras Briefe, die weder auf der Linie der päpstlichen Ordenspolitik noch der offiziellen rechtgläubigen Theologie lagen, während der folgenden Jahrhunderte so gut wie überhaupt keine Wirkung entfalten konnten. Sie waren verschollen. Der lateinische Originaltext wurde erst im 20. Jahrhundert, nach dem ersten Weltkrieg, in der Biblioteca Ambrosiana zu Mailand entdeckt und 1924 erstmals durch WALTER W. SETON veröffentlicht. 5 3
Literaturgeschichtlich können die vier Briefe Klaras in die (allegorische) Auslegungsgeschichte des Hohen Liedes eingeordnet werden. Aber sie sind doch viel eher Zeugnisse einer existentiellen Aneignung von dessen Text. Im Zentrum der Betrachtung steht das Verlöbnis mit dem himmlischen König, das Agnes gegen die ihr angebotene Verlobung mit dem höchsten irdischen Machthaber, dem Kaiser Friedrich II., eingetauscht hat (Brief 1,2). Die Vor-
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Klara von Assisi
aussetzungen, die sie als Braut mitbringen muß, sind die unverletzliche Jungfräulichkeit und die aller h eiligste Armut. Dadurch wird sie zugleich zur Braut, Mutter und Schwester Jesu Christi. Durch die engen Umarmungen des Geliebten, der die Braut mit kostbaren Ohrgehängen und Edelsteinen schmückt, wird sie in die am Kreuz vollzogene Erlösung und Versöhnung einbezogen (Brief 1,2). Nach Klara ist der Tod am Kreuz, der Christus nach einem Leben voller Entbehrungen und Leiden erwartet, der Höhepunkt der Armut (Brief 1,3): O selige Armut, die denen, die sie lieben und umarmen, ewige Reichtümer gewährt! O heilige Armut: denen, die sie haben und begehren, wird von Gott das Himmelreich versprochen und die ewige Herrlichkeit und das selige Leben ganz ohne Zweifel gewährt! O fromme Armut, die der Herr Jesus Christus, der Himmel und Erde regierte und regiert, der sprach, und sie wurden geschaffen [Ps 32,9; 148,5], vor allen anderen zu umarmen geruhte! Denn die Füchse haben ihre Höhlen, sagt er, und die Vögel des Himmels ihre Nester, der Menschensohn aber, nämlich Christus, hat keinen Ort, wo er seinen Kopf anlehnen kann [Mt 8,20], sondern er neigte sein Haupt und starb [Joh 19,30].
Da die Nachfolge Christi ausschließlich durch Armut und Sterben mit dem gekreuzigten Erlöser möglich ist, gelangen nur die Armen in das himmlische Reich. Darin besteht der „große und löbliche Tauschhandel" (magnum ac laudabile commercium): „das Zeitliche für das Ewige zu verlassen, das Himmlische für das Irdische zu verdienen, das Hundertfache zu erhalten [Mt 19,29] und die ewige Seligkeit in Besitz zu nehmen" (Brief 1,4). Das Mitleiden mit Christus und der mit ihm gemeinsam am Kreuz erlittene Tod führt in die Wohnung der ewigen Herrlichkeit (Brief 2,4).M Die Adressatin erlangt dadurch die Vollkommenheit (perfectio), die sie zum Vollzug der ehelichen Vereinigung mit dem König im himmlischen Brautgemach (in aethereo thalamo) befähigen wird.55 Die hier zum Ausdruck kommende religiöse Mentalität und Frömmigkeit muß jeden guten Protestanten, ob nun lutherischer oder zwinglianisch-reformierter Tradition, aber auch jeden modernen katholischen Theologen, der meint, alle Christen könnten „einig in der Rechtfertigungslehre" sein, zu schärfstem Widerspruch reizen: denn die qualitative Distanz zwischen Schöpfer und Mensch ist aufgehoben. Eben darin zeigt sich, daß Klara eine echte Mystikerin ist. Es fehlt bei ihr allerdings die bei manchen Mystikern des Spätmittelalters und des nachtridentinischen Zeitalters übliche Aufgabe des eigenen Ich. Sie erwartet, daß der himmlische Bräutigam für sie nicht nur ewige Reichtümer und Ehren bereithält, sondern auch die Einlösung und Erfüllung des Verlöbnisses mit Christus in einer wirklichen Ehe. Mit den Worten der Geliebten des Hohen Liedes (Cant 1,1-13; 2,4-6) kann sie deshalb in ihrem vierten Brief ausrufen:56 Zieh mich an dich! Wir eilen hinter dem Duft deiner wohlriechenden Salböle her, himmlischer Bräutigam! Ich will laufen und nicht aufgeben, bis du mich in deine
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Gärkammer hineinführst, bis deine Linke unter meinem Kopf ruht und deine Rechte mich voll Glück umarmt und du mich mit dem beseligenden Kuß deines Mundes beglückst!
Aber schon hier auf Erden ist Agnes in Klaras Augen „Helferin Gottes und Unterstützerin der fallenden Glieder seines unsagbaren Leibes" (nach 1 Cor 3,9).57 Mit dem ineffabilis corpus ist nicht nur die Teilhabe an der Gemeinschaft aller Gläubigen, „die zusammen den mystischen Leib Christi, die Kirche, bilden",58 gemeint, sondern Agnes hat, wie es kurz davor heißt, aufgrund der Weisheit Gottes den besonderen Vorzug (praerogativa), an der Uberwindung des bösen Feindes in den Herzen der Menschen (und damit am Erlösungswerk) mitzuwirken (Brief 3,2). Sie wird damit zur „Freude der Engel", und als solche kann Klara sie schon jetzt zur geistigen Erhebung in die ewige Herrlichkeit und zur meditativen Verwandlung in das Bild des göttlichen Wesens aufrufen (Brief 3,3):59 Versetze Deinen Geist in den Spiegel der Ewigkeit, versetze Deine Seele in den Glanz der Herrlichkeit, versetze Dein Herz in das Bild des göttlichen Wesens und verwandle Dich selbst ganz durch die Betrachtung in das Bild seiner Gottheit [2 Cor 3,18; Hebr 1,3], damit auch Du empfindest, was die Freunde empfinden, wenn sie die verborgene Süße schmecken, die Gott von Anfang an denen vorbehalten hat, die ihn lieben [Ps 30,20; 1 Cor 2,9],
In den Briefen Klaras zeigt sich ein theologisches und mystisches Denken von großer Selbständigkeit und Eigenart. Es ist nicht nur die Transposition der Wunschträume einer hilflos gewordenen Kranken in eine virtuelle, vorgestellte Welt. Verglichen mit der meditativen und existentiell erfahrenen Theologie Klaras erscheinen die theoretischen und spitzfindigen Erörterungen der Armutsfrage innerhalb der scholastischen, universitären Hochtheologie des späteren 13. Jahrhunderts als nebensächlich und läppisch. Psychologisch und biographisch betrachtet ist Klara von Assisi freilich eine tragische Gestalt, und zwar in doppelter Hinsicht: ihrer Liebe zu Franziskus und ihrer Sehnsucht nach ihm blieb (im Bereich der geschichtlichen Realität) die Erfüllung versagt; auch das Lebensideal der „allerheiligsten Armut", das sie für sich persönlich und die Gemeinschaft ihrer Schwestern als allein richtig erkannt hatte, fiel dem alles nivellierenden, kanonistischen Geist der Römischen Kurie zum Opfer. Frauen, die „dem Leben und der Armut unseres Herrn" im franziskanischen Sinne nachfolgen wollten, schlossen sich schon eine Generation später nicht mehr den Klarissen an, die zu einem normalen (und mit anderen verwechselbaren) Frauenorden innerhalb der Kirche geworden waren. Aber die Ideen dieser Gefangenen und ans Bett gefesselten Kranken fliegen zu uns über die Jahrhunderte, und vielleicht erheben sie sich doch zu einer Welt, die geistiger, lebendiger und wirklicher ist als die unsere.
10 CECILIA VON ROM
Erinnerungen an den Heiligen Dominikus Schwester Cecilia, Nonne des Dominikanerinnen-Klosters Sant'Agnese zu Bologna, hat in hohem Alter ihrer Mitschwester Angelica ihre Erinnerungen an die Wundertaten des heiligen Dominikus diktiert.1 Cecilia hatte den Gründer des Predigerordens in ihrer Jugend in Rom persönlich kennengelernt. Sie entstammte vermutlich einer adeligen römischen Familie und wurde um das Jahr 1203 geboren; sie war also etwa zehn Jahre jünger als Klara von Assisi. 1290 ist sie in Bologna gestorben. Als ihr Lebensweg den des Dominikus kreuzte, war sie höchstens siebzehn Jahre alt und lebte als Nonne in dem römischen Frauenkloster Santa Maria in Tempulo (Monasterium Tempuli), das in der Nähe der Caracalla-Thermen lag und von einer Äbtissin namens Eugenia geleitet wurde.2
Die Anfänge des Predigerordens Domingo de Guzmán (ca. 1270-6. August 1221), Domherr an der Kathedrale von Osma (Burgo de Osma) in Kastilien, war Anfang des Jahres 1206 in Begleitung seines Bischofs Diego (Didacus) de Acebes zum ersten Mal nach Rom gekommen.3 Auf der Rückreise von einer diplomatischen Mission, die sie im Auftrag des Königs Alfons' VIII. von Kastilien (1158-1214) nach Dänemark unternommen hatten, hatten sie den Umweg über die Ewige Stadt genommen. Diego, der von missionarischem Geist beseelt war, bot dem Papst Innocenz III. den Verzicht auf sein Bistum an und bat ihn um die Erlaubnis, in die Heidenmission zu gehen. Der Papst ging darauf jedoch nicht ein und schickte Diego in sein Bistum zurück. Die Reise nach Spanien führte über Cîteaux, wo Diego das Ordenskleid der Cistercienser anlegte. Im Juni 1206 trafen der Bischof von Osma und sein Gefolge in Montpellier auf den päpstlichen Legaten und die Cistercienser-Äbte, denen Innocenz III. die Missionierung der Katharer und Waldenser des Languedoc anvertraut hatte. Zusammen mit den Bischöfen des Landes berieten sie über die für die Katholische Kirche verzweifelte Situation. Bisher waren alle Versuche, die Ketzer durch Predigt zurückzugewinnen, gescheitert. Sowohl Katharer wie Waldenser sahen ihr Ideal in einem armen Wanderleben nach dem Vorbild Christi und der Apostel. Die prunkvoll mit großem Gefolge auftretenden Bischöfe und Äbte konnten deshalb wenig Eindruck auf sie machen, eine Er-
Erinnerungen an den Heiligen Dominikus
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fahrung, die schon ein halbes Jahrhundert früher Bernhard von Clairvaux hatte machen müssen. Bischof Diego erkannte das Dilemma der bisherigen Bemühungen. Jordan von Sachsen berichtet:4 Er war ein kluger Mann und hatte Verständnis für die Wege Gottes; und so erkundigte er sich zunächst über die Praktiken und Gewohnheiten der Häretiker. Er durchschaute die Argumente, die Predigten und Beispiele geheuchelter Heiligkeit, mit denen sie das Volk in perfider Weise in die Häresie verwickelten. Andererseits sah er den großen und kostspieligen Aufwand an Pferden und Kleidern der päpstlichen Legaten, und er sagte zu ihnen: „Nein, Brüder, das ist nach meiner Meinung nicht der richtige Weg. Ich glaube nicht, daß ihr diese Leute allein mit Worten zum Glauben zurückführen könnt; sie werden sich wohl eher durch Vorbilder überzeugen lassen. Seht doch, wie die Häretiker unter dem äußeren Schein der Heiligkeit ein Vorbild evangelischer Armut und Strenge heucheln und auf diese Weise die einfachen Leute verführen! Wenn das Beispiel, das ihr gebt, von alldem das Gegenteil ist, werdet ihr wenig aufbauen und vielleicht sogar das noch Vorhandene zerstören, ohne jemanden von ihnen zu überzeugen. Treibt lieber einen Nagel mit einem anderen aus! Stellt der erheuchelten Heiligkeit die wahre religiöse Lebensweise entgegen! Das äußerlich beeindruckende Gebaren der Pseudoapostel kann nur mit echter Demut überwunden werden. So sah sich Paulus genötigt, den Eindruck eines Verrückten zu erwecken, seine Stärken zu verbergen und die Mühen und Gefahren seines Lebens offen darzulegen [2 Kor 11], um so mit dem aufgeblähten Gehabe derjenigen fertig zu werden, die sich ihrer Verdienste rühmten." Sie fragten ihn: „Was rätst du uns denn, guter Vater?" E r antwortete: „Tut das, was ihr mich tun seht!"
Diese prägnanten Sätze enthalten das Programm des Diego von Osma und sein Lebensideal. Den Ketzern, denen hier ein nur gespieltes, unehrliches Armutsideal unterstellt wird, ist nur beizukommen mit wahrer evangelischer Armut. Die dominikanische Bewegung hat von allem Anfang an die Bekehrung oder Rückgewinnung der bereits außerhalb der Römischen Kirche geratenen Häretiker im Blick. Das unterscheidet sie von Franziskus und seinen ersten Gefährten, die auszogen, um die Christen, also nicht nur die der Kirche Fernstehenden, sondern ihre aktiven Glieder zu bekehren. Derjenige, der das Programm des späteren Predigerordens als erster gedacht und formuliert hat, war der Bischof Diego de Acebes von Osma, der deshalb als der eigentliche Stifter und geistige Vater der Dominikaner angesehen werden kann. Der bescheidene Dominikus hat dann nach Diegos frühem Tod dessen Werk mit ungeheuerem persönlichen Einsatz fortgeführt und ihm den institutionellen Rahmen gegeben.5 Nachdem Diego den in Montpellier versammelten Großpriestern deutlichen Bescheid gegeben hatte, schickte er sein Gefolge mit den Pferden und den mitgeführten Vorräten nach Spanien zurück. Nur wenige von seinen Klerikern, unter ihnen Dominikus, blieben bei ihm. Sie widmeten sich fortan der Mission unter den Häretikern des Languedoc. Bei aller (typisch spanischen) Unbeugsamkeit seiner Glaubensüberzeugung muß Diego ein überaus liebenswürdiger Mensch gewesen sein, ein Sympathieträger wie der heilige
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Cecilia von R o m
Franziskus. Jordan von Sachsen überliefert die Erinnerung daran mit folgenden Worten:6 Der Mann Gottes, Bischof Diego, zeichnete sich durch einen so hervorragenden sittlichen Anstand aus, daß er sich sogar die Zuneigung der Ungläubigen und darüber hinaus die Herzen aller, unter denen er sich aufhielt, gewann. Und so sagten die Ketzer über ihn ganz offen, es sei unmöglich, daß ein solcher Mensch nicht zum Leben vorherbestimmt sei und er sei vielleicht in diese Gegend gesandt worden, damit er sich unter ihnen die wahre Glaubenslehre aneigne.
Einen Mann wie Diego hätten die Katharer gern für ihre Sache gewonnen, und sie machten sich entsprechende Hoffnungen. Auf Diego geht auch die Gründung des ersten Frauenklosters in Südfrankreich zurück, von der Jordan gleich im Anschluß an die Bemerkung über den Eindruck, den er auf seine Gegner machte, berichtet:7 Zur Aufnahme adeliger Frauen, welche ihre verarmten Eltern den Ketzern zur Erziehung und zum Unterhalt gaben, gründete er zwischen Fanjeaux und Montréal ein Kloster an einem Ort namens Prouille. Dort leisten die Dienerinnen Christi bis auf den heutigen Tag ihrem Schöpfer einen angenehmen Dienst. Ihr Leben ist durch die große Kraft seiner Heiligkeit und die strahlende Reinheit seiner Unschuld für die Menschen ein Vorbild, für die Engel eine Freude, für Gott ein Wohlgefallen.
Das Kloster von Prouille diente auch den Missionaren als Stützpunkt. Dominikus konnte bei dieser Gelegenheit sicher Erfahrungen im Umgang mit adeligen Ordensfrauen sammeln, die ihm später in Rom zugute kamen. In den erwähnten Städten Fanjeaux und Montréal sowie in Pamiers und Lavaur fanden damals Diskussionen mit den Häretikern statt, im ganzen offenbar mit wenig Erfolg. 8 Nach zwei Jahren kehrte Diego nach Osma zurück. Er wollte sich um seine Diözese kümmern, weitere geeignete Mitarbeiter suchen und Geld mitbringen. Er hatte die Absicht, bald wieder nach Südfrankreich zurückzukehren. Aber wenige Tage nach der Ankunft in seiner Bischofsstadt erkrankte er und starb. Dominikus, der inzwischen auf Amt und Würde des Subpriors des Domkapitels von Osma verzichtet hatte und sich „Bruder" (Frater, Fray) nannte, übernahm die geistliche Leitung der kleinen Gemeinschaft. Um deren weltliche Angelegenheiten kümmerte sich ein gewisser Guillaume Claret aus Pamiers. Nach der Darstellung des Jordan von Sachsen scheint die Gemeinschaft danach in eine Krise gekommen zu sein. Die meisten Mitarbeiter verließen Dominikus nach einiger Zeit. Beständig bei ihm blieben nur der erwähnte Guillaume Claret und ein spanischer Bruder, der ebenfalls den Namen Dominikus trug. (Er wurde später Prior des Prediger-Konvents von M a d r i d ) . D i e M i s s i o n unter den K a t h a r e r n stagnierte. A l s i m J a h r e 1208 der
vom Papst initiierte Albigenser-Kreuzzug begann, erinnerten sich manche
Erinnerungen an den Heiligen Dominikus
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daran, daß der Bischof Diego einmal bei einer erfolglosen Diskussion erbittert das Strafgericht Gottes über die Ketzer angerufen hatte. Von einer friedlichen Bekehrungstätigkeit konnte während des mörderischen Albigenser-Krieges nicht mehr die Rede sein. Für die Katharer gehörte Dominikus zu der anderen Seite, und sie haßten ihn. Wenn wir seinem Biographen glauben dürfen, sehnte er sich damals nach dem Martyrium, und nur die Tatsache, daß er den Tod als Gewinn ansah, hielt die Ketzer davon ab, ihn umzubringen. 9 Andererseits schätzte ihn Simon de Montfort, der Oberbefehlshaber des Kreuzfahrerheeres, ganz außerordentlich. Er schenkte ihm den befestigten Ort Casseneuil. Außerdem wurden Dominikus damals die Kirche von Fanjeaux, wo später ein bedeutender Konvent der Predigerbrüder entstand, und weitere Ländereien übertragen. Daß Dominikus zu dem berüchtigten Bluthund des Albigenser-Krieges ein gutes Verhältnis hatte, mag seinen Charakter nicht eben im günstigsten Licht erscheinen lassen, sollte aber auch nicht aus modernem, moralisierendem Blickwinkel betrachtet werden. Ganz gewiß hat er den vom Papst angeordneten Krieg gegen die Ketzer nicht als eine verwerfliche Sache angesehen, und in den blutigen Siegen des Kreuzfahrerheeres erblickte er vielleicht eine günstige Voraussetzung für die weitere Mission unter den Katharern, welche die Massaker überlebt hatten. Reich beschenkt wurde Dominikus auch von dem Bischof Foulques (Fulko) von Toulouse, der nach der Eroberung dieser Stadt (1214) sein mächtiger Protektor wurde. In Begleitung des Bischofs von Toulouse reiste Dominikus im Jahre 1215 zu dem Vierten Laterankonzil nach Rom. Mit Duldung des Papstes wurde die Gemeinschaft des Dominikus als Orden der Prediger konstituiert, verpflichtete sich zur Armut und erhielt, als äußeren Rahmen ihres gemeinsamen Lebens, die Augustinus-Regel. Eine rechtsverbindliche, definitive päpstliche Anerkennung seines Instituts konnte Dominikus ebensowenig erreichen wie Franziskus bei seinem ersten Besuch an der Römischen Kurie im Jahre 1209 für den Minoriten-Orden. Die Armutsverpflichtung der Prediger bezieht sich, wie diejenige der Minoriten, nicht nur auf den individuellen Besitz, sondern auch auf das kollektive Eigentum der Gemeinschaft. Die Durchführung des Armutsideals in der Praxis war aber längst nicht so radikal, wie es Franziskus von seinen Anhängern verlangte. So war den Dominikanern der Besitz von Kirchen und klösterlichen Liegenschaften in bescheidenem Umfang erlaubt. Auch existierte kein absolutes Geldverbot. Auseinandersetzungen um die Interpretation der Begriffe „Eigentum" (proprietas), „Verfügungsrecht" (dominium), „Nutzung" (usus), wie sie über ein Jahrhundert lang den Franziskaner-Orden erschütterten, blieben deshalb den Dominikanern erspart.
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Cecilia von Rom
Die Erinnerungen der Schwester Cecilia Ende 1216 war Dominikus erneut in Rom und erhielt nun die Bestätigungsurkunde durch Honorius III. Die Augustinus-Regel wurde für den rasch wachsenden Orden durch sogenannte Consuetudines, rechtsverbindliche Bestimmungen, ergänzt. An Pfingsten 1217 nahm Dominikus in Toulouse die Aussendung der Brüder vor: sie brachen in kleinen Gruppen in Richtung Spanien und Paris auf. In Paris übernahmen sie den Konvent von SaintJacques,10 nach dem der Orden später auch als „Jacobins" (Jakobiner) bezeichnet wurde. Dominikus selbst begab sich wiederum nach Rom. Ende Januar 1218 traf er dort ein. Die erste Kirche, die er in der Ewigen Stadt erhielt, war San Sisto am innerstädtischen Teil der Via Appia, gegenüber den Caracalla-Thermen. Im Auftrag des Papstes errichtete er dort einen SchwesternKonvent, in welchen die in kleinen Klöstern verstreut lebenden Nonnen von Rom umgesiedelt wurden.11 Auch Dominikus selbst und die Brüder behielten zunächst ihren Wohnsitz in S. Sisto. Einige Jahre später wurde ihnen dann die Basilika Santa Sabina auf dem Aventin und das dortige Kloster übertragen, wo sich bis heute das Generalat der Dominikaner befindet. Die erwähnte Umsiedlung der Schwesterngemeinschaften von Santa Bibiana und Santa Maria in Tempulo vollzog sich nicht ohne massive Widerstände, wie Schwester Cecilia berichtet, die dem zuletzt genannten Konvent angehörte. Zunächst wehrten sich die Nonnen insgesamt gegen den Umzug in ein gemeinsames Kloster, obwohl hinter dem Unternehmen die Autorität des Papstes Honorius' III. persönlich stand, der dem Dominikus drei Kardinäle der Römischen Kurie, darunter den mächtigen Kardinalbischof Hugolino von Ostia, zur Unterstützung zugeordnet hatte. Allein die Äbtissin Eugenia von S. Maria in Tempulo unterstellte sich mit ihrem Konvent und dessen gesamtem Besitz und seinen Einkünften dem Heiligen; immerhin verweigerte auch von ihren Nonnen eine den Umzug.12 Hören wir Cecilias Bericht darüber im Zusammenhang:13 Papst Honorius seligen Angedenkens gab dem heiligen Dominikus den Auftrag, alle Nonnen, die in Klöstern über die verschiedenen Regionen der Stadt Rom hin verstreut lebten, zusammenzuführen, und ihnen nach Fertigstellung eines Klostergebäudes bei San Sisto ihre Wohnstätte anzuweisen. Der heilige Dominikus bat den Papst, er möchte ihm zur Durchführung einer so bedeutenden Aufgabe geeignete Gefährten zuordnen. Der gab ihm als Gefährten den Herrn Hugolino, Bischof von Ostia, der später Papst wurde, den Herrn Stephan von Fossanova, Kardinalpriester von SS. Apostoli, und den Herrn Nikolaus, Kardinalbischof von Tusculum, damit sie ihm in allem, was er nötig hatte, Beistand leisteten. Als aber alle Nonnen Widerspruch einlegten und in dieser Angelegenheit, soweit sie es vermochten, dem Herrn Papst und dem heiligen Dominikus nicht gehorchen wollten, da bot sich die Äbtissin von Santa Maria in Tempulo mit allen ihren Nonnen, ausgenommen eine einzige, dem heiligen Dominikus mit allen Besitztümern und Einkünften, die zu ihrem Kloster gehörten, an. Der heilige Dominikus aber bestimmte, im Einvernehmen mit den drei Kardinälen, die ihm als Ge-
Erinnerungen an den Heiligen Dominikus
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fährten gegeben worden waren, daß sie alle am ersten Mittwoch der Fastenzeit nach Empfang des Aschenkreuzes nach S. Sisto kommen sollten, damit die genannte Äbtissin, in ihrer und aller Nonnen Gegenwart, auf ihr Amt verzichte und alle Rechte des Klosters ihm und seinen Gefährten übertrüge. Die Erinnerungen Cecilias an diesen auch für ihr eigenes Leben hoch bedeutsamen Vorgang sind ziemlich genau und, mit den Maßstäben historischer Kritik betrachtet, sehr gute Überlieferung. Bei den Historikern, besonders auch denen aus dem Dominikaner-Orden, hat Schwester Cecilia allerdings keinen guten Ruf. Sie gilt als „wundersüchtig" und hinsichtlich ihrer intellektuellen Fähigkeiten als ein wenig minderbemittelt; außerdem sei das Erinnerungsvermögen der „alten Schwätzerin" nicht sehr zuverlässig. Der Bericht Cecilias über die Resignation der Äbtissin von S. Maria in T e m p u l o und die Übertragung der Rechte ihres Klosters auf Dominikus in Anwesenheit dreier Kardinäle mit der Absicht, den Frauenkonvent nach S. Sisto umzusiedeln, wird wohl vor allem deshalb angezweifelt, weil er in einer Wundererzählung, der Erweckung des N e f f e n des Kardinals Stephan namens N a p o l e o n von den Toten, ausmündet. So schreibt schon HERIBERT CHRISTIAN SCHEEBEN in seiner Biographie des D o m i n i k u s : „ O b sich aber H u g o von Ostia als Staffage bei der R e f o r m eines Frauenklosters gebrauchen ließ, ist doch mehr als zweifelhaft. Bei den Klarissen hatte er jedenfalls eine andere Rolle gespielt. Wir dürfen wohl trotz der Schwester Cäcilia annehmen, daß Dominikus ohne Hilfe von drei Kardinälen die Gründung von San Sisto zuwege gebracht hat." 14 Lassen wir nun aber Cecilia selbst mit ihrem Wunderbericht zu Wort k o m men:
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Als der heilige Dominikus zusammen mit den bereits erwähnten Kardinälen Platz genommen hatte und die genannte Äbtissin mit den Nonnen dabeistand, da kam ein Mann, der sich die Haare raufte und mit lauter Stimme schrie: „ O jeh, o jeh!" Als die Anwesenden fragten, was er denn habe, antwortete er: „Der Neffe des Herrn Stephan ist vom Pferd gestürzt und ist tot." Der besagte junge Mann hieß Napoleon. Als sein Onkel das gehört hatte, lehnte er sich voller Angst an den heiligen Dominikus. Aber andere stützten ihn, und der heilige Dominikus stand auf und besprengte ihn mit Weihwasser. Dann verließ er ihn und begab sich an den Ort, wo der Tote lag, der völlig zerschmettert und mit fürchterlichen Wunden bedeckt war. Er ließ ihn vom Ort des Unfalls weg in ein Haus bringen und dort einschließen. Dann sagte er dem Bruder Tankred und den anderen, die bei ihm waren, sie möchten sich zur Messe vorbereiten. Dabei anwesend waren also der heilige Dominikus, die Kardinäle und die anderen, die sich in ihrer Begleitung befanden, sowie die Äbtissin und ihre Nonnen. Denn der heilige Dominikus und die Kardinäle behandelten die Äbtissin mit großer Ehrfurcht wegen ihrer Heiligkeit. Da zelebrierte der heilige Dominikus unter Strömen von Tränen. Als er aber bei der Elevation des Leibes des Herrn angekommen war und denselben in seinen Händen hielt und in gewohnter Weise emporhob, da wurde er selbst, wie alle Anwesenden mit Staunen sahen, von der Erde etwa eine Elle hoch emporgehoben. Nach der Meßfeier kehrte er zu dem Toten zurück, ebenso die Kardinäle mit ihrer Begleitung und die Äbtissin mit ihren Schwestern. Als er bei der Leiche ange-
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langt war, da legte er mit seiner hochheiligen Hand alle zerschmetterten und zerfleischten Glieder vom Kopf bis zu den Füßen zurecht. Dann warf er sich im Gebet unter Tränen neben der Bahre zu Boden. Das tat er dreimal und legte das zerfleischte Gesicht und die anderen Glieder an ihren Orten zurecht; dann stand er auf und machte über ihm das Kreuzzeichen. Er stand am Kopf des Verstorbenen mit zum Himmel erhobenen Händen, und da wurde er auch selbst durch göttliche Kraft von der Erde mehr als eine Elle hoch emporgehoben, und er rief mit lauter Stimme: „O Jüngling Napoleon, ich sage dir im Namen unseres Herrn Jesus Christus: Steh auf!" Und sogleich stand er gesund und unversehrt auf, wie alle sehen konnten, die zu diesem großen Schauspiel zusammengeströmt waren, und er sagte zu dem heiligen Dominikus: „Vater, gib mir zu essen!" Der heilige Dominikus gab ihm Speise und Trank und gab ihn gesund und fröhlich, ohne irgend ein Zeichen von Verletzung, seinem Onkel zurück. Er hatte aber vom Morgen bis zur neunten Stunde tot dagelegen. Dieses große Wunder, wie es hier berichtet ist, hat Schwester Cecilia erzählt, die bei den Ereignissen dabeigewesen ist und alles mit eigenen Ohren gehört und mit eigenen Augen gesehen hat. Es ist ganz unwahrscheinlich, daß die römische Nonne diese Vorgänge, bei denen sie nach eigener Angabe als Augenzeugin anwesend war, einfach erfunden oder als alte Frau zusammengelogen haben sollte. Es kommt aber hinzu, daß Cecilias breiter, ausführlicher Wunderbericht im wesentlichen durch den weitaus nüchterneren, fast rationalistischen Bericht, den Jordan von Sachsen von dem gleichen Ereignis überliefert, bestätigt wird. Er geht ebenfalls auf einen Augenzeugen, den auch von Cecilia erwähnten Bruder Tankred, zurück: 16 Als er [Dominikus] sich einmal in Rom aufhielt, da erlitt ein junger Mann aus der Verwandtschaft des Herrn Kardinals Stephan von Fossanova, als er zu Pferde in unvorsichtiger Weise in zügellosem Galopp einhersprengte, einen schweren Sturz und wurde unter Tränen weggetragen. Man hielt ihn, da er kein Lebenszeichen mehr von sich gab oder vielleicht auch schon ganz zweifellos nicht mehr atmete, für tot. Als die Trauer über den Toten heftiger wurde, fand sich dort Magister Dominikus zusammen mit Bruder Tankred ein, einem guten und eifrigen Mann, der einmal Prior in Rom war und aus dessen Bericht ich dieses Ereignis erfahren habe. Der sagte zu Dominikus: „Warum verbirgst du deine Fähigkeit? Warum rufst du nicht den Herrn an? Wo ist denn jetzt dein Mitleid mit den Nächsten? Wo dein Gottvertrauen?" Angerührt von dieser Ermahnung des Bruders und überwältigt von heißem Mitleid belebte er (refocillavit ad vitam!) den Jüngling, den man insgeheim in ein abgeschlossenes Zimmer gebracht hatte, durch die Kraft seines Gebetes wieder und führte ihn unversehrt zu allen Versammelten hinaus. Der Bericht, den Bruder Tankred Jordan von Sachsen über die Wundertat des Dominikus gegeben hat, bestätigt die Erzählung Cecilias in den wesentlichen Punkten, läßt allerdings auch erkennen, daß bereits weder Tankred noch Jordan an eine wirkliche Totenerweckung geglaubt haben. U n d so wird es gewesen sein: der junge Napoleon, der in rasendem Galopp über die Via Appia preschend vom Pferd gestürzt und wohl noch eine Strecke weit am Steigbü-
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gel hängend geschleift worden war, hatte schwere Verletzungen erlitten, aber er war nicht tot, sondern hatte nur das Bewußtsein verloren. Jordan wußte das, und deshalb hat er alles Spektakuläre bei dem Ereignis weggelassen. Schwester Cecilia, die natürlich überzeugt war, daß es sich um ein echtes Wunder handelte, scheint gleichwohl näher an der Realität zu sein, wenn sie das Spektakuläre des Ereignisses (tarn grande spectaculum!) hervorhebt. D o c h ist daran nicht ihre angebliche Wundersucht schuld, sondern viel eher der heilige Dominikus, der in aller Öffentlichkeit den Eindruck erweckte, ein richtiges Wunder vollbracht zu haben. D a Cecilia das Ereignis zwar auf einen Aschermittwoch datiert, aber kein Jahr nennt, ist die Datierung in der Forschung umstritten. 17 D a es sich um die erste Übernahme der kirchenrechtlichen Amtsgewalt über den Frauenkonvent von S. Maria in Tempulo durch Dominikus handelt, neige ich zu einer frühen Datierung des Ereignisses (vielleicht 1220, vielleicht sogar schon 1218). D o c h ist dieses Problem von untergeordneter Bedeutung. Viel bedeutsamer ist die Tatsache, daß alsbald die Gültigkeit der Abmachung in Frage gestellt wurde, so daß es Dominikus für nötig hielt, die Äbtissin und die Schwestern ihr Gelöbnis erneuern zu lassen. Wiederum erzählt Cecilia: 18 Als der heilige Dominikus auf Anweisung des Herrn Papstes Honorius die Nonnen, die in verschiedenen Klöstern der Stadt Rom verstreut wohnten, zusammenfaßte, um sie bei der Kirche San Sisto, bei der die Brüder damals wohnten, zu vereinigen, da legte die Äbtissin von Santa Maria in Tempulo zusammen mit Schwester Cecilia und allen ihren Nonnen, außer einer einzigen, in die Hände des heiligen Dominikus ihr Gelübde ab. In der Kirche S. Maria in Tempulo war damals noch das Bild der heiligen Jungfrau, das sich jetzt in der Kirche S. Sisto befindet. Die Äbtissin versprach nun, sie werde mit allen Schwestern eintreten, wenn das Bild der heiligen Jungfrau bei ihnen in der Kirche S. Sisto bliebe. Wenn es aber in seine Kirche zurückkehren werde, wie es früher schon einmal geschehen war, dann sollten sie selbst und alle anderen von dem geleisteten Gelübde wieder befreit sein. Der heilige Dominikus nahm diese Bedingung gerne an. Nachdem das Gelübde abgelegt war, sagte ihnen der heilige Dominikus, er wolle nicht, daß sie fernerhin das Kloster verließen, um ihre Verwandten oder andere Leute zu besuchen. Deshalb kamen ihre Verwandten, als sie hörten, was geschehen war, in das Kloster und machten der Äbtissin und den Nonnen heftige Vorwürfe, daß sie ein so vornehmes Kloster zerstören und sich freiwillig diesem unbekannten Lumpen ausliefern wollten. So geschah es, daß einige von ihnen das Gelübde bereuten, das sie abgelegt hatten. Der heilige Dominikus erkannte das im Geiste und kam eines Morgens zu ihnen. Nachdem er die Messe gelesen und gepredigt hatte, sagte er zu ihnen: „Meine Töchter, ihr bereut ja schon und wollt vom Wege des Herrn wieder abweichen. Ich möchte also, daß alle, die aus eigenem freien Willen eintreten möchten, noch einmal in meine Hände das Gelübde ablegen." Da legte die Äbtissin mit den anderen - von denen schon mehrere ihren Schritt bereut, jedoch durch seine Verdienste zu ihrem Entschluß zurückgekehrt waren noch einmal ihr Gelübde in seine Hände ab. Als sie alle das Gelübde unter der gleichen Bedingung wie zuvor abgelegt hatten, da nahm der heilige Dominikus alle Schlüssel des Klosters an sich und erhielt für
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die Folgezeit die vollständige Amtsgewalt über das Kloster. Er setzte KonversenBrüder ein, die das Kloster Tag und Nacht bewachten und den eingeschlossenen Schwestern ihre Nahrung und das Notwendige besorgten, und er erlaubte nicht, daß sie weiterhin mit ihren Verwandten und anderen Personen unter vier Augen sprachen. Auch dies ist ein guter und präziser Bericht, der erkennen läßt, um was bei der Umsiedlung der römischen Nonnen nach S. Sisto eigentlich ging: nämlich um die Klausurierung, die lebenslängliche Einschließung der Schwestern hinter Klostermauern, und die rigorose Unterbindung ihres Verkehrs mit der Welt außerhalb des Klosters. Es ist nicht schwer zu erraten, wessen Geist und Absicht hinter diesem Unternehmen steckten: es ist der von Cecilia (in dem Bericht über die erste Errichtung des Konvents von S. Sisto) unter den kurialen „Helfern" des Dominikus an erster Stelle genannte Kardinal Hugolino, von dem wir wissen, daß er auch im Falle von Klara von Assisi und den Schwestern von S. Damiano das gleiche Ziel verfolgte. Wenn man Cecilia glauben darf, waren es die adeligen Verwandten der Schwestern von S. Maria in Tempulo, die sie in Bezug auf ihren beabsichtigten Umzug nach S. Sisto und die bedingungslose Auslieferung an den „hergelaufenden Lumpen" (ribaldus) Dominikus verunsicherten. Sie machten den Schwestern Vorhaltungen, daß sie ihr angesehenes Kloster im Stich lassen wollten, und stießen damit wohl auf die bereitwilligen Ohren derjenigen, die ihren Schritt inzwischen bereuten und die von Hugolino und Dominikus verordnete Einsperrung als Last empfanden. Merkwürdig ist die Rolle des Gnadenbildes, der ehrwürdigen Ikone der Madonna von S. Maria in Tempulo, bei diesen Vorgängen. (Sie ist noch erhalten und befindet sich seit 1931 in der Klosterkirche S. Maria del Rosario der Dominikanerinnen auf dem Monte Mario).19 Die Äbtissin legte ihre (zweite!) professio in die Hände des Dominikus sowie das Versprechen, in S. Sisto einzutreten, unter der Bedingung ab, daß das Gnadenbild der heiligen Jungfrau bei ihnen in der Kirche S. Sisto verbleibe und nicht, wie schon einmal geschehen, zu seiner Kirche zurückkehrte. Es geht aus dem Text nicht klar hervor, ob die Äbtissin von einem schon länger zurückliegenden Migrations-Wunder spricht oder ob das Gnadenbild sich erst kürzlich gegen die von Dominikus in die Wege geleitete Umsiedlung des Schwesternkonvents gewehrt hatte. Wie dem auch sei, am ersten Fastensonntag20 nahmen die Schwestern endgültig ihre Wohnung bei S. Sisto. Dominikus traf alle Vorkehrungen, sowohl eine Behinderung des Umzugs des Gnadenbildes als auch dessen Rückkehr auf natürliche oder übernatürliche Weise unmöglich zu machen. Schwester Cecilia erinnert sich noch genau, daß sie damals etwa siebzehn Jahre alt war und zum dritten Mal ihre professio ablegte. Bemerkenswert ist, daß sie als erste von allen Nonnen aus der Hand des Heiligen ihr neues Ordenskleid erhielt und das Gelübde ablegte. Für diesen auffälligen Vorzug, sogar noch vor der Äbtissin, muß es einen Grund geben, über den man allerdings nur Vermutungen anstellen kann. Wollte Dominikus die junge Nonne damit für ihre besondere Anhänglichkeit
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und Treue ihm gegenüber auszeichnen? Gab es vielleicht noch einen anderen Grund? Als aber der Herr Papst den Brüdern die Kirche Santa Sabina übergeben hatte und dieselben sich dorthin begeben hatten, um dort zu wohnen, und alle ihre Utensilien, Bücher und alles andere dorthin gebracht hatten, da wollte der heilige Dominikus, daß die Äbtissin mit den anderen Schwestern einträte, um bei der Kirche S. Sisto zu wohnen. Sie zogen daraufhin am ersten Sonntag der Fastenzeit ein, um dort zu wohnen. Und als erste von allen erhielt Schwester Cecilia, die damals etwa siebzehn Jahre alt war, gleich an der Klosterpforte vom heiligen Dominikus das Ordenskleid und sie legte damals zum dritten Mal in seine Hände ihr Gelübde ab, und nach ihr die Äbtissin und noch viele andere Nonnen und weltliche Frauen, so daß es insgesamt vierundvierzig waren. Das Bild der heiligen Jungfrau brachte der heilige Dominikus in der auf den Eintritt der Schwestern folgenden Nacht - aus Furcht vor den Römern, die nicht wollten, daß es von dort weggebracht würde, weil sie es dort besser sehen konnten - zusammen mit zwei Kardinälen, nämlich dem Herrn Nikolaus und dem Herrn Stephan, dessen Neffen er von den Toten erweckt hatte, und vielen anderen Persönlichkeiten, die alle barfuß einhergingen, unter dem Licht vieler vorausgehender und nachfolgender Fackeln, auf seinen Schultern zur Kirche S. Sisto. Die Schwestern erwarteten es barfuß im Gebet, und so wurde es mit großer Ehrfurcht in der Kirche der Schwestern aufgestellt. Mit denselben Schwestern ist es dort bis auf den heutigen Tag geblieben zum Lob unseres Herrn Jesus Christus. Nachdem sich die Nonnen in dem Kloster von S. Sisto endgültig niedergelassen hatten, fand ihr Kontakt mit der Außenwelt hauptsächlich durch das in der Kirche angebrachte (vergitterte!) Fenster und den daneben angebrachten Drehschalter (rota) statt. Durch das Gitter der fenestra blickend hat Cecilia auch Dominikus erlebt, wenn er für die Schwestern predigte oder ihnen schaurige Geschichten erzählte. Denn er war ein großer Talebearer, ein Geschichtenerzähler, der imstande war, des Abends beim Schein flackernder Öllampen den Schwestern einen Schauder über den Rücken jagen zu lassen.21 Einmal kam der heilige Dominikus von Spanien zurück und er brachte den Schwestern gewissermaßen als kleines Geschenk Löffel aus Zypressenholz mit, für jede Schwester einen. Eines Tages also, als er tagsüber mit Predigen und anderen karitativen Werken beschäftigt gewesen war, kam er spät abends zu den Schwestern und übergab ihnen die Löffel, die er aus Spanien für sie mitgebracht hatte. Als er mit mehreren Brüdern am Fenster Platz genommen hatte, da begann er den Schwestern zu predigen von der Hinterlist des Teufels und daß der Satan, um zu täuschen, sich nicht nur in einen Engel des Lichts verwandelt [2 Cor 11,4], sondern auch, um die Predigt und andere gute Werke zu verhindern, die Gestalt ganz unbedeutender Dinge annimmt, so daß er sich gelegentlich sogar in einen Spatzen verwandeln kann. Die Löffel, die Dominikus den Nonnen als Geschenk von Spanien mitbrachte, sind für BERTHOLD ALTANER in seiner Untersuchung über die Quellen für das Leben des Heiligen ein Beispiel „für die dichtende Phantasie der Erzähle-
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rin".22 Und der Dominikaner ANGELUS WALZ kann sich die Frage nicht verkneifen: „Hat er die Löffel wirklich aus Spanien mitgebracht und gerade für die Nonnen zu San Sisto?" 23 Mit anderen Worten: es entspricht nicht der Vorstellung, die diese Autoren von der Erhabenheit des Ordensstifters haben, daß er sich in einer so läppischen Weise mit Nonnen befaßt haben sollte. Man sieht, wie weit gelehrter Unverstand gehen kann. Dabei ist gerade das Löffel-Geschenk ein Indiz für das gute Erinnerungsvermögen der Erzählerin und die Zuverlässigkeit ihres Berichtes über diese Episode. (Man erfindet so etwas nicht!). Es ist bekannt, daß Dominikus im Sommer 1218 eine Reise nach Südfrankreich und Spanien antrat, von der er über Toulouse, Paris und Bologna im Herbst 1219 nach Rom zurückkehrte. Auch dies wäre ein Grund anzunehmen, daß die Installierung des Frauenkonvents von S. Sisto schon vor 1220 stattgefunden hatte. Andernfalls muß man annehmen, daß sich Cecilia entweder in bezug auf den Ort des Ereignisses geirrt hat - die Episode hätte sich dann noch in S. Maria in Tempulo zugetragen - oder daß sie sich überhaupt etwas zusammenphantasiert hat.24 Die modernen Forscher nehmen denn auch durchweg eine von diesen beiden Möglichkeiten an. Am Schluß des Wunderberichtes heißt es aber:25 Dieses so amüsante Wunder wirkte der heilige Dominikus in der Kirche S. Sisto am Fenster, in Gegenwart der Schwester Cecilia, die alles zuvor Erwähnte sah und hörte, und ebenso die anderen Schwestern von S. Sisto.
Entgegen den Einwänden sich für „kritisch" haltender Historiker halte ich auch diesen Wunderbericht für glaubwürdig. Worum geht es? Nachdem Dominikus den Schwestern eine tüchtige Angst vor dem Dämon beigebracht und ihnen die Möglichkeit der Verwandlung des Teufels in die Gestalt eines Spatzen gewissermaßen an die Wand gemalt hatte, sieh da: da flatterte auf einmal ein Spatz über die Köpfe der Schwestern. Die erkannten in ihm natürlich sofort den „Feind des Menschengeschlechts", der gekommen war, um die Predigt des Heiligen zu stören. Und Dominikus selbst bestärkte sie in diesem Glauben; er sagte zu Schwester Maximilla: „Steh auf und fang ihn und bring ihn mir!" Was dann geschah, ist weniger schön: Dominikus begann, dem Spatzen die Federn auszurupfen, wobei er beständig „Inimice, inimice" (Feind, Feind) murmelte. Die anwesenden Brüder und die Schwestern verfolgten diesen Vorgang unter großem Gelächter. Der Spatz schrie jämmerlich. Schließlich ließ ihn der Heilige wieder flattern, und er suchte nun Zuflucht bei der vor dem Altar der heiligen Jungfrau an Ketten hängenden Öllampe. Dabei wurde der in dem äußeren Bronzegefäß der Lampe stehende Ölbehälter herausgeworfen und blieb, mit der Öffnung nach unten, in der Luft stehen, ohne daß das Licht erlöschte und ohne daß ein Tropfen Öl herausfloß. Dieses Letztere ist natürlich Unsinn, ein Phänomen optischer Täuschung unter dem suggestiven Einfluß der Situation. Aber in allen anderen Zügen ist die Erzählung durchaus glaubwürdig. Dafür spricht noch ein weiteres Detail:
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Cecilia bemerkt, daß nicht einmal die Kleie, die sich in dem Bronzegefäß befand, verstreut wurde. Die Öllampe selbst war also in dem viel größeren äußeren Gefäß in Kleie eingebettet, um zu verhindern, daß sie wackelte oder umfiel. Diese Kleie ist zugleich die natürlichste Erklärung für die Anwesenheit des Spatzen im Nonnenchor von S. Sisto, der durch die abendliche Predigt des Dominikus aufgeschreckt worden war. Diese für das Charakterbild des Heiligen so aufschlußreiche Episode wird von den modernen Biographen, mit einem Seitenhieb auf die „Wundersucht" der Cecilia, einfach übergangen. Dabei ist weniger der Wunderglauben dieser Frau erstaunlich als der Unsinn und die Angstvorstellungen über den Teufel, die der heilige Mann seinen gläubig zuhörenden Jüngerinnen einflößte. Auffällig ist überhaupt die übergroße Bedeutung, die der Satan für Dominikus hat. Man versteht, daß die aufgeklärten neuzeitlichen Söhne des Heiligen ihren Ordensstifter von alldem „entlasten" möchten. Deshalb muß Cecilia, die das farbigste und glaubwürdigste Bild von seinem Charakter und seiner äußeren Erscheinung überliefert hat, als wundersüchtig und unglaubwürdig diskriminiert werden. Der bedeutende Dominikaner-Theologe und Bischof Melchior Cano ( t 1560), Teilnehmer am Konzil von Trient, spricht im 11. Buch seines theologischen Hauptwerkes ausführlich über die Zuverlässigkeit historischer Schriftsteller. In diesem Zusammenhang führt er zwei Beispiele für besonders unglaubwürdige und lächerliche Traditionen über große Heilige an: Franziskus soll angeblich die Läuse, die er an sich gefangen hatte, anschließend wieder an seinen Körper gesetzt haben; Dominikus soll einmal einen Teufel, der ihn beim Schreiben belästigte, gezwungen haben, ihm die Kerze zu halten, solange, bis er sich den Finger daran verbrannte.26 Die letztere Geschichte hat niemand anderes als Cecilia überliefert, deren Namen Cano allerdings nicht nennt. Aber Cecilia ist nicht die Erfinderin dieser „lächerlichen" Tradition, sondern dieselbe geht auf Dominikus selbst zurück, und Cecilia hat nicht nur den Inhalt so, wie ihn der Heilige den Schwestern von S. Sisto erzählt hat, sondern auch die Art und Weise, wie er das getan hat, genau überliefert.27 Als sich die Brüder noch bei S. Sisto aufhielten, da geschah es eines Nachts, daß der selige Vater, nachdem er lange Zeit im Gebet verbracht hatte, gegen Mitternacht die Kirche verließ und sich anschließend am Kopfende des Dormitoriums hinsetzte und beim Licht einer Kerze schrieb. D a erschien vor ihm ein D ä m o n in Gestalt eines Affen und begann, vor ihm hin und her zu spazieren und Spottverse herunterzuleiern, wobei er Fratzen schnitt. D a bedeutete ihm der heilige Dominikus mit einem Wink seiner Hand, stillzustehen. Dann nahm er die brennende Kerze und gab sie ihm, damit er sie vor ihm halte. Der nahm die Kerze, blieb stehen und hielt sie fest, fuhr aber damit fort, die erwähnten Verse unter Fratzenschneiden vor dem heiligen Dominikus herunterzuleiern. Inzwischen schmolz die Kerze herunter und der Finger des Affen wurde angebrannt. Der aber begann sich wie vor Schmerzen zu winden und zu wehklagen, so als ob einer, der in der Hölle des ewigen Feuers brennt, das leibliche Feuer fürchtete. Der heilige Dominikus bedeutete ihm noch einmal, ruhig stehenzubleiben. Was weiter? Er blieb so lange stehen und hielt die Kerze, bis sein Zeigefinger ganz heruntergebrannt war, bis
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zur Verbindung mit der Hand. Er drehte und wand sich und beschwerte sich noch heftiger. Da nahm der heilige Dominikus die Rute, die er immer bei sich hatte, und zog ihm tüchtig eins über, indem er sagte: „Hau ab, Bösewicht!" Es war aber ein Geräusch zu vernehmen, als ob er auf einen trockenen Schlauch voller Luft geschlagen hätte. Der Affe rannte gegen die nächststehende Wand und ward nicht mehr gesehen. Er hinterließ aber dort einen solchen Gestank, daß es klar war, um was für einen Affen es sich gehandelt hatte. Dieses Ereignis hat der selige Vater selbst den Brüdern und Schwestern erzählt; Schwester Cecilia hat es gehört und gesehen, wie er die Grimassen des Affen nachmachte. Man kann sich vorstellen, daß sich Schwestern und Brüder halbtot lachten bei dieser Geschichte. Aber der Heilige als Grimassenschneider und pantomimischer Darsteller vor einer Schar lustiger Ordensleute entspricht nicht dem Klischee des würdevollen, erhabenen Patriarchen, das sich spätere Frömmler zurechtmachten. Ein weiteres Wunder, von dem Cecilia erzählt, ist weniger amüsant und lustig. Es geht dabei um eine Inkluse oder Rekluse.28 Den Bereich dieser unglücklichen, eingemauerten Frauen zu betreten, bedeutet, die Bekanntschaft mit einer der ekelhaftesten Seiten mittelalterlichen religiösen Lebens zu machen. Die erwähnte Rekluse hieß Schwester Bona und lebte in einem Turm an der Porta S. Giovanni in Laterano. Sie wurde versorgt von einer Frau namens Jacobina. Wie Cecilia berichtet, verehrte Dominikus die Klausnerin Bona sehr wegen ihrer Heiligkeit. Er besuchte sie oft, hörte ihre Beicht und brachte ihr die Kommunion. Sie litt an einer schweren, widerwärtigen Krankheit: ihre Brüste wimmelten von Maden; wenn eine von ihnen herausfiel, hob sie sie auf und setzte sie wieder an ihren Platz. Eines Tages bat Dominikus die Einsiedlerin, nachdem er ihr durch das Fenster die Kommunion gereicht hatte, sie möchte ihm die Stelle ihrer Krankheit zeigen. Sie öffnete ihr Kleid und zeigte ihm ihre Brüste, an denen die Maden wimmelten. Dominikus sah sich die Sache genau an, wurde von Mitleid angerührt und bat die Rekluse, ihm eine von den Maden zu schenken. Die wollte aber keine herausrücken, es sei denn, sie erhielte das Geschenk wieder zurück. Als der Heilige ihr das versprach, reichte sie ihm ein besonderes Prachtexemplar, das einen schwarzen Kopf hatte, durchs Fenster. Dominikus drehte die Made mit dem Finger hin und her und sah sie sich genau an. Darüber verwandelte sie sich plötzlich in einen prachtvollen Edelstein. Die Brüder, die dabei waren, rieten ihm, den Stein zu behalten. Da begann die Rekluse zu weinen und um Rückgabe ihres kostbaren Edelsteins zu bitten. Darauf legte ihn der Heilige auf die Fensterbank. Und unter seinen und seiner Gefährten Augen setzte ihn die Klausnerin wieder an ihre Brust zurück, wo er sich sogleich wieder in eine Made zurückverwandelte. Dominikus gab Schwester Bona seinen Segen und verabschiedete sich. Als er weggegangen war, fielen ihre angefaulten Brüste samt den Maden ab. „Und ihre Brust wurde wieder fest und ließ Brüste nachwachsen wie die eines Mädchens von zwölf Jahren." Diese zeigte sie
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dann voller Stolz vor, als der Heilige sie zusammen mit seinen Gefährten nach einigen Tagen wieder aufsuchte. Am Schluß bemerkt Cecilia, der heilige Dominikus selbst und Bruder Tankred, der Augenzeuge des Wunders war, hätten ihr und ihren Mitschwestern die Geschichte genau so erzählt. Demnach kann also über die Quelle auch dieser teils Schauder erregenden, teils widerlichen Erzählung kein Zweifel bestehen: es sind die Predigerbrüder, nicht eine wundersüchtige Frau. Allerdings war der Dreck und Gestank, in dem die eingemauerten Reklusen leben mußten, von jeher für die Nonnen, die in ihren Klöstern ein Leben in relativer Sauberkeit und einem gewissen Komfort führten, ein Gegenstand des Schauders, des Spotts und Naserümpfens, wie es schon in Hrotsvitha von Gandersheims Drama „Pafnutius" eindrücklich dargestellt ist.2' Die Heilung der Einsiedlerin, von Dominikus und einem seiner Gefährten als „Wunder" berichtet, erweist sich bei näherem Zusehen leicht als durchaus erklärbarer Vorgang: Die Maden haben nicht in den Brüsten selbst, sondern in dem Schmutz, der sich im Verlauf der Jahre dazwischen angesammelt hatte, gewimmelt. An dieser Stelle war auch das Versteck für die Pretiosen, welche um ihr Seelenheil besorgte Besucher der heiligen Frau gelegentlich zusteckten. Man kann annehmen, daß auch Dominikus davon etwas ahnte und sich ebendeshalb die Brüste der Klausnerin näher ansehen wollte. Beim Abschied wird er sie nicht nur gesegnet, sondern ihr vielleicht auch empfohlen haben, sich einmal gründlich zu waschen. An den Brüsten, die danach „wie die eines zwölfjährigen Mädchens" aussahen, wird er seine Freude gehabt haben. Ist das nur die frivole Vermutung eines neuzeitlichen, vom Rationalismus angekränkelten Historikers? Jordan von Sachsen berichtet über die letzten Stunden des Dominikus, der am 6. August 1221 in Bologna starb, folgendes:30 Als das Ende seiner Pilgerschaft herannahte, wurde Magister Dominikus in Bologna von einer schweren Krankheit erfaßt. Auf seinem Krankenbett rief er zwölf von den mit höherem Augenmaß begabten Brüdern zu sich und er begann, sie zur Begeisterung, zur Förderung des Ordens und zum Standhalten in der Heiligkeit zu ermahnen, wobei er ihnen ans Herz legte, vor allem den Verdacht erregenden Umgang mit jungen Frauen zu vermeiden, weil diese Sorte überaus verführerisch und imstande ist, Seelen zu verstricken, die noch nicht zur bewährten Reinheit gelangt sind. Er sagte: „Gottes Barmherzigkeit hat mich bis auf diese Stunde vor Sünden des Fleisches bewahrt. Aber ich gestehe, daß es mir nicht gelungen ist, der Unvollkommenheit zu entgehen, daß Gespräche mit jungen Mädchen mein Herz mehr anrühren, als wenn alte Weiber mich ansprechen."
Was der Heilige in seiner Todesstunde den vertrauenswürdigsten Gefährten als Unvollkommenheit beichtet, erscheint uns heute eher als ein menschlich anrührender, sympathischer Zug. Wir erinnern uns, wem er beim Einzug der Nonnen in S. Sisto den Vortritt gab: der siebzehnjährigen Cecilia. Daß ihm das Humanuni nicht fremd war, zeigt sich auch in einer weiteren von Cecilia berichteten Episode. Eines Tages lud er nach der Messe die
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Schwestern dazu ein, sich an dem Wasserlauf bei den Mühlen von S. Sisto zu versammeln.31 Die an dem Bach Marrana di S. Giovanni gelegenen Mühlen wurden damals gerade repariert. (Der bei Grottaferrata entspringende Bach trieb im Stadtgebiet mehrere Mühlen an; er mündet, nach Vereinigung mit der Cloaca Maxima, in den Tiber). Schon im voraus warnte Dominikus die Schwestern vor möglicherweise dort sich zeigenden Erscheinungen des Teufels. Als sie alle am Ufer des Mühlenkanals Platz genommen hatten, predigte der Heilige ihnen über sein Lieblingsthema: Hinterlist und Täuschungen des Satans. Plötzlich zeigte sich der Teufel in Gestalt einer übergroßen, häßlichen Eidechse mit zwei Köpfen und zwei Schwänzen, die am Ufer des Kanals einherrannte und den Schwestern einen Schrecken einjagte, so daß sie den Eindruck hatten, die Eidechse wolle sie angreifen. Aber Dominikus, der den Teufel erkannte, sah ihn mit bösen, durchdringenden Augen (torvis oculis) an und murmelte: „Inimice, inimice." Einige von den Schwestern hatten schon voller Schrecken die Flucht ergriffen. Da befahl Dominikus dem „Feind des Menschengeschlechts", sich ins Wasser des Kanals zu stürzen, was der auch augenblicklich tat. Auch dieser Bericht über die von Dominikus zum Schrecken und zur Erbauung der Schwestern veranstaltete Inszenierung trägt alle Merkmale von Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit, auch wenn es natürlich nicht der Satan persönlich war, der die Schwestern erschreckte, sondern eine große, sich schnell bewegende Smaragdeidechse oder zwei sich paarende Eidechsen. Für den modernen Leser mag die Geschichte nicht sehr erbaulich sein, aber es ist bemerkenswert, daß Dominikus die Schwestern zu diesem Ausgang ins Freie einlud und dabei auch, wie eigens erwähnt wird, für sich und die ihn begleitenden Brüder die Klausur des Frauenklosters aufhob. Daß der Heilige aber diese Gelegenheit benutzte, den Nonnen Angst und Schrecken vor dem Teufel einzujagen, offenbart doch einen weniger erfreulichen Zug in seinem Charakter, und die Frage liegt nahe, ob er wohl selbst an dergleichen geglaubt hat. Kostbar ist eine weitere Uberlieferung Cecilias, in welcher sich das humane Wesen des Ordensstifters deutlich zeigt und ihn von dem Podest angedichteter Erhabenheit und Würde herunterholt. Auch hier will Cecilia wieder eine Wundergeschichte erzählen: die einer wunderbaren Weinvermehrung.32 Bemerkenswerter als das von Dominikus angeblich vollbrachte Wunder ist aber die Rahmenhandlung. Es wurde bereits erwähnt, daß Dominikus, wenn er von seinem Tagwerk als Seelsorger in der Stadt Rom zurückkehrte, zu später Stunde noch den Nonnen an ihrem Fenster in der Kirche predigte. Einmal wurde er länger aufgehalten und kam noch später als sonst nach S. Sisto zurück. Die Schwestern hatten bereits die Komplet gebetet und sich in das Dormitorium zurückgezogen. D a läuteten die Brüder auf einmal die kleine Glocke, welche als Zeichen diente, u m die Schwestern zusammenzurufen, wenn der selige Vater zu ihnen kam. Als
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sie das Zeichen hörten, kamen alle Schwestern eilig zur Kirche, und als sie das Fenster öffneten, sahen sie, daß er bereits dort zusammen mit den Brüdern Platz genommen hatte und auf sie wartete. Und der heilige Dominikus sagte zu ihnen: „Meine Töchter, ich komme von einem Fischzug, und der Herr hat mir einen großen Fisch gegeben." Er meinte damit den Bruder Gaudius, welcher der einzige Sohn eines gewissen Herrn Alexander, eines sehr vornehmen Mannes, und römischer Bürger war; ihn hatte der ehrwürdige Vater in den Orden aufgenommen. Dann hielt er ihnen eine lange erbauliche Predigt und spendete ihnen viel Trost. Nachdem er seine Rede beendet hatte, sagte er: „Es wäre gut, meine Töchter, wenn wir jetzt einen Schluck Wein trinken würden." Und er rief den Kellermeister Bruder Rugerius und sagte ihm, er möchte Wein und einen Krug heraufholen. Als der Bruder beides gebracht hatte, wies ihn der heilige Dominikus an, den Krug bis zum Rand zu füllen. Dann segnete er ihn und trank dann als erster, danach alle anwesenden Brüder. Die dort versammelten Brüder waren mit den anwesenden Klerikern und Laien insgesamt 25 Personen; sie alle tranken, soviel sie wollten, aber der Krug leerte sich nicht, sondern blieb immer gleich voll. Nachdem alle Brüder getrunken hatten, sagte der heilige Dominikus: „Ich möchte, daß alle meine Töchter trinken." Dann rief er Schwester Nubia und sagte zu ihr: „Geh zum Drehschalter, nimm den Krug und laß alle Schwestern einen Schluck nehmen!" Sie ging zusammen mit einer Gefährtin hin und brachte den bis zum Rand gefüllten Krug. Und obwohl er so voll war, flöß doch kein einziger Tropfen heraus. Darauf tranken alle Schwestern, zuerst die Priorin, dann alle, soviel sie wollten, wobei der selige Vater sie öfters ermunterte: „Trinkt nur, meine Töchter!" Auch jetzt leerte sich der Krug immer noch nicht, und er wanderte bis an den Rand gefüllt wieder durch den Drehschalter zurück." Der „aufgeklärte" moderne Leser ist natürlich geneigt anzunehmen, daß durch dieses angebliche Weinwunder die Historizität des gesamten Berichts in Frage gestellt wird. Aber die in ihrer ganzen Lebensfülle beschriebene Situation läßt es keineswegs als unmöglich erscheinen, daß alle Beteiligten den Eindruck hatten, ein Wunder zu erleben auch wenn, mit den „ungläubigen" Augen des Historikers betrachtet, der Krug vermutlich immer wieder nachgefüllt wurde. Ich möchte hier an das erinnern, was mein Lehrer WOLFGANG SCHADEWALDT, der große Philologe (1900-1974), in einem berühmten Vortrag in Bezug auf die scheinbar „unmöglichen" Wunder der synoptischen Evangelien gesagt hat: sie beruhten kaum auf Erfindungen und nachträglich eingefügten G e meindetraditionen, sondern auf echtem Erleben von Augenzeugen. U n d er führt dafür ein Beispiel aus moderner Zeit an, von dem er einmal Kenntnis erhielt: bei einem Fest im Orient wurden dreihundert Menschen satt, obwohl man nur dreißig Gäste erwartet und für sie den Hammelbraten vorbereitet hatte. 34 Dominikus scheint über seinen Ruf als großer Wundertäter, der sich bald nach seiner Ankunft in R o m verbreitete, keine ungeteilte Freude empfunden zu haben. Das erste von Cecilia berichtete Wunder, die Totenerweckung des Sohnes der römischen Dame Tuta dei Buvaleschi, gelangte zu den Ohren des Papstes Honorius' III. Der äußerte darauf die Absicht, das Wunder in einer Predigt öffentlich bekanntzumachen. Dominikus war aber damit gar nicht
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einverstanden, und er drohte dem Papst unverhohlen, er werde in diesem Fall Rom verlassen und sich nach Outremer begeben, um die Sarazenen zu missionieren. Der Papst nahm darauf von seinem Vorhaben Abstand." Aber der Ruf des Heiligen als Wundertäter breitete sich trotzdem in der Stadt aus. Die wundergläubige Bevölkerung suchte ihn zu berühren, und viele bemühten sich, einen Fetzen von seiner Kleidung als Reliquie zu erwischen. Als sein Mantel schon bis zu den Knien abgerissen war, wollten die Brüder einschreiten. Aber der Heilige, der sich über die Verehrung der Menschen doch freute, sagte: „Laßt sie nur machen und ihrer Verehrung Ausdruck geben!" Dominikus hat seinen Gefährten und den Schwestern von S. Sisto auch einmal von einer nächtlichen Vision berichtet. Sie ist für die Geschichte der Frömmigkeit und der Kunst bedeutsam geworden. In der besagten Vision erblickte Dominikus die heilige Jungfrau neben Christus sitzend; sie war bekleidet mit einem saphirblauen Mantel, unter dem der Heilige eine große Anzahl seiner Mitbrüder sah. Dies ist der wohl früheste Beleg für die Vorstellung von der Schutzmantel-Madonna, die in der Kunst der späteren Gotik überaus häufig dargestellt wurde. Schon bei Dominikus ist der Mantel der Madonna Symbol für das gesamte Himmelreich.36 Der Vision der Schutzmantel-Madonna ging eine andere Vision im Dormitorium von S. Sisto voraus, bei der sich die Erscheinung als die allabendlich in der Antiphon Salve Regina angerufene „Anwältin" (advocata nostra) zu erkennen gab. Cecilia bemerkt, daß das Salve Regina damals noch nicht gesungen, sondern sowohl von den Brüdern als auch von den Schwestern lediglich gebetet wurde.37 Auch in dieser Bemerkung haben ALTANER und andere moderne Kritiker einen Beweis für die Unglaubwürdigkeit Cecilias gesehen, weil sie angeblich im Widerspruch zur Uberlieferung Jordans von Sachsen über das gleiche Gebet steht.38 Jordan berichtet aber von der Einführung des Gesanges der Antiphon nach der Komplet im Konvent von Bologna aus Anlaß der Heilung eines gewissen Bruders Bernhard, und sein Bericht steht demnach nicht im Widerspruch zu demjenigen Cecilias, sondern bestätigt ihn.39 Die meisten modernen Biographen haben auch die Beschreibung, die Cecilia am Ende ihrer Erinnerungen von der äußeren Gestalt des Dominikus gibt, in Zweifel gezogen.40 Das Aussehen des heiligen Dominikus war aber folgendermaßen: Er war von mittelgroßer Statur, von zartem Körperbau; er hatte ein schönes, leicht gerötetes Gesicht, rötliche Kopf- und Barthaare, schöne Augen. Von seiner Stirn, zwischen den Augenbrauen, ging ein gewisser Glanz aus, der ihn anziehend machte, so daß alle ihm mit Ehrfurcht und Liebe zugetan waren. Er war allezeit heiter und fröhlich, außer wenn er vom Mitleid mit dem Leiden eines Nächsten bewegt wurde. Er hatte lange und schöne Hände, seine Stimme war schön und klangvoll. An keiner Stelle war er kahl, sondern der Haarkranz seiner Tonsur war vollständig, von wenigen weißen Haaren durchsetzt. Dieser T e x t mag nicht die Ansprüche einer dokumentarischen oder polizei-
lichen Personenbeschreibung erfüllen, er ist aber als Zeugnis einer Frau des
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13. Jahrhunderts von sehr großem Wert. Cecilia hat das gesehen und überliefert, worauf ein junges Mädchen bei einem Mann besonders achtet. Bemerkenswert ist vor allem, was Cecilia über die (schönen!) Augen, die (langen!) Hände und die (sonore!) Stimme des Heiligen in Erinnerung behalten hat; das Wort „schön" kommt viermal vor. Die Frage nach den Ursachen der Wirkung und persönlichen Ausstrahlung, die Dominikus auf seine engeren Gefährten und die römischen Nonnen hatte, ist damit weitgehend beantwortet. Das alles ist nicht das Gefasel einer Greisin, die nicht mehr recht weiß, was sie von sich gibt, sondern das glaubhafte und zuverlässige Zeugnis einer hellwachen, klugen Frau, von deren Schönheit auch der heilige Dominikus beeindruckt war, wenngleich er das als sündhafte Regung bereut hat. Es ist überdies die lebendige Erinnerung an einen Mann, der mit seinen „Wundertaten" für sie der entscheidende Vermittler religiöser Erfahrung war und sie zugleich als Mensch in ihren empfindsamsten Jahren nachhaltig geprägt hatte. Die spanischen Dominikaner, die die frühen Quellen zur Geschichte des Predigerordens in spanischer Übersetzung herausgebracht haben, schreiben, unter Berufung auf das Urteil ihres gelehrten Ordensbruders INNOCENZO TAURISANO: „Der Bericht der seligen Cecilia ist von großer Bedeutung für das Studium des Lebens des heiligen Dominikus, weil er ... die sicherste Quelle für die Kenntnis des Lebens des heiligen Dominikus und seiner Gefährten in Rom ist." Cecilias Erinnerungen sind für die genannten Gelehrten „ein Werk von unvergleichlicher Schönheit". 41 Schon TAURISANO hatte sich darüber gewundert („res inexplicabilis videtur"!), weshalb Cecilia, ebenso wie die mit Dominikus gut bekannte Diana d'Andalò aus Bologna, im Heiligsprechungsprozeß überhaupt nicht vernommen wurden.42 Uber die Gründe dafür braucht der aufmerksame Leser der Erinnerungen Cecilias keine Spekulationen anzustellen: Einerseits überliefert sie viele menschlich anrührende Züge des Heiligen; andererseits hat sie das Befremdliche, manchen vielleicht auch Abstoßende, in seinem Charakterbild nicht übergangen, wie sein Verhältnis zu den Dämonen und daß er offenbar seinen Spaß daran hatte, die abergläubische Angst der Schwestern zu nähren. Beides kann für das (unrealistische) Bild, das sich die nachfolgenden Generationen devoter Kirchen- und Ordensleute von der erhabenen Stiftergestalt machen wollten, als störend empfunden werden. Cecilia selbst hat es - im Gegensatz zu so vielen anderen Nonnen in der Katholischen Kirche - zunächst nicht zur „Ehre der Altäre" gebracht. Erst am 24. Dezember 1891 billigte der Papst Leo XIII. ihre kultische Verehrung, zusammen mit der ihrer Mitschwestern Amata und Diana, und erkannte ihr, ohne förmlichen Prozeß, den Titel „Beata" zu. Ihr Gedächtnistag ist der 9. Juni. 43
11 ANGELA VON
FOLIGNO
Braut Christi im Tal von Spoleto Die Vereinigung mit Christus, die Klara von Assisi sich vorstellt, hat transzendenten, eschatologischen Charakter: sie erwartet den Vollzug ihrer Hochzeit mit dem König der ewigen Herrlichkeit nach ihrem Tode, in der Glorie des Paradieses, als Lohn für ihre gegenwärtigen Leiden. Die von franziskanischer Spiritualität beeinflußten Visionärinnen nach ihr haben die Vereinigung mit Christus bereits in ihrem irdischen Leben erfahren. Angela von Foligno gehört dieser Generation franziskanischer Frauen nach Klara an. Hauptquelle für ihr Leben ist ihr „Buch", auch Memoriale genannt, das ihr Beichtvater, Bruder Arnaldus, aufgeschrieben hat.1 Angela wurde 1248 in einer wohlhabenden Familie der umbrischen Stadt Foligno, südlich von Assisi, geboren. Der Name der Familie ist unbekannt. Sie heiratete einen Mann, dessen Name gleichfalls nicht überliefert ist. U m das Jahr 1285, in ihrem siebenunddreißigsten Lebensjahr, erlebte sie eine „Bekehrung". Das Bekehrungserlebnis begann mit Gewissensbissen wegen schwerer, nicht gebeichteter Sünden und Angst vor der ewigen Verdammnis. In einer nächtlichen Vision erscheint ihr der heilige Franziskus. Sie entschließt sich zur Beicht, die sie in der Kathedrale S. Feliciano von Foligno ablegt (ob es bei ihrem späteren Beichtvater, Bruder Arnaldus, war, ist ungewiß). U m zu erkennen, um was es in der religiösen Erfahrung Angelas geht, ist es nützlich, einige zentrale Stellen ihrer Erinnerungen aufmerksam zu lesen. Zu Beginn ihres Buches beschreibt sie den Weg zu einem Leben der Buße, der in zwanzig Schritten erfolgte, die zugleich Schritte zu einer tieferen religiösen Erkenntnis waren. Im sechsten Schritt erlangte sie Erkenntnis der universalen, gleichsam kosmischen Dimension ihrer Sünden:2 Der sechste Schritt ist eine Erleuchtung der Gnade, durch die mir tief im Inneren die Erkenntnis aller meiner Sünden gegeben wurde. U n d ich sah in dieser Erleuchtung, daß ich alle Kreaturen beleidigt hatte, die für mich gemacht waren, und die Sünden wurden mir tief ins Gedächtnis zurückgeführt, auch in dem Bekenntnis, das ich über sie vor Gott machte. U n d ich bat alle Geschöpfe, die ich, wie ich sah, beleidigt hatte, daß sie mich nicht anklagen möchten. U n d da wurde mir gegeben, mit großem Feuer der Liebe zu beten. U n d ich rief alle Heiligen und die selige Jungfrau an, daß sie für mich eintreten und die Liebe bitten möchten, welche die vorgenannten großen Dinge an mir getan hatte, daß sie, weil ich mich als tot erkannte, mich lebendig mache. U n d es schien mir, daß alle Kreaturen und alle Heiligen Mitleid (pietatem) mit mir hätten.
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Danach erkennt Angela in einer Schau des Kreuzes „den für uns gestorbenen Christus". Aber es war, wie sie sagt, „eine noch unverständige Vision" (adhuc visio insipida), obwohl sie dabei großen Schmerz empfand. Doch bald danach erlangt sie dann eine vollkommenere Erkenntnis (cognitio) über das Wesen des Kreuzestodes Christi: Achtens: Beim Anblick des Kreuzes wurde mir eine größere Erkenntnis gegeben, wie der Sohn Gottes für unsere Sünden gestorben war. Und da erkannte ich alle meine Sünden mit dem größten Schmerz, und ich merkte, daß ich ihn gekreuzigt hatte. Aber ich erkannte noch nicht, welches die größere Wohltat war: daß er mich von meinen Sünden und der Hölle errettet und zur Buße bekehrt hatte, oder daß er für mich gekreuzigt worden war. Aber in dieser Erkenntnis des Kreuzes wurde mir ein solches Feuer gegeben, daß ich, während ich neben dem Kreuz stand, alle meine Kleider auszog und mich ihm ganz darbot. Und obzwar ich von Furcht erfaßt war, versprach ich ihm damals doch, ewige Keuschheit zu bewahren und ihn mit keinem von meinen Gliedern zu beleidigen, wobei ich vor ihm alle meine Glieder einzeln anklagte, nämlich jedes Glied für sich. Und ich bat ihn, daß er mich das Vorgenannte einhalten ließe: nämlich diese Keuschheit aller Glieder und Sinne; weil ich nämlich einerseits fürchtete, zu versprechen, andererseits das erwähnte Feuer mich dazu zwang, das Vorgenannte zu versprechen, und ich konnte nichts anderes tun.
Angela beschreibt hier das Stadium ihres geistlichen Weges, in dem sie zu dem gekreuzigten Erlöser in eine intime persönliche Beziehung trat. Dies ist ein bedeutender Schritt, auch für die Geschichte der religiösen Erfahrung und der weiblichen Mystik. Wir erinnern uns: Hildegard von Bingen und Elisabeth von Schönau berichten von großen Erleuchtungen, Erkenntnissen, die ihnen das göttliche Licht vermittelt; Klara von Assisi folgt in ihrem Leben dem Weg des Gekreuzigten und erwartet die Vereinigung mit ihm im Brautgemach der himmlischen Glorie. Hier, bei Angela von Foligno, begegnet etwas Neues: die Beziehung zu dem Gekreuzigten gewinnt „reale" Züge, und sie hat eine eindeutig sexuelle Komponente. Angela zieht sich nackt aus und bietet ihren Körper (zur Vereinigung) an. Verbunden mit dieser Entkleidung ist das Versprechen ewiger Keuschheit. In Zukunft soll nur noch der himmlische Geliebte Anspruch auf ihre Glieder und ihre Sinne haben. Die Entblößung gehört zu den großen Zeichenhandlungen des frühen Franziskanertums. Franziskus selbst hatte sich mehrmals während seines Lebens auf spektakuläre Weise nackt ausgezogen.3 Auf ihrem weiteren spirituellen Erkenntnisweg erlangt Angela zunehmend Klarheit über die tiefere Bedeutung der Nackheit, ihren Zusammenhang mit dem Kreuzweg (via crucis). Aber es ist doch keineswegs nebensächlich, daß am Anfang ihres Hinausgehens aus der Welt, ihrer Familie, ihrer Ehe eine tatsächliche Entkleidung steht. Nach dem Tode des Franziskus hatten eine solche anstößige Handlung nur noch wenige seiner Anhänger (Bruder Juniperus, der Generalminister Johannes Parens) gewagt. In den Klarissenklöstern der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wäre das Ausleben einer derartigen Intimität wohl kaum möglich gewe-
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Angela von Foligno
sen. Deshalb trat Angela auch nicht in den Klarissen-Orden ein. Und damit stehen wir am Beginn der Bewegung, die später als Beginentum bekannt wurde: nämlich einer freieren, durch klösterliche Regeln nicht mehr gebundenen, franziskanisch geprägten Spiritualität.4 Neuntens wurde mir gegeben zu fragen, welches der Kreuzweg sei, damit ich zu Füßen des Kreuzes stehen könnte, wo alle Sünder ihre Zuflucht nehmen. Und ich wurde belehrt und erleuchtet über den Kreuzweg, und er wurde mir folgendermaßen aufgezeigt: es wurde mir nämlich eingegeben (inspiratum), daß, wenn ich zum Kreuz gehen wollte, ich mich ausziehen solle, damit ich leichter sei, und ich solle nackt zum Kreuz gehen, in der Weise, daß ich allen vergäbe, die mich beleidigt hatten, und mich entblößte von allen irdischen Dingen und von allen Männern und Frauen und allen Freunden und Verwandten und allen anderen und von meinem Besitz und von mir selbst, und daß ich mein Herz Christus gäbe, der mir die erwähnten Wohltaten gewährt hatte, und den dornenreichen Weg, nämlich den der Anfechtung, ginge.
Sie begann nun damit, ihr äußeres Leben zu verändern: sie zog ihre besseren Kleider, vor allem die kostbaren Kopftücher, nicht mehr an und reduzierte ihre Nahrung. Im Gefolge ihres Keuschheitsversprechens kam es zu Schwierigkeiten mit ihrem Mann, der sich offenbar in der näheren Bekanntschaft darüber beklagte, daß sie den sogenannten ehelichen Pflichten nicht mehr nachkam.5 Aber sie ertrug das alles mit Geduld. Sehr bald wurde sie dann dieser und anderer Sorgen enthoben:6 Und es geschah, nach Gottes Willen, daß um diese Zeit meine Mutter starb, die mir ein großes Hindernis war. Und danach starb mein Mann und alle meine Kinder innerhalb kurzer Zeit. Und weil ich den vorgenannten Weg begonnen hatte und Gott darum gebeten hatte, daß sie stürben, empfand ich darüber einen großen Trost, nämlich über ihren Tod. Und ich dachte mir, daß, nachdem Gott das Vorgenannte für mich getan hatte, mein Herz von da an immer im Herzen Gottes und Gottes Herz immer in meinem Herzen wäre.
Man traut seinen Augen nicht und liest so etwas mit großer Verblüffung. Die Anmerkung der franziskanischen Herausgeber des Textes, daß die Tröstung, von der Angela spricht, „übernatürlichen Charakters" gewesen sei und sie trotzdem „tiefen Schmerz" über den Verlust ihrer nächsten Angehörigen empfunden habe, wie sie selbst wenig später sagt/ ist nicht sehr hilfreich und vermag die lapidare Aussage, daß sie um den Tod ihrer Familie gebetet hatte, nicht aus der Welt zu schaffen. Mit anderen Worten: die Tatsache, daß es sich um eine religiöse Selbstverwirklichung handelte, macht das Aus-der-Weltbeten der eigenen Familie moralisch nicht besser. Und vor allem: die Kinder müssen es doch wohl irgendwie gemerkt oder geahnt haben, daß sie aus der Welt gebetet wurden. Der „natürliche" Schmerz, den Angela hinterher empfand, kann auch etwas mit der Stimme des Gewissens zu tun gehabt haben.
Wie immer es sich mit der moralischen Wertung des Vorgangs verhalten mag,
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Angela wurde durch den T o d ihrer Angehörigen frei für Gott; sie verschmolz in ihrem Innersten, ihrem Herzen mit Gott. D e r Vorgang spiritueller Vergottung, das Verschmelzen mit dem leidenden Erlöser zu einer Person, ist bereits bei Franziskus deutlich greifbar. Die Aufhebung des Unterschiedes zwischen G o t t und Mensch im Innersten der Seele wird in den Vorstellungen der Mystikerinnen und Mystiker ab dem Ende des 13. Jahrhunderts ihren H ö h e punkt erreichen. I m zehnten Schritt ihrer geistlichen Erfahrung führt der gekreuzigte Heiland Angela die Einzelheiten seiner Passion vor Augen, u m sie zu härterer Buße anzuspornen: 8 Zehntens: Als ich Gott fragte, was ich tun könne, womit ich ihm mehr gefiele, da erschien er mir selbst in seiner Zuneigung (pro sua pietate: seinem Mitleid entsprechend) mehrmals als Gekreuzigter am Kreuz, als ich schlief und als ich wach war. Und er sagte mir, ich solle auf seine Wunden schauen, und auf wunderbare Weise zeigte er mir, wie er alles für mich auf sich genommen hatte. Und das geschah mehrmals. Und als er mir alles, was er für mich erduldet hatte, einzeln und der Reihe nach zeigte, da sagte er mir: „Was also kannst du tun, was dir ausreicht?" In gleicher Weise erschien er mir oftmals in wachem Zustand, aber gefälliger, als es im Schlaf der Fall war, obwohl er immer sehr gepeinigt aussah, und er sagte mir das Gleiche, was er mir schon im Schlaf gesagt hatte, indem er mir von den Füßen bis zum Kopf seine Verwundungen zeigte. Er zeigte auch die Haare des Bartes, der Augenbrauen und des Kopfes, die ihm ausgerissen waren, und zählte alle Geißelungen auf, nämlich indem er die einzelnen Geißelwunden bezeichnete. Und er sagte: „Das alles habe ich für dich erduldet." In den folgenden Etappen sind weitere Offenbarungen, Verheißungen, T r ö stungen geschildert, während denen sich die Intensität der Liebe und das Gefühl innerer Wonne (dulcedo) bei Angela steigern. Einen Höhepunkt erreicht die Vereinigung mit dem leidenden Christus auf einer Wallfahrt, die sie nach Assisi unternimmt. (Die Entfernung zwischen Foligno und Assisi beträgt auf der alten Straße am Gebirge entlang etwa fünfzehn Kilometer, war also in gut drei Stunden zu bewältigen). K u r z hinter Spello, an einem Tñvium, ergreift der Heilige Geist von Angela Besitz. Es ist aber zugleich der Gekreuzigte, der zu ihr in ihrem Inneren spricht: 9 Und er begann zu reden: „Meine Tochter, meine Süße, meine Tochter, mein auserwählter Schatz, mein Tempel, Tochter, mein Schatz, liebe mich, weil du von mir sehr geliebt wirst, sehr viel mehr, als du mich liebst." Und überaus oft sagte er: „Meine Tochter und süße Braut!" Und er sagte: „Ich liebe dich mehr als irgend eine andere Frau, die im Tal von Spoleto lebt... Und ich werde das an dir tun, was mein Knecht Franziskus besaß, und noch mehr, wenn du mich liebst." Die beschriebene Innewohnung, Besitznahme durch den Heiligen Geist dauert noch an, als Angela die Oberkirche S. Francesco in Assisi betritt. Dort, v o m Portal aus gesehen links, befindet sich bis heute das berühmte Fenster,
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Angela von Foligno
auf d e m dargestellt ist, wie Christus in seiner Glorie den (sehr viel kleineren) verherrlichten Franziskus vor sich hält und ihn zugleich mit seinem rechten A r m umfängt. 1 0 Und er kam mit mir bis in die Kirche San Francesco, wie er gesagt hatte, und er ging von mir nicht weg, als ich nach S. Francesco gelangte und in S. Francesco stand, sondern er blieb weiter bei mir bis nach dem Essen, als ich nämlich zum zweiten Mal in die Kirche des heiligen Franziskus kam. Und dann bei diesem zweiten Mal, sogleich als ich mich am Eingang der Kirche hinkniete und den heiligen Franziskus auf dem Schoß Christi gemalt sah, sagte er zu mir: „So an mich gedrückt werde ich dich halten und noch viel mehr, als es mit den körperlichen Augen betrachtet werden kann. Und jetzt ist die Stunde da, daß ich an dir, süße Tochter, mein Tempel, mein auserwählter Schatz, erfülle, was ich dir gesagt habe; denn für diese Tröstung lasse ich dich los, aber ich werde dich niemals wieder loslassen, wenn du mich lieben wirst." O b w o h l Angela die A n k ü n d i g u n g der bevorstehenden temporären Trennung v o n d e m himmlischen Geliebten als bitter empfindet, ist sie doch von übergroßer Wonne, Süßigkeit erfüllt." A l s der Geist sie dann verläßt, beginnt sie „ohne jede S c h a m " in der Kirche laut z u schreien: „Unerkannte Liebe, warum verläßt du mich nur? Warum? Warum? W a r u m ? " Die Frage Bruder Arnaldos nach dem G r u n d dieser Schreie hatte die ausführliche Erzählung Angelas veranlaßt. D e r Beichtvater und Schreiber berichtet ein weiteres bedeutsames visionäres Erlebnis der Heiligen, das sich an einem K a r s a m s t a g zugetragen hat^
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te: Am Karsamstag nach den vorgenannten Ereignissen berichtete mir die getreue Dienerin Christi die wunderbaren Freuden , die sie von Gott bekommen hatte. Und unter anderem berichtete sie mir, dem Bruder Schreiber, daß an diesem Tage sie selbst, die getreue Dienerin Christi, in Ekstase geriet und sich mit Christus im Grab befand. Und sie sagte, daß sie zuerst die Brust Christi küßte - und sie sah ihn da liegen mit geschlossenen Augen wie einen Toten - und danach küßte sie seinen Mund. Sie sagte, daß sie aus diesem Mund einen wundersamen und unbeschreiblich angenehmen Duft empfangen hatte, der als Atem aus seinem Munde hervorging. Aber sie sagte, daß hier eine kleine Verzögerung eintrat. Und danach legte sie ihre Backe auf die Backe Christi, und Christus legte seine Hand auf ihre andere Backe und zog sie an sich, und diese Getreue Christi hörte, wie die folgenden Worte zu ihr gesagt wurden: „Bevor ich im Grabe lag, habe ich dich so an mich gezogen." Und obwohl sie erkannte, daß Christus die vorgenannten Worte sprach, sah sie doch Christus, wie er da lag mit geschlossenen Augen und nicht die Lippen bewegte, so wie ein Toter im Grab liegt. Und sie befand sich in einem Zustand überaus großer Freude, der nicht zu beschreiben war. Angela befindet sich damit in einem schwebenden Zustand, zwischen betrachtender D i s t a n z und intimster, auch körperlich empfundener, N ä h e . Wichtig ist für sie die Gewißheit, durch ihre extreme Verdemütigung schon in ihrem irdischen L e b e n in den höchsten R a n g der von Christus am meisten geliebten Frau emporgestiegen zu sein.
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Angela von Foligno ist ein Beispiel für das außerklösterliche, franziskanisch geprägte Frauendasein in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. An mystischer Intensität steht es dem der franziskanischen Klosterfrauen (Klarissen) in keiner Weise nach, im Gegenteil. Angelas Persönlichkeit muß sehr beeindruckend gewesen sein. Ein Zeugnis dafür hat der berühmte Franziskaner-Spirituale Ubertino von Casale (um 1259-nach 1325) hinterlassen, der Angela wahrscheinlich im Jahre 1298 begegnete. Wie er im Prolog seines Werkes „Arbor Vitae Crucifixae Iesu", das er 1305 auf dem Berge La Verna verfaßte, schreibt, verdankt er Angela eine Art Bekehrung, eine totale spirituelle Erneuerung.13 Angela starb am 4. Januar 1309, ungefähr vierundzwanzig Jahre nach ihrer „Bekehrung". Bestattet wurde sie in der Kirche S. Francesco zu Foligno, wo sie in einem gläsernen Sarg, auf einem Seitenaltar ruht.
12 MARGHERITA VON
CORTONA
Einzigartige Geliebte Christi In manchem ähnliche Züge im Leben und in der religiösen Erfahrung wie bei Angela von Foligno zeigen sich bei ihrer Zeitgenossin Margherita von Cortona. Auch von ihr ist ein Buch erhalten, das ein Franziskaner, Fra Giunta Bevegnati, aufgeschrieben hat.1 Margherita ist 1247 in Laviano geboren, das heute zur Gemeinde Castiglion del Lago (Provinz Perugia) gehört. Sie starb am 22. Februar 1297 zu Cortona. Ihr Leben spielte sich in der Gegend von Montepulciano und Cortona ab, im Grenzbereich von Umbrien und Toscana, in einer Landschaft, die durch den größten See Mittelitaliens, den Trasimenischen See, geprägt ist. Ihr Vater hieß Bartolomeo und war ein ziemlich wohlhabender Landwirt, der von der Gemeinde Perugia Ackergelände gepachtet hatte. Der Name der Mutter ist unbekannt; sie starb, als Margherita acht Jahre alt war. Der Vater tat sich darauf mit einer neuen Frau zusammen, die sich dem Kind gegenüber lieblos und frostig verhielt. Mit fünfzehn Jahren verliebte sich Margherita, die sehr schön gewesen sein soll, in einen reichen, adeligen Herrn aus Montepulciano, dem die Tradition den Namen Arsenio gibt (in den zeitgenössischen Quellen ist der Name nicht belegt). Zu ihm floh sie eines Nachts zu Fuß durch die Sümpfe des Trasimensischen Sees. Neun Jahre lang war sie die Geliebte Arsenios, der sie mit vornehmen Kleidern und Reitpferden ausstattete. In dieser Zeit bekam sie ihren Sohn, dessen Name merkwürdigerweise nicht überliefert ist. Arsenio hatte eine Villa in Palazzi, von der aus er gerne auf die Jagd ging. Dort erwartete ihn Margherita eines Tages. Als Arsenios Hund allein zurückkehrte und winselte,2 machte sie sich aufdie Suche nach dem Geliebten. Sie fand ihn in der Nähe von Petrignano, wo er tot unter einer Eiche lag. (Bis heute erinnert dort eine Kapelle an das Ereignis). Ob Arsenio durch einen Unfall oder durch Mord ums Leben kam, ist nicht überliefert. Seine Verwandten und Erben jagten Margherita aus dem Haus. Auch bei ihren Eltern fand sie keine Aufnahme mehr. Da entschloß sie sich, mit ihrem Sohn nach Cortona zu gehen. Es war das Jahr 1272, in dem sie die Stadt durch die Porta Berarda betrat. Zwei Damen der angesehenen Familie Moscari, Marinaria und Raniera, nahmen sie bei sich auf, und durch sie fand Margherita Kontakt zu den Franziskanern. Zunächst wurde Bruder Giovanni von Castiglion Fiorentino ihr Seelenführer, danach Bruder Giunta Bevegnati, der A u t o r ihrer Legende. Ihr L e b e n war ausgefüllt
mit der Fürsorge für die Armen und Kranken der Stadt und der Teilnahme an
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den Gottesdiensten in der Kirche San Francesco.3 Sie bewohnte in dieser Zeit ein kleines Zimmer im Palazzo Moscari. Sie hatte das dringende Bedürfnis, für ihr früheres Leben in Sünden Buße zu tun. Nach drei Jahren wurde sie in den Dritten Orden des heiligen Franziskus aufgenommen. Margherita verbrachte viele Stunden des Tages in ekstatischen Visionen, hauptsächlich in dem Oratorium der Kirche S. Francesco/ Ihren Sohn, der ihr bei ihrem jetzigen Leben, als Stück ihrer Vergangenheit, lästig war, gab sie zu einem Lehrer in Arezzo. Das Verhältnis Margheritas zu diesem Sohn ist überhaupt sehr merkwürdig, wie wir noch sehen werden. Nach einiger Zeit bezog sie in einem Haus neben dem Palazzo Moscari eine Zelle, wo sie in größerer Abgeschiedenheit ihre Bußübungen und Meditationen verrichten konnte. Sie blieb dort dreizehn Jahre lang. In dem Haus (Nr. 47 der Via Santa Margherita) wird noch heute der Kamin gezeigt, in dem sie das Essen für die Armen zubereitete, ebenso der Brunnen, aus dem die Kranken, die bald zu ihr strömten, ihren Durst stillten. Sie kümmerte sich besonders um Mütter mit kleinen Kindern. Angesichts der zahlreichen Kranken und der Kriegsversehrten, Opfern der Kleinkriege zwischen Cortona und Arezzo, 5 entschloß sie sich, ein grösseres Hospital zu errichten. Mit Hilfe einiger wohlhabender Bürger konnte
sie den Planverwirklichen. Das Ospedale di S. Maria della Misericordia be-
steht bis auf den heutigen Tag. Träger wurde eine Bruderschaft, die 1286 durch den Bischof von Arezzo bestätigt wurde. Auffällig waren die öffentlichen Selbstanklagen, die Margherita unter lautem Schreien in den Straßen der Stadt wegen ihrer sündigen Vergangenheit gegen sich erhob. Sie schonte aber auch andere nicht und richtete vor allem gegen Priester und Bischöfe heftige Angriffe. In ihren Betrachtungen vor dem Crucifixus von S. Francesco' erlebte sie die Passion Christi nach und wurde zu seiner Tochter und Geliebten. Im Jahre 1288 zog sie sich auf die Höhe des Berges über Cortona zurück, wo sie sich neben der kleinen Kirche S. Basilio eine Zelle einrichtete. In den sieben Jahren, die sie noch lebte, widmete sie sich ausschließlich ihren Visionen, die sie unter gewaltigen physischen und psychischen Leidenszuständen erlebte. Sie verkehrte mit dem Herrn, der heiligen Jungfrau, den Engeln und Heiligen des Paradieses; sie hatte aber auch fürchterliche Teufels- und Höllenvisionen. Ihr vertrauter Beichtvater, Fra Giunta, war nach Siena versetzt worden; er kehrte erst zu der Sterbenden wieder zurück. In der Zeit seiner Abwesenheit wurde ein Weltpriester, Ser Badia Venturi, den der Bischof von Arezzo (1290) zum Rektor der Kirche S. Basilio bestellt hatte, ihr Beichtvater. Dieser Ser Badia hatte, bevor er Margherita näher kennengelernt hatte, ein „unordentliches" Leben geführt, wurde aber dann unter ihrem Einfluß zu einem besseren Lebenswandel bekehrt;7 auf ihn gehen die Nachrichten über ihre letzten Lebensjahre zurück. Margherita starb, nachdem sie siebzehn Tage lang weder Speise noch Trank zu sich genommen hatte, am 22. Februar 1297. Ihr Leichnam wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung von Cortona einbalsamiert und in der Kirche S. Basilio in einem neuen Grab be-
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Margherita von Cortona
stattet. Im 14. Jahrhundert wurde auf dem Berge nach den Plänen Giovanni Písanos eine neue große Kirche erbaut, in welche die Gebeine Margheritas übertragen wurden. Die Kirche wurde 1392 den Franziskanern (Observanten) übergeben. 1580 wurden die Uberreste Margheritas in einen neuen versilberten Sarkophag getan, den man auf den Hochaltar stellte. Die mittelalterliche Kirche wurde 1887 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt (Weihe 1897). Nur das Rosenfenster, eines der schönsten Italiens, blieb erhalten und wurde an die Fassade der neuen Kirche übertragen. Margherita verbrachte in Cortona ein Leben äußerst strenger Buße; im Nachdenken und der Trauer über ihre vergangenen Sünden versenkte sie sich in das Leiden Christi. Während ihrer ekstatischen Meditationen und Gebete vernimmt sie die Stimme des Heilands, der zu ihr spricht. Er gibt ihr eines Tages die Anweisung, nicht mehr in der Stadt herumzulaufen und um Almosen zu betteln, sondern nur noch zur Kirche S. Francesco zu gehen, um die Messen und die Predigten zu hören. Christus, in dem sie ihren eifersüchtigen Verlobten sieht, vertraut sie der Fürsorge der Minoriten an. Überdies versichert er sie der Vergebung aller ihrer Sünden. Sie soll hinfort ein wundersames Licht für alle sein, die in der Finsternis des Lasters leben, und soll ihnen als Beispiel der Umkehr zur Gnade dienen.8 Christus nennt sie anfangs „poverella" (paupercula). Sie möchte aber Tochter Gottes sein. Nach vielen Gebeten vernimmt sie die zärtliche Anrede: „Figlia!" Da glaubt sie, vor Freude fast zu sterben.9 Sie gerät häufig in ekstatische Zustände, in denen sie die körperliche Empfindung verliert, wie Frauen feststellen können, die sie schütteln und an den Haaren ziehen. Seltsam ist, inmitten ihres mystischen Erlebens, das Verhältnis zu ihrem Sohn. Einmal, als sich das Weihnachtsfest nähert, meditiert sie über das Geheimnis der Inkarnation und die hohe Würde der Mutter des Herrn. Sie wünscht sich, „am Weihnachtstag das Brot des Lebens empfangen zu können", möchte aber nicht ohne freundliche Einladung Christi selbst zur Kommunion gehen. Der Herr erlaubt ihr jedoch nicht den Empfang des Sakraments am ersten Weihnachtstag, weil er den Tag seiner Geburt mit den Engelscharen feiern möchte. Margherita aber sollte sich erst am Fest des Evangelisten Johannes (27. Dezember) unter Tränen mit ihm vereinigen dürfen, während er selbst zwischen den Tieren liegend wimmern würde. Am Stephanstag (26. Dezember) sollte sie mit niemandem sprechen, um sich auf den hohen Besuch vorzubereiten. Auch den Tag der Begegnung selbst sollte sie schweigend verbringen. Nur wenn sie auf diese Weise die Ausschließlichkeit ihrer Liebe zu Christus unter Beweis stellen würde, würde er sich mit ihr in einem besonderen Gnadenerweis vereinigen. Was aber geschah dann?10 Sie hatte kaum dem Befehl gehorcht, der ihr im Oratorium der Minderbrüder gegeben worden war, als der Lehrer ihres Sohnes das Oratorium betrat, um ihr Nachrichten von ihrem Sohn zu geben und sie um den Lohn für seine Arbeit zu bitten. Gib gut acht, was jetzt folgt! Die Dienerin Christi Margherita war weit entfernt von den weltlichen Sorgen, die dem von ihnen abgewandten Geist hin-
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derlich sein könnten, und sie hatte sich von den mütterlichen Gefühlen entkleidet, so als wäre sie nicht von dieser Welt, vor der sie Abscheu hatte, und als ob sie ihren Sohn niemals geboren hätte. Das sieht man in aller Deutlichkeit an folgendem: Der hinterlistige Feind hatte das Gerücht verbreitet, ihr Sohn habe sich, von ihr in extremem Elend und ohne mütterlichen Beistand gelassen, aus Verzweiflung in Arezzo in einem Brunnen ersäuft. Das schien durch die Tatsache bestätigt, daß niemand ihn finden konnte, weder in der Schule noch sonstwo in der Stadt Arezzo, und er war auch nicht nach Cortona zurückgekehrt, um mit seiner Mutter Weihnachten zu feiern. Unter diesen Umständen hatte sie dem Rhetoriklehrer ihres Sohnes keine Antwort gegeben. Der fing nun an, sich vor den Brüdern zu beschweren, und war empört über ihren Hochmut und ihre Undankbarkeit, während Margherita, ganz auf ihren geliebten Gott konzentriert und in jeder Weise Christus, ihrem inneren Lehrer gehorsam, kein einziges Wort zur Antwort gab, obwohl sie von unseren Brüdern inständig darum gebeten wurde. Ich selbst, ihr unwürdiger Beichtvater [Bruder Giunta Bevegnati], und Bruder Benigno heiligen Angedenkens befragten sie über diese Sache. Aber Margherita, die jetzt im Himmel mit Gott vereint ist, gehorchte uns damals nicht auf Erden, weil sie Christus geantwortet hatte, sie werde sein Gebot auf keinen Fall übertreten. Der hatte ihr nämlich in der Seele eingegeben: „Jetzt werde ich sehen, ob du auf den Lehrer deines Sohnes achten wirst, wenn du ihm antwortest, oder es wagst, mir irgend ein Geschöpf vorzuziehen." Deshalb hörte sie nicht auf den bei ihr stehenden Lehrer, der ihr insgeheim Vorwürfe machte und ihr drohte, auch nicht auf die Brüder, die sie baten, zu sprechen. Als sie zum Herrn sagte: „Ich werde nicht mit ihm sprechen, mein Herr!", da ging der genannte Lehrer verstört weg. Aber sie hörte, wie Jesus, von dem alle Macht und Gnade kommt, wohlgefällig zu ihr sagte: „Siehst du, Margherita, meine Tochter, mit welcher Kraft ich dich ausgestattet habe und welche Standhaftigkeit ich dir gegeben habe! Denn du hast in deiner Seele Wohlbehagen empfunden, als du vor denen, die dich belästigten, geschwiegen und denen, die dich befragten, überhaupt nichts geantwortet hast." Der Sohn Margheritas, dessen Namen nirgends überliefert ist, trat später in den Franziskanerkonvent von Cortona ein. Aus diesem Anlaß schrieb ihm seine Mutter einen herben Brief, in dem sie ihn vor allem zu Demut und Gehorsam im Orden ermahnt. Die „unnütze Gesellschaft der Weltleute" soll er tunlichst meiden." Es ist eine Episode überliefert, die auf das Verhältnis Margheritas zu ihrem Sohn und dessen Situation im Kloster ein helles Licht wirft. 12 Der junge Novize verschlief einmal den Beginn der Matutin. D a kam der Pater Guardian zu ihm und weckte ihn „väterlich" mit einem Rutenschlag. Der Junge erwachte von dem Schmerz, begann zu schreien und riß aus Angst die Rute aus der Hand seines Oberen. Dann aber bereute er diesen Fehltritt und begann, sich selbst mit der Kapuze seiner Kutte ins Gesicht zu schlagen. Bei Tagesanbruch, noch vor Beginn der Prim, erfuhr Margherita auf visionärem Wege von dem Vorfall. Sie sandte eine Botschaft zum Konvent, um den Guardian zu bitten, ihr unverzüglich ihren Sohn nach Hause zu schicken. Der betrat in Begleitung des Bruders Ubertino vom Berg La Verna ihre Zelle;13 seine Mutter sagte ihm unter Tränen:
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Margherita von Cortona Vergangene Nacht war mein Geist zugegen, neben dir, als du den Schrei ausgestoßen, den Stock ergriffen und dir in kindischer Manier das Gesicht aufgerissen hast. Und wo ist der Eifer, mein Sohn, den du für das Lob Gottes haben mußt? W o dein Dank für einen so guten Vater unseres Heils?
Nachdem sie ihn auf diese Weise zurechtgestutzt hatte, sandte sie ihn zum Konvent der Minoriten zurück. Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, daß dieser kleine Namenlose das bedauernswerte Opfer der exzessiven Frömmigkeit seiner Mutter und von deren geistlichen Beratern gewesen ist. Wohin hatte ihm der Guardian den väterlichen Schlag versetzt, der ihn zum Schreien brachte? Es handelt sich hier nicht um eine „anmutige Episode", wie der franziskanische Kommentator schönfärberisch meint, auch ist das Verhältnis Margheritas zu ihrem Sohn nicht von mütterlicher „Zärtlichkeit" geprägt, sondern ganz einfach inhuman, was immer man an Entschuldigungen dafür anführen mag. Es zählte für sie nur noch die Liebe ihres himmlischen Bräutigams, die sie in ihren Visionen erfuhr. Einen Teil ihrer Ekstasen und visionären Erlebnisse hat Margherita vor dem schon erwähnten Crucifixus erlebt, der sich heute noch in der ihr geweihten Basilika über der Stadt Cortona befindet. Einmal äußert sie Christus gegenüber den Verdacht, daß sie möglicherweise Täuschungen durch den Dämon zum Opfer fällt; denn sie meint, sie sei seiner Liebe, seiner Verheißungen und der göttlichen Offenbarungen unwürdig.14 Wenn diese schmeichelhaften Worte von dem unsichtbaren Feinde kommen, der sich in einen Engel des Lichts verwandelt [2 Cor 11,14], dann befehle ich dir in der Kraft Christi, sofort zu schweigen und abzuziehen!
Aber Jesus beruhigt sie und bestätigt ihr, daß er selbst es ist: der Gekreuzigte, der sie erlöst hat. Ich bin Jesus, dein Erlöser, den du in allen Dingen liebst und suchst. Ich sage dir, daß du jene geliebte Tochter bist, der ich größere Gnadengaben schenken werde als jeder anderen Frau, die zu deiner Zeit unter dem Himmel lebt.
Bei mehreren Gelegenheiten versichert Jesus Margherita, daß sie in einzigartiger Weise seine Geliebte sei.15 Du bist meine Tochter, weil du mir gehorsam bist; du bist meine Braut, weil du mich allein liebst; du bist meine Mutter, weil du den Willen meines Vaters nach Kräften erfüllst. Und ich sage dir: es gibt keine Frau unter dem Himmel, die ich mehr liebe als dich. Aber bilde dir auf dieses Wort nichts ein, denn du hast für diese Tröstungen noch längst nicht so teuer bezahlt, wie das in Zukunft der Fall sein wird. Denn es wird die Zeit kommen, in der du an deinen Leiden abschätzen kannst, für einen wie teueren Preis ich dich erlöst habe.
Damit wird deutlich, welche Art von Gegenliebe der himmlische Bräutigam von Margherita erwartet: es ist das exzessive Leiden. Dementsprechend war-
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tet sie nicht auf Krankheiten, sondern schwächt selbst ihren Körper durch extreme Fastenpraktiken. Einmal ist sie fest entschlossen, ihrem Körper, dem gegenüber sie nichts als Haß empfindet, eine entstellende Wunde beizubringen. Sie besorgt sich ein Rasiermesser, mit dem sie sich die Nase und die Oberlippe abschneiden will. Sie bittet ihren Beichtvater um die Erlaubnis, Christus dem König dieses Opfer (sacrificium) bringen zu dürfen. Aber Fra Giunta bringt sie von ihrem widerwärtigen Vorhaben ab, indem er ihr droht, er werde ihr in Zukunft nicht mehr die Beichte abnehmen.16 Die Minderbrüder, mit denen Margherita in enger Gebetsgemeinschaft lebt, werden in den Offenbarungen mehrfach erwähnt. Uber ihr Verhältnis zu dem Orden, dessen Terziarin sie ist, teilt ihr Jesus mit:17 Ich habe dich, o Tochter, in den Garten meiner Liebe gepflanzt. In der Tat war dein Vater Franziskus, mein Geliebter, vor allem ein Gefolgsmann meiner Liebe. Er hat mich so sehr geliebt, daß ich heute um keines Menschen willen so geliebt werde wie seinetwegen. Und du sollst wissen, daß diejenigen, die sich für dich abgemüht haben, viele Tröstungen als Lohn erhalten werden. Einmal sagt Margherita zu Jesus:18 Neigt Euch nicht zu einer so schäbigen Kreatur herab, mein Herr! Denn unter dem Himmel bin ich nur Finsternis gewesen und bin es noch. Da antwortet ihr der Herr: Meine Tochter, du wirst in der Welt ein Licht sein ... Und weil du gebeten hast, keine Finsternis zu sein, sage ich dir, daß du ein strahlendes Licht, keine Finsternis sein wirst, und darin habe ich dein Gebet erhört. Darauf Margherita: Mein Erlöser, mein Herr und König, ich habe dir dieses Gebet mit großem Verlangen entgegengebracht. Ich bitte dich, mein Herrgott, daß du mich, deine Magd, wie du mich gesättigt hast mit der Wonne (dulcedine) deiner Gegenwart, mich so für die Welt begraben mögest und niemals gestatten mögest, daß ich über meine Geheimnisse rede, die du mir in der Ekstase (in excessu mentis) offenbarst. Sie erhält aber von Jesus den Bescheid: Margherita, ich bin es, der entscheidet, ob du reden sollst oder nicht. Ich werde dir aber als meine Apostel die Minderbrüder zur Seite stellen, die verkünden werden, was an dir geschieht, so wie die Apostel den Heiden mein Evangelium gepredigt haben. Margherita ist demnach ein Licht zur Erleuchtung der Welt (vgl. Lc 1,32!). Die den Franziskanern aufgetragene Predigt über das, was an ihr geschieht,
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Margherita von Cortona
wird der Verkündigung des Evangeliums durch die Apostel gleichgestellt. Teil dieser Verkündigung soll sicher der außerordentlich hohe Rang sein, mit dem Jesus selbst Margherita ausgezeichnet hat. Sie darf Jesus ihren Bräutigam, ihren Verlobten (sponsus) nennen. Einmal, als sie ihrer Sehnsucht nach seiner Nähe Ausdruck gibt, kommt Jesus und sagt:19 Ich bin dein Erlöser, der dein Todesurteil aufgehoben hat: zuerst am Kreuz; sodann habe ich dich zur Buße gerufen, wie Matthäus und Magdalena. Wie diese mir nach ihrer Bekehrung getreu folgten, so wirst du hinter mir herkommen unter der Verachtung und dem Getuschel vieler Menschen. Aber du wirst nicht, wie die beiden Genannten, aus der Welt durch das blutige Martyrium hinausgehen. Und wie man über Magdalena tuschelte, weil sie ihren Schmuck verachtete und mir voller Begeisterung nachfolgte, so werden viele dich auslachen, wenn du mir nachfolgst. Aber kümmere dich nicht darum, denn du bist meine Tochter, meine Geliebte, meine Schwester, die ich mehr liebe als alle Frauen, die heute auf der Erde leben. Sei also stark und fasse Mut, denn wenn deine Leiden größer werden, dann wird auch die Gnade größer. Margherita wird gewissermaßen zur zweiten Magdalena. Sie hat einmal (an der Vigil ihres Festes, dem 21. Juli) eine Vision der Heiligen, die in prachtvolle silberne Kleider gekleidet ist. Christus erklärt ihr, Magdalena sei seine geliebte Tochter. Sie habe ihr leuchtendes Kleid und ihre Krone als Büßerin in einer Wüstenhöhle verdient, im Kampf gegen die Versuchungen.20 Wie die Maddalena ist Margherita Hure und Büßerin: eine heilige Hure. Im zärtlichen Liebesgespräch mit dem gekreuzigten Erlöser gibt sie dem Wunsch Ausdruck, in dessen Herz zu sein; das heißt, mit ihm zu verschmelzen. Sie möchte die gleichen Leiden erleben wie er.21 Nach den Considerazioni delle sacre stimmate, einem Anhang zu den Fioretti (entstanden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts) hatte Franziskus am Morgen des Tages seiner Stigmatisation, dem 14. September 1224, mit nach Osten gewandtem Gesicht von Christus zwei Gnaden erbeten: daß er an Leib und Seele den gleichen Schmerz empfinden dürfe wie der Herr selbst in seiner Todesstunde; daß er in seinem Herzen die gleiche Liebe empfinde, die Jesus befähigte, sein Leiden für die Sünder zu ertragen.22 Wie Christus auf dem Berg La Verna Franziskus ein neues Erleben seiner Kreuzigung gestattet hatte, so gewährt er auch Margherita die Teilnahme an seiner Passion. Sie fühlt sich gekreuzigt wie er und sieht in ihren Leiden zugleich eine Buße für die Erbschuld und ihre persönlichen Sünden. Für die im extremen Leiden gezeigte Liebe erwartet die Büßerin von Cortona in der ewigen Herrlichkeit ein ganz besonderer Platz. Jesus offenbart ihr, daß die Maddalena (die erste der heiligen Huren) im Himmel ihren Thron mitten in den Chören der Jungfrauen hat, zwischen den Seraphim. Dort wird auch Margherita ihren Platz einnehmen:23 Tochter, ich werde dich unter die Seraphim setzen, wo sich die vor Liebe brennenden Jungfrauen befinden.
Einzigartige Geliebte Christi
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Der für die „zweite Magdalena" bestimmte leere Thron in der himmlischenGlorie, den ihr Christus eines Tages zeigt, ist von unbeschreiblicher Schönheit. Die Schönheit dieses Engelsthrons übertrifft die Glorie der Apostelstühle, denn er steht innerhalb des seraphischen Ranges.24 In einer anderen Vision wird ihr ebenfalls ein überaus schöner Thron in den Weiten des Himmelsraums gezeigt: es ist der Thron Lucifers, den jetzt der heilige Franziskus einnimmt. Christus sagt ihr, sie könne die Schönheit dieses Sitzes in ihrem jetzigen Zustand noch nicht begreifen, ebenso wenig wie sie die himmlische Schönheit seiner Mutter verstehen könne, weil er sie „vor allen anderen Geschöpfen in sein Bild verwandelt" habe.25 Die Betonung der Schönheit und ihre häufige Nennung unter verschiedenen synonymen Begriffen (speciositas, pulchritudo, decor, splendor) erinnert an die Alverna-Vision des Franziskus und die „ganz unvorstellbare Schönheit" des Seraphen, der sich dem Heiligen dort als Welt-Erlöser offenbart hatte.26 Das volle Verständnis dieser von ihr geschauten Mysterien sollte Margherita aber erst erhalten, wenn sie selbst zur himmlischen (und seraphischen) Glorie gelangt wäre. Auf die Bestätigung ihrer Apotheose durch die irdische Kirche mußte Margherita von Cortona noch ein paar Jahrhunderte warten: Der Papst Leo X. Medici (1513-1521) erlaubte die Feier ihres Todestages (22. Februar) in Stadt und Diözese Cortona; Urban Vili. Barberini (1623-1644) dehnte mit Bulle vom 15. Dezember 1623 die Feier auf die franziskanischen Orden aus; schließlich wurde sie am 16. Mai 1728 durch Benedikt XIII. Orsini (1724-1730) heiliggesprochen.
13 MECHTHILD VON MAGDEBURG U N D DIE CISTERCIENSERINNEN VON HELFTA
Die Ohren des ewigen Geistes Wie wir gesehen haben, zeigen sich bei Angela von Foligno und Margherita von Cortona Formen religiösen Erlebens, die bis dahin in der mittelalterlichen Kirche unbekannt waren: ihrer beider Verhältnis zum leidenden Christus hatte den Charakter einer persönlichen Liebesbeziehung. Ihre religiösen Vorstellungen bewegen sich bereits am Rande der Rechtgläubigkeit; aber sie werden von theologisch geschulten Minoriten geistlich betreut und unterstehen damit auch der Aufsicht des Ordens, dem, neben den Predigern, von päpstlicher Seite die Inquisitio haereticae pravitatis anvertraut war. Die drei deutschen Mystikerinnen, von denen jetzt die Rede ist, schreiten, an den Sprachregelungen theologischer Orthodoxie gemessen, auf einem noch gefährlicheren Grat. Da sie einen höheren Bildungsstand und eine schärfere Reflexionsgabe besitzen, sind sie sich dessen durchaus bewußt. Auch die erotische Komponente, durch die ihre Annäherung an die Gottheit geprägt ist, erscheint intensiver, wie ihre Sprache und ihre Vorstellungen zeigen. Die Vereinigung mit dem jenseitigen Geliebten nimmt Züge an, die den Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf weitgehend verschwinden lassen, oder doch wenigstens, vom Standort der „offiziellen" Theologie her gesehen, diesen Eindruck erwecken können. Schließlich unterscheiden sich die Werke Mechthilds von Magdeburg, Gertruds von Helfta und Mechthilds von Hakkeborn in ihrem Anspruch von denen der beiden franziskanischen Mystikerinnen: als nicht nur für die Visionärinnen selbst bestimmte göttliche Offenbarungen beanspruchen sie allgemeine und ewige Geltung. Darin wiederum sind sie den Werken Hildegards von Bingen und Elisabeths von Schönau vergleichbar. Mechthild von Magdeburg: „ D a s fließende Licht der Gottheit" Von den äußeren Lebensumständen Mechthilds von Magdeburg ist sehr wenig bekannt.1 Sie wurde um 1207-1210 wahrscheinlich auf einer Burg in der Nähe von Magdeburg geboren. Sprache und Geist ihres Werkes bezeugen sowohl ihre adelige Herkunft als auch ihre hohe Bildung. Sie lernte allerdings nicht die lateinische Sprache. I m Alter v o n z w ö l f J a h r e n erlebte sie ihre erste „ f r e u n d l i -
che Begrüßung" (amica salutatio) durch den Heiligen Geist. Bald danach ver-
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ließ sie ihre Familie und begab sich nach Magdeburg. Aus mehreren Andeutungen in ihrem Buch geht hervor, daß sie dort innerhalb einer Beginen-Gemeinschaft gelebt hat. Sie scheint über ausreichende Mittel zu ihrem Lebensunterhalt verfügt zu haben; jedenfalls war sie nicht auf Bettel angewiesen. Nach visionären Erlebnissen, die sich über dreißig Jahre hinzogen, begann sie (um 1250) mit der Niederschrift ihres Buches: „Das fließende Licht der Gottheit". Wohl wegen der in dem Werk unverblümt geäußerten Kritik an Klerus und Klosterinsassen wurde sie angefeindet. Um 1270 verließ sie deshalb die Stadt und trat in das Kloster Helfta bei Eisleben ein, das sich den cisterciensischen Konstitutionen unterstellt hatte. In Helfta amtierte von 1251 bis 1291 Gertrud von Hackeborn als Äbtissin. Sie förderte in ihrem Konvent das Studium der geistlichen und weltlichen Wissenschaften. Ihre Schwester Mechthild von Hackeborn hat von ihr den markanten Satz überliefert: „Wenn das Studium der Wissenschaft verloren geht, dann wird auch die Pflege der Religion aufhören, weil sie die Heilige Schrift nicht mehr verstehen."2 Die Wissenschaft als eine wesentliche Grundlage der Religion: eine Maxime, die sich auch moderne religiöse Fanatiker und sich für aufgeklärt haltende Ideologen hinter die Ohren schreiben könnten. Die Nonnen von Helfta erwarben sich gediegene Kenntnisse der Kirchenväter und der mystischen Theologen des 12. Jahrhunderts, vor allem Bernhards von Clairvaux und der Viktoriner. Zu den begabtesten Klosterfrauen gehörten die Schwester der Äbtissin, Mechthild von Hackeborn (1241-1299), und deren Schülerin Gertrud mit dem Beinamen „die Große" (1256-1302). Sie fanden in Mechthild von Magdeburg eine hervorragende geistliche Lehrmeisterin. In Helfta entstand das siebente und letzte Buch des „Fließenden Lichts". Mechthild starb, von allen verehrt, im Ruf der Heiligkeit, wahrscheinlich 1282 (nach anderer Auffassung 1294). Mechthilds Buch wurde in der niederdeutschen Sprache des Mittelalters niedergeschrieben. Das Original ist nicht erhalten. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der Text in Basel in die alemannische Sprache übersetzt. Ein Exemplar dieser alemannischen Übertragung wurde an die im Hochtal von Einsiedeln lebenden sogenannten „Waldschwestern" gesandt. Es befindet sich heute in der Stiftsbibliothek zu Einsiedeln.3 Sodann existiert eine lateinische Übersetzung der Bücher I-VI, die wahrscheinlich in dem Dominikaner-Kloster zu Halle entstanden ist. Heinrich von Halle, Prediger und zeitweilig Lektor der Theologie in Magdeburg, hat dazu eine Vorrede geschrieben. Diese lateinische Version stimmt an vielen Stellen nicht mit dem alemannischen Text überein: die Abschnitte sind anders angeordnet; zahlreiche markante Aussagen der Autorin sind im Sinne der orthodoxen kirchlichen Theologie geglättet. Gleichwohl dokumentiert die lateinische Übersetzung eine Textstufe, die vor Mechthilds Eintritt in Helfta entstanden ist, und ist deshalb wertvoll.4 Mechthilds Sprache zeichnet sich durch große dichterische Aussagekraft und Präzision aus. Die Sätze gehen oft in Verse oder gereimte Prosa über; so
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prägen sie sich leicht dem Gedächtnis ein. Die lateinische Übersetzung versucht, diesen poetischen Charakter nachzuahmen, was zuweilen auch ganz gut gelingt. Die lateinischen Begriffe entbehren keineswegs einer bestimmten Genauigkeit; da es sich jedoch durchweg um Begriffe der kirchlichen Dogmatik handelt, haben sie einen anderen Inhalt als es Mechthilds originellem Denken entspricht. Symbolische Begriffe, die in sein vorgeprägtes theologisches Gedankenschema nicht hineinpassen, eliminiert der Ubersetzer einfach. In dem Bewußtsein, daß eine Frau wie Mechthild in der christlichen Gesellschaft ihrer Zeit eine ungewohnte und anstößige Erscheinung war, weist Heinrich von Halle gleich zu Beginn seines Prologs auf zwei herausragende Frauen des Alten Testaments hin: Im Richterbuch heißt es von Deborah, daß sie, mit prophetischem Geist begabt, zurückgezogen in einem unter einer Palme aufgespannten Zelt auf die Leute wartete, die zu ihr kamen, um ihre Richtersprüche entgegenzunehmen (Jud 4,4f.). Das vierte Buch der Könige erzählt von der in Jerusalem wohnenden Prophetin Hulda, daß sie, über Gottes geheimes Gericht durch den Heiligen Geist unterrichtet, den König Josias über die bevorstehenden Plagen in Kenntnis gesetzt habe (4 Reg 21,14-20). Den damals amtierenden Großpriestern aus der Nachkommenschaft Aarons und den anderen Schriftgelehrten aus dem Stamm Levi eröffnete dagegen der Heilige Geist seine geheimen Ratschlüsse nicht. Wie damals, zur Zeit des Mosaischen Gesetzes, offenbart Gott auch in der Zeit der Gnade dem schwachen Geschlecht der Frauen seine Mysterien. Man soll deshalb Mechthilds Buch in frommer und gläubiger Gesinnung lesen und verstehen, ebenso wie die anderen heiligen Schriften. Denn sein eigentlicher Autor ist der Dreifaltige Gott. 5 Mechthild selbst berichtet, daß sie alsbald nach ihrem Weggang von Zuhause von Gott in den Zustand liebender Wonne und heiliger Erkenntnis hinübergeführt wurde, so daß sie an den irdischen Dingen keinen Geschmack mehr hatte.6 Sie erlebt dann eine Ekstase, in der sie mit den Augen ihrer Seele „die schöne Menschheit Christi" und in Christi Angesicht die Trinität sieht: des Vaters Ewigkeit, des Sohnes Leiden, des Heiligen Geistes Süßigkeit. Gott nimmt ihr ihren Schutzengel und ersetzt ihn durch zwei Engel der obersten Ordnungen der Seraphim und der Cherubim. Der Seraph ist ein „minnebrenner" und soll ihre Seele erleuchten; der Cherub soll die ihr geschenkten Gaben bewahren und die Weisheit in der liebenden Seele ordnen. Auch zwei Teufel, Großmeister aus Lucifers Schule, werden ihr zugeordnet, die mit ihrer Seele diskutieren und versuchen sollen, sie vom rechten Wege abzubringen. Es werden ihr aber auch geeignete Waffen gegeben, darunter als erste das Leiden Christi. In seiner Nachfolge muß sie ihren Leib mittels Weinen, Fasten, Wachen, Rutenhieben überwinden. Obzwar nur eine schwache Frau, kann sie so „aus Gottes Herzen und Mund" ihr Buch schreiben. Am Schluß des Kapitels erklärt sie lapidar:7 So ist dieses Buch auf dem Wege der Liebe (minnenklich) von Gott gekommen U n d ist aus menschlichen Sinnen nicht genommen.
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Über die Art ihrer Offenbarungen sagt sie wenig später: Ich will und kann nicht schreiben, wenn ich es nicht mit den Augen meiner Seele sehen und mit den Ohren meines ewigen Geistes hören und in allen Gliedern meines Leibes die Kraft des Heiligen Geistes empfinden würde.
Die Wahrheit, die von Herz und Mund des ewigen Gottes ausgeht, kann Mechthild nur aufnehmen, weil sie selbst einen „ewigen Geist" besitzt. Eine solche Partizipation an der Ewigkeit, die dem Menschen ein direktes Erkennen und Hören der Gottheit ermöglicht, ist, an der Begifflichkeit der traditionellen Schultheologie gemessen, höchst anstößig. Im Geist des Theologen aus dem Dominikaner-Orden, der Mechthilds Buch ins Lateinische übertrug, kam deshalb die vorauseilende Zensur in Bewegung: er eliminierte die für rechtgläubige Ohren anstößigen „Ohren des ewigen Geistes".8 Wahrscheinlich war die Glättung von Mechthilds Offenbarungen im Sinne kirchlicher Rechtgläubigkeit gut gemeint: ihre geistlichen Betreuer aus dem Prediger-Orden wollten sie schützen. Mechthild selbst war sich der Gefährlichkeit ihrer Gedanken durchaus bewußt, zumal sie gewarnt worden war, ihr Buch laufe Gefahr, verbrannt zu werden.' Ich wart vor disem buche gewarnet, und wart von menschen also gesaget: Wólte man es nit bewaren, da móhte ein brant úber varen.
Die Warnung der wohlmeinenden Ratgeber, die sich im rechten Glauben auskennen, geht also dahin, daß Mechthild ihr Buch lieber für sich behalten solle, da ihm das bekannte Schicksal ketzerischer Bücher drohe. In ihrer Betrübnis darüber wendet sie sich an ihren Geliebten (zu minem liebe) und hält ihm vor, daß sie nur um seinetwillen angegriffen werde; denn er selber habe sie angewiesen, das Buch zu schreiben. Da offenbart Gott sich ihrer trauernden Seele; er hält das Buch in seiner rechten Hand und spricht: Meine Liebe, betrübe dich nicht zu sehr. Die Wahrheit kann niemand verbrennen. Wer mir das Buch aus der Hand nehmen will, der muß stärker sein als ich. Das Buch ist dreifaltig und bezeichnet allein mich. Das Pergament, das es einhüllt, bezeichnet meine reine, weiße, gerechte Menschheit, die deinetwillen den Tod erleidet. Die Worte bedeuten meine wunderbare Gottheit; sie fließen von Stunde zu Stunde in deine Seele aus meinem göttlichen Munde. Der Klang der Worte bezeichnet meinen lebendigen Geist
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und vollbringt mit demselben die rechte Wahrheit. Nun sieh in allen diesen Worten, wie ruhmvoll sie mein Geheimnis melden, und zweifle nicht an dir selber!
Die Worte des Buches sind also alles andere als häretisch; sie vollbringen vielmehr, mit Hilfe des lebendigen Geistes Gottes, die „rechte Wahrheit". Das Vollbringen der Wahrheit besteht in der Offenbarung der „heimlichkeit" (das heißt, der geheimen Weisheit) Gottes. Wie das Evangelienbuch ist Mechthilds Buch Symbol für Christus selbst; es bezeichnet seine Menschheit, seine Gottheit, seinen Geist. Es ist kein totes Buch, sondern in allen seinen Teilen aktiv: in ihm geschieht die Erlösertätigkeit Christi; in seinen Worten fließt die Gottheit in Mechthilds Seele und bewirkt die Wahrheit. Mechthild hält dem Geliebten entgegen: Ach Herr, war ich ein gelehrter geistlicher Mann, und hättest du dies einzig große Wunder an ihm getan, dann würdest du ewige Ehre dafür empfangen.
