Fotografie und museales Wissen: William Henry Fox Talbot, das Altertum und die Absenz der Fotografie 9783050095479, 9783050063812

William Henry Fox Talbot (1800–1877) is best known as an early inventor of photographic processes. For the first time, b

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German Pages 260 Year 2015

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Table of contents :
Prolog
EINLEITUNG
1. Unschärfe
2. Bruchstücke
3. Über dieses Buch
TALBOTS MINDSET
1. Schreibtisch oder Dunkelkammer? Der Nachlass
2. Armchair Science und die Ordnung von Wissen auf Papier
3. Talbots Mesopotamien
AUFZEICHNUNGSTECHNIKEN
1. Studium mit Stift und Papier: Talbots Notationstechnik
2. Zwischen Bild und Schrift: Talbots fotografische Vision
3. „Susceptible of an almost unlimited variety“: Reproduktionen
LONDON 1843
1. „A science not yet ripe enough“: Fotografie und Ägyptologie
2. Erste fotografische Experimente am British Museum 108
3. „An utter shambles“: das British Museum 1843
FOTOGRAFIE IM ZWEISTROMLAND
1. Der bedrohte Kanon
2. Objekte ohne Status
3. „Drawings or photographs“
TALBOT UND FENTON AM BRITISH MUSEUM
1. Talbots wahrer Pencil
2. Photographic Science – Scientific Photography
3. Auf dem Museumsdach: das zweite Experiment
EPILOG
RÉSUMÉ
Anmerkungen
Quellen und Abkürzungen
Bibliografie
Abbildungsverzeichnis
Namensregister
Recommend Papers

Fotografie und museales Wissen: William Henry Fox Talbot, das Altertum und die Absenz der Fotografie
 9783050095479, 9783050063812

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MIRJAM BRUSIUS FOTOGRAFIE UND MUSEALES WISSEN

STUDIES IN THEORY AND HISTORY OF PHOTOGRAPHY VOL. 6 Publication Series of the Center for the Study in Theory and History of Photography (TGF) at the Institute of Art History at the University of Zurich Edited by Bettina Gockel

International Advisory Board Michel Frizot Emeritus Director of Research at the National Center for Scientific Research (CNRS), School for Advanced Studies in the Social Sciences (EHESS), Paris Robin Kelsey Shirley Carter Burden Professor of Photography, Department of History of Art & Architecture, Harvard University Wolfgang Kemp Emeritus Professor of Art History, Institute of Art History, University of Hamburg Charlotte Klonk Professor of Art and New Media, Institute of Art History and Visual Studies, Humboldt University, Berlin Shelley Rice Arts Professor, Department of Photography and Imaging and Department  of Art History, New York University Kelley Wilder Reader in Photographic History, De Montfort University, Leicester Herta Wolf Professor of History and Theory of Photography, Institute of Art History, University of Cologne

MIRJAM BRUSIUS

FOTOGRAFIE UND MUSEALES WISSEN WILLIAM HENRY FOX TALBOT, DAS ALTERTUM UND DIE ABSENZ DER FOTOGRAFIE

Gedruckt mit großzügiger finanzieller Unterstützung durch die Dr. Carlo Fleischmann-Stiftung (http://www.dcff.org) in Zürich und durch das Kaspar M. Fleischmann-Projekt zur Förderung der Fotografieforschung am Lehrstuhl für Geschichte der bildenden Kunst, Kunsthistorisches Institut der Universität Zürich, und der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf.

ISBN 978-3-05-006381-2 e-ISBN (PDF) 978-3-05-009547-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038079-8 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter De Gruyter GmbH Berlin/Boston Cover: William Boutcher, Ausgrabungen in Niniveh, ca. 1850, Aquarell. Redaktion der Schriftenreihe: Martin Steinbrück Reihengestaltung und Satz: Petra Florath, Berlin Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH, Altenburg Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

INHALTSVERZEICHNIS

   7

Prolog

  11

EINLEITUNG

  11

1. Unschärfe

  15

2. Bruchstücke

  25

3. Über dieses Buch

  35

TALBOTS MINDSET

  35

1. Schreibtisch oder Dunkelkammer? Der Nachlass

  38

2. Armchair Science und die Ordnung von Wissen auf Papier

  40

3. Talbots Mesopotamien

  49

AUFZEICHNUNGSTECHNIKEN

  49

1. Studium mit Stift und Papier: Talbots Notationstechnik

  62

2. Zwischen Bild und Schrift: Talbots fotografische Vision

  79

3. „Susceptible of an almost unlimited variety“: Reproduktionen

  95

LONDON 1843

  95

1. „A science not yet ripe enough“: Fotografie und Ägyptologie

108

2. Erste fotografische Experimente am British Museum

115

3. „An utter shambles“: das British Museum 1843

121

FOTOGRAFIE IM ZWEISTROMLAND

121

1. Der bedrohte Kanon

139

2. Objekte ohne Status

144

3. „Drawings or photographs“

159

TALBOT UND FENTON AM BRITISH MUSEUM

159

1. Talbots wahrer Pencil

165

2. Photographic Science – Scientific Photography

170

3. Auf dem Museumsdach: das zweite Experiment

183

EPILOG

193

RÉSUMÉ

197

Anmerkungen

229

Quellen und Abkürzungen

231

Bibliografie

254

Abbildungsverzeichnis

259

Namensregister

PROLOG

Der vorliegende Band beruht auf einer langjährigen, intensiven Beschäftigung mit einem der bedeutendsten Protagonisten der frühen Fotografie, William Henry Fox Talbot (1800–1877), und dessen Wirken als Altertumsforscher. Zunächst mündeten die auf umfangreichen und neuerdings öffentlich zugänglichen Archivalien gestützten Recherchen in meiner am Department of History and Philosophy of Science der University of Cambridge und der British Library enstandenen Dissertation. Die gründlich überarbeitete Version dieses Textes wird hier nun in deutscher Sprache vorgelegt und sodann in varriierter Form auf Englisch bei The University of Chicago Press erscheinen. Die Forschungen wurden im Rahmen eines von mir durchgeführten Katalogisierungsprojekts von William Henry Fox Talbots Nachlass durchgeführt, welcher 2006 der British Library vermacht wurde – einer Institution, die einst Teil des British Museum war, welches wiederum der Hauptschauplatz meiner Untersuchungen in diesem Buch sein wird. Während dieser Arbeit habe ich Talbots Notizbücher und Fotografien als komplementäre Aufzeichnungstechniken aufgefasst, mit Hilfe derer Talbot Informationen nicht nur aufzeichnete, sondern auch memorierte und klassifizierte. Das Katalogisierungsprojekt des Nachlasses entwickelte sich an genau jenem Ort, an dem Talbot einst gewirkt hatte, in gewisser Weise zum empirischen Teil dieses Buches, welches auf einer weiteren Ebene von der Organisation von Wissen im British Museum handeln soll. So stellten sich mir beim Erstellen des Katalogs die gleichen Probleme, mit denen sich meine Vorgänger im 19. Jahrhundert bei der Katalogisierung neu eintreffender Objekte in der Sammlung konfrontiert sahen, seien es Ausgrabungsfunde oder Fotografien: Oft schien es unmöglich, ein zufriedenstellendes Klassifizierungssystem zu finden, da viele Objekte nirgendwo und überall hinzupassen schienen. Sollten Talbots eine Vielzahl von Disziplienen betreffende Notizbücher und Briefe beispielsweise von seinen Fotografien getrennt werden, da erstere Manuskripte und damit Schriftdokumente sind? Durch das Katalogisieren der Bestände änderten sich die Vorzeichen, unter denen Fotografiegeschichte von nun an geschrieben werden kann: Wie würde sie sich durch diese nunmehr öffentliche Sammlung

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PROLOG

wandeln, die nicht nur erstmals Dokumente einer der Pioniere der Fotografiegeschichte zugänglich machte, die sich bis vor kurzem ausschließlich in privater Hand befanden, sondern auch bisherige disziplinäre Kategorien zu unterlaufen scheint? Denn Talbots Person war plötzlich mehr als ein Erfinder, der mit zwei duzend kanonisch gewordener Fotografien und einer Handvoll fotohistorischer Quellen in Verbindung gebracht werden konnte. Doch auch weitere Themen, wie die Reproduktion und Inventarisierung von Objekten an Museen durch die Fotografie, von denen dieses Buch handeln wird, spielten in meinem Alltag eine große Rolle. Ressourcen für derartige Maßnahmen waren damals so beschränkt wie heute, bleibt doch nach wie vor unklar, ob sowohl das British Museum als auch die British Library in näherer Zu­kunft über die finanzielle Mittel verfügen werden, um Sammlungsobjekte wie Tabots Nachlass systematisch zu digitalisieren, um Objekte einem breiterem Publikum zugänglich zu machen. Auch die Zugangsbeschränkungen, mit denen Talbot einst zu kämpfen hatte, als er sich als Amateurwissenschaftler für Sammlungsobjekte am Museum zu interessieren begann, schienen sich fortzusetzen, denn wer sollte beispielsweise Zu­ gang zu Talbots Archiv bekommen, bevor sich einzelne Dokumente offiziell über den Bibliothekskatalog in die Lesesäle bestellen ließen? Während die Entscheidungsfreiheit hier bei mir lag, so war ich bei meinen Archivrecherchen im British Museum, mittlerweile zur Schwesterinstitution der British Library geworden, von den dortigen Kuratoren abhängig, wenn der Zugang zu Quellen (beispielsweise wegen den nach wie vor stattfindenden Umbauarbeiten oder Modernisierungen) eingeschränkt war, oder einzelne Stücke nicht an ihrem Platz waren beziehungsweise nie einen Platz hatten. Talbot kannte all diese Probleme nur zu gut. Ich hatte das große Glück, bei diesen Aufgaben viel Unterstützung zu erfahren. Mein größter Dank gilt meinem Betreuer Simon Schaffer, der mich lehrte, über Dinge zu schreiben, „that did not work or happen“. Er und Eleanor Robson, die weit mehr war als eine Zweitbetreuerin, waren inspirierende und großzügige Wegbereiter dieses Projekts, die die Thesen des Buches maßgeblich beeinflussten. Katrina Dean und John Falconer danke ich für ihre Unterstützung an der British Library. Ohne Kelley Wilder wäre dieses Buch nie geschrieben worden. Sie hat dieses Projekt von Beginn an vehement befürwortet und blieb bis zur letzten Minute eine unermüdliche und kritische Wegbegleiterin. Larry Schaaf danke ich für seine Großzügigkeit und seine Bereitschaft, stets auch kleinste Details über Talbot mit mir zu teilen. Sein online Projekt The Correspondence of William Henry Fox Talbot hat die Forschungen zu diesem Buch in dieser Form erst möglich gemacht. In Chitra Ramalingam fand ich eine regelmäßige kritische Leserin und eine treue Kollegin, mit der die enge Zusammenarbeit großen Spaß gemacht hat. Ich danke außerdem einer Reihe von KollegInnen, die meine Forschungen zu Talbot durch Inspiration oder durch kritische und fachliche Hinweise bereichert haben: June Barrow-Green, Geoff Belknap, Peter J. Bell, Charlotte Bigg, Estelle Blaschke,

PROLOG

Daniela Bleichmar, Frederick Bohrer, Horst Bredekamp, Eva Cancik-Kirschbaum, Kevin Cathcart, Tony Crilly, Vesta Curtis, Lorraine Daston, Nele Diekmann, Elizabeth Edwards, Oliver Flebbe, Stefanie Gänger, David Gange, Christian Gerini, Nils Güttler, André Gunthert, Ingelore Hafemann, Michael Hagner, Julian Harrison, Klaus Hentschel, Nick Hopwood, Ruth Horry, Anatoly Liberman, Robin Kelsey, Stefanie Klamm, Charlotte Klonk, Fabian Krämer, Sybille Krämer, Graeme Mitchison, Omar Nasim, Benjamin Nübel, Antje Pfannkuchen, Christopher Plumb, Phillip Prodger, Julian Reade, Nathan Schlanger, Anne Secord, James Secord, Josep Simon, Joel Snyder, Astrid Svenson, Roger Taylor, Jennifer Tucker, Hanna Vorholt, Kelley Whitmer und Herta Wolf. Mein Dank gebührt auch den enthusiastischen Studierenden des Talbotseminars, welches ich 2010 an der Humboldt- Universität zu Berlin hielt, den Vortragenden und Teilnehmenden der Talbot Konferenz, die im selben Jahr an der University of Cambridge stattfand, sowie dem Graduiertenkolleg „Schriftbildlichkeit“ der Freien Universität Berlin. Das British Museum erwies sich keineswegs mehr als „an utter shambles“, wie es vor knapp 170 Jahren ein Besucher in einer Primärquelle beschrieben hatte, sondern bot exzellente Arbeitsbedingungen: Ich danke den KuratorInnen und ArchivarInnen des Central Archives und des Departments of the Middle East für ihr Interesse an meinem Projekt und die jahrelange Unterstützung bei der Sichtung von Originalquellen. Mein Dank geht außerdem an die KustodInnen, KuratorInnen und ArchivarInnen folgender Institutionen für die Bereitstellung von Material ihrer Sammlungen und Archive: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Archives Nationales, Collège de France, Institut de France, National Media Museum Bradford, Metropolitan Museum of Art, Fox Talbot Museum Lacock, Société Française de Photographie, Victoria und Albert Museum, Bodleian Library und Royal Asiatic Society. Außerdem habe ich von der Großzügigkeit einiger Privatsammler profitiert, darunter Walter Knysz, Ken Jacobson, Michael Wilson und vor allem Hans P. Kraus Jr., der mir einen Großteil von Talbots Fotografien aus seiner New Yorker Sammlung ­digital zur Verfügung stellte. Die Objekte der Talbot Collection in der British Library ­können hier mit freundlicher Genehmigung des British Library Boards und Mrs. Petronella Burnett-Brown publiziert werden. Meine Forschungen wurden vom Arts and Humanities Research Council, der Gerda Henkel Stiftung, dem Cambridge European Trust, dem Rausing Studentship, der British Library, dem Kurt Hahn Trust (mit Unterstützung der Dyers Company), dem British Institute of Persian Studies, dem Master und den Fellows von Darwin College sowie dem St. John’s College (beides University of Cambridge) finanziell unterstützt. Das deutschsprachige Manuskript wurde während Fellowships am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und an der Harvard University finalisiert, während der Druck und die redaktionelle Überarbeitung dieses Buches schließlich durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, der Mellon Founda-

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PROLOG

tion und der Dr. Carlo Fleischmann-Stiftung an der Lehr- und Forschungsstelle für Theorie und Geschichte der Fotografie am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich ermöglicht wurde. Ich danke Martin Steinbrück, Kelley Wilder, Katja Richter, Nele Diekmann, Mathias Herr, Lisa-Maria Brusius und meinen Eltern und für ihre Hilfe bei der Erstellung der deutschen Fassung sowie Barbara Polaczek und Huberta Weigl für die professionelle Unterstützung beim Lektorat. Bettina Gockel, dem internationalen Beirat von Studies in Theory and History of Photography und dem De Gruyter Verlag danke ich herzlich für das Interesse an meinem Projekt und die Einladung, das Buch in der vorliegenden Reihe zu publizieren. Cambridge, MA, Sommer 2014

EINLEITUNG

1. UNSCHÄRFE Eine der ersten Fotografien des British Museums stammt von 1843. Sie sollte lange Zeit eine der wenigen Fotografien bleiben, die auf dem Museumsvorplatz entstanden (Abb. 1). Das Bild zeigt die Fassade des Vorgängerbaus des heutigen Museums, das

1: Anonym, Erste Fotografie des British Museums (Montagu House), 1843, The British Library.

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EINLEITUNG

sogenannte Montagu House. Weder Besucher noch Objekte sind zu erkennen. Selbst die Fassade ist nur schemenhaft abgebildet. William Henry Fox Talbot (1800–1877) ist heute vor allem als Erfinder der Kalotypie berühmt, einem reproduzierbaren fotografischen Abbildungsverfahren, welches 1839 öffentlich bekannt gemacht wurde. In den 1840er Jahren hatte er fotografische Experimente am British Museum durchgeführt, weshalb sein Name im Zusammenhang mit dieser Fotografie manchmal fällt.1 Es ist unklar, ob die Fotografie tatsächlich von ihm stammt, doch die Ergebnisse seiner Experimente dürften kaum anders ausgesehen haben: ein unscharfes Etwas mit Spuren von Chemikalien, auf denen kaum mehr als die Konturen des dargestellten Objektes zu erkennen sind. Spuren des fotografischen Prozesses vermengen sich somit auf eigentümliche Weise mit dem Gegenstand, dem British Museum, den sie aufzuzeichnen versuchen. Das Museum befand sich zur Zeit der Aufnahme im Umbruch. In unmittelbarer Nähe zu dem hier abgebildeten Gebäude lag eine der größten Baustellen des Londoner Stadtteils Bloomsbury dieser Zeit: Ein neues Museumsgebäude sollte die institutionelle Neuordnungen des British Museums architektonisch symbolisieren. Neue, aus der Altertumswissenschaft hervorgehende Disziplinen entstanden und der Museumsbetrieb wurde zunehmend professionalisiert. Jemand, der dies mit großem Interesse verfolgte, war Talbot. Wegen seiner bahnbrechenden Pionierarbeit auf dem Gebiet der Fotografie wurde bisher kaum beachtet, dass sich Talbot bereits zur Zeit seiner fotografischen Experimente hauptsächlich anderen Dingen zuwandte. Weitgehend unbekannt ist zum Beispiel, dass Talbot unter anderem Altertumsforscher und Philologe war. Sowohl für die Fotografie als auch für die Altertumswissenschaft wurde er ein wichtiger Akteur. Nachdem er seine fotografischen Experimente weitgehend abgeschlossen hatte, widmete er sich intensiv der Entzifferung von Keilschrift und wurde Assyriologe. Zu diesem Zweck bemühte er sich um Einlass in die Depots und Bibliotheken des British Museums, da hier ständig neue Ausgrabungsstücke aus Mesopotamien eintrafen. Es waren somit viel mehr die Inschriften auf Tontafeln als die Fotografie, die für die kommenden 25 Jahre ab 1850 im Fokus seines Wirkens stehen sollten. Obwohl er selbst kaum noch fotografierte, versuchte Talbot, die Technik in Wissenschaftskreisen be­kannter zu machen: Getrieben von seinem Forscherdrang bemühte er sich rastlos, den Gebrauch der Fotografie bei archäologischen Grabungen und in Museen zu verbreiten, nicht zuletzt, um selbst an Reproduktionen derjenigen Objekte zu gelangen, die er zu studieren beabsichtigte. Talbot wechselte somit von der Seite des Erfinders auf die des Nutzers. Bereits 1843 hatte er den Gebrauch der Fotografie empfohlen, um Wissenschaftlern das Studium von Objekten im British Museum und die Nachbereitung von Ausgrabungen zu erleichtern. Unter Wissenschaftlern und Altertumsforschern war Talbot kein Unbekannter. Dennoch sollte es noch weitere fünfzehn Jahre dauern, bis sich

1. UNSCHÄRFE

die Fotografie als wissenschaftliches Medium im British Museum und in anderen akademischen Institutionen durchsetzte. Und selbst dann entwickelte sie sich nicht sofort zu einem unabdingbaren und eigenständigen Werkzeug, welches bewährte Medien wie die Zeichnung ohne Weiteres ersetzte. Die in den folgenden Kapiteln beschriebenen Episoden werden zeigen, dass diese Prozesse nicht problemlos vonstatten gingen. Weder wurde Talbot wie selbstverständlich als Wissenschaftler auf dem Gebiet der Assyriologie in den Kreis der am British Museum forschenden Experten aufgenommen, noch war die Verbreitung der Fotografie in den Altertumswissenschaften ein Selbstläufer. Neben dieser weitgehend unbekannten (Fotografie)geschichte im viktorianischen England sollen am Beispiel Talbots auch etablierte Vorstellungen von Machtstrukturen, die den Zugang zu wissenschaftlichen Institutionen bestimmten, neu überdacht werden. Davon betroffen waren insbesondere viktorianische Privatgelehrte, da sich das Verhältnis zwischen Amateuren und Experten zunehmend veränderte und Wissenschaftler wie Talbot gewissermaßen zwischen zwei Stühlen saßen. Talbot hatte es mitnichten leicht, als Experte jenseits der Fotografie wahrgenommen zu werden. Talbots Person und sein Œuvre sind keine willkürlichen Beispiele, um das gleichzeitige Aufkommen von Fotografie und sich zunehmend professionalisierenden Altertumswissenschaften genauer in den Blick zu nehmen, welches vordergründiges Thema dieses Buches sein wird.2 Talbot war in Großbritannien der Pionier der Fotografie in den 1840er Jahren, aber auch immer wieder Akteur, Förderer und Advokat der Altertumswissenschaften. Fotografie und Altertumswissenschaft traten nicht zufällig ungefähr zur selben Zeit auf. Aus phänomenologischer Sicht haben sie entscheidende Eigenschaften gemeinsam: Beide „Disziplinen“ bemühen sich um die Be­ wahrung des bereits Vergangenen, indem sie Spuren hervorbringen, die sich im Verborgenen befinden. Beide prägen sich in dem Moment aus, in dem sich die moderne Wissenschaft auch zu einer exakten und positivistischen Forschung entwickelte, in der neue Methoden, Instrumente und Experimente zum Einsatz kamen. Talbots Forscherpersönlichkeit könnte als die Verkörperung schlechthin von „Antikensehnsucht und Maschinenglauben“ beschrieben werden.3 Sein Glaube an die Fotografie ging seit jeher mit einer beständigen Faszination für die Antike einher. Schauplatz dieser Verzahnung war das British Museum, da hier Altertümer – idealerweise mithilfe neuester Methoden wie der Fotografie – bewahrt werden sollten. Auch das neue Gebäude, das sich in den 1840er Jahren im Bau befand, verkörperte die Verbindung von Vergangenem und Zukünftigem. So wurde die architektonische Konstruktion, welche einem griechischen Tempel nachempfunden war, aus Gusseisen gefertigt, während die Wände aus dem typischen Londoner Backstein gemauert wurden. Doch sowohl die Altertumswissenschaft als auch die Fotografie waren nach ihrem Aufkommen in den frühen 1840er Jahren noch keine etablierten „Disziplinen“ des Wissenschaftssystems. Die folgenden Schilderungen widmen sich daher insbeson-

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EINLEITUNG

dere der Grauzone zwischen dem langsamen Aufkommen und dem Moment der Institutionalisierung dieser beiden Gebiete und ihrem Verhältnis zueinander.4 Was im Folgenden geschildert wird, ist jedoch keine „Liebesgeschichte“ zwischen Altertumswissenschaft und Fotografie, sondern eine von Krisen durchzogene Beziehungsgeschichte, welche sich in den ersten Jahren weniger durch enge Verbundenheit, sondern weitgehend durch die Abwesenheit des Mediums Fotografie in der Altertumswissenschaft und im Museum auszeichnet. Weshalb? So wie es sich bei der Fotografie um ein neues Bild- und Repräsentationsmedium handelte, dessen „Verhalten“, etwa das der chemikalischen Prozesse und die Eigenarten der optischen Instrumente, kaum vorausschaubar war, so waren die Methoden der Altertumswissenschaft, zum Beispiel Ausgrabungstechniken oder Klassifizierungsmerkmale, noch nicht klar definiert. Diese Unsicherheiten betrafen nicht zuletzt auch die Studienobjekte selbst, insbesondere jene, die bei den neusten Ausgrabungen in bis dato unbekannten Gebieten wie Mesopotamien zu Tage traten und für die sich Talbot, sobald die Objekte London erreichten, besonders interessierte. Wie konnten Wissenschaftler den Wert einer Inschrift beurteilen, solange die Schrift noch nicht entziffert war? Woher sollten die Gelehrten wissen, ob und wie die Fotografie zur Visualisierung dieser aus ihrem Kontext gerissenen „statuslosen“ Objekte nutzbar gemacht werden konnte, wenn bis dato kein vergleichbares Medium in Umlauf war, mit dessen Gesetzen man vertraut gewesen wäre? Die Absenz der Fotografie in den 1840er Jahren erklärt sich also einerseits aus der Neuheit der Technologie und den noch limitierten technischen Möglichkeiten. Andererseits lässt sich anhand der hier aufgeführten Beispiele jedoch feststellen, dass diese praktischen Erklärungen häufig zu kurz greifen. Vielmehr waren es die abzubildenden Objekte selbst, die sich jeglicher Bedeutungsfindung entzogen und somit auf keine bevorzugte Visualisierungsstrategie festzulegen waren. Anders gesagt lässt sich kein Objekt nach bestimmten Qualitätskriterien abbilden, wenn nicht offensichtlich ist, was an seiner bildlichen Repräsentation überhaupt primär von Interesse sein könnte. Ziel der britischen Ausgrabungen war es, Objekte von „besonderem Interesse“ zu finden und diese nach England zu transportieren. Es blieb jedoch im Dunkeln, was genau als bemerkenswert, interessant, wichtig oder lohnenswert empfunden wurde, zumal der Großteil der Funde aus Schrifttafeln bestand, die zu dieser Zeit keiner lesen konnte. Im Museum blieb dieses Problem vor allem im Zusammenhang mit den Keilschrifttafeln und den Akteuren, die mit ihnen in Berührung kamen, zunächst weiter bestehen. Die zu Beginn besprochene Fotografie verbildlicht also drei thematische Stränge, die in diesem Buch verfolgt werden: das neue Medium Fotografie, das British Museum, wo sich aus der Altertumswissenschaft heraus Disziplinen neu formierten, sowie Talbot, der sowohl Advokat der Fotografie, als auch der Altertumswissenschaft werden sollte. Viele Publikationen zur Fotografiegeschichte haben bisher dem Erfolg des

2. BRUCHSTÜCKE

Mediums wesentlich mehr Beachtung geschenkt als seinem Scheitern. Gleichzeitig gingen museums- und archäologiegeschichtliche Forschungen bisher meist von stabilen disziplinären Konstanten aus, selbst in den Anfangsjahren, als sich sowohl Institutionen als auch Fächer erst zu formieren begannen. Die unscharfe Fotografie des British Museums zeigt aber, dass viele Komponenten alles andere als stabil waren: Es war weder klar, was eine Fotografie war und wofür sie gut sein könnte, noch, worin der Zweck eines Museums für Altertümer und die Bedeutung der neu ausgegrabenen Objekte bestand. Dies hatte auch zur Folge, dass der Nutzen der Fotografie in den von Talbot praktizierten Wissenschaften nicht sofort erkannt wurde und die Kuratoren und Trustees des British Museums Talbots unbedarfte und optimistische Sicht auf die Praktikabilität einer fotografischen Kamera mitnichten teilten. Die daraus resultierenden Thesen beziehen sich zeitlich und geografisch speziell auf Großbritannien in der Mitte des 19. Jahrhunderts und sind somit nicht ohne Weiteres auf andere Dekaden oder Länder wie Frankreich übertragbar. Der „Glaube“ an die Fotografie hing außerdem vor allem vom Zweck ab, dem die Bilder dienen sollten. Talbot pries seine Erfindung mit den viel zitierten Worten, Fotografien seien „impressed by the agency of light alone, without any aid whatever from the artist’s Pencil.“5 Es wird zu zeigen sein, dass sich diese programmatische Prämisse nur mühevoll mit den öffentlichen und institutionellen Bedürfnissen des potentiellen Interessenkreises für fotografische Reproduktionen in Einklang bringen lässt. So bedienten um 1850 im Zusammenhang mit archäologischen Grabungen entstandene Bilder auch öffentliche Interessen oder sie entstanden, um finanzielle Mittel für weitere Grabungen zu erhalten. „Archäologische Bilder“ befanden sich daher an der Schnittstelle zwischen allgemeiner Öffentlichkeit, welche noch immer einer orientalistischen Bildsprache verhaftet war, und der Nachfrage nach wissenschaftlicher Visualisierung für Studienzwecke. Weder in dem einen noch in dem anderen Kontext verschrieben sich die Bilder dabei einer vermeintlich „naturgetreuen“ Abbildhaftigkeit, die die Fotografie zu versprechen suchte. Talbots epistemologisches Programm, in dem er die vielfachen Einsatzmöglichkeiten der Fotografie beschrieb, fiel somit nur bedingt auf fruchtbaren Boden.