Sie will also sagen, daß ein studierter Kleriker sich besser als Empfänger der göttlichen Geheimnisse eignen würde und wohl auch weniger Widerstand fände. Sich selbst bezeichnet sie als „unvletigen pfül". Aber Christus antwortet ihr:10 Man findet manchen weisen Meister der Schrift, der in meinen Augen ein Dummkopf ist. Und ich sage dir moch mehr: das ist mir bei ihnen eine große Ehr und stärkt die heilige Christenheit sehr, daß der ungelehrte Mund die gelehrte Zunge von meinem heiligen Geist belehrt.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte die biblische Exegese einen Höhepunkt. Eine Vielzahl hochgelehrter Professoren aus dem Franziskanerund dem Dominikaner-Orden nahm die Lehrstühle der Universitäten und Ordenshochsschulen Europas ein. Der Mechthild'sche Christus scheint davon nicht sehr begeistert gewesen zu sein. Manche dieser Herren, die ein jahrelanges Studium hinter sich gebracht, sich zahlreichen Examina unterzogen, ihre Theologie auswendig gelernt und in den Klöstern religiöse Pflichtübungen praktiziert hatten, sind in Wahrheit, mit den Augen Gottes gesehen, Dummköpfe. Was Mechthild hier Christus sagen läßt, ist natürlich ihre eigene Beurteilung des gelehrten Klerus ihrer Zeit. In ihrer Kritik am Klerus nimmt sie a u c h sonst kein Blatt v o r den Mund. In einer ihrer Visionen sieht sie ein Fe-
gefeuer, in dem wollüstige Priester bestraft werden. Die Seelen dieser „armen
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pfaffen" schwimmen wie Fische in einem feurigen See. Sie werden von krallenbewehrten Teufeln eingefangen, die sie an Land bringen, ihnen die Haut abziehen und sie dann in einen siedenden Kessel werfen. Danach fischen sie sie mit feurigen Gabeln aus der Brühe heraus und fressen sie mit ihren Schnäbeln. Die Dämonen begeben sich anschließend wieder auf das Wasser des Sees, wo sie die Priester unter ihren Schwänzen (dur ire zegel) ausscheiden, um sie aufs neue herauszufischen, zu kochen und zu verdauen." Noch greulichere Dinge berichtet Mechthild von ihrer visionären Reise in die Hölle.12 Ich habe gesehen eine stat, ir namme ist der ewige has.
Lucifer hatte mit der Hoffart den Grundstein dieser im tiefsten Abgrund erbauten Stadt gelegt. Mit den großen Hauptsünden seit Beginn der Menschheit wurde der Bau fortgesetzt: Adam brachte Ungehorsam, Geiz, Unmäßigkeit, Unkeuschheit; Kain Zorn, Falschheit, Mord. Alle Sünder tragen so zum Bau der Hölle bei, und sie empfangen dort die ihnen gebührenden Strafen. In der Hölle herrscht eine Ordnung, die durch die Schwere der Sünden bestimmt ist. Die Heiden, geordnet nach ihren Werken, bewohnen den obersten Teil, wo sie die leichtesten Strafen zu erdulden haben. Im mittleren Teil, wo mäßig schwere Strafen verhängt werden, befinden sich die Juden. Den Christen dagegen ist der tiefste Teil der Hölle bestimmt, wo sie die härtesten Strafen erwarten. Dort herrschen Feuer, Finsternis und Gestank. Lucifer sitzt am Grund und erwartet die Verfluchten, um sie selbst zu bestrafen. Den Hochmütigen drückt er noch unter sich, „unter seinen Schwanz". Die Sodomiten saugt er in seinen Bauch und hustet sie anschließend wieder aus. Den Geizhals frißt er und läßt ihn unter seinem Schwanz wieder herausfahren. Bemerkenswert ist, daß Mechthild sich den Teufel als verdauende, anale Gestalt vorstellt. Und mit großer Freude am schaurigen Detail beschreibt sie die Vielzahl der „körperlichen" und seelischen Qualen der Verdammten. Wie die Hölle dröhnt und in sich selber stöhnt, und wie die Teufel sich mit den Seelen schlagen, und wie sie sieden und braten, und wie sie schwimmen und waten im Gestank und Morast und in den Würmern und in dem Pfuhl, und wie sie baden in Schwefel und Pech, das könnten weder sie selber noch alle Kreaturen jemals wirklich beschreiben.
Der Abgrund der Hölle mit seinen Schaurigkeiten und Qualen ist das düstere Gegenbild zu der Glorie des Himmels, in der die Chöre der seligen Geister
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ihre Gesänge anstimmen. Die Seele, welche die Welt und den Teufel überwindet, wird als Geliebte Gottes mit ihm vereint. Schon zu Beginn ihres Werkes hat Mechthild die „Hofreise der Seele, an der Gott sich zeigt", beschrieben:13 Wenn die arme Seele an den H o f kommt, so ist sie weise und anständig. Dann sieht sie ihren Gott fröhlich an. Ei, wie freundlich wird sie da empfangen! Sie schweigt still und begehrt maßlos sein Lob. D a zeigt er ihr mit großem Verlangen sein göttliches Herz. Es gleicht dem roten Gold, das in einem großen Kohlenfeuer brennt. Er legt sie dann in sein glühendes Herz hinein. Wenn sich der hohe Fürst und das kleine Mädchen so umhalsen und vereint sind wie Wasser und Wein, dann wird sie zunichte und kommt von sich selbst. Wenn sie nichts mehr vermag, dann ist er liebeskrank nach ihr, wie er es immer schon war, da seine Liebe weder zu- noch abnimmt. Dann spricht sie: „Herr, du bist mein Geliebter, meine Sehnsucht, mein fließender Brunnen, meine Sonne; und ich bin dein Spiegel." Das ist eine Hofreise der liebenden Seele, die ohne Gott nicht existieren kann.
Man erkennt die eindeutig erotische Färbung der Sprache. Das gilt auch für die große Himmelsreise der Seele, die Mechthild im ersten Kapitel des dritten Buches schildert. Das Ziel dieser Reise erklärt sie den zwei sie begrüßenden Engeln: „Ich will minnen gehn."14 Am Ziel angekommen, nimmt Gott sie in seine Arme und legt seine Hand auf ihre Brüste. In seinem Kuß „wird sie emporgerückt in die höchste Höhe über aller Engel Chöre". Sie wird dort in die erhabenste, überirdische Weisheit eingeführt; sie sieht „unerhörte Dinge", wie ihr ihre Beichtväter bestätigen, obwohl sie die Heilige Schrift nicht studiert hat. Zu diesen für professionelle Gelehrte der heiligen Theologie unerhörten Dingen gehört gewiß Mechthilds Vorstellung von der Seele als der Geliebten Gottes, wie sie im Vorangehenden schon angeklungen ist. Bemerkenswert ist, daß der Liebesakt zugleich als Erkenntnisakt, als Einführung in die höchste Weisheit, vorgestellt wird. Höchst originell ist Mechthilds Schau vom Himmel als einem „Gotteshaus", einem „herrlichen Haus", dessen innere Ordnung durch die Chöre der Engel bestimmt wird. Die weltlichen Sünder sind, nach Besserung und Bekehrung, dazu bestimmt, die durch den Engelfall leergewordenen Plätze einzunehmen. Ohne Keuschheit, Liebe und Verzicht auf alle Dinge gelangt jedoch niemand in den Bereich der seligen Chöre hinein. Die getauften Kinder bis sechs Jahre füllen den Zwischenraum bis zum sechsten Chor. Darüber, bis zu den Seraphim, sind die Jungfrauen angesiedelt, „die sich besudelten mit kindlichem Willen" und sich danach mittels der Beichte gereinigt haben. Die „reinen geistlichen Jungfrauen" werden nach dem Jüngsten Tag sogar noch über den Seraphim thronen, wo einstmals der Platz Lucifers und seiner Nächsten war. Uber diesem gegliederten Himmelshaus ist nur noch der unendliche Gott auf seinem Thron. Nur Gott? An dem Thron steht unsere Frau Sankt Marie; die braucht keine Lücke zu füllen, denn sie hat mit ihrem Kinde geheilt aller Menschen Wunden, die diese Gnade ge-
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sucht haben und sie behalten wollten und konnten. Ihr Sohn ist Gott, und sie ist Göttin. Ihr kann niemand gleichkommen.
Als Erlöserin der Menschheit und Göttin hat Unsere Liebe Frau ihren „Ort" im Bereich der Gottheit.15 Unter den Heiligen werden die Prediger, d.h., die Dominikaner, einer ganz besonderen Herrlichkeit teilhaftig, als Lohn für ihre Mühen im Erdental. Alle Seligen des Himmels sind umfangen und durchflossen vom Licht und der Liebe Gottes. Ihrer aller Seligkeit erfährt nochmals eine Steigerung nach dem Jüngsten Tage, wenn sich die Jungfrauen in der Liebeslust des „lustvollen Lammes" und „wonnevollen Jünglings Jesus" verzehren und von ihm zur Vereinigung an einen Ort entführt werden, der unbeschreiblich ist. Mechthild weiß, daß ihre Sprache den Menschen höchst anstößig sein muß, und sie ist ihr selbst auch nicht ganz geheuer. Aber sie weiß sich von Gottes Gabe in ihrem Herzen angeregt, obwohl sie an sich selbst nichts Gutes erkennt.16 Nu mag etliche lúte wundern des, wie ich sündig mensche das mag erliden, das ich sogtan rede schribe. Ich sag úch werlich fur war: Hette es got vor siben jaren nit mit sunderlicher gäbe an minem herzen under vangen, ich swige noch und hette es nie getan. Nu wart es mir von gottes gute nie kein schade; das kumt von dem spiegel miner offenen bosheit, die so rehte gegen miner sele offen stat, und von der edelkeit der gnaden, die da lit an der rehten gottes gäbe.
Es wurde bereits bemerkt, daß Mechthild in ihrer Himmelsvision Maria als „Göttin" in unmittelbarer Nähe der Gottheit schaut. Maria ist nach Mechthilds Auffassung Trägerin der sündenfreien Menschennatur, die mit Gott vor aller Zeit vereinigt wurde.17 Der süße Tau der anfangslosen Dreifaltigkeit hat sich ausgesprengt aus dem Brunnen der ewigen Gottheit in die Blume der auserwählten Jungfrau, und der Blume Frucht ist ein unsterblicher Gott und ein sterblicher Mensch und ein lebendiger Trost des ewigen Lebens, und unser Erlöser ist Bräutigam geworden. Die Braut ist trunken geworden vom Anblick des edlen Antlitzes.
Die electa virgo wird wenig später indentifiziert mit der „Seele": die Seele wird in einem innertrinitarischen Schöpfungsakt als Braut des Erlösers erschaffen:18 Eia, wo wurde unser Erlöser Bräutigam? In dem Jubel der Heiligen Dreifaltigkeit, da Gott nicht mehr an sich halten konnte, da machte er die Seele und gab sich ihr zu eigen in großer Liebe. „Warum bist du gemacht, Seele, daß du so hoch steigst über alle Kreaturen und dich einmengst in die Heilige Dreifaltigkeit und doch ganz in dir selber bleibst?" „Du hast gesprochen von meinem Anbeginn. Nun sage ich dir wahrheitsgemäß: Ich bin an demselben Ort gemacht von der Liebe. Darum kann mich keine Kreatur meiner edlen Natur weder versichern noch entgelten, außer allein die Liebe." „Frau Sankt Maria, du bist die Mutter dieses Wunders ..."
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Die Maria-Seele geht eine tiefe Verbindung mit der Trinität ein und bleibt doch ganz in ihr selber (belibest doch ganz in dir selber; manens integra in teipsa). Das, was bleibt und nicht in der Gottheit untergeht, ist die Menschheit." Und du ewig wisheit der almehtigen gotheit hatte dir, friWe, einen schatten gegeben, da du inne behieltist din menschlich leben, also das du pine mohtist liden ane súnde und das òch dine blumende menscheit in der sunnen der creftigen gotheit nit verswunde.
In der vorzeitlichen Erwählung durch die ewige Weisheit wird Sankt Maria zur einzigen Braut der Trinität. Als solche wird sie Mutter der Waisen und der Verbannten. Mit der Milch der „wahren milden Barmherzigkeit", die aus ihren Brüsten fließt, säugt sie die Propheten und Seher, ehe sie (zu einer irdischen, geschichtlichen Existenz) geboren wird, (e denne ich geborn wart; antequam nascerer corporaliter huic mundo).20 Die Mutter der Propheten und Dichter nährt ihre Schützlinge, weil sie in der Gottheit selbst eine integre, unzerstörbare, feste Existenz hat: nämlich die der ewig Geliebten. Gertrud die Große, die am Sterbebett Mechthilds anwesend war, hat die „inneren Vorgänge" der letzten Stunde ihrer Mitschwester in einem visionären Erlebnis erfahren: Sie habe den Herrn gefragt, weshalb er die Gebete für die sterbende Mechthild nicht erhöre. Antwort des Herrn: „Ihr Geist ist so von den menschlichen Dingen getrennt, daß sie auf menschliche Weise von euch nicht getröstet werden kann." Auf die Frage Gertruds, wie Mechthild aufgelöst werde, antwortet der Herr: „Meine innerste Majestät wird sie einziehen." Und auf eine weitere Frage nach der Art ihres Endes: „Ich werde sie mit meiner göttlichen Kraft aufsaugen, so wie die heiße Sonne einen Tropfen Tau auftrocknet." 21 Während des Todeskampfes sieht Gertrud dann, wie der König der ewigen Herrlichkeit in sehr schöner Gestalt am Kopfende des Bettes erscheint und den Atem der Sterbenden wie einen glänzenden Regenbogen in sein göttliches Herz aufnimmt.22 In einer zweiten Vision, die sich während der Lesung der Fürbitten (suffragia) für die Tote ereignet, sieht sie, wie die himmlische Rose Maria ihrem Sohn-Bräutigam mit einem Liebeskuß zu der Vereinigung mit der neuen Braut gratuliert.23 Gertrud erkennt daran, daß Mechthilds „dürstende Seele" in den „Weinkeller" eingeführt, in den Abgrund der wahren Glückseligkeit eingetaucht wurde.24
Mechthild von Hackeborn: „Das Buch der besonderen Gnade" Im Kloster Helfta, wo Mechthild von Magdeburg starb, lebte Mechthild von Hackeborn. 25 Sie war gleichfalls adeliger Herkunft und im Alter von sieben Jahren in die Nonnengemeinschaft aufgenommen worden, die damals n o c h in
Rodersdorf bei Halberstadt lebte. Mechthild von Hackeborn ist 1241 gebo-
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ren; sie war neun Jahre jünger als ihre Schwester Gertrud, die seit 1251 das Amt der Äbtissin innehatte. Nach Verlegung des Konvents nach Helfta im Jahre 1258 leitete Mechthild die Klosterschule; außerdem war sie Cantrix, also Leiterin der Choralschola des Klosters. Ihre Mitschwestern rühmen ihre außergewöhnlich schöne Stimme. Ihre Offenbarungen teilte sie erst nach dem Tode ihrer Schwester, der Äbtissin Gertrud, ab dem Jahre 1291 mit. Sie wurden von ihren Mitschwestern aufgezeichnet und nach thematischen Gesichtspunkten geordnet. Es gibt keinerlei Indizien dafür, daß die Aufzeichnungen der Zensur durch einen gelehrten Kleriker unterzogen wurden. Mechthild starb am 18. November 1298 oder 1299. Mechthild von Hackeborn reicht bei weitem nicht an Mechthild von Magdeburg heran, weder in der Dichte der Sprache, noch in der intellektuellen Kapazität, noch in der Tiefe und Originalität symbolischen Denkens. Sie ist, kurz gesagt, naiver als die große Vorgängerin. Entgegen anders lautenden Annahmen ist aber deren Einfluß unverkennbar. Im ganzen spiegeln Mechthilds Offenbarungen und die Aufzeichnungen über sie die Atmosphäre und Mentalität eines Frauenkonvents wider, in dem Visionen etwas Alltägliches waren. Vor allem beim Gottesdienst, den Messen und den Hören, wird der Parallelvollzug der kultischen Handlungen in der transzendenten, himmlischen Sphäre geschaut. Mechthild von Hackeborn und ihre Mitschwestern erheben für ihre Offenbarungen den gleichen hohen Anspruch wie Mechthild von Magdeburg. In einer Vision während ihrer Exequien fragt eine Mitschwester ihre Seele, ob es ihr angenehm oder unangenehm sei, daß ein Buch über ihre Offenbarungen niedergeschrieben worden sei.26 Mechthilds Seele antwortet: Es ist mir eine überaus große Freude; denn ich erkenne, daß aus ihm das Lob und der Wille meines Gottes und Nutzen für die Nächsten hervorgehen werden. Dieses Buch wird nämlich „Licht der Kirche" genannt werden, weil seine Leser mit dem Licht der Erkenntnis erleuchtet werden. Und sie werden aus ihm erkennen, wes Geistes sie sind, und die Traurigen werden in ihm Trost finden.
Ebenso wenig wie das „Fließende Licht der Gottheit" enthält das „Buch von der besonderen Gnade" private Offenbarungen,27 sondern es ist prinzipiell für die gesamte Kirche bestimmt. An ihm wird sich auch eine Art Scheidung der Geister vollziehen. Zentraler Begriff der meditativen Theologie sowohl Mechthilds wie Gertruds von Helfta ist das göttliche Herz (Cor divinum, Cor Christi, Cor Domini, Cor dilecti). Da Gertrud auch an der Aufzeichnung der Offenbarungen ihrer Mitschwester beteiligt war, ist kaum festzustellen, auf welche von beiden die Vorstellung vom Herzen Gottes zurückgeht. Als sich Äbtissin und Konvent um das Sterbelager Mechthilds versammeln, bemerken sie, wie sich auf dem Gesicht der Kranken ein Glanz ausbreitet, „sicherstes Zeichen der Wirksamkeit innerer Wonne". Da sie nicht mehr sprechen kann, lädt sie mit Bewegung der Lippen und Freundlichkeit des Ausdrucks die Mitschwestern dazu ein, ihr zu den Wohltaten des Herrn zu gratulieren.28
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Da strömte der Herr der Majestät mit seinen Wonnen heran; er allein ist ja die Sättigung für die Seele, die ihn liebt. Und er umstrahlte seine Braut mit dem Lichte der Gottheit, und er erhellte sie durch und durch; er selbst, der Sänger aller Sänger, nahm die Stelle seiner Philomena ein, die so oft für ihn süße Melodien gesungen hatte und noch viel mehr in frommer Gesinnung als mit dem Wohlklang ihrer Stimme sein göttliches Herz auf der Erde angezogen hatte - er selbst intonierte nun mit überaus angenehmer Stimme, die jede menschliche Fähigkeit übersteigt, den Vers: „Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, empfanget das Reich", usw. [Mt 25,34], Womit er sie an das überaus angemessene Geschenk erinnerte, durch das er ihr über acht Jahre hin in denselben Worten sein göttliches Herz geschenkt hatte als Pfand der Liebe und Sicherheit. Darauf begrüßte er sie mit großer Freundlichkeit und sagte: „Und wo ist mein Gastgeschenk?" Da öffnete sie mit beiden Händen ihr Herz, und das Herz des Geliebten öffnete sich in gleicher Weise zu ihr hin, und der Herr legte sein allerheiligstes Herz an ihr Herz, und indem er sie durch die Kraft seiner Gottheit aufsaugte, nahm er sie in seine Herrlichkeit auf. Mechthilds Herz, und damit ihre gesamte Persönlichkeit, wird im Tode durch die Gottheit absorbiert. Ihr Wollen wird eins mit dem des geliebten Herrn, so daß sie keinerlei eigene Wünsche mehr hat. Das offenbart die Seele der in Gott Verherrlichten ihrer Mitschwester Gertrud auf deren Bitte, sie möchte für das Fehlverhalten ihrer besonderen Freunde beten „mit der gleichen Zuneigung, mit der sie sie in diesem Leben geliebt hatte".29 Doch eine irdische Zuneigung und irdische Absichten existieren für die mit der Gottheit vereinte Mechthild nicht mehr: Siehe ich erkenne im Lichte der Wahrheit schon ganz klar, daß alle meine Zuneigung, die ich auf Erden zu jemandem haben konnte, kaum wie ein Tropfen im gesamten Meer ist, im Vergleich zu der süßen Zuneigung, die das göttliche Herz in unsagbarer Weise ihnen gegenüber empfindet; und daß Gott durch eine sehr nützliche Anordnung (dispositione) auf unbegreifliche Weise dem Menschen einige Fehler gestattet, durch die der Mensch oftmals gedemütigt und eingeübt wird und so von Tag zu Tag zum Heil fortschreitet. Denn ich kann auch nicht mit dem allergeringsten Gedanken etwas anderes wollen, als was die allmächtige Weisheit und das überaus weise Wohlwollen meines süßen und vielgeliebten Herrn nach seinem besten Wohlgefallen betreffs der einzelnen Menschen angeordnet hat. So strecke ich mich denn ganz zum Lob und zu Danksagungen für das in bester Weise geordnete Walten der göttlichen Barmherzigkeit aus. Das heißt: Fürbitten für einzelne Menschen sind überflüssig, da Gott in seiner dispositio alles bereits aufs beste verfügt hat. Einen Sinn haben nur Dankgebete. Nach Auffassung ihrer Mitschwestern hatte Mechthild mit ihrem Tode die vollkommene Einheit mit ihrem himmlischen Geliebten erreicht. Aber sie selbst sah bereits zu ihren Lebzeiten „das Herz ihrer Seele" mit dem göttlichen Herzen eins werden. „Jetzt ist mein Herz deines, und dein Herz ist meines", sagt ihr süßer Bräutigam zu ihr, als er ihre Seele in sich hineinzieht, so daß sie mit ihm ein Geist zu werden scheint.30
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E s scheint, daß die N o n n e n v o n Helfta das Bewußtsein hatten, daß ihre irdische Existenz, auch ihr Gebetsleben, nur ein defizienter Daseinsmodus, eine A r t Schattendasein war. Ihr eigentliches Leben spielte sich in einer höheren, göttlichen Sphäre ab, aus der sie auch ihre Kraft schöpften. Besonders deutlich geht dies aus einem Kapitel des dritten Teils des „Buches der besonderen Gnade" hervor. D o r t heißt es von Mechthild der Sängerin: 31 Als sie einmal sehr mühsam sang, wie sie es recht häufig tat, und ihre Kräfte schon nachließen, da schien es ihr, daß sie jeden ihrer Atemzüge aus dem Herzen Gottes zöge, und daß sie so nicht aus ihren eigenen Kräften, sondern gewissermaßen aus göttlicher Kraft sänge. Denn sie war es gewohnt, Gott aus allen Kräften zu singen, und das mit einer so begeisterten Liebe, daß sie oft den Eindruck hatte: auch wenn ihr der Atem ausginge, würde sie dennoch nicht mit dem Singen aufhören. Als sie also nun in dieser Einheit mit Gott und in Gott zu singen schien, da sagte der Herr zu ihr: „So wie du jetzt deinen Atem aus meinem Herzen zu ziehen scheinst, so zieht jeder, der in meiner Liebe oder in Sehnsucht nach mir tief aufatmet, seinen Atem nicht aus seinem eigenen, sondern aus meinem göttlichen Herzen, wie ein Schlauch (Windsack), der in sich keinen Wind enthält außer dem, den er aus der Luft bezieht." A u c h der A t e m , das Luftholen, als normaler Lebensvorgang ist nur möglich aufgrund der Einheit mit dem göttlichen Herzen. Aufgrund dieser Verbindung erlangen die Lebensäußerungen nicht nur der Menschen, sondern Kreaturen
aller
eine höhere F o r m der Existenz, ein geistiges, virtuelles Dasein vor
Gott: Als aber der Hymnus: „Preiset den Herrn, alle Werke des Herrn" [Dan 3,57] im Chor gesungen wurde,'2 da wollte sie gerne wissen, was denn Gott hiervon an Lob hätte, wenn so die Geschöpfe zu seinem Lob eingeladen würden. Darauf antwortete der Herr: „Wenn dieser Hymnus oder etwas Ähnliches gesungen wird, wodurch die Geschöpfe zum Lob Gottes aufgerufen werden, dann stehen alle Geschöpfe auf geistige Weise (spiritualiter), wie Personen, in meiner Gegenwart und loben mich für diesen Menschen [d. h., an Stelle dieses Menschen], oder ganz allgemein für alle, in allem Guten, das ich ihnen getan habe." Die Seherin ist sich der Ungewöhnlichkeit ihrer Aussage durchaus bewußt, und sie (oder Gertrud die G r o ß e ) fügt, gleichsam als Erläuterung, hinzu: Es nicht unglaubwürdig, daß die Geschöpfe wie lebende Personen bei Gott stehen, da dem nichts unmöglich ist, „der das Nichtseiende ruft, als wäre es Seiendes" [Rom 4,17], und dem keine Kreatur unsichtbar ist. Aber man muß sich mehr darüber wundern, vielmehr ehrfürchtig zur Kenntnis nehmen, daß der gütige Herr so freundlich auf die Wünsche der Seele eingeht, die ihn liebt, und alle ihre Sehnsüchte, auch über die Möglichkeiten der Natur hinaus, in seiner Allmacht geruht zu erfüllen. Aufgrund ihrer Verbindung mit dem Schöpfer wird hier den nach geläufigem Verständnis unbelebten und unbeseelten Kreaturen über ihr natürliches D a -
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Mechthild von Magdeburg und die Cistercienserinnen von Helfta
sein hinaus eine Würde zuerkannt, die sie in den Rang persönlicher, vernunftbegabter, geistiger Wesen erhebt. Man denkt hier natürlich sogleich an Franziskus von Assisi; die Vermutung, daß ein Einfluß seiner Gedanken vorliegt, ist naheliegend.33 Mechthild von Hackeborn hat auch eine eigene Mariologie entwickelt, die in enger Verbindung mit ihrem Denken über das göttliche Herz zu sehen ist. Schon gleich zu Beginn ihres Buches wird diese Verbindung hergestellt. Das erste Kapitel des ersten Teils trägt die Überschrift: „Über die Verkündigung der seligen Jungfrau Maria und das Herz des Herrn und sein Lob". 34 Die Verkündigung (Annuntiatio B. Mariae Virginis), der Anfang der Erlösung, wird als Vereinigung der auch „Seele" genannten Jungfrau mit dem himmlischen Bräutigam dargestellt. An deren Höhepunkt drückt der Sohn-Bräutigam seinen rosigen Mund auf den Mund der Seele und vereinigt schließlich sein honigfließendes Herz mit dem Herzen der Seele; die Seele wird so Christus eingegliedert, durch die göttliche Liebe verflüssigt und von Gott aufgesaugt.35 Beim Lesen des Evangeliums (Lc 1,26-38) in der Messe von Mariae Verkündigung (25. März) wird Mechthild in einer Vision der innere Vorgang der Befruchtung der Jungfrau Maria durch den Heiligen Geist offenbart.36 Es geht auch hier wieder um die Vereinigung mit Christus, der neben der Fahne des Erzengels „als blumentragender Bräutigam und feiner Jüngling" steht. Beim Empfang der Kommunion geht Mechthilds Seele dann in die Identität der Jungfrau über. Der Herr übergibt ihr sein göttliches Herz in der Gestalt eines reich verzierten goldenen Bechers, den sie anschließend den Engeln und Heiligen zum Trank reichen darf. Mechthild erfährt einmal in einer Vision, wie ihre Seele an die Stelle der Gottesmutter entrückt wird, die ihren Platz neben ihrem Sohn auf dem himmlischen Thron hat.37 Anlaß dafür war ein Gefühl des Ungenügens ihrer bisherigen Verehrung zur der seligen Jungfrau, das sich eines Tages bei der Seherin einstellte. Maria selbst übergibt sie den Umarmungen ihres Geliebten; sie drückt ihren Mund auf das göttliche Herz, und in einem fünffachen stillicidium (Einträufeln) erfährt sie mit dem Gruß Gottes an die Jungfrau ihr bisher unbekannte Wahrheiten: was aus dem Herzen der seligen Dreieinigkeit von Ewigkeit her durch glücklichste Vorherbestimmung in sie flöß; ebenso wie sie die Art ihres Lebenswandels, Lehre und Predigt ihres Sohnes, dessen Passion und Tod, schließlich ihre eigene Freude und ewige Verherrlichung durch eine unmittelbare Eingießung aus dem Herzen der Trinität erfuhr.38 Es ist bereits erwähnt worden, daß die in der Abtei Helfta lebenden Frauen von dem Bewußtsein erfüllt waren, daß ihr eigentliches Leben in der jenseitigen Sphäre angesiedelt war, in die sie sich, angeregt durch die Visionen einzelner Mitschwestern, so oft wie möglich erhoben. Der „normale" Gebrauch der körperlichen Sinne sollte dagegen, nach den von Mechthild von Hackeborn formulierten Leitsätzen, für das klösterliche Leben möglichst reduziert werden; denn sie boten beständig Anreize zum Sündigen.39 Für den
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modernen Leser kann sich die in einem solchen Frauenkonvent herrschende Atmosphäre als überspannt und morbid darstellen. Er neigt dazu, in den Visionen und dem Aufstieg dieser frommen Seelen in himmlische Sphären nichts anderes als Phantasiegebilde, Halluzinationen zu sehen, als deren Ursachen ihm spontan psychotische Störungen, sexuelle Frustration, Schlafentzug, Unterzucker einfallen, nicht aber der Ruf des göttlichen Bräutigams aus dem transzendenten Bereich. Daß individuelle und kollektive Krankheiten die Atmosphäre erzeugten, in der die visionären Erlebnisse dieser Klosterfrauen gediehen, braucht überhaupt nicht bestritten zu werden. Wäre es aber nur das und nichts weiter, dann wären sie allenfalls für die Geschichte der Medizin und der Psychologie interessant. Nun war aber die Atmosphäre von Helfta zugleich durch Wissenschaft und Studium geprägt. Zu verdanken war dies vor allem der schon erwähnten Gertrud von Hackeborn, der leiblichen Schwester Mechthilds, die über vierzig Jahre (1250-1291) als Äbtissin fungierte. Sowohl Mechthild als auch Gertrud die Große haben ihr in ihren Schriften ehrende Nachrufe gewidmet. Mechthild überliefert, daß ihre Schwester eine überaus eifrige Leserin der Heiligen Schrift war und auch von den Schwestern verlangte, daß sie die biblischen Texte studierten und auswendig lernten. Sie kaufte für ihr Kloster gute Bücher, wann immer sie welche auftreiben konnte, oder ließ durch die Schwestern Abschriften anfertigen. Die Klosterschülerinnen mußten sich die Kenntnis der artes liberales, der nichtreligiösen Wissenschaften, aneignen als Grundlage für das Verständnis der Schrift.40 Im einundvierzigsten Jahre ihres Abbatiats erlitt Gertrud, die sehr schwergewichtig war, einen Schlaganfall. Sie war darauf gelähmt und brachte nur noch zwei Worte heraus: „Mein Geist" (Spiritus meus). Die jüngere Gertrud hat eine geistvolle, allegorische Deutung dieser Worte gegeben, die ihr, wie sie schreibt, der Herr selbst mitgeteilt hatte:41 Weil ich, Gott, in ihr wohne und mir ihren Geist so hineingezogen und vereinigt habe, daß sie nur mich in jeglicher Kreatur will, deshalb erwähnt ihr Geist, wenn sie spricht, antwortet und das Notwendige verlangt, mich, in dem er lebt. Und so oft sie das tut, gebe ich dem gesamten himmlischen Hofstaat ein Zeichen, daß sie nur auf mich hin ausgerichtet ist. Deshalb wird sie eine ewige Herrlichkeit erlangen im Himmel.
Die alltäglichen Bedürfnisse und Wünsche, denen die kranke Äbtissin nur noch mit den Worten: „Mein Geist" Ausdruck zu geben vermag, werden also durch Gott selbst aus der Zeitlichkeit und der Banalität des Alltags entrückt und in seine himmlische Sphäre erhoben; so erhalten sie Bedeutung für die Ewigkeit. Aus dieser Deutung des Höhepunktes einer Krankheit, aber auch an dem beschriebenen Schulsystem des Klosters läßt sich auf das hohe intellektuelle Niveau der Abtei schließen. Das gilt erst recht für das in den Visionen sich artikulierende profunde theologische Denken über die Frage, „wie der Gott und Mensch sich paart" (Hölderlin).
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Gertrud von Helfta: „Der Herold, der das Überfließen des göttlichen Mitleids in Erinnerung ruft" Gertrud mit dem Beinamen „die Große" ist die dritte der Mystikerinnen von Helfta, von der ein bedeutsames literarisches Werk überliefert ist.42 Von Gott selbst als „Licht der Völker" (Is 49,6) berufen, sieht sich Gertrud neben die Propheten Isaias und Jeremias gestellt.43 Ihr Werk fiel dennoch für Jahrhunderte der Vergessenheit anheim, im Gegensatz zu dem „Buch der besonderen Gnade" ihrer Lehrerin Mechthild von Hackeborn, dessen weite Verbreitung zahlreiche Handschriften bezeugen. Gertrud ist geboren am 6. Januar 1256. Uber ihre Eltern ist weiter nichts bekannt; vermutlich war sie adeliger Abkunft. Im Alter von fünf Jahren wurde sie als Oblate in das Kloster Helfta gebracht, w o Mechthild von Hackeborn ihre Erziehung übernahm. Das hochbegabte Kind machte rasch Fortschritte und eignete sich eine umfassende „weltliche" Gelehrsamkeit an. Im Alter von sechsundzwanzig Jahren, am 27. Januar 1281, hatte Gertrud in der Abenddämmerung, nach der Komplet, eine Vision, durch die eine mehrwöchige schwere innere Krise beendet wurde. Ihre Lebensauffassung wurde dadurch vollständig verändert: sie wurde, wie ihre Biographin schreibt, aus einer Grammatikerin eine Theologin.44 Gertrud selbst berichtet über die erwähnte Vision:45 Zu der vorgenannten Stunde stand ich also in der Mitte des Dormitoriums und verneigte mich nach der im Orden üblichen Regel der Ehrfurcht gegenüber einer auf mich zukommenden älteren Schwester. Als ich den Kopf wieder erhob, erblickte ich neben mir einen liebenswürdigen und eleganten Jüngling von etwa sechzehn Jahren. Seine äußere Erscheinung entsprach dem, woran ich, meinem jugendlichen Alter entsprechend, mit meinen äußeren Augen Wohlgefallen empfunden hätte. Mit vielsagender Miene und sanften Worten sagte er zum mir: „Schnell wird dein Heil kommen; warum verzehrst du dich in Trauer? Gibt es für dich denn keinen vertrauten Ratgeber, weil der Schmerz dich so ergriffen hat?" [Mich 4,9; Responsorium der Matutin des zweiten Adventssonntags]. Als er das sagte, war es mir, - obwohl ich genau wußte, daß ich mit meinem Körper an dem vorgenannten Ort war, - als sei ich im Chor, in der Ecke, wo ich gewöhnlich mein laues Gebet verrichtete, und dort hörte ich die Fortsetzung des Textes, nämlich: „Ich werde dich retten und befreien. Fürchte dich nicht!" Als ich das vernahm, da sah ich, wie er mit seiner zarten, feinen rechten Hand meine Hand hielt, als wollte er dieses Versprechen bekräftigen. Und er fügte hinzu: „Mit meinen Feinden zusammen hast du die Erde geleckt und Honig hast du unter den Dornen gesaugt. Kehre jetzt endlich zu mir zurück, und ich will dich mit dem Sturzbach meiner göttlichen Wonne berauschen!" Als er das sagte, da sah ich mich um und erblickte zwischen mir und ihm, das heißt, auf seiner rechten und meiner linken Seite, eine Hecke von so unendlicher Länge, daß weder vor mir noch hinter meinem Rücken ein Ende zu erkennen war. An ihrem oberen Rand schien die Hecke mit einem so dicken Geflecht von Dornen befestigt zu sein, daß ich nirgends eine Möglichkeit erblickte, hinüberzugelangen und zu dem besagten Jüngling zurückzukehren. Und als ich so auf der einen Seite stand, zögernd und brennend vor Sehnsucht und der Ohnmacht nahe, da ergriff er mich plötzlich ohne jede Schwie-
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rigkeit, hob mich empor und stellte mich neben sich. Aber als ich dann in der Hand, aus der ich sein Versprechen empfangen hatte, die berühmten Wundmale erblickte, durch welche die Schuldscheine aller Menschen getilgt werden, da lobe ich, bete an, preise und sage dank, so gut ich kann, deiner weisen Barmherzigkeit und barmherzigen Weisheit.
Ein vielsagender Wunschtraum, und mehr als das; es ist vielmehr die Erfüllung aller irdischen Sehnsüchte einer jungen Frau in einem höheren Bereich, der für sie aber wirklicher ist als das irdische Dornengestrüpp, in dem sie soeben eine schwere Krise durchlitten hatte. Der himmlische Geliebte verleiht ihr dann seine fünf Stigmata, allerdings nicht als äußerlich sichtbare Wunden, sondern als im Inneren ihres Herzens „durch den Geist" erkennbare Eindrücke, an denen ihre Seele geistig gesunden kann.46 Gertrud fühlt sich nicht nur als besondere Geliebte Christi, sondern sie ist sich bewußt, auch ihren Mitmenschen gegenüber mit außergewöhnlichen Privilegien ausgezeichnet zu sein, die sie in den Rang einer Prophetin erheben. Der Herr berührt ihre Zunge wie die des Propheten Jeremias (Jer 1,9) und spricht zu ihr:47 Siehe, ich habe meine Worte in deinen Mund gegeben, und ich bestätige in meiner Wahrheit alle Worte, die du auf Veranlassung meines Geistes jemandem von mir mitteilst. Und wenn du auf Erden jemandem etwas von meiner Güte in Aussicht stellst, dann wird es mit Gewißheit im Himmel erfüllt werden.
Sie erhält außerdem das besondere Privileg, „im Lichte der göttlichen Wahrheit" Personen und Vorgänge so wie der Herr selbst zu beurteilen und so den Ratsuchenden authentische göttliche Auskunft zu geben. Gertrud sieht sich also von Gott selbst in den Rang einer Priesterin und Prophetin zugleich erhoben. Im ersten Buch des Legatus, wo die Biographin Gertruds Tugenden in ihrer individuellen Ausprägung beschreibt, ist auch von ihrer mitfühlenden Liebe (compassivae charitatis affectus) die Rede: Wenn sie sah, daß jemand verstört oder niedergeschlagen war, suchte sie ihn durch ihren Zuspruch aufzurichten; handelte es sich um eine weit entfernte Person, dann spendete sie ihren Trost in Briefen. Ihr Mitleid galt aber nicht nur den Menschen, sondern es bezog auch die Tiere mit ein: Wenn sie sah, daß Vögel oder Haustiere infolge von Hunger, Durst oder Kälte Not litten, dann trug sie das Leiden der vernunftlosen Kreatur ihrem Herrn vor „zu seinem ewigen Lob, und im Bewußtsein der Einheit jener Würde, durch die jegliche Kreatur in ihm von höchster Vollkommenheit und in den Adelsstand erhoben ist, wünschte sie, daß der Herr Erbarmen habe mit seiner Kreatur und ihrer Not zu Hilfe komme." 48 Es ist hier die urfranziskanische Vorstellung vom Geschwistersein aller Geschöpfe und der ihnen von Gott gegebenen Würde ausgesprochen. Daß Gertrud mit der religiösen Vorstellungswelt des Franziskus vertraut war, wird auch an anderen Stellen ihres Werkes deutlich. Ihre „geistige"
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Stigmatisierung wurde bereits erwähnt. In dem Kapitel des ersten Buches, das dem über Gertruds Mitleid vorausgeht, wird eine Erscheinung Christi beschrieben, der mit seinen Schultern ein Gebäude - den Ordensstand (Religio) - stützt, um es vor dem Einsturz zu bewahren; die Vision erinnert an den Traum des Papstes Innocenz' III., in dem er sah, wie Franziskus seine Schulter unter die vom Ruin bedrohte Laterankirche schob.49 Eine bemerkenswerte Reflexion über das Verhältnis von Gott und Kreatur und das Zusammenwirken von Gottes Allmacht und freiem Willen des Menschen findet sich im zweiten Buch des „Herold", einem Teil, der zweifellos von Gertrud selbst niedergeschrieben oder diktiert wurde. Das Kapitel trägt die Uberschrift: „De temperantia divina": „Uber Gottes Zurückhaltung".50 Eines Tages, als ich mir die Hände gewaschen hatte und im Begriff, zu Tische zu gehen, mit dem Konvent im Kreuzgang stand, da bemerkte ich die Helligkeit der Sonne, die mit voller Kraft hereinstrahlte. Dabei kam mir der folgende Gedanke, bei dem ich mich aufhielt: „Wenn der Herr, der diese Sonne geschaffen hat und dessen Schönheit die Sonne selbst zusammen mit dem Mond bewundern soll" und der auch ein verzehrendes Feuer ist [Deut 4,24; Hebr 12,29], wirklich so wahrhaftig bei mir wäre, wie er sich mir so oft gegenwärtig zeigt, wie wäre es dann möglich, daß ich so kalten Herzens und so unmenschlich und verkehrt unter den Menschen weilte?" Und plötzlich gabst Du, dessen Wort, obzwar immer sanftmütig, damals aber umso sanfter, als es für mein wankelmütiges Herz notwendig war, die Antwort: „Worin würde denn meine Allmacht gepriesen, wenn sie nicht gerade darin ihre Überlegenheit bewiese, daß ich mich, wo immer ich bin, in mir selbst zusammenhalten könnte, um so nicht über das Maß hinaus wahrgenommen zu werden oder in Erscheinung zu treten, das dem Ort, der Zeit und der Person angemessen ist? Denn von Beginn der Erschaffung des Himmels und der Erde an habe ich in dem gesamten Werk der Erlösung mehr die gütige Weisheit gebraucht als die souveräne Macht. Diese weise Güte zeigt sich in aller Deutlichkeit im Ertragen der Unvollkommenen, solange, bis ich sie durch ihren freien Willen auf den Weg der Vollkommenheit führen werde."52
Nach der Händewaschung im Brunnenhaus, als sie zusammen mit dem Konvent Aufstellung genommen hat, weckt ein Sonnenstrahl, der in den Kreuzgang fällt, in ihr einen Zweifel bezüglich Gottes Gegenwart. Auf diesen Zweifel folgt als Antwort ein tiefer Gedanke, der für sie eine göttliche Offenbarung ist. Darin ist in nuce Gertruds Erlösungslehre und Ethik enthalten, und er gibt Stoff genug zum Nachdenken. Was hätten wohl Luther und Calvin zu dieser Stelle gesagt? Im Gegensatz zu dem Bewußtsein ihres (menschlichen) „kalten Herzens" und ihrer Verkehrtheit steht bei Gertrud die Erfahrung höchster mystischer Gnadenerweise, die sie im „Exil ihrer Pilgerschaft" als Vorspiel der himmlischen Wonnen und der Vereinigung mit der Gottheit erfahren darf. In der Heiligen Nacht erlebt sie die himmlische, geistige Geburt Christi, bei der die Jungfrau ihren Sohn, w a h r e n G o t t und w a h r e n Menschen, w i e einen Strahl
hervorbringt. Gertruds Seele erkennt, wie ihr das zarte Knäblein gereicht
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wird und wie sie es in einem Winkel ihres Herzens aufnimmt. Während ihre Seele das Kind in sich hält, scheint sie sich ganz zu verändern und sich dem Kind anzupassen. Jetzt begreift sie den „unaussprechlichen Sinn" der Worte: „Gott wird alles in allem sein" (1 Cor 15,28). Sie fühlt, daß der Geliebte in ihr Herz eingekehrt ist, und freut sich an der Gegenwart und Zärtlichkeit des Bräutigams. Vonseiten des Herrn erhält sie nun, wie einen Becher voll Honig, die folgende Offenbarung:" Wie ich das Abbild des Wesens Gott Vaters in der Gottheit bin [Hebr 1,3], so wirst du das Abbild meines Wesens auf Seiten der Menschheit sein, indem du die Ausstrahlungen meiner Gottheit in deiner vergöttlichten Seele aufnimmst wie die Luft die Sonnenstrahlen aufnimmt. Und indem du durch ihr einendes Wirken bis ins Mark durchdrungen wirst, wirst du fähig zu einer intimen Vereinigung mit mir.
Durch diese Erhebung in den himmlischen Bereich nimmt Gertruds Seele die Stelle der Jungfrau Maria im Moment der Geburt des Gottessohnes ein. Wie die Madonna wird sie zugleich zur Mutter und zur Geliebten des Erlösers. Ihre vergöttlichte Seele (deificata anima) wird, wie die himmlische, transzendente Maria, in den innersten Bereich der Trinität aufgenommen. Wie in Maria ereignet sich in der Seele die Inkarnation. Die Seele ist gewissermaßen zu Maria geworden. Wir schließen damit die Ausführungen über Gertrud und die beiden anderen Mystikerinnen von Helfta ab. Sie wollen nichts anderes als eine vorläufige Einführung in das Denken dieser großen Frauen geben. Einen tieferen Zugang zu ihrer geistigen Welt gewinnt man allein durch intensive, meditative Lektüre der Originaltexte selbst. (Übersetzungen und Deutungen sind nicht selten irreführend). Man kann darüber räsonnieren, ob der Beiname „die Große" für eine Klosterfrau angemessen sei.54 Daß Gertrud von Helfta eine große Denkerin und Theologin gewesen ist, steht wohl außer Frage. Am 16. November 1301 oder 1302 ist sie im Ruf der Heiligkeit gestorben. Ihr Tod markiert auch das Ende der hohen Zeit der mystischen Theologie in Helfta, die immerhin ein halbes Jahrhundert dauerte - so lange wie die in der Theologiegeschichte als „Hochscholastik" bezeichnete Epoche und in etwa zeitgleich mit ihr. Ebenso wie ihre älteren Mitschwestern Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn wurde Gertrud niemals offiziell kanonisiert. Die kirchenamtliche Anerkennung ihrer Heiligkeit erlangten die Mystikerinnen von Helfta, wie Hildegard von Bingen, auf dem Schleichwege: eines Tages tauchen ihre Namen in dem Martyrologium Romanum und anderen Verzeichnissen der Heiligen auf.
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MARGUERITE PORETE Vernichtung der Seele in Gott Der Prozeß Marguerite Porete wird heute allgemein als Verfasserin des Buches: „Le Miroir des simples âmes" angesehen.' Von ihren Lebensumständen ist nicht viel bekannt, wohl aber einiges von ihrem Ende auf dem Scheiterhaufen, auf den sie die kirchliche Gerichtsbarkeit brachte. In dem Protokoll des Inquisitors Wilhelm von Paris aus dem Predigerorden, der ihr Richter war, vom 31. Mai 1310 wird sie als „Margarita von Hannonia, genannt Porete" bezeichnet.2 Sie lebte als Begine in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der Grafschaft Hainaut (Hennegau) in Nordfrankreich. Ihr Buch wurde zum ersten Mal vor 1306 durch den Bischof von Cambrai, Guy de Colmieu, als häretisch verurteilt und öffentlich in Valenciennes verbrannt. Der Autorin wurde, unter Androhung der Auslieferung an den weltlichen Arm, untersagt, ihre Irrlehren mündlich oder schriftlich zu verbreiten.3 Nach diesem Verfahren fanden weitere Verhöre Marguerites durch kirchliche Autoritäten statt, und zwar durch den Inquisitor von Lothringen, sodann durch Philippe de Marigny, der 1306 Nachfolger Guys de Colmieu als Bischof von Cambrai geworden war,4 schließlich durch Jean de Châteauvillain, Bischof von Châlons-sur-Marne (1284-1313). Es stellte sich dabei heraus, daß Marguerite auch nach der Verurteilung und Verbrennung ihres Buches noch ein Exemplar desselben und weitere Bücher besaß. Sie hatte sich von den erwähnten Großpriestern nicht einschüchtern lassen, vielmehr ihr Buch dem Bischof von Châlons sowie Begarden und weiteren einfachen Menschen empfohlen.5 Diese Notizen zeigen, daß die Heilige Inquisition zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Gebiet des heutigen Frankreich funktionierte und flächendekkend mit dem Aufspüren und der Verurteilung der „häretischen Schlechtigkeit" (haeretica pravitas) beschäftigt war. Die Einführung der päpstlichen Inquisition durch Gregor IX. in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und die Auseinandersetzungen der Römischen Kurie mit den franziskanischen Spiritualen in dessen zweiter Hälfte hatten zu einer stetigen Perfektionierung des kirchlichen Apparates der Ketzerbekämpfung geführt. Die Bischöfe fungierten dabei als Richter in ihren Diözesen. Aber der Generalinquisitor für d a s K ö n i g r e i c h F r a n k r e i c h k o n n t e als o f f i z i e l l e r B e a u f t r a g t e r d e s P a p s t e s alle
Verfahren an sich ziehen. Einen maßgeblichen Anteil an den Glaubenspro-
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zessen hatten die Professoren der Pariser Universität, Theologen und Juristen, denen als Fachgutachtern das maßgebliche Urteil über die Rechtgläubigkeit der vor der Inquisition Angeklagten zustand. Am 11. April 1309 versammelten sich in der Église des Mathurins zu Paris, dem offiziellen Verwaltungssitz der Universität, einundzwanzig Magister der Theologie, die der bereits erwähnte Generalinquisitor, Guillaume de Paris, zusammengerufen hatte. Es ging um das Buch „Le Miroir", dessen Titel und Autorin freilich nicht genannt werden. Die Kommission kam einstimmig zu dem Beschluß, daß das Buch als häretisch und irrig zu vernichten sei.6 Guillaume de Paris hatte das Amt des Generalinquisitors seit 1303 inne. 1307 ernannte ihn Philipp der Schöne zu seinem Beichtvater; gleichzeitig erhielt er vom König den Auftrag, gegen die Templer zu ermitteln. Auch die Namen anderer Richter Marguerites sind aus dem Verfahren gegen den Templerorden bekannt.7 Dieser ersten Pariser Theologenkommission, die über Marguerites Miroir urteilte, gehörte auch ein berühmter Franziskaner an: Nikolaus von Lyra, Verfasser des im Spätmittelalter als Standardwerk benutzten Bibelkommentars. Die Mitglieder der Kommission hatten das Buch natürlich nicht gelesen; als Beurteilungsgrundlage dienten ihnen aus dem Miroir exzerpierte „Artikel", von denen der erste und der fünfzehnte in dem Inquisitionsprotokoll zitiert werden:8 Daß eine solche ver-nichtete Seele den Tugenden den Abschied gibt und fürder nicht in ihrer Knechtschaft ist, weil sie sie nicht zum Gebrauch hat; vielmehr gehorchen die Tugenden auf ihren Wink. Daß eine solche Seele sich um die Tröstungen Gottes nicht kümmert, auch nicht um seine Gaben; sie darf und kann sich auch nicht darum kümmern, weil sie ganz um Gott herum (circa Deum) ausgerichtet ist; andernfalls würde ihre Ausrichtung um Gott herum behindert. In einer zeitgenössischen Chronik ist ein weiterer häretischer Satz Marguerites überliefert:' Daß die in der Liebe des Schöpfers ver-nichtete Seele, ohne sich deshalb Vorwürfe oder Gewissensbisse machen zu müssen, der Natur gewähren kann und soll, was immer sie begehrt und wünscht. Im März des folgenden Jahres 1310 zog der Generalinquisitor dann weitere kompetente Kanonisten zur Beratung hinzu. Gleichzeitig mit den Ermittlungen gegen Marguerite wurde auch der Prozeß gegen ihren Anhänger und Verteidiger Guiard de Cressonessart, einen Beginen aus der Diözese Beauvais, der sich für den „Engel von Philadelphia" (Apoc 3,17) hielt, geführt. Alle Versuche, Marguerite zu verhören, blieben erfolglos. Sie weigerte sich, freiwillig vor dem Tribunal zu erscheinen, und mußte zwangsweise vorgeführt werden. Sie verweigerte auch beharrlich den üblichen Eid, die Wahrheit
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Marguerite Porete
zu sagen. Daraufhin exkommunizierte sie der Inquisitor.10 Ihr über ein Jahr hin, trotz Exkommunikation, beharrlich durchgehaltenes Schweigen vor dem kirchlichen Tribunal wurde ihr als Aufsässigkeit und Rebellion ausgelegt. Die zu Rate gezogenen Kanonisten empfahlen, den Prozeß trotzdem, allein aufgrund der bis dahin bekannten Äußerungen der Frau und ihrer heftigen und gewalttätigen Anmaßung, fortzusetzen, sie als Ketzerin zu verurteilen und dem weltlichen Gericht zu überstellen. Am 31. Mai 1310 verkündete der Inquisitor in Anwesenheit des Bischofs von Paris, Guillaume de Baufet, das Urteil gegen Marguerite: sie wurde als rückfällige Ketzerin der weltlichen Gerichtsbarkeit überlassen, mit der üblichen (heuchlerischen!) Bitte, daß dieselbe bei der Vollstreckung des Todesurteils barmherzig mit ihr umgehen möge. Auch Marguerites Buch wurde zur Ausrottung und Verbrennung verurteilt; alle vorhandenen Exemplare sollten, unter Strafe der Exkommunikation, innerhalb eines Monats den Dominikanern ausgeliefert werden." Am 1. Juni 1310 bestieg Marguerite Porete den auf der Place de Grève errichteten Scheiterhaufen. Ein Augenzeuge der Hinrichtung berichtet, sie habe bei ihrem Tode viele edle und fromme Zeichen der Reue gezeigt, wodurch die Herzen vieler Zuschauer zum Mitleid bewegt worden seien.12 Der gleiche Chronist überliefert, daß am selben Tag auf der Place de Grève auch ein getaufter Jude verbrannt wurde, der rückfällig geworden und Bilder der seligen Jungfrau angespuckt hatte. Marguerites Anhänger Guiard de Cressonessart dagegen wurde zu lebenslänglichem Kerker verurteilt." Das Buch Aufgrund eines Vergleichs der (oben zitierten) Artikel aus dem Prozeß gegen Marguerite Porete mit den entsprechenden Stellen aus dem Miroir hat die italienische Gelehrte ROMANA GUARNIERI das Buch als Werk Marguerites identifiziert. Sie veröffentlichte ihre Erkenntnisse erstmals im „Osservatore Romano" vom 16. Juni 1946 unter dem Titel: „Lo specchio delle anime semplici e Margherita Porete". Eine kritische Edition des altfranzösischen Textes legte sie dann erst 1965 vor.14 Er ist erhalten in einer gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Handschrift, die im Musée Condé zu Chantilly aufbewahrt wird (Ms. XIV F 26). Sie trägt den Titel: „Le Mirouer des simples ames aneanties et qui seulement demourent en vouloir et desir d'amour". Eine weitere altfranzösische Handschrift, die in neuerer Zeit bekannt wurde, ist verschollen. Uberliefert ist ferner eine lateinische Ubersetzung des Miroir, die vielleicht noch zu Marguerites Lebzeiten entstanden ist. In der Vatikanischen Bibliothek werden drei Handschriften des 14. Jahrhunderts und zwei des 15. Jahrhunderts aufbewahrt. Eine weitere Handschrift des 15. Jahrhunderts mit dem lateinischen Text befindet sich in der Bodleian Library zu Oxford. Als Beweis dafür, daß die These v o n Frau G U A R N I E R I nicht aus d e r L u f t gegriffen ist, mag der Vergleich eines Satzes aus dem Prozeß gegen Margueri-
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te und einer Stelle aus dem Miroir dienen. In einem der aus dem Buch exzerpierten Artikel heißt es, die ver-nichtete Seele könne ohne Gewissensbisse die Bedürfnisse der Natur befriedigen.15 Der entsprechende Text im 17. Kapitel des Miroir lautet:16 Diese Seele gibt der Natur, was immer sie verlangt. Das ist wahr, sagt Liebe, denn diese Seele hat für die zeitlichen Dinge nicht mehr so viel Sorge und Liebe, daß sie sich einen Vorteil daraus zu verschaffen wüßte, daß sie der Natur verweigerte, was dieselbe verlangt. Vielmehr würde sie sich ein Gewissen daraus machen, wenn sie der Natur verweigern würde, was ihr gehört.
Noch 1984 konnte PETER DRONKE Marguerite Porete als „die am meisten vernachlässigte unter den großen Schriftstellerinnen des 13. Jahrhunderts" bezeichnen.17 Das hat sich inzwischen geändert, da zu ihrem Werk jetzt mehrere beachtliche Untersuchungen vorliegen.18 Dennoch bleibt dieser, nach Meinung von KARL AUGUST FINK „wichtigste Text der altfranzösischen Mystik" nach wie vor ein rätselhaftes Buch,19 das, aus dem Blickwinkel der Neuzeit, allenfalls vorsichtige Annäherung, keine zugreifende Interpretation zuläßt - allein schon aufgrund der Schwierigkeit des Textes. Marguerite nennt ihr Buch „Spiegel". Ein Spiegel dient dazu, daß man hineinsieht, um sich zu „richten", das heißt, sein Aussehen in Ordnung zu bringen. „Spiegel" hat also, wenn von einem Buch oder Text die Rede ist, die Bedeutung: „Lebensregel", so wie der „Sachsenspiegel", der eine Sammlung von Gesetzen und Richtlinien für das Verhalten eines Volkes enthält, ein „Fürstenspiegel", der Maßstäbe für das Verhalten der Fürsten setzt.20 Generalthema des „Le Miroir" genannten Buches ist die Ver-nichtung der Seele, das heißt, die totale Aufgabe des eigenen Willens, um ihn durch Gottes Willen zu ersetzen. Die Seele gelangt dadurch zur wahren Freiheit. Sie wird zur Liebe und wird zu Gott. Sie muß also nicht mehr Liebe zu Gott haben, sondern ist selbst mit der Liebe identisch. Sie empfindet nicht mehr innere Freude, sondern sie ist die Freude selbst. Dieses Verhältnis der Seele zu Gott ist nicht einfachhin gegeben, sondern es gibt einen Weg, auf dem die von Gott entfernte Seele zu ihm gelangt. Wie das geschieht, hat die Verfasserin im Prolog ihres Buches mit einem Gleichnis beschrieben.21 Höret also nun in Demut ein kleines Beispiel über die weltliche Liebe und versteht es gleichwohl von der göttlichen Liebe! Es war einmal ein Fräulein, eine Königstochter, von hohem Mut und adeliger Gesinnung. Sie lebte in einem fernen Land. Es fügte sich nun, daß das vorgenannte Fräulein von der großen Höfischkeit und dem hohen Adel des Königs Alexander erzählen hörte. Sogleich faßte sie zu ihm eine liebevolle Zuneigung, aufgrund des hervorragenden Rufes seiner Freundlichkeit. Aber das Fräulein war so weit von diesem hohen Herrn entfernt, auf den sie ihre Liebe gerichtet hatte, daß sie ihn weder sehen noch haben konnte. Deshalb war sie oft mutlos, denn keine andere Liebe außer dieser stellte sie zufrieden. Und als sie sah, daß diese ferne Liebe, die
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Marguerite Porete ihr doch so nahe oder in ihr war, so weit draußen war, da dachte sie sich, sie könnte ihrem unbefriedigenden Zustand durch ein Bild ihres Freundes abhelfen, durch den sie oft in ihrem Herzen verletzt wurde. Da ließ sie ein Bild malen, das den König, den sie liebte, darstellte und das der Vorstellung, die sie sich von ihm in ihrer überwältigenden Liebe und Zuneigung machte, möglichst nahekam. Und mittels dieses Bildes und der damit verbundenen Handlungen stellte sie sich den König selbst vor. Wahrhaftig, in der gleichen Weise, sagt die Seele, die dieses Buch schreiben ließ, spreche ich zu euch von mir: Ich habe von einem sehr mächtigen König erzählen hören, der aufgrund seiner überaus großen Höfischkeit und Freigebigkeit ein edler Alexander war. Aber er war so weit von mir entfernt, und ich von ihm, daß ich keinen Trost aus mir selbst heraus finden konnte. Und um mich an ihn zu erinnern, gab er mir dieses Buch, das in einigen Formen des Umgangs damit seine Liebe darstellt. Aber obwohl ich sein Bild habe, bin ich doch in einem fernen Land und weit entfernt von dem Palast, in dem die hochadeligen Freunde dieses Herrn weilen, die alle rein, fein und frei sind durch die Geschenke dieses Königs, mit dem sie zusammenleben.
Mit dem Alexander-Gleichnis und seiner Deutung gibt Marguerite eine Beschreibung des Verhältnisses der Seele zu dem göttlichen Geliebten, der unendlich fern und doch ganz nahe ist: er ist, wie sie in ihrem Buch mehrfach sagt, der Loingprès (longe propinquus). 22 Der Begriff des „Fern-Nahen" ist nicht die einzige paradoxe Vorstellung in Marguerites Buch, vielmehr ist das Denken in Paradoxien für sie charakteristisch. In dem Text des Gleichnisses gibt es einen bemerkenswerten Unterschied in der altfranzösischen und der lateinischen Version: in der ersteren läßt die Prinzessin nach ihren Vorstellungen von dem fernen König ein Bild malen; in der letzteren macht sie sich eine bildliche Vorstellung von ihm in ihrem Geist. 23 F ü r die Deutung des Gleichnisses ist dieser Unterschied jedoch ohne Belang: Das (gemalte oder vorgestellte) Bild, durch das Marguerite sich den fernen königlichen Geliebten nahebringt, ist ihr Buch.1* Darüber hinaus will die Verfasserin mit ihrem Buch eine Anweisung geben, wie die Seele zur Liebe Gottes, welche zugleich ihre Ver-nichtung bedeutet, gelangen kann. Dieser Weg ist nicht nur, aber auch ein intellektueller Vorgang, ein Vorgang des Verstehens. Entsprechend heißt es im 110. Kapitel: 25 Was bedeutet also „Kunst" (art, ars) in der Kreatur? (Antwort der Liebe:) Es ist eine subtile geistige Begabung, aus der das Verstehen entsteht, das die Seele instandsetzt, vollkommener zu verstehen, was man sagt, als derjenige selbst, der es sagt, obwohl dieser letztere das, was er sagt, versteht. Inwiefern? Derjenige, der zuhört, ruht sich aus, während derjenige, der redet, arbeitet. Und Erkenntnis kann Arbeit nicht leiden, weil sie dadurch von ihrem Adel verliert. Diese Kunst ist lebhaft, und deshalb strebt sie naturgemäß danach, die Fülle ihres Vorhabens zu erreichen, die nicht mehr und nicht weniger ist als das alleinige Wollen Gottes. Diese subtile geistige Fähigkeit tritt in die Substanz der Seele ein. Und die Erkenntnis ist die vollendete Tätigkeit der Seele. Diese Erkenntnis besteht aus Substanz und Verstehen.
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Diese Seele beherbergt in sich jegliches Leben guter Sitten. Deshalb bleibt die Liebe in ihr, die ihr dieses Sein gibt, und die Seele selbst verweilt im Nichts, bleibt aber in der Liebe. Denn die Seele ist in dem Maße bei sich selbst, als sie in der Liebe bleibt. Liebe hat sie, so wie sie in sich bleibt, stolz und hübsch gemacht. Denn die Natur ist mit dieser Liebe verbunden, und dadurch hat sie oft in diesem Wesen etwas zu geben und etwas zu nehmen; deshalb ist die Seele kühn und stolz. In diesem Zustand gibt sie sich Visionen und Meditationen hin, denn sie befindet sich im Zustand der Betrachtung, der das Denken zu seiner Unterstützung beibehält. Nun verweilt sie im Nichts, weil die Liebe in ihr verweilt. So hat sie keinerlei Anteil an diesem Zustand und besitzt folglich gar nichts in sich, was sie traurig oder glücklich machen könnte. Denken übt keinerlei Herrschaft über sie aus. Sie hat den Gebrauch ihrer Sinne verloren - nicht ihre Sinne, sondern deren Gebrauch. Denn Liebe hat sie entrückt von dem Ort, wo sie sich aufhielt, indem sie ihre Sinne in Frieden ließ und ihr dadurch deren Gebrauch weggenommen hat. Das ist die Vollendung ihrer Pilgerschaft und die Rückkehr ihres Willens zum Nichts, die sich in ihr vollzieht. Es ist wie eine Fahrt hinaus auf die hohe See, denn sie lebt ohne ihren eigenen Willen und befindet sich so in einem Zustand, der ihre vernünftige Überlegung übersteigt. Anders würde sie von dem Souverän getadelt, der sie in einen Zustand versetzt, in dem sie ohne sich ist, und sie befände sich dann im Kriegszustand mit der Liebe, die der Heilige Geist ist, und sie würde vom Vater getadelt und vom Sohn gerichtet. D a s 111. Kapitel handelt von dem U n t e r s c h i e d zwischen der Friedenssalbung (onccion de paix) und dem Krieg, den die Gewissensbisse verursachen. D a nach entfaltet die Verfasserin den G e d a n k e n , wie aus der Aufgabe des eigenen Willens aufgrund der S c h ö p f e r - und Erlösertätigkeit G o t t e s der wirklich freie Wille entsteht. 2 6 D i e L i e b e erklärt: Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Friedenssalbung, die alle Sinne übersteigt und in den Wonnen der vollen Befriedigung, die der Geliebte durch die Liebesvereinigung gibt, verharrt, und dem Krieg, den der (innere) Vorwurf verursacht. In diesem Krieg befindet sich oft derjenige, der in seinem Willen verharrt, was für gute Werke auch immer der Wille vollbringt. Aber derjenige hat Frieden, der im Nichts-Wollen verharrt, da, wo er sich befand, bevor er wollte. Die göttliche Güte hat ihm nichts vorzuwerfen. D i e befreite Seele antwortet: Ach Gott, wie gut das gesagt ist! Aber noch darüber hinaus muß er das ohne mich tun, so wie er mich ja auch ohne mich geschaffen hat, aus seiner göttlichen Güte heraus. Also bin ich von ihm ohne mich geschaffene Seele, um zwischen ihm und mir starke Tugendwerke zu vollbringen, er für mich und ich für ihn, in dem Maße, wie ich in ihm verweile. Und doch kann ich in ihm nicht sein, wenn er mich nicht dahin versetzt, aus sich selbst, ohne mein Zutun, so wie er mich auch ohne mein Zutun aus sich selbst geschaffen hat. Es ist die ungeschaffene Güte, welche die von ihr geschaffene Güte liebt. Nun ist die ungeschaffene Güte ihrem Wesen nach freier Willen. Deshalb schenkt sie uns auch aus ihrer Güte heraus freien Wil-
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len, außerhalb ihrer Macht, ohne irgend ein Warum, es sei denn für uns selbst und damit wir aufgrund seiner Güte das Sein haben. Wir haben also Willen, der aus seiner Güte hervorgeht, außerhalb seiner Macht, damit wir freier sein können, so wie er Willen hat außerhalb seiner Macht, aus seiner eigenen Freiheit heraus. Nun hat die göttliche Güte gesehen, daß wir auf dem Wege des Unheils und Verderbens gingen aufgrund des freien Willens, den sie uns geschenkt hatte. Und diese Güte wurde uns aus Güte geschenkt. Deshalb verband sie [die göttliche Güte] die menschliche Natur mit der göttlichen Güte in der Person des Sohnes, um für die Sünde zu bezahlen, die wir in unserem sündigen Willen begangen haben. D e r die Sünde verursachende Wille muß darauf erkennen: Ich kann also nicht sein, was ich sein müßte, bis ich dahin gelange, wo ich war, an dem Punkt, wo ich war, bevor ich aus ihm herausging ebenso nackt, wie der ist, der ist; ebenso nackt, wie ich war, als ich die war, die nichts war. Und das muß ich haben, wenn ich das Meinige Wiedersehen will; andernfalls werde ich überhaupt nichts haben. D e r Wille muß also in den Zustand zurückkehren, den er hatte, bevor er (in der Schöpfung) aus G o t t hervorging. Die Rückkehr zu G o t t geschieht in der Erlösung durch den Gottessohn, in der die menschliche N a t u r zur ursprünglichen göttlichen Güte zurückkehren kann. Die Erlösung wird hier als innerseelischer, geistiger Vorgang verstanden. N a c h diesem schwierigen Text spricht die Autorin des Buches die Leser an: Legt das aus, wenn ihr wollt, vielmehr, wenn ihr könnt! Wenn ihr es nicht könnt, dann seid ihr noch nicht dort. Wäret ihr dort, dann würde er [Gott] euch öffnen. Noch wäret ihr nicht von Grund aus ver-nichtet, wenn ihr noch etwas hättet, womit ihr ihn hören (verstehen) könntet. Ich sage ja nicht umsonst: Nichts! Wenn seine Güte euch das Verstehen weggenommen hat: genau das ist es, worauf es mir ankommt. Man sieht: die Autorin bezieht schließlich auch das Verstehen in ihren „Nihilismus" mit ein. Es k o m m t nicht auf das H ö r e n und Verstehen an, weder in Bezug auf den Text des vorliegenden Buches, noch in B e z u g auf das Wort Gottes. Der Seele, die „ d o r t " , im Nichts, angelangt ist, öffnet Gott, ohne daß sie irgend etwas besäße außer dem Sein, das ihr die ungeschaffene G ü t e bei ihrer Erschaffung gegeben hat. D a s kurze 112. Kapitel handelt über die ewige Güte, die ewige Liebe ist: 27 Es gibt eine ewige Güte, die ewige Liebe ist. Aufgrund ihrer Natur, die Liebe ist (par nature de charité) strebt sie danach, ihre ganze Güte zu schenken und zu verbreiten. Diese ewige Güte erzeugt angenehme Güte. Aus dieser ewigen Güte und aus dieser angenehmen Güte geht die intime Liebe (l'amour amiable, amor amicabilis) des Liebenden zu der Geliebten hervor. Die Geliebte sieht mit intimer Liebe (de l'amour amiable, amore amicabili) alle Tage ihren Geliebten an.
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Die Ver-nichtung der Seele besteht also letzlich in der liebenden Kontemplation des göttlichen Geliebten. Die erotisch geprägte Sprache, auf die schon PETER DRONKE im Zusammenhang mit dem Alexander-Gleichnis Margueri-
tes hingewiesen hat,28 hat nicht nur rein symbolischen Charakter, sondern zeigt, daß das mystische Erlebnis durchaus auch eine leibliche Dimension hatte. Den Inquisitoren wird das kaum entgangen sein, und es war ihnen wohl unheimlich. Wie man an den bisher zitierten Texten sieht, ist Marguerites Buch in einer meditativen, schwer verständlichen Sprache geschrieben. Die Verfasserin selbst weist darauf (warnend!) in ihrem Vers-Prolog hin:2' Ihr, die ihr in diesem Buche lest, Wenn ihr es recht verstehen wollt, Bedenket wohl, was ihr dann sagt! Denn es ist schwierig zu verstehen. Vor allem tut euch Demut not: Sie ist die Hüterin der Wissenschaft Und Mutter aller Tugenden. Ihr Theologen, Kleriker, Nichts werdet ihr davon verstehn, Ist euer Scharfsinn noch so klar, Wenn Demut euch nicht leitet, Und Lieb' und Glaube insgemein Des Hauses Herrinnen sind bei euch Und die Vernunft euch übersteigen lassen. Sie selbst, Vernunft, bezeugt uns ja, Kapitel dreizehn dieses Buches, Und tut es ohne Scham, Daß Lieb' und Glaube ihr das Leben geben Und sie von ihnen nicht sich trennen will. Sind sie doch ihre Herrinnen, Vor denen sie sich beugen muß. Beugt also eure Wissenschaften, Die in Vernunft gegründet sind, Und euer ganz Vertrauen setzet In die, die Lieb' euch schenkt, Der Glaube läßt erstrahlen. So werdet ihr dies Buch verstehen, Das aus der Lieb' die Seele leben läßt.
Die dem Buch in Gedichtform vorausgeschickte Warnung ist besonders „an die Theologen und die anderen Kleriker" gerichtet. Wenn sie, ausgestattet mit ihrem professionellen theologischen Wissen und ihrer von der Vernunft bestimmten Methode (ratio theologica) das Buch lesen, werden sie es nicht begreifen (Point n'en aurez l'entendement). Marguerite ermahnt aber kei-
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neswegs dazu, die Vernunft abzuschalten oder beiseite zulassen. Raison spielt ja auch als virtuelle Person in ihrem Buch eine Rolle; sie muß sich aber Amour und Foy, den Herrinnen im Hause des Geistes, unterordnen. Marguerite betont damit zugleich die Überlegenheit des von ihr Mitgeteilten über das, was die Schul- und Hochtheologie zu sagen hat. Denn sie ist überzeugt, daß ihr Buch von Gott stammt, also authentische Gottesoffenbarung enthält, die sie einem weiteren Kreis von Menschen (wohl vorwiegend Frauen: Dames) mitzuteilen hat. In der Auslegung des Alexander-Gleichnisses sagt sie:30 U m mich an ihn zu erinnern, gab er [Gott] mir dieses Buch, das im Umgang damit seine Liebe (und die Liebe zu ihm) darstellt.
Von heute her gesehen liegt die Frage nahe, ob denn Marguerites Beurteilung ihres eigenen Werkes und die abfällige Sicht der wissenschaftlichen Theologie ihrer Zeit zutreffend sind. Immerhin hatte die Scholastik gerade ihren Höhepunkt erreicht. - Marguerite war Zeitgenossin des großen FranziskanerTheologen Johannes Duns Scotus (1266-1308), der unter anderem auch in Paris lehrte. - Aber die Kluft der „Pariser" Theologie zur praktisch gelebten Religion und Volksfrömmigkeit war doch schon sehr breit geworden, und selbst professionelle Theologen gingen andere Wege, wie das Beispiel Meister Eckharts (ca. 1260-1328) zeigt, der Dominikaner war und die Scholastik inund auswendig kannte.31 Und die Erschöpfung eines wissenschaftlichen Systems zeigt sich unter anderem daran, daß es denkende Menschen nicht mehr anzuziehen vermag, vielmehr zu ihrer Verfolgung ansetzt. Ihren absoluten Tiefpunkt zelebrierte die „Pariser" Theologie in dem Prozeß gegen Jeanne d'Arc. Aber der Scheiterhaufen, der ein gutes Jahrhundert früher für Marguerite Porete im Zentrum von Paris errichtet wurde, ist ein erstes großes Fanal, das die Beschränktheit und Gehässigheit scheinbar großer Gelehrter in ein grelles Licht taucht. Der Aufstieg der Seele zur Ver-nichtung in der göttlichen Liebe erfolgt nach Marguerite in sieben Stufen, die im 118. Kapitel zusammenfassend beschrieben werden: „Uber die sieben Zustände der frommen Seele, die auch Seinsweisen (estres) genannt werden."32 Es ist auffällig, daß die sechs ersten Zustände ausführlich beschrieben werden, für den siebenten dagegen nur ein einziger Satz übrig bleibt: U n d der siebente bewahrt die Liebe in ihr selbst, um uns in ewiger Herrlichkeit den zu geben, von dem wir erst dann Kenntnis haben werden, wenn unsere Seele den Körper verlassen hat.
Der Satz ist deshalb wichtig, weil aus ihm deutlich hervorgeht, daß sich Marguerite in der Tiefe ihrer mystischen Erfahrung ihrer Diesseitigkeit und Körperlichkeit bewußt bleibt. Sie ist auch, bei allem Selbstbewußtsein, das ihr ihr höheres Wissen verlieh, bescheiden geblieben. Im 119. Kapitel reflektiert sie
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über das Entstehen des Miroir und gibt eine Art Rechtfertigung ihrer schriftstellerischen Tätigkeit:" Wie sich die Seele, die dieses Buch schreiben ließ, deswegen entschuldigt, weil sie es so lang in Worten gemacht hat, wohingegen es den Seelen, die im Nichts verweilen und die die Liebe in diesen Seinszustand geführt hat, bescheiden und kurz erscheint. Ach Damen, in keiner Weise erkannt, die ihr im Sein seid, und indem ihr seid, euch nicht trennt vom Sein, das in keiner Weise erkannt ist! Wirklich, ihr seid überhaupt nicht erkannt. Aber das ist in dem Land, wo Raison die Herrschaft ausübt. Ich entschuldige mich bei euch allen, die ihr im Nichts verweilt und aus Liebe in solchen Seinszustand gekommen seid. Denn ich habe dieses Buch sehr umfangreich in Worten gemacht, obzwar es euch sehr klein vorkommt, soweit ich euch kennen kann. Also möchtet ihr mich entschuldigen, bitte sehr, denn Not kennt kein Gebot. Ich wußte nicht, wem ich mein Anliegen mitteilen konnte. Nun erkenne ich, um eures Friedens willen und um die Wahrheit zu sagen, daß mein Verstehen [meine Fähigkeit, zu verstehen] sehr niedrig ist. Feigheit hat es geführt, die der Vernunft Einsicht gegeben hat durch die Antworten von Liebe auf die Fragen der Vernunft. Und so wurde das Buch gemacht durch menschliches Wissen und menschliches Verstehen. Und menschliche Vernunft und menschliches Verstehen wissen gar nichts von innerer Liebe, und diese wiederum weiß nichts von göttlichem Wissen. Mein Herz ist so hoch gezogen und so tief hinabgestiegen, daß ich nicht heranreichen kann. Denn alles, was man von Gott sagen oder schreiben kann, und alles, was darüber denken kann, was noch mehr ist als sagen, ist weit eher Lügen als die Wahrheit Sagen. Ich habe gesagt, daß Liebe dieses Buch schreiben ließ durch menschliches Wissen und durch seinen Willen, mein Verstehen zu verwandeln, von dem ich verschüttet war, wie man es sehen kann durch dieses Buch. Denn die Liebe hat es gemacht, indem sie meinen Geist entrümpelte mit Hilfe der drei Gaben, über die wir gesprochen haben. Und deshalb sage ich, daß es sehr bescheiden und sehr klein ist, so groß es mir auch erschienen war, als ich mich daran machte, diesen Seinszustand auszulegen. Marguerite will damit sagen, daß das Buch den Prozeß ihres eigenen Verstehens widerspiegelt, folglich nicht statisch zu verstehen ist wie ein Lehrbuch, das nur einen bestimmten Wissensstoff wiedergibt. Die Möglichkeit, das Sein der ver-nichteten Seele zu beschreiben, schätzt sie am Ende ihres Werkes eher skeptisch ein. Charakteristisch für Marguerites Denken ist, wie PETER DRONKE es treffend ausgedrückt hat, „die Koinzidenz von Alles und Nichts, Gut und Böse, und (in ihr selbst) endloser Fülle und endloser Bedürftigkeit."34 Wir haben schon gesehen, daß der Miroir dialogisch aufgebaut ist. Die Aussagen sind auf verschiedene „Personen" verteilt, die zum Teil gegensätzliche oder sich ergänzende Sichtweisen zur Sprache bringen: Arne (die Seele, das Ich), Amour (Liebe), und dagegen: Raison (Vernunft). Die Kirche tritt auf in zweifacher, sich widersprechender Gestalt: Sainte Église la petite (die kleine heilige Kirche) steht auf Seiten der Vernunft: in ihr wohnt die Vernunft, die (wie sie selbst meint!) die heiligen Schriften in der rechten Weise auslegt. Dagegen gehören die âmes anéanties der großen, unsichtbaren Kirche, Sainte
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Église la grande, an. Diese „große heilige Kirche" steht auf der Seite der Liebe und der Seele, welche durch den Heiligen Geist geleitet wird. Marguerite bekämpft keineswegs die „kleine", oder, wie man heute sagen würde, die Amtskirche. Sie anerkennt sogar den Inquisitor Wilhelm von Paris als legitimen Amtsträger dieser Kirche.35 Aber die Geist-Kirche, in der die ver-nichteten oder die Ver-nichtung anstrebenden Seelen ihr Sein haben, ist ein Bereich, der sowohl der offiziellen Kirchenleitung wie der kirchlichen Wissenschaft entzogen ist. Um dies zu demonstrieren, verweigert sie durch Schweigen die Unterwerfung unter das kirchliche Rechts-Ritual und führt es so, ähnlich wie nach ihr Jeanne d'Arc, ad absurdum. Das Machtsystem der „kleinen Kirche" revanchierte sich für diese Mißachtung durch Vernichtung ihres Körpers. Zu einem tieferen Verständnis des Miroir, der einer der schwierigsten Texte des Mittelalters ist, kann nur eine eindringende, meditative Lektüre führen - wobei vor Aktualisierungen und Modernisierungen nur gewarnt werden kann, da sie notwendig zu Mißverständnissen führen müssen. Was hier versucht wurde, ist, im Sinne von Louise Gnadinger, lediglich eine vorläufige Annäherung.
15 BIRGITTA VON
SCHWEDEN
Römische Sibylle aus dem Norden Der Name „Birgitta" (Brigitta) ist die latinisierte Form des schwedischen „Birgersdotter" (= Tochter des Birger). Doch dachte und denkt man dabei auch an die große irische Heilige Brigida von Kildare (452-523), die den Namen und teilweise auch die Funktionen der keltischen Muttergöttin Brigid geerbt hatte.1
Jugend und Ehe Die Lebenszeit Birgittas von Schweden deckt sich zum großen Teil mit dem sogenannten Exil der Päpste in Avignon. 2 Sie wurde im Juni 1302 oder 1303 auf dem Herrensitz Finsta bei dem Dorf Skederik, fünfzig Kilometer nordöstlich von Stockholm, geboren. Ihr Vater Birger Persson (f 1327) war Lagman (Landrichter) von Uppland. Er war ein Nachkomme des Königs Sverker I. (1134-1154), der im Jahre 1143 die Cistercienser-Abtei Alvastra am VätternSee gegründet hatte.3 Birgitta entstammte der zweiten Ehe Birgers mit Ingeborg Bengtsdotter (f 1314), die ebenfalls königlicher Herkunft war. Das Grabmal der Eltern Birgittas ist noch im Dom zu Uppsala erhalten. Auf ihm sind auch Birgitta und ihre sechs Geschwister dargestellt: die drei Brüder Peter, Bengt und Israel und die drei Schwestern Ingrid, Margareta und Katharina. In ihrem siebenten Lebensjahr hatte Birgitta ihr erstes visionäres Erlebnis: die heilige Gottesmutter Maria setzte ihr eine kostbare Krone auf. Als sie zehn Jahre alt war (1314), hörte sie in der Schloßkapelle zu Finsta die Fastenpredigt eines Dominikaners über das Leiden Christi. In der darauffolgenden Nacht erschien ihr Christus, als ob er gerade eben gekreuzigt worden wäre. Auf ihre mitleidige Frage: „ O Herr, wer hat dir das getan?" antwortet ihr der Crucifixus: „Die mich verachten und meine Liebe verschmähen, tun mir solches an." 4 Von da an muß sie fast immer weinen, wenn sie an die Passion des Herrn denkt. Nach dem Tode seiner Gemahlin gab Birger im September 1314 die damals elfjährige Birgitta seiner Schwägerin Katharina Bengtsdotter zur Erziehung. Das Mädchen mußte in das Schloß Aspanäs am Sommen-See umsiedeln. In ihrem zwölften Lebensjahr wurde Birgitta von ihrer Tante, die eine ziemlich vernünftige Frau gewesen zu sein scheint, bei einer nächtlichen Gebetsübung überrascht: sie kniete nackt vor ihrem Bett und betete den Ge-
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kreuzigten an. Die Tante, die den Verdacht hatte, daß irgendwelche abergläubischen Weiber Birgitta derartige Praktiken beigebracht hatten, wollte ihr eine ordentliche Tracht Prügel verpassen; aber die erhobene Rute brach in Stücke. Birgitta wurde danach von fürchterlichen Teufelsvisionen heimgesucht. Sie war etwa zwei Jahre (bis 1316) auf Aspanäs. Sie lernte dort einen Bekannten der Familie, den Bischof Brynolf Algotsson von Skara (f 6. Februar 1317) kennen, der ein bedeutender Theologe und Dichter war. Brynolf hatte in Paris bei Thomas von Aquin studiert und dort in Theologie und Kirchenrecht promoviert. Später ließ er in Paris ein Studienkolleg für Studenten aus seiner Diözese errichten. Im Alter von vierzehn Jahren wurde Birgitta von ihrem Vater mit Ulf, dem Sohn des Lagmans Gudmar von Närke, verheiratet. Sie hatte zwar Jungfrau bleiben wollen, doch ihr Vater hielt davon nichts. Auch ihre Schwester Katharina wurde verheiratet, und zwar mit Magnus, dem zweiten Sohn des Gudmar. Die Doppelhochzeit fand im September 1316 statt. Ihrer Tochter Katharina hat Birgitta später öfters erzählt, sie wäre damals lieber gestorben als zu heiraten, denn sie wollte ja, Christus zuliebe, Jungfrau bleiben. Auf Birgittas Wunsch wurde die Ehe zunächst nicht vollzogen. Erst nach einem Jahr wurde der Geschlechtsverkehr aufgenommen, und zwar mit gutem Erfolg: das Paar bekam acht Kinder. Die Ehe währte achtundzwanzig Jahre lang, bis 1344, dem Todesjahr Ulfs. Die Familie lebte auf dem Gut Ulvâsa bei Mótala am Boren-See. 1330 wurde Ulf Lagman von Närke. Er gehörte zu den Vertrauten des Königs Magnus II. Erikson, der ein naher Verwandter Birgittas war. 1335, im Jahr der Heirat des Königs mit Blanche von Dampierre, wurde Birgitta als Hofmeisterin an den königlichen Hof nach Stockholm berufen. Doch mit ihren düsteren Prophezeiungen machte sie sich bei dem lebenslustigen Königspaar und dem Hofstaat unbeliebt. 1338 unterbrach sie ihren Aufenthalt am Hof und unternahm, zusammen mit ihrem Mann, eine Wallfahrt zum Grab des heiligen Königs Olaf II. Haraldsson (f 1030) in Trondheim (Nidaros). Danach kehrte sie noch einmal für kurze Zeit an den Hof zurück, um einen letzten Versuch zu unternehmen, das Königspaar zu bekehren. Als sie keinen Erfolg hatte, resignierte sie. 1341, im Jahr ihrer silbernen Hochzeit, machten sich Birgitta und Ulf auf den Weg nach Santiago de Compostela. Der Weg führte sie über Köln, wo sie den heiligen Drei Königen ihre Reverenz erwiesen. Auf dem Rückweg kamen sie über Cîteaux und Arras, wo Ulf schwer erkrankte. Auf dieser Pilgerreise einigten sich die Eheleute, den Geschlechtsverkehr für den Rest ihres Lebens einzustellen. Nach der Rückkehr trat Ulf in die Cistercienser-Abtei Alvastra ein. Weihnachten 1343 wurde er eingekleidet. Er starb schon am 12. Februar 1344. Birgitta übertrug nun den größten Teil ihres Besitzes an ihre beiden Söhne Karl und Birger. Sie zog sich in das Gästehaus von Alvastra zurück, wo sie einige Jahre lang ein Leben in strenger Buße führte. Im Auftrag Christi kehrte sie
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nochmals als Prophetin an den königlichen Hof zurück. Diesmal war ihr ein partieller Erfolg beschieden: Der König legte ein öffentliches Schuldbekenntnis ab und bemühte sich in den Jahren 1344-1346 um eine gerechte Gesetzgebung. Als sich Birgitta weigerte, die Kriegspläne Magnus' II. gegen Rußland zu unterstützen, wurde sie als Zauberin und Hexe verunglimpft. Immerhin konnte sie noch die Schenkung des königlichen Schlosses Vadstena am Vättern-See erreichen (am 1. Mai 1346), wo sie das von ihr geplante Doppelkloster errichten wollte.
Zwischen Visionen und Kirchenpolitik Noch von Alvastra aus unternahm Birgitta ihre erste große politische Aktion: sie wollte auf einen Schlag den Papst bekehren, ihn zur Rückkehr nach Rom bewegen und den später so genannten „Hundertjährigen Krieg" zwischen England und Frankreich (1339-1453) beenden. In Avignon regierte damals der Papst Clemens VI. (Pierre Roger: 1342-1352). Er liebte die Pracht und das lustige Leben und gab das von seinen sparsamen Vorgängern Johannes X X I I . und Benedikt XII. angesammelte Geld mit vollen Händen aus. Er kaufte Avignon und die Grafschaft Venaissin von der Königin Johanna von Neapel (1343-1382) und baute den (heute noch erhaltenen) Papstpalast zu einer prachvollen Residenz aus. König von England war Eduard III. (13271377), König von Frankreich Philipp VI. (1328-1350), mit dem das Haus Valois auf den französischen Thron gelangt war. An diese drei Großherren sandte Birgitta als ihre Boten den Bischof Hemming von Ábo in Finnland und den Cistercienser Petrus Olafsson von Alvastra mit Briefen. Der Brief an Clemens VI. steht im sechsten Buch ihrer Offenbarungen:5 Der Sohn spricht zur Braut [vgl. Apoc 22,17]: Schreibe in meinem Namen an den Papst Clemens die folgenden Worte: Ich habe Dich erhöht und Dich über alle Stufen der Ehre aufsteigen lassen.6 Steh also auf, um Frieden zu machen zwischen den Königen von Frankreich und England, die gefährliche Tiere, Seelenverderber sind. Komm sodann nach Italien und verkündige dort das Wort und ein Jahr des Heils und der göttlichen Liebe, und sieh die Plätze, die gepflastert sind mit dem Blut meiner Heiligen, und ich werde Dir den Lohn geben, der nicht endet. Wende deine Aufmerksamkeit auch den früheren Zeiten zu, in denen Du mich frech zum Zorn gereizt hast, und ich habe geschwiegen; in denen Du getan hast, was Du wolltest, aber nicht durftest, und ich war geduldig, ganz so als ob ich kein Richter wäre. Nun aber naht meine Zeit heran, und ich werde dich ausfragen über die Nachlässigkeit und Unverschämtheit deiner Zeit. Und wie ich dich über alle Stufen aufsteigen ließ, so wirst Du in geistlicher Weise über andere Stufen absteigen, die Du wirklich an Seele und Leib erfahren wirst, wenn Du meinen Worten nicht gehorchst und deine großmäulige Zunge zum Schweigen kommt. Und dein Name, mit dem Du dich auf Erden benannt hast, wird in meinen Augen und denen meiner Heiligen in Vergessenheit und Schimpf sein.
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Birgitta von Schweden
Ich werde dich auch darüber ausfragen, wie unwürdig, obgleich mit meiner Zulassung, Du zu allen Amtern aufgestiegen bist, was ich als Gott besser weiß, als sich dein nachlässiges Gewissen erinnert. Ich werde dich auch danach fragen, wie lasch Du beim Prozeß des Friedensschaffens gewesen bist und wie Du zur anderen Seite hin geneigt warst. Darüber hinaus wird nicht in Vergessenheit geraten sein, wie Gier und Ehrgeiz in der Kirche zu deiner Zeit in Blüte standen und sich mehrten, und Du vieles hättest reformieren und bessern können, aber Du Liebhaber des Fleisches hast es nicht gewollt. Steh also auf, bevor deine letzte Stunde naht, und lösche die Versäumnisse der früheren Zeiten in der vorletzten Zeit durch Eifer aus. Wenn Du aber Bedenken hast, wes Geistes diese Worte sind: siehe, das Königreich und die Person sind bekannt, in denen erstaunliche und wunderbare Dinge geschehen sind. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, von denen ich spreche, kommen überall auf der Erde heran. Auch dein Gewissen sagt dir, daß meine Ermahnung vernünftig und mein Rat liebevoll ist. Und wenn meine Geduld dich nicht bewahrt hätte, dann wärest Du schon tiefer abgestiegen als manche deiner Vorgänger. Forsche also im Buche deines Gewissens und sieh zu, ob ich die Wahrheit sage. Der Papst wird hier als Verantwortlicher für die Mißstände in der Kirche und den Krieg in Europa hingestellt. Es ist Christus, der ihn durch seine Prophetin und Braut Birgitta zur Verantwortung zieht. Noch während ihres Aufenthalts in Alvastra verfaßte Birgitta mit Hilfe ihres Sekretärs, des schon erwähnten Cisterciensers Petrus Olafsson (Olavi), eine Ordensregel, die für das von ihr gegründete Kloster Vadstena bestimmt war.
Als Pilgerin und Prophetin in Rom und Italien Im Herbst 1346 trat Birgitta auf Anweisung Christi eine Pilgerfahrt nach Rom an. Außer Petrus Olafsson begleitete sie noch ihr damaliger Beichtvater, Magister Petrus von Skänninge (f 1396). Die Reise führte über Stralsund, Schwäbisch-Hall, Maihingen in der Grafschaft Oettingen-Wallerstein (14691473 entstand dort das Birgitten-Kloster Marienmai, das Mutterkloster des 1497 gegründeten Altomünster wurde), 7 Pavia, Mailand, Genua. Von Genua aus wurde die Reise zu Schiff nach Ostia fortgesetzt; von Ostia aus gelangte man zu Fuß nach Rom, wo Birgitta im Dezember 1346 eintraf. Auf Einladung des Kardinals Hugo von Beaufort nahm Birgitta Wohnung in dem Palast bei der Kirche San Lorenzo in Damaso, an dessen Stelle später (1483-1511) der Palazzo della Cancelleria erbaut wurde. In der Kirche S. Lorenzo befindet sich bis heute der aus dem 13. Jahrhundert stammende Crucifixus, der zu Birgitta gesprochen haben soll. Nach vierjährigem Aufenthalt in dem Palast kündigte ihr der Kommissar des Kardinals Beaufort kurzfristig die Wohnung. Nach langem Suchen bot ihr eine römische Witwe für sie und ihre Begleiter ein Haus in der Nähe des Campo di Fiori an. In diesem Haus
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ist Birgitta am 23. Juli 1373 gestorben. Ihr Sterbezimmer wird dort noch gezeigt. Mit ihren Hausgenossen führte Birgitta ein klosterähnliches Leben. Sie lernte Latein bei Magister Petrus, ihrem Beichtvater. Ihre Offenbarungen schrieb sie in dieser Zeit auf Schwedisch nieder;8 ihr Sekretär Petrus von Alvastra übersetzte sie ins Lateinische. Sie führte auch eine umfangreiche Korrespondenz. Daneben kümmerte sie sich um Arme, Kranke, Pilger, vor allem auch die zahlreichen Huren von Rom, die sie zu einem bürgerlichen Leben zurückzuführen suchte. Sie unternahm häufige Wallfahrten zu den sieben Hauptkirchen der Stadt und den Gräbern der Heiligen. Die Basilika San Paolo fuori le Mura war eines ihrer bevorzugten Ziele, und auch dort befindet sich noch ein sogenannter Birgitten-Crucifixus. Rom, in dem seit dem 19. Mai 1347 der Volkstribun Cola di Rienzo die Herrschaft übernommen hatte, war damals total verwahrlost; die wichtigsten Gebäude lagen in Trümmern. Zwischen den Ruinen herrschte ländliches Leben. In Sankt Peter und der Lateran-Kirche wuchs hohes Gras, das von den Herden der Kühe und Geißen abgeweidet wurde. Daneben tummelte sich Gesindel in der Stadt, das hauptsächlich die Pilger ausraubte. Die große Pest des Jahres 1347/1348 forderte in Rom viel weniger Opfer als in anderen Städten Italiens, in denen der „schwarze Tod" die Hälfte oder gar zwei Drittel der Bevölkerung ereilte. Die Römer schrieben dies der Ikone der Mutter Gottes von Aracoeli zu' und errichteten zum Dank im Oktober 1348 die große Treppe, die bis heute dort hinaufführt. Birgitta hat den äußeren und moralischen Verfall der Hauptstadt der Christenheit in bewegten Worten beklagt. Da sie auch sonst, wie schon zuvor in Schweden, kein Blatt vor den Mund nahm, geriet sie öfter in Lebensgefahr: man wollte sie als falsche Wahrsagerin und Hexe verbrennen. Vor allem auf Bitten Cola di Rienzos hatte Clemens VI. für 1350 ein Jubeljahr ausgeschrieben; der Plan wurde auch von Birgitta unterstützt. Ein Teil der ruinösen Kirchen wurde wieder hergestellt. Der römische Adel war um die Sicherheit der Pilger bemüht. Während des heiligen Jahres sollen zwischen zwei und drei Millionen Pilger nach Rom gekommen sein, was doch einigermaßen übertrieben scheint. Aber wie heute noch flöß auch damals durch die Ansammlung der Pilger viel Geld in die Stadt, wodurch ein wirtschaftlicher Aufschwung einsetzte. Aber natürlich hatte die Anwesenheit einer so großen Anzahl fremder Menschen auch einen Anstieg der Sittenlosigkeit und des Verbrechens zur Folge. Noch während des Jubeljahres begab sich Birgitta im Auftrag Christi zu der Abtei Farfa, dem reichsten Kloster Italiens. Sie versuchte, den Abt Arnold zu bekehren, einen eher weltlichen als geistlichen Großherrn, der, wie ihr die Gottesmutter Maria offenbarte, „sein Herz, in welchem Gott ruhen sollte, an der Brust der Huren" hatte.10 Ihre Bemühungen waren vergeblich, und der Abt starb plötzlich, wie von ihr vorausgesagt. Birgitta vernahm durch göttliche Offenbarung die richterlichen Worte, mit denen seine Seele zur Hölle geschickt wurde.
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Im Herbst 1350 kam ihre Tochter Katharina (Karin) zunächst nach Rom, dann zu ihr nach Farfa. Katharina hatte in Schweden mit ihrem Mann Edgar Lyderson in einer sogenannten Josefsehe, unter Bewahrung ihrer Jungfräulichkeit, gelebt. Mit Einverständnis ihres Gemahls hatte sie sich einer nach Rom reisenden Pilgergruppe angeschlossen. Als sie dann nach Schweden zurückkehren wollte, hinderte sie Christus über eine an ihre Mutter ergangene Weisung daran; danach ließ er ihren Mann sterben. Katharina wurde gleichwohl von Heimweh nach der nordischen Heimat geplagt. Sie fragte ihre Mutter, ob sie ein Mittel dagegen wüßte. Birgitta, „die über derartige Versuchungen längst triumphierte", wußte eines:" Sie rief ihren Magister Beichtvater und bat ihn inständig und ergeben, er möge diese lästige Plage des Geistes mit Rutenhieben austreiben, und auch Frau Katharina selbst bat inständig um dieses Heilmittel. Und zuweilen, wenn sie von dem Beichtvater durchgeprügelt wurde, sagte sie zu dem Magister:„Übe keine Schonung! Schlag vielmehr fester zu, weil du die Härte des Herzens noch nicht erreichst." Einmal, als der Magister seine Hiebe fortsetzte, sagte sie mit heiterer Miene: „Es genügt mir jetzt. Ich fühle, daß sich mein Herz gewandelt hat und jegliche Regung der erwähnten Versuchung vollständig von mir gewichen ist."
Ein bemerkenswertes Stück spätmittelalterlicher Spiritualität, über dessen Lektüre einem das Lachen vergeht. Katharinas durch Heimweh verursachte Depressionen waren übrigens von den Hieben des Magisters Petrus nicht endgültig ausgetrieben. Auch ihre Sexualität machte ihr zu schaffen, und sie erbat von Jesus den heiligen Sebastian als Beschützer ihrer Keuschheit. Da sie blond und sehr schön war, erhielt sie aus Kreisen des römischen Adels zahlreiche Angebote zur Wiederverheiratung (sie war erst zwanzig Jahre alt). Auch war ihre Tugend den Angriffen römischer Papagalli ausgesetzt, die damals wie heute insbesondere blond und nordisch aussehenden Frauen wie hartnäckige Straßenköter auf den Fersen bleiben. Ein besonders geiler Adeliger, der ihr in den Weingärten von San Sebastiano auflauerte, um sie zu entführen, wurde durch einen plötzlich auftauchenden Hirsch abgelenkt. Als er kurz darauf in den Weingärten von San Lorenzo einen erneuten Versuch unternahm, wurde zur Strafe für seine Gier nach Katharina mit Blindheit geschlagen.12 In ihren Briefen hat Birgitta lange Schilderungen der in Rom herrschenden unsittlichen Zustände gegeben. (Petrarca, der im heiligen Jahr 1350 Rom besuchte, regte sich vor allem über den äußeren Zerfall, die Ruinen der großen Basiliken, auf).13 Insbesondere erregte sie sich über die Mißachtung des Zölibats durch den Hochklerus und die Mönche. Sie ereifert sich, daß Kleriker auf ihren Nachwuchs stolz sind und sich öffentlich darüber freuen, wenn ihre Huren mit angeschwollenen Bäuchen unter den anderen Frauen umhergehen. Von Rom aus hat Birgitta Wallfahrten zu den bekanntesten Heiligtümern Italiens unternommen. Im Sommer 1352 ging sie, begleitet von ihrer Tochter,
zu Fuß nach Assisi. Auf dieser Reise wurde ein Vergewaltigungsversuch auf
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die schöne Karin unternommen, der aber durch ein göttliches Wunder scheiterte.14 In den Jahren 1366-1367 unternahm sie Pilgerreisen zu verschiedenen Heiligtümern im Königreich Neapel, zunächst nach Ortona. Dort offenbarte ihr Christus, daß sich in einem Altar die Reliquien des Apostels Thomas befänden.15 Weitere Wallfahrten führten sie zum Monte Gargano, dem heiligen Berg des Erzengels Michael, zum Grab des heiligen Nikolaus nach Bari und zum Grab des Apostels Bartholomäus nach Benevent. Im Dom von Salerno besuchte sie das Grab des Apostels Matthäus; auch Papst Gregor VII. ist dort, im Hochaltar, bestattet. In Neapel selbst blieb Birgitta zwei Jahre lang. Sie suchte die Königin Johanna, die eine notorische Hure war, zu bekehren. Im Auftrag Christi schrieb sie ihr eine Art von Bekehrungsplan auf, in dem der Fürstin unter anderem der Verzicht auf Schminke und den Umgang mit den ebenfalls einen lockeren Lebenswandel führenden Personen ihrer Umgebung nahegelegt wurde.16 Zugleich entwarf sie das Idealbild einer Königin. Die Königin vergoß darüber heiße Tränen, aber natürlich dachte sie nicht daran, das Leben einer Mönchin wie Birgitta zu führen. Am 30. November 1366 suchte Birgitta das Grab des Apostels Andreas in Amalfi auf. An Weihnachten war sie wieder in Neapel. Zur Fastenzeit 1367 kehrte sie nach Rom zurück. Im Jahre 1368 Schloß sich ihr ein spanischer Bischof namens Alfonso Pecha an. Er hatte auf sein Bistum Jaén verzichtet. Neben Magister Petrus wurde er Birgittas zweiter Beichtvater und ordnete nach ihrem Tode ihre Offenbarungen in sieben Büchern. Zu dem achten Buch, das hauptsächlich politische Äußerungen Birgittas, ihre Vorschriften für die Könige, enthält, hat er ein Vorwort geschrieben, in dem er die Echtheit und Glaubwürdigkeit der Offenbarungen Birgittas verteidigt.17 Er setzte sich für ihre Kanonisation ein und prüfte 1377 im Auftrag Gregors XI., 1379 im Auftrag Urbans VI. die Offenbarungen und bewies deren Echtheit und übernatürlichen Charakter. Am 19. August 1388 ist Alfonso in Genua gestorben. Gegenüber den in Avignon residierenden Päpsten setzte sich Birgitta unermüdlich für deren Rückkehr nach Rom ein, zunächst, wie bereits erwähnt, gegenüber Clemens VI., mit dem sie, wegen seiner Mißwirtschaft und Korruption besonders hart ins Gericht ging. Clemens' Nachfolger war Innocenz VI. (Étienne Aubert: 1352-1362). Unter ihm schaffte der tatkräftige Kardinal Egidius (Gil) Albornoz im Kirchenstaat Remedur.18 Ab 1353 stellte er die päpstliche Herrschaft im Kirchenstaat und im Herzogtum Spoleto wieder her. Im Herbst 1354 kam der Kaiser Karl IV. nach Italien. Am 6. Januar 1355 wurde er in Mailand mit der „eisernen Krone" der Langobarden, an Ostern 1355 in der Peterskirche zu Rom durch den Kardinalbischof von Ostia, Pierre de Colombier zum Kaiser gekrönt. Sein Italienzug wurde von den Zeitgenossen als wenig ruhmvoll verspottet, und die Kaiserkrone konnte er nur um den Preis absoluter Unterwerfung unter den Papst erlangen. Auf Innocenz VI. folgte Urban V. (Guillaume Grimoard: 1362-1370), ein Benediktiner von strengem Lebenswandel. Unter ihm trat der Franziskaner
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Peter von Aragon, ein Sohn des Königs Jakob (Jayme) II. (1285-1327), auf; er ermahnte, wie Birgitta, den Papst zur Rückkehr nach Rom. Das gleiche tat auch der greise Petrarca. Urban V. verließ Avignon am 30. April 1367. Seine Flotte traf am 4. Juni im Hafen Corneto ein, wo ihn der Kardinal Albornoz empfing. Der um die Römische Kirche so verdiente Mann starb aber schon am 24. August in Viterbo. Am 16. Oktober hielt Urban V. seinen Einzug in Rom. Den folgenden Sommer verbrachte er in Montefiascone, im Herbst war er in Viterbo. Am 21. Oktober 1368 hielt er, zusammen mit dem Kaiser Karl IV., einen erneuten Einzug in Rom. Am 1. November krönte er in St. Peter Elisabeth von Pommern, die vierte Gemahlin Karls IV. Im Sommer 1369 hielt sich der Papst wieder in Montefiascone auf. Dort gab er seinen Entschluß bekannt, nach Frankreich zurückzukehren. Inzwischen war auch Birgitta in Montefiascone erschienen. Während der drei Monate, die sie am päpstlichen Hof blieb, ermahnte sie unablässig den Papst, in Italien zu bleiben, und drohte ihm schließlich, im Auftrag der Jungfrau Maria, den baldigen Tod für den Fall seiner Rückkehr nach Avignon an. Aber weder Birgitta, noch eine Gesandtschaft der Römer, noch Peter von Aragon vermochten es, den Papst umzustimmen. Birgitta erreichte immerhin, nach langen Auseinandersetzungen, am 5. August 1370 von Urban V. die provisorische Bestätigung ihrer Ordensregel. Am 27. September befand sich der Papst schon wieder in Avignon. Am 12. Dezember ist er dort im Alter von einundsechzig Jahren gestorben. Im Herbst 1369 waren Birgittas Söhne Karl und Birger nach Rom gekommen und vom Papst empfangen worden. Zusammen mit ihren drei Kindern und dem Bischof Alfonso unternahm sie im November eine zweite Wallfahrt zu dem Michaels-Heiligtum auf dem Monte Gargano und zum heiligen Nikolaus nach Bari. Am 29. Dezember 1370 wurde in Avignon Pierre Roger de Beaufort zum Papst gewählt. Er war der Neffe Clemens' VI., der ihn als Achtzehnjährigen zum Kardinal erhoben hatte. Dem neuen Papst, der sich Gregor XI. nannte, ließ Birgitta im Januar durch Latino Orsini eine Botschaft überbringen, in der sie ihn, unter Androhung des Zornes Gottes, aufforderte, nach Rom zu kommen.19 Weitere Botschaften gleichen Sinnes, aber in schärfer gewordenem Ton, ließ sie dem Papst durch den Grafen von Nola20 und, von Neapel aus, durch den Bischof Alfonso Pecha zukommen.21 Im September 1375 kehrte der Papst endgültig in die Hauptstadt der Christenheit zurück. Birgitta hat es nicht mehr erlebt; sie war damals schon zwei Jahre tot. Pilgerfahrt ins Heilige Land Im Mai 1371 erhielt Birgitta von Christus den Befehl zur Pilgerfahrt nach Jerusalem, zum Heiligen Grab. Mit ihr zusammen machten sich ihre drei Kinder Katharina, Karl und Birger, Petrus Olafsson, Petrus von Skänninge, der Bischof Alfonso sowie die beiden schwedischen Kapläne Gudmar Fredriks-
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son und Magnus Pederson auf die Reise. In Neapel, wo die Gesellschaft ehrenvoll durch die Königin Johanna empfangen wurde, nahm man einen längeren Aufenthalt. Die Königin, der Hemmungen offenbar fremd waren, warf ein Auge auf den gut aussehenden Karl und machte ihn zu ihrem Geliebten, worüber Birgitta natürlich nicht begeistert war. Aber Karl starb am 12. März 1372, und die Mutter geleitete den Leichnam des Sohnes nach Santa Croce, wo er bestattet wurde. Noch am gleichen Tag bestieg sie ein Schiff, das sie am 19. März nach Messina, am 14. April nach Zypern brachte. Die Pilgergesellschaft hielt sich zwei Wochen auf der Insel auf. Drei Jahre vorher (am 17. Januar 1369) war dort der König Peter I. Lusignan ermordet worden. In die faktische Herrschaft über die Insel teilten sich die Venezianer und die Genueser. Die Königin Eleonora, die eine Tochter Peters IV. von Aragon (1336-1387) war, wollte in ihre Heimat zurückkehren. Sowohl am königlichen Hof wie im Volk herrschten Verbrechen und Laster. Die Königin bat Birgitta, bis zur Krönung ihres Sohnes auf der Insel zu bleiben. Birgitta wollte jedoch nicht warten, versprach aber, auf der Rückreise bei der Krönung anwesend zu sein, die darauf bis zum Herbst verschoben wurde. Als Birgitta von Zypern absegelte, schlossen sich ihr noch der Beichtvater der Königin, Martin von Aragon, ein Franziskaner, und der englische Ritter William Williamson an. Anfang Mai 1372 strandete das Schiff vor dem Hafen von Jaffa. Doch kam dabei niemand zu Schaden. Am 13. Mai kamen die Pilger in Jerusalem an. Während ihres viermonatigen Aufenthalts im Heiligen Land besuchte Birgitta die Grabeskirche von Jerusalem. In der Kapelle des Kalvaria-Hügels, innerhalb der Kirche, hatte sie eine Vision, in der sie die Passion und den Tod Jesu in allen Einzelheiten sah.22 In der Geburtskirche von Bethlehem, die sie in der Oktav von Mariae Himmelfahrt (15. August) besuchte, erlebte sie die Geburt Jesu.23 Nach dem Bericht, den Birgitta von ihrer Vision gibt, hat Maria das Kind stehend, in einem ekstatischen Zustand, nicht auf gewöhnliche, sondern auf wunderbare Weise geboren: „momentan und plötzlich, daß ich es weder beobachten noch genau unterscheiden konnte, wie oder mit welchem Körperteil sie gebar". Die Jungfrau und anschließend der heilige Josef beten dann das Kind an. Birgitta versucht hier das „jungfräuliche Gebären" (virginitas in partu) der Gottesmutter zu beschreiben. Daß sie damit in gewisser Weise auch ihre eigene ungeliebte Vergangenheit als Ehefrau und Gebärerin bewältigt hat, ist beinahe mit Händen zu greifen. Birgittas Bericht über das Geschehen von Bethlehem verbreitete sich ziemlich rasch in Deutschland und den nordischen Ländern und beeinflußte, nach Meinung mancher Forscher, die Ikonographie der Geburt Christi: das verbreitete spätmittelalterliche Weihnachtsbild, in dem die mystischen und transzendenten Züge im Vordergrund stehen, gehe letztlich auf Birgittas Bethlehem-Vision zurück.24 Über ihre Jungfräulichkeit offenbart Maria Birgitta:25
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Du sollst mit absoluter Gewißheit wissen, daß Josef, bevor er sich mit mir verlobte, im heiligen Geist erkannte, daß ich meine Jungfräulichkeit Gott geweiht hatte (me vovisse virginitatem meam Deo) und mit Gedanken, Worten und Werken unbefleckt war. Er verlobte sich mit mir in der Absicht, mir zu dienen, indem er mich für seine Herrin, nicht für seine Gattin hielt. Auch ich erkannte im Heiligen Geist auf das gewisseste, daß meine Jungfräulichkeit für immer unverletzt bleiben würde, obgleich ich nach Gottes geheimem Ratschluß einem Mann verlobt wurde. Als ich aber dann dem Boten Gottes meine Zustimmung gegeben hatte und Josef schließlich zu sehen bekam, wie mein Leib in der Kraft des Heiligen Geistes anzuschwellen begann, da war er darüber zunächst sehr entsetzt, nicht weil er gegen mich einen finsteren Verdacht hegte, sondern weil er sich an die Worte der Propheten erinnerte, die die Geburt des Sohnes Gottes aus einer Jungfrau voraussagten, und sich für unwürdig hielt, einer solchen Mutter zu dienen, bis ihm der Engel im Traum gebot, sich nicht zu fürchten, sondern mir mit Liebe zu dienen. Bevor sie sich in J a f f a wieder einschiffte, suchte Birgitta an Mariae Geburt (8. September) 1372 noch das G r a b Mariens in Gethsemani auf. A m 8. O k t o ber traf sie wieder in Zypern ein. In Famagusta nahm sie am 12. O k t o b e r an den Krönungsfeierlichkeiten für Peter II. Lusignan, König von Zypern und Jerusalem, teil. Vor dem Königspalast kündigte sie den Zyprioten danach, wie schon bei ihrem ersten Aufenthalt auf der Insel, das Strafgericht Gottes an, das tatsächlich auch eintrat: N o c h im Oktober begannen blutige Gemetzel. Die Königin-Mutter Eleonore kehrte nach Spanien zurück. Der König Peter II. starb sechsundzwanzigjährig ohne Erben. N a c h zwei Jahrhunderten weiterer blutiger Auseinandersetzungen geriet die Insel schließlich 1571 unter türkische Herrschaft. Im Februar des folgenden Jahres 1373 war Birgitta wieder am H o f der Königin Johanna in Neapel. In der Stadt, in der die Pest herrschte, kamen Zweifel auf an der Echtheit von Birgittas Offenbarungen. Der Erzbischof Bernardo setzte daraufhin eine Theologen-Kommission ein, u m eine Prüfung vorzunehmen. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, daß die Visionen und Offenbarungen Birgittas zweifellos echt und von G o t t eingegeben seien. Sie wurden im D o m verlesen und öffentlich angeschlagen. Darauf predigte die Seherin in der Stadt Buße. V o n Neapel aus schreibt sie dann auch ihren schon erwähnten dritten Brief an den Papst Gregor XI., den der Bischof A l f o n s o Pecha nach Avignon brachte. 26 D o r t heißt es u.a. (es spricht Christus): Vernimm, Papst Gregor XI., die Worte, die ich mit Dir spreche, und gib gewissenhaft acht auf das, was ich Dir sage! Weshalb haßt Du mich so sehr? Weshalb sind deine Frechheit und deine Vermessenheit gegen mich so groß? Dein weltlicher Hof plündert meinen himmlischen Hof aus ... Gregor, was habe ich Dir getan? Ich habe Dich voller Geduld zum höchsten Priesteramt aufsteigen lassen und habe Dir meinen Willen vorhergesagt durch einen Brief, der Dir von Rom aus aufgrund göttlicher Offenbarung übersandt wurde, und ich habe Dich in ihm an das Heil deiner Seele erinnert und den großen von Dir angerichteten schaden zu verhindern gesucht. Was vergiltst Du mir für so große Wohltaten? Und warum tust Du das, nämlich daß an deinem Hof der groß-
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te Hochmut, unersättliche Gier und Wollust, die mir zuwider ist, herrschen? Ausserdem noch abgrundtiefe, abscheuliche Simonie! Obendrein raubst Du mir zahlreiche Seelen und nimmst sie als Beute. Denn fast alle, die an deinen Hof kommen, bringst Du in das höllische Feuer, weil Du nicht gewissenhaft auf das achtest, was meinen Hof angeht. Dabei bist Du der Bischof und Hirte meiner Schafe!... Und obwohl ich Dich aus den vorgenannten Gründen grechterweise verdammen könnte, erinnere ich Dich doch noch einmal aus Barmherzigkeit an dein Seelenheil: daß Du nämlich, so schnell Du kannst, nach Rom kommst... Fange an, meine Kirche zu erneuern, die ich mit meinem eigenen Blut erworben habe; sie soll erneuert und in geistlicher Weise zu ihrem früheren, heiligen Zustand zurückgeführt werden. Denn zur Zeit wird das Hurenhaus mehr in Ehren gehalten als die heilige Mutter Kirche. Auf Einladung der Königin Johanna erholte sich Birgitta auf deren Landsitz in Aversa. Dort war Johannas junger Gemahl Andreas von Ungarn am 18. September 1345 ermordet worden. Birgitta hatte Hemmungen, von der ehemaligen Geliebten ihres Sohnes Karl Geld zu ihrem Lebensunterhalt anzunehmen, doch Christus selbst nahm ihr diese Skrupel. Johanna hat sich dann im Jahre 1378 bei Urban VI. für die Heiligsprechung Birgittas eingesetzt. Zur Fastenzeit 1373 war die Prophetin wieder zurück in Rom. Dort starb sie am 23. Juli im Alter von einundsiebzig Jahren in ihrer Wohnung in der Nähe des Campo di Fiori (an der heutigen Piazza Farnese). Man setzte sie vorläufig in San Lorenzo in Panisperna bei. (Auch in dieser Kirche befindet sich noch ein Birgitten-Crucifixus).
Schicksale der toten Birgitta Birgitta Leichnam wurde fünf Wochen nach der Beisetzung exhumiert, in der Absicht, für den Transport nach Schweden die Weichteile von den Knochen zu trennen. Doch die römische Sommerhitze hatte bereits ihr Werk getan, und die Verwesung war schon sehr weit fortgeschritten. Die ehemaligen Gefährten Birgittas und ihre Tochter Katharina reisten am 2. Dezember 1373 mit den Gebeinen der Prophetin von R o m ab. Am 14. Dezember kamen sie nach Montefalco, wo durch den Bischof von Spoleto der Kanonisationsprozeß eingeleitet wurde. Sie überquerten dann den Appennin und gelangten zu dem Hafen Ancona, von wo aus sie zu Schiff nach Triest gelangten. Die Reise führte weiter durch Kärnten, Steiermark, Niederösterreich nach Brünn in Mähren, dann durch Polen nach Danzig. Nach Uberquerung der Ostsee landete die Reliquie mit ihrer Begleitung am 29. Juli 1374 in dem schwedischen Hafen Söderköping. Im Dom von Linköping empfing sie der Bischof Nikolaus Hermanni, der früher einmal der Hauslehrer der Kinder Birgittas gewesen war. Am 4. oder 5. Juli 1374 kam man am Ziel der Reise, in Vadstena, an. Die Reliquie wurde in der Krypta der damals noch nicht vollendeten „Blaukirche" beigesetzt. Baumeister der Kirche war Johannes Pederson, der Birgit-
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ta einmal in Rom besucht hatte. (Er starb 1405 im Alter von neunzig Jahren als Laienbruder des Birgitten-Ordens). Birgittas Tochter Katharina kehrte danach noch einmal für fünf Jahre nach Italien zurück, um für die Heiligsprechung ihrer Mutter zu wirken. Sie starb am 24. März 1381 in Vadstena. Über zehn Jahre später, am 7. Oktober 1391, wurde Birgitta durch den Papst Bonifaz IX. (Pietro Tomacelli: 13891404) kanonisiert.27 1415 bestätigte Johannes XXIII. (Balthasar Cossa) die Heiligsprechung auf dem Konzil von Konstanz. Am 1. Juli 1419 erfolgte eine erneute Bestätigung durch Martin V. (Oddo Colonna: 1417-1431).28 Die Kirche begeht mehrere Feste der heiligen Birgitta: ein sogenanntes Hochfest, das am 1. Juni 1393 erstmals in Anwesenheit des schwedischen Episkopats feierlich begangen wurde; sodann ihren Todestag am 23. Juli; weitere Feste sind der Tag ihrer Heiligsprechung (7./8. Oktober) und der der Übertragung ihrer Reliquien (28. Mai). Die „Echtheit", das heißt: der göttliche Offenbarungscharakter, der Schriften Birgittas war zu verschiedenen Zeiten heftig umstritten. Das Konzil von Konstanz hat sich eingehend mit der Frage befaßt. Der große Theologe Jean Gerson (f 1429), Kanzler der Pariser Universität und Teilnehmer an dem Konzil, hat, im Zusammenhang der Debatte über die Glaubwürdigkeit der Visionen Birgittas und ihre Heiligsprechung in seinem Traktat „Über die Prüfung der Geister" (3. August 1415) vor Leichtgläubigkeit gegenüber angeblichen Visionen oder Illusionen insbesondere von Frauen gewarnt. Unter Berufung auf Heinrich von Hessen spricht er sich gegen eine Häufung der Heiligsprechungen aus.29 Nach der Anerkennung der Kanonisation durch Martin V. schien der Streit beendet; er flammte aber auf dem Konzil von Basel (1431-1449) erneut auf. Der mit der Angelegenheit befaßte Kardinal Johannes de Turrecremata (Torquemada) erkannte in Katharinas Offenbarungsschriften nichts, was im Widerspruch zur Lehre der Kirche stünde.30 Das Konzil anerkannte darauf das Werk Birgittas. Die durch das II. Vatikanische Konzil geprägte Katholische Kirche des 20. Jahrhunderts läßt jedoch erneut Unglauben in Bezug auf den Offenbarungscharakter der Visionen der heiligen Birgitta erkennen. Heißt es noch in der früheren, vorkonziliaren Oration (zum 8. Oktober): Herr, unser Gott, du hast der heiligen Birgitta durch deinen eingeborenen Sohn
die himmlischen
Geheimnisse
offenbart
(secreta caelestia revelasti). Gib uns, dei-
nen Dienern, auf ihre gütige Fürsprache die Gnade, daß wir dereinst bei der Offenbarung deiner ewigen Herrlichkeit in Freude frohlocken,
so formuliert das nachkonziliare Schott'sche Meßbuch (zum 23. Juli):" Herr, unser Gott, du hast der heiligen Birgitta eine innige Liebe zum Gekreuzig-
ten geschenkt und ihr den Reichtum deines Erbarmens geoffenbart.
Hilf uns, daß
wir Christus auf seinem Leidensweg nachfolgen, damit wir ihn auch in seiner Herrlichkeit schauen.
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Das Schwanken im Bereich der kultischen Gebetsformeln ist das Indiz für eine nicht nur bezüglich des Offenbarungsbegriffs taumelnde Theologie.32 Der Birgitten-Orden Im Verständnis Birgittas war Christus selbst der Gründer ihres Ordens: erhatte ihr 1346 in Alvastra den Auftrag zur Errichtung des „Ordens des heiligen Erlösers" gegeben. Das hinderte allerdings die kirchlichen Autoritäten nicht daran, sich intensiv mit der von Birgitta diktierten Ordensregel zu befassen. (Im Sinne des Kirchenrechts handelt es sich nicht um eine Ordensregel, sondern um ergänzende Konstitutionen zur Augustinus-Regel).35 1378 unterzog Urban VI., wie schon erwähnt, den Text einer Revision; unter Martin V. und Eugen IV. wurden weitere Änderungen vorgenommen. Birgittas Idee war es gewesen, Doppelklöster zu gründen. Dem Konvent sollten jeweils sechzig Schwestern, dreizehn Priester (sie stellten die - mit Paulus - dreizehn Apostel dar), vier Diakone (die lateinischen Kirchenväter!) und acht Laienbrüder angehören. Insgesamt ist das Apostelkollegium und die zweiundsiebzig Jünger Jesu repräsentiert. Die geistlichen Ideale sind: Demut, Armut, Keuschheit. (Birgitta war eine entschiedene Verfechterin des priesterlichen Zölibats, an dessen Sinn bereits damals hohe geistliche Würdenträger zweifelten). Die Leitung des Klosters liegt bei der Äbtissin, der ein Generalkonfessor als eine Art Spiritual zur Seite gestellt ist. Der örtliche Bischof hat die Oberaufsicht und das Visitationsrecht. Der Landesherr ist Protektor, der Papst oberster Tutor. Der Birgittenorden erlangte innerhalb der Katholischen Kirche nie eine größere Bedeutung. Er besteht allerdings (nicht mehr in der von Birgitta gewünschten Verfassung!) bis zum heutigen Tage fort. Weiterhin besteht auch die berühmte „Blaukirche" von Vadstena, ein Juwel des gotischen Stils, wenn auch die ursprüngliche Inneneinrichtung dem Ikonoklasmus der Reformationszeit zum Opfer gefallen ist.
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KATHARINA VON SIENA
Kirchenpolitikerin und Priesterin des Heiligen Blutes Von der Betreuung der Armen von Siena zur Einmischung in den Status der Christenheit In dem großen Pestjahr 1347, in dem die Bevölkerung Italiens halbiert wurde, gebar in Siena eine Frau namens Lapa ihrem Mann, dem Pelzfärber Giacomo Benincasa, zwei Mädchen, Caterina und Giovanna. Die Zwillinge waren ihre vierundzwanzigste und fünfundzwanzigste Geburt. Giovanna starb schon nach wenigen Tagen. Im darauffolgenden Jahr wurde dem Paar nochmals eine Giovanna geboren; sie ist, wie Caterinas übrige Geschwister, abgetaucht im Nebel der Vergessenheit. Caterina dagegen wurde zur weltgeschichtlich bedeutenden Gestalt, nicht zuletzt aufgrund des von ihr hinterlassenen literarischen Werkes. Mit ihren Briefen, die sie an Päpste, Könige und andere Machthaber ihrer Zeit richtete, hat sie aktiv und selbstbewußt in die europäische Politik eingegriffen. Das von ihr hinterlassene Briefcorpus umfaßt 382 Briefe, die zwischen 1367 und 1380 geschrieben wurden.1 Außer den Briefen hat Caterina noch ein Buch verfaßt, das sie selbst „Libro della divina dottrina" genannt hat, das aber jetzt unter dem Titel: „Dialogo della divina provvidenza" bekannt ist.2 Sie starb am 29. April 1380; ihr Grab befindet sich in der Kirche Santa Maria sopra Minerva zu Rom. Sich mit der literarischen Hinterlassenschaft Katharinas von Siena zu beschäftigen, bedeutet, sich auf die Abgründe weiblicher, religionsbedingter Psychopathie einzulassen, bis hinein in die widerlichsten Dimensionen. Das ist nicht gerade erfreulich; aber diese Seite ihres Lebens und Charakters auszuklammern, um sie als große Heilige und Kirchenlehrerin zu preisen, wäre eine grobe Geschichtsfälschung.3 Katharina praktizierte schon in ihrer Kindheit exzessive Formen religiösen Lebens, wozu Fasten und andere selbstzerstörerische Bußübungen gehörten. Das darin zu Tage tretende psychosomatische Krankheitsbild bezeichnet man heute als Anorexie.4 Zeitweise zog Katharina sich in die Einsamkeit zurück, um sich der mystischen Kontemplation zu widmen. Wegen der Lebensweise, an der sie hartnäckig festhielt, kam es zu schweren Konflikten mit der Mutter. Im Alter von etwa fünfzehn oder sechzehn Jahren (also um das Jahr 1362) begann Katharina damit, ihr elterliches Haus zeitweise zu verlassen, um Kranke und Asoziale in der Stadt Siena zu pflegen und zu betreuen. Sie trat einer locker organisierten Gemeinschaft von Büßerinnen bei, die man, ihres
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langen, schwarzen Mantels wegen, „Mantellate" nannte. Innerhalb dieser zumeist aus älteren, zum Teil verwitweten Frauen bestehenden Schwesterngemeinschaft war die junge Katharina, die sehr schön gewesen sein soll, eine Ausnahmeerscheinung. Sie hatte deshalb mit Schwierigkeiten, verursacht durch Klatsch und Verleumdungen, zu kämpfen. Sie wußte sich aber geleitet durch Christus selbst, der ihr seinen Willen in Visionen offenbarte. Zwischen diesen Visionen, die sie in ihrem elterlichen Haus erlebte, und der tätigen Hilfe für die Armen und Kranken der Stadt, verlief ihr Leben bis zum Jahre 1370, in dem sie dreiundzwanzig Jahre alt wurde. CLAUDIO LEONARDI hat in seiner hervorragenden Studie Katharina in den Kontext der spätmittelalterlichen Laien- und Frauenbewegung gestellt und sie mit Margherita von Cortona und anderen Frauen verglichen, die von einer ähnlichen religiösen Einstellung bestimmt waren. Gemeinsam ist ihnen allen - wie wir es schon bei Angela von Foligno gesehen haben - daß sie es nicht mehr für nötig halten, in einen der etablierten Frauenorden einzutreten. Im Jahre 1370, ihrem dreiundzwanzigsten Lebensjahr, trat bei Katharina eine Wende ein. Der Papst Urban V. (Guillaume Grimoard), der im Herbst 1363 von Avignon nach Rom zurückgekehrt war, verließ nach dem Fehlschlagen seiner politischen Ziele am 5. September 1370 Italien und kehrte nach Avignon zurück. Katharina hatte ihm, wie auch Birgitta von Schweden, davon abgeraten, Rom zu verlassen. Birgitta hatte ihm sogar für diesen Fall den Tod prophezeit, der ihn dann auch am 19. Dezember 1370 ereilte. Im gleichen Jahr hatte Katharina eine Vision: Jesus erschien ihr, öffnete ihre Brust, nahm das Herz heraus und setzte ihr sein Herz dafür ein. Damit war so etwas wie ein Austausch der Persönlichkeiten, eine vollkommene mystische Vereinigung zwischen Katharina und Jesus vollzogen. Durch den Tausch gewann Katharina eine große Selbstsicherheit. Sie trat nunmehr in die Öffentlichkeit, die Welt hinaus und begann mit dem Papst und den anderen kirchlichen und weltlichen Großherren ihrer Zeit eine politische Korrespondenz. Ihre Einsamkeit war, wie sie selbst sagte, von da an nur noch in ihr selbst, also eine rein innerliche: sie brauchte nicht mehr den äußeren, körperlichen Rückzug. In den ihr bis zu ihrem Tod (1380) verbleibenden zehn Jahren mischte sie sich in alle wichtigen kirchlichen und politischen Geschehnisse in ihrem Blickfeld ein. Sie trat mit großer Kühnheit auf und beanspruchte für sich nicht weniger als die geistliche, prophetische Führerschaft über die Christenheit ihrer Zeit. Um die Mitte Juni 1376 erschien sie in Avignon, wo sie drei Monate blieb, um den Papst Gregor XI. (Pierre Roger) von der notwendigen Rückkehr nach Rom zu überzeugen. Daß der Papst schließlich am 13. September Avignon verließ und am 17. Januar 1377 in Rom seinen Einzug hielt, ist jedoch nicht allein dem Einfluß Katharinas zuzuschreiben. Mit Gregor X I . unterhielt sie auch danach noch eine lebhafte Korrespondenz. In ihren Briefen kritisiert sie offen und schonungslos den zeitgenössischen Klerus und ermahnt den Papst, Remedur zu schaffen. Ihr großes politisches Ziel, für das sie unablässig wirbt, ist das Zustandekommen eines Kreuzzugs gegen den Islam.
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Katharina von Siena B l u t m y s t i k in d e n B r i e f e n
Der Anfang der meisten Briefe Katharinas ist nach dem folgenden Schema stilisiert: Al nome di Gesù Cristo crocifisso e di Maria dolce. Carissimo signore e padre in Cristo dolce Gesù. Io Catarina, serva e schiava de' servi di Gesù Cristo, scrivo a voi nel prezioso sangue suo, con desiderio di vedervi... Ganz am Anfang wird der Anspruch markiert, in dem die Prophetin schreibt: im Namen des gekreuzigten Christus und seiner Mutter; dann folgt die A n rede; darauf die Absenderin, die sich, ähnlich dem Papst (!) als „Dienerin und Sklavin der Diener Jesu Christi" bezeichnet; bemerkenswert ist ferner, daß sie „im kostbaren Blute Christi" schreibt, das heißt: es geht um die Erlösung, das persönliche Heil des Adressaten, und Katharina tritt als (priesterliche) Vermittlerin dieses Heils auf. Schließlich bringt sie in der Anrede den Wunsch zum Ausdruck, den Adressaten zu sehen: als mannhaften Ritter, der mannhaft kämpft zum Lob und Ruhm des Namens Gottes; als Beobachter der heiligen und süßen Gebote Gottes; als eine feste und stabile Säule im Garten der heiligen Kirche; oder ähnliche Formulierungen. D e m Blut Christi kommt in der mystischen Vorstellungswelt Katharinas eine zentrale Bedeutung zu. A n Leonardo Frescobaldi, Mitglied einer vornehmen florentinischen Familie, schreibt sie (es ist einer ihrer kürzesten Briefe, und sie gibt in ihm so etwas wie einen Abriß ihrer Spiritualität): 5 In Namen des gekreuzigten Jesus Christus und der süßen Maria. Liebster Sohn in Christus, dem süßen Jesus! Ich, Katharina, Dienerin und Sklavin der Diener Jesu Christi, schreibe an Euch in seinem kostbaren Blute, mit dem Wunsch, Euch gebadet und untergetaucht zu sehen im Blut des gekreuzigten Christus, deshalb weil in ihm jeglicher Fehler und Eigenwille verzehrt wird, welcher Wille Ursache und Instrument des Todes der Seele ist. So, wenn unser Wille gänzlich im Blute verzehrt ist, dann gibt es der Seele Leben, weil sie bekleidet ist mit dem höchsten und ewigen Willen Gottes. O allersüßerster Willen, der du Leben gibst und den Tod wegnimmst, das Licht schenkst und die Finsternis aufzehrst! Du nimmst jegliche Pein der Anfechtung von der Seele weg und du nährst sie (ingrassi: du machst sie fett) im Duft der Tugenden, kleidest sie mit dem hochzeitlichen Kleid des Feuers der göttlichen Liebe und läßt sie am Tisch des Kreuzes die Speise der Ehre und des Heils der Seelen essen, und du schenkst die süße Salbe des Friedens und der Ruhe der Seele und des Leibes, so daß sie, auf stürmischer See befindlich, dennoch in Frieden dahinsegelt.
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Dieser ganze Schatz ist Geschenk vonseiten Gottes in der Seele, wenn sie bekleidet ist mit seinem ewigen Willen und ihres eigenen Willens beraubt ist, weil nämlich der eigene Wille beständig Sturm und Bitterkeit gibt und erzeugt. Es folgt also daraus, daß derjenige, der seinen Willen im Blut untergetaucht hat, in vollendetem Frieden ist. Ein anderer Weg und eine andere Weise gibt uns nicht das Unterpfand des ewigen Lebens in diesem Leben zu kosten und dort die Auszahlung zu bekommen. Und deshalb sage ich Euch, daß ich wünsche, Euch untergetaucht zu sehen im Blute des gekreuzigten Christus. Weiter sage ich nichts. Verbleibt in der heiligen und süßen Liebe Gottes. Süßer Jesus, Jesus Liebe! Ein Blut-Brief im vollen Sinne des Wortes ist der Brief, den sie ihrem Seelenführer Fra Raimondo da Capua schrieb. 6 Ihn hatte ihr der Dominikanerorden im Jahre 1374 als Aufpasser an die Seite gestellt. Raimondo wurde 1380 (sechsundzwanzigster) Generalmagister des Predigerordens. Er starb am 5. Oktober 1399 in Nürnberg und wurde in der Kirche San Domenico zu Neapel bestattet. Anlaß des Briefes an Fra Raimondo war die Hinrichtung eines jugendlichen Verbrechers, Niccolò di Toldo aus Perugia, der Katharina, wie man sehen wird, in nächste Nähe beiwohnte. Weil die aufmerksame Lektüre dieses Briefes viele hundert Seiten Sekundärliteratur über die religiöse Vorstellungswelt Katharinas ersetzt, wird er hier im vollen Wortlaut zitiert: Im Namen Jesu Christi des Gekreuzigten und der süßen Maria. Geliebter und liebster Vater und mein lieber Sohn in Christus Jesus! Ich, Katharina, Dienerin und Sklavin der Sklaven Jesu Christi, schreibe an Euch, indem ich mich empfehle im kostbaren Blut des Sohnes Gottes, mit dem Wunsch, Euch glühend und untergetaucht zu sehen in diesem seinem überaus süßen Blut, welches Blut durchdrungen ist mit dem Feuer seiner brennenden Liebe. Dies begehrt meine Seele, nämlich Euch in diesem Blute zu sehen, Euch und Nanni und Jacomo, Sohn! Ich sehe kein anderes Heilmittel, durch das wir zu den Haupttugenden gelangen, die uns notwendig sind. Süßester Vater, Eure Seele, die sich mir als Speise gegeben hat, - und es vergeht kein Augenblick, in dem ich nicht diese Speise am Tisch des süßen Lammes nehme, das mit so brennender Liebe verblutet ist, - ich sage, sie gelangte nicht zu den kleinen Tugenden der wahren Demut, wenn Ihr nicht untergetaucht wäret im Blut. Diese Tugend wird aus dem Haß geboren werden, und der Haß aus der Liebe. Und so wird die Seele mit der vollkommensten Reinheit geboren werden, wie das Eisen gereinigt aus dem Ofen kommt. Ich will also, daß Ihr euch in die geöffnete Seitenwunde des Sohnes einschließt, die ein geöffneter Laden, voller Duft, ist, in der Weise, daß die Sünde Euch duftend wird. Dort ruht sich die süße Braut im Bett von Feuer und Blut aus. Dort sieht man und wird offen gezeigt das Geheimnis des Herzens des Sohnes Gottes. O angestochenes Faß, das du zu trinken gibst und jegliches verliebte Begehren trunken machst und Freude gibst und jegliche Absicht erleuchtest und jegliche Erinnerung erfüllst, die sich dort ermüdet; in der Weise, daß sie nichts anderes behalten, nichts anderes erstreben, nichts anderes lieben kann außer diesem süßen und guten Jesus. Blut und Feuer, unschätzbare Liebe! Denn meine Seele wird selig sein, Euch so untergetaucht zu sehen. Ich will, daß Ihr es wie der macht, der das Wasser mit dem Eimer schöpft und es über etwas anderes ausgießt. Und so
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Katharina von Siena gießt Ihr das Wasser des heiligen Begehrens über dem Kopf eurer Brüder aus, die unsere Glieder sind, gebunden im Körper der süßen Braut. Und seht zu, daß Ihr euch niemals infolge dämonischer Illusionen - ich weiß, daß Euch solche in Verlegenheit gebracht haben und noch bringen werden - oder auf das Wort irgend einer Kreatur hin zurückzieht, sondern haltet jede Woche durch, wenn Ihr die Sache kälter seht, bis wir das Blut spritzen sehen mit süßen und verliebten Begierden. Auf, auf mein süßester Vater, wir wollen nicht mehr schlafen! Denn ich höre Neuigkeiten, so daß ich kein Bett und kein Lager mehr will. Ich habe schon begonnen, in meinen Händen einen Kopf aufzunehmen, der mir von solcher Süßigkeit war, daß es das Herz nicht fassen, die Zunge nicht aussprechen, das Auge nicht sehen, die Ohren nicht hören können. Das Begehren nach Gott ging unter die anderen, vorher geschehenen Geheimnisse. Die erwähne ich nicht, weil es zu lange wäre. Ich ging den besuchen, über den Ihr Bescheid wißt [Niccolò di Toldo]. Dadurch empfing er eine solche Stärkung und Tröstung, daß er beichtete und sich sehr gut vorbereitete. Und er nahm mir um der Liebe Gottes willen das Versprechen ab, daß ich, wenn die Zeit der Justiz [d. h., der Hinrichtung] da wäre, bei ihm wäre. Und so versprach ich und tat ich. Dann ging ich am Morgen vor dem Läuten zu ihm. Und er empfing großen Trost. Ich führte ihn zum Hören der Messe, und er empfing die heilige Kommunion, die er niemals mehr empfangen hatte. Dieser Wille befand sich in Übereinstimmung und Ergebenheit mit dem Willen Gottes. Es war nur eine Furcht übrig geblieben: nicht stark zu sein bezüglich dieses Punktes. Aber die maßlose und glühende Güte Gottes täuschte ihn, indem sie ihm so große Zärtlichkeit und Liebe in der Sehnsucht nach Gott schuf, daß er ohne ihn nicht bestehen konnte und sagte: „Steh mir bei und verlaß mich nicht! Und so werde ich mich auf jeden Fall gut befinden, und ich sterbe zufrieden." Und er hielt seinen Kopf an meine Brust. Da spürte ich einen Jubel und einen Duft seines Blutes. Und er war nicht ohne den Duft meines eigenen Blutes, das ich verspritzen möchte für den süßen Bräutigam Jesus. Und als das Begehren in meiner Seele wuchs und ich seine Furcht spürte, da sagte ich: „Sei stark, mein süßer Bruder! Denn bald werden wir zur Hochzeit kommen, gebadet im süßen Blut des Sohnes Gottes, mit dem süßen Namen Jesu, der - so will ich - niemals wieder aus deinem Gedächtnis schwinden wird. Und ich erwarte dich am Ort der Justiz [d.h., an der Hinrichtungsstätte]." Nun denkt Euch, Vater und Sohn, daß sein Herz da alle Furcht verlor, und auf seinem Gesicht erschien statt Trauer Freude. Und er freute sich, jubelte und sagte: „Woher kommt mir solche Gnade, daß die Süßigkeit meiner Seele mich am Ort der Justiz erwarten wird?" Ihr seht, daß er zu einem solchen Zustand der Erleuchtung gekommen war, daß er den Ort der Justiz heilig nannte! Und er sagte: „Ich werde ganz freudig und stark gehen. Und es kommt mit vor, daß ich tausend Jahre brauche, um dorthin zu kommen, wenn ich daran denke, daß Ihr mich dort erwartet." Und er sagte so süße Worte über die Güte Gottes, daß man bersten könnte (che è da scoppiare). Ich erwartete ihn also am Ort der Justiz. Und ich wartete dort mit beständigem Gebet und mit Beistand Marias und der Jungfrau und Märtyrin Katharina. Aber bevor ich z u ihr gelangte, legte ich mich nieder u n d legte den Hals auf d e n Klotz.
Aber es kam nicht dazu, daß ich das Empfinden von mir in vollem Maße hatte.
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Ich ging hinauf, unternahm eine Anstrengung und sagte: „Maria!" und daß ich diese Gnade wollte, daß sie ihm an diesem Punkt ein Licht und einen Herzensfrieden gäbe, und daß ich ihn dann sähe, wie er sich zu seinem Ende wandte. Da füllte sich meine Seele so, daß ich, obwohl dort eine große Volksmenge war, keine Kreatur sehen konnte wegen des süßen Versprechens, das mir gegeben worden war. Dann kam er wie ein sanftes Lamm. Und als er mich sah, da begann er zu lachen. Und er wollte, daß ich das Kreuzzeichen über ihn machte. Und als er das Kreuzzeichen empfangen hatte, da sagte ich: „Auf, zur Hochzeit, mein süßer Bruder! Bald wirst du im ewigen Leben sein!" Er legte sich hin mit großer Sanftmut. Und ich zog ihm den Hals lang und neigte mich hinab und rief ihm das Blut des Lammes ins Gedächtnis. Sein Mund sagte nur: „Jesus" und: „Katharina". Und während er das sagte, empfing ich den Kopf in meinen Händen. Ich machte das Auge in der Güte Gottes fest und sagte: „Ich will." Da sah man den Gott-Menschen, wie man die Helligkeit der Sonne sehen kann. Und er stand offen und nahm das Blut auf. In seinem Blut war ein Feuer heiligen Begehrens, gegeben und verborgen in seiner Seele durch Gnade. Er nahm es auf in das Feuer seiner göttlichen Liebe. Denn er hatte sein Blut und sein Begehren aufgenommen, und er nahm seine Seele auf, die er in den offenen Laden seiner Seitenwunde tat, voller Barmherzigkeit. So tat er die erste Wahrheit kund, daß er ihn allein aus Gnade und Barmherzigkeit aufnahm und nicht aufgrund irgend einer anderen Tätigkeit. O, wie süß und unschätzbar war es, die Güte Gottes zu sehen! Mit welcher Süße und Liebe erwartete er diese Seele, als sie sich vom Leib gelöst hatte! Er wandte das Auge der Barmherzigkeit zu ihr, als sie kam und in die mit seinem Blut erfüllte Seitenwunde eintrat, das mit dem Blut des Sohnes Gottes gleichwertig war. So wurde er von Gott aufgrund seiner Macht empfangen - er ist mächtig, es tun zu können - . Und der Sohn, Weisheit und fleischgewordenes Wort, gab ihm die gekreuzigte Liebe und ließ ihn daran teilhaben, mit der er den peinvollen und schimpflichen Tod empfing, aus Gehorsam, den er gegenüber dem Vater beobachtete zum Nutzen der menschlichen Natur und des Menschengeschlechts. Und die Hände des Heiligen Geistes schlossen ihn darin ein. Aber er tat noch etwas Süßes, das tausend Herzen bewegte. Und ich wundere mich darüber gar nicht. Denn er genoß ja bereits die göttliche Süße. Er drehte sich nun, wie es die Braut tut, wenn sie am Hauseingang ihres Verlobten angekommen ist: sie dreht das Auge und den Kopf nach hinten und verneigt sich gegenüber ihrer Begleiterin, und sie gibt mit diesem Akt ein Zeichen ihrer Dankbarkeit. Als er zur Ruhe gelangt war, da ruhte sich meine Seele in Frieden und Ruhe aus, in einem solchen Duft von Blut, daß ich es nicht ertragen konnte, mir das Blut abzuwaschen, das von ihm über mich gespritzt war. Ach, elende Elendige! Ich will nicht mehr sagen. Ich blieb auf der Erde zurück mit übergroßem Neid. Und es scheint mir, daß der erste Stein schon gesetzt ist. Deshalb wundert euch nicht, wenn ich Euch nichts anderes auferlege, als daß ich Euch untergetaucht sehen möchte im Blut und Feuer, das die Seitenwunde des Sohnes Gottes ausgießt. Also keine Nachlässigkeit mehr, meine süßen Söhne, weil das Blut beginnt auszufließen und das Leben zu empfangen! Süßer Jesus! Jesus Liebe!
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Katharina v o n Siena
In diesem „Blutbrief" kommt der dreifache Aspekt der Mystik Katharinas zur Sprache: 1. Blutmystik: das Blut verbindet die Menschen untereinander, aber es verbindet auch - über den geopferten Gott-Menschen - mit der Gottheit; 2. Brautmystik: durch die Verbindung des Blutes wird eine Liebesvereinigung zwischen Menschen, dann zwischen Mensch und Gott hergestellt; (die letzten Worte des Todeskandidaten, bevor Katharina seinen Kopf auffängt, sind: „ G e s ù " und: „Catarina"); 3. Opfermystik: die Hinrichtung wird durch die Aufnahme des Blutes durch den Gottessohn zum Opfertod, dessen vermittelnde Priesterin Katharina ist. Der hohe Rang dieses Geschehens (in den Augen Katharinas) ist daran abzulesen, daß sie hierüber den Priester, Dominikaner und Theologen Raimondo von Capua belehrt.
E s s e n als Selbstbestrafung Wir haben schon das Phänomen der „heiligen Anorexie" kurz erwähnt. Eine ausführliche Lebensbeschreibung Katharinas hat ihr Beichtvater Raimondo von Capua, der nach ihrem Tode zum Generalmagister des Predigerordens aufstieg, verfaßt.7 In ihr berichtet er ausführlich über die Eßgewohnheiten der Heiligen: wie sie versuchte, sich allmählich das Essen ganz abzugewöhnen und schließlich, ab ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr nur noch von der Kommunion gelebt habe.8 Ein kürzeres „Elogium S. Catharinae Senensis" verfaßte der Kartäuserprior Stephanus von Siena (er lebte in der berühmten Certosa S. Maria de Gratia bei Pavia), der Katharina ebenfalls noch persönlich gekannt hatte. Raimund von Capua berichtet über Katharinas Hungerkünste: 9 D e m äußeren Menschen nach war ihr L e b e n ebenfalls wunderbar. Denn, wie in ihrer Legende aufgeschrieben ist, wurde ihr jungfräuliches Körperchen manchmal über einen langen Zeitraum hin ohne jede materielle Speise am Leben gehalten, und sie nahm nicht einmal einen T r o p f e n Wasser zu sich. Ich w ü r d e das für unmöglich halten, wenn ich es nicht mit eigenen A u g e n in R o m gesehen hätte. Zeitweise lebte sie nur v o m E m p f a n g des hochwürdigen Sakraments der K o m m u n i o n . D o c h war ihre Lebensweise, die sie über lange Zeit hin einhielt und die ich mehrere Jahre sah, die folgende: Fleisch, Wein, K o n f e k t und Eier verabscheute sie sehr. Ihre Gefährtinnen bereiteten ihr gewöhnlich rohe Kräuter zu, die wir Salat nennen, wenn sie solche b e k o m m e n konnten, und manchmal eine Mahlzeit aus G e müse mit O l . V o m Aal aß sie nur den K o p f und den Schwanz. Käse aß sie nicht, außer wenn er schön faul war, desgleichen Trauben und ähnliches. A b e r sie aß diese D i n g e nicht, sondern sie kaute sie mit ihrem Zähnen, manchmal z u s a m m e n mit Brot, manchmal ohne Brot, indem sie den Saft schluckte und die feste Materie des Bissens ausspuckte, und indem sie sehr oft reines Wasser trank, vielmehr schlürfte. U n d so tat sie es die ganze Zeit über, in der ihre Gefährtinnen am Tisch beim Essen saßen. D a n n stand sie auf und sagte: „Laßt uns jetzt zur Justiz dieser elenden Sünderin gehen!" 1 0 U n d mit einem Grashalm oder einem anderen H a l m , den sie bis z u m M a g e n einführte, ließ sie auf dem gleichen W e g den Saft und das getrunkene Wasser gewalt-
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sam wieder nach außen treten. Und manchmal erlitt sie bei diesem Akt eine solche Gewalt, daß aus ihrem Mund ein Bach von Blut austrat. Hier wird nun die Meinung einiger Ungläubiger widerlegt, die sie fälschlicher Weise herabsetzten und sagten: „Obwohl die da nicht offen mit den anderen ißt, so ißt sie doch insgeheim nachher." Die allereinfachste Wahrheit ist die, die wir alle ganz offen über lange Zeit hin sahen: Wenn sich in ihrem Magen irgend eine Substanz eines Saftes befand, und wenn es auch nur so viel wie eine Haselnuß war, dann wurde ihr Körper schwach und gänzlich unfähig. Zuweilen kamen zu ihr hochgestellte Männer zu der Zeit, wenn sie diese Justiz hätte vollziehen müssen [d. h., wenn sie eigentlich kotzen wollte], um ihren Ausdruck zu gebrauchen. U n d dann mußte sie, um ihnen zur Verfügung zu stehen, diesen Akt verschieben. Aber dann fiel sie plötzlich in Ohnmacht und wurde wie eine Tote, bis sie diese Entleerung zustande gebracht hatte. Dies aber haben wir, um es einmal so zu sagen, unendlich viele Male gesehen. Ich beobachtete das aufmerksam und sagte zu ihr in aller Offenheit: „Geliebte Mutter, ich sehe, daß Ihr die Stärkung dessen, was Ihr zu euch nehmt, nur so kurze Zeit im Magen behaltet, daß die Natur entweder überhaupt keine oder nur eine geringe Unterstützung davon haben kann, hauptsächlich weil Ihr es mit so großer Schwierigkeit, Bitternis und Pein wieder nach oben holt. Deshalb wäre es vielleicht besser, wenn Ihr euch vom Essen ganz enthieltet." Begabt mit außerordentlicher Urteilskraft wie sie war, antwortete sie mir: „Geliebter Sohn, ich habe bei diesem Essen mehrere Gesichtspunkte im Auge. Einer ist, daß ich Gott gebeten habe, er möchte mich in diesem Leben für die Sünde der Gefräßigkeit strafen; deshalb nehme ich diese Züchtigung gern an, die mir Gott gewährt. Sodann versuche ich, einer Menge Leute entgegenzukommen, die an mir Anstoß zu nehmen schienen, als ich nicht aß. Sie behaupteten nämlich, der Teufel täusche mich: Deshalb esse ich so, wie es mir gestattet wird. Ein weiterer Gesichtspunkt kann auch sein, daß durch diese körperliche Pein der Geist irgendwie zu den körperlichen Fähigkeiten zurückkehrt. Anders würde der Körper vielleicht ohne Empfindung zurückbleiben, weil der Geist so sehr absorbiert ist." Als ich das gehört hatte, schwieg ich, weil ich nichts hatte, um ihr zu erwidern.
Besondere Arten der Vereinigung mit dem himmlischen Bräutigam W e n n m a n meint, es sei keine weiter S t e i g e r u n g an religiös motivierter W i derwärtigkeit m e h r m ö g l i c h , d a n n m u ß m a n die G e s c h i c h t e v o n der alten F r a u A n d r e a s lesen, die der B i o g r a p h berichtet. 1 1 A n d r e a s litt an B r u s t k r e b s in f o r t g e s c h r i t t e n e m S t a d i u m . K a t h a r i n a d r ü c k t e d e n Eiter des stinkenden G e s c h w ü r s aus, w u s c h die W u n d e , s a m m e l t e Eiter u n d W a s s e r in einer S c h ü s s e l u n d trank d a s G a n z e in einem Z u g aus. D a n a c h sagte sie z u i h r e m Beichtvater R a i m u n d v o n C a p u a : „ N i e m a l s , seit meiner G e b u r t , h a b e ich eine S p e i s e o d e r ein G e t r ä n k v o n s o s ü ß e m u n d g u t e m G e s c h m a c k z u mir g e n o m m e n . " In der d a r a u f f o l g e n d e n N a c h t erscheint ihr der h i m m l i s c h e B r ä u t i g a m C h r i s t u s , u m sie f ü r diesen Sieg ü b e r sich selbst z u belohnen. W o m i t ? „ M i t
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einem Trunk, der aus jeglicher menschlicher N a t u r und Gewohnheit herausfällt": sie darf „gierig und reichlich" (tarn avide quam abunde) über längere Zeit hin aus seiner Seitenwunde Blut trinken. N a c h d e m Katharina aus der Seitenwunde Christi getrunken hatte, häuften sich ihre Ekstasen. Eines Tages hatte sie das Gefühl, daß Jesus ihr die Brust auf der linken Seite öffnete und ihr H e r z entnahm. K u r z e Zeit darauf erschien er ihr wieder, u m ihr sein eigenes H e r z einzusetzen. A n der betreffenden Stelle blieb als Zeichen dieses Wunders eine N a r b e zurück. Fortan betete sie nicht mehr: „Herr, ich empfehle dir mein H e r z " , sondern: „Ich empfehle dir dein Herz." 1 2 Während des Karnevals, der auch von ihren Anhängern und Begleitern gefeiert wurde, erschien Christus der fastenden Katharina, um mit ihr das Fest der Hochzeit ihrer Seele zu feiern. Die Jungfrau Maria selbst nahm sie bei der H a n d und führte sie ihrem Sohn zu. Bei der imaginären Zeremonie anwesend waren auch der Evangelist Johannes, der Apostel Paulus, der heilige Dominikus und der König David, der die H a r f e spielte. Jesus steckte ihr einen kostbaren Ring mit vier Perlen und einem Diamanten an den Finger, w o er von da an für immer verblieb - allerdings nicht so, daß er für jedermann sichtbar gewesen wäre, sondern nur in Katharinas eigener Vorstellung."
Theologisch motivierte Kirchenpolitik Wir haben bereits die Briefe erwähnt, die Katharina an den Papst G r e g o r X I . schrieb. Ihre Ausdrucksweise ist stellenweise noch drastischer als diejenige Birgittas von Schweden. Eines ihrer Hauptanliegen ist die Kirchenreform. D a s Schändlichste von allem, was auch G o t t am abscheulichsten vorkommen muß, sind die Spitzen der kirchlichen Hierarchie, die Bischöfe und Prälaten. Sie müßten eigentlich duftende Blumen sein und ihr Leben sollte ein Spiegel der Tugenden sein, das sie zu leuchtenden Vorbildern machte, die für die Ehre Gottes und die Rettung der Seelen einträten. Statt dessen verströmen sie nach allen Seiten den Gestank ihrer Laster. Sie treten nur für sich selbst ein und vereinigen ihre Verbrechen mit denen anderer. 14 Ihr zweites großes Anliegen ist die Wiederherstellung des Friedens zwischen den italienischen Mächten, insbesondere zwischen dem Papst, Florenz und den anderen Stadtstaaten der Toscana. Dieser Friede, zu dem sie den Papst im N a m e n des gekreuzigten Christus und Gottes auffordert, soll jedoch hauptsächlich einem Ziel dienen: der Bekehrung der Nichtchristen durch einen Kreuzzug.' 5 D a s Zustandekommen des Kreuzzuges gegen die Muslime, die Ungläubigen, ist das eigentliche politische Ziel Katharinas, für das sie unablässig wirbt und wirkt. Deshalb soll sich der Papst mit Florenz, Lucca, Pisa und Siena versöhnen, und diese Städte sollen ihre Streitigkeiten untereinander beenden. Deshalb soll der Papst schleunigst nach R o m zu-
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rückkehren. Als Stellvertreter Christi muß er diesem in seinem Leiden nachfolgen. Er muß den schändlichen Tod am Kreuz suchen und bereit sein, für den Frieden der Welt sein Blut herzugeben.'6 Hier haben wir den Zusammenhang von Katharinas Kreuzzugspropaganda mit ihrer Blutmystik. Dem Papst ist aufgetragen, „das Banner des allerheiligsten Kreuzes über den Ungläubigen zu hissen. Dann könntet Ihr das Blut des Gotteslammes auch den bedauernswerten Ungläubigen reichen, denn Ihr seid der Kellermeister dieses Blutes und verwahrt die Schlüssel dazu."17 Gregor X I . kehrte zwar nach Rom zurück, starb aber 1378, ohne die geistlichen und kirchenpolitischen Anliegen Katharinas verwirklicht zu haben. Wenn wir dem Pariser Theologen Jean Gerson glauben dürfen, dann hat er die an seinem Sterbelager Anwesenden beschworen, sich vor Männern und Frauen in acht zu nehmen, „die unter dem Vorwand religiöser Gesinnung in ihrem Kopf entsprungene Visionen verkündeten, weil er selbst durch solche verleitet worden sei, den vernünftigen Rat seiner Umgebung beiseitezulassen und sich und die Kirche in die Gefahr des damals drohenden Schismas zu bringen". 18 Es ist klar, daß Gregor X I . damit auf seine verfrühte Rückkehr nach Rom anspielt; und wer ihn dazu, unter Berufung auf göttliche Offenbarungen, drängte, weiß man. In einer chaotisch verlaufenden Wahl wurde am 7./8. April 1378 der Erzbischof von Bari, Bartolomeo Prignano zum Papst gewählt. Er nannte sich Urban VI. Schon nach kurzer Zeit wandten sich die Kardinäle von dem boshaften, unberechenbaren Psychopathen ab und wählten den Kardinal Robert von Genf, der sich Clemens VII. nannte." Das war der Beginn des großen abendländischen Schismas. Katharina hielt zu Urban VI., an den sie mehrere Briefe geschrieben hat. Sie hat auch vor dem Papst und der Römischen Kurie gepredigt. Die durch das Schisma in zwei und bald in drei Obödienzen gespaltene Kirche blieb in den folgenden Jahrzehnten mit sich selbst beschäftigt und konnte nicht mehr an die Verwirklichung außenpolitischer Ziele denken. Katharina hatte sich über die Zukunft der Kirche getäuscht. Der Gott, der sich ihr offenbart hatte, und der Weltgeist der Geschichte gingen andere Wege. Wie CLAUDIO LEONARDI zutreffend festgestellt hat, beginnt hier die Entwicklung, die von der mittelalterlichen Christianitas, die „ein über allem stehender, weltumspannender Sozialkörper" war, wegführte und zu einem Verständnis von Kirche als einer „Gesellschaft für sich" (societas perfecta) führte, „so wie es später die Kommunistische Internationale sein sollte; und eine ideale Gesellschaft nur für den, der sie so sehen wollte". Nach LEONARDI war damit auch das Ende des Prophetentums gekommen, weil in dem neuen Verständnis von Kirche kein Platz mehr war für die unmittelbare Verkündigung einer göttlichen Botschaft. Die Amtskirche strebte vielmehr zunehmend danach, „das Wort zu ihrem Besitz und die Verkündigung zu ihrem ausschließlichen Monopol zu machen".20
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Das Ende der Priesterin In dem Jahr der Kirchenspaltung (1378) hat Katharina ihr mystisches Offenbarungsbuch „Dialogo della divina provvidenza" verfaßt. Generalthema ist die Liebe, in der Gott und Mensch vereint sind. Gott und die Seele sind ineinander, sie leben das gleiche Leben. Sie sind in einem „friedlichen Meer" vereinigt. Wie Katharina behauptet, hat Gott ihr den „Dialogo" selbst diktiert. Sie selbst diktierte den Text dann drei Schreibern, die ihrem Redefluß kaum folgen konnten. Das sieht man dem Buch auch an: es ist ein Wasserfall, nein, ganze Wortkaskaden, die ausgeschüttet werden und die einen krank machen können. Man braucht sich das Ganze nur vorzustellen, wie es auf Italienisch von einer italienischen Frauenstimme herausgeschnattert und herausgeschrien wird, und man ergreift innerlich die Flucht. Katharina starb im Alter von dreiunddreißig Jahren am 29. April 1380. Sie wurde in Anwesenheit der römischen Behörden in der Dominikanerkirche Santa Maria sopra Minerva bestattet. Ein gewisser Barduccius (Barducci), ein Anhänger Katharinas, der mit ihr nach R o m gekommen war, war bei ihrem Tode anwesend und hat über ihre letzten Stunden einen Bericht verfaßt.21 Demnach hat sie kurz vor Eintreten des Todes für die Katholische Kirche gebetet, für die sie, wie sie sagte, ihr Leben hingab. Dann betete sie für Urban VI. und sagte, er sei der rechtmäßige Papst. Sie ermahnte ihre Anhänger, für diese Wahrheit ohne Bedenken ihr Leben einzusetzen. Dann betete sie mit der allergrößten Inbrunst für alle ihre geliebten Söhne und Töchter, die der Herr in besonderer Weise ihrer Liebe anvertraut hatte. Sie gebrauchte aber viele von den Worten, die unser Erlöser gebraucht hatte, als er seine Jünger dem Vater anempfahl. Und sie betete mit einer solchen Gemütsbewegung, daß nicht nur unsere Herzen, sondern sogar die Steine sich hätten spalten können, wenn sie es gehört hätten. Dann zeichnete sie das Kreuzzeichen und segnete uns alle, und so näherte sie sich dem äußersten und begehrtesten Ende des Lebens, indem sie in beständigem Gebet verharrte und sprach: „Du, Herr, rufst mich, und ich komme zu dir. Ich komme aber nicht aufgrund meiner Verdienste, sondern nur durch deine Barmherzigkeit. Diese Barmherzigkeit erbitte ich von dir in der Kraft des Blutes." Dann rief sie mehrmals aus: „Blut! Blut!" Schließlich sagte sie nach dem Vorbild des Erlösers: „Vater, in deine Hände empfehle ich meine Seele und meinen Geist!" Und so neigte sie sanft, mit strahlendem Engelsgesicht, ihren Kopf und gab den Geist auf.
FERDINAND GREGOROVIUS, der in Katharina eine Priesterin ihrer Zeit sah, hat auf sie einen seiner geistvollen Nachrufe verfaßt. Darin hebt er hervor, daß sie „eine geschichtliche, weil moralische Kraft ihrer Epoche war, wie lange vor ihr Mathilde von Canossa und vierzig Jahre nach ihr die Jungfrau von Orleans". Die Wirkung, die die Färberstochter von Siena auf ihre Zeitgenosen hatte, beruhte nach G R E G O R O V I U S „auf der Gewalt eines genialen und prophetischen Frauengemüts".
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Pius II. (Enea Silvio Piccolomini: 1458-1464) hat Katharina am 29. Juni 1461 kanonisiert. Paul VI. Montini erhob sie im Jahre 1971 als erste Frau zur Kirchenlehrerin (Doctor universalis Ecclesiae).23 Das Dokument, in dem das geschieht, ein sogenannter „Apostolischer Brief" (Litterae Apostolicae), ist weithin nichtssagend. Es enthält keinerlei sachliche Informationen über Katharina. Allerdings wird die Bedeutung der „Christi sanguinis virtus" in ihrer Theologie hervorgehoben. Aber kann im Ernst angenommen werden, daß Katharinas Blut-Theologie Maßstäbe für das heutige theologische Denken setzt? Oder sollen etwa die Hunger- und Auswürgepraktiken dieser Kirchenlehrerin als vorbildlich für den Umgang mit der Nahrung hingestellt werden? Oder ist auch diese Verlautbarung des Apostolischen Stuhls nur ein Specimen der Wortinflation päpstlicher Dokumente der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die unter diesem Papst ihren Anfang nahm?24
17 JEANNE D'ARC
Die Jungfrau und Tochter Gottes Urteile der Nachwelt An Jeanne d'Arc scheiden sich die großen Geister Europas, und einige der größten von ihnen haben die Gelegenheit wahrgenommen, an ihr ihre schwachen Seiten zu offenbaren und sich zu blamieren. Den Anfang damit machte die erhabenste und ehrwürdigste Anstalt der westlichen Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter, die Hochburg ihrer Wissenschaft und Gelehrsamkeit, die Universität Paris. Es waren ihre Theologen und Juristen, die mit dem Anspruch der höchsten Lehrautorität der „streitenden Kirche" auf Erden (ecclesia militans) Johannas Tod ins Werk setzten und rechtfertigten, womit sie in den Augen aller rechtlich denkenden Menschen der kommenden Generationen das Urteil über sich selbst sprachen. An Johanna scheitert sodann Englands größtes dichterisches Genie, WILLIAM SHAKESPEARE. In seinem Drama, das die Jugend des Königs Heinrich VI. darstellt, erscheint die Pucelle als Zauberin, die das Herz des Dauphin Karl gewinnt, indem sie ihn und die Männer seiner Umgebung mit List umgarnt, schließlich aber von den Engländern (!) besiegt und gefangengenommen als „schwarze Dienerin der Hölle", „Hexe" und „Hure Frankreichs" hingerichtet wird. Vor der Verbrennung, die ihr eigener Vater verlangt, weil Erhängen eine zu milde Strafe wäre, bewahrt sie auch nicht ihre Schwangerschaft, deren Urheber ungewiß ist.1 Johanna ist bei SHAKESPEARE eine eher skurrile Randfigur. Seine Königsdramen drehen sich um den über Generationen sich hinziehenden Machtkampf der großen Häuser Lancaster und York, und die eigentlichen Protagonisten sind die Mitglieder dieser königlichen Familien. So ist derjenige, der die „Hexe" ihrem verdienten Schicksal zuführt, der soeben von Heinrich VI. rehabilitierte Richard Plantagenet, Herzog von York und Vater der späteren Könige Eduard IV. und Richard III. Die überragende geschichtliche Bedeutung der Jeanne d'Arc kannte SHAKESPEARE entweder nicht oder er hat sie bewußt verdrängt. Die dürftigen und ungenauen Nachrichten, die im 18. Jahrhundert über Jeanne im Umlauf waren, da die Akten ihrer Prozesse unbekannt waren, veranlaßten VOLTAIRE, süffisante Sottisen über die Pucelle und die Gestalten ihres Zeitalters in Verse zu gießen.2 In einem Artikel über sie in seinem „Philosophischen Wörterbuch" hat er sein Urteil über Jeanne und ihre historische Rolle zusammengefaßt: „Sie ist eine unglückliche Idiotin, die genügend Mut
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hatte, dem König und dem Vaterland sehr große Dienste zu erweisen."3 Hier wie in seinem „Essai sur les mœurs" behauptet er, Jeanne sei, entgegen der verbreiteten Meinung, kein einfaches Hirtenmädchen, sondern eine Kellnerin, ein Zimmermädchen in einer Kneipe von Vaucouleurs gewesen.4 Als sie der Festungskommandant Baudricourt zu ihrer Mission überredet habe, sei sie bereits siebenundzwanzig Jahre alt gewesen. Damit ist natürlich auch, in der Form einer „verdeckten Mitteilung", die Meinung VOLTAIRES über Johannas Jungfräulichkeit zum Ausdruck gebracht. Dagegen umgibt SCHILLER die „Jungfrau von Orléans" in seinem gleichnamigen Drama mit dem Glanz strahlenden und zugleich tragischen Heldentums. Er sieht in seiner Dichtung auch eine Art von Wiedergutmachung an Johannas Gestalt, die nach seiner Meinung durch VOLTAIRES aufklärerischen Rationalismus in den Schmutz gezogen wurde. Das Gedicht: „Das Mädchen von Orléans", das 1801, im Jahre der Vollendung der „romantischen Tragödie", veröffentlicht wurde, beginnt mit der Strophe: Das edle Bild der Menschheit zu verhöhnen, Im tiefsten Staube wälzte dich der Spott; Krieg führt der Witz auf ewig mit dem Schönen, E r glaubt nicht an den Engel und den Gott; Dem Herzen will er seine Schätze rauben, Den Wahn bekriegt er und verletzt den Glauben.
In der letzten Strophe stehen die Verse, die zum geflügelten Wort wurden: Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen Und das Erhabne in den Staub zu ziehn.
Gleichwohl ging es SCHILLER nicht um eine „historische" Wiedergutmachung an Johanna oder ihre Rehabilitation aufgrund der geschichtlichen Tatsachen. Er hat die geschichtlichen Ereignisse, soweit sie ihm bekannt waren, wie eine Asservatenkammer benutzt, um daraus mit den „Götterrechten" der Dichtkunst ein dramatisches Bild der Jungfrau von Orléans nach seiner Vorstellung zu gestalten. Doch gilt auch für SCHILLERS Schöpfung das, was er selbst an GOETHE geschrieben hat: Der Schein soll nie die Wirklichkeit erreichen, Und siegt Natur, so muß die Kunst entweichen.
Mit anderen Worten: Die geschichtliche Gestalt der Jeanne d'Arc, wie sie uns in den authentischen Akten ihrer Prozesse entgegentritt, ist denkwürdiger und größer als alle Versuche, ihr Wesen in dichterischen Gestaltungen zu erfassen. Zu den Schriftstellern, die sich am längsten und eingehendsten mit Johanna beschäftigt haben, gehört der Amerikaner MARK TWAIN, der eigentlich
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Samuel Langhorne Clemens hieß (1835-1910). MARK TWAIN suchte der Pucelle näherzukommen, indem er gewissermaßen in die Gestalt ihres Pagen und Sekretärs Louis de Conte (Louis de Coûtes) schlüpfte und aus dessen Perspektive ihr Leben erzählte. Bevor er mit seinem Werk begann, sammelte er - ab 1880 - zwölf Jahre lang Informationen und Material über Johanna und ihre Zeit. 1892 schließlich machte er sich in Florenz an die Niederschrift seines historischen Romanwerks, dessen erster Teil mit dem Einzug der Pucelle in Orléans endet und im Februar 1893 abgeschlossen war. Auf den Rat seines Verlegers Henry Mills Alden, des Herausgebers von Harper's Magazine, machte sich MARK TWAIN im Juli 1894 an die Fortsetzung des Romans. Er lebte damals in Etretat an der französischen Atlantikküste, zwischendurch auch einige Wochen in Rouen, in dem Haus 169 Rue de L'Université, das dem Bildhauer Frederick William Pomeroy (1857-1924) gehörte. Von seinem Verleger Alden borgte sich MARK TWAIN den Namen des gleichfalls fiktiven Ubersetzers der Erinnerungen des alten Louis de Conte ins Englische: Jean François Alden. Der zweite Teil des Romans erschien, wie schon der erste, in Fortsetzungen in Harper's Magazine. Ende Januar 1895 war das große zweibändige Werk vollendet. 5 MARK TWAIN hielt es für sein bestes Werk überhaupt. Er hatte Jeanne d'Arc einen wesentlichen Teil seines Lebens gewidmet; ihre Gestalt gehörte zu den zentralen Bestandteilen seiner religiösen Lebensauffassung. In dem sogenannten „Vorwort des Übersetzers" steht eine bemerkenswerte Würdigung des Charakters der Pucelle: Der Charakter der Jeanne d'Arc ist einzigartig. Er kann mit den Maßstäben aller Zeiten ohne Befürchtung oder Besorgnis hinsichtlich des Resultats gemessen werden. Ob man ihn mit einigen von ihnen oder allen insgesamt beurteilt, er bleibt stets makellos, er bleibt stets ganz vollkommen. Er nimmt den höchsten Platz ein, den Menschen je erreichen können, höher als ein anderer sterblicher Mensch jemals gelangt ist. Wenn wir bedenken, daß ihr Jahrhundert das brutalste, das niederträchtigste, das verkommenste in der Geschichte seit den dunkelsten Zeiten war, dann sind wir baß erstaunt über das Wunder einer solchen Frucht von einem solchen Boden. Der Kontrast zwischen ihr und ihrem Jahrhundert ist der Kontrast zwischen Tag und Nacht. Sie war wahrhaftig, als die Lüge die allgemeine Sprache der Menschen war; sie war anständig, als Anstand eine abhanden gekommene Tugend war; sie hielt ihre Versprechen, als das Halten eines Versprechens von niemandem erwartet wurde; sie gab ihren großen Geist großen Gedanken und großen Vorhaben hin, als andere große Geister sich selbst über netten Einfällen oder armseligen Ambitionen zerstörten; sie war bescheiden und vornehm und sanft, als laut und grob sein so gut wie allgemein üblich war; sie war voll Mitleid, als unbarmherzige Grausamkeit die Regel war; sie war standhaft, als Festigkeit unbekannt war, und ehrenhaft in einer Zeit, die vergessen hatte, was Ehre war; sie war ein Felsen an Überzeugungen zu einer Zeit, als Menschen an überhaupt nichts glaubten und über alles und jedes spotteten; sie war unfehlbar wahrhaftig in einem Zeitalter, das bis ins Innerste falsch war; sie hielt ihre persönliche Würde unbeeindruckt aufrecht in einem Zeitalter von Kriecherei und Servilität; sie bewies Mut und Unerschrockenheit, als Hoffnung und Mut in den Herzen ihrer Nation zugrundege-
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gangen waren; sie war fleckenlos rein an Seele und Leib, als die höchsten Ränge der Gesellschaft an beidem verdorben waren - sie war all das in einem Zeitalter, in dem das Verbrechen die alltägliche Beschäftigung von Herren und Fürsten war und als die höchsten Persönlichkeiten der Christenheit es fertig brachten, sogar die Menschen dieser niederträchtigen Epoche in Erstaunen zu versetzen und sie entsetzt vor dem Schauspiel ihres greulichen Lebens stehen zu lassen, das schwarz war von unvorstellbarer Niedertracht, Mord und viehischer Rohheit.
Wie sich MARK TWAIN Jeannes Kontakt mit den himmlischen Mächten, ihren berühmten „Stimmen", vorgestellt hat, hat er in dem sechsten Kapitel: „Johanna und der Erzengel Michael" dargestellt: Der Erzähler Louis de Conte sieht, wie sich im Wald eine Schattengestalt von riesenhafter Größe und übernatürlicher Helligkeit der unter einem Baum sitzenden Jeanne nähert, und vernimmt einige Sätze der Antwort, die sie dem Engel - auf einen ihr übermittelten Auftrag - gibt. Damit ist gesagt, daß der sprechende Erzengel Michael kein Wesen ist, das nur in der Einbildung oder Phantasie des Mädchens existiert, sondern objektive Realität besitzt. Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt der irische Protestant BERNARD SHAW (1856-1950) in dem ausführlichen Vorwort, das er seinem 1924 erschienenen Drama „Saint Joan" vorausschickt.6 Johannas Stimmen sind für ihn nichts anderes als ein Produkt ihrer lebhaften Einbildungskraft, die jedoch überhaupt nichts Unnatürliches, Außergewöhnliches oder Verrücktes an sich hat. Johanna war eine vernünftige Frau (a sane woman) trotz ihrer Stimmen, „denn sie geben ihr nie einen Rat, den sie nicht ebenso gut von ihrem Mutterwitz empfangen haben konnte, genauso wie Newton die Gravitation einfiel." In dem für die Zukunft entscheidenden Gespräch mit dem Festungskommandanten Robert de Baudricourt zu Vaucouleurs begründet SHAWS Johanna ihren Auftrag: „Ich höre Stimmen, die mir sagen, was zu tun ist. Sie kommen von Gott." Robert antwortet: „Sie kommen aus deiner Einbildung." Darauf Johanna: „Natürlich. Genau so kommen die Botschaften Gottes zu uns." Der anwesende Ritter Bertrand de Poulengey kommentiert trocken: „Schachmatt." Zwar ist hier ein wesentlicher Charakterzug Jeannes getroffen: ihre Schlagfertigkeit. Aber SHAWS Jeanne redet modern, nicht mittelalterlich; sie leiht dem Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts gewissermaßen ihre Stimme. Im übrigen hat SHAW über den Johanna-Roman MARK TWAINS (völlig zu Unrecht!) seinen sarkastischen und vernichtenden Spott ausgegossen. Er bemerkt, der Amerikaner habe Johanna „mit vielen Unterröcken" ausgestattet, sie „zu einer tadellosen amerikanischen Schullehrerin", „einer schönen und höchst damenhaften viktorianischen Frau" gestaltet und sich damit, trotz seines unverkennbaren Genies, lächerlich gemacht. Das Gegenteil davon ist der Fall: MARK TWAIN hat sich, auf der Basis der damals vorliegenden Edition der Prozeßakten von JULES QUICHERAT,7 in die mittelalterlichen Vorgänge und die Mentalität der damaligen Zeitgenossen eingearbeitet, und was er schreibt, steht auf hohem literarischem Niveau und atmet keineswegs den Geist viktorianischer Beschränktheit.
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Ä h n l i c h w i e SHAW dient a u c h d e m F r a n z o s e n JEAN ANOUILH ( 1 9 1 Ο -
Ι 987), in seinem Drama „L'Alouette" (Die Lerche), die von ihm geschaffene Theaterfigur dazu, vor allem seine eigene Botschaft zu verkünden.8 Die vor ihren Richtern stehende Jeanne leiht dem Dichter ihre Stimme, um seine in der Wurzel optimistische Sicht vom Menschen und damit auch seine Theologie zum Ausdruck zu bringen. Indem sie im Gefängnis, zusammen mit ihren Widersachern, ihr Leben noch einmal spielt, gibt sie Zeugnis von einem guten und sinnvollen Ablauf der Geschichte. Ihr Ende ist nicht der Scheiterhaufen in Rouen, sondern die triumphale Krönungsszene von Reims. Und so sagt ihr Richter Pierre Cauchon am Ende zum Henker: Mensch, reiß den Scheiterhaufen nieder! Binde Johanna los! Und man soll ihr ihr Schwert und ihre Fahne bringen!
Darauf der König Karl: Der Mann hat recht. Das wahre Ende von Johannas Geschichte, das wahre Ende, das nie mehr zu Ende geht, das man sich immer wieder erzählen wird, wenn man alle unsere Namen vergessen oder verwechselt hat, das ist nicht das gehetzte Tier, das zu Rouen elend zugrunde geht, nein, es ist die Lerche am freien Himmel, es ist Johanna im Glänze ihres Ruhms zu Reims ... Das wahre Ende von Johannas Geschichte ist fröhlich. Jeanne d'Arc, das ist eine Geschichte mit gutem Ende!
Natürlich ist damit nicht die Serie der dichterischen Gestaltungen von Jeannes Charakter und Schicksal erschöpft. Wir haben hier nur einige der bedeutendsten Versuche, sich ihr zu nähern und etwas von ihrem Wesen den jeweiligen Lesern und Zuschauern zu vermitteln, genannt. In aller Kürze will ich noch einige Sätze zu BERTOLT BRECHTS (1898-1956) Stück: „Die heilige Johanna der Schlachthöfe" sagen.9 Es entstand in den Jahren 1929-1931 und schildert das unheimliche Milieu an den riesigen Schlachthöfen von Chicago in der Zeit der großen sozialen Unruhen der zwanziger Jahre, während der sogenannten „Weltwirtschaftskrise". BRECHTS Johanna hat mit der historischen Jeanne d'Arc nicht viel mehr als den Namen gemeinsam. Sie ist Leutnant in einer der Heilsarmee ähnlichen Sekte, den „Schwarzen Strohhüten". In einer Welt, die von Kapitalismus, Börsenspekulationen und dem Kampf ums nackte Überleben in seinen rohesten Formen geprägt ist, versuchen die Sektierer, ein tätiges und kompromißloses Christentum zu praktizieren und die Botschaft der Versöhnung zu verkündigen. Am radikalsten tut dies die heilige Johanna Dark(!), die auf ihre Art naiv, eine heilige Idiotin ist. Ihr eigener Major Paulus Snyder, der „vernünftiger" ist, hält ihr vor: Arme Unwissende! Was du nicht siehst: aufgebaut In riesigen Kadern stehn sich gegenüber Arbeitgeber und Arbeitnehmer
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Kämpfende Fronten: unversöhnlich. Laufe herum zwischen ihnen, Versöhnlerin und Vermittlerin Nutze keiner und gehe zugrund.
Zugrunde geht diese fiktive Heilige des 20. Jahrhunderts denn auch, aber vorher ist sie zu der Erkenntnis gelangt: Die aber unten sind, werden unten gehalten Damit die oben sind, oben bleiben. Und der Oberen Niedrigkeit ist ohne Maß Und auch wenn sie besser werden, so hülfe es Doch nichts, denn ohnegleichen ist Das System, das sie gemacht haben: Ausbeutung und Unordnung, tierisch und also Unverständlich.
Es ist nicht nur Johanna, die scheitert, sondern BRECHT will mit seiner ganzen gekonnten Rhetorik und Dramatik zeigen, daß Christentum und Gottesglaube die reale Existenz irdischer Gerechtigkeit verhindern. Die letzten Worte der sterbenden Johanna sprechen zugleich die Quintessenz des Stükkes und die Botschaft seines Autors aus: Darum, wer unten sagt, daß es einen Gott gibt Und ist keiner sichtbar Und kann sein unsichtbar und hülfe ihnen doch Den soll man mit dem Kopf auf das Pflaster schlagen Bis er verreckt ist ... Und auch die, welche ihnen sagen, sie könnten sich erheben im Geiste Und steckenbleiben im Schlamm, die soll man auch mit den Köpfen auf das Pflaster schlagen. Sondern Es hilft nur Gewalt, w o Gewalt herrscht, und Es helfen nur Menschen, w o Menschen sind.
Das Christentum, das BRECHT vorführt, ist eine Religion, welche die Welt nicht verändern kann. Das „Christentum" der historischen Jeanne d'Arc, das heißt: ihre individuelle Religion, konnte aber zu seiner Zeit die Welt sehr wohl verändern. Sind die Dichter frei, sich ihre Johanna zu schaffen und ihrem Publikum vorzustellen, so müssen sich die Geschichtsschreiber, wie es ihr Handwerk erfordert, an die Quellen halten, in denen die historischen Umstände der damaligen Zeit sowie die Worte und Taten der historischen Johanna überliefert sind, und sie müssen davon eine Interpretation geben. Im 19. Jahrhundert hat dies am umfassendsten und gewissenhaftesten der große französische Historiker JULES MICHELET ( 1 7 8 9 - 1 8 7 4 ) getan.10 Obwohl er noch keine zuverlässige Edition der Prozeßakten zur Hand hatte, hat er doch, aufgrund seines Studiums der ungedruckten Quellen ein im ganzen zuverlässiges Bild von
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den Ereignissen gezeichnet. Anders sieht es mit seinen subjektiven Urteilen und Wertungen aus, mit denen er sich ja auch bei vielen anderen Gelegenheiten keineswegs zurückhält. Die eigentliche Ursache für Jeannes Verurteilung ist nach MICHELET der verletzte Stolz der Engländer. Sie konnten es nicht ertragen, daß ihnen ein einfaches Mädchen die Niederlagen von Orléans, Jargeau und Patay beigebracht hatte, und ließen sie deshalb ohne Skrupel „durch ein Gerichtsurteil von Priestern" umbringen." Dieses große englische Volk hat, unter so vielen guten und soliden Eigenschaften, ein Laster, das diese Qualitäten selbst verdirbt. Dieses immense, profunde Laster ist der Stolz. Eine grausame Krankheit, die gleichwohl ihr Lebensprinzip, die Erklärung ihrer Widersprüche, das Geheimnis ihrer Taten ist. Ihre Tugenden und Verbrechen entspringen fast immer aus dem Stolz; auch ihre Lächerlichkeiten kommen nur von daher ... Diese Selbstanbetung, dieser innere Kult der Kreatur für sich selbst, das ist die Sünde, die Satan zu Fall gebracht hat, die höchste Gottlosigkeit ... Nicht einmal die Juden waren jemals so gegen Jesus aufgebracht wie die Engländer gegen die Pucelle. Den skeptischen, jüdischen, satanischen, durchaus antichristlichen Geist sieht MICHELET sogar in der „schönen und düsteren Literatur" der Engländer am Werk, bei Shakespeare, Milton und Byron. Dem durch diesen Geist geprägten englischen Nationalcharakter soll also Jeanne letztlich ihr Ende auf dem Scheiterhaufen zu verdanken haben. Wie aber urteilen die englischen Historiker über Jeanne? In seinem bereits erwähnten einleitenden Essay zu seinem Drama „Saint Joan" hat sich BERNARD SHAW - in scharfer Auseinandersetzung mit ihren Biographen - auch mit der historischen Jeanne und ihren beiden Prozessen befaßt. Wir werden später noch einmal darauf zurückkommen. Es soll hier nur noch die bemerkenswerte Beurteilung Jeannes angeführt werden, die WINSTON S. CHURCHILL (1874-1965) in seine „Geschichte der englischsprachigen Völker" aufgenommen hat:12 Johanna war ein Wesen, das so weit über dem gewöhnlichen Lauf der Menschheit stand, daß sie nicht ihresgleichen in tausend Jahren findet. Die Aufzeichnungen ihres Prozesses konfrontieren uns mit Fakten, die durch alle Nebelschleier der Zeit bis heute lebendig geblieben sind. Aus ihrem eigenen Mund kann sich jede Generation ihr Urteil über sie bilden. Sie verkörperte die natürliche Güte und den Wert des Menschengeschlechts in beispielloser Vollkommenheit. Unbezwingbarer Mut, unendliches Mitleid, die Tugend des Einfältigen, die Weisheit des Gerechten leuchteten aus ihr hervor. Sie verherrlichte den Boden, aus dem sie entsprang, indem sie ihn befreite. Alle Soldaten sollten ihre Geschichte lesen und die Worte und Taten der wahren Kriegerin erwägen, die in einem einzigen Jahr, obgleich ungelernt in den technischen Fertigkeiten, in jeder Situation den Schlüssel zum Sieg zeigt. Man sieht: es ist der Stratege und Staatsmann, der hier spricht. Aber es ist auch ein Engländer, Sproß einer hochadeligen Familie und Nachfahre der mi-
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litärisch und moralisch Besiegten von damals. Umso merkwürdiger sind die Worte dieses nüchternen Mannes über Johanna: sie haben fast lyrischen Charakter. Wie CHURCHILL bemerkt, kann sich, anhand der erhaltenen Dokumente ihres Prozesses, jede Generation ihr Urteil über sie bilden. Für unsere Generation ist die Wahrheitsfindung über die Pucelle bedeutend erleichtert, da die Protokolle und Gutachten ihrer beiden Prozesse in kritischen Editionen vorliegen.13
Domrémy: Die politische Situation Jeanne wurde wahrscheinlich im Jahre 1412, vielleicht auch schon ein Jahr früher, in Domrémy an der oberen Maas geboren.14 Sie war die Tochter eines nicht gerade reichen, aber doch ziemlich wohlhabenden Bauern namens Jacques (Iacotus) Dare (Dart, Tare). Ihre Mutter hieß Isabelle (Ysabellis, Ysabeau) Romée. Nach ihrer eigenen Aussage, die Jeanne zu Beginn ihres Prozesses in Rouen, am 21. Februar 1431 machte, wurden ihr die ersten Elemente religiöser Bildung von ihrer Mutter vermittelt: sie erlernte von ihr das Pater noster, das Ave Maria und das Credo. Sie sagt selbst, sie habe von niemanden sonst Glaubensinhalte erlernt.15 Es sind damit die „offiziellen" Glaubensgrundlagen gemeint, wie sie im Glaubensbekenntnis und später in den Katechismen enthalten waren. Die Richter in Rouen, die ausnahmslos Theologen und Kanonisten waren, fragten danach, weil sie das Ziel hatten, den „rechten" Glauben Jeannes in Frage zu stellen, um sie im Laufe des Prozesses als Ketzerin zu überführen. Aber natürlich wurden Jeanne daneben auch religiöse Inhalte vermittelt, die den Bereichen der ethischen Lebensführung, der Frömmigkeit und der Heiligenlegenden angehörten. Die Heiligen, deren Stimmen sie hörte - Sankt Michael, Sankt Katharina und Sankt Margareta - waren ihr von Bildern bekannt, und sie kannte gewiß auch ihre Legenden. Weitaus rätselhafter ist es, wie Jeanne ihre genauen Kenntnisse über die militärische und politische Situation im damaligen Frankreich, vor allem aber die tiefere Einsicht in die Hintergründe der dynastischen Verhältnisse erwerben konnte. Die neueren Biographen verweisen dafür in der Regel auf die exponierte Lage ihres Heimatortes hin: Domrémy lag an einer großen Durchgangsstraße und an der Grenze zum feindlichen Burgund. So verweist LUCIEN FABRE, der eine der kenntnisreichsten und einfühlsamsten Lebensbeschreibungen der Pucelle geschrieben hat, auf die Berichte durchreisender Flüchtlinge. Vor allem aber hätte Jeannes Vater seine Tochter eingehend über den Krieg und dessen Ursachen informiert.1' Aber das sind reine Vermutungen, die deshalb entstanden sind, weil die Quellen zu dieser wichtigen Frage keine exakte und eindeutige Antwort geben. Es gab in der Gegend von Domrémy gewiß Dutzende von dreizehnjährigen Mädchen, die aufgrund ihrer Kriegserfahrungen und der umlaufenden Berichte und Gerüchte weder zu ei-
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ner vertieften Einsicht in die politische Lage kamen, noch zu der Meinung gelangten, sie müßten selbst in das Geschehen eingreifen. Die politische Situation um das Jahr 1425 war durch den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich bestimmt. Doch sind damit nicht die beiden Staaten, wie wir sie kennen, gemeint; was sich im Spätmittelalter auf dem Boden des nördlichen Frankreich ereignete, war vielmehr ein Machtkampf zwischen zwei königlichen Dynastien, den Häusern Lancaster und Valois. Das Kriegsglück schien sich endgültig den Engländern zuzuwenden, als ihr König, Heinrich V. Lancaster (1413-1422), ein französisches Ritterheer in der mörderischen Schlacht von Azincourt (bei Arras) am 25. Oktober 1415 besiegte. In dieser Schlacht geriet der Herzog Karl von Orléans in Gefangenschaft und wurde für viele Jahre nach England verbracht.17 König von Frankreich war der geisteskranke Karl VI. (1380-1422), der mit Isabella von Bayern (Isabeau de Bavière) verheiratet war. Ihre gemeinsame Tochter Katharina wurde 1420 mit Heinrich V. vermählt. Karl von Orléans war der Sohn des Herzogs Ludwig, der am 23. November 1407 auf Veranlassung des Herzogs von Burgund, Johann Ohne Furcht (Jean Sans Peur: 1404-1419) ermordet worden war. Johann anerkannte 1416 Heinrich V. als König von Frankreich. In den Jahren 1417-1419 eroberte Heinrich die Normandie; im Januar 1419 fiel nach langer Belagerung Rouen; im Dezember 1420 hielt Heinrich V. seinen Einzug in Paris. Schon 1418 war es den Burgundern gelungen, in Paris einzudringen, wo sie unter den Anhängern des Dauphins Karl, den sogenannten Armagnacs (nach ihrem Anführer, dem Connétable Graf Bernhard von Armagnac, welcher der Schwiegervater des Herzogs Karl von Orléans war), ein Blutbad anrichteten. Der damals sechzehnjährige Dauphin, der spätere Karl VII., konnte entkommen. Bei einer persönlichen Zusammenkunft zwischen Karl und Johann Ohne Furcht auf der Brücke von Montereau im Jahre 1419 wurde der Herzog von Burgund durch Begleiter Karls ermordet. Ihm folgte sein Sohn Philipp der Gute (1419-1467), der sich zeitlebens in Schwarz kleidete und dem Dauphin für die Ermordung seines Vaters Rache geschworen hatte. 1420 verbündete er sich mit den Engländern und Schloß mit ihnen den Vertrag von Troyes, in welchem Heinrich V. als König von Frankreich anerkannt, der Dauphin Karl (als angeblich illegitimes Kind der Königin Isabeau) von der Nachfolge ausgeschlossen wurde. Heinrich starb aber schon 1422. Im gleichen Jahr verschied auch der wahnsinnige König Karl VI. Nachfolger Heinrichs V. wurde sein erst wenige Monate alter Sohn Heinrich VI. Für das Kind führten seine beiden Onkel die Regentschaft: in England der Herzog Humphrey von Gloucester, in Frankreich der Herzog John von Bedford. Die Partei der Armagnacs hielt an dem Dauphin Karl als Thronprätendent fest. In den folgenden Jahren verschlechterte sich die Lage Karls und seiner Anhänger zunehmend. Der Dauphin hatte eine schwache Position, solange es ihm nicht gelang, seine Legitimität durch eine Salbung und Krönung in Reims zu manifestieren. Aber Reims lag in dem von den Burgundern be-
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herrschten Gebiet, und am 31. Juli 1423 machten die verbündeten Engländer und Burgunder bei Cravant (südlich von Auxerre) allen Hoffnungen, in den Besitz der Krönungsstadt der Könige von Frankreich zugelangen, ein Ende. Ein gutes Jahr später, am 17. August 1424, folgte die Niederlage von Verneuil (westlich von Paris). Es war die überlegene Taktik der Engländer, die ihnen diese und viele andere Siege ermöglichte: sie bildeten im offenen Gelände mit spitzen Pfählen gesicherte Verteidigungsstellungen, aus denen heraus ihre gefürchteten Bogenschützen die heranstürmende Reiterei des Gegners zusammenschössen. Die Lage des Dauphins war indessen keineswegs hoffnungslos. Seine Schwiegermutter Yolande, Witwe des Herzogs Ludwig II. von Anjou und Grafen der Provence, verfügte noch über beträchtliche Machtmittel, und sie war eine fähige Politikerin. Ihr Sohn René wurde mit der einzigen Tochter des Herzogs Karl von Lothringen vermählt. Eine relativ sichere und schützende Barriere für die Länder südlich der Loire bildeten die mächtigen Festungen entlang des mittleren Laufes dieses Flusses. Noch heute kann man sich in den Ruinen von Chinon und Loches ein Bild von den mittelalterlichen Anlagen machen. Es war nun das vorrangige Kriegsziel des Herzogs von Bedford, diese Widerstandsnester zu knacken und damit den englischen Armeen den Zugang nach Süden zu öffnen. Am 12. Oktober 1428 begann er mit der Belagerung von Orléans. Rings um die Stadt errichteten die Engländer mehrere Bastionen oder Forts, um die Belagerten von der Zufuhr abzuschneiden. Der Belagerungsring konnte jedoch nicht vollständig dicht gemacht werden. Anfang Februar 1429 setzten die Engländer von Paris aus einen Konvoi mit Lebensmitteln, hauptsächlich Heringen, in Bewegung, um die Orléans belagernden Truppen für die bevorstehende Fastenzeit zu versorgen. Die etwa 300 Wagen wurden begleitet von 2700 Soldaten, die unter dem Befehl des englischen Generals John Fastolf (Falstaff) standen. Die Franzosen glaubten leichtes Spiel mit dem Abfangen des Geleitzugs zu haben. Aber die Engländer wandten ihre bekannte Taktik an: sie errichteten eine mit spitzen Pfählen gesicherte Wagenburg, aus der heraus ihre Bogenschützen die französischen Reiter, deren Pferde sich in den Staketen verletzten, abschössen. In der berühmten „Heringsschlacht" bei Rouvray am 12. Februar 1429 erlitten die Franzosen so erneut eine schwere Niederlage. Soviel zu den militärischen und politischen Ereignissen, die sich während Jeannes Kindheit zutrugen und von denen sie eine ziemlich gute Kenntnis gehabt haben muß. In den gesamten von den Engländern und Burgundern beherrschten Gebieten des nördlichen Frankreich waren den Anhängern des Dauphin noch drei Festungen verblieben, winzige, aber starke Inseln eines zähen Widerstandes: Tournai im Norden; Vaucouleurs im Osten, in unmittelbarer Nähe von Jeannes Heimatort Domrémy; die dritte war der Mont-Saint-Michel, die Inselfestung an der Grenze von Normandie und Bretagne, das berühmte Heiligtum des Erzengels.
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Domrémy: Die Sendung Im Jahre 1425, im Alter von dreizehn Jahren, hörte Johanna zum ersten Mal eine von den himmlischen Stimmen, die sie von da an beständig begleiten und ihr die für ihr Leben und ihre Sendung entscheidenden Anweisungen geben sollten. In dem Verhör vom 22. Februar 1431 gab sie dem sie befragenden Pariser Magister Jean Beaupère (Johannes Pulcripatris) folgende Auskunft: 18 Außerdem bekannte sie, sie habe im Alter von dreizehn Jahren eine Offenbarung von Gott durch eine Stimme gehabt, um ihr in ihrem Verhalten zu helfen. Und das erste Mal hatte sie große Angst. Und diese Stimme kam um die Mittagsstunde, zur Sommerzeit, im Garten ihres Vaters. Und Johanna hatte am Tag davor nicht gefastet. Und sie hörte die Stimme von der rechten Seite her, aus der Richtung der Kirche. Und selten hört sie sie ohne Helligkeit - die Helligkeit kommt von der gleichen Seite her, von der sich die Stimme vernehmen läßt -, vielmehr ist dort gewöhnlich eine große Helligkeit. Und als Johanna nach Frankreich kam, hörte sie diese Stimme oft. Im Verlaufe des Verhörs führt Johanna weiter aus, sie habe, nachdem sie die betreffende Stimme dreimal gehört habe, erkannt, daß es sich um die Stimme eines Engels gehandelt habe. Am 27. Februar 1431 erklärt sie auf Befragen durch den erwähnten Magister Beaupère, die erste Stimme, die sie vernommen habe, sei die des heiligen Michael gewesen. Sie habe ihn im Kreis himmlischer Engel mit ihren Augen gesehen.19 In der Forschung hat man wiederholt zu Recht darauf hingewiesen, daß die Erscheinung des Erzengels am Beginn der religiösen Erlebnisse Johannas kein Zufall war; vielmehr steht sie im Zusammenhang der großen Bedeutung, die Sankt Michael gerade damals im Bewußtsein und der Frömmigkeit breiter Volksschichten erlangte.20 Die Engländer hatten sich 1419 der Abtei Saint-Denis, des zentralen französischen Königsheiligtums, bemächtigt. Der Patron des Königreichs, der heilige Dionysius, hatte offenbar die Sache des Dauphins Karl von Valois verlassen.21 Dagegen leistete der Mont-Saint-Michel, die Klosterfestung an der Grenze von Bretagne und Normandie, der älteste und berühmteste Wallfahrtsort des Erzengels in Frankreich, den englischen Belagerern erbitterten Widerstand. 22 Der Abt des Inselklosters, Robert Jolivet, hatte sich 1419 auf die Seite der Engländer geschlagen. Von da an übernahm der tapfere Jean d'Harcourt, ein Prinz von königlichem Geblüt und naher Verwandter der Inhaberin der Herrschaft Domrémy, Jeanne de Joinville, das Kommando auf der Festung. Die besondere Verehrung für den Erzengel war in dieser Familie erblich. Sankt Michael galt auch als der besondere Patron, gewissermaßen der persönliche Schutzengel, des französischen Thronfolgers. Am 11. Oktober 1422 fand in einem Saal des Bischöflichen Palastes von La Rochelle eine Versammlung von Adeligen statt. Die Decke des Saales stürzte ein, und der damals neunzehnjährige Dauphin Karl überlebte wie durch ein Wunder, was man
dem Schutz des heiligen Michael zuschrieb. Als der Kommandant des Mont-
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Saint-Michel, der schon erwähnte Jean d'Harcourt, in der Schlacht von Verneuil-sur-Avre (16. August 1424) gefallen war, ernannte Karl den Bastard von Orléans, Jean, (den späteren Grafen Dunois: 1402-1468), zum neuen Festungskommandanten. Der beauftragte seinerseits den Baron Nicole Paynel als seinen Lieutenant mit der Verteidigung des Berges. Die englischen Belagerer standen unter dem Oberbefehl von William Pole, Graf von Suffolk (1396-1450). Im Juni 1425 sprengte eine Flotte der Bretonen, die es lange Zeit vermieden hatten, offen auf die Seite einer der beiden kriegführenden Parteien zu treten, die Blockade der Engländer und schlug sie in die Flucht. Die Kunde von dem großen Sieg verbreitete sich blitzschnell. Wenige Wochen darauf hörte Jeanne im Garten ihres Vaters in Domrémy zum ersten Mal die Stimme des Erzengels und sah seine Erscheinung. Es dürfte keine abwegige Vermutung sein, wenn man annimmt, daß das Aussehen der Erscheinung, die Jeanne sah oder zu sehen glaubte, durch Bilder des Erzengels bestimmt war, die sie (in Kirchen oder anderswo) gesehen hatte. Sankt Michael wurde im Mittelalter als Bannerträger (signifer) Christi, Sieger über den Satan, Vorsteher des Paradieses (praepositus paradisi), Fürst der himmlischen Heerschar (princeps militiae caelestis) und als ritterliche Erscheinung dargestellt und verehrt.23 Jeanne hat selbst charakteristische Züge des Erzengels angenommen, sich in gewisser Weise mit ihm identifiziert, und zwar in sehr weitgehender Weise, wie wir noch sehen werden. Der Entschluß, Männerkleidung anzulegen, den sie in Vaucouleurs faßte, ist wahrscheinlich auch von dem Bild des Erzengels mitbestimmt, das sie in sich trug. Die beiden anderen Stimmen, durch die sich Johanna von 1425 an geleitet wußte, waren die der heiligen Katharina und der heiligen Margareta. Ihre Erfahrung mit diesen Gestalten war ebenfalls keine rein auditive, sondern auch eine visionäre: wie den heiligen Michael, so sah sie die beiden heiligen Jungfrauen als plastische Erscheinungen vor sich.24 Gewiß kannte sie Bilder von ihnen (eine auf das 15. Jahrhundert datierte Statue der heiligen Margareta mit Märtyrerpalme, die sie möglicherweise gesehen hat, befindet sich noch heute in der Pfarrkirche von Domrémy).25 Auch der Inhalt der Legenden der beiden Jungfrauen und Märtyrinnen dürfte ihr bekannt gewesen sein. Die heilige Katharina von Alexandria hatte um das Jahr 310 im Alter von achtzehn Jahren auf Veranlassung des Kaisers Maxentius den Märtyrertod erlitten. Nach der Legende zeichnete sie sich durch Klugheit (prudentia) und körperliche Schönheit (corporis pulchritudo) aus. In der Disputation, die sie mit dem Kaiser um den wahren Glauben führte, zeigte sie sich geistig überlegen. Ein Engel stand ihr im Gefängnis bei und versorgte sie mit Nahrung; er zerstörte auch das Marterinstrument. Schließlich wurde Katharina enthauptet. Ihr Leichnam wurde von Engeln entführt und auf dem Berge Sinai bestattet. Katharina, deren Fest die Kirche am 25. November begeht, galt als die erste christliche Philosophin.26 Sie wurde mit erhobenem Schwert in der rechten und einem Buch in der linken Hand dargestellt27 und genoß in Frankreich
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große Verehrung. An dem bedeutenden Wallfahrtsort Ste-Catherine-deFierbois südlich von Tours machte Johanna auf ihrer Reise zum Dauphin nach Chinon am 4.-5. März 1429 zum letzten Mal Station; von dort aus kündigte sie dem Thronfolger ihr Kommen an.28 Später ließ sie für sich ein Schwert holen, das hinter dem Altar der Wallfahrtskirche vergraben war.29 Jeannes dritte Stimme war die der oft mit Katharina in einem Atemzug genannten Jungfrau und Märtyrin Margareta. Der Legende nach war sie eine Schafhirtin gewesen und im Alter von fünfzehn Jahren in Antiochia enthauptet worden. Ihr Festtag wurde am 14. August begangen.30 Die Legende kannte aber noch eine zweite Jungfrau und Märtyrin Margareta (Margarita; Fest am 8. Oktober). Von ihr wurde erzählt, sie sei in ihrer Hochzeitsnacht in Männerkleidung, mit abgeschnittenen Haaren geflohen, habe sich danach in ein Kloster begeben, wo sie als „Bruder Pelagius" gelebt habe.31 Schon MICHELET hat auf eine mögliche Vorbildfunktion der Margareta-Pelagius für Jeanne hingewiesen.32 Die Betrachtung des Lebens und der Gestalten der Heiligen, die Johannas Gedanken ihre Stimme liehen, hat wesentliche Elemente zu der Rolle (Persona) der Jungfrau und Tochter Gottes, die sie in Vaucouleurs annahm, beigetragen. „Jungfrau" oder „Mädchen" (lat. Puella; französ. Pucelle) und „Tochter Gottes" (lat. Filia Dei; französ. Fille De) nannten die Stimmen Johanna o f t , wie sie am 12. März 1431 aussagte.33 Die Weisung Gottes, die sie durch die zuerst gehörte Stimme - die des heiligen Michael - erhielt, lautete: sie solle sich gut verhalten (oder: anständig sein), häufig die Kirche besuchen und nach Frankreich gehen.34 Der göttliche Auftrag, den die Stimme des Erzengels aussprach, nahm mit der Zeit konkretere und drängendere Gestalt an: Johanna solle nach Frankreich gehen; sie könne nicht länger zu Hause bleiben; sie solle die Belagerung von Orléans aufheben; sie solle sich nach Vaucouleurs zu dem Festungskommandanten Robert de Baudricourt begeben; der werde ihr Leute zu ihrem Geleit mitgeben. Johanna antwortete, sie sei nur ein armes Mädchen, das nicht reiten könne und von der Kriegführung nichts verstehe.35 Erst in dem Verhör am Vormittag des 17. März erwähnt sie beiläufig ihre göttliche Sendung zu dem Thronfolger Karl.36 Schon drei Wochen davor hatte sie erklärt, sie habe seit ihrer Kindheit den leidenschaftlichen Wunsch (magnam voluntatem seu affeccionem) gehabt, daß ihr König sein Königtum in Besitz nehmen könne.37 Der erste, dem Johanna ihre Absicht mitteilte, den Dauphin zur Krönung zu führen, scheint der von ihr als „Onkel" bezeichnete Durand Laxart aus Burey-le-Petit gewesen zu sein; er war der Mann ihrer Cousine mütterlicherseits, Jeanne, und hat als Zeuge im Nullitätsprozeß unter Eid ausgesagt: Johanna habe ihm mitgeteilt, sie solle nach Frankreich gehen, zu dem Dauphin, um ihn krönen zu lassen, und sie habe gesagt: „Ist nicht anderswo gesagt worden, daß Frankreich von einer Frau verwüstet würde und danach durch eine Jungfrau wiederhergestellt werden müsse?"38 Jeanne spielt damit auf eine der sogenannten MerlinProphezeiungen an, die damals im Volk kursierten. 39 Das beweist, daß sie die-
se Prophezeiung kannte und offenbar schon früh auf sich selbst anwandte:
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sie, Jeanne, würde den Dauphin in göttlichem Auftrag zur Königsweihe, dem Sacre, nach Reims führen. Das teilte sie dem Kommandanten Baudricourt mit, als sie um Christi Himmelfahrt (13. Mai) des Jahres 1428 zum ersten Mal in der Zitadelle von Vaucouleurs erschien.40 Das Königreich Frankreich ist hier als ureigenes Besitztum des Herrn Christus vorgestellt; der von ihm designierte König wird es als„Kommende", Lehen übernehmen. Die Mission, die Sankt Michael Johanna übermittelt hat, besteht darin, dies durchzuführen.
Domrémy: Jungfräulichkeit Eine Voraussetzung für die Durchführung von Jeannes Mission ist, daß sie die Jungfräulichkeit bewahren muß. Sie legt das entsprechende Gelöbnis ab, als sie zum ersten Mal die Stimme hört, offenbar also auf Ersuchen des zu ihr sprechenden Erzengels.41 Sie sagt auch, sie habe beim ersten Mal, da sie ihre Stimmen gehört habe, gelobt, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, solange es Gott gefalle. Und sie war um die dreizehn Jahre alt. Sie sagt auch, ihre Stimmen hätten ihr versichert, sie werde ihren vorgenannten Prozeß in der Stadt Toul gewinnen. Es ist wichtig, hier zwei Dinge festzuhalten: 1. Jeanne legt kein sogenanntes ewiges Jungfräulichkeitsgelübde ab, sondern ein „pragmatisches", auf die Dauer ihrer Mission begrenztes Gelöbnis; es ist deshalb ganz unwahrscheinlich, daß ihr ein Beichtvater, etwa einer der Franziskaner von Neufchâteau, das Gelübde eingeredet hätte oder daß sie selbst Mitglied des Dritten Ordens der Franziskaner gewesen wäre.42 2. Jeannes Gelöbnis ist nicht mit magischen, abergläubischen Vorstellungen über die Jungfräulichkeit verbunden. Schon ihre Richter hatten in dem Verhör am Nachmittag des 17. März versucht, ebendies aus ihr herauszufragen. Nach mehreren Fragen, die sich auf einen eventuellen magischen Gebrauch ihres Banners bezogen, heißt es:43 Auf die Frage, ob ihr offenbart worden sei, wenn sie ihre Jungfräulichkeit verliere, dann verliere sie auch ihr Glück und ihre Stimmen kämen nicht mehr zu ihr, antwortete sie, das sei ihr nicht offenbart worden. Bekanntlich liegt genau hier der tragische Konflikt, in den SCHILLERS Johanna gerät: als sie gegenüber dem von ihr im Zweikampf besiegten englischen Anführer Lionel erst Mitleid, dann Liebe empfindet, erkennt sie, daß sie ihr Gelübde gebrochen hat, und verliert ihre Kraft. Auch die historische Jeanne ist gewiß nicht unbeeinflußt von dem Mythos der Jungfräulichkeit, der ja ein zentrales Element der mittelalterlichen christlichen Religion ist. Deshalb löst sie auch, wohl alsbald nachdem sie gegenüber Sankt Michael das Jungfräulichkeitsversprechen abgelegt hat, die Verlobung mit einem jungen Mann aus der Ge-
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gend, dem ihr Vater sie versprochen hatte. Der Bräutigam, dessen Name nicht überliefert ist, will sie nicht freigeben und läßt sie vor das Ehegericht des zuständigen Bischofs von Toul zitieren. In dem schon erwähnten Verhör vom 12. März unterstellt ihr der sie befragende Jean de La Fontaine, sie habe den betreffenden Mann nach Toul vorladen lassen. Johanna bestreitet das aber entschieden: vielmehr habe der andere sie vor das Gericht zitieren lassen, und sie habe dort einen Eid abgelegt, die Wahrheit zu sagen. Sie beeidete, daß sie selbst dem Mann keinerlei Versprechen gegeben habe. Dieser Eid war wohl der Grund, weshalb sie den Prozeß gewann.44 Trotzdem wiederholt der Promotor (d.h., der kirchliche Ankläger) Jean d'Estivet in seiner am 27. März 1431 vorgelegten Anklageschrift unter Punkt IX die falsche Behauptung, Jeanne habe den besagten jungen Mann vor den Offizial von Toul gezerrt. In der Ehesache sei es aber darum gegangen, daß dem Verlobten die Tatsache bekannt gewesen sei, daß sich Jeanne zu Neufchâteau in der Herberge der „La Rousse" genannten Wirtin in der Gesellschaft von Huren (mulieres incontinentes) aufgehalten habe; deshalb habe er sie nicht mehr heiraten wollen. Es handelt sich hier um eine pure Verleumdung d'Estivets; (sein vorausgehender Anklagepunkt VIII beschreibt Jeannes Dienst in der angeblich verrufenen Herberge der „La Rousse").45 Das führte in der Forschung zu der Annahme, der Eheprozeß habe in der Zeit stattgefunden, als Jeanne in Neufchâteau weilte.46 Für uns ist wichtig, zur Kenntnis zu nehmen, daß Jeanne offenbar schon als kaum Vierzehnjährige imstande war, vor einem kirchlichen Tribunal ihre Sache zu vertreten, nachdem sie zu einer festen Uberzeugung bezüglich ihres zukünftigen Weges gelangt war. In Neufchâteau war sie übrigens zusammen mit ihren Eltern: die Familie hatte kurzfristig in der befestigten Stadt Zuflucht vor einer marodierenden Söldnerschar gesucht. Die Herbergswirtin „La Rousse" war eine Frau von untadeligem Ruf (honesta mulier)47 und keine Puffmutter, wie es der Promotor d'Estivet, die wohl niederträchtigste Figur im Prozeß gegen Jeanne, unterstellt. Für Jeannes Zeitgenossen war die Frage, ob sie Jungfrau war oder nicht, von großer Bedeutung. Die Anerkennung ihrer Sendung als einer göttlichen hing ganz entscheidend damit zusammen. Schon bald nach ihrer Ankunft in Chinon wurde sie - nach Auskunft ihres ehemaligen Knappen Jean d'Aulon im Auftrag des Dauphin von dessen Schwiegermutter Yolande persönlich und zwei weiteren Damen untersucht, um festzustellen, ob sie Mann oder Frau, Jungfrau oder nicht sei: der Frau des königlichen Haushofmeisters Raoul de Gaucourt, Jehanne de Preuilly, und der Frau von Robert le Maçon de Trêves.48 Eine solche Inspektion des Intimbereichs diente nicht nur der zweifelsfreien Feststellung der Jungfräulichkeit, sondern sollte nach der Vorstellung der damaligen Zeit auch Gewißheit darüber verschaffen, ob die untersuchte Frau mit einem Dämon oder dem Teufel selbst geschlechtlich verkehrt hatte und folglich unter seiner Macht handelte. Ein weiteres Mal mußte sich Jeanne als Gefangene in Rouen der Prozedur unterziehen. Auf Anordnung
der Herzogin von Bedford, Anna von Burgund, führten eine Frau namens
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Anne Bavon und eine zweite Frau, wahrscheinlich Anfang Januar 1431, die Untersuchung durch. Die Herzogin, die eine gewisse Sympathie für Jeanne empfunden zu haben scheint, wollte damit vielleicht den Verleumdungen entgegentreten, daß sie eine Hure sei, oder sich auch nur persönlich Gewißheit verschaffen. Jedenfalls verbot sie noch vor ihrer Abreise von Rouen am 13. Januar 1431 den Wächtern Jeannes, ihr irgendwelche Gewalt anzutun.49 Cauchon und die übrigen Mitglieder des kirchlichen Tribunals, denen das Ergebnis der Untersuchung von Chinon natürlich bekannt war, dürften kaum daran interessiert gewesen sein, erneut die Jungfräulichkeit Johannas feststellen zu lassen; sie hatten ja die Absicht, sie als Hexe zu verurteilen. In den Prozeßakten ist jedenfalls nichts über eine derartige Untersuchung festgehalten.50 Im Verständnis Jeannes selbst war ihre Jungfräulichkeit ein integraler und unverzichtbarer Bestandteil ihrer Sendung. Wann immer sie in diesem Punkt angegriffen wurde, was häufig der Fall war, regte sie sich maßlos auf. Als sie zum ersten Mal das Schloß von Chinon betrat, sagte ein Reiter laut und vernehmlich: „Ist das nicht die Jungfrau?" und mit einem Gott verneinenden Fluch fügte er hinzu: „Wenn ich sie eine Nacht lang bei mir hätte, wäre sie keine Jungfrau mehr!" Johanna entgegnete ihm: „Ha! In Gottes Namen! Du leugnest ihn und bist dem Tod so nahe!" Noch innerhalb der nächsten Stunde fiel der Mann ins Wasser und ertrank.51 Während der Kämpfe um Orléans ließ sie einen Brief mit einem Pfeil in eines der Forts der Engländer schießen und rief: „Lest das, es sind Neuigkeiten!" Die englischen Söldner erhoben ein ohrenbetäubendes Geschrei und brüllten: „Da sind Neuigkeiten von der Armagnacs-Hure!" Pasquerel, der als Augenzeuge dabei war, fährt fort:52 Uber diese Worte begann Johanna zu schluchzen und vergoß Tränenströme, indem sie den König des Himmels zu ihrer Hilfe anrief. Und darauf wurde sie getröstet, wie sie sagte, denn sie hatte eine neue Botschaft von ihrem Herrn erhalten.
Der unverschämte d'Estivet entblödete sich nicht, Johanna im Gefängnis auf gemeinste Weise zu beschimpfen, als es ihr einmal sehr schlecht ging, so daß sich sogar der Kommandant des Schlosses von Rouen, der Graf von Warwick, genötigt sah, einzuschreiten. Die beiden Ärzte Guillaume de la Chambre und Jean Tiphaine haben annähernd übereinstimmend über den Vorfall berichtet; der erstere:53 Als sie wieder gesund war, kam ein gewisser Magister Jean d'Estivet, der die genannte Johanna mit bestimmten Worten beschimpfte und sie eine Dirne, Hure nannte. Darüber wurde Johanna sehr zornig, so daß sie wieder Fieber bekam und
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Jeanne d'Arc einen Rückfall in ihre Krankheit erlitt. Als das dem genannten Grafen [Warwick] zur Kenntnis gebracht wurde, verbot er dem d'Estivet, sie noch einmal zu beschimpfen.
Jean Tiphaine, der ältere der beiden Ärzte, war zur Zeit seiner Anhörung im Nullitätsprozeß bereits sechzig Jahre alt und Mitglied des Kapitels der Sainte Chapelle zu Paris; das Protokoll hält fest:54 Um die Ursache ihrer Krankheit in Erfahrung zu bringen, fühlte er ihren Puls und fragte sie, was sie habe und woher sie Schmerzen habe. Sie antwortete, es sei ihr von dem Bischof von Beauvais ein Karpfen geschickt worden, von dem sie gegessen habe, und sie habe den Verdacht, daß das die Ursache ihrer Krankheit sei. Da widersprach ihr d'Estivet, der dort anwesend war, indem er sagte, sie behaupte Falsches. Und er nannte sie eine Hure und sagte: „Du Hure, du hast Heringe und anderes unbekömmliche Zeug gefressen!" Sie antwortete ihm, das sei nicht der Fall. Und Johanna und d'Estivet beschimpften sich gegenseitig mit zahlreichen Beleidigungen. Johannas Jungfräulichkeit hatte eine gewisse Ausstrahlung. Mehrere Männer, die eine Zeitlang in ihrer engsten Umgebung gelebt hatten, haben später berichtet, sie hätten ihr gegenüber keinerlei Begierde empfunden bzw. sie hätten sogleich ihre körperliche Regung verloren, wenn sie in ihre Nähe kamen. Als erster machte Johann von Metz (Jean de Nouillompont) diese Erfahrung. E r gehörte zu den Leuten Roberts von Baudricourt und begleitete Johanna auf dem abenteuerlichen Ritt von Vaucouleurs nach Chinon (er war damals etwa dreißig Jahre alt): 55 Der Zeuge sagte weiterhin aus, er selbst und Bertrand [de Poulengey] hätten mit ihr jede Nacht zusammengelegen, aber die Pucelle habe neben ihm, dem Zeugen gelegen, bekleidet mit ihrer Jacke und ihren Schaftstiefeln, und er, der Zeuge, habe solche Furcht vor ihr gehabt, daß er nicht gewagt hätte, sich nach ihr auszustrekken. Und er sagte unter seinem Eid aus, er habe nie Begierde nach ihr gehabt und auch keine fleischliche Erregung. Ganz Ahnliches berichtet der königliche Schildträger Gobert Thibault aus der Zeit der Feldzüge im Loire-Gebiet. Es scheint eine allgemeine Erfahrung der jugendlichen Kriegsgefährten Johannas gewesen zu sein, wenn sie sich ihr näherten: „Augenblicklich verging ihnen ihre Erregung." 5 6 A m aufschlußreichsten in dieser Hinsicht ist die Aussage, die der gute Jean d'Aulon, zur Zeit des Nullitätsprozesses königlicher Rat und Seneschall, in L y o n zu P r o tokoll gab. Karl VII. hatte ihn schon bald nach der Ankunft Jeannes in Chinon zu ihrem persönlichen Schutz abgeordnet, und er blieb bei ihr bis zu ihrer Gefangennahme vor Compiègne. 5 7 Er sagte außerdem: Obwohl sie ein junges Mädchen war, schön und wohlgeformt, und obwohl er mehrmals, als er ihr beim Anlegen ihrer Waffen und anderweitig
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behilflich war, ihre Brüste gesehen habe, und einige Male auch ihre vollständig nackten Beine, als er ihre Wunden versorgte, und obwohl er sich ihr oftmals genähert habe, und auch stark, jung und im Vollbesitz seiner Kräfte war, gleichwohl, welchen Blick oder welche Berührung er auch gegenüber der besagten Pucelle hatte, sich sein Körper zu keinerlei fleischlicher Begierde nach ihr regte. Und ebenso erging es auch allen ihren Leuten und Knappen, nach dem was der Aussagende aus den Berichten und Erzählungen von ihnen mehrmals erfahren hat. Von allen Anführern des königlichen Heeres stand wohl der Herzog von Alençon Johanna (auch gefühlsmäßig) am nächsten. Jean d'Alençon wurde am 3. Mai 1456 in Paris vernommen. Er war damals etwa fünfzig Jahre alt. Als er Johanna kennenlernte, hatte er also ein Alter von höchstens dreiundzwanzig Jahren. Er erzählt, daß er während der Feldzüge mit anderen Kriegern und Jeanne das Lager teilte (à la paillade). Er konnte sehen, wenn sich Jeanne anzog und warf dabei auch den einen oder anderen Blick auf ihre Brüste, die schön waren. Er habe jedoch niemals Begierde nach ihr empfunden.58 Als sie dann in Gefangenschaft war, scheint diese jungfräuliche Aura verlorengegangen oder jedenfalls nicht mehr so empfunden worden zu sein. Der Ritter Aimon de Macy, der zu den Gefolgsleuten Johanns von Luxemburg, Grafen von Ligny, gehörte, begegnete Jeanne auf dessen Schloß Beaurevoir bei Cambrai. Er sprach und scherzte mit ihr und versuchte dabei, ihre Brüste zu berühren. Aber sie wehrte seine Annäherungsversuche energisch ab.59 In der Gefangenschaft der Engländer in Rouen ging es dann weniger sanft zu. Die rohen Söldner, die sie bewachten und auf engstem Raum mit ihr zusammenlebten, versuchten, sie zu vergewaltigen,60 und einmal machte sich sogar ein (ungenanntes) Mitglied des englischen Hochadels an sie heran. Der Vorfall trug sich in den letzten Tagen zu, die Jeanne im Gefängnis verbrachte, nach ihrem Widerruf auf dem Kirchhof von Saint-Ouen am 24. Mai 1431, und er war der unmittelbare Anlaß, daß sie wieder Männerkleider anlegte.61
Domrémy: Der Feenbaum In den Untersuchungen, die sowohl im Vorfeld des Prozesses gegen Johanna als auch bei der Vorbereitung für das Wiederaufnahmeverfahren an ihrem Heimatort Domrémy durchgeführt wurden, spielen der nahe beim Dorf gelegene Wald und insbesondere eine markante Buche eine große Rolle. Sie wurde im Dorf „Damenbaum" (Arbre des Dames) oder „Feenbaum" (Arbre des Fées; lateinisch: Arbor Fatalium) genannt. Seine Äste hingen weit herab, und nahe dabei befand sich eine Quelle, deren Wasser als Heilmittel bei fieberhaften Erkrankungen gut sein sollte. Kranke begaben sich, sobald sie wieder aufstehen konnten, zu der Buche und spazierten unter ihr herum. Jeanne wußte, daß der Platz dem Ritter Pierre de Bourlemont gehörte. Sie erinnerte sich auch, daß die alten Leute im Dorf raunten, es hielten sich dort Feen auf.
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Eine ihrer Patinnen, Jeanne Aubery, die Frau des Bürgermeisters, hatte Johanna erzählt, sie hätte die Feen dort schon einmal gesehen. Im Sommer zogen die Jungen und Mädchen des Dorfes in den Wald, um unter der Buche zu tanzen und zu singen. Die Mädchen holten von dort auch Material für Kränze, mit denen sie das Bild der heiligen Maria von Domrémy schmück62 ten. Aus der Beschreibung, die Jeanne selbst gibt, geht deutlich hervor, daß es sich um ein altes keltisches Naturheiligtum handeln muß. Der „starke Platz" der vorchristlichen Religion übte seine Anziehungskraft auch nach Jahrhunderten der Herrschaft des Christentums noch aus. Er war allerdings verchristlicht, gewissermaßen „getauft" worden. Im Nullitätsprozeß sagte eine achtzigjährige Frau namens Béatrice von Domrémy aus, daß der Pfarrer des Dorfes im Verlauf der an der Vigil von Christi Himmelfahrt stattfindenden Flurprozession unter der besagten Buche und an der Quelle das Evangelium sang." Alle in dieser Frage angehörten Zeugen von Domrémy und Umgebung berichten übereinstimmend, daß sich die Dorfjugend im Frühjahr und im Sommer unter dem Feenbaum zu treffen pflegte. Eine Art Frühlingsfest mit Gesang und Tanz fand am Sonntag Laetare (dem vierten Fastensonntag) dort statt." Die Aussagen bestätigen das, was Johanna selbst vor ihren Richtern in dieser Angelegenheit gesagt hatte: daß sie sich an den Liedern und Tänzen ihrer Altersgenossen beteiligt hatte, aber keinerlei abergläubische oder magische Vorstellungen mit dem Ort verbunden hatte. Später erfuhr sie von ihrem Bruder (wohl Pierre), der ihr in das königliche Feldlager gefolgt war, in ihrer lothringischen Heimat erzähle man, Johanna habe ihre ersten Offenbarungen bei dem Feenbaum erhalten und von dort ihren Weg begonnen. Sie beteuerte aber, das sei keineswegs der Fall. In der Umgebung des Königs hatte man sie dann gefragt, ob in ihrer Heimat ein Wald mit dem Namen „Bois Chenu" (Eichenwald) stehe. Ein „Bois Chênu" tauchte nämlich in den Prophezeihungen auf über eine Jungfrau, die Wundertaten vollbringen werde. Johanna erklärt vor dem Tribunal, sie habe an dergleichen Zeug nie geglaubt.65 Ich meine, man darf ihr das ruhig abnehmen.66 Der Promotor d'Estivet will ihr aber aus dem Aufenthalt bei dem Feenbaum einen Strick drehen, indem er boshaft unterstellt, sie sei von alten Weibern in magischen Bräuchen und Zauberkünsten unterwiesen worden und habe Umgang mit bösen Geistern (den Feen) gehabt; nachts habe man im Wald mit den Feen(!) getanzt.67 Man weiß ja, was dabei passiert! Keineswegs harmlos ist auch die Frage, die Pierre Cauchon Jeanne am 24. Februar 1431 stellte: Ob sie das Vieh auf die Felder geführt habe. Sie antwortet darauf:68 Sie habe diese Frage bereits beantwortet, und sie habe, nachdem sie älter geworden und zu Verstand gekommen sei, das Vieh im allgemeinen nicht gehütet, wohl aber geholfen, es auf die Wiesen und zu einem Kastell, genannt die „Insel", zu treiben, aus Furcht vor Bewaffneten. Aber sie erinnere sich nicht daran, ob sie als Kind das Vieh gehütet habe oder nicht.
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Es ist eine von den erstaunlich klugen Antworten Jeannes. Die Frage, ob sie im reiferen, verständigen Alter das Vieh gehütet habe, möchte natürlich suggerieren, was unbeaufsichtigte jugendliche Hirten so alles miteinander treiben. Jeanne, die das durchschaut, stellt deshalb in Abrede, daß sie in verständigem Alter das Vieh auf der Weide als Hirtin beaufsichtigt habe. O b sie es als Kind, in vorpubertärem Alter, getan hat, weiß sie nicht mehr. Diese Aussage steht im Widerspruch zu den Erinnerungen einiger Dorfbewohner von Domrémy. So sagt etwa der zuerst angehörte Zeuge im Nullitätsprozeß, der siebzigjährige Jean Morelli aus Greux (er war einer der Paten Jeannes), sie habe das Vieh auf der Wiese gehütet;6' ebenso die schon erwähnte Béatrice. Ihrem Zeugnis kommt ein besonderes Gewicht zu, weil sie sagt, Johanna habe das Vieh des Dorfes gehütet, wenn die Reihe dazu an ihren Vater kam (secundum turnum patris).70 Schon MICHELET hat den Widerspruch, aber nicht die Zielrichtung der Frage bemerkt und deshalb der Aussage Jeannes uneingeschränkte Glaubwürdigkeit zugebilligt.71 Wir wissen nicht, was in den knapp drei Jahren von der ersten Erscheinung der Stimmen im Sommer 1425 bis zum Mai 1428 in Johanna vorging und in welcher Weise sie sich auf die Ausführung ihrer Mission vorbereitete. Hat sie damals reiten gelernt? Bei einer der ersten Visionen hatte sie dem Erzengel noch erklärt, sie sei nur ein armes Mädchen, das sich weder aufs Reiten noch aufs Kriegführen verstehe.72 In seiner Anklageschrift (Art. VIII) behauptet d'Estivet, Jeanne habe während ihres Aufenthaltes in Neufchâteau sowohl das Reiten als auch den Gebrauch der Waffen erlernt.73 Aber der Vertreter der Anklage im Prozeß von Rouen ist ein notorischer Lügner, und die erwähnte Behauptung ist durch keine Aussage Jeannes selbst gedeckt. Dennoch muß sie sich in der relativ langen Zeitzwischen der ersten Vision und ihrem ersten Aufbruch nach Vaucouleurs sorgfältig auf ihre Mission vorbreitet haben. Das gilt vor allem hinsichtlich der Informationen über die politische Lage, die sie aufmerksam gesammelt hat. Ferner scheint damals bereits die Idee vom sakralen Charakter des Krieges gegen die Engländer und ihrer eigenen aktiven und führenden Rolle dabei in ihr gereift zu sein. Obwohl Johanna, nachdem sie sich entschlossen hatte, nach Vaucouleurs zu gehen, ihren Eltern gegenüber ihre Absicht verheimlichte,74 schöpfte ihr Vater doch Verdacht. Sie war ja schon einmal abgehauen, um vor dem bischöflichen Gericht in Toul ihre Sache zu vertreten. Jacques d'Arc wußte gewiß nicht nur aus dieser Episode, wie eigensinnig und hartnäckig seine Tochter sein konnte. Im Prozeß erklärte sie am 12. März 1431 dem Magister Jean de la Fontaine auf dessen Frage, ob sie der Meinung gewesen sei, zu sündigen, als sie Vater und Mutter verließ:75 Nachdem Gott es geboten hatte, mußte das geschehen. Sie sagte weiterhin, nachdem Gott es geboten habe, wenn sie auch hundert Väter und Mütter gehabt hätte und wenn sie die Tochter des Königs gewesen wäre, dann wäre sie doch gegangen.
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N o c h aufschlußreicher und keines weiteren Kommentars bedürftig ist die Aussage, die sie am Nachmittag desselben Tages dem gleichen La Fontaine gegenüber macht: 76 Als sie noch im Hause ihres Vaters und ihrer Mutter gelebt habe, sei ihr mehrmals von ihrer Mutter gesagt worden, ihr Vater habe erzählt, er habe geträumt, daß seine Tochter Johanna mit Bewaffneten weggehen werde. Und deshalb hätten ihre vorgenannten Eltern große Sorge gehabt, sie zu bewachen und hätten sie in großer Unterwerfung gehalten. Und sie selbst sei in allem gehorsam gewesen, außer im Falle des Prozesses, den sie in der Stadt Toul in ihrer Ehesache zu führen hatte. Sie sagte auch, sie habe von ihrer Mutter gehört, daß ihr Vater zu ihren Brüdern gesagt habe: „Wenn ich wirklich glauben müßte, daß das eintritt, was ich bezüglich meiner Tochter befürchte, dann möchte ich, daß ihr sie ersäuft; und wenn ihr es nicht tätet, dann würde ich sie selbst ersäufen." Und die vorgenannten Eltern verloren beinahe den Verstand, als sie wegging, um sich in die Stadt Vaucouleurs zu begeben.
Vaucouleurs: Die ersten Anhänger Was die Gefühle der Verzweiflung bei Jeannes Eltern betrifft, so traten sie wohl noch nicht ein, als sich die Tochter an der Haustür in Domrémy von ihnen verabschiedete. Ihr „Onkel" Durand Laxart aus Burey-le-Petit (Bureyen-Vaux) hat im Nullitätsprozeß ausgesagt, daß er selbst sie im Haus ihres Vaters abgeholt habe; 77 dasselbe berichten mehrere andere Zeugen aus D o m rémy und Umgebung. 78 Keineswegs heimlich, sondern mit Wissen und E r laubnis ihrer Eltern begab sie sich also nach Burey, um dort ihrer Cousine Jeanne zu helfen, die damals schwanger war. 79 V o r ihren Richtern in Rouen erklärt Johanna am 22. Februar 1431, sie sei acht Tage lang bei ihrem Onkel geblieben und habe ihm gesagt, sie müsse nach Vaucouleurs gehen. Ihr Onkel habe sie dann dorthin begleitet. 80 Durand Laxart, der am 31. Januar 1456 in Vaucouleurs zu den Vorgängen vernommen wurde, schildert, wie ihm Johanna den Inhalt ihrer Mission eröffnet habe: daß sie nämlich nach Frankreich gehen müsse, zu dem Dauphin, um ihn krönen zu lassen. Mit dem Hinweis auf den prophetischen Spruch, daß Frankreich durch eine Frau verwüstet würde, aber durch eine Jungfrau wiederhergestellt werden müsse, habe sie ihn überzeugt. Sie habe ihn dann gebeten, nach Vaucouleurs zu Robert de Baudricourt zu gehen, um ihn zu bitten, daß er sie zu dem Ort geleiten lasse, an dem sich der Herr Dauphin befinde. Laxart erfüllte seiner Verwandten den Wunsch, wurde aber von dem Kommandanten abschlägig beschieden: Baudricourt riet ihm, das Mädchen zu ihrem Vater zurückzubringen und ihr ein paar Ohrfeigen zu verpassen.8' Laxart erzählt weiter: Als die genannte Pucelle sah, daß Robert sie nicht zu dem O r t geleiten lassen wollte, an dem sich der Dauphin befand, da nahm sie seine, des Zeugen, Kleider
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an sich und sagte, sie wolle jetzt abhauen. Und als sie sich gerade davon machen wollte, da führte der Zeuge sie nach Vaucouleurs. Demnach hatte sich Laxart zunächst allein zu Robert von Baudricourt begeben und war erst danach, zusammen mit Jeanne, noch einmal zu dem Festungskommandanten gegangen. Bemerkenswert ist, daß sie damals zum ersten Mal Männerkleider anlegte, die ihres „Onkels", offenbar in der Absicht, sich allein nach Chinon durchzuschlagen. Laxart sagt kein Wort über die erste persönliche Begegnung Jeannes mit Baudricourt, die, wie schon erwähnt, um Mitte Mai 1428 stattgefunden haben muß.82 Dagegen berichtet Bertrand de Poulengy, der bei dem Gespräch anwesend war, die Pucelle habe Baudricourt eingehend über ihre Mission informiert: bis zur Mitte der nächsten Fastenzeit (1429) werde der Dauphin Hilfe erhalten; das Königtum gehöre nicht dem Dauphin, sondern ihrem Herrn; dessen Willen aber sei es, daß der Dauphin das Königtum als „Kommende" (Lehen) erhalte; sie selbst werde ihn zur Königsweihe führen.83 Jeanne selbst erklärt darüber in ihrem Prozeß, sie habe Baudricourt sogleich erkannt, obwohl sie ihn vorher nie gesehen hätte, und zwar weil die erwähnte Stimme (d.h., die des Erzengels) es ihr mitgeteilt habe. Sie habe Robert gesagt, sie müsse nach Frankreich gehen. Der habe ihr zweimal eine Abfuhr erteilt, ihr aber schließlich bei ihrem dritten Vorsprechen Männer zu ihrem Geleit gegeben.84 Die Angaben Laxarts scheinen sich nicht in allen Punkten mit denen Johannas zu decken. Er erwähnt zum Beispiel einen Aufenthalt der Pucelle von sechs Wochen in seinem Hause in Burey.85 Entweder war sie in ihrer früheren Jugend (vor 1428) schon einmal dort oder es ist von ihrem zweiten Anlauf bei Baudricourt die Rede, den sie Ende Januar 1429 unternahm. Die Situation der Festung Vaucouleurs hatte sich inzwischen entscheidend geändert. Im Juli 1428 hatte Antoine de Vergy, Marschall von Burgund, eine beträchtliche Streitmacht zusammengezogen, die das letzte Widerstandsnest der Armagnacs im Westen ausheben sollte. Doch Vaucouleurs war eine gewaltige, schier uneinnehmbare Festung. An die einstige Mächtigkeit erinnern heute nur noch wenige Reste, darunter die imposante Tour des Anglais (Engländerturm) und einige Grundmauern des auf einer Anhöhe über der Stadt gelegenen Schlosses. HENRI BATAILLE, der sie bis 1955 ausgegraben hat, schildert eindrucksvoll, wie Baudricourt, um einer zermürbenden Belagerung durch die burgundisch-englische Armee zu entgehen, Anfang August 1428 eine Ubereinkunft mit Vergy schloß, nach der Vaucouleurs formell kapitulieren, aber erst in zehn Monaten übergeben werden sollte („capitulation suspensive" oder „conditionelle"). Während dieser zehn Monate sollte Baudricourt sich neutral verhalten.86 Er hoffte wohl insgeheim, daß in dieser Zeit eine Wende eintreten würde, so wie die Burgunder und Engländer ihrerseits mit einem endgültigen Durchbruch rechneten, der bald darauf durch die Belagerung von Orléans eingeleitet wurde. Baudricourts Verhalten Jeanne gegenüber war deshalb weniger abweisend, als es bei ihrem ersten Besuch der Fall gewesen war.
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Jeanne betrat die Stadt durch die Porte Notre-Dame. Sie muß also das dort angebrachte gotische Reliefbild der Jungfrau Maria gesehen haben, das sich heute in der kleinen Privatsammlung von HENRI BATAILLE befindet. Das Mädchen, das damals noch von allen Bekannten „Jeannette" (Johanneta, Johannachen) genannt wurde, fand Unterkunft im Hause eines gewissen Henri Le Royer (Henricus Rotarius) und seiner Frau Catherine. Beide erlebten noch den Nullitätsprozeß und haben als Zeugen darin ausgesagt.87 Während der drei Wochen, die sich Jeanne diesmal in Vaucouleurs aufhielt, half sie Catherine beim Spinnen, worauf sie sich sehr gut verstand.88 Eines Tages erschien Baudricourt in Begleitung des Pfarrers Jean Fournier bei den Le Royers. Der Priester hatte seine Stola mitgebracht und sollte feststellen, ob Jeanne unter dämonischem Einfluß stünde. Er vollzog ein Beschwörungsritual: wenn sie etwas Böses (mala res) sei, dann solle sie von ihnen weggehen; wenn sie aber gut sei, solle sie zu ihnen kommen. Jeanne bewegte sich in Richtung des Priesters und wollte seine Knie umfassen. Aber sie war von dem Verfahren keineswegs begeistert und brachte deutlich zum Ausdruck, daß sie es für überflüssig hielt; denn sie hatte vorher bei dem Priester gebeichtet. Catherine Le Royer berichtet auch, sie habe gehört, wie Jeanne sagte, sie müsse zum Dauphin gehen, und sie habe sich dafür auf die ihr, der Zeugin, bekannte Merlin-Prophezeiung berufen. Allmählich habe Jeanne die Geduld verloren und habe sich gefühlt wie eine schwangere Frau. Catherine und viele andere Leute in Vaucouleurs begannen aber nun, an Jeannes Berufung zu glauben.89 Henri Le Royer selbst erinnert sich an eine bemerkenswerte Äußerung Jeannes über ihre Bestimmung, die an die Sophokleische Antigone denken läßt: sie sei dazu geboren, ihren Auftrag zu erfüllen.K Als Baudricourt noch immer nichts unternahm, machte sie sich in Begleitung ihres Onkels Laxart und eines gewissen Jacques Alain in Richtung Nancy auf, vielleicht um die Unterstützung des Herzogs Karl II. von Lothringen zu gewinnen. Sie kamen aber nur bis zu dem Wallfahrtsort Saint-Nicolas-de-Port. Dort erklärte Johanna ihren Begleitern, es sei nicht ehrenhaft, auf diese Weise wegzugehen, und man kehrte nach Vaucouleurs zurück.91 In Vaucouleurs trat nun die Wende ein: etwa gleichzeitig kamen viele von den Einwohnern der Stadt zum Glauben an Johannas Worte und an ihren göttlichen Auftrag. Außer Catherine Le Royer haben die wichtigsten von ihnen ihre Erinnerungen daran festgehalten. Jean de Nouillompont (Johann von Metz) erinnert sich noch gut daran, wie er Jeanne in ihrem ärmlichen roten Kleidchen begegnet war. Er sprach sie an: „Meine Freundin, was tun Sie hier? Muß es so weit kommen, daß der König aus seinem Reich vertrieben wird und wir Engländer werden?" Die Pucelle gab ihm zur Antwort:92 Ich bin hierher zum Haus des Königs gekommen, um mit Robert de Baudricourt zu reden, damit er mich zum König führt oder führen läßt. Aber der kümmert sich nicht um mich und um meine Worte. Ich muß aber noch vor Mittfasten beim
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König sein, und wenn ich mir die Füße bis zu den Knien abliefe. Kein Mensch auf der Welt, weder Könige, noch Herzoge, noch die Tochter des Königs von Schottland oder andere können das Königreich Frankreich wiedererobern. Und der König hat keine Hilfe zu erwarten außer von mir, obwohl ich lieber bei meiner Mutter, der armen Frau, spinnen würde, denn es ist nicht mein Stand. Aber ich muß gehen. Und ich werde das tun, weil mein Herr will, daß ich es so mache. Auf die Frage Johanns, wer denn ihr Herr sei, antwortete die Pucelle, das sei Gott. Darauf gelobte er ihr in die Hand, sie zum König zu führen. Um die gleiche Zeit gewann Johanna auch den schon mehrfach erwähnten Bertrand de Poulengy. Zusammen mit Johann von Metz bewegte der dann Baudricourt, sie beide mit Johanna zum Dauphin ziehen zu lassen.93
Vaucouleurs: Die Männerkleider Wenn wir der Darstellung Johanns von Metz glauben dürfen, dann fragte er damals die Pucelle wiederholt, ob sie die Reise in ihren Kleidern unternehmen wolle. Sie habe darauf geantwortet, sie möchte lieber Männerkleider haben. Johann gab ihr darauf von den Kleidern und Schuhen seiner Diener. Aber der Bevölkerung von Vaucouleurs, deren Sympathie sich inzwischen Johanna zugewandt hatte, genügte diese dürftige Ausstattung nicht mehr. Man ließ für sie neue, passende Kleider schneidern; außerdem wurden Schuhe und Ledergamaschen angefertigt. Für sechzehn Franken wurde ein Pferd gekauft.94 Abweichend hiervon sagt Durand Laxart aus, das Pferd Johannas habe zwölf Franken gekostet, die zunächst von ihm selbst und Jacques Alain aufgenommen worden seien; später habe dann Robert de Baudricourt die Schuld bezahlt.95 In den oben zitierten Sätzen Johannas aus dem Bericht des Jean de Nouillompont ist die Tochter des Königs von Schottland erwähnt. Es handelt sich um die damals dreijährige Margareta, Tochter des Königs Jakob I. von Schottland, die am 30. Oktober 1428 mit dem fünfjährigen Thronfolger Louis (dem späteren König Ludwig XI.) verlobt worden war, um das Bündnis zwischen Frankreich und Schottland zu festigen.96 Der Passus zeigt, daß Johanna auch über Details des politischen Geschehens sehr genau informiert war. Die Aussagen Laxarts und Poulengys stimmen darin überein, daß Jeanne, bevor sie Männerkleider anlegte, nach Nancy zu dem Herzog Karl II. von Lothringen (1390-1431) ging.97 Nach Jean de Nouillompont dagegen ritt Johanna bereits mit Männerkleidern ausgestattet, auf Einladung des Herzogs und mit dessen Zusage freien Geleits, nach Nancy. Diese Aussage verdient eher Glauben als die der beiden anderen Zeugen, denn Nouillompont erinnert sich genau, daß er die Pucelle bis nach Toul begleitete.98 Wie Jeanne selbst ihren Richtern am 22. Februar 1431 erzählt, ging es dem Herzog vornehmlich um die Wiedererlangung seiner Gesundheit, und er erhoffte sich
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wohl von der Pucelle ein entsprechendes Wunder. Aber auf „übernatürliches" Wirken hat sich Johanna auch später nie eingelassen, und sie antwortete dem Herzog kühl, er solle sich wegen seiner Krankheit an Gott wenden. Im übrigen bat sie ihn (vergeblich), ihr seinen Sohn und Leute mitzugeben, die sie nach Frankreich geleiten sollten." (Gemeint ist der Schwiegersohn Karls II., René von Anjou, der spätere Herzog von Lothringen; er war der Sohn Ludwigs II. von Anjou und der Königin Yolande; der Dauphin Karl VII. war mit seiner Schwester Marie d'Anjou verheiratet). Aber der mit den Burgundern liierte Herzog wollte sich nicht zu Jeannes Gunsten exponieren. Später erzählte Jeanne einer Dame aus dem Hofstaat der Königin Marie, Marguerite La Tourolde, der Frau des königlichen Rates René de Bouligny, weitere Einzelheiten ihrer Begegnung mit Herzog Karl. Die Pucelle hielt sich nach der Krönung Karls VII. drei Wochen lang in Bourges auf und wohnte in dem Haus der genannten Zeugin. Damals sagte Jeanne ihr, sie habe den Herzog ermahnt, er solle sich bessern und seine gute Frau wieder zu sich nehmen.100 Jeanne kannte also auch hier die Verhältnisse genau: der Herzog von Lothringen hatte sich von seiner frommen Gemahlin Margareta von Bayern getrennt und lebte mit einer Mätresse namens Alison May zusammen. Aus den letzten Tagen, die Johanna in Vaucouleurs verbrachte, ist eine Episode von zweifelhafter Glaubwürdigkeit überliefert. In der Anklageschrift des unguten Promotors d'Estivet heißt es:101 Ebenso sagte die genannte Johanna, nachdem sie zu dem genannten Robert [de Baudricourt] ein Vertrauensverhältnis erlangt hatte, indem sie sich rühmte, zu ihm: wenn sie das, was ihr durch eine Offenbarung vonseiten Gottes aufgetragen sei, auf den Weg gebracht und vollendet habe, dann werde sie drei Söhne bekommen, von denen der erste Papst, der zweite Kaiser und der dritte König würde. Als der Kommandant das hörte, sagte er: „Dann möchte ich dir einen davon machen, denn es werden ja Männer von großem Ansehen sein, und folglich würde auch ich dann mehr gelten." Sie antwortete ihm: „Edler Robert, nein, nein, dazu ist jetzt nicht die Zeit; daran wird der Heilige Geist wirken." Diese Worte hat der erwähnte Robert an verschiedenen Orten, in Gegenwart von kirchlichen Würdenträgern, hohen Herren und adeligen Personen in aller Öffentlichkeit auf das bestimmteste versichert. Johanna antwortete auf diesen Artikel, daß sie sich auf das beziehe, was sie hierzu schon einmal geantwortet habe. Und sie sagte, sie habe sich hierüber, nämlich daß sie drei Jungen haben werde, nicht gerühmt.
Es ist klar, wozu die Kolportage dieses Gerüchts in der Anklageschrift dienen soll: Jeanne soll als leichtsinnige Kokotte dargestellt werden, die mit Baudricourt geflirtet und sich auf schlüpfrige Gespräche eingelassen hat. Mit Bedacht wird der angeblich von ihr geäußerte Satz: „Gentil Robert, nennil, nennil, il n'est pas temps; le Saint Esprit y ouvrera" auf französisch zitiert,
um den Eindruck der Authentizität zu erwecken. Es ist jedoch durchaus
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möglich, daß an der Geschichte etwas Wahres ist: Baudricourt hat vielleicht tatsächlich Jeanne die Frage gestellt, was sie nach Erfüllung ihrer Mission tun wolle; und Jeanne könnte darauf eine Antwort etwa in dem Sinne gegeben haben, daß sie dann in das „normale" Leben zurückkehren, heiraten und Kinder haben wolle. Schließlich gab Baudricourt seine Zustimmung zur Abreise Jeannes und ihrer Begleiter. Oft zitiert wird der Satz, mit dem er die Pucelle verabschiedete und der von dieser selbst überliefert ist: „Geh, geh! Und was daraus wird, das soll werden!" 102 Johanna war, als sie vermutlich am späten Nachmittag des 22. Februar 1429 das Schloß von Vaucouleurs durch die (heute noch vorhandene) Porte de France verließ, in Begleitung von sechs Männern: Bertrand de Poulengy mit seinem Diener Julien, Johann von Metz (Nouillompont) mit seinem Diener Jean de Honnecourt, dem königlichen Herold Colet de Vienne und einem Bogenschützen namens Richard.103 Baudricourt hatte sie alle schwören lassen, Jeanne gut und sicher an ihr Ziel zu bringen; außerdem hatte er ihr ein Schwert (ihr erstes!) geschenkt.104 Der Königsbote Colet trug ein Schreiben des Festungskommandanten an den Dauphin bei sich.105 Jeannes „Onkel" Durand Laxart, der als erster an ihre Sendung geglaubt hatte, blieb zurück. Er sah seine Verwandte erst wieder in Reims bei der Krönung des Königs (am 17. Juli 1429); er hatte aber (damals oder später) Gelegenheit, Karl VII. persönlich über die Anfänge der Pucelle zu berichten.106 Die kleine Gesellschaft, die sich mit größter Vorsicht durch das feindliche Gebiet bewegen mußte, gelangte in der Abenddämmerung zu der Abtei Saint-Urbain-lès-Joinville, wo sie die ersten Nacht verbrachte.107 Am 22. Februar 1431 fragte der hochangesehene Theologe Jean Beaupère, ehemaliger Rektor der Pariser Universität (1412 und 1413), Domherr der Kathedralen von Rouen, Paris und Beauvais, Johanna unter anderem, ob sie bei ihrem Ausritt aus Vaucouleurs Männerkleider getragen habe, was sie bejahte.108 Beaupère fragte sie dann mehrmals, auf wessen Rat hin sie Männerkleider angelegt habe. Sie wollte aber darauf überhaupt nicht antworten. Schließlich sagte sie, sie wolle damit keinen Menschen belasten, und indem sie immer wieder mit verschiedenen Worten dasselbe sagte, wand sie sich um eine direkte Antwort herum.109 Wenn man der Aussage Johanns von Metz glauben darf, die er fünfundzwanzig Jahre später gemacht hat (und daran zu zweifeln, besteht kein Anlaß), dann war er es, der Johanna vorschlug, Männerkleider anzulegen. Er fand daran ebensowenig etwas Anstößiges wie die Einwohner von Vaucouleurs, die Johanna dann mit neuen Kleidern ausstatteten.110 Bekanntlich war aber das Tragen von Männerkleidern eines der Hauptverbrechen, die Johanna in dem Prozeß von Rouen zur Last gelegt wurden. Schon in dem einleitenden Schreiben zu den Prozeßakten wird als erstes Vergehen der „Johanna, die allgemein Pucelle genannt wird", angeführt, daß sie, „nicht eingedenk der Ehrbarkeit, die sich für das weibliche Geschlecht gehört, die Zügel der Schamhaftigkeit zerrissen, die gesamte weibliche Scham vergessen, die unpassenden, dem männlichen Geschlecht gemäßen
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Kleider in seltsamer und monströser Formlosigkeit angelegt" habe.111 Ähnlich lautet die Formulierung in dem Brief, der am 9. Januar 1431 im Namen des Kind-Königs Heinrich VI. an den Bischof Pierre Cauchon geht."2 Auf Vorhaltungen und Ermahnungen, wieder Frauenkleider anzulegen, welche die als Beisitzer fungierenden Theologen und Kanonisten im Verlauf des Prozesses an sie richteten, hat Johanna entgegnet, es läge nicht an ihrer Entscheidung, die Kleider zu wechseln; außerdem sei das Tragen von Männerkleidern nicht gegen die Vorschriften der Kirche; so am Palmsonntag, dem 25. März.113 Am darauffolgenden Mittwoch, dem 28. März, erklärt sie kurz und bestimmt:114 Betreffs der Kleidung und der Waffen, die sie getragen habe: das sei aufgrund der Erlaubnis Gottes; und das sowohl betreffs der Männerkleidung wie der Waffen. Als man sie fragte, ob sie ihre Kleidung nicht ablegen wolle, antwortete sie: sie werde nicht davon lassen ohne Erlaubnis unseres Herrn, selbst wenn man ihr den Kopf abschlagen sollte; aber wenn es unserem Herrn gefiele, würde sie die Männerkleider alsbald ablegen. Sie fügte noch hinzu, wenn sie nicht die Erlaubnis unseres Herrn hätte, dann würde sie keinesfalls Frauenkleider anlegen.
Aus dieser und vielen anderen Aussagen Jeannes geht hervor, daß sie ihre Männerkleidung und ihre Waffen (Rüstung und Schwert) als integralen Teil ihres göttlichen Auftrags angesehen hat. Wie verträgt sich das aber mit der offenkundigen, gut bezeugten Zufälligkeit der historischen Umstände, unter denen sie zu ihrem männlichen und kriegerischen „Outfit" kam? Es liegt hier nur ein scheinbarer Widerspruch vor. Johanna hat sich allmählich in die mit ihrer Sendung gegebene Rolle hineingedacht, die ihr gewissermaßen zur zweiten Natur, zu ihrem neuen Ich wurde. Sie nahm die Person des Gesandten mit göttlichem Auftrag und dessen äußeres Erscheinungsbild an: sie wurde selbst zum Erzengel. Ähnlich verhält es sich mit dem Wiederanlegen der Männerkleider nach dem ersten Urteil, am 28. Mai 1431, das der Anlaß für ihre definitive Verurteilung wurde. Martin Ladvenu, Angehöriger des Dominikaner-Konvents von Rouen und einer der Beisitzer im Prozeß gegen Jeanne, der am 9. Mai 1552 vernommen wurde, behauptet, er habe von Jeanne selbst erfahren, der Vergewaltigungsversuch seitens eines englischen Großherrn sei der Grund gewesen, weshalb sie wieder Männerkleider angelegt habe.115 Gegenüber ihren Richtern, die sie alsbald nach dem „Rückfall" aufgesucht hatten, hatte Jeanne erklärt, sie habe die Männerkleidung freiwillig wieder angezogen und niemand habe sie dazu veranlaßt. Als man ihr vorhielt, sie habe doch unter Eid versprochen, keine Männerkleider mehr anzuziehen, antwortete sie, sie sei sich niemals bewußt gewesen, einen solchen Eid abzulegen.116 Was immer der äußere Anlaß für das Wiederanlegen der Männerkleidung gewesen sein mag, Jeanne tat es in dem Augenblick, als ihr bewußt und durch die Heiligen Katharina und Margareta mitgeteilt wurde, daß sie mit ihrem Widerruf auf dem Kirchhof von Saint-Ouen einen großen Verrat begangen hatte.117
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Es ist nun an der Zeit, die Frage zu stellen, ob Jeanne Probleme mit ihrem Frau-Sein hatte, das heißt: ob das Anlegen von Männerkleidern zugleich die Annahme einer männlichen Person bedeutet und im Grunde ein krankhaftpsychotisches Phänomen ist. Jeannes Richter hatten natürlich noch keine Tiefenpsychologie studiert, aber sowohl Transvestitentum als auch sexueller Rollentausch dürften auch im Mittelalter bekannt gewesen sein, und sie wurden in kirchlichen Kreisen auf jeden Fall für abnorme, wenn nicht für dämonische Erscheinungen angesehen. Auf diesem Hintergrund ist die Frage zu verstehen, die Cauchon am 24. Februar 1431 an Jeanne richtet: „Ob sie wohl lieber ein Mann gewesen wäre, als sie nach Frankreich kommen sollte." Sie erwidert, sie habe schon anderweitig auf diese Frage geantwortet." 8 Wo das der Fall war, wissen wir nicht; jedenfalls enthalten die Protokolle der vorangehenden Tage keinerlei Hinweis auf eine entsprechende Frage.119 Für die Annahme eines psychotischen Krankheitsbildes der erwähnten Art scheint auch die schriftliche Aussage von Jeannes ehemaligem Knappen Jean d'Aulon zu sprechen: er habe von mehreren Frauen gehört, die Pucelle habe niemals „die geheime Krankheit der Frauen" gehabt, das heißt, sie hätte nie menstruiert.120 Wäre das zutreffend, so könnte man daraus schließen, daß sie, bewußt oder unbewußt, versucht hat, das Frau-Sein oder Frau-Werden bei sich zu unterdrücken. Aber die Aussage des Jean d'Aulon hat doch zu sehr den Charakter eines „On dit", als daß man daraus etwas Sicheres schließen könnte. Es mag hier auch die im jüdisch-christlichen Religionsbereich verbreitete Vorstellung eine Rolle gespielt haben, daß der Blutfluß bei einer Frau eine Verunreinigung bedeutet (Num 12,1-8; 15,19-30). Im übrigen kann man durchaus Jeannes Männerrolle, ebenso wie ihre Stimmen, als Krankheitssymptome betrachten;121 man muß sich aber bewußt sein, daß damit nicht alles über die betreffenden Phänomene gesagt ist.