2. BRUCHSTÜCKE Am 28. Februar 1852, zehn Jahre nach der ersten fotografischen Aufnahme des British Museums, erregte eine Abbildung die Aufmerksamkeit der Leser der Wochenzeitung Illustrated London News (Abb. 2). Das Bild zeigte kein aktuelles Ereignis, vielmehr stellte es eine imaginäre Szene dar, welche in etwa so oder auch ganz anders zwei Jahre zuvor stattgefunden haben könnte. Der Stich zeigt den Eingang zum Neubau des ­British Museums in London. Eine Rampe führt zu den ionischen Säulen hinauf, die

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EINLEITUNG

2: Empfang der Ninive-Skulturen am British Museum, publiziert in Illustrated London News, 28.02.1852, 184.

den Eingang flankieren. Einige Arbeiter und elegant gekleidete Männer, viktorianische Gentlemen, werden Zeugen einer spektakulären Szene: Auf der Rampe wird die dreimannshohe Skulptur eines geflügelten Löwen hinaufgezogen. Der Löwe kehrt dem Museum seine Rückseite zu, wodurch sein Antlitz dem Vorplatz des Gebäudes zugewandt ist. Es wirkt fast so, als habe man ihm einen letzten Blick auf die Außenwelt gewähren wollen, bevor er eine neue kulturelle Ordnung betritt, umgeben von den Mauern des British Museums. Ein Holzrahmen stabilisiert die Skulptur und mithilfe der daran festgezurrten Seile manövrieren die Arbeiter das Objekt in das Gebäude. Die in Anzügen gekleideten Herren, welche die Szene umgeben, schauen hingegen nur zu. Lediglich einer von ihnen, der auf halber Höhe der Rampe steht, scheint die Arbeiten zu koordinieren; er zeigt auf den Löwen. Die anderen Gentlemen stehen in Gruppen verteilt; vermutlich das Geschehnis kommentierend. Auf den Stufen und dem Boden verteilt liegen einige Bruchstücke, jedoch ist nicht zu erkennen, ob sie sich aus der Konstruktion, der Skulptur oder gar dem Gebäude gelöst haben, das doch gerade erst vollendet wurde, als das Bild erschien. Talbot hätte diese Szene mit Aufregung und Tatendrang beobachtet, denn die angekommenen Funde sollten ab 1850, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, den Rest seines Lebens bestimmen. Die Ausgrabungen in Mesopotamien, die zu dieser Zeit ihre Anfänge fanden, wurden vor allem durch wirtschaftliche und politische Interessen und damit durch imperialistische Bestrebungen im Osmanischen Reich vorangetrieben.6 Es ist somit

2. BRUCHSTÜCKE

kaum überraschend, dass es sich bei den ersten Ausgräbern um Regierungsbeauftragte, etwa um Diplomaten, handelte. Festzuhalten ist also zunächst, dass keine ausgebildeten „Archäologen“ – ein Begriff, der in diesem Kontext anachronistisch ist – explizit in die Region entsandt wurden, um zielgerichtet nach Objekten zu suchen. Vielmehr gehören die Ausgrabungen in den Kontext größerer und weit komplexerer politischer Vorhaben, in denen die zum Teil aus dem Zufall heraus entstandenen Grabungskampagnen instrumentalisiert wurden. Die Durchführung der Grabungen blieb somit lange einem engen Netzwerk von Akteuren in Diplomatenkreisen vorbehalten, die die öffentliche Meinung zu den Ausgrabungsexpeditionen formten und kontrollierten. Für England hatte zunächst der Diplomat und Altertumsforscher Austen Henry Layard (1817–1894) auf seinen Expeditionen in Mesopotamien zwischen 1845 und 1851 Objekte ausgegraben. Als unternehmungslustiger Abenteurer und antiquarian, wie Sammler im viktoranischen England genannt wurden, die sich für das Altertum begeisterten, hatte Layard das Zweistromland bereits in den frühen 1840er Jahren besucht. Gleichwohl war auch der französische Konsul Paul-Émile Botta (1802– 1870) in Ninive als auch in Khorsabad tätig, wo neben Skulpturen ebenfalls Inschriften ausgegraben werden konnten. Layard, der keine Grabungserfahrungen mitbrachte, war fasziniert von den Hügeln in der Nähe von Mossul, welche Botta kurz zuvor bereits stichprobenartig untersucht hatte. Daraufhin unternahm Layard 1845 – assistiert von dem einheimischen und in England ausgebildeten Reisenden Hormuzd Rassam (1826–1910), der später eine entscheidende Rolle bei den Ausgrabungen spielen sollte7 – seine erste Ausgrabung in Nimrud, welches er zunächst fälschlicherweise für Ninive hielt. 1847 begann Layard, die ersten Artefakte nach London zu verschiffen.8 Obwohl Layard und Botta eine gute Zusammenarbeit pflegten, konzentrierte sich die Geschichtsschreibung zuvor auf die konkurrierenden Aspekte, die die Grabungen zweifelsohne mit sich brachten.9 Beiden ging es vornehmlich darum, Statuen und Reliefs zu finden, die im British Museum und im Louvre ausge­stellt werden konnten. Botta hatte in der Tat Ausgrabungen am Haupthügel von Ninive, Kuyunjik, begonnen, brach diese jedoch ab, um zwanzig Kilometer weiter nördlich in Khorsabad zu graben, nachdem er dort einen großen assyrischen Palast entdeckt hatte. Die Ergebnisse der französischen Expedition wurden in Großbritannien als unbedeutend beschrieben, da das Grabungsteam weder Erfahrung noch Kenntnis oder Gespür für die Altertümer hätte.10 Die Aussage impliziert, dass die britischen Ausgräber genau diese Eigenschaften zu haben glaubten und sich somit überlegen fühlten. Da aber unklar war, welche Objekte für eine Museumspräsentation passend oder interessant sein konnten, machten sich sowohl Layard als auch Botta mit nur vagen Kriterien auf die Suche nach potentiellen Schätzen. Layards erste Funde kamen im Oktober 1848 nach London. Zwei Jahre später, im Oktober 1850, erreichte schließlich die kolossale Figur des geflügelten Löwen das Museum, welche auf dem Stich in der Illustrated London News zu sehen ist. Eine Aus-

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EINLEITUNG

stellungshalle für die assyrischen Kolossalstatuen, welche große Aufmerksamkeit erregten, wurde eröffnet. Doch die berühmten geflügelten Löwen und Stiere, die heute im British Museum zu sehen sind, waren nur ein Bruchteil von Layards Ausgrabungsfunden. Der größte Teil bestand aus Tontafeln mit Texten in Keilschrift, einem zu diesem Zeitpunkt noch nicht entzifferten Zeichensystem. Als Layard nach England zurückkehrte, wurde sein Band Nineveh and Its Remains als Bestseller in Bahnhofsbuchhandlungen verkauft.11 Die hier integrierten Bilder zeigten ebenfalls eine Erfolgsgeschichte: Wie der in der Illustrated London News dargestellte Stich, sollten sie als visuelles Exemplum für die erfolgreiche Eingliederung der archäologischen Funde in das British Museum dienen. Sie dokumentierten somit nicht den Zeitpunkt des Geschehens, sondern versuchten nachträglich an den Moment zu erinnern, als Objekte einer der ältesten bekannten Kulturen durch den Akt des Ausgrabens zu bedeutenden Ausstellungsstücken der größten britischen Sammlung wurden. So wurde etwa die Verschiffung nach England, insbesondere diejenige der großen Stiere und Löwen, in der Illustrated London News als nationales Ereignis dokumentiert (Abb. 3).12 Dass etwa zahlreiche Objekte im Fluss verloren gingen, war nirgends zu sehen und wurde nur beiläufig erwähnt. Da es sich um in der Bibel erwähnte Orte handelte, griffen die Besprechungen von Layards heroischem Reisebericht den Gedanken auf, dass Großbritannien durch die Grabungen in Ninive die eigene Geschichte auf- und wieder entdecke. Mesopotamien wurde somit als genuin europäischer Raum markiert. Ein Ziel der aufwendigen und triumphalen Berichterstattung war die Sicherung von Subventionen für weitere Ausgrabungen. Zwar unterstützte das British Museum die Grabungen finanziell, doch Geldprobleme blieben fortwährend bestehen, zumal die Briten weniger Mittel als die Franzosen zur Verfügung stellten. Auch deshalb dürfte Layard bemüht gewesen sein, die Expedition nach außen hin als klar durchdachtes Unternehmen mit eindeutig definierten Zielen darzustellen. Mit Unterstützung des Außenministeriums konnte Layard tatsächlich 1851 zu einigen mesopotamischen Stätten zurückkehren und seine Arbeit fortsetzen. Im Anschluss daran gab er die Archäologie zugunsten seiner politischen Karriere auf und andere setzten seine Arbeit fort. Die Funde, die aus Mesopotamien eintrafen, hatten zwei Aspekte mit der Fotografie gemeinsam: Zum einen stellten sie ihre Betrachter vor enorme klassifikatorische Herausforderungen, zum anderen waren sie reproduzierbar, ein Aspekt, der im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielte. Die Eignung zur Reproduktion der Skulpturen trat zum Beispiel im Nineveh Court zutage13, welcher ein Teil der erweiterten ersten Weltausstellung, der Great Exhibition von 1851 war, die 1854 in den Crystal Palace zog. Der Nineveh Court war der größte der Fine Art Courts, wo verschiedene Kunstsparten zur Schau gestellt wurden und sollte den einstigen Reichtum und Luxus der assyrischen Zivilisation verdeutlichen.14 Er zeigte Reproduktionen der von Layard ausgegrabenen Funde, keine Originale. Mit ihrer Integration in das Gesamtkonzept

2. BRUCHSTÜCKE

3: Frederick Charles Cooper, Kelek auf dem Fluss mit Stierskulptur aus Nimrud, Aquarell, The British Museum.

der Fine Art Courts, in denen Kunstgegenstände verschiedener geographischer Regionen zu sehen waren, schien die Ausstellung die fehlenden kuratorischen Konzepte im British Museum – auch Probleme mit fehlenden Lagerräumen wurden genannt – wettzumachen, die die Trustees zur gleichen Zeit plagten. Die Bedeutung des Originals drang zu dieser Zeit erst langsam ins allgemeine Bewusstsein. Reproduktionen und Abgüsse schienen für Bildungszwecke, wie sie unter anderem in der Great Exhibition propagiert wurden, durchaus geeignet.15 Wie auch die Fotografie spiegelten sie ein vorherrschendes Dispositiv wieder, welches der Nachbildung und der Reproduktion einen dem Original mindestens ebenbürtigen, wenn nicht sogar überlegenen Status zusprach. Mit der Weltausstellung von 1851 und ihrem Weiterbestehen ab 1854 sollten zum einen nationale Kunst, zum anderen Industrie und Technik ausgestellt und gefördert werden. Hier trafen Mesopotamien und Fotografie zum ersten Mal aufeinander. Wenngleich sie auf den ersten Blick nichts verbindet, so teilten sie sich jedoch dies: sowohl die Objekte aus Mesopotamien, als auch die Fotografie hatten einen problematischen Status inne, da es sich um Exponate handelte, die sich in keine Sektion der

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Ausstellung ohne Weiteres integrieren ließen. So wurden zum Beispiel fotografische Abzüge als auch Kameras ausgestellt, doch es war nicht ersichtlich, ob die ausgestellten Gegenstände Kunst, wissenschaftliche Instrumentarien oder beides zugleich waren. Ebenso wenig wurde bei den assyrischen Objekten deutlich, ob sie überhaupt als Kunstwerke gelten sollten.16 Assyrische Funde erschienen im Vergleich zum vorherrschenden Ideal, der griechischen Kunst, wie zweitklassige Objekte. Weder ihr Wert noch ihr Status war auf den ersten Blick ersichtlich. Sie glichen am ehesten Exponaten eines Kuriositätenkabinetts. Mit der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Objekten ging das Bestreben einher, die bis dato unbekannten Keilschriftzeichen zu entziffern.17 Dies sollte bald zur wichtigsten Aufgabe im Zuge der Ausgrabungen werden. Die 28.000 Tontafeln – die spätere Kuyunjik-Sammlung18 –, die zwar in Ninive ausgegraben, jedoch zu dieser Zeit unlesbar waren, sollten entscheidende Objekte für die Entzifferung der assyrischen Keilschrift und das Studium der Assyriologie werden. Auf den Tontafeln verbarg sich unbekanntes Wissen über assyrische Religion, das Sozialwesen, Wirtschaft, Literatur, Politik und Wissenschaft. Es war somit allein ihr museales und wissenschaftliches Potential, welches sie zu Objekten machte, die des Transportes nach London würdig waren. Worin ihr Wert genau bestand, war zum Zeitpunkt der Ausgrabung nicht definiert. Layard war sich der Bedeutung der Sammlung kaum bewusst; er konnte die Keilschrift nicht lesen. Sobald man mit der Entzifferung der Schrift begonnen hatte, war das Interesse an den bis dato mysteriösen Tafeln größer als das an den Skulpturen. Dank der Vorarbeit an der Entzifferung einer trilingualen Keilinschrift (Persisch, Elamisch und Babylonisch) im persischen Bihistun in den 1830er und 1840er Jahren, deren philo­ logische Bedeutung mit der des Rosettasteins vergleichbar ist, machte die Entzifferung der Keilschrift aus Mesopotamien ab 1850 rasche Fortschritte. Die treibende Kraft hinter diesen ersten Entwicklungen war, wie bereits in Persien, Henry Creswicke Rawlinson (1810–1895), britischer Konsul in Bagdad, der später eine wichtige Rolle im British Museum übernehmen sollte.19 Darüber hinaus trug der irische protestantische Theologe Edward Hincks (1772–1866), der sich ausführlich mit Hieroglyphen beschäftigt hatte, wesentlich zur Entzifferung der Keilschrift bei. Zu Beginn arbeiteten beide unabhängig voneinander an der altpersischen, dann an der babylonischen Keilschrift und trugen dafür die assyrischen historischen Texte und die assyrischen Kopien babylonisch-literarischer Texte zusammen. Außerdem arbeitete auch Edwin Norris (1795–1872), Bibliothekar und Assistent an der Royal Asiatic Society, an der Entzifferung. Nicht zuletzt war, wie dieses Buch zeigen wird, auch William Henry Fox Talbot maßgeblich an der Entzifferung beteiligt. Doch diese geschah nicht nur um ihrer selbst willen, sondern hatte auch eine weit bedeutendere Tragweite: Layards Grabungen legten das materielle Fundament für eine Disziplin, die sich später unter dem Namen Biblical Archaeology als wissenschaftliches Fach in Großbritannien durch-

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setzte. Sie untersuchte primär, in welchem Verhältnis die Bibel zu antiken Schriftquellen und Religionen stand, die in Vergessenheit geraten waren.20 Nicht selten sahen sich Vertreter dieser Fachrichtung dazu gezwungen, die zunehmende Kritik am Alten Testament zu bekämpfen, die für ihre Verfechter immer bedrohlicher wurde.21 Layards und Bottas Funde bewiesen die tatsächliche Existenz dreier wichtiger assyrischer Orte, die zuvor einzig durch die Bibel bekannt waren. Bis in die 1860er Jahre hatten Altertumswissenschaftler und Philologen keine anderen „historischen“ Zeitangaben als die der Bibel, doch dies sollte sich ändern. Die Altertumswissenschaft entwickelte sich so mit der Zeit zur Leitdisziplin im Sinne einer positive science, die anderen wichtigen Disziplinen, wie etwa der Geologie, den Rang ablief. Die Bedeutung der Funde begründete sich also in zwei Topoi: Zum einen erweiterte sich durch sie die Sammlung des British Museums, selbst wenn es zunächst alles andere als ersichtlich war, wo die Exponate ausgestellt werden sollten. Zum anderen materialisierte sich durch die Funde eine bis dato nur durch die biblische Überlieferung bekannte neue Realität eines „wahrhaftigen Assyriens“, die im christlich geprägten viktorianischen England eine nicht zu unterschätzende religiöse Tragweite hatte: Sie machte die Bibel nicht nur greifbar, sondern auch objektiv. Für die sich zunehmend als universitäre Disziplin entwickelnde Assyriologie bedeutete dies, dass sie nicht länger nur das Sammeln von Skulpturen beinhaltete, sondern sich zu einer ernstzunehmenden Wissenschaft mit gesellschaftlicher Bedeutung entwickeln würde.22 Die Objekte waren folglich mit einem besonderen, zunehmend wissenschaftlichen Wert behaftet, auch wenn sich dieser zunächst nur in ihrem Potential manifestierte. In den folgenden Kapiteln soll gezeigt werden, dass die Verhandlung über den Status und der Zugang zu diesen Objekten ein komplexes Unterfangen war, welches stark von sozialen Hierarchien, internen Wettkämpfen und von Bildmedien wie der Fotografie abhing, da der Zugriff auf die Inschriften oft nur durch Re­produktionen erfolgte. War die Archäologie als Disziplin um 1850 erst im Entstehen, so ließ sich ihre Rolle nur im Konjunktiv formulieren. Der britische Altertumswissenschaftler Charles Thomas Newton (1816– 1894) beschrieb ihre Aufgabe mit folgenden Worten: „He who would master the manifold subject-matter of Archaeology, and appreciate its whole range and compass, must possess a mind in which the reflective and perceptive faculties are duly balanced; he must combine with the aesthetic culture of the Artist, and the trained judgment of the Historian, not a little of the learning of the Philologer; the plodding drudgery which gathers together his material must not blunt the critical acuteness required for their classification and interpretation.“23 Nicht nur das Ausgraben und Einordnen von Objekten in Sammlungen waren somit potentielle Aufgaben der Archäologie. Sie hatte auch den Auftrag, Objekte von ihrer

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4: George Scharf, Townley Gallery und Eröffnung der New Gallery, 1828, Zeichnung, The British Museum.

Umgebung loszulösen, zu klassifizieren und sie hierdurch voneinander zu unterscheiden. Hierfür bedurfte es bildlicher Darstellungen, da mit ihrer Hilfe die Bedeutung der Funde als mobile Objekte losgelöst von ihrem Kontext erschlossen werden konnte.24 Dies impliziert mitunter, dass neben der Fotografie weitere Medien, wie die Zeichnung, hinzugezogen wurden. Auch wenn viele Altertumswissenschaftler auf ihren Expeditionen selbst zeichneten, so waren es oft eigens dafür angestellte Künstler, die dieser Aufgabe auf den Expeditionen professionell nachkommen sollten. Die Wichtigkeit, die diesen Beschäftigungsverhältnissen beigemessen wurde, zeugt von dem hohen Stellenwert, den Bilder im Rahmen von Expeditionen einnahmen. Zeitgleich verbreiteten sich in Großbritannien, angeregt von Johann Heinrich Pestalozzi (1766–1827), auch neue Theorien über die pädagogische Wirkung von Bildern.25 So wies der britische Bildhauer Waterhouse Hawkins (1807–1894) zum Beispiel 1854 gegenüber der Royal Society of Arts im Zusammenhang mit einer Ausstellung von reproduzierten Skulpturen im Crystal Palace darauf hin, dass eine Skulptur Wissen direkt „über das Auge“ vermitteln solle.26 Die Verbreitung von illustrierten Wochenzeitungen wie das Penny Magazine, das Athenaeum und, nach 1843, die Illustrated London News machte Bilder weithin zugänglich und förderte den zunehmend bildlich geprägten Charakter viktorianischer Erziehung und Berichterstattung.27 Neben Talbot, der

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Fotografie und dem Altertum widmet sich dieses Buch daher auf einer weiteren ­Ebene dem Verhältnis zwischen antiken Objekten und ihrer bildlichen Darstellung, wie sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang von britischen Expeditionen im Mittleren Osten praktiziert wurde und die mehrere Medien gleichzeitig umfasste, weshalb die Fotografie hier somit nicht isoliert, sondern im Kontext weiterer Bild- und Reproduktionsmedien betrachtet wird. Die Sammlung des British Museum wurde nicht nur durch Altertümer erweitert. Das Board of Trustees, eine Art Vorstand oder Kuratorium des British Museums, begann um 1850, den Plan für die heutigen Museumsstrukturen zu entwickeln, indem es die Sammlungen in verschiedene Bereiche aufteilte und dafür jeweils verantwortliche Kuratoren ernannte. Dies war kein leichtes Unterfangen. Als die Funde aus Mesopotamien wie zum Beispiel der Löwe schließlich im British Museum gezeigt wurden, erregten sie großes Interesse. Doch viele der Objekte konnten nicht ausgestellt werden, da die Kuratoren keinen geeigneten Platz für sie fanden. In diesem Buch wird es also weniger um den monumentalen Löwen als vielmehr um die zahllosen Bruchstücke vor dem Gebäude gehen, die auf dem Stich der Illustrated London News (Abb. 2) fast beiläufig wirken, doch auf einer Zeichnung von George Scharf (1820–1895) eindrucksvoll dokumentiert wurden (Abb. 4). Thema ist also nicht so sehr der Einzug des Löwen in ein prunkvolles Gebäude, sondern die Treppen vor dem Museum, die Schwelle zwischen der Außenwelt, aus der die Grabungsobjekte stammen, und der Innenwelt der Museumssammlung, deren Teil sie werden sollen (Abb. 5–6). Die folgende Darstellung widmet sich somit dem zeitlichen Zwischenraum, in dem es zwar bereits zahlreiche Funde, jedoch keine systematische Sammlung gab, in der die Objekte einen angemessenen Ort gefunden hätten. Wenn es hier, überspitzt formuliert, überhaupt um Fotografie geht, dann vor allem um die Tatsache, dass auf dem ersten Foto des British Museums nicht viel mehr zu sehen war als vage Konturen und Spuren chemischer Prozesse, die das dargestellte Objekt kaum erkennen lassen. Was geschah zwischen 1843, dem Jahr, in dem ein enthusiastischer William Henry Fox Talbot seine Erfindung verschiedenen Wissenschaftlern vorstellte und 1853, als die Fotografie schließlich in der Praxis zunehmend angewendet wurde? Anders gesagt geht es um Dinge, die nie stattgefunden haben. Das Buch handelt weder nur von Talbot noch ausschließlich von der Frühphase der Fotografie. Vielmehr widmet es sich der bislang wenig beachteten Periode zwischen zwei scheinbar stabilen Momenten in der Frühgeschichte der Fotografie und lenkt den Blick zugleich auf die Geschichte archäologischer Expeditionen, um teleologische Geschichtsschreibungen in Frage zu stellen, welche Momente der Kontingenz außer Acht lassen.

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5: Joseph Bonomi, Umzug einer Löwenskulptur aus Ninive in den New Room, British Museum, 19. 02. 1852, publiziert in Joseph Bonomi, Nineveh and its Palaces (London: H. G. Bohn, 1857). 6: Nineveh Room im British Museum, Illustrated London News, 26.03.1853, 225.

3. ÜBER DIESES BUCH

3. ÜBER DIESES BUCH Es sind genau diese Brüche und Zufälle, die mitunter dazu fähren, dass wissenschaftliche Erfindungen mit willkürlich herangezogenen Jahreszahlen bestritten werden müssen. Die Fotografie ist da keine Ausnahme. Eine Kurzfassung der Erfindung der Fotografie liest sich in etwa so: Im Januar 1839 stellte der französische Maler LouisJacques Mandé Daguerre (1887–1951) in Paris ein fotografisches Verfahren, die Daguerreotypie, vor. Diese Nachricht veranlasste den britischen Gelehrten William Henry Fox Talbot, panisch seine fotografischen Experimente öffentlich zu machen, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er diese bereits seit 1833 privat durchgeführt hatte. Obwohl es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Techniken handelte, stellten diese Begebenheiten das ideale Szenario für einen Wettlauf, das bis heute Forscher mit der Frage umtreibt: wer kam, wo, wann und weshalb zuerst. Gerade weil die Frage nach der „ersten Fotografie“ ungeklärt ist, wird auch in Zukunft das Bedürfnis bestehen, den Beginn des Mediums auf einen bestimmten Zeitpunkt festzulegen. Das Jahr 1839 gilt seit langem als „Urknall“ oder „Geburtsstunde der Fotografie“, Metaphern, die sich in verschiedenen Sprachräumen durchsetzen. Während die Rede vom Urknall ein paukenschlagartiges, plötzliches Erscheinen der Fotografie aus dem Nichts sug­ geriert, geht Geburten bekanntlich etwas voraus. Deshalb betonten Fotohistoriker bereits vor Jahren, dass sich das Jahr 1839 nicht auf den Zeitpunkt der ersten Fotografie, sondern lediglich auf ihr erstes öffentliches Auftreten beziehe.28 1839 ist also das Jahr, in dem das Medium, einst privates Experiment, Eingang in öffentliche Debatten hielt. Es ist das Jahr, in dem sich der Diskurs auf zwei Protagonisten, neben Talbot auch der Franzose Louis Jacques Mandé Daguerre, beschränkte, die trotz ihrer unterschiedlichen Techniken seither als konkurrierendes Tandem die Fotogeschichte dominieren.29 Meist geschah dies, ohne dass die Bedeutung der sowohl heute als auch damals problematischen Begriffe wie „Erfinder“ oder „Entdeckung“ kritisch in den Blick genommen wurde. Neben den immer gleichen (ausschließlich europäischen) und nunmehr kanonischen Protagonisten, Orten, Bildern und Quellen dominieren in der Debatte auch konditionierte Vorstellungen darüber, was eine Fotografie – das fixierte Bild scheint conditio sine qua non – überhaupt ist. Versionen „für Fortgeschrittene“ wandten außerdem ein, dass es bereits vorher fotografische Experimente gegeben hatte. Viele hatten darauf hingewiesen, dass es den Erfinder, geschweige denn die Erfindung der Fotografie ohnehin nicht gegeben habe. Wie ließe sich der erste Erfolg eines fotografischen Bildes auch definieren? Bereits durch frühe Lichtexperimente oder nur durch das erfolgreiche Fixieren eines Bildes auf der fotosensitiven Platte?30 Doch verweilen wir noch einmal im Jahr 1839 und seinen Protagonisten. Die Bedeutung des Jahres relativiert sich sogleich, wenn man es im Kontext der Gesamtarchive der beiden Protagonisten Talbot und Daguerre betrachtet.31 In ihrem jeweiligen Œuvre nahm die Fotografie eine marginale Rolle ein. So zeigte der New Yorker

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Kurator und Fotohistoriker Stephen Pinson jüngst, dass Daguerres jahrelanges Schaffen als Theatermaler durch das Jahr 1839 völlig in Vergessenheit geriet. Was Daguerre wirklich beschäftigte, war, illusionistische Panoramen für Pariser Bühnen und Drucke herzustellen. Die Daguerreotypie versteht Pinson quasi als Nebenprodukt eines vielfältigen Künstlerlebens. Pinsons Studie machte den Weg frei für eine Fotogeschichte, in der die Frühzeit der Fotografie nicht länger als Bruch und Paukenschlag, sondern als Kontinuität in Relation mit anderen Medien wahrgenommen werden kann. Tatsächlich gibt ein Blick auf das Gesamtarchiv Aufschluss über die Konditionen eines Mediums, das in den Augen der Erfinder mitnichten in dem Maße als Novum wahrgenommen wurde, wie wir das heute tun. Auch Talbot ist hier ein gutes Beispiel. Ein Szenenwechsel würde Talbot 1839 etwa nicht in einer Dunkelkammer mit Chemikalien hantierend zeigen, sondern an einem Georgianischen Mahagonieschreibtisch sitzend, gebeugt über die Druckfahnen gleich zweier Bücher, die sich mit dem Einfluss des Buches Genesis auf vorklassische Religionen und mit den klassischen Traditionen Griechenlands, Italiens und Ägyptens befassten. Beide Bücher wurden 1839 publiziert. Briefe belegen, dass diese Ereignisse sowohl für Talbot als auch für sein Umfeld nicht weniger bedeutend waren als seine fotografischen Experimente. Talbot hatte 1833 in der Tat mit seinen fotografischen Experimenten begonnen und seine Erfindung 1839 der Royal Institution und der Royal Society präsentiert. Seine Interessen waren jedoch von Beginn an überaus vielfältig. Die 1830er Jahre, die Blütezeit der fotografischen Experimente, sollte die produk­ tivste Zeit seines Lebens werden, die gleich mehrere Gebiete parallel umfasste, etwa neben der Fotografie auch die Mathematik, verschiedene Naturwissenschaften und die Philologie. Seine Leidenschaft galt jedoch der Assyriologie. Besonders bemerkenswert und bislang unbekannt ist dabei, dass Talbot seine Aktivitäten als Fotograf Mitte der 1840er Jahre einstellte. Ausnahmen bilden seine späteren Errungenschaften auf dem Gebiet der Fotogravure, die Beharrlichkeit, mit der er fotografische Patente durchsetzte, und schließlich seine unablässigen Bemühungen, die Fotografie wissenschaftlich anwendbar zu machen. Wenn Talbot weiterhin eine wichtige Figur in der Fotogeschichte bleiben wird, dann auch aus diesen Gründen. Talbot kann ohne Zweifel als eine Art „Superheld“ der Fotografiegeschichte beschrieben werden; eine Lesart, die ihre Ursprünge im 19. Jahrhundert findet und mehrere Protagonisten an den Rand drängte, unter anderem die inzwischen ebenfalls kanonisch rezepierte, jedoch lang vernachlässigte Figur Daguerres. Zu Fragen wäre jedoch nicht nur „What’s wrong with Daguerre?“32, sondern auch „What’s right about Talbot?“. Die Konjunktur, die seine Bilder schließlich im Laufe des 20. Jahrhundert sowohl aus kunsthistorischer, als aus aus ökonomischer Sicht erfuhren, ist beispiellos und geriet in den 1980er, unter anderem durch den bahnbrechenden Essay von Abigail Solomon-Godeau, „Calotypomania“, in die Kritik.33 Darin und in seiner