Chinon: Das Zeichen Johanna und ihre sechs Begleiter gelangten von der Abtei Saint-Urbain (23. Februar 1429) nach Auxerre (25. Februar). In der dortigen Kathedrale ging sie zur Messe.122 Bei Gien überquerte die kleine Gesellschaft (vielleicht am 27. Februar) die Loire und kam schließlich nach Sainte-Catherine-de-Fierbois. Der berühmte Wallfahrtsort nahe bei Sainte-Maure, südlich von Tours, gehörte bereits zu dem von den Anhängern des Dauphin gehaltenen Gebiet. Jeanne und ihre Begleiter waren damit außer Gefahr. Sie hörte nacheinander drei Messen und diktierte anschließend einen Brief an den König, um ihre Ankunft anzukündigen; darin teilte sie ihm mit, sie habe gute Nachrichten für ihn.123 Einen Tag später (entweder am 4. März oder am 23. Februar) gegen Mittag ritten Jeanne und ihre Begleiter in die Stadt Chinon ein. Die Pucelle fand Unterkunft in einer Herberge. Seit der Abreise von Vaucouleurs waren elf Tage vergangen.124
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Die Aussage, die Johanna am 22. Februar 1431 über ihre Ankunft in Chinon machte, erweckt den Eindruck, daß sie noch am gleichen Tag, „nach dem Essen", zum König auf das Schloß ging.125 Nach der Aussage, die der Präsident der königlichen Rechnungskammer Simon Charles im Nullitätsprozeß machte, wurde Jeanne jedoch nicht gleich zum König vorgelassen. Charles weilte zwar zu dem betreffenden Zeitpunkt als Botschafter in Venedig, kehrte aber im März an den königlichen Hof nach Chinon zurück, wo ihm Johann von Metz und andere über die Ankunft der Pucelle berichteten. Demnach wurde Jeanne zunächst von Mitgliedern des königlichen Rates über ihre Absichten befragt. Sie wollte aber darüber nur dem König selbst Auskunft erteilen. Schließlich teilte sie aber doch die beiden Aufträge, die sie vonseiten des Himmelskönigs hatte, mit: Aufhebung der Belagerung von Orléans und Zug mit dem König nach Reims zum Empfang von Krönung und Weihe. Ein Teil der königlichen Räte vertrat daraufhin die Ansicht, man dürfe Johanna keinerlei Glauben schenken; andere traten dafür ein, daß der König sie wenigstens anhören sollte. Der König selbst aber äußerte den Wunsch, sie solle zuvor von Geistlichen geprüft werden, was auch geschah. Als sie dann schließlich das Schloß betrat, war sich Karl immer noch nicht schlüssig, ob er sie empfangen solle, zumal einige Herren aus seiner nächsten Umgebung davon abrieten. Schließlich wurde ihm zur Kenntnis gebracht, daß ein Brief Roberts von Baudricourt vorlag und die Pucelle eine gefährliche Reise mitten durch das Gebiet der Feinde hinter sich hatte. Das gab dann den Ausschlag, daß sie zur Audienz vorgelassen wurde.126 Wir wissen natürlich nicht, ob alle Einzelheiten der Aussage des Simon Charles sich so abgespielt haben. Zutreffen dürfte aber, was sich daraus bezüglich des Charakters Karls VII. erkennen läßt, der überaus mißtrauisch und ein großer Zauderer war, was sich auch aus anderen Quellen ergibt; ebenso glaubwürdig ist, daß es am Hof Stimmen gab, die für, und solche, die gegen die Pucelle sprachen. Es muß bereits Abend gewesen sein, als Jeanne zum Schloß kam. Sie wurde in einen großen, von Fackeln erleuchteten Saal geführt, in welchem an die dreihundert Personen versammelt waren.127 Nach dem Bericht des erwähnten Simon Charles zog sich der König, als ihm die Ankunft Jeannes gemeldet wurde, in den Hintergrund des Saales zurück. Dennoch erkannte die Pucelle ihn sogleich, ging auf ihn zu und erwies ihm die Reverenz. Dann sprach sie lange mit ihm, und am Ende des Gesprächs erkannte man, daß der König offenbar guter Stimmung war.128 Damit stimmt Johannas Aussage überein: sie habe den König sogleich beim Betreten des Raumes erkannt, und zwar weil ihre Stimme es ihr offenbart habe.129 Nicht erst moderne Skeptiker haben gefragt, wie es möglich war, daß Jeanne den Dauphin, den sie zuvor nie gesehen hatte, erkannte. Schon Bischof Cauchon fragt sie am zweiten Tage des Verhörs, ob an dem betreffenden Ort ein Licht zu sehen war, und dann, ob sie über ihrem König einen Engel gesehen habe. Beide Fragen zielen auf das mögliche Wirken dämonischer Mächte und erregen eben deshalb den Unwil-
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len Jeannes: „Macht weiter!" „Verschont mich, macht weiter!" 130 Und nochmals am 27. Februar: „Heilige Maria! Ob einer da war, weiß ich doch nicht und habe ihn auch nicht gesehen."131 Um das erwähnte und andere scheinbar übernatürliche Phänomene in der Geschichte der Pucelle zu erklären, haben moderne Historiker die sogenannte Bastard-Hypothese erfunden. Sie besagt, daß Johanna die illegitime Tochter des Herzogs Ludwig von Orléans und der Königin Isabeau von Bayern, der Gemahlin des verrückten Königs Karl VI. und Mutter Karls VII., gewesen sei. Da der Herzog Ludwig am 23. November 1407 durch seinen Vetter Johann Ohne Furcht von Burgund ermordet worden war, sind die Vetreter der Bastard-Hypothese genötigt anzunehmen, daß Johanna nicht erst 1412, sondern schon um 1407/1408 geboren wurde. Sie sei dann Jacques d'Arc und dessen Frau zur Erziehung übergeben und in Domrémy nach einem wohlüberlegten Plan auf die spätere Aufgabe einer Befreierin Frankreichs vorbereitet worden.132 SABINE TANZ hat den gesamten Fragenkomplex und die wichtigste Literatur dazu eingehend erörtert und alle Argumente angeführt, welche die Bastard-Hypothese überzeugend widerlegen.133 In jüngster Zeit hat JEAN MARKALE die Spekulationen um die illegitime Herkunft Jeannes aus königlichem Geschlecht um eine neue Variante bereichert: sie sei die zweite Tochter des Königs Karl VI. aus der Verbindung mit seiner Mätresse Odette de Champdivers gewesen. Als Halbschwester Karls VII. hätte sie von einem Geheimnis gewußt, das nur dem Dauphin und ihr bekannt war, und ihm so bei der ersten Unterredung in Chinon das rätselhafte „Zeichen" offenbaren können.134 Obwohl die erwähnte Tochter Karls VI. im Jahre 1411 geboren wurde, beruht auch diese gesamte Konstruktion auf unbeweisbaren Vermutungen. Man muß aber weder zum naiven Glauben an übernatürliche Fähigkeiten Johannas, noch zu rationalistischen, jedoch gleichwohl unbeweisbaren Hypothesen seine Zuflucht nehmen, um gewisse schwer erklärbare Ereignisse im Leben der Pucelle zu verstehen. Zweifellos war sie mit hervorragenden, bewundernswerten Talenten ausgestattet. So wie sie imstande war, komplizierte politische Verhältnisse zu erfassen und zu durchschauen, im Kriege strategisch zu denken und mit nachtwandlerischer Sicherheit das Richtige zu tun, so hatte sie auch eine tiefe, die äußere Schale durchdringende Menschenkenntnis. Ob man so weit gehen kann, von hellseherischen Fähigkeiten zu sprechen, ist fraglich. Schon von ihren Zeitgenossen wurde in diesem Zusammenhang die Geschichte um das Schwert von Sainte-Catherine-deFierbois angeführt. Von Tours oder Chinon aus schrieb Johanna an den Klerus der Wallfahrtskirche, man möchte hinter dem Altar nach einem Schwert suchen lassen. Tatsächlich wurde ein solches gefunden, vom Rost befreit und ihr zugesandt. Es waren fünf Kreuze darauf eingraviert. Die geistlichen Herren ließen außerdem eine neue Scheide für das Schwert anfertigen. Nachdem ein Waffenhändler es Johanna in Tours übergeben hatte, ließen die dortigen Leute zwei weitere Scheiden, eine aus rotem Samt und eine aus Brokat ma-
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chen. Jeanne selbst ließ dann für dieses ihr zweites Schwert aus starkem Leder noch eine vierte Scheide anfertigen. Nach eigenen Angaben trug sie es bis zu dem (vergeblichen) Angriff auf Paris.135 Das Schwert von Sainte-Catherine-de-Fierbois wurde, nicht ohne Zutun Johannas, ein mythischer Gegenstand, der wie die Männerkleidung, die Rüstung, die Fahne und die Frisur zu den Attributen ihrer Persönlichkeit gezählt wurde. Noch in den Dramen von SHAKESPEARE und SCHILLER wird der Reflex davon erkennbar.136 Bei SHAKESPEARE ist das Schwert ein dämonisches Werkzeug. Als solches wollten es schon Johannas Richter hinstellen, wie ihre diesbezüglichen Fragen zeigen.137 Möglicherweise hat auch diese Episode eine ganz natürliche Erklärung. Sainte-Catherine-de-Fierbois liegt in der Nähe des Schlachtfeldes, wo Karl Martell im Oktober 732 seinen berühmten Sieg über die Araber errang. Es ging die Sage, er habe anschließend sein Schwert in der Wallfahrtskirche als Votivgabe aufgehängt. Johanna kann davon, vielleicht schon bei ihrer Mutter, gehört haben. Vielleicht hatte sie auch im Chor der Kirche eine Grabplatte mit Darstellung eines bewaffneten Ritters gesehen, und das Schwert wurde später dem betreffenden Grab entnommen. Das sind aber bloße Vermutungen. Johanna sagt ihren Richtern ausdrücklich, daß es nicht dieses Schwert war, das sie bei der Belagerung von Paris als Votivgabe in Saint-Denis zurückließ, und auch nicht das, mit dem sie vor Compiègne gefangengenommen wurde. Uber den Verbleib des Schwertes von Sainte-Catherine gibt sie ausweichende Erklärungen ab.138 Überhaupt nicht ausfragen lassen will sich Johanna auch bezüglich des Zeichens, das sie dem König gab, um ihren göttlichen Auftrag zu beweisen.139 Sie behauptet, sie sei ihren Stimmen unter Eid verpflichtet, darüber zu schweigen. Am 13. März 1431 sagt sie aber dann doch Näheres über das Zeichen: es sei eine Krone gewesen, die ein Engel ihrem König überbracht habe; dabei habe er ihm versichert, er werde das gesamte Königreich in Besitz nehmen, mit Gottes Hilfe und durch die Arbeit Johannas; er, der König, solle sie ans Werk setzen, indem er ihr Bewaffnete übergebe; andernfalls werde er nicht so schnell gekrönt und geweiht. Johanna gibt des weiteren an, die betreffende Krone sei in ihrer Gegenwart dem Erzbischof von Reims übergeben und anschließend im königlichen Schatz deponiert worden; Ort des Ereignisses sei das Zimmer des Königs im Schloß von Chinon gewesen und das Ganze habe sich zwei Jahre zuvor, im April oder März (1429) zugetragen. Aus den weiteren Einzelheiten der Ubergabe des Zeichens, welche das geistliche Tribunal von Rouen aus Johanna herausquetscht, geht hervor, daß der Engel sie zunächst in ihrer Herberge aufsuchte, dann mit ihr gemeinsam, in der Gesellschaft weiterer Engel, zum Dauphin ging, um ihm die Krone zu überbringen. Den Engel hätten ihrer Meinung nach der Erzbischof von Reims, die Herren von Alençon und La Trémoïlle sowie Karl von Bourbon gesehen;140 a n d e r e , d a r u n t e r m e h r e r e Geistliche, h ä t t e n die K r o n e , a b e r n i c h t
den Engel gesehen.141
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Es ist schwer zu sagen, was hier wirklich vor sich ging. Hat Johanna eine Art von „Performance" inszeniert? Woher hatte sie dann die erwähnte Krone? Oder hat sie sich die ganze Szene nur eingebildet und vielleicht einigen der Anwesenden suggeriert? Bemerkenswert ist jedenfalls, daß der Herzog von Alençon bei seiner Befragung am 3. Mai 1456 das Ereignis überhaupt nicht erwähnt.142 Darauf, daß sich Johanna selbst in der Rolle des Engels sehen oder in ihr aufgehen konnte, deutet die Aussage, die sie vor ihrer Hinrichtung gegenüber dem Magister Pierre Maurice und anderen machte: sie selbst sei der erwähnte Engel gewesen.143 Diese Bemerkung ist allerdings mit Vorsicht zu behandeln, denn sie ist kurz nach dem Widerruf gefallen, zu einer Zeit, in welcher Jeanne vollkommen niedergeschlagen und verzweifelt war. Ein Augenzeuge der wichtigsten Ereignisse der letzten Tage Johannas, der Priester Pierre Boucher, berichtet, die Pucelle habe nach der Predigt auf dem Kirchhof von Saint-Ouen (am 24. Mai 1431) mit lauter Stimme den heiligen Michael angerufen, er möge sie leiten und beraten; als sie sechs Tage später auf dem Scheiterhaufen angebunden wurde, habe sie besonders Sankt Michael angerufen.144 Beide Gebete könnten so etwas wie Johannas persönliches „Eli, Eli" (Mk 15,34) gewesen sein. Schon in den ersten Tagen des Prozesses von Rouen, als Pierre Cauchon sie wegen des zu leistenden Eides bedrängt, sagt sie voller Ermattung und Resignation:145 Sie sei von Gott gekommen und habe hier nichts zu schaffen, und sie bat, man möge sie zu Gott zurückschicken, von dem sie gekommen sei. Mit diesen rätselhaften, bedeutungsvollen Worten ist nicht nur etwas über Johannas göttliche Sendung gesagt, sondern sie bringen das Bewußtsein einer überzeitlichen, jenseitigen, engelhaften Existenz zum Ausdruck. SABINE TANZ hat bezüglich des Phänomens der Visionen der Pucelle als „Ausgangshypothese" formuliert: „Visionen erscheinen als die Form, in der Jeanne d'Arc die sie umgebende Realität reflektiert." Dementsprechend brachten „die Visionen und Stimmen, die sie bis zu ihrem Tod am 30. Mai 1431 nicht mehr verlassen sollten, ... Jeannes eigene Wünsche und Impulse zum Ausdruck."146 Ich halte diese Auffassung im wesentlichen für zutreffend und habe früher schon einmal bezüglich der Visionen des heiligen Franziskus von Assisi die Meinung vertreten, daß sie eine besondere Form religiösen Denkens sind.147 Wegen der durch sein Fach gegebenen Grenzen kann ein Historiker vielleicht nicht weiter gehen. Man muß sich aber bewußt sein, daß damit nicht das letzte Wort gesprochen ist. Wenn Visionen eine (legitime) Form der Reflexion sind, dann haben sie nicht nur mit der gegenständlichen oder psychischen „Realität" zu tun, sondern gewiß auch mit der (transzendenten) Wahrheit. Dieselbe kann sich aber in den konkreten und individuellen Visionen nur in zweideutiger, gebrochener und (mit wissenschaftlichen Methoden)
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letztlich nicht faßbarer Weise reflektieren. Zutreffend ist auch Frau TANZ'S Feststellung, daß Sankt Michael „in Johannas Bewußtsein zum wichtigsten Vermittler göttlichen Willens" wurde.148 Für die innere Entwicklung der Persönlichkeit und des Bewußtseins Johannas bedeutet das aber nichts anderes, als daß die geistige, virtuelle Gestalt des Erzengels in ihr wuchs und daß ihre eigenen Ziele und Absichten mit dem Willen Sankt Michaels in eins verschmolzen. Psychologisch und historisch faßbar wird, wie der Seraph des Franziskus, nur der Michael, der aus Jeannes Traumwelt aufsteigt und von ihr gewissermaßen ausgedacht und geschaffen wird. Man wird aber vermuten dürfen, daß es sich dabei nicht um „pure Phantasie" oder „Spinnerei" handelt. Was aber das dem Dauphin gegebene Zeichen betrifft, so existiert darüber kein zuverlässiges Zeugnis. Karl VII. selbst hat sich darüber ausgeschwiegen. Aus uns unbekannten Gründen wurde er auch im Verlauf der Ermittlungen des Nullitätsprozesses nicht befragt. Zeitlich am nächsten bei der ersten Begegnung Jeannes mit ihm liegen die Erinnerungen des Präsidenten Simon Charles und des Herzogs von Alençon. Aber beide waren bei dem Ereignis selbst nicht anwesend und hatten nur durch Hörensagen Kenntnis davon. Etwas später erfuhr auch Jeannes Beichtvater, der Augustiner Jean Pasquerel, Einzelheiten von der Begegnung. Aus den genannten drei Berichten geht hervor, daß die gedrückte Stimmung des Dauphin nach dem ersten Gespräch unter vier Augen mit Jeanne umschlug: die Anwesenden bemerkten, daß er auf einmal guter Dinge war.149 Die von Pasquerel überlieferte Darstellung geht nach dessen eigener Aussage auf Jeanne selbst zurück und scheint die authentischste zu sein. Sie enthält kein Wort über den Engel und die von ihm überbrachte Krone. Johanna erzählt lediglich, sie habe dem Dauphin in kurzen Worten den Inhalt ihrer göttlichen Sendung mitgeteilt:150 Edler Dauphin, ich heiße Jehanne la Pucelle, und der Himmelskönig läßt Euch durch mich sagen, daß Ihr in der Stadt Reims geweiht und gekrönt werden sollt. Und Ihr werdet der Stellvertreter des Himmelskönigs sein, welcher der König von Frankreich ist.
In Johannas eigenen Worten ist hier zum ersten Mal deutlich ihre Auffassung vom sakralen Königtum Frankreichs ausgeprochen, wenn man so will, ihre individuelle Religion, ihre politische Theologie, die sie natürlich nicht selbst erfunden hat.151 Zu einer „Eigenleistung" wird diese Vorstellung nur, weil sie sie mit ihrem persönlichen, gottgegebenen Auftrag verbindet. Wie wir noch sehen werden, liegt genau darin der Schlüssel ihres Erfolgs. In diesem ersten Gespräch mit dem Dauphin Karl von Valois ist aber das Entscheidende, daß sie ihm bezüglich seiner leiblichen Herkunft Sicherheit geben kann: er ist der legitime Thronfolger.152 Und nach vielen Fragen, die der König stellte, sagte Johanna wiederum: „Ich sage Dir vonseiten des Herrn, daß Du der echte Erbe von Frankreich bist und der Sohn des Königs. Und er sendet mich zu Dir, um Dich nach Reims zu geleiten, damit Du dort deine Krönung und Weihe erhältst, wenn Du willst."
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Als der König das gehört hatte, sagte er zu den Anwesenden, Johanna habe ihm einige geheime Dinge mitgeteilt, die niemand wüßte oder wissen könne außer Gott. Deshalb hatte er zu ihr ein großes Vertrauen. Und alles zuvor Gesagte hat er [der Zeuge Jean Pasquerel] von Johanna selbst gehört, denn er war bei den erwähnten Ereignissen nicht anwesend. Einem hinsichtlich seiner Identität tief verunsicherten Psychopathen, dem die eigene Mutter die Illegitimität seiner Herkunft, eine unordentliche Geburt, bescheinigt hatte, wird hier mit prophetischem Selbstbewußtsein sein dynastisches Recht und sein von Gott legitimiertes Amt zugesprochen. Was die geheimen Dinge betrifft, die nur Gott und dem König bekannt waren, so muß es sich keineswegs um Arcana der königlichen Familie gehandelt haben, sondern vielleicht eher um seelische Nöte und Abgründe, die Johanna aufgrund ihrer überragenden Menschenkenntnis und Einfühlungsgabe durchschaute - nicht anders wie eine moderne „weise Frau" oder „Hellseherin". Ebenso hat sie es kurze Zeit darauf verstanden, die Heerführer und Offiziere des Dauphin, lauter erfahrene und gestandene Männer, an der empfindlichen Stelle ihrer Seele zu packen, zu überzeugen und mitzureißen.
Poitiers: Die Theologen In seinen Aussagen vom Mai 1556 erinnert sich der Herzog von Alençon, daß Karl VII. nach Anhören des Berichts der Theologenkommission, die Johanna in Chinon examiniert hatte, sie zu einer zusätzlichen Prüfung nach Poitiers schickte.153 Da Paris von den Engländern besetzt war und die ehrwürdige Pariser Universität die Partei des Gegenkönigs Heinrich VI. ergriffen hatte, galt die Universität von Poitiers im Bereich der Anhänger Karls VII. als höchste Autorität in geistlichen und theologischen Angelegenheiten. Hierher hatten sich auch die Parteigänger des Dauphin unter den Pariser Professoren zurückgezogen. Es war eine aus „hochkarätigen" Theologen bestehende Kommission, die sich in Johannas Quartier, dem Haus des Magisters Jean Rabateau, eines Advokaten am Parlament von Paris, versammelte, um die Pucelle erneut zu examinieren. Es ist ein großer Glücksfall, daß wir den Bericht eines Augenzeugen dieser Befragung, des Dominikaners und Theologieprofessors Seguin Seguini, besitzen.154 Als er am 14. Mai 1456 in Rouen seine Aussage zu Protokoll gab, war er bereits siebzig Jahre alt, erinnert sich aber noch sehr gut an die siebenundzwanzig Jahre zurückliegenden Ereignisse. Der königliche Rat hatte sich ebenfalls in Poitiers versammelt, um den Bericht der Theologenkommission sogleich entgegenzunehmen. Der anwesende Erzbischof von Reims, Regnault de Chartres, gehörte wohl beiden Gremien an. Die Vernehmung Jeannes wurde durch den Pariser Theologieprofessor Jean Lombard, einen Karmeliter, eröffnet. Er richtete an die Pucelle die Frage, wozu sie gekom-
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men sei; denn dem König läge sehr daran, zu erfahren, welches ihre Motive gewesen seien, zu ihm zu kommen. Johanna antwortete unbefangen und ohne jegliche Scheu: Als sie das Vieh gehütet habe, sei ihr eine Stimme erschienen, die ihr gesagt habe, daß Gott großes Mitleid mit Frankreichs Volk habe, und es sei notwendig, daß sie, Johanna, nach Frankreich käme. Als sie das hörte, begann sie zu weinen. D a sagte die Stimme zu ihr, sie solle nach Vaucouleurs gehen. Dort werde sie einen gewissen Hauptmann finden, der sie sicher nach Frankreich und zum König geleiten werde. Und sie solle nicht zweifeln. Das habe sie dann getan, und sie sei zum König ohne irgend ein Hindernis gekommen.
Die Angabe, daß die Stimme ihr beim Viehhüten erschienen sei, steht in offenkundigem Widerspruch zu Johannas späterer Aussage in dem Prozeß von Rouen, wonach sie nicht mit dem Vieh auf die Weide gezogen war.155 Entweder hat sie vor ihren Richtern ihre Zuflucht zu einer Schutzbehauptung genommen (aus den bereits angegebenen Gründen) oder die Erinnerung des Bruders Seguin ist ungenau. Ein Kollege und Mitbruder Seguins aus dem Predigerorden, Magister Guillaume Aymeri, stellt Jeanne vor ein typisch scholastisches Dilemma: „Du hast behauptet, die Stimme habe dir gesagt, daß Gott das Volk von Frankreich von dem Unglück befreien wolle, in dem es sich befindet. Wenn er es befreien will, dann braucht man dazu keine Bewaffneten." Die Antwort Jeannes prägte sich dem guten Dominikaner so ein, daß er sie auf französisch behalten hat: „En nom Dé, les gens d'armes batailleront et Dieu donra victoire": In Gottes Namen! Die Bewaffneten werden kämpfen, und Gott wird den Sieg verleihen.
Bruder Seguin bemerkt dazu: „Mit dieser Antwort war Magister Guillaume zufrieden." Es ist eine Antwort, die nicht nur Johannas Schlagfertigkeit beweist, sondern auch für den Theologen zufriedenstellend ist. Denn Johanna bringt damit den Gedanken zum Ausdruck, daß Gott sich zur Verwirklichung seiner Pläne der Menschen bedient. Es ist überdies eine eher „thomistische" Antwort, die beweist, daß die Pucelle kaum von franziskanischen Vorstellungen geleitet war. Hierher gehört auch die Antwort, die sie den Richtern von Rouen auf deren Frage gibt, ob sie aus dem Gefängnis fliehen würde, wenn sich die Gelegenheit dazu böte. Sie erwidert, daß sie die Gelegenheit zur Flucht auch ohne ausdrückliche Anweisung ihrer Stimmen wahrnehmen würde. Allein eine offenstehende Tür würde ihr dann als Gebot Gottes gelten. Selbst wenn sie sich mit Hilfe einer entreprise, also mit Gewalt, die Freiheit erkämpfen müßte, würde sie auf diese Weise die Probe machen, ob Gott einverstanden wäre. U n d sie b e g r ü n d e t d a s mit d e m S p r i c h w o r t : „ A i d e t o y , D i e u te a i d e r a " : Hilf
dir selbst, so hilft dir Gott.156 In Johannas Munde ist das keine halbschlaue
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Bauernweisheit, sondern Ausdruck ihrer Lebensphilosophie, oder vielmehr ihres individuellen Ethos, zu dem sie aufgrund ihrer Visionen und Meditationen gekommen ist. Im Gegensatz zu seinem Ordensbruder Guillaume Aymery scheint Professor Seguin selbst mit den Antworten Johannas nicht ganz zufrieden gewesen zu sein. Er fragt sie noch, in welchem Dialekt ihre Stimme zu ihr gesprochen habe. Sie antwortet, es sei jedenfalls ein besser verständlicher Dialekt gewesen als ihn der Fragesteller spreche; der fügt in seiner Aussage erklärend hinzu, er habe damals die Mundart des Limousin gesprochen. Aymery stellt Johanna dann die Frage, ob sie an Gott glaube. Ihre patzige Antwort: „Ja, und besser als Ihr." Darauf belehrt sie der hochwürdige Theologieprofessor, Gott wolle nicht (Professoren der Theologie wissen immer ziemlich genau über Gottes Willen und Absichten bescheid), daß man ihr glaube, wenn nicht noch ein zusätzliches Zeichen sichtbar werde, wegen dessen man ihr Glauben schenken könne, und sie die hochwürdigen Kommissare - würden dem König keinesfalls raten, daß man ihr aufgrund ihrer einfachen Behauptung (ad suam simplicem assertionem) Bewaffnete unterstelle und dieselben der Gefahr aussetze, wenn sie weiter nichts vorzubringen habe. Jeanne antwortet darauf:157 In Gottes Namen! Ich bin nicht nach Poitiers gekommen, um Zeichen zu wirken. Führt mich nach Orleans, dann werde ich Euch die Zeichen zeigen, zu denen ich gesandt bin! Anschließend sagt sie den versammelten Mitgliedern der Theologenkommission vier Ereignisse voraus: 1. daß die Engländer eine Niederlage erleiden würden und die Belagerung von Orléans aufgehoben würde; 2. daß der König in Reims geweiht werde; 3. daß die Stadt Paris zur Obödienz des Königs zurückkehren werde; 4. daß der Herzog von Orléans aus seiner Gefangenschaft in England zurückkehren werde.158 Johannas Ausführungen wurden dem königlichen Rat zur Kenntnis gebracht mit der Empfehlung, der König könne sich ihrer, angesichts der Orléans drohenden Gefahr, bedienen und sie in die belagerte Stadt schicken. Es ist nicht einfach Patzigkeit oder Frechheit, die hinter Johannas selbstsicheren, fast hochmütigen Antworten gegenüber den Theologen von Poitiers steht. Es ist vielmehr das Bewußtsein, teilzuhaben an einem höheren Wissen als den geistlichen Herren zugänglich ist. Während des Zuges nach Reims erklärt sie einigen staunenden Klerikern: 15 ' Mein Herr hat ein Buch, in dem noch niemals ein Geistlicher gelesen hat, mag er noch so vollkommen in seinem geistlichen Stande sein. Johanna spricht hier von einem virtuellen, himmlischen Buch, das über der Heiligen Schrift steht. Die Theologen, die ja die berufenen Experten der Heiligen Schrift sind, haben zu ihm keinen Zugang. Jeanne dagegen partizipiert an der Weisheit des himmlischen Buches. Sie stellt ihr Wissen nicht neben, son-
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Jeanne d'Arc
dem über das der Priester. Aus ihr spricht das Selbstbewußtsein der Mitbürgerin der Engel. Schon nach der Rückkehr von der Prüfung in Poitiers hatte sie dem Herzog von Alençon beim Essen im Vertrauen erzählt, sie sei in vielen Fragen examiniert worden, wisse und könne aber viel mehr, als sie den Fragestellern mitgeteilt habe.160 In diesem Lichte ist auch die Bemerkung zu verstehen, die sie den Examinatoren von Poitiers gegenüber zu Beginn der Befragung macht: „Ich weiß weder A noch B." 161 Entgegen verbreiteter Meinung gibt Johanna hier keine Auskunft über ihre Schreib- oder Lesefähigkeit. Sie will vielmehr den gelehrten Theologen gegenüber festhalten, daß sie auf deren Gebiet, dem der scholastischen Wissenschaft, nichts zu sagen hat. Der Satz ist also, aus der Gewißheit eines höheren Wissens heraus, ironisch gemeint: „Ich kann weder A noch Β sagen." Uber die Pucelle und ihre Glaubwürdigkeit hat sich auch der wohl bedeutendste unter den um die Wende des 14. Jahrhunderts lebenden Theologen, der ehemalige Kanzler der Pariser Universität und Teilnehmer am Konzil von Konstanz, Jean Charlier de Gerson (1363-1429), in einem Gutachten geäußert. Gerson lebte damals in Lyon, wo er am 12. Juli 1429 starb.162 Das erwähnte Gutachten wurde am 14. Mai 1429, wenige Tage nach der Befreiung von O r léans, in Lyon veröffentlicht. Wenn es echt ist, was freilich nicht unbestritten ist, dann ist es Gersons letztes Werk. 163 Der ehemalige Pariser Theologe stand nach seiner Gesinnung und Sympathie auf der Seite Karls VII. und der Armagnacs, mit den Burgundern war er verfeindet. Dementsprechend fällt sein Gutachten zu Gunsten der Pucelle aus; Hauptgrund für deren Rechtfertigung ist ein politisch-theologischer: Ziel der Pucelle ist die Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Königs in sein Königtum. 164 Zur Entkräftung möglicher und tatsächlicher Einwände gegen die Rolle Johannas weist der Verfasser des Gutachtens unter anderem auf die in der Bibel genannten kriegerischen Frauen hin: Maria, die Schwester Moses', Deborah und Judith. Das alttestamentliche Gesetz, das Frauen das Tragen von Männerkleidern verbietet (Deut 22,5), wird als rein zeitbedingtes, nur rechtlich bindendes Gesetz erklärt, das im Neuen Testament keine Geltung mehr hat, da es kein allgemein verbindliches moralisches Element enthält. Gegen Gerson als Autor des Traktats sprechen die darin genannten Details, die eine längere erfolgreiche militärische Wirksamkeit der Pucelle vorauszusetzen scheinen. Es ist jedoch, im Blick auf den Prozeß von Rouen und die dort auftretenden Theologen, allemal ein Exempel dafür, daß man auch gute theologische Gründe zugunsten Johannas anführen konnte.
Orléans: Der
erste
Teil der Mission
Jean d'Alençon hat ziemlich genaue Erinnerungen an seine erste Begegnung mit der Pucelle z u P r o t o k o l l gegeben. E r hielt sich damals in S a i n t - F l o r e n t
auf und befand sich gerade auf der Wachteljagd, als ihm sein Träger die Neu-
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igkeit von der Ankunft eines Mädchens in Chinon mitteilte: dasselbe behaupte, von Gott gesandt zu sein, um die Engländer in die Flucht zu schlagen und die Belagerung von Orléans aufzuheben. Am darauf folgenden Tag ritt der Herzog nach Chinon, wo er den König im Gespräch mit Jeanne antraf. Die Pucelle begrüßte ihn mit den Worten:165 Seid herzlich willkommen! Je mehr vom Blut des Königs von Frankreich zusammenkommen, desto besser!
Sie erwähnt hier das königliche Blut, dessen Mythos in der mittelalterlichen Religion royale eine große Bedeutung hatte und als unabdingbare Voraussetzung für die Legitimität der Dynastie galt.166 Der Herzog war dann bei verschiedenen Unterredungen Jeannes mit dem Dauphin zugegen und beobachtete sie nach dem Essen bei Übungen mit der Lanze, wobei er ihre Geschicklichkeit bewunderte. Er schenkte ihr darauf ein Pferd. Es war Sympathie füreinander auf den ersten Blick, welche die beiden jungen Menschen ergriff, und der „Beau Duc" stand Johanna später von allen königlichen Heerführern zweifellos am nächsten. Nach Jeannes Rückkehr von Poitiers wurde eine Entsatztruppe mit Lebensmitteln für Orléans zusammengestellt, mit der sie in die belagerte Stadt ziehen sollte. Jean d'Alençon begleitete sie nicht bei diesem ersten militärischen Unternehmen; er war zu dieser Zeit noch an seinen den Engländern geleisteten Eid gebunden, nicht aktiv am Krieg teilzunehmen; durch Schreiben des Herzogs von Bedford vom 15. Mai 1429 wurde er von seiner Verpflichtung entbunden.167 Vor dem Abmarsch nach Orléans hielt sich Jeanne einige Tage in Tours auf. Dort wurde auf Anweisung des Königs eine Rüstung für sie geschmiedet.168 Louis de Coûtes, damals etwa fünfzehn Jahre alt, wurde zusammen mit einem gewissen Raymond - der Pucelle als persönlicher Diener oder Page (mango) zugeteilt. Er berichtet später, der König habe Johanna in Tours einen status verliehen.169 Nach allem, was wir wissen, handelt es sich dabei um das selbständige Kommando über eine Abteilung von Kriegsleuten, also um den status eines Chef de guerre. Damit stimmt der Bericht des Perceval de Cagny überein:170 Die erwähnte Pucelle sah, daß niemand etwas unternahm, um diesem noblen Platz Orléans Hilfe zu bringen, und sie erkannte den großen Verlust und Schaden, den es für den König und sein Reich bedeuten würde, wenn man den genannten Platz verlöre. Deshalb ersuchte sie den König, ihr Bewaffnete zu geben und sagte: „Bei meinem Martin!" - das war ein Eid - „Ich werde ihnen Lebensmittel bringen lassen!" Der König gewährte es ihr. Darüber freute sie sich sehr. Sie ließ eine Standarte machen, auf der sich das Bild Unserer Lieben Frau befand, und setzte einen Tag fest, an dem sie sich in Blois einfinden würde. Und sie sagte, daß diejenigen, die ihrer Begleitmannschaft (compaignie) angehören würden, dort sein sollten; und daß an diesem Tage das Getreide und andere Lebensmittel zum Abmarsch fertig auf Karren, Pferden und anderen Beförderungsmitteln sein sollten. Und sie erbat keine große Begleitmannschaft und sagte: „Bei meinem Martin! Sie werden gut geführt werden! Habt keinen Zweifel daran!"
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Von der Standarte, die sich Johanna in Tours machen ließ, hat sie selbst vor ihren Richtern am 27. Februar 1431 eine ziemlich genaue Beschreibung gegeben. Das Banner bestand demnach aus weißem Stoff (boucassin), der mit Lilien bestickt und mit seidenen Fransen versehen war. Entgegen der Darstellung Cagnys befand sich darauf kein Bild der Jungfrau Maria, sondern es war Gott mit der Weltkugel, flankiert von zwei Engeln, abgebildet. Daneben standen die Namen: IHESUS MARIA. Am 10. März sagt Johanna aus, sie habe die Fahne nach Anweisung der Heiligen Katharina und Margareta anfertigen und gestalten lassen.171 Aber auch Jeannes Beichtvater Jean Pasquerel, der die Standarte jeden Tag vor Augen hatte, hat von ihr eine Beschreibung gegeben, die von derjenigen der Pucelle abweicht: auf dem vexillum sei das Bild unseres Erlösers gemalt gewesen, wie er zu Gericht sitzt in den Wolken des Himmels; ferner „ein Engel mit einer Lilie in den Händen, den das Bild [des Erlösers] segnete".172 Die Vermutung liegt nahe, daß es sich bei dem quidam angelus, der in seinen Händen eine Lilie hielt und vom Erlöser gesegnet wurde, um eine Darstellung Johannas selbst handelte. Das würde erkären, weshalb sie vor ihren Richtern, wo sie sich gegen den Verdacht der Selbstvergötterung wehren mußte, eine andere Beschreibung ihrer Fahne gab. Möglicherweise hat sie aber mehrere Fahnen anfertigen lassen. Pasquerel selbst schildert, daß er im Auftrag Jeannes in Blois ein Banner (vexillum, une bannière) nähen ließ, auf welchem ein Crucifixus gemalt war. Es wurde bei den von Jeanne veranstalteten Prozessionen mitgeführt.173 Die Richter von Rouen fragen Johanna auch, wieviele Leute der König ihrem Kommando unterstellt habe, als sie den Marsch auf Orléans vorbereitete. Sie antwortet, es seien 10 000 oder 12 000 Mann gewesen und sie habe zunächst die Bastion von Saint-Loup (auf dem rechten Loire-Ufer), dann das Brückenfort (am linken, südlichen Loire-Ufer) angegriffen.174 Die Anfertigung eines eigenen weißen Banners ist, neben den anderen genannten Gründen, ein weiteres Indiz dafür, daß Johanna tatsächlich der Rang eines Chef de guerre verliehen wurde. Die Angelegenheit ist in der Forschung umstritten. So vertritt etwa SABINE TANZ, i m A n s c h l u ß an AGNES FISCHER-WILBERT u n d in scharfer A b g r e n -
zung gegen PIERRE DE LANCESSEUR, die Meinung, Jeanne d'Arc habe „zu keinem Zeitpunkt, nicht während der Operationen zur Befreiung von Orléans, die am 8. Mai 1429 zum Abzug der Engländer führten, nicht während des LoireFeldzuges im Sommer 1429 und ebensowenig beim Sturm auf Paris ein Kommando über die Streitkräfte innegehabt."175 In der Tat hat Johanna selbst während des Prozesses bestritten, daß sie sich in dem Brief, den sie am 22. März 1429 an den König von England, den Herzog von Bedford und die Anführer der englischen Belagerungsarmee vor Orléans diktiert hatte, als Chef de guerre bezeichnet habe.176 Da der Brief aber viermal in annähernd gleichem Wortlaut überliefert ist, besteht kein Zweifel daran, daß er diesen und zwei andere von Jeanne bestrittene Ausdrücke tatsächlich enthielt.177 Der Brief, der auch für Johannas Selbstverständnis und ihre politischen Vorstellungen wichtig ist, lautet übersetzt:
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JHESUS MARIA König von England und Ihr, Herzog von Bedford, der Ihr euch Regent des Königreichs Frankreich nennt; Guillaume Poole, Graf von Suffolk, Jean, Herr von Talbot, und Ihr, Thomas, Herr von Scales, die Ihr euch Lieutenants des genannten Herzogs von Bedford nennt, gebt dem Himmelskönig Rechenschaft ! Ubergebt der Pucelle, die vonseiten Gottes, des Himmelskönigs, hierher gesandt wurde, die Schlüssel aller guten Städte, die Ihr in Frankreich eingenommen und geraubt habt! Sie ist von Gott, dem Himmelskönig, hierher gekommen, um das königliche Blut einzufordern. Sie ist durchaus bereit, Frieden zu schließen, wenn Ihr ihr Rechenschaft geben wollt in der Weise, daß Ihr Frankreich verlaßt und dafür bezahlt, daß Ihr es besetztgehalten habt. Und ihr alle, Bogenschützen, Kriegskameraden, Adelige und andere, die Ihr vor der Stadt Orléans liegt, zieht ab in euer Land, in Gottes Namen! Und wenn Ihr es nicht tut, dann habt Ihr Neuigkeiten von der Pucelle zu erwarten, die Euch in Kürze aufsuchen wird, zu eurem großen Schaden. König von England, wenn Ihr nicht so handelt: Ich bin Befehlshaber im Krieg, und an allen Orten in Frankreich, wo ich eure Leute antreffe, werde ich sie verjagen, ob sie wollen oder nicht. Und wenn sie nicht gehorchen wollen, dann werde ich sie alle umbringen lassen. Ich bin hierher gesandt von Gott, dem König des Himmels, um Euch Mann für Mann aus ganz Frankreich zu verjagen. Wenn sie aber gehorchen wollen, dann werde ich ihnen gegenüber Nachsicht üben. Und bildet euch nicht ein, daß Ihr das Königreich Frankreich von Gott, dem König des Himmels, dem Sohn der heiligen Jungfrau, in Besitz nehmen könnt! Vielmehr wird es der König Karl, der wahre Erbe, erhalten; denn das will Gott, der König des Himmels; und das ist ihm durch die Pucelle offenbart worden, und er wird mit stattlicher Begleitung in Paris einziehen. Wenn Ihr diese Neuigkeiten vonseiten Gottes und der Pucelle nicht glauben wollt, werden wir in alle Orte, an denen wir Euch antreffen, einbrechen und dort ein solches Halali (Hahay) veranstalten, wie es seit tausend Jahren in Frankreich nicht erlebt wurde, - wenn Ihr uns keine Rechenschaft gebt. Und seid fest überzeugt, daß der Himmelskönig der Pucelle mehr Kraft senden wird, als Ihr ihr aus allen euren Belagerungen zuführen könntet, - ihr und ihren guten Kriegern! Und noch am Horizont wird man sehen, wer das bessere Recht vom Gott des Himmels hat. Ihr, Herzog von Bedford, die Pucelle bittet und ersucht Euch, daß Ihr euch nicht vernichten laßt! Wenn Ihr ihr Rechenschaft gebt, dann könnt Ihr noch immer in ihre Gesellschaft kommen, dorthin, wo die Franzosen die schönste Tat vollbringen werden, die jemals für die Christenheit vollbracht wurde. Und gebt Antwort, wenn Ihr in der Stadt Orléans Frieden schließen wollt! Wenn Ihr aber nicht so handeln werdet, dann werde ich es Euch in Kürze zu eurem großen Schaden in Erinnerung rufen. Geschrieben heute, am Dienstag der Karwoche. Adresse: An den Herzog von Bedford, der sich Regent des Königreichs Frankreich nennt, oder an seine Lieutenants, die vor der Stadt Orléans liegen. Johanna stellt sich hier den Engländern als Sachwalterin des heiligen königlichen Blutes vor. Sie ist die von Gott autorisierte Gesandte, die dem legitimen Träger des königlichen Blutes zu seinem Recht verhelfen soll. Ihr Selbstbewußtsein sprengt alle Grenzen des Üblichen. Als Botschafterin des Hirn-
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melskönigs beansprucht sie nicht etwa den gleichen Rang wie die übrigen Kommandeure des königlichen Heeres, sondern sie spricht als Oberkommandierende, die über Krieg und Frieden entscheiden kann. Das Friedensangebot an die Engländer mit der vagen Aussicht auf „die schönste Tat, die jemals für die Christenheit vollbracht wurde" (le plus biau fait qui oncques fut fait pour la crestienté), scheint auf das Vorhaben eines gemeinsamen Kreuzzuges anzuspielen.178 Nach wochenlanger, für die ungeduldige Pucelle allzu langer, Vorbereitungszeit beginnen nun die Ereignisse, die als das Wunder von Orléans in die Geschichte eingegangen sind und in Biographien, Dramen und Filmen über Johanna breit geschildert werden. Die Engländer hatten, wie schon erwähnt, am 12. Oktober 1428 mit der Belagerung von Orléans begonnen. Ihr erster Befehlshaber, John, Graf von Salisbury, war schon am 24. Oktober von einer Kugel der Belagerten tödlich getroffen worden. Sein Nachfolger war William Glasdale. Die Entsatzarmee der Franzosen, die auch eine große Menge Nachschub an Waffen und Lebensmitteln in die belagerte Stadt bringen sollte, versammelte sich in Blois. Johanna lernte dort einige der wichtigsten königlichen Heerführer kennen, so die beiden Marschälle von Frankreich Gilles de Rais und Jean de Boussac sowie den tapferen Étienne de Vignolles, besser bekannt unter seinem Beinamen La Hire (Zorn, Wut).179 Um eine vorzeitige Konfrontation mit den Belagerern zu vermeiden, beschlossen die französischen Kommandeure, die Armee auf dem linken Loire-Ufer an Orléans heranzuführen. Lebensmittel und Geschütze sollten dann auf Lastkähnen über die Loire in die Stadt hineingebracht werden. Als Johanna merkte, daß man nicht direkt auf die englische Hauptmacht unter Talbot losgegangen, sondern an Orléans vorbeigezogen war, geriet sie in Zorn. Als erster bekam ihn der Kommandant der belagerten Stadt zu spüren: Jean, der Bastard von Orléans, der Johanna bis zu dem Dorf Chécy, östlich von Orléans und in Sichtweite von dessen Mauern, entgegenkam. Jean le Bâtard, der spätere Graf von Dunois, war der uneheliche Sohn des Louis d'Orléans und Vertreter seines Halbbruders Charles, der seit Azincourt in englischer Gefangenschaft war. Dunois sollte sein Leben lang diese erste Begegnung mit der Pucelle nicht vergessen, und er hat sie über ein Vierteljahrhundert später auf das lebhafteste geschildert.180 Nicht eben freundlich fuhr sie ihn an: „Seid Ihr der Bastard von Orléans?" Er antwortete höflich: „Ja, der bin ich, und ich freue mich über Eure Ankunft." Johanna fragte weiter: „Seid Ihr es, der den Rat gegeben hat, daß ich hierher auf dieser Seite des Flusses kommen sollte und nicht direkt dahin gehe, wo Talbot und die Engländer waren?" Dunois versuchte ihr zu erklären, daß er selbst und klügere Männer zu diesem Entschluß gekommen seien, weil sie der Meinung waren, daß es so besser und sicherer sei. Johanna, immer noch empört, antwortete:
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Im Namen Gottes! Der Rat unseres Herrgotts ist sicherer und weiser als der Eure. Ihr habt gemeint, mich täuschen zu können, aber Ihr täuscht euch selbst mehr. Denn ich bringe Euch eine bessere Unterstützung, als sie je einem Ritter oder einer Stadt gekommen ist, weil es nämlich die Unterstützung vonseiten des Himmelskönigs ist. Sie kommt aber nicht meinetwegen, sondern von dem Gott, der, auf die Fürbitte des heiligen Ludwig und des heiligen Karl des Großen Mitleid mit der Stadt Orléans hatte und nicht dulden wollte, daß die Feinde den Leib des Herrn von Orléans und seine Stadt in Besitz nähmen.
Johanna will sagen: Gott wollte nicht zulassen, daß die Engländer, nachdem sie schon den Herzog Charles in ihre Gewalt gebracht hatten, sich auch noch dessen Stadt bemächtigten. Außerdem hält sie die ihr von Gott eingegebene Strategie für besser und klüger als die der Feldherren des Königs, womit sie zweifellos Recht hatte - wie es in diesem Fall die Rückkehr der Armee nach Blois und der erneute Anmarsch auf der rechten Seite der Loire bewies. Während die Pucelle noch redete, drehte sich plötzlich der Wind, der vorher aus westlicher Richtung, flußaufwärts geweht, und ein Ablegen der Lastkähne verhindert hatte. Die Schiffe konnten nun mit Hilfe ihrer Segel mühelos flußabwärts, vorbei an der starken Bastion, welche die Engländer bei der Kirche Saint-Loup errichtet hatten, in den schützenden Bereich der Stadtmauern gelangen. In dem plötzlichen Drehen des Windes und der überraschenden Tatsache, daß die Engländer den Konvoi der Lastkähne passieren ließen, ohne aus ihrem Fort Saint-Loup einen Kanonenschuß abzugeben, erkannte der Bastard von Orléans wunderbare Zeichen, die ihn von der göttlichen Mission der Pucelle vollständig überzeugten. Dennoch ergaben sich weitere Meinungsverschiedenheiten zwischen Jeanne und den Kommandeuren bezüglich der Entscheidung, was mit den mitgeführten Truppen zu geschehen habe. Da man nicht genügend Kähne hatte, um die ganze Armee über die Loire zu setzen, waren Dunois und die anderen Anführer der Meinung, man solle die Truppen nach Blois zurückmarschieren lassen, damit sie dort den Fluß überqueren und auf dem rechten Ufer nach Orléans zurückkehren könnten. Jeanne, die befürchtete, daß sie dann von der schönen Armee nichts mehr zu sehen bekäme, war von dem Plan alles andere als begeistert. Nachdem man ihr versichert hatte, daß für die Rückkehr der Truppen gesorgt würde, ließ sie sich jedoch überzeugen, mit einer kleinen Begleitmannschaft in Orléans zu bleiben. Ihre Fahne haltend ritt sie zusammen mit Dunois und La Hire durch die Porte de Bourgogne, das östliche Stadttor, in die belagerte Stadt ein. Es war der Abend des 29. April 1429. Der folgende Tag, ein Samstag, verging ohne militärische Aktivitäten, weil der vorsichtige Bâtard erst die Ankunft der Truppen von Blois abwarten wollte. Jeanne, die darauf brannte, die englischen Bastionen anzugreifen, kam, wie ihr ehemaliger Page Louis de Coûtes berichtet, voller Zorn von einer Unterredung mit Dunois zurück." 1 Sie begab sich danach auf eine Schanze der Belagerten, die einer englischen Schanze unmittelbar gegenüberlag (es handelt sich wohl um die Befestigungswerke, die beide Seiten auf der Loire-
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Brücke errichtet hatten: die Franzosen hielten die nahe vor den Mauern der Stadt gelegene Insel Belle Croix, die Engländer dagegen hatten das gegenüberliegende Ende der Brücke mit dem „Tourelles" genannten Fort befestigt; die dazwischen liegenden Brückenbögen hatte man abgebrochen). Von dort aus rief sie den Engländern zu, sie sollten in Christi Namen abhauen; sie würde sie sonst hinaustreiben. Die englischen Söldner antworteten mit Beschimpfungen. Die Berichte der drei wichtigsten Augenzeugen der Ereignisse, Dunois, Aulon und Coûtes, stimmen nicht in allen Einzelheiten überein. Coûtes erzählt, es habe noch am selben Abend ein Scharmützel bei dem Fort von Saint-Loup, vor dem Burgundischen Tor, stattgefunden. Johanna sei dorthin geritten, und die Bastion sei erobert worden.182 Wahrscheinlich fand aber dieser erste bedeutende militärische Akt zur Befreiung der Stadt erst am Mittwoch, dem 4. Mai statt. An diesem Tag kehrte Dunois mit den Entsatztruppen, die er von Blois geholt hatte, zurück. Er überbrachte Jeanne die Nachricht, daß eine englische Armee unter dem Oberbefehl von John Fastolf unterwegs nach Orléans war.183 Jean d'Aulon, nicht Dunois selbst, hat die drohenden Worte überliefert, die sie darauf an den Bastard richtete: Bastard! Bastard! Im Namen Gottes befehle ich Dir, daß Du mir es mitteilst, sobald Du von der Ankunft des genannten Fastolf erfährst. Denn wenn er vorbeizieht, ohne daß ich es erfahre, verspreche ich Dir, daß ich Dir den Kopf abschlagen lasse!
Es kam aber noch nicht zu einer Konfrontation mit der englischen Hauptmacht. Noch während der durch die mehrtägige Abwesenheit des Bastards bedingten Wartezeit hatte Johanna einen Brief an den englischen Oberbefehlshaber John Talbot geschickt. „In ihrer Muttersprache", „mit ganz einfachen Worten" forderte sie die Engländer auf, die Belagerung aufzuheben und in das Königreich England zurückzukehren. Dunois zeigt sich fest überzeugt davon, daß sich von da an das Kriegsglück wendete: während vorher die Engländer mit einer vierfachen französischen Übermacht fertig wurden, war es nachher genau umgekehrt. Der Mut scheint die Engländer verlassen zu haben, und sie wagten keinen Ausfall mehr aus ihren Bastionen.184 An Christi Himmelfahrt (Donnerstag, 5. Mai 1429) ruhten die Waffen. Johanna benutzte den Feiertag, um einen weiteren Brief an die Engländer zu diktieren. Ihr Beichtvater Pasquerel, zweifellos der Schreiber des Briefes, überliefert dessen Wortlaut:185 Ihr Männer von England, die Ihr keinerlei Recht in diesem Königreich Frankreich besitzt, der Himmelskönig befiehlt und gebietet Euch durch mich, Johanna die Pucelle, daß Ihr eure Forts verlaßt und Euch in euer Gebiet zurückzieht, oder ich werde Euch ein solches Halali veranstalten, daß man ewig daran denken wird. Und das ist es, was ich Euch zum dritten und letzten Male schreibe, und ich werde Euch nicht mehr schreiben. D e r Brief w a r unterzeichnet: „ J H E S U S M A R I A , J e h a n n e la Pucelle", 1 8 6 u n d
hatte noch ein Postscriptum:
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Ich hätte Euch meinen Brief gern auf ehrenvollere Weise geschickt. Aber Ihr haltet meine Herolde fest, auf französisch, mes béraulx; denn Ihr habt meinen hérault namens Guyenne zurückgehalten. Schickt ihn mir, bitte, und ich schicke Euch einige von euren Leuten, die in dem Fort Saint-Loup gefangen wurden; sie sind nämlich nicht alle tot. Es fällt auf, daß Pasquerel zweimal eigens das von Johanna gebrauchte französische Wort für „Herold" nennt. Warum wohl? Er will damit sagen, daß die Pucelle gegenüber den englischen Befehlshabern in einer selbständigen und gleichrangigen Rolle (estât) agierte. Dasselbe zeigte sich bereits in ihrem Verhalten gegenüber dem Bastard und den anderen französischen Kommandeuren und wird noch viel deutlicher bei den alsbald anstehenden Entscheidungen, welche die Fortsetzung des Krieges betreffen. Jeanne band den Brief an einen Pfeil und ließ ihn in eine der Bastionen der Engländer (wahrscheinlich das Brückenfort, in dem sich der Kommandant William Glasdale aufhielt) hinüberschießen; die englische Soldateska begrüßte ihn mit höhnischem Gebrüll und wüsten Beschimpfungen187 - was ihr allerdings sehr bald vergehen sollte. Denn sämtliche Befestigungswerke der Belagerer wurden an den beiden folgenden Tagen (Freitag und Samstag) eingenommen. Die Franzosen griffen zunächst die in der Vorstadt SaintJean-le-Blanc auf der linken Loire-Seite gelegene Bastion an, zu der sie mit Hilfe einer Schiffsbrücke über eine Insel im Flußbett gelangten. Aber die Engländer hatten dieses Fort bereits kampflos verlassen. Darauf wurde die sogenannte „Bastille des Augustins", der zur Festung ausgebaute AugustinerKonvent, unter Führung Johannas und La Hires erstürmt. Schließlich wurde auch das am stärksten befestigte Brückenfort („Bastille des Tourelles") genommen. Der Kommandant William Glasdale, der Johanna auf das übelste beschimpft hatte, ertrank, von seiner Rüstung beschwert, in der Loire. Die Pucelle, die beim Sturm auf die Bastion durch einen Pfeil oberhalb ihres Busens verletzt worden war, lehnte es ab, die Wunde „besprechen" (charmer) zu lassen. Die überlebenden englischen Truppen zogen ab, und die siegreichen Franzosen konnten noch am gleichen Tag über die (notdürftig wiederhergestellte) Brücke in die Stadt zurückkehren.188 Nach der Aufhebung der Belagerung von Orléans begab sich Johanna in Begleitung von Dunois und den anderen Befehlshabern zum König. Karl VII. hielt sich damals in Loches auf.189 Die Festung, von deren mittelalterlichen Bauten noch viel mehr erhalten ist als in Chinon, beeindruckt den heutigen Besucher durch ihre Größe und die Mächtigkeit ihrer Mauern. In einem der Türme ist ein Museum untergebracht, dessen Sammlungen an Jeanne d'Arc erinnern. Des weiteren kann man dort das Grabmal der Agnès Sorel (um 1422-9. Februar 1450) bewundern. Sie war die Geliebte des alternden Karl VII.; SCHILLER hat sie, von seiner dichterischen Freiheit Gebrauch machend, unter die handelnden Personen seines Johanna-Dramas aufgenommen. Worum es Jeanne bei den Gesprächen mit dem König in Loches ging, hat Graf Dunois in prägnanten Worten festgehalten:
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... um ihn [den König] zu ersuchen, Bewaffnete zur Wiedereroberung der am Loire-Fluß gelegenen festen Plätze und Städte zu entsenden, nämlich Meung, Beaugency und Jargeau, mit dem Ziel, daß er freier und sicherer weiter vorrücken könne zu seiner Weihe in Reims. In dieser Angelegenheit lag sie dem König überaus beharrlich und oft in den Ohren, damit er sich beeile und nicht länger zögere. Da traf der König alle möglichen Vorkehrungen und entsandte den Herzog von Alençon, den erwähnten Herrn, der hier aussagt [Dunois], und die übrigen Hauptleute zusammen mit der genannten Johanna zur Eroberung der erwähnten Städte und festen Plätze. Die Eroberung der von den Engländern gehaltenen Loire-Festungen war in der Tat eine Sache von nur wenigen Tagen: am 12. Juni fiel Jargeau, am 15. Meung, am 16. Beaugency. Von der kurzen Belagerung und dem Angriff auf Jargeau hat der H e r z o g von Alençon eine lebendige Schilderung gegeben, ebenso von dem Abschied von seiner besorgten Gemahlin in Saint-Florent, bei dem J o hanna der Herzogin versprochen hatte, ihr den Gemahl gesund und unversehrt wiederzubringen. 1 9 0 E s folgte die mörderische Schlacht bei Patay am 18. Juni, bei der die Engländer eine vernichtende Niederlage erlitten. Ihre gesamten Verluste an Gefallenen und Gefangenen beliefen sich, nach Auskunft von Dunois, auf über 4000 Mann. 191 Der Oberbefehlshaber J o h n Talbot geriet in Gefangenschaft. Dagegen konnte der zweite englische Kommandeur J o h n Fastolf, entgegen der Darstellung, die Jeanne in einem Brief an die Einwohner von Tournai (25. Juni 1429) von den Ereignissen gibt, entkommen. 1 2 Unmittelbar vor der Schlacht hatten die Franzosen Verstärkung erhalten durch den Connétable Arthur de Richemont, der sich damals gerade die königliche Ungnade zugezogen hatte. Seinen Platz bei Karl VII. hatte sein ehemaliger Freund, der intrigante L a Trémoille, eingenommen. Bei der Ankunft des Connétable wollte sich der loyale Alençon zurückziehen, wurde aber durch Johanna von seinem Vorhaben mit der Bemerkung abgebracht, es sei jetzt notwendig, sich gegenseitig zu helfen. 193
Reims: Die Erfüllung der Mission N a c h den Siegen des Loire-Feldzuges fand eine weitere Beratung der K o m mandeure mit dem K ö n i g statt. D e r O r t dieser Unterredung wird weder von Alençon noch von Dunois genannt; 194 nach der anonymen „Chronique de la Pucelle" fand das Treffen am 22. Juni in Châteauneuf-sur-Loire statt. 195 N o c h deutlicher als bei der ersten Beratung tritt nun das Zaudern Karls, auf dem von Johanna vorgeschlagenen Weg weiterzugehen, und der Widerstand eines Teils der königlichen Räte gegen die Kriegspolitik und die Strategie der Pucelle zu Tage. D a ß man diese Begriffe im Zusammenhang mit Johannas Plänen ruhig gebrauchen kann, beweist vor allem die genaue Darstellung, die ein so intelligenter und sachkundiger Mann wie Dunois von den Vorgängen gegeben hat. N a c h den erwähnten Siegen, berichtet er, vertraten die Herren
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vom königlichen Geblüt und die Kommandeure die Ansicht, der König (und mit ihm die Armee) müsse sich nun in Richtung Normandie und nicht auf Reims zu bewegen. Die Pucelle aber war immer der Meinung, man müsse nach Reims ziehen, um den König zu weihen, und sie gab als Grund für ihre Meinung an, daß, sobald der König gekrönt und geweiht wäre, die Macht der Feinde stetig abnehmen werde, und sie könnten am Ende weder ihm noch dem Königreich schaden.
Es war der in strategischer und politischer Hinsicht vernünftigere und weitblikkendere Standpunkt, den Jeanne gegenüber den königlichen Ratgebern einnahm und von dem sie schließlich alle Anwesenden überzeugte.196 LUCIEN FABRE hat wohl mit Recht in La Trémoïlle und dem Erzbischof-Kanzler Regnault de Chartres die Hauptgegner Jeannes in der Umgebung des Königs gesehen.197 Da sie eine Einigung mit dem Herzog Philipp von Burgund auf dem Verhandlungswege anstrebten, waren sie gegen den Zug auf Reims, der ja zwangsläufig durch burgundisch besetztes Gebiet führte. Der Plan, nach der Befreiung von Orléans und der Eroberung der drei anderen Loire-Festungen sogleich den Marsch nach Reims zu unternehmen, entsprang aber nicht allein dem politischen und strategischen Kalkül Johannas. Vielmehr noch ist dieser Plan eine Konsequenz aus ihrer Auffassung von dem heiligen Königreich Frankreich. Johanna hat ein durch und durch religiöses Verständnis des Staates:198 Die staatliche Macht bedarf zu ihrer Legitimation der sakralen Grundlage. In dem Sacre zu Reims wird der Dauphin erst als legitimer König von Frankreich geweiht; er ist damit der Stellvertreter des Himmelskönigs; dieser ist der eigentliche Inhaber der Macht, und er gibt sie dem König leihweise, als Lehen. Johanna sieht sich als die von Gott berufene Gesandte, die Auftrag hat, den König zur Weihe und Krönung zu führen. Ist die Ordnung am Ursprung der Macht wiederhergestellt, dann kann auch das zerstörte Gemeinwesen wieder geheilt werden. Diesem Ziel dient der gegen die Burgunder und Engländer geführte Krieg, der deshalb in den Augen Johannas ein legitimer und heiliger Krieg ist. Sie nahm die Korruptheit des Staates nicht nur wahr, sondern erfaßte intuitiv auch deren Ursachen. Und hier liegt auch die Erklärung des Rätsels, weshalb hartgesottene Kriegsleute wie La Hire, Dunois, Alençon und andere sie sehr rasch akzeptierten und sich ihren Entschlüssen beugten, aber auch ihres Erfolges bei den Massen der einfachen Leute: Indem sie den Krieg sakralisierte, gab sie ihnen allen wieder ein ideelles Ziel und zugleich die Aussicht auf Besserung ihrer Lebensumstände. Die Engländer und Burgunder standen demgegenüber als Verfechter primitiver egoistischer Machtinteressen und illegale Okkupanten da. Aus heutiger Perspektive dagegen erscheinen Leute wie der Herzog von Bedford und Philipp der Gute, was Machtpolitik und Kriegführung betrifft, als die „Moderneren". Die Armee, die Karl VII. zur Salbung und Krönung nach Reims führen sollte, sammelte sich in Gien an der Loire, von wo sie am 29. Juni 1429 auf-
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brach." 9 E s w a r wieder ein beispielloser Siegeszug. Einen längeren Aufenthalt gab es nur vor Troyes. Die Stadt wurde durch eine starke burgundische Garnison gehalten. Jeanne versprach den Einwohnern in einem Brief, den sie am 4. Juli in Saint-Phal (22 km v o r T r o y e s ) diktierte, Sicherheit für Leben und Besitz, wenn sie sich ergäben. Täten sie das nicht, so würde Troyes, ebenso wie alle Städte, die notwendig zu dem heiligen
Königreich
gehörten, einge-
nommen. 2 0 0 Die v o n T r o y e s sandten nun den in der Stadt als Prediger weilenden Bruder Richard zu Johanna hinaus, der die Probe machen sollte, ob sie v o m Teufel besessen wäre. 201 Johanna hat ihre erste Begegnung mit dem berühmten Franziskaner während ihres Prozesses selbst geschildert: 202 Auf die Frage [Cauchons], wie sich Bruder Richard ihr gegenüber benommen habe, antwortete sie, die von Troyes hätten ihn ihrer Meinung nach zu ihr geschickt, weil sie im Zweifel waren, ob sie selbst, Johanna, etwas war, das von Gott kam. Und als derselbe Bruder sich ihr näherte, machte er das Kreuzzeichen und sprengte Weihwasser. Da sagte sie zu ihm: „Kommt nur mutig näher, ich werde nicht davonfliegen." Johanna waren also Verleumdungen ihrer Feinde bekannt, nach denen sie ein dämonisches Wesen war, und sie reagierte darauf mit H u m o r und Schlagfertigkeit. Weit mehr als „bäurischen" Mutterwitz, nämlich ihr überlegenes strategisches und politisches Denken, zeigt Johanna dann im königlichen Rat. Authentischer Zeuge dafür ist wiederum der Graf Dunois, der ja wohl weiß, w o v o n er redet: 203 Der Ort, an dem der König zuerst stehenblieb und mit seinem Heer anhielt, war vor der Stadt Troyes. Als er sich dort befand, beratschlagte er mit den Herren seines Geblüts und den übrigen Kriegshauptleuten, um zu einer Entscheidung zu kommen, ob man vor der genannten Stadt stehenbleiben und eine Belagerung beginnen solle, um sie zu erobern, oder ob es besser sei, weiterzuziehen und geradewegs auf Reims zu marschieren und die Stadt Troyes einfach liegenzulassen. Der genannte königliche Rat war geteilter Meinung und konnte zu keiner Entscheidung kommen, was nützlicher sei. Da kam die genannte Pucelle, ging in den königlichen Rat hinein und sagte in etwa folgendes: „Edler Dauphin, laßt eure Leute kommen und die Stadt Troyes belagern! Haltet nicht weiter allzu lange Beratungen ab, denn, in Gottes Namen, innerhalb der nächsten drei Tage werde ich Euch in die Stadt Troyes führen, in Güte oder mit Gewalt oder Kraft, und das falsche Burgund wird sehr verblüfft sein!" Und darauf rückte die genannte Pucelle sogleich mit dem Heer des Königs herüber und ließ die Zelte unmittelbar neben den Gräben aufschlagen, und sie traf bewundernswerte Vorkehrungen, wie sie nicht einmal zwei oder drei erprobte und bedeutendere Kriegsleute getroffen hätten. Und sie war während dieser Nacht so tätig, daß am nächsten Tag der Bischof und die Bürger jener Stadt unter Furcht und Zittern dem König Gehorsam versprachen. Hinterher stellte sich dann heraus, daß die Bürger von dem Zeitpunkt an, da sie dem König den Rat gegeben hatte, nicht von der Stadt zu weichen, den Mut verloren hatten und nur noch ihre Zuflucht in den Kirchen suchten. Als aber diese Stadt zum Gehorsam gegenüber
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dem König zurückgeführt war, zog der König nach Reims, wo er alle Ergebenheit vorfand. Und dort wurde er geweiht und gekrönt. Karl VII. wurde am 17. Juli 1 4 2 9 nach dem uralten feierlichen Ritus des Sacre in der Kathedrale v o n Reims durch den Erzbischof Regnault de Chartres mit dem heiligen Ö l gesalbt und gekrönt. Jeanne stand während der gesamten Z e remonie neben dem König; als einzige von den Kommandeuren hatte sie ihre Standarte in die Kathedrale mitgenommen. Später, als sie v o n ihren Richtern über diese befremdliche und Aufsehen erregende Tatsache befragt wurde, gab sie kurz zur Antwort: 2 0 4 Sie war in Bedrängnis gewesen, und so war es nur recht und billig, daß sie auch die Ehre hatte. N o c h am Tage des Sacre diktierte Johanna einen längeren Brief an den H e r z o g v o n Burgund. Wieder tritt sie mit großem Selbstbewußtsein als Sprecherin des Himmelskönigs auf. Deutlich wird auch ihre Auffassung v o n dem heiligen
Königreich
Frankreich.
Das sakrale Königtum ist v o m König des
Himmels eingesetzt, und wer es bekämpft, führt Krieg mit Jesus selbst. B e merkenswert ist auch hier wieder die aufgezeigte Alternative des Kreuzzugs gegen die Sarazenen. 205 Ebensowenig wie die Engländer haben die Burgunder Johanna gegenüber die üblichen Gepflogenheiten des Kriegsrechts eingehalten: man zeigte ihr vielmehr offene Verachtung, indem man ihre Herolde gefangennahm. 2 0 6 t J E H S U S MARIA Hoher und ehrfurchtgebietender Fürst, Herzog von Burgund, Johanna die Jungfrau (Jehanne la Pucelle) ersucht Euch vonseiten des Himmelskönigs, meines rechtmäßigen und obersten Herrn, daß der König von Frankreich und Ihr einen guten Frieden abschließt, der lange währt. Verzeiht einander von Herzen, vollständig, wie es rechte Christen tun müssen. Und wenn es Euch beliebt, Krieg zu führen, dann zieht doch gegen die Sarazenen! Fürst von Burgund, ich bitte Euch, flehe Euch an und ersuche Euch, so demütig ich Euch ersuchen kann: Führt keinen Krieg mehr gegen das heilige Königreich Frankreich! Und laßt sofort und unverzüglich eure Leute zurückziehen, die in einigen Plätzen und Festungen des genannten heiligen Königreichs sind! Und was den edlen König von Frankreich betrifft: er ist bereit, mit Euch Frieden zu schließen, unter ehrenvollen Bedingungen, wenn Ihr einverstanden seid. Und ich teile Euch vonseiten des Himmelskönigs, meines rechtmäßigen und obersten Herrn mit, zu eurem Wohl und zu eurer Ehre und auf euer Leben, daß Ihr gegen die loyalen Franzosen keine Schlacht gewinnen werdet und daß alle diejenigen, die gegen das genannte heilige Königreich Frankreich Krieg führen, den König Jesus, den König des Himmels und der ganzen Welt, meinen rechtmäßigen und obersten Herrn, bekriegen. Und ich bitte und ersuche Euch mit gefalteten Händen, daß Ihr gegen uns keine Schlacht schlagt und keinen Krieg führt, Ihr, eure Leute oder Untertanen! Und seid überzeugt, daß, eine wie große Zahl von Leuten Ihr auch immer gegen uns führt, sie überhaupt nichts erreichen werden!
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Vielmehr wird großer Jammer herrschen über die große Schlacht und das Blut, das dort vergossen wird von denen, die gegen uns ziehen werden. Es sind jetzt drei Wochen her, daß ich Euch geschrieben und einen guten Brief durch einen Herold gesandt habe, Ihr möchtet bei der Weihe des Königs anwesend sein, die heute, am Sonntag, dem 17. Tag des laufenden Monats Juli, in der Stadt Reims stattfindet. Darauf habe ich keine Antwort erhalten, und auch von dem erwähnten Herold habe ich nichts mehr gehört. Ich empfehle Euch Gott, und er möge Euch behüten, wenn es ihm gefällt. Und ich bitte Gott, er möge einen guten Frieden gewähren. Geschrieben an dem Ort Reims, am genannten 17. Juli. Adresse: An den Herzog von Burgund.
Compiègne: Verhandlungen und Verrat Mit dem Tag von Reims war Johannas Sendung nach ihrem eigenen Verständnis im wesentlichen erfüllt. Der Höhepunkt ihres Erfolges war erreicht; rein äußerlich gesehen begann nun ihr Abstieg, bedingt vor allem durch die Tatsache, daß die Politik der gegnerischen Mächte über sie und ihre Absichten hinwegging. Die hauptsächlichen Zeugen ihres Wirkens berichten über die nun kommende Zeit nur noch sehr wenig. In der Umgebung Karls VII. gewannen endgültig diejenigen die Oberhand, die auf Verhandlungen mit den Gegnern setzten, namentlich La Trémoïlle und der Erzbischof Regnault. Schon während des Zuges von Reims nach Paris begannen lebhafte diplomatische Aktivitäten zwischen den drei kriegführenden Mächten Frankreich, Burgund und England. Paris hatte Verstärkung erhalten durch ein Armeekorps von 350 Reitern und Bogenschützen. Sie waren am 1. Juli 1429 in Calais an Land gegangen. Der Kardinal Henry Beaufort, Bischof von Winchester, hatte sie in England rekrutieren lassen, um mit ihnen in den Krieg gegen die Hussiten in Böhmen einzugreifen. Der Kardinal von Winchester, der noch beim Prozeß gegen die Pucelle in Rouen eine ungute Rolle spielen sollte, war ein unehelicher Sohn des John of Gaunt (Johann von Gent), Herzogs von Lancaster, und somit der Onkel des Herzogs von Bedford. Bedford und Winchester verständigten sich nun, daß die mit päpstlichem Geld und Segen für den Hussitenfeldzug rekrutierten Truppen nach Paris umgeleitet wurden, wo sie am 25. Juli eintrafen.207 Wie sie sich wenige Wochen davor für einen schnellen Marsch auf Reims eingesetzt hatte, so drängte Jeanne jetzt den König, Paris so schnell wie möglich in seine Gewalt zu bringen. Aus dieser Zeit, in der sich die königliche Armee im Zickzack und Schneckentempo auf die Hauptstadt zu bewegte, hat Dunois eine Episode überliefert, welche die gedrückte Stimmung der Pucelle bezeugt. Als der König sich den nördlich von Paris gelegenen Städten La FertéMilon und Crépy-en-Valois näherte, kamen ihm die Einwohner jubelnd und mit dem Siegesruf: „Noël!" entgegen. Jeanne, die zwischen dem Bastard von Orléans und dem Erzbischof von Reims ritt, zeigte sich über die Freude und
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Anhänglichkeit des Volkes gegenüber dem König gerührt; sie äußerte den Wunsch, in der Erde dieses Landes begraben zu werden. Da fragte sie der Erzbischof (in der Frage des Großpriesters knistern Heuchelei und Verrat): „Johanna, an welchem Ort erwartet Ihr zu sterben?" Sie antwortete:208 W o es Gott gefallen wird, denn ich bin nicht sicher, weder bezüglich der Zeit, noch bezüglich des Ortes und weiß nicht mehr darüber als Ihr. Und möchte es Gott, meinem Schöpfer gefallen, daß ich mich jetzt zurückziehen könnte, daß ich die Waffen ablegen und weggehen könnte, um meinem Vater und meiner Mutter zu dienen beim Hüten ihrer Schafe, zusammen mit meiner Schwester und meinen Brüdern, die sich so sehr gefreut haben, mich zu sehen.
Um die gleiche Zeit scheint das Gespräch mit dem König stattgefunden zuhaben, bei dem der Herzog von Alençon anwesend war. Johanna sagte bei dieser Gelegenheit, ihr verbleibe nicht viel mehr Zeit als ein Jahr (quod ipsa Johanna duraret per annum et non multum plus), und man solle sich in diesem Jahr darum kümmern, etwas Gutes zustande zubringen; sie selbst habe vier Aufgaben: die Engländer in die Flucht zu schlagen; den König in Reims krönen und weihen zu lassen; den Herzog von Orléans aus den Händen der Engländer zu befreien; die Belagerung von Orléans aufzuheben. 20 ' Zwei von den genannten Aufgaben waren damals getan. Aber noch waren die Engländer nicht aus Frankreich vertrieben, und der Herzog Karl befand sich noch in ihrer Gefangenschaft. Daß Jeanne allen Ernstes vorhatte, ihn zu befreien, hat sie auch während des Prozesses in Rouen gesagt. Die Befreiung des Herzogs sollte entweder im Austausch gegen hochrangige von den Franzosen gemachte Gefangene oder gewaltsam erfolgen; sie setzt dafür allerdings eine ihr gewährte Wirkungszeit von ungefähr drei Jahren voraus.210 Die Verhandlungen zwischen den Emissären Karls VII. und Philipps des Guten zogen den Marsch auf Paris immer mehr in die Länge. Am 21. August 1429 traf in Compiègne eine Gesandtschaft der Burgunder unter Führung Johanns von Luxemburg ein. Nach einer Woche kam man zum Abschluß eines Waffenstillstands von vier Monaten. Es gehörte zu den ausgehandelten Bedingungen, daß dem Herzog von Burgund mehrere Städte zurückgegeben werden sollten, darunter Compiègne. Jeanne war über die gesamte Entwicklung alles andere als glücklich. Schon am 5. August hatte sie, im Blick auf einen vorläufigen Waffenstillstand von vierzehn Tagen, von Provins aus an die besorgten Einwohner von Reims geschrieben:211 Meine lieben, guten Freunde, gute und getreue Franzosen der Stadt Reims, Johanna, die Pucelle teilt Euch Neuigkeiten über sich mit und bittet und ersucht Euch, daß Ihr nicht zweifelt an dem guten Kampf, den sie für das königliche Blut führt. Und ich verspreche und versichere Euch, daß ich Euch nicht im Stich lassen werde, so lange ich lebe. Es ist wahr, daß der König mit dem Herzog von Burgund einen Waffenstillstand von vierzehn Tagen abgeschlossen hat ... Was den Waffenstillstand betrifft, der auf diese Weise abgeschlossen wurde, bin ich über-
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haupt nicht zufrieden, und ich weiß nicht, ob ich mich daran halten werde. Wenn ich ihn aber einhalten werde, dann nur, um die Ehre des Königs zu achten. Man wird auch das königliche Blut nicht mehr täuschen, denn ich werde die Armee des Königs zusammenhalten, um am Ende der genannten vierzehn Tage voll in Bereitschaft zu sein, wenn sie keinen Frieden machen. Man sieht: die Distanz der Pucelle zur königlichen Schaukelpolitik ist deutlich geworden. Der Waffenstillstand betraf indes nicht die Engländer, und die Armee zog schließlich doch noch nach Paris. Jeanne traf am 23. August in Saint-Denis ein. Der König kam am 7. September. Am folgenden Tag unternahm man einen Sturmangriff auf die Porte Saint-Honoré. Der Angriff wurde zurückgeschlagen. Jeanne erlitt eine leichtere Verletzung. Darauf wurde die Belagerung abgebrochen, und die Armee zog sich nach Gien zurück, wo sie am 21. September aufgelöst wurde. In den nun folgenden Monaten nahm Jeanne noch an kleineren Kommandounternehmen teil. Sie handelte zwar nicht ganz auf eigene Faust, war aber doch so etwas wie ein Bandenchef geworden. Anfang November wurde die hartnäckig verteidigte Festung Saint-Pierre-le-Moütier (südlich von Nevers) erstürmt. Der königliche Chirurg Regnault Thierry weiß zu berichten, daß Jeanne nach Eroberung der Stadt energisch gegen die eigenen Soldaten einschritt, als sie die Kirche plündern wollten.212 Die Einnahme von Saint-Pierrele-Moütier war Johannas letzter nennenswerter militärischer Erfolg. Die darauf folgende Belagerung von La Charité-sur-Loire wurde ein großer Fehlschlag. Da nicht ausreichend Ressourcen vorhanden waren, mußten die Belagerer nach einem Monat aufgeben. In dem langen Verhör vom 3. März 1431 fragte Cauchon Johanna nach den Ursachen ihres Mißerfolgs vor La Charité. Aus den Antworten, die sie bei dieser Gelegenheit und am 13. März gab, geht hervor, daß sie den Angriff auf La Charité unternommen hatte, weil die anderen Kommandeure dazu geraten hatten. Sie habe damals keine Anweisung von ihren Stimmen erhalten und habe selbst die Absicht gehabt, anderswohin zu ziehen.2" Während des Winters 1429-1430 hielt sich Johanna in verschiedenen Städten an der Loire auf. In Jargeau begegnete sie der Scharlatanin Catherine de la Rochelle, die damals großes Aufsehen erregte. Catherine behauptete, nächtliche Erscheinungen einer weißgekleideten Dame zu haben; diese Dame habe ihr offenbart, auf welche Weise man an die geheimen Ersparnisse der Leute herankommen könne, um mit ihnen Johannas Kriegsleute zu bezahlen. Die Pucelle durchschaute die Schwindlerin und riet ihr, nach Hause zu ihrem Mann zu gehen und sich um den Haushalt und die Ernährung ihrer Kinder zu kümmern. Sie klärte dann den König schriftlich und später auch mündlich über Catherine auf. Da sich Bruder Richard auf die Seite der falschen Prophetin schlug und meinte, man müsse mit ihr zusammenarbeiten, kam es zum ernsthaften Dissens Johannas mit beiden. Nicht ohne Komik ist Johannas Schilderung, wie sie, um die Tatsächlichkeit der Erscheinung der weißen Dame nachzuprüfen, mit Catherine zusammen in einem Bett schlief.2" Catherine rächte sich später an Jo-
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hanna, indem sie vor dem Offizial des Bistums Paris gegen sie aussagte und behauptete, sie werde mit Hilfe des Teufels aus dem Kerker entfliehen, wenn man sie nicht gut bewache.215 Ende Dezember 1429 stellte Karl VII. in Mehun-sur-Yèvre für Johanna, ihre Eltern und ihre Brüder den Adelsbrief aus. Der Familie d'Arc (in dem königlichen Dokument ist der Name „d'Ay" geschrieben, die Pucelle wird „Johanna d'Ay aus Domrémy" genannt) wird damit der erbliche Adel auch in weiblicher Linie verliehen. Der König wollte damit, wie er selbst sagt, seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen für die vielfachen und eklatanten Wohltaten, die Gott ihm durch den Dienst der Pucelle erwiesen habe.216 Für Johanna war das eher ein geringer Trost, und sie scheint sich aus dem Adel nicht viel gemacht zu haben. Am 10. März 1431 fragte sie Jean de la Fontaine, einer der Beisitzer in dem Prozeß von Rouen, nach ihrem Schild und ihrem Wappen. Johanna antwortete, sie selbst habe niemals ein Wappen geführt, vielmehr habe der König ihren Brüdern das Wappen verliehen, nämlich einen blauen Schild mit zwei goldenen Lilien und einem Schwert in der Mitte; sie habe das Wappen einem Maler in Rouen beschrieben; das Wappen sei ihren Brüdern vom König verliehen worden; sie selbst habe nicht darum gebeten und sie habe in dieser Sache auch keine Offenbarung gehabt.217 Wie schon PIERRE TISSET, der Herausgeber der Akten des „Procès de Condamnation", bemerkt hat, überrascht an Johannas Antwort, daß sie ein bemerkenswertes Detail des Wappens vergißt oder absichtlich beiseite läßt: das Schwert in der Mitte des Schildes zeigt mit der Spitze nach oben und geht durch eine Krone hindurch: es hält die Krone.218 Im 58. Artikel seiner Anklage hat der Promotor d'Estivet eine exakte Beschreibung des Wappens gegeben und dessen Gestaltung, ebenso wie die des Bildes der Standarte, Johanna selbst als Anmaßung und religiöse Respektlosigkeit zur Last gelegt. 2 " Wie TISSET zutreffend bemerkt hat, kann sich die aussagekräftige, schöne Gestaltung des Wappens nur auf Johanna selbst beziehen. Konnte oder wollte sie sich daran nicht mehr erinnern? Man darf allerdings die Möglichkeit nicht ganz außer acht lassen, daß ihre Aussage im Protokoll, trotz der bekannten Gewissenhaftigkeit der Notare, manipuliert wurde, um sie stärker zu belasten. Die zwei Monate von Ende Januar bis Ende März 1430 hat Jeanne überwiegend in Sully verbracht. Das imposante, bis heute in gutem Zustand erhaltene Schloß ist ringsum vom Wasser der Loire umgeben. Es gehörte damals Georges de la Trémoïlle, der Jeannes einflußreichster und gefährlichster Gegner in der Umgebung des Königs war. Das Wasserschloß von Sully bietet sich dem Besucher von heute in der Gestalt dar, in der es Maximilien de Béthune, Herzog von Sully (1560-1641), der berühmte Finanzminister Heinrichs IV., ausgebaut und erweitert hat.220 Die durch den Winter und die „hohe" Politik erzwungene Untätigkeit der Pucelle war am 19. Januar unterbrochen worden. An diesem Tag gab die Stadt Orléans zu ihren Ehren ein Bankett, bei dem auch ihr Bruder Pierre anwesend war. Zu den Eingeladenen gehörte auch der Procureur général der königlichen Rechnungskammer Jean Rabateau, in dessen Haus in Poitiers
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Jeanne während ihrer Prüfung durch die Theologen gewohnt hatte.221 Ein viel größeres und prächtigeres Fest hatte sich ein paar Tage davor, am 8. Januar 1430, in Brügge abgespielt: die Hochzeit des Herzogs Philipp von Burgund mit Isabella von Portugal. An diesem Tag stiftete er für den burgundischen Hochadel den Orden vom goldenen Vlies (Ordre de la Toison d'or), der später zum Hausorden der Habsburger wurde.222 Zu den ersten Mitgliedern des neugestifteten Ordens gehörte Johann von Luxemburg, Graf von Ligny. Auf den 23. März 1430 ist ein Brief datiert, den Jeanne von Sully aus an die Hussiten in Böhmen richtete. Lange war davon nur eine zeitgenössische deutsche Ubersetzung bekannt, die von QUICHERAT veröffentlicht wurde. 1861 wurde in Wien eine Abschrift des lateinischen Originals entdeckt, das von Pasquerel unterzeichnet war. Die Echtheit des Briefes ist in der Forschung umstritten. Der elsässische Dominikaner Johann Nider (um 1380-1438), Teilnehmer am Konzil von Basel, kennt ihn jedoch unter Johannas Namen. Aber nicht nur dieses sehr alte Zeugnis, sondern auch Duktus und Tonfall sprechen dafür, daß Johanna selbst den Brief diktiert hat. Das schließt eine Überarbeitung und Endredaktion durch Pasquerel keineswegs aus. Die Pucelle gibt insbesondere ihrer Empörung über die ikonoklastischen Aktionen der Hussiten, die Zerstörung heiliger Bilder und Gebäude, Ausdruck. Sie fordert sie zur „Rückkehr in den Schoß der Kirche" auf; andernfalls werde sie von den Engländern ablassen und sich gegen die Hussiten wenden, „um den empörenden Aberglauben mit des Eisens Schärfe auszutilgen und Euch entweder die Ketzerei oder das Leben zu nehmen". Anfang Mai begab sich Jeanne nach Compiègne. Nach den Bestimmungen des Waffenstillstandes sollte die Stadt, ebenso wie Creil und Pont-SainteMaxence, an Burgund zurückgegeben werden. Doch die Einwohner setzten sich mit aller Anstrengung gegen die Auslieferung zur Wehr. Jeanne wollte ihnen Unterstützung bringen, denn sie fürchtete, daß auch Reims wieder vom Feind eingenommen würde. Zu diesem Zweck hatte sie persöhlich zweihundert piemontesische Söldner mit ihrem Anführer Bartolomeo Baretta engagiert.225 Sie war am 6. Mai, dann wieder am 15. und 16. in der von den burgundischen Truppen belagerten Stadt. Am 17. Mai ritt sie nach Crépy-enValois, um Verstärkung zu holen. Im Schutz der Dunkelheit kam sie am frühen Morgen des 23. Mai nach Compiègne zurück. Am Abend desselben Tages unternahmen die Belagerten einen Ausfall, bei dem Jeanne in die Gefangenschaft der Burgunder geriet.226 Ob dabei Verrat im Spiel war, wird aus den Quellen nicht ganz deutlich. Jeanne gehörte zu den Letzten, die kämpfend vor den Mauern der Stadt zurückgeblieben waren. Da ließ der Kommandant Guillaume de Flavy das Tor der dem Stadttor vorgelagerten Schanze schließen und die Brücke hochziehen. Im Getümmel zog ein Bogenschütze Jeanne an ihrer huque, dem roten, goldbestickten Waffenrock, den sie über dem Harnisch trug, vom Pferd herab. Ein gewisser Bâtard de Wamdonne (Vendonne), ein Dienstmann Johanns von Luxemburg, nahm sie gefangen, obwohl sie sich weigerte, das übliche Versprechen zu geben.
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Als Gefangene „gehörte" Jeanne nun Johann von Luxemburg, Grafen von Ligny. Johann seinerseits war der Vasall Philipps von Burgund. Auf die Nachricht von der Gefangennahme der Pucelle kam der Herzog selbst von Coudun, wo er sein Quartier hatte, nach Margny, um die berühmte Gefangene persönlich in Augenschein zu nehmen. Nach dem Zeugnis seines Chronisten Enguerrand de Monstrelet, der bei der denkwürdigen Begegnung anwesend war, richtete Philipp einige Worte an Jeanne, an die sich Monstrelet aber angeblich nicht mehr erinnern kann.228 Wahrscheinlich ist, daß das Gespräch, bei der bekannten Schlagfertigkeit Jeannes, für den Herzog nicht sehr schmeichelhaft ausfiel und der Chronist eben deshalb die Erinnerung daran tilgen wollte. Nach der Gefangennahme verblieb Johanna noch ein Jahr ihrer kurzen Lebensspanne. Nach vorübergehendem Aufenthalt in der Festung Clairoix ließ Johann von Luxemburg Johanna, ihren Bruder Pierre und ihren Knappen Jean d'Aulon, die mit ihr in Gefangenschaft geraten waren, in sein Schloß Beaulieu-lès-Fontaines (nördlich von Noyon) bringen. Hier unternahm sie einen ersten Fluchtversuch, der durch den Pförtner vereitelt wurde.229 Von Beaulieu wurde Jeanne Anfang Juni 1430 nach dem größeren Schloß Beaurevoir (nordöstlich von Saint-Quentin) gebracht. In diesem Schloß, von dem nur noch wenige Ruinen stehen, verblieb Jeanne bis Anfang November in der Obhut und Gesellschaft der „drei Damen Jeanne". Es waren Jeanne de Béthune, die Gemahlin Johanns von Luxemburg, die ihre Tochter aus erster Ehe mit Robert de Bar (er gehörte zu den Gefallenen von Azincourt), Jeanne de Bar, bei sich hatte. Die dritte und mächtigste der Damen war das „Fräulein" Jeanne de Luxembourg; sie war Johanns Tante und damals schon 77 Jahre alt. Sie hatte sich gegen eine Auslieferung der Pucelle an die Engländer ausgesprochen, und ihr Neffe, der von ihr ein reiches Erbe erwartete, mußte sich ihrem Wunsch fügen.230 Das Fräulein von Luxemburg und Johanns Gemahlin versuchten gleichwohl, Jeanne zum Anlegen von Frauenkleidern zu überreden. Sie erwiderte, „sie habe dazu keine Erlaubnis von Gott und es sei dafür noch nicht die Zeit gekommen."231 Im Herbst ging Johannas Schonfrist im Schloß Beaurevoir zu Ende. Jeanne de Luxembourg trat Ende August 1430 ihre alljährliche Pilgerfahrt zum Grab ihres Bruders Pierre in Avignon an. Der Kardinal Pierre de Luxembourg war dort im Ruf der Heiligkeit am 2. Juli 1387, im Alter von achtzehn Jahren, gestorben. Sein Grab in der Kirche der Coelestiner war ein vielbesuchter Wallfahrtsort geworden. Am 10. September machte das Fräulein von Luxemburg in Avignon ihr Testament zugunsten ihres Neffen Johann; acht Tage später starb sie. Während der Sommermonate war der Bischof Pierre Cauchon von Beauvais pausenlos tätig gewesen, um den Verkauf Johannas an die Engländer zustande zu bringen.232 Schon gleich nach der Gefangennahme der Pucelle war die Pariser Universität mit zwei Schreiben auf den Plan getreten: einem an den Herzog Philipp von Burgund und einem an Johann von Luxemburg. In beiden Schreiben wird die Auslieferung der „Pucel-
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le" genannten Frau wegen Idololatrie, Irrtümern, falscher Lehren und anderer Übel in die Hände der kirchlichen Justiz, vertreten durch den Bischof von Beauvais als zuständigen Richter, verlangt.233 In einem auf den 26. Mai 1430 datierten Schreiben an Herzog Philipp verlangt auch der Generalvikar des Inquisitors von Frankreich die unverzügliche Uberführung Johannas, der zahlreiche Irrtümer und Verletzungen der Ehre Gottes zur Last gelegt würden, nach Paris.234 Es besteht kaum ein Zweifel, daß Pierre Cauchon, ehemaliger Rektor der Pariser Universität und seit vielen Jahren ergebener Gefolgsmann der englischen Sache, der Inspirator dieser Schreiben ist.235 Am 14. Juli 1430 erschien er selbst beim Herzog von Burgund in dessen Feldquartier vor dem belagerten Compiègne mit dem Auftrag: Daß diese Frau, die man gemeinhin Jehanne la Pucelle nennt, Gefangene, zum König [Heinrich VI. von England] gesandt werde, um sie der Kirche auszuliefern, um ihr ihren Prozeß zu machen, weil sie nämlich in dem Verdacht und Ruf steht, mehrere Verbrechen begangen zu haben, wie Sortilegien, Idololatrien, Anrufungen der Feinde [Dämonen] und mehrere andere Fälle, die unseren Glauben berühren und ihm entgegenstehen. Und obwohl sie nicht als Kriegsgefangene behandelt werden darf, wie es scheint, in Rücksicht auf das eben Gesagte, will der König doch freiwillig, zur Belohnung derjenigen, die sie gefangengenommen und -gehalten haben, ihnen bis zu der Summe von 6000 Franken geben und dem erwähnten Bastard [Wamdonne] eine Rente von bis zu 200 oder 300 Livres zu seinem standesgemäßen Auskommen geben und zuweisen.
Schließlich bietet der Bischof, „nach dem Recht, dem Brauch und der Gewohnheit von Frankreich" Johann von Luxemburg die Sicherheit für die Zahlung von 10 000 Franken an, das sei die gleiche Summe, die als Lösegeld für gefangene Könige, Fürsten und andere Leute hohen Ranges gezahlt werde, obwohl die Gefangennahme „dieser Frau" damit keineswegs vergleichbar sei.236 Es ist dies die erste große Irregularität, die (bewußt!) begangen wird, ehe der eigentliche Prozeß gegen Johanna beginnt: der kirchliche Richter bringt die Beschuldigte mittels einer von deren Feinden zur Verfügung gestellten hohen Summe in seine Gewalt. Im Verlauf des Oktober scheint sich bei Johanna die Gewißheit verdichtet zu haben, daß man sie an die Engländer ausliefern werde. Sie hatte auch Kenntnis von der verzweifelten Lage des belagerten Compiègne erhalten, und ein Gerücht war im Umlauf, die Einwohner der Stadt sollten nach deren Eroberung bis herab zum Alter von sieben Jahren umgebracht werden. Die Gedanken, die sich Johanna hierüber machte, und ihre Hilflosigkeit verleiteten sie zu einer Tat der Verzweiflung: sie sprang vom Turm des Schlosses Beaurevoir. Sie zog sich aber offenbar keine ernsthafteren Verletzungen zu, vielleicht weil sie - wie in manchen Filmen dargestellt - im Wassergraben der Burg gelandet war. Immerhin war ihr nach dem Sturz so schlecht, daß sie zwei oder drei Tage lang keine Nahrung zu sich nehmen konnte. Danach er-
fuhr sie eine Tröstung von der heiligen Katharina, die ihr sagte, sie möchte
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beichten und Gott für ihren Sprung um Verzeihung bitten; die Einwohner von Compiègne würden bis zum St. Martins-Tag (11. November) Hilfe erhalten. Darauf erholte sie sich innerhalb kurzer Zeit.237 Es ist eine in der Forschung häufig erörterte Frage, weshalb Karl VII. sich weder zu dieser Zeit in die Verhandlungen um das Schicksal der Pucelle einschaltete, noch später, während des Prozesses in Rouen, einen ernsthaften Versuch unternahm, sie zu befreien. Einer der Gründe für dieses Verhalten liegt sicher in der von den wichtigsten königlichen Ratgebern zu dieser Zeit betriebenen teils kurzsichtigen, teils schlauen, jedenfalls aber doppelzüngigen Politik. Für die Leute, die diesen Schlingerkurs vertraten, und wahrscheinlich auch für den König selbst, war Jeanne, wie wir bereits gesehen haben, eine Belastung geworden.238 Einer der maßgeblichen königlichen Räte, der charakterlose und dumme Regnault de Chartres, Erzbischof von Reims, hat sich nicht entblödet, nach der Gefangennahme der Pucelle an seine Diözesanen zu schreiben, Gott habe die Gefangennahme der Pucelle zugelassen, weil sie dem Stolz verfallen sei und wegen der teueren Kleider, die sie angelegt habe; sie habe auch nicht das getan, was Gott ihr befohlen hatte, sondern ihren eigenen Willen. Einen hinlänglichen Ersatz für Johanna glaubte der Erzbischof in dem stigmatisierten Hirtenjungen Guillaume gefunden zu haben.239 Obwohl Regnault selbst ebenso wenig wie die übrigen Mitglieder des Hochklerus, die auf der Seite Karls VII. standen, in Poitiers Anstoß an der Männerkleidung Johannas genommen hatte, kommt doch hier das Mißfallen daran zum Ausdruck. Es kommt hinzu, daß Johanna, die noch in einfacher Männerkleidung von Vaucouleurs weggeritten war, offenbar zunehmend an modischen und prächtigen Kleidern Gefallen fand, zweifellos auch eine gewisse (natürliche) Eitelkeit kultivierte. Es ist verständlich, wenn manche Großpriester, die gerne heuchlerisch von anderen Verzicht und Einfachheit verlangen, Jeannes Verhalten mit zunehmendem Mißfallen beäugten. Sie war in vielerlei Hinsicht einfach zu weit gegangen.
Rouen: Konstituierung des Tribunals Gegen Ende Oktober 1430 hatten die Engländer die Kaufsumme für Jeanne in Höhe von 10 000 Livres beisammen. Um diese Zeit wurde die Pucelle nach Arras gebracht, wo sie bis Mitte November blieb. Für die letzte Novemberund die erste Dezemberwoche ist ihr Aufenthalt in dem Schloß von Le Crotoy bezeugt; sie befand sich noch immer in der Gewalt der Burgunder, und die Verhandlungen um ihre Ubergabe zogen sich in die Länge.240 Am 21. November richtete die Universität von Paris ein Schreiben an den Bischof Cauchon, in dem sie ihr Befremden darüber zum Ausdruck brachte, daß die Auslieferung der als „Pucelle" bezeichneten Frau „zum Schaden des Glaubens und der kirchlichen Gerichtsbarkeit" so lange verzögert werde. Dem Bischof von Beauvais wird mangelnde Pflichterfüllung vorgeworfen. Damit die Au-
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torität der Kirche nicht noch größeren Schaden erleide, möge er sich mit allem Eifer darum bemühen, daß die besagte Frau schleunigst in seine und des Inquisitors Gewalt überstellt werde. Sobald das geschehen sei, solle sie unverzüglich nach Paris überführt werden, wo es „eine große Zahl weiser und gebildeter Männer" gebe, so daß in ihrer Sache eine sorgfältigere Prüfung und eine gewissere Urteilsfindung als anderswo stattfinden könne.241 Als sich die weisen und gebildeten Männer der Pariser Universität an diesem 21. November zu ihrer Vollversammlung zusammenfanden, ließen sie noch ein Schreiben „an den König von Frankreich und England" (Heinrich VI.) ausfertigen, in welchem sie ihre große Freude über die endliche Auslieferung der Pucelle zum Ausdruck brachten (wenn der Brief tatsächlich am gleichen Tag abgefaßt wurde wie der an Cauchon, dann greift er der tatsächlichen Auslieferung, die am 6. Dezember oder kurz danach stattfand, vor):242 Hocherhabener Fürst, unser ehrfurchtgebietender und souveräner Herr und Vater, wir haben kürzlich erfahren, daß jetzt diese „Pucelle" genannte Frau in Eure Gewalt übergeben wurde. Darüber freuen wir uns sehr, im Vertrauen darauf, daß auf Eure gute Anweisung hin diese Frau dem Lauf der Gerechtigkeit übergeben wird, um so die großen Missetaten und Skandale wiedergutzumachen, die sich ihretwegen bekanntermaßen in diesem Königreich zugetragen haben, zum großen Nachteil für die Ehre Gottes, unseren heiligen Glauben und Euer gesamtes gutes Volk.
Da die Universität ihre besondere Aufgabe darin sieht, derartige offenkundige Übelstände auszurotten, zumal der katholische Glaube dadurch berührt wird, spricht sie auch dem König gegenüber ihre Mißbilligung der langen Verzögerung des Verfahrens aus. Der König wird gebeten, die Pucelle „in die Hände der Gerechtigkeit der Kirche", in der Person des hochwürdigen Bischofs und Grafen von Beauvais, auszuliefern. Auch soll sie nach Paris überführt werden. Wohl weil die Engländer es für sicherer hielten, wurde Johanna aber nach Rouen gebracht, wo sie am 23. Dezember 1430 eintraf. Sie wurde dort in einem (heute nicht mehr stehenden) Turm des von Philipp II. August (1180— 1223) zu Beginn des 13. Jahrhunderts erbauten Schlosses Bouvreuil eingekerkert. Kommandant des Schlosses war Richard Beauchamp, Graf von Warwick (1380-1439). 243 Warwick, dem die Erziehung Heinrichs VI. anvertraut war, war zugleich Jeannes oberster Kerkermeister. Daß Jeanne während ihrer Haft im Schloß von Rouen den König zu Gesicht bekommen hat, ist zwar nirgends überliefert, aber doch wohl nicht ganz unwahrscheinlich. Es war ihr ja von ihren Stimmen verheißen worden, sie werde den König von England sehen.244 Von größerer Bedeutung für Johannas Schicksal war jedoch die Anwesenheit des Großonkels des englischen Königs, des Kardinals Henry Beaufort, während des gesamten Prozesses in dem Schloß. Der gewöhnlich als „Kardinal von England" bezeichnete Beaufort war Kardinalpriester
von
Sant'Eusebio sowie Bischof von Lincoln und Winchester und somit einer der
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höchsten englischen Kirchenfürsten. Die Prozeßakten verzeichnen seine Anwesenheit beim Widerruf Johannas am 24. Mai 1431 auf dem Kirchhof von Saint-Ouen. 245 Als Mitglied des Kronrates und der königlichen Familie vertrat er die Interessen der englischen Politik, und er hielt, zusammen mit dem Earl of Warwick, den gesamten Verlauf des Prozesses mittels Geld und Drohungen in seinen Händen. 246 Gleichwohl war der Kardinal an der äußerlich korrekten Abwicklung des Verfahrens interessiert, das ja ein kirchlicher Prozeß war. Als sich Johanna, für viele der Anwesenden unerwartet, zu einem öffentlichen Widerruf bereiterklärte, wandte sich Cauchon an Beaufort mit der Frage, was nun zu tun sei. (Als Vorsitzender des Tribunals hätte er es wohl selbst entscheiden müssen!). Der Kardinal antwortete, man müsse Johanna „die Möglichkeit der Buße geben", und das bedeutete: die Verlesung des Schuldspruchs wurde unterbrochen. Der Bericht über den gesamten Vorgang stammt von dem Pariser Professor und Domherrn Jean Monnet, der damals in Saint-Ouen auf der Tribüne zu Füßen seines Lehrers Jean Beaupère saß.247 Zu Beginn des Prozesses versicherte Cauchon dem Notar Guillaume Manchon gegenüber, er habe die Absicht, „gegen die genannte Johanna einen schönen Prozeß" (unum pulchrum processum) zu führen;248 gemeint ist: einen im Sinne des Kirchenrechts korrekten, untadeligen Prozeß. Der Bischof von Beauvais hatte den nicht korrumpierbaren und streng rechtlich denkenden Notar zu einer Beratung der Richter bestellt, die in einem Haus außerhalb des Schlosses stattfand und ihm klargemacht, „daß er dem König dienen müsse". Vorausgegangen war dieser Sitzung der höchst unerfreuliche Beginn des Prozesses gegen Johanna. Manchon hatte alles als Augenzeuge erlebt; das Protokoll des Nullitätsprozesses hält seine Aussage darüber fest:24' Der Zeuge wurde befragt, und es wurde ihm die französische Niederschrift des Prozesses gezeigt, in welcher sich am Beginn einiger Abschnitte das Wort „Nota" befindet, wozu diese mehrmaligen „Nota" dienten; er antwortete, daß sich bei der ersten Befragung Johannas ein riesiger Tumult erhob, am ersten Tag ihres Verhörs, in der Kapelle der Burg von Rouen, und daß fast alle Worte derselben Johanna unterbrochen wurden, als sie über ihre Erscheinungen sprach; es waren dort nämlich einige Sekretäre des Königs von England anwesend, zwei oder drei, die nach ihrem eigenen Gutdünken die Worte und Aussagen derselben Johanna notierten, indem sie ihre Entschuldigungen und das, was zu ihrer Entlastung diente, wegließen. Der Zeuge [Manchon selbst] beschwerte sich darüber, indem er sagte, wenn keine andere Ordnung eingeführt würde, dann werde er in dieser Sache nicht die Aufgabe des Schreibens übernehmen. Deshalb wurde am folgenden Tag an einem anderen Ort verhandelt, und sie kamen in einem Saal der Burg zusammen, der sich in der Nähe des großen Saals befand. Und zwei Engländer standen als Wachen am Eingang. Und weil sich zuweilen eine Verständnisschwierigkeit bezüglich der Antworten und Aussagen Johannas einstellte, und weil einige sagten, sie hätte nicht so geantwortet, wie es durch den Zeugen aufgeschrieben war, setzte er dort, wo ihm eine Schwierigkeit zu sein schien, ein „Nota" an den Beginn des Abschnitts, damit sie noch einmal gefragt würde und die Schwierigkeit abgestellt würde: das ist es, was diese „Nota" am Anfang eines Abschnitts bedeuten.
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Auch der königliche Rat Heinrichs VI. hatte jedes Interesse, den Schein des Rechts zu wahren, und, wie es in seinem Schreiben an Cauchon vom 3. Januar 1431 heißt, daß gegen Jeanne „nach den Anordnungen und Verfügungen des göttlichen und kanonischen Rechts" vorgegangen würde. In diesem Schreiben ordnet der König die formelle Ubergabe der Pucelle an „den hochwürdigen Vater in Gott, Unseren geliebten und treuen Rat, den Bischof von Beauvais, kirchlichen und ordentlichen Richter der genannten Jeanne", an, „weil sie innerhalb der Grenzen seiner Diözese gefaßt und gefangengenommen wurde." An die verantwortlichen Wächter Jeannes und deren Offiziere ergeht der Befehl, die Gefangene an den Bischof zu übergeben und auszuliefern, so oft er darum ersucht. Allen französischen und englischen Justizbeamten und Offizieren wird außerdem befohlen, dem Bischof und seinen Beisitzern und Helfern freien Zugang zu der Gefangenen und auch sonst jegliche Unterstützung zu gewähren.250 Die englischen Machthaber denken also überhaupt nicht daran, Jeanne in kirchlichen Gewahrsam zu überführen, wie es rechtens wäre. Im Gegenteil: der König behält sich vor, Johanna formell wieder als Gefangene zu übernehmen, falls ihr keines der ihr zur Last gelegten, den Glauben betreffenden Vergehen nachgewiesen werden kann.251 Noch ein weiterer kanonistischer Schönheitsfehler mußte beseitigt werden: Selbst wenn man annahm, daß Cauchon der für Jeanne zuständige kirchliche Richter war, weil sie innerhalb seiner Diözese gefangengenommen worden war, so befand er sich doch nicht auf dem Boden seiner Diözese, sondern auf dem der Erzdiözese Rouen. Es war deshalb erforderlich, daß ihm die für Rouen zuständige kirchliche Autorität für die Dauer des Prozesses formell ein Territorium abtrat. Da der erzbischöfliche Stuhl von Rouen nicht besetzt war, geschah dies durch das Domkapitel. Aus dem Bewilligungsschreiben geht klar hervor, daß das Kapitel zu der fragwürdigen Manipulation durch die königliche Regierung und die Universität Paris gedrängt wurde.252 So hatten sich bereits vor Beginn des eigentlichen Verfahrens so viele Irregularitäten und Rechtsverdrehungen angehäuft, daß mehrere in Rouen anwesende hochangesehene Rechtsgelehrte und Theologen Cauchon gegenüber unverblümt die Ansicht vertraten, der Prozeß sei von Anfang an nichtig. Zu ihnen gehörten die Magistri Jean Lohier 2 " und Nicolas de Houppeville.254 Beide wurden massiv bedroht und riskierten ihr Leben. Unter beständiger Bedrohung stand auch der Prior des Dominikaner-Konvents von Rouen, Jean Le Maistre (Johannes Magistri). Als Vertreter (Vikar) des Generalinquisitors für das gesamte Königreich Frankreich, des Pariser Professors und Dominikaners Jean Graverend, fungierte er, anders als die übrigen Teilnehmer am Prozeß, neben dem Bischof von Beauvais als gleichrangiger Richter. Cauchon hatte den Generalinquisitor vor Beginn des Verfahrens eingeladen, „zur größeren Sicherheit des erwähnten Prozesses" sich persönlich nach Rouen zu begeben oder einen Vikar mit besonderen Vollmachten zu ernennen.255 Letzteres geschah denn auch, aber der Ernannte mußte erst
aufgefordert werden, zu der im Hause des Bischofs anberaumten Sitzung zu
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erscheinen. Als Le Maistre dann (am Nachmittag des 19. Februar 1431) da war, erklärte er seine grundsätzliche Bereitschaft, seine Pflicht als Inquisitor zu erfüllen, gab aber zu bedenken, daß seine Vollmacht sich nur auf die Diözese und die Stadt Rouen erstreckte; dem Bischof sei zwar in der Stadt ein Territorium eingeräumt worden, aber er führe den Prozeß doch kraft seiner Jurisdiktion als Bischof von Beauvais; deshalb sei es fraglich, ob sich die von dem Generalinquisitor erteilte Vollmacht tatsächlich auf diesen Prozeß beziehe.256 Man sieht: Le Maistre äußert keinen offenen Zweifel an der Zuständigkeit Cauchons, aber sein Bedenken bezüglich der eigenen Vollmacht rührt doch an den wunden Punkt des Prozesses: das fragwürdige Konstrukt der Jurisdiktion des Bischofs von Beauvais. Auch am folgenden Tag (20. Februar) machte Le Maistre nochmals den Versuch, sich aus der Sache herauszuhalten, indem er Gewissensbedenken vorschob und erst eine weitere und eindeutige Vollmacht des Generalinquisitors abwarten wollte. Er erklärte aber sein Einverständnis damit, daß Cauchon vorerst den Prozeß allein weiterführte.257 Die erwartete Vollmacht, ausgestellt in Coutances am 4. März, wurde am 12. März verlesen.258 Am 13. März trat Le Maistre formell als Richter in den Prozeß ein; er ernannte nun seinerseits Jean d'Estivet zum Promotor der heiligen Inquisition, Jean Gris und Jean Baroust zu Wächtern des Kerkers, Jean Massieu zum Gerichtsdiener (huissier).259 Daß der Dominikaner nur sehr ungern sein Richteramt ausübte und von den Engländern massiv bedroht wurde, haben später im Nullitätsprozeß mehrere Zeugen bestätigt, darunter der genannte Massieu, Pfarrer von Sankt Candidus, der im Prozeß das Amt des Gerichtsvollziehers wahrnahm.260 Nimmt man alle die genannten Irregularitäten, die sich schon im Vorfeld des Prozesses nachweisen lassen, und dazu noch die evidenten Verletzungen des geltenden Kirchenrechts, die während dessen eigentlichem Verlauf hauptsächlich durch den amtierenden Richter Cauchon und den Promotor d'Estivet - begangen wurden, dann ist es unverständlich, wie manche Forscher zu dem Ergebnis kommen konnten, das Verfahren gegen Johanna sei nach den geltenden Rechtsnormen abgewickelt worden.261 Etwas vorsichtiger hatte sich der Dramatiker BERNARD SHAW in seinem eingangs erwähnten Essay (Preface to Saint Joan) über die „verhältnismäßige Gerechtigkeit von Johannas Prozeß" (Comparative Fairness of Joan's Trial) ausgelassen;262 „verhältnismäßig" meint hier: im Vergleich zu neuzeitlichen Militärprozessen oder anderen Verfahren, welche die mittelalterlichen Verhältnisse „toleranter" erscheinen lassen als die heutigen. Natürlich spielten auch bei der Aufnahme und Durchführung des sogenannten Rehabilitationsoder Nullitätsprozesses politische und parteiische Interessen eine Rolle, aber nach der eingehenden Studie des französischen Rechtshistorikers PIERRE D u PARC, des Herausgebers der Akten des „Procès en Nullité",263 kann kein vernünftiger Zweifel an der vielfachen Irregularität des Prozesses bestehen, der zur Verurteilung Johannas führte.
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Rouen: Der Prozeß Der Prozeß hatte am 9. Januar 1431 im Haus des königlichen Rates zu Rouen mit einer vorbereitenden Sitzung begonnen, an der außer Pierre Cauchon die Abte von Fécamp und Jumièges, Gilles de Duremort und Nicolas Le Roux, sowie einige weitere in Rouen anwesende Theologen und Kanoniker teilnahmen.264 Die erste sogenannte öffentliche Sitzung fand am 21. Februar in der königlichen Kapelle des Schlosses von Rouen statt. Neben Cauchon waren diesmal 42 Beisitzer anwesend; sie alle waren Inhaber akademischer Grade in der Theologie, im kirchlichen und weltlichen Recht.265 Nach korrekter Erledigung der vorgeschriebenen Formalien wurde Johanna durch den Gerichtsdiener (huissier) Jean Massieu, Priester und Dekan der Kirche von Rouen, vorgeführt. Als erstes forderte Cauchon sie auf, unter Berührung des Evangelienbuches einen Eid zu leisten, daß sie auf die ihr gestellten Fragen wahrheitsgemäß antworten werde. Schon hier, bei ihrem ersten Auftritt, zeigt sich Johanna widerspenstig und wenig kooperativ. Sie antwortet: Ich weiß nicht, worüber Ihr mich befragen wollt. Vielleicht könntet Ihr ja Dinge von mir erfragen, die ich Euch nicht sagen werde.
Der Bischof erläutert ihr darauf geduldig, daß es sich bei den beabsichtigten Fragen um den Glauben betreffende Angelegenheiten handeln werde. Johanna erwidert, sie werde bereitwillig über ihre Herkunft und ihr Wirken nach ihrem Weggang von Zuhause Auskunft geben, aber sie werde nichts über die ihr von Gott gegebenen Offenbarungen sagen; darüber habe sie außer „Karl, den sie ihren König nennt", niemandem etwas mitgeteilt; selbst wenn man ihr den Kopf abschlüge, würde sie darüber nichts enthüllen, da sie aufgrund ihrer Visionen wisse, daß sie zur Geheimhaltung verpflichtet sei.266 Dennoch spricht Johanna selbst als erste von ihren Visionen, ohne daß jemand sie danach gefragt hätte. Aber eben diese Visionen oder Stimmen werden alsbald eine der Hauptsachen, um die sich Befragungen und Ermittlungen des Tribunals drehen. Die meisten Fragen, die zunächst Cauchon selbst, dann der Pariser Theologe Jean Beaupère Johanna stellten, betrafen ihr Elternhaus, ihre Jugend und ihre religiöse Bildung. Die Fragen Beaupères zielten aber alsbald auf die näheren Umstände, unter denen Johanna ihre Stimmen hörte, und auf den Inhalt der durch sie übermittelten Botschaften. Die Pucelle gab darüber und über die Einzelheiten ihres Weggangs von Domrémy und Vaucouleurs bereitwillig Auskunft. Zu Beginn der dritten Sitzung, am 24. Februar, verweigerte Johanna nochmals die Eidesleistung, fand sich aber schließlich doch dazu bereit mit der Einschränkung, daß sich der Eid nur auf das beziehe, was unmittelbar Verhandlungssache des Prozesses sei (de ce que touchoit son p r o c e z ) . J e d e s m a l , w e n n sie b e f ü r c h t e t e , d a ß sie b e z ü g l i c h ihrer Visionen
zu
sehr ausgefragt würde, kam ihr stereotypes und unwilliges: „Passez oultre!"
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Die Richter können in diesem Verhalten nichts anderes als reine Unverschämtheit gesehen haben, ebenso wie in der an den Bischof von Beauvais gerichteten Warnung: 267 Gebt gut darauf acht, daß Ihr sagt, Ihr seid mein Richter! Denn Ihr nehmt eine große Last auf Euch, und mich belastet Ihr allzu sehr. U n d ein paar Minuten später nochmals deutlicher: 268 Ihr behauptet, daß Ihr mein Richter seid. Gebt gut acht, was Ihr tut! Denn ich bin wirklich vonseiten Gottes gesandt, und Ihr begebt Euch in große Gefahr. Man sieht: sie ist ganz tief und fest überzeugt von ihrem numinosen, transzendenten Wesen, und sie macht daraus von Anfang an überhaupt keinen Hehl. Sie ist aber gewiß intelligent genug zu wissen, daß sie sich dadurch bei ihren Richtern belastet. Denn die wollen ihr ja gerade daraus, daß sie ihre Überzeugungen aus einem direkten und fast familiären Kontakt mit himmlischen Mächten gewinnt, einen Fallstrick drehen. N a c h d e m , gegen Ende des Prozesses, die Pariser Universität zu den vielfältigen Irrtümern Johannas ihr vielstimmiges V o t u m abgegeben hatte, erhielt Pierre Maurice, Domherr an der Kathedrale von Rouen und „hervorragender Lehrer in der heiligen Theologie" den Auftrag, Johanna nochmals auf französisch in aller Ausführlichkeit die zwölf Hauptpunkte der gegen sie erhobenen Anklage darzulegen. Der erste Punkt lautet: 269 Erstens: Du, Johanna, hast gesagt, du habest ungefähr von deinem dreizehnten Lebensjahr an Offenbarungen und Erscheinungen von Engeln und der Heiligen Katharina und Margareta gehabt, die du oft mit deinen leiblichen Augen gesehen hast; und sie haben mit dir gesprochen und sprechen noch immer häufig mit dir, und sie haben dir vieles gesagt, was ausführlich in diesem Prozeß erörtert wurde. Was diesen Punkt betrifft, so haben die Geistlichen von der Pariser Universität und andere die Art dieser Offenbarungen und den Zweck der Erscheinungen, den Inhalt der offenbarten Dinge, die Qualität deiner Person erwogen. Und nachdem sie alles erwogen haben, was zu erwägen war, haben sie gesagt, daß diese Dinge in lügenhafter Weise erfunden sind, geeignet zur Verführung und zum Verderben, oder daß derartige Offenbarungen und Erscheinungen abergläubisch sind und von bösen und teuflischen Geistern ausgehen. Im dritten Punkt heißt es:270 Du hast auch gesagt, daß du die Engel und die heiligen Frauen an dem guten Rat, der Stärkung und Lehre erkennst, die sie dir gegeben haben, und daran, daß sie dir ihre Namen genannt haben und daß die heiligen Frauen dich gegrüßt haben. Du bist auch überzeugt, daß es Sankt Michael ist, der dir erschien, und daß ihre Taten und Worte gut sind, ebenso fest wie du von dem Glauben an Christus überzeugt bist. Was das betrifft, so sagen die Geistlichen, daß dies keine hinreichenden Zeichen sind, um die Engel und vorgenannten heiligen Frauen zu erkennen, und daß du
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leichtfertig geglaubt und in vermessener Weise Behauptungen aufgestellt hast; und darüber hinaus, was den Vergleich betrifft, den du machst über das ebenso fest glauben usw., irrst du im Glauben.
Es steht hier der Inhalt der persönlichen Glaubensüberzeugung Johannas, die sie durch ihre Visionen gewonnen hat, gleichwertig (eque firmiter) neben dem geläufigen, allgemeinen christlichen Glaubensinhalt, wie er etwa im Credo festgeschrieben ist. Aufgrund ihres direkten Kontaktes und Gespräches mit den himmlischen Mächten hat die Pucelle ihre eigene Religion gewonnen, die sich der Kontrolle des Lehramts der Kirche auf Erden (ecclesia militans) entzieht. Das haben die Befragungen im Verlauf des Prozesses ergeben, und die Theologen und Kanonisten der Sorbonne legen darauf ihren Finger. Eque firmiter heißt es wieder im elften Punkt:271 Du hast auch gesagt, du habest denen, die du den heiligen Michael, die Heiligen Katharina und Margareta nennst, mehrere Ehrenbezeugungen erwiesen; ...und doch bist du überzeugt, daß jene Stimmen von Gott kommen, ebenso fest wie du von dem katholischen Glauben überzeugt bist und davon, daß unser Herr Jesus Christus gelitten hat. Weiterhin hast du gesagt, wenn ein böser Geist in der Gestalt des heiligen Michael erschiene, dann könntest du das gut erkennen und unterscheiden. Du hast auch gesagt, daß du auf eigenen Wunsch geschworen hast, du würdest nichts über das Zeichen sagen, das deinem König gegeben wurde, und hast schließlich noch hinzugefügt: es sei denn auf Gottes Anweisung hin. Was das betrifft, so sagen die Geistlichen, vorausgesetzt du hättest die Offenbarungen und Erscheinungen gehabt, deren du dich gerühmt hast, so bist du doch in der Art und Weise, wie du es gesagt hast, eine Götzendienerin, Anruferin von Dämonen, Irrende im Glauben, vermessene Behaupterin, und du hast einen unerlaubten Eid geleistet.
Auch die persönliche Heilsgewißheit, die ihr ihre Heiligen gegeben haben, steht natürlich in eklatantem Widerspruch zu dem Dogma von der incertitudo salutis der spätmittelalterlichen Pariser Theologie. „Du bist darüber so sicher, als ob du schon in der Glorie der Seligen wärest", stellen die Herren empört fest, und sie sehen darin eine „anmaßende, vermessene Behauptung, eine verderbliche Lüge".272 Abgesehen von der negativen Bewertung haben die Pariser Scholastiker Johannas religiöses Bewußtsein durchaus zutreffend beurteilt. Sie bezog ihre innere Ruhe und Sicherheit aus der Gewißheit, schon jetzt „Mitbürgerin der Heiligen" (Eph 2,19) zu sein,273 deren Sprache sie verstand.274 Gegen diese freche Anmaßung des kleinen, dummen Bauerntrampels aus Lothringen steht die erlauchte Autorität der Universität Paris, „welche die Leuchte aller Wissenschaften und Ausrotterin der Irrtümer" ist (lux omnium scienciarum et exstirpatrix errorum). Sie ermahnt nun die „liebste Freundin" Johanna (Johanna, amica carissima!) durch den Mund eines „hervorragenden Lehrers in der heiligen Theologie" (doctor eximius in sacra theologia), „den Glauben und die Vorstellung, die sie v o n derartigen Dingen"
(nämlich Erscheinungen) „hatte, abzulegen, indem Ihr euch ruhig auf die
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Worte und Meinungen der Pariser Universität und der anderen Doktoren verlaßt, die das Gesetz Gottes und die Heilige Schrift kennen und die meinen, daß man solchen Erscheinungen nicht glauben darf."275 In den Verhören war es die ecclesia militans, die auf Erden streitende Kirche, repräsentiert durch den Bischof Cauchon und seine Beisitzer - in der Mehrzahl Pariser Theologen und Kanonisten - , gewesen, deren gottgleiche Autorität die Pucelle nicht hatte begreifen wollen. Auf den ersten Artikel der Anklageschrift des Promotors Jean d'Estivet, in welchem die Zuständigkeit des aus dem Bischof von Beauvais und dem Inquisitor bestehenden Tribunals für alle Arten von Irrlehren, Zaubereien, Aberglauben und ähnliche Verbrechen festgestellt wird, lautet die Antwort Jeannes 276 Sie glaube sehr wohl, daß unser Herr, der römische Papst, die Bischöfe und die übrigen Kirchenmänner dazu da sind, den katholischen Glauben zu erhalten und die Abtrünnigen zu bestrafen. Was aber sie selbst betreffe, so werde sie sich bezüglich ihrer Handlungen allein der himmlischen Kirche unterwerfen, nämlich Gott, der Jungfrau Maria und den Heiligen des Paradieses. Und sie ist fest überzeugt, daß sie nicht fehlgegangen ist in unserem Glauben, und sie wolle auch nicht fehlgehen (oder: abtrünnig werden).