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kontroversen Rezeption ging es zum einen um den Status früher Kalotypien und eine Kritik am Kunstmarkt, der diese nicht nur für viel Geld, sondern auch als Kunst ihrer selbst Willen verkaufte, zum anderen aber auch um den Ort, die Kategorie, in der Fotografien zukünftig zu verhandeln waren. War dies wirklich Kunst und die Kunstgeschichte (wenngleich letztere heute als Bildwissenschaft mehr denn je das methodische Handwerk bereitstellen mag, diese Bilder zu analysieren)? Im Hinblick auf die neuen Archivquellen, die es zulassen, Talbot neu zu kontextualisieren, schließt dieses Buch an diese etwas in Vergessenheit geratene Diskussion an und stellt damit erneut Fragen, die über Talbot hinausgehen: Wo befindet sich der Ort der Fotografie, gerade wenn es sich um Fotografien handelt, die als Kunstwerke einen – wenn nicht sogar, wie im Falle Talbots, einen exklusiven und durch zahlreiche Museumssammlungen geradezu geadelten – kanonischen Status genießen, sich nun aber erstmals durch um­­­­­ fassende Archivquellen in einem historischen Kontext wiederfinden, der mit Kunst unter heutiger Definition wenig zu tun hat? Talbots materielle Hinterlassenschaften – Notizbücher, Briefe, Naturalien, Herbarien, Artefakte und Bücher aus seiner Privatbibliothek – laden Forschende in der British Library in London und der Bodleian Library in Oxford seit kurzem zu neuen Entdeckungen ein, wo umfassende Archive der Talbotfamilie gestiftet, beziehungsweise angekauft wurden.34 Nur wenige Archive zeigen die Vielfalt materieller Kultur eines wissenschaftlichen Country House Archives des viktorianischen Englands auf so eindrückliche und vollständige Art und Weise. Und nur wenige dürften der Frühzeit der Fotografie in Großbritannien noch einmal völlig neue Facetten verleihen, nicht obwohl, sondern gerade weil die Quellen nicht direkt von Fotografie handeln, sondern vielmehr von ihrem wissenschaftlichen Kontext. Hiervon soll dieses Buch erzählen. Wenngleich Talbots lebhafte Korrespondenz durchaus davon Zeugnis gibt, dass ihn die Fotografie in den 1830er Jahren beschäftigt hat, ja, dass ihn die Ereignisse in Paris im Januar 1839 geradezu belasteten, so tun dies die Notizbücher, der eigentliche Spiegel seines Tuns und Schaffens, mitnichten. Notizbücher zur Fotografie gibt es – schließt man die Hefte mit ein, die sich neben Notizen zur Fotografie auch immer wieder fragmentarisch mit optischen Illusionen oder chemischen Experimenten wie die Entwicklung einer unsichtbaren Tinte befassen – gerade mal eine Handvoll. Dem stehen ungefähr einhundert Notizbücher gegenüber, die Talbot allein in den 1830er Jahren der Mathematik und Philologie widmete. Das Archiv legt außerdem nahe, dass sich Talbot ab 1850 bis zu seinem Tod fast ausschließlich der Entzifferung von Keilschriften aus Mesopotamien widmete. Hat dies noch etwas mit Fotografie zu tun? Ja, hat es. Denn Talbots fotografischer Blick war der eines Wissenschaftlers der um die Dinge wusste, die er fotografierte. Gerade Talbots Notizbücher reflektieren seine vielfältigen Errungenschaften jenseits der Fotografie, wenngleich einige seiner Interessensgebiete, wie beispielsweise die Optik, freilich eng mit ihr in Verbindung stehen. Das mangelnde Wissen über

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­Talbots vielfältige wissenschaftliche Forschungsinteressen war nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sein fotografischer Nachlass von den Dokumenten seiner übrigen Errungenschaften getrennt wurde. Talbots Fotografien, die in Kunstmuseen seit einigen Jahrzehnten ohne Zweifel zu den wichtigsten fotografischen Sammlungsobjekten überhaupt gehören, und die wenigen Notizbücher zur Erfindung der Fotografie – bei Letzteren handelt es sich um weniger als ein Dutzend – sind größtenteils von der Vielzahl der Aufzeichnungen separiert, die sich vorwiegend mit anderen wissenschaftlichen Arbeiten befassen. Zu nennen wären die über hundert Notizbücher zur Entzifferung von Keilschrift, die auf den ersten Blick nichts mit Fotografie gemein haben – bei näherem Hinsehen jedoch durchaus. Das Archiv und seine Organisation formte und kontrollierte also die Art und Weise, wie über Talbot geschrieben wurde. Wie können die neuen Quellen, die Talbots Interessen jenseits der Fotografie so eindrücklich beleuchten, in Zukunft in der Fotogeschichte bewertet werden? Dieses Buch wird erstmals detailliert auf diese Gebiete eingehen und einen der wichtigsten Protagonisten der frühen Fotogeschichte nicht mehr isoliert, sondern im Kontext seines gesamten Schaffens betrachten und versucht somit neue Ansätze zu finden, um Talbots fotografische Errungenschaften im Kontext seines Archives und der wissenschaftlichen Praktiken der Zeit zu verstehen. Die erstmalige Konzentration auf Talbots Interesse am Altertum bietet sich hierfür besonders an, da es Talbots Dasein als Wissenschaftler und Privatgelehrter grundlegend dominierte.35 Talbots Korrespondenz zeigte bereits eindrücklich, dass er Mitglied eines bemerkenswerten europaweiten Gelehrtennetzwerkes des 19. Jahrhunderts war. Die Briefe eröffneten Forschenden bereits die Möglichkeit, sich mit Talbots Kontakten und seinen Tätigkeiten in einem weiteren Kontext zu befassen.36 So untersuchte Larry Schaaf anhand der Korrespondenz die Zusammenarbeit zwischen Talbot und seinem Kollegen und Brieffreund, dem Wissenschaftler John Frederick William Herschel (1782– 1871), im Hinblick auf Talbots fotografische Experimente.37 Die jüngst öffentlich gemachten Talbot-Archive steigern die neuen Forschungsmöglichkeiten in hohem Maße und erlauben es, Talbot auch in Wechselwirkung mit anderen viktorianischen Nachlässen zu untersuchen.38 Eine interdisziplinäre Konferenz Beyond Photography und darauf aufbauende Publikation vereinten daher Kunsthistoriker, Kuratoren, Wissenschaftshistoriker und Experten verschiedener Gebiete, in denen Talbot tätig war, um dessen Tätigkeiten und die Fotografie erstmals und umfassend als Teil eines größeren Gedankengebildes (mindset) zu untersuchen.39 Es wäre freilich irreführend, Talbot als bisher zu Unrecht wenig beachtetes Universalgenie des 19. Jahrhunderts zu stilisieren. Auf gewisse Art und Weise war er eher typisch als außergewöhnlich. Und schließlich ist der Grund, warum man sich heute mit ihm befasst, einzig und allein die Fotografie. Unsinnig wäre es außerdem zu behaupten, dass die Fotografie keinen Stellenwert in Talbots Leben einnahm. Sie tat es, doch wechselte Talbot schon nach wenigen Jahren die Seiten vom Erfinder zum

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wissenschaftlichen Nutzer des Mediums. Dieser Wunsch war durchaus eigennützig: Der etwas reisefaule Wissenschaftler benötigte fotografische Reproduktionen der zu dieser Zeit am British Museum eintreffenden Keilschrifttafeln, um diese in seinem Landhaus in Ruhe entziffern zu können. Nachdem Talbot selbst nicht mehr fotografierte, erachtete er es daher als seine Aufgabe, Wissenschaftlern seines Umfelds den wissenschaftlichen Einsatz der Fotografie nahezulegen. Ob er selbst oder ein anderer diese Fotografien machte, spielte für Talbot sehr schnell keine Rolle mehr. Der Schwerpunkt auf Praktiken ermöglicht einen weiteren Neuansatz, der vor allem die Talbotforschung betrifft. Bisher legten die meisten Studien zu Talbots fotografischem Œuvre den Fokus auf eine Lesart, die Talbot als Künstler und seine Arbeiten ausschließlich als Kunstwerke um ihrer selbst willen begreift, obgleich sie im Kontext oben erwähnter wissenschaftlicher Bildproduktion zu betrachten sind.40 Wenngleich Talbots The Pencil of Nature (1844–1846), das erste mit Fotografien illustrierte Buch, fast ausschließlich im Kontext der Kunstgeschichte besprochen wird, waren Talbots wissenschaftliche Bestrebungen die eigentliche Antriebsquelle seiner fotografischen Experimente. Talbot beschrieb in diesem Buch die möglichen Einsatzmöglichkeiten der Fotografie, wie er sie selbst als Wissenschaftler imaginierte. Dass Talbot in seiner Rolle als Advokat der Fotografie in den Wissenschaften nicht immer Erfolgt hatte, ist gewissermaßen die Gegenthese zu The Pencil of Nature. Die dort von Talbot beschriebene und häufig im Konjunktiv ausgeführte Vision für das Medium löst sich zur gleichen Zeit ihrer Publikation in Luft auf, lenkt man den Blick auf die Umsetzung der dort erläuterten möglichen Implementierung des Mediums, die in den 1840er Jahren mitnichten ohne Widerstand vonstattenging. Wenngleich viele Autoren sichtlich fasziniert von Talbots vielfältigen Interessen waren, so nahm dies jedoch kaum jemand zum Anlass, im Hinblick auf seine Bemühungen um die Fotografie einen pragmatischeren Ansatz zu verfolgen, geschweige denn ihr Scheitern zu untersuchen. Denn auch wenn den Bildern keineswegs ihr ästhetischer Wert abgesprochen werden soll, so lautet eine der Hauptthesen dieses Buches, dass Talbots Konzeption der Fotografie sich vor allem darin begründete, diese primär als Hilfsmittel für seine wissenschaftlichen Studien zu verstehen. Die Bildmotive seiner Fotografien lediglich auf einer ikonografischen und ikonologischen Ebene zu verhandeln, wie es häufig in der Vergangenheit geschah, würde Talbots Œuvre kaum gerecht werden.41 Zu fragen wäre dann, wie seine Arbeiten zu interpretieren und einzuordnen sind, wenn sie nicht ausschließlich im Kontext des Sublimen und der Ästhetik, geschweige denn in unserem heutigen Verständnis von Kunst zu verorten sind (der Begriff Kunst wurde um 1840 vor allem mit handwerklichen Fähigkeiten assoziiert). Eine Antwort findet sich in Talbots Suche nach neuen Reproduktionstechniken und Methoden zur Organisation von Wissen auf Papier. Bemerkenswert ist hierbei die Analogie zwischen der Praxis des Notierens und dem Fotografieren, beides Techniken der Aufzeichnung, die Talbot einsetzte. Für ihn funktionierten sie komplementär und

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unterschieden sich im Zweck nicht grundsätzlich voneinander. Im Œuvre Talbots gibt es somit kein klares „vorher/nachher“ im Hinblick auf die Fotografie. Ästhetik und Epistemik verdichten sich somit in Talbots Bildern in höchstem Maße. Seine frühen Fotografien evozieren zugleich ein neues Verständnis epistemischer Praktiken: Klassifizierung, Auflistung, Sammeln und, allen voran, die Reproduktion – allesamt Techniken, die wiederum die Wahrnehmung von Objekten veränderten. Talbot stellte sich die Fotografie als ein Werkzeug vor, mit dessen Hilfe Bildarchive angelegt und verbreitet werden konnten. Dies resultierte in neuen Bedeutungsebenen und Sinnzusammenhängen der abgebildeten Objekte. Insbesondere fügt Talbots Hang zum Notieren der Diskussion um Aufzeichnung, Einschreibung und Spur42 in der Fotografiegeschichte, die vor allem im Zusammenhang mit Licht und Natur erörtert wurde, eine völlig neue und zutiefst materielle Bedeutungsebene hinzu. Fotografie bei Talbot ist also viel mehr Einschreibung beziehungsweise Aufzeichnung, als dies je angenommen wurde, jedoch kann dies bei Talbot sowohl durch die Natur als auch durch die Hand geschehen. Der Bedeutung des Bleistifts (pencils) in Anspielung auf sein Buch The Pencil of Nature wird in den folgenden Ausführungen eine neue Ebene hinzugefügt. In beiden Fällen ist Aufzeichnung immer gleichzeitig Übersetzung und die Vermittlung von etwas Neuem. Es ist hier somit nicht das Ziel, eine Apotheose Talbots als Altertumswissenschaftler ähnlich seiner Rolle als Erfinder der Fotografie zu bewirken. Vielmehr geht es im Folgenden um gegenseitige Einflüsse seiner Interessen, soziale Kontexte, disziplinäre Verbindungen und epistemische Praktiken, die das Notieren und Fotografieren miteinschließen und als gleichrangig erachten. Wenn hier also die Verzahnung von Talbots Gelehrtentum und der Fotografie Thema sein wird, so soll diese vor allem in Wechselwirkungen mit anderen Methoden wie dem Notieren, sozialhistorischen und institutionellen Faktoren sowie mit Augenmerk auf den praktischen Nutzen der Fotografie untersucht werden. Im Hinblick auf den letzten Punkt verstehen sich die vorliegenden Ausführungen als kritische Revision, welche mit jüngeren kritischen Studien zum Einsatz der Fotografie in den Wissenschaften im Einklang steht.43 Die traditionell teleologisch ausgerichtete Fotografiegeschichte hatte sich bis vor wenigen Jahren auf Erfolgsgeschichten des Mediums konzentriert, in der nur wenige Forscher erwähnten, dass sich die Technik erst nach einigen „Kinderkrankheiten“ ab Mitte der 1850er Jahre erfolgreich durchsetzte und sich selbst dann nur als komplementäres und fast nie als alleinstehendes Hilfsmittel in den Wissenschaften behaupten konnte.44 Lange wurde auch angenommen, dass die Produktion von Zeichnungen, Aquarellen und Abklatschen auf archäologischen Expeditionen um 1850 abnahm, da die Fotografie andere Medien als bevorzugtes Mittel zur Dokumentation antiker Objekte ersetzt habe, wobei einige Forscher jüngst zeigten, dass in mehreren Disziplinen, darunter auch in der Archäologie, ein Nebeneinanderwirken verschiedenster Methoden vorherrschte.45 In den meisten Ansätzen dominiert somit ein Fortschritts-

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gedanke, nach dem Fotografie und Archäologie respektive Altertumswissenschaft sich gegenseitig befruchteten und voranbrachten.46 Sie gehen dabei von einem klaren Vorher-Nachher-Verhältnis aus, bei dem die Fotografie entweder noch nie oder schon immer dagewesen ist. Doch was genau passierte dazwischen? Wie sehen die Übergänge aus und wie machte sich Zögern, Unterlassen, kurz die Absenz der Fotografie in diesen frühen Jahren bemerkbar? Darüber hinaus mag den Leser/die Leserin verwundern, dass Talbot kurz vor seinem Tod 1877 die Fotografie selbst in Frage stellte, als er diese bei der Entzifferung einer Tontafel als völlig unzureichend empfand und zusätzliche Zeichnungen und Lithographien verlangte. Was aber an Talbots Archiven vielleicht am meisten überrascht, ist die durch ihren Inhalt nahegelegte Vermutung, dass Talbot „die Fotografie“ von 1839 wahrscheinlich nie als Endprodukt seines Erfindergeistes imaginiert hatte. Jahrzehntelang experimentierte Talbot mit Fotogravure, die er für die bessere Technik hielt, um die Fotografie für den Druck in Büchern praktikabel zu machen. Wann wurde die Fotografie, in der longue durée von Talbots Wissenschaftlerleben, dann erfunden? Während dieses Problem kaum gelöst werden kann, richtet das Buch den Blick auf eine weitere thematische Ebene: die Ausgrabungen in Mesopotamien selbst, für die sich Talbot interessierte.47 Obwohl die Archäologie oft von bedeutsamen politischen und identitätsstiftenden Ideen motiviert ist, wurde bisher kaum berücksichtigt, dass der im musealen Kontext präsentierte europäische Kanon das Ergebnis eines komplexen Transferprozesses ist, in dem sich Objekte aus dem Mittleren Osten zwischen unterschiedlichen kanonischen – etwa assyrischen, islamischen, jüdischbeziehungsweise christlich-biblischen – Systemen bewegen und sich dabei zunächst einer eindeutigen semantischen Bestimmung entziehen. Auch hier beleuchtet das Buch den Zwischenraum und versteht sich somit als Kritik an einer teleologisch ausgerichteten Historiografie der Ausgrabungen in Mesopotamien und deren Repräsentation in europäischen Museen, die sich, wenngleich Sekundärliteratur, oft nur wenig von den heroischen Reiseberichten des 19. Jahrhunderts distanzierte.48 So fehlte bisher die kritische Distanz zu Darstellungen, die die Expeditionen als zielgerichtete, organisierte und logische Operationen erscheinen lassen, in denen die Grabungen sowie deren Visualisierung einem scheinbar klar definierten Ziel folgen. Ebenso wenig wurde in Verbindung mit dieser Frage die Rolle von Bildern in zeitgenössischen Publikationen untersucht. Die Literatur hat sich seither nur wenig von diesem Standpunkt distanziert, wurde doch der Tatsache wenig Beachtung geschenkt, dass die Artefakte zunächst keinen eindeutigen Status innehatten, selbst als sie sich bereits in den europäischen Sammlungen befanden. Im Folgenden soll besonders die zeitliche und räumliche Grauzone zwischen zwei angeblich stabilen Komponenten in der Ge­ schichtsschreibung in den Vordergrund gestellt werden. Dadurch werden Narrative in Frage gestellt, die Momente der Unbestimmtheit und des Chaos dieser Expeditionen

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retrospektiv außer Acht lassen. Talbot hatte mit seiner „Erfindung“ in genau jenem ungünstigen Moment seinen ersten Auftritt. Das Buch beginnt mit einem groben Überblick, der Talbots Schaffen und seinen Nachlass beleuchtet. Dabei wird zu zeigen sein, dass Talbots Assyrien vor allem im Reich von Zeichen und Buchstaben seiner Notizbücher zu finden ist. Talbots Interesse bewegt sich in einem Dreieck von Bild, Schrift und Zahl: Das Bildliche findet in der Erfindung der Fotografie seinen unübertrefflichen Beweis. Die Mathematik, zusammen mit den Classics Talbots erstes Forschungsgebiet, galt seit Descartes und Leibnitz als mathesis universalis und fundamentale Disziplin, ohne welche die Physik, die Optik und die Astronomie nicht denkbar waren. Sein Interesse an Zahlen sowie dem mit dem Bild verwandten Zeichen und Symbol findet sich in seinen erfolgreichen Versuchen wieder, unbekannte Schriften zu entziffern und eine vergessene Hochkultur in das 19. Jahrhundert zu transferieren. Doch Fotografie ist bei Talbot nicht nur Bild, sondern immer auch Schrift. Das zweite Kapitel wird Talbots Aufzeichnungspraxis, also das Notieren als wissenschaftliche Technik, in Verbindung mit der Fotografie als Spiegel seiner wissenschaftlichen Methoden genauer untersuchen. Vor diesem Hintergrund muss auch Talbots Auffassung der Fotografie überdacht werden. Im Kontext einer regelrechten Manie des Reproduzierens, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu beobachten ist, widmet sich der Schlussteil des Kapitels Talbots zahlreichen Versuchen, Skulpturen zu fotografieren, und untersucht die Verbindung zwischen Skulptur, Abguss und Fotografie als Formen der Reproduktion. Trotz Talbots frühen Bemühungen, sein Netzwerk für den Einsatz der Fotografie bei den Grabungen zu begeistern, waren die Ausgrabungsleiter, Trustees und Kuratoren des British Museums nicht sofort von ihrem Nutzen überzeugt. Das dritte Kapitel wird sich deshalb den frühen Debatten über die Verwendung der Fotografie bei archäologischen Grabungen widmen. Als kurioses Medium zwischen Fotografie, Zeichnung und Buchdruck – es handelte sich um die Fotografie einer Zeichnung von einer Inschrift aus ägyptischen Hieroglyphen – wurde die Kalotypie The Talbotype Applied to Hieroglyphics, welche 1846 in Talbots Werkstatt entstand, von Ägyptologen als Meilenstein in der Geschichte der archäologischen Fotografie gefeiert. Das Kapitel geht diesem Bild und seiner Rezeption in der Archäologiegeschichte vor dem Hintergrund des ersten fotografischen Experimentes 1843 im British Museum genauer nach, wobei die Gründe untersucht werden, die die Kuratoren und Trustees am Gebrauchswert der Fotografie de facto zunächst zweifeln ließen. Die Struktur des British Museums um 1840 lässt vermuten, dass die Kuratoren und Trustees zu dieser Zeit mit logistischen und administrativen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. So werden die sozialen, institutionellen, ökonomischen und erkenntnistheoretischen Gründe beleuchtet, die dazu führten, dass bei archäologischen Grabungen weitgehend andere visuelle Mittel wie Zeichnungen und sogenannte Abklatsche bevorzugt wurden.

3. ÜBER DIESES BUCH

Das vierte Kapitel wird schließlich die praktische Anwendung der Fotografien bei Ausgrabungen thematisieren. Obwohl belegt werden kann, dass vom British Museum versandte Kameras Europa in Richtung Mesopotamien verließen, verhält es sich mit den Lichtbildern selbst anders, sind doch – im Gegensatz zu Frankreich – so gut wie keine fotografischen Hinterlassenschaften dieser frühen britischen Expeditionen bekannt. In einem weiteren Schritt wendet sich das Kapitel den Ausgrabungsobjekten zu und revidiert zunächst die Annahme, dass es sich bei den Grabungen um ein organisiertes Unterfangen mit klaren Zielvorstellungen handelte. Dementsprechend propagiert das Kapitel die These, dass die Funde zunächst Objekte ohne klaren Status waren, was sich auch bei ihrer Ankunft im Museum zunächst nicht änderte. Diese Statuslosigkeit wiederum spielte eine Rolle bei den Visualisierungsstrategien der Grabenden auf dem Feld und im Museum und mag zu der Annahme geführt haben, dass es sich bei der Fotografie um ein inadäquates Medium im Verhältnis zum beabsichtigten Zweck handelte. Das fünfte Kapitel wendet sich wieder verstärkt Talbot als Akteur zu, der den Wandel von einer „fotografischen Wissenschaft“ in der Frühzeit hin zur „wissenschaftlichen Fotografie“ zu etablieren versuchte. Tatsächlich führten Talbots Bemühungen zur Anstellung des Fotografen Roger Fenton (1819–1869) am British Museum in den 1850er Jahren. Dieser Schritt kann jedoch keinesfalls als Siegeszug der Fotografie in den Altertumswissenschaften verzeichnet werden. Das Kapitel zeigt, weshalb sich die Verantwortlichen am Museum zunächst nicht für die Fotografie entschieden hatten, wenngleich sie zuvor zahlreiche Gelegenheiten hatten, sich mit dem neuen Medium vertraut zu machen. Des Weiteren werden die Zutrittsbeschränkungen zum Museum im Licht seiner wachsenden Rolle als Forschungsinstitution untersucht, welchen ironischerweise Talbot selbst zum Opfer fiel. Selbst als zahlreiche Tontafeln schließlich von Fenton fotografiert wurden, war es dem Erfinder der Fotografie zu­ nächst nicht vergönnt, mit diesen Bildern zu arbeiten. Forschungen zur Fotografie im späten 19. Jahrhundert gingen bisher meist davon aus, dass die Fotografie gegen Ende des Jahrhunderts in der Wissenschaft Fuß gefasst hat und als Evidenz generierendes Hilfsmittel eingesetzt wurde. Der Epilog wird auch hier eine alternative Sicht eröffnen, bei der Talbot selbst zum Kritiker seiner Erfindung avanciert und beleuchten, ob und wie sich die Bedingungen zwischen ca. 1850 und 1880 änderten: Wenngleich er von seiner Erfindung überzeugt war, taten sich in den 1870er Jahren immer wieder Disparitäten und Schwachstellen in der Praktikabilität des Mediums als Beweismittel auf, die Talbot selbst zum Verhängnis wurden. Die komplexe Geschichte der archäologischen Fotografie bis zu Talbots Tod zeigt, welche Widerstände das Medium im weiteren Verlauf des Jahrhunderts zu überwinden hatte: So genoss die Fotografie selbst im späten 19. Jahrhundert mitnichten den Status eines unumstösslichen Bürgen der Evidenz oder eines selbstverständlich, geschweige denn solitär eingesetzen Garanten für die Aufzeichnung des Realen.

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1. SCHREIBTISCH ODER DUNKELKAMMER? DER NACHLASS Die Fotografie erscheint im Hinblick auf Talbots Archiv wie ein Nebenprodukt der zahlreichen und parallel geführten wissenschaftlichen Debatten im Londoner Netzwerk der Gelehrten und Wissenschaftler, an welchen Talbot rege teilnahm; ein Um­ stand, der einen isolierten Blick auf die Anfangsjahre der Kalotypie kaum rechtfertigt. Wenn im Folgenden von der in der Fotografiegeschichte immer wieder emphatisch erwähnten Zeit um das Jahr 1839 die Rede ist, so soll dies daher vor dem Hintergrund der Tatsache geschehen, dass Talbot im selben Jahr und bereits 1838 insgesamt drei Bücher im Bereich der Altertumswissenschaft veröffentlicht hatte, die inhaltlich nicht im Geringsten etwas mit Fotografie zu tun hatten.1 Die oben erwähnten Publikationen waren jedoch erst der Anfang. Ab 1850 gehörte Talbot zu einem kleinen Kreis von Forschern, die maßgeblich zur Entzifferung der Keilschrift beitrugen. Sein nunmehr zugänglicher Nachlass vermittelt erstmals in aller Deutlichkeit, dass das Altertum, vor allem jedoch die Assyriologie, für ihn mehr als nur ein Steckenpferd war: Nach 1850 widmete sich Talbot nicht nur gelegentlich, sondern fast ausschließlich der Keilschriftentzifferung. Wie schon die Fotografien, so spiegeln auch Talbots Notizbücher einen wesentlichen Teil einer Geisteshaltung wider, die komplementär zu anderen Objekten in seinem Archiv gedacht werden müssen. Talbots Archiv ermöglicht es, Talbots Wirken aus einer Perspektive zu verstehen, die über die Fotografie hinausgeht, diese jedoch gleichzeitig rekontextualisiert und somit neue Zugänge in der Fotografiegeschichte ermöglicht – jenseits der Dunkelkammer. In seiner Integrität ist es somit Schlüssel zu einem vollständigen Verständnis eines größeren Gedankengebildes, Talbots mindset, in dem sich verschiedene Disziplinen, aber auch Arbeitsweisen und Medien reziprok und komplementär auf eine befruchtende Art und Weise zueinander verhalten. So wäre die Fotografie beispielsweise nicht ohne Talbots naturwissenschaftliches und antiquarisches Interesse entstanden. Gleichzeitig wirkte sie als Katalysator für die anderen Gebiete, denen sich Talbot zuwandte.

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Zu den Fotografien und Notizbüchern, die hier im Vordergrund stehen sollen, kommen außerdem Objekte, zum Beispiel Bücher und botanische Sammlungen, sowie Briefe, durch die Talbots reger und internationaler Wissensaustausch ersichtlich wird. Das Archiv erlaubt es somit nicht nur mehr über Talbot zu erfahren, sondern auch weitere Themen in einem breiteren Kontext der Wissenschaftsgeschichte zu erforschen. So eröffnet allein die Fülle der Korrespondenzen einen neuen und kritischen Blick auf die Netzwerke und Institutionen, welche das wissenschaftliche und intellektuelle Leben im viktorianischen England bestimmten. Denn anders als in den Notizbüchern findet in den Briefen der Übergang vom Privaten zum Öffentlichen statt. Sie spiegeln wider, dass Talbot wissenschaftliche Probleme oft im Austausch mit anderen Wissenschaftlern diskutierte. Zahlreiche Einträge in Talbots Notiz­ büchern und in Briefen aufgegriffene Gedanken finden sich wiederum später in seinen Publikationen wieder.2 Katrina Dean warf einen genaueren Blick auf das soziowissenschaftliche Umfeld, in dem sich Talbot als Gelehrter bewegte, und hielt die besondere Bedeutung seiner Rolle fest: „Talbot fits poorly into the historiography of nineteenth-century science. An advocate for neither the Anglo-Tory natural theological establishment of the first half of the nineteenth century nor the professionalizing radicals of the latter part, Talbot was nonetheless a gentleman of science in a wider landscape of natural philosophers from bourgeois or modest backgrounds who ministered, wrote, and lectured to support their intellectual pursuits: William Whewell, David Brewster, and Michael Faraday, among others.“3 Talbots Status mag also überraschen: Er widmete sich als Amateurwissenschaftler vorwiegend in seinem Arbeitszimmer auf seinem Landsitz in Lacock Abbey der Wissenschaft, tat dies jedoch nicht um Geld zu verdienen, etwa als Angestellter einer Institution. Trotz, oder vielleicht gerade wegen seines hohen sozialen Status innerhalb der englischen upper class, welcher ihm existenzielle Sorgen und Finanzprobleme ersparte, war Talbot von den bei Dean erwähnten Wissenschaftlern abhängig, wenn er zum Beispiel wissenschaftliche Assistenten benötigte, Laboratorien aufsuchen oder Einladungen zu Vorträgen erhalten wollte. Dass Talbot zu gewissen Bereichen keinen Zugang hatte und somit Bittsteller war, eben weil er nicht als professioneller Vollzeitwissenschaftler angesehen wurde, wird aus der Korrespondenz mit seinen Zeitgenossen ersichtlich. Dean ��������������������������������������������������������� schlussfolgert daher: „Rather than being representative of a ubiquitous species, Talbot perhaps considered himself prodigious in his class for his scientific accomplishments and the degree of seriousness with which he approached the subjects.“4 Ordnet man seine Quellen in zeitgenössische Debatten ein, wird deutlich, dass Talbot ein Forscher war, der zugleich in der Mitte und am Rande des Wissenschaftsdiskurses in London um 1850 stand. Entscheidende Aspekte des

1. SCHREIBTISCH ODER DUNKELKAMMER? DER NACHLASS

mindsets, die eine Metaebene berühren, bleiben trotz des Umfangs des Archives dennoch im Dunkeln: Talbot führt in seinen Notizen und in seiner Korrespondenz zum Beispiel nicht aus, welche aktuellen philosophischen Debatten zum Wissenschaftsverständnis am ehesten seiner Haltung entsprachen. Ebenso bleibt ungeklärt, wie es sich mit seiner Haltung zur Religion im Allgemeinen und dem Anglikanismus im Besonderen verhält – Aspekte, die gerade im Zusammenhang mit seinem Interesse an der Biblical Archaeology durchaus bedeutend wären. Das Archiv lässt jedoch andere Schlüsse auf einer Metaebene zu. So sind Talbots wissenschaftliche Interessen und seine Arbeitshaltung von einer besonderen Hingabe und Hartnäckigkeit geprägt: Viele Bereiche, wie etwa die Entzifferung von Keilschrifttafeln, die Klassifizierung von Moosen in der Botanik oder hochkomplexe Felder der Mathematik, weisen auf eine besondere Neigung zu Aufgaben eines hohen Schwierigkeitsgrades hin, die nur mit Ausdauer und Geduld angegangen werden können. Als eine weitere Gemeinsamkeit seiner Interessen kann die Suche nach Ursprüngen gelten, wie sie etwa im Studium alter Schriften und Objekte, der Etymologie, aber auch der Fotografie als Speichermedium des Realen und Ursprünglichen beobachtet werden kann.5 Auch das Archiv selbst, wenn man es als Speichermedium auffasst, vermittelt dem Historiker, was Talbot wirklich bewegte und was er somit für bewahrenswert hielt. Weiterhin erhalten wir über die Bestandteile des Nachlasses und durch das genaue Studium seiner Organisation Aufschluss über seine bevorzugte Art und Weise des Notierens, Selektierens, Ordnens, Klassifizierens und Archivierens von Wissen; Methoden der Wissensproduktion, denen im nächsten Kapitel genauer nachgegangen werden soll und die im engen Verhältnis zur Fotografie stehen. 6 Neben den erst kürzlich von der Bodleian Library erworbenen Archivalien, wurde ein großer Teil von Talbots Nachlass wie oben erwähnt, in der British Library bereits in den letzten Jahren katalogisiert und öffentlich zugänglich gemacht.7 Die Vielfalt dieser Sammlung ist bemerkenswert: Neben mehr als 350 Notizbüchern besteht sie aus unzähligen assyriologischen und mathematischen Folioblättern, Herbarien, Fotografien, Tagebüchern, Kalendern, Briefen, Sonderdrucken von Talbots Artikeln, Patenten, Artefakten und einer kleinen Auswahl von Büchern, vermutlich aus Talbots Bibliothek in Lacock Abbey. Das 2014 erstandene Archiv der Bodleian Library besticht durch eine ähnliche Vielfalt, die die Sammlung in der British Library zwar nicht im Hinblick auf den Umfang wissenschaftlicher Notizbücher übertrifft, diese aber mit weiteren aufschlussreichen Gegenständen – darunter wissenschaftliche Instrumente, Partituren und eine Vielzahl von Herbarien aus dem weiteren Familienkreis Talbots – auf seine eigene Art und Weise ergänzt.8 Die Vollständigkeit der Archive in den verschiedenen Institutionen ist zum einen der Weitergabe der Dokumente innerhalb der Familie zu verdanken, zum anderen aber auch Talbot selbst, bat er doch im Alter von acht Jahren seinen Stiefvater Henry Talbot: „tell Mamma & everybody I write to keep my letters & not burn them.“9 Dies legt die Vermutung

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nahe, dass alles, was von Talbot aufgezeichnet wurde, von ihm selbst zum Erhalt gedacht war. Im Hinblick auf die Produktion zahlreicher Notizbücher und Fotografien, die in den folgenden Jahrzehnten erfolgen sollte, ist dies kein unbedeutender Gedanke.

2. ARMCHAIR SCIENCE UND DIE ORDNUNG VON WISSEN AUF PAPIER Zu den aufschlussreichsten Archivalien für die Fotografiegeschichte gehören Talbots Notizbücher; nicht obwohl, sondern gerade weil sie sich kaum mit der Fotografie befassen und dennoch als Aufzeichnungsmedium stark mit ihr verbunden sind.10 Beeindruckend ist auch die Zeitspanne, die sie abdecken: So stammen die ersten Notizbücher aus der Zeit, als Talbot ungefähr zehn Jahre alt war, wonach die Anzahl der Notizbücher stetig und ununterbrochen stieg, sollte ihn die Praxis des Notierens bis zu seinem Tod im Jahr 1877 begleiten. Wenngleich sich einige wenige Notizbücher in privaten und weiteren öffentlichen Sammlungen wie der Bodleian Library befinden, ist anzunehmen, dass die große Anzahl der katalogisierten Bände, die nun in der British Library einzusehen sind, einen repräsentativen Überblick über die Gelehrtentätigkeit Talbots geben. Darunter sind nicht nur wissenschaftliche Notizbücher, sondern auch kleinere memory books, Kalender oder account books, von denen einige von Talbots Eltern oder dem Personal von Lacock Abbey geführt wurden. In einige dieser memory books trug Talbot diverse Notizen ein, so zum Beispiel auch die Namen möglicher Abnehmer fotografischer Probeabzüge aus den frühen 1840er Jahren, als das Verfahren noch weitgehend unbekannt war. Dies reflektiert abermals die Bedeutung, die Talbots wissenschaftlichem Netzwerk zukam, da es sich hierbei um potentielle Interessenten an der Fotografie handelte. Viele dieser Namen finden sich in den Briefen wieder und die dort erwähnten Motive widerum auf den Fotografien. Themen und Querverbindungen treffen sich also auf verschiedenen Ebenen und kreuzen sich in den Objekten des Archivs. Die Vielfalt von Talbots Nachlass macht es geradezu unmöglich, ihn als Wissenschaftler in ein bestimmtes Gebiet einzureihen. Dies gilt auch für seine Zuordnung zu bestimmten Wissenschaftstraditionen, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Großbritannien in einer entscheidenden Phase des Umbruchs befanden: Einerseits kann Talbot als Akteur bei der Formierung und Institutionalisierung von Disziplinen in der Mitte des 19. Jahrhunderts gesehen werden, andererseits war er noch stark Ideen der Naturphilosophie aus dem 18. Jahrhundert verhaftet, die jegliche Grenze zwischen den Disziplinen ablehnte und sich weder der Spezialisierung noch dem Expertentum verschrieb. Dies hat zur Folge, dass Talbots Archiv mitunter stark von

2. ARMCHAIR SCIENCE UND DIE ORDNUNG VON WISSEN AUF PAPIER

Nachlässen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts geprägt wurde, wie etwa dem des Universalgelehrten Alexander von Humboldt (1769–1859).11 Talbot hatte in seiner Notizbuchführung durchaus ein System. Während viele Notizbücher für sich stehen, hat er einige zusammenhängende und sukzessive Bände als Serien kenntlich gemacht. Auffällig ist, dass Talbot zwischen Mathematik und Naturwissenschaften (inklusive Chemie und Fotochemie, Optik und angewandter Naturwissenschaft) einerseits sowie dem Studium der Sprachen und der Altertumswissenschaften (diese beinhalteten Gebiete wie das an englischen Universitäten unterrichtete Fach Classics, Philologie, Etymologie, Altphilologie, Mythologie und Assyriologie) andererseits unterschied. So sprang Talbot zwar innerhalb eines Notizbuches zwischen dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaft immer wieder hin und her, doch gibt es kaum plötzliche Sprünge zu anderen Forschungsgebieten, etwa zum Studium von Sprachen und des Altertums. Diese Art der Klassifizierung spiegelt die zunehmende Aufspaltung der Forschung in verschiedene Kategorien der Geistes- und Naturwissenschaften wider auch wenn eine derartige Trennung zu dieser Zeit noch unbekannt war. Trotz ihrer häufigen Ordnung in Serien, scheinen sich die naturwissenschaftlichen und mathematischen Notizbücher deshalb jeglicher eindeutiger Klassifizierung widersetzen zu wollen, wenn beispielsweise zu Tage tritt, dass sich Talbot Disziplinen teils parallel, teils abwechselnd widmet: neben Anmerkungen zu bisweilen skurrilen wissenschaftlichen Einfällen wie einer Rezeptur für eine unsichtbare Tinte oder ausführlichen Beschreibungen optischer Experimente, finden sich immer wieder gelegentliche Exkurse in die Mathematik. Talbot schien, laut der Einschätzung einiger Mathematikhistoriker, die Mathematik als eine Art Hobby oder Entspannung begriffen zu haben, die sich als produktive Inspirationsquelle erwies und – mitunter im selben Notizbuch – in einer Vielzahl von Erfindungen auf anderen Gebieten, so auch der Fotografie, kulminierte.12 Wie bereits oben angedeutet, gehörte die Zeit der fotografischen Experimente, die frühen 1830er Jahre, zu den wissenschaftlich ergiebigsten und ereignisreichsten Lebensphasen, in der Talbot jedes Thema, mit dem er sich beschäftigte, förmlich absorbierte. Dass die Fotografie in genau jener Zeit ihre Ursprünge fand, ist gewiss kein Zufall. In den Aufzeichnungen zur Etymologie und Assyriologie fällt auf, dass sie wesentlich stringenter organisiert sind. Hier wechselte Talbot kaum die Themen oder gar die Disziplinen. Die Notizen wirken nicht zerstreut, sondern Talbot führte häufig einen Gedankengang oder eine Untersuchung zu Ende. Ein Heft ist meistens ganz klar einem Gebiet gewidmet. Diese Unterschiede in der Notizbuchführung lassen weitere Rückschlüsse zu: Während die Naturwissenschaften, zu denen bei Talbot auch die Fotografie gehört, ein experimentelles Spielfeld zu sein schienen, machte Talbot in der Mitte seines Lebens mit dem Altertum ernst. Folglich resultierten die Aufzeichnungen zur Philologie, Etymologie und Assyriologie in vielen Fällen in Publikationen,

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die problemlos auf konkrete Einträge in einem oder mehreren bestimmten Notiz­ büchern zurückgeführt werden können. Als armchair scientist, der sich vorwiegend zu Hause, selten in Laboratorien und kaum bei Expeditionen aufhielt, war Talbots Wissensordnung auf Papier für ihn die Möglichkeit, sich systematisch und materiell mit Dingen auseinanderzusetzen, wie das nächste Kapitel zeigen wird. Denn seiner Leidenschaft für die Assyriologie zum Trotz ist Talbot nie nach Mesopotamien gereist. Talbots Reiseziele befanden sich allesamt in Europa innerhalb der gängigen Reiserouten der Grand Tour. Wenngleich ein paar wenige Tagebücher und botanische Notizbücher also von Reisen auf dem Kontinent oder in die Landhäuser seiner Familie erzählen, verzeichnet das Archiv keine Notizen von Feldforschungen, wissenschaftlichen Entdeckungen oder archäologischen Expeditionen zu fernen Reisezielen. Das britische Kolonialreich bleibt, von den heimischen Notizen zu mesopotamischen Tontafeln abgesehen, in seinen Notizen überraschenderweise außen vor.13 Talbot kann somit nicht mit Forschungsreisenden wie Charles Darwin (1809–1882), John F. Herschel, William Jackson Hooker (1785–1865) und Alexander von Humboldt verglichen werden. Auch Altertumsforscher wie Layard und Rawlinson, die gerne in abgelegene Gegenden fuhren, eignen sich nicht für einen Vergleich. Für Talbot war – neben den etablierten wissenschaftlichen Institutionen Londons oder Edinburghs – vor allem sein Landsitz Lacock Abbey in der englischen Grafschaft Wiltshire das „Feld“. Mehr noch trifft dies jedoch auf seine Notizbücher zu. Sie waren es, die als Gedächtnisstütze für Experimente, Forschungen und Studien dienten. Talbots Reise nach Mesopotamien fand somit für lange Zeit ausschließlich auf Papier statt. Dabei ging er verschiedene Umwege, unter anderem über die Classics, einem philologisch ausgerichtetem Studium der klassischen Antike, und über die Etymologie.

3. TALBOTS MESOPOTAMIEN Wie auch bei der Fotografie, wäre es bei Talbots Interesse am Altertum weder richtig noch aufschlussreich, dies losgelöst von den anderen Gebieten zu betrachten, denen er sich zuwendete. Frühe Notizen belegen zwar eine Ausbildung in Latein und Altgriechisch, die teilweise durch Talbots Mutter Lady Elisabeth Fox-Strangways (später, nach erneuter Heirat Elizabeth Feilding),14 teilweise an der renommierten Privatschule Harrow erfolgte.15 Jedoch kommt in allen Quellen ein gleichzeitiges Interesse an Mathematik, Naturwissenschaft und Classics zum Tragen. Dies war sicher ein ausschlaggebender Grund für ihn, sich von 1817 bis 1821 am Trinity College in Cambridge einzuschreiben, wo die Mathematik maßgeblich das Curriculum bestimmte und Classics zwar nicht als Fach gelehrt wurde, jedoch eine große Rolle spielte. Die Mathematik wurde ab den frühen 1820er Jahren immer bedeutender; sie wurde nicht nur um

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der Sache selbst willen gelehrt, sondern auch, da sie weitere übertragbare Fähigkeiten, die das allgemeinen Denkvermögen betrafen, vermitteln sollte. Sie diente somit in Cambridge als „substitute for logic“,16 wie sie in Oxford gelehrt wurde, wo neben Logik die literae humaniores dominierten. Obwohl in Cambridge also eine Form der Altertumswissenschaft gelehrt wurde und Medaillen wie der Porson-Preis für überragende Leistungen in altgriechischer Dichtung und Literatur verliehen wurden, wurde das Fach Classics erst 1827 (also erst nach Talbots Studium) offiziell in das Curriculum aufgenommen und damit Teil der offiziellen Universitätsexamina. Talbots Mutter befürchte zu Beginn seines Studiums, dass Talbot „zu mathematisch“ werden könne, wie sie es in einem Brief an ihren Sohn 1817 formulierte: „You seem so mathematically inclined that I ought en bonne mere to send you to Oxford to counteract it that you may not grow into a Rhomboidal shape, walk elliptically, or go off in a tangent. all which evils are imminent if you go to Cambridge [sic].“17 Obwohl sich Talbot in Cambridge auf die Mathematik konzentrierte, lief er jedoch kaum Gefahr, die Altertumswissenschaft zu vernachlässigen. Zu seinen frühen wissenschaftlichen Erfolgen an der Universität gehört eben jener Porson-Preis, den Talbot 1820 verliehen bekam. Briefe von seinen Aufenthalten in Rom und Italien an Familienmitglieder beschreiben eindrücklich Skulpturen und andere Altertümer und zeugen von einem geradezu unstillbaren Durst nach Wissen über die Antike. Bedingt durch seine vielfältigen Interessen schien Talbot jedoch unsicher, wie viel Zeit und Energie er diesem komplexen Gebiet wirklich widmen solle. In einem Brief von 1816 äußert er gegenüber seiner Mutter diese Sorge, während er ihr zugleich versichert, dass seine klassischen Studien in Zukunft nicht leiden würden: „In Classics I have certainly lost ground since I left Harrow; yet not much, & easily recoverable at any time.“18 Seinem Stiefvater Charles Feilding lag Talbots Erfolg in der Mathematik besonders am Herzen, erwartete er doch von Talbot, dass er sein Studium als Senior Wrangler und somit als Jahrgangsbester in Mathematik abschließen werde, womit alle Weichen für eine erfolgreiche Laufbahn gestellt wären. Dass Talbot letztlich nur als Twelth Wrangler (also als zwölfbester Absolvent) abschloss, scheint paradigmatisch für seinen weiteren Lebensweg: Talbot war im Vergleich zu seinen Zeitgenossen desselben gesellschaftlichen Status auf vielen Gebieten nicht herausragend, wenn auch bemerkenswert. Aller Einschätzungen zum Trotz, dass Talbot sich mit seinem sozialen Stand als Wissenschaftler jenseits der Norm bewegte, kann festgehalten werden, dass seine Laufbahn, Interessen und Errungenschaften bis auf wenige Ausnahmen innerhalb seiner gesellschaftlichen Schicht im Normalbereich lagen. Das Studium in Cambridge verkörperte in der Kombination aus Mathematik und klassischen Studien ein Ideal, welches Studierende über die klassischen Sprachen mit der Vergangenheit und über die Naturwissenschaften mit der Zukunft verbinden sollte.19 In Talbots Fall wäre zu fragen, ob gerade die Kombination aus dem Studium

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des Altertums, Philologie und mathematischer Logik den Weg zu seinen Interessen an der Schriftentzifferung ebnete. So will Keilschrift „geknackt“ werden wie alge­ braische Gleichungssysyteme oder Geometrieaufgaben. Aus den 1830er und 1840er Jahren – der Zeit, in der sich Talbot intensiv seinen fotografischen Experimenten widmete – sind neben den oben erwähnten bedeutenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Notizbüchern auch 75 Bände erhalten, die sich mit Etymologie und Philologie beschäftigen. Der Etymologie, seinerzeit ein unter Wissenschaftlern immer noch stark umstrittenes Forschungsfeld, galt für lange Zeit Talbots Hauptinteresse.20 Während er sich anfänglich noch auf die Altphilologie konzentrierte, beschäftigte er sich in seinen späteren Notizen mit Sprachen von Sanskrit bis Gälisch, jedoch auch mit der Etymologie seiner Muttersprache Englisch. Talbots allererste Publikation Legendary Tales in Verse and Prose21 von 1830 folgte im Ansatz seinen klassischen Studien. Im April 1838 und Oktober 1839, und damit in der Zeit der öffentlichen Bekanntmachung der Fotografie, veröffentlichte Talbot das selbstfinanzierte Buch Hermes, or Classical and Antiquarian Researches in zwei Bänden mit einer Auflage von über zweihundert Exemplaren, wobei die Verkaufszahlen gering waren.22 Ein dritter Band war für 1840 geplant, wurde aber nicht realisiert. Ein Grund könnte darin liegen, dass Talbot sich – und dies ist für die späten 1830er Jahre symptomatisch in seinem Leben – bereits anderen Interessen zugewandt hatte. Hermes versprach einen neuen Blick auf die Altertumswissenschaft, da Talbot nicht nur Altertümer Griechenlands und Italiens, sondern auch Mythologien Ägyptens und Etruriens betrachtete und somit bekanntere Texte weniger bekannten Quellen gegenüberstellte. Die Kritiker waren angetan. Den Umfang und die Bandbreite der berücksichtigen Quellen lobend, hoben sie besonders die stimulierenden etymologischen Verbindungen hervor. Es waren jedoch dieselben etymologischen Bezüge und insbesondere ihr spekulativer Ansatz – oder, anders gesagt, die fehlende philologische Kontextualisierung und mangelnde Kenntnis der kontinentaleuropäischen Forschung, – welche ihm bei anderen Rezensenten enorme Kritik einhandelten. Diese unterschiedlichen Reaktionen spiegeln Talbots ambivalente Rolle zwischen Universalgelehrtentum und Expertentum in einer Zeit wider, in der sich der Status des nicht spezialisierten Universalwissenschaftlers im Wandel befand. Im April 1839 publizierte Talbot The Anti­ quity of the Book of Genesis Illustrated by Some New Arguments. In diesem Buch versuchte er zu zeigen, dass biblische Erzählungen parallele Verbindungen zu historischen Ereignissen und Mythologien aufweisen. Talbot erörterte hiermit, wie das Stu­dium der Sprachen des „heidnischen Altertums“ durchaus protestantischen Absichten dienen kann. Obgleich das Buch ganz klar im Kontext des aufstrebenden Interesses am vorderen Orient im 19. Jahrhundert und der Bemühungen, die biblisch-antike Welt mit der klassisch-antiken Welt zu verbinden zu verstehen ist, stellte der Historiker David Gange fest, dass Talbots Buch nie besonders gewürdigt, sondern eher als ein exzentrischer Exkurs einer an sich nur peripheren Debatte wahrgenommen wurde.23

3. TALBOTS MESOPOTAMIEN

Das Wechselspiel von Anerkennung und Kritik zog sich durch Talbots gesamtes philologisches Schaffen. Zwei Notizbuchserien dienten zum Beispiel zur Vorbereitung der Veröffentlichung des Buches English Etymologies, welches Talbot 1847 – abermals auf eigene Kosten – herausgab.24 Talbots Verleger John Murray hatte ihn auf die zu erwartende Kritik bereits vorbereitet. Unerwartet mag für Talbot dennoch gewesen sein, dass ein Rezensent des Quarterly Review, trotz einer positiven Rezension in der Literary Gazette und der Wertschätzung von Talbots Korrespondenzpartnern,25 das Buch als methodologisches und wissenschaftliches Versagen bezeichnete.26 Talbot erhielt von dem Herausgeber der Literary Gazette die Möglichkeit, der Kritik entgegenzutreten.27 Festzuhalten ist, dass das Buch allen Irrtümern zum Trotz in die Geschichte der Etymologie einging. Darüber hinaus diente diese Wissenschaft Talbot als Sprungbrett für ein viel wichtigeres Unterfangen: das Studium der assyrischen Sprachen und Schriften. Seine ohne Zweifel umfassenden Kenntnisse klassischer und moderner Sprachen, einschließlich Hindi, Farsi, Keltisch und Grönländisch, um nur ein paar wenige zu nennen, animierten ihn oft zu kuriosen Schlussfolgerungen, welchen man in den so lebendig und intuitiv geführten Notizbüchern zur Etymologie unmittelbar nachempfinden kann. Jedoch fehlten Talbot eine systematische und wissenschaftliche Methode sowie Wissen und Reflexionsvermögen über die auf dem Gebiet bereits geleisteten Forschungen. Fragezeichen in seinen Notizen spiegeln Unsicherheiten wider, während er zugleich willens war, Risiken einzugehen, indem er nicht immer auf etabliertem Wissen aufbaute, sondern auch spontane Assoziationen weiterverfolgte. Nach dem Tod seiner Mutter 1846 unterbrach Talbot seine Forschungen zur Etymologie und unternahm keine weiteren Versuche, sich der aufkommenden Professionalisierung des Faches anzuschließen oder dazu beizutragen. Sein immer stärker werdendes Interesse an alten Schriften wie Hieroglyphen und assyrischer Keilschrift mag ihn ebenfalls daran gehindert haben, diesen Forschungsbereichen weiter Zeit zu widmen. Zu jener Zeit, in den späten 1840er Jahren, füllten sich Talbots Notizbücher zu­ nächst mit vereinzelten Aufzeichnungen zur biblischen und historischen Bedeutung Assyriens und zu fragmentarischen Keilschriftzeichen. Auch der Name Austen Henry Layards tauchte in diesem Zusammenhang zum ersten Mal auf. Hier und da finden sich zwar noch vereinzelt philologische und etymologische Diskurse, diese Notizen dienten aber nicht länger der Vorbereitung von Publikationen. Talbot beschäftigten vielmehr seine eigenen, bereits bestehenden Publikationen, möglicherweise als Reaktion auf die Kritik, die ihm entgegengebracht wurde.28 Charakteristisch für diese späteren etymologischen Notizen ist die Aufhebung der Grenze zwischen Etymologie und klassischer Mythologie: Talbot nutzte Sprachen, also die Etymologie, um die Vergangenheit zu verstehen, etwa wenn er nach einer tieferen Bedeutung in griechischen Götternamen suchte. Noch nicht in der Lage, Keilschrift zu entziffern, dominierten historische Fragen seine Exkurse. In späteren Aufzeichnungen dieser Zeit kam schließ-

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lich Talbots Interesse an Hieroglyphen und assyrischen Sprachen immer mehr zum Tragen, so dass sprachliche Aspekte in den Vordergrund und geschichtliche Aspekte fast komplett in den Hintergrund rückten. Obwohl Talbot über ein Drittel seines Lebens der Assyriologie widmete, sind seine Forschungen auf diesem Gebiet weniger gut dokumentiert als seine naturwissenschaftlichen Errungenschaften, von der Masse an Literatur zur Fotografie ganz zu schweigen. Festzuhalten ist zunächst, dass seine etymologischen und mathematischen Kenntnisse eine Art Basis für seine Arbeiten zur Assyriologie bildeten, ohne die er sich dem Fach vermutlich nie zugewandt hätte. So fand Assyrien wie oben beschrieben bereits in Talbots etymologischen Notizen Erwähnung, bevor er mit der Entzifferung von Keilschriften begann. Dies weist wiederum darauf hin, dass sein Interesse zum Zeitpunkt der Ausgrabungen bereits bestanden hatte.29 Als in den 1840er Jahren im British Museum schließlich Objekte von Layards Grabungen in Ninive eintrafen, ist vor allem in Talbots Korrespondenz ein wachsendes Interesse an assyrischen Altertümern zu beobachten, welches in einem Corpus von mehr als einhundert handschriftlichen Bänden zur Assyriologie kulminiert, der die Mehrheit der Notizbücher des Nachlasses bildet (Abb. 7).30 Als sich Talbot ab ca. 1850 für die Entzifferung der Tontafeln aus Mesopotamien zu interessieren begann, sollte dies zu seiner Lebensaufgabe werden: Zahlreiche Briefe sind Zeugen eines regen Austausches zwischen ihm und den führenden bereits erwähnten Forschern Rawlinson, Hincks und Norris. Talbot hatte, seinem Interesse an der Philologie entsprechend, die Arbeiten von Rawlinson und Hincks, die zu Beginn nur einzelne Zeichen, Namen und vielleicht Inschriften, nicht aber ganze Texte entziffern und übersetzten konnten, bereits einige Zeit verfolgt. Er stand ebenfalls in regelmäßigem Kontakt mit Samuel Birch (1813–1885), einem Ägyptologen und späteren Mitarbeiter im Department of Oriental Antiquities am British Museum, der Zutritt zu den soeben erst eingetroffenen Tontafeln hatte. Es folgten erste Publikationen zu dem Thema.31 Während Rawlinson und Hincks einzelne Zeichen entziffert hatten, nutze Talbot ihre Arbeiten, um mit Hingabe und Ausdauer weitere Zeichen und ihre Bedeutung im Kontext zu entschlüsseln und zu verstehen. Seine Arbeitsweise zeichnete sich dadurch aus, dass er oft Jahre, manchmal Jahrzehnte später auf seine Notizen zurückgriff, um Korrekturen oder Ergänzungen vorzunehmen. Häufig findet sich das Kürzel „R“ in seinen Notizen, welches für Rawlinson stand und auf dessen Publikationen verwies. Talbot publizierte nicht nur selbst, sondern finanzierte auch assyriologische Publikationen. Vor allem aber – und dies wird hier von besonderer Bedeutung sein – unterstützte er in den frühen 1850er Jahren die Idee, die Fotografie für die Altertumswissenschaft nutzbar zu machen. So bewarb Talbot die Implementierung bei Ausgrabungen oder zur Verbreitung von Kopien der Tontafeln, um sie als Hilfsmittel bei der Entzifferung einzusetzen. Neben Notizbüchern, Briefen, losen Blättern mit assyriologischen Notizen und Sonderdrucken enthält der assyriologische Corpus des

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7:  William Henry Fox Talbot, Notizbuch „Egyptian Archaeology“, 1856/1857, The British Library.