In aller Deutlichkeit lehnt Jeanne die kirchliche Autorität (näherhin: die Autorität des Hochklerus und der Theologen), die für die „normalen" Christen gilt, für ihre eigene Person ab: sie will sich nur der himmlischen Kirche, Gott und seinen Heiligen, unterwerfen, die ihr ihre Botschaften ohne jede vermittelnde Instanz mitteilen. So sagt sie auf die Vorhaltungen, die ihr der Erzdiakon Jean de Châtillon am 2. Mai bezüglich des Inhalts der an sie ergangenen Offenbarungen gemacht hat, sie wolle sich in dieser Angelegenheit an ihren Richter, nämlich Gott halten; im übrigen seien ihre Offenbarungen von Gott, ohne weitere Mittlerinstanz.277 Ihre Richter wollen sie aber zu einer vorbehaltlosen Unterwerfung unter die ecclesia militans, die Kirche auf Erden, bringen. Diese Kirche sind sie selbst, die Großpriester. Die zusammenfassende und definitive Befragung in dieser Angelegenheit fand am 31. März 1431 im Kerker Johannas statt. Sie läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen üb-
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Zuerst wurde sie gefragt, ob sie sich dem Urteil der Kirche auf Erden anheimgeben wolle in allem, was sie gesagt und getan habe, ob es gut oder böse sei, insbesondere betreffs der Fälle, Verbrechen und Vergehen, die ihr zur Last gelegt werden, und in allem, was ihren Prozeß berührt. Sie antwortete, in Bezug auf das, was von ihr verlangt würde, werde sie sich der streitenden Kirche anheimgeben, vorausgesetzt daß sie ihr nichts Unmögliches vorschreiben werde. Und sie nennt das, was sie für unmöglich hält: nämlich daß sie ihre Worte und Taten, so wie sie es im Prozeß erklärt hat, über die Visionen und Offenbarungen, von denen sie gesagt hat, sie habe sie vonseiten Gottes gehabt, widerrufe; und sie werde sie um gar keinen Preis widerrufen; und über das, was Gott sie zu tun ver-
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anlaßte und ihr geboten hat und noch gebieten wird, das wird sie nicht zu tun unterlassen um keines lebenden Menschen willen, und es wäre ihr unmöglich, davon etwas zu widerrufen. Und für den Fall, daß die Kirche sie veranlassen wollte, etwas anderes zu tun, was im Gegensatz zu dem nach ihrer Meinung ihr von Gott gegebenen Gebot stünde, so würde sie das um keinen Preis tun. Gefragt, ob sie sich, wenn die streitende Kirche ihr sagte, daß es sich bei ihren Offenbarungen um Sinnestäuschungen oder Teufelszeug oder Aberglauben oder böse Dinge handele, dann an die Kirche halten würde: Antwortet sie, sie werde sich an unsern Herrn halten, dessen Gebot sie immer tun werde; und sie wisse sehr wohl [et qu'elle sçait bien!], daß das, was in ihrem Prozeß enthalten sei, durch das Gebot Gottes gekommen sei; und von dem, was sie in dem genannten Prozeß auf Befehl Gottes getan zu haben behauptet habe, könne sie unmöglich das Gegenteil tun. Und in dem Fall, daß die streitende Kirche ihr das Gegenteil zu tun geböte, würde sie sich an keinen Menschen auf der Welt halten, sondern nur an unsern Herrn, und nur sein gutes Gebot ausführen. Gefragt, ob sie denn nicht glaube, der Kirche auf Erden unterworfen zu sein, nämlich unserem heiligen Vater, dem Papst, den Kardinälen, Erzbischöfen, Bischöfen und den anderen Prälaten der Kirche: Antwortet sie: Ja, unter der Bedingung, daß unserem Herrn als erstem gedient wird. Gefragt, ob sie ein Gebot ihrer Stimmen habe, sich nicht der streitenden Kirche auf Erden und ihrem Urteil zu unterwerfen: Antwortet sie: Sie gebe nicht etwas zur Antwort, was sie sich selbst in den Kopf gesetzt habe; sondern was sie antworte, geschehe auf Anweisung derselben [Stimmen]; und sie schrieben ihr nicht vor, sie solle der Kirche nicht gehorchen, vorausgesetzt jedoch, daß Gott zuerst gedient werde. Man fragt sich, weshalb die Richter von Rouen, die Theologen und Juristen, so versessen auf eine Unterwerfung Johannas waren. Einmal ging es darum, am Vorabend des Konzils von Basel vor der Christenheit, dem Papst und den Fürsten Europas, den Schein des „schönen", korrekten kirchlichen Prozesses zu wahren.279 Dazu gehörte, daß der Delinquentin die Gelegenheit zur Reue gegeben wurde durch milde geistliche Richter, die als Repräsentanten der barmherzigen Mutter Kirche um das seelische und leibliche Heil der armen Irrenden besorgt waren. Eine weitere Ursache liegt vermutlich in den Abgründen der großpriesterlichen Seele, die nun einmal den Widerstand von „Laien" nicht verträgt und sich nur mit deren bedingungsloser Unterwerfung zufriedengibt. Jeanne dagegen weiß (sçait bien!), daß ihre im Prozeß gemachten Aussagen bezüglich ihrer Visionen und ihres Auftrags letztlich auf Gott selbst zurückgehen; sie nimmt also für sich ein höheres Wissen in Anspruch als das der Amtsträger der Kirche und der offiziellen Lehrer der Heiligen Schrift, so wie es bereits zwei Jahre davor bei Gelegenheit der Befragung durch die Theologen von Poitiers deutlich wurde. Das Tribunal von Rouen legt Jeanne zur Last, daß sie sich ein Wissen anmaßt, das allein Gott haben kann.280 Der Prozeß ist für die Pucelle auch eine Gelegenheit, Zeugnis für Gott zu geben, mit dessen Willen sie sich in Einklang weiß. Es ist der Gott in ihrem Inneren,
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der aber nach ihrer Überzeugung kein Produkt ihrer Einbildungen ist. Im 19. Jahrhundert hat der evangelische Kirchenhistoriker KARL HASE Johannas Stimmen mit dem Dämon des Sokrates verglichen. Erklärt der Hinweis auf „ihr Ich", „ihre eigene hohe Seele" hinreichend ihre Selbstgewißheit und Standhaf tigkeit ?281 Der Neutestamentier ETHELBERT STAUFFER hat in einem bemerkenswerten Essay das Verfahren von Rouen mit dem Prozeß Jesu verglichen. Bei allen Unterschieden zwischen den beiden Ketzerprozessen haben sie doch ein Gemeinsames: „In beiden Fällen geht es um den Widerstreit zwischen dem lebendigen Offenbarungsanspruch und dem kanonischen Gotteswort. In beiden Fällen wird der lebendige Offenbarungsanspruch an dem kanonischen Gotteswortgemessen und nach kritischer Prüfung verworfen - wie das Gesetz es befiehlt."282 STAUFFER zeigt dies für den Prozeß von Rouen an der Frage der Männerkleider, die er für den zentralen Punkt des gesamten Verfahrens hält. Aber es geht im Falle der Jeanne d'Arc nicht nur um die Autorität der Heiligen Schrift, sondern viel mehr noch um den Umfang der Gewalt der Hierokratie und des (in der Pariser Universität verkörperten) Lehramts, die beide zusammen beanspruchen, allein den Schlüssel für die Interpretation des Gotteswortes in Händen zu haben. Und formaljuristisch korrekt unterläuft Johanna auch diesen Anspruch, indem sie an die höheren Instanzen des Papstes und des Basler Konzils appelliert.283 Vermutlich haben die ihr wohlgesinnten Dominikaner Martin Ladvenu und Ysambart de la Pierre sie auf diese Idee gebracht. Die Tatsache, daß Johannas Appellationen mit fadenscheinigen Begründungen und unter Bedrohung ihrer Ratgeber einfach weggebügelt werden, zeigt, daß der Vorsitzende Richter weniger ein kirchliches als vielmehr ein politisches Ziel verfolgt, und ist ein weiterer schwerwiegender Grund für die Irregularität des Verfahrens.284 In der Anklage gegen Jeanne d'Arc und bei ihrer Verurteilung spielten Kleider und Frisur, die sie trug, eine zentrale Rolle. Deutlich wird das vor allem in der schon erwähnten Mahnrede, die der Domherr Pierre Maurice an sie richtet und in der die einzelnen Kleidungsstücke ihrer Männertracht aufgezählt werden: ein kurzer Leibrock, eine Oberjacke (Weste oder Pullover), Schnürstiefel mit vielen Schnüren. Der Kanoniker hält Johanna außerdem vor, daß sie einen typisch männlichen Haarschnitt trage, bei dem das Haar oberhalb der Ohren ringsum abgeschnitten wurde. In dieser männlichen Aufmachung und in der Behauptung der Pucelle, sie habe dieselbe auf Gottes Gebot hin angelegt, erblicken die geistlichen Herren von der Pariser Universität eine Mißachtung des göttlichen Gesetzes, der Heiligen Schrift und der Kirchengebote, einen Irrtum im Glauben, Götzendienst und Nachahmung heidnischer Riten. Als besonders gravierend wird die Tatsache angesehen, daß sie oftmals das Sakrament der Eucharistie in Männerkleidern empfangen hatte. Ein Jahrhundert nach dem Prozeß von Rouen hat der Genfer Reformator Johannes Calvin, der selbst in Paris studiert hatte, die Herren von der Sorbonne als „Esel" bezeichnet286 - offenbar nicht ganz zu Unrecht.
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Bekanntlich nahm das Tribunal von Rouen die Männerkleider, in denen man Jeanne vier Tage nach ihrem Widerruf, am 28. Mai 1431 in ihrem Kerker vorfand, zum willkommenen Anlaß, sie endgültig zu verurteilen und dem Henker zu übergeben.287 Der Widerruf und die Abschwörung, die sie am 24. Mai auf dem Kirchhof von Saint-Ouen geleistet und unterschrieben hatte, betraf hauptsächlich „die Offenbarungen und Erscheinungen vonseiten Gottes, durch die Engel und Sankt Katharina und Sankt Margareta": Johanna bekennt, daß sie schwer gesündigt habe, indem sie dieselben in verlogener Weise erfunden, leichtfertig daran geglaubt und andere verführt habe. Die zweite Sünde, die sie bekennt, ist das Anlegen von Männertracht und -frisur, im Widerspruch gegen das göttliche Gesetz, das natürliche Schamgefühl und die Ehrbarkeit des weiblichen Geschlechts. Das dritte Vergehen betrifft das Tragen von Waffen und den Wunsch, menschliches Blut zu vergießen.288 Bei der Verlesung des Urteils war Johanna zusammengebrochen.289 Und danach, als man anfing, das Urteil zu verlesen, da sagte sie, sie wolle alles halten, was die Richter und die Kirche sagen und urteilen würden, und sie wolle deren Anordnung und Willen durchaus gehorchen. Und dann widerrief sie in Gegenwart der oben Genannten und einer großen Menge Leute, die dort waren, und leistete ihre Abschwörung auf die folgende Weise. Und sie sagte mehrmals, da die Geistlichen sagten, ihre Erscheinungen und Offenbarungen seien nicht aufrecht zu halten und nicht zu glauben, wolle auch sie sie nicht aufrecht halten; vielmehr unterwarf sie sich gänzlich den Richtern und unserer Mutter, der heiligen Kirche. Bis dahin hatte dieses erstaunliche Mädchen von neunzehn Jahren ihre Uberzeugung gegenüber den Richter und Vertretern der heiligen Mutter Kirche mit Standhaftigkeit, Schlagfertigkeit und zuweilen Humor aufrecht gehalten. Der erbärmliche Triumph, den die gelehrte Klerikerschaft auf dem Kirchhof von Saint-Ouen über sie errang, war nur von kurzer Dauer. Sie ging zwar weinend und klagend, aber doch aufrecht in ihren entsetzlichen Tod auf dem Scheiterhaufen, den man für sie auf dem Alten Markt von Rouen errichtet hatte.290 Quis est homo, qui non fleret? Der Arzt Guillaume de la Chambre und der ehemalige Gerichtsdiener Jean Massieu haben bezeugt, daß dem Erzengel, der am Anfang von Johannas denkwürdigem Weg stand, auch ihr letzter Gedanke galt.291 Massieu erwähnt eine auf den Henker zurückgehende Nachricht, nach der das Herz der Pucelle unversehrt und blutgefüllt die Verbrennung überstanden habe; er habe die Anweisung erhalten, es zusammen mit der Asche in die Seine zu werfen. Was immer von diesem Gerücht zu halten sein mag: das den Scheiterhaufen überdauernde Herz Johannas kann als ein Zeichen, ein Symbol gesehen werden für ihren unerschrockenen Mut, mit dem sie der geballten, eingebildeten Macht ihrer klerikalen Richter standhielt und sie blamierte. Der Ruf von Johannas Schlagfertigkeit hatte sich bei den Engländern bis auf SHAKESPEARE erhalten. Bei ihrer Gefangennahme läßt er den Herzog von York, Richard Plantagenet, sagen:292
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Seht, wie die garst'ge Hexe Runzeln zieht, Als wollte sie, wie Circe, mich verwandeln. Antwort der Pucelle: Dich kann Verwandlung häßlicher nicht machen. Wie bei vielen anderen Beispielen, so übertrifft auch im Falle von Johannas Schlagfertigkeit die geschichtliche Wirklichkeit bei weitem die dichterische Fiktion. Schon zu Beginn des Prozesses, vermutlich am 22. Februar 1431, stellt der gelehrte Minorit Jacques de Touraine der Angeklagten die Frage, ob sie sich jemals an einem Ort befunden habe, wo Engländer getötet wurden. Es ist eine arglistige Fangfrage des frommen Franziskaners, in dessen Ordens- und Lebensregel Frieden und Gewaltlosigkeit festgeschrieben sind. Johanna antwortet:293 In Gottes Namen! Sicher bin ich da gewesen. Wie sanft Ihr sprecht! Warum zogen sie auch nicht aus Frankreich ab und gingen in ihre Heimat? Der Arzt und Priester Jean Tiphaine, der bei der betreffenden Sitzung anwesend war, hat die Szene, die das Protokoll nicht festgehalten hat, überliefert. Er empfand große Sympathie für Johanna, und ihre Antwort, die diesen späten Sohn des heiligen Franziskus als salbungsvollen Heuchler entlarvt, blieb in seinem Gedächtnis haften (bene recordatur!). Noch bemerkenswerter ist das, was dann in Tiphaines Aussage folgt: Und es war dort ein Großherr aus England, an dessen Namen er sich nicht mehr erinnert, der sagte, als er das vernommen hatte: „Das ist wirklich eine gute Frau. Wäre sie doch nur Engländerin!" Und er sagte das zu dem hier sprechenden Zeugen und dem Magister Guillaume Desjardins. Der Zeuge sagte weiter, daß es keinen so bedeutenden und scharfsinnigen Doktor gibt, der, wenn er durch so große Herren und unter solchen Umständen, wie es bei Johanna der Fall war, befragt worden wäre, nicht sehr verlegen und mutlos geworden wäre. Johanna zeigt sich dem theologischen und juristischen Imponiergehabe der geistlichen Richter gegenüber niemals verlegen, obzwar sie nicht selten gezielten Fragen ausweicht. Das setzt aber voraus, daß sie deren intriganten und beinstellenden Charakter durchschaut. Auf die Frage, ob die Stimme, von der sie Rat erbitte, Augen habe, antwortet sie:294 Darauf werdet Ihr noch keine Antwort bekommen. Es gibt einen Spruch der kleinen Kinder, daß man die Leute manchmal dafür aufhängt, daß sie die Wahrheit sagen. Weithin bekannt und oft zitiert ist die Antwort, die sie auf die Frage gibt, ob sie wisse, daß sie in der Gnade Gottes sei:295
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Jeanne d'Arc Wenn ich nicht darin bin, dann möge mich Gott hineinversetzen; und wenn ich darin bin, dann wolle Gott mich darin erhalten.
In der Sitzung vom 1. März 1431 fragt Cauchon sie, ob Sankt Michael, als er ihr erschien, nackt gewesen sei.296 Im Kontext des Verhörs geht es darum, herauszubekommen, in welchem Maße Jeanne von dämonischen Kräften beeinflußt ist. Es ist dann klar, worauf die Frage zielt: Ist der Engel nackt, dann muß es wohl der Teufel sein. Die entwaffnende Antwort lautet: Meint Ihr, unser Herr hätte nichts, um ihm anzuziehen? Ihren Humor und ihre Liebenswürdigkeit verliert Johanna selbst in bedrükkenden Situationen nicht. Als sich einmal herausstellt, daß ihre Erinnerung an eine früher gemachte Aussage besser ist als die des Notars Boisguillaume (habebat mirabilem memoriam: „sie hatte ein erstaunliches Gedächtnis"!), droht sie ihm, beim nächsten Lapsus werde sie ihn am Ohr ziehen.297 JEAN ANOUILH hat, wie wir gesehen haben, das wahre Ende von Johannas Geschichte nicht auf dem Scheiterhaufen von Rouen, sondern „im Glänze ihres Ruhms zu Reims" gesehen. Wenn wir aber die wirkliche Geschichte der Pucelle, wie sie sich in den Prozeßakten darstellt, betrachten, dann scheint ihr Ende in einem höheren Sinn dort zu sein, wo sich Johannas menschlicher Charakter zeigte und bewährte und wo sie Zeugnis gab von den jenseitigen Geistern, in deren Gemeinschaft zu leben sie fest überzeugt war.
„Nullität" und „Rehabilitation" Man kann die Frage stellen, ob Johannas Gegner an das, was sie sagten und unternahmen, auch glaubten. Da bei ihnen allen, besonders mit Rücksicht auf den Kontext der Zeit, in der sie lebten, politische und religiöse Motive ineinander verwoben waren, ist die Frage nicht ganz einfach zu beantworten. Natürlich waren die politischen Protagonisten beider Seiten davon überzeugt, daß Gott auf ihrer Seite stünde. Inwieweit Leute wie die Herzöge von Bedford und Burgund persönlich gläubige Christen waren, entzieht sich der historischen Nachprüfbarkeit. In einem Brief vom 23. Mai 1430, in dem Herzog Philipp den Einwohnern von Saint-Quentin die Gefangennahme derjenigen, „die sie die Pucelle nennen, mit mehreren ihrer Hauptleute" mitteilt, schreibt er diesen Erfolg der Gnade des Schöpfers zu; er erhofft sich davon eine Widerlegung des Irrtums und verrückten Glaubens der Anhänger der Pucelle; er fordert die Adressaten zu Dank und Lob gegenüber dem Schöpfer auf und empfiehlt sie dem Schutz des Heiligen Geistes.298 Wohlmeinende Historiker unterstellen auch den geistlichen Richtern Jeannes und den übrigen am Prozeß von Rouen beteiligten Klerikern nicht nur strenge Rechtlichkeit und pflichtbewußtes Handeln, sondern auch eine vom Glauben geleitete Handlungsweise. Sehr weit in diese Richtung geht et-
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wa FRANÇOIS NEVEUX in seiner Biographie Pierre Cauchons. 2 " Daß Glaubensrichter und Inquisitoren sich selbst als Verteidiger des wahren Glaubens hinstellen, ist nichts Besonderes. Wie viele Ketzerprozesse des Mittelalters und der Neuzeit zeigen, muß man ihnen die behauptete Reinheit und Sachbezogenheit ihrer Motive aber nicht unbedingt abnehmen. Der Fall Jeanne d'Arc gibt, entgegen anders lautenden Darstellungen, gerade in den „neutralen" Texten seiner Gerichtsprotokolle deutliche und decouvrierende Beispiele für die Ungerechtigkeit, Falschheit, Hinterlist, Unlauterkeit und Feigheit der in ihm als Richter im engen und weiteren Sinne agierenden Personen. Bei dem feierlichen Akt am 24. Mai 1431 auf dem Kirchhof von SaintOuen, der mit Jeannes Abschwörung enden sollte, hielt der „hervorragende Mann" Guillaume Érard, Magister und Doktor der heiligen Theologie, dem versammelten Volk zur Erbauung eine Predigt über das Thema: „Der Zweig kann aus sich selbst keine Frucht bringen, wenn er nicht am Weinstock bleibt" (Joh 15,4). Der wahre Weinstock ist in dieser Auslegung natürlich (entgegen der ursprünglichen Intention des Textes!) die heilige Mutter Kirche, in deren Obhut alle Katholiken bleiben müssen; Johanna dagegen hat sich durch ihre zahlreichen Irrtümer und schweren Verbrechen von der Einheit der Kirche getrennt.300 Zu einer nicht weniger heuchlerischen, den biblischen Text manipulierenden Predigt (über 1 Cor 12,26: „Wenn ein Glied leidet, leiden die anderen Glieder mit") verstieg sich der ebenfalls hochangesehene Pariser Theologe Nicolas Midi am 30. Mai, kurz vor der Urteilsverkündung. Der Text des Urteils selbst übergibt Johanna dann als „faules Glied", „das vom Leib der Kirche abgeschnitten werden muß", der „weltlichen Macht" und damit dem Scheiterhaufen.301 Der oberste Glaubenshüter Frankreichs, der Generalinquisitor Jean Graverend, der dem Prozeß ferngeblieben war, hielt am 4. Juli 1431 anläßlich einer Prozession in Paris eine Predigt, in der er über Jeanne nicht nur Lügen und Verleumdungen verbreitete, - obwohl ihm der Verlauf des Prozesses genau bekannt war, - sondern auch die der Pucelle erschienenen Heiligen als eine dreifache Erscheinung des Bösen, eine Art teuflischer Trinität, hinstellte.302 Merkwürdigerweise wurde der vom Leib der Kirche abgetrennten, als unbußfertige Ketzerin und Hexe verurteilten Jeanne, mit Erlaubnis ihres Richters Pierre Cauchon, vor ihrer Verbrennung die (während des Prozesses beharrlich verweigerte) Möglichkeit zur Beicht gegeben und die Eucharistie gereicht.303 Nach allgemeinem christlichem Verständnis ist die eucharistische Kommunion Zeichen und Unterpfand der Einheit mit dem Leib Christi. Was sich auf den ersten Blick als ein Erweis letzter Barmherzigkeit oder doch wenigstens als „pastorale" Geste des kirchlichen Richters gegenüber der Verurteilten darstellen könnte, erweist sich bei näherem Zusehen als Indiz für dessen Zynismus und distanzierten Umgang mit dem sakramentalen Kult. Denn wäre er tatsächlich überzeugt gewesen, daß Johanna ein Werkzeug Satans war, dann hätte er ihr konsequenterweise die Kommunion verweigern müssen.304
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Im Verlauf der Ermittlungen des Nullitätsprozesses stellte sich heraus, daß viele Menschen aus dem Lager ihrer Gegner, darunter sogar Engländer, für Johanna große Sympathie empfunden, den ihr gemachten Prozeß für unrechtmäßig gehalten hatten. Nach verbreiteter Meinung fanden die Hauptverantwortlichen für den Tod der Pucelle das ihnen gemäße Ende. Nach Aussage des Notars Colles-Boisguillaume wurde der Promotor Guillaume d'Estivet, der Johanna als „Hure" und „Miststück" (ordure) beschimpft hatte, tot in einem Taubenhaus (das heißt, einer „Mistfabrik") in der Nähe von Rouen gefunden; den Bischof Pierre Cauchon ereilte ein jäher Tod, als er sich den Bart scheren ließ; der Theologe Nicolas Midi starb an der Lepra.305 Der Theologe Nicolas Loiseleur, der im Prozeß eine besonders unrühmliche Rolle gespielt hatte, kletterte auf den Henkerskarren und bat Jeanne um Verzei1
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hung. Der Nullitätsprozeß, der am 7. Juli 1456 mit der Urteilsverkündung im erzbischöflichen Palais von Rouen endete, war zweifellos, ebenso wie der Verdammungsprozeß fünfundzwanzig Jahre davor, ein „politischer" Prozeß; er war nur möglich, nachdem Karl VII. sich endgültig militärisch und politisch durchgesetzt hatte. Die Richter, der Erzbischof-Herzog Jean Juvénal des Ursins von Reims, die Bischöfe Guillaume Chartier von Paris und Richard Olivier von Coutances, sowie Jean Bréhal, einer der beiden Inquisitoren für das Königreich Frankreich, standen auf der Seite des siegreichen Königs. Aber das Tribunal fungierte im Namen und Auftrag des Papstes Calixt III. Borgia (1455-1458). Kläger waren von Anfang an Jeannes Mutter Isabelle und ihre beiden Brüder Pierre und Jean d'Arc (der letztere war inzwischen Kommandant von Vaucouleurs geworden). Die vorausgegangene, über vier Jahre sich erstreckende Untersuchung und Befragung aller noch lebenden Zeugen war mit großer Sorgfalt vorgenommen worden. Natürlich sind deren Erinnerungen teilweise lückenhaft und in Einzelheiten widersprüchlich, ihre Aussagen subjektiv und manchmal emotionsgeladen. Aber zu behaupten, der Nullitätsprozeß sei im Grunde von gleicher Qualität wie der Verurteilungsprozeß von Rouen, zeugt doch von einer Fehleinschätzung der Fakten.307 Im Tenor des Urteils werden der Prozeß gegen Johanna und die beiden in ihm verkündeten Urteile (sententiae lapsus et relapsus) für null und nichtig, unwirksam und ungültig erklärt. Außerdem wird ausdrücklich die Rehabilitation (expurgatio) Johannas erklärt, ebenso die Freiheit ihrer Verwandten von schlechtem Ruf (infamia) und jeglichem Makel (macula).308 Das Urteil von 1456 stellt also rein formalrechtlich die Nullität des Prozesses und der Verurteilung Johannas fest und rehabilitiert sie im juristischen Sinne. Uber den Gegenstand des Prozesses, die der Pucelle seinerzeit zur Last gelegten Vergehen, ihre Visionen und Offenbarungen, wird mit Absicht nichts ge_ 309 sagt. Im Jahre 1869, während des Pontifikates Pius' IX., unternahm der damalige Bischof von Orléans, Félix Dupanloup (er ist unter anderem bekannt als Beichtvater Talleyrands und entschiedener Gegner des Dogmas von der
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päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Ersten Vatikanischen Konzil), erste Schritte zu einer Beatifikation (Seligsprechung) Johannas.310 Die Bemühungen Dupanloups und seiner Nachfolger führten vierzig Jahre später, am 11. April 1909, zur Beatifikation durch den Papst Pius X.311 Am 16. Mai 1920 erfolgte die Heiligsprechung durch Benedikt XV.312 In den entsprechenden Dokumenten wird die göttliche Sendung Jeannes anerkannt, ihre Stimmen werden, im Unterschied zu der in dem Urteil des spätmittelalterlichen Nullitätsprozesses gewahrten Zurückhaltung, eindeutig als Manifestationen transzendenter Mächte gewertet, ohne daß jedoch eine theologische Erörterung der Verbindlichkeit solcher Offenbarungen stattfindet. Die neuere katholische Fundamentaltheologie und Dogmatik pflegt für derartige Fälle beruhigend festzustellen, daß es sich um „Privatoffenbarungen", ohne verbindlichen Charakter für die Gesamtchristenheit, handele. Bemerkenswert ist ferner, daß sowohl in dem Beatifikations- wie in dem Kanonisationsdekret die Tatsache vertuscht wird, daß es sich bei dem Verfahren gegen Johanna um einen Glaubensprozeß handelte, der von einem kirchlichen Tribunal geführt wurde. Deshalb ist die Frage naheliegend, was denn Päpste wie Pius IX. und Pius X. und ihre Glaubensbehörde, das Heilige Offizium, mit einer Frau gemacht hätten, die ihre eigenen Offenbarungen und ihr Gespräch mit den himmlischen Mächten höher gestellt hätte als die kirchlich verordneten Lehrmeinungen und Sprachregelungen.
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Der Stand der Jungfräulichkeit und das große Gut der Ehe Die religiösen und kulturellen Veränderungen, welche die Reformation des 16. Jahrhunderts mit sich brachte, bedeuteten für die Gesellschaft Westeuropas, wie es der Schweizer Dichter CONRAD FERDINAND MEYER ausgedrückt hat, einen „ungeheuern Bruch". 1 Er trat vor allem in den Städten Süddeutschlands und der Schweiz deutlich zu Tage, in denen im Spätmittelalter ein reiches, selbstbewußtes Bürgertum entstanden war. Schon wenige Jahre, nachdem Martin Luther zum Angriff gegen den Papst und seine Lehre aufgerufen und ihn zum Antichristen erklärt hatte, hatte sich die Einwohnerschaft vieler Städte in zwei annähernd gleich starke Parteien gespalten, die sich erbittert bekämpften. Die Auseinandersetzungen zwischen „Altgläubigen" und „Neugläubigen" nahmen nicht selten bürgerkriegsartige Formen an. An Kompromisse oder gar gegenseitige Toleranz war damals noch nicht zu denken. Die religiöse Toleranz, die sich im Zeitalter der Aufklärung, ab dem Ende des 17. Jahrhunderts, in Europa durchsetzte, ist erst eine Folge mörderischer Religionskriege und im Namen der Religion verübter Justizverbrechen. Der gewaltige Einbruch der Reformation wurde bereits von nicht wenigen der damaligen aufmerksamen Zeitgenossen als solcher wahrgenommen, und einige von ihnen haben ihn in detailgetreuen Chroniken dokumentiert und analysiert. In Zürich war es der Ratsherr Gerold Edlibach (1454-1530), der die entscheidenden Ereignisse der von Huldrych Zwingli initiierten Reformation in den Jahren 1520-1526 aufgezeichnet hat.2 Für Genf, das für die Geschichte des Protestantismus eine noch größere Bedeutung erlangen sollte als Zürich, gibt es mehrere Chroniken über die Jahre des religiösen und politischen Umbruchs. Die wohl bekannteste ist die des evangelischen Predigers Antoine Fromment, der jedoch erst im Dezember 1532 nach Genf kam und somit die Anfänge der Reformation in der Stadt nicht mehr als Augenzeuge erlebte.3 Anders verhält es sich mit der adeligen Klarissen-Nonne Jeanne de Jussie (1503-1561), der Tochter eines in der Nähe von Genf ansässigen Landadeligen, die 1521 im Alter von achtzehn Jahren in das Kloster Sainte-Claire, das einzige Frauenkloster von Genf, eingetreten war. Davor hatte sie die städtische Mädchenschule besucht und diente dem Kloster nach ihrem Eintritt als Schreiberin. Ihre „Petite Chronique" umfaßt, abgesehen von einigen Exkursen, die Jahre 1526-1535." Die von der Verfasserin in franziskanischer Bescheidenheit als „klein" bezeichnete Chronik ist eine der wertvollsten Quel-
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len für die Auseinandersetzungen zwischen den Altgläubigen - von Jeanne meistens „gute Christen" genannt - und den Anhängern der neuen Lehren, die man in Genf ebenso wie in Zürich und anderswo „Lutheraner" nannte, bis zum endgültigen Sieg der Reformation in Genf. Die eigentliche religions- und kulturgeschichtliche Bedeutung der Chronik der Jeanne de Jussie liegt aber wohl darin, daß sich in ihr, gewissermaßen exemplarisch, das Aufeinandertreffen der neuen, vom Humanismus geprägten Theologie und der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit spiegelt.5 Die Strömungen innerhalb der Volksreligion des Mittelalters hatten die Tendenz, sich der Regulierung durch die offiziellen Organe der Kirche und die „hohe" Theologie zu entziehen: es wohnten ihnen durchaus subversive Elemente und ein starkes kirchenkritisches Potential inne, ob sie nun innerhalb der katholischen Großkirche verblieben oder den Weg der „Häresie" gingen. Das gilt schon für die von den Asketen und Wandermönchen des 11. und 12. Jahrhunderts initiierten religiösen Bewegungen, dann für die am Ideal der vita evangelica orientierten Gemeinschaften des 12. und 13. Jahrhunderts, das Franziskanertum in seinen divergierenden Richtungen, schließlich die verschiedenen Strömungen spätmittelalterlicher Frömmigkeit, wie Mystik, Beginentum, Häresie des freien Geistes. Sie alle verdanken ihre Entstehung zum guten Teil der Tatsache, daß die mittelalterliche Papst-Kirche das religiöse Leben breiter Volksschichten nicht mehr befriedigen konnte.6 Gleichwohl geriet die mittelalterliche Volksreligion ihrerseits in das Blickfeld der Kritik und verfiel dem Verdikt des „Aberglaubens", als mit Humanismus und Renaissance ein neues religiöses Bewußtsein heraufdämmerte. Es war vor allem Erasmus von Rotterdam, der die seiner Meinung nach abergläubischen Äußerungen der Volksfrömmigkeit, wie Heiligen- und Bilderkult, Reliquien- und Wallfahrtswesen, ebenso mit seinem beißenden Spott überzog wie die in Worthülsen erstarrte scholastische Theologie und das an Zeremonien und äußerlichen Vorschriften klebende Mönchtum seiner Zeit. Ohne die Kritik des Erasmus, wie sie vor allem in seinem „Handbuch des christlichen Ritters" (Enchiridion militis christiani), das erstmals 1503 veröffentlicht und 1518 erneut herausgebracht wurde, und dem „Lob der Dummheit" (Encomium Moriae), dessen erste Ausgabe 1511 erschien, ausgesprochen ist, wäre der reformatorische Kampf gegen die Kultformen der mittelalterlichen Kirche und das religiöse Volksbrauchtum kaum vorstellbar.7 Für die durch den erasmianischen Humanismus stark geprägten oberdeutschen und schweizerischen Reformatoren, wie Huldrych Zwingli, Martin Bucer, Johann Oekolampad, Guillaume Farei und Jean Calvin, war das „Lob der Dummheit" so etwas wie ein grundlegendes Handbuch, eine zentrale Programmschrift.8 Die von Erasmus immer wieder beschworene Forderung eines rein geistigen Kultus nach Joh 4,24 („Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn in Geist und Wahrheit anbeten") wird für den Bereich der Zwinglischen Reformation eines der grundlegenden biblischen Argumente gegen Bilder und Wallfahrten, aber darüber hinaus gegen das Zentrum des
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mittelalterlichen Kultes, die Messe, und deren zentralen Teil, den Canon Missae. Die ersten, die sich in Genf schon um die Mitte der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts den neuen Lehren zuwandten, waren Angehörige der reichen Bürgerschicht. Sie waren beeinflußt von Ideen Zwinglischer Prägung. Eng damit verbunden war das politische Ziel, die Stadt von der Oberherrschaft des Herzogs von Savoyen und des Fürstbischofs zu befreien. Zu diesem Zweck suchten sie das Bündnis (combourgeoisie) mit den bereits mächtigen und weitgehend selbständigen Städten Bern und Fribourg. Die ebenfalls der vornehmen Kaufmannsschicht angehörenden Anhänger des Herzogs von Savoyen, von ihren Gegnern „Mameluken" (Mamelucz) genannt, wurden nach und nach aus der Stadt vertrieben. Jeanne de Jussie hat den ersten spektakulären Auszug von 52 vornehmen Bürgern aus Genf im Jahre 1526 geschildert.9 Auch über die tiefgreifenden religiösen und gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in der Stadt bis zum Jahre 1535 vollzogen, hat sie als überaus neugierige und aufmerksame Beobachterin Buch geführt. Da sie eine treue Anhängerin des alten Glaubens ist, sieht sie die neuen Lehren als schädliche Absurditäten und deren Anhänger als „Häretiker", „Abtrünnige" und „treulose Hunde" an. Zugleich ist sie, wie der gesamte Konvent, der in der Mehrzahl aus Damen adeliger und großbürgerlicher Herkunft besteht, Parteigängerin des Herzogs von Savoyen. Der sich in der Stadt allmählich durchsetzende neue Glaube stellt sich für die Schwestern zugleich als Abfall von den legitimen fürstlichen Landesherren dar: dem Bischof Pierre de la Baume und dem Herzog Charles III. von Savoyen. Das Genfer Klarissen-Kloster lag in unmittelbarer Nähe der Kathedrale Saint-Pierre, angrenzend an den Bourg-de-Four genannten Platz, einen der damals wie heute - belebtesten Punkte der Stadt. Heute steht an der Stelle des Klosters der Palais de Justice, das Gerichtsgebäude. Er ist auf den mächtigen Fundamenten des Klosters erbaut und läßt mit seinen beiden Innenhöfen noch in etwa dessen Grundriß erkennen. Das Kloster Sainte-Claire war 1473 durch Yolande, die Witwe des Herzogs Amadeus IX. von Savoyen, die Tochter des Königs Karl VII. von Frankreich und Schwester Ludwigs XI. gegründet worden, die zwei Jahre davor schon den Klarissen-Konvent von Chambéry ins Leben gerufen hatte.10 Zur Zeit Jeannes de Jussie amtierte die damals schon betagte und kränkliche Loyse Rambo als fünfte Äbtissin des Klosters. Tatsächliche Leiterin des Konvents war aber die überaus energische und kluge Vikarin Pernette de Montluel de Châteaufort. Ihrem mächtigen Einfluß war es vor allem zu verdanken, daß die Gemeinschaft der Schwestern zusammenblieb und jedem Versuch der städtischen Behörden, sie „zur Wahrheit des Evangeliums und zum großen Gut der Ehe" zu bekehren, erbitterten Widerstand entgegensetzte. Als die Schwestern am 30. August 1535 Genf verließen, um sich ins Exil nach Annecy zu begeben, hatte sich von den insgesamt 24 Nonnen nur eine einzige zum Übertritt zu dem „lutherischen"
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Glauben bewegen lassen. Der Abfall dieser „armen Abtrünnigen", Blaisine Varembert, und dessen nähere Umstände nehmen in der Chronik einen großen Raum ein und sind wohl in der Sicht der Verfasserin das Hauptereignis dieser bewegten Jahre. Aber der Blick Jeannes ist durch die Klostermauern, hinter denen sie mit ihren Gefährtinnen lebenslänglich eingeschlossen ist, weniger eingeengt, als man es aus heutiger Sicht annehmen könnte. Die Nonnen hatten zwei beständig fließende Informationsquellen, durch die sie nicht nur über die Ereignisse in der Stadt, sondern auch über die großen politischen Bewegungen in Europa auf dem Laufenden gehalten wurden: Das waren einmal ihre Beichtväter aus dem reformierten Franziskanerorden, von denen es immer mindestens zwei im Kloster gab. Im Gegensatz zu den Nonnen konnten sie sich frei bewegen und standen in lebhafter Verbindung mit anderen FranziskanerKonventen, aber auch mit den Höfen kirchlicher und weltlicher Großherren. Zu ihnen kamen dann noch zwei oder drei Laienbrüder oder Konversen, die für Botengänge, Besorgungen, Einkäufe und vieles andere zuständig waren. Wie unschätzbar ihre Dienste waren, zeigt sich am Beispiel des von Jeanne mehrfach erwähnten Nicolas des Arnox. Sodann kamen zahlreiche Bürger von Genf und aus der Umgebung, vor allem aber die frommen Frauen der Stadt, um den Nonnen ihre Anliegen vorzutragen und sich in das Chorgebet und das Meßopfer einschließen zu lassen. Da diese Frauen nicht selten auch die nahen Verwandten der Schwestern waren, ist es ganz selbstverständlich, daß bei den Besuchen auch Neuigkeiten bis hin zu den intimsten Angelegenheiten der Familien ausgetauscht wurden. Das Sprechgitter innerhalb der Kirche und das Besuchszimmer, in dem sich ebenfalls ein Gitter und der Drehschalter befanden, waren die wichtigsten Nahtstellen der Kommunikation und Information - was übrigens in vielen Klarissen-Klöstern Italiens bis auf den heutigen Tag der Fall ist. Der Informationshorizont der „Kleinen Chronik" ist somit keineswegs durch die Klostermauern begrenzt, sondern umfaßt gewissermaßen vier konzentrische Kreise: Den äußersten Kreis bildet die Ebene der europäischen Politik; denn die Stadt Genf ist der neuralgische Punkt, an dem die Interessen der europäischen Großmächte Frankreich und Habsburg aufeinanderstoßen. Eine zweite Ebene ist bestimmt durch die divergierenden Interessen der Schweizer Kantone, die um diese Zeit ihre politische Selbständigkeit erringen. Unter ihnen ragt das mächtige Bern hervor, das im Jahre 1528 die Reformation angenommen hat und alsbald seine Herrschaft nach Süden auf Kosten des Herzogtums Savoyen ausdehnt. Den dritten Kreis bildet die Stadt Genf mit ihrem eng begrenzten Umland, in der die Fraktion der „Eidgenossen" (enguenotz) die städtische Freiheit auf dem Wege der engen Anlehnung an Bern zu erringen sucht. Und schließlich die kleine Welt des Klosters SainteClaire, das in dieser Zeit des Umbruchs auch für die Stadt insofern eine politische Bedeutung hatte, als es die letzte Insel des erbitterten Widerstands gegen die kirchlichen und politischen Neuerungen der Reformation war.
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Jeanne de Jussie
1. In der Zeit, über die Jeanne de Jussie schreibt, „regiert auf dem Heiligen Apostolischen Stuhl der Heilige Vater Papst Clemens der siebente dieses Namens." 11 Die Christenheit befindet sich im Kampf mit den Türken, die einen großen teil Ungarns erobert haben und bereits bis in die Nähe von Wien vorgerückt sind. Die Genfer Nonnen haben - zweifellos von ihren Beichtvätern vermittelte - Informationen über die kriegerischen Auseinandersetzungen in Ungarn. Jeanne teilt den Wortlaut eines angeblichen Briefes des Sultans Süleyman II. des Prächtigen (1494-1566) an den Papst mit. Bei dieser Gelegenheit gibt sie eine Schilderung über die in der Türkei herrschenden Gesetze und Sitten und insbesondere die Verhältnisse am Hofe des Großtürken. Sowohl der von Jeanne im Wortlaut wiedergegebene Brief und die Umstände seiner Überreichung im Vatikan - der den Brief überbringende Botschafter in königlichem Rang erdolcht sich vor den Augen des Papstes, um seinen Gehorsam gegenüber dem Sultan zu demonstrieren! - als auch der Bericht über das Leben der Türken vermitteln einen guten Eindruck von den Gerüchten und Angstträumen, die damals, angesichts der vor Wien liegenden Bedrohung, in der westlichen Christenheit verbreitet waren.12 Jeanne hat auch Kenntnis von dem Treffen Clemens' VII. mit dem König Franz I. von Frankreich und dessen Familie im Herbst 1533 in Marseille, bei dem die Heirat zwischen dem zweiten Sohn des Königs, Heinrich von Orléans, und der Nichte des Papstes, Katharina von Medici, ausgehandelt wurde.13 Die Erwähnung der für die „Christen" - das heißt: der katholisch gebliebenen innerschweizerischen Kantone - siegreichen Schlacht im Oktober 1531 bei Kappel, in der Zwingli den Tod fand, nimmt Jeanne zum Anlaß, einen ausführlichen Exkurs über Luther und seine Häresie einzufügen, der mit den folgenden Sätzen beginnt:14 Der Fürst und große Häresiarch dieser fluchwürdigen Sekte war ein Ordensmann des heiligen Augustinus namens Martin Luther. Dieser, erfüllt von übler Gesinnung und großer Überheblichkeit, übergab im Jahre 1518 seinen Geist allen Bosheiten und Irrtümern in der Weise, daß er alle Häresien und Irrtümer, die es jemals seit dem Tode der Apostel gab, erneuerte und zu Basel drucken ließ. Dann ließ er sie ganz schnell fast über die gesamte Christenheit hin verbreiten, so daß sein pestbringendes Gift alle Reiche und Länder der Katholischen Kirche vergiftete. Und wenn die Könige und Fürsten nicht schwere Strafen gegen die Anhänger dieser verfluchten Sekte verhängt hätten, wären die durch das kostbare Blut unseres Herrn Jesus Christus erkauften Seelen in großer Gefahr der ewigen Verdammnis gewesen.
Das ist die ein wenig naive Vorstellung, die sich die Genfer Nonne vom Ursprung der Reformation macht. Vermutlich spiegelt sich darin der Einfluß ihres Beichtvaters Jean Gachi wieder, der schon im Jahre 1524 einen Traktat gegen Luther verfaßt und der sich auch als Gegner des Erasmus von Rotterdam einen Namen gemacht hatte.15 Durch die Tatsache, daß der Papst Leo X.
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Luther exkommuniziert hat und daß dessen Bild auf dem Campo di Fiori in Rom verbrannt wurde, steht für Jeanne die abgrundtiefe Verwerflichkeit des „treulosen Hundes" Luther fest. Andererseits konnte die Verbreitung der päpstlichen Bannbulle in ganz Europa nicht verhindern, daß die „teuflische Häresie" sich über Länder und Städte ausbreitete. Sie brachte Unruhen und Spaltungen, auch in der guten Stadt Genf, in der davor immer nur „angesehene Leute" (gens de bien) und „gute Katholiken" (bons catholiques) das Sagen hatten. 2. Die Stadt Genf ist für Jeanne de Jussie jedoch nicht die politische Heimat. Kühl erklärt sie dem Ratsherrn Claude Bernard, einem der angesehensten Bürger: „Ich bin nicht aus Eurer Stadt und will es auch nicht sein."16 Ihre familiäre und ihre politische Bindung - die Tatsache, daß sie Nonne ist, ändert daran nichts! - besteht zum Herzogtum Savoy en, seinem Adel und seinem Fürsten. In dem regierenden Herzog Charles III. von Savoyen sieht sie ihren legitimen Landesherrn: er ist über die ganze Chronik hin schlicht und einfach „Monseigneur". Der Herzog ist politisch eng an den Kaiser Karl V. gebunden. Familiäre Beziehungen bestehen aber zum königlichen Haus von Frankreich: die Königinmutter Louise ist die Schwester des Herzogs Charles und seines Vorgängers Philibert II. Franz I. ist also der Neffe des Herzogs von Savoyen. Es wäre schön, wenn alle christlichen Fürsten sich vertrügen. Doch besteht zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich ein profunder und unüberwindlicher Gegensatz. Die Interessen der beiden europäischen Großmächte überschneiden sich im schweizerisch-savoyardischen Grenzgebiet, und diese Tatsache ist letzlich die Ursache aller regionalen Auseinandersetzungen auf der Linie Bern-Fribourg-Lausanne-Genf-Chambéry. Versuche, die Gegensätze zu entschärfen und zu einem Ausgleich zu kommen, wie auf dem Tag von Payerne im Januar 1531 geschehen, sind nur kurzfristig wirksam, wie Jeanne selbst resignierend feststellt: „Mais il ne durât pas longuement, comment verre après, a cause de cieulx de genesue."17 Die Schuld an der Fortdauer der kriegerischen Auseinandersetzungen tragen in ihren Augen die Genfer! 3. Um ihre vollständige Unabhängigkeit von Savoyen zu erlangen, erneuern die Genfer im März 1526 ihr Bündnis mit Bern und Fribourg. Jeanne sieht darin einen Akt der Rebellion gegenüber dem Herzog und der Verachtung des Adels. Der Fürstbischof Pierre de la Baume gab damals noch seine Zustimmung zu dieser Allianz, mußte es aber bald bereuen. Schon am 1. August 1528, dem Patronatsfest der Kathedrale Saint-Pierre, sah er sich genötigt, Genf zu verlassen, und zog sich in seine Abtei Saint-Claude im Jura zurück. Die Genfer erneuerten im Februar 1531 ihre Eidgenossenschaft mit Bern und Fribourg und beschlossen, in gar keiner Weise dem Herzog von Savoyen Untertan zu sein. Die enge Anlehnung von Genf an die „deutschen Schweizer" (suisses allemang) hatte eine Änderung der Machtverhältnisse in der Stadt zur Folge. Schon 1526 hatten, wie bereits erwähnt, 52 vornehme Bürger, „reiche Kaufleute und Leute mit langer Robe", die Stadt verlassen. In den kommen-
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den Jahren berichtet die Chronistin noch öfter von der Flucht einzelner Bürger und größerer Gruppen aus Genf, so zum Jahr 1531 und zum August 1535, als viele mit dem Verlust des Konvents von Sainte-Claire „alles Gute und alles Licht" aus der Stadt entschwinden sahen. Der mächtige Einfluß der „Herren von Bern" und die emsige Tätigkeit evangelischer Prediger bringen in den Jahren 1532-1534 einen allmählichen Umschwung der Kräfteverhältnisse und der Stimmung in Genf zustande. Schon bei der Besetzung von Genf im Herbst 1530 hatten die Berner den „verfluchten Prädikanten Meister Guillaume Farei" zur Predigt in die Kathedrale geführt. Vier Tage davor hatten drei regierende Bürgermeister den Nonnen noch versichert, die Stadt wolle „auf gar keinen Fall lutherisch sein". Im Oktober 1532, kam Farei, zusammen mit zwei anderen französischen Predigern, Antoine Sonnier und Pierre Robert genannt Olivetanus, erneut nach Genf. Diesmal versammelte sich schon eine große Gemeinde in seiner Unterkunft, um seine Predigt zu hören. Farei wird darauf vor das versammelte Domkapitel geladen und durch den geistlichen Richter (Offizial) des Bistums, Guillaume de Vegio, verhört. Der Generalvikar des Bischofs, Aymé de Gingins, Abt der Cistercienserabtei Bonmont im Waadtland, weist ihn und seine beiden Gefährten aus der Stadt. Die damals noch mehrheitlich altgläubig gesinnte Bevölkerung hätte ihn, wenn wir Jeanne glauben dürfen, am liebsten in der Rhône ersäuft.18 Im Dezember des gleichen Jahres traf dann „ein anderer Prädikant französischer Nation" in Genf ein. Es handelt sich um niemand anderen als den bekannten Chronisten Antoine Fromment, dessen Namen Jeanne allerdings nicht nennt. Fromment predigte in einem großen Saal in der Nähe der Place du Molard, einem der drei großen Plätze unmittelbar am See. Von da an wächst die Zahl der von Jeanne als „Lutheraner" bezeichneten Evangelischen von Tag zu Tag rapide. Am 31. Dezember 1532 machen sie den Versuch, die Kirche der Madeleine zu okkupieren, was aber eben noch verhindert werden kann. Unter dem Eindruck des Tumultes beschließt der Rat am 2. Januar 1533, „sie wollten in keiner Weise, daß diese Sekte die Oberhand in ihrer Stadt bekäme, und sie wollten unbedingt, daß sie unterdrückt und ausgerottet würde und daß darüber keine Frage mehr unter der Bevölkerung wäre." Aber das Jahr 1533 wurde für Genf ein Jahr der Tumulte und bürgerkriegsnahen Unruhen. Mehrmals versammelten sich die beiden nun annähernd gleichstarken Parteien der Altgläubigen (Katholiken) und der Neugläubigen (Evangelischen), um ihre Bereitschaft zu einer größeren bewaffneten Auseinandersetzung zu demonstrieren. Es gab auch Tote. Am folgenreichsten war die Ermordung des aus Fribourg stammenden Domherrn Peter Werle am Sonntag Jubilate (4. Mai), die zu diplomatischen Auseinandersetzungen mit dem verbündeten Kanton führte. Nach Darstellung der Chronistin stellte der Rat der 200 - das nächst den Volksversammlungen größte Gremium - am 30. März
die S c h m ä h u n g
der Kirche und der Sakramente unter
Todesstrafe
durch Erhängen, ebenso das Singen von Spottliedern gegen das Altarssakra-
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ment; die Predigt ohne Erlaubnis des Bischofs oder seines Generalvikars wird verboten; ferner ist die Beherbergung eines häretischen Predigers unter Todesstrafe verboten; die gleiche Strafe sollen auch die Brecher des kirchlichen Abstinenzgebotes erleiden. Gegenseitige Beschimpfung soll mit Verbannung aus der Stadt geahndet werden. Vergleicht man das erhaltene Protokoll der betreffenden Ratssitzung mit der Darstellung Jeannes de Jussie, dann fällt auf, daß die wichtigste Genfer Volksvertretung damals schon nicht mehr eindeutig im Sinne der herkömmlichen katholischen Lehrauffassungen entschieden hat. Das Hauptinteresse des Rates der 200 galt vielmehr, wie schon in dem vorher erwähnten Fall des Predigers Antoine Fromment, der Aufrechterhaltung des (äußeren) Friedens unter den Parteien so lange, bis hinsichtlich der umstrittenen Glaubensangelegenheiten eine allgemein verbindliche Entscheidung getroffen wäre. Bis dahin sollte jeder nach seinem Gewissen(!) leben können. Auch ist in dem Ratsdekret von der Todesstrafe keine Rede. Es werden lediglich Geld- und Gefängnisstrafen und für den Fall einer Wiederholung des Vergehens die einjährige Verbannung aus der Stadt angedroht." Noch am gleichen Tag fand eine Prozession statt, an die auch die „Lutheraner" teilnahmen, so daß einige schon voreilig annahmen, nun sei das Ende der Häresie in Genf gekommen. Am 1. Juli 1533 kehrte der Bischof Pierre de la Baume, der sich seit fünf Jahren in der Stadt nicht mehr hatte blicken lassen, unter dem Geleitschutz der Freiburger nach Genf zurück. Am darauffolgenden Tag sucht er in einer gefühlvollen Predigt vor der Kathedrale die Bevölkerung wieder für sich zu gewinnen. Als er aber ein paar Tage später zehn führende „Lutheraner" verhaften läßt, muß er erkennen, daß er sich nicht mehr halten kann, und verläßt fluchtartig der Stadt. Für die Adventspredigten des Jahres 1533 hatte man den bedeutenden Dominikaner Guy Furbity, einen an der Pariser Sorbonne ausgebildeten Theologen, nach Genf kommen lassen. Seine dritte Predigt in der Kathedrale (am Dienstag, den 2. Dezember) wurde durch einen Zwischenrufer unterbrochen. Der Störenfried war keiner anderer als Antoine Fromment. Die städtischen Behörden verbannten darauf ihn und seinen Freund Alexandre Canus (Dumoulin, De Molendino), einen ehemaligen Dominikaner, für immer aus der Stadt. Beide kehrten jedoch bereits vierzehn Tage später, in der dritten Adventswoche, nach Genf zurück, und mit ihnen kamen Guillaume Farei und Pierre Viret, die sich von da an auf Dauer in Genf niederließen, um mit Unterstützung durch die Autorität der „Herren von Bern" die evangelische Sache in der Stadt durchzusetzen. Die Evangelischen hatten sich vorgenommen, die katholischen Feierlichkeiten des bevorstehenden Weihnachtsfestes zu verhindern. Denn nach ihrem (zwinglianisch geprägten) Verständnis war Weihnachten ein Feiertag ohne Erwähnung und Grundlage in der Bibel und gehörte deshalb abgeschafft.20 Aber schon bald verkündeten diese Bösewichter lauthals, sie wollten die Kirchen ausplündern, und zwar so, daß man an Weihnachten keine Messe und keinen an-
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deren Gottesdienst mehr in irgendeiner Kirche feiern könne. Aber Gott gab den Christen so guten Mut, daß sie sie noch einmal zittern ließen, und trotz ihren Drohungen hatte es seit Menschengedenken nicht mehr ein so hervorragendes und feierliches göttliches Offizium gegeben, wie es an diesem Tag in Saint-Pierre und allen Kirchen und Konventen gefeiert wurde. Und viele Leute beichteten und kommunizierten sowohl in den Pfarreien wie in den Konventen der Mendikanten in großer Andacht.
Trotzdem brachte dieses Weihnachtsfest die Wende in Genf. Die Bürgermeister waren auf die Seite der „Häretiker" getreten. Am Neujahrstag 1534 wurde der Prediger Furbity verhaftet, hauptsächlich wegen Beleidigung der Obrigkeit von Bern. Er wurde über zwei Jahre, bis zum April 1536, im Gefängnis festgehalten.21 Die treuesten Anhänger des Fürstbischofs wurden, zumeist wegen angeblichen Verrats an der Freiheit der Stadt, auf spektakuläre und grausame Weise öffentlich hingerichtet. Der erste war Claude Pennet, der Aufseher über die bischöflichen Kerker, der am 5. Februar enthauptet wurde.22 Am 10. März folgte der Sekretär des Bischofs, Jean Portery.23 Am 14. August wurde ein reicher Kaufmann namens Jacques Malbosson, der einer der alten, angesehenen Genfer Familien angehörte, verhaftet. Der Prozeß gegen ihn zog sich fast über ein Jahr hin. Am 17. Juli wurde er mitten in der Stadt, auf der Place du Molard, enthauptet und gevierteilt; sein Kopf wurde, zur allgemeinen Abschreckung, in Richtung auf den See aufgespießt. Uber Malbossons Gang zum Richtplatz und seine letzten Worte überliefert Jeanne einen bewegten Bericht.24 Und sogleich wurde er geköpft, gevierteilt und aufgehängt, so wie es oben beschrieben ist. Darüber war jedermann betrübt und entsetzt: wie sie es hatten wagen können, eine solche Persönlichkeit umzubringen, ein Kind der Stadt, und das ohne hinreichenden Grund, sondern allein, weil er tapfer für den heiligen Glauben gekämpft hatte. Jedermann beklagte ihn, und selbst die Erbärmlichen, die ihn zu Tode bringen ließen, und der Bürgermeister, der das Urteil gegen ihn verkündete, weinte über ihn so bitterlich, daß man sich unter seinem Kinn die Hände hätte waschen können vor lauter Tränen.
Der Terror verfehlte nicht seine Wirkung: viele alteingesessene Bürger flohen aus der Stadt. Im Frühjahr 1534 konnten die Evangelischen ihre Predigten in das große Auditorium des Franziskaner-Konvents von Rive verlegen, einen der größten Räume der Stadt.25 Ein Jahr später, im April 1535 nahmen die beiden reformatorischen Prädikanten Farei und Viret mit Erlaubnis des Rates die in dem Kloster gelegenen Räume des Weihbischofs als Wohnung ein.26 Den aus Gap im Dauphiné stammenden Farei sieht Jeanne als den Hauptgegner des katholischen Glaubens an, weshalb sie ihn gelegentlich mit der Bezeichnung „Drecksack" (chétifz) und anderen wenig schmeichelhaften Attributen versieht. In der Tat ist die Durchsetzung des evangelischen Glaubens der reformiert-zwinglianischen (noch nicht calvinistischen!) Richtung in Genf innerhalb von eineinhalb Jahren vor allem diesem äußerst umtriebigen und fanatischen Mann zu verdanken.
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Inzwischen hatten sich auch einige von den Minoriten - es waren die sogenannten nicht-reformierten Franziskaner oder Konventualen - , die den Konvent von Rive innehatten, darunter der Guardian Jacques Bernard, dem neuen Glauben zugewandt. Bernard verfaßte fünf Thesen, über die in Rive vom 28. Mai 1535 an eine große Disputation veranstaltet werden sollte, um bezüglich des zukünftigen Glaubens der Stadt zu einer definitiven Entscheidung zu kommen. Die Disputation, deren Ergebnis wie bei allen ähnlichen „Glaubensgesprächen", die in diesen Jahren in süddeutschen und schweizerischen Städten stattfanden, von allem Anfang an feststand, dauerte bis zum 24. Juni.27 Am 8. August, der Oktav des Patronatsfestes der Kathedrale, wurde das Offizium des Domkapitels (aus Fromments Parallelbericht wissen wir, daß es die Vesper war) mit Geheul unterbrochen, das Chorgestühl und ein Großteil der Altarbilder demoliert.28 Damit war das Ende des katholischen Kultes gekommen. Noch eine Woche lang, bis Mariae Himmelfahrt (15. August), hielten die Beichtväter der Nonnen täglich ihre Messen in Sainte-Claire, die von zahlreichen Bürgern heimlich besucht wurden. Am 11. August untersagten die Behörden jegliches Glockengeläut; Offizium und Messe wurden verboten.29 4. Der „Konvent von Madame Sainte Claire" war erst relativ spät in die städtischen Auseinandersetzungen einbezogen worden. Erster Anlaß zu Eingriffen in das Klosterleben war der Umstand, daß Blaisine Varembert, die Tochter eines verstorbenen Wohltäters des Klosters, eine in der Stadt lebende Schwester namens Hemme Faulson hatte, die sich schon früh dem evangelischen Glauben zugewandt hatte. Hemme kam am 19. April 1534, einem Sonntag, an das Sprechgitter des Klosters.30 Und nach wenigen anständigen Worten konnte sie ihr Gift nicht mehr bei sich behalten, sondern wollte es in die Herzen der armen Nonnen spritzen, indem sie sagte, daß die Welt bis jetzt in Irrtum und in Idololatrie gewesen sei und daß unsere Vorfahren schlecht gelebt hätte und betrogen worden seien, den die geböte Gottes seien nicht wahrheitsgemäß ausgelegt worden.
Sie hat zu dieser Zeit noch keinen Erfolg, auch nicht bei ihrer Schwester, versucht aber von da an beharrlich, Blaisine aus dem Konvent herauszubringen, was ihr schließlich mit Hilfe der Behörden auch gelingt. Die Schilderung des Kampfes um Schwester Blaisine nimmt in der Chronik einen ganz großen Raum ein, und dies entspricht durchaus der Bedeutung, die Jeanne dem Austritt beimißt: es ist der spektakuläre Einzelfall einer Apostasie, auf dessen Hintergrund die Treue der anderen Schwestern zum „Stand der heiligen Jungfräulichkeit" und zum alten katholischen Glauben umso deutlicher hervortritt.31 Nachdem der „neue" Glauben sich in Genf durchgesetzt hat, ist auch ein Wandel in der religiösen und gesellschaftlichen Mentalität eingetreten. Die Nonnen von Sainte-Claire müssen die betrübliche Erfahrung machen, daß ihr Selbstverständnis und ihr gesamter Lebensinhalt in der städtischen Gesellschaft keinen Rückhalt mehr haben. Nach Ansicht der nunmehr mehrheitlich
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mit evangelisch gesinnten Mitgliedern besetzten Räte und Behörden ist das Dasein der Nonnen sinn- und nutzlos. Ihr ausschließlich dem Gebet gewidmetes Leben, gehalten durch die strenge Klausur und den „Stand" (estât) der Jungfräulichkeit und Keuschheit, ist überflüssig geworden. In der ersten evangelischen Predigt, zu deren Anhören die Behörden die Schwestern nach gewaltsamem Einbruch in die Klausur zwingen (am 4. Juli 1535), behandelt Guillaume Farei als Thema den Satz des Lukas-Evangeliums: „Maria machte sich auf und ging in das Bergland"(Lk 1,39). Anhand dieses Schriftwortes sucht er den Schwestern klarzumachen, daß Maria kein Einsiedlerleben führte, sondern um ihre Base Elisabeth besorgt war und ihr zu Hilfe kam; mit anderen Worten: dem hinter Klostermauern isolierten, rein kontemplativen Leben fehlt die biblische Begründung und Rechtfertigung.32 Es ist der „moderne", an der Priorität des aktiven Lebens und des gesellschaftlichen Nutzens orientierte Geist Huldrych Zwingiis, der sich hier gegenüber dem mittelalterlichen Lebens- und Weltverständnis artikuliert.33 Auch das von den Schwestern hochgehaltene Ideal der Keuschheit und Jungfräulichkeit ist unglaubwürdig geworden. Als Farei allerdings seine diesbezüglichen Zweifel äußert, gehen seine Worte im Protestgeschrei der Nonnen unter. Empört wendet er sich an deren Beichtvater und protestiert seinerseits gegen die Gefangenschaft, in der die „armen Blinden" gehalten werden, und den Betrug, den sie ausüben, indem sie den Menschen weismachen, sie führten in ihrer Klausur ein keusches Leben. Es ist das erklärte Ziel der Behörden und der Prediger, die für die Gesellschaft noch nützlichen jungen Nonnen von der Bevormundung durch die älteren und die Beichtväter zu
befreien und sie zur Wahrheit des Evangeliums und zum großen Gut der Ehe zugleich hinzuführen.34 In dem Aufgeben des unglaubwürdigen, heuchlerischen Nonnen-Daseins wird damit so etwas wie die Bewährung der Erkenntnis des Evangeliums gesehen. Als der Auszug der Schwestern aus der Stadt faktisch schon eine beschlossene Sache ist, sagt ihnen ein „Lutheraner" namens Claude Paffe - er ist in Wirklichkeit ein genuiner Zwinglianer! - , die Stadt könne nicht darauf verzichten, alle jungen Schwestern noch einmal einzeln auf die Probe zu stellen und ihnen den Weg der Wahrheit aufzuzeigen, denn es sei ein großer Schaden, wenn so viele schöne junge Mädchen ihre Jugend im Nichtstun ver-
lören, die doch in der Welt großen Nutzen bringen könnten Der Stand der gottgeweihten Jungfrauen ist in den Augen der Genfer Reformatoren schlichtweg wider die Natur.36 Schon der Bürgermeister, der die Schwestern zur Disputation von Rive lädt, hält ihnen vor:37 Ihr seid überhaupt nicht im Bilde über die Wahrheit. Gott hat nämlich nicht so viele Regeln angeordnet, wie die Menschen erfunden haben, um die Leute in die Irre zu führen, und unter dem Vorwand des Ordensstandes sind sie Diener des Großteufels. Und ihr wollt uns glauben machen, daß ihr keusch seid, was doch für die Natur unmöglich ist. Vielmehr seid ihr durch und durch verdorbene Frauen.
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Immer wieder werden die Schwestern darauf aufmerksam gemacht, daß ihrem Lebensideal die biblische Legitimation fehlt. Arme Damen, Ihr seid sehr verstockt und verblendet. Begreift Ihr nicht, daß Gott gesagt hat, sein Joch sei milde und angenehm? [Mt 11,30]. Und er sagt: Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und erschöpft seid, und ich will euch Erleichterung geben [Mt 11,28]; und er hat nicht gesagt, man solle sich hinter Gefängnismauern begeben und sich mit Bußübungen quälen, wie Ihr es tut.
Mit diesen Worten sucht Hemme Faulson den Konvent zum Leben nach dem Evangelium zu bekehren.38 In ähnlicher Weise unternimmt die Predigerin Claude Levet, eine Apothekersgattin, den Versuch, den Schwestern den „Stand der Jungfräulichkeit" madig zu machen: der „Stand der Ehe und Freiheit" hat seine biblische Begründung in der Tatsache, daß alle Apostel, sogar Johannes, Jakobus und Paulus, verheiratet waren. Paulus hat obendrein noch gesagt, es sei eine gute Sache, verheiratet zu sein (1 Kor 7,2f.). In den Augen der Nonnen ist die Frau, die derartiges behauptet, eine Lügnerin und leibhaftige Teufelin (grant menteresse et faulce diablesse incarnei), welche die Heilige Schrift in ihrem Sinn pervertiert. In den Kreisen der Reformatoren dagegen ist sie als heiliges, von Gott erleuchtetes Geschöpf (une sánete creature enlumyne du sol dieu) angesehen, das mit seinen Predigten und göttlichen Lehren die armen Unwissenden bekehrt.39 Am schärfsten konfrontiert der Berner Gesandte Anton Bischoff die Nonnen mit dem Widerspruch zwischen mönchischem und evangelischem Lebensideal. Das Streitgespräch zwischen ihm und der Äbtissin Louise Rambo und der Vikarin Pernette de Montluel de Châteaufort ist einer der dramatischsten und in theologischer Hinsicht bedeutendsten Dialoge der Chronik. Auf eindrückliche Weise stoßen hier zwei religiöse Erfahrungswelten und Mentalitäten aufeinander: die durch den reformatorischen Biblizismus geprägte neue Lebensauffassung und das in der traditionellen Vorstellungswelt der mittelalterlichen Kirche verwurzelte Ideal des klösterlichen Lebens.40 Danach wollte der Berner Ratsherr einiges über die Lebensweise des Ordens hören und sagte dann: „Alle diese Dinge sind nur Heuchelei, und man muß zur Einheit des Glaubens kommen!" „Das ist leicht gesagt", sagte Mutter Vikarin. „Was uns betrifft, so wollen wir keinerlei Neuerungen, sondern leben und sterben wie unsere Vorfahren." „Das ist leicht gesagt", antworteten sie, „aber die hatten niemanden, der ihnen die Wahrheit zeigte, und sie waren nicht erleuchtet, wie wir es sind." „Gewiß, meine Herren! Sie sind doch blind, aber nicht erleuchtet!" „Aber Ihr armen einfältigen Frauen, die Ihr unter dem Anschein, die Keuschheit zu bewahren, was für die Natur unmöglich ist, alle in Eurem Denken verdorben seid, wo findet Ihr denn, daß Gott so ein Leben geboten hat?" „Er hat es nicht geboten", sagten Mutter Äbtissin und Mutter Vikarin, „sondern er hat es uns durch sein Beispiel gezeigt." „Aber wieso haben sich denn Gott und seine Mutter nicht eingeschlossen gehalten, sondern sind predigend und lehrend durch die Welt gezogen, und haben auch
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nicht solche Kleider wie Ihr getragen? Warum tragt Ihr überhaupt solche einfach geschnittenen und gefärbten Kleider?" „Weil es uns gefällt", sagte Mutter Vikarin. „Und Sie, warum sind Sie so prächtig gekleidet mit diesem Anzug?" E r antwortete: „Das ist nicht aus Stolz, sondern zu meinem Vergnügen." „Und so mache ich es auch", sagte Mutter Vikarin, „denn diese Farbe gefällt mir besser als alle anderen, und ebenso gefällt mir der Schnitt, wie Ihnen der Ihrige. U n d deshalb, weil jeder seine Freiheit hat, behalten Sie die Ihrige und lassen Sie uns die unsrige, denn zu allen Dingen, die wir tun, sind wir in keiner Weise gezwungen, sondern eine jede ist freiwillig hier, ohne Zwang und Überredung. U n d wenn Sie uns nicht gestatten wollen, in Ihrer Stadt auf die gleiche Art zu leben wie unsere guten verstorbenen Mütter, dann erlauben Sie uns, zusammen und ohne Gefahr hinauszugehen!"
Es ist schon merkwürdig, wie sich hier auf einmal die Verhältnisse umkehren und die aus ihrer mittelalterlichen Tradition heraus argumentierenden Nonnen für eine Toleranz fast im modernen Sinne plädieren. Es ist jedoch das religiöse und politische Interesse der „Herren von Bern", zur Einheit des Glaubens zu kommen.41 Eine Gesellschaft, in der verschiedene Konfessionen unter Duldung der Glaubensüberzeugungen der anderen friedlich zusammenleben, ist zu dieser Zeit noch nicht vorstellbar. Religion und Kult sind keine Privatangelegenheit, sondern Staatssache: in Genf kann, wie in den deutschschweizerischen Stadtstaaten Zürich, Bern und Basel, für die die Einführung der Reformation auch ein Mittel zu ihrer politischen Unabhängigkeit wurde, nur ein Glaube geduldet werden. Bemerkenswert ist auch, wie in den Auseinandersetzungen der streitenden Parteien zu wiederholten Malen von dem „Erleuchtet sein" die Rede ist. Die Berner und Genfer Schüler Zwingiis teilen das schon im christlichen Humanismus verbreitete Geschichtsbild, nach dem das gesamte Mittelalter eine Periode der Dekadenz und geistigen Finsternis war. Deshalb kann der Gesandte von Bern den Schwestern, die sich auf die von ihren Vorgängerinnen überkommene Lebensweise berufen, entgegnen, diese hätten eben niemanden gehabt, der ihnen die Wahrheit zeigte, und sie seien noch nicht erleuchtet gewesen, „wie wir es sind". Für die Schwestern dagegen sind umgekehrt die Anhänger des neuen Glaubens blind und unerleuchtet. Das Bewußtsein, nach Jahrhunderten der Finsternis und des Aberglaubens zum Licht des wahren Evangeliums gelangt zu sein, haben die Genfer am Ende dieses ereignisreichen Jahres 1535 durch die Änderung ihrer bisherigen Devise: „Post tenebras spero lucem" (lob 17,12) - „Nach der Finsternis erhoffe ich das Licht" - , in das berühmte und einprägsame: „Post tenebras lux" - „Nach der Finsternis Licht" - zum Ausdruck gebracht.42 Die für den Stadtstaat bis heute gültige Devise entspricht dem Lebensgefühl und dem Geschichtsbild, das auch die großen reformierten Theologen Huldrych Zwingli, Martin Bucer und Johann Calvin teilten.43 Wie sehr diese Mentalität auch die theologisch weniger gebildeten Schichten - also die bisherigen Träger der Volksfrömmigkeit - erfaßt hatte, zeigen die Vorhaltungen, welche die ehemalige Äbtissin Marie Dentière aus Tournai den Nonnen von Sainte Claire macht:44
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Heh, Ihr armen Kreaturen! Wenn Ihr wüßtet, was für eine gute Sache es ist, bei einem hübschen Gatten zu sein, und wie angenehm es Gott gemacht hat! Ach, ich bin lange in dieser Finsternis und Heuchelei gewesen, in der Ihr noch seid! Aber der allein wahre Gott hat mich die Sinnlosigkeit meines schäbigen Lebens erkennen lassen, und ich bin zum hellen Licht der Wahrheit gelangt, in der Erwägung, daß ich beständig in einem bedrückten Zustand lebte; denn in diesen Orden gibt es ja nichts anderes als Scheinheiligkeit, geistige Verderbnis und Müßiggang. Deshalb habe ich ohne langen Verzug dem Klosterschatz etwa 500 Dukaten entnommen und mich aus diesem unglückseligen Dasein zurückgezogen, und durch die Gnade des allein wahren Gottes habe ich schon fünf schöne Kinder und lebe auf heilsame Art. Marie Dentière ist eine von drei namentlich genannten evangelischen Predigerinnen aus der Anfangszeit der Genfer Reformation. (Die beiden anderen sind die bereits erwähnten Hemme Faulson und Claudine Levet). Die ehemalige Äbtissin des berühmten Frauenklosters Notre-Dame des Prés-aux-Nonnains in Tournai (im heutigen Belgien) hatte zunächst Simon Robert geheiratet, von dem sie zwei Kinder hatte. Zur Zeit der hier berichteten Ereignisse war sie mit dem Genfer Reformator und Chronisten Antoine Fromment verheiratet.45 In den späteren Jahren, als der unduldsame, monolithische Geist Calvins die kirchliche Szene von Genf beherrschte, verschwanden diese Frauen aus der Öffentlichkeit. Was ihren religiösen Bildungsstand betrifft, so hatten sie eine durchaus beachtliche Bibelkenntnis, aus der heraus sie argumentieren und debattieren konnten, auch wenn sie, in den Augen der Nonnen, die Heilige Schrift pervertierten. Aber auch die Genfer Klarissen waren in theologischer Hinsicht alles andere als unbedarft, obzwar sie kein korrektes Latein sprechen konnten. Ihr Festhalten am alten Glauben entsprang keineswegs unkritischer Sturheit. Jeanne betont, daß die „alten Mütter" imstande waren, den Genfern beharrlich mit Argumenten aus der Heiligen Schrift die Stange zu halten. Das gilt vor allem für die Äbtissin Loyse Rambo und ihre energische Vikarin Pernette de Montluel.46 Die Mutter Äbtissin, die sich in der Heiligen Schrift gut auskannte, antwortete ihnen lebhaft... Von diesem Tag an verging kein einziger Tag, an dem nicht einer von ihrer Sekte kam, um die armen Nonnen auszukundschaften und zu bearbeiten, und nicht selten äußerten sie niederträchtige und abscheuliche Worte. Aber die Mutter Pförtnerin besaß Geschick und Augenmaß und ließ sich nicht auf lange Gespräche ein, sondern machte alsbald ihren Drehschalter zu. Und wenn die Notwendigkeit bestand zu antworten, dann ließ sie die Mutter Äbtissin und Mutter Vikarin kommen, und die Schwestern begaben sich zum Gebet. Und unser Herrgott gewährte, daß sie stets schlagkräftige Antworten gaben und in der Diskussion ihnen gegenüber die Oberhand behielten. Es ist wahr, daß sie Mutter Vikarin des öfteren das Gefängnis für Verbrecher androhten, und wir erwarteten, daß sie ihre Drohung wahr machten. Auf dem Höhepunkt einer erregten Diskussion mit Farei ist Pernette auch nicht durch das Gebot der eingeschüchterten Äbtissin und der ängstlichen
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Beichtväter und den Hinweis auf die Stelle aus dem Ersten Korintherbrief (14,34), w o der Apostel Paulus den Frauen das Schweigen in der Gemeinde gebietet, zu bremsen, obwohl man sie aus dem Raum entfernt hat:47 Aber Mutter Vikarin stand draußen vor der Tür und schwieg nicht, sondern kam bis auf die Höhe des Prädikanten und trommelte dann mit aller Kraft mit beiden Fäusten gegen die Wand und schrie: „Heh, dreckiger, verfluchter Schwätzer, Du verlierst Deine heuchlerischen Worte! Du wirst gar nichts erreichen! Ich bitte Euch, meine Schwestern, hört ihm nicht zu!" Der Leser der Chronik merkt, daß das Vorbild dieser charaktervollen Frau Jeanne de Jussie in entscheidender Weise geprägt hat. Dreizehn Jahre später (1548) sollte sie der bewunderten und verehrten Lehrerin in Annecy als Ä b tissin nachfolgen. Gegen massive Versuche, sie zum Austritt aus dem Kloster und zur Eheschließung zu bewegen, kann sich Jeanne auf ebenso energische und drastische Weise zur Wehr setzen wie die Vikarin. Als der Ratsherr Claude Bernard ihr mit anzüglichen Worten eine gute Partie anbietet, antwortet sie ihm:48 Ich habe auf alles freiwillig für Gott verzichtet, und wenn ich es noch einmal zu tun hätte, dann täte ich es, denn ich habe niemals nach einem Gatten Verlangen gehabt, sondern wollte mit meinem Gott vermählt sein. Ihm habe ich meine Treue geschenkt und schenke sie ihm weiterhin, und alle Gedanken meines Herzens. Und alle Besitztümer der Welt und auch die Folterqualen könnten mich nicht dazu veranlassen, den entgegengesetzten Weg einzuschlagen ... Ziehen Sie sich von mir zurück, denn Sie ersticken mich und drücken mir das Herz ab mit ihrem stinkenden Atem, und Sie bringen mit Ihrer Predigt an mich ebensoviel zustande, als wenn Sie Scheiße schlagen würden, um daraus Butter zu machen. Meine Gefährtinnen und ich wissen nicht, was Verdorbenheit ist. Entgegen vielfältigen schönfärberischen Darstellungen war die Einführung der Reformation in Genf mit Gewaltanwendung und Terror verbunden. Für den nach mittelalterlichen Vorstellungen unerhörten Einbruch in die Klausur eines Frauenklosters und die Entführung einer der Schwestern bringen die Bürgermeister den Nonnen gegenüber eine recht lahm anmutende Entschuldigung vor:49 Gewiß, liebe Damen, es tut uns sehr leid, Sie so betrübt und verzweifelt zu sehen, und es ist nicht mit unserem Einverständnis geschehen. Aber es sind die Stadtkinder, die sich von uns nicht regieren lassen. Und die Herren von Bern haben verfügt, daß wir alle in der Einheit des Glaubens und der Wahrheit des Evangeliums leben müssen. Ihr aber nehmt an dieser Einheit nicht teil, sondern haltet Euch hier eingeschlossen und verübt viel heuchlerisches Getue. Für Eure Schwester habt Verständnis, denn sie wurde nicht mit Gewalt ergriffen, sondern sie ging freiwillig mit! Denn ihre Schwester kam beständig und stellte Bittgesuche an die Stadt und legte dar, daß Ihr sie gegen ihren Willen eingesperrt hieltet. Und das
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Gleiche möchten wir auch für diejenigen tun, die zum klaren Licht der Wahrheit kommen möchten wie sie.
Doch es gibt in Genf zu dieser Zeit noch immer genügend Anhänger des alten Glaubens, welche die Sache ganz anders sehen: sie erwägen bei sich, daß die Stadt mit dem Weggang der Nonnen „all ihr Gut und ihr ganzes Licht" verliert und begeben sich ebenfalls ins Exil, aus dem es keine Wiederkehr gibt.50 Im Verständnis dieser Leute verschwindet mit den Nonnen die letzte für sie erfahrbare Nahtstelle zur jenseitigen Welt. Mit dem Ende des Totenkults ist die Fürsorge für die Seelen der Verstorbenen nicht mehr gesichert. Denn entsprechend dem reformatorischem Verständnis war den Genfern in der Disputation von Rive demonstriert worden:51 Es gebe kein Fegefeuer, und nach dem Tode dürfe man nicht für die Verstorbenen beten, denn beim Weggang aus dieser Welt würden sie gerichtet und für ewig entweder ins Paradies oder in die Hölle geschickt.
Dagegen erregt der bewegte Abschied der Klarissen von ihren auf dem Klosterfriedhof bestatteten Schwestern, „so als ob diese sprechen könnten", bei den Evangelischen blankes Entsetzen.52 Als die Nonnen dann nach einer für sie abenteuerlichen Reise in Annecy angekommen sind, ist eine der ersten Bitten, die an sie herangetragen werden, die des Vicomte François de Luxembourg: sie möchten sich in den Dominikaner-Konvent begeben, um dort die Vesper zu hören und Weihwasser auf die Gräber seiner Mutter und seiner Frau zu sprengen.53 In dem katholisch gebliebenen Herzogtum Savoyen erfahren die Klarissen nicht nur wieder die lange entbehrte gesellschaftliche Anerkennung durch die Adelsschicht des Landes, der sie fast alle entstammen, sondern ihr Dasein ist wieder nützlich geworden. Auch der für die mittelalterliche Volksreligion so wichtige erfahrbare Kontakt mit der jenseitigen Welt ist wieder hergestellt: als die Schwestern vor dem Gnadenbild „Notre-Dame la Lee" das „Salve Regina" singen, wird ein totgeborener Säugling für kurze Zeit wieder zum Leben erweckt, damit er noch die Taufe empfangen kann.54 Die „erleuchteten" Genfer hatten so etwas mittlerweile als Pfaffenschwindel und Volksbetrug entlarvt. (In der Tat gehören die über Jahrhunderte hin unternommenen Reisen mit totgeborenen Kindern nach Lausanne, Notre-Dame-de-Graces in Genf und Oberbüren bei Bern und die an diesen Orten praktizierten Methoden, den Säuglingen für wenige Augenblicke wieder „Leben" einzuhauchen, zu den dunkelsten und makabersten Kapiteln des mittelalterlichen Wallfahrtswesens).55 Im katholisch gebliebenen Milieu dagegen wurde das Wunder von der anwesenden „unzählbaren Volksmenge" als evidente Demonstration der Richtigkeit des alten Glaubens erfahren. Die Chronistin Jeanne de Jussie selbst hatte diese Erfahrung schon einige Tage davor an ihrem eigenen Leibe zu spüren bekommen, als sie in der Ka-
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pelle des Schlosses von Viry durch Küssen einer Reliquie des heiligen Romanus plötzlich von einer hartnäckigen Krankheit geheilt wurde.56 Für die Klarissen von Genf war die religiöse Welt wieder in Ordnung, sobald sie dem Herrschaftsbereich der Genfer Häretiker entronnen waren. Die Schwestern von Sainte-Claire sehen die Ereignisse der zehn letzten Jahre ihres Klosterlebens in der Stadt Genf nicht rein negativ, sondern sie geben ihren Leiden eine theologische Deutung. Diese Deutung ist von echt franziskanischem Geist geprägt. Die Leiden, die der Konvent erdulden muß, sind kein schicksalhaftes Unglück, sie sind vielmehr letztlich von Gott bewirkt. Der Gedanke der Strafe für begangene Sünden spielt dabei eine Rolle: Das Wirken der Häretiker, dieser Teufelsgesellen, die Menschengestalt angenommen haben, entspricht dem Heilsplan Gottes. Die Sünden der hohen Geistlichen und der Ordensleute, die ihre Gelübde brechen, indem sie sich zügellos an den kirchlichen Gütern bereichern, Frauen und Kinder unterhalten und Ehebruch treiben, haben den Zorn Gottes hervorgerufen. Die guten Ordensleute beiderlei Geschlechts haben zusammen mit den Schuldigen Anteil am geheimnisvollen Gericht Gottes: auch sie sind von den Strafen betroffen. Doch trägt dies letztlich zu ihrem Heil bei und vermehrt ihre Verdienste vor Gott.57 Die Chronistin äußert mehrfach die Überzeugung, daß Gott diejenigen, die ihm ehrlichen Herzens dienen und auf seine Güte vertrauen, nicht im Stich läßt.5S Auf wunderbare Weise sehen sich die Schwestern durch ihre Ordensgründerin Sankt Klara selbst beschützt, als allein in ihrer Kirche noch Messe und Offizium gefeiert werden können. Wie es die bildliche Darstellung der Heiligen mit dem Ciborium in den Händen zeigt, erweist sie sich als besondere Patronin des sakramentalen Kultes.59 Jeannes Beurteilung der Aktivitäten der Häretiker ist, wie nicht anders zu erwarten, einseitig und parteiisch, nicht selten auch stark polemisch - was allerdings auch für die entsprechenden Äußerungen ihres protestantischen Zeitgenossen Antoine Fromment in bezug auf die Katholiken gilt. Bei den Ketzern ist, allerdings nicht ohne den Willen Gottes, der Satan am Werk. Ja sie werden, wie Guillaume Farei, als leibhaftige Teufel gesehen, welche nicht, wie sie selbst meinen, das Evangelium, sondern die Botschaft des Antichristen verkünden. Das wiederum erlaubt es der Chronistin, ihnen gegenüber einen unvermittelten Haß loszuwerden, der in seiner Naivität und Ehrlichkeit nicht ganz unsympathisch ist. Besonderen Abscheu erregen bei ihr die Verwüstungen der heiligen Stätten und die zahlreichen Bilderzerstörungen, die das Auftreten der „Schweizer" Häretiker von Anfang an begleiten, dann aber auch von den „bösen Buben" von Genf willig übernommen werden. Zur Zerstörung des altehrwürdigen Kultes gehören auch die Hostienfrevel, die von der Autorin aufmerksam registriert werden: das Allerheiligste der mittelalterlichen Kirche ist zur „nyble", einem nichtsnutzigen Ding geworden, das man dem Vieh zum Fressen vorwirft. D e r heutige nachdenkliche L e s e r ist mit d e m Verteilen v o n L i c h t u n d F i n -
sternis, wenn es um die religiöse Wahrheit geht, vorsichtiger, als es die Zeitge-
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nossen und Teilnehmer der großen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts waren, einer Zeit, in der eine ganze geistige Welt aus den Fugen geriet. Auch der Religions- und Kulturhistoriker wird sich größte Zurückhaltung auferlegen, wenn aus der Betrachtung geschichtlicher Quellen und Dokumente eine Wertung, eine systematische Nutzanwendung oder gar die „Lehre fürs Leben" extrahiert werden soll. Dennoch ist Lektüre und Studium eines für das Verständnis des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit zentralen Textes wie der Genfer Chronik der Jeanne de Jussie, nicht nur im besten Sinne „nützlich" für die Erweiterung geschichtlicher Erkenntnis; vielmehr kann sich dem aufmerksamen Leser und Hörer - ob er nun seine geistige Heimat und Herkunft im reformierten Protestantismus oder im römischen Katholizismus oder einer anderen religiösen Tradition hat - ein tieferes Verständnis für die gewachsene Herkunft der disparaten geistigen und politischen Kräfte erschließen, welche die Welt von heute bewegen.
EPILOG
Einige unzeitgemäße Anmerkungen zur religiösen Erfahrung in der Neuzeit Religiöse Erfahrung in der Form transzentender Ereignisse und visionärer Offenbarungen war mit der Reformation keineswegs zuende. In den katholisch gebliebenen Ländern lebte sie im nachtridentinischen und im barocken Zeitalter fort. Der vielleicht bedeutendste männliche Visionär des 16. Jahrhunderts, wenigstens was die Wirkung auf Zeitgenossen und Nachwelt betrifft, war Ignatius von Loyola (1491-1556). In dem sogenannten „Bericht des Pilgers", den er gegen Ende seines Lebens dem portugiesischen Jesuiten Luis Gonçalves da Cámara diktierte,1 hat Ignatius von zahlreichen merkwürdigen Visionen berichtet, die er in der Zeit seiner spirituellen Entwicklung, bis zu seiner Ankunft in Rom, hatte: die Visionen der Madonna mit Jesuskind, des schlangenartigen Gebildes mit vielen Augen, der Fleischspeise, der Trinität in der Gestalt von drei Orgeltasten, des Beginns der Schöpfung, der Realpräsenz Christi im Altarssakrament, der Inkarnation Christi, eines runden Gebildes aus Gold, schließlich die Vermittlung des deutlichen Bewußtseins, „wie Gott der Vater ihn Christus, seinem Sohn, zugesellte", die er in der Kirche von La Storta an der Via Cassia, vor den Toren Roms, erfuhr. Von vielen Jesuiten und anderen Zeitgenossen wurde diese Vision als die eigentliche Gründungslegende der Societas lesti angesehen. Die Szene und zugleich mit ihr die Apotheose des (1622 heiliggesprochenen) Ignatius hat der geniale, dem Jesuitenorden angehörende Architekt und Maler Andrea Pozzo (16421709) in dem prachtvollen Altaraufbau über dem Grab des Heiligen gestaltet.2 Die von Ignatius schon in Spanien verfaßten „geistlichen Übungen" (Exerzitien) sind auch der Versuch, bezüglich der Absichten Gottes zu einer inneren Sicherheit zu kommen, sich also der transzendenten Wirklichkeit zu vergewissern. Als größte weibliche Visionärin des nachtridentinischen Zeitalters darf wohl Teresa von Avila (1515-1582) gelten. Ihr visionäres Erleben gipfelt in der Erscheinung eines Engels des obersten Ranges von großer Schönheit, der ihr Herz mit einem goldenen Pfeil durchbohrt. Teresa selbst hat ihre Ekstase und die dabei erlebten Gefühle in ihrer Autobiographie eingehend geschildert.3 Auch diese Vision hat in Rom eine angemessene künstlerische Darstellung gefunden, und zwar durch Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) in dem Aufbau des Altares der Cappella Cornaro der Karmeliter-Kirche Santa Maria della Vittoria, den der „Bildhauer des römischen Barock" in den Jahren
1644-1652 schuf.4 Sowohl in der Schilderung der heiligen Teresa von ihrer
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Vision wie in der plastischen Gestaltung in Marmor durch Bernini haben wir Versuche vor uns, das Transzendente zu fassen, ihm Gestalt zu geben, es nicht nur rational, sondern sinnlich erfahrbar zu machen. Für die Philosophen des 18. Jahrhunderts, an erster Stelle Voltaire, war der gesamte Bereich religiöser Erfahrung nichts anderes als unerleuchteter Schwachsinn und Aberglauben. Aber trotz der Aufklärung, die das Siècle des lumières der Menschheit brachte, häuften sich im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. die Erscheinungen himmlischer Wesen und in ihrem Gefolge die an den neu entstandenen Wallfahrtsstätten (1830 Paris, rue du Bac; 1846 La Salette; 1858 Lourdes; 1917 Fatima; 1932 Beauraing; 1933 Banneux) geschehenden Wunder. Bei allem Schwindel, aller Volksverdummung und der ganzen religiösen Geschäftemacherei, die bis heute an diesen Orten in Erscheinung treten, meine ich doch, daß zuweilen das, was über das religiöse Erleben der betroffenen Personen (es sind vor allem Frauen!) berichtet wird, bedenkenswert ist, weil darin Spuren der Transzendenz (im Sinne von PETER L. BERGER) erkennbar werden.5 Um zu verdeutlichen,worum es geht, möchte ich kurz auf die im vergangenen Jahrhundert in Frankreich stattgehabten Erscheinungen von La Salette und Lourdes eingehen. Am 19. September 1846 hatten zwei arme Hirtenkinder, die fast fünfzehnjährige Mélanie Calvat (oder: Mathieu) und der elfjährige Maximin Giraud in der Nähe des Dorfes La Salette in den französischen Alpen, inmitten einer grandiosen, „mystischen" Berglandschaft, die Erscheinung einer „schönen Dame" (belle dame).6 Die Dame, die von der schwer lastenden Hand ihres Sohnes sprach und sich dadurch als Gottesmutter zu erkennen gab, teilte den Kindern weinend eine aus wenigen Sätzen bestehende Botschaft (message) prophetischen Charakters mit. In ihrem ersten Satz bezeichnet sie die Botschaft als „große Neuigkeit" (grande nouvelle). Kommt näher, meine Kinder, habt keine Angst! Ich bin hier, um euch eine große Neuigkeit zu erzählen. Wenn mein Volk sich nicht unterwerfen will, bin ich gezwungen, die Hand meines Sohnes loszulassen. Sie ist so stark und so schwer, daß ich sie nicht halten kann ... Vergeblich betet ihr und müht euch ab, doch könnt ihr niemals die Mühe aufwiegen, die ich für euch auf mich genommen habe. Die Situation der Menschen, welche die Erscheinung als „mein Volk" bezeichnet, wird als eine unter einem drohenden göttlichen Gericht stehende charakterisiert. Die Mutter des göttlichen Richters fällt dem strafenden Sohn in den Arm und verhindert so den Ausbruch des Strafgerichts: es ist die altbekannte Rolle der advocata nostra, wie sie auf vielen Darstellungen des Jüngsten Gerichts, zum Beispiel derjenigen Michelangelos in der Cappella Si-
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stina des Vatikan, zu sehen ist. Die Dame spricht, wie der alttestamentliche Gott, von „meinem" Volk. U n d als ob sie in der Tat göttlichen Rang hätte oder die Stelle Gottes einnähme, fährt sie fort: Ich habe euch sechs Tage zum Arbeiten gegeben, für mich habe ich habe ich den siebenten aufbewahrt, und man will ihn mir nicht lassen. Das macht die Hand meines Sohnes so schwer. Es ist die Zerstörung der göttlich sanktionierten Ordnung der Zeiten (vgl. Gen 1,14; 2 , 1 - 4 ) , durch die sich die Menschen das Gericht zuziehen. Sie hat die Störung des (die Menschen erhaltenden) Kreislaufs von Saat und Ernte zur Folge: Wenn die Ernte verdirbt, ist das nur euretwegen. Ich habe es euch im vergangenen Jahr vorgeführt durch die Kartoffeln. Ihr habt euch nicht darum gekümmert. Im Gegenteil: als ihr verfaulte Kartoffeln fandet, da habt ihr geflucht... Es wird eine große Hungersnot kommen. Bevor die Hungersnot kommt, werden die Kinder unter sieben Jahren einen Schüttelfrost bekommen und unter den Händen der Leute, die sie halten, sterben. Die anderen werden durch Hunger büßen. Die Nüsse werden faulen und die Trauben verderben. Wenn sie sich bekehren, werden die Steine und Felsen zu Haufen von Weizen ... Nach Aussage der Erscheinung sind die gestörten Naturabläufe und ihre fatalen Folgen für die Ernährung der Menschen eine Folge des gestörten kultischen Verhältnisses zu Gott: Im Sommer gehen nur noch ein paar alte Frauen zur Messe; die anderen arbeiten. Und im Winter gehen die Buben, wenn sie nicht wissen, was sie tun sollen, zur Messe, nur um sich über die Religion lustig zu machen. Die Leute halten die Fastenzeit nicht ein; sie gehen in die Metzgerei wie die Hunde ... Es sind einfache Worte, in eine einfache, bäuerliche Welt hineingesprochen, aber dennoch von hohem prophetischen und dichterischen Charakter. Zweifellos ist Mélanie die erste Trägerin, die „Erfinderin" der Botschaft, nicht der kleine M a x i m i n / Wie im Falle von Lourdes haben die überklugen Theologen und Kirchenpolitiker versucht, die sperrigen Aussagen aus dem Bereich der
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Volksreligion im Sinne des offiziellen dogmatischen Systems zurechtzustutzen, andererseits aber nach Begriffen gesucht, welche die Kinder in ihrer Umgebung nicht gehört haben konnten, um so die „übernatürliche" Herkunft der Worte zu beweisen. Bei Mélanie war es das von der Dame zunächst benutzte hochfranzösische Wort „pommes de terre" für „Kartoffeln", welches das Mädchen bisher noch niemals gehört hatte und das die Erscheinung dann mit dem entsprechenden Mundart-Wort „las truffas" erklärte. Auf welche Weise auch immer die schöne Dame und ihre Botschaft aus der Traumwelt der Kinder emporgestiegen sein mag: nichts spricht gegen den sachlichen Gehalt und den Ernst des Textes; vielmehr spricht der Text für sich selber. Er ist in einem höheren Sinne sachgemäß und wahr, auch wenn sich die Tatsächlichkeit und „historische Objektivität" der Erscheinung und ihrer Rede nicht beweisen läßt. Der Versuch, einen solchen Beweis zu führen, ist vielmehr ein Irrweg. Der südfranzösische Wallfahrtsort Lourdes verdankt seinen Ruhm hauptsächlich der großen Zahl der Heilungswunder, die sich dort ereignet haben sollen und angeblich noch immer ereignen. Zweifellos kehren von Lourdes, wie von den Pilgerstätten aller Religionen, viele leidende Menschen geheilt und getröstet nach Hause zurück. Was den „übernatürlichen" Charakter dieser Wunder betrifft, ist die allergrößte Skepsis angebracht. Ich halte den „wissenschaftlichen" Aufwand, der in Lourdes betrieben wird, um durch „unabhängige" Kommissionen göttliche Eingriffe in das menschliche Schicksal beweisen zu lassen, für einen gigantischen Volksbetrug und geschäftstüchtigen Schwindel, wie es bereits ÉMILE ZOLA in seinem 1894 erschienenen Roman „Lourdes" - nach langen aufmerksamen Beobachtungen an Ort und Stelle - entlarvt und angeprangert hat." Entgegen der Meinung von ZOLA wird aber durch den Wunder-Rummel weder die Religion als solche widerlegt, noch der transzendente Bereich als bloßes Hirngespinster wiesen. Das Schlimmste, was man der Wunder- und Andenkenindustrie von Lourdes mit Recht anlasten könnte, ist, daß sie die eigentliche Botschaft von Lourdes verschüttet und der Vergessenheit anheimgegeben hat. Wie die „schöne Dame" von La Salette hat auch die Dame von Lourdes, die im Jahre 1858 insgesamt achtzehnmal der damals vierzehnjährigen Bernadette Soubirous erschien, eine Botschaft hinterlassen.9 Dieselbe ist nahezu vergessen, jedenfalls aber kaum je hinreichend bedacht worden. Denn im Grunde paßt auch sie nicht in das System verordneter katholischer Rechtgläubigkeit hinein. Bernadette hat noch im Jahre 1876 (am 8. Dezember) in dem Kloster von Nevers, in das man sie als Schwester Marie-Bernard weggeschlossen hatte, ihrer Mitschwester Charlotte de Vigouroux gegenüber bemerkt, sie möchte, für den Fall, daß eine neue Darstellung der Ereignisse von Lourdes geschrieben würde, daß „Nachdruck gelegt würde auf die Erscheinung, in der die Jungfrau ihren Namen genannt hatte". Auf die Frage: „Haben Sie denn ein wichtiges Detail vergessen?" habe Bernadette lebhaft geantwortet:
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Oh! nein, ich habe alles gesagt, aber in den Büchern, die über die Erscheinungen berichten, finde ich, daß man allzu schnell über diese Sache hinweggleitet. Die Sache: Bei ihrer sechzehnten Erscheinung, am Donnerstag, dem 25. März 1858, dem Fest Mariae Verkündigung, hatte die Dame der Visionärin auf deren dreimalige Bitte ihren Namen mitgeteilt: Que soy l'Immaculée Counceptiou. Ins Deutsche übersetzt: „Ich bin die Makellose Empfängnis." „Que" ist in der Mundart der Gegend von Lourdes Füllwort (tournure explétive); „soy" heißt: „ich bin". Dann folgt das hochfranzösische Wort: „l'Immaculée", das heißt: „die Unbefleckte", „die Makellose"; und wieder in der Mundart: „Counceptiou": „Empfängnis". In den zahlreichen Büchern, die über die Erscheinungen von Lourdes erschienen sind, aber auch auf den Statuen der Lourdes-Madonna ist der Satz in der Regel egalisiert: „Que soy era Immaculada Councepciou." Aber Bernadette selbst hat immer nur: „l'Immaculée" gesagt." Der erste theologisch gebildete Priester, dem die Seherin den Satz mitteilte, war der Abbé Dominique Peyramale. Er war über die Formulierung überhaupt nicht glücklich, weil sie nicht in das dogmatische System paßte, das er auswendiggelernt hatte. Seiner Meinung nach hatte sich die Dame theologisch nicht korrekt ausgedrückt. Sie hätte etwa sagen müssen: „Ich bin die auf unbefleckte Weise Empfangene", sich aber nicht mit dem abstrakten Begriff „Empfängnis" bezeichnen dürfen.12 Etwas mehr als drei Jahre vor der erwähnten Erscheinung, am 8. Dezember 1854, hatte der Papst Pius IX. in der Bulle „Ineffabilis Deus" als verbindliche kirchliche Lehre verkündet und definiert, „daß die seligste Jungfrau Maria beim ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch besonderen Gnadenerweis und Privileg des allmächtigen Gottes, im Blick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jeglichem Makel der Urschuld bewahrt (ab omni originalis culpae labe praeservatam immunem) wurde". 13 Es ist hier vom ersten Augenblick des irdischen (geschichtlichen) Daseins der Mutter Jesu von Nazareth die Rede. In der Erläuterung des Dogmas ist aber, in Anspielung auf entsprechende Aussagen der alttestamentlichen WeisheitsBücher (Sir 24,14; Prov 8,22f.) von einer Tätigkeit Gottes „vor den Zeiten" (ab initio et ante saecula) die Rede: nämlich daß Gott von Anfang an und vor allen Zeiten die Mutter seines eingeborenen Sohnes, aus der er Fleisch wurde, „weit vor allen Engelsgeistern und Heiligen aus der Fülle aller Charismen aus dem Schatz der Gottheit überhäufte, so daß sie von jedem Makel der Sünde stets frei und ganz schön und ganz vollkommen die Fülle der Unschuld und Heiligkeit trug, welche unterhalb von Gott gänzlich unvorstellbar ist und die außerhalb von Gott bei niemandem denkbar ist". Im weiteren Verlauf des Textes der päpstlichen Bulle ist dann noch gesagt, daß die ehrwürdige Mutter
des Gottessohnes infolge ihrer Freiheit von dem Makel der Erbschuld über
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die „alte Schlange" triumphierte (Gen 3,15).H Über die Beziehung des vor den Zeiten erschaffenen Geistwesens zu der geschichtlichen Maria sagt der Text nichts, und auch die Theologen schweigen sich darüber, aus Furcht, auf häretische Abwege zu geraten, weitgehend aus.15 Auch die Botschaft von Lourdes mit ihrer auffälligen Identifizierung eines in der Gestalt einer Person sich offenbarenden Wesens mit einem abstrakten Begriff: „Ich bin die Makellose Empfängnis" wird von Predigern und Theologen meist als „kühne Ausdrucksweise" oder „außergewöhnliche Stilisierung" verharmlost, um sie so in das (in seinem engsten Sinn verstandene) päpstliche Dogma von 1854 und die geläufige katholische Erbsündenlehre integrieren zu können. Damit beruhigen sie sich selbst und ihre gläubigen Nachbeter. Woher hatte Bernadette den Ausdruck? Hatte sie in einer Predigt oder dem Katechismus-Unterricht etwas von dem Immaculata-Dogma aufgeschnappt und in ihrem Unverstand der Dame das Wort „conception" anstatt „conçue" in den Mund gelegt? Oder wußte sie mehr? Der schon erwähnten Schwester Charlotte de Vigouroux, mit der sie das wohl letzte Gespräch über die Erscheinung vom 28. März 1858 führte, „in der die Jungfrau sich mit Namen nannte" und die Bernadette für die bedeutendste hielt, erzählte sie über deren Verlauf: „Ich bin die Makellose Empfängnis", murmelte sie, wobei sie ihre schönen Augen zum Himmel drehte. Als ich diese beiden Worte hörte, die ich nicht begriff, kam mir der Gedanke, zu der Dame zu sagen: „Aber dann sind Sie ja nicht die heilige Jungfrau Maria?" Ich hatte die ersten drei Worte meines Satzes gesagt, als die Erscheinung verschwand. Ich war darüber sehr traurig, denn ich war überzeugt, daß diejenige, die sich „Immaculée Conception" genannt hatte, nicht die Jungfrau Maria war. „Und wer war es Ihrer Meinung nach?" In diesem Augenblick glaubte ich, es sei eine Seele aus dem Fegefeuer, die wirklich diesen Namen während ihres Lebens getragen hatte.
Es ist bemerkenswert, daß sich die Seherin auch nach der sechzehnten Erscheinung bezüglich der Identität des sich offenbarenden Wesens noch keineswegs im klaren war. Sie ahnte, daß das, was sie gehört hatte, nicht in Ubereinstimmung zu bringen war mit den Vorstellungen, die man in ihrer „gläubigen" Umgebung von der Jungfrau Maria hatte. Lange Zeit bezeichnete sie die Erscheinung nur mit dem neutralen(!) Pronomen „aqueró": „das da" oder:" jenes".1' In der Botschaft, die Bernadette gehört hatte, wird der abstrakte Begriff „Empfängnis" mit der Dame identifiziert. Die Dame wird damit als geistiges Wesen charakterisiert. Die Erscheinung ist die geistige Realität einer Empfängnis jenseits des „Sündenfalls". Es ist dabei, entgegen der Engführung des päpstlichen Lehrsatzes, nicht nur an die Entstehung (Konzeption) der Jungfrau selbst, sondern ebenso an die Inkarnation des Erlösers zu denken, worauf schon das Datum der Erscheinung (25. März: Mariae
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Verkündigung!) hinweist. In der Erscheinung offenbart sich sodann die Idee von einem reinen Geschöpf vor aller und jenseits aller Menschheits- und Weltgeschichte. Ist das eine „bloße", subjektive Idee ohne „objektiven" Wahrheitsgehalt, die Vorstellung eines pubertierenden, geistig nicht sehr entwickelten Mädchens, ein „eidetisches Phänomen" ? Die Kleinarbeit psychologischer Analyse mag zu einem Krankheitsbild dieser und anderer Seherinnen des Mittelalters und der Neuzeit führen und hat ihre Berechtigung. Der geistige und transzendente Charakter der von ihnen vermittelten Botschaften ist damit keineswegs widerlegt oder entwertet, erweist sich vielmehr als bestimmend für das Denken dessen, der sich darauf einläßt - so wie (auf der Höhe des Jahrhunderts der Aufklärung) der Apollo des Belvedere JOHANN WLNCKELMANN als „ein geistiges Wesen" erscheint, in einer „Form, die von nichts Erschaffenem sichtbar genommen ist, und die allein eine Erscheinung höherer Geister hat bilden können".17 Wie schwach, krank oder verrückt auch immer die Visionärinnen im Bereich der christlichen Religion sein mögen: in ihren rätselhaften, mehrdeutigen Botschaften scheint etwas von den antiken Pythien und Sibyllen weiterzuleben, und wenn sich bei ihnen, wie bei der uralten Großmutter in ADALBERT STIFTERS Novelle „Haidedorf", „Blödsinn und Dichtung, Unverstand und Geistesfülle" mischen, so zeigen sie doch „eine Dichtungsfülle ganz ungewöhnlicher Art". In ihr kann sich dem nachdenklichen Leser und Hörer das Göttliche offenbaren, das, nach der von FRIEDRICH HÖLDERLIN am Anfang seines „Hyperion" zitierten Grabschrift des Ignatius von Loyola, „nicht durch das Größte gebändigt, aber doch vom Kleinsten zusammengehalten" werden kann. Das Transzendente ist zugleich das Innerste, der Gott im Menschen. Die dunklen, wissenden Augen der kleinen Bernadette Soubirous, die dem Betrachter aus den alten Fotografien entgegensehen, scheinen in eine ferne Zukunft und in eine andere Welt zu blicken.
Anmerkungen Einleitung 1
Zu den das Mittelalter bestimmenden geistigen Mächten s. vor allem: James J. WALSH, The Thirteenth Greatest of Centuries, New York 1924; Karl August FINK, Papsttum und Kirche im abendländischen Mittelalter, München 1981. 2
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1994.
C. LEONARDI, Katharina, die Mystikerin, in: Ferruccio BERTINI (Hrsg.), Heloise und ihre Schwestern, München 1991,222-251; ebd. 243; s. u. Kap. 16. Vgl. vor allem seine Schriften: De Virginibus, De Viduis, De Virginitate, De Institutione virginis, De Exhortatione virginitatis, De Lapsu virginis consecratae (MPL 16,187-384). Vgl. dazu die Schilderungen aus eigenem Erleben von Bernardin SCHELLENBERGER in seinen Büchern: Wider den geistlichen Notstand: meine Erfahrungen mit der Seelsorge, Freiburg Br. - Basel - Wien 1991, und: Lieber Hausmann als Kirchenmann, Düsseldorf 1994. AAS 46 (1954), 161-191. Wilhelm KLEIN, Gottes Wort im Römerbrief. Vorträge im Kolleg 1958 bis 1961. Nach den Manuskripten bearbeitet von Albert RAUCH, Tübingen 1998, bes. 230241; DERS., Gottes Wort im Kirchenjahr. Vorträge im Kolleg 1957 bis 1961. Nach den Manuskripten bearbeitet von Albert RAUCH, Tübingen 1999, bes. 209216; 361-365; Gisbert GRESHAKE, Art. Klein, Wilhelm, in: LThK 3 6 (1997), 122.
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Bertha war die Tochter des Herzogs Burchard I. von Schwaben (f 926). Gesta Ottonis, 467f.: „Interea rex Italicus gravido Hlotarius / Infectus morbo, mundo discessit ab isto" (Hrotsvithae Opera. Mit Einleitungen und Kommentar von H. HOMEYER, München - Paderborn - Wien 1970, 424). Thietmar, Chron. 11,5 (Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung, hrsg. von Robert HOLTZMANN, Berlin 1935: MGH SS Rer. Germ. N.S. 9,42/43). Gesta Ottonis, 514-587. Gertrud BÄUMER, Adelheid. Mutter der Königreiche, Tübingen 1936, 193. Vor einigen Jahren erschien ein weiterer historischer Roman über Adelheid: Bruno KEISER, Bevor das Jahr Tausend anbrach. Adelheid. Königin, Kaiserin, Heilige. Ein Leben in bewegter Zeit, Düsseldorf 1995. S. Gesta Ottonis, 554; 573-575. Vgl. das italienische Wort für „Mais": granturco, „türkischer Weizen". Die Königin Edith starb am 26. Januar 946 und wurde in der Kirche der von Otto I. gegründeteten Abtei St. Mauritius, dem späteren Magdeburger Dom, bestattet (Widukind, Res gestae Saxonicae 11,41 [MGH SS 3,449]; Thietmar, Chron. 11,3 [MGH SS Rer. Germ. N.S. 9,40/42]). Das Todesdatum Adelheids ist überliefert bei Thietmar von Merseburg, Chron. IV,43 (MGH SS Rer. Germ. N.S. 9,180).
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Anmerkungen Die Briefsammlung Gerberts von Reims, bearb. von F. WEIGLE ( M G H , Die Briefe der deutschen Kaiserzeit, 2), Berlin 1966. Über Leben und Tätigkeit Gerberts von Aurillac s. bes. den Sammelband: Gerberto: scienza, storia e mito. Atti del Gerberti Symposium (Bobbio 2 5 - 2 7 luglio 1983), Bobbio 1985; Literatur ebd. Ep. 7 4 . 1 2 8 (ed. WEIGLE, 105.156). Epitaphium Adelheidae Imp. auctore Odilone ( M G H SS 4,633-645); Die Lebensbeschreibung der Kaiserin Adelheid von Abt Odilo von Cluny (Odilonis Cluniacensis abbatis Epitaphium domine Adelheide auguste), bearb. von Herbert PAULHART ( M I Ö G , Erg. Bd. 20/2), Graz-Köln 1962; über Odilo und seine Regierungszeit s.: Marcel PACAUT, L'Ordre de Cluny (909-1789), Paris 1986,107-141. „Videsne, quod hic humano Consilio peregrinamur destitutae, et quod durius est, soli-tudine periclitamur et fame? Si potes, aliquid nobis victus impende; sin autem, solarium praebe": Odilo, Epitaphium Adelheidae ( M G H SS 4,639; ed. PAULHART, 3 1 ) .
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Nach Donizo von Canossa (11. Jh.) und Leo Marsicanus, Kardinalbischof Ostia und Chronist der Abtei Monte Cassino ( f 22.5.1115), war es die Burg nossa, wo Adelheid bei ihrem Verwandten Atto Aufnahme fand: Donizonis Mathildis, 199. 214 ( M G H SS 12,356f.); Chronica Monasterii Casinensis ( M G H SS 34,155).
von CaVita 1,61
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„Ingenium ei admodum mirandum; nam post mortem Edidis reginae, cum antea nescierit, litteras in tantum didicit, ut pleniter libros legere et intelligere noverit. Praeterea Romana lingua Slavonicaque loqui seit. Sed rarum est, quo earum uti digneretur" (Widukind 11,36 [ M G H SS 3,447]). Woher Ottos slavische Sprachkenntnisse stammten, ist leicht zu erraten: E r hatte an den Slavenfeldzügen seines Vaters Heinrich I. in den Jahren 928 und 929 teilgenommen und sich eine slavische Geliebte zugelegt, mit der er im Alter von etwa siebzehn Jahren seinen Sohn Wilhelm, den späteren Erzbischof von Mainz, gezeugt hatte; Widukind 111,73 ( M G H SS 3,465); Thietmar, Chron. 11,35 (22) ( M G H SS Rer. Germ. N.S. 9,82).
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„Si integrum annum supervixero, non dominabitur Adalheida in toto mundo, quod non possit circumdari palmo u n o " ( M G H SS 4,640; ed. PAULHART, 35). Theophanu, deren Charakterbild hier bei Odilo in einer negativen Beleuchtung erscheint, war gleichwohl eine bedeutende Herrscherin mit großen politischen Fähigkeiten, wie sich vor allem aufgrund der neueren Forschungen über sie herausgestellt hat; Gunther WOLF, Nochmals zur Frage: Wer war Theophanu? Byz. Zeitschr. 81 (1988), 272-283; DERS. (Hrsg.), Kaiserin Theophanu. Prinzessin aus der Fremde - des Westreichs Große Kaiserin, Köln - Weimar - Wien 1991 (ebd. 5 9 - 7 8 ist der vorher genannte Aufsatz nochmals abgedruckt); Anton VON EUW und Peter ScHRElNER(Hrsg.), Kaiserin Theophanu. Begegnungen des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends. Gedenkschrift des Kölner SchnütgenMuseums zum 1000. Todesjahr der Kaiserin, 2 Bde., Köln 1991; Helmut FUSSBROICH, Theophanu. Die Griechin auf dem deutschen Kaiserthron 9 7 2 - 9 9 1 , Köln 1991; Hans K. SCHULZE, Hegemoniales Kaisertum. Ottonen und Salier, Berlin 1991, 2 6 6 - 2 6 8 ; Johannes FRIED, Kaiserin Theophanu und das Reich, in: Hanna VOLLRATH und Stefan WEINFURTER (Hrsg.), Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters. FS. für Odilo Engels z. 65. Geb., Köln Weimar - Wien 1993, 139-185; Eduard HLAWITSCHKA, Kaiserin Adelheid und Kaiserin Theophanu, in: Karl Rudolf SCHNITH (Hrsg.), Frauen des Mittelalters in Lebensbildern, Graz - Wien - Köln 1997, 2 7 - 7 2 .
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18 „Quot enim in primis cum caesare, deinde cum filio et filii filio, Ottonum videlicet augustorum et caesarum Deo annuente, possiderat regna, tot ex propriis sumptibus ad honorem Regis regum condivit monasteria" (MGH SS 4,641; ed. PAULHART, 36).
19 Hans Rudolf SENNH AUSER, Romainmôtier und Pay erne. Studien zur Cluniazenserarchitektur des 11. Jahrhunderts in der Westschweiz, Basel 1970; DERS., Die Abteikirche von Payerne, Bern 1991 (weitere Literatur!); R. PANCELLA, V. FURLAN, unter Mitarbeit von Anne-Françoise PELOT, Restaurierung der Wandmalereien der Grailly-Kapelle in der Abtei Payerne, [Lausanne 1983]. 20 Odilo, Epitaphium Adelheidae (MGH SS 4,641; ed. PAULHART, 37); Joachim WOLLASCH, Das Grabkloster der Kaiserin Adelheid in Selz am Rhein. Frühmittelalt. Stud. 2 (1968), 135-143; Hermann BANNASCH, Zur Gründung und älteren Geschichte des Benediktinerklosters Selz im Elsaß. ZGORh 117 (1969), 97-160. 21 Karl Josef BENZ, A propos du dernier voyage de l'impératrice Adelaide en 999. Revue d'Hist. eccl. 6 7 ( 1 9 7 2 ) , 8 1 - 9 1 . 22 Percy Ernst SCHRAMM, Die „Heilige Lanze". Reliquie und Herrschaftszeichen des Reiches und ihre Replik in Krakau. Ein Uberblick über die Geschichte der Königslanze, in: DERS., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik II (Schriften der MGH 13/11), Stuttgart 1955,492-537; Albert BÜHLER, Die Heilige Lanze. Ein ikonographischer Beitrag zur Geschichte der deutschen Reichskleinodien, in: Das Münster 16 (1963), 85-116. 23 „Quanta cum devotione quanta cum reverentia magni martyris Mauricii sociorumque eius expostulavit suffragia? Quot gemitus eius ibi fuerunt? Quot suspiria? Quot luctus? Quot lacrimarum flumina?" (MGH SS 4,642; ed. PAULHART, 39). 24 „Quae fuit maxima eius tribulatio pro cunctis a lege Dei declinantibus caritativa compassio ... Ita deplorabat aliorum peccata, qualiter non possunt multi propria deplorare discrimina. Laetabatur in gravitate et profectibus praeteritorum; tristabatur cotidie in defectibus praesentium maximeque futurorum. Cum enim de futuris dico, prophetiae spiritum procul dubio earn habuisse denuncio" (MGH SS 4 , 6 4 3 ; e d . PAULHART, 40).
25 Vgl. Sophokles, König Ödipus, 1365f.: El δέ τι πρεσβύτερον ετι κακοϋ κακόν, τοΰτ' ελαχ' Οιδίπους: „Gibt es ein Unheil noch gewaltiger als Unheil, so wurde das dem Ödipus zuteil." 26 Vita Burchardi Episcopi, ed. G. WAITZ (MGH SS 4,829-846; ebd. 833): „... plus quam unius anni spatio in servitio imperatoris vigilanti animo studebat, eiusque secretis saepe intererat, et quando de rebus maioribus tractandum aliquid erat, tanta familiaritate et auctoritate, quamvis iuvenis esset, apud imperatorem habebatur, ut sine ipsius Consilio raro aliquid statueretur." 27 Vgl. den kurzen Nachruf auf ihn bei Thietmar von Merseburg, Chronik IV,61 (MGH SS Rer. Germ. N.S. 9,200f.; seine Grabschrift in M G H Poetae Latini V/1, Nr. 81 (S. 323). 28 „Quid faciam, Domine, vel quid dicam de ilio seniore nostro et nepote meo? Peribunt in Italia, ut credo, multi cum eo; peribit post ipsos, ut timeo, heu misera! augustae indolis Otto! Remanebo omni humano destituía solacio. Absit, o domine rex seculorum, ut videam superstes tam lugubre dispendium!" (MGH SS 4,643; ed. PAULHART, 40).
29 „Tunc videres augustam toto corpore solo prostratam, non minus crederes earn toto mentis adnisu coelo intentam, et quasi iam martyris Mauricii vestigia invenisse ac lacri-moso ore perlingere."
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Anmerkungen „Et quia vir boni testimonii erat, domna augusta valde ilium diligebat, sicut et omnes bonos diligere solita erat". Jeanne de Jussie, Petite Chronique. Einleitung, Edition, Kommentar von Helmut FELD ( V I E G 167), Mainz 1996, 147f.; über die ersten Zerstörungen an dem Kloster Mitte August 1531: ebd. 45; Catherine SANTSCHI, Saint-Victor de Genève, in: Helvetia sacra III/2, Basel und Frankfurt/M. 1991, 2 3 9 - 3 2 4 ; s.u. Kap.
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Maiolus war am 11. Mai 994 gestorben; N. BULST, Art. Maiolus, in: Lex. Ma. 6 (1993), 145f. Hierzu zuletzt: Arnold ANGENENDT, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart, München 1 9 9 4 , 1 4 9 - 1 6 2 ; vgl.: DERS., „In meinem Fleisch werde ich Gott sehen." Bernward und die Reliquien, in: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog der Ausstellung Hildesheim 1993, Hildesheim - Mainz 1993,1,361-367. „Obsecro, karissime, obsecro, ut ita alloquaris sanctissimum sacerdotem: ,Meo obsequio accipe, sacerdos Dei, parva munuscula, quae tibi delegavit Adalheida, servorum Dei anelila, ex se peccatrix, dono Dei imperatrix. Accipe unici mei O t tonis augusti clamidis partem, et ora pro eo ad ipsum, quem veste divisa vestisti in paupere, Christum."' „Memento mei, fili, in contemplativis, et scias, me non amplius te visurum corporalibus oculis. Cum enim humanis rebus excessero, orationibus fratrum animam meam committo." Vgl. Statutum S. Odilonis de defunctis ( M P L 142,1037f.): „Decretum est a beatissimo Pâtre domino Odilone, una cum consensu et rogatu omnium fratrum Cluniacensium, ut sicut in ecclesiis Dei quae per orbem terrarum longe lateque constructae sunt in die Kalendarum Novembrium agitur festivitas Omnium Sanctorum, ita agatur apud nos festivo more commemoratio omnium fidelium defunctorum, qui ab initio mundi fuerunt usque in finem, tali modo ... cuncti fratres offerant: privatim et publice missas celebrent pro requie omnium animarum fidelium, et duodecim pauperes reficiantur." Vgl. Corpus Consuetudinum M o nasticarum, mod. Kassio HALLINGER exaratum 10,199f. Vgl. Calvin, In Epistolam ad Ephesios Commentarius, zu Eph 6,19: „Nos quid commercii habemus cum mortuis?" ( C O 51,239; C O R 11/16,290).
2 Hrotsvitha von Gandersheim 1
2
Herzog Liudolf ( f 866), der Großvater König Heinrichs I., hatte Gandersheim 8 5 2 - 8 5 6 gegründet: Thangmar, Vita Bernwardi Episcopi Hildesheimensis ( M G H SS 4,754-786; ebd. 762f.). Neuere Gesamtausgaben der Werke Hrotsvithas: Hrotsvithae Opera, ed. Karolus STRECKER, Leipzig 2 1930; Hrotsvithae Opera. Mit Einleitungen und Kommentar von H. HOMEYER, München-Paderborn-Wien 1970 (Literaturverzeichnis ebd. 473—479); Hrotsvitha von Gandersheim. Werke in deutscher Übertragung. Mit einem Beitrag zur frühmittelalterlichen Dichtung von H. HOMEYER, MünchenPaderborn - Wien 1973; wichtig ist ferner: Hroswitha of Gandersheim. H e r life, times, and works, and a comprehensive bibliography. Ed. by Anne Lyon HAIGHT, N e w Y o r k 1965; zur ersten Orientierung: Fidel RÄDLE, Art. Hrotsvit von Gandersheim, in: Verf. Lex. 4 (1983), 1 9 6 - 2 1 0 (Literatur!); R. DÜCHTING, Art. Hrotsvit v. Gandersheim, in: Lex. Ma. 5 (1991), 148f.
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Schatzkunst Trier (Treveris Sacra, 3), Trier 1984; Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog der Ausstellung Hildesheim 1993, 2 Bde., Hildesheim-Mainz 1993. 4 Opera, ed. HOMEYER, 233f. 5 „Clamor validus Gandeshemensis": die Dichterin übersetzt so ihren Namen „hrot-swith", was eigentlich „Ruhm-stark", nicht „starker Ruf" bedeutet; s. Karl LANGOSCH, Geistliche Spiele. Lateinische Dramen des Mittelalters mit deutschen Versen, Darmstadt 1957,257. 6 So Ferruccio BERTINI in seinem vorzüglichen Essay: Hrotsvith, die Dichterin, in: DERS. (Hrsg.), Heloise und ihre Schwestern. Acht Frauenporträts aus dem Mittelalter, München 1991, 100-138; ebd. 104. 7 „Scurrilia et mimica, quae in comoediis et tragoediis a personis variis edita quidam concrepantes risu se infinito concutiunt, ipse semper serio lectitabat: materiam pro minimo, auctoritatem in verborum compositionibus pro máximo reputabat" (Ruotgeri Vita Brunonis Archiepiscopi Coloniensis: MGH SS 4,252-275; ebd. 257; ed. I. OTT, MGH SS Ν. S. 10, Weimar 1951, 9); s. ferner: Odilo ENGELS, Ruotgers Vita Brunonis, in: VON Euw, SCHREINER, Theophanu (o. Kap. 1, Anm. 17), 1,33—46; Ludwig VONES, Erzbischof Brun von Köln und seine,Schule'. Einige kritische Betrachtungen, in: VOLLRATH, WEINFURTER, Köln (o. Kap. 1, Anm. 17), 125-137. 8 „Egit autem provida dispensatio rectoris nostri, qui, quoniam hominem se esse intellexit, humani nihil alienum a se putavit, egit, inquam, ut ad se quasi ad tutissimum portum confugerent omnes, qui quietam et pacem amareni" (Ruotger, Vita Brunonis [MGH SS 4,270]); vgl. Terenz, Heaut. 1,1,25: „Homo sum; humani nihil alienum a me puto." Vgl. hierzu auch: BERTINI, Hrotsvith (o. Anm. 6), 102. 9 Ruotger, Vita Brunonis (MGH SS 4,255). 10 Brun ist vielleicht auch der Vater des Bischofs Bernward von Hildesheim (ca. 9601022). Die Vermutung ist weniger abwegig als die bislang vorgebrachten Hypothesen über Bernwards Abkunft väterlicherseits. Sein Biograph, der Hildesheimer Primicerius Thangmar, der sein Lehrer war und ihn persönlich sehr gut kannte, nennt seinen Großvater (Athalbero) und seinen Onkel (Folcmar) mütterlicherseits namentlich, erwähnt aber die Familie von Vatersseite mit keinem Wort, was doch sehr auffällig ist. Die außereheliche Zeugung galt im Falle von Angehörigen fürstlicher Häuser keineswegs als ehrenrührig. Anders verhielt es sich jedoch, wenn der Betreffende zugleich ein Mitglied des Hochklerus war: der Ursprung seiner Nachkommen wurde dann mit dem Mantel des Schweigens umhüllt. - Vita Bernwardi Episcopi Hildesheimensis auctore Thangmaro (MGH SS 4,754—786); zur Biographie Bernwards zuletzt: Hans Jakob SCHUFFELS, Bernward Bischof von Hildesheim. Eine biographische Skizze, in: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog der Ausstellung Hildesheim 1993, Hildesheim-Mainz 1993, 1,29—43 (ebd. weitere Literatur!). 11 R. TEN KATE, Hrotsvits Maria und das Evangelium des Pseudo-Matthäus. Classica et Mediaevalia 22 (1961), 195-204. Uber das Protevangelium des Jacobus und die übrigen Kindheitsevangelien s.: Oscar CULLMANN, X. Kindheitsevangelien, in: HENNECKE-SCHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen I, Tübingen 51987, 330-372; Edouard COTHENET, Le Protévangile de Jacques: origine, genre et signification d'un premier midrash chrétien sur la Nativité de Marie, in: Wolfgang HAASE (Hrsg.), A N R W II/25.6, 4252^*269.
12 Zum historischen Hintergrund s. vor allem: Edward P. COLBERT, The Martyrs of Cordoba (850-859). A Study of the Sources (The Catholic University of
Anmerkungen
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America. Studies in Mediaeval History, Ν. S. 17), Washington, D. C., 1962, 382. 385. BERTINI, Hrotsvith (o. Anm. 6), 117. S . E. HENNECKE, W. SCHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, II, Tübingen 41971, 166-173. DRUSIANA: Quod ius consanguinitatis, quaeve legalis conditio institutionis compellit te ad mei amorem? CALIMACHUS: Tui pulchritudo. Die Inhaltsangabe am Beginn des Dramas gibt also in diesem Punkt nicht den tatsächlichen Verlauf der Handlung wieder. Gehört sie zu einer älteren Fassung, in welcher Calimachus von der Schlange getötet und Fortunatus noch nicht zum Hauptbösewicht geworden war? Die versuchte Leichenschändung ist bereits in der Vorlage, den Johannes-Akten, ent-halten: s. HENNECKE-SCHNEEMELCHER, 1 1 , 1 6 8 . BERTINI, Hrotsvith (o. Anm. 6 ) , 1 2 5 . Der Text der Abrahams-Vita in: Acta SS Martii II, Antwerpen 1668,436-444; die Geschichte von Fall und Rückführung der Maria: ebd. 440b—443b; griechische Fassung der Legende: ebd. 741-748. „Fortunata Maria, laetare! Quia non solum, ut actenus, tui coaevi, sed etiam senio iam confecti te adeunt, te ad amandam confluunt." - „Quicumque me diligunt, aequalem amoris vicem a me recipiunt." „Ecce, odor istius fragrantiae praetendit fragrantiam mihi quondam usitatae abstinentiae." - Der Gedanke findet sich so auch bereits in der Vorlage. „... si quos aut in suorum ovilium septis aut extra repperit, qui singulari acie contra diabolum dimicaturi solitariam vitam appeterent, hos cum omni veneratione susceptos, suaeque exortationis caritativa consolatione munitos, per diversas monasteriorum et aecclesiarum cellulas, cum idoneo aecclesiae testimonio et religioso ut decebat officio, alibi singulos, alibi binos inclusit; quibus tarnen ad invicem, nisi sermone tantum et aspectu, nullus pateret accessus" (MGH SS 4,267). Sollte es solche frühen „roghi delle vanità" tatsächlich gegeben haben? „Quia his abrenuntiasti, superno amatori iam nunc poteris copulali." ABBATISSA: Ne solliciteris pro ea, quia earn materno affectu fovebo (ed. HOMEYER, 3 4 4 ) .