Talbotnachlasses somit auch einige Fotografien von Keilschrifttafeln, die der britische Fotograf Roger Fenton angefertigt hatte und die im letzten Kapitel dieses Buches besprochen werden. Bei den von Fenton fotografierten Tafeln handelt es sich um bedeutende Inschriften im British Museum, an deren Entzifferung und Übersetzung Talbot beteiligt war. Spätestens hier werden Fotografie und Assyriologie auf nachdrücklichste Art und Weise enggeführt. Ein Notizbuch von 1856 gilt in dieser Hinsicht als eindeutiger Wendepunkt in der wissenschaftlichen Laufbahn Talbots.32 Es kann – physisch und inhaltlich – von zwei Richtungen gelesen werden, was es zu einem kuriosen Gegenstand macht. Von vorn an­­gefangen, stammt der erste Eintrag von 1856, welcher die Überschrift Egyptian Archa­­eology trägt. Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen ließ Talbot die bereits gut erforschte Ägyptologie zugunsten der Keilschriftentzifferung bald hinter sich.33 Ein Jahr später, im Jahr 1857, drehte er das Notizbuch kurzerhand um und begann, es von der Rückseite her mit Notizen zur Assyriologie zu füllen. Diese Herangehensweise spiegelt eine Haltung wider, die als typisch für Talbot bezeichnet werden kann: Waren Forschungsfelder wie die Ägyptologie bereits zu „abgegrast“, Über-

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setzungen von Inschriften von anderen bereits zu weit vorangebracht, zog es Talbot kurzerhand vor, sich dem nächsten Objekt zu widmen. Seine unermüdliche Haltung zur Transkription und Übersetzung von Inschriften glich der maschinellen Abarbeitung von Mathematikaufgaben eines eifrigen Schülers. Das erste Blatt des besagten Notizbuches (Abb. 8) zeigt den Beginn eines Vorentwurfes einer Transkription und einer Übersetzung einer Inschrift Tiglat-Pilesers I. (1114–1076 v. Chr.). Talbot war, nach einer Reihe vergeblicher Versuche, schließlich Zutritt zu dem bedeutenden Tonzylinder aus der Zeit des assyrischen Königs gewährt worden, welcher in den 1850er Jahren ausgegraben worden war.34 Talbot arbeitet bei der Übersetzung meist in zwei Spalten, indem er die Transkription auf der linken Seite des Blattes und die (unvollständige) englische Übersetzung auf der rechten Seite platzierte. Anmerkungen finden sich auf der gegenüberliegenden Seite des Heftes. Dieses Notizbuch ist Spiegel einer wichtigen, wenn auch historisch häufig missverstandenen Episode in Talbots Karriere als Assyriologe: Beschränkt durch Zutrittsbedingungen zu Objekten des British Museums und der daraus resultierenden eingeschränkten Möglichkeit, diese zu entziffern, schlug Talbot 1857 vor, zusammen mit Rawlinson in einer Art Wettbewerb vergleichende Übersetzungen des Tiglat-PileserZylinders gleichzeitig und versiegelt einzureichen. Er wollte somit Rawlinsons Bedenken Rechnung tragen, der fürchtete, Talbot könne ihn bei entscheidenden Übersetzungen übertreffen und ihm mit der Publikation zuvorkommen. Mit Einverständnis der Royal Asiatic Society wurden Hincks und der deutsch-französische Wissenschaftler Jules Oppert (1825–1905) ebenfalls eingeladen, an dem Experiment teilzunehmen. Der von der Royal Asiatic Society berufene Ausschuss meldete eine weitgehende Übereinstimmung der vier Übersetzungen, dessen Resultate aber erst vier Jahre später publiziert wurden.35 Zahlreiche Briefe dokumentieren dieses Ereignis, welches bislang als eines von Talbots Hauptverdiensten neben der Fotografie galt. Die Korrespondenz offenbart jedoch auch die Kehrseite der Entzifferung. So schlussfolgerte Eleanor Robson, dass es sich bei dem Ereignis keinesfalls um die endgültige Entschlüsselung des Keilschriftcodes handelte. Ferner habe das Jahr 1857 entgegen aller Behauptungen, die es restrospektiv als historischen Wendepunkt der Entzifferung verklären, weder die sozialen Hierarchien, noch die praktischen Arbeitsbedingungen, wie etwa den Zugang zu Objekten und deren Reproduktionen, verbessert.36 Talbots Projekte umfassten ab 1850 Inschriften, die bis heute einen wichtigen Stellenwert in der Geschichte der Assyriologie einnehmen.37 Während viele Notizbuchserien mit Aufzeichnungen und Übersetzungen, meist von Tafeln aus Nimrud und Ninive, die sich im British Museum befanden, keine klare Absicht erkennen lassen und eher experimentalen Charakter haben, diskutiert Talbot in einigen Notiz­ büchern aus den 1860er Jahren systematisch die Bedeutung einzelner assyrischer Wörter, um ein eigenes Wörterbuch vorzubereiten, den mehrbändigen Assyrian Glossary.38

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8:  William Henry Fox Talbot, Notizbuch „Miscellanea Assyria Vol. III“, The British Library.

Zu einem weiteren Ereignis, welches im Laufe dieses Buches noch einmal eine wichtige Rolle spielen wird, gehörte die „Entdeckung“ einer assyrischen SintflutErzählung durch den zu dieser Zeit am British Museum angestellten George Smith (1840–1876) in den frühen 1870er Jahren; sicher ein Höhepunkt in Talbots Leben als Assyriologe. Der Kupferstecher, den Talbot großzügig finanziell unterstützte, war als Restaurator für Tontafeln an das Museum gekommen, begann sich aber bald für assyriologische Forschung zu interessieren. Daraufhin wurde er zum Assistenten berufen und fand bald Fragmente von Tontafeln mit Elementen einer Fluterzählung, die der biblischen Sintflutgeschichte ähnelte. Die Geschichte (heute als Gilgamesch-Epos be­ kannt) wies zwar Parallelen zu der im Buch Genesis erzählten Sintflut auf, war jedoch älter als die Bibel. Das öffentliche Interesse an dem Fund war dementsprechend groß, woraufhin Talbot einen Kommentar veröffentlichte.39 Derartige Begebenheiten waren nicht ungewöhnlich. Bedeutende Inschriften wurden oft erst Jahre später am Museum „entdeckt“. Auch noch in seinen letzen beiden Lebensjahren geben mit schwacher Hand ausgeführte kaum sichtbare Bleistiftnotizen Aufschluss darüber, dass Talbot bis zum letzen Atemzug mehr Assyriologe als irgendetwas anderes war.40 Anhand einer dieser späten Übersetzungen zeigte Eleanor Robson, welche Wege der visuellen Mediation und Reproduktion Talbot beschreiten musste, um mit den Tafeln arbeiten zu können. Zudem wurde zunehmend in Expertenkreisen erwartet, dass Überset-

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zungen ins Englische mit Bezügen zu Hebräisch und Latein untermauert wurden, so dass zu der Zeit als Talbot starb, die Entzifferung allein kaum noch von Nutzen war.41 Trotz seines Engagements blieb Talbot in gewisser Weise im Netzwerk der Assyriologen ohne Status: Er hatte keine spektakulären Funde zu verzeichnen wie etwa Smith, sein Zugang zu den Sammlungen im British Museum war beschränkt und seine Übersetzungsversuche häufig ohne nachhaltige Bedeutung, wenngleich sie manchmal als Einstieg für weitere Diskussionen dienten. Auffällig ist der ephemere Charakter seiner assyriologischen Tätigkeit und die Fokussierung auf Sprache und Zeichen: Talbot schloss Übersetzungen und Entzifferungen von Tontafeln selten vollständig ab. Niemals interpretierte er die Erzählung, die er übersetzte. Vielmehr bestand die Herausforderung darin, sich sogleich an die Übersetzung der nächsten der Abertausenden von Tafeln zu machen, die sich im British Museum befanden. Die Bibel nutzte er lediglich, um zu prüfen, ob ihr Inhalt mit seinen Übersetzungen übereinstimmte, was wiederum keineswegs bedeutete, dass es Talbots Absicht war, den Wahrheitsgehalt der Bibel zu beweisen, zu bestätigen oder zu widerlegen. Seine Verdienste auf diesem Gebiet führten 1870 „trotzdem“ zur Gründung der Society of Biblical Archaeology, in der Philologen (Assyriologen sowie Ägyptologen) auf Theologen stießen. Wenngleich er den ihm angebotenen Präsidentschaftsposten ablehnte, veröffentlichte er regelmäßig in der hauseigenen Zeitschrift Transactions and Records of the Past. Robson zieht den Schluss, dass sowohl sein intellektuelles als auch sein finanzielles Engagement der noch jungen Society of Biblical Archaeology der britischen Assyriologie zu einem gewissen Status verhalf, was zur Professionalisierung des Faches wesentlich beitrug.42

RÉSUMÉ Die Fotografie, dies wird im Folgenden zu zeigen sein, sollte in Talbots assyriologischer Kariere eine wichtige Rolle spielen. Sie war eine zusätzliche Möglichkeit, Informationen über Dinge zu erhalten, die sich in räumlicher Distanz befanden. Damit ist nicht nur Mesopotamien, sondern auch London gemeint. Wenn Talbot beispielsweise vorschlug, dass archäologische Ausgrabungsstätten und Objekte im British Museum abgelichtet werden sollten, ging es ihm um die Mobilität der Objekte, konnten diese ihm so doch als Forschungsgegenstand dienen. Eine Fotografie war für Talbot somit, was das Herbarium für einen Botaniker war: ein wissenschaftliches Objekt, ein specimen, das sich wie gepresste Pflanzen (die Talbot nicht zufällig fotografisch festhielt und versendete) problemlos in Briefumschläge stecken und in Klassifizierungssysteme einordnen ließ.43 Auch wenn es sich nicht um den Gegenstand selbst handelte, war es die Reproduktion, die es erlaubte, an der Entzifferung von Tontafeln zu arbeiten, ja, sie sogar mit Notizen zu versehen, womit sich Fotografieren und Notieren bei Talbot zu einem komplementären epistemologischen Gebilde zusammenschlossen.

AUFZEICHNUNGSTECHNIKEN

1. STUDIUM MIT STIFT UND PAPIER: TALBOTS NOTATIONSTECHNIK In seinem Buch The Pencil of Nature stellte Talbot am Beispiel der Fotografie des Queen’s College Oxford (Abb. 9) die Vorteile der Fotografie bei der Aufzeichnung von Inschriften heraus: „It frequently happens, moreover – and this is one of the charms of photography – that the operator himself discovers on examination, perhaps long afterwards, that he has depicted many things he had no notion of a the time. Sometimes inscriptions and dates are found upon the buildings, or printed placards most irrelevant, are discovered upon their walls: sometimes a distant dial-plate is seen, and upon it – unconsciously recorded – the hour of the day at which the view was taken.“1 Während sich die Fotografie im Laufe des 19. Jahrhunderts als die Technologie par excellence etablierte, der die Aufzeichnung und das Bewahren von Informationen zugeschrieben wurde, so war es zuvor eine andere Aufzeichnungstechnik, die unter Wissenschaftlern verbreitet war: das schriftliche Notieren. Das Führen von Notizbüchern für Forschungsaufzeichnungen – als aide-mémoire, aber auch als Medium der Reflexion dessen, was gelesen, wahrgenommen, beobachtet oder im Labor experimentell erprobt wurde – war ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Arbeitens. Notizbücher kamen beim Experimentieren im Labor, bei Feldforschungen und Ausgrabungen oder beim Beschreiben von Beobachtungen zum Einsatz.2 Auch Talbot führte Notizbücher. Die Fotografie ist deshalb in einem größeren Kontext verschiedener Aufzeichnungs-, Speicherungs- und Reproduktionsmedien zu verstehen, die zum Informationsaustausch genutzt wurden und den Schwerpunkt dieses Kapitels bilden werden. Dazu gehörten auch Gipsabgüsse und Drucktechniken, die ebenfalls als Reproduktionsmedien verstanden werden können.

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9: William Henry Fox Talbot, Das Eingangstor zum Queen’s College in Oxford, The Pencil of Nature, Tafel XIII, 1843, Metropolitan Museum of Art.

Ein Notizbuch dient dazu, Informationen auf Papier zu sammeln, sie zugänglich und verfügbar zu machen. Die Fotografie konnte nach Talbots Auffassung genau das. Talbots Idee der Fotografie entstand also aus der Notwendigkeit heraus, Informationen aufzuzeichnen, sie mobil und reproduzierbar zu machen. Sowohl das Notieren als auch die Fotografie waren dabei mehr als bloße Aufzeichnungspraktiken: So wie der Notierende Informationen organisiert und klassifiziert, wählt ein Fotograf, beispielsweise durch den Kamerastandpunkt und den Bildausschnitt, zu­nächst Informationen aus. Beide Techniken dienen also nicht nur der Aufzeichnung und dem Sammeln von Informationen, sondern bringen unweigerlich auch Aspekte der Auswahl und damit der Reduktion mit sich. Sie bilden somit einen ersten Schritt hin zu Deutung und Interpretation. Letzteres gilt für jedes Aufzeichnungsmedium, seien es Tontafeln, Papyri oder eine Fotografie, wenngleich, so Ann Blair, jede Methode des Aufzeichnens ihre Beschränkungen bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Zugänglichkeit habe.3

1. STUDIUM MIT STIFT UND PAPIER: TALBOTS NOTATIONSTECHNIK

Trotz ihrer Gemeinsamkeiten gibt es zwischen der Notiz und der Fotografie aber auch erhebliche Unterschiede: Da wäre zum Beispiel die Rolle des Autors während des Entstehungsprozesses. Eine Fotografie kann zwar Informationen der äußeren Welt einfangen, indem sie einen bestimmten Ausschnitt und Blickwinkel zeigt, doch fehlt ihr das Reflexionspotential, welches dem Notieren als einer Art „Geistesdisziplin“ automatisch innewohnt.4 Das Notieren hat somit gegenüber der Fotografie epistemische Vorzüge, die später genauer erläutert werden sollen. Talbots Archiv ist als Ganzes aufschlussreich, da es uns ermöglicht, seine fotografischen Errungenschaften in einen breiteren Kontext einzuordnen. Liest man seine Notizbücher im Umkehrschluss vor dem Hintergrund der Fotografie, so erlaubt dies eine Lesart, welche das Notizbuch als ein mit der Fotografie verwandtes mobiles Medium versteht, in dem Wissen auf Papier organisiert und bewahrt wird.5 Beide Systeme bedienen sich des Topos der Einschreibung. Die beiden Methoden funktionierten bei Talbot komplementär: Sie isoliert zu betrachten, würde ihm und seinem Œuvre nicht gerecht werden. Talbots Art und Weise, seine Notizen zu kategorisieren und seine Notizbücher in Serien zu führen, glich üblichen Praktiken im frühen 19. Jahrhundert, mit denen er bereits während seiner schulischen Ausbildung konfrontiert wurde. Als er sich schließ­lich für das Studium am Trinity College in Cambridge einschrieb, begegnete er dem Naturphilosophen (wie Naturwissenschaftler damals genannt wurden) William Whewell (1794–1866), der im College als Tutor lehrte. Talbot absolvierte dort ein Mathematikstudium, welches nicht nur eine Voraussetzung für einen Abschluss in Cambridge war, sondern darüber hinaus die Funktion einer Art Eintrittskarte für Mitgliedschaften und vielversprechende Karrierewege der intellektuellen Elite hatte.6 Das Mathematikstudium in Cambridge wurde um 1820 wesentlich verändert und vormals festgefügte Strukturen öffneten sich Einflüssen aus Kontinentaleuropa.7 Der in der Geometrie verhaftete Ansatz von Newtons Principia wurde durch algebraische Analysen ergänzt, die wiederum neue Lehrbücher und Methoden erforderlich machten. Dieser Wandel im Curriculum ist vor allem im Kontext von Talbots Notationspraxis bemerkenswert. Die Studierenden wurden von nun an aufgefordert, ihr mathe­ ­matisches Wissen aus dem Gedächtnis niederzuschreiben und besonders schwierige Probleme auf Papier zu lösen.8 Bleistift, Tinte und Papier wurden so zu Talbots wichtigsten Arbeitsmitteln am Trinity College. Der hohe Wert, der in Cambridge auf das Schreiben zur Herleitung von Gedanken gelegt wurde, war untrennbar mit den Innovationen in den verschiedenen Feldern der Mathematik verbunden.9 Einfache Rechnungen, Gleichungen, diverse Notizen – alles wurde auf Papier festgehalten und dort verhandelt, weshalb die Zeit als Wendepunkt von einer Kultur des Lesens zu einer Kultur des Schreibens bezeichnet werden kann, in der mit Anmerkungen verseh­ enes Papier zum wichtigsten Faktor einer nach Erfolg strebenden Karriere werden

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sollte.10 War Wissen einmal niedergeschrieben, konnte es auch wieder abgerufen werden. Jüngste Studien zur erkenntnistheoretischen und ästhetischen Qualität des Schreibens in den Wissenschaften bezeichneten das Notieren in seiner Rolle als wissenschaftliche Praxis als „science in the making“ oder „Wissen im Entwurf“.11 Das Niederschreiben von Notizen ist also keine passive Widergabe von Gedanken, sondern Teil eines aktiven erkenntnistheoretischen Prozesses, der Wissen formt und transformiert. Ergänzend zu den Abschriften seiner Briefe bieten Talbots Notizbücher eine hervorragende Möglichkeit, seinen akademischen Nachlass im Hinblick auf diese Aspekte zu untersuchen. Im Gegensatz zu Briefen sind Notizbücher nicht für einen bestimmten Adressaten geschrieben. Ihr Inhalt ist oft sperrig und fragmentarisch, die Schrift nicht selten unleserlich. Es sind genau diese Herausforderungen, die das Studium von Notizbüchern fruchtbar machen, handelt es sich doch bei Forschungsnotizen um einen Spiegel akademischer Tätigkeit, der Einblick in die intimen Arbeitsmethoden und Reflexionen eines Wissenschaftlers geben kann. Für Talbot waren Notizbücher wie das Labor und das Feld für den Naturforscher, die Ausgrabungsstätte für den Archäologen. Sie waren der Ort, an dem er experimentierte und Informationen sammelte, klassifizierte, sowie immer wieder abrufen konnte. Viele seiner Publikationen können direkt auf seine Notizen zurückgeführt werden. Im Gegensatz zu Manuskripten, die für eine Publikationen vorgesehen sind, müssen Notizen jedoch nicht unbedingt zu einem schlüssigen Ergebnis führen, vielmehr zeigen sie den Weg dorthin auf. Sie sind somit ein literarisches Genre eigener Art.12 Notizbücher geben Raum für Fehlschlüsse, Zweifel, etwaige Korrekturen oder Kapitulationen. Trotz ihres Forschungscharakters sind sie immer subjektive und private Dokumente, weshalb derjenige, der Notizbücher liest, zwangsläufig in die Gedankenwelt eines anderen eindringt, Zeuge von Momenten wird, in denen Probleme gelöst oder Aufgaben nach dem Scheitern abgebrochen wurden. Aufzeichnungen sind nicht immer Mittel zum Zweck. Manchmal führen sie zu keinem Ergebnis, sondern zur Einsicht, dass ein Problem nicht gelöst werden kann. Ein Historiker, der Notizbücher studiert, muss deshalb nicht nur Handschriften entziffern, sondern auch zwischen den Zeilen lesen und Andeutungen aufspüren. Die Art eines Eintrags hängt von Faktoren wie Tageszeit, Ort, Licht, Stift beziehungsweise Tinte sowie Tagesform und Lebenssituation des Autors ab.13 Um ein möglichst vollständiges Bild von der Bedeutung einer Notiz Talbots zu erhalten, ist es daher erforderlich, parallel zu seinen Notizbüchern andere Quellen wie seine Publikationen, Fotografien und Briefe zu studieren. Wie Tagebücher, so sind auch Notizbücher also Aufzeichnungsmittel, welche, zumindest im Regelfall, ursprünglich nicht für die Augen anderer bestimmt waren, sondern allein dem Autor dienen sollten. Notieren bedeutet sowohl „niederschreiben“ als auch „kennenlernen“, nach den lateinischen Verben „notare“ oder „noscere“.14

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Lorraine Daston zufolge ist es eine Kombination von Beobachten und Lesen. Das Notieren setzt voraus, dass etwas „bemerkt“ (im Englischen: to note) und somit bemerkenswert wird. Eine weitere Voraussetzung ist die Entscheidung, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Details zu lenken.15 Es versteht sich von selbst, dass durch den Akt des Lesens die Interpretation des Lesers Teil des Gelesenen wird. Notizen schaffen ein intimes Verhältnis zwischen dem Leser und dem Gelesenen. Doch trotz ihrer Gemeinsamkeiten werden Notizbücher nicht wie Tagebücher geführt. Sie enthalten normalerweise kaum Eintragungen über private Angelegenheiten des Autors, wenngleich sie mitunter persönliche Erfahrung mit einschließen können. In diesem Sinne sind Notizbücher nicht nur Aufzeichnungsmittel und Erinnerungstechnologie, sondern sie sind gleichsam private Tagebücher wissenschaftlicher Gedanken und somit Teil der Wissenschaftlerpersönlichkeit selbst. Sie sind mobile Objekte, die man überall hin mitnehmen kann. Zugleich sind sie, wie Fotografien, Speichermedien, mit denen Erinnerungen abgerufen werden können. Dies macht sie zu erkenntnistheoretischen Arbeitsmitteln, die dem Autor helfen, sein Wissen zu speichern, zu reflektieren, zu analysieren und zu prüfen. Solch ein Prozess kann auf verschiedene Art und Weise geschehen, etwa schreibend oder zeichnend, durch einfaches Kopieren eines Textes, Bildes oder Diagramms, oder durch die Interpretation und Weiterführung einer Lektüre, wodurch nicht nur einfache Exzerpte, sondern Daten zweiter Ordnung entstehen. Notizbücher bieten auch die Möglichkeit, Informationen in einen Zusammenhang zu bringen und zu selektieren. Sie zeigen damit neue Ordnungsmöglichkeiten auf. Eine der wichtigsten Funktionen des Notierens war für Wissenschaftler das Abrufen des Notierten, das heißt die Möglichkeit, die Notiz jederzeit wieder lesen zu können, um Gedanken weiterzuentwickeln. War Lesen also das eigentliche Ziel des Schreibens, so sind Notizbücher Werkzeuge für künftiges Arbeiten. 16 Talbots Notizen sind eine Mixtur aus Exzerpt (etwa von Artikeln aktueller Zeitschriften wie der Literary Gazette und dem Athenaeum), Beschreibung (etwa von Experimenten) sowie Bewertung und Einordnung, oft vermengt mit persönlicher Verwunderung oder Faszina­ tion für einen Sachverhalt. Während Talbot den Sinn seiner eigenen Aufzeichnung verstand, können sich heutige Leser weder sicher sein, dass sein Archiv vollständig ist (falls sich Notizbücher an noch unbekannten Orten befinden), noch dass er alle Gedankengänge ausführlich niedergeschrieben hat. Die uns bekannten Notizbücher können somit lediglich als Beispiele für Talbots Lektüre dienen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit der von ihm rezipierten Literatur oder seiner Gedanken zu erheben. Talbots Notizen sind vielfältig: Sie können sowohl das Resultat eines komplexen Denkprozesses sein als auch aide-mémoire oder Spur eines spontanen Einfalls, welchen er manchmal verwarf und andere Male weiterentwickelte. Diese Vielfalt macht es schwierig, die Notizen in ein größeres „Gedankensystem“ einzuordnen.

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Talbot hat viele seiner Notizbücher datiert und in manchen sogar den Entstehungsort festgehalten. In anderen Fällen müssen sie durch den Zusammenhang erst datiert werden. Die stark variierende Struktur ihrer Inhalte erschwert die Kontextualisierung. Talbot ordnete die Aufzeichnungen selten mit Schlagwörtern und Überschriften, doch oft handelt es sich bei den Notizen um eine fortsetzende Akkumulation von Gedanken und Studien, die thematisch nicht klar voneinander zu trennen sind und deren Textgenre sich nicht auf einen Nenner bringen lässt. In seinen naturwissenschaftlichen Vermerken tendierte Talbot dazu, zusammenhängende Pas­­sagen zu verfassen (etwa die Beschreibung eines Experimentes), während seine Einträge zur Philologie zumeist aus Wortfolgen mit etymologischen Ableitungen, Assoziationen, Entzifferungen, Transkriptionen oder Übersetzungen bestehen. Bei derartigen Notizen handelt es sich also eher um Fragmente, deren Kontext aus anderen Quellen bestimmt werden muss. Einige dieser Notizbücher hat Talbot durch ein Register erschlossen, um sich einen systematisierenden Zugang zu seinen zahlreichen Aufzeichnungen zu ermöglichen.17 Eine durchgehende Argumentationslinie eines Gedankengangs findet sich in der Regel weder in den naturwissenschaftlichen noch in den sprachwissenschaftlichen Notizbüchern. Vielmehr durchschreitet Talbot in einem einzigen Notizbuch verschiedene Themen, oder, wie bei den naturwissenschaftlichen Serien, sogar verschiedene Disziplinen. Wenn Talbot Zweifel ausdrückt, etymologische Assoziationen mit einem Fragezeichen versieht oder seine eigenen Notizen Jahre später mit „für damals schon sehr gut“ kommentiert, so impliziert seine Notationstechnik auch die Möglichkeit der Selbstkritik. Talbots Aufzeichnungen sind also keine vollständigen Datensammlungen, sondern Werkzeuge einer dynamischen Entwicklung, deren Ende offen ist. Sie bieten Einblick in einen Prozess, im Zuge dessen der Schreibakt das Denken erst stimuliert. Das Schreiben wirkt somit als Katalysator für den Geist. Talbot hat selten ganze Abschnitte korrigiert, dennoch gibt es Beispiele dafür, dass er Texte zensiert oder mit einem anderem Stift im Nachhinein kommentiert hat. Sie sind Zeugnisse selbstkritischer Momente, in denen Talbot seine frühere Arbeit bewertet. Wollte Talbot einen Eintrag korrigieren oder ergänzen, fügte er meist auf einer späteren Seite eine Anmerkung mit einem jeweiligen Stichwort ein, etwa wenn er seine Meinung geändert oder ihn jemand in der Zwischenzeit auf einen anderen Lösungsansatz hingewiesen hatte. Zudem ließ er die linke Seite meistens frei, so dass auch dort Raum für spätere Notizen, Korrekturen, Kommentare oder Ergänzungen gegeben war. Für Talbot war ein Notizbuch ein variables und flexibles Arbeitsmittel der Selbstbeobachtung, welches es ihm ermöglichte, seine Argumente regelmäßig zu überdenken und zu steigern. Die erkenntnistheoretische Funktion der Notizbücher wird im folgenden Abschnitt am Beispiel einiger Einträge genauer erläutert.

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10: William Henry Fox Talbot, Notizbuch, 1809, The British Library.

1809, als Talbot neun Jahre alt war, führte er ein Übungsheft (Abb. 10), welches 23  Tuschezeichnungen und Diagramme geometrischer Figuren und astronomische Diagramme enthält.18 Das in Pergament gebundene und vermutlich mithilfe seines Tutors geführte Notizbuch enthält zu Beginn den Eintrag „William Henry Fox Talbot March 29th 1809“. Die Handschrift befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase, ähnelt jedoch bereits derjenigen der Notizbücher, die Talbot wenige Jahre später führte. Die Zeichnungen und Notizen handeln von astronomischen Themen wie der Titius-Bode-Reihe über die Entfernung von Planeten, dem Tellurischen System, dem Sonnensystem, oder dem Mondumlauf. Das Notizbuch zeigt, wie Papier, Bild und Aufzeichnung für Talbot von Beginn an unzertrennliche Komponenten der Wissensgenerierung waren.

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Nicht nur Talbots Interesse an Naturwissenschaften wurde früh geweckt, auch das Interesse an Sprachen und der Antike wurde durch den Heimunterricht bei seiner Mutter angeregt und fand in der humanistischen Ausbildung in der Privatschule Harrow seine Fortsetzung, wie seine Notizen belegen.19 Mehrere Übungsbücher aus Talbots Schulzeit stammen aus den ersten Schuljahren und beschäftigen sich mit lateinischen Übersetzungen, Übungen in Grammatik und mit Dichtung. Wie die Verwendung unterschiedlicher Schreibmaterialien und die veränderte Handschrift Talbots beweisen, konsultierte er diese frühen Notizbücher immer wieder, – teilweise auch erst zehn Jahre später –, um Korrekturen vorzunehmen. Die linke Seite trägt hier eigens den Vermerk „not to be written on“.20 In diesem Übungsbuch können Korrekturen bis 1815 nachverfolgt werden, wobei einige der Einträge sogar noch später erfolgt sein dürften.

11: William Henry Fox Talbot, Notizbuch, 1811–1815 (?), The British Library.

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Die erste Ebene des Blattes (Abb. 11), das hier vorgestellt werden soll, besteht aus einem mit Tinte verfassten Text in direkter und indirekter Rede, welcher ungefähr ein Drittel der Seite füllt. Die Handschrift ist deutlich und erinnert an die Talbots Mutter, Lady Elisabeth, an deren Schrift sich Talbot lange orientiert hat. Ungefähr die Hälfte der Zeilen wurde durchgestrichen und von einer reiferen Hand korrigiert. Mit dieser Handschrift wurden auch lateinische Korrekturen und Addendi am Seitenende vorgenommen21 sowie eine Anmerkung am unteren Rand: „N. B. Last line very good. April 25 1814. I wonder whether I shall think so on the 8th of October 1816. Query, why did I hit on that day in particular?“ In �������������������������������������������� einem in unterschiedlicher Tinte verfassten Eintrag setzt Talbot den Dialog mit sich selbst fort: „It is now the 19th March 1815“. Es bleibt im Dunkeln, warum Talbot den 8. Oktober 1816 als Tag der erneuten Revision wählte, doch es liegt in der Natur von Notizbüchern, dass sie rhetorische Fragen und persönliche Einträge enthalten, die für niemanden als für den Autor gedacht sind. An anderer Stelle im selben Notizbuch kommentiert Talbot (mit Bleistift) seine Arbeit mit „Very good W. H. F. Talbot“. Zu einer lateinischen Übersetzung fügt Talbot sich selbst als Erinnerungsstütze den Eintrag „first I ever did“ hinzu. An einer wiederum anderen Stelle beurteilt er später mit unterschiedlicher Tinte und Handschrift eine Übersetzung als „very good for that time“. Oder er markiert seine Korrekturen deutlich mit dem Wort „revised“. Die letzten Seiten des Notizbuches enthalten, im Gegensatz zu seiner vorwiegend philologischen Ausrichtung, schließlich eine Zeichnung mit der Überschrift „Magical Squares“ und verschiedene Notizen zur Definition und Geschichte chemischer Substanzen. Dieser Themenwechsel lässt die Vielfalt späterer Notizbücher erahnen. Ein typisches Beispiel dafür ist eine mit A–O betitelte Serie, welche zwischen ungefähr 1817 und 1836 entstand.22 In dieser Gruppe findet sich die gesamte Bandbreite von Talbots naturwissenschaftlichen Interessen wieder, von Astronomie, Chemie und Fotochemie über Spektografie und Optik bis hin zu angewandten Wissenschaften. Aus den Notizen resultierten Erfindungen im Bereich der Elektrolyse und Elektrotypie (unter anderem ein elektromagnetischer Motor), die teilweise auch patentiert wurden. Die inhaltlich facettenreiche, wenn auch wenig systematisch geführte Serie A–O führte schließlich zu den berühmten Notizbüchern P und Q, die zu den wenigen der Sammlung gehören, welche sich explizit und fast ausschließlich mit Fotografie beschäftigen. Sie befinden sich heute im National Media Museum in Bradford.23 Talbot bettete sonst Aufzeichnungen zur Fotografie lediglich hier und dort in andere Exkurse ein. Die vorausgehenden mathematischen und naturwissenschaftlichen Notizen der Serie A–O sind in sich nicht systematisch nach Disziplinen geordnet, wohingegen Talbot für die Philologie, Etymologie und Assyriologie getrennte und durchaus parallel geführte Notizbuchserien begann, um Ordnung zu wahren. Besonders die frühen Beispiele der Serie A–O folgen keinem klaren Ordnungssystem; teilweise finden sich darin besonders zu Beginn sogar vereinzelt philologische Studien.