3 Adele Gräfin von Blois 1
S. vor allem die Zusammenstellung: Urbani II Papae Sermones: Orationes in Concilio Claromontano habitae (MPL 151,565-582). Kurze Zusammenfassungen geben Fulcher von Chartres und die anonymen Gesta Francorum; Fulcheri Carnotensis Historia Hierosolymitana (1095-1127). Mit Erläuterungen und einem Anhange hrsg. von Heinrich HAGENMEYER, Heidelberg 1913; ebd. 132-134; Anonymi Gesta Francorum et aliorum Hierosolymitanorum. Mit Erläuterungen hrsg. von H. HAGENMEYER, Heidelberg 1890, 103-105; The Deeds of the Franks and the other Pilgrims to Jerusalem, ed. by Rosalind HILL, Oxford 1962 (Neudr. 1979), If. Längere Texte überliefern Baldrich (Baudri) von Bourgueil, Erzbischof von Dol, in seiner Geschichte des ersten Kreuzzugs: Historia Hierosolymitana Baldrici Archiepiscopi (MPL 166,1061-1152; ebd. 1066-1069), Guibert von Nogent (t 1124): Historia quae dicitur Gesta Dei per Francos (MPL 156,679-838; ebd. 699-702), Wilhelm von Malmesbury in seiner Geschichte der Könige von England: Gesta Regum Anglorum (MPL 179,945-1392; ebd. 1296-1299) und Wilhelm von Tyros in
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seiner Chronik der beiden ersten Kreuzzüge: Historia rerum in transmarinis gestarum (MPL 201,209-1068; ebd. 231-234); Guillaume de Tyr, Chronique. Édition critique par R.B.C. HUYGENS, Turnhout 1986 (CCCM 63. 63 A; ebd. 63,131135). Guibert, Historia (MPL 156,698); vgl. auch Baldrich von Dol, Hist. Hier., Prolog (MPL 166,1063): „... et ut ad eruendam in qua passus est Jerusalem, de spurcorum manibus Turcorum, qui ei velut captivae dominabantur, Christiana concurreret militia." Entgegen vielfachen anderslautenden Darstellungen - vgl. etwa SCHWINGES, Kreuzzugsbewegung (u. Anm. 4), 188! - spricht der Papst ganz eindeutig auch von der remissio peccatorum, die mit der Kreuzfahrt verbunden ist, und nicht nur vom Nachlaß der Sündenstrafen; vgl. vor allem: Fulcher, Hist. Hier. 1,3,5 (ed. HAGENMEYER, 135 und ebd. Anm. 21!); Urban II., Or. in Conc. Claromontano (MPL 151,570f.): „Nos autem de misericordia Dei et beatorum Petri et Pauli apostolorum auctoritate confisi, fidelibus Christianis, qui contra eos arma susceperint, et onus sibi huius peregrinationis assumpserint, immensas pro suis delictis poenitentias relaxamus. Qui autem ibi in vera poenitentia decesserint, et peccatorum indulgentiam et fructum aeternae mercedis se non dubitent habituros"; dagegen unterscheidet der Papst in einem Brief an die Bolognesen (Pavia, 19. Oktober 1096: MPL 151,483) klar zwischen Buße (Sündenstrafen) und der (in der Beicht gewährten) Vergebung der Sünden: „... poenitentiam totam peccatorum, de quibus veram et perfectam confessionem fecerint ..., dimittimus"; Baldrich, Hist. Hier. 1 (MPL 166, 1068); Wilhelm von Malmesbury, Gesta Reg. Angl. 4, § 347 (MPL 179,1299); Wilhelm von Tyros, Chron. 1,15 (ed. c., 134). „Der Kreuzzug war also der Krieg des Papstes ... Der Papst schürte die Bereitschaft, predigte, warb, organisierte, privilegierte, finanzierte. Er mußte die Menschen bewegen, das Kreuz wirklich zu nehmen ..." (Rainer Christoph SCHWINGES, Die Kreuzzugsbewegung, in: Theodor SCHIEDER (Hrsg.), Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 1987, 174-198; ebd. 189; vgl. Helmut FELD, Das Zeitalter des Zweifels. Erwägungen zum Gottes- und Weltbild im Hochmittelalter, in: Konrad HILPERT, Karl-Heinz OHLIG, Der eine Gott in vielen Kulturen, Zürich 1993, 85-104; ebd. 90-92. Zur ersten Orientierung: K.F. WERNER, Art. Adela von England, in: Lex. Ma. 1 (1980), 142.
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Simone BERTRAND, La Tapisserie de Bayeux et la manière de vivre au onzième siècle. Zodiaque. Introductions à la Nuit des temps 2 (1966). Hugonis Floriacensis Historia ecclesiastica (MPL 163,821-930). „Dignum censeo, serenissima domina, munus presentís operis mansuetudini vestrae supplici affectu dedicare, cum sitis nostri aevi multis preponenda proceribus, tum generositate preclara, tum probitate precipua, tum quoniam estis litteris erudita, quod est gentilitium sive civilitas magna" (ebd. 821); Hubert JEDIN, Zur Widmungsepistel der „Historia ecclesiastica" Hugos von Fleury, in: Clemens BAUER, Laetitia BOEHM, Max MÜLLER (Hrsg.), Speculum Historiale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung, Freiburg - München 1965, 559-566.
„sagacissima feminarum uxor ... cuius prudentiam, munificentiam, dapsilitatem, opulentiam si laudare velimus, vereor ne viro magnifico nubem ex femínea, quam et in viduitate meruit, laude feramus" (Guibert, Historia: MPL 156,711). „laudatae in seculo potentiae virago" (Willelmi Malmesburiensis Monachi Gesta Regum Anglorum atque Historia Novella: MPL 179,945-1440; ebd. 1253).
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Anmerkungen
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„memorabilem foeminam"; „mater mirabilis" (Historia Rerum Anglicarum Willelmi Parvi, Ordinis Sancti Augustini Canonici regularis in Coenobio Beatae Mariae de New-burgh in agro Eboracensi, ree. Hans Claude HAMILTON, 2 Bde., London 1856; ebd. 1,4 [ed. c. 1,22]; Historia Rerum Anglicarum of William of Newburgh, ed. Richard HOWLETT, 2 Bde. [Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 82,1.2; ebd. 1,31]). Vgl. auch das Preisgedicht Baudris von Bourgueil auf Adele w. u.
11 12 13
Ordericus Vitalis, Hist. Eccl. 5,11 (ed. CHIBNALL 111,116). Roberti de Monte Chronica ( M P L 160,411-546; ebd. 468). Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 1,3 (ed. HAMILTON I,20f.; ed. HOWLETT, 1,29.). Ken FOLLET, Die Säulen der Erde (Bastei-Lübbe-Taschenbuch 11 896), Bergisch Gladbach 1992. 2 4 1995; engl. Orig.: The Pillars of the Earth, London 1989. Eine ausführliche zeitgenössische Beschreibung des Bürgerkrieges geben die Gesta Stephani, Regis Anglorum, et Ducis Normannorum, ree. R . C . JEWELL, London 1846, und Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. (o. Anm. 10), ed. HAMILTON 1,20-84.
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Ordericus Vitalis, Hist. Eccl. 10 (ed. CHIBNALL V,314). Fulcheri Carnotensis Historia Hierosolymitana: s.o. Anm. 1. St. RUNCIMAN, Geschichte der Kreuzzüge. I. Der erste Kreuzzug und die Gründung des Königreichs Jerusalem, München 1957, 159. J . A . BRUNDAGE, An errant Crusader: Stephen of Blois. Traditio 16 (1960), 3 8 0 395; ebd. 382: „In 1096 Stephen of Blois took the cross, under circumstances, of which we know nothing." Vgl. Ordericus Vitalis, Hist. Eccl. 9,3 (ed. CHIBNALL V,30): „Tunc Stephanus Blesensium comes filius Tedbaldi comitis Carnotensis, qui gener erat Guillelmi Anglorum regis, crucem Domini sumpsit, et peregre perrexit." Fulcher, Hist. 1,6,8-9 (ed. HAGENMEYER, 159-161). Fulcher, Hist. 1,17,2 (ed. c. 165f.). Uber Guiberts Kritik des Reliquienkultes, die er vor allem in seinem Werk „De pignoribus sanctorum" ( M P L 156,607-680) zum Ausdruck gebracht hat, s. Helmut FELD, D e r Ikonoklasmus des Westens (Studies in the History of Christian Thought, 41), Leiden 1990, 40f. Die Kritik Guiberts an Fulcher: Gesta 7,9,31 ( M P L 156,822); über den Abt: ebd. 4,7,17 ( M P L 156,747): „... illud Crucis signum, quod vestimentis ex aliqua materia factum apponi consueverat, ipse nescio sibi quo artificio media in fronte praesculpsit, ut non modo pictum, sed militaris stigmatis instar ferro esset inflictum. Q u o facto, ut fraus mendacio firmaretur, ab angelo sibi per visionemf!] illud celebravit impressum." Epistulae et chartae ad historiam primi belli sacri spectantes. Die Kreuzzugsbriefe aus den Jahren 1088-1100. Eine Quellensammlung zur Geschichte des ersten Kreuzzuges. Mit Erläuterungen hrsg. von Heinrich HAGENMEYER, Innsbruck 1901 (Nachdr. Hildesheim-New Y o r k 1973), N r . I V (138-140; 217-238). „Stephanus comes Adelae comitissae, dulcissimae amicae, uxori suae, quiequid mens sua melius aut benignius excogitare potest." „Dico tibi, mi dilecta, quia de saepedicta Nicaea usque Hierusalem V septimanas perveniemus, nisi Antiochia obstiterit nobis. Vale." Epistulae et chartae, N r . X (ed. HAGENMEYER, 149-152). Die zum Teil grauenhaften Einzelheiten des Zuges durch die kleinasiatischen Gebirge, zu denen auch Kannibalismus gehörte, berichten die mittelalterlichen
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Chronisten. Eine auf diesen Quellen basierende anschauliche Darstellung gibt Rudolf PöRTNER in seinem Buch: Operation Heiliges Grab. Legende und Wirklichkeit der Kreuzzüge (1095-1187), Düsseldorf-Wien 1977,157-178. „De Christicolis confratribus nostris multos occiderunt, quorum vere animas ad Paradisi gaudia intulerunt" (Ep. et chart. Nr. X; ed. c. 150). „Pro his igitur inimicis Dei et nostris oppugnandis multos labores et innumera mala Dei gratia hucusque sustinuimus. Multi etiam iam sua omnia hac in sanctissima passione consumpserunt." „Per totam vero hiemem ante saepedictam Antiochiam civitatem firgora pernimia ac pluviarum immoderatas abundantias pro Christo Domino perpessi sumus. Quod quidam dicunt, vix posse pati aliquem in tota Syria solis ardorem, falsum est: nam hiems apud eos Occidentali nostrae similis est." Die Entfernung Stephans vom Kreuzfahrerheer wird von den Chronisten unterschiedlich bewertet. Fulcher, der bei der Belagerung von Antiochia mit anwesend war, berichtet, Graf Stephan von Blois sei nach Frankreich zurückgekehrt; seine Abreise sei von allen bedauert worden; nur einen Tag später (3. Juni 1098) sei Antiochia gefallen und er habe an der Siegesfreude der anderen nicht mehr teilnehmen können; der Aufbruch sei ihm als Schande ausgelegt worden (1,16,7; ed. HAGENMEYER, 228). Nach den ebenfalls von einem Augenzeugen geschriebenen anonymen Gesta Francorum (c. 27; ed. HAGENMEYER, 353f.) stellte Stephan sich krank und zog sich zunächst in das von ihm besetzte Kastell Alexandreta nördlich von Antiochia zurück; die Belagerer baten ihn vergeblich, zu ihrer Unterstützung zurückzukehren; als er sich von der drohenden Umzingelung durch ein großes Türkenheer überzeugt hatte, verschwand er heimlich über die Gebirgskette. Dagegen nimmt Guibert von Nogent (Gesta; MPL 156,765) an, Stephans Krankheit sei keine Verstellung gewesen. Auch Albert von Aachen (Historia Hierosol. 4,37; MPL 166,501) scheint bezüglich der Echtheit der Krankheit Stephans keinen Zweifel zu haben, gibt aber als Grund für dessen Flucht und die anderer principales viri die Angst vor den anrückenden Türken an. Ordericus Vitalis wiederum läßt durchblicken, daß er die Krankheit für einen bloßen Vorwand hält: „Stephanus vero Blesensis aberat qui magna detentus aegritudine, ut asserebat[!], ad Alexandretam recreationis gratia, donee convaluisset, discesserat" (Hist. eccl. 9; ed. CHIBNALL V,90); „Stephanus interim comes Carnotensis infirmitate, ut dicebat[!], detentus aliquantula, sicut dictum est ad Alexandretam secesserat convalescendi gratia" (ed. c. 106); unmittelbarer Anlaß seiner heimlichen Flucht sei aber dann das heranrückende riesige Türkenheer gewesen; er habe es auch nicht versäumt, sein eigenes Kastell auszuplündern (er nahm also seine Kriegsbeute mit!). The Ecclesiastical History of Orderic Vitalis. Vol. V. Books IX and X. Ed. and transi, by Marjorie CHIBNALL, Oxford 1975; ebd. 10,20 (ed. c. V,324); ältere Edition: Orderici Vitalis Angligenae Coenobii Uticensis Monachi Historiae Ecclesiasticae libri XIII: MPL 188,9-984; zur Historiographie des Ordericus s. bes.: Hans WOLTER, Ordericus Vitalis. Ein Beitrag zur kluniazensischen Geschichtsschreibung (VIEG 7), Wiesbaden 1955. Uber Stephans Ankunft in Jerusalem: Ordericus Vitalis, Hist. Eccl. 10,21 (ed. c. V,342); über sein Schicksal: ebd. 10,22 (ed. c. 346 und ebd. Anm. 3); Fulcher, Hist. Hierosol. 2,19 (ed. HAGENMEYER, 443, und ebd. Anm. 8). Nach Albert von Aachen (Hist. Hierosol. 9,6 [MPL 166,628]) wurde Stephan zusammen mit anderen Gefangenen in Askalon enthauptet; BRUNDAGE, Crusader (o. Anm. 17), 394 und ebd. Anm. 78.
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Anmerkungen Divi Ivonis Carnotensis Epistolae: M P L 162,11-288; s. A. BECKER, Art. Ivo, in: Lex. Ma. 5 (1991), 839f. Brief Ivos an den Bischof Galterius von Meaux (Ep. 70; M P L 162,90): „... quia tarn ex verbis Turonensium monachorum, quam ex litteris domnae Adelae venerabilis comitissae audivi turpissimam famam de monasterio Sanctae Farae, quod non iam locus sanctimonialium, sed mulierum daemonialium prostibulum dicendum est corpora sua ad turpes usus omni generi hominum prostituentium." Ep. 101 ( M P L 162,120). Ep. 126 (ebd. 138). „Ivo, humilis Ecclesiae Carnotensis minister, Adelae Palatinae comitissae, et pacis et charitatis visceribus abundare" (Ep. 136; ebd. 145); vgl. zu diesem Streit auch Ep. 134 an den Erzbischof Daimbert (ebd. 143f.). „Ivo, humilis Dei gratia Carnotensis Ecclesiae minister. Adelae, excelienti comitissae, bene sapere et facere" (Ep. 179; M P L 162,180f.). Ven. Hildeberti Epistolae: M P L 171,141-312; Ep. 6 (ebd. 149-153); s. P. v. MOOS, Art. Hildebert v. Lavardin, in: Lex. Ma. 5 (1991), 1 If. Baldrici Dolensis Episcopi Carmina histórica: M P L 166,1181-1208; ebd. 1202. Les Œuvres poétiques de Baudri de Bourgueil, éd. Phyllis ABRAHAMS, Paris 1926, 196-253; ebd. 198f. ( w . 33-78). „Et cave ne desit etiam sua fimbria cappae" (Ed. ABRAHAMS, 254). Vielleicht ist statt „fimbria" zu lesen: „fibula": die goldene Schließe des Chormantels. In ähnlich zudringlicher Weise erinnert Hildebert de Lavardin, auch er ein eitler G r o ß priester, Adele an das versprochene Geschenk eines Meßgewandes (planeta): Ep. 3,2 ( M P L 171,284 C). Vgl. Wilhelm von Malmesbury, Gesta ( M P L 179,1253); Ordericus Vitalis, Hist. Eccl. 11,5 (ed. CHIBNALL VI,44).
4 Eleonore von Aquitanien 1
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Von Wilhelm I X . sind elf Gedichte erhalten; Edition mit englischer Ubersetzung und Kommentar: Frede JENSEN, Provençal Philology and the Poetry of Guillaume of Poitiers (Études romanes de l'Université d'Odense, 14); Odense 1983; provenzalischer Text und französische Übersetzung in: Jean Charles PAYEN, Le Prince d'Aquitaine. Essai sur Guillaume I X , son œuvre et son érotique, Paris 1980. „Hic audax fuit et probus nimiumque iocundus, facetos etiam histriones facetiis superans multiplicibus" (Hist. Eccl. 10,20; ed. CHIBNALL V,324; s.o. Kap. 3, bei Anm. 2 9 ) . „Comes Pictavensis, qui et dux Aquitanus, avus scilicet Alienoris, prius Francorum, postea vero Anglorum reginae, cum esset in expensis profusior, et propriorum reddituum quantalibet affluentia tantae voragini nequaquam sufficeret, accepta a comité Sancti Egidii, viro pecunioso, pecunia copiosa, nobilem illi cum pertinentiis civitatem Tolosam apposuerat, atque in fata concedens, absolvendi appositi ad filium transmiserat" (Hist. Rer. Angl. 2,10; ed. HAMILTON 1,110). „... ita omne vitiorum volutabrum premebat, quasi crederet omnia fortuitu agi, non Providentia regi. Nugas porro suas, falsa quadam venustate condiens, ad facetias revocabat, audientium rictus cachinno distendens" (Gesta Reg. Angl. 5, § 4 3 9 [ M P L 179,1384f.]).
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J. MARKALE, Eleonore von Aquitanien. Königin von Frankreich und England. Leben und Wirkung einer ungewöhnlichen Frau im Hochmittelalter, Tübingen 1980 (franz. Orig.: La vie, la légende, l'influence d'Aliénor comtesse de Poitou, duchesse d'Aquitaine, Reine de France, puis d'Angleterre, Dame des Troubadours et des bardes bretons, Paris 1979); ebd. 27. MARKALES Vermutungen und Assoziationen sind zum Teil sehr interessant und anregend, jedoch über weite Strekken hin romanhaft und phantastisch. Die Versuchung, die Lücken historischen Nichtwissens durch phantastische Spekulationen auszufüllen, ist im Falle Eleonores besonders groß, wie etwa der Roman von Tanja KINKEL: Die Löwin von Aquitanien, München 1991 (Lizenzausg. Bindlach 1996) beweist. Durch ein hohes Maß nüchterner Sachlichkeit und einfühlsamer Interpretation der Quellen zeichnet sich dagegen das Werk von Daniela LAUBE: Zehn Kapitel zur Geschichte der Eleonore von Aquitanien, Bern-Frankfurt M.-New York 1984, aus. Zum Charakter Wilhelms IX. von Aquitanien bemerkt LAUBE (o. c. 26): „Es ist deshalb wichtig, sich mit den Eigenschaften Wilhelms IX. auseinanderzusetzen, weil Eleonore später ähnliche Anlagen zeigt. Sie scheint etwas von dem Temperament ihres Grossvaters geerbt zu haben oder aber durch ihn in ihrer Kindheit beeinflusst worden zu sein"; ähnlich schon Elizabeth A.R. BROWN (Eleanor of Aquitaine: Parent, Queen, and Duchess, in: William W. KLBLER [Hrsg.], Eleanor of Aquitaine. Patron and Politician, Austin and London 1976, 9-34; ebd. 11): „It is worth dwelling on the deeds and characteristics of William IX, since his actions and attitudes seem to have affected Eleanor as both child and adult." - Einen nützlichen Uberblick über die äußeren Lebensumstände Eleonores gibt Karl Rudolf SCHNITH in der kurzgefaßten Biographie: Eleonore von Aquitanien. Königin Frankreich und von England, in dem von ihm kürzlich herausgegebenen Sammelband: Frauen des Mittelalters in Lebensbildern (o. Kap. 1, Anm. 17), 215-235 Wilhelm von Malmesbury, Gesta Reg. Angl. 5, § 439 (MPL 179,1384). PAYEN (Prince, 47) meldet Zweifel an der tatsächlichen Existenz dieses „Klosters" an. PAYEN, 74; JENSEN, 17f.
S. o. Anm. 4! PAYEN, 82; JENSEN, 73f. - Eine ausführliche Interpretation des vierten Gedichts „Farai un vers de dreyt nien" (Ich will einen Vers über überhaupt nichts machen) und eine Analyse seiner kunstvollen Komposition gibt Dietmar RIEGER, Der vers de dreyt nien Wilhelms IX. von Aquitanien: rätselhaftes Gedicht oder Rätselgedicht? Untersuchung zu einem „Schlüsselgedicht" der Trobadorlyrik. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Kl. 1975, 3, Heidelberg 1975. 10 „Nam fuit ante Helenam cunnus taeterrima belli / causa" (Horaz, Serm. 1,3,107). 11 S.o. Anm. 4! 12 S. den bemerkenswerten Bericht Sugers von Saint-Denis (in dem Bernhard nicht erwähnt ist!): Vita Ludovici Grossi (MPL 186,1255-1340; ebd. 2330f.); vgl. auch Ep. 127 Bernhards von Clairvaux (S. Bernardi Opera, ed. J. LECLERCQ, H. ROCHAIS, 7, R o m 1974, 320f.).
13 S. Bernardi Vita prima, Liber secundus auctore Ernaldo (MPL 185,267-302; ebd. 290). 14 So etwa MARKALE, Eleonore (o. Anm. 5), 34: „Nach guter aquitanischer Familientradition wehte um Eleonore stets ein gewisser antiklerikaler Hauch." 15 Ordericus Vitalis, Hist. Eccl. 13,30 (ed. CHIBNALL 6,480); vgl. ebd. 13,26 (ed.c. 6,466).
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Anmerkungen
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S. hierzu LAUBE, Zehn Kapitel (o. Anm. 5), 27f. „Deinde feria V I parasceue V idus Aprilis sacra communione munitus est, et ante aram beati apostoli uenerabiliter defunctus est. Filiam vero suam Ludouico iuueni Francorum regi in coniugem dari praecepit, ipsumque regem totius iuris sui heredem constituit. Q u o d ita postea factum est" (Hist. Eccl. 13,30; ed. c. 6,480/ 482); „Cumque Castrum Bestisiacum [Béthisy bei Compiègne] pervenisset [seil, rex Ludovicus], celeriter subsecuti sunt eum nuntii Guillelmi ducis Aquitaniae, denuntiantes eumdem ducem ad Sanctum Jacobum peregre profectum in via demigrasse. Sed antequam iter aggrederetur, et etiam in itinere, moriens filiam nobilissimam puellam nomine Alienor desponsandam, totamque terram suam eidem retinendam et deliberasse et dimisisse. Qui communicato cum familiaribus Consilio, solita magnanimitate gratanter oblata suscipiens, charissimo filio Ludovico eam copulari promittit" (Suger, Vita Ludovici Grossi; M P L 186,1338).
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Suger, Vita Ludovici Grossi ( M P L 186,1333f.); Ordericus Vitalis, Hist. Eccl. 13,12 (ed. CHIBNALL VI,422). Suger, ebd. 1339f. S. bes. Abaelard, Hist. Cal., c. 6 ( M P L 178, 128): „Et si qua invenire liceret carmina, essent amatoria, non philosophiae secreta. Quorum etiam carminum pleraque adhuc in multis, sicut et ipse nosti, frequentantur et decantantur regionibus, ab his maxime, quos vita similis oblectat." Zu Eleonores in der Forschung lange überschätztem Einfluß auf die Dichtung vgl. den Abschnitt: „Eleonore und die höfische Literatur" bei M . - R . JUNG, Art. E. (Aliénor), in: Lex. Ma. 3 (1986), 1805-1808. Uber höfische Literatur und Kultur im Zeitalter Eleonores berichtet umfassend: Reto R. BEZZOLA, Les origines et la formation de la littérature courtoise en Occident (500-1200). III. La société courtoise: Littérature de cour et littérature courtoise. 2 Bde. (Bibliothèque de l'École des Hautes Études, 319. 320), Paris 1963.
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Vita Ludovici Grossi ( M P L 186,1338); s.o. Anm. 17! Ep. 57 ( M P L 186,1378): „De regina coniuge vestra audemus vobis laudare, si tarnen placet, quatenus rancorem animi vestri, si est, operiatis, donee D e o volente ad proprium reversus regnum et super his et super aliis provideatis." Libellus de consecratione ecclesiae a se aedificatae et translatione corporum S. Dionysii ac sociorum eius ( M P L 186,1239-1254); Liber de rebus in administratione sua gestis (ebd. 1211-1240); die Weiheinschrift (ebd. 1229): Annus millenus et centenus quadrugenus Quartus erat Verbi, quando sacrata fuit. S. dazu vor allem: O t t o CARTELLIERI, Abt Suger von St. Denis (1081-1151) (Hist. Studien, 11). Berlin 1898; Sumner McKnight CROSBY, Abbot Suger's St.Denis. The N e w Gothic, in: Acts of the 20th International Congress of History of Art 1, Princeton 1936, 85-91; DERS., L'Abbaye royale de Saint-Denis, Paris 1953 (Nachdr. 1960); DERS., Abbot Suger's Program for his new Abbey Church, in: Timothy Gregory VERDON (Hrsg.), Monasticism and Arts, Syracuse, N e w Y o r k 1984, 189-206; DERS., The Royal Abbey of Saint-Denis from Its Beginnings to the Death of Suger, 4 7 5 - 1 1 5 1 , N e w Haven and London 1987; Paul FRANKL, T h e Gothic: Literary Sources and Interpretations through eight Centuries, Princeton 1960; DERS., Gothic Architecture, Harmondsworth u.a. 1962, 2 7 30; 3 4 - 3 6 ; O t t o VON SIMSON, Die gotische Kathedrale. Beiträge zu ihrer Entstehung und Bedeutung, Darmstadt 1968, 9 3 - 2 0 2 ; Erwin PANOFSKY, Abt Suger von St.-Denis, in: DERS., Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 1975, 1 2 5 -
S. 4 6 - 5 0
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166; zu der Frage jetzt ausführlich: Christoph MARKSCHIES, Gibt es eine „Theologie der gotischen Kathedrale"? Nochmals: Suger von Saint-Denis und Sankt Dionys vom Areopag. Abh. der Heidelberger Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. Jg. 1995, 1. Abh., Heidelberg 1995; der Autor kommt (m.E. letztlich nicht mit überzeugenden Gründen) zu einer negativen Beantwortung der Frage; ausführliche, jedoch nicht vollständige, Bibliographie ebd. 7 0 - 8 0 . E.S. GREENHILL, Eleanor, Abbot Suger, and Saint-Denis, in: W.W. KIBLER (Hrsg.), Eleanor (o. Anm. 5), 81-113; bes. 82. 87-90; „It is only logical and consonant with what we know of medieval practice that the king and queen of the Franks should have substantially supported the reconstruction of the royal abbey, which had been for centuries closely associated with the ruling dynasty" (ebd. 82). „Videres reges et principes, multosque viros praecelsos, imitatione nostra dígitos manuum suarum exannulare, et annulorum aurum et gemmas margaritasque pretiosas ob amorem sanctorum martyrum eidem tabulae infigi praecipere" (Admin, c. 31; M P L 186,1231). „Ipse dominus rex Ludovicus et regina coniux eius Aanor, et mater eius, et regni optimates perendie adventarunt" (De cons.: M P L 186,1250). „Vas quoque aliud, quod instar iustae berilli aut cristalli videtur, cum in primo itinere Aquitaniae regina noviter desponsata domino regi Ludovico dedisset, pro magno amoris muñere nobis earn, nos vero sanctis martyribus dominis nostris ad libandum divinae mensae affectuosissime contulimus. Cuius donationis Seriem in eodem vase gemmis auroque ornato, versiculis quibusdam intitulavimus: H o c vas sponsa dédit Aanor regi Ludovico, Mitadolus avo, mihi rex, sanctisque Sugerus. Abbildungen des Gefäßes in: A m y KELLY, Eleanor of Aquitaine and the Four Kings, London 1952, neben S. 18; Les merveilles du Louvre I, Paris 1958, 240; Marion MEADE, Eleanor of Aquitaine. A Biography, London 1978, nach S. 200; ausführliche Beschreibung und Aufnahmen von Details in: Le trésor de SaintDenis. Musée du Louvre, Paris 12 mars-juin 1991, Paris 1991, 168-172 (Nr. 27). Mitadolus ist entweder ein arabischer Fürst, oder, nach einer neueren Hypothese, der König Abd al-Malik Imad al-dawla von Saragossa, der 1120 an der Seite Alfons' I. von Aragon ( f 1134) und Wilhelms I X . von Aquitanien in der Schlacht von Cutanda gegen seine muslimischen Glaubensgenossen, die Almoraviden, kämpfte (ebd. 170). Ep. 2 2 0 - 2 2 3 (S. Bernardi Opera, ed. J . LECLERCQ, H . ROCHAIS, 7, R o m 1977, 82-90). Ep. 221 (ed. c. 85); der gleiche Vorwurf auch Ep. 224, wo er sich bei dem Kardinalbischof Stephan von Palestrina über den König beschwert (ed. c. 93). Epistolae Sugerii Abbatis S. Dionysii ( M P L 186,1347-1440); s. bes. Ep. 9 . 1 1 . 1 7 . 41. 5 3 - 5 6 . 60. 86. 100 (ebd. 1351f. 1355. 1369. 1375-1377. 1379. 1391. 1398); vgl. auch O d o von Deuil, Lud. V I I prof. lib. II ( M P L 185,1209): „Nescio tarnen si comes Rodulfus, qui tunc excommunicatus erat, debeat a communione nostri sermonis excludi, qui (ne vobis duobus [nämlich Suger und dem Erzbischof Samson von Reims] deesset gladius saecularis) tertius additus est, ut triplex funiculus difficile rumperetur." Der hier Angesprochene ist Suger, und es ist anzunehmen, daß ihm beide Kollegen zur Verwaltung des Königreichs auf seinen Rat und mit seinem Einverständnis zugesellt wurden. „Qua fronte, obsecro, tantopere aliis praescribere de consanguinitate laborat, homo cum sua (quod palam est) tertio ferme consanguinitatis gradu permanens
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Anmerkungen consobrina?" (Ep. 224; ed. c. 8,93). Entgegen Bernhards Darstellung waren Ludwig VII. und Eleonore nicht im dritten, sondern im fünften und sechsten Grad miteinander verwandt, was allerdings für die Frage der Gültigkeit der Ehe keine Rolle spielte. Sie stammten beide über mehrere Linien von dem König Robert dem Frommen (T 1033) ab; s. den Stammbaum bei R.L. POOLE in der Einleitung seiner Edition der Papstgeschichte des Johannes von Salisbury, S. X X V I I .
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KELLY, Eleanor (o. Anm. 28), 19; s. o. bei Anm. 13! S. Bernardi Vita prima. Liber IV auctore Gaufrido, c. 3,18 (MPL 185,332). Ioannis Saresberiensis Historiae Pontificalis quae supersunt ed. Reginald L. P o o LE, Oxford 1937; Ioannis Saresberiensis Historia Pontificalis. John of Salisbury's Memoirs of the Papal Court. Translated from the Latin with Introduction and Notes by Marjorie CHIBNALL, London u. a. 1956; ebd. 12f. Innocenz II. (1130-1143); Coelestin II. (1143-1144); Lucius II. (1144-1145). Vgl. 1 Cor 7,39: „Mulier alligata est, quanto tempore vir eius vivit. Q u o d si dormierit vir eius, liberata est; cui vult, nubat, tantum in Domino." Er war ein enger Vertrauter der Erzbischöfe Theobald und Thomas von Canterbury. A m 22. Juli 1176 kam eine Delegation des Domkapitels von Chartres nach Canterbury, um ihm seine Wahl zum Bischof mitzuteilen und ihn abzuholen: Gervasii Monachi Cantuariensis Opera histórica: The Historical Works of Gervase of Canterbury. Vol. I: The Chronicle of the Reigns of Stephen, Henry II., and Richard I., by Gervase, the Monk of Canterbury, ed. by William STUBBS (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores [73,1]), London 1879, 259; H.-W. GOETZ, Art. J. v. Salisbury, in: Lex. Ma. 5 (1991), 599-601; Klaus GUTH, Johannes von Salisbury. Studien zur Kirchen-, Kultur- und Sozialgeschichte Westeuropas im 12. Jahrhundert (Münchener theol. Stud. 1/10), St. Ottilien 1978; zur wissenschaftlichen und literarischen Bedeutung Johannes von Salisburys vgl. vor allem: Ernst Robert CURTIUS, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern und München '1967, passim s. η. Odonis de Diogilo De Ludovici VII Francorum Regis cognomento Iunioris profectione in Orientem cui ipse interfuit Opus Septem libellis distinctum (MPL 185,12051246); ebd. 1267. S. Bernardi Vita prima lib. VI/1,4 (MPL 185,381f.). Der Autor des Berichts über die Ereignisse in Frankfurt und Speyer ist der Mönch Philipp von Clairvaux, der seinen Abt auf dieser Reise begleitete und folglich Augenzeuge war. Vgl. vor allem: Wilhelm von Tyros, Hist. 16,14-16 ( C C C M 63A,734-738). S. auch die Würdigung der Persönlichkeit Nur-ed-Dins (Imad ed-Din Zengi) bei R. PÖRTNER, Operation (o. Kap. 3, Anm. 24), 342f. 348f. Hist. Pont. ed. CHIBNALL, 54-56. O d o von Deuil, D e Lud. VII prof. (o. Anm. 39) 1 (MPL 185,1208). „Interim mater eius, et uxor, et innumeri alii ad Beatum Dionysium praecurrunt ... Deinde sumpto vexillo desuper altari, et pera, et benedictione a summo pontífice, in dormitorium monachorum multitudini se subducit. N o n enim patiebantur moras oppressio populorum et mater et uxor, quae inter lacrimas et calorem pene spiritum exhalabant" (Odo, D e Lud. VII prof.: M P L 185,1210). Hist. Rer. Angl. 1,31 (ed. HOWLETT [O. Kap. 3, Anm. 9] I,92f.): „ Q u a e nimirum ita sibi in principio iuvenis animum formae suae venustate praestrictum devinxerat, ut illius famosissimae expeditionis iter arrepturus, dum uxorem iuvenculam vehementius aemulatur, eam nequaquam domi esse relinquendam, sed secum ad proelia proficisci decerneret. Q u o d exemplum secuti multi alii nobiles, uxores suas secum duxerunt: quibus cum cubiculariae deesse non possent, in castris illis
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Christianis, quae casta esse oportebat, foeminarum multitude) versabatur. Quod utique factum est exercitui nostro in scandalum, ut superius ostensum est." Vgl. auch ebd. 1,20 (ed. c. 66): „Castra enim a castratione luxuriae dicuntur. At castra illa nostra casta non erant: in quibus utique infelici quadam licentia multorum spumabant libídines." 46
D e consideratione I I , L , l - 3 ( e d . LECLERCQ-ROCHAIS 3 , 4 1 0 - 4 1 3 ) ; vgl. O t t o v o n
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Wilhelm von Tyros, Chron. 16,23 (CCCM 63A,747); Odo von Deuil, Lud. VII prof. lib. III (MPL 185,1221f.). Odo von Deuil, 1. c. (MPL 185,1218). „Episcopus vero Lingonensis eorum fidem improbans, contemnnens obsequia, prophetans mala, quae postea sensimus, urbem capi suadebat. Muros fragiles, quorum magna pars ante nostros corruit, inertem populum, sine mora vel labore, ruptis conducibus, dulces aquas posse subtrahi comprobabat. Dicebat vir ille prudens animo, religione sacer, quod capta illa civitate non esset necessarium alias expugnare, quia gratuitum possidenti caput earum praeberent obsequium" (Odo, ed. c. 1223). Über die Legenden mit oder ohne historischen Kern, die sich um Eleonore rankten, s. bes.: Frank McMinn CHAMBERS, Some Legends concerning Eleanor of Aquitaine. Speculum 16 (1941), 459-468. Über seinen tapferen Einzelkampf gegen eine Übermacht türkischer Bogenschützen berichtet Odo von Deuil am Ende seines sechsten Buches (MPL 185,1238). Über die politischen Pläne Raimunds und die Erwartungen, die er mit der Ankunft Ludwigs VII. verband, s. vor allem: Wilhelm von Tyros, Chron. (o. Kap. 3, Anm. 1) 16,27 (CCCM 63 A, 754f.); über die Vorfälle in Antiochien insgesamt ausführlich: LAUBE, Zehn Kapitel (o. Anm. 5), 38-46. Hist. Pont. 23 (ed. CHIBNALL, 52f.). „Hoc ille, vel quia reginam oderat, vel quia sic sentiebat, divulgata fortasse motus opinione" (Johannes von Salisbury, Hist. Pont. 23; ed. CHIBNALL, 53). Chron. 16,27 (CCCM 63 A,755). Über Wilhelm von Tyros als Geschichtsschreiber: A.C. KREY, William of Tyre. The Making of an Historian in the Middle Ages. Speculum 16 (1941), 149-166; R.C. SCHWINGES, Kreuzzugsideologie und Toleranz. Studien zu Wilhelm von Tyrus, Stuttgart 1977. „Postquam reversus est rex Franciae Lodovicus a peregrinatione Jerosolimitana, orta est quaedam discordia inter ipsum et reginam suam Alianor ex quibusdam forte quae melius tacenda sunt quae in illa peregrinatione contigerunt": Gervasi-
Freising, Gesta Frederici 1,66 (Ottonis Episcopi Frisingensis et Rahewini Gesta Frederici seu rectius Cronica, ed. Franz-Josef SCHMALE, Darmstadt 1965,
270/271).
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us, C h r o n . , ed. STUBBS (O. A n m . 38), 149.
„Abstracta ergo coacta est cum rege Ierosolimam proficisci, et in cor utriusque vicissim altius ascenderat et, licet dissimularent ut poterant, manebat iniuria" (Hist. Pont. 23; ed. CHIBNALL, 53). 58 „Sed redeunti galee imperatoris Constantinopolitani tetenderunt insidias, a quibus et regina capta est et alii qui in eius vehebantur navi. Rex eciam conventus ut rediret ad fratrem suum et amicum Constantinopolitanum, et iam vis parabatur" (Hist. Pont. 28; ed. CHIBNALL, 60). 59 Zur Datierung und den Orten der Landung s.: R. L. POOLE in der Einleitung seiner Edition der Papstgeschichte von Johannes von Salisbury, S. XXVIIIf. 60 Vgl. Ludwigs Brief an Suger, Ep. 96 (MPL 186,1395f.).
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Anmerkungen
61 Hist. Pont. 29 (ed. CHIBNALL, 61f.). 62 S. insbesondere den Brief, den Ludwig unmittelbar nach seiner Ankunft in Antiochien an Suger schrieb (Ep. 39; MPL 186,1366): „Et quoniam pecunia nostra in multis et variis expensis non mediocriter imminuta est, omnino nobis necessarium est, ut ad colligendam eam studiosius intendatis, et quam citius poteritis per fideles nuntios quidquid coadunatum fuerit nobis mittere festinetis. Omnino namque negotium Christi prosequi nisi in multis expensis et in multo labore non valemus"; vgl. auch Ep. 50 (MPL 186,1374f.) und Ep. 52 (ebd. 1375). 63 So auch LAUBE, Zehn Kapitel, 48. 64 „Cumque idem rex ab oriente una cum coniuge, non sine infecti negotii dedecore, ad propria fuisset reversus, amore pristino inter eos paulatim refrigescente, causae quoque discidii succrescere coeperunt; illa maxime moribus regiis offensa, et causante se monacho, non regi nupsisse" (Hist. Angl. 1,31; ed. HOWLETT 1,93). 65 „Orta simultate inter regem Francorum Ludovicum et uxorem eius, congregatis religiosis personis in quadragesima apud Balgenceium, dato sacramento coram archiepiscopis et episcopis, quod consanguinei essent, separati sunt auctoritate christianitatis" (Roberti de Monte Chronica: MPL 160,468). 66 S. o. bei Anm. 35-38. 67 „Divortio itaque inter regem Lodovicum et reginam suam Alianor labore multo et artificioso iuramento in facie ecclesiae solempniter celebrato ..." (Chron., ed. STUBBS [O. A n m . 56], 149).
68 „Quae, missis clanculo ad ducem nuntiis, liberam et absolutam se nuntiat esse, et ad matrimonium contrahendum ducis animum stimulât" (Gervasius von Canterbury, 1. c. ). 69 Er war im März 1133 in Le Mans geboren worden: Ralph von Diss, Abbreviationes Chronicorum, ed. W. STUBBS (Rer. Brit. Med. Aev. Script. [68/1]), London 1876,246. 70
S. J. DAOUST, A r t . F o n t e v r a u l t , in: D H G E 17 (1971), 9 6 1 - 9 7 1 ; J . - M . BIENVENU,
Art. Fontevrault, in: Lex. Ma. 4 (1989), 627-629; H. FELD, Art. Robert von Arbrissel, in: BBKL 8 (1994), 434-437. 71 Die erhaltene Gründungsurkunde von Cluny ist datiert auf den 11. September 909; über die Gründung von Cluny eingehend: PACAUT, Ordre (o. Kap. 1, Anm. 13), 4 9 - 7 1 .
72 Recueil des Actes de Henri II Roi d'Angleterre et Duc de Normandie concernant les provinces françaises et les affaires de France. Œuvre posthume de Léopold DELISLE, rev. et pubi, par Élie BERGER, 3 Bde. (Chartes et Diplômes relatifs à l'histoire de France [7,1-3]), Paris 1916-1927; ebd. 1,3If. (Nr. 24): „Sciant universi sánete matris Ecclesie filii, tam presentes quam futuri, quod ego Alienordis, gratia Dei Pictavorum comitissa, postquam a domino meo Lodovico, videlicet serenissimo rege Francorum, causa parentele disiuncta fui, et domino meo Henrico, nobilissimo Andegavorum consuli, matrimonio copulata, divina illustratione tacta, sanctarum virginum Fontis Ebraudi congregationem visitare concupivi, et quod mente habui, opitulante gratia Dei, opere compievi. Veni enim, Deo ducente, apud Fontem Ebraudum, et capitulum supradictarum virginum ingressa sum, ibique corde compuncta, laudavi, concessi et confirmavi quicquid pater meus et antecessores mei Deo et ecclesie Fontis Ebraudi dederant, et precipue illam elemosinam quingentorum solidorum Pictavensis monete, sicut dominus meus Ludovicus, Francorum rex, tunc temporis maritus meus, et ego quondam dederamus, secundum quod sua et mea scripta prelocuntur et ostendunt, omni
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prorsus occasione remota et absque ulla contradictione, deinceps imperpetuum habendam similiter concessi. Huius rei testes sunt: Saildebroil dapifer meus, Josbertus Absque terra, Paganus de Rocha Forti et frater eius Nivardus, U g o de Longo Campo, Petrus Roognardus, Robertus de Monte Forti, Radulfus de Faia, magister Matheus. Actum est hoc in presentía domine Mathildis abbatisse, in communi capitulo sanctimonialium, anno ab incarnatione Domini M C L I I " , regnante Lodovico rege Francorum, Gisleberto Pictavorum episcopo, et Henrico Pictavorum et Andegavorum imperium gubernante." - N o c h im Jahre 1185 bestätigte Heinrich II. Fontevraud auf Bitten seiner Gemahlin jährliche Einkünfte aus Ländereien von insgesamt 2000 Solidi „für das Heil meiner und ihrer und unserer Kinder Seelen" (ebd. II,270f. [Nr. 655]). - Auf den „persönlichen Akzent" der Urkunde Eleonores hat bereits Régine PERNOUD hingewiesen (Königin der Troubadoure, München 14 1996, 85). Gervasius von Canterbury, ed. STUBBS, 149f.; Marcel PACAUT, Louis V I I et son royaume, Paris 1964, 6 3 - 6 5 . „Hoc autem factum est subtilissima Providentia et perquisitione cuiusdam T h o mae clerici natione Londoniensis; pater eius Gilebertus, mater vero Matildis vocabatur" (Gervasius, ed. c., 150). Gervasius von Canterbury, ed. c., 157-159; Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 1,30. 32 (ed. HOWLETT 1,90-92. 95). Gervasius, ed. c., 149; Wilhelm, ed. c. 11,87. Gervasius, ed. c., 159f. Gervasius, ed. c., 219; Wilhelm, Hist. Rer. Angl. 2,25 (ed. c., 160). „Erat autem his diebus Thomas Cantuariensis archidiaconus et regis cancellarius in Anglia potentisssimus, in omnium oculis gloriosus, sapientia praeclarus, nobilitate cordis omnibus admirabilis, inimicis et aemulis suis terribilis, utpote regis amicus et in regno secundus, sed et regis rector et quasi magister" (Gervasius, ed. c., 169). Gervasius, ed. c., 2 2 4 - 2 2 7 ; vgl. Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 2,25 (ed. HOWLETT 1,160-165); Ralph von Diss, Ymagines Historiarum (ed. W. STUBBS), 343f. Ausführliche Schilderung der Rebellion bei Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 2,27-38 (ed. HOWLETT 1,169-198). „Regina vero Alienor, cum mutata veste muliebri recessisset, apprehensa est, et sub arta custodia reservata. Dicebatur enim quod ex machinatione ipsius et Consilio omnia haec parabantur. Erat enim prudens femina valde, nobilibus orta natalibus, sed instabilis" (Gervasius, ed. c., 242f.). Auch Ralph von Diss sind Nachrichten oder Gerüchte bekannt, nach denen Eleonore die Verschwörung angestiftet haben sollte (Ymag. Hist.; ed. c., 350). „Rex enim suam exosam habens reginam, quam sub munitissimi oppidi teneri fecit custodia, eo quod supradicta persecutio ex ipsius reginae Consilio emanasse dicebatur, omni conatu divortium moliri videbatur. Ideoque et praedictum legatum dicebatur evocasse, eumque blanditiis et donis subnervavit. Legatus quoque, plus regis quam gregis vel veritatis gratiam quaerens, in primis legationis suae vestigiis annuit regi, ut pro captis bestiolis clericos implacitaret. Ecce quam tristi initio et enormi exemplo Romanae cardinalis ecclesiae et legatus suam exorsus est agriculturam ... Sed quid, quod non faciat ,auri sacra fames'?" (Gervasius, ed. c., 257; vgl. Vergil, Aen. 3,57.). Gervasius, ebd. 326; Heinrich der Löwe war am 15. Januar 1180 in Würzburg des Herzogtums Sachsen für verlustig erklärt und anschließend für sieben Jahre aus
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Anmerkungen Deutschland verbannt worden; vgl. u. a. die Chronik Rogers von Howden ( H o veden), ed. W . STUBBS, II, London 1 8 6 9 , 1 9 9 - 2 0 1 . „Ipse vero incontinenti percussus expalluit et dissolutus est et male interiit II d ° nonas Julii apud Chinum, et apud Fontem Ebraudi miserabiliter sepultus est, ut prae pudore regio caetera taceantur" (ebd. 449). „... infra septimum diem post imprecationem monachi male mortuus et ignominiose sepultus est" (ebd.). E.A.R. BROWN, Eleanor (o. Anm. 5), 20. Recueil des Actes de Henri II, II,270f. (Nr. 655); s. o. Anm. 72. Wilhelm, Hist. Rer. Angl. 3,25 (ed. HOWLETT I,278f.). Ebd. 278. Ebd. 279. Gervasius, Chron., ed. STUBBS, 457. „Verum ille vel minus iam eos acceptans quam pater, vel nescio quid praecavens, superstitiosa quadam de Consilio quorundam cautela, edicto, ut dicitur, interdixit eis ingressum vel ecclesiae dum coronaretur, vel palatii dum post coronationis sollemnia convivaretur" (Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 4,1 [ed. HOWLETT I,294f.]). „Res quidem recentis memoriae est, nullique ignota praesentium; sed operae pretium est pleniori relatu transmittere ad posteros tarn perspicui circa gentem perfidam et blasphemam superni iudicii monumentum" (ebd.) „ H o c inaudito regiae civitatis eventu, et egregie inchoato perfidae gentis exitio, et nova Christianorum contra inimicos crucis Christi fiducia, insignitus est regni illustrissimi regis Ricardi dies primus ... Quid enim aptius portendit, si quid portendit, quod regiae consecrationis eius diem pariter et locum blasphemae gentis nobilitavit exitium, quod in ipso regni eius exordio hostes Christianae fidei coeperunt iuxta eum cadere et infimari?" (ebd. 297). „Res Eboracae acta mature trans mare defertur ad principem; qui Judaeis, post motum Londoniensem, pacem et securitatem in regno suo lege sanciverat. Indignatur et frémit, tum pro laesione regiae maiestatis, tum pro magna fisci iactura; fisco enim competit quidquid Judaei, quos foeneratores constat esse regios, in bonis habere videntur" (ebd. 323).
Ein ausführliches Diarium von Richards Fahrt entlang der Küste des Tyrrhenischen Meeres von Marseille bis Salerno (7.-28. August 1190) gibt Roger von Howden (ed. STUBBS 111,39-41). Die Strecke von Salerno bis Messina (13.-23. September 1190) scheint der König überwiegend auf dem Landweg zurückgelegt zu haben. 98 Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 4,12 (ed. HOWLETT I,324f.); Roger von Howden, Chron. (ed. STUBBS 111,56-60). 99 Nach der dem Benedikt von Peterborough zugeschriebenen Chronik wollte Richard Alice nicht mehr als Frau haben, weil bereits sein Vater Heinrich II. mit ihr ein Liebesverhältnis gehabt hatte: The Chronicle of the Reigns of Henry II. and Richard I., ed. W. STUBBS, 2 Bde. (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores [49,1. 2]), London 1867; ebd. II,160f. 100 Wilhelm, o. c., 346; vgl. auch: Itinerarium Regis Ricardi 2,26: Chronicles and Memories of the Reign of Richard I. Vol. I: Itinerarium Peregrinorum et Gesta Regis Ricardi, ed. William STUBBS (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores, 38/1), London 1864, 174f. 101 Roger von Howden, Chron. (ed. STUBBS 111,75-86); bei Benedikt von Peterborough ist es, im Unterschied zu der Darstellung Rogers, Richard, der den Ver-
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dacht äußert, der zur Zeit regierende Papst Clemens III. (1187-1191) sei der Antichrist: „Cui rex ait, ,Si Antichristus in Roma natus est, et ibi sedem apostolicam possidebit, scio quod ipse est ille Clemens qui modo papa est.' Haec autem dicebat, quia papam illum odio habebat" (Chronicle, ed. STUBBS, 11,154). Wenn an dieser Version etwas Wahres ist, dann handelt es sich wohl um einen übermütigen Scherz, den der König im Verlaufe des angeregten Gesprächs mit Joachim machte, „weil er diesen Papst nicht leiden konnte", nicht um eine ernstgemeinte Feststellung. Zur Begegnung Richards mit Joachim vgl. auch: Bernard MCGINN, The Calabrian Abbot. Joachim of Fiore in the History of Western Thought, New York 1985,26. Itinerarium Regis Ricardi 2,27 (ed. c., 180). Itinerarium Regis Ricardi 2,40 (ed. c., 203). Saladin hatte Akkon am 9. Juli, Jerusalem am 3. Oktober 1187 erobert: Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 3,18 (ed. HOWLETT, I,259f.). Nach dem Chronisten Otto von St. Blasien war es Richard selbst, der Leopolds Banner von einem Turm herunterholen und auf dem Boden zertrampeln ließ: Ononis de Sancto Biasio Chronica, ed. Adolfus HOFMEISTER (MGH SS Rer. Germ. [41]), Hannover und Leipzig 1912, 54f.; auch Gervasius von Canterbury spricht von einem direkten Befehl des Königs, die Standarte von dem Palast Leopolds herunterzuholen: Chron., ed. STUBBS (Rer. Brit. Med. Aev. Script. 73/1), 514; nach Richard von Devizes geschah der Akt „wenn auch nicht auf Befehl, so doch mit dem Willen des beleidigten Königs": Ex Ricardi Diviensis Chronicis de Gestis Ricardi I (MGH SS 27,75-80; ebd. 79f.); zu dem ganzen Vorgang: Heinrich FICHTENAU, Akkon, Zypern und das Lösegeld für Richard Löwenherz, in: DERS., Beiträge zur Mediävistik [I], Stuttgart 1975,239-258. Ausführliche Beschreibung der kriegerischen Ereignisse und der diplomatischen Verhandlungen zwischen Richard und Saladin: Steven RUNCIMAN, Geschichte der Kreuzzüge III, München 1969, 53-76; John GlLLlNGHAM, Richard Löwenherz. Eine Biographie, Düsseldorf 1981,181-235. Itinerarium Regis Ricardi 6,37 (ed. c., 44If.). Ebd. 443; Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 4,31 (ed. HOWLETT 1,383). It. Reg. Ricardi 5,27 (ed. c., 341). Ebd. 6,37 (ed. c., 444f.); Foedera, Conventiones, Litterae, et cujuscunque generis Acta publica inter Reges Angliae et alios quosvis Imperatores, Reges, Pontífices, Principes, vel Communitates ab ingressu Gulielmi I. in Angliam, A.D. 1066, ad nostra usque tempora habita aut trattata, cura et studio Thomae RYMER et Roberti SANDERSON VI, London 1816,61. Vgl. etwa GlLLlNGHAM, Richard (o. Anm. 103), 244. Über das politische Tauziehen in dieser Zeit s. bes.: GlLLlNGHAM, Richard, 246261.
113 Chronicles and memorials of the Reign of Richard I. Vol. II: Epistolae Cantuarienses. The Letters of the Prior and Convent of Christ Church, Canterbury. From A. D. 1187 to A. D. 1199, ed. W. STUBBS (Rer. Brit.Med. Aev. Scriptores [38,2]), London 1865, 362-364 (Nr. 398-401). 114 Ebd. Ep. 399 (ed. c., 362f.). 115 Foedera (o. Anm. 110), 56f. 116 Fordera, 57f. 117 Foedera, 58f. 118 „Notum sit universitari vestrae, quod postquam recesserunt a nobis dilecti nostri Hubertus venerabilis episcopus Sarisbiriensis, et Willielmus de sanctae Mariae ec-
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Anmerkungen desia protonotarius noster, venit ad nos carissimus cancellarius noster Willielmus Eliensis episcopus: et eo inter dominum Imperatorem et nos fideliter interloquente, eo usque res pervenit, quod de castello de Trivellis, in quo detinebamur, obviam venimus Imperatori apud Hagenou, ubi honorifice ab ipso Imperatore et tota curia recepti fuimus. Ibique dominus Imperator et domina Imperatrix nos variis et magnis muneribus honoraverunt; et quod praecipuum est, mutuum foedus amoris et indissolubile inter dominum Imperatorem contractum est et nos; ita quod uterque nostrum alteram contra omnes viventes in jure suo obtinendo et retinendo juvare debet" (Foedera, 60).
119 Uber die politischen Hintergründe von Richards Feldzug in das Limousin und die näheren Umstände seines Todes s.: GLLLINGHAM, Richard (o. Anm. 106), 3 0 4 - 3 2 1 ; 350. 120 Von Richard ist ein Lied erhalten, das er in der Zeit seiner Gefangenschaft auf der Burg Trifels (1193) gedichtet hat; darin beklagt er sein hartes Schicksal und seine Verlassenheit; der Text des Gedichts, das mit den Versen: „Ja nus hom pris ne dira sa reson / Adroitement, s'ensi com dolans non; / Mès par confort puet il fere chançon" beginnt, in den Anthologien: LEROUX DE LLNCY, Recueil de Chants historiques français, Paris 1851, 5 0 - 5 9 (Nr. 9); La Fleur de la poésie française depuis les origines jusqu'à la fin du X V e siècle. Textes choisis par André MARY, Paris 1951, 166-199; I. M. CLUZEL, L. PRESSOUYRE, La Poésie lyrique d'Oïl. Les origines et les premiers trouvères. Textes d'études, Paris 2 1969, 1 1 7 120; englische Übersetzung bei Kate NORGATE, Richard the Lion Heart, L o n don 1924, 278f.; deutsche Übersetzung bei GlLLINGHAM, Richard, 259f. Ein weiteres Lied Richards, eine Fehdeansage an den Dauphin der Auvergne, aus seinem Todesjahr 1199 findet sich in der o. e. Sammlung von LEROUX DE LlNCY, 6 0 - 6 7 (Nr. 10): „Dalfin, jeus voill déresnier, / Vos e le comte Guión, / Q u e an en ceste seison / Vos feistes bon guerrier ..." 121 Roger von Howden, Chron. (ed. STUBBS IV,82-85); Wilhelm von Newburgh, Hist. Rer. Angl. 5,35 (ed. HOWLETT II,503f.). Gervasius von Canterbury (ed. STUBBS 1,593) macht zusätzlich eine Bemerkung über die abnorme Größe des Herzens: „Cor autem ipsius grossitudine praestans Rothomagum delatum est et honorifice tumulatum." 122 Die Grabfigur der Isabella von Angoulême ist aus Holz. Die königlichen Leichname waren im nördlichen Querhaus der Abteikirche bestattet worden, wo sich auch die Gisants befanden. 1504 wurden dieselben in das Langhaus, vor die Vierung, versetzt. 1638 wurde um sie herum eine barocke Kapelle errichtet, in der auch das Gnadenbild „Notre Dame des Rois" und die knieenden Statuen des Grafen Raimund V I I . von Toulouse und seiner Mutter Johanna von England ihren Platz fanden. Während der französischen Revolution wurde die gesamte Grabanlage demoliert und die Krypta zugeschüttet; zu Fontevraud: Alain ERLANDE-BRANDENBURG, Le „cimetière des rois" à Fontevrault, in: Congrès archéologique de France, Anjou, 127 e session (1964), 4 7 8 - 4 8 1 ; Michel MELOT, L'Abbaye de Fontevrault (Petites monographies des grands édifices de la France), Paris 1971; Wilfried HANSMANN, Das Tal der Loire. Schlösser, Kirchen und Städte im „Garten Frankreichs", Köln 1976, 2 2 1 - 2 2 7 ; Abbé POHU, Die königliche Abtei von Fontevraud, L y o n o. J . 123 Ε. PANOFSKY, Grabplastik, Köln 1964, 63. 124 S. dazu: Jochen LUCKHARDT, Grabmal und Totengedächtnis Heinrichs des L ö wen, in: Jochen LUCKHARDT, Franz NIEHOFF, Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Weifen 1125-1235. Katalog der Ausstel-
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lung Braunschweig 1995, München 1995,11,283-291; Ulrich KÖPF, Heinrich der Löwe - Herrscherliches Selbstbewußtsein und Frömmigkeit im 12. Jahrhundert, in: Gerhard MÜLLER (Hrsg.), Kirche, Frömmigkeit und Theologie im 12. Jahrhundert. Beiträge zu Heinrich dem Löwen und seiner Zeit (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, 4), Wolfenbüttel 1996, 63-88. 125 Wilhelm von Newburgh, Chron. Continuatio, c. 2f. (ed. c. II,505f.); über Blanche s. vor allem: Régine PERNOUD, La Reine Blanche, Paris 1972. 126 „Regina vero Alienor, senio et longo itineris labore fatigata, transtulit se ad abbatiam Fontis Ebraudi, et ibi remansit" (Roger von Howden, Chron., ed. STUBBS IV,114). 127 Wilhelm von Newburgh, ed. c. 11,507. 1 2 8 MARKALE, E l e o n o r e ( o . A n m . 5), 1 4 4 - 1 9 6 .
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In einem Teil der mittelalterlichen Handschriften trägt Abaelards Werk den Titel: „Abaelardi ad amicum suum consolatoria" (i. e. epistola). Die Briefe Abaelards, Heloises und einiger Zeitgenossen sind zusammengestellt in: Petri Abaelardi Operum Pars prima. - Epistolae (MPL 178,114-379). Da ein kritisches Quellenbuch von gleicher Vollständigkeit bislang fehlt, ist die bei MLGNE abgedruckte Edition nach wie vor unentbehrlich. Kritische Editionen der „Historia Calamitatum" und des Briefwechsels mit Heloise: Abélard: Historia Calamitatum. Texte critique avec une introduction publié par J. MONFRIN, Paris 1978; J.T. MÜCKLE, Abelard's Letter to a Friend (Historia Calamitatum). Mediaeval Studies 12 (1950), 163-213; DERS., The Personal Letters between Abelard and Heloise. Ebd. 15 (1953), 47-94; DERS., The Letter of Heloise on Religious Life and Abelard's Reply. Ebd. 17 (1955), 240-281; T.P. MCLAUGHLIN, Abelard's Rule for Religious Women. Ebd. 18 (1956), 241292. Deutsche Übersetzungen: Abaelard. Die Leidensgeschichte und der Briefwechsel mit Heloisa. Ubertragen und hrsg. von Eberhard BROST. Mit einem Nachwort von Walter BERSCHIN, Heidelberg 41979; Abaelard. Der Briefwechsel mit Heloise. Ubersetzt und mit einem Anhang hrsg. von Hans-Wolfgang KRAUTZ, Stuttgart 1989. Ausführliche philologisch-literaturwissenschaftliche Analyse der „Autobiographie" Abaelards und der Korrespondenz mit Heloise: Georg MISCH, Geschichte der Autobiographie III/l, Frankfurt M. 1959,523-719. Zuerst in der Edition von Caspar ORELLI: Magistri Petri Abaelardi epistola, quae est Historia calamitatum suarum ad amicum scripta. Heloissae et Abaelardi epistolae quae feruntur quattuor priores ..., Turin 1841; ORELLI nahm an, ein Freund Abaelards und Heloises habe die Briefe nach dem Tode der beiden verfaßt. B. SCHMEIDLER, Der Briefwechsel zwischen Abälard und Heloise eine Fälschung? AKG 11 (1914), 1-30; DERS., Der Briefwechsel zwischen Abälard und Heloise als eine literarische Fiktion. ZKG 54 (1935), 323-338; DERS., Der Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise dennoch eine literarische Fiction Abaelards. Rev. Bénédictine 52 (1940), 85-95; DERS., Abaelard und Heloise. Eine geschichtlich-psychologische Studie. Welt als Geschichte 6 (1940), 93-123. MPL 178,168-170; vgl. Suger, De rebus in administratione sua gestis, c. 3 (MPL 186,1214f.); Vita Ludovici Grossi (MPL 186,1317); MANSI, Coll. Cone. 21,379384.
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Anmerkungen
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MPL 178,184 Β; 186 Β. „Quod post nostram a saeculo ad Deum conversionem nondum tibi aliquid consolationis vel exhortationis scripserim, non negligentiae meae, sed tuae, de qua semper plurimum confido, prudentiae imputandum est" (MPL 178,187). Wie bereits aus diesem ersten Beispiel ersichtlich ist, beruht die gesamte Fälschungshypothese auf Mißverständnissen der Texte und falschen Übersetzungen. Die Argumente SCHMEIDLERS wurden erneut aufgegriffen von Charlotte CHARRIER, Héloïse dans l'histoire et dans la légende, Paris 1933, 3-30; zur Interpretation der in Frage stehenden Texte noch immer: Étienne GLLSON, Heloise und Abälard. Zugleich ein Beitrag zum Problem von Mittelalter und Humanismus, Freiburg Br. 1955,119-133.
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J . F . BENTON, Fraud, Fiction and Borrowing in the Correspondence of Abelard and Heloise, in: René LOUIS (Hrsg.), Pierre Abélard - Pierre le Vénérable. Les courants philosophiques, littéraires et artistiques en Occident au milieu du Χ Ι Γ siècle. Abbaye de Cluny, 2 au 9 juillet 1972 (Colloques internationaux du Centre national de la recherche scientifique, No. 546), Paris 1975,469-506. J.F. BENTON, A Reconsideration of the Authenticity of the Correspondence of Abelard and Heloise, in: Rudolf THOMAS (Hrsg.), Petrus Abaelardus (10791142). Person, Werk und Wirkung (Trierer Theol. Studien, 38), Trier 1980, 4 1 52; DERS., The Correspondence of Abelard and Heloise, in: Fälschungen im Mittelalter. Internationaler Kongreß der MGH, München, 16.-19. Sept. 1986 (MGH Schriften 33/V), Hannover 1988, 95-120; ausführlich auseinandergesetzt mit BENTONS Argumenten hat sich Piero ZERBI, Abelardo ed Eloisa: Il problema di un amore e di una corrispondenza, in: Willy VAN HOECKE and Andries WELKENHUYSEN (Hrsg.), Love and Marriage in the Twelfth Century, Leuven 1981, 130-161; sein Beitrag markiert zugleich eine Wende der Forschung über den Briefwechsel von mangelhaft begründeter Hyperkritik zu differenzierterer Analyse der Texte.
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Vgl. dafür vor allem: Peter VON Moos, Mittelalterforschung und Ideologiekritik. Der Gelehrtenstreit um Heloise, München 1974; Hubert SILVESTRE, Die Liebesgeschichte zwischen Abaelard und Heloise: der Anteil des Romans, in: Fälschungen (o. Anm. 8), 121-165. SILVESTRE, der BENTONS ursprüngliche Hypothese ausbaut, glaubt in dem Fälscher des 13. Jahrhunderts Jean de Meun oder einen seiner Gesinnungsfreunde zu erkennen. É. GlLSON, Héloise et Abélard, Paris 1938; J1964; deutsche Übers, s. o. Anm. 6. R. PERNOUD, Héloïse et Abélard, Paris 1970, 292: „La race des gens pour qui Héloïse et Abélard n'étaient pas Héloïse et Abélard, comme Jeanne d'Arc n'était pas Jeanne d'Arc, ou Christophe Colomb n'était pas Christophe Colomb, etc., n'est pas près de s'éteindre. Elle est du reste savamment entretenue par les méthodes universitaires qui habituent à se fier davantage aux déductions logiques d'une ,tête bien faite' qu'au matériau historique dans sa simplicité." Vgl. sein Nachwort zu der Ausgabe von E. BROST (o. Anm. 1) und vor allem die Bemerkung zu der Untersuchung von P. VON Moos (o. Anm. 9): „eine zum Paradefall entlarvender Literatursoziologie aufgedonnerte Abrechnung mit Étienne Gilson" (o. c. 506). P. DRONKE, Abelard and Heloise in Medieval Testimonies, Glasgow 1976; DERS., Heloise's Problemata and Letters·. Some Questions of Form and Content, in: R. THOMAS (Hrsg.), Petrus Abaelardus (o. Anm. 8), 53-73; DERS., Women Writers of the Middle Ages. A critical Study of Texts from Perpetua ( | 203) to Marguerite Porete ( f 1310), Cambridge 1984, 107-143.
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Vgl. hierzu: Mariateresa FUMAGALLI BEONIO BROCCHIERI, Heloise, die Intellektuelle, in: Ferruccio BERTINI (Hrsg.), Heloise und ihre Schwestern. Acht Frauenporträts aus dem Mittelalter, München 1991, 164-191; ebd. 190. - Die Alternative „fiktiver" und „echter Briefwechsel" zu vermeiden sucht eine Hypothese, die seit einigen Jahren vorgetragen wird: nämlich „die Annahme eines gemeinsamen schriftstellerischen Projekts von Heloise und Abaelard", einer „von Heloise und Abaelard gemeinsam entworfenen literarischen Konstruktion, die Ausdruck der im regelmäßigen Dialog erarbeiteten Reflexion der beiden" sein soll; so Peter VON MOOS, Post festum. Was kommt nach der Authentizitätsdebatte über die Briefe Abaelards und Heloises?, in: R. THOMAS (Hrsg.), Petrus Abaelardus (o. Anm. 8), 7 5 - 1 0 0 ; ebd. 82f.; Elisabeth SCHMIDT, Die Regulierung der weiblichen Rede. Zum Problem der Autorschaft im Briefwechsel Abaelard-Heloisa, in: Ingrid VON BENNEWITZ (Hrsg.), Der frauwen buoch. Versuche zu einer feministischen Mediävistik, Göppingen 1989, 8 3 - 1 1 1 ; ebd. 87f.; H . - W . KRAUTZ im Nachwort seiner Übersetzung (o. Anm. 1), 381; Béatrice ACKLIN ZLMMERMANN, Ansätze einer Intentionsethik bei Heloisa, in: DIES. (Hrsg.), Denkmodelle von Frauen im Mittelalter (Dokimion, 15), Freiburg Schw. 1994, 4 3 - 8 1 ; ebd. 45, Anm. 9; 52.
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Zur Einführung in Leben, Werke und Denken Abaelards s. vor allem: Leif GRANE, Peter Abaelard. Philosophie und Christentum im Mittelalter, Göttingen 1969; Arnold ANGENENDT, Peter Abaelard, in: Martin GRESCHAT (Hrsg.), Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 3 (Mittelalter I), Stuttgart 1983, 148-160; E. M . BUYTAERT, Einleitung zu: Petri Abaelardi Opera theologica, Turnhout 1969 ( C C C M 11, I X - X X V ) ; eine umfassende, wenn auch nicht ganz unanfechtbare Darstellung der philosophischen und theologischen Ideen Abaelards und Heloises auf ihrem historischen Hintergrund gibt jetzt: Adalbert PODLECH, Abaelard und Heloisa oder Die Theologie der Liebe, München-Zürich 1990. „... prava mihi, ut dicitur, fortuna blandiens commodiorem nacta est occasionem qua me facilius de sublimitatis huius fastigio prosternerei, immo superbissimum nec acceptae gratiae memorem divina pietas humiliatum sibi vendicaret" ( M P L 178,126). Daß es tatsächlich so war, bestätigt viele Jahre später Abt Petrus Venerabiiis von Cluny in seinem Brief an Heloise: „Revera enim non nunc diligere incipio, quam ex multo tempore me dilexisse reminiscor. Necdum piene metas adolescentiae excesseram, necdum in iuveniles annos evaseram, quando nomen non quidem adhuc religionis tuae, sed honestorum tarnen et laudabilium studiorum tuorum michi fama innotuit. Audiebam tunc temporis, mulierem, licet necdum saeculi nexibus expeditam, litteratoriae scientiae, quod perrarum est, et studio, licet saecularis, sapientiae summam operam dare, nec mundi voluntatibus, nugis vel deliciis ab hoc utili discendarum artium proposito retrahi posse": Ep. 21 ( M P L 189,347 B); Ep. 115: T h e Letters of Peter the Venerable, edited, with an Introduction and Notes by Giles CONSTABLE, 2 Bde. (Harvard Hist. Studies, 78), Cambridge, Mass. 1967; ebd. 1,303. M P L 178,127 A. M P L 178,128. Der Name „Dionysia" (Denise) ist überliefert in dem Obituar (Totenbuch) von Le Paraclet unter dem 4. Dezember: „Dionysia, magistri nostri Petri germana": Obituaires de la Province de Sens 4, Paris 1923, 428 E; CHARRIER, Héloise (o. Anm. 6), 301, Anm. 1; ebd. unter dem 1. Dezember (Obituaires 4,428 D ) der Name von Heloises Mutter: Hersindis.
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Anmerkungen
21 MPL 178,131. 22 MPL 178,132. 23 S. das diesbezügliche Zitat aus der Chronik der Erzbischöfe von Sens bei MÜCKLE, Abelard's Letter: Med. Studies 12 (o. Anm. 1), 188, Anm. 81; vgl. MPL 178,131, Anm. 27. 24 S. dazu vor allem: Jean GAUDEMET, Le célibat ecclésiastique. Le droit et la pratique du XIe au XIII e s. ZRG 99, Kan. Abt. 68 (1982), 1-30. 25 MPL 178,134f. 26 „Non possum non dolere tarn probroso tactus incommodo, quoniam hoc hominum genus suam solet aetatem adducere. Nudantur genae post modicum ornamento pilorum, et gloria cutis in facie in rugam contrahitur, pallor inconveniens confundit vultum, et qui me aliquando noverunt, ex quo faciem meam viderint, statim esse mutilum hac corporis parte sunt cognituri" (MPL 178,375 A). 27 Damien VAN DEN EYNDE, Détails biographiques sur Pierre Abélard. Antonianum 38 (1963), 217-223; ebd. 219; vgl. MPL 178,371-376; die Stelle, in der die an der Römischen Kurie herrschende Geldgier mit der Unersättlichkeit einer Hure verglichen wird, wurde in der Edition von MLGNE getilgt: „Hunc igitur locum, ut sanctae Ecclesiae, ita lectoribus nostris molestissimum, expungere non dubitavimus" (MPL 178,375, Anm. 76). 28 MPL 178,159. Die Errichtung des Oratoriums geschah mit Zustimmung des zuständigen Bischofs Hato von Troyes, der später in Cluny als Mönch eintrat. 29 „... de monasterio Argentoilensi puellarum miserrima conversatione infamato ... pro enormitate monacharum ibidem male viventium" (MPL 186,1215); „... pro earum fetida enormitate" (MPL 186,11317). 30 „Nosti post nostri confoederationem coniugii, cum Argenteoli cum sanctimonialibus in claustro conversabaris, me die quadam privatim ad te visitandam venisse, et quid ibi tecum meae libidinis egerit intemperantia in quadam etiam parte ipsius refectorii, cum quod alias diverteremus, non haberemus. Nosti, inquam, id impudentissime tunc actum esse in tarn reverendo loco et summae Virgini consecrato" (MPL 178,205). - Daß die Auflösung des Konvents von Argenteuil mit Heloise zu tun hatte, wird auch durch den Brief Roscelins von Compiègne bestätigt, in dem er Abaelard vorwirft, er besuche weiterhin seine Hure und bringe ihr Geld, das er mit seinen häretischen Vorlesungen verdient habe: „Atque collecto falsitatis quam doces pretio scorto tuo in stupri praemium nequaquam transmittis, sed ipse deportas, et qui dum poteras in pretium expectatae voluptatis dabas, modo das in praemium, plus utique remunerando stuprum praeteritum peccans, quam emendo futurum, et qua prius cum voluptate abutebaris, adhuc ex voluntate abuteris": MPL 178,370 C; Jos. REINERS, Der Nominalismus in der Frühscholastik. Ein Beitrag zur Geschichte der Universalienfrage im Mittelalter (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, Bd. 8, H . 5), Münster 1910, 6280: Anhang. Der Brief Roscelins an Abälard; ebd. 79. Wie P. ZERBI richtig annimmt, war Heloise damals noch in Argenteuil, wo Abaelard sie von Saint-Denis aus öfter besuchte: Abelardo (o. Anm. 8), 160f. 31
„... ita tarnen ut mulieribus in religiosis locis, ubi animas possint salvare, provideas ... Tuae igitur dilectioni mandamus, ut ad religionem et monasticum ordinem in praefato loco statuendum diligenti vigilantia studeas; et, ne praedictarum mulierum aliqua in tua culpa depereat, in locis religiosis solicita cura provideas" (MANSI, Coll. Cone. 21,380); vgl. die (im ganzen überzeugende) Darstellung, die Mariateresa FUMAGALLI von der Affäre von Argenteuil gibt: Heloise und Abaelard, Zürich 1986,152-157.
S. 83-94
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32
MPL 178,169f.; vgl. die in Auxerre ausgefertigte Urkunde Innocenz' II. vom 28. November 1131 (MPL 179,114f.). 33 „Missam ad amicum pro consolatione epistolam, dilettissime, vestram ad me forte quidam nuper attulit" (MPL 178,181). 34 „Sepe humanos affectus aut provocant, aut mitigant amplius exempla quam verba. Unde post nonnullam sermonis ad presentem habiti consolationem, de ipsis calamitatum mearum experimentis consolatoriam ad absentem scribere decrevi, ut in comparatione mearum, tuas aut nullas, aut módicas temptationes recognoscas et tolerabilius feras" (MPL 178,113; vgl. auch ebd. 180 C). 35
S. z . B . R . PERNOUD, Héloise (o. A n m . 11), 185f.
36 Über ihn s.: J. DUFOUR, Art. Garlande, in: LexMa 4 (1989), 1118f. 37 MPL 178,157-159. 38 Ep. 78,11-13 (MPL 182,191-199; S. Bernardi Opera, ed. J. LECLERCQ, H. ROCHAIS, 7, Rom 1974, 201-210; Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, hrsg. von Gerhard B. WINKLER, 2, Innsbruck 1992, 642-660 und Anm. ebd. 1089f.); s. dazu: MISCH, Autobiographie (o. Anm. 1) 111/1,327; Peter DLNZELBACHER, Bernhard von Clairvaux. Leben und Wirken des berühmten Zisterziensers, Darmstadt 1998,236f. 39 MPL 178,182. 40 Bemerkenswert ist, daß Heloise die „neuen Apostel", von denen Abaelard gesprochen hatte (MPL 178,164 A; gemeint sind ohne Zweifel Bernhard von Clairvaux und Norbert von Xanten), nun in Anspielung an 2 Cor 11,13 als „Pseudoapostel" bezeichnet (ebd. 181 C). 41 „Atque ut ceteras omittam, quanto erga me te obligaveris debito, pensa, ut quod devotis communiter debes feminis, unice tue devotius solvas" (MPL 178,184 A). 42 MPL 178,184 BC. 43 MPL 178,185/186; vgl. ebd. 128 C (o. bei Anm. 19!). 44 MPL 178,186 D). 45 Antwortbrief Abaelards: MPL 178,187-192. 46 MPL 178,191-198. 47 „Omne inevitabile, quod cum acciderit, moerorem maximum secum inferet, ut subito veniat optandum est, ne timore inutili diu ante cruciet, cui nulla succurri Providentia potest. Quod et poeta bene considerans Deum precatur dicens: Sit subitum quodcumque paras, sit ceca futuri Mens hominum fati. Liceat sperare timenti (Pharsal. 2,14f.). Quid autem te amisso sperandum mihi superest?" (MPL 178,194 A). 48 Bezeichnenderweise ist vor den von Heloise angeführten Versen aus Lucans Epos von dem Gegensatz zwischen fatum und/ors die Rede. 49 MPL 178,196/197. 50 Ebd. 198 C. 51 Brief 5 (MPL 178,199-212). 52 Ebd. 205 A. 53 Brief 6 (MPL 178,211-226). 54 So zu lesen, nicht: „Domino" (MPL 178,213 A): Ed. MÜCKLE: Mediaev. Stud. 17 (1955), 241 (s. o. Anm. 1). 55 MPL 178,197 Β. 56 Heloissae Paraclitensis Diaconissae Problemata cum Petri Abaelardi Solutionibus (MPL 178,677-713); dazu: DRONKE, Heloise's Problemata (o. Anm. 13).
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Anmerkungen
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Β. HARÉAU, Le poème adressé par Abélard à son fils Astralabe, in: Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale 34/2, Paris 1895,153-187; ebd. 167; Übersetzung in Anlehnung an E. BROST, Abaelard (o. Anm. 1), 400. 58 „Nihil unquam (Deus seit) in te nisi te requisivi, te pure, non tua concupiscens. Non matrimonii foedera, non dotes aliquas exspectavi, non denique meas voluptates aut voluntates, sed tuas (sicut ipse nosti) adimplere studui" (MPL 178,184 D). Petrarca hat in seiner Handschrift des Briefwechsels (Bibliothèque nationale, ms. lat. 2923) zu dieser Stelle am Rande angemerkt: „Valde predulciter ac blande per totum agis, Heloysa" (CHARRIER, Héloïse, 393, Anm. 4). 59
GILSON, H e l o i s e (o. A n m . 6 ) , 5 0 - 6 4 .
60 Ebd. 65-81. 61 Ovid, Heroides 7,164. 62 Bernardi Ep. 187; ed. WlNKLER (o. Anm. 38) 2,58-61. 63 Abaelardi Ep. 10 (MPL 178,335-340); zum Besuch Bernhards in Le Paraclet vgl. auch: Mariateresa FUMAGALLI BEONIO BROCCHIERI, E l o i s a e A b e l a r d o . P a r o l e al
posto di cose, Milano 1984,132-134. 64
S. B e r n a r d i E p p . 191. 194; ed. WlNKLER 2 , 1 2 2 - 1 2 6 ; 1 3 2 - 1 3 7 .
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M P L 1 8 9 , 3 0 5 ; E p . 9 8 , ed. CONSTABLE (O. A n m . 17) I , 2 5 8 f .
69
M P L 1 8 9 , 4 2 8 f . ; E p . 1 6 8 , ed. CONSTABLE I , 4 0 1 f .
66 MPL 189,347; Ep. 115, ed. CONSTABLE 1,303-308. 67 MPL 189,427f.; Ep. 167, ed. CONSTABLE I,400f. 68 Spätestens seit dem Abbatiat Odilos (993-1058) war Cluny ein besonderer Ort für den Seelenkult (vgl. o. Kap. 1, bei Anm. 36), was Heloise natürlich bekannt war. In der Sorge um ihr Seelenheil zeigt sie sich als mittelalterlicher Mensch; die Bitte um die Seelenmessen (Requiem) sagt nichts aus über ihre „Bekehrung" oder ihren „Glauben" im neuzeitlich-konfessionellen Sinne, wohl aber über das Wesen ihrer Religiosität. 70 CHARRIER, Heloise (o. Anm. 6), 300f.; 306-308. 71 MPL 189,350 A. In Marcigny hatte Adele von Blois ihre letzten Lebensjahre verbracht; s. o. Kap. 3, bei Anm. 49. 72 CHARRIER, Heloise (o. Anm. 6), 304-363. Die Translation von 1497 ist vermerkt in dem Totenbuch von Le Paraclet: Obituaires 4 (o. Anm. 20), 415 B - D ; die von 1621 ebd. 4,410f.
6 Hildegard von Bingen 1
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Die meisten der entsprechenden Publikationen lagen mir beim Abschluß meiner Untersuchungen noch nicht vor; Hildegard von Bingen 1098-1998. Binger Geschichtsblätter 20. Folge, Bingen 1998; Josef KRASENBRINK, Die Ergebnisse des Hildegardjahres 1998 (Schriften des Hildegard-Forums, 13), s. 1. [Bingen] 1999. Hildegardis Scivias, ed. Adelgundis FÜHRKOTTER collaborante Angela CARLEVARIS, 2 B d e . ( C C C M 4 3 . 4 3 A ) , T u r n h o u t 1 9 7 8 ; die ältere E d i t i o n der O p e r a
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omnia in: MPL 197. In einem Brief aus dem Jahre 1175 an den Mönch Guibert von Gembloux hat Hildegard selbst eine Deutung des Titels gegeben: „In visione etiam vidi quod primus liber visionum mearum Scivias diceretur, quoniam per viam viventis luminis prolatus est, non de alia doctrina": Hildegardis Bingensis Epistolarium, ed. L. VAN ACKER, 2 Bde. (CCCM 91. 91 A), Turnhout 1991. 1993; ebd. Ep. 103 R (CCCM 91 A,263).
S. 94-101 4
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Sabina FLANAGAN, Hildegard of Bingen. A visionary Life, London-New York 1989. 21991; vgl. dazu die Rezension von Daniela MÜLLER in: Mediaevistik 3 (1990), 352-355; Christian FELDMANN, Hildegard von Bingen. Nonne und Genie, F r e i b u r g Br. 1991; Mariateresa FUMAGALLI BEONIO BROCCHIERI, H i l d e -
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gard, die Prophetin, in: F. BERTINI (Hrsg.), Heloise (o. Kap. 5, Anm. 14), 192221; Gabriele LAUTENSCHLÄGER, Hildegard von Bingen. Die theologische Grundlegung ihrer Ethik und Spiritualität, Stuttgart-Bad Cannstatt 1993 (Literatur ebd. 291-401); Charlotte KERNER, „Alle Schönheit des Himmels": Die Lebensgeschichte der Hildegard von Bingen, Weinheim 21993; Ingrid RIEDEL, Hildegard von Bingen. Prophetin der kosmischen Weisheit, Stuttgart 1994; Régine PERNOUD, Hildegarde de Bingen. Conscience inspirée du XIIe siècle, Monaco 1994 (deutsche Übers.: Hildegard von Bingen. Ihre Welt - ihr Wirken - ihre Vision, Freiburg-Basel-Wien 1996); Heinrich SCHIPPERGES, Hildegard von Bingen, München 1995; Barbara NEWMAN, Hildegard von Bingen. Schwester der Weisheit, Freiburg Br. 1995 (engl. Orig.: Sister of Wisdom. St. Hildegard's Theology of the Feminine, University of California Press, 1987); Anne BÄUMER, Wisse die Wege. Leben und Werk Hildegards von Bingen. Eine Monographie zu ihrem 900. Geburtstag, Frankfurt M. u.a. 1998; wichtig sind außerdem, vor allem wegen der Literaturangaben: F.W. BAUTZ, Art. Hildegard von Bingen, in: BBKL 2 (1990), 846-852; Christel MEIER, Art. Hildegard von Bingen, in: Verf. Lex. 3 (1981), 1257-1280; Elisabeth GÖSSMANN, Art. Hildegard von Bingen, in: Lex. Ma. 5 (1991), 13-15; DIES., Zu den neuesten Ergebnissen der HildegardForschung. Theol. Rev. 91 (1995), 195-216; Josef SUDBRACK, Neuere HildegardLiteratur. Geist und Leben 69 (1996), 385-394; Peter WALTER, Die Theologie der Hildegard von Bingen, in: Hans-Jürgen KOTZUR (Hrsg.), Hildegard von Bingen 1098-1179, Mainz 1998, 204-208; Ernst TREMP, Hildegard von Bingen in der Sicht ihrer Zeitgenossen. Das Zeugnis des Briefwechsels. Freiburger Zeitschr. für Phil, und Theol. 46 (1999), 52-66; Udo KÜHNE, Die Konstruktion des prophetischen Sprechens. Hildegards Sicht der eigenen Rolle als Autorin, ebd. 6778. CCCM 43,3f. Guiberti Gemblacensis Epistolae, ed. Albert DEROLEZ, 2 Bde. (CCCM 66. 66 A), Turnhout 1988; ebd. Ep. 38 (CCCM 66 A,370-379). Hildegards Biograph Gottfried dagegen erwähnt ihre Einschließung und „Beerdigung" nur mit einem einzigen Satz: „Cumque iam esset octo annorum consepelienda Christo, ut cum ipso ad immortalitatis gloriam resurgeret, recluditur in monte sancti Disibodi cum pia Deoque dicata femina Iuttha": Vita Sanctae Hildegardis, ed. Monica KLAES (CCCM 126), Turnhout 1993, 6. Der Psalter diente seit dem frühen Mittelalter als elementares Lesebuch; s. darüber: Pierre RLCHÉ, Le Psautier, livre de lecture élémentaire d'après les vies des saints mérovingiens, in: Études mérovingiennnes. Actes des journées de Poitiers, Paris 1953,253-256. Physica: MPL 197,1117-1352; Hildegardis Causae et curae, ed. P. KAISER, Leipzig 1903. Hildegardis Liber Vite Meritorum, ed. Angela CARLEVARIS (CCCM 90), Turnhout 1995; Hildegardis Bingensis Liber divinorum Operum, ed. A. DEROLEZ et P. DRONKE ( C C C M 92), T u r n h o u t 1996.
10 Über die Anfänge der Hildegard-Forschung in der Abtei Eibingen s. A. FÜHRKÖTTER, Die Benediktinerinnenabtei St. Hildegard zu Eibingen. Das erste Frauenkloster der Beuroner Kongregation auf deutschem Boden und seine Bedeutung
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Anmerkungen für die Hildegardforschung. Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. 32 (1980), 135-146. So in dem schon erwähnten Brief an Guibert von Gembloux: „Ab infantia autem mea, ossibus et nervis et venís meis nondum confortatis, visionis huius muñere in anima usque ad presens tempus semper fruor, cum iam plus quam septuaginta annorum sim ... Ista autem nec corporeis auribus audio nec cogitationibus cordis mei, nec ulla collatione sensuum meorum quinqué percipio, sed tantum in anima mea, apertis exterioribus oculis, ita ut numquam in eis defectum éxtasis patiar; sed vigilanter die ac nocte ilia video" (Ep. 103 R; C C C M 91 A,261). Eugen III. weihte am 13. Januar 1148 die neue Abteikirche St. Matthias des Trierer Eucharius-Klosters: Notae dedicationum S. Eucharii Treverensis ( M G H SS 15/11,1278); Gesta Treverorum continuata ( M G H SS 24,368-414; ebd. 378); MPL 179,24; Petrus BECKER, Die Benediktinerabtei St. Eucharius - St. Matthias vor Trier (Germania Sacra N . F. 34/8), Berlin 1996,253. Odilo ENGELS, Die Staufer, Stuttgart 51993 ('1994), 28-31; Heinz LÖWE, Die Staufer als Könige und Kaiser, in: Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst Kultur. Katalog der Ausstellung Stuttgart 1977, 111,21-34; ebd. 21; Hartmut BOOCKMANN, Stauferzeit und spätes Mittelalter. Deutschland 1125-1517, Berlin 1987, 70f. Schon Hildegards Biograph Gottfried hat die Anerkennung ihrer Schriften durch den Papst auf den Einfluß Bernhards zurückgeführt: „Aderat ibidem etiam sanctae recordationis Bernardus abbas Clarevallensis, quo mediante, caeterisque adnitentibus, monebatur summus pontifex, ne tam insignem lucernam silentio tegi pateretur, sed gratiam tantam, quam tempore ipsius Dominus manifestare vellet, sua auctoritate confirmaret. Ad haec reverendus Pater patrum, tam benigne quam et sagaciter, assensum praebens, litteris salutatoriis beatam virginem visitavit, in quibus concessa sub Christi et beati Petri nomine licentia proferendi, quaecumque per Spiritum sanctum cognovisset, eam ad scribendum animavit" (MPL 179,95 B; C C C M 126,9f.). Entgegen anderslautenden in der HildegardForschung geäußerten Behauptungen bezieht sich die päpstliche Approbation auch auf Hildegards Verständnis ihrer „vera visio" und ihr Selbstverständnis als Prophetin, die im Namen Gottes spricht. „Exultamus in Domino et gratulamur quod nomen Christi de die in diem glorificatur in te ... Audivimus enim et vidimus multa de te. Seimus etiam quod piae memoriae praedecessor noster, cui ad nutriendum sponsam Christi per divinam gratiam sucessimus, te multo affectu dilexit, amplexus est et audivit" (Ep. 2; MPL 179,150f.). Anastasius IV. scheint anzunehmen, daß sein Vorgänger Hildegard persönlich begegnet ist - was nicht ganz auszuschließen ist. C C C M 43,3f. Sein Name wird mehrmals im Briefcorpus Guiberts von Gembloux erwähnt: Ep. 19 ( C C C M 66,238); Ep. 26 ( C C C M 66 A,278); Ep. 41 (Abt Gottfried von St. Eucharius in Trier an Guibert; C C C M 66 A,387). Epp. 10.10 R ( C C C M 91,23-25). FUMAGALLI, Hildegard (o. Anm. 4), 199; über Guibert von Gembloux ausführlich: M . KLAES i n i h r e r E i n l e i t u n g d e r Vita ( C C C M 1 2 6 , 2 4 - 5 9 * ) . D i e e r w ä h n t e n
Briefe Guiberts: Guiberti Epp. (o. Anm. 6): C C C M 66,216-224. 20 Josef SCHOMER, Die Illustrationen der hl. Hildegard von Bingen als künstlerische Neuschöpfung (Diss, theol.), Bonn 1937; Adelgundis FÜHRKÖTTER, The Minatures f r o m the Book Scivias - Know the Ways - of St Hildegard of Bingen from the illuminated Rupertsberg codex (Armaria patristica et mediaevalia, 1),
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Turnhout 1977; Illuminations of Hildegard of Bingen. Text by Matthew Fox, Santa Fe, New Mexico, 1985. Lib. div. op. 1,4,105 (CCCM 92,248-264). Lib. div. op. 2,1,17-49 (CCCM 92,285-344); s. auch u. Anm. 36! CCCM 92,265-267. „Sed quod versus orientem supra prefatam terre rotunditatem in quadam altitudine vides globum rubeum circulo sapphirini coloris circumdatum, hoc est quod in plaga orientis, ortum iusticie designantis, humanum intellectum supergrediens et in altitudine celestium secretorum consistens, zelus Dei in potentia ipsius cum iusticia caritatis ostenditur; quoniam cum Deus potens sit iudicia sua perficere, ea tarnen per equitatem caritatis complet" (CCCM 92,278). „Et ab eodem globo sursum usque ad medietatem predictarum alarum velut platea extenditur, supra quam quasi stella candida radiat; quia a iudiciis potentiae Dei ad perfectionem protectionum eius via dirigitur, supra quam virginitas floret, ubi incarnatus Dei filius de virgine natus apparet; quem maxima multitudo virginitatem diligens perfectionemque arripiens pia devotione potenter subsequitur" (CCCM 92,279). Ebd. 274-276. Lib. vit. mer. 5,38-62 (CCCM 90,245-254). So auch die Bochumer Medizinhistorikerin Irmgard MÜLLER in ihrem Buch: Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen, Salzburg 1982, und in Presseverlautbarungen im Hildegard-Jahr 1998. Scivias I, 2. Vision (CCCM 43,20).
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C a u s a e et curae, ed. KAISER (o. A n m . 8), 76.
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FUMAGALLI, H i l d e g a r d (o. A n m . 3), 217.
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31 Ebd. 136f.; ein ausführlicher Vergleich der Lust bei Mann und Frau auch ebd. 76f. 32 Vgl. Ps 41,2: „Quemadmodum desiderai cervus ad fontes aquarum ..." 34 Zur Inkarnation vgl. etwa: Scivias, Visio 2,6 (CCCM 43,243); 3,1 (CCCM 43 A,335); zur Musik: 1,4 (CCCM 43,63); 2,1 (ebd. 119f.); 2,3 (ebd. 135. 140); 2,5 (ebd. 175); 3,13 (ebd. 43 A,620). 35 Hildegard von Bingen, Lieder. Nach den Handschriften hrsg. von Pudentiana BARTH, M . I m m a c u l a t a RLTSCHER u n d J o s e p h SCHMIDT-GÖRG, S a l z b u r g 1969;
ergänzend dazu: M. Immaculata RlTSCHER, Kritischer Bericht zu Hildegard von Bingen: Lieder, Salzburg 1969; Saint Hildegard of Bingen, Symphonia. A Critical Edition of the Symphonia armonie celestium revelationum. With Introduction, Translations, and Commentary by Barbara NEWMAN, Ithaca and London 1988; Peter WALTER, Virgo filium dei portasti. Maria in den Gesängen der heiligen Hildegard von Bingen. Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. 29 (1977), 75-96. 36 Die Antiphon: „O splendidissima gemma": Hildegard, Lieder, 218f.; Saint Hildegard, Symphonia, 114f.; vgl. Lib. div. op. 2,1,17: „In principio, id est in inceptione omnium rerum, que in scientia Dei erant qualiter fieri deberent, creavit Deus, hoc est per seipsum procedere fecit, celum et terram, scilicet materiam omnium creaturarum celestium et terrestrium; celum, id est lucidam materiam, et terram, videlicet turbulentam materiam" (CCCM 92,285); s. o. bei Anm. 21; vgl. WALTER, Virgo, 80f. und ebd. Anm. 29; s. auch o. bei Anm. 21 ! 37 Über Honorius s. Maria Lodovica ARDUINI, Rupert von Deutz (1076-1129) und der „Status Christianitatis" seiner Zeit. Symbolisch-prophetische Deutung der Geschichte (AKG Beih. 25), Köln-Wien 1987, 278-288; über den Einfluß Ruperts auf die Werke Hildegards: ebd. 308-324.
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Anmerkungen Β. NEWMAN, Hildegard (o. A n m . 4), 187-189; DIES., Saint Hildegard (o. Anm.
35), 46f. 39 CCCM 92,405-410; ebd. Abb. 15. 40 Ep. 85 R/A (CCCM 91,203). 41 Augustinus, Conf. 12,15-17 (CC 27,224-229). Vgl. Hildegards Hymnus „Ave, generosa": „Tu candidum lilium, quod Deus ante omnem creaturam inspexit... Venter enim tuus gaudium habuit, cum omnis caelestis symphonia de te sonuit, quia, Virgo, Filium Dei portasti, ubi castitas tua in Deo claruit": Lieder (o. Anm. 35), 222/224; Symphonia (ebd.), 122f. 42 „Scire et hoc nichilominus affectamus, utrum elementa litterarum didiceris et divinas scripturas studio lectionis, an sola unctione didiceris et divinas scripturas studio lectionis, an sola unctione magistra, que quos vult de omnibus docet, comperieris" (Ep. 16; CCCM 66,219f.); s. o. bei Anm. 19. 43 Ep. 103 R (CCCM 91 A,261-263). 44 „Et o vos, Cherubim et Seraphim, sigillum secretorum Dei, sit laus vobis, qui loculum antiqui cordis in fonte aspicitis. Videtis enim interiorem vim Patris, que de corde illius spirat quasi facies. Sit laus vobis, qui loculum antiqui cordis in fonte aspicitis": Lieder (o. Anm. 28), 236; Symphonia (ebd.), 156. 45 Der Begriff „das ewige Herz" kommt in einer der zahlreichen Varianten des Schlusses von Hölderlins Hymne „Wie wenn am Feiertage ..." vor: „Und tieferschüttert, eines Gottes Leiden Mitleidend, bleibt das ewige Herz doch fest". NORBERT VON HELLINGRATH, der die erste kritische Gesamtausgabe der Werke Hölderlins auf den Weg brachte, hat diese Lesart als maßgeblichen Text abgedruckt: Hölderlin, Sämtliche Werke. Vierter Band, besorgt durch Norbert VON HELLINGRATH, München und Leipzig 1916; vgl. Hölderlin, Sämtliche Werke, hrsg. von Friedrich BEISSNER, II/l, Stuttgart 1951, 118-120; die Varianten ebd.
11/2,676. MARTIN HEIDEGGER hat die Fassung HELLINGRATHS seiner Interpreta-
tion des Gedichts zugrundegelegt: „Wie wenn am Feiertage ..." (Halle a. d. S. 1941), in: DERS., Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung, Frankfurt M. 1951, 47-74; jetzt auch in: Gesamtausgabe, Bd. 4, Frankfurt M. 1981, 49-77. Nach HEIDEGGER ist der Begriff „ewiges Herz", der bei Hölderlin nur an dieser Stelle vorkommt, gleichbedeutend mit dem „Heiligen", von dem vorher in dem Gedicht die Rede ist. Bei dem römischen Historiker Livius kommmt die Redewendung „antiquus animus" zweimal vor (22,25,10; 43,13,2). Es ist damit
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eine „zeitlose" Gesinnung gemeint, die sich nicht an dem orientiert, was gerade „Mode" ist, sondern an den Vorstellungen, die das Leben der „Alten" (maiores) bestimmt haben. Vgl. hierzu auch u. Kap. 13, bei Anm. 8! Epp. 52. 52 R (CCCM 91,125-130); s. dazu: Alfred HAVERKAMP, Tenxwind von Andernach und Hildegard von Bingen. Zwei „Weltanschauungen" in der Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Lutz FENSKE, Werner RÖSENER und Thomas ZoTZ (Hrsg.). Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS. für Josef Flekkenstein zu seinem 65. Geb., Sigmaringen 1984, 515-548; Bertha WLDMER, Heilsordnung und Zeitgeschehen in der Mystik Hildegards von Bingen (Basler Beitr. zur Geschichtswiss., 52), Basel-Stuttgart 1955. „Unde Paulus apostolus, qui in summa volavit et in terra tacuit, ita quod non revelavit quod absconditum fuit": die Anspielung auf 2 Cor 12,4 („quoniam raptus est in paradisum et audivit arcana verba quae non licet homini loqui") ist evident. „Deus bonum intellectum infundit, ne nomen ipsorum deleatur (d.h.: damit sie sich nicht selbst zerstören). Bonum enim est, ne homo montem apprehendat, quem movere non poterit, sed in valle subsistât, paulatim discens quod capere potest. Haec dicta sunt a vivente lumine et non ab homine. Qui audit videat et credat, unde sit" (CCCM 91,130). So auch Elisabeth GÖSSMANN, nach der „die Visionstrilogie, die Hildegard geschaffen hat, die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Schulwissenschaft spiegelt, ja sogar visionelle Manifestation philosophisch-theologischer Reflexionen ist": Hildegard von Bingen. Versuche einer Annäherung, München 1995, 140. Vgl. u. Kap. 17, bei Anm. 146-148! Hildegards Brief an Christian und dessen Antwort: Ep. 24. 24R (CCCM 91,6669). Der kriegerische Erzbischof hatte am 12. März 1178 den mit Kaiser Friedrich Barbarossa versöhnten Papst Alexander III. in die Stadt Rom geleitet; vgl. seine Würdigung durch Ferdinand GREGOROVIUS, Geschichte der Stadt Rom VIII.6.3. FUMAGALLI, Hildegard (o. A n m . 4), 201.
Ep. 18 (CCCM 91,53). Über Hildegards Verhältnis zu Richardis vgl. auch: P. DRONKE, Women Writers (O. Kap. 5, Anm. 13), 154-159. Ep. 18 R. 19 (ebd. 54f.; MPL 197,156f.). Ep. 4 (CCCM 91,10f.). Ep. 64 (CCCM 91,147f.). „Et nisi mors impedivisset, vix habita licentia ad te venisset; et quia morte detenta est, me pro ea venturum, si Deo placet, scias": Ep. 13 (CCCM 91,29). Ep. 13 R (CCCM 91,30f.). Der große Würzburger Germanist Kurt RUH hat Hildegard, vor allem wegen des besonderen Charakters ihrer Visionen, denen er den ekstatischen Charakter abspricht, bewußt aus der Tradition der deutschen Mystik ausgegrenzt, was in Fachkreisen eine Diskussion auslöste; s. K. RUH, Geschichte der abendländischen Mystik I, München 1990, 64f.; II, München 1993,64f.; vgl. Helmut FELD, Erwägungen zur Mystik des Hochmittelalters. Rott. Jb. 14 (1995), 257-264; ebd. 262. Ep. 1. 1 R (CCCM 91,3-7). Die Frage, welcher von den beiden Briefen das Anschreiben, welcher die Antwort ist, wurde erörtert von Marianna SCHRÄDER und Adelgundis FÜHRKÖTTER in ihrer Untersuchung: Die Echtheit des Schrifttums der heiligen Hildegard von Bingen, Köln-Graz 1956, 104—108. Das Problem entsteht daraus, daß in den beiden wichtigsten Handschriften, dem Wiesbadener Riesencodex und dem Zwiefaltener Codex (beide stammen aus der Mitte
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60
Anmerkungen des 12. Jh.) nicht nur die Reihenfolge der Briefe verschieden ist, sondern auch einige Passagen des Textes selbst stilisiert sind, so daß entweder der Brief Hildegards oder der Bernhards als Antwort erscheint: „Nach dem Zwiefaltener Kodex ist es Hildegard, die sich zuerst an Bernhard wendet. Dieser antwortet nur mit wenigen Sätzen. D e r Riesenkodex zeigt die umgekehrte Ordnung" (o. c., 104). Die Autorinnen sind der Meinung, daß die im Zwiefaltener Codex überlieferte Reihenfolge die ursprüngliche ist; ebenso auch A. FüHRKÖTTER in: Hildegard von Bingen, Briefwechsel, Salzburg 1965, 2 5 - 2 7 . Nach eingehender Lektüre beider Dokumente komme ich zu der entgegengesetzten Auffassung. Dagegen ist die Datierung des Briefwechsels nicht vor 1146 (Erwähnung der Kreuzzugspredigt Bernhards) und nicht nach 1148 (Anwesenheit Eugens III. in Trier) zutreffend. Vgl. unten im Brief Hildegards den Satz: „Mit dem nämlich, was Dir über mich gesagt wurde, verhält es sich folgendermaßen ...", der sich direkt hierauf bezieht.
7 Elisabeth von Schönau 1
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Sie ist erst in jüngster Zeit ins Blickfeld geraten, hauptsächlich durch die Forschungsarbeit von Historikern und Germanisten; bahnbrechend ist das monumentale Werk von Arnold ANGENENDT: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997. Zur ersten Orientierung über Elisabeth von Schönau sind hilfreich: Kurt KÖSTER, Art. Élisabeth et Egbert de Schoenau, in: Diet. Spir. 4 (1960), 584-588; DERS., Art. Elisabeth von Schönau, in: Verf. Lex. 2 (1980), 484-494; DERS., Elisabeth von Schönau. Leben, Persönlichkeit und visionäres Werk, in: Schönauer Elisabeth Jubiläum 1965. Festschrift anläßlich des achthundertjährigen Todestages der heiligen Elisabeth von Schönau, hrsg. vom Prämostratenser-Chorherrenstift Tepl im Kloster Schönau, Limburg 1965, 17—46; DERS., Art. E. v. Schönau, in: Lex. Ma. 3 (1986), 1842f.; Peter DLNZELBACHER, Die Offenbarungen der hl. Elisabeth von Schönau. Bildwelt, Erlebnisweise und Zeittypisches. Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 97 (1986), 462—482; Anne L. CLARK, Elisabeth of Schönau. A Twelfth-Century Visionary, Philadelphia 1992; Kurt RUH, Geschichte der abendländischen Mystik II, München 1993, 63-80. Eine kritische Edition der Visionen und Briefe Elisabeths fehlt bisher. Wir haben die folgenden älteren Ausgaben benutzt (deren Buch- und Kapitelzählungen nicht übereinstimmen): Corpus Revelationum Sanctarum Birgittae Hildegardis Elizabethae, Köln 1628; Die Visionen der hl. Elisabeth und die Schriften der Aebte E k bert und Emecho von Schönau, hrsg. von F.W.E. ROTH. Ein Beitrag zur Mystik und Kirchengeschichte, Brünn 1884; Wien-Würzburg 2 1886; Vita: Acta Sanctorum Junii 3, Antwerpen 1701, 604-643. Vgl. Shakespeare, Hamlet, 3. Akt, 1. Szene. Vgl. Ps 120,4: „Ecce non dormitabit ñeque dormiet qui custodit Israel." Vision 1,3 (ed. ROTH, 5). Visionen 1,4-7 (ed. ROTH, 5f.). Visio 1,6 ( C C C M 43,100 und Abb. ebd.); FÜHRKÖTTER, Miniatures (o. Kap. 6, Anm. 14), T. 9. BOOCKMANN, Stauferzeit (o. Kap. 6, Anm. 10), 103; zwei weitere Radleuchter aus dem 12. Jahrhundert sind auf der Großcomburg bei Schwäbisch Hall und in Hildesheim erhalten.
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„Procul dubio [al. Pro certo] scitote, quia lex peribit primum a sacerdotibus et senioribus populi in hoc tempore": Vision 1,69 (ed. ROTH, 33); in Corp. Rev.: Vis. 11,19 (ebd. 186a). Vision 111,12 (Corp. Rev. 193-195); in der Ed. ROTH: „Der Liber viarum dei" (ebd. 100-105). Vision 111,13. Corp. Rev., 205a. Über die mittelalterliche Ursula-Legende s. vor allem: Wilhelm LEVISON, Das Werden der Ursula-Legende. Bonner Jahrbücher 132 (1927), 1-164; wie die Legende vom Martyrium der Thebäischen Legion scheint auch die Ursula-Legende einen historischen Kern zu haben, dessen ältestes Denkmal die berühmte Clematius-Inschrift im Chor der St. Ursula-Kirche zu Köln ist; darüber und über die Diskussion um die Echtheit der Inschrift: ebd. 2-25; s. ferner: Guy DE TERVARENT, La Légende de Sainte Ursule dans la littérature et l'art du moyen âge, 2 Bde., Paris 1931; Ursula RAUTENBERG, Art. Ursula und die elftausend Jungfrauen, in: V e r f . L e x . 1 0 ( 1 9 9 6 ) , 1 3 1 - 1 3 9 .
15 Notae dedicat. S. Eucharii (MGH SS 15/11,1278); Gesta Trev. (MGH SS 24,378); über die „Wiederauffindung" der Gebeine des heiligen Matthias, einen der größeren Reliquienschwindel des Mittelalters s. P. BECKER, Benedikinerabtei (o. Kap. 6, Anm. 9), 397-399. 16 Ihre Briefe in der Ed. ROTH, 70-75; ein Antwortbrief Hildegards: CCCM 91 A,456-458. 17 „Prima interim editione ... tantum effectum Romae est, ut in Martyrologium, auctoritate Gregorii XIII recognitum auctumque, et anno 1584 publicatum addita sit eius memoria, cum titulo Sanctae, hac formula, quae hodie dum legitur: ,Schonaugiae S. Elisabeth virginis, monasticae vitae observantia Celebris.' Ubi hoc prudenter factum, quod omissa sit mentio revelationum, de quibus (ob illa praesertim, quae de S. Ursulae martyrio lib. IV. leguntur, nulla prorsus fide digna) merito dubitabatur" (MPL 195,116).
8 Herrad von Hohenburg 1
Zur ersten Orientierung über Herrad: Michael CURSCHMANN, Art. Herrad von Hohenburg, in: Verf. Lex. 3 (1981), 1138-1144; Loris STURLESE, Die deutsche Philosophie im Mittelalter. Von Bonifatius bis zu Albert dem Großen (748-
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Vita Odiliae, ed. W. LEVISON: MGH Script. Rer. Merov. 6,24-50 (aus karolingischer Zeit). Die jetzt maßgebende Ausgabe ist: Herrad of Hohenbourg, Hortus Deliciarum, ed. Rosalie GREEN und Mitarb., 2 Bde., London-Leiden 1979; wichtig ist auch: Herrad von Landsberg, Hortus Deliciarum, hrsg. von Otto GLLLEN, Neustadt W. 1979; dieses Werk enthält nur die erhaltenen Nachzeichnungen und Reproduktionen der Miniaturen, nicht den Text des Hortus Deliciarum; vgl. auch: Rilindis seu Regilindis et Herradis Hohenburgenses Abbatissae: Notitia et Fragmenta (MPL 194,1537-1542). „Congregado religiosa temporibus Rilindis et Herradis abbatissarum in Dei servicio in Hohenburc caritative adunata" (ed. GREEN 1,227; 11,346). „Herrat Hohenburgensis abbatissa post Rilindam ordinata ac meritis et exemplis eius instituta."
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1280), M ü n c h e n 1 9 9 3 , 2 2 0 - 2 2 7 .
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Anmerkungen „Esto nostrorum pia merces Christe laborum, Nos electorum numerans in sorte tuorum." „O nivei flores dantes virtutis odores, Semper divina pausantes in theoria, Pulvere terreno contempto currite celo, Que nunc absconsum valeatis cernere sponsum."
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H o r t u s , ed. GREEN 11,345; T r a n s k r i p t i o n der T e x t e : 1,226.
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Christus spricht zu den Nonnen: „Vos, quas includit, frangit, gravat, atterit, urit Hic career mestus, labor, exilium, dolor, estus, Me lucem, requiem, patriam, medicamen et umbram Querite, sperate, scitote, tenete, vocate." „Rilinda venerabilis Hohenburgensis ecclesie abbatissa tempore suo eiusdem ecclesie queque diruta diligenter restauravit et religionem divinam inibì pene destructam sapienter reformavit." „Rilindis Hohenburgensi congregationi: O pie grex, cui célica lex est, nulla doli fex; Ipse Syon mons ad patriam pons, atque boni fons; Qui via, qui lux, hic tibi sit dux, alma tegat crux. Qui placidus ros, qui stabilis dos, virgineus flos, lile regat te commiserans me, semper ubique, amen."
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H o r t u s , e d . G R E E N 1 , 7 ; 11,89.
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Ebd. 1,91; 11,13. S. o. Kap. 5, nach Anm. 72! Ein Fresko (13. Jh.), auf dem die Trinität ebenfalls in Gestalt von drei Göttern dargestellt ist, befindet sich in der Heiligen Höhle von Santissima Trinità bei Vallepietra in den Bergen von Latium; s. die Abbildung und Beschreibung bei Gisbert GRESHAKE, Der Dreieine Gott. Eine trinitarische Theologie, Freiburg u.a. 1997, Tafel I neben S. 544; 545-547. Die großartige Landschaft der Umgebung des uralten Heiligtums wurde leider in neuerer Zeit durch einen übereifrigen Reformbischof des Zweiten Vatikanischen Konzils mit häßlichen Betonbauten verunstaltet. 15 Hortus, ed. GREEN II,349f. 16 Ebd. II,365f.; 1,202, Nr. 297: „Tres syrene mervib, una voce, altera tybia, tercia lira canit." 17 Odyssee 12,39-54; 158-200. „Cumque quidam dux, Ulixes nomine, necesse haberet ibi preternavigare, jussit se ad malum mastbovm navis ligare, socios autem cera aures obdurare bestopfen, et sie periculum illesus evasit et eas fluetibus sub m e r s i t " ( H o r t u s , ed. GREEN 11,367).
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Honorius Augustodunensis, Speculum Ecclesiae: MPL 172,807-1108; Dominica in Septuagésima: ebd. 855-857. 19 „Hec sunt, carissimi, mystica quamvis per inimicos Christi scripta" (Hortus, ed. GREEN 11,367).
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Ebd. 11,100; 1,133.
9 Klara von Assisi 1
„His et quamplurimis aliis operibus et miraculis haec venerabilis Virgo resplenduit gloriosis, ut evidenter appareat adimpletum illud quod de ipsa mater eius, dum esset ex ilia gravida et oraret, dicitur audisse: videlicet quod paritura
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erat quoddam lumen, quod orbem plurimum illustrar«": Escritos de Santa Clara y Documentos contemporáneos. Edición bilingüe. Introducciones, traducción y Notas de Ignacio OMAECHEVARRIA y Colaboradores, Madrid 1970 (21982), 118 (Nr. 17); Fontes Franciscani, a cura di Enrico MENESTÒ e Stefano BRUFANI, S. Maria degli Angeli - Assisi 1995,2336, 70. Escritos, ed. OMAECHEVARRIA, 281; vgl. Regula S. Ciarae 1,3 (ebd. 253).; Claire d'Assise, Écrits. Introduction, Texte latin, Traduction, Notes et Index par MarieFrance BECKER, Jean-François GODET, Thaddée MATURA (Sources Chrétiennes, 325), Paris 1985, 37; vgl. Benedictio 6 (ebd. 186). Vorrede zu der von Erasmus Alberus veranstalteten Ausgabe des „Liber conformitatum" des Bartholomäus von Pisa (WA 53,406-411): „Denn das Buch ist bey den Barfussern für das Euangelium gehalten und haben der Christenheit furgeblewet Franciscum an Christi stat. Daher noch so viel Leute Franciscus und Clara müssen heißen, denn er hat müssen Gott sein, dem zuehren sein name also ist erhöhet." S. hierzu auch: Klaus REBLIN, Freund und Feind. Franziskus von Assisi im Spiegel der protestantischen Theologiegeschichte (Kirche und Konfession, 27), Göttingen-Zürich 1988,71-78; Helmut FELD, Franziskus von Assisi: Der „zweite Christus" (Institut für Europäische Geschichte Mainz, Vorträge, 84), Mainz 1991, 5-7. Ältere und neuere, vorwiegend hagiographisch eingestimmte Lebensbeschreibungen der Heiligen sind, trotz den zahlreichen nützlichen Informationen, die sie enthalten, unbefriedigend. Erst die Biographie von Marco BARTOLI: Chiara d'Assisi (Bibliotheca Seraphico-Capuccina, 37), Roma 1989, wird kritischen Maßstäben gerecht; der Verfasser setzt auch (mit Erfolg) die Methoden der historischen Psychologie ein, um sich der Persönlichkeit Klaras zu nähern; mittlerweile liegt auch eine deutsche Übersetzung vor: Klara von Assisi. Aus dem Italienischen übertragen von M. Ancilla RÖTTGER OSC, Werl 1993. Trotz des o.g. Vorbehalts sind weiterhin wichtig: Chiara Augusta LAINATI, Santa Chiara d'Assisi, Assisi 1969; DIES., Die heilige Klara von Assisi. Leben und Schriften, in: Niederösterreichische Landesaustellung. 800 Jahre Franz von Assisi, Wien 1982, 99-121; Anton ROTZETTER, Klara von Assisi. Die erste franziskanische Frau, Freiburg Br. 1993; vgl. außerdem: Heribert ROGGEN, Christliche Lebenshaltung bei Klara von Assisi, Werl 1970; vgl. ferner: Helmut FELD, Die Eingeschlossene von San Damiano. 800 Jahre Klara von Assisi. 1193-1993, Tübingen 1993; DERS., Franziskus von Assisi und seine Bewegung, Darmstadt 1994, 401-447. Vgl. I. OMAECHEVARRIA, Escritos (o. Anm. 1), 127; die Akten des Kanonisationsprozesses liegen vor in der Edition von Zeffirino LAZZERI: Il processo di canonizzazione di S. Chiara. AFH 13 (1920), 403-507; ferner: Fonti Francescane, Padova 4 1990, 2 2 9 9 - 2 3 8 3 ; Fontes Franciscani (o. A n m . 1), 2 4 5 5 - 2 5 0 7 .
Eine ausführliche Analyse der Briefe Klaras haben jetzt vorgelegt: Edith VAN DEN GOORBERGH en Theo ZWEERMAN, Clara van Assisi: Licht vanuit de verborgenheid. Over haar brieven aan Agnes van Praag, Assen 1994. Escritos, ed. OMAECHEVARRIA, 278; Ecrits, ed. BECKER u.a., 168.
Théophile DESBONNETS, Legenda trium sociorum. Édition critique. AFH 67 (1974), 38-144; ebd. c. 24 (S. 108): „Cum aliis autem laborantibus in opere praefato persistens, clamabat alta voce in gaudio spiritus ad habitantes et transeúntes iuxta ecclesiam, dicens eis gallice:,Venite et adiuvate me in opere ecclesiae Sancti Damiani, quae futura est monasterium dominarum, quareum fama et vita in universali ecclesia glorificabitur Pater noster coelestis.'"
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Anmerkungen
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Über die Datierung und die näheren Umstände dieser Ereignisse s. FELD, Franziskus (o. Anm. 4), 410—415. 10 Processo della canonizzazione di Santa Chiara, Test. 17,7 (Fonti Francescane [o. Anm. 5] 3129): „Anche essa madonna Chiara, mentre che era nel seculo, dette ad essa testimonia (per) devozione certa quantità de denari e comandolle che li portasse a quelli che lavoravano in Santa Maria de la Porziuncola, ad ciò che comperassero de la carne." 11 So etwa Arnaldo FORTINI, der über die Verhältnisse im mittelalterlichen Assisi recht gut bescheid weiß: Nova Vita di San Francesco, Roma 1981, 291-294; vgl. FELD, F r a n z i s k u s ( o . A n m . 4 ), 1 3 0 f .
12 R. MANSELLI, Franziskus, Einsiedeln 1984, 66f. 164. 13 Processo di canonizzazione de Santa Chiara (o. Anm. 5), 3,29; 4,16; 6,13; 7,10 (Fonti Fr. 2995. 3014. 3036. 3050). 14 Processo 17,3 (Fonti Fr. 3125). 15 „Adomandata che le diceva santo Francesco, respose che sempre le predicava che se convertisse ad Iesu Cristo, e frate Filippo faceva similmente" (Processo 17,3); vgl. L e g . S. C i a r a e 5 (ed. OMAECHEVARRIA, 133): u. A n m . 1 8 !
16 „Essendo adomandata come sapeva le dette cose, respose che essa quando era nel seculo era sua vicina et alquanto parente, in tanto che tra la casa sua e quella della vergine Chiara non ce era in mezzo se non la piazza, e che spesse volte essa testimonia conversava con lei... Adomandata quanto tempo era che essa vergine Chiara a veva abbandonato el mondo, disse che erano circa quarantadue anni. Adomandata come questo sapesse, respose che lei intrò nella Religione insieme cum essa e che quasi lo dì e la notte per la maggiore parte la serviva. Anche disse che la predetta madonna Chiara era nata de nobile generazione, e de padre e madre onesti, e che lo suo padre fu cavaliere et chiamosse messere Favarone, lo quale essa non vide. Ma la madre vide e chiamavase madonna Ortolana; la quale madonna Ortolana andò de là dal mare per cagione de orazione e devozione. Et essa testimonia similmente per cagione de orazione andò oltra mare con lei; et anche andarono insieme a Santo Angelo et a Roma" (Processo 1,2^; Fonti Fr. 2926-2928). 17 S. darüber ausführlich: FELD, Franziskus (o. Anm. 4), 411—414. 18 Vgl. Legenda S. Ciarae 5f. (ed. OMAECHEVARRIA, 133f.): „Hortatur earn pater Franciscus ad mundi contemptum; spem saeculi aridam etspeciem deceptivam vivo sermone demonstrans, instillât auribus eius dulcía connubia Christi, suadens virginalis pudicitiae margaritam beato illi Sponso, quem amor humanavit, fore s e r v a n d u m ... E t t u n c F r a n c i s c i Consilio se t o t a m c o m m i t t i t , i p s u m p o s t D e u m
statuens suae directionis aurigam." - Vgl. auch Klaras ergreifende Totenklage in der ersten Celano-Legende, die mit den Worten beginnt: „Vater, Vater, was werden wir tun?" (I Cel 117; Anal. Fr. 10,92); s. dazu: Helmut FELD, Die Totengräber des heiligen Franziskus von Assisi. AKG 68 (1986), 319-350; ebd. 342f. 19 Processo 3,30; 4,16; 7,9 (Fonti Fr. 2996. 3014. 3049); Legenda S. Ciarae 29 (ed. OMAECHEVARRIA, 161f.). Es ist nicht ohne Bedeutung, daß sie nicht den Chorgesang ihrer eigenen Mitschwestern hörte, die ja um dieselbe Zeit ebenfalls die Matutin sangen, sondern den Psalmengesang der Brüder und das Orgelspiel in S. Francesco, wodurch ihrer Einsamkeit, über die sie klagt („Domine Deus, ecce sola relicta sum tibi in loco isto!"), abgeholfen wurde. 20 Super Cantica Sermo 9,IV.6-VII.9 (S. Bernardi Opera I, ed. J. LECLERCQ, C.H. TALBOT, H . M . ROCHAIS, R o m 1 9 5 7 , 4 6 f .
21 Vgl. Test. S. Ciarae 2-4 (ed. OMAECHEVARRIA, 277-281): „Igitur considerare debemus, Sorores dilectae, immensa beneficia Dei nobis collata; sed inter cetera,
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quae per servum suum dilectum Patrem nostrum beatum Franciscum in nobis dignatus est operari ... In hoc ergo considerare possumus copiosam benignitatem Dei in nobis, qui propter abundantem misericordiam et caritatem suam de nostra vocatione et electione per Sanctum suum dignatus est ista loqui ... Quanta ergo sollicitudine, quantoque studio mentis et corporis mandata Dei et Patris nostri servare debemus, ut, cooperante Domino, talentum multiplicatum ei reddamus! ... Et sic de volúntate Domini et beatissimi Patris nostri ivimus ad ecclesiam Sancti Damiani moraturae." „Postea scripsit nobis formam vivendi, et maxime ut in sancta paupertate semper perseveraremus ... iterum atque iterum voluntarie nos obligavimus dominae nostrae sanctissimae paupertati, ne post mortem meam Sorores, quae sunt et venturae sunt, ab ipsa valeant ullatenus declinare. Et sicut ego studiosa et sollicita semper fui sanctam paupertatem, quam Domino et Patri nostro sancto Francisco promisimus, observare, et ab aliis facere observari, ita teneantur quae mihi in officio succedent eam observare et ab aliis facere observari" (Test. S. Clarae, 5f.; ed. c., 280f.). Vgl. Test. S. Clarae 6 (ed. OMAECHEVARRIA, 281f.): „Immo etiam ad maiorem cautelam sollicita fui a Domino Papa Innocentio, sub cuius tempore coepimus, et ab aliis successoribus suis, nostram professionem sanctissimae paupertatis, quam et Patri nostro promisimus, eorum privilegiis facere corroboran, ne aliquo tempore ab ipsa ullatenus declinaremus." Die betreffende Bulle Gregors IX. („Sicut manifestum est"): Bullarium Franc, ed. SBARALEA 1,771; ed. OMAECHEVARRIA, 235f. Bullarium Franc. 1,263-267; ed. OMAECHEVARRIA, 210-232. Ed. c. 219. „ ... universitatem vestramrogamus, et hortamur in Domino Iesu Christo, ac per Apostolica vobis scripta mandamus, quatenus, quemadmodum accepistis a nobis, ambulantes spiritu et viventes, posteriorum oblitae,semper ad anteriora vos cum Apostolo extendatis" (ed. c., 296). „Ad quam respóndeme Pontífice: ,Si votum formidas, nos te a voto absolvimus': ,Sánete Pater', ait, ,nequaquam a Christi sequela in perpetuum absolví desidero'" (Leg. S. Clarae, 14; ed. c.,145.). Processo 1,13; 2,22; 3,14; 12,6. „Amatrix vero praecipua et coIona sedula paupertatis, sic illam suo affixit animo, sic eam in suis desideriis alligavit, quod semper in ipsius dilectione firmior et ardentior inamplexu, a districta et delectabili eius copula pro nulla unquam necessitate discessit. Nec aliquibus prorsus potuit induci suasibus ad consentiendum, quod suum monasterium proprias possessiones haberet, quamquam fel. ree. Gregorius papa, praedecessor noster, de multa indigentia ipsius monasterii pie cogitane, libenter illi voluerit, pro Sororum eius sustentatione, possessiones sufficientes et congruas deputare" (ed. OMAECHEVARRIA, 115f.). H. HOLZAPFEL, Handbuch der Geschichte des Franziskanerordens, Freiburg Br. 1909, 640-642. Wegen dieser und anderer damals als zu freimütig angesehener Feststellungen ließ der Papst Pius X. (1903-1914) das Buch aus dem Verkehr ziehen; s. FELD, Franziskus (o. Anm. 4), 6, Anm. 15. Zweiter Brief an Agnes von Böhmen ed. OMAECHEVARRIA, 326. Bulle „Angelis gaudium" vom 11. Mai 1238 an Agnes von Böhmen (Bullarium Franc. 1,242-244). - Für weitere Einzelheiten der Auseinandersetzung Klaras mit der Römischen Kurie s. den Abschnitt: „Der Kampf um die Regel" in: FELD, Franziskus (o. Anm. 4), 433—442.
Anmerkungen
370
33 Zeugenaussage der Pacifica de Guelfuccio: Processo 1,6 (Fonti Fr. 2930): „Anche disse questa testimonia che, tre anni da poi che la detta madonna Chiara fu stata nella Religione, alli preghi et instanzia de santo Francesco, lo quale quasi la costrinse, recewe lo reggimento e governo delle sore"; Leg. S. Ciarae, 12 (ed. OMAECHEVARRIA, 142): „Triennio vero post suam conversionem, nomen et officiumAbbatissae declinans, humiliter subesse voluit potius, quam praeesse, et inter Christi ancillas servire libentius, quam serviri. Cogente autem beato Francisco, suscepit tandem regimen dominarum"; vgl. FELD, Franziskus (o. Anm. 4), 433f. 34 Processo 6,6 (Fonti Fr. 3029); 7,2 (ebd. 3042). 35 Chronica fratris Iordani a Iano, ed. H. BOEHMER (Collection d'Études et de Documents, 6), Paris 1908, 7 (c. 7f.). 36 „Ipsis Beatus Franciscus, quibus tamquam modo genitis non cibum solidum, sed quia videbat competere, potum lactis formulam vitae tradidit" („Angelis gaudium": s. o. Anm. 32). 37 Giovanni BOCCALI, Canto di esortazione di San Francesco per le „poverelle" di San Damiano. Coli. Frane. 48 (1978), 5-29; Kajetan ESSER, Die Opuscula des hl. Franziskus von Assisi. Neue textkritische Edition (Spicilegium Bonaventurianum, 13), Grottaferrata (Romae) 21989, Kapitel XXIX; Chiara Augusta LAINATI in: Fonti Franc., S. 2239f.; Engelbert GRAU, Verba exhortationis, „Audite poverelle" [Verb Exh], des heiligen Franziskus. Franz. Stud. 72 (1990), 47-69; FELD, Franziskus (o. Anm. 4), 26f. 38 „Animae suae dimidio et praecordialis amoris armariae singulari, illustri reginae, Agni Regis aeterni sponsae, dominae Agneti..." (ed. OMAECHEVARRIA, 338); vgl. Horaz, Carmen 1,3,5-8: „Navis, quae tibi creditum / Debes Vergilium: Finibus Atticis / Reddas incolumem precor / Et serves animae dimidium meae." 39 „Ipsae vero filiae meae, sed praeeipue virgo prudentissima Agnes, soror nostra, setibi et filiabus tuis, quantum possunt, in Domino recommendant" (ed. OMAECHEVARRIA, 3 4 2 ) .
40 Actus Beati Francisci et Sociorum eius. Nuova edizione postuma di Jacques CAMBELL, a c u r a di M a r i n o BIGARONI e G i o v a n n i BOCCALI ( P u b b l i c a z i o n i della
Biblioteca Francescana Chiesa Nuova Assisi, 5), Assisi 1988,228, Anm. 184. 41 Ed. c., 303. 42 Eine kurze Biographie der heiligen Agnes von Assisi findet sich in der Chronica XXIV Generalium (Anal. Franc. 3,173-182). 43
44
E d . OMAECHEVARRIA, 3 0 2 - 3 0 8 .