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Talbot wechselte ständig zwischen den Themen, wobei sich die Mathematik wie ein roter Faden regelmäßig als „Intermezzo“ durch alle Notizbücher zieht, als wolle der Autor seinen Geist durch die Mathematik entspannen und inspirieren. Eine extreme Dichte der Einträge, die schnelles und kreatives Arbeiten attestieren, sind charakteristisch für diese Serie. Spontane Gedanken und Geistesblitze wechseln sich ab mit Exzerpten von Texten anderer Wissenschaftler, die Talbot häufig kommentierte, wenn auch meist ohne detaillierten Verweis auf Originalquellen. Formulierungen wie „I think […]“, „I wonder […]“ oder „Would it be possible […]?“ unterstreichen den provisorischen Eindruck, den alle Notizen Talbots erwecken, und bieten Raum für spätere kritische Auswertungen. Das Notizbuch J ist ein hervorragendes Beispiel für die große Bandbreite an Themen, mit denen sich Talbot innerhalb eines Buches befasste.24 Talbot begann das Heft 1832 und nutzte es ungefähr ein Jahr lang. Die thematische Reichweite kann lediglich angedeutet werden, würde ein kompletter Überblick seines Inhaltes doch den Rahmen sprengen. Erwähnt seien Aufzeichnungen zur Camera Lucida, zu Experimenten mit elektrischen Lichtfunken, erste Gedanken, wie mobile Objekte visuell mit einer fotografischen Kamera erfasst werden könnten, sowie weitere ausführliche Passagen zu Optik und Kristallen. Anders als die produktive und erstaunliche Verquickung von experimenteller Chemie und Optik sind die Aufzeichnungen zur Mathematik geradezu gradlinig. Wenngleich die Mathematik die einzige „stabile“ Komponente in Notizbuch J ist, füllt sie jedoch selten eine ganze Seite, da Talbot seine Gleichungen – abgelenkt oder in den Bann gezogen durch andere Themen – häufig unvollendet ließ. So auch auf diesem Blatt (Abb. 12): Die Notizen am Seitenanfang lässt Talbot schnell hinter sich, um sich sogleich einem Exkurs über eine Flüssigkeit zuzuwenden, welche sich über Monate von einer blauen zu einer durchsichtigen Substanz wandelt und deshalb – so die Vision Talbots – als unsichtbare Tinte für Briefe genutzt werden könne, welche die Handschrift nur als Relief sichtbar mache: „Some months ago I placed in a cupboard a corked bottle containing a little sulphate of molybdena a beautiful blue liquid – On looking for it, it was not to be found, but in its stead was a bottle containing a liquid twice or thrice as much in quantity & clear as water. I at length conjectured that the blue liquid had turned white which proved to be the case. Letters written with this liquid are at first scarcely visible then they become very plain as if written with oil, & then nearly disappear, except that they are visible in relief on the side on which they were written only, which is curious. When heated they turn coal black.“ Auf der darauf folgenden Seite schreibt Talbot weiter: „This white liquid when heated turns yellow, & then on cooling suddenly turns deep blue! […] March 1833 Mr Faraday informs me that Sulph. Acid alone, makes an invisible ink which appears coal black

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12: William Henry Fox Talbot, Notizbuch „J“, 1832–33, The British Library.

when heated.“25 ����������������������������������������������������������������� Derartige Einträge belegen Talbots Neugier, seine Lust am Experiment und den regen Austausch mit Wissenschaftlern wie Michael Faraday (1791– 1867). Andere Aufzeichnungen bezeugen seine Beobachtungsgabe, wie die fünf Notizbücher zeigen, in denen Talbot Pflanzen auflistete, die er auf seinen Reisen durch Großbritannien und Kontinentaleuropa identifizierte.26 Zwei Herbarien, die er gemeinsam mit seiner Mutter zusammengestellt haben dürfte, ergänzen die Sammlung. Für Talbot beschränkte sich die Botanik aber nicht nur auf das bloße Sammeln von Pflanzen. Vielmehr ging es, wie bei seinem Archiv im Allgemeinen, um eine Art Gedächtnistraining, um das Beobachten und um die Herausforderung, sich mit dem Unlösbaren, Schwierigen und Besonderen zu konfrontieren. 1814 schrieb Talbot aus Penrice in Wales an seine Mutter:

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„I am so very happy here, that I feel it more than usually disagreeable to return to Harrow. I do not think Mr Satterthwaite can have gone to (sic) the extent of botany, as it is a science, which extends pretty far, & which by no means consists entirely of nomenclature – It affords excellent exercise to the powers of discrimination, & practices the memory very much. I am sure that I shall find Euclid much easier, after having accustomed myself as I do here, to the attentive examination of plants; in the descriptions of which, every term & expression must be well weighed in the mind, & thoroughly understood. Far from there being no mind in it, I think that if you or he ever read Smiths Introduction to Botany, you must confess that there is something more in Botany than to know every plant when you see it. Aunt Mary says there is a difference between a philosophical, & a stupid botanist. the variety of wonderful contrivances which Nature employs for the protection of the flower, & due ripening of the seeds, &c. excite one’s admiration at every step, & though not so useful, Botany is as engaging as any science I have yet read about. It is a very great resource, when one has nothing else to do – & unless we are in prison, or in London, we can always find some little beauty, to fill up the time, which would otherwise be spent in ennui.“27 Talbot ging es also nicht primär um Pflanzen. Für ihn war die Botanik eine Wissenschaft, die in erster Linie das Gedächtnis trainierte und ihn stärker forderte als die Geometrie. Anne Secord stellte fest, dass Unterscheidungsvermögen, genaue Beobachtung und Scharfsinnigkeit die besondere Anziehungskraft der Botanik für Talbot ausmachten.28 Vor allem aber verlangte ihm die Botanik ab, Beobachtungen mit logischem Denken zu verbinden, worin er einen philosophischen Anreiz gesehen haben mag. Talbots botanisches Interesse müsse Secord zufolge in diesem hilfswissenschaftlichen Kontext verstanden werden, nicht jedoch in seinen eher durchschnittlichen wissenschaftlichen Verdiensten in der Pflanzenkunde. Der aufschlussreichste Teil der botanischen Sammlung, der Secords Argument unterstützt, besteht aus zwei großen Bänden, die mehr als 180 Sporenpflanzen, vornehmlich Moosarten, enthält. Das Sammeln von Moosen war ein spezielles Interessensgebiet Talbots, welches keinesfalls weitläufig praktiziert wurde. Er sammelte die Moosarten in kleinen Umschlägen und klassifizierte sie nach ihren Arten, wie es im frühen 19. Jahrhundert üblich war (Abb. 13).29 Als Sporenpflanzen oder Kryptogame bezeichnete Carl von Linné (1707–1778) blütenlose Pflanzen, die im 19. Jahrhundert noch nicht eindeutig klassifiziert waren. Obwohl Alexander von Humboldt in den späten 1780er Jahren begann, Interesse an Sporenpflanzen zu zeigen, und Johann Hedwig (1730–1799) ein Buch veröffentlicht hatte, welches Talbot für sein Studium verwendete, wurde das Klassifizierungssystem um 1800 noch weiterentwickelt.30 Die meisten Botaniker, sowohl diejenigen, die primär am Sammeln von Pflanzen interessiert waren, als auch diejenigen, die Pflanzen mikroskopisch untersuchten, neigten dazu, Moose zu ignorieren. Ein

1. STUDIUM MIT STIFT UND PAPIER: TALBOTS NOTATIONSTECHNIK

13: William Henry Fox Talbot, Herbarium (Moose), ca. 1830, The British Library.

Grund hierfür war die geringe Größe der Pflanzen sowie die Herausforderungen beim Beobachten und Sammeln, die darin bestanden, ihre kaum bemerkbaren, mikroskopisch kleinen Unterschiede zu bestimmen, um neue Arten zu entdecken.31 Mikroskope waren zu dieser Zeit noch nicht standardisiert und nach wie vor kostspielig.32 Die Entdeckung unbekannter Moosarten wurde außerdem durch die Tatsache erschwert, dass die Früchte, anhand derer man Moose identifizierte, hauptsächlich im Winter und somit zu einer für das Botanisieren eher ungewöhnlichen Zeit reifen. Moosforscher mussten extrem genaue Beobachtungsfähigkeiten entwickeln, um sowohl die Unregelmäßigkeiten der Instrumente (wie dem Mikroskop) als auch Schwankungen in der eigenen individuellen Wahrnehmung ausgleichen zu können. Botaniker, die sich dazu entschieden, ihr Forscherdasein Moosen zu widmen, taten dies nicht trotz, sondern wegen der Schwierigkeiten und Herausforderungen, die diese Untersuchungen und Forschungen mit sich brachten.

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Der Austausch neuer Moosarten war unter Botanikern Usus,33 und so bekam auch Talbot, wie seiner Korrespondenz zu entnehmen ist, zwischen 1815 und 1830 Moosarten von bekannten Gelehrten zugeschickt. Da es ein zentrales Anliegen des Netzwerkes war, regelmäßig neu entdeckte Arten und Informationen auszutauschen, waren Talbots botanische Korrespondenten unter den ersten, die Beispiele von Pflanzenfotografien erhielten. Sowohl der führende Botaniker Hooker, erster Direktor der Royal Botanic Gardens in Kew, als auch der italienische Botaniker Antonio Bertoloni (1775–1868) zeigten zwar ihre Wertschätzung ob des Erhaltes der Fotografien, waren jedoch skeptisch, was den wissenschaftlichen Nutzen von Fotografien als botanische Illustrationen anbelangte. Während die vorangegangenen Beispiele die Bandbreite an Funktionen und Möglichkeiten aufzeigten, die Talbots Archiv umfasst, manifestierten sich in den letztgenannten Funktionen – Klassifizierung, Austausch und Mobilität – Schlüsselfunktionen der Fotografie, die im Folgenden genauer in Augenschein genommen werden.

2. ZWISCHEN BILD UND SCHRIFT: TALBOTS FOTOGRAFISCHE VISION Talbots Nachlass birgt einige hervorragende Beispiele, um Wechselwirkungen zwischen dem Notieren und der Fotografie zu verdeutlichen. Das fünfte Kapitel wird hierzu ein besonders eindrückliches Beispiel vorstellen: die Fotografie und das Notieren werden hier von Talbot in einer Art Engführung kombiniert, indem er Abzüge mit Bleistiftnotizen versah (Abb. 65). Als man mit dem Fotografieren der Keilschrifttafeln begann, war es weiterhin Usus, Zeichnungen und Abschriften anzufertigen. Ein Beispiel ist eine Zeichnung zweier Tafeln aus der Kuyunjik-Sammlung von 1850. Talbots unbeholfene, jedoch überraschend ehrliche Überschrift „I can’t recognize half these characters“ (Abb. 14) sowie die vagen Bleistiftvermerke am Rand der Zeichnung beweisen, dass sich Talbot zu Beginn nicht nur mit der Entzifferung, sondern auch mit dem Kopieren schwer tat, da Letzteres bereits Kenntnisse des Ersteren voraussetze. Das auf Pauspapier gezeichnete Dokument ist ein Hybrid aus Bild und Text, der neben der Zeichnung der Keilschrifttafel Notizen in Talbots Handschrift aufzeigt. Eleanor Robson schildert eindrücklich, dass Talbot verschiedene mediale Stadien durchlaufen musste, um Zugang zu den Texttafeln zu bekommen, mit denen er sich befassen wollte. Sie stellt heraus, dass ihm selten die Tafeln selbst zur Verfügung standen, weshalb er sich häufig auf Zeichnungen oder Lithografien verlassen musste, die in sich bereits ein gewisses Maß an Interpretation mit sich brachten, da die Schriften auf den Tafeln erst im Begriff waren, entziffert zu werden.34 So konnte das Kopieren und Abzeichnen Fehler in sich bergen. Es ist daher möglich, dass Talbot in der Fotografie ein Speichermedium sah, das derartige Missstände vermeiden könnte.

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14: William Henry Fox Talbot, Keilschrifttafeln aus der KuyunjikSammlung „I Can’t Recognize Half these Characters”, Zeichnung, The British Library.

Wenngleich die Fotografie Bild ist, so hatte Talbot nicht die Vorstellung eines ikonografisch motivierten Bildes vor Augen. Seinen Fotografien kann ihr ästhetischer Wert kaum abgesprochen werden, jedoch war dieser vielmehr ein Nebeneffekt der eigentlichen Vorstellungen, die Talbot für den Gebrauch und die Funktion des

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15: William Henry Fox Talbot, Das offene Tor, Pencil of Nature, Tafel VI, April 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Hans P. Kraus Jr., New York.

Mediums im Sinne hatte. In seinen Notizbüchern finden sich kaum Hinweise, welche auf ein Interesse an Kunst und Bildern im engeren Sinne verstanden werden können. Bemerkenswert ist jedoch, will man den Bildbegriff erweitert verstehen, ein eindeutiger Hang zu visuellen Medien wie Schrift, zur Geometrie, zum Aufspüren und Entschlüsseln von Mustern und zur Beobachtung.35 Eine Einordnung von Talbots Interesse an der Fotografie muss also vor diesem Hintergrund erfolgen, nicht jedoch an dem sich erst später entwickelndem Kunststatus der Fotografie. Zwar machte Talbot Kunst zum Gegenstand der Fotografie; er tat dies jedoch vorwiegend, um die fotografischen Endprodukte zu Studienobjekten zu machen und betrachtete Kunstwerke dabei als Teil eines größeren fotografischen Experimentes. Dabei schmälerte er ihren Status als Kunst auf den ersten Blick, doch steigerte er ihn gleichermaßen, wie zu zeigen sein wird. Um Talbots Fotografien methodisch gerecht zu werden, empfiehlt es sich, konventionelle Vorstellungen von Bildlichkeit zu überwinden und den Bildbegriff zu erweitern. So kann Ästhetik Wissen generieren: Ästhetik kann sinnstiftend sein, um Wissen zu vermitteln, während Wissen ein Weg sein kann, um die Ästhetik visueller Effekte zu beeinflussen. Ästhetik und Epistemik sind also unmöglich trennbar.36 Auch wenn Fotografien wie Plate VI The Open Door (Abb. 15) oder Plate X The Haystack (Abb. 16) aus The Pencil of Nature zweifelsohne auf die etablierte Ikonografie der westlichen Kunstgeschichte zurückgreifen, so nutzte Talbot diese zum einen, um die

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16: William Henry Fox Talbot, Der Heuschober, The ­Pencil of Nature, Tafel X, ca. 1841, Salzpapierabzug von Papier­negativ (Kalotypie) auf Papier, Metropolitan Museum of Art. 17: William Henry Fox Talbot, Die Leiter, The Pencil of Nature, Tafel XIV, April 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Hans P. Kraus Jr., New York.

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Fotografie zu etablieren, zum anderen, um mit Bildsujets zu experimentieren.37 Andere Fotografien können als Versuche verstanden werden, spezifische technische Herausforderungen zu meistern: So wie die Fotografie in The Haystack auf den Prüfstand gestellt wird, wenn es um die Aufzeichnung minutiöser Details geht, so stellen The Open Door (Abb. 15) und The Ladder (Abb. 17) Chemie, Optik und Apparat vor die Herausforderung, Entfernung, Schatten und Räumlichkeit darzustellen. Die Ikonizität von Talbots Fotografien besteht also darin, zu zeigen, wie Dinge in einer Fotografie wiedergegeben werden können; darüber hinaus wird Ikonizität auch durch den Inhalt des Bildes (im Gegensatz zu seiner Repräsentation) selbst bestimmt, womit die Fotografie in die Nähe des gedruckten Buches rückt. Talbot nannte seine Erfindung unter anderem „words of light“38 und zog damit einen textbasierten Vergleich. Talbots Motivation war also weniger die Ästhetik um ihrer selbst willen, sondern Wissensgenerierung, wenngleich beide einander dienten. Dies weiterzuspinnen, setzt voraus, Fotografie als ein Medium zwischen Schrift und Bild zu denken. Unter dieser Prämisse liest sich The Pencil of Nature, das 1844–1846 in sechs Einzelbänden erschien, als eine ambitionierte Metapher, die das Schreiben und Zeichnen, und damit Schrift und Bild, miteinander vereint.39 Als eine Art Handbuch für die technischen Möglichkeiten der Fotografie enthält die Publikation 24 Originalkalotypien, welche von einem Text begleitet werden. Der Text kann als Anleitung verstanden werden, um sich der Fotografie überhaupt erst einmal zu nähern, bedurften die Bilder doch durch die Neuheit ihrer Beschaffenheit einer Erklärung. Auf den ersten Blick scheinen die Texte kaum etwas mit den dargestellten Objekten zu tun zu haben. Oft beschreibt Talbot mehr die technische Genese des Bildes und seine damit verbundene fotografische „Vision“ als das Bild selbst. In The Pencil of Nature lehrt Talbot seinen Leser vor allem, die Bilder als Fotografie zu lesen, hegte er doch anfänglich Bedenken, dass die Bilder für Zeichnungen gehalten würden – eine Befürchtung, die berechtigt scheint, da, wie später zu zeigen sein wird, für viele Betrachter die Unterschiede nicht offensichtlich waren. Talbot glaubte, Zweifel und technische Schwierigkeiten im Laufe der Zeit aus dem Weg räumen zu können. Durch The Pencil of Nature wird Talbot zum ersten Fotokritiker und Fotohistoriker zugleich. Mit der viel zitierten Passage, seine „Erfindung“ sei seiner Unfähigkeit zu zeichnen entsprungen, begründete Talbot selbst einen Ursprungsmythos, der mit seiner romantisierenden Erzählung eine regelrechte Obsession der Fotogeschichte begründete, den Zeitpunkt der Erfindung der Fotografie an bestimmte Daten und Begebenheiten zu knüpfen.40 Andere visuelle Medien, etwa die Malerei oder diverse Drucktechniken, teilen diese Obsession für Ursprünge und Erstlingsobjekte nicht. 41 Chitra Ramalingam vetritt die These, die Ursachen der Obsession für Ursprünge müssten in den frühen Quellen und Protagonisten selbst gesucht werden – hierzu gehört auch The Pencil of Nature. Sowohl im Paris als auch im London der 1830 Jahre wurden Debatten über

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18: William Henry Fox Talbot, Szene in einer Bibliothek, The Pencil of Nature, Tafel VIII, vor 1844, Salzpapierabzug von Papier­ negativ (Kalotypie), Metropolitan Museum of Art.

den Erstanspruch in den Wissenschaften häufig und intensiv geführt. Sowohl Talbot als auch Daguerre konnten kein plausibles Narrativ ihrer fotografischen Errungenschaften öffentlich vorbringen, ohne sich explizit als Erfinder geradezu in Szene zu setzen.42 Die Fotografiegeschichte handelt jedoch trotz aller Eigenheiten des Mediums nicht nur von Brüchen, sondern auch von Kontinuitäten. So gab es mindestens genauso viele Gemeinsamkeiten mit bestehenden Bildtraditionen wie Unterschiede. Ein erneuter Rückgriff auf Talbot ermöglicht vor diesem Hintergrund und dank der neuen Archivquellen neue Einblicke, ohne isolierten Tunnelblick: Mit ihnen lässt sich Fotografiegeschichte schreiben, ohne nur über Fotografien zu schreiben. Talbot sah in der Fotografie zum Beispiel nicht nur ein Hilfsmittel, welches andere Medien wie das Notieren ersetzen sollte, sondern auch eine Ergänzung zu bereits bestehenden textbasierten Verbreitungsformen, darunter Bücher, weshalb Talbot diese Idee in eben jener Art, einem Buch, präsentierte. Carol Armstrong hat auf die starke Verbindung zum Medium Buch, die die Fotografie in The Pencil of Nature auf-

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weist, hingewiesen, da Talbot sie nicht zuletzt als Erfindung vorstellt, die für das Medium Buch von Belang sein sollte.43 The Pencil of Nature spielt Fotografie und Schrift nicht gegeneinander aus, sondern zelebriert sie als sich ergänzende, zukunftsweisende Instrumente, die beide auf Papier und Druck basieren. Nicht zuletzt konnten Fotografien Bücher illustrieren, wobei die Tatsache, dass dies für weitere drei Jahrzehnte nicht im Druck, sondern lediglich durch Einkleben der Abzüge in das Buch erfolgte, die eingeschränkte Praktikabilität der Fotografie für den Buchdruck und andere Bereiche bereits antizipiert. Plate VIII A Scene in a Library (Abb. 18) spielt auf die Verbindung von Buch und Fotografie auf eine kuriose Art und Weise an: Zu sehen ist ein Regal mit Büchern, deren Titel auf dem Buchrücken zwar lesbar sind, Talbot jedoch keineswegs dazu veranlassten, im begleitenden Text auf den Inhalt der Bücher, die seiner eigenen Bibliothek entstammten, einzugehen. Vielmehr ergriff er die Gelegenheit, das Spiel zwischen Licht und Schatten als essentiellen Bestandteil der Fotografie zu erklären.44 Talbot verweist so darauf, dass Bücher und Fotografien jeweils für sich Informationen vermitteln, aber oft nur gemeinsam zu einer neuen Bedeutung führen. Gleichzeitig betont er, dass sie verschieden gelesen werden müssen, da die Fotografie ein eigenes Vokabular habe. The Pencil of Nature vermittelt einen beeindruckenden Überblick über das mannigfaltige Potential der Fotografie. Die 24 Tafeln zeigen Darstellungen von Architektur, Skulpturen, Lithografien, von Objekten, die auf den ersten Blick beliebig scheinen, wie etwa Obst oder eine Spitzenborte, (meist architektonische) Szenen von seinem Landsitz Lacock Abbey sowie Pflanzenbilder. Gail Buckland, Wolfgang Kemp und Peter Geimer betonten, dass Ikonografie und Motivauswahl den fotografischen Herausforderungen wie Raum und Licht untergeordnet wurden. Das Motiv war also zunächst die Fotografie selbst.45 Talbot hat sich bei der Auswahl der Beispiele für The Pencil of Nature demnach nicht primär von Motiven leiten lassen; vielmehr wollte er die mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten der Fotografie aufzeigen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass es sich bei den Motiven um willkürliche Sujets handelte. Genauer gesagt wählte sie Talbot nach seinen akademischen Interessen und mit Hinblick auf die Aufgaben aus, die die Fotografie erfüllen sollte. Die englischen Begriffe für Wissenschaft und Kunst, science und art, waren um 1840 im Wandel begriffen. Talbot verwendete den Begriff art häufig im Zusammenhang mit Fotografie, etwa als er proklamierte, keine Kunst perfektioniert, sondern eine neue Kunst begründet zu haben.46 Gleichzeitig rühmte er seine Erfindung gegenüber der Royal Society als eine neue Wissenschaft. Um 1840 war keiner der beiden Begriffe fest definiert. In Talbots Archiv und vielen anderen zeitgenössischen Quellen wird der Begriff art in Verbindung mit handwerklichem Können und technischen Fähigkeiten benutzt (im Englischen wird hierfür der Begriff craftsmanship verwendet). Just zu dem Zeitpunkt, an dem die Fotografie die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler der Londoner Royal Society auf sich lenkte, begann sich

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dies zu ändern. Bezog sich der Kunstbegriff bislang vorwiegend auf Kunstfertigkeit und Handwerk, so beschrieb der Begriff nun zunehmend eine ästhetische Kategorie, welcher Werte wie Imagination, Kreativität und Schönheit mit einschloss.47 Die heu­ tige Bedeutung des Wortes scientist wurde 1833 von William Whewell geprägt und ersetzte den bis dahin gebräuchlichen Begriff natural philosopher. Diese Zeit des Umbruchs wurde durch weitere neue wissenschaftliche Terminologien bestimmt, in die, wie bereits bei der Namensfindung der Fotografie, Herschel involviert war und die Bereiche vom Elektromagnetismus bis zur Architektur betrafen.48 Als bildgenerierendes Medium teilte die Fotografie zum einen Eigenschaften mit der Malerei und dem Zeichnen. Als chemikalischer und optischer Prozess und als recording device, also als Aufzeichnungsmittel, teilte sie zum anderen Eigenschaften mit der Wissenschaft, welche mehr an Handwerk und damit an die Bedeutung von Kunst im ursprünglichen Sinne erinnern.49 Die Frage nach einer Unterscheidung zwischen art und science ist nicht nur deshalb obsolet, da die Dichotomie, wie sie heute vorgenommen wird, schlicht und ergreifend nicht zutraf, sondern auch, weil die Natur als eigentliche treibende Kraft von Talbots Erfindung erschwerend hinzu kommt. Es war genau das Wechselspiel zwischen craftsmanship, also dem handwerklichen Aspekt der Fotografie, einerseits und dem sich selbsteinschreibendem Element andererseits, das die Fotografie so schwer fassbar machte. Larry Schaaf wies darauf hin, dass Talbots und Herschels Netzwerke an der Royal Institution und der Royal Society science im einem sehr weitem Sinn auffassten, welcher beispielsweise Kultur, Religion, Malerei und Literatur gleichsam mit einschloss.50 Oft wird behauptet, dass sich im Zuge der disziplinären Professionalisierung und Spezialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts Kunst und Wissenschaft als separate, gar gegensätzliche Kategorien auseinanderdividierten. Würde man Kunst und Wissenschaft erst als zusammenhängende, dann als separate Kategorien verstehen, so wäre dies einerseits redundant, andererseits anachronistisch, denn der Ansatz suggeriert eine mögliche Verbindung zwischen zwei Kategorien, die es mit der Bedeutung, die nun für ihre Unterscheidung genutzt wird, um 1840 schlicht und ergreifend nicht gab. Die Kehrseite der an sich fast universal angelegten Einsatzmöglichkeit der Fotografie bestand darin, dass Talbots Vorstellungen davon, wie das neue Medium genutzt werden könne, von Amateurhaftigkeit geprägt war. Seine Kenntnisse der Disziplinen, für die Talbot die Fotografie fruchtbar machen wollte, waren oft oberflächlich und nicht mit dem Niveau der führenden Gelehrten in Botanik, Astronomie oder Altertumswissenschaften zu vergleichen. Dennoch glaubte Talbot – wie auch der von der Idee der fotografischen Selbsteinschreibung gleichsam besessene Herschel –, dass die wissenschaftlichen Möglichkeiten, die sich durch die Fotografie eröffneten, endlos schienen.51 In The Pencil of Nature vermittelte Talbot den Eindruck, es handele sich bei der Fotografie um ein leicht zu handhabendes und vielseitig einsetzbares Instrument, bei dem dem Nutzer fast nichts abverlangt würde. Der Rest geschehe sozusagen von

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19: William Henry Fox Talbot, Glaswaren, The Pencil of Nature, Tafel IV, vor 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Hans P. Kraus Jr., New York. 20: William Henry Fox Talbot, Gegenstände aus Porzellan, The Pencil of Nature, Tafel III, vor 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Hans P. Kraus Jr., New York.

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alleine: „It may suffice, then, to say, that the plates of this work have been obtained by the mere action of Light upon sensitive paper. They have been formed or depicted by optical and chemical means alone, and without the aid of any acquainted with the art of drawing.“52 Mit The Pencil of Nature stellte Talbot also ein Medium vor, welches das Bild in gleichem Maße einsetzte wie Schrift und Text. Das Buch war aber vor allem der Idee verpflichtet, ein neues Instrument einzuführen, welches die Möglichkeiten der Reproduktion in bisher ungeahnte Gefilde führte. Die folgenden Beispiele, die bereits den musealen und archivarischen Aspekt der Fotografie anklingen lassen, sollen dies belegen: In The Pencil of Nature dienen Plate IV Articles of Glass (Abb. 19) und Plate III Articles of China (Abb. 20) als bildliches Inventar, ja gar als Ersatz einer Ekphrasis. Zu den Articles of China schrieb Talbot: „And should a thief […] purloin the treasures – if the mute testimony of the picture were to be produced against him in court – it would certainly be evidence of a novel kind. […] The articles represented on this plate are numerous. But, however numerous the objects – however complicated the arrangement – the Camera depicts them all at once. It may be said to make a picture of whatever it sees. The object glass is the eye of the instrument – the sensitive paper may be compared to the retina. And the eye should not have too large a pupil.“53 Der Vergleich der Fotografie mit dem geschriebenen Inventar suggeriert, dass die Fotografie das Schreiben gänzlich ersetzen könne, unterschieden sich die beiden „Einschreibungstechniken“ für Talbot doch nur geringfügig.54 Eine Fotografie konnte jedoch nicht nur selbst Inventar sein, sondern als mobiles Objekt, etwa im Museum, auch Inventare ergänzen und hiermit eine wichtige Rolle einnehmen. In der Talbotforschung blieben häufig die Fotografien unbeachtet, welche zweidimensionale Objekte abbilden, obwohl sich gerade in ihnen am eindrücklichsten zeigen lässt, worum es Talbot im Wesentlichen ging: das Erfassen von Informationen und die Reproduktion von Objekten, seien diese zwei- oder dreidimensional, um sie zu mobilen und zirkulationsfähigen Studienobjekten zu machen. Wie die Fotografien von dreidimensionalen Gebäuden und Skulpturen sind auch diese Bilder potentielle Werkeuge von Archiv und Museum.55 Dass die Reproduktion für Talbot eine entscheidende Rolle spielte, wird in Plate IX Facsimile of an Old Printed Page (Abb. 21) und Plate XI Copy of a Lithographic Print (Abb. 22) deutlich.56 Die Titel beschreiben auf den ersten Blick das, was die Bilder zeigen. Auf den zweiten Blick bleibt jedoch im Unklaren, was mit Kopie und Faksimile gemeint ist: Vermag es die Fotografie selbst, diese hervorzubringen, oder handelt es sich hier um Reproduktionen von Reproduktionen? Die Fotografien im vorliegenden Band abzudrucken bedarf jedenfalls des Zusatzes, dass es sich um Fotografien handelt, zeigen sie doch nichts als die gedruckte Seite selbst.