„Quoniam omnium fortuna taliter est creata, quod numquam in eodem statu permanere potest, ideo quando aliquis arbitratur se esse in prosperis, tunc mergitur in adversis. Unde scias, Mater, quod maxima tribulatio et immensa tristitia carni et spiritui meo est, et supra modum gravor et crucior, et fere loqui non valeo, eo quod a vobis et ab aliis sororibus meis separata sum corpore, cum quibus in hoc saeculo mori credebam et vivere. Haec tribulatio habet initium, sed ignorât finem; haec numquam seit deficere, sed semper aeeipit incrementum; haec mihi nuper orta est, sed minime ad occasum tendit; haec semper mihi próxima est, et a me numquam desiderat elongari. Credebam quod una esset mors et vita in terris,quibus est una conversatio in caelis, et una reconderet sepultura, quibus una coaequalis est natura; sed, ut video, deeepta sum, angustiata sum, derelieta sum, tribulata ex omni parte" (ebd. 304f.). 45 „Inter haec sciatis, quod dominus Papa satisfecit mihi ut dixi et volui, in omnibus et per omnia, secundum intentionem vestram et meam, de causa quam scitis, de facto videlicet proprii. Precor ut rogetis fratrem Heliam, quod debeat me visitare
S. 142-150
371
saepe saepius et in Domino consolari" (ed. c., 306).Der Schluß des Briefes spricht für dessen Datierung in das zweite Generalat des Elias, also nach 1232. 46 S. o. bei Anm. 31! 47 S. hierüber: FELD, Franziskus (o. Anm. 4), 386. 48 Fratris Thomae vulgo dicti de Eccleston Tractatus de adventu fratrum Minorum in Angliam, ed. A . G . LITTLE, Manchester 2 1951, 69.
Auch Klara scheint weniger Wert auf die äußere Besitzlosigkeit gelegt zu haben. Im 6. Kapitel ihrer Regel erlaubt sie ganz unbefangen den Erwerb von soviel Gelände, wie für die Abgeschiedenheit eines Klosters notwendig ist; es darf als Gar49 ten genutzt werden (ed. OMAECHEVARRIA, 265). Im 8. Kapitel spricht sie von der altissima paupertas; diese schließt jedoch, im Gegensatz zu den beiden Regeln des Franziskus, kein absolutes Geldverbot ein (ebd. 266f.). „Vide contemptibilem pro te factum et sequere, facta pro ipso contemptibilis in hoc mundo. Sponsum tuum prae filiis hominum speciosum, pro salute tua factum virorum vilissimum, despectum, percussum et toto corpore multipliciter fla50 gellatum, inter ipsas crucis angustias morientem, regina praenobilis, intuere, considera, contemplare, desiderans imitan" (ed. OMAECHEVARRIA, 326f.); vgl. o. bei Anm. 46.31! „Dum adhuc vivebat spiritus eius in corpore, non erat in eo adspectus, sed despectus vultus eius et nullum mebrum in eo remansit absque nimia passione. Ex contractione nervorum membra eius rigida erant, sicut soient esse hominis mor51 tui, sed post mortem eius pulcherrimus adspectus est, miro candore rutilans, laetificans videntes" (Anal. Franc. 10,527). 52 Ed. OMAECHEVARRIA, 338f. 53 S. ed. OMAECHEVARRIA, 312; Fonti Franc., S. 2282. 54 „Cui si compateris, conregnabis,condolens congaudebis, in cruce tribulationis commoriens cum ipso in sanctorum splendoribus mansiones aethereas possidebis" (ed. OMAECHEVARRIA, 327). 55 „Haec est illa perfectio, qua te sibi Rex ipse in aethereo thalamo sociabit, ubi sedet stellato solio gloriosus,... cuius meruisti connubio copulari" (ebd. 324f.). 56 Ed. c., 341. 57 Ebd. 333. 58 VAN DEN GOORBERGH-ZWEERMAN, Clara (o. Anm. 6), 106. 59 „Pone mentem tuam in speculo aeternitatis, pone animam tuam in splendore gloriae, pone cor tuum in figura divinae substantiae et transforma te ipsam totam per contemplationem in imaginem divinitatis ipsius, ut et ipsa sentías, quod sentiunt amici gustando absconditam dulcedinem, quam ipse Deus ab initio suis amatorib u s r e s e r v a v i t " (ed. OMAECHEVARRIA, 3 3 3 ) .
10 Cecilia von Rom 1 2
Kritische Edition mit ausführlicher Einleitung und Literatur: Angelus WALZ, Die „Miracula Beati Dominici" der Schwester Cacilia. Archivum Fratrum Praedicatorum 37 (1967), 5 ^ 4 . Kirche und Kloster von S. Maria in Tempulo, die nicht mehr erhalten sind, lagen, wie San Sisto, ander Via antiqua, dem innerstädtischen Teil der Via Appia, gegenüber den Thermen des Caracalla; s. hierzu: Vladimir KOUDELKA, Le „Monasterium Tempuli" et la fondation dominicaine de San Sisto. Archivum Fratrum Praedicatorum 31 (1961), 5-81; ebd. 19-23.
372
Anmerkungen
3
Die zuverlässigsten Nachrichten über die Frühzeit des Dominikus enthält das sogenannte „Kleine Buch", das sein Nachfolger als Oberer (Prior, Magister) des Predigerordens, Jordan von Sachsen, verfaßt hat: Libellus de Principiis Ord. Praedicatorum auctore lordano de Saxonia. Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Histórica, Tom. 16, Fase. 2, R o m 1935, 1 - 8 8 ; die wichtigsten Biographien des Dominikus aus neuerer Zeit: Berthold ALTANER, Der hl. Dominikus. Untersuchungen und Texte (Breslauer Studien zur historischen Theologie, 2), Breslau 1922; Heribert Christian SCHEEBEN, Der heilige Dominikus, Freiburg Br. 1927; M . - H . VICAIRE, Geschichte des heiligen Dominikus, 2 Bde., Freiburg Br. 1962/1963 (französ. Orig.: Histoire de Saint Dominique, Paris 1957); G u y BEDOUELLE, Dominikus. Von der Kraft des Wortes, G r a z - W i e n - K ö l n 1984 (französ. Orig.: Dominique ou la Grâce de la Parole, Paris 1982).
4 5
Libellus, c. 20 (ed. c. 36). In den um 1260 entstandenen „Vitas Fratrum" des Gerard von Frachet wird ein ähnlicher Auftritt, wie ihn Jordan von Diego berichtet, dem Dominikus zugeschrieben, der damals schon als der Bedeutendere galt: Fratris Gerardi de Fracheto O . P . Vitae Fratrum Ordinis Praedicatorum neenon Cronica Ordinis ab anno M C C I I I usque ad M C C L I V , ree. B.M.REICHERT. Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Histórica 1 , Rom-Stuttgart 1897, 67f. (c. 2). Libellus, c. 26 (ed. c. 38f.). Ebd. c. 27 (ed. c. 39). Uber das Wirken des Dominikus in dieser Gegend, dem Herzland der Katharer, in unmittelbarer Nachbarschaft ihres größten Heiligtums, des Mont Ségur, s. vor allem: Saint Dominique en Languedoc. Cahiers de Fanjeaux 1 (1966; Nachdr. 1987).
6 7 8
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13 14
15 16 17
Jordan, Libellus, c. 34 (ed. c., 41 f.). „Anno domini M°CC°XVIH°, data est fratribus domus saneti Iacobi, quamvis nondum absolute, a magistro Iohanne, decano saneti Quintini, et ab universitate Parisiensi, ad instantiam precum domini pape Honorii, quam intraverunt ad habitandum VIII o Idus Augusti" (Jordan, Libellus, c. 53; ed. c., 50). „Bone memorie papa Honorius commisit beato Dominico, ut omnes sanctimoniales, que per monasteria in diversis regionibus Urbis morabantur, in unum redigerei et apud Sanctum Syxtum constructo monasterio simul eas faceret habitare" (Cecilia, Miracula, c. 2; ed. WALZ, 23). „Cum autem omnes sanctimoniales contradicerent et nollent pro posse suo in hoc domino pape et beato Dominico obedire, abbatissa Sánete Marie in Tempori cum universis monialibus suis, excepta una, obtulit se beato Dominico cum cunctis possessionibus et redditibus que ad monasterium pertinebant" (Miracula, ed. c.,23f.). Miracula, c. 2 (ed. c., 23f.). SCHEEBEN, Dominikus (o. Anm. 3), 329; andere, überwiegend negative Urteile über die Glaubwürdigkeit Cecilias hat WALZ in der Einleitungseiner Edition der „Miracula" (13f.) zusammengestellt. Miracula, c. 2 (ed. WALZ, 24f.). Jordan, Libellus, c. 100 (ed. c., 72f.). WALZ, Einleitung zu den „Miracula", 24, Anm. 7; nach KOUDELKA, Monasterium (o. Anm. 2), 56, ist es Aschermittwoch, der 24. Februar 1221; nach dem Akt hätten sich die Nonnen wieder nach S. Maria in Tempulo zurückbegeben. D a Dominikus bereits weniger als ein halbes Jahr später, am 6. August 1221, in B o logna gestorben ist, bliebe für die übrigen von Cecilia berichteten Ereignisse
S. 150-166
18 19
373
kaum Zeit. Der in S. Sisto getätigte Akt muß deshalb vor 1221 stattgefunden haben. Miracula, c. 14 (ed. WALZ, 42f.); KOUDELKA nimmt an, daß dieses zweite Gelöbnis noch in S. Maria in Tempulo stattfand, was durchaus möglich ist. KOUDELKA, Monasterium (o. Anm. 2), 6; Carlo BERTELLI, L'Immagine del „Monasterium Tempuli" dopo il restauro. Arch. Fratr. Praed. 31 (1961), 8 2 111.
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Nach KOUDELKA (Monasterium, 56f.) war es der 28. Februar 1221. Dominikus hätte dann innerhalb von fünf Tagen (Mittwoch bis Sonntag) den Nonnen dreimal das Gelübde abgenommen. Ich halte es deshalb für unwahrscheinlich, daß die Ereignisse im gleichen Jahr stattfanden; vgl. auch o. Anm. 17! Miracula, c. 10 (ed. WALZ, 37f.).
22
ALTANER, D o m i n i k u s (o. Anm. 3), 168.
23 24
WALZ, Einleitung zu den „Miracula" (o. Anm. 1), 37, Anm. 1. Vgl. ALTANER, Dominikus, 168: „Aus den massiven, z.T. albernen Wundergeschichten, bei denen die Phantasie der greisen Erzählerin ungewöhnliche Triumphe feiert, ist manches über das Verhältnis des Heiligen zu den Schwestern zu entnehmen." „Hoc tarn iocundum miraculum fecit beatus Dominicus in ecclesia Sancti Syxti ad fenestram, presente sorore Cecilia et vidente et audiente omnia predicta et alie sorores de Sancto Syxto" (Miracula, c. 10; ed. WALZ, 38). „Illud idem quam ridiculum? Diabolum Dominico Patri nostro semel obstrepentem, a Divo esse coactum, ut lucernam haberet in manibus, quoad illa absumpta non molestiam solum, sed incredibilem dolorem etiam afferret" (Melchioris Cani EpiscopiCanariensis ex Ordine Praedicatorum Opera, lib. 11, c. 6, Venedig 1759, 265a; Rom 1900, 258).
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Miracula, c. 4 (ed. WALZ, 28).
35
„... ita quod ad aures summi pontificis pervenerit, qui voluit hoc miraculum in publica predicatione omnibus manifestare. Sed beatus Dominicus, verus humilitatis amator et custos, prohibuit fieri, dicens quod si hoc faceret, iret ultra mare ad Saracenos nec ultra in istis regionibus ipse maneret. Quod timens pontifex noluit hoc publicare" (Miracula, c. 1; ed. WALZ, 21f.). „Et videbatur ipsi beato Dominico, quod domina nostra induta esset capa coloris saphiri... Tunc beata Virgo aperuit capam, qua videbatur induta, et expandit eam coram beato Dominico, que tante magnitudinis visa est fuisse, ut totam celestem patriam capere videretur, et subtus eam vidit fratrum multitudinem copiosam"
28 Miracula, c. 12 (ed. WALZ, 40f.). 29 S. o. Kap. 2, bei Anm. 21/22. 30 Jordan, Libellus (o. Anm. 3 ), c. 92 (ed. c., 69). 31 Miracula, c. 8 (ed. WALZ, 35f.). 32 Miracula, c. 6 (ed. WALZ, 30-32). 33 Nach der ältesten Handschrift der „Miracula" wären es 104 Schwestern gewesen, die aus dem Krug getrunken hatten, was aber zweifellos eine Verschreibung ist; denn nach c. 14 waren 44 Schwestern in S. Sisto eingetreten. 34 W. SCHADEWALDT, Die Zuverlässigkeit der synoptischen Tradition. Theol. Beitr.
36
37
19 (1982), 2 0 1 - 2 2 3 ; ebd. 212f.
(Miracula, c. 7; ed. WALZ, 34).
,,Εο tempore, ilia pulchra ac devota antiphona, scilicet Salve Regina, non cantando sed tantummodo genuflexo et legendo in conventu fratrum et sororum Rome dicebatur" (ebd.; ed. c., 33).
374
Anmerkungen
38
„So ist die Nachricht über das Salve Regina (Kap. 7) angesichts dessen, was Jordan über die Einführung dieses Gebetes erzählt, kaum als historisch anzusehen" (ALTANER, Dominikus, 169); vgl. WALZ, Einleitung zu „Miracula", 33, Anm. 1. 39 „Huius predicti fratris Bernhardi tarn fera vexatio fuit occasio, qua permoti antiphonam Salve Regina post completorium decantandam[!] instituimus apud Bononiam; qua de domo eadem per omnem postmodum cepit Lombardie frequentari provinciam, et sic demum in universum ordinem hec pia salutaris invaluit consuetudo" (Jordan, Libellus, c. 120; ed. c., 81). 40
41
Miracula, c. 15 (ed. WALZ, 44).
„La Reladón de la beata Cecilia es de mucha importancia para el estudio de la vida de Santo Domingo, puesto que - como dice el P. Taurisano - ,es la fuente más segura para conocer la vida de Santo Domingo y de sus compañeros en Roma' ... La obra de la Beata Cecilia es de una belleza incomparable": Santo Domingo de Guzmán visto por sus contemporáneos. Esquema biográfico, introducciones, versión y notas de los padres Miguel GELABERT, José María MILAGRO, José María DE GARGANTA (Biblioteca de Autores Cristianos), Madrid 21966, 393f.; vgl. I. TAURISANO, Fontes selecti vitae S. Dominici de Guzman, Roma (s. a.), 39. 42 Nach Zeugenvernehmungen in Bologna und Toulouse wurde Dominikus am 3. Juli 1234 in Rietidurch Gregor EX. heiliggesprochen. Die Akten des Kanonisationsprozesses: Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Histórica 16 (1935), 89-194; über die Heiligsprechung ausführlich: VICAIRE, Geschichte (o. Anm. 3), 11,246-271. 43 Santo Domingo (o. Anm. 40), 392.
11 Angela von Foligno 1
2 3 4 5 6 7 8 9
Kritische Edition: Ludger THIER, Abele CALUFETTI, Il Libro della beata Angela da Foligno (Spicilegium Bonav., 25), Grottaferrata 21985; wichtig sind die Untersuchungen: Ulrich KÖPF, Angela von Foligno. Ein Beitrag zur franziskanischen Frauenbewegung um 1300, in: Peter DLNZELBACHER, Dieter R. BAUER (Hrsg.), Religiöse Frauenbewegung und mystische Frömmigkeit im Mittelalter (Beihefte zum AKG, 28), Köln-Wien 1988,225-250; Kurt RUH, Geschichte der abendländischen Mystik II, 509-523; Sergio ANDREOLI, Angela da Foligno Maestra spirituale. Analecta T O R 26 (1995), 409-493; vgl. auch: Lucas WADDING, Annales Minorum VI, Romae 21733, 156-162. Libro, 136. S. darüber: Helmut FELD, Die Zeichenhandlungen des Franziskus von Assisi, in: Gert MELVILLE (Hrsg.), Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigung kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart, Köln 2000. Libro, 136/138. Der italienische Text läßt kaum eine andere Deutung zu: „E sì stava con el mio marito, onde amaro m'era, quando m'era dito ch'io li fazeva inzuria, e pur como poteva, sosteneva pazientemente" (Libro, 139). Libro, 138/139. Libro, 139, Anm. 11; vgl. ebd. 186: „Et vivere erat mihi poena super dolorem mortis matris et filiorum et super omnem dolorem quem possem cogitare." Libro, 138/140. Libro, 178-184; die Weggabelung liegt etwa 8 km von Assisi entfernt; bis heute befindet sich dort eine der Heiligen Trinität geweihte Kapelle. Später wird Angela offenbart, daß die Trinität in der betreffenden Offenbarung zu ihr gesprochen habe.
S. 166-175
375
10 Das Glasgemälde gewinnt seine Brisanz erst durch das unmittelbar daneben befindliche, auf dem die ebenfalls stehende Gottesmutter ihren Sohn präsentiert: beide Bilder zusammen bringen so die conformitas des Franziskus mit Christus bei dem Erlösungswerk zum Ausdruck. Daß Franziskus mit dem Erlöser zu einer „Person" verschmolzen war, entsprach der Uberzeugung seiner engsten Gefährten spätestens seit seinem Tode (vgl. II Cel 219: „Videbatur revera fratri et omnium comitantium turbae, quod Christi et beati Francisci una persona foret"). Vgl. hierzu auch die bei Thomas von Eccleston überlieferte Predigt Gregors IX., in welcher der Papst (vermutlich nicht ohne Ironie!) von der Vision zweier venezianischer Häretiker erzählt hatte: sie hatten den Heiligen in der Brust Christi gesehen; s. Fratris Thomae vulgo dicti de Eccleston Tractatus de adventu Fratrum Minorum in Angliam, ed. A. G. LITTLE, Manchester 21951, Coli. 15; Fonti Francescane, 2547; vgl. auch THIER-CALUFETTI in der Einleitung der Edition des Libro (o. Anm. 1), 34, Anm. 40! 11 „Et tunc quantumcumque esset verbum amarum, tarnen tunc in ipso verbo tantam dulcedinem sensi, quod fuit valde dulcissimum" (Libro, 184). 12 Libro, 296/298. 13 „Et inexpertis prius sue virtutis inflammantis splendoribus totam mentis mee faciem immutavit et infirmitates et languores ab anima et corpore sic repulit et priores distractiones renovavit, ut nullus sane mentis qui me prius cognoverit, habeat dubitare, quin spiritus Christi in me sit de novo genitus": Arbor Vite, Venedig 1485, Prolog I,5a-5b; die Stelle ist zitiert bei WADDING, Annales Minorum VI,62, und: ANDREOLI, Angela (o. Anm. 1), 423, Anm. 77; vgl. auch u.Kap. 12, Anm. 13; über Ubertino s.: FELD, Franziskus, 48. 492.
12 Margherita von Cortona 1
Es gibt bisher keine kritische Ausgabe des lateinischen Originaltextes, der in einem auf 1308 datierten Pergamentcodex (108 Folien) vorliegt; die Handschrift wird im Konvent S. Margherita in Cortona aufbewahrt. Lat. Text in: Acta Sanctorum Febr. 3, Antwerpen 1684, 298-357 (unkritisch und lückenhaft); ital. Übersetzung: Fra Giunta Bevegnati, Leggenda della Vita e dei Miracoli di SantaMargherita da Cortona. Nuova traduzione dal latino con prefazione e note di P. Eliodoro MARIANI, Vicenza 1978 (teilweise fehlerhaft und ungenau). An Untersuchungen sind wichtig: Anna BENVENUTI PAPINI, „Margarita Filia Jerusalem". Santa Margherita da Cortona e il superamento mistico della crociata, in: Franco CARDINI (Hrsg.), Toscana e Terrasanta nel Medioevo, Firenze 1982, 117-137; Enrico MENESTÒ, La mistica di Margherita da Cortona, in: Temi e problemi nellamistica femminile trecentesca (Convegni del Centro di Studi sulla spiritualità medievale. Università degli Studi di Perugia, 20), Todi 1983, 181-206; Domenico BASILI, Santa Margherita. La Mantellata di Cortona, Cortona 1991; K. RUH, Geschichte der abendländischen Mystik II, 501-509; noch immer nützlich ist: Lucas WADDING, A n n a l e s M i n o r u m V , R o m a 2 1 7 3 3 , 2 2 - 2 4 ; 3 7 1 - 3 7 6 .
2 3
Der Hund ist zum ikonographischen Attribut Margheritas geworden; s. darüber: BASILI, Santa Margherita, 66-70. Die von Bruder Elias von Cortona in den Jahren 1245-1253 errichtete Kirche ist (nach S. Francesco in Assisi) die zweite große städtische Franziskanerkirche Italiens; s. darüber: Helmut FELD, Franziskus von Assisi und seine Bewegung, Darmstadt 1994, 397-499.
376 4
5
6
Anmerkungen Es ist nicht sicher, ob es die Krypta (Unterkirche) von S. Francesco oder das daneben, innerhalb des Konventsgebäudes liegende Oratorium war; vgl. Leggenda, ed. MARIANI, 255, Anm. 8; D. BASILI, Frate Elia e il Testamento di S. Francesco, Cortona 1984, 54. Über die politischen Verhältnisse in der traditionell ghibellinischen Stadt Cortona in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts: Franco CARDINI, Agiografia e Politica: Margherita da Cortona e le vicende di una città inquieta. Studi Frane. 76 (1979), 127-136. Der Crucifixus wurde 1602 von S. Francesco nach S. Margherita übertragen, wo er sich bis heute befindet.
7
L e g g e n d a , ed. MARIANI 5 , 4 4 ; 7 , 3 3 .
8
„Nec haesites de tuorum plenaria remissione peccaminum, quam obtinebis, quia iam te feci calorem frigidorum inflammativum, ut me diligant et ferventi spiritu me sequantur. Iam in te exemplum praebui peccatorum, ut in te certissime videant, quod si se ad gratiam praeparare voluerint, sum paratus eis misericordiam elargiri, sicut misericors fui tecum" (Leg. 2,21; MARIANI 2,5 [S. 17f.]).
9
L e g . 2 , 2 2 ; MARIANI 2 , 6 (S. 18).
10
L e g . 2,25F.; MARIANI 2 , 7 (S. 2 0 - 2 2 ) .
14
L e g . 4 , 5 6 ; MARIANI, 4 9 .
11 Ed. MARIANI 8,17 (S. 218f.). Der Text des Briefes ist in der Legende in den Acta Sanctorum weggelassen. 12 Ed. MARIANI 9,27 (S. 250f.). Auch diesen Text haben die Acta Sanctorum unterdrückt! E. MENESTÒ hält die Passagen der Legende, die von einem distanzierten Verhältnis Margheritas zu ihrem Sohn sprechen, für unglaubwürdig, da sie im Widerspruch zu den Fakten stünden: Mistica (o. Anm. 1), 189, Anm. 11. Nicht der Bericht des Fra Giunta ist jedoch unglaubwürdig, sondern eine Apologetik, die ungefällige Züge aus dem Charakter und Leben der Heiligen wegdiskutieren will. 13 Es handelt sich um den berühmten Spiritualen Ubertino von Casale, der auch mit Angela von Foligno persönlich bekannt war; s. o. Kap. 11, Anm. 13. 15
L e g . 4 , 6 3 ; MARIANI, 5 4 .
16
L e g . 2 , 4 0 ; MARIANI, 3 3 f .
17
L e g . 4 , 6 3 ; MARIANI, 5 4 .
18
L e g . 4 , 6 4 ; MARIANI, 5 5 .
19 Leg. 5,102; MARIANI, 93f. Entgegen der Meinung von E. MENESTÒ ist die Bedeutung, die Margherita in ihren Offenbarungen zugeschrieben wird, eine universale, für die gesamte Kirche gültige; vgl. DERS., Mistica (o. Anm. 1), 203: „Margherita è dunque il sacerdote della città. Non è come Brigida o Caterina il profeta o il dottore della chiesa universale; è piuttosto l'apostolo del Comune, del regime cittadino ..." 20
21 22
Leg. 6,146; MARIANI, 136.
Leg. 5,131; MARIANI, 121f. „O signore mio Gesù Cristo, due grazie ti priego che tu mi faccia, innanzi che io muoia: la prima, che in vita mia io senta nell'anima e nel corpo mio, quanto è possibile, quel dolore che tu, dolce Gesù, sostenesti nella ora della tua acerbissima passione; la seconda si è ch'io senta nel cuore mio, quanto è possibile, quello eccessivo amore del quale tu, Figliuolo di Dio, eri acceso a sostenere volentieri tanta passione per noi peccatori": Fonti Francescane, Padova 41990, 1919 (S. 1 5 9 7 ) .
23
L e g . 4 , 7 3 ; MARIANI, 6 3 .
S. 175-186
377
24
L e g . 4 , 6 9 ; MARIANI, 59f.
25
„Ideo decorem Matris non potes comprehendere, quia ipsam prae ceteris creaturis in meam similitudinem transformavi" (Leg. 6,143; MARIANI, 133). Darüber ausführlich: FELD, Franziskus, 2 5 6 - 2 7 7 .
26
13 Mechthild von Magdeburg und die Cistercienserinnen von Helfta 1
Zur ersten Information sind nützlich: Hans NEUMANN, Art. Mechthild von Magdeburg, in: Verf. Lex. 6 (1987), 2 6 0 - 2 7 0 ; Louise GNADINGER, Art. M. v. Magdeburg, in: Lex. Ma. 6 (1993), 438; Kurt RUH, Geschichte der abendländischen Mystik 11,245-295; Michael BANGERT, Hildegund K.EUL (Hrsg.), „Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht." Die Mystik der Frauen von Helfta, Leipzig 1998, 2 1 9 - 2 2 1 ; Margot SCHMIDT in ihrer Einleitung zu: Mechthild von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995, V I XVI. 2 „Studiose et hoc promovebat, ut puellae in liberalibus artibus proficerent, ita dicens, si Studium scientiae deperierit, Religionis simul cultus interibit. Unde et iuniores minus litteratas amplius addiscere saepe cogebat, et magistras eis providebat": Mechthild, Liber specialis gratiae VI,1; Rev. Ger. (u. Anm. 4) 11,375. 3 Jetzt maßgebliche kritische Ausgabe: Mechthild von Magdeburg, „Das fließende Licht der Gottheit". Nach der Einsiedler Handschrift in kritischem Vergleich mit der gesamten Überlieferung hrsg. von Hans NEUMANN, 2 Bde., München und Zürich 1990. 1993; Übersetzung ins moderne Hochdeutsch von Margot SCHMIDT: s. o. Anm. 1. 4 Revelationes Gertrudianae ac Mechthildianae, 2 Bde., Paris-Poitiers 1875. 1877; ebd. 11,435-710. 5 Rev. Ger. II,435f. 6 „Do lies mich got nirgen eine und brachte mich in so minnenkliche sússekeit, in so heiige bekantheit und in so unbegriflich wunder, das ich irdenscher dingen wenig gebrachen konde" (Fließ. Licht IV,2; ed. NEUMANN 1,110); der Satz lautet in der lateinischen Übersetzung: „Tunc me solam Dominus non reliquit, transferens me amica dulcedine in tarn admirabile sapientiae suae lumen, quod mihi terrestria minime sapiebant" (Rev. Ger. 11,438). Man sieht, daß der Übersetzer dem Satz seine brisante Spitze genommen hat, um ihn kirchlicher Orthodoxie anzupassen: sowohl Liebe wie Erkenntnis (Weisheit) werden jetzt von Gott, nicht mehr von der Seherin, ausgesagt. 7 Fließ. Licht IV,2 (ed. NEUMANN 1,114). 8 „Ich enkan noch mag nit schriben,ich sehe es mit den ôgen miner sele und höre es mit den oren mines ewigen geistes und bevinde in allen liden mines lichamen die kraft des heiligen geistes" (Fließ. Licht IV,13; ed. NEUMANN 1,127); vgl. die lateinische Übersetzung: „[In hac huius libri dignitate] nihil scio nec possum seribere, nisi intellectualibus oculis perspexerim et auribus insonuerit cordi meo, et nisi virtutem Sancti Spiritus praesenserim in universis corporis mei membris" (Rev. Ger. 11,442). Vgl. hierzu o. Kap. 6, bei Anm. 4 2 ^ 3 ! 9 Fließ. Licht 11,26 (ed. NEUMANN 1,68); vgl. Rev. Ger. 11,443. 10 „Man vindet manigen wisen meister der schrift, der an im selber vor minen ögen ein tore ist ..." (Fließ. Licht 11,26; ed. NEUMANN 1,69); „Multi in scripturis approbati, in conspectu meo sunt fatui reputati. Et haec est gloria mea apud ipsos; fidemque confirmât catholicam, quod indoctum os Spiritu meo plenum lin-
Anmerkungen
378
guam edocet eruditam" (Rev. Ger. 11,444). Wie aus diesen und ähnlichen Sätzen hervorgeht, waren Mechthilds Offenbarungen nicht für sie allein bestimmt, auch nicht für einen kleinen Kreis Eingeweihter, sondern für die ganze Christenheit. Es geht deshalb durchaus an der Sache vorbei, wenn Kurt RUH hier den (aus der neuzeitlichen katholischen Theologie stammenden) Begriff der „Privatoffenbarung" einführt: Geschichte der abendländischen Mystik 11,255; vgl. auch ebd. 18f. 68. 191. 303; vgl. meine Kritik: Erwägungen zurMystik des Hochmittelalters. Rott. J b . 14 (1995), 257-264; ebd. 263. 11
F l i e ß . L i c h t V , 1 4 (ed. NEUMANN 1,167).
12
Ebd. 111,21 (ed. c. 1,100-104); vgl. hierzu bes.: Petrus W. TAX, Die große Himmelsschau Mechthilds von Magdeburg und ihre Höllenvision. Aspekte des Erfahrungshorizontes, der Gegenbildlichkeit und der Parodierung. Zeitschr. für deutsches Altert, und deutsche Lit. 108 (1979), 112-137; Katharina BOCHSLER, „Ich han da inne ungehórtú ding gesehen." Die Jenseitsvisionen Mechthilds von Magdeburg in der Tradition der mittelalterlichen Visionsliteratur (Deutsche Lit. von den Anfängen bis 1700, 23), Bern u.a. 1997.
13
Fließ. Licht 1,4 (ed. c. 1,14); s. hierzu vor allem: Amy HOLLYWOOD, The Soul as Virgin Wife. Mechthild of Magdeburg, Marguerite Porete, and Meister Eckhart, Notre Dame 1995. „Ir herren, swigent des alstille und grussent mich ein wenig bas; ich wil varen minnen" (ebd. 111,1; ed. c. 1,73). Ed. c. 1,75. In der Gesamtdarstellung, die Marianne HEIMBACH-STEINS von Mechthilds trinitarischer Theologie gibt, kommt dieser Gesichtspunkt zu kurz: Trinität Minne - Prophetie. Grundstrukturen theologischen Denkens im Werk Mechthilds von Magdeburg, in: Béatrice ACKLIN ZLMMERMANN (Hrsg.), Denkmodelle von Frauen im Mittelalter, Freiburg Schw. 1994, 83-106. - Als „Göttin" wird die „Königin des Himmels und der Erde" (Dame des cieulx, regente terrienne) auch in der Ballade François Villons (um 1431-nach 1463) für seine Mutter angeredet:
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„La joye avoir me fay, haulte Deesse, A qui pecheurs doivent tous recourir ..." (Œuvres, Paris 1971, 61; Das große Testament. Französisch-Deutsch, München 1980, 103). Die Bezeichnung „Göttin" für die Madonna kommt dann wieder in Goethes „Faust" vor; am Ende des zweiten Teils sagt der „Doctor Marianus" anbetend: „Jungfrau, Mutter, Königin, Göttin, bleibe gnädig." Nach den Sprachregelungen der offiziellen katholischen Dogmatik ist das natürlich verboten, ganz zu schweigen von der protestantischen Recht(fertigungs)Gläubigkeit. Ed. c. 1,78. Fließ. Licht 1,22 (ed. NEUMANN 1,16); vgl. den lat. Text (Rev. Ger. 11,474): „Dulcis stilla roris incomprehensibilis Trinitatis de fonte verae divinitatis respersa est super florem electae virginis. Cujus fructus est Deus immortalis, factus homo mortalis, qui est consolatio viva futurae immortalitatis. Et ecce redemptor noster factus est sponsus, et sponsa arsit ex aspectu [nobilis] vultus eius"; vgl. auch 111,4 (ed. c. 1,82): „Aber vrowe, edel góttinne ob allen luteren menschen, du mochtest och nút sünden." E d . NEUMANN 1,18.
Fließ. Licht 111,4 (ed. NEUMANN 1,88); vgl. lat. Text (Rev. Ger. 11,477): „Aeterna sapientia omnipotentis divinitatis te sic, o Domina, obumbravit ut naturaliter
S. 186-194
379
secundum hominem víveres poenalitatesque communes omnibus sine culpa sustineres, tuaque florens essentia, ne in nihilum in tam potenti [sole divinitatis] redigeretur, potentia firmaretur." 20
Fließ. Licht 1,22 (ed. NEUMANN 1,19); Rev. Ger. 11,475.
21 Sanctae Gertrudis Magnae Legatus divinae pietatis V,8: Revelationes Gertrudianae ac Mechtildianae I, Poitiers-Paris 1875, 542f. 22 „... post moram apparuit Dominus virtutum, Rex gloriae, prae filiis hominum imo prae vultibus Angelorum forma speciosus [Ps 44,3] ad caput infirmae residens, et flatum ipsius ex ore infirmae tamquam iridem aurei splendoris tendentem ad Cor divinum ex parte sinistri lateris recipere" (Rev. Ger. 1,544). 23 „... post paululum dum intra se rediret, vidit coeli rosam praefulgidam, Matrem, inquam, virgineam, sponso Filio quasi in jubilo congratulationis tam praeiucundae novae sponsae unionis, cum dulcissimis amplexibus suavissima imprimere oscula" (ebd.). 24 „Unde intellexit illa [seil. Gertrudis], quod inter haec perfecta fuisset illa felix copula, qua sitibunda illa anima introducta est ad plena celiarla [Cant 1,3], imo ipsi abysso verae beatitudinis feliciter immersa, numquam amplius emergenda" (ebd. 545). 25 Edition ihres Buches: Sanctae Mechtildis Liber specialis gratiae, in: Revelationes Gertrudianae ac Mechtildianae II, Poitiers-Paris 1877, 1—422; zur Einführung in Leben und Werk sind nützlich: Margot SCHMIDT, Art. Mechthild von Hackeborn, in: Verf. Lex. 6 (1987), 251-260; Alois Maria HAAS, Mechthild von Hackeborn. Eine Form zisterziensischer Frauenfrömmigkeit, in: Kaspar ELM (Hrsg.), Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ergänzungsband, Köln 1982,221-239; Otto LANGER, Zum Begriff der Erfahrung in der mittelalterlichen Frauenmystik, in: Walter HAUG und Dietmar MLETH (Hrsg.), Religiöse Erfahrung. Historische Modelle in christlicher Tradition, München 1992, 229-246; ebd. 237-244; Kurt RUH, Geschichte der abendländischen Mystik 11,296-314(ebd. weitere Literatur). 26 Rev. Ger. II,412f. 27 Vgl. RUH, Geschichte 11,303. 28 Rev. Ger. II,405f. Der Bericht geht auf Gertrud die Große zurück; er findet sich auch im Legatus divinae pietatis V,4 (Rev. Ger. 1,533). 29 Rev. Ger. II, 406f. 30 „,Nunc Cor meum tuum est, et cor tuum meum est.' Dulcissimoque amplexu et tota virtute sua divina sic animam illam sibi intraxit, ut unus cum eo spiritus effici videretur" (Rev. Ger. 11,233). 31 Lib. spec. grat. 111,7 (Rev. Ger. II,205f.). 32 Der „Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen": „Benedicite, omnia opera Domini, Domino" (Dan 3,57-88) wurde in der Advents- und Weihnachtszeit am Ende der sonntäglichen Laudes gesungen. 33 Vgl. hierzu auch Gertrud von Helfta, Legatus 1,8 (Rev. Ger. I,25f.; SC 139,158/160); u. bei Anm. 48. 49; vgl. H. FELD, Franziskus, 227. 34 Rev. Ger. 11,7-9. 35 „Post haec os suum roseum ori animae imprimens, tradidit illi exercitationem laudis, gratiarum actionis, orationis et praedicationis, in suae negligentiae supplementum. Postremo Cor suum mellifluum cordi animae adunavit, tribuens illi omnem exercitationem meditationis, devotionis et amoris, omnibusque bonis abunde ditavit. Sicque anima tota Christo incorporata et amore divino liquefacta, tamquam cera a facie ignis, totaque absorpta in Deo, sicut cera sigillo impressa,
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Anmerkungen similitudinem illius praetendit. Sic beata illa anima tota cum dilecto unum est effecta" (ebd. 9). Ebd. 9-11; vgl. u. bei Anm. 53! Vgl. auch Lib. spec. grat. 1,13, mit der Vision von den sieben Stufen der geistlichen Tugenden, die zum Gipfel emporführen, auf dem die Trinität ihren Thron hat; auch dort steht der Thron der Jungfrau-Mutter neben dem Thron Gottes, „weil sie, wie es sich für eine Königin gehört, neben ihrem König ihren Platz hat" (Rev. Ger. 11,42). Rev. Ger. II,131f. Vgl. besonders das 5. Kapitel des 4. Teils des Lib. spec, grat.: „Quid maxime hominem in religione promoveat" (Rev. Ger. 11,262): „Qui vere Religiosus effici desiderai, oculos suos custodiat ab omni illicito et etiam inutili intuitu; similiter et aures suas abstineat, ne unquam audiat, quo cor eius maculam contrahat; prohibeat quoque os suum ab omni inutili verbo, et si quid vidit vel audivit, nunquam os suum inde loqui permittat. Cor etiam suum maxime custodiat, ne unquam in malis cogitationibus delectetur, aut sponte immoretur..." Rev. Ger. 11,3 74f.; vgl. auch o. Anm. 2! Rev. Ger. 1,497. 504. 506. Grundlegende Informationen über Gertrud von Helfta: Ulrich KÖPF, Art. Gertrud (die Große) von Helfta, in: TRE 12 (1984), 538-540; Johanna LANCZKOWSKI, Gertrud die Große von Helfta: Mystik des Gehorsams, in: Peter DlNZELBACHER, Dieter R. BAUER (Hrsg.), Religiöse Frauenbewegung und mystische Frömmigkeit im Mittelalter, Köln-Wien 1988, 153-164; K. RUH, Geschichte der abendländischen Mystik 11,314-337; Editionen: Revelationes Gertrudianae ac Mechthildianae. I. Sanctae Gertrudis Magnae Legatus divinae pietatis. Accedunt eiusdem Exercitia spiritualia, Poitiers-Paris 1875; Gertrude d'Helfta, Œuvres spirituelles (Sources Chrétiennes 127. 139. 143. 255. 331), Paris 1967-1986; wichtig ist die Einleitung zu Bd. 2 (SC 139; 1968) von Pierre DOYÈRE. Leg., Prolog (Rev. Ger. I,2f.) und 111,64 (ebd. 239f.). „... de grammatica facta theologa" (Rev. Ger. 1,8). Leg. 11,1 (Rev. Ger. I,59f.). Leg. 11,4 (Rev. Ger. 1,66-68). Leg. 1,14 (ed. c. 44f.) „Non solum autem erga homines, verum etiam erga omnem creaturam tanto afficiebatur pietatis affectu, ut quamcumque creaturarum, sive volatilium, sive pecudum, aliquod incommodum ex esurie vel siti vel frigore videret perpeti, mox facturae Domini sui compatiens ex intimo cordis affectu, illud incommodum irrationabilis creaturae Domino devote studebat offerre in laudem aeternam, in unione illius dignitatis qua omnis creatura in ipso est summe perfecta et nobilitata, desiderane ut Dominus misertus creaturae suae, defectus ipsius dignaretur relevare" (Leg. 1,8; Rev. Ger. I,25f.). Wie man sieht, nimmt Gertrud auch in diesem Fall einen priesterlichen Dienst wahr. Leg. 1,7 (Rev. Ger. 1,24); vgl. 3 Soc 51; II Cel 17; FELD, Franziskus, 174f.; vgl. o. bei Anm. 33! Leg. 11,17 (Rev. Ger. I,90f.). Offizium am Fest der heiligen Agnes (21. Januar), In III Noct.: „Cuius pulchritudinem sol et luna mirantur, ipsi soli servo fidem"; vgl. Dan 3,62; Ps 148,3. „In quo extolleretur omnipotentia mea, si hoc non praevaleret, ut quocumque loco fuero, me in memetipso possem continere, ne sentiar vel appaream ultra quam aptissime congruit pro loco, pro tempore et pro persona? Nam ab initio
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creationis coeli et terrae in toto opere redemptionis magis usus sum sapientia benignitatis quam potentia majestatis; quae sapientiae benignitas maxime elucet in tolerando imperfectos, quousque illos per liberum arbitrium ducam ad viam perfectionis." Leg. 11,6 (Rev. Ger. I,71f.); vgl. o. bei Anm. 36! Vgl. K. RUH, Geschichte 11,300.
14 Marguerite Porete 1
2
Maßgebende altfranzösisch-lateinische Edition: Marguerite Porete, Le Mirouer des simples ames, éd. par Romana GUARNIERI. Margaretae Porete Speculum simplicium animarum, cura et studio Paul VERDEYEN ( C C C M 69), Turnhout 1986; Ubersetzungen ins moderne Französisch: Marguerite Porete, Le Miroir des âmes simples etanéanties et qui seulement demeurent en vouloir et désird'amour. Introduction, traduction et notes, Max HuOT DE LONGCHAMP, Paris 1984; Marguerite Porete, Le Miroir des simples âmes anéanties et qui seulement demeurent en vouloir et désird'amour. Traduit de l'ancien français par Claude LOUISCOMBET. Texte présenté et annoté par Emilie ZUM BRUNN, Grenoble 1991; Übersetzung ins Deutsche: Margarete Porete, Der Spiegel der einfachen Seelen. Wege der Frauenmystik. Aus dem Altfranzösischen übertragen und mit einem Nachwort und Anmerkungen von Louise GNADINGER, München 1987. Corpus Documentorum Inquisitionis haereticae pravitatis Neerlandicae, ed. Paul FREDERICQ, I, Gent-s' Gravenhage 1889, 158 (No. 165); alle wichtigen Dokumente des Pariser Inquisitionsprozesses gegen Marguerite Porete jetzt bei: Paul VERDEYEN, Le Procès d'inquisition contre Marguerite Porete et Guiard de Cressonessart ( 1 3 0 9 - 1 3 1 0 ) . R e v . d ' H i s t . E c c l . 81 ( 1 9 8 6 ) , 4 7 - 9 4 ; ebd. 81.
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Referiert in dem Dokument der Inquisition vom 9. Mai 1310 (VERDEYEN, Procès, 78): „... inquisitor ... ex depositione plurium testium invenit, quod dicta Margarita librum quemdam composuerat continentem hereses et errores, qui de mandato reverendi patris domini Guidonis, condam Cameracensis episcopi, publice et sollempniter tamquam talis fuit condempnatus et combustus. Et per litteram predicti episcopi fuit ordinatum quod, si talia sicut ea que continebantur in libro, de cetero attemptaret verbo vel scripto, earn condempnabat et relinquebat iustitiandam iustitie seculari"; für Valenciennes als Ort der Verbrennung des Buches, ebd. 82: „in Valencenis in tua combustus presentía publice et patenter". Philippe de Marigny war der Bruder Enguerrands de Marigny, des Schatzkanzlers Philipps des Schönen, und wie dieser dem König treu ergeben; Philipp besorgte ihm 1309 das Erzbistum Sens (ebd. 79). „Invenit etiam idem inquisitor quod ipsa recognovit in iudicio semel coram inquisitore Lotharingie et semel etiam reverendo patre domino Philippo, tunc Cameracensi episcopo, se post condempnationem predictam habuisse librum predictum et alios. Invenit etiam inquisitor, quod dicta Margarita dictum librum in suo consimili eosdem continentem errores post ipsius libri condempnationem reverendo patri domino Johanni, Dei gratia Cathalaunensi episcopo, communicavit ac necdum dicto domino sed et pluribus aliis personis simplicibus, begardis et aliis, tamquam bonum" (VERDEYEN, Procès, 78); vgl. auch ebd. 82, im Tenor des Urteils vom 31. Mai 1310. „Habita autem prius deliberatione inter ipsos magistros supradictos, Symon decanus, de volúntate et concordi assensu et ipsorum omnium magistrorum nomine, di-
Anmerkungen
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xit respondendo consultation! ab eisdem petite, quod consilium omnium erat et est, quod talis liber, in quo continentur died articuli, tamquam haereticus et erroneus et heresum et errorum contentivus exterminetur" (VERDEYEN, Procès, 51). Uber das Ende des Templerordens s. vor allem: Karl August FINK, in: Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. von Hubert JEDIN, Bd. III/2, Freiburg Br. 1968/ 1985, 373-380.
8
VERDEYEN, Procès, 51.
9
Corpus Documentorum (o. Anm. 2), 160 (No. 166); VERDEYEN, Procès, 88; vgl. u. Anm. 15. „Ipsam namque post multas contumacias in non comparendo commissas tandem coram se fecit personaliter presentan. Cui de dicenda veritate super sibi impositis et expositis ex officii sui debito detulit iuramentum, quod ipsa obstinata et pertinax subire seu prestare contumaciter recusavit, quamvis postea sufficienter informata ipsum fratrem Guillelmum inquisitorem piane recognosceret et etiam fateretur. Et propterea idem inquisitor ipsam, in sua contumacia persistentem, post multas exhortationes salubres sibi factas ab eo, maioris excommunicationis vinculo innodavit. Quam quidem excommunicationem fere per annum et dimidium in sue salutis dispendium animo sustinuit indurato" (VERDEYEN, Procès, 61). Ebd. 81f. Ebd. 89. Ebd. 89f. R. GUARNIERI, Il Movimento del Libero Spirito. Archivio italiano per la storia della pietà 4 (Roma 1965), 351-709; Edition des Miroir ebd. 513-635. „... quod anima annihilata in amore conditoris sine reprehensione conscientiae vel remorsu potest et debet naturae quidquid appétit et desiderat (concedere)"; s.o. bei Anm. 9! „Ceste Amedonne a Nature quanqu'elle luy demande; et est vray, dit Amour, que ceste Ame n'a mie tant de cure ne d'amour aux choses temporelles, qu'elle sceust gaigner en refuser a Nature sa demande; ainçoys feroit conscience de luy tollir ce qui est sien" (CCCM 69,68): „the most neglected of the great writers of the thirteenth century": DRONKE, Women Writers (o. Kap. 5, Anm. 13), 202. S. z.B. Kurt RUH, Meister Eckhart, München 1985, 95-105; DERS., Transzendenzerfahrung im Miroir des simples âmes der Marguerite Porete, in: W. HAUG und D. MIETH (Hrsg.), Religiöse Erfahrung, München 1992,189-203; DERS., Geschichte der abendländischen Mystik 11,338-371; Ulrich HEID, Studien zu Marguerite Porète und ihrem „Miroir des simples âmes", in: P. DLNZELBACHER und D. R. BAUER (Hrsg.), Religiöse Frauenbewegung (o. Kap. 13, Anm. 42),185-214; Daniela MÜLLER, Beginenmystik als ketzerische Frauentheologie? in: Bea LUNDT (Hrsg.), Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten, München 1991, 213-232 (über Marguerite Porete ebd. 221-227); Louise GNÄDINGER, Die Lehre der Margareta Porete von der Selbst- und Gotteserkenntnis. Eine Annäherung, in: B. ACKLLN-ZLMMERMANN (Hrsg.), Denkmodelle
10
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(o. K a p . 13, A n m . 15), 1 2 5 - 1 4 8 .
19 K. A. FINK, Papsttum und Kirche im abendländischen Mittelalter, München 2 1994, 209. Noch L. GNADINGER, die die bislang letzte eindringende Untersuchung zu Marguerites Buch vorgelegt hat (o. Anm. 18), kommt zu der Ansicht, daß das Werk „im Zusammenspiel der vielerlei begrifflichen und bildlichen Sprachelemente und den damit korrespondierenden Denkansätzen noch wenig" untersucht sei: o. c. 148.
S. 201-211
383
20 Zur Bedeutung von „Spiegel" vgl. auch GNADINGER, Lehre (o. Anm. 18), 129f. 21 CCCM 69,10-15. 22 Miroir 58 (CCCM 69,168): „l'oeuvre du Loingprès Ravissable": „die Tätigkeit der Fern-Nahen, der plötzlich entrückt"; „Ce Loingprès, que nous appelions esciar a maniere d'ouverture et de hastive clousure": „dieser Fern-Nahe, den wir Blitz nennen, nach der Art und Weise seiner Öffnung und hastigen Schließung"; Miroir 60 (ebd. 174); Miroir 61 (ebd. 176); Miroir 80 (ebd. 228); Miroir 98 (ebd. 272); vgl. dazu GNADINGER, Lehre (o. A n m . 18), 133f.
23 „Adone fist elle paindre ung ymage qui representoit la semblance du roy, qu'elle amoit, au plus près qu'elle peut de la representation dont elle l'amoit et en l'affection de l'amour dont elle estoit sourprinse" (CCCM 69,12); „Igitur quandam imaginariam effigiem ante suae mentis oculos depinxit, similitudinem sui dilecti sibi repraesentantem, et hoc proprie quantum poterat iuxta mensuram amoris quo irremediabiliter erat accensa" (ebd. 13). 24 Vgl. hierzu auch DRONKE, Women Writers, 219. 25 CCCM 69,298-302. 26 Ebd. 302-304. 27 Ebd. 304. 28 DRONKE, Women Writers, 218f. 29 CCCM 69,8. 30 Ebd. 12; s.o. bei Anm. 21. 31 Daß Eckhart den Miroir der Marguerite Porete kannte und von ihm beeinflußt war, ist zwar nicht eindeutig zu beweisen, aber doch wohl wahrscheinlich; dazu ausführlich: Kurt RUH, Meister Eckhart, München 1985, 95-114. 32 CCCM 69,316-332. 33 Ebd. 332-335. 34 „... coincidence of all and nothing, good and evil, and (within herself) endless plenty and endless neediness" (DRONKE, Women Writers, 221). 35 S.o. Anm. 10!
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Uber Brigida von Kildare s.: Hermann J. VOGT, Zur Spiritualität des frühen irischen Mönchtums, in: Heinz LÖWE (Hrsg.), Die Iren und Europa im früheren Mittelalter, Stuttgart 1982,1,26-51; s. auch ebd. Bd. I und II, passim s. v. Brigida· Vgl. die neuere, gut lesbare Biographie von Ferdinand HOLBÖCK: Gottes Nordlicht. Die heilige Birgitta von Schweden und ihre Offenbarungen, Stein am Rhein 1983. Es gibt bislang keine vollständige kritische Edition der Schriften Birgittas; ich benutze deshalb die ältere Ausgabe: Revelationes S. Birgittae ohm a Card. Turrecremata recognitae et Consalvo Duranto a S. Angelo in Vado notis illustratae, Köln 1628, in: Corpus Revelationum Sanctarum Birgittae Hildegardis Elizabethae. - Kritische Edition von Buch V: Sancta Birgitta: Revelaciones Book V: Liber Quaestionum, edited by Birger BERGH, Uppsala 1971, auch in: Samlingar utg. av Svenska Fornskriftsällskapet, Ser. 2. Latinska skrifter VII: 5; von Buch VI: Sancta Birgitta, Revelaciones Book VI, edited by Birger BERGH, Stockholm 1991. Ingrid SWARTLING, Alvastra Abbey. The First Cistercian Settlement in Sweden (Acta Universitatis Stockholmiensis. Stockholm Studies in History of Art, 16), Stockholm 1969; Ambrosius SCHNEIDER u. a. (Hrsg.), Die Cistercienser. Ge-
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Anmerkungen schichte - Geist - Kunst, Köln 1974, 70f.; M.-Anselme DIMIER, L'Art Cistercien hors de France. Zodiaque 34 (1971), 30f. „Qui me contemnunt, negligentes charitatem meam, mihi hoc faciunt": Vita abbreviata S. Birgittae, in: Corpus Revelationum Sanctarum Birgittae Hildegardis Elizabethae, Köln 1628, 592. Die englische Übersetzung von A. R . KEZEL ist darin ungenau, daß sie das Präsens „faciunt" perfektisch wiedergibt: „they have done this to me": Birgitta of Sweden. Life and Selected Revelations, edited, with a Preface by Marguerite Tjader HARRIS. Translation and Notes by Albert Ryle KEZEL. Introduction by Tore NYBERG, N e w Y o r k - Mahwah 1990, 73. Rev. VI,63 (Corp. Rev., 410);Übersetzung bei HOLBÖCK, Nordlicht (o. Anm. 2), 70f. Der aus dem Limousin stammende Pierre Roger war in jugendlichem Alter in die Benediktiner-Abtei La Chaise-Dieu eingetreten; nach kurzen Wirken als Abt von Fécamp wurde er Bischof von Arras, danach Erzbischof von Sens und schließlich königlicher Rat und Erzbischof von Rouen: Karl August FINK, V o n Johann X X I I . zu Clemens VI., in: Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. von Hubert JEDIN, III, Freiburg Br. 1968/1985, 3 8 4 ^ 0 2 ; ebd. 399f.
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Uber die Reiseroute durch Deutschland gibt es kein zuverlässiges Zeugnis: HOLBÖCK, Nordlicht, 81. Über die Gründung des Klosters Maihingen s.: Tore NYBERG, Birgittinische Klostergründungen des Mittelalters (Bibliotheca Histórica Lundensis, 15), Leiden 1965, 145-150.
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In der Königlichen Bibliothek zu Stockholm sind noch zwei Autographe von ihr erhalten; s. die Reproduktion in: Eva Nilsson NYLANDER (Hrsg.), Rosa Rorans Bonitatem. Exhibition Celebrating the Sixth Centenary of the Canonization of St Birgitta of Sweden. Biblioteca Apostolica Vaticana - Vestibolo del Salone Sistino 4.V. 1991—4.XI.1991, neben S. 77. Salesia BONGENBERG, Die sieben Lukas-Ikonen Roms, Coesfeld 1 9 9 4 , 2 4 - 2 7 . Rev, 111,22 (Corp. Rev., 154). Vita S. Catharinae, c. 5 (Corp. Rev., 599). Ebd. c. 8 (Corp. Rev., 600). Ferdinand GREGOROVIUS, Geschichte der Stadt R o m im Mittelalter XI.7.1. Vita S. Katharinae, c. 9 (Corp. Rev., 601). Rev. VII,4 (Corp. Rev., 442). Nicht selten sind derartige Offenbarungen skurriler Natur; so wurde ihr das Schicksal der Vorhaut Christi offenbart, die schließlich nach R o m gelangte: Rev. VI,112 (Corp. Rev., 436). Rev. VII,11 (Corp. Rev., 449f.). Epistola Domini Alphonsi ad Reges pro defensione Revelationum S. Birgittae (Corp. Rev. 476—486). Über die mittelalterlichen Birgitta-Handschriften und ihre Illuminationen s.: Carl NORDENFALK, Saint Bridget of Sweden as Represented in Illuminated Manuscripts, in: Millard MEISS (Hrsg.), D e Artibus Opuscula X L . Essays in H o n o r o f Erwin Panofsky, N e w Y o r k 1961,1,371-393; 11,123-127. Über sein Wirken noch immer: GREGOROVIUS, Geschichte der Stadt R o m XI.7.2—4; X I I . 1.2-4. Rev. IV,139 (Corp. Rev., 299). Rev. IV,140 (Corp. R e v , 300). Rev. IV,142 (Corp. R e v , 301f.); s.u. Anm. 26! Rev. VII,15 (Corp. R e v , 455f.). Rev. V I 1,21 (Corp. R e v , 463f.). Vgl. HOLBÖCK, Nordlicht (o. Anm. 2), 159. Zur Deutung der „Stuppacher Madonna" von Grünewald zieht Wolfgang URBAN entsprechende Texte Birgittas
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heran: „Schön bist du, meine Freundin, ja schön." Zu den theologischen Dimensionen der „Stuppacher Madonna", in: Werner GROSS und Wolfgang URBAN (Hrsg.), Wunderschön prächtige. Die „Stuppacher Madonna" zu Gast im Diözesanmuseum Rottenburg. Ein Begleitbuch zur Ausstellung vom 19. Februar bis 25. April 1999, Ulm 1999, 43-59; ebd. 52-55. Doch scheint auf Grünewalds berühmtem Bild, ebenso wie auf der entsprechenden Darstellung des Isenheimer Altares, eher die vorzeitliche, ewige Geburt des Gottessohnes aus der Jungfrau dargestellt zu sein als die geschichtliche Geburt in Bethlehem, die Birgitta in ihrer Vision geschaut hat. Darauf weist allein schon die Abwesenheit Josefs hin; vgl. Pantxika BÉGUERIE, Museum Unterlinden, Colmar. Der Isenheimer Altar, Strasbourg 1991, 24-26. Eine Geburt Christi nach der Bethlehem-Vision Birgittas ist dagegen auf dem Gemälde des Niccolò di Tommaso (fi. 1343-1376): „Visione di Santa Brigida" in der Pinacoteca Vaticana dargestellt; Abb. in: Rosa Rorans (o. Anm. 8), 104. Eine „schmerzlose" Geburt Jesu, einen Hervorgang „aus dem geschlossenen Uterus der Mutter" hat schon Thomas von Aquin angenommen (S. th. III, q. 35, ar. 6). Rev. VII,25 (Corp. Rev., 468). Rev. IV,142; s.o. Anm. 21. Kanonisationsbulle in: Corp. Rev., nicht foliierte Seiten am Anfang. Edition der Akten:Acta et Processus Canonizacionis Beate Birgitte utg. av Isak COLLIJN (Samlingar utgivna av Svenska Fornskriftsaellskapet, Ser. 2, Latinska Skriften I), Uppsala 1924-1931; Faksimile der Stockholmer Handschrift: Acta et Processus Canonizationis Sanctae Birgittae. Codex Holmiensis A 14. Med inledning av Isak COLLIJN, Stockholm 1920. „... et diligenter inspicere, dum in hoc sacro Concilio quaeritur tractari de canonizatione sanctorum et examinatione doctrinarum suarum, praesertim unius, quae Brigitta nominatur, assueta visionibus, quas nedum ab angelis, sed a Christo et Maria et Agnete et caeteris sanctis, familiaritate jugi, sicut sponsus ad sponsam loquitur, se assent divinitus suscepisse. Est autem utrobique, vel in approbatione vel in reprobatione, periculum. Approbare enim falsas et illusorias et frivolas visiones pro veris et solidis revelationibus, quid indignius, quid alienius ab hoc sacro Concilio? Reprobare vero nunc eas, quae multifarie multisque modis quaquaversum per diversas nationes probatae dicuntur, non parva est inde scandalorum in Christiana religione et devotione populorum formidatio. Denique in ipso etiam silentio et dissimulatione, ex quo res in medium posita est, non nihil inesse discriminis pertimescimus. Invenire vero medium aliquod vel expediens inter haec extrema laudabile quidem, sed an effectibile sit, necdum satis cernimus exploratum ... Onerosum quippe esset, ne dicamus vanum, visiones super visiones in immensum multiplicatas debere recipere tamquam ab ore Dei prolatas, ac proinde certissima fide credendas. Sicque demum nostra fides nostraque religio, quam Deus, teste Augustino, voluit sub paucissimis contineri, redderetur plus, absque ulla comparatione, quam lex vetus onerosa. Hinc clarae memoriae magister Henricus de Hassia comprimendam esse tot hominum canonizationem scripsit" (De probatione spirituum: Œuvres complètes, ed. GLORIEUX, 9, Paris 1973, 177-185 [Nr. 448]; ebd. 1 7 9 . 1 8 1 ) ; vgl. u. K a p . 15, A n m . 18!
30 Vgl. Epistola Domini Ioannis Cardinalis de Turrecremata ad omnes Christi Fideles, und: Prologus Domini Ioannis de Turrecremata in defensionem eiusdem super Revelationes coelestesSanctae Birgittae de Vuatzsteno, in: Corp. Rev., S.++1++3. Das Urteil Torquemadas ist im ganzen zutreffend: Birgittas Schriften enthalten, gemessen an der offiziellen Theologie, keine außergewöhnlichen oder gar
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Anmerkungen
heterodoxe Gedanken. Zur Theologie und Ethik Birgittas s.: Ingvar FOGELQVIST, Apostasy and Reform in the Revelations of St Birgitta (Bibliotheca Theologiae practicae. Kyrkovetenskapliga studier, 51), Stockholm 1993. 31 Dagegen das Officium Divinum von 1972 noch immer: Domine Deus noster, qui beatae Birgittae Filii tui passionem meditanti secreta caelestia revelasti ... 32 Vgl. auch: H. FELD, Erwägungen zur Mystik des Hochmittelalters. Rott. Jb. 14 (1995), 257-264; ebd. 264. - Im Herbst 1991 wurden in Rom, anläßlich der 600. Wiederkehr der Heiligsprechung Birgittas, in Gegenwart des Papstes und des schwedischen Königspaares große Feierlichkeiten veranstaltet, zu denen auch ein wissenschaftlicher Kongreß gehörte. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, wurde dabei auch über die „Aktualität" der spätmittelalterlichen Heiligen geredet. Derartige Reden dienen eher der Selbstbestätigung und Selbstdarstellung der Beteiligten als der Erkenntnis der geschichtlichen Gestalt in ihrer Umwelt: Santa Brigida Profeta dei tempi nuovi. Atti dell'Incontro internazionale di studio Roma 3-7 ottobre 1991. Proceedings of the International Study Meeting Rome October 3-7, 1991, Roma 1993; wichtig darin der Beitrag von Peter DINZELBACHER: Die hl. Birgitta und die Mystik ihrer Zeit, ebd. 267-302. 33 Tore NYBERG, Art. Birgittenorden, in: LThK 3 2 (1994), 479f.
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Le lettere di S. Caterina da Siena. Ridotte a miglior lezione, e in ordine nuovo disposte, con proemio e note di Niccolò TOMMASEO, 4 Bde., Firenze 1860; Santa Caterina da Siena, Epistolario. Introduzione e note a cura di D. Umberto MEATTINI, 3 Bde., Alba 1966. 2 1987; in dieser Edition sind die Briefe nach Adressaten, beginnend mit den Päpsten Gregor XI. und Urban VI., geordnet; der Text ist in moderne italienische Orthographie übertragen. Über die Quellen grundlegend: Robert FAWTIER, Sainte Catherine de Sienne. Essai de critique des sources. Bibliothèque des Écoles françaises d'Athènes et de Rome, Ser. 1, 121 (Paris 1921); 135 (Paris 1930). Editionen: S. Caterina da Siena, Il Dialogo della divina provvidenza ovvero Libro della divina dottrina, ed. Giuliana CAVALLINI, Roma 1968. Z1980; Santa Caterina da Siena, Il libro. Introduzione e note a cura di D. Umberto MEATTINI, Alba 1975; S. Caterina da Siena, Dialogo della Divina Provvidenza. Versione in italiano corrente a cura di Maria Adelaide RASCHINI, Bologna 1989. Für den Stand der neueren Forschung über Katharina von Siena sind wichtig: Atti del Simposio internazionale Cateriniano-Bernardiniano. Siena, 17-20 Apr. 1980, a cura di Domenico MAFFEI e Paolo NARDI, Siena 1982; Claudio LEONARDI, Katharina, die Mystikerin, in: F. BERTINI (Hrsg.), Heloise und ihre Schwestern, München 1991, 222-251, mit weiteren Literaturangaben. Ein Beispiel wenig distanzierter neuzeitlicher Hagiographie hat die norwegische Schriftstellerin Sigrid UNDSET in ihrer romanhaften Lebensbeschreibung: Katharina Benincasa (deutsche Übersetzung: Bonn 1953) gegeben; es ist das wohl schwächste Werk der großen Autorin. Rudolph M. BELL, Holy Anorexia, Chicago and London 1985; über Katharina ebd. 2 2 - 5 3 .
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E p . 3 5 9 (ed. TOMMASEO I V , 4 2 0 f . ; ed. MEATTINI I,574f.). E p . 2 7 3 (ed. TOMMASEO I V , 5 - 1 5 ; ed. MEATTINI 111,56-60. R . FAWTIER, der kein
weiteres Zeugnis für die Hinrichtung Niccolòs gefunden hatte, hielt den Brief für
S. 222-236
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eine Fälschung: S. Catherine (o. Anm. 1)1,169-171; 2,201f.; 328f.; zur Auseinandersetzung um den historischen Hintergrund des Ereignisses: Anna Imelde GALLETTI, „Uno capo nelle mani mie": Niccolò di Toldo, perugino, in: Atti del Simposio (o. Anm. 2), 121-127. Acta SS. Apr. 111,851-978. Vita 111,5 (163ff.); 111,7 (399). Acta SS. Apr. 111,965°. Gemeint ist der Justizvollzug; vgl. den gleichen Ausdruck bei der Hinrichtung des Niccolò di Toldo! Vita 11,4,154-163 (Acta SS. Apr. 111,892-894). Vita 11,4,179f. (Acta SS Apr. III,898b). „His dictis, disparuit visio, sed semper remansit annulus ille indigito, non quidem secundum visionem aliorum, sed tantum secundum ipsius virginis visionem. Confessa etenim, licet verecunde, mihi saepius est, quod semper annulum illum videbat in digito, nec unquam fuit tempus in quo non videret": Vita 1,7,114-115. Ep. 270 (ed. MEATTINI 1,94-98).
15 Vgl. Ep. 255 (ed. c. I, 99-102; Franco CARDINI, L'idea di crociata in Santa Caterina da Siena, in: Atti del Simposio (o. Anm. 2), 57-87, 16 Ep. 209; Ep. 270 (ed. c. 1,56-60; 94-98). 17
Ep. 239 (ed. MEATTINI 1,83).
18 „Sequitur altera cautela pro praelatis specialiter et doctoribus, apud inferiores praesertim idiotas ac sine litteris mulierculas. Caveant, qui dati sunt in regimen et exemplum, ne leviter suis verbis aut factis approbent doctrinas earum, et visiones insólitas seu miracula ipsis maxime scientibus, aut coram eis: nulla plane posset altera dari talibus ad fingendum fortior occasio. Experti pluries loquimur, et Gregorius XI papa testis fuit idoneus, sed tardus nimis. Hic positus in extremis, habens in manibus sacrum Christi corpus, protestatus est coram omnibus, ut caverent ab hominibus, tarn viris quam mulieribus, sub specie religionis visiones loquentibus sui capitis; quia per tales ipse seductus esset, dimisso suorum rationabili Consilio, ut se et Ecclesiam ad discrimen schismatis tunc imminentis traxerit, nisi misericors provideret sponsus Ecclesiae Jesus; quod horrendus usque adhuc nimis heu patefecit eventus": Gerson, De examinatione doctrinarum 11,3 (Œuvres complètes [ed. GLORIEUX] 9,469f. [Nr. 456]); vgl. hierzu: Erwin ISERLOH, Charisma und Institution im Leben der Kirche. Dargestellt an Franz v. Assisi und der Armutsbewegung seiner Zeit (VIEG, Vortr. Nr. 69), Wiesbaden 1977, 8f.; vgl. o. Kap. 14, Anm. 29! 19 Über die doppelte Papstwahl des Jahres 1378 s.: Karl August FINK, in: Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. von H . JEDIN, 111/2,490-496. 20 LEONARDI, Katharina (o. Anm. 2), 243f. 21 Acta SS. April. 111,959-961. 22 GREGOROVIUS, Geschichte der Stadt Rom XII.3.3. 23 AAS 63 (1971), 674-682. 24 Vgl. Michel CLÉVENOT, L'Église perd la raison, Paris 1990.
17 J e a n n e d ' A r c 1
The First Part of King Henry the Sixth, 5. Akt, 3. und 4. Szene: William SHAKESPEARE, The Complete Works. A new edition, edited with an introduction and
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Anmerkungen glossary by Peter A L E X A N D E R , London and Glasgow 1951; William S H A K E S P E A R E , Werke in zwei Bänden. I, München-Zürich o. J. In seinem Epos: „La Pucelle d'Orléans", in: V O L T A I R E , Œuvres complètes 11, Paris 1784; kritische Edition von Jeroom V E R C R U Y S S E , in: Les Œuvres complètes de Voltaire 7, Genève 1970; ebd. Einleitung, 123-131 („Voltaire et Jeanne d'Arc") über V O L T A I R E S Bild von Jeanne. Art. „Are. Jeanne d'Arc dite la Pucelle d'Orléans", in: Dictionnaire philosophique (Œuvres complètes 37, Paris 1784, 497-503). „une jeune servante d'un cabaret de Vaucouleurs"; „une jeune servante d'hôtellerie": V O L T A I R E , Essai sur les mœurs et l'esprit des nations et sur les principaux faits de l'histoire depuis Charlemagne jusqu'à Louis XIII (ed. René P O M E A U ) , Tome I, Paris 1963, 750f. Personal Recollections of Joan of Arc. By the Sieur Louis de Conte (Her Page and Secretary) freely translated out of the Ancient French into Modern English from the Original Unpublished Manuscript in the National Archives of France. By Jean François Alden, in: Stormfield Edition. The Writings of M A R K T W A I N , Vol. 17.18, New York and London 1929. Bernard S H A W , Saint Joan. A Chronicle and The Apple Cart. A Political Extravaganza, London 1924. 1930; deutsche Übersetzung von Siegfried T R E B I T S C H : Die heilige Johanna. Dramatische Chronik in sechs Szenen und einem Epilog, Berlin 1925. Das Stück wurde zum ersten Mal am Garrick Theatre in New York am 28. Dezember 1923, dann am 26. März 1924 im Neuen Theater in St. Martin's Lane zu London aufgeführt. Seinen einleitenden Essay verfaßte S H A W im Mai 1924; zu S H A W S Drama noch immer lesenswert: Johan H U I Z I N G A , Bernard Shaw's Heilige, in: DERS.,Wege der Kulturgeschichte, München 1930,171-207.
Procès de Condamnation et de Réhabilitation de Jeanne d'Arc dite la Pucelle publiés ... par Jules Q U I C H E R A T , 5 Bde., Paris 1841-1849. 8 J. A N O U I L H , L'Alouette, in: Pièces costumées, Paris 1962; deutsche Ubersetzung: Jeanne oder die Lerche, in: Dramen. Dritter Bd., München-Wien 1967; vgl. dazu: Hans Rudolf H L L T Y , Jeanne d'Arc bei Schiller und Anouilh, St. Gallen 1960, 3 3 40. 9 B. B R E C H T , Die heilige Johanna der Schlachthöfe, in: Gesammelte Werke in acht Bänden. I. Stücke I, Frankfurt M. 1967. - Über das Bild Johannas in der Literatur s. vor allem: Jean B A S T A I R E , De Christine de Pisan à Jean Anouilh: Jeanne d'Arc à travers la littérature, la revue des lettres modernes 71-73 (1962), 11-31; weitere Literatur bei Sabine T A N Z , Jeanne d'Arc. Spätmittelalterliche Mentalität im Spiegel eines Weltbildes (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, 33), Weimar 1991, 10, Anm. 6. 10 Für das Spätmittelalter und die Ursachen des Hundertjährigen Krieges: J. M I C H E L E T , Histoire de France (Livres V-IX), in: Œuvres complètes 5 (éd. Paul VLALLAN E I X ) , Paris 1975; für die Geschichte Johannas: DERS., Histoire de France (Livres X-XVII), in: Œuvres complètes 6 (éd. P. V L A L L A N E I X ) , Paris 1978. Die erwähntenTeile der „Geschichte Frankreichs" sind in den Jahren 1837-1844 entstanden; zur Beschäftigung Michelets mit Johanna ausführlich: Gerd K R U M E I C H , Jeanne d'Arc in der Geschichte. Historiographie - Politik - Kultur (Beihefte der Francia, 19), Sigmaringen 1989, 60-78. Schon vor M I C H E L E T hatte der überzeugte Katholik und Royalist L E B R U N D E C H A R M E T T E S seine umfassende, auf den handschriftlichen Quellen basierende Histoire de Jeanne d'Arc (4 Bde., Paris 1817) verfaßt. Aufgrund ihrer Zuverlässigkeit diente sie noch vielen neueren Autoren als Quelle ihrer „Wissenschaft"; vgl. darüber: K R U M E I C H , O. C. 33f.
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MICHELET, Histoire de France (ed. c. 6,11 lf.). W.S. CHURCHILL, A History of the English-speaking Peoples. Vol. I: T h e Birth of Britain, London 2 1956, 332. 13 Procès de Condamnation de Jeanne d'Arc, édité par la Société de l'Histoire de France, ed. Pierre TLSSET, 3 Bde., Paris 1960-1971 (im folgenden: P.C.); Procès en Nullité de la Condamnation de Jeanne d'Arc, éd. par la Société de l'Histoire de France, ed. Pierre DUPARC, 5 Bde., Paris 1977-1988 (im folgenden: P.N.). Eine apriorische Skepsis gegenüber den Akten beider Prozesse mit dem Hinweis, „daß die Aussagen gleichermaßen tendenziös sind", wie sie u.a. Hedwig RÖCKELEIN zum Ausdruck bringt, ist nicht angebracht. Auch sind die Bemühungen, die „wahre" oder „historische" Jeanne zu finden, keineswegs von vornherein zum Scheitern verurteilt, wie Frau RÖCKELEIN meint: Jeanne d'Arc als Konstruktion der Geschichte, in: H. RÖCKELEIN, Charlotte SCHOELL-GLASS, Maria E . MÜLLER, Jeanne d'Arc oder wie die Geschichte eine Figur konstruiert, Freiburg u.a. 1996, 9 - 2 7 ; ebd. 9f. Richtig ist, daß die beiden Prozesse ihren Zielen nach politisch und tendenziös sind; aber das gilt natürlich nicht für sämtliche in ihnen protokollierten Aussagen. Die letzteren wollen allerdings sorgfältig gelesen und analysiert werden. Es bleiben zwar manche Widersprüche, Ungereimtheiten, Rätsel, aber doch nicht ein unentwirrbares Chaos von Tendenzen, wie es nach der Lektüre einer oft unverständigen, zuweilen auch skurrilen Sekundärliteratur scheinen könnte. Bibliographie in: Michael TLLLY, Art. Jeanne d'Arc, in: B B K L 2 (1990), 1595-1600; eine nach Sachthemen geordnete Bibliographie mit kurzen Inhalts-angaben gibt: Nadia MARGOLIS, Joan of Arc in History, Literature, and Film. A Select, Annotated Bibliography, N e w Y o r k and London 1990. 14 „Domrémy" ist die heute übliche Schreibweise; die traditionelle Aussprache der Leute der Gegend war „Domremy"; s. Régine PERNOUD, Marie-Véronique CLIN, Jeanne d'Arc, Paris 1986, 28. Das Geburtsjahr Jeannes ist nicht mit letzter Gewißheit auszumachen. In einem Brief des königlichen Rates Perceval de B o u lainvilliers an den Herzog von Mailand, Philipp Maria Visconti, vom 21. Juni 1429 (QUICHERAT V,114-121; ebd. 116) ist als Geburtsdatum die Nacht von Epiphanie (6. Januar) angegeben, was von Lucien FABRE (Jeanne d'Arc, Paris 1977, 20) als richtig übernommen wurde. Jeanne selbst gibt in dem Verhör vom 21. Februar 1431 (P.C. 1,41) ihr Alter mit „ungefähr neunzehn" Jahren an. Geburtsjahr ist demnach 1412. A m 27. Februar erklärt sie, sie sei „ungefähr dreizehn Jahre alt" gewesen, als ihr der heilige Michael zum ersten Mal erschienen sei (P.C. 1,73; s. u. Anm. 19.) - also 1425. Kurz davor hatte sie aber ausgesagt, es seien „gut sieben Jahre vergangen", seit die heiligen Katharina und Margareta ihre Führung übernommen hätten (P.C. 1,72; s.u. Anm. 24.). Jeannes Jugendfreundin Hauviette (Hauvieta), Frau des Gérard de Sionne, sagt Anfang 1456 aus, Jeanne sei drei oder vier Jahre älter als sie selbst gewesen; Hauviette gibt ihr Alter mit „ungefähr fünfundvierzig" Jahren an (P.N. 1,275). Demnach wäre Jeanne zwei oder drei Jahre älter gewesen als gemeinhin angenommen. Die Aussagen der übrigen Zeugen aus Domrémy und Umgebung, die im Nullitätsprozeß vernommen wurden, bestätigen aber Jeannes Angaben über ihr Alter; s. hierzu vor allem: Pierre MAROT, Jeanne la bonne Lorraine à Domremy, Colmar 1980, 27/29. 15 „Dixit preterea quod a matre didiscit P A T E R N O S T E R , A V E M A R I A , C R E D O ; nec alibi didiscit credenciam, nisi a prefata eius matre" (P.C. 1,41); über Jeannes religiöse Bildung s. bes.: Régine PERNOUD, La spiritualité de Jeanne d'Arc, Paris 1992, 15-28.
Anmerkungen
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16 FABRE, Jeanne, 51-59, im Anschluß an die Frage: „Comment Jeanne en vint-elle à connaître exactement l'histoire de la guerre et la connut-elle vraiment?" 17 Der Herzog kehrte erst 1440, nach fünfundzwanzigjähriger Gefangenschaft, nach Orléans zurück. 18 P.C. 1,47. Zu Beaupère s. u. Anm. 108. 19 „Interrogata que predictarum sibi apparencium venit prima ad ipsam: Respondit quod sanctus Michael primo venit... Interrogata que fuit prima vox veniens ad earn, dum esset etatis XIII annorum vel circiter: Respondit quod fuit sanctus Michael quem vidit ante oculos suos; et non erat solus, sed erat bene associatus angelis de celo" (P.C. 1,73). 20 Siméon LUCE, Jeanne d'Arc et le culte de Saint Michel. Revue des deux mondes 5 4 ( 1 8 8 2 ) , 6 3 7 - 6 5 6 ; FABRE, J e a n n e (o. A n m . 16), 42—49; TANZ, J e a n n e ( o . A n m .
21 22
9), 127-130; zum Michaelskult im Mittelalter allgemein: Olga ROJDESTVENSKY, Le culte de St. Michel et le moyen âge latin, Paris 1922; Anna Maria RENNER, Der Erzengel Michael in Geistes- und Kulturgeschichte, Saarbrücken 1927; Paul SÉRANT, Le Mont-Saint-Michel ou l'Archange pour tous les temps, Paris 1974, 100-120; Paul MAI, Sankt Michael in Bayern, München und Zürich 1978, 4-30. Auf diesem Hintergrund ist die Frage Cauchons zu verstehen, die er in dem Verhör am 12. März 1431 an Jeanne richtet: ob ihr jemals Sankt Dionysius erschienen sei; Antwort Jeannes: „Nicht daß ich wüßte" (P.C. I,122f.). Uber die Belagerung des Mont-Saint-Michel (mit Karte) s.: Lucien BÉLY, Le Mont-Saint-Michel, monastère et citadelle, Rennes 1978, 171-174; ferner: SÉRANT, Mont (o. Anm. 20), 134-138; Yves-Marie FROIDEVAUX, Le Mont Saint Michel dans la Guerre de Cent Ans. Dossiers de l'archéologie 34 (1979), 106-109; Henry DECAËNS, Le Mont-Saint-Michel, Zodiaque 1979, 15f.; über St. Michael, sein Heiligtum und dessen vergebliche Belagerung durch die Engländer vgl. auch das Gutachten des Bischofs von Avranches, Jean Bochard, im Nullitätsprozeß: P. N. II,261f.
23 Vgl. Jacobi a Voragine Legenda aurea vulgo Historia Lombardica dicta, ree. Th. GRAESSE, Leipzig 31890 (Nachdr. Osnabrück 1969), 642-653; eine spätmittelalterliche Statue St. Michaels in ritterlicher Rüstung befindet sich in der Kirche von Saint-Pierre-le-Moütier (Abbildung in: Edward LUCIE-SMITH, Johanna von Orléans. Eine Biographie, Düsseldorf 1977, 160/161). Auf den möglichen Einfluß bildlicher Darstellungen des Erzengels auf die visionäre Erfahrung Jeannes hatte bereits Anatole FRANCE hingewiesen: Vie de Jeanne d'Arc, Paris o. J. (Œuvres complètes 7,1), I,101f. 24 „Respondit quod ilia vox erat sánete Katharine et sánete Margarete. Et figure earum sunt coronate pulchris coronis multum opulenter et multum precióse ... Respondit quod bene seit quod sunt ipse, et bene cognoscit unam ab altera ... Respondit quod cognoscit eas per salutacionem quam ei faciunt. Dixit eciam quod bene sunt Septem anni elapsi quod ipsam aeeeperunt gubernandam" (Verhör vom 27. Februar 1431: P.C. I,71f.). 25 Abbildung in: MAROT, Jeanne (O. Anm. 14), 96. 26 Legenda aurea (o. Anm. 23), 789-797. 27 So etwa auf einem der Kuppelsegmente (Velen) der Basilika Santa Chiara in Assisi; s. Elvio LUNGHI, La decorazione pittorica della chiesa, in: Marino BLGARONL, Hans-Rudolf MEIER, Elvio LUNGHI, La Basilica di S. Chiara in Assisi, Perugia 1994,215-226. 28
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P . C . 1,51. 7 6 . 2 2 8 .
Ebd. I,76f.
S. 243-250
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30 Legenda aurea (o. Anm. 23), 400-403. 31 „Unde nocte illa a viri consortio abstinens, media nocte Deo se recommendans tonsis crinibus in virili habitu clam aufugit. Longe autem ad quoddam monasterium veniens et fratrem Pelagium se appellane ab abbate receptus est et diligenter instructus" (Legenda aurea, ed. c., 676f.). 32 MICHELET, Histoire de France (o. Anm. 10), Livre X (Œuvres complètes 6,64). 33 „Respondit quod, ante levacionem obsidionis Aurelianensis et deinceps omnibus diebus, quando allocute sunt earn, frequenter vocaverunt eam Iohannam Puellam, filiam Dei" (P.C. 1,126); vgl. ebd. 205; vgl. ferner die Aussage des Grafen Dunois im Nullitätsprozeß über die Begegnung mit dem Dauphin in Loches: P.N. 1,323. 34 „Dixit eciam quod sibi videbatur esse digna vox, et credit quod eadem vox erat missa ex parte Dei ... Dixit quod docuit eam se bene regere, frequentare ecclesiam, et eidem Iohanne dixit necessarium esse quod ipsa Iohanna veniret in Franciam" (P.C. I,47f.), vgl. auch ebd. 1,73: „Dixit eciam quod non venit in Franciam nisi ex precepto Dei." 35 Verhör vom 22. Februar 1431: P.C. 1,48. Den Auftrag, die Belagerung von Orléans aufzuheben, kann Jeanne selbstverständlich erst nach Beginn derselben (im Winter 1428), nicht schon im Sommer 1425 erhalten haben; dagegen meint FABRE, Jeanne (o. Anm. 16), 99, Jeanne bzw. die Stimmen, hätten die Belagerung bereits lange zuvor prophezeit. 36 „Et quantum ad bona opera que fecit et de suo adventu, oportet quod se référât ad Regem celi qui misit eam ad Karolum, filium Karoli, regis Francie, qui erat rex Francie" (P.C. 1,166). 37 Verhör vom 24. Februar: P.C. 1,64. 38 P.N. 1,296. 39 Über die Bedeutung der Merlin-Prophezeiungen im damaligen französischen Volksglauben s. besonders: TANZ, Jeanne (o. Anm. 9), 108-110 und die ebd. angegebene Literatur. 40 Aussage des Ritters Bertrand de Poulengy (Poulengey) im Nullitätsprozeß: „Etenim dicebat ipsa Johanna quod regnum non spectabat dalphino, sed Domino suo; attamen Dominus suus volebat quod efficeret[ur] rex ipse dalphinus, et quod haberet in commendam illud regnum, dicendo quod invitis inimicis eiusdem dalphini fieret rex, et ipsa duceret eum ad consecrandum" (P.N. 1,305); vgl. hierzu auch u. bei Anm. 149-150. 41 Verhör am 12. März 1431, vormittags (P.C. 1,123); der Fragende war der Kanonist Jean de la Fontaine (Johannes de Fonte). 42 Zu dieser gelegentlich in der Forschung vertretenen Meinung s. TANZ, Jeanne, 182, Anm. 3 und 4. 43 P.C. 1,172-174. 44 P.C. 1,123. 45 P.C. I,200f. 46 Vgl. „Itinéraire de la Pucelle", in: QUICHERAT V,377; „Chronologie", in: PERNOUD-CLIN, Jeanne, 392. 47 Vgl. die Aussagen im Nullitätsprozess: 1,263. 274. 288f. 467. 48 „Fut depuis icelle Pucelle baillée à la royne de Cécile, mère de la royne nostre souveraine dame, et à certaines dames estans avecques elle; par lesquelles icelle Pucelle fut veue, visitée et secrètement regardée et examinée ès secrètes parties de son corps; mais, après ce qu'ilz eurent veu et regardé tout ce que faisoit à regarder en ce cas, ladicte dame dist et relata au roy qu'elle et sesdictes dames trouvoient certainement que c'estoit une vraye et entière pucelle, en laquelle n'aparroissoit
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Anmerkungen aucune corruption ou violence. Dit qu'il estoit présent quant la dicte dame fist sondit raport" (P.N. 1,476); vgl. die Aussage ihres Beichtvaters Jean Pasquerel im Nullitätsprozeß: „Et audivit dici quod ipsa Johanna, dum venit versus regem, fuit visitata bina vice per mulleres quid erat de ea, et si esset vir vel mulier, et an esset corrupta vel virgo; et inventa fuit mulier, virgo tarnen et puella. Et earn visitaverunt, ut audivit, domina de Gaucourt et domina de Trêves" (P.N. 1,389); über Gaucourt s. PERNOUD-CLIN, Jeanne, 270f.; vgl. seine Aussage: P. N . I,326f.
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Aussage des Priesters und ehemaligen Gerichtsdieners Jean Massieu von Rouen: P.N. 1,432; vgl. PERNOUD-CLIN, Jeanne, 166. Der Notar und Priester Guillaume Colles, genannt Boisguillaume, berichtet, der Herzog von Bedford habe die Leibesvisitation Jeannes aus einemVersteck heraus beobachtet (P.N. 1,438). Zur Jungfräulichkeit Jeannes vgl. auch die Aussage des Arztes Guillaume de la Chambre (ebd. 1,350): „... deponit quod audivit tunc dici quod ipsa Johanna fuerat visitata an esset virgo vel non, et talis fuit inventa; et seit ipse loquens, prout percipere potuit secundum artem medicine, quod erat incorrupta et virgo, quia earn vidit quasi nudam, cum visitaret earn de quadam infirmitate; et earn palpavit in renibus, et erat multum stricta, quantum percipere potuit ex aspectu."
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Besonders aufschlußreich hierzu ist die Aussage des Pariser Theologieprofessors Thomas de Courcelles, der zu den Beisitzern in Rouen gehört hatte: „... dicit et deponit quod nunquam audivit poni in deliberationibus, quod ipsa Johanna deberet visitari an esset virgo vel non, licet sibi verisimiliter videatur et credat, per ea que audivit et dicebantur a dicto domino episcopo Belvacensi, quod inventa fuerat virgo. E t credit quod si non fuisset inventa virgo, sed corrupta, quod in eodem processu non siluissent" (P.N. 1,357).
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Bericht Pasquerels: P.N. 1,389. Der dem Orden der Augustinereremiten angehörende Jean Pasquerel begegnete Jeanne zum ersten Mal um die Mitte April 1429 in Tours (s. u. bei Anm. 167). Er kam damals von Le Puy, wo er einige von Jeannes Begleitern aus Vaucouleursund ihre Mutter Isabelle getroffen hatte (P.N. I,388f.); sie waren zu dem Heiligtum Notre-Dame du Puy-en-Velay aus Anlaß des Festes Mariae Verkündigung (25. März) gepilgert, das in diesem Jahr auf den Karfreitag fiel. Isabelles Beinamen Romée kennzeichnet sie als eifrige Pilgerin (PERNOUD-CLIN, Jeanne, 58f.).
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Ebd. 1,394. P.N. 1,351. P.N. 1,349; vgl. auch die Aussage des Notars Boisguillaume voml2. Mai 1456: „... et [Guillelmus de Estiveto] eidem Johanne plures iniurias inferebat, earn vocando paillardam [d.h.: Hure], ordure [d.h.: Miststück, Drecksau]. E t credit quod Deus in fine dierum eum punierit, quia miserabiliter finivit dies suos; nam fuit inventus mortuus in quodam columbario, existente extra portam Rothomagensem" (P.N. 1,438). P.N. 1,291. „... ymo repente amittebant motum carnis" (P.N. 1,370). Ebd. 1,476. P.N. 1,387. P.N. 1,405. Aussage des erzbischöflichen Notars Guillaume Manchon am 2. Mai 1452: „Et tunc erat induta indumento virili, atque conquerebatur quod non audebat se exuere, formidans ne, de nocte, ipsi custodes sibi inferrent aliquam violentiam;
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atque semel, aut bis conquesta fuit d i c t o episcopo Belvacensi, subinquisitori
et magistro Nicolao Loyselleur, quod alter dictorum custodum voluerat eam
S. 250-256
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violare; quibus Anglicis propterea, a domino de Warvik, iuxta relationem ipsorum episcopi, inquisitoris et Loyselleur, mine magne illate sunt, si ulterius id attemptare presumerent; et, de novo, duo alii custodes commissi fuerunt" (P.N. I,181f.); vgl. auch die Aussage desselben vom 12. Mai 1456 (P.N. 1,426). Aussage des Dominikaners Martin Ladvenu, der Beisitzer im Prozeß gegen Jeanne gewesen war: „Interrogarne utrum sciverit vel audiverit quod aliquis accesserit ad eam occulte, de nocte, deponit, quod ex ore eiusdem Johanne audivit, quod quidam magnus dominus Anglicus introivit carcerem dicte Johanne, et temptavit eam vi opprimere; et hec erat causa, ut asserebat, quare resumpserat habitum virilem" (P.N. 1,235). P.C. I,65f. P.N. I,258f. P.N. 1,254. 256f. 258f. 260. 262. 264f. 267. 268. 269f. 272. 274. 275f. 277f. 279. 281. 283. 285. 288. 292f. 302. „Sed dixit ipsa Johanna, quod in hoc non adhibuit fidem" (P.C. 1,67); vgl. auch ebd. 1,199 Punkt VI der Anklageschrift d'Estivets). Anders Sabine T A N Z (Jeanne, 121f.), die annimmt, Jeanne sei „in einer Mischung von Glaube und Aberglaube erzogen worden" und sei sich selbst gar nicht der Wirkung bewußt gewesen, die diese Prophetien auf sie ausübten. P.C. I,196f. P.C. 1,65. P.N. 1,253. 254. P.N. 1,258; vgl. auch die Aussage der Jeannette Le Royer Thévenin, einer der Patinnen Johannas: ebd. 260; ebenso die einer weiteren Patin, Jeannette Thiesselin: ebd. 264, u.ö. „Le témoignage de Jeanne me paraît devoir être préféré à celui des témoins du second procès - qui d'ailleurs parlent si longtemps après" (MICHELET, Histoire de France; Œuvres compi. VI,63, Anna. 1). „Et ipsa Iohanna tune respondit quod erat una pauper filia que nesciret equitare nec ducere guerram" (P.C. 1,48). P.C. 1,200. „Ulterius confessa fuit quod illa vox sibi dicebat, bis aut ter in hebdómada, quod opportebat ipsam Iohartnam recedere et venire in Franciam, et quod pater suus nihil scivit de suo recessu" (P.C. 1,48); „Dicit ultra quod voces sue non compulerunt eam ad hoc celandum; sed multum formidabat revelare pro timore Burgundorum, ne impedirent eam a suo voiagio; et specialiter multum timebat patrem suum, quin impedirei eam de faciendo suum voiagium" (ebd. 1,124); „Respondit quod, quantum est de patre et matre, voces erant bene contente quod diceret eis, nisi fuisset pena quam sibi intulissent, si eis recessum suum dixisset; et, quantum est de ipsa, non dixisset eis pro quacumque re. Item dicit quod voces se referebant ei de hoc dicendo patri et matri vel de tacendo" (ebd. 1,125). - Die Geheimhaltung war also eine Vorsichtsmaßnahme, die sie nach eigenem Verständnis selbst, nicht auf Anraten ihrer Stimmen, getroffen hatte, und zwar im Hinblick sowohl auf die Parteigänger der Burgunder im Dorf und in der Umgebung als auch ihren Vater. P.C. 1,124. P.C. I,126f. P.N. 1,296. P.N. 1,270. 274. 285; vgl. ebd. 278. 288. P.N. 1,283. 285. 288. P.C. I,48f.
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Anmerkungen
81 P.N. 1,296. 82 S. o. bei Anm. 40. Vgl. auch Bertrand de Poulengy (P. N. 1,305): „... circa Ascensionem Domini, ut sibi videtur." 83 P.N. 1,305. Poulengy erwähnt ebensowenig wie Laxart, daß Jeanne Baudricourt sogleich erkannte. Was sie im nachhinein als Wunder darstellt, ist also offenbar von zwei Augenzeugen überhaupt nicht bemerkt oder nicht als Wunder empfunden worden. 84 P.C. 1,49; Jeannes Angaben werden bestätigt durch die Aussage ihres Paten Jean Morelli im Nullitätsprozeß, sie sei zwei- oder dreimal in Vaucouleurs gewesen (P.N. 1,255). 85 P.N. 1,295. 86 H. BATAILLE, Vaucouleurs ou l'énigme d'un siège. Dossiers de l'archéologie 34 (1979), 56-63; DERS., Comment Jeanne d'Arc est devenue Jeanne d'Arc. Vaucouleurs, Nancy o. J., 9-11. 87 P.N. 1,297-300. 88 „... libenter et bene nebat" (ebd. 297). Johanna selbst betont später ihren Richtern gegenüber voller Stolz, im Spinnen und Nähen fürchte sie keinen Wettbewerb mit einer Frau von Rouen (P.C. 1,46). 89 „Dixit ipsa testis, quod audivit eidem Johanne dici quod oportebat quod iret ad dictum locum ubi erat dalphinus, dicendo:,Nonne audistis quod prophetizatum fuit quod Francia per mulierem destrueretur et per unam virginem de marchiis Lotharingie restauraretur?' Et tunc ipsa testis hec audisse recordata est, et stupefacta fuit. Dixit etiam ipsa testis quod ipsa Johanneta bene desiderabat, et erat tempus sibi grave ac si esset mulier pregnans, eo quod non ducebatur ad dalphinum; et post hec, ipsa testis et multi alii suis verbis crediderunt" (P.N. 1,298). 90 „... et quod erat nata ad hoc faciendum" (P.N. 1,300); vgl. Sophokles, Antigone, 523: οΰτοι συνέχθειν, άλλα συμφιλειν εφυν. 91 Die Episode ist in der Forschung umstritten. Einige Forscher, wie Régine PERNOUD, nehmen an, es handele sich um die Einsiedelei Saint-Nicolas-de-SeptFonts ganz in der Nähe von Vaucouleurs. S. die ausführliche und überzeugende Erörterung der Frage durch Pierre TISSET in: P. C. 11,50, Anm. 1. 92 P.N. 1,289. 93 Vgl. die Aussage Poulengys: P.N. 1,304-307. 94 Aussage Jeans de Nouillompont (Johanns von Metz): P.N. 1,290. 95 P.N. 1,296. 96 Die Eheschließung fand am 23. Juni 1436 in Tours statt; den Neuvermählten wurde aber noch nicht das Zusammenleben gestattet: s. Pierre-Roger GAUSSIN, Louis XI. Un roi entre deux mondes, Paris 1976, 28. 97 P.N. 1,296. 306. 98 P.N. 1,290. 99 P.C. 1,49. 100 P.N. 1,378. 101 Art. XI (P.C. 1,204). 102 „Dixitque idem Robertus ipsi Iohanne: ,Vade, - dum recederet abeo, - vade, et quod inde poterit venire, veniat" (P.C. 1,50). 103 P.N. 1,306; vgl. ebd. 290. 296. 298. Die Daten der Reise nach Chinon sind nicht überliefert. Im Gegensatz zu Régine PERNOUD (PERNOUD-CLIN, Jeanne, 35f. 392) nimmt Pierre DUPARC (P.N. V,182) als Abreisetag den 13. Februar an; s. auch die ausführliche Erörterung der Datierungsfrage durch P. TiSSET in P.C. 11,55, Anm. 3. 104 P.C. I,49f.
S. 256-262
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105 P.N. 1,400 (Aussage des Simon Charles, Präsident der königlichen Rechnungskammer). 106 P.N. 1,296. 107 P.C. 1,49; vgl. PERNOUD-CLIN, Jeanne, 35f. und ebd. 392 das Itinerar Jeannes. Saint-Urbain (Diözese Châlons) liegt auf dem rechten Marne-Ufer; der damalige Abt Arnoul d'Aulnouy war ein Verwandter Baudricourts (DUPARC in P.N. V,182). 108 P.C. 1,49. Zur Biographie Beaupères s. Agnes FISCHER-WLLBERT, Die Universität von Paris im Prozeß gegen Johanna von Orléans, Bonn 1975, 140-143. 109 „Ad hoc respondere pluries recusavit. Finaliter dixit quod de hoc non dabat onus cuiquam homini; et pluries variavit" (P.C. 1,50). 110 P.N. 1,290; s.o. bei Anm. 93. 111 P.C. 1,1. 112 „II est assez notoire et commun comment, depuis aucun temps en ça, une femme qui se fait appeler Jehanne la Pucelle, laissant l'abbit et vesteure de sexe feminin, s'est, contre la loy divine, comme chose abhominable a Dieu, reprouvee et défendue de toute loy, vestue, habilee et armee en estât et habit d'omme, a fait et exercé cruel fait d'omicides ..." (P.C. 1,14). - Das göttliche Gebot, dessen Nichtbeachtung Jeanne zur Last gelegt wurde, steht Deut 22,5: „Non induetur mulier veste virili, nec vir utetur veste femínea. Abominabilis enim apud Deum est qui facit haec." 113 „Postmodum, dicti magistri exhortati sunt earn quod, pro tanto bono et devocione quam videbatur gerere, quod vellet capere habitum suo sexui congruentem. Que Iohanna iterum respondit quod in ipsa non erat hoc facere; et, si in ipsa esset, hoc esset bene cito factum. Fuit autem sibi dictum quod loqueretur cum vocibus suis ad sciendum si resumeret habitum muliebrem ut in Pascha posset recipere viaticum. Ad quod respondit dicta Iohanna quod, quantum est de ipsa, non perciperet ipsum viaticum mutando habitum suum in mulierbrem; rogabatque quod permicteretur audire missam in habitu virili, dicens quod ille habitus non onerabat animam suam et quod ipsum portare non erat contra Ecclesiam" (P.C. I,182f.); vgl. auch u. bei Anm. 227! 114 „Respond que l'abit et les armes qu'elle a portés, c'est par le congié de Dieu; et tant de l'abit d'omme que des armes. Item sur ce qu'elle fut interroguee de lessier son abit: Respond qu'elle ne le lesra point sans le congié de nostre Seigneur, et luy deust l'en trencher la teste; mais s'il plaist a nostre Sire, il sera tantoust mis jus. Item dit encore, s'elle n'avoit congé de nostre Seigneur, elle ne prandroit point habit de femme" (P.C: 1,227). 115 P.N. 1,235; s.o. Anm. 61! Vgl. dagegen die Darstellung des Gerichtsvollziehers Massieu, nach der die Wächter Jeanne, als sie im Bett lag, die Frauenkleider weggenommen und Männerkleider hingelegt hatten; als sie aufstehen wollte „intendens ventrem purgare, ... necessitate naturali compulsa", habe sie nur Männerkleider vorgefunden (P.N. 1,434). 116 „Interrogata cur ipsa ceperat huiusmodi habitum virilem, et quis ipsam ad hoc induxerat: Respondit quod ex sua volúntate ipsum acceperat, nemine ipsam compellente, et quod eumdem habitum prediligebat quam muliebrem. Tune fuit sibi dictum quod promiserat et iuraverat non recipere habitum virilem.
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Anmerkungen
Ipsa vero respondit, quod nunquam intellexit quod fecerit iuramentum de non recipiendo ipsum habitum virilem" (P.C. 1,396). 117 „Respondit quod Deus mandavit sibi, per sanctas Katherinam et Margaretam, magnam pietatem illius grandis prodictionis in quam ipsa Iohanna consenserat, faciendo abiuracionem et revocacionem pro salvando vitam suam, et quod ipsa se dampnaverat pro salvando vitam suam" (P.C. 1,397). 118 P.C. 1,64. 119 Am Donnerstag, dem 22. Februar erklärt Jeanne dem sie befragenden Magister Beaupère gegenüber, daß sie beim Aufbruch von Vaucouleurs Männerkleider und ein Schwert trug (P.C. I,49f.). Über Freitag, den 23. Februar ist kein Protokoll erhalten. Vgl. hierzu auch die o. bei Anm. 68 zitierte Antwort! 120 „Dit encores plus qu'il a oy dire à plusieurs femmes, qui la dicte Pucelle ont veue par plusieurs foiz nue, et sceu de ses secretz, que oncques n'avoit eu la secrecte maladie des femmes et que jamais nul n'en peut riens cognoistre ou appercevoir par ses habillemens, ne aultrement" (P.N. 1,486). 121 Zur älteren medizinisch-psychologischen Literatur über Jeanne und die dort vertretenen Meinungen über ihr Krankheitsbild (Paranoia hallucinatoria, hysterische Autosuggestion, Autohypnose, Schizophrenie) zusammenfassend: Theodor OESTERREICH, Jeanne d'Arc im Lichte der modernen Forschung. Universitas 3 (1948), 1 9 26; vgl. Edward LUCIE-SMITH, Johanna (o. Anm. 23), 35-37. 55. Walter ROST (Die männliche Jungfrau. Das Geheimnis der Johanna von Orléans, Reinbek bei Hamburg 1983) versucht zu beweisen, daß Jeanne nur phänotypisch eine Frau, in Wirklichkeit aber ein Mann mit äußerlich nicht sichtbaren Hoden, ein sogenannter Pseudohermaphrodit, gewesen sei. Das Buch wimmelt von grotesken, unbeweisbaren Vermutungen und MißVerständnissen der Quellentexte. 122 P.C. 1,50. Nach dem Itinerarium bei PERNOUD-CLIN (Jeanne, 392) waren die nächsten Tagesetappen nach Saint-Urbain: Clairvaux, Pothières, Mezilles, Viglain, La Ferté, Saint-Aignan, Sainte-Catherine-de-Fierbois; eindeutige Beweise in den Quellen existieren dafür nicht; zur Datierung der Reise vgl. o. Anm. 103. 123 124 125 126
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P.C. 1,51. 76. 206. P.C. 1,51.137; P.N. 1,306. P.C. 1,51. P . N . I,399f. Nach Aussage des Grafen Dunois (P.N. 1,317) ließ der König J o hanna zwei Tage lang warten, bevor sie zurAudienz zugelassen wurde. Uber eine weitere Examination Johannas in Chinon durch mehrere Bischöfe und Magister berichtet der Herzog von Alençon: P.N. 1,38lf. P.C. I, 76. V o n den oberirdischen Bauten der immer noch imposanten Festungsanlage sind nur noch wenige Ruinen Übriggeblieben; das Stockwerk mit dem ehemaligen königlichen Appartement ist nicht mehr erhalten; Raymond MAUNY, Le château de Chinon. Premiere entrevue entre Charles V I I et Jeanne d'Arc. Dossiers de l'archéologie 34 (1979), 6 4 - 6 8 . „Et dum rex scivit eam venturam, se traxit ad partem extra alios; ipsa tarnen J o hanna bene cognovit eum et ei reverentiam exhibuit; que per longum spatium locuta fuit cum rege. Et ea audita, rex videbatur esse gaudens" (P.N. 1,400). „Item dicit quod, quando intravit cameram sui regis predicti, cognovit eum inter alios, per consilium sue vocis hoc sibi revelantis" (P.C. 1,5If.; vgl. ebd. 1,76. P.C. 1,52. P.C. 1,76. Erstmals vertreten wurde die Bastard-Theorie von Pierre CAZE, La vérité sur Jeanne d'Arc ou éclaircissements sur son origine, 2 Bde., Paris-London 1819;
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neuere namhafte Verfechter sind: Jean JACOBY, Le Secret de Jeanne d'Arc, Paris 1932; Pierre DE SERMOISE, Les missions secrètes de Jehanne la Pucelle, Paris 1970; Étienne WEILL-RAYNAL, Le double secret de Jeanne la Pucelle, Paris 1972; Bernard-Jean DAULON, Jeanne d'Arc et la Guerre de Trois Cents Ans, une affaire de famille, La Baule 1983. TANZ, Jeanne (o. Anm. 9), 2 2 9 - 2 3 9 . J . MARKALE, Isabeau de Bavière. Die Wittelsbacherin auf Frankreichs Thron, München 1994, 2 7 2 - 2 7 4 . P.C. I,76f. SHAKESPEARE, König Heinrich VI. Erster Teil, 1. Akt, 2. Szene: „I am prepar'd; here is my keenedg'd sword, Deck'd with five flower-de-luces on each side, T h e which at Touraine, in Saint Katherine's churchyard, O u t of a great deal of old iron I chose forth." SCHILLER, Die Jungfrau von Orleans, 1. Aufzug, 10. Auftritt: „Sende nach der alten Stadt Fierboys, dort, auf Sankt Kathrinens Kirchhof, Ist ein Gewölb, wo vieles Eisen liegt, V o n alter Siegesbeute aufgehäuft. Das Schwert ist drunter, das mir dienen soll. An dreien goldnen Lilien ists zu kennen, Die auf der Klinge eingeschlagen sind: Dies Schwert laß holen, denn durch dieses wirst du siegen." P.C. 1,77. „Sed dicit quod dicere ubi dimisit, non pertinet ad processum et non respondebit de hoc pro nunc. Dicit ultra quod fratres eius habent bona sua, equos, ensem, prout credit, et alia que valent plusquam X I I milia scutorum" (P.C. 1,78). „Interroguee quel signe elle donna a son roy pour luy monstrer qu'elle venoit de par Dieu: Respond: J e vous ay tousjours respondu que vous ne me le tirerez ja de la bouche. Allez luy demander'" (P.C. 1,88). Die genannten Personen: Regnault de Chartres, Erzbischof von Reims seit 1414 ( t 1445); bei der Eroberung von Paris durch die Burgunder im Jahre 1418 wurde sein Vater umgebracht, er selbst gefangengenommen; drei seiner Brüder waren in Azincourt (25. O k t o b e r 1415) gefallen. 1424 wurde er zum Kanzler des Königs von Frankreich ernannt. E r verfolgte beständig die Politik einer Einigung mit dem Herzog von Burgund, was ihn in Gegensatz zu der von Johanna verfolgten Linie brachte. Aus einem indirekt überlieferten Brief von ihm an die Einwohner von Reims wird deutlich, daß er von der Pucelle nicht viel hielt (QuiCHERAT V,168f.; s. u. bei Anm. 237!). - Jean, Herzog von Alençon(1397-1467); sein Vater gehörte zu den Gefallenen von Azincourt; 1423 heiratete er Jeanne, die Tochter des Herzogs Karl von Orléans und der Isabelle de France. Als Lieutenant général des Dauphin in der Normandie geriet er bei der Schlacht von Verneuil (6. August 1424) in englische Gefangenschaft. Gegen die eidliche Zusage, sich nicht mehr aktiv am Krieg zu beteiligen und die Zahlung einer ungeheueren Lösegeldsumme von 80 000 oder sogar 200 000 englischen Goldtalern (Saluts), wurde er freigelassen; die Zahlung ruinierte sein gesamtes Vermögen. Der von Johanna als „lieber Herzog" (Beau Duc) bezeichnete Alençon begegnete ihr zum ersten Mal 1429 auf dem Schloß von Chinon und blieb bei ihr bis zur Niederlage vor Paris (8. September 1429); P . N . 1,380-388; P.C. 11,108, Anm. 2; PERNOUD-CLIN, Jeanne, 2 7 4 -
398
Anmerkungen 277; FABRE, Jeanne (O. Anm. 16), 367-373; die Bezeichnung „Beau D u c " ist überliefert bei Perceval de Cagny (QuiCHERAT IV,24 u.ö.; vgl. ebd. 39). Georges de la Trémoïlle (1385-1466); seit 1427 war er der einflußreichste Politiker am Hofe Karls VII., dem er sich vor allem durch Geldbeschaffung nützlich machte; mit dem Connétable Arthur de Richement, der ihn dem Dauphin empfohlen hatte, verfeindete er sich danach; Richemont machte 1433 seinem Einfluß beim König ein Ende (P.C. 11,108, Anm. 1). - Charles de Bourbon, Graf von Clermont; er hatte 1425 Agnes von Burgund, eine Schwester Philipps des Guten, geheiratet (P.C. 11,56, Anm. 1).
141 P . C . 1 , 1 3 3 - 1 4 0 .
142 Vgl. P.N. I,381f. Nicht überzeugend ist die bei PERNOUD-CLIN (Jeanne, 186) geäußerte Ansicht, Johanna habe nur symbolisch von der Krone gesprochen; zu der Frage des Zeichens s. auch: Pierre TLSSET, Les Procès de condamnation de J e anne d'Arc, in: Mémorial du V e Centenaire de la réhabilitation de Jeanne d'Arc, Paris 1 9 5 8 , 1 6 5 - 2 8 8 ; ebd. 3 5 8 - 2 6 2 . 143 P . C . 1,418; vgl. ebd. 419. 421. 144 „... sed post predicationem factam apud Sanctum Audoenum, junctis manibus, dixit alta voce quod se submittebat judicio Ecclesie, deprecando sanctum Michaelem quod earn dirigerei et consuleret" (P.N. 1,201); »... cum ligaretur, implorabat seu invocabat Johanna sanctum Michaelem specialiter" (ebd. 202); vgl. auch u. Anm. 289! 145 „Dixit ulterius quod venit ex parte Dei et non habet hic negocian quicquam, petens ut remicteretur ad Deum a quo venerat" (P.C. 1,57); vgl. auch die Anklageschrift d'Estivets: P.C. I,223f. Auch manchen Zeitgenossen erschien Johanna als ein engelhaftes Wesen, so den geplagten Bürgern von Orléans, als sie in die belagerte Stadt einritt: „... et quod recepta fuit cum tanto gaudio et applausu ab omnibus utriusque sexus, parvis et magnis, ac si fuisset angelus Dei, propterea quod sperabant per medium ipsius eripi ab hujusmodi inimicis, sicut et postea factum est" (Aussage des Jean Luillier: P . N . 1,331). 146 TANZ J e a n n e , 1 2 3 . 1 2 6 . 147 Helmut FELD, Franziskus von Assisi als Visonär und Darsteller, in: Walter HAUG und Dietmar MLETH (Hrsg.), Religiöse Erfahrung. Historische Modelle in christlicher Tradition, München 1992, 125-153; ebd.127; s. auch o. Kap. 6, bei Anm. 32! 148 TANZ, Jeanne, 127f. 149 Vgl. die Aussage von Charles: „Et ea audita, rex videbatur esse gaudens" (P.N. 1,400). 150 „Gentil Daulphin, j'ay nom Jehanne la Pucelle; et vous mande le R o y des cieulx per me, quod vos eritis sacratus et coronatus in villa Remensi, et eritis locum tenens Regis celorum, qui est rex Francie" (P.N. 1,3 89f.). 151 Zur „religion royale" in Frankreich s. vor allem: TANZ, Jeanne, 8 5 - 9 4 ; ferner: DIES., Ernst WERNER, Spätmittelalterliche Laienmentalitäten im Spiegel von Visionen, Offenbarungen und Prophezeiungen, Frankfurt M. u.a. 1993, 145-154. 152 „Et post multas interrogationes factas per regem, ipsa Johanna iterum dixit: ,Ego dico tibi ex parte de Messire, que tu es vray héritier de France, et filz du roy; et me mittit ad te ducendo Remis, ut ibi recipias coronationem et consecrationem tuam, si volueris.' Et hiis auditis rex dixit astantibus quod ipsa Johanna aliqua secreta sibi dixerat que nullus sciebat aut scire poterat nisi Deus; quare multum confidebat e ea. E t omnia premissa audivit ab ipsa Johanna, quia in premissis non fuit presens" (P.N. 1,390); vgl. TANZ-WERNER, Laienmentalitäten, 243f.; zur
S. 266-273
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Frage des „Geheimnisses zwischen dem König und Jeanne": LE BRUN DE CHARMETTES, Histoire (o. A n m . 10), 3 7 9 - 3 8 6 ; H a r t m u t STEINBACH, J e a n n e
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d'Arc. Wirklichkeit und Legende, Göttingen 1973, 24-36; PERNOUD-CLIN, Jeanne, 42; zu Johannas Vorstellung vom sakralen Königtum vgl. auch o. bei Anm. 40. P.N. 1,382; vgl. auch die Aussage des Jean Pasquerel, ebd. 389. P.N. 1,470-473. P.C. 1,46; vgl. o. Anm. 67-70 P.C. 1,156. Vgl. auch die Erinnerungen des Herzogs von Alençon an den Sturm auf Jargeau (am 11. Juni 1429): „Nolite dubitare! Hora est parata quando placet Deo; et quod oportebat operan quando Deus volebat: Operate, et Deus operabitur" (P.N. 1,384). „En nom Dieu, je ne suis pas venue à Poitiers pour faire signes; sed ducatis me Aurelianis; ego ostendam vobis signa ad que ego sum missa" (P.N. 1,472). P.N. I,472f. Es sind die gleichen vier Aufgaben, die Johanna auch Karl VII. gegenüber, in Anwesenheit des Herzogs von Alençon, als Inhalt ihrer nur ein Jahr lang dauernden Sendung bezeichnet: P.N. 1,387. „Dominus meus habet unum librum in quo nunquam ullus clericus legit, tantum sit pefectus in clericatura" (P.N. 1,396). Vgl. auch den Bericht der Marguerite La Tourolde, in deren Haus in Bourges Jeanne zu Gast gewesen war: „Et narrabat aliquando ipsa Johanna qualiter fuerat examinata per clericos, et quod respondebat: ,11 y a ès livres de nostre Seigneur plus que ès vostres'" (P.N. 1,377). P.N. 1,382. „Ego nescio nec A nec B" (Aussage des Gobert Thibault: P.N. 1,368); vgl. dazu: DuPARCin: P.N. V,148. Remigius BÄUMER, Art. Johannes Carlerius de Gerson, in: Lex. Ma. 5 (1991), 561f. Jean Gerson, Œuvres complètes [ed. P. GLORIEUX] IX, Paris 1973, 661-665 (Nr. 476); P.N. 11,33-39; zu dem Traktat s. bes.: TANZ, Jeanne, 56.148-158. „Concludendum est tandem ex premissis quod pie et salubriter potest de pietate fidei et devotionis sustineri factum illius Puelle, circumstantiis attentis cum effectu competenti, presertim ex causa finali que justissima est, scilicet restitutio regis ad regnum suum et pertinacissimorum inimicorum justissima repulsio seu debellatio" (P.N. II,35f.). „Vous soyez le très bien venu. Quanto plures erunt de sanguine regis Francie insimul, tanto melius" (P.N. 1,381). Zur Entstehung des Mythos vom königlichen Blut und dem trojanischen Ursprung der königlichen Familie am Ende des 12. Jahrhunderts s. besonders: Andrew W. LEWIS, Le sang royal. La famille capétienne et l'État, France, X - X I V e siècle, Paris 1986, 147-164; zur Entwicklung der Vorstellung vom sakralen Königtum: ebd. 165-196; Ph. CONTAMINE, Art. König, Königtum. D. Frankreich,in: Lex. Ma. 5 (1991), 1311-1315 (ebd. weitere Literatur); H.H. ANTON, Art. Merowinger, in: Lex. Ma. 6 (1993), 543f.; vgl. ferner: Marc BLOCH, Les Rois Thaumaturges. Étude sur le caractère surnaturel attribué à la puissance royale particulièrement en France et en Angleterre, Strasbourg 1924, 60-63; K.F. WERNER, Die Legitimität der Kapetinger und die Entstehung des „Reditus regni Francorum ad stirpem Karoli". Welt als Geschichte 12 (1952), 203-225; Percy Ernst SCHRAMM, Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9. bis zum 16. Jahrhundert, 2 Bde., Weimar 21960, I,71f. 153f.; J.M. WALLACEHADRILL, The Long-haired Kings, London 1962; vgl. u. nach Anm. 177.
400
Anmerkungen
167 PERNOUD-CLIN, Jeanne, 275. 168 P . N . 1,382; QuiCHERAT V,258. Über Jeannes Rüstung im einzelnen: Adrien HARMAND, Jeanne d'Arc. Ses costumes, son armure. Essai de reconstitution, Paris 1929, 2 1 9 - 2 6 0 ; Jean Pierre REVERSEAU, L'armement à l'époque de Jeanne d'Arc. Dossiers de l'archéologie 34 (1979), 3 9 - 4 4 ; DERS., L'armement défensif à l'époque de Jeanne d'Arc. L'armure de l'héroïne, in: Jeanne d'Arc. U n e époque, un rayonnement. Colloque d'histoire médiévale Orléans - Octobre 1979, Paris 1982, 67-72. Am 19. Juni 1996 ging durch die Presse die Meldung, der Pariser Antiquitätenhändler Pierre de Souzy habe von einer bretonischen Dame eine seit 210 Jahren in Familienbesitz befindliche und in England erworbene Ritterrüstung gekauft; sie stammt zweifellos aus dem 15. Jahrhundert und war für eine zierliche, knapp anderthalb Meter große Frau angefertigt worden; die Annahme, daß es sich um die in Tours für Jeanne geschmiedete Rüstung handeln könnte, wird auch durch erkennbare Kampfspuren gestützt, die den von der Pucelle erlittenen Blessuren genau entsprechen. 169 „Dicit insuper quod, ipsa Johanna existente in villa Turonensi, fuerunt eidem J o hanne date armature, et habuit ipsa Johanna tune statum a rege" (P.N. 1,363). 170 QUICHERAT I V , 4 .
171 P.C. 1,78. 114; über Jeannes Standarte ausführlich (mit Rekonstruktionszeichnungen): HARMAND, Jeanne (o. Anm. 168), 2 8 4 - 3 0 9 . 172 „... et eidem Johanne dixerunt [seil, nuntii Domini] quod aeeiperet vexillum D o mini sui; et propter hoc ipsa Johanna fecit fieri vexillum suum, in quo depingebatur ymago Salvatoris nostri sedentis in judicio, in nubibus celi, et erat ibidem quidam angelus depictus tenens in suis manibus florem lilii quem benedicebat ymago" (P.N. 1,390). 173 P.N. 1,391. 174 P.C. 1,78. 175 TANZ, Jeanne, 144f.; vgl. FISCHER-WLLBERT, Universität (o. Anm. 108), 75. 89; Lieutenant-Colonel [Pierre] DE LANCESSEUR, Jeanne d'Arc. Chef de guerre. Le génie militaire et politique de Jeanne d'Arc. Campagne de France 1429-1430, Paris 1961. 176 P.C. 1,82. 177 QUICHERAT V,95-98; vgl. P.C. I,221f.; zu den im Brief erwähnten Heerführern William von Suffolk, John Talbot und Thomas von Scales s. P.C. 11,185, Anm. 1-3. 178 Vgl. u. bei Anm. 205! 179 Der bretonische Adelige Gilles de Laval, Seigneur de Rais (1404-1440) wurde nach einem kirchlichen Prozeß, in dem er seine zahllosen Schändungen und Massenmorde an Kindern (ab dem Jahre 1432) gestanden hatte, am 26. O k t o b e r 1440 zusammen mit zwei seiner Komplizen in Nantes verbrannt. Der eventuelle Zusammenhang seiner Verbrechen mit Jeanne d'Arc und ihrem T o d war Gegenstand verschiedener Spekulationen; so hätte er in Jeanne ein knabenhaftes Wesen erblickt und ihr eine sublime F o r m homosexueller Neigung entgegen-gebracht; nach Jeannes Martyrium sei er zum perversen Sadisten mutiert; vgl. hierzu: Michel TOURNIER, Gilles et Jeanne. Récit, Paris 1983; Michel LARIVIÈRE, Les amours masculines. Anthologie de l'homosexualité dans la littérature, Paris 1984, 67f.; Philippe RELIQUET, Ritter, T o d und Teufel: Gilles de Rais, München 1990, bes. 52f.; über La Hire: PERNOUD-CLIN, Jeanne, 2 7 1 - 2 7 3 . 180 P.N. 1,318f. 181 „Et dicit quod in crastino die, quo intraverunt villam Aurelianensem, ipsa Johanna ivit versus dominum bastardum Aurelianensem, et cum eo locuta est; et
S. 273-282
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in regressu erat multum irata quod, ut dicebat, fuerat appunctuatum quod pro ilia die non iretur ad insultum" (P.N. 1,363). P.N. 1,364. Vgl. den Bericht des Jean d'Aulon: P.N. 1,478-480. P.N. 1,320. P.N. 1,393 Die Frage, ob Jeanne lesen und schreiben konnte, wird in der Forschung unterschiedlich beantwortet. Spätestens bei ihrem Aufenthalt in dem belagerten Orléans hatte sie soviel gelernt, daß sie mit ihrem Namen unterschreiben konnte. Vgl. hierzu: TISSET, in: P.C. 111,138, Anm. 4; PERNOUD-CLIN, Jeanne, 129. 134; DUPARC, i n : P . N . V , 1 4 5 - 1 4 8 ; TANZ, J e a n n e , 54f.
187 S. o. bei Anm. 51! 188 Ausführliche Berichte über die Ereignisse von Pasquerel (P.N. 1,394) und d'Aulon (ebd. 480—484); über Lage und Zustand der Befestigungen in und um Orléans: Jacques DEBAL, Les fortifications et le pont d'Orléans au temps de Jeanne d'Arc. Dossiers de l'archéologie 34 (1979), 77-92. 189 S. dazu insbesondere die Aussage des Grafen Dunois: P.N. 1,32lf. Nach Darstellung von P. DUPARC traf Johanna den König am 13. Mai in Tours und erst am 4. Juni in Loches (P.N. V,210f.). 190 P.N. 1,384. 191 P.N. 1,322. 192 QuiCHERAT V,125. Der von den Franzosen als ehrbarer und tapferer Krieger geachtete Talbot wurde 1433 freigelassen. 1453 fiel er im Alter von achtzig Jahren, zusammen mit seinem Sohn, in der Schlacht von Castillon an der Dordogne; s. seine Kurzbiographie bei PERNOUD-CLIN, Jeanne, 286. 193 P.N. 1,386; eine Biographie des Connétables und späteren Herzogs Arthur III. von Bretagne hat Jean ETCHEVERRY verfaßt: Arthur de Richemont le Justicier, précurseur, compagnon et successeur de Jeanne d'Arc ou l'honneur d'être Français, Paris 1983. 194 Alençon: „Et deinde reversi sunt versus regem, qui deliberavit postmodum ire ad villam Remensem ..." (P.N. 1,387); Dunois: „... post predictas victorias ..." (P.N. 1,323); s. u. Anm. 196! 195 QUICHERAT IV,245; vgl. DUPARC: P . N . V , 2 1 2 .
196 „Item, dixit et recordatur dictus deponens interrogatus, quod, post predictas victorias, domini de sanguine regis et capitanei volebant quod rex iret ad Normanniam et non Remis; sed dicta Puella semper fuit opinionis quod oportebat ire Remis ad consecrandum regem, addebatque rationem sue opinionis, dicens quod, dum rex esset coronatus et sacratus, potentia adversariorum diminueretur semper, nec possent finaliter nocere sibi neque regno. Cujus opinioni omnes consenserunt" (P.N. 1,323). - Wie andere „strategische Denker" der Neuzeit hat Anatole FRANCE in der „marche du Sacre" eine Fehlentscheidung Jeannes gesehen, welche die Befreiung Frankreichs verzögert habe (Vie [o. Anm. 13] 1,45). 197 F ABRE, Jeanne, 280-290; 314f. u.ö. 198 Ich bin mir durchaus bewußt, daß man im Spätmittelalter noch nicht von einem „Staat" im modernen Sinne sprechen kann. 199 Chronique de la Pucelle (QuiCHERAT IV,247f.); PERNOUD-CLIN, Jeanne, 99f. 200 Der Brief ist überliefert in dem Bericht des Jean Rogier ( t 1637), der sich auf authentische Dokumente stützt (QUICHERAT V,287f.; PERNOUD-CLIN, Jeanne, 101). 201 Uber Frère Richard ausführlich (mit weiteren Literaturangaben): TANZ, Jeanne, 190-202.
402
Anmerkungen
202 P.C. 1,98. 203 P.N. 1,323; vgl. o. Anm. 196! Vgl. auch den Bericht des Präsidenten Simon Charles über die von Johanna vor Troyes getroffenen Maßnahmen: P.N. 1,401. 204 „Interroguee pour quoy il [son estaindart] fu plus porté en l'eglise de Rains, au sacre, que ceulx des autres cappitaines: Respond: Il avoit esté a la paine, c'estoit bien raison que il fust a l'onneur" (P.C. 1,178f.); vgl. ebd. 271. 205 Vgl. o. bei Anm. 178! 206 QUICHERAT V,126f. 207 PERNOUD-CLIN, Jeanne, 114f.; über die Hintergründe der politischen Entwicklung im Juli/August 1429 ausführlich: F ABRE, Jeanne, 329-347. 208 P.N. I,324f. In den Tagen davor war Jeanne an ihre Heimat erinnert worden. Während des Zuges nach Reims hatte sie in Châlons-sur-Marne ihren Paten Jean Moretti aus Greux getroffen und ihm ein rotes Kleidungsstück geschenkt (P.N. 1,255); in Châlons begrüßten sie auch Gérardin d'Épinal aus Domrémy und vier weitere Einwohner ihres Geburtsortes; ihnen gegenüber machte Jeanne die Bemerkung, „sie fürchte nichts als den Verrat" (P.N. 1,279); ihr Vater und ihr Onkel Durand Laxart waren bei der Krönung in Reims anwesend (P.N. 1,296.467). 209 P.N. 1,387. 210 P.C. I,128f. „Dicit ultra quod, si ipsa durasset per tres annos, sine habendo impedimentum, ipsa liberasset prefatum ducem. Item dicit quod, pro faciendo illud, erat brevior terminus quam de tribus annis et longior quam de uno; sed non habet de ilio memoriam" (ebd. 129); vgl. ebd. 232f. 211 QUICHERAT V,139f.; FABRE, Jeanne, 350. 212 P.N. 1,330; vgl. ebd. 484 den Bericht d'Aulons. 213 P.C. 1,106.141; vgl. auch ebd. 239. 214 P.C. 1,104-106. Man ist geneigt zu fragen, ob denn zwischen der weißen Dame der Catherine de la Rochelle und den Heiligen, die Johanna erschienen, ein wesentlicher Unterschied bestehe. Überdies hätte Catherine ihrerseits von Johanna verlangen können, ihr einmal den Erzengel Michael zu zeigen. Sie war aber nicht nur eine plumpe Schwindlerin ohne ideelle Substanz, sondern offenbar auch bodenlos dumm. Vgl. hierzu auch LUCIE-SMITH, Johanna, 228f. 2 1 5 P.C. 1,264; über Catherine de la Rochelle vgl. auch TANZ, Jeanne, 197f. 2 1 6 QUICHERAT V , 1 5 1 - 1 5 3 .