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21: William Henry Fox Talbot, Faksimile nach einem alten Buch, The Pencil of Nature, Tafel IX, ca. 1839, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Hans P. Kraus Jr., New York. 22������������������������� : ����������������������� William Henry Fox Talbot, Kopie einer Lithographie, The Pencil of Nature, Tafel XI, vor 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Hans P. Kraus Jr., New York.

Talbot ließ die Kalotypie 1843 patentieren und eröffnete ein Jahr später zusammen mit seinem Angestellten Nicolaas Henneman (1813–1898) eine Werkstatt in Reading in der Nähe von London, das Reading Establishment, welches es ihm und seinen Mitarbeitern ermöglichte, Fotografien in größeren Mengen zu reproduzieren, etwa, um sie in gedruckte Buchpublikationen wie The Pencil of Nature einzufügen.57 Eine Aufnahme des Reading Establishments veranschaulicht die Idee einer fotografischen Manufaktur mit just jenem Medium, welches hier zum Massenmedium avancieren sollte (Abb. 23).58 Auf dem Bild sind sogar einige der Einsatzmöglichkeiten vereint, die Talbot in The Pencil of Nature propagierte: Während links zwei Personen mit dem Ablichten von zweidimensionalen Kunstwerken und dem Porträtieren von Menschen beschäftigt ist, wird rechts das Fotografieren von Skulpturen dokumentiert. Assistenten sind mit dem Entwickeln und Trocknen frisch hergestellter Fotoabzüge beschäftigt. Einige der in diesem Bild im Entstehen begriffenen Fotografien, etwa die Fotografie der Skulptur der drei Grazien, die im Hintergrund des rechten Bildes zu sehen ist, finden sich heute in verschiedenen Fotosammlungen. Für Talbot implizierte das Kopieren, also das Fotografieren, die Transformation eines Objektes. Anhand von Skulpturen wird im letzten Abschnitt dieses Kapitels zu zeigen sein, wie Talbot sich diesen Objekten fotografisch näherte. Nicht zuletzt waren

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23: William Henry Fox Talbot oder Nicolaas Henneman, Das Reading Establishment, Panorama, 1846, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Metropolitan Museum of Art.

Fotografien, anders als Skulpturen, zweidimensionale Objekte und konnten keine Farbigkeit abbilden. Diese Transformation war Voraussetzung, um aus den fotografierten Objekten Studienobjekte zu machen, welche sie aus ihrem Ursprungsort, zum Beispiel einem Museum oder einer Ausgrabungsstätte, herauslöste und sie von ihrer dortigen Erscheinung unterschied. Die Fotografie machte sie zu mobilen Objekten, die nicht nur transportabel, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes beschreibbar waren. Das Objekt wurde somit zu Papier wie Gedanken zu Schrift in einem Notizheft, gleichermaßen Erinnerung an das Vergangene wie Grundstein von etwas Neuem. Gerade diese Hybridität versah die Fotografie einerseits mit einem großen epistemischen Potential. Andererseits lief sie genau deswegen Gefahr, Quelle des Zweifels und des Missverständnisses zu werden. Für Talbot überwogen zunächst die positiven Aspekte. Gerade das Fotografieren von Skulpturen barg Unmengen an Darstellungsmöglichkeiten in sich.59 Die Transformation betraf bereits die Reproduktion selbst: Ein Positivabzug ist niemals ein genaues Duplikat des Negativs, sondern seine Verfremdung. Darüber hinaus gleicht kein Abzug dem anderen.60 Vielmehr sind Abzüge von chemischen Emulsionen, dem Wetter, dem Papier und der Laune des Fotografen abhängig. Talbots Konzept der Fotografie schwankt zwischen der Idee des Originals und der Idee der Transformation. In seinen Fotografien wird das Original in Frage gestellt,

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wenn er den Betrachter etwa mit einer reproduzierten Lithografie oder Buchseite konfrontiert und in seinem begleitendem Text darauf verweist, das Foto auf der gegenüberliegenden Buchseite sei „a copy of a sketch of Hagar in the Desert“ (Plate XXIII). Oder wenn er Fotografien von Gipsabgüssen macht (Plate V und XII), welche selbst schon Kopien von Skulpturen sind. In Bezug auf die Aspekte Übersetzung, Transformation und Mediation stellt Vered Maimon heraus: „For Talbot, the value of the photograph as a form of evidence does not simply hinge on its explicit visual nature or on its status as a direct ‚emanation from the referent‘ (Barthes, 1985, 85). The problem is not to prove ‚what has been‘, but how to make, through well selected and arranged images, the past alive and intimate: the re-enactment of the past not its authentication.“61 Talbots Bilder sind somit gleichsam arrangiert, wie Abdrücke der Natur. Die Kamera fotografiert alles, was sie „sieht“, aber sie sieht nur, was man vor sie stellt, wenngleich sich, wie das Beispiel von Queen’s College Oxford (Abb. 9) zeigte, der Fotograf nicht immer bewusst sein muss, was die Fotografie letzten Endes aufzeichnet. Für Talbot war die Fotografie ein Instrument, welches dazu diente, Informationen zu erfassen und abrufbar zu machen, sie jedoch gleichzeitig zu übersetzen und damit zu interpretieren. Talbots Fotografien von Skulptur und Architektur sind ein Beispiel für diesen Ansatz und konnten somit für das Studium der Antike eingesetzt werden. Eine Fotografie kann also zum einen als Stellvertreter dessen dienen, was sie darstellt: Sie kann Informationen erfassen, diese transformieren und transportabel machen. Als mobiles Objekt kann sie zum anderen, genau wie ein Notizbuch, als Gedächtnisstütze dienen. Für Talbot unterschied sie sich damit nur geringfügig von anderen Mitteln der Informationsverarbeitung. Die Vielfalt der Funktionen, die der Fotografie zu eigen waren, macht es gleichzeitig unmöglich, ihr Wesen klar zu definieren. Wie Vered Maimon zeigte, offenbart die Ambivalenz, die sich durch den Begleittext in The Pencil of Nature zog, eine gewisse Unsicherheit, die Talbot selbst im Hinblick auf das Wesen seiner Erfindung empfand.62 Dies spiegelt sich auch in der Namensfindung wieder.63 Der Briefwechsel Talbots mit John Watson (1814–1865), John Herschel und David Brewster (1781–1868) bietet hierfür aufschlussreiche Beispiele. Spielten sciagraphics und shadow noch auf den Kontrast von Licht und Schatten an,64 so entwickelte sich in den Notizbüchern L und M wenige Jahre später ein Bezug zur Zeichnung durch den Namen photogenic drawing.65 Der Name war jedoch eher irreführend, handelte es sich bei dem Prozess doch auch um ein Verfahren, das durch bloßen Lichtkontakt zustande kam; er war also somit mehr photogenic als drawing (letzteres in Erinnerung an eine Technik, die Talbot gleichermaßen ersetzen wollte).66 Der Name verwies, auch dies war irreführend, zudem gleichfalls auf Fotografien, für deren Entstehungsprozess keine Kamera benötigt wurde.67

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Herschel, der sich nicht nur mit fotografischen Experimenten, sondern auch mit der Namensfindung neuer wissenschaftlicher Phänomene und Erfindungen beschäftigte, prägte 1839 den Begriff photography, der damit photogenic drawing ersetzte. Die Bezeichnung photography spielte auf mehrere Bezugspunkte der Fotografie an und offenbarte dadurch ihren uneindeutigen Status: graphein bedeutete nicht nur schreiben, sondern auch eingravieren und einritzen, graphis Griffel und Pinsel, graphê eine mit Linien angefertigte Darstellung oder Zeichnung. Der etymologische Diskurs verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Mediums, weshalb François Brunet gar konstatierte, die Fotografie sei zunächst mehr als Schrift denn als Bild wahrgenommen worden.68 Als 1841 die spezifischere Bezeichnung calotype, also Kalotypie, für Talbots Technik aufkam, zeigte sich seine Mutter zunächst besorgt, da der Begriff keine namentliche Referenz auf den Erfinder enthielt, wie dies in Frankreich der Fall war.69 In Anlehnung an die Daguerreotypie entstand parallel zum calotype der Name Talbotype. Beide Namen stellen durch den zweiten Teil des Kompositums -typos Verbindungen zu anderen Drucktechniken her. Die Betonung wurde also bei diesen Namen nicht so sehr auf die Genese des Lichtbildes, sondern auf die Reproduzierbarkeit des Prozesses gelegt. Zugleich bezog sich der Begriff auch auf die Funktion der Fotografie, die Talbot in Some Accounts of the Art of Photogenic Drawing in ihrer ganzen Bandbreite und Nützlichkeit vorstellte.70 Sowohl in dieser Publikation als auch im Namen „Kalotypie“ spiegelte sich die Wechselwirkung von ästhetischem Wert und Nutzen wider, steht das griechische calos doch nicht nur für schön, sondern auch für nützlich: „I have named the paper thus prepared calotype paper on account of its great utility in obtaining pictures of objects with the Camera Obscura.“71 Als im weiteren Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts für die Fotografie immer wieder Metaphern herangezogen wurden, die den Vergleich mit dem geschriebenen Text suchten, so geschah dies sowohl im Zusammenhang mit dem Druck als auch mit der Schrift (weniger jedoch mit dem Zeichnen). So sah der deutsche Photochemiker Erich Stenger in der Fotografie ein Äquivalent zum Buchdruck.72 Beide Techniken gehörten zu den großen Erfindungen der Kulturgeschichte, da es mit ihnen gelang, die Welt der Gedanken sichtbar zu machen.73 László Moholy-Nagy (1895–1946) prophezeite zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass nicht die Schriftunkundigen, sondern die Fotografieunkundigen die Analphabeten der Zukunft sein würden.74 Der Fotografiehistoriker Beaumont Newhall bezeichnete die Fotografie ebenfalls als ein bildliches Äquivalent zum Druck und ging sogar so weit, die Publikation von The Pencil of Nature mit dem Druck der Gutenberg-Bibel zu vergleichen.75 Der deutsche Kalligraf und Typograf Jan Tschichold zog eine Verbindung von Fotografie und der Rolle des Buchstaben, deren Zweck es sei, Inhalte zu vermitteln.76 Der Philosoph Vilém Flusser gestand der Erfindung der Fotografie schließlich einen historisch ebenso bedeutenden Status zu wie der Erfindung der Schrift.77

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Bei der Fotografie handelt es sich also um ein „Aufschreibesystem“,78 welches das Schreiben, Zeichnen und Drucken gleichermaßen vereint, ohne Grenzen zu ziehen. Der Anthropologe Tim Ingold beschreibt treffend: „so long as writing is understood in its original sense as a practice of inscription, there cannot then be any hard-and-fast distinction between drawing and writing, or between the craft of the draughtsman and that of the scribe. […] Thus it is that the writer of today is no longer a scribe but a wordsmith, an author whose verbal assemblies are committed to paper by way of mechanical processes that bypass the work of the hand. In typing and printing, the intimate link between the manual gesture and the inscriptive trace is broken. The author conveys feelings by his choice of words, not by the expressiveness of his lines.“79 Sowohl das Schreiben, Einschreiben und Zeichnen als auch das Drucken konnten also mit der Fotografie in Verbindung gebracht werden. Als Technik des Aufzeichnens erlaubt die Fotografie darüber hinaus eine Verbindung zum Notieren. Die Vielfalt der Aufzeichnung, mit der die Fotografie assoziiert werden konnte, erschwert es jedoch auch, sie in starre Kategorien einzuordnen, die Schrift und Bild streng unterscheiden. Ingold lässt diese Unterscheidung verschwimmen, wenn er schreibt: „Whatever the specific nomenclature of line-making and its etymological derivation, it could well be that the distinction, in practice and experience, between making reductive traces with sharply pointed implement in a resistant material like stone, and making additive traces in flowing ink on papyrus, parchment or paper, using a pen or brush, was a harbinger of things to come, finding a distant echo, millennia later, in the modern idea of writing as an art of composition separate from drawing.“80 Die Hybridität der Fotografie kommt nicht nur durch die Schwierigkeit ihrer Einordnung zum Tragen, sondern auch durch ihre Technik und ihre Funktionen. Allen voran war es aber der Aspekt der Reproduzierbarkeit, die Funktion der Fotografie als Kopiermaschine, welcher der Schlüssel zu Talbots Verständnis der Fotografie ist. Wie die Korrespondenz zwischen Talbot und anderen Wissenschaftlern zeigt, war der private Informationsaustausch ein grundlegendes Element der Wissensproduktion im viktorianischen England. Es überrascht daher nicht, dass die Fotografie ebenfalls zu diesem Zweck eingesetzt wurde. Talbot verschickte fortan nicht nur Briefe, sondern auch regelmäßig selbstangefertigte Fotografien an seine Korrespondenzpartner. Eines seiner Notizbücher enthält eine entsprechende Liste mit Adres­ saten und den fotografischen Exemplaren, die dem Brief beigelegt werden sollten.81 Wenngleich der Austausch von Fotografien sowohl unter Natur- als auch unter Alter-

2. ZWISCHEN BILD UND SCHRIFT: TALBOTS FOTOGRAFISCHE VISION

tumswissenschaftlern ein wichtiger Bestandteil des Informationsaustausches war, so hatte er auch einen strategischen Hintergrund. Die Distribution und Zirkulation der Fotografien diente Talbot als willkommenes Aushängeschild seiner Erfindung. Mitte der 1850er Jahre, als Talbots Prozess Fuß gefasst hatte, wurde der Austausch von Fotografien in der Antiquarian Photographic Society regelrecht institutionalisiert und stellte die Mitglieder vor Herausforderungen, die die Anzahl der erforderlichen Kopien betraf, sah die Society doch vor, dass jedes Mitglied mit einem Abzug beschenkt werden solle: „Our readers are aware that its main object is the interchange of photographs among the members; each contributing as many copies of his own work as there are members of the Society, and receiving in exchange as many different photographs. Thus, if the Society is limited to twenty-five or fifty members, each member will have to furnish twenty-five or fifty copies, as the case may be, of the photograph he presents to the Society; and, in return, will receive one photograph from each of his fellow members. The difficulty, or rather trouble of printing, must necessarily limit the number of members; and as a consequence will, we doubt not, lead to the formation of many similar associations.“82 Einer der Korrespondenten, mit denen sich Talbot regelmäßig austauschte, war der Mathematiker Charles Babbage (1791–1871). Babbage maß dem Kopieren und Reproduzieren immense Bedeutung bei und betonte ihre Vorteile und Nützlichkeit in der Kunst.83 Er war hauptsächlich an der Funktionsfähigkeit einer neuen Art des Druckes von Bildern im Zusammenhang mit Diagrammen und Abbildungstafeln interessiert.84 In den 1830er Jahren änderten sich in Großbritannien die technischen Bedingungen für grafische Drucke, wie an ihrer immer häufigeren Verwendung im Penny Magazine, im Magazin Punch und in der Illustrated London News deutlich wird. Cartoons wurden damals stereotypes genannt, ein Name, der sich zunächst auf ein Verfahren bezog, mit dessen Hilfe Drucke reproduziert werden konnten. Der Begriff nahm erst um 1850 seine heutige Bedeutung im Zusammenhang mit Karikaturen an. Sowohl die Zeiteffizienz (etwa durch die erleichterte Vervielfältigung von Illustrationen wie Holzschnitten mithilfe neuer Drucktechniken) als auch das Maß an Zuverlässigkeit trugen Babbages Plan Rechnung, seinen eigenen Alltag als Wissenschaftler erleichtern zu können.85 Babbages Interesse kann bis 1833 zurückverfolgt werden, als er sich in seinem Buch On the Economy of Machinery and Manufactures über verschiedene Formen des Kopierens äußerte, etwa „by printing from cavities by stamping by printing from surface by punching by casting with elongation by moulding with altered dimen­ sions.“86 In diesem Rundumschlag der Potentiale kamen bereits die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Kopierens zum Tragen, die sich zu einem nicht unbeachtlichen Teil auf die Künste übertragen ließen.

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Talbots und Babbages Korrespondenz belegt, dass die beiden Wissenschaftler intensiv über Kopierprozesse wie über das von dem in London lebenden Künstler und Drucker George Baxter (1804–1867) erfundene Farbdruckverfahren diskutierten.87 Darüber hinaus hatte Talbot Babbages Differenzmaschine besichtigt, eine Erfindung, die sich explizit mit dem Kopieren beschäftigte.88 1839 erhielt Babbage von Talbot einen mit fotografischen Abzügen begleiteten Brief: „Thinking you would like to have some of my photogenic drawings I have sent a packet of them directed to you […] Among them is one view of the tower of Lacock Abbey selfexecuted with the Camera Obscura, which branch of the art I understand several persons have found very difficult, though it really is not.“89 Bei ������������������������������������������������������� dem letzten Zusatz handelt es sich um eine für Talbot nicht untypische Bemerkung, die widerspiegelt, wie weit er von der Vorstellung entfernt war, es könne sich bei der Fotografie um ein Instrument handeln, dessen Handhabung Schwierigkeiten bereiten könnte. Babbage, möglicherweise von Talbots Worten überzeugt, erhielt im Jahr 1840 weitere und bessere Abzügen von Talbot, um sie der kleinen Sammlung hinzuzufügen, die er bereits im vorherigen Sommer von ihm erhalten hatte, damit er sie auf einem seiner Empfänge, dem Talbot selbst nicht beiwohnen konnte, vorführe.90 Unter diesen Fotografien befand sich auch ein Abzug, den Talbot schlicht Facsimile of Old Book in my Library getauft hatte.91 Dass Talbot ausgerechnet diese Fotografie verschickte, war freilich kein Zufall. Das Bild traf genau Babbages Nerv, spielte es doch auf eine bestimmte Art des Kopierens an, die Reproduktion von Büchern, die Babbage interessierte. Talbot wusste also um Babbages Leidenschaften. Er hatte seine Publikation The Ninth Bridgewater Treatise (1837) eifrig gelesen.92 Hierin erklärt Babbage, wie man ein Diagramm kopierte, was Talbot beeindruckte. Die Rhetorik, die Babbage in diesem Buch zu nutzten pflegte, ähnelte der Talbots in The Pencil of Nature ein paar Jahre später: Wie auch Talbot beschrieb Babbage zunächst seine persönlichen Erfahrungen im Drucken und Kopieren. Daraufhin fuhr er mit einer Beschreibung des beschwerlichen Umstandes fort, demzufolge er eine große Anzahl von Holzschnitten brauchte, um seine Differenzmaschine visuell zu erklären – ein Dilemma, das nicht frei von Ironie war. Genau wie bei Talbot lag es jenseits von Babbages Vorstellungskraft, dass andere Menschen Schwierigkeiten haben könnten, seine Erfindung nachzuvollziehen, hielt er seine Erklärung doch für absolut schlüssig. Er war somit überzeugt, dass seine Beschreibungen, etwa für Querschnitte und Karten in der Geologie, ein breites Publikum ansprechen und all jenen von Nutzen sein würden, deren Schriften bildliche Illustrationen erfordern,93 etwas, was die Fotografie freilich wie oben beschrieben nur unter widrigen Umständen würde leisten können. Babbages Hauptanliegen schien darin zu bestehen, den Lesern die Kohärenz und Einheitlichkeit, die durch einen Originalholzschnitt gewährleistet werden konnte, zu vermitteln. Dies war mehr als die Einführung einer neuen Darstellungsform: Es war eine neue Art, wissenschaftlich zu arbeiten und bildliche Darstellungen als ernst-

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zunehmende Elemente in akademischen Abhandlungen und Argumentationen zu verstehen. Babbages Reproduktionswahn zeugt von der Dimension, die seine Leidenschaft angenommen hatte. So wie Herschel (dessen Forschung neben Babbage den zweiten diskursiven Rahmen für Talbots Erfindung bildete) sein Steckenpferd „Selbsteinschreibung“ ernst nahm, so nahm auch Babbage das Drucken, Kopieren und Reproduzieren außerordentlich ernst. Seine Beschäftigung ging damit weit über das ursprüngliche Problem der Reproduktion von Diagrammen auf dem zweidimensionalen Raum hinaus und nahm bisweilen bizarre Formen an. Babbage kopierte Noten, er druckte Muster auf Taschentücher und hölzerne Tabakdosen, reproduzierte Griffe von Regenschirmen, Knöpfe und Vermicelli, eine Nudelsorte. Die Vielfalt der dabei verwendeten Methoden war groß und reichte vom Druck von Stereotypen über lithografische Drucke, den Abgüssen von Gips und Wachs bis hin zu einer Beschreibung des Pentagrafen, einem Instrument zum Verkleinern und Vergrößern von Kopien, ein Thema, das etwa beim Drucken von Kupferstichen mit geänderten Größen relevant wurde.94 Am Ende seines umfassenden und unterhaltsamen Buches fügte Babbage einen Abschnitt mit dem Titel Copying Through Six Stages in Printing this Volume ein95, welcher Talbots Selbstreflexivität in The Pencil of Nature quasi vorwegnahm, wo er dem Leser den Gebrauch der Kalotypie vorführte, indem er sein Buch selbst mit originalen Abzügen versah. Babbages Diskurse zu Druck, Kopie und Reproduktion sind ein Beispiel dafür, wie eng um 1840 Kunst, Künstlertum, Handwerk, Wissenschaft und Ingenieurswesen miteinander verknüpft waren. Am eindrucksvollsten verdeutlichte dies wohl eine Maschine, die es vermochte, Büsten und Skulpturen zu kopieren.96 Talbots Erfindung mutet in diesem Kontext wie ein Konglomerat aus Babbages Ideen an. Seine berühmt gewordenen fotografischen Reproduktionen von Gipsabgüssen werden im nun folgenden Abschnitt als Verkörperung der Reproduktionsidee par excellence im Mittelpunkt stehen.

3. „SUSCEPTIBLE OF AN ALMOST UNLIMITED VARIETY“: REPRODUKTIONEN In seinem ersten Aufsatz zur Fotografie, Some Account of the Art of Photogenic Drawing, widmete Talbot eine ganze Passage der bildlichen Darstellung von Skulptur: „Another use […] of my invention is for the copying of statues and bas-reliefs. I place these in strong sunshine, and put them before a distance in the requisite position, a small camera obscura containing the prepared paper. In this way I have obtained images of various statues, &c.“97 Aufgrund ihrer Konturen, ihrer Helligkeit und statischen Natur hielt Talbot Skulpturen für besonders geeignet, um mit fotografischen Techniken wie

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Bildausschnitt und Ausleuchtung zu experimentieren. Diese Techniken brachten nicht nur die Eigenschaften des neuen Mediums Fotografie zum Vorschein, sondern auch die Eigenschaften des Mediums Skulptur. Talbot verband bei diesen Experimenten die Fotografie mit seinem persönlichen Interesse an der Antike. Mit seiner Vorliebe für Skulpturen als Bildsujets stand er nicht allein. Auch Herschel befand, Skulpturen ließen sich bis ins kleinste Detail in unübertrefflicher Schönheit wiedergeben.98 Die Patroclus-Serie aus den Jahren 1839 bis 1842 ist mit mindestens 42 Negativen die umfangreichste Serie, die Talbot je von einem Einzelobjekt gemacht hat.99 Eine dieser Fotografien (Abb. 24) erinnert an das Porträt einer Person. Die Büste des Mannes tritt im Zentrum des Bildes aus dem dunklen Hintergrund hervor. Der Körper der an den Schultern und vermutlich unter der Brust beschnittenen Büste ist

24: William Henry Fox Talbot, Büste des Patroklus, The Pencil of Nature, Tafel V, 1842, Hans P. Kraus Jr., New York.

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diagonal ins Bild gesetzt, während der Kopf in Richtung des Betrachters gedreht ist. Die fotografische Aufnahme bringt die feinen Gesichtszüge, den leicht geöffneten Mund, die geöffneten Augen und den delikaten Schwung der Augenbrauen des Mannes sowie seine die edle Nase und den rauen Bart zum Vorschein. Beim Blick auf eine weitere Fotografie der Büste (Abb. 25), auf welcher das Objekt etwas näher an den Betrachter herangerückt ist, ist die Skulptur in einer Frontalaufnahme leicht nach links gedreht zu sehen, so dass die athletische Brust den Vordergrund der unteren Bildhälfte einnimmt. Der Kopf scheint hingegen abrupt zur Seite gedreht und zeigt das Gesicht des Mannes im Profil zur Seite gewendet. Das Bild lenkt die Aufmerksamkeit auf das wirre, lebhaft gestaltete Haar, welches auf der anderen Aufnahme lediglich im Haaransatz zu sehen ist.

25: William Henry Fox Talbot, Büste des Patroklus, The Pencil of Nature, Tafel XVII, 1843, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalo­ typie), Hans P. Kraus Jr., New York.

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Es bleibt im Verborgenen, ob die Skulptur Erstaunen, Angst oder Entschlossenheit verbildlicht. Diese Mehrdeutigkeit beruht unter anderem auf der Tatsache, dass von der Büste mehrere Fotografien existieren, die unterschiedliche Deutungen zulassen. Talbots Bilder schaffen allesamt ein Paradox: Der statische Charakter der Büste auf der Fotografie widerspricht den eigentlichen Möglichkeiten einer Skulptur, nämlich die materielle Vielfalt, die etwa durch in Stein gehauene Oberflächenstrukturen sichtbar wird. Talbots Licht- und Schattenspiel vermittelt jedoch den Eindruck von Bewegung, es belebt die Züge, das Gesicht wirkt lebendig. Talbot publizierte die beiden Fotografien jeweils als Plate V und XVII in The Pencil of Nature unter dem Titel Patroclus. Als Vorlage diente ihm hierfür der Gipsabguss eines Originals im British Museum. Wenngleich es im viktorianischen England unter Mitgliedern seiner gesellschaftlichen Schicht keine Besonderheit war, Kopien von Skulpturen zu besitzen, so erklärte sich Talbots Besitz dieser spezifischen Kopie durch die Tatsache, dass es sich bei Patroclus um seine Lieblingsskulptur handelte. Der Katalog des British Museums beschreibt die „Originalbüste“ als römische Kopie einer griechischen Marmorskulptur, die 1769 von Gavin Hamilton in der Villa Hadriana ausgegraben worden war. Diese griechische Skulptur wurde zunächst im Katalog als Haupt des Diomedes oder ganz allgemein als Haupt eines homerischen Helden geführt.100 Es ist zu vermuten, dass Talbots Kopie in der offiziellen Gipsformerei des British Museums, Brucciani and Company, auf dessen Bestellung hin angefertigt wurde.101 Da Abgüsse in der Regel den Namen des Originals im Museum trugen, ist es unwahrscheinlich, dass der Name Patroclus von der Gipserei stammt.102 Homers Patroklus, Freund des Achilles, war ein Krieger, der sein Leben im Trojanischen Krieg opferte. Quellen beschreiben seinen sowohl kämpferischen und mutigen als auch liebevollen und fürsorglichen Charakter.103 Talbot, der mit Homers Werk vertraut war, könnte im Ausdruck der Büste Patroklus’ komplexen Charakter widererkannt haben. Es ist gut möglich, dass ihm der Name für die Büste erst in den Sinn kam, nachdem er die Aufnahmen gemacht und dank ihr die Vielschichtigkeit ihres Ausdrucks entdeckt hatte. Mit den Fotografien schuf Talbot eine neue Skulptur, die sich von seiner Kopie und dem Original im British Museum unterschied. Die beiden Aufnahmen geben dem Betrachter die Möglichkeit, diese Eigenschaften zu entdecken, ohne die Statue umkreisen zu müssen.104 Talbot tat genau dies mit seiner Kamera, als wolle er die Statue zum Leben erwecken, ein Bild, das Assoziationen an die Legende von Pygmalion hervorruft.105 In einem Brief an Herschel erwähnt Talbot, dass er vorhabe, mehrere Ansichten der Büste zu fotografieren: „I enclose a little sketch of the interior of one of the rooms in this house, with a bust of ‚Patroclus‘ on a table. There is not light enough for interiors at this season of the year, however I intend to try a few more.“106 Indem er sowohl die Kamera als auch die Büste immer wieder unterschiedlich positionierte, experimentierte Talbot mit den Möglichkeiten, die die beiden Medien

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26: William Henry Fox Talbot, Patroklus/Ansicht im Kreuzgang, 1840, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), The British Library. 27: William Henry Fox Talbot, Arrangement mit drei Skulpturen, 1840, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), The British Library.