217 P.C. 1,114; vgl. P.C. 11,106, Anm. 1. 218 P.C. 111,118. 219 „Fecit eciam depingi arma sua, in quibus posuit duo lilia aurea in campo azureo et, in medio liliorum, ensem argenteum cum capulo et cruce deauratis habentem cuspidem erectum in sursum, in cuius summitate est corona aurea. Que videntur ad fastum et vanitatem et non ad religionem vel pietatem pertinere, et attribuere tales vanitates Deo et angelis est contra reverenciam Dei et sanctorum" (P.C. 1,268). 220 Über Sully s. Saint-René TAILLANDIER, Heinrich IV. von Frankreich, München 1975,284-289; 413-428. 221 P.N. 1,328. 368. 374. 471. 222 FABRE, Jeanne, 378f.; PERNOUD-CLIN, Jeanne, 131; zur Geschichte des Ordens: Charles DE TERLINDEN, Der Orden vom Goldenen Vlies, Wien-München 1970; Gert MELVILLE, Rituelle Ostentation und pragmatische Inquisition. Zur Institutionalität des Ordens vom Goldenen Vließ, in: Heinz DUCHHARDT, Gert M E L VILLE (Hrsg.), Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit (Norm undStruktur, 7), Köln-Weimar-Wien 1997, 215-271; weitere Literatur ebd.
S. 282-292
403
223 Lettre de Jeanne d'Arc aux Hussites (Communication de M. Th. SlCKEL, conservateur des archives de Vienne). Bibliothèque de L'École des Chartes 21, 5' série, t.2 (1861), 81-83; deutsche Übersetzung: QuiCHERAT V,156-159; TANZ, Jeanne, 54: „eine Falsifikation"; vgl. DUPARC: P.N. V,146. 222. 2 2 4 QUICHERAT V , 5 0 3 .
225 QUICHERAT V,177; vgl. Perceval de Cagny, ebd. IV,31. 226 P.C. I.llOf. 227 P.C. I,9f.; 11,1, Anm. 2; ausführlich hat der burgundische Geschichtsschreiber Georges Châtellain die Gefangennahme Jeannes beschrieben (QuiCHERAT IV,444447); vgl. den Bericht Percevais de Cagny (ebd. IV,33-35); zur strategischen Bedeutung von Compiègne und der Frage, ob Verrat im Spiel war: FABRE, Jeanne, 386-392; PERNOUD-CLIN, Jeanne, 138-141; TANZ, Jeanne, 201, Anm. 1. 228 Enguerrand de Monstrelet: QuiCHERAT IV,402. 229 P.C. 1,155; über die einzelnen Stationen der Gefangenschaft Jeannes: Colonel (ER) ROCOLLE, Les itinéraires de la captivité. Dossiers de l'archéologie 34 (1979), 110-113. 230 Vgl. die Aussage Johannas am 3. März 1531: „Item dit que la damoiselle de Luxembourg requist a monseigneur de Luxembourg qu'elle ne fust point livree aux Angloys" (P.C. 1,94); vgl. Art. 16 der Anklageschrift d'Estivets: P. C. 1,213. 231 P.C. I,94f.; 212-214. 232 Über die Aktivitäten Cauchons im Sommer 1430: PERNOUD-CLIN, Jeanne, 153— 156. 233 P.C. 1,4-8. 234 P.C. I,8f. 235 Vgl. die kurze Biographie Cauchons bei PERNOUD-CLIN, Jeanne, 299-302; P.H. DENIFLE, É. CHATELAIN, Le Procès de Jeanne d'Arc et l'Université de Paris. Mémoires de la Société de l'Histoire de Paris et de l'Ile-de-France 24 (1897), 1 32; ebd. 16f.; ausführlicher: FISCHER-WILBERT, Universität (o. Anm. 108), 112121; Philippe WOLFF, „Le théologien Pierre Cauchon, de sinistre mémoire", in: Économies et sociétés au moyen âge. Mélanges offerts à Édouard Perroy, Paris 1973, 553-570; um eine ausgewogene Beurteilung der Persönlichkeit Cauchons und seine teilweise Rehabilitation bemüht sich François NEVEUX, L'évêque Pierre Cauchon, Paris 1987; vgl. auch u. bei Anm. 299! 236 P.C. 1,9-11; s. dazu auch die Ausführungen von P. TlSSET: P. C. 111,6-10. 237 So ihre eigene Darstellung des Vorfalls, die sie am 14. März 1431 den Richtern in Rouen gab (P.C. 1,143-145); vgl. ebd. 107 (Verhör vom 3. März). 238 Über die Gründe für die „tadelnswerte Undankbarkeit" Karls VII. gegenüber Jeanne vgl. FABRE, Jeanne, 3 9 5 - 3 9 7 .
239 QUICHERAT V,168-170; vgl. auch o. Anm. 140; hierzu: FABRE, Jeanne, 378. Der unglückselige Guillaume wurde im Juli 1431 von den Engländern gefangengenommen; bei Gelegenheit der Königsweihe Heinrichs VI. am 16. Dezember 1431 in Paris wurde er in einen Sack genäht und in die Seine versenkt; vgl. PERNOUDCLIN, Jeanne, 146. 226f. 240 Über den Aufenthalt in Le Crotoy und die Begegnung mit dem dort inhaftierten Kanzler der Diözese Amiens, Nicolas d'Ecqueville, s. die Aussage des Aymon de Macy, eines Ritters aus dem Gefolge Johanns von Luxemburg: P. N. 1,405; über die Umstände des Verkaufs der Pucelle: PERNOUD-CLIN, Jeanne, 157-160. 241 P.C. 1,1 lf. Mit Recht bemerkt E. LUCIE-SMITH (Johanna, 263), der Brief mache „den Eindruck einer bestellten Arbeit; er war wohl im Einvernehmen mit dem Mann abgefaßt worden, den er zu tadeln vorgab."
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Anmerkungen
242 P.C. 1,12-14. D e r Brief ist natürlich nicht an die physische Person des achtjährigen Kind-Königs gerichtet, sondern an dessen „Uberperson", seinen virtuellen Leib, vertreten durch den Herzog von Bedford als Regenten und den Großen Rat für das Königreich Frankreich. Zu der Vorstellung von den zwei Leibern des Königs s. noch immer: Ernst H . KANTOROWICZ, The King's two Bodies. A Study in Medieval Political Theology, Princeton, N e w Jersey 1957 (deutsche Ubers.: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990). 243 244 245 246
Vgl. seine Kurzbiographie in PERNOUD-CLIN, Jeanne, 288f. P.C. 1,144; 155f. P.C. 1,385; vgl. P.N. 1,354; zu Beaufort vgl. auch o. bei Anm. 207. Vgl. die vielsagende Auskunft des Dominikaners Ysambart de la Pierre im Nullitätsprozeß über die Motive der Mitglieder des Tribunals von Rouen: „... et alii doctores de Parisius, mercede conducti; alii vero timore ducti, ut prefatus subinquisitor, et nonnulli alii de quibus non recolit. Et hoc fuit ad procurationem regis Anglie, cardinalis Vinctoniensis, comitis de Warvik et aliorum Anglicorum, qui solverunt expensas ratione processus hujusmodi factas" (P.N. 1,221); vgl. auch die Aussagen des Arztes Guillaume de la Chambre (ebd. 351) und des Benediktiners Pierre Miget (ebd. 412).
247 „... et hiis auditis, ipse episcopus Belvacensis inquisivit a cardinali Anglie, qui ibidem erat, quid agere deberet, attenta dicte Johanne submissione. Qui cardinalis tunc eidem episcopo respondit quod eamdem Johannam debebat recipere ad penitentiam. Et fuit tunc dimissa illa sententia quam inceperat legere, et eamdem Johannam recepit ad penitentiam" (P.N. 1,361). Auf Anordnung des Kardinals von England wird Johannas Asche in die Seine geworfen: P . N . 1,456. 248 249 250 251
P . N . 1,418. P . N . 1,416. P.C. I,14f. „Toutesvoies, c'est nostre entencion de ravoir et reprendre pardevers nous icelle Jehanne, si ainsi estoit qu'elle ne fust convaincue ou actainte des cas dessusdiz ou d'aucun d'eulx ou d'autre touchans ou regardans nostre dicte f o y " (P.C. 1,15). 252 P.C. 1,15-18. Die Jurisdiktion Cauchons war angemaßt; Johanna gehörte weder zu seinen kirchlichen Untertanen, noch hatte sie in der Diözese Beauvais die ihr vorgeworfenen Verbrechen begangen; vgl. dazu schon die Bemerkung des N o tars Guillaume Manchon: „... et, ut dicebatur, fuit capta in diocesi Belvacensi; qua occasione dominus Petrus Cauchon, tunc episcopus Belvacensis, pretendebat se esse iudicem, et totis viribus procuravit, ut sibi redderetur" (P.N. 1,415); die diesbezüglichen Bestimmungen des Kirchenrechts: Deer. Gratiani II, C.3, qu. 6, c. 1 (Corp. Iur. Can., ed. FRIEDBERG I,519):„Ibi semper causa agatur, ubi crimen admittitur"; vgl. Decretal. Gregor. I X . , I, tit. 31, c. 1 (ed. c. 11,186); DUPARC in: P . N . V,60. U m diesen Mangel auszugleichen, lag ihm sehr daran, den für ganz Frankreich zuständigen Generalinquisitor als Mitrichter einzuspannen. 253 Aussage des Notars Guillaume Manchon (Lohier selbst war zur Zeit des Nullitätsprozesses nicht mehr am Leben): „Item dicit quod magister Johannes Lohier, tempore dicti processus, semel existens in hac civitate Rothomagensi, fuit sollicitatus de dando opinionem suam super dicto processu; qui presente episcopo, dixit dictum processum nullum esse pluribus de causis: tum primo, quia non tractabatur in tuto loco, neque in curia ecclesiastica, neque erat custodita in carceribus ecclesiasticis; et quia etiam tractabatur causa regis absentis
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et non vocati" (P.N. 1,216); vgl. ebd. 418f.; ebd. 356 (Aussage des Pariser Theologen Thomas de Courcelles). „Dicit etiam ipse testis loquens [Houppeville] quod ipse, circa principium processus hujusmodi, fuit in aliquibus deliberationibus, in quibus ipse testis fuit opinionis quod, nec episcopus, nec illi qui volebant onus judicii accipere, poterant esse judices; nec sibi videbatur bonus modus procedendi, quod ipsi qui erant de parte contraria essent judices, attento quod jam fuerat examinata per clerum Pictavensem et per archiepiscopum Remensem, ipsius episcopi Belvacensis metropolitanum ..." (P.N. I,445f.); vgl. ebd. 203f. 222. 228. 234. 239. 350. 419. 430. 438. 4 4 1 . 4 5 5 . 4 6 9 . P . C . I,28f. „Verum, quia commissus erat singulariter pro diocesi et civitate Rothomagensi, et nos, quanquam territorium nobis in hac civitate fuisset accomodatum, tarnen presentem processum racione nostre iurisdictionis Belvacensis susceperamus agendum, dubitabat prefatus vicarius an ad eiusdem processus deduccionem sua protenderetur prefata commissio" (P.C. 1,27). P . C . 1,29. P . C . 1,118-120. P.C. I,129f. Jean Gris war Schildträger des Königs von England; Cauchon hatte ihn schon am 22. Februar, zusammen mit J o h n Berwoit und William Talbot, als Wächter Jeannes vereidigt: P.C. 1,42. P . N . I,430f.; vgl.ebd. 204. 419. Am 14. April 1431 wies der Kronrat namens des Königs dem Inquisitor 20 englische Goldstücke (Saluts) an „für seine Mühen, Arbeiten und Vorsorgen im Zusammenhang mit seiner Anwesenheit bei dem Prozeß gegen Johanna, die sich die Pucelle nennt, Angeklagte in Sachen des Glaubens, zusammen mit dem Hochwürdigen Vater in Gott, unserem geliebten und getreuen Rat, dem Bischof von Beauvais, ihrem ordentlichen Richter" (QUICHERAT V,202f.) So etwa A. FISCHER-WLLBERT, Universität (o. Anm. 108), 136-139; dagegen jedoch schon DENIFLE-CHATELAIN, Université (O. Anm. 235), 9f., die einen Grund für die fragwürdige Rechtmäßigkeit des Verfahrens u. a. in der Voreingenommenheit der Pariser Professoren sehen. SHAW, Saint Joan (o. Anm. 6), 4 5 ^ 7 ; Johanna, 4 4 - 4 6 . P.N. V,1-128. P.C. I,3f. P.C. I,32f. Am Tage davor (20. Februar 1431) war der Papst Martin V. gestorben; sein Nachfolger Eugen IV. wurde am 3. März gewählt. P.C. 1,38. P.C. 1,55-57. „Item, en s'adressant a monseigneur de Beauvoys, luy dist: Advisez bien de ce que dictes estre mon juge, car vous prenez une charge et me chargez trop" (ebd. 55). „Item dit derechef audit evesque: Vous dictes que vous estes mon juge; advisez bien que vous ferez; car de vérité je suis envoyee de par Dieu et vous mectez en grand danger" (P.C. 1,59). P.C. 1,375f. P.C. 1,376. P.C. 1,379. Punkt I X (P.C. I,378f.). Vgl. die Aussage ihres ehemaligen Gefährten Johann von Metz: „Et dicta Puella semper eis dicebat, quod non timerent, et quod ipsa habebat in manda-
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Anmerkungen tis hoc facere, quia sui fratres de paradiso dicebant sibi ea que habebat agere" (P.N. 1,291). Verhör am Vormittag des 15. März 1431: „Interroguee s'elle a point d'autre signe [außer der ihr von den Stimmen gewährten Hilfe] que ce soient bons esperis: Respond: Saint Michiel le me certiffie, avant que les voix me venissent. Interroguee comme elle congneust que c'estoit saint Michiel: Respond: Par le parler et le langaige des angles [lat.: per loquelam suam et per ydioma angelorum]. Et le croist fermement que c'estoient angles"(P.C. 1,161 f.); vgl. Art. 34 der Anklageschrift d'Estivets (ebd. 234). P.C. 1,380-383. P.C. 1,193. „Item de revelacionibus: Respond que dece, elle s'en raporte a son juge, c'est assavoir Dieu; et dit que ses revelacions sont de Dieu, sans autre moyen" (P.C. 1,345). P.C. 1,268-288. Vgl. da2u die Schreiben des Königs von England bzw. der Pariser Universität an den Kaiser, den Papst, die Kardinäle und Fürsten nach Johannas Hinrichtung: P.C. 1,423—430; 433-436. „Item quod, ex ista radice revelacionum sic confictarum in multa alia crimina proruperat, ut puta quod usurpando sibi illud quod Dei proprium est, presumerai dicere futura contingencia et asserere ac eciam occulta presencia" (P.C. 1,341). Κ. HASE, Neue Propheten. Drei historisch-politische Kirchenbilder, Leipzig 21861, 85-87: „Ihr Ich, ihr Genius ist ihr äußerlich geworden und in der Gestalt des Erzengels und der beiden jungfräulichen Heiligen erschienen ... In der That, dieser Engel, diese heilige Catherine ist ihr unbewußt ihre eigene hohe Seele, wie ein Dämon des Sokrates; daher läßt sie von ihren Rathschlägen sich leiten und sagt gar naiv von ihren Heiligen: ,Ich bin immer ihrer Meinung'!" - Vgl. die Aussage ihres ehemaligen Knappen Jean d'Aulon: „Dit aussi que, quant ladicte Pucelle avoit quelque chose à faire pour le fait de sa guerre, elle disoit à il qui parle que son conseil luy avoit dit ce qu'elle devoit faire" (P.N. 1,486). Vgl. hierzu auch die o. bei Anm. 146-148 zitierte Hypothese von Sabine TANZ. E. STAUFFER, Jerusalem und Rouen, in: Irmgard BUCK und Georg Kurt SCHAUER, Alles Lebendige meinet den Menschen. Gedenkbuch für Max Niehans, Bern 1972,195-206; ebd. 200. „Et a la submission de l'Eglise, dist: Je leur ay dit en ce point de toutes les œuvres que j'ay faictes, et les diz soient envoy ees a Romme devers nostre saint pere le Pape auquel, et a Dieu premier, je me rapporte. Et quant aux dis et fais que j'ay fais, je les ay fais de par Dieu" (P.C. 1,387); vgl. P.N. 1,91.118.142f. „Interroguee se les fais et dis qu'elle a fais, qui sont reprouvez, s'elle les veult révoquer: Respond: Je m'en raporte a Dieu et a nostre saint pere le Pape. Et pour ce que il luy fut dit que il ne suffisoit pas, et que on ne pouvoit pas aler quérir nostre saint pere si loing; aussi que les Ordinaires estoient juges chacun en leur diocese" (P.C. I,387f.); vgl. P.N. I,142f. Das mittelalterliche Kirchenrecht regelt die Appellation an den Apostolischen Stuhl: Decr. Grat. II, C. II, q. 6, c. 17. 21 (Corp. Iur. Can. ed. FRIEDBERG 1,471). P.C. 1,377. Es handelt sich um die sogenannte „Schüsselfrisur" (cheveux à Pécuelle), weil das Haar dabei entlang dem Rand einer über den Kopf gestülpten Schüssel geschnitten wurde; vgl. HARMAND, Jeanne (o. Anm. 168), 35-50; BATAILLE, J e a n n e (o. A n m . 86), 24.
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286 Commentarli in Pauli Epístolas ad Galatas... ed. Helmut FELD (Ioannis Calvini Opera omnia II/16), Genève 1992, 127f. 287 P.C. 1,395. 288 P.C. 1,389. 289 P.C. 1,388. 290 Vgl. die Feststellung ihres ehemaligen Beichtvaters Pasquerel: „Dicit insuper quod bene miratur, quod tanti clerici, sicut erant i Ili qui eam morti tradiderunt in villa Rothomagensi, ausi fuerunt attemptare in ipsam Johannam, et facere mori talem pauperem et simplicem christianam, tam crudeliter et sine causa (saltern que esset sufficiens ad mortem)" (P.N. 1,397); ferner das Zeugnis des Notars Guillaume Manchon: „Et seit ipse loquens quod exitus et finis eius fuit, ut apparebat omnibus, multum catholicus; nec unquam voluit revocare suas revelaciones, sed in eisdem stetit usque ad finem" (P.N. 1,428). 291 G. de la Chambre: „Et postmodum ineepit clamare: JHESUS! et invocare sanctum Michaelem, et tandem igne exstineta est" (P.N. 1,352); vgl. Massieu (ebd. 1,435); vgl. auch o. Anm. 144! 292 SHAKESPEARE, König Heinrich VI. Erster Teil, 5. Akt, 3. Szene: See how the ugly witch doth bend her brows As if, with Circe, she would change my shape! Puc. Chang'd to a worser shape thou canst not be. 293 „En nom Dieu, si ay. Comme vous parlez doulcement! Quare non recedebant ipsi a Francia, et ibant ad suam patriam?" (P.N. I,348f.). Diese Antwort schließt wohl auch definitiv aus, daß Jeanne Mitglied des Dritten Ordens der Franziskaner war. 294 P.C. 1,62. 295 P.C. 1,62. 296 P.C. I,86f.; vgl. ebd. 228. 297 P.N. 1,469. 2 9 8 QUICHERAT V , 1 6 6 f .
299 NEVEUX, Évêque (o. Anm. 234), bes. 193. Robert CHABANNE, der in Jeanne den Geist des Widerspruchs am Werk sieht, hat sein Buch: Jeanne d'Arc et la légalité, Lyon 1983, „den Manen von Monseigneur Cauchon, Bischof von Beauvais, Verteidiger des Glaubens und des Gesetzes" gewidmet; vgl. bes. ebd. 123-125. 300 P.C. 1,386. Über die Predigt Érards und den Zwischenruf Jeannes: „Ne parle point de mon roy, il est bon chrestien!" vgl. den Bericht des Dominikaners Martin Ladvenu (P.N. 1,442). 301 P.C. 1,410. 412. Über Midi vgl. F ABRE, Jeanne, 442. 302 Bericht des sogenannten „Bourgeois de Paris" (QUICHERAT IV,471—474). Bereits in dem Gutachten der theologischen Fakultät der Sorbonne vom 14. Mai waren die drei Heiligen Jeannes als die Dämonen Belial, Satan und Behemoth identifiziert worden (P.C. 1,361). 303 Beide Sakramente spendete der Dominikaner Martin Ladvenu; P.C. 1,412. 420; P. N. I, 443. 466. 304 In der Tat fanden, nach Auskunft des Notars Guillaume Manchon, hierüber Beratungen im Kreis der Richter und Beisitzer statt (P.N. 1,427). Auch den Ermitdern im Nullitätsprozeß war natürlich der Widerspruch aufgefallen, „qualiter sibi tradiderunt eucharistie sacramente m, attento quod eam declaraverant excommunicatam et hereticam". Man kam offenbar zu dem Schluß, daß eine Absolution im Forum des Bußsakraments ohne formelle juridische Absolution möglich sei. Dazu hat schon LE BRUN DE CHARMETTES (1817!) bemerkt: „Misérables subtilités, plus dignes
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Anmerkungen des sophistes, qui remplissaient alors les écoles, que des membres d'un tribunal religieux!" (Histoire IV,182; s.o. Anm. 10). Nach Anatole FRANCE (Vie 1,11; 11,334) wurde Jeanne der Empfang der Sakramente aufgrund ihres „zweiten Widerrufs", außerhalb des Prozesses, bewilligt, weil man ihr im „sakramentalen Forum" die Aufrichtigkeit ihrer Reue abnahm; sterben mußte sie trotzdem, weil sie im juridischen Sinn nach wie vor als schuldig galt. Der Zynismus würde aber damit nur von der Person des Richters auf das System der Rechtsprechung verlegt. Ob sich Jeanne tatsächlich nach ihrer definitiven Verurteilung von ihren Stimmen losgesagt hat, wie es in dem darüber abgefaßten Protokoll (P.C. 1,416-422) behauptet wird, ist mehr als fraglich. P.N. 1,438. 440. P.N. 1,437. Vgl. o. Anm. 13! P.N. 11,604-611. Vgl. besonders die Bemerkung: „et difficillimum dicentes de talibus determinatum prebere iudicium, beato Paulo de suis propriis revelationibus dicente, an eas in corpore vel in spiritu habuerit, se nescire, et Deo super hoc se referre" [2 Cor 12,2] (P.N. 11,608). Ubersichtliche Darstellung der Kanonisation Jeannes und ihrer Vorgeschichte mit Anführung der wichtigsten Literatur bei PERNOUD-CLIN, Jeanne, 418f.; über die (zu seinen Lebzeiten gescheiterten) Bemühungen Dupanloups um die Beatifikation Jeannes ausführlich: KRUMEICH, Jeanne (o. Anm. 10), 133-153; 171. Dekret „Virginis in omne": AAS 1 (1909), 390-394; bemerkenswert ist der Passus: „... extremis hisce in angustiis, Ioannae in domestico pomasio consuetis officiis intentae, audita est caelestis militiae principis Michaelis vox, qualis olim insonuit Iudae Machabaeo: ,Accipe sanctum gladium, munus a Deo, in quo deiicies adversarios populi mei Israel* (2 Mach 15,16). Filia pacis ad bellica ciebatur: obstupuit prius ac timuit virgo, sed post repetitas de cáelo voces, quasi divino spiritu afflata, minime dubitavit quin colum in ensem, et calamos pastorales in clangorem tubarum mutaret" (ebd. 391). Dekret „Divina disponente": AAS 12 (1920), 514-529; über die Stimmen ebd. 515: „Ioanna, tres ac decern annos nata, in horto patris sui e latere ecclesiae, hora meridiana, quamdam vocem audivit, magnumque splendorem aspexit... Tandem Archangelus Michael se ei revelavit..."
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In seinem Gedicht „Luther", innerhalb des Zyklus: „Huttens letzte Tage" heißt es von dem Reformator: „Er fühlt der Zeiten ungeheuern Bruch, Und fest umklammert ersein Bibelbuch" (C.F. MEYER, Sämtliche Werke, München-Zürich o. J., 947). „Da beschachend vil grosser endrungen". Gerold Edlibachs Aufzeichnungen über die Zürcher Reformation 1520-1526, hrsg. und komm, von Peter JEZLER, in: H.-D. ALTENDORF, P. JEZLER (Hrsg.), Bilderstreit: Kulturwandel in Zwingiis Reformation, Zürich 1984, 41-74. Antoine Fromment, Les Actes et Gestes merveilleux de la Cité de Geneve, ed. Gustave REVILLIOD, Genève 1854. Jeanne de Jussie, Petite Chronique. Einleitung, Edition, Kommentar von Helmut FELD ( V I E G 167),Mainz 1996; Jeanne de Jussie, Kleine Chronik. Bericht einer
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Nonne über die Anfänge der Reformation in Genf, übersetzt und hrsg. von Helmut FELD (VIEG Beih. 40), Mainz 1996. S. hierzu: H. FELD, „Es gat ein Christenman über fäld". Die Begegnung von humanistisch geprägter Theologie und mittelalterlicher Volksfrömmigkeit in der Zwinglischen Reformation, in: Willem VAN 'T SPIJKER (Hrsg.), Calvin. Erbe und Auftrag. FS. für W.H. Neuser, Kampen 1991,181-202. Vgl. hierzu vor allem: Karl August FINK, Papsttum und Kirche im abendländischen Mittelalter, München 21994. Enchiridion militis christiani, in: Desiderii Erasmi Roterodami Opera omnia [LB], V, Leiden 1704, 1-66; Moriae Encomium id est Stultitiae Laus, ed. Clarence H. MILLER, in: Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami [ASD], IV/3, Amsterdam-Oxford 1979; s. dazu: Cornells AUGUSTIJN, Erasmus von Rotterdam. Leben - Werk - Wirkung, München 1986, 44-65; Helmut FELD, Der Ikonoklasmus des Westens (Studies in the History of Christian Thought, 41), Leiden 1990,110-115.
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Vgl. Peter JEZLER, Elke JEZLER, Christine GÖTTLER, Warum ein Bilderstreit? Der Kampf gegen die „Götzen" in Zürich als Beispiel, in: ALTENDORF, JEZLER, Bilderstreit, 83-102; ebd. 84. Petite Chronique, fol. 4v/5r. André ARCHINARD, Les édifices religieux de la vieille Genève, Genève 1864, 115-137; A.-C. GRIVEL, Notice sur l'ordre religieux deSainte-Claire et sur la communauté des Clarisses de Genève, in: Jeanne de Jussie, Le Levain du Calvinisme, Genève 1865, 267-293; ebd. 272; Edmond GANTER, Les Clarisses de Genève et d'Annecy (Conférence faite au Château de Montrottier le 19 juin 1949). La Revue Savoisienne 90 (1949), 63-65. Petite Chronique, fol. 3r. Petite Chronique,fol. 54r-58r; s. dazu die Einleitung zur kritischen Edition der „Petite Chronique" (o. Anm. 4), LX-LXIII. Petite Chronique, fol. 92v-94r. Ebd. fol. 38v-44r. S. ebd. Einleitung, XLVIII-LI. Ebd. fol. 225r. Ebd. fol. 34v. Ebd. fol. 60v-63r. S. dazu: Ebd., Einleitung, XXXIIIf. Ebd. fol. 99v/100r. Ebd. fol. l O l v - l l l r . Ebd.fol. 112v-115r. Ebd. fol. 116v-117r. Ebd. fol. 134v-138r. Ebd. fol. 112r; vgl. auch Fromment, Actes, 82. Es handelt sich um den Predigtplatz vor der Franziskaner-Kirche, der in den den Jahren 1492-1499 überdacht worden war. Nach Fromment fanden in dem so gewonnenen Auditorium 4000-5000 Zuhörer Platz (was vielleicht übertrieben ist); Albert CHOISY, Notes sur le Couvent de Rive. Étrennes genevoises 1928, 3-27; Louis BLONDEL, Notes d'Archéologie genevoise. XII. Le Couvent de Rive. Bulletin delà Société d'Histoire et d'Arché-ologie de Genève 5 (1923-1932), 286-303; ebd. 297. Chronique, fol. 159r; vgl. RCG 13,184. Ebd. fol. 161r. 167v. 178v; vgl. damit den Bericht Antoine Fromments, Actes, 137-207; RCG 13,196; zu der Disputation von Rive s. ferner: Théophile
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Anmerkungen DUFOUR, U n opuscule inédit de Farei. Le Resumé des Actes de la Dispute de Rive (1535). Mémoires et documents publiés par la Société d'Histoire et d'Archéologie de Genève 22 (1886), 201-240; Émile DOUMERGUE, Jean Calvin. Les hommes et les choses de son temps II, Lausanne 1902, 134-149; Charles BORGEAUD, L a conquête religieuse de Genève (1532-1536), in: Guillaume Farei 1489-1565. Biographie nouvelle, Neuchâtel-Paris 1930, 298-337; Bernd MOELLER, Zwinglis Disputationen. Studien zu den Anfängen der Kirchenbildung und des Synodalwesens im Protestantismus. ZSavRG 87, Kan. Abt. 56 (1970), 275-324; 91, Kan. Abt. 60 (1974), 213-364; ebd. 340-344; Gottfried W. LOCHER, Die Zwinglische Reformation im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte, GöttingenZürich 1979, 560-567; FELD, Ikonoklasmus (o. Anm. 7), 163-166.
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Chronique, fol. 200r/v; Fromment, Actes, 144-146; FELD, Ikonoklasmus, 166. „Et de puis se jour nulz seruice ne se faisoit en toute la cite, fort ou conuent de saínete clere, que les poure seurs mantenoiens tousiours les heures canonyal, mais a portes clauses. Les beauc peres disoient tous les jours messes, et beaulcops de gens il venaiens secrettement. Q u i fut gros dangier por les seurs. Et la veille de sánete clere fust mande par grosse deffence de non plus sonne ny dire office ne messe. Q u i fut glayue trespersant leurs poures ames. Toutes disoiens tousiours loffice, mais tout bas ou millieux du cueur et quelque fois ou reffetoyt" (Chron., fol. 43r/v).
Ebd. fol. 121r. S. dazu besonders Chron., fol. 43r/v. „Et toutes assemblees, les jeusnes deuent ce mauldit faret et ses euangeliste, dune par et daultre près des jeusne por les flacter et desepuoir, silence fut donne, et se faret print son teme: ,Exurgens maria abiit in montana', disant, que la vierge marie nauoit point tenu vie solitaire, mais estoit diligente a secoury et faire seruice a sa cousine ancienne. Et sur ce pas degradoit sánete clausure et religion et lestât de sánete chastete et vierginite victuperablement. Q u i transpersoit le cueur des poures seurs" (ebd. fol. 185r/v). 33 S. dazu: JEZLER, Bilderstreit (o. Anm. 8), 102; zu theologischen Auseinandersetzung der GenferKlarissen mit den Behörden der Stadt vgl. auch: FELD, Christenman (o. Anm. 5), 193-202. 34 „Et vos, pere confesseur, qui tene ses poures aveugles en ceste captiuite damnable, que ne les faite vos taire pour ouy la parolle de dieu? Mais elle ne la pouent ouy, car elles ne sont pas de dieu, mais toute corrompues de cueurs, faignant de viure chastement en clouse, et ansin abusent le monde, et scauons bien, que pluseurs de ses poures jeusnes filles viendroient vollentier ala vérité de leuangille et ou grant bien de mariage, si vos et les viellies ne les tenie tant de curt et subgette" (Chron., fol. 187r/v). 35 „Car la ville ne permettroit james, que sortes, sens scauoir le coraige dune chascunes et sens vos remonstre la voie de vérité, car cest grant domaige de pluseurs belles jeunes filles, que perde leur jeunesse en ouysiuette, qui porroiens faire de grans fruys ou monde" (ebd. fol. 236v-237r). 36 „Mais vos aultres sinples femmes, qui soubz lombre de gardes chastete, qui est inpossible anature, este toutes corrompues de pemses, mais ont trouues vos, que dieu aie comende telle vie?"(ebd. fol. 221r); vgl. auch fol. 159v, wo die Chronistin berichtet, Farei habe von den Nonnen in seinen Predigten behauptet, „sie seien arme Verblendete, im Glauben Irrende, und daß man sie aus dem Gefängnis bringen müsse; die Leute müßten sich eigentlich zusammentun und sie steinigen, weil sie nichts als Hurerei und Heuchelei veranstalteten; denn sie machten die
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Leute glauben, sie bewahrten die Jungfräulichkeit, was ja Gott überhaupt nicht geboten hat, weil es nicht möglich ist, sie zu bewahren. Aber sie fütterten diese heuchlerischen Barfüßer mit guten Rebhühnern und fetten Kapaunen, um anschließend nachts bei ihnen zu liegen; und daß die Herren der Stadt sie nicht mehr dulden dürften, sondern sie sollten sie herausholen und alle verheiraten lassen entsprechend dem Gebot Gottes." Ebd. fol. 171r. Ebd. fol. 192v. Ebd. fol. 233r. Ebd. fol. 221 r/v. Vgl. auch Chron., fol. 214r, wo die Bürgermeister von Genf den Nonnen sagen: „Et messieur de berneont comander, que nos fault estre tous a vnions de fois et ala vérité de leuangille. Et porse neste pas vnie, vos tenant ycit recluses et faire tant dipocrisie." DOUMERGUE, Calvin II (o. Anm. 27), 139f.; Frédéric GARDY, L'inscription commémorative des événements de 1535. Bulletin de la Soc. d'Hist. et d'Arch. de Genève 6 (1933-1938), 49-57; Henri DELARUE, La devise de Genève, ebd. 107119; DERS., La Devise de Genève, Genève 1936; Waldemar DEONNA, Les Arts à Genève des origines à la fin du XVIII e siècle, Genève 1942, 370, Fig. 246; FELD, Ikonoklasmus (o. Anm. 7), 168. Für Zwingli s. vor allem seine Schrift: „Eine Antwort Valentin Compar gegeben" (Z IV,35-159; ebd. 56); für Bucer: „Das einigerlei Bild bei den Gotgläubigen ... nit mögen geduldet werden" (Deutsche Schriften 4,161-181; ebd. 178,8); für Calvin vgl. vor allem den Anfang seines Testaments: „Primum omnium gratias ago Deo, quod misertus mei, quem crearet, et in hoc mundo collocaret, non solum me e profundis idololatriae tenebris, in quas demersus eram, eripuit, ut me in evangelii sui lucem adduceret ..." (Theodor Beza, Ioannis Calvini Vita: C O 21, 162). Chron., fol. 222v. Jules VUY, Le Réformateur Froment et sa première femme. Esquisse historique, Paris 1883; Theodor SCHOTT, Art. Froment, Anton, in: R E prot. 6 (1899), 296298; Thomas HEAD, Marie Dentière. A Propagandist for the Reform, in: Katharina M. WILSON (Hrsg.), Women Writers of the Renaissance and Reformation, Athens GA 1987, 260-267; Irena BACKUS, Marie Dentière (m. 1561). Un cas de féminisme théologique à l'époque de la Réforme? Bulletin de la Soc. de l'Hist. du Protestantisme français 137 (1991), 173-199; Jane Dempsey DOUGLASS, Marie Dentière's Use of Scripture in Her Theology of History, in: Mark S. BURROWS and Paul ROREM (Hrsg.), Biblical Hermeneutics in Historical Perspective. Studies in Honor of Karlfried Froehlich on His Sixtieth Birthday, Grand Rapids, Mich. 1991,227-244. Chron., fol. 192v. 194r. Ebd. fol. 188r. Ebd. fol. 225r. Ebd. fol. 2144. „Et beauxcopt a celle heure sens partirent occultement de la ville por la sainte foys, sens plus il retorne, disant a eulx mesme: Helas, toutes la ville per ou jourduyt tout son bien et toutes sa lumiere, et ny serat pas bon demoure!" (fol. 250r/v); „Mais les bons ploroiens amerement, agrant sanglot, et mesme le santique, quant vient ala despartie, fut meu de telle pitie, qui sanglottoit tout hault et larmoioys amerement, et toute sa compaignie, pregnant les seurs par ordre, les
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Anmerkungen
mettant sur le pont, prenant congie, disant: ,Or adieu, belles dames! Certes vostre despartie moy desplaist.' Et disant entre luy comment vng aultre cayphe: ,Ha, genesue, aceste heure tu pert ton bien et lumiere!'" (fol. 253v-254r). 51 Chron., fol. 180v. 52 „Et venant ses gens, voiant et oiant ce piteulx congie des mortes, comment celle deussent bien parler, ce recullerent comment tout espauenter et fremissent, jusque les seurs heurent fait leurs deuotion" (ebd. fol. 248r). 53 Ebd. fol. 279v. 54 Ebd. fol. 280r/v. 55 Vgl. hierzu Fromment, Actes, 152: „ O r iceulx moynes donnoynt entendre que celle ymage de N " Dame de Grace faysoit de grandz miracles et qu'elle ressussitoit et reuicoulloit les petis enfants mortz mais, pour auoir baptesme, car mieulx eust vallu que deux cités fussent peries, qu'vng enfant fust mort sans baptesme, disoynt ilz: tellement qu'on y couroit de tous coustes, ainsi que à Nostre Dame de Lausanne, ou comme à N " Dame de Burre, troys lieux près de Berne, lesquelles troys ydolles estoynt les plus renommées quy fussent en tout le pays de Suysse, à rayson des grandz miracles qu'on donnoit à entendre és poures ignorans qu'elles faysoynt. Mais l'Euangille a descouuert et declaré dans Geneue, et en ces pays circonvoysins, tous faulx miracles." Zu der bis in die Neuzeit üblichen Wallfahrt mit totgeborenen Kindern vgl. auch: Himmel Hölle Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter. Katalog von Peter JEZLER, Zürich 1994, 192: Die Wallfahrt mit totgeborenen Kindern zur Marienkapelle in Oberbüren (Kanton Bern). 56 „ L a estoit moy qui ce escript, de tenue de maulueise fieure, et par les mérités du glorieux cheuallier dedieu, dont elle beisoit les saintes reliques, fut garie tout subitement, et en memoire de ce laissi le bastón, dont me sostenoie, en la dite chapelle" (fol. 268r/v). 57 Chron., fol. 42r/v. 58 „Chouse amirable, miraculleuse et dignes de grans memoire por la diuine louange et por estre plus certain de la bonté et misericorde de dieu, qui james ne laisse cieux qui de vray cueur le serue et ce confien de sa bonté" (ebd. fol. 251v-252r); vgl. auch ebd. fol. 22v. 23v. 29v. 47r. 76r. 90r. 144v. 149v. 183r. 256v. 59 Ebd. fol. 19r/v; s. hierzu: Helmut FELD, Franziskus von Assisi und seine Bewegung, Darmstadt 1994, 429f.
Epilog 1 2 3 4
Deutsche Übersetzung: Ignatius von Loyola, Der Bericht des Pilgers. Übersetzt und erläutert von Burkhard SCHNEIDER, Freiburg Br. 1956. S. darüber: Helmut FELD, Der Ikonoklasmus des Westens (Studies in the History of Christian Thought, 41), Leiden 1990, 237f.; ebd. weitere Literatur. Libro de la Vida, ed. Guido MANCINI, Madrid 1982, 212. Rudolf WLTTKOWER, Gian Lorenzo Bernini. The Sculptor of the Roman Baroque, London 1955, 28-31; 207-209; Abb. 67-71; Hans KAUFFMANN, Giovanni Lorenzo Bernini. Die figürlichen Kompositionen, Berlin 1970, 136-169; Abb. 69-72; über Bernini vgl. auch: Helmut FELD, Gian Lorenzo Bernini. Urban VIII. und der Hochaltar-Baldachin von St. Peter, in: DERS., Mutmaßungen zur religiösen Bildaussage in Manierismus und Barock. Tintoretto - El Greco - Bernini, Tübingen 1992, 53-70; DERS., Urban VIII. und der Hochaltar-Baldachin von St. Peter in Rom, in: Nabil EL-KHOURY, Henri CROUZEL, Rudolf REINHARDT (Hrsg.),
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Lebendige Überlieferung. Festschr. für Hermann-Josef Vogt zum 60. Geb., Beirut-Ostfildern 1992,91-108. 5 Vgl. P.L. BERGER, Auf den Spuren der Engel. Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz, Freiburg Br. 1991; DERS., Der Zwang zur Häresie. Religion in der pluralistischen Gesellschaft, Freiburg Br. 1992. Neuerdings wird die Bedeutung der neuzeitlichen Marienerscheinungen für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte entdeckt; vgl. dazu die wichtige Untersuchung von David BLACKBOURN: Wenn ihr sie wieder seht, fragt wer sie sei. Marienerscheinungen in Marpingen - Aufstieg und Niedergang des deutschen Lourdes, Reinbek bei Hamburg 1997 (engl. Orig.: Marpingen. Apparitions of the Virgin Mary in Bismarckian Germany, Oxford 1993). 6 Vollständige Edition aller die Erscheinung betreffenden Dokumente: Jean STERN, La Salette. Documents authentiques: dossier chronologique intégral. 2 Bde., Paris 1980. 1984; vgl. ferner: Ernst Walter ROETHELI, La Salette. Geschichte einer Erscheinung, Olten-Freiburg Br. 1952; Louis BASSETTE, Le fait de La Salette, Paris 1955; Jean JAOUIN, La grâce de La Salette au regard de l'Église, Corps 1981; La Salette. Récit de l'apparition et sens du message [Einleitung von René LAURENTIN], Corps 1981; Jean STERN, Maximin et Mélanie. Les bergers de L a Salette, Corps 1987. 7 Mélanie Calvat endete nicht als vorzeigbare Heilige der Katholischen Kirche; sie geriet vielmehr in vielfältige Konflikte mit den kirchlichen Autoritäten. Ihre späteren Niederschriften apokalyptischer Geheimnisse, die sie auch dem Papst Pius IX. mitteilen ließ, sind bis heute Gegenstand phantastischer Spekulationen und haben eine Fülle esoterischer Literatur hervorgebracht. Für Mélanies Biographie sind wichtig: Hyacinthe GuiLLOT, La vraie Mélanie de La Salette, Saint-Céneré 1973; Journal de l'Abbé COMBE, Dernières années de Soeur Marie de la Croix. Bergère de La Salette, Saint-Céneré 1978; Paul GOUIN, Die Hirtin von La Salette, Stein am Rhein 1982; Henri DlON, Mélanie Calvat. Bergère de La Salette, Montsûrs 1984. 8 Deutsche Übersetzung: Émile ZOLA, Lourdes, Leipzig 2 1991. 9 Die Edition aller die Erscheinungen von Lourdes betreffenden Dokumente: René LAURENTIN, Lourdes. Dossier des documents authentiques, 7 Bde., Paris 2 19581965; wichtig ist ferner die ausführliche Darstellung der Geschichte der Erscheinungen mit zahlreichen weiteren Dokumenten: René LAURENTIN, Lourdes. Histoire authentique des apparitions, 6 Bde., Paris 1961-1964; vgl. ferner: Michel SUFFRAN, Lourdes ou les témoins sont aveugles, Paris 1976. 10 „ O h ! non, j'ai tout dit, reprit vivement Bernadette, mais dans les livres qui rendent compte des apparitions je trouve que l'on glisse trop rapidement sur ce sujet." (LAURENTIN, Lourdes. Histoire VI, 74f.). Über das Gespräch hat Guy DE PLERREFEUX, Verfasser des Buches: „Le triomphe de Lourdes" (Paris 1893), berichtet. Er machte 1892, auf der Rückreise von Lourdes, in Nevers Station. Dabei kam er ins Gespräch mit Charlotte de Vigouroux, die Bernadette bei ihrem Tod am 16. April 1879 die Augen zugedrückt hatte. 11 LAURENTIN, Lourdes. Histoire VI,99: „Dans toutes ses dépositions... Bernadette dicte ,Immaculée' (et non pas ,Immaculada')." 12 Vgl. LAURENTIN, Lourdes. Dossier 1,282: „L'abbé Peyramale accueille mal le message. Il contre Bernadette avec violence: 'Tu mens, cette dame n'a pas pu te dire cela', et la renvoie brusquement, mais c'est pour cacher une émotion qui monte en larmes. Il rentre dans sa chambre bouleversé, et un peu dérouté par l'étrangeté de cette phrase où la Vierge, par une audacieuse figure de style, se dé-
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Anmerkungen signe sous le nom abstrait de son premier privilège: Je suis l'Immaculée Con- ception." H . DENZINGER, P . H Ü N E R M A N N , Enchiridion Symbolorum, Freiburg Br. "1991,2803.
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D E N Z I N G E R - H Ü N E R M A N N , 2800f. Zu dem Dogma von 1 8 5 4 vgl.: Helmut FELD, Maria. Weltliche Meditationen über kirchliche Dogmen, Düsseldorf 1 9 7 7 , 2 7 - 3 5 .
16 Darüber ausführlich: LAURENTIN, Lourdes. Histoire 111,142-150.
17 Joh. Winckelmanns Werke, 2 Bde., Stuttgart 1847; I,471f.; 11,322-325.
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Register Personennamen Aaron 74,184 Abaelard 47f., 4820, 78-98, 119, 131 Abd er-Rahman III., Kalif 20 Abel 19 Abraham 40 Accursius, Franziskaner 143 Achab, König von Israel 74 Adalbero, Erzbischof von Reims 7 Adam, Abt von Ebrach 107 Adam, Abt von St-Denis 85-87 Adele von Blois 31-12, 977' Adelhard, Bischof von Reggio 5 Adelheid, Kaiserin 5-13 Adelheid, Königin von Frankreich 49, 4927, 54 Adiutus, Franziskaner 143 Aenor von Châtellerault 43 Agnes, Märtyrin 21,40, 19851, 222" Agnes, Geliebte Wilhelms IX. von Aquitanien 44 Agnes von Assisi 137,139,144, 145, 14539'42 Agnes von Burgund 266140 Agnes von Prag 142, 14232, 143, 145-149 Alain, Jacques 258f. Alberich von Reims 85 Albero von Montreuil, Erzbischof von Trier 101 Albert von Aachen 37M, 38" Albert von Pisa, Generalminister des Franziskanerordens 146 Alberus, Erasmus 1343 Albornoz, Egidius (Gil), Kardinal 217 Alden, Henry Mills, Verleger 238
Alexander III., Papst 74,102f., 11450 Alexander IV. (Rainald von Ostia), Papst 134,140f., 147 Alexander, Kaplan Stephans von Blois 36 Alexander, römischer Bürger 165 Alexios I. Komnenos, Kaiser 35, 37 Alfonso VIII., König von Kastilien 64, 77,150 Alfonso Pecha, Bischof von Jaén 217f., 220 Alice, Prinzessin von Frankreich 69 Alix (Aélis), Prinzessin von Frankreich 60f. Amadeus IX., Herzog von Savoyen 310 Amata, Dominikanerin 167 Amatus, Franziskaner 147 Ambrosius von Mailand 2, 74,134 Anaklet II. Pierleone, Papst 46 Anastasius IV., Papst 102,102 15 Andreas, Apostel 217 Andreas von Ungarn, König von Neapel 221 Andreas, Bekannte Katharinas von Siena 23If. Angela von Foligno 168-173,182, 225 Anna, Mutter Samuels 40 Anna von Burgund, Herzogin von Bedford 250 Anouilh, Jean 240 Antherus, Papst 125 Antigone 114 d'Arc (d'Ay), Familie aus Domrémy 287
Personennamen Arnaldus, Franziskaner 168,172 Arnold II., Erzbischof von Köln 124 Arnold, Abt von Farfa 215 des Arnox, Nicolas 311 Arnulf, Bischof von Lisieux 54 Arsen, Geliebte Wilhelms IX. von Aquitanien 44 Arsenio, Geliebter Margheritas von Cortona 174 Arthur III., Herzog der Bretagne: s.: de Richemont, Arthur Arthur Plantagenêt 77 Assam, Türkenfürst 36 Astrolabius, Sohn Heloises und Abaelards 82,94,97 Athalbero, Großvater Bernwards von Hildesheim 1810 Atto von Canossa 815 Aubery, Jeanne 254 Augustinus 108,108 41 ,132,134, 222", 312 d'Aulnoy, Arnoul, Abt von SaintUrbain 261107 d'Aulon, Jean 250, 252, 253,278, 278183,279188, 286212, 289, 301281 Aymeri, Guillaume, Dominikaner, Magister 270f. Badia Venturi, Priester von Cortona 175 Baldewin, Erzbischof von Canterbury 65 Baldrich, Bischof von Utrecht 18 Balduin III., König von Jerusalem 59 Balduin, Erzbischof von Caesarea 34 Balvina de Martino, Nonne in S. Damiano 142 Barduccius, Anhänger Katharinas von Siena 234 Baretta, Bartolomeo, Söldnerführer 288
443
Baroust, Jean, Kerkwächter der Jeanne d'Arc 295 Bartholomäus, Apostel 217 Bartholomäus, Bischof von Laon 49, 52, 57 Bartholomäus von Pisa 1343 Bartolomeo, Vater Margheritas von Cortona 174 Baudri von Bourgueil 31 '' 2 ' 3 3210, 41f. de Baudricourt, Robert 237,239, 248f., 252,256,257, 25783, 258261, 261102'107, 264 de la Baume, Pierre, Fürstbischof von Genf 313, 315 Bavon, Anne 250f. Beatrice, Schwester Klaras von Assisi 141,144f. Béatrice, Bürgerin von Domrémy 254f. Beaufort, Henry, Kardinal, Bischof von Winchester 284,292, 293, 2932«·247 Beaupère, Jean, Magister 246, 24618, 261,261108, 263"', 293,296 Benedikt XII., Papst 213 Benedikt XIII., Papst 181 Benedikt XV., Papst 307 Benedikt von Nursia 1 lf. Benedikt von Peterborough 69", 70101 Benedikt (Baruch), Jude aus York 67 Bengt Birgersson 211 Benigno, Franziskaner 177 Benvenuta de Madonna Diambra, Nonne in S. Damiano 141 Berard, Franziskaner 143 Berengar II., Markgraf von Ivrea 5, 8
Berengaria von Navarra, Königin von England 69f. Bernard, Claude, Ratsherr von Genf 313, 322
444
Register
Bernard, Jacques, Franziskaner 317 Bernardo, Erzbischof von Neapel 220
Bernhard, Graf von Armagnac, Connétable 244 Bernhard von Clairvaux 46,4612'13, 49-51, 53, 55, 87, 8840, 94-96, lOlf., 10214, 107, 111, 117-119, 139,151,183 Bernhard, Dominikaner 166 Bernini, Gian Lorenzo 326f. Bernward, Bischof von Hildesheim 1233, 141, 15, 153, 1810 Berwoit, John, Kerkerwächter der Jeanne d'Arc 2952,5'' Bertha, Königin von Hochburgund 5, 51, 9 Bertram de Gurdun 76 Beza, Theodor 32043 Birger Persson 211 Birger Ulfsson 212,218 Birgitta von Schweden 180", 211223, 225 Bischoff, Anton, Berner Gesandter in Genf 319f. Blanche von Dampierre, Königin von Schweden 212 Blanche von Kastilien, Königin von Frankreich 64, 77, 771'2'5 Bochard, Jean, Bischof von Avranches 24627 Bona, römische Inkluse 162f. Bona de Guelfuccio 137f. Bonaugura, Franziskaner 147 Bonifaz IX., Papst 222 Boucher, Pierre, Priester von Rouen 267 de Boulainvilliers, Perceval 24314 de Bouligny, René 260 de Bourbon, Charles, Graf von Clermont 266, 266140 de Bourlemont, Pierre, Ritter 253 de Boussac, Jean, Marschall von Frankreich 276
Bovo, Mönch 100 Brecht, Bertolt 240f. Bréhal, Jean, Inquisitor für Frankreich 306 Brigida von Kildare, Heilige 211 Brun, Erzbischof von Köln, Herzog von Lothringen 14,17,17 7 ' 8 , 189'10, 22, 29 Brynolf Algotsson, Bischof von Skara 212 Bucer, Martin 309, 320, 32043 Burchard I., Herzog von Schwaben 51 Burkhard, Bischof von Worms 11, II26 de Cagny, Perceval 266140, 273f., 288227 Calixt III., Papst 306 Calvat, Mélanie, Visionärin 327329 Calvin, Johannes 1237, 198, 301, 301286, 309, 320, 32043, 321 Cano, Melchior, Dominikaner 161, 16126 Canus (Dumoulin), Alexandre, evangelischer Prediger 315 Catherine de Courcelles, Äbtissin von Le Paraclet 97 Catherine de la Rochelle 286, 2862'1'4,287,287215 Cauchon, Pierre, Bischof von Beauvais 240,246 21 ,251,251 50 , 252, 253 60 ,254,262-264, 267, 282,286,289-297,299, 304306 Cecilia de Gualtieri, Nonne in S. Damiano 142 Cecilia von Rom, Dominikanerin 150-167 de la Chambre, Guillaume, Arzt 251,251 4 ', 293246, 302, 302291 de Champdivers, Odette, Mätresse Karls VI. von Frankreich 265
Personennamen Charles III., Herzog von Savoyen 310,313 Charles, Simon 261 m , 264,268, 268149, 282203 Chartier, Guillaume, Bischof von Paris 306 de Chartres, Regnault, Erzbischof von Reims 266, 266140,269, 281,283-285, 291,294254 Châtellain, Georges 288227 de Châtillon, Jean, Erzdiakon von Rouen 299 Christian, Erzbischof von Mainz 114, 11450, 115 Churchill, Winston S. 242f. Cicero 94 Clemens III., Papst 70101 Clemens VI., Papst 213,213', 215,217f. Clemens VII. (Robert von Genf), Papst 233 Clemens VII. Medici, Papst 312 Coelestin II., Papst 51, 51" Coelestin III., Papst 73, 77 Cola di Rienzo 215 Colles (genannt Boisguillaume), Guillaume, Notar 25149, 25254, 304, 306 Columbus, Christoph 79" Compar, Valentin 32043 Cornelia, Gemahlin des Pompeius 85 de Courcelles, Thomas, Magister 25150, 294253 de Coûtes, Louis 238, 273,277f. Cyriacus, legendärer Papst 125 Daimbert, Erzbischof von Sens 38, 3938 David, König von Israel 232 Deborah, Richterin 184,272 Dentière, Marie, Bürgerin von Genf 320, 321, 32145
445
Desjardins, Guillaume, Magister 303 Diana d'Andalò, Dominikanerin 167 Dido 95 Diego de Acebes, Bischof von Osma 150-153 Diokletian, Kaiser 22f. Dionysia, Schwester Abaelards 82, 8220 Dionysius, Heiliger 49, 85,246, 24621 Dominikus (Domingo de Guzmán) 150-167, 232 Dominikus, spanischer Dominikaner 152 Donizo von Canossa 815 Dunois, Graf Jean, Bastard von Orléans 247, 24833, 264126, 276282,284 Dupanloup, Félix, Bischof von Orléans 306,307,307"° de Duremont, Gilles, Abt von Fécamp 296 Ecemannus, Abt von Seltz 10 Eckhart, Meister, Dominikaner 18813,208, 20831 d'Ecqueville, Nicolas, Kanzler der Diözese Amiens 291240 Edgar Lyderson 216 Edith, Gemahlin Ottos' I. 6, 68, 8 Edlibach, Gerold 308, 3082 Eduard der Bekenner, König von England 32 Eduard III., König von England 213 Eduard IV., König von England 236 Egbert, Erzbischof von Trier 15 Ekbert, Abt von Schönau 120, 126 Eleonora von Aragon, Königin von Zypern 219f.
446
Register
Eleonore von Aquitanien 3 7 , 4 3 78, 82 Eleonore, Königin von Kastilien 64 Elias, Prophet 19,74 Elias von Cortona, Generalminister des Franziskanerordens 142, 145-147, 14645 Elisabeth, Base Marias 318, 31832 Elisabeth von Pommern, Kaiserin 218 Elisabeth von Schönau 120-126, 128,169, 182 Enguerrand de Marigny, Kanzler 2004 Ephrem, Autor einer Legende 26 d'Épinal, Gérardin 285208 Érard, Guillaume, Magister 305, 305300 Erasmus von Rotterdam 309, 312 Ernaldus, Biograph Bernhards von Claivaux 46" d'Estivet, Jean, Promotor 250-252, 25254, 254, 254", 255,260,267 145 , 287, 289250, 295, 298274, 299, 306 Eticho, Herzog 127,130 Étienne de Garlande 87 Eugen III., Papst 50-54, 59f., 101, 101 12 ,102,116 Eugen IV., Papst 223,296 265 Eugenia, römische Äbtissin 150, 154-159 Eustachius, englischer Thronfolger 63 Eva 18,107 Farei, Guillaume, evangelischer Prediger 309, 314-316, 31727, 318, 31832' 321 f., 324 Fastolf (Falstaff), John, englischer Befehlshaber 245, 278, 280 Faulson, Hemme, Bürgerin von Genf 317,319,321 Favarone di Offreduccio 138f., 13916
Filippa de Leonardo, Nonne in S. Damiano 137,141 de Flavy, Guillaume, Kommandant von Compiègne 288 Folcmar, Onkel Bernwards von Hildesheim 1810 de la Fontaine, Jean, Magister 24941, 250, 255f., 287 Foulques, König von Jerusalem 61 Foulques, Bischof von Toulouse 153 Fournier, Jean, Pfarrer in Vaucouleurs 258 Franco, Bischof von Worms 11 Franz I., König von Frankreich 312f. Franziskus von Assisi 77,134-137, 139-144,146f., 149,151-153. 161.168f., 171f., 172 10 ,175, 179181,194, 197f., 267f., 303 Frescobaldi, Leonardo 226 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 53, 64, 71, 74f., 11450, 123, 127 Friedrich II., Kaiser 77,147 Fromment, Antoine, evangelischer Prediger 308, 314f., 317, 31727, 321, 32145, 323", 324 Fulbert, Kanonikus an der Kathedrale von Paris 81 f., 84f. Fulcher von Chartres 311, 313, 33, 3316, 34, 3419·20'22, 3731, 3833 Fulco von Deuil 85 Furbity, Guy, Dominikaner 315f. Gachi, Jean, Franziskaner 312, 318, 31834 Galterius, Bischof von Meaux 3835 de Gaucourt, Raoul 250 de Gaucourt, Madame 250, 25048 Gaudius, Dominikaner 165 Gerard von Frachet 1515 Gérard de Sionne 24314 Gerberga II., Äbtissin von Gandersheim 14f., 29
Personennamen
Gerbert von Aurillac (Silvester II.) 7, 710'", 14 Gerlach, Abt von Deutz 124f. Gerson, Johannes (Jean Charlier de Gerson) 222,233,272 Gertrud von Hackeborn, Äbtissin von Helfta 183,191,195 Gertrud die Große von Helfta 182f., 190-193, 19433, 195-199 Gervasius von Canterbury 5238, 58,61,61", 63-67, 71105, 76121 Giacomo Benincasa 224 Gilbert, Bischof von Paris 85 de Gingins, Aymé, Abt von Bonmont, Generalvikar von Genf 314 Giovanna Benincasa 224 Giovanni Pisano 176 Giovanni von Castiglion Fiorentino, Franziskaner 174 Girardus, Bischof von Angoulême 44 Giraud, Maximin, Visionär 327f. Gislebert, Bischof von Poitiers 62, 6272 Giunta Bevegnati, Franziskaner 174f., 177, 17712, 179 Glasdale, William, englischer Befehlshaber 276,279 Goethe, Johann Wolfgang 18915,237 Gonçalves da Cámara, Luis, Jesuit 326 Gottfried von Auxerre 50f., 50M Gottfried, Erzbischof von Bordeaux 60f. Gottfried, Bischof von Langres 54. 56, 5649 Gottfried, Abt von St. Matthias (St. Eucharius) in Trier 10217 Gottfried Plantagenêt, Graf von Anjou 33, 61 Gottfried d. J. Plantagenêt 63 Gottfried Plantagenêt, Sohn Heinrichs II. 64f., 75
447
Gottfried, Mönch vom Disibodenberg 100', 102", 103 Graverend, Jean, Dominikaner, Generalinquisitor für Frankreich 294,294252, 295, 305 Gregor d. Gr., Papst 132,134 Gregor VII., Papst 217 Gregor IX. (Hugolino von Ostia), Papst 136, 140-143, 14023, 1412', 145f., 154f., 158, 16742, 17210, 200 Gregor XI., Papst 217f., 220,224 1 , 225,232f. Gregor XIII., Papst 126, 12617, Gregor von Sant'Angelo, Kardinaldiakon 51 Gris, Jean, Schildträger des Königs von England 295,295"' Grünewald, Matthias, Maler 21924 Gudmar, Lagman von Närke 212 Gudmar Fredriksson 218f. Guiard de Cressonessart 201f. Guibert von Gembloux 993, 100, 101", 10217, 103, 103", 108 Guibert von Nogent 31, 31 2, 32, 32®, 34, 3421'22, 3731 Guido, Bischof von Assisi 137 Guillaume, stigmatisierter Hirtenjunge 291 Guillaume de Baufet, Bischof von Paris 202 Guillaume Claret, Dominikaner 152 Guy de Colmieu, Bischof von Cambrai 200, 2003 Guy de Lusignan, König von Jerusalem 70f. Habsburg, Dynastie 288, 311 d'Harcourt, Jean, Kommandant des Mont-Saint-Michel 246f. Harold, König von England 32 Hartwig, Erzbischof von Bremen 115f.
448
Register
Hato, Bischof von Troyes 8528, 86 Hauviette, Frau des Gérard de Sionne 24314 Heinrich I., deutscher König 816, 10,14' Heinrich I., König von England 32f., 61 Heinrich II. Plantagenêt, König von England 33, 61-67, 69", 74-77 Heinrich Plantagenêt, englischer Thronfolger 64f., 75 Heinrich V., Kaiser 33, 61 Heinrich VI., Kaiser 72, 75, 75118 Heinrich V., König von England 244 Heinrich VI., König von England 236, 244, 262, 269, 274f„ 290, 291239, 292,292 242 ,293 246 , 294, 295260, 300279 Heinrich II. (Heinrich von Orléans), König von Frankreich 312 Heinrich IV., König von Frankreich 287 Heinrich, Erzbischof von Mainz 115f. Heinrich, Bischof von Winchester 32f. 64 Heinrich, Graf von Champagne 50 Heinrich, Herzog von Bayern 14 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern 64f., 72, 76 Heinrich von Halle, Dominikaner 183f. Heinrich von Hessen 222, 22229 Heinrich von Lausanne 39 Heloise 78-98 Hemma, Königin von Frankreich 5,7 Hemming, Bischof von Abo 213 Herodes 74 Herrad von Hohenburg 127-133
Hildebert von Bermersheim 100 Hildebert de Lavardin, Bischof von Le Mans 39-41,42 42 Hildegard von Bingen 99-119, 122f., 125f., 128,169,182,199 Hildelin, Abt von Schönau 125 Hölderlin, Friedrich 10945, 195 332 Homer 132 de Honnecourt, Jean 261 Honorius II., Papst 86 Honorius III., Papst 140,154,154", 157, 159,165f. Honorius von Regensburg (Augustodunensis) 107, 10737, 132 Horaz 45,45 10 , 145, 14538 Hortulana (Ortolana), Mutter Klaras von Assisi 134, 138,139 16 de Houppeville, Nicolas, Magister 294, 294254 Hrotsvitha von Gandersheim 5, 52, 7f., 14-30,163 Hubert Walter, Bischof von Salisbury 72f., 75118 Hugo, König von Italien 5 Hugo, Herzog von Burgund 71 Hugo von Beaufort, Kardinal 214 Hugo von Chester 33 Hugo von Fleury 32, 327 Hugo von Longchamp 62, 6272 Hugo, Erzbischof von Rouen 60 Hugo, Erzbischof von Sens 60 Hugolino von Ostia, s.: Gregor IX. Huguccio, Kardinal 65 Hulda, Prophetin 184 Humphrey, Herzog von Gloucester 244
Hersindis, Mutter Heloises
Innocenz II., Papst
Hieronymus 134
82 20
Ignatius von Loyola 326, 3261, 332 Ingeborg Bengtsdotter 211 Ingrid Birgersdotter 211 86, 8632, 95f.
46f., 50f., 51 36 ,
Personennamen Innocenz III., Papst 77, 140, 14023, 150,198 Innocenz IV., Papst 140,143 Innocenz VI., Papst 217 Isaak II. Angelos, Kaiser 71f. Isaak Komnenos, „Kaiser" von Zypern 70f. Isabella von Angoulême, Königin von England 76, 76122 Isabella von Bayern (Isabeau de Bavière), Königin von Frankreich 244, 265, 269 Isabella von Portugal, Herzogin von Burgund 288 Isabelle de France, Herzogin von Orléans 266140 Isabelle Romée 243, 25151, 25574, 259, 265,285, 306 Isaías, Prophet 196 Israel 74, 122, 3073" Israel Birgersson 211 ludas Machabaeus 307311 Ivo, Bischof von Chartres 38f. Jacobina, römische Bürgerin 162 Jacobus a Voragine 24723 Jacomo, Anhänger Katharinas von Siena 227 Jacques d'Are (Dare) 243,255, 25574, 265,285, 285208 Jacques de Touraine, Franziskaner, Magister 303 Jakob I., König von Schottland 259 Jakob (Jayme) II., König von Aragon 218 Jakobus, Apostel 46, 319 Jean, Herzog von Alençon 253, 26412', 266-271,273,280,280 194 , 281,285 Jean d'Arc, Bruder Jeannes d'Arc 306 Jean de Châteauvillain, Bischof von Châlons-sur-Marne 200, 2005
449
Jeanne d'Arc 2, 79", 208,210, 234, 236-307 Jeanne de Bar 289 Jeanne de Béthune, Gräfin von Luxemburg 289 Jeanne de Jussie s.: de Jussie, Jeanne Jeanne de Luxembourg 289,289230 Jeanne von Orléans, Herzogin von Alençon 266140,280 Jeremias, Prophet 196f. Jesus 27, 35,40,45, 92,177-180, 216,219,21924, 225-229,232, 283,298, 301, 302291 Joachim von Fiore 69f. Johann Ohneland, König von England 64f., 72, 75-77 Johann Ohne Furcht (Jean Sans Peur), Herzog von Burgund 244,265 Johann, Bischof von Evreux 70 Johann von Luxemburg, Graf von Ligny 253, 285,288-290 291240 Johanna, Königin von Neapel 213, 217,219-221 Johanna, Königin von Sizilien 64, 70, 76122 Johannes der Täufer 74,130 Johannes, Apostel, Evangelist 20, 25, 40,104,176, 232,319 Johannes XXII., Papst 213 Johannes XXIII. (Balthasar Cossa), Papst 222 Johannes Duns Scotus, Franziskaner 208 Johannes Paparone, Kardinaldiakon 51 Johannes Parens, Generalminister des Franziskanerordens 169 Johannes Pederson, Baumeister 221 f. Johannes von Salisbury 51f., 5135, 54, 57-59, 61 Johannes von Turrecremata (Torquemada) 2112, 222, 22230
450
Register
John, Herzog von Bedford 244f., 25 Γ , 273-275,281, 284, 292242, 304 John of Gaunt, Herzog von Lancaster 284 de Joinville, Jeanne 246 Jolivet, Robert, Abt des Mont-SaintMichel 246 Jordan von Sachsen 1503, 151, 1515, 152,153', 15410, 156, 156", 157, 163, 16330, 166, 16638'39 Josbert Ohneland 62, 6272 Joscelin, Bischof von Soissons 50 Josef, Heiliger 19, 219, 21924, 220 Josias, König von Juda 184 Judas Iskarioth 123 Judith, israelitische Heldin 272 Julien, Diener des Bertrand de Poulengy 261 Juniperus, Franziskaner 169 de Jussie, Jeanne 12, 1231, 308-325 Jutta von Sponheim 100 Karl der Große, Kaiser 277 Karl IV., Kaiser 217f. Karl V., Kaiser 313 Karl VI., König von Frankreich 244,24836,265, 268152 Karl VII., (Dauphin) König von Frankreich 236, 240, 244-246, 248, 24833,36 24940, 250, 252,256f., 258,258", 259-261, 263, 264269,271-273,275, 279-287, 291, 291238, 296, 298, 305300, 306, 310 Karl II., Herzog von Lothringen 245, 258-260 Karl Martell 266 Karl, Herzog von Orléans 244, 24417, 266140,276f., 285,285210 Karl Ulfsson 212,218f., 221 Katharina (von Alexandrien), Märtyrin 228,243,247,262,
Katharina, Königin von England 244 Katharina Bengtsdotter 211 Katharina Birgersdotter 211 f. Katharina (Karin) Ulfsdotter 216— 218,221f. Katharina von Medici, Königin von Frankreich 312 Katharina von Siena 2, 18019, 224235 Kayphas, jüdischer Großpriester 32350 Kilidsch Arslan ibn-Suleiman I., Sultan 35 Klara von Assisi 134-150,158, 168f., 324 Konrad, König von Hochburgund 7 Konrad III., deutscher König 53, 55f., 59,101 Konrad, Markgraf von Montferrat 70-72 Konstanze, Kaiserin 75118 La Hire: s. de Vignolles, Étienne La Tourolde, Marguerite, Bürgerin von Bourges 271159 Ladvenu, Martin, Dominikaner 253", 262, 301, 305300'303 Lancaster, englisches Königshaus 236, 244 Lapa Benincasa 224 Latino Orsini 218 Laxart, Durand 248,256, 257,25783, 258f., 261,285208 Laxart, Jeanne 248 Le Maistre, Jean (Johannes Magistri), Dominikaner, Inquisitor 25360, 293246, 294, 295, 295256,260 Le Royer, Catherine 258 Le Roux, Nicolas, Abt von Jumièges 296
262 117 , 274, 290, 297Í., 301 28 ',
Le R o y er, Henri
302
Le Royer Thénevin, Jeannette 25570
258
Personennamen Lenoir, Alexandre, Maler 98 Leo X., Papst 181, 312f. Leo XIII., Papst 167 Leo Marsicanus 815 Leonora, Gräfin von Vermandois 49-52 Leopold V., Herzog von Österreich 71f. Levet, Claude (Claudine), Bürgerin von Genf 319,321 Levi 184 Liudolf, Herzog von Sachsen 141 Liudolf, Sohn Ottos' I. 6 Livius 10945 Lohier, Jean, Magister 294, 294253 Loiselleur, Nicolas, Magister 25360, 306 Lombard, Jean, Magister 269 Lothar, König von Italien 5, 52 Lothar II., König von Frankreich 5 Lotulf von Novara 85 Louise von Savoyen, KöniginMutter von Frankreich 313 Lucan 85, 91, 9248, 95 Lucius II., Papst 51, 5136 Ludwig VI., König von Frankreich 46-48, 86f. Ludwig VII., König von Frankreich 46-5 1 533', 54-63, 65 Ludwig VIII., König von Frankreich 77 Ludwig IX., der Heilige, König von Frankreich 64, 77,277 Ludwig XI., König von Frankreich 259,259", 310 Ludwig, Herzog von Orléans 244, 265,276 Ludwig II., Herzog von Anjou, Graf der Provence 245,260 Ludwig, Abt von St. Matthias in Trier 125 Luitprand von Cremona 14 Lukas, Evangelist 96 Luther, Martin 134,198, 308, 312f.
451
de Luxembourg, Vicomte François 323 de Luxembourg, Jeanne s.: Jeanne de Luxembourg Luxemburg s.: Johann von Luxemburg de Macy, Aymon, Ritter 253, 291240 Magdalena, Heilige 180 Magnus II. Erikson, König von Schweden 212f. Magnus Pederson 218f. Maiolus, Abt von Cluny 6f., 12, 1232 Malbosson, Jacques, Bürger von Genf 316 Manchon, Guillaume, Notar 25360, 293, 294252·253, 302290, 305304 Manuel - Komnenos, Kaiser 55f., 59, 59
Margareta, Märtyrin 243,247f., 262, 262"7, 274, 297f., 302 Margareta (Pelagius), Märtyrin 248, 24831 Margareta von Bayern, Herzogin von Lothringen 260 Margareta von Schottland, Königin von Frankreich 259 Margareta Birgersdotter 211 Margherita von Cortona 174-182, 225 Marguerite La Tourolde 260 Marguerite Porete 18813, 200-210 Maria (Miriam), Schwester des Moses 272 Maria j u n g f r a u 18, 20,107,130, 132f., 166, 168,175f., 188-190, 19023, 194, 19037, 199, 211,218f., 222", 226-229,232, 254, 273, 275,299, 318, 31832, 319, 327, 3275, 330, 33012, 331 Marie d'Anjou, Königin von Frankreich 260
452
Register
Marie, Prinzessin von Frankreich 50, 60 Marie III. de La Rochefoucauld, Äbtissin von Le Paraclet 97 Marie IV. de La Rochefoucauld, Äbtissin von Le Paraclet 97 Marie-Charlotte de la Rochefoucauld de Roucy, Äbtissin von Le Paraclet 97 Marinaria Moscari, Bürgerin von Cortona 174 Martin V., Papst 222f„ 296265 Martin von Aragon, Franziskaner 219 Martin von Tours, Heiliger 12 Massieu, Jean, Pfarrer, Gerichtsdiener 25149, 262" 5 ,295f., 302, 302291 Mathilde (Maud), Kaiserin 33, 61, 63 Mathilde von Anjou, Äbtissin von Fontevraud 33, 61f. Mathilde von Flandern 31 Mathilde, Gemahlin Heinrichs des Löwen 64f., 76 Matthäus, Apostel, Evangelist 30, 95f., 180,217 Matthäus, Magister 62, 6271 Matthias, Apostel 125 „Maubergeonne", Vicomtesse von Châtellerault 43f. Maurice, Pierre, Magister, Domherr 267, 297, 301 Mauritius, Heiliger 10f., II 29 Maxentius, Kaiser 247 Maximilla, Dominikanerin 160 May, Alison, Mätresse des Herzogs Karl II. von Lothringen 260 Mechthild von Bermersheim 100 Mechthild von Hackeborn 182f., 190-196,199 Mechthild von Magdeburg 182— 191,199
Melisende, Königin von Jerusalem 59 Merlin, keltischer Prophet 248, 24839, 258 Meyer C. F. 308 Michelangelo 327f. Michelet, Jules 241f. Midi, Nicolas, Magister 305, 305301 Miget, Pierre, Benediktiner 293246 Mitadolus (Abd al-Malik Imad al-dawla), König von Saragossa 49, 4928 Mörike, Eduard 129 Monaldo di Offreduccio 139 Monnet, Jean, Magister 293 de Monstrelet, Enguerrand 289, 289228 de Montluel, Pernette, Vikarin von Ste-Claire in Genf 310, 319-322 Morelli, Jean 255,257 84 Moscari, Familie in Cortona 174 Moses 40,74,272 Nabuchodonosor 115 Nanni, Anhänger Katharinas von Siena 227 Napoleon, Neffe des Kardinals Stephan von Fossanova 155f. Newton, Isaac 239 Niccolò di Toldo 227,227', 228, 230'° Niccolò di Tommaso, Maler 21924 Nider, Johann, Dominikaner 288 Nikolaus, Heiliger 34,217f. Nikolaus, Kardinalbischof von Tusculum 154,159 Nikolaus Hermanni, Bischof von Linköping 221 Nikolaus von Lyra, Franziskaner 201 Nivard von Rochefort 62, 6272 Nola, Graf von 218 Norbert von Xanten 8 840, 111, 134
Personennamen de Nouillompont, Jean (Johann von Metz) 252, 258f., 25994, 261,264, 298273 Nubia, Dominikanerin 165 Nur ed-Din, türkischer Feldherr 54, 5441, 56f., 59 Odilia, Heilige 127,130 Odilo, Abt von Cluny 7-11, 9668 Odo von Deuil, Abt von St-Denis 5031, 53-56 Odysseus (Ulixes) 132,13217 Oekolampad, Johann 309 Olaf II. Haraldsson, König von Norwegen 212 Olivier, Richard, Bischof von Coutances 306 Ordericus Vitalis 32f., 37f., 42°, 43, 46f. Orígenes 113 Osee, Prophet 40 Otho, Franziskaner 143 Otto I., Kaiser 6, 8, 816, 9,14,17 Otto II., Kaiser 6, 9,12,12 34 Otto III., Kaiser 7,9-11 Otto von Freising 5546 Otto von St. Blasien 71105 Ovid 95,95", 131 Pacifica de Guelfuccio 138f., 141, 142" Paffe, Claude, Bürger von Genf 318 Pagan von Rochefort 62, 62 2 Pantulus, legendärer Bischof von Basel 125 Paschalis II., Papst 39 Pasquerel, Jean, Augustinereremit 25048,251,25151, 268, 269, 269153, 274, 278f., 279188,288, 302290 Paul VI., Papst 235 Paulus, Apostel 7, 313, 35, 92, 1 ΙΟΙ 12, 11247, 151,232, 3063o",319, 322
453
Paynel, Nicole, Lieutenant auf dem Mont-Saint-Michel 247 Pelagius, Märtyrer 20 Pennet, Claude, Bürger von Genf 316 Peter I. Lusignan, König von Zypern 219 Peter II. Lusignan, König von Zypern 220 Peter IV., König von Aragon 219 Peter, Bischof von Poitiers 44 Peter, Franziskaner 143 Peter Birgersson 211 Peter von Aragon, Franziskaner 217f. Petrarca, Francesco 9458, 216,218 Petronilla de Chemillé, Äbtissin von Fontevraud 62 Petronilla (Aelith) von Aquitanien 43, 49-52 Petrus, Apostel 313, 35, 74, 111, 130 Petrus Lombardus 132 Petrus Olafsson; Cistercienser von Alvastra 213-215,218 Petrus Rognard 62, 62 2 Petrus von Skänninge, Magister 214-218 Petrus Venerabiiis (Pierre de Montboissier), Abt von Cluny 8117, 96f. Peyramale, Dominique, Pfarrer von Lourdes 330, 33012 Philibert II., Herzog von Savoyen 313 Peyramale, Dominique, Pfarrer von Lourdes 330 Philipp II. Augustus, König von Frankreich 65, 68-72, 77,292 Philipp IV. der Schöne, König von Frankreich 2004,201 Philipp VI., König von Frankreich 213 Philipp, französischer Thronfolger 47
454
Register
Philipp der Gute, Herzog von Burgund 244, 266140, 281, 283285, 288-290, 304 Philipp, Graf von Flandern 65 Philipp von Clairvaux 5340 Philipp Maria Visconti, Herzog von Mailand 24314 Philippe de Marigny, Bischof von Cambrai 200,200 4,5 Philippie von Toulouse 43 Phinees, jüdischer Großpriester 74 Pierre d'Arc, Bruder Jeannes d'Arc 254, 287, 306 Pierre de Colombier, Kardinalbischof von Ostia 217 Pierre de Luxembourg, Kardinal 289 de la Pierre, Ysambart, Dominikaner 293246, 301 de Pisan, Christine 2409 Pius II., Papst 235 Pius IX., Papst 306f., 3287, 330 Pius X., Papst 14230, 307 Pius XII., Papst 3 Poole, William, Graf von Suffolk, englischer Oberbefehlshaber 247 Pomeroy, Frederick William, Bildhauer 238 Pompeius 85 Portery, Jean, Bürger von Genf 316 de Poulengy (Poulengey), Bertrand 239, 24940, 252, 257, 25782, 259, 25993, 261 Pozzo, Andrea, Jesuit, Maler 326 de Preuilly, Jehanne 250 Pythia von Delphi 114f. Rabateau, Jean, Magister 269, 287f. Radulf, Erzpriester von Chartres 38 Radulf von Faia 62, 62" Raimondo von Capua, Generalmagister des Predigerordens
227, 230f.
Raimund von Poitiers, Fürst von Antiochien 56-59 Raimund VI., Graf von Toulouse 64 Raimund VII., Graf von Toulouse 76122 Rainald, Kardinalbischof von Ostia, s.: Alexander IV. Rainald, Abt von Cîteaux 96 Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln 64 de Rais, Gilles de Laval, Seigneur 276, 276179 Ralph von Diss 61", 6580'82 Rambo, Loyse, Äbtissin von Ste-Claire in Genf 310 319 321 Raniera Moscari, Bürgerin von Cortona 174 Ranulf de Glanville 67 Raoul, Graf von Vermandois 47, 49-52 Rather von Verona 14 Raymond, Page der Jeanne d'Arc 273 Relindis (Rilinda), Äbtissin von Hohenburg 127,129-131,133 René von Anjou, Herzog von Lothringen 245,260 Richard, Bogenschütze 261 Richard, Franziskaner 282, 282201, 286 Richard von Chester 33 Richard von Devizes 71105 Richard I. Löwenherz, König von England 62,64-77 Richard III., König von England 236 Richard Plantagenêt, Herzog von York 236,302 Richard, Abt von Springiersbach 109 Richardis von Stade 103,115f. de Richemont, Arthur, Connétable
von Frankreich (Arthur III.,
Personennamen Herzog der Bretagne) 266140, 280 Rikkardis, Nonne in Gandersheim 15 Robert der Fromme, König von Frankreich 5032 Robert, Graf von Flandern 33 Robert, Herzog der Normandie 33-35 Robert von Arbrissel 61 f. Robert von Montfort 62, 6272 Robert von Torigny, Abt des Mont-Saint-Michel 32, 3212, 61, 61" Robert, Pierre, genannt Olivetanus, evangelischer Prediger 314 Robert, Simon 321 Roger II., König von Sizilien 54, 56, 59 Roger von Howden 6584, 68-70, 76121, 77 Rogier, Jean 282200 Romanus, Heiliger 324 Roscelin von Compiègne 8630 La Rousse, Wirtin in Neufchäteau 250 Rousseau J.-J. 80 Rubens P.P. 134 Rudolf II., König von Hochburgund 5,10 Rudolf III., König von Hochburgund 7,12 Rugerius, Dominikaner 165 Ruotger 17, 1788,,29 Rupert von Deutz 107, 10737 Saildebroil, Seneschall Eleonores von Aquitanien 62, 62" Saladin, türkischer Sultan 70f. Salisbury, John, Graf von 276 Samson, Erzbischof von Reims 5031, 60 Sancho VI., König von Navarra 69 Sara, Frau Abrahams 40
455
Scales, Thomas von, englischer Befehlshaber 274177, 275 Schiller, Friedrich 237,249,266,279 Sebastian, Heiliger 216 Seguini, Seguin, Dominikaner, Magister 269-271 Shakespeare, William 122,236, 2361, 266, 302, 302292 Shaw, Bernard 239f., 242 Silvester II., Papst; s.: Gerbert von Aurillac Simon, Pharisäer 27 Simon, Bischof von Noyon 49 Simon Crispin von Amiens 32 Simon de Montfort 153 Sokrates 83, 301, 301281 Sonnier, Antoine, evangelischer Prediger 314 Sophokles 1125, 114,258,258 90 Sorel, Agnes, Mätresse Karls VII. von Frankreich 279 Soubirous, Bernadette, Visionärin 329-332 de Souzy, Pierre, Pariser Antiquitätenhändler 273168 Stephan, König von England 32f., 33 M, 61, 63 Stephan II., Graf von Blois 32-38, 42 Stephan von Fossanova, Kardinal 154-156, 159 Stephanus, Kardinalbischof von Palestrina 50, 5030 Stephanus von Siena, Prior der Certosa von Pavia 230 Stifter, Adalbert 332 Siileyman II. der Prächtige, Sultan 312 Suffolk, William Poole, Graf von 274177,275 Suger, Abt von St-Denis 46-50, 53, 55, 59f., 79, 79\ 86f. Sully, Maximilien de Béthune, Herzog von 287,287220
456
Register
Susanna 40 Sverker I., König von Schweden 211 Symon, Dekan der Pariser theol. Fakultät 2016
de Trêves, Robert le Maçon 250 de Trêves, Madame 250, 25048 Tuta dei Buvaleschi, römische Dame 165 Twain, Mark 237-239
Talbot, John, englischer Befehlshaber 274177, 275f., 278,280, 280192 Talbot, William, Kerkerwächter der Jeanne d'Arc 29525' Tankred, Dominikaner 156,163 Tenxwind von Andernach 109-113 Terenz 14-17, 17 8 ,22, 26 Teresa von Avila 326f. Thangmar, Primicerius von Hildesheim 14', 1810 Theobald, Erzbischof von Canterbury 5238, 63f. Theobald (Thibaud), Graf von Champagne 47, 49-52 Theobald V., Graf von Blois 61 Theophanu, Kaiserin 7, 9, 9" Thibaud (Theobald II.), Graf von Blois 32, 3318 Thibault, Gobert 252,272 161 Thierry Galeran 57 Thierry, Regnault, Chirurg 286 Thiesselin, Jeannette 25570 Thietmar von Merseburg 53, 68, 79, II 27 ,14 Thomas, Apostel 217 Thomas Becket, Erzbischof von Canterbury 5238, 63-66 Thomas von Aquin 134,212,219 24 Thomas von Eccleston, Franziskaner 146,172 10 von Thum und Taxis, Fürstin Mariae Gloria 15 Tiphaine, Jean, Arzt 251f., 303 Torquemada s. Johannes von Turrecremata
Ubertino von Casale, Franziskaner 173,177,177 13 Ulf Gudmarsson 212 Urban II., Papst 31, 311'3, 34, 53 Urban V., Papst 217f. ,225 Urban VI., Papst 217, 221, 223, 224', 233f. Urban VIII., Papst 181, 3274 des Ursins, Jean Juvénal, Erzbischof von Reims 306 Ursula, Heilige 124-126 Valens, Kaiser 74 Valois, französisches Königshaus 213, 244 Varembert, Blaisine, Nonne von Ste-Claire in Genf 311,317, 322 de Vegio, Guillaume, Offizial von Genf 314 Verena, Heilige 124f. Vergil 6583, 145, 14538 de Vergy, Antoine 257 de Vienne, Colet, königlicher Herold 261 de Vignolles, Étienne, genannt La Hire, französischer Befehlshaber 276, 27617', 277, 279, 281 de Vigouroux, Charlotte, Nonne in Nevers 329, 32910, 331 Viktor IV. (Octavian von Monticelli), Papst 74f. Villon, François 18915 Vincentius, legendärer Kardinalpriester 125
de la Trémoïlle, Georges 266, 266 140 ,
Viret, Pierre, evangelischer Prediger
280f., 284, 287
315f.
457
Personennamen Volmar, Mönch des Disbodenbergs 102f. Voltaire 236f., 327 Walter von Coutances, Erzbischof von Rouen 69f. Wamdonne, Bâtard de 288, 290 Warwick, Richard Beauchamp, Earl of 25If., 253'°, 292, 293, 293246 Werle, Peter, Domherr in Genf 314 Wibert (Clemens III.), Gegenpapst 34 Widerald, Bischof von Straßburg 10 Widukind von Corvey 8, 8 1 6 ,14 Wilhelm der Eroberer, Herzog der Normandie, König von England 31-33, 3 3 " Wilhelm II., König von England 32 Wilhelm II., König von Sizilien 64 70 Wilhelm, König von Schottland 65 Wilhelm Adelin (Etheling), Thronfolger von England 32f., 61 Wilhelm Plantagenêt, ältester Sohn Heinrichs II. 63 Wilhelm, Erzbischof von Mainz 816
Wilhelm, Bischof von Poitiers 46 Wilhelm von Longchamp, Bischof von Ely 68, 75, 7 5 m Wilhelm I. von Aquitanien 62
Wilhelm IX. von Aquitanien 37, 43-46, 49, 62, 76 Wilhelm X . von Aquitanien 43, 46, 46 1 7 ,47, 56, 62 Wilhelm von Chartres 32, 39 Wilhelm von Malmesbury 31 3, 32, 32", 4243, 43, 43', 45 Wilhelm von Newburgh 32, 3210, 33"' H , 43, 54f., 60, 64-72, 76121, 127
Wilhelm von Paris, Dominikaner, Inquisitor 200-202,202 1 0 , 210 Wilhelm, Protonotar Richards I. Löwenherz 75118 Wilhelm von Tyros 31 3, 5441, 5547, 5752, 58, 58" William Williamson 219 Winckelmann, Johann 3 3 2 , 3 3 2 " Xanthippe 83 Yolande, Herzogin von Anjou, Königin von Sizilien 245, 250, 250 48 , 260 Yolande, Herzogin von Savoyen 310 York, englisches Königshaus Zola, Émile
236
329
Zwingli, Huldrych 308, 310, 312, 318, 320, 32043
458
Register
Ortsnamen Aachen 123 Abetone-Paß 34 Âbo 213 Adria 34 Adrianopel 55 Akkon 59,70-72 Aldersbach 46 Aleppo 57 Alexandreta (Iskenderun) 37, 3 731 Altomünster 214 Alvastra 211-213 Alzey 100 Amalfi 217 Amiens 32,291 240 Ancona 221 Andernach 101 Angoulême 44,46 Anjou 33,61-63,245 Annecy 310, 322f. - Dominikaner-Konvent 323 - Notre-Dame la Lee 323 Antiochien am Orontes 35-38, 5 6 59, 60 62 ,248 - Hafen St. Simeon 56 Appennin 221 Aquileja 72 Aquitanien 43, 61-63 Arduzon 85 Arezzo 175,177 Argenteuil 79, 84-86, 8630'31 Arras 212,213 6 ,244,291 Aspanäs 21 lf. Assisi 134,136,139,168,171,171', 216 - Basilika S. Francesco 139,139", 171f. - Kathedrale S. Maria Maggiore 137 - Kathedrale S. Rufino 137 - Piazza S. Rufino 138 Porziuncola-Kirche (S. Maria degli Angeli) 137,137 10
- S. Damiano 135-138,140-146, 14021, 158 Attalia (Antalya) 56 Aurillac 7 Auvergne 97 Auxerre 50, 8632, 245,263 Aversa 221 Avignon 211,213,217f., 220, 225, 289 Avranches 24622 Azincourt 244, 266 140 ,276, 289 Bamberg 101 Banneux 327 Bari 34,217f., 233 Basel 125,183, 222, 300f., 312, 320 Bassum 115f. Bayern 64 Bayeux 32,32' Beaugency 60, 61 65 ,280 Beaulieu-lès-Fontaines 289 Beauraing 327 Beaurevoir 253, 289f. Beauvais 201, 252, 261, 289, 294252, 295,295 256 Belgrad 55 Benevent 217 Bermersheim 100 Bern 310f., 313-316, 319f., 322, 323,323" Béthisy 4617 Bethlehem 219,219 24 Bingen 99f., 116 -Rupertsberg 99-101 Blois 32, 273f., 276-278 Bobbio 7" Böhmen 284 Bologna 31 3 ,150, 15717, 160, 163, 166, 16639, 16742 - Kloster Sant'Agnese 150 Bonmont 314 Bonn 101
459
Ortsnamen
Bordeaux 47,60f., 77 -Kathedrale 47 Boren-See 212 Bosporus 55 Bourges 260,27115' Braunschweig 76 Bremen 115,116 Bretagne 41, 82, 86,245f. Breteuil 32 Brindisi 34f. Brünn 221 Burey-le-Petit 248, 256f. Burgund 257,265,282,284 Busendorf (Bouzonville) 125 Calais 284 Cambrai 200,253 Candaira 70f. Canossa 815 Canterbury 5238, 63f., 66, 73 -Kathedrale 64,73 - Kathedral-Kloster 65 Casseneuil 153 Castiglion del Lago 174 Castillon 280"2 Cerreto-Paß 34 Ceprano 59 Certosa di Pavia 230 Chalon-sur-Saone 96 Châlons-sur-Marne 200, 261107, 285208 Châlus 76 Chambéry 310,313 Chantilly 202 - Musée Condé 202 Charroux 76 Chartres 32-34, 38, 3938, 52, 5238, 78 Châteauneuf-sur-Loire 280 Châteauroux 75 Châtellerault 43 Chécy 276 Chicago 240 Chinon 66, 6685,245, 248,250-252, 261103, 263,264-266, 269,273
Cisa-Paß 34 Cîteaux 212 Clairoix 289 Clairvaux 119,263122 Clermont 31,53 Cluny 6f., 713, 12, 62, 6271, 8117, 8528, 96, 9668, 97 Colmar 21924 Como 5 Compiègne 4617, 252,266, 284f., 290f. Cordoba 20 Corneto 218 Cortona 174f., 175s, 177,180f. - Basilica S. Margherita 1741, 1756, 178 - Ospedale di S. Maria della Misericordia 175 - Palazzo Moscari 175 - Porta Berarda 174 -S.Basilio 175 - S. Francesco 174, 175,1753,4' \ 176 - Via S. Margherita 175 Corvey 8 14 Coudun 289 Coutances 295 Cravant 245 Cremona 14 Crépy-en-Valois 284 Cutanda 4928 Dänemark 150 Damaskus 59 Danzig 221 Dauphiné 316 Delphi 114f. Disibodenberg 100, 1006,102, 110, 116
Dol 41 Domrémy 243, 243", 245-247, 249, 253-256, 265,285 208 ,287,296 Donau 72 Dorylaion 55f. Dürnstein 72
460
Register
Durazzo 35 Ebrach 101,107 Edessa (Urfa) 54 Eibingen 101 Einsiedeln 183 Eisleben 183 Elsaß 127 Ely 68 England 244,284,303 Ephesus 25, 56 Étampes 46, 54 Etretat 238 Euphrat 36 Famagusta 70f., 220 Fanjeaux 152f. Farfa 215 Fatima 327 Fécamp 2 1 36, 296 Finsta 211 Fleury (St-Benoît-sur-Loire) 12 Florenz 145, 226, 232, 238 Foligno 168,171 - Kathedrale S. Feliciano 168 -S.Francesco 173 Fontevraud 33, 61 f., 66, 6685, 76, 76122, 77 Franken 101 Frankfurt 53, 5340 Frankreich (Francia, France) 244, 246, 248,24834'36, 249,25574, 256f., 25889, 263, 265, 268, 269'50·'52, 270, 275,278, 281, 283-285, 290, 292242, 303, 3032'3, 311 Fribourg (Freiburg in der Schweiz) 310,313-315 Gandersheim 5, 7,14,14 1 ,15, 30 Gap 316 Gascogne 47, 55 Genf 12, 233, 301, 308-324 - Bourg-de-Four 310
- Franziskanerkonvent von Rive 316-318 - Kathedrale Saint-Pierre 310,313, 315,317 - Notre-Dame-de-Grâces 323, 32355 - Palais de Justice 310 - Place du Molard 314,316 - R h ô n e 314 - R i v e 316-318,323 - S t . Viktor 12 - Sainte-Claire 308, 31 Of., 317, 31729, 320, 323 -Sainte-Madeleine 314 Genfer See 12,314 Genua 214,217 Gien 263,281,286 Greux 255, 285208 Großcomburg 1239 Großer St. Bernhard 10f.,34 Grottaf errata 164 Hagenau 75, 75118 Hainaut (Hennegau) 200 Halberstadt 190 Halle 183 Hama 57 Hastings 32 Helfta 183, 190f., 193-196,199 Hellespont 26 Hildesheim 1235, 15, 123' Hirsau 101 Isenheim 21924 Jaén 217 Jaffa 219f. Jargeau 242, 270156, 280 Jerusalem 18, 31, 312, 3317, 35, 38, 3833, 56-59, 61, 70f., 184, 218-220 -BergSion 131 - Gethsemani 220 - Heiliges Grab 31,218f. Jumièges 296
Ortsnamen
Jura 313 Kärnten 72,221 Kaiserswerth 101 Kalabrien 59 Kappel 312 Kastilien 77,150 Kirchheim 101 Kitzingen 101 Köln 7,18,101,124f., 212 - D e u t z 124f. - St. Gereon 125 - St. Pantaleon 7,18 - S t . Ursula 12414,125 Konstantinopel 35, 55f., 59 Konstanz 222,272 Korfu 71 Krems 72 Kreta 70 La Chaise-Dieu 2136 La Charité-sur-Loire 286 LaFerté 263'22 La Ferté-Milon 284 La Salette 327-329 La Storta 326 Langres 54 Languedoc 151 Laon 49,52,57,78 La Rochelle 43,246 Lausanne 12, 313, 323, 32355 Lavaur 152 La Verna (Alverna) 173,177,180f. Laviano 174 LeCrotoy 291,291240 Le Mans 39, 6169 Le Paraclet 78f., 82M, 85f., 88, 91, 94-98,131 LePuy 25151 Limassol 70 Limburg 120 Limoges 76 Limousin 76119,271 Lincoln 68,292
461
Linköping 221 Lisieux 54 Loches 245, 24833, 279, 279189 Loire 42, 60,245,252, 26,3 276f., 279-281, 286f. Lombardei 16639 London 63f., 67f., 239' - Westminster Abbey 63, 77 Lothringen 101, 245, 25889, 298 Lourdes 327-331 Lucca 34,232 Lyon 252,272 Maas 243 Macon 62 Madrid 134,152 - P r a d o 134 - Prediger-Konvent 152 Mähren 221 Magdeburg 6, 68, 182f. - Dom 68 Maihingen 214 Mailand (Milano) 147,214,217 - Biblioteca Ambrosiana 147 Maine 33 Mainz 101,114,116,124 Marcigny 39,42,97,97" Margny 289 Marienmai 214 Marokko 143 Marpingen 3275 Marseille 68, 6897, 312 Maulbronn 101 Meaux 3835 Mehun-sur-Yèvre 287 Merseburg 14 Merzig 127 Messina 68, 6897, 69, 219 Metz 55,101,125 Meung 280 Mezilles 263122 Mirebeau 77 Mont-Saint-Michel 32,61,245-247 MontSégur 1528
462
Register
Monte Cassino 815, 59 Monte Gargano 138,217f. Montefalco 221 Montefiascone 218 Montepulciano 174 Montereau 244 Monticelli 145 Montpellier 150f. Montréal 152 Mótala 212 Närke 212 Nahe 100 Nancy 258 Nantes 276179 Neapel 217,219f., 227 - D o m 220 - S . Croce 219 - S. Domenico 227 Neufchâteau 249f.,255 Nevers 286, 329, 32910 Newburgh 32, 3210 Niederösterreich 221 Nikaia (Nicaea) 35f., 56 Nikosia 70 Niort 43 Nogent-sur-Seine 78, 85, 98 Normandie 61, 63, 69f., 244-246, 281,281 296 Notre-Dame du Puy-en-Velay 25151 N o y o n 49,289 Nürnberg 227 Nymwegen 7 Oberbüren 323,323" Obernai (Oberehnheim) 127 Ochsenfurt 72 Odilienberg 127,129-131,133 O ettingen-Wallerstein 214 Oppen 127 Orbe 12 Orléans 60, 78, 238, 242, 244 17 ,245, 248, 24835, 251, 257, 267145, 271279,281 285 287
- Bastille des Tourelles 278f. - Bastille des Augustins 279 - Insel Belle Croix 278 - Porte de Bourgogne 277f. - Saint-Jean-le Blanc 278f. - Saint-Loup 274, 277,279 Ortona 217 Osma 150,152 Ostia 8 1 5 ,136,214 Ostsee 221 Outremer 37, 54, 60, 73, 138, 13916, 166 Oxford 63,202 - Bodleian Library 202 Palermo 59 Palästina 71 Palazzi 174 Palestrina 50, 5030 Pamiers 152 Paris 36,47f., 78, 81, 83-87, 89, 154,160, 200f., 208,212,236, 244f., 252f., 261,266,266 1 4 0 , 269, 271f., 274f., 284-287,291 239 , 292, 293246, 294, 298,301,305 - Bibliothèque Nationale 36 - Dominikaner-Konvent SaintJacques 154 - D o m s c h u l e 81 - Église des Mathurins 201 - E l y s é e 98 - Friedhof des Père Lachaise 78, 98 - Kathedrale Notre-Dame 81 85 - Place de Grève 202 - Porte Saint-Honoré 286 - R u e du Bac 327 -Saint-Denis 46,48, 51, 54f., 62, 84-87, 98, 246, 266, 286 - Sainte Chapelle 252 - S e i n e 29123' - Universität (Sorbonne) 201,222, 236, 261, 269, 290, 315 Parthenay 46, 50 Passau 46
463
Ortsnamen Patay 242,280 Pavia 6, 9, 313, 214,230 Payerne 9,9", 10,313 Perugia 174,227 Petrignano 174 Philomelion (Akschehir) 37 Pisa 232 Po-Ebene 8 Poitiers 43f., 46f., 61f., 68, 77f., 269, 271, 271157, 272f., 287f., 291, 294254, 300 Poitou 37, 43,47, 55, 61-63 Polen 221 Potenza 59 Pothières 263122 Prag 142 Prouille 152 Provence 245 Provins 285 Ramallah 38 Ravenna 14 Regensburg 15, 55, 72 - S t . Emmeram 15 Reggio 5 Reichenau 15 Reims 7,14, 47, 51, 60, 78,240, 244,249,261,264, 266, 266H0, 268, 268152,269, 271, 280-285, 304 Rhein 101 Rheinland 101 Rhodos 70 Rhône 10,314 Rieti 16742 Rodersdorf 190 Rom 6, 11,34,69, 85, 11450, 125, 138, 13916, 150-154, 154", 156f., 160,164,213-218,221f., 224f., 230,232-234, 301283 -Aracoeli 215 -Aventin 154 - Belvedere des Vatikan 332 - Campo di Fiori 214,221,313
- Cappella Sistina 327f. - Caracalla-Thermen 150,154 - Cloaca Maxima 164 - Il Gesù 326 -Lateran 162,215 - Marrana di S. Giovanni 164 - Monte Mario 158 - Palazzo della Cancelleria 214 - Piazza Farnese 221 - Pinacoteca Vaticana 21924 - Porta S. Giovanni in Laterano 162
-S.Bibiana 154 - S. Clemente 11 - S. Eusebio 292 - S. Lorenzo fuori le Mura 216 - S. Lorenzo in Damaso 214 - S. Lorenzo in Panisperna 221 - S. Maria del Rosario 158 - S. Maria della Vittoria 326f. - S. Maria in Tempulo 150,154m 15412,157, 157f., 160 - S. Maria sopra Minerva 224 234 - S. Paolo fuori le Mura 215 - S t . Peter 34,215,217 -S.Sabina 154,159 -S.Sebastiano 216 - S. Sisto 154,154", 155,157-160, 163f., 166 -Tiber 164 -Vatikan 312, 327f. - Via Appia 154,156 - Via Cassia 326 Romainmôtier 9" Rottenburg 21924 Rouen 60,69, 76, 76121,213', 238, 240,243f., 250, 251, 25Γ' 5 0 , 25254, 253, 255f., 258ss, 261f., 266f., 269f., 272, 274, 284f., 287,291297, 300-302, 304-306 -AlterMarkt 302 - Dominikaner-Konvent 294 - Erzbischöfliches Palais 306 - Haus des königlichen Rates 296
464
Register
-Kathedrale 297 - Kirchhof von Saint-Ouen 253, 262,267,267 144 ,293, 302, 305 - Sankt Candidus 295 - Schloß Bouvreuil 292f., 296 -Seine 302 Rouvray 245 Rüdesheim 101 Rußland 213 Sachsen 64, 6584 Saint-Aignan 263122 Saint-Benoît-sur-Loire (Fleury) 12 Saint-Claude 313 Saint-Évroul 37 Saint-Florent 272,280 Saint-Gildas de Rhuys 84, 86, 91 Saint-Marcel-lez-Chalon 96, 98 Saint-Maur 97 Saint-Maurice (Agaunum) 10,12 Saint-Nicolas-de-Port 258 Saint-Nicolas-de-Sept-Fonts 258" Saint-Phal 282 Saint-Pierre-le-Moûtier 24723,286 Saint-Quentin 289,304 Saint-Urbain-lès-Joinville 261, 261107,263, 263122 Sainte-Catherine-de Fierbois 248, 263, 265f., 268122 Sainte-Maure 263 Saintonge 47 Salerno 6897, 69, 217 Salisbury 72f. St. Gallen 15 St. Hildegard, Abtei 101 Sant'Angelo (M. Gargano) 138, 13916 Santiago de Compostela 46,212 Santissima Trinità 13114 Saragossa 4928 Savoyen 31 Of., 313, 323 Schönau 120,125 Schwaben 101 Schwäbisch Hall 1239, 2 1 4
Schweden 216, 221 Schweiz 308, 311-313, 323", 324 Seltz 5, 7,10, IO20,13 Senlis 49 Sens 38, 60, 84, 8423, 94f„ 2136 Siegburg 101 Siena 175,224,230,232,234 Sinai 247 Sizilien 68f., 72 Skara 212 Skederik 211 Söderköping 221 Soissons 50, 85 Sommen-See 211 Spanien 154,159f., 220 Spello 171 Speyer 53f., 5340, 72f. - Dom 53 Spoleto 168,171,217,221 Sponheim 100 Steiermark 72,221 Stockholm 211f.,2158 Stralsund 214 Straßburg 10.127 Stuppach 21924 Subiaco 11 Sully 287 Tauros-Gebirge 56 Toscana 174,232 Toul 249f., 256 Toulouse 153, 160, 16742 Touraine 33 Tournai 245, 280, 320f. - Notre-Dame des Prés-auxNonnains 321 Tours 12, 3835, 78,248, 25151,25996, 265, 273168'169,274, 27918' - Kloster St. Fara 38, 3835 Trasimenischer See 174 Trient 161 Trier 15 101 120 124f. - Abtei St. Matthias (St. Eucharius)
101,10112,124
Ortsnamen - D o m 101 Triest 221 Trifels 72, 75, 75118, 76U0 Trondheim (Nidaros) 212 Troyes 244,282,282203 Türkei 312 Turin 5 Tusculum 59 Tyros 72 Ulvâsa 212 Umbrien 174 Ungarn 312 Uppland 211 Uppsala 211 Utrecht 18 Vadstena 213f., 221-223 Vättern-See 211213 Valenciennes 200 Vallepietra 13114 Vaucouleurs 237, 239,245, 247249,251 51 ,252,255-257, 257M, 258, 258", 259-261,263, 263 m , 270,291,296, 306 - Porte Notre-Dame 258
- Porte de France 261 Venaissin 213 Venedig 264 Verneuil-sur-Avre 245, 247,266 Verona 14 Vézelay 53f. Viglain 263122 Viry 324 Viterbo 218 Vitry-le-François 49 Waadtland (Pays de Vaud) 314 Wallonien 103 Wertheim 101 Wien 72,312 Wiesbaden 103 Winchester 32, 63, 67 Worms 11 Würzburg 6584, 72, 101 York 3210, 67f., 236, 302 Zürich 308f., 320 Zwiefalten 101 Zypern 70,219f.
465
466
Register
Moderne Autoren Abrahams Ph. 4141'42 van Acker L. 993 Acklin Zimmermann B. 8014, 18915, 20318 AlexanderP. 2361 Altaner B. 1503, 159, 16022'24, 166, 16638 Altendorf H.-D. 3082, 3098 AndreoliS. 168 1 ,173" Angenendt A. 1233, 8015, 120' Anouilh J. 240,240 s , 304 Anton H. H. 273166 ArchinardA. 3IO10 ArduiniM. L. 10737 Augusti)η C. 3097 Backus I. 32145 Bäumer A. 994 Bäumer G. 6, 65, 7 Bäumer R. 272162 Bangert M. 1821 Bannasch H. IO20 Barth P. 10735 BartoliM. 1354 Basili D. 174', 1742, 1754 Bassette L. 3276 BastaireJ. 240' Bataille H. 257, 25786, 258, 301285 Bauer C. 327 Bauer D. R. 1681,19642,20318 BautzF.W. 994 Becker A. 3834 Becker F. 1342 Becker P. ΙΟΙ12,12515 Bedouelle G. 1503 BéguerieP. 21924 Bell R. M. 2264 BélyL. 24622 von Bennewitz I. 8014 Benton J. F. 79, 797'8'9 Benvenuti Papini Α.
Benz Κ. J. IO
21
174 1
Berger P. L. 3275 BerghB. 2112 BerschinW. 79 Bertelli C. 158" Bertini F. 22, 176'8, 21, 2113, 26, 2618, 8014, 99 4 ,224 2 Bertrand S. 326 Bezzola R. R. 4820 Bienvenu J.-M. 6270 Bigaroni M. 14540, 24727 Blackbourn D. 3275 Bloch M. 273166 Blondel L. 31625 Boccali G. 14337, 14540 Bochsler Κ. 18712 Boehm L. 327 Böhmer H. 14335 Bongenberg S. 2159 Boockmann H. ΙΟΙ13,1239 Borgeaud Ch. 31727 Brecht B. 240, 2409, 241 Brost E. 78',79 12 Brown E. A. R. 435, 6687 BrufaniS. 1341 Brundage J. A. 33, 3318, 3833 Buck I. 301282 Bühler A. IO22 Burrows M. S. 32145 Buytaert M. 8015 BulstN. 1232 CalufettiA. 1681,17210 Cambell J. 145, 14540 Cardini F. 1741, 1755, 23215 Carlevaris A. 1009, 101 Cartellieri O. 4824 Cavallini G. 2242 CazeP. 265132 ChabanneR. 305299 Chambers F. M. 5650 Charrier Ch.
97™."
79', 82 20 , 94 5 8 , 97,
Moderne Autoren Châtelain E. 290235,295261 Chibnall M. 3315'18, 37 3 1 ", 4243, 432, 4615, 4718, 5135, 5442, 5753'54, 5857, 5958'" ChoisyA. 31625 Churchill W. S. 242f. Clark A. L. 1202 Clévenot M. 23524 Clin M.-V. 143 u , 25046'48, 25 Γ' 5 1 , 261 103 ' ,07 ,266 140 ,267 ,4 \ 268152, 273" 7 , 27617', 278186,280192, 282"9'200, 284207, 288222'227, 289232, 290235, 291239'240, 292243, 307310 Cluzel I. M. 76120 Colbert P. 2012 Collijn I. 22228 Combe (Abbé) 3287 Constable G. 8117, 9665 "' 67 , 97" Contamine Ph. 273 1 " CothenetE. 18" Crosby S. M. 4824 Crouzel H. 327" Cullmann O. 18" Curschmann M. 1271 Curtius E . R . 5238 Daoust J. 6270 Daulon B.-J. 265132 DebalJ. 279188 Decaëns H. 24622 Delarue H. 32042 Delisle L. 6272 DenifleH. 290235, 295261 DenzingerH. 33013, 33114 DeonnaW. 32042 Derolez A. 1006'9 Desbonnets Th. 1368 Dimier M.-A. 2113 Dinzelbacher P. 8738, 1202, 1681, 196 42 ,203 18 ,223 23 Dion H. 3287 Douglass J . D . 32145 DoyèreP. 19642
467
Dronke P. 79 79", 9456, 1009, 11552, 203, 203' 7 ,204 24 , 207, 20728, 209, 20934 Doumergue É. 31727 Duchhardt H. 288222 DüchtingR. 142 DufourJ. 8736 Dufour Th. 31727 DuparcP. 243 13 ,261 103 · 107 ,272'", 278186,279189, 2801'5, 288223, 294252, 295 Eliot T. S. 64 Engels O. 9 17 ,17 7 ,101 13 Erlande-Brandenburg A. 76122 Esser K. 14337 Etcheverry J. 280193 vonEuwA. 9 17 ,17 7 van den Eynde D. 8527 Fabre L. 24314'16, 246 20 ,248 35 ,266 140 , 281, 284207,285211,288222'227, 2^2238·239 305301 Fawtier R. 224', 227' Feld H. 1231, 314, 3421, 6270, 11658, 1343, 1354, 137 9 '", 139 ,7,β , 14230'32· 33, 14337, 14647, 1693, 17313, 1753, 1812', 18610, 19433, 19849, 22332, 267147, 30128', 3084, 3095'7, 31727, 31833, 32042, 32459, 326 2 ,327*, 33115 Feldmann Ch. 994 FenskeL. 10946 Fichtenau H. 7l' 05 Fink Κ. Α. 2\ 201 7 ,203, 20319, 2 1 36, 23319, 3096 Fischer-Wilbert A. 261 108 ,274, 274175, 290235, 295261 Flanagan S. 994 Fleckenstein J. 10946 Fogelqvist I. 22230 Follet K. 33, 3314 Fortini A. 137" Fox M. 10320
Register
468
France, Anatole 247", 281m, 305304 FranklP. 4824 Fredericq P. 2002 Fried J. 917 Friedberg A. 294252, 301284 FroehlichK. 32145 Froidevaux Y.-M. 24622 Führkötter A. 99, 99 1 ,101,101", 10320, 11759, 1238 Fumagalli M. 8014, 86M, 9663, 994, 103,103", 106, 10633, 114, 11451 Furlan V. 9" Fussbroich H. 917
Grivel A.-C. 31010 GroßW. 21924 Guarnieri R. 2001, 202,202 14 , 203 Guillot H. 3287 GuthK. 5238
Galletti A. I. 2276 Ganter E. 31010 Gardy F. 32042 de Garganta J. M. 16/' Gaudemet J. 8424 Gaussin P.-R. 259* Gelabert M. 16/' GillenO. 1283 Gillingham J. 71106, 72uum, 76n9'120 Gilson É. 79, 796'10'12, 94, 945', 95 Glorieux P. 222", 23318 272163 Gnädinger L. 1821, 2001, 20318'19'20, 20422, 210 Godet J.-F. 1342 Goethe J . W . 236 Gössmann E. 994, 11349 Göttler Ch. 3098 Goetz H.-W. 5238 van den Goorbergh E. 1356, 14958 GouinP. 3287 Graesse Th. 14723 Grane L. 8015 GrauE. 14337 Green R. 1283, 1294, 1308, 13112'15, 13217'19 Greenhill E. S. 48,48 25 Gregorovius F. 11450, 216°, 21718, 234, 23422
Haas Α. M. 19025 HaaseW. 18" Hagenmeyer H. 31 3, 3419, 3523, 3626, 3731, 3833 Haight A. L. 142 Hallinger K. 123" Hamilton H. C. 32'°, 3313'14, 432 Hansmann W. 76122 HaréauB. 9457 HarmandA. 273168, 274171, 301285 Harris M. T. 2114 HaseK. 301, 301281 H a u g W . 19025,20318, 267147 HaverkampA. 10946 HeadTh. 32145 HeidU. 20318 Heidegger M. 10945 Heimbach-Steins M. 18915 von Hellingrath Ν. 10945 Hennecke E. 18", 2514, 2617 Hill R. 311 Hilpert K. 314 H i l t y H . R . 2408 Hlawitschka E. 917 vanHoeckeW. 798 Hölderlin F. 10945 Hofmeister A. 71105 Holböck F. 2112, 2 1 33, 2 1 4 7 ,2 1 924 Hollywood Α. 18813 Holtzmann R. 53 Holzapfel H. 141, 14230 Homeyer H. 52, 142, 154, 3025 Howlett R. 3210, 33", 5445, 6064, 6580·81, 6689, 6793, 6998, 71104, 72108 HünermannP. 330l3,33114 Huizinga J. 2396
Greschat M.
H u o t de Longchamp M .
80 15
Greshake G. 36, 13114
Huygens R. B. C. 31*
200'
Moderne Autoren IserlohE. 23318 JacobyJ. 265132 Jaouin J. 3276 JedinH. 1, 327, 2017, 213 6 ,233" Jensen F. 431, 447,459 Jewell R . C . 3314 JezlerE. 3098 JezlerP. 3082, 3098, 31833, 32 355 Jung M.-R. 4820 Kaiser P. 1008 Kantorowicz E. H. 292242 ten Kate R. 18" Kauffmann H. 3 2 / Keiser B. 65 Kelly A. 4928, 50, 5033 KernerCh. 994 KeulH. 1821 Kezel A. R. 2114 el-Khoury N. 3274 KiblerW.W. 435, 4825 Kinkel T. 435 KlaesM. 100', 103" Klein W. 3,3" K ö p f U . 76124, 1681, 19642 Köster Κ. 1202 Kotzur H.-J. 994 Koudelka V. 1502, 15717'18, 15819 20 KrasenbrinkJ. 991 Krautz H.-W. 781, 8014 Krey A. C. 5855 Krumeich G. 24l'°, 307310 KühneU. 994 Lainati C. Α. 1354, 14337 de Lancesseur P. 274, 274175 Lanczkowski J. 19642 Langer Ο. 19025 Langosch Κ. 155 Larivière M. 27617' Laube D. 43 5 ,46", 5752, 6063 Laurentin R. 3 2 / , 329'·10, 330"'12, 331"
469
Lautenschläger G. 994 Lazzeri Ζ. 1355 Le Brun de Charmettes 24110, 268152, 305304 Leclercq J. 46'2, 502', 5546, 8738, 13920 Leonardi C. 2, 2\ 2242,225, 233, 23320 Leroux de Lincy 76120 LevisonW. 12414, 1272 Lewis A.W. 2731" Little A. G. 14648, 17210 Locher G.W. 31727 Löwe Η. 101!3,2111 Louis R. 797 Louis-Combet C. 2001 Luce S. 24620 Lucie-Smith E. 24723, 263121,286214, 292241 Luckhardt J. 76124 LundtB. 20318 Lunghi E. 24727 MaffeiD. 2242 MaiP. 24620 Mancini G. 3263 Manselli R. 137,13712 Mansi 794, 8631 Margolis Ν. 24313 Mariani E. 1741, 1754'7, 1768 " 0 , 177"·12,17814·15,179"·17''8, 18019'20'21'23, 18124'25 Markale J. 43, 435, 4614, 77128,265134 Markschies Ch. 4824 MarotP. 24314, 24725 Mary Α. 76120 Matura Th. 1342 Mauny R. 264127 McGinn B. 70101 McLaughlin T. P. 78' Meade M. 4928 Meattini U. 2241'2, 2265,2276, 23213, 23317 Meier Ch. 994 Meier H.-R. 24727
470
Register
Meiss M. 217" Melot M. 76122 Melville G. 1693, 288222 Menestò E. 1341,1741, 17712, 18019 Meyer C. F. 64,308,308' Michelet J. 241, 24110, 242, 242", 248, 24832, 255,25571 Mieth D. 19025, 20318,267147 Migne 78', 8527 Milagro J. M. 16741 Miller C . H . 3097 Misch G. 78', 8738 Moeller B. 31727 MörikeE. 129 MonfrinJ. 781 von Moos P. 3940, 799,12, 8014 Mückle J. T. 78', 8423, 9354 Müller D: 994, 20318 Müller G. 76124 Müllerl. 10528 Müller M. 327 Müller M. E. 24313
PacautM. 713, 627' Pancella R. 9" Panofsky E. 4824, 76, 76123,21717 Paulhart H. 713, 8H, 917J8, IO20'23'24, II28 Payen J. Ch. 43 1 ', 447, 459 Pelot A.-F. 919 Pernoud R. 6272, 77125, 79, 79", 8635, 994, 24314, 24315,25046'48, 25149,51, 25891, 261103'107, 263122, 266140, 267142, 268152, 273167, 276179, 278186, 280192, 282199'200, 284207, 288222'227, 289232, 290235, 291239'240, 292243, 307310 Perroy É. 290235 de Pierrefeux G. 32910 PörtnerR. 3627, 5441 Podlech A. 8015 Pohu (Abbé) 76122 PomeauR. 23/ Poole R. L. 5032, 5135, 5959 Pressouyre L. 76120
Nardi P. 2242 Neumann H. 1821, 1833, 1846,7, 1858'9, 18610, 187", 18917'18,19019'20 Neuser W. H. 3095 Neveux F. 290235, 305, 305299 Newman Β. 994, 107, 10735'38,109 Niehans M. 301282 Niehoff F. 76124 Nordenfalk C. 21717 NorgateK. 76120 Nyberg T. 2114, 2147, 22333 Nylander Ε. Ν. 2158
Quicherat J. 239,2397,24314, 25046, 266140, 273168''70, 274177, 280195, 282199·200, 283206, 285211, 287216, 288, 288224'225'227, 289228, 291239, 304298, 305302
Oesterreich Th. 263121 Ohlig K.-H. 314 Omaechevarría I. 1341'2,135s, 1367, 13815, 13918'19, 14021·23'24, 14 129, 14231'33, 145, 14538·39·43, 14649'50, 14752'53, 14854, 14959 Orelli C. 782 Otti. 177
Rädle F. 142 Raschini Μ. Α. 2242 Rauch Α. 36 Rautenberg U. 12414 Reblin Κ. 1343 Reichert Β. M. 151s Reiners J. 8630 Reinhardt R. 3274 ReliquetPh. 276179 Renner Α. M. 24620 Reverseau J. P. 173168 RevilliodG. 3083 RichéP. 1007 Riedel I. 99 4
Rieger D. 459
Moderne Autoren Ritscher M. I. 10735 Rochais H. M. 4612, 5029, 55*, 8 738, 13920 Rocolle (Colonel) 28922' Röckelein Η. 24313 RösenerW. 10946 Roetheli E. W. 3 2 / RöttgerM. Α. 1354 Roggen Η. 1354 Rojdestvensky Ο: 24620 RoremP. 32145 RostW. 263121 Roth F. W. E. 1203, 12310, 124", 125,126" Rotzetter Α. 1354 Rousseau J.-J. 80 Ruh Κ. 11658, 1202, 1681, 1741, 1821, 18610, 19025, 19642, 19954,20318, 20831 Runciman St. 33, 3317, 71106 RymerTh. 72no Sanderson R. 72110 Santschi C. 1231 Sbaralea J. Η. 14023 Schadewaldt W. 165, 16534 Schauer G . K . 301282 Scheeben H. Ch. 1503, 155, 15514 Schellenberger B. 34 Schieder Th. 314 Schiller F. 237, 249,266,266 m Schipperges H. 994 Schmale F.-J. 5546 Schmeidler B. 78f.,793'6 Schmidt Ε. 8014 Schmidt M. 1821, 1833, 19025 Schmidt-GörgJ. 10735 Schneemelcher W. 18", 2514, 2617 Schneider A. 2113 Schneider Β. 3261 Schnith K. R. 917, 435 Schoell-Glass Ch. 24313 SchomerJ. 10320 Schott A. 222
471
Schott Th. 32145 Schräder M. 11759 Schramm P.E. 1022, 273166 SchreinerP. 917,177 Schuffels H.J. 1810 Schulze H . K . 917 Schwinges R. Ch. 313'4, 58" Sennhauser H. R. 9" SérantP. 24620'22 de Sermoise P. 265132 SetonW.W. 147 Shakespeare W. 122, 236, 2361,237, 266, 26613', 302, 302292 Shaw B. 239, 239', 240, 242, 295, 295262 SickelTh. 288223 Silvestre H. 799 von Simson O. 4824 van'tSpijkerW. 3095 StaufferE. 301 301282 Steinbach H. 268152 Stern J. 327' Strecker K. 142 StubbsW. 5238, 585', 6l' 7 '9, 6580'84, 69"' 10°, 70101, 71105, 73"3, 7612', 7712' Sturlese L. 127* Sudbrack J. 994 SuffranM. 3299 Swartlingl. 2113 Taillandier S.-R. 287220 Talbot C . H . 13920 Tanz S. 240', 24839, 24942,254", 265133, 267, 26714', 268,268148'151,152, 272" 3 ,274, 274175, 278186, 28220', 287215, 288223'227, 30 1 28' Taurisano I. 167, 16741 Tax P.W. 18712 de Terlinden Ch. 288222 de Tervarent G. 12414 Thier L. 1681,17210 Thomas R. 79813, 8014 Tilly M. 24313
472
Register
TissetP. 243", 258", 261103, 267142, 278186, 287, 290236 Tommaseo Ν. 2241,2265, 2 2 1 Tournier M. 276179 TrebitschS. 2396 TrempE. 994 Twain M. 237, 238, 2385, 239 UndsetS. 2243 Urban W. 21924 Vercruysse J. 2362 Verdeyen Ρ. 200'·3'5, 2016'8'9, 20210 Verdón T. G. 4824 Viallaneix P. 24110 Vicaire M.-H. 1503, 16742 Vogt H. J. 2111, 327" Vollrath H. 917,177 Voltaire 236, 2362, 237,2374 Vones L. 177 VuyJ. 32145 13
Wadding L. 168', 173 , 174* Waitz G. Il 26 Wallace-Hadrill J. M. 273166 Walsh J. J. 21
Walter P. 10735 Walter P. 994 Walz Α. 1501, 15514, 15717·18, 15921, 160. 16023, 16127, 16228, 16431'32, 16636'38,40 Weigle F. 710'12 Weill-Raynal É. 265132 Weinfurter St. 917,177 Welkenhuysen A. 798 Werner E. 268151'52 Werner Κ. F. 32 5 ,273 ιω Widmer Β. 10946 Wilson Κ. M. 32145 Winckelmann J. 33217 Winkler G. Β. 8738, 9562, 96Μ WittkowerR. 3274 WolfG. 917 Wolff Ph. 290235 Wollasch J. IO20 Wolter Η. 3732 ZerbiP. 798, 8630 Zola É. 329,329s ZotzTh. 10946 Zum Brunn E. 2001 ZweermanTh. 1356, 14958
Hubertus Lutterbach
Sexualität im Mittelalter Eine Kuiturstudie anhand von Bußbüchern des 6. bis 12. Jahrhunderts
(Beihefte z u m Archiv für Kulturgeschichte, B a n d 43)
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1999. IX, 299 Seiten. G e b u n d e n mit Schutzumschlag. I S B N 3-412-10396-9
Einen Blick in die Beichtstühle des Mittelalters eröffnet die kulturgeschichtliche Studie von Hubertus Lutterbach. Die ausfìihrlichen und detaillierten Bestimmungen der mittelalterliehen Bußbücher werfen ein interessantes Schlaglicht auf die Sexualmoral dieser Zeit, auf Jungfräulichkeit, Ehe, Homosexualität und Zölibat. Verstöße gegen den mittelalterlichen Sexualkodex wurden damais nicht nur unter dem Blickwinkel moralischer Integrität, sondern grundlegender mit kultischen Reinheitsvorstellungen verbunden. Anders als in der Antike galten »Verfehlungen« wie Masturbation, Zölibatsverletzungen, Ehebruch, Inzest und Verhütung vor allem als kultisch verunreinigend. Obwohl die Begründung der Sexualtabus in den Bußbüchern einfacher ausfällt als in der griechisch-römischen Antike, hat die mittelalterliche Kultur doch so umfassende Schutzmaßnahmen für Leib und Leben zustande gebracht, wie sie die Welt zuvor nicht kannte.
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Beihefte z u m Archiv für Kulturgeschichte - Eine Auswahl -
Heft 37: Hans Martin Klinkenberg: H o m o faber mentalis. Über den Zusammenhang von Technik, Kunst, Organisation und Wissenschaft. 1995. XXIV, 812 Seiten. Gb. ISBN 3-412-10694-1 Heft 38: Michael Sierck: Festtag und Politik. Studien zur Tagewahl karolingischer Herrscher. 1995. 503 S. Gb. ISBN 3-412-10794-8 Heft 40: Reglinde Rhein: Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Die Entfaltung von Heiligkeit in »Historia« und »Doctrina«. 1995. 310 S. Gb. ISBN 3-412-03695-1 Heft 41 : Elsbeth Andre: Ein Königshof auf Reisen. Der Kontinentaufenthalt Eduard III. von England 1338-1340. 1996. IX, 293 S. Gb. ISBN 3-412-00196-1. Heft 42: Martin Kintzinger, Sönke Lorenz, Michael Walter (Hg.): Schule und Schüler im Mittelalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts. 1996. VII, 478 S. ISBN 3-412-08296-1 Heft 43: Hubertus Lutterbach: Sexualität im Mittelalter. Eine Kulturstudie anhand von Bußbüchern des 6. bis 12. Jahrhunderts. 1999. X, 302 S. Gb. m. SU. ISBN 3-412-10396-9
Heft 44: Markus Müller: Die spätmittelalterliche Bistumsgeschichtsschreibung. Oberlieferung und Entwicklung. 1998. XII, 541 S. Gb. ISBN 3-412-11697-1 Heft 45: Michael Menzel: Predigt und Geschichte. Historische Exempel in der geistlichen Rhetorik des Mittelalters. 1998. 435 S. Gb. ISBN 3-412-13797-9 Heft 46: Luise SchornSchütte: Karl Lamprecht. Briefwechsel mit Emst Bernheim und Henri Pirenne. Hrsg. und eingeleitet von Luise Schorn-Schutte unter Mitarbeit von Maria E. Grüter und Charlotte Beiswingert. 2000. Ca. 264 S. Gb. ISBN 3-412-02198-9 Heft 47: Jürgen Strothmann: Kaiser und Senat. Der Herrschaftsanspruch der Stadt R o m zur Zeit der Staufer. 1998. XII, 498 S. Gb. ISBN 3-412-06498-X Heft 48: Franz-Reiner Erkens (Hg ): Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung im europäischen Vergleich. 1998. IX, 356 S. Gb. ISBN 3-412-0598-6 Heft 49: Rüdiger Hillmer: Die napoleonische Theaterpolitik. Geschäftstheater in Paris 1799-1815 1999. XIV, 538 S. 3 Ktn. Gb. ISBN 3-412-12798-1 Heft 50: Helmut Feld: Frauen des Mittelalters. Zwanzig geistige Porträts. 2000. X, 478 S. Gb. m. SU. ISBN 3-412-05800-9
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