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28: William Henry Fox Talbot, Büste des Patroklus ca. 1840, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), The British Library.

– Skulptur und Fotografie – in Verbindung miteinander schaffen können. Talbot fotografierte Patroclus in nur leicht veränderten Posen, wie ein Foto beweist, welches Plate V in The Pencil of Nature frappierend ähnlich ist und doch einen anderen Charakterzug der Figur zu vermittelten scheint. Talbot fotografierte die Büste aus der Ferne, in der Umgebung von Lacock Abbey und in Nahaufnahmen, auf welchen nur das Gesicht zu sehen war – ein selbst in der Frühzeit des Mediums ungewöhnlicher Ansatz für ein fotografisches Portrait. Er fotografierte die antike Büste zusammen mit klassizistischen Skulpturen, in grellem und in diffusem Licht und erinnerte den Betrachter daran, dass Patroclus eigentlich kein menschliches Modell, sondern eine antike Büste ist, indem er sie mit Sockel fotografierte (Abb. 26–29). So führte Talbot den Betrachter entweder an sein Objekt heran oder hielt ihn auf Distanz. Die Fotografie konnte die Materialität der Skulptur sichtbar machen, indem

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29: William Henry Fox Talbot: Patroclus, ca. 1839, Salz�������������������������������������������������������� papierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), The British Library.

sie quasi in die Oberfläche eindrang. Mithilfe des Fokus konnte sie den Blick des Betrachters lenken. Bei entsprechender Ausleuchtung waren bei Skulpturen die Umrisse, das Relief einiger Körperteile und Gesichtszüge außerdem besonders gut zu erkennen, während andere im Schatten verborgen blieben. So wurden sogar filigrane Details wie Inschriften sichtbar. Wie diese Eigenschaften und Details wirkten, hing von der Tageszeit, den Lichtverhältnissen, der Kamera und dem chemischen Entwick-

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lungsprozess ab. Die Patroclus-Serie bietet eine exzellente Fallstudie, um die experimentelle Natur der Fotografie in diesen frühen Jahren zu verbildlichen. Talbots Bilder zeigen dabei vor allem, dass ein sachlicher oder objektiver Blickwinkel nie das Diktum der Fotografie gewesen war. Der Blickwinkel der Kamera bestimmte, welche Ansicht der Skulptur zu sehen ist.107 Talbots Wissen über Geometrie mag ihm geholfen haben, Fragen des Maßstabs und der Entfernung anzugehen; er musste jedoch seine Kenntnisse in Chemie nutzen, um seine geometrische Sachkenntnis in die fotografische Praxis umzusetzen. Die Herausforderung bestand darin, einen dreidimensionalen Gegenstand auf einer zweidimensionalen Oberfläche abzubilden.108 Hierfür musste Talbot herausfinden, wie Konturen, Volumen und Raum fotografisch abgebildet werden konnten. Licht war für seine Experimente ebenso wichtig wie Schatten. Diese Komponenten sowie die richtige Übertragung in Tonwerte halfen ihm dabei, Herausforderungen anzugehen, die Maßstab, Kontur und Volumen betrafen. Im Begleittext zur ersten Version des Patroclus in The Pencil of Nature betonte Talbot die vielfältigen Möglichkeiten der Fotografie besonders im Hinblick auf Skulpturen: „Statues, busts, and other specimens of sculpture, are generally well represented by the photographic art; and also very rapidly, in consequence of their whiteness. These delineations are susceptible of an almost unlimited variety: since in the first place, a statue may be placed in any position with regard to the sun, either directly opposite to it, or at any angle: the directness or obliquity of the illumination causing of course an immense difference in the effect. And when a choice has been made of the direction in which the sun’s rays shall fall, the statue may be then turned round on its pedestal, which produces a second set of variations no less considerable than the first. And when to this is added the change of size which is produced in the image by bringing the Camera Obscura nearer to the statue of removing it further off, it becomes evident how very great a number of different effects may be obtained from a single specimen of sculpture. With regard to many statues, however, a better effect is obtained by delineating them in cloudy weather than in sunshine. For, the sunshine causes such strong shadows as sometimes to confuse the subject. To prevent this, it is a good plan to hold a white cloth on one side of the statue at a little distance to reflect back the sun’s rays and cause a faint illumination of the parts which would otherwise be lost in shadow.“109 Dieser Auszug ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Talbot nicht bloße Kopien anfertigen wollte, sondern dass Fotografien die Bedeutung des dargestellten Objektes gleichsam aufwerteten, um neue Wege für deren Studium aufzuzeigen. Peter Geimer betonte folglich, dass das Kopieren bei Talbot „neben dem Ideal der identischen Reproduk­ tion“ auch die entgegengesetzte Möglichkeit einschloss, „‚nach Belieben in die Inte-

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grität der Originale einzugreifen und ihre Gestalt in der Reproduktion zu verän­ dern“.110 In Some Account of the Art of Photogenic Drawing führt Talbot in einer Sektion über das Kopieren, insbesondere über das Fotografieren von Gravuren aus, dass sich das Original von der Kopie freilich unterscheide und der Künstler möglicherweise Varianten im Licht-Schatten-Spiel anwenden wolle.111 Fotografien konnten Objekte nicht nur in ihrer Vielfalt erfassen, sondern auch selektieren, isolieren und fragmentieren. Auch die Fotografien des Patroclus waren Dokumentation und wissenschaftliche Beobachtung zugleich.112 Talbots Ansicht, dass fotografische Bilder nicht nur selbst musealen, archivarischen und dokumentarischen Charakter hatten, sondern in Museen zum Inventarisieren fruchtbar gemacht werden könnten, war in der Patroclus-Serie bereits angelegt. Von hier war es nicht mehr weit bis zum Einsatz der Fotografie als Interpretationshilfe zum Studium anderer Kunstformen, etwa der Architektur. William Thomas Horner Fox Strangways, ein Botaniker, Kunstsammler und Diplomat, äußerte sich in einem Brief an Talbot zur Komplexität, die das bildliche Erfassen der Kathedrale von Salisbury mit sich brachte, da dies nicht zuletzt darüber entschied, welcher Aspekt des Bauwerkes besonders hervorgehoben würde: „[…] if tomorrow is a fine Sunday can you not photogenize the Cathedral? I conclude you have your instruments with you. If you do take off the Cathedral Let me recommend to take nearly a front view – of whatever side you copy – so as to give the lights & shade of the ornaments rather than the masses – I say this, because there is a famous point of view in which the church is usually drawn, some half way along the diagonal path across the Close – which gives the masses, seen in perspective, at the most picturesque angle – but I am afraid in that case that the architectural details would not come out in the shady corners & that our reflected lights would not be strong or clear enough to produce the required effects, By the way that will be the dark side of the Church this time of year. I would rather take the West end nearly full, when the sun has come round enough to give light & shade to the details & to detach the lines On a South front you might vary your position a little more – on the West the light being weaker I should think you must take your view near & opposite.“113 Die Zitate belegen die neuen experimentellen Möglichkeiten, die die Fotografie mit Blick auf die Interpretation von Kunstwerken eröffnete. Dabei ergänzte sie zunehmend das Medium, das bis dahin das beherrschende Mittel für die Abbildung von Skulpturen war, das Zeichnen, wenngleich sie dieses auch nicht ersetzte. Zur zweiten Tafel von der Büste des Patroclus (Abb. 25) schreibt Talbot daher:

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„Another view of the bust which is figured in the fifth plate of this work. – It has often been said, and has grown into a proverb, that there is no royal road to learning of any kind. But the proverb is fallacious: for there is, assuredly, a royal road to Drawing; and one of these days, when more known and better explored, it will probably be much frequented. Already sundry amateurs have laid down the pencil and armed themselves with chemical solutions and with camerae obescurae. Those amateurs especially, and they are not few, who find the rules of perspective difficult to learn and to apply – and moreover have the misfortune to be lazy – prefer to use a method which dispenses with all that trouble. And even accomplished artists now avail themselves of an invention which delineates in a few moments the almost endless details of Gothic architecture which a whole day would hardly suffice to draw correctly in the ordinary manner.“114 In Rückbezug auf Talbots eigenen Erfindungsmythos wurde in der Fotografiege­schichte meist betont, dass Talbot das neue Medium in Ermangelung zeichnerischer Begabung während seiner Hochzeitsreise am Lago die Como erfunden habe. Das Argument basiert auf der Annahme, dass das Zeichnen für Mitglieder der viktorianischen Mittel- und Oberschicht zur gängigen Praxis gehörte.115 Talbot hatte jedoch weniger die Wiedergabe pittoresker Landschaften im Sinn, sondern ein Werkzeug welches vor allem Zeit und Arbeit ersparte. So könne ein Objekt, dessen zeichnerische Darstellung Tage oder Wochen in Anspruch nehmen würde, mithilfe natürlicher chemikalischer Reaktionen in wenigen Sekunden wiedergegeben werden.116 Talbots Vorstellungen der Fotografie als Alternative für das Zeichnen waren somit pragmatisch motiviert: Sie zielten auf Effizienz in Bezug auf das Abzeichnen als Kopie, nicht jedoch auf die Zeichenkunst als solche. Der Vergleich mit dem Zeichnen in The Pencil of Nature verhalf Talbots aufwendiger und kostspieliger Publikation jedoch auch durch den deutlichen Rückbezug auf eine Hochkunst und (durch die Motivwahl) auf die Antike zu einem gewissen Status.117 So changierte Talbots Verständnis der Fotografie nicht nur zwischen pragmatischer Kopie und gewollter Interpretation, sondern auch zwischen den drei Grundpfeilern Einschreibung (im Sinne Herschels), Druck (im Sinne Babbages) und Zeichnung.118 Die abgebildeten Medien im Pencil of Nature, die unter anderem gezeichnet oder Ergebnisse von Drucktechniken waren – Skulpturen, Bücher, Lithografien –, nahmen also nicht nur verschiedene Einsatzmöglichkeiten der Fotografie vorweg, sondern verbildlichten auch die Vielfältigkeit des Ursprungsgedankens des Mediums.119 Bemerkenswert an der Beschreibung der zweiten Patroclus-Fotografie in The Pencil of Nature ist auch der Verweis auf das erste Patroclus-Bild im selben Buch, wodurch Talbot die Methode des vergleichenden Sehens, das sich später in der Kunstgeschichte und anderen Disziplinen zum unabdingbaren methodischen Werkzeug entwickeln

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sollte,120 quasi vorweg nimmt. Um Kunstwerke direkt miteinander zu vergleichen, war zum einen das Reisen, zum anderen das Sammeln grafischer Reproduktionen notwendig. Der Vergleich erforderte Mobilität, welche die Fotografie zu bieten versprach.121 Aufgrund ihrer Statik und ihrer weißen Farbgebung, welche auf Gipsabgüsse noch stärker zutraf als auf Marmorskulpturen, waren Skulpturen neben Schrift und Text ein beliebtes Motiv Talbots.122 Talbots Interesse an Skulptur ist unter anderem auf eine Leidenschaft für das Sammeln und Studieren antiker Objekte zurückzuführen, wobei auch romanische, gotische und klassizistische skulpturale Kunst in seinem fotografischen Archiv zu verzeichnen sind. Während bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Skulpturen vorwiegend nur in ihrem räumlichen Kontext wahrgenommen werden konnten, war es durch den Anstieg von Reproduktionen im 19. Jahrhundert zunehmend möglich, Skulpturen losgelöst von ihrer Umgebung als bewegliche und eigenständige Kunstwerke zu sehen.123 Der Zuwachs an Abgusssammlungen war nicht nur in Museen auffällig, sondern schlug sich auch im privaten Bereich als gesellschaftliches Phänomen und Distinktionsmerkmal wieder. Talbots Mutter hatte bereits eine Sammlung besessen, bevor ihr Sohn mit seinen fotografischen Experimenten begann.124 In den Kreisen der Oberschicht, in denen sich Talbot bewegte, diente eine solche Sammlung nicht zuletzt dazu, sich vom einfachen Volk zu unterscheiden, und, wie Julia Ballerini feststellte, sich innerhalb des eigenen Netzwerks und den dort geführten Diskursen gleichsam materiell zu verwurzeln.125 Die Debatten über die Bedeutung des Studiums der Antike wurden in den altertumswissenschaftlichen und archäologischen learned societies Londons vor dem Hintergrund sich neu formierender Disziplinen geführt, womit klassische Ideale in das viktorianische Zeitalter eingeführt und im Kanon verankert wurden.126 Im zunehmenden „Wahn“ des Kopierens im 19. Jahrhundert, der den privaten Besitz und die Zirkulation von (reproduzierten) Objekten förderte, wurde die Frage nach Original und Kopie fast zweitrangig behandelt. So antworte der Bildhauer Richard Westmacott, R. A. (1775–1856) auf die Frage, ob die Zirkulation von hochwertigen Abgüssen der wichtigsten Statuen zu erschwinglichen Preisen der Kunst nütze, dass es umso besser sei, je mehr der schönen Skulpturen vervielfältigt würden.127 Im Jahr 1854, als an den Universitäten Oxford und Cambridge bereits Abgusssammlungen existierten, wurde im Crystal Palace die weltweit größte Sammlung von Abgüssen der bedeutendsten Skulpturen Europas gezeigt.128 Die Ausstellung war ein Höhepunkt. Sie diente den beteiligten Museen unter anderem dazu, den Bekanntheitsgrad ihrer Skulpturen zu erhöhen, ihre Popularität aufzuwerten und Wissen über ihre Sammlungen zu verbreiten.129 Zehn Jahre später folgte die Idee eines internationalen Abkommens zum Austausch von Kopien der bedeutendsten Kunstwerke jedes Landes, welches 1867 durch die Unterzeichnung von fünfzehn Autoritäten umgesetzt wurde. Ein ���������������������������������������������������������������� Ergebnis der „Convention for promoting universally reproductions of Works of Art […] which can be easily reproduced by Casts, electrotypes,

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­ hotographs, and other processes, without the lightest damage to the originals“ war p die Abgusssammlung im Londoner Victoria and Albert Museum.130 Die Fotografie wurde in dem Abkommen in einem Atemzug mit anderen Reproduktionsformen genannt. Da Abgusssammlungen auf erhöhtes Interesse in öffentlichen Institutionen wie dem Museum stießen, stieg das Bedürfnis weiter, diese auch im privaten Umfeld zum Studium zu nutzen, weshalb das Interesse zur Sammlungserweiterung bei Privatgelehrten rapide stieg. Die Fotografie war auch in diesem Kontext ein Medium, welches unmittelbar mit dem Abguss in Verbindung gebracht wurde und diesen ergänzte. Das Ausmaß, welches die Begeisterung für Gipsabgüsse schließlich annahm, manifestierte sich in James Watts (1736–1819) Arbeit an der Erfindung einer Bildhauermaschine, die auf großes Interesse bei Künstlern und Bildhauern stieß. So auch bei Francis Chantry (1781–1841), der Watt 1816 bat, die Maschine sehen zu dürfen.131 Es ist kein Zufall, dass derselbe Chantry 1840 als Gast auf einer der von Babbage veranstalteten Feiern Talbots Kalotypien bewunderte.132 Die Begeisterung für die Gipsreproduktion von Skulpturen ging somit dem Zeitalter der Fotografie voraus, während die Fotografie die Lust an Reproduktionen widerspiegelte und förderte. Talbots Korrespondent David Brewster, ein bedeutender Forscher auf dem Gebiet der Stereoskopie, betonte 1849 in seiner Ankündigung des Stereoskops, dass die Fotografie von einem Bildhauer besonders geschätzt werden müsse, da sie ihm die Arbeiten all seiner Vorgänger gleichsam vor Augen führe und er sie in seinem Portfolio immer mit sich tragen könne, darunter selbst die gigantischen Sphingen von Ägypten, Apollo, Venus sowie Skulpturen, welche die berühmten Museen zierten.133 Brewster selbst besaß neben einer Sammlung kleiner Gipsabgüsse auch Fotografien von Skulpturen. Das sogenannte Brewster-Album mit 190 Fotografien, die er zwischen 1839 und 1850 gesammelt hat, enthält als Objekt Nr. 15 einen Abzug von Talbots Fotografie des Raubes der Sabinerinnen von Giambologna. Nr. 126 ist ebenfalls eine Arbeit Talbots, eine Fotografie einer Sammlung kleiner Statuen in einem Regal.134 Im Kontext der Bedeutung von Reproduktionen im 19. Jahrhundert erscheint das Reproduzieren von Skulpturen durch die Fotografie wie eine logische Konsequenz. Durch den fotografischen Versuch, als Reproduktionsmedium den Status von Gipsabgüssen zu erreichen, wurden viele Skulpturen so bekannt wie nie zuvor.135 Noch mehr als der Gipsabguss vermochte es die Fotografie, Skulpturen als eigenständige Kunstwerke, losgelöst vom Ort ihrer Aufstellung, wahrnehmbar zu machen. Die Fotografie als Instrument des Dokumentarischen und Archivarischen fügt sich nahtlos in diesen historischen Kontext ein, in welchem die Reproduktion von Kunstwerken in einem nie geahnten Ausmaß ihren Siegeszug antrat. Denkt man Abguss und Fotografie zusammen, so drängen sich Fragen der Repräsentation auf. In beiden findet sich durch ihre Verwandtschaft mit dem Abdruck eine Spur des Originals.136 Die Fotografie eines Abgusses ist eine Darstellung, die zwei oder

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gar drei Stufen der Reproduktion durchlaufen hat, etwa wenn es sich bei der „originalen“ Skulptur um eine römische Kopie einer griechischen Skulptur handelte. Diese Kette führt die Frage nach der Originalität ad absurdum. Bei Talbots Fotografie Statuette of „Eve at the Fountain“ sorgt allein die Verwendung von Anführungszeichen innerhalb des Titels für Verwirrung, handelt es sich doch um eine Bild, das eine Statuette von Eva am Brunnen darstellt.137 Auch hier zeigt die Fotografie einen Abguss und ist somit die Reproduktion einer Reproduktion. Tatsächlich scheint der Gedanke an das Original aber für Talbot und seine Kreise kaum eine Rolle gespielt zu haben. Vielmehr wurde es von der Nachfrage nach Reproduktionen übertroffen. Der Verkauf von Fotografien, die Kunstwerke zeigten, stieg in den 1850er Jahren rapide an, selbst wenn es sich nicht um Fotografien von Originalen, sondern von Kopien, Stichen, Gravuren oder anderen Reproduktionen handelte.138 Diese Entwicklung war Ausdruck der Wertschätzung von Reproduktionen im Zuge der Zugäng­lichkeit und Verbreitung von Kunst im Sinne von Walter Benjamins Diktum der technischen Reproduktionen von Kunstwerken, die außerhalb der Reichweite des Originals liegen.139 Seine Prämisse über den Verlust der Aura durch Massenreproduktionen, welche die Singularität des Objektes selbst in Frage stelle – „Was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, das ist seine Aura“140 –, bestätigte sich dabei jedoch kaum. Talbots fotografische Reproduktionen schien die Aura des Objektes allein durch die Möglichkeiten der Massenproduktion eher zu steigern.141 Dies traf freilich nicht nur auf die Fotografie zu, sondern ebenso auf Gipsabgüsse im 19. Jahrhundert. Beide standen gleichsam für das Original, weshalb der Umlauf fotografischer Bilder den singulären Status der eigentlichen Kunstwerke erschütterte.142 Wie im Folgenden, besonders auch im Fall der Archäologie, zu Tage treten wird, lagen so Bewahrung und Zerstörung in der Geschichte von Fotografie und Altertum oft sehr nah beisammen.

RÉSUMÉ Mit den Bildern der Patroclus-Büste konterkarierte Talbot bereits zu Beginn der Ge­ schichte des Mediums Konzeptionen der Fotografie, welche diese als leblose, mechanische Wiedergabe verstehen. Die Frage ist daher weniger, ob es Talbot darum ging, im Vergleich zur Zeichenkunst objektivere Bilder zu machen.143 Vielmehr ermöglicht ein genauerer Blick auf Talbots Archiv als Ganzes zu verstehen, wie visuelle Repräsentation für Talbot funktionierte und wie verschiedene Arten der Reproduktion zusammenwirkten. Für Talbot war selbstverständlich, dass Objektivität für die Fotografie von Skulpturen ein kaum erstrebenswertes Ziel sei. In einem scheinbaren Paradox von Objektivität und Subjektivität und einer bis heute einzigartigen Verschränkung von Text und Bild legte Talbot in The Pencil of

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AUFZEICHNUNGSTECHNIKEN

Nature die ambivalente Natur der Fotografie in dar. Die folgenden Kapitel werden zeigen, dass die Komplexität dieses Phänomens der Grund dafür war, dass der Gebrauch der Fotografie in Disziplinen wie der Archäologie oder der Kunstgeschichte nicht selbstverständlich erfolgte. Doch wenngleich der Fokus dieses Buches auf den anfänglichen Schwierigkeiten im fotografischen Gebrauch liegt, so soll an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass in den 1840er Jahren auch der Weg für den akademischen Gebrauch des Mediums in einigen Disziplinen geebnet wurde, selbst wenn die Fotografie dabei nie unumstritten war. Im Fall der Kunstgeschichte diente sie beispielsweise als „Antriebsquelle“ für die Herausbildung der Disziplin.144 Ein Meilenstein war William Sterling-Maxwells (1818–1878) fast visionärer vierter Band seiner Annals of the Artists of Spain von 1847, welcher die ersten Fotografien von spanischen Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und Drucken enthielt und somit einem breiteren Publikum zugänglich machte. Der Band enthielt 66 im Reading Establishment hergestellte Talbotypien und übertraf damit in seiner Anzahl die 24 Abzüge in The Pencil of Nature. Diese frühen Fotografien waren jedoch vom raschen Zerfall gefährdet. Die verblassten Abzüge waren jedoch nicht der einzige Grund, weshalb es auch in den 1850er Jahren nicht nahe lag, Massenreproduktion mit den Möglichkeiten der Fotografie zu verbinden. Noch zehn Jahre nach der Publikation von The Pencil of Nature entschieden sich die Herausgeber der Zeitschrift Notes and Queries, die dem Leser präsentierte Fotografie einer Handschrift mit einer langen Passage erklärender Worte einzuleiten: „Might not photography be well employed in making facsimiles of valuable, rare, and especially of unique ancient manuscripts? If copies of such manuscripts could be multiplied at a moderate price, there are many proprietors of libraries would be glad to enrich them by what, for all purposes of reference, would answer equally well with the originals. This subject, which has already been touched upon in our columns, has not yet received the attention it deserves. We have now before us a photographic copy of a folio page of a MS. of the fourteenth or fifteenth century, […] and, although the copy is reduced […] it is perfectly legible; and the whole of the contractions are as distinct as if the original vellum was before us.“145 Der praktische Nutzen der Fotografie, wie ihn Talbot im Sinne hatte, ließ sich bei Weitem nicht selbstverständlich in die Praxis umsetzen. In mehreren Ländern wurde kontrovers diskutiert, ob man der Fotografie überhaupt einen Nutzen abgewinnen könne. So auch in England. John Ruskin (1819–1900) unterstützte zwar anfänglich den dokumentarischen Wert der Fotografie, war jedoch nicht von ihrem Nutzen für das Studium von Kunst überzeugt.146 Die Fotografie könne zwar Vergleiche erleichtern und den Blick auf Details lenken, die der Betrachter sonst schnell übersah, gleichzeitig jedoch Proportionen und Farbwerte entstellen.

3. „SUSCEPTIBLE OF AN ALMOST UNLIMITED VARIETY“: REPRODUKTIONEN

In mehreren Ländern fanden sich sowohl Befürworter als auch Gegner. Als Mitte des 19. Jahrhunderts insbesondere an deutschen Universitäten erste akademische Positionen für Kunsthistoriker geschaffen wurden, wurde dieser Prozess von der Diskussion begleitet, wie Bildmedien am besten für akademische Zwecke genutzt werden könnten. Während einige in der Fotografie eine seelenlose Technik sahen, betonten andere die Möglichkeiten, die sie eröffnete, wenn Skulpturen beispielsweise in Serien, von aufschlussreichen Blickwinkeln aus betrachtet oder im Detail abgebildet werden würden. In Italien gründeten die Alinari-Brüder ein Unternehmen, in dem sie eine bedeutende Sammlung von Fotografien italienischer Skulpturen anlegten.147 Später nutzte der Kunsthistoriker Giovanni Morelli (1816–1891) Fotografien, um Hände, Ohren, und Gewandfalten zu studieren und so Händescheidungen und Zuschreibungen vorzu­ neh­men.148 Die Diskussion um die Fotografie von Skulpturen wurde in den Jahrzehnten bis 1900 schließlich vornehmlich von einer Debatte um den richtigen Standpunkt dominiert. Der Schweizer Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin (1864–1945) gelangte um 1900 zu der Überzeugung, dass es sinnlos sei, Skulpturen auf der Basis von Fotografien zu studieren. Er befürchtete den Verlust des Originals. Allein ihr richtiger Einsatz könne dem Studium der Skulptur dienen. Sein 1897 begonnener Essay „Wie man Skulpturen aufnehmen soll“ diskutierte mehrere Fotografien von Skulpturen, die seiner Meinung nach das Original verfremdet darstellten.149 Wölfflin zeigte, dass ein kleiner Wechsel des Standpunktes zu einer völlig neuen Interpretation führen könne, wie es Talbot ein halbes Jahrhundert zuvor demonstriert hatte. Obwohl für Talbot die Fotografie vor allem als Reproduktionsmittel von Bedeutung war, führte er sie in The Pencil of Nature als ein erkenntnisbringendes Instrument der Interpretation ein, welches von einem interessengeleiteten Blick bestimmt wird. Talbots Blick war der eines Altertumswissenschaftlers, der die Objekte kannte, die er fotografierte. Objekte wurden in Fotografien festgehalten wie Gedanken in Notizen. Waren seine Notizbücher Instrumente der Aufzeichnung, Informationsquelle und mobiles Archiv, so tat es die Fotografie den Notizbüchern gleich. In ihrer Funktion des Aufzeichnens und der aide-mémoire spiegeln Talbots Fotografien seine Technik des Notierens als Methode der Wissensproduktion wieder. Die Vielfalt der Medien in Talbots Archiv – Fotografien, Notizbücher, Naturproben, Tagebücher, Briefe, Objekte – ermöglicht es, seine wissenschaftliche Vorgehensweise komplementär zu verstehen. Notiz und Fotografie als sich ergänzende Methoden der Aufzeichnung zu betrachten ist dabei eine Möglichkeit für eine Herangehensweise an Talbots Archiv. Das folgende Kapitel wird zeigen, wie Talbot versuchte, seine Ideen im Museum und bei archäologischen Expeditionen in Umlauf zu bringen.

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1. „A SCIENCE NOT YET RIPE ENOUGH“: FOTOGRAFIE UND ÄGYPTOLOGIE Seit dem frühen 19. Jahrhundert gab es in der Ägyptologie die Praxis, aus feuchtem Papier sogenannte Abklatsche von Inschriften herzustellen. Dabei wird Papiermasse auf die Oberfläche antiker Monumente gepresst, um diese im direkten Kontakt mit dem Objekt zu kopieren. Noch vor der Einführung der Fotografie nahmen diese Papierabdrucke vorweg, was Talbot in The Pencil of Nature propagierte: den direkten Kontakt von Bild und Objekt. In der Einleitung des Buches beschrieb Talbot, die Natur schreibe sich auf die Oberfläche des lichtempfindlichen Papiers ein, indem sich das Bild durch das Licht gleichsam selbst herstelle: „without any aid whatever from the artist’s pencil“.1 Dieses Phänomen wurde in der Fototheorie häufig als Spur oder Indexikalität der Fotografie beschrieben.2 Die frühen Papierabdrücke versprachen Authentizität durch direkten Kontakt (Abb. 30) und boten so noch vor der Erfindung der Fotografie als Bilder eine direkte Verbindung zu den originalen Inschriften. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Papierabdrücke in der Ägyptologie zwar nicht durch die Fotografie ersetzt, doch der Einsatz einer Kamera wurde früh als mögliche Alternative diskutiert.3 Talbot war nicht der erste, der diese Idee hatte. Bereits 1839 hatte der ständige Sekretär der französischen Académie des Sciences, François Dominique Arago (1786– 1853), prophezeit, dass die französische Daguerrotypie ein unverzichtbarer Bestandteil der Ausrüstung von Reisenden, Expediteuren und Archäologen würde, und hob hierbei insbesondere die Ägyptologie hervor: „Pour copier les millions de hiéroglyphés qui couvrent, même a l’extérieur, les monuments de Thèbes, de Memphis, de Karnak, etc., il faudrait des vingtaines d’années et des légions de dessinateurs. Avec le daguerréotype, un seul homme pourrait mener à bonne fin cet immense travail. Munissez l’institut d’Egypte de deux ou trios appareils de M. Daguerre, et sur plusieurs de grandes planches de

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30: Anonym, Alabaster Vase, o. D., Abklatsch, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

l’ouvrage célèbre, fruit de notre immortelle expédition, de vastes étendues de hiéroglyphés réels iront remplacer des hiéroglyphés fictifs ou de pure convention; et les dessins surpasseront partout en fidélité, en couleur locale, les ouvres des lus habiles peintres; et les imagés photographiques, étant soumises dans leur formation aux règles de la géométrie, permettront, a l’aide d’un petit nombre de données, de remonter aux dimensions exactes des parties les plus élevées, les plus inaccessibles des édifices.“4 In seinem Bericht betont Arago, der davon überzeugt war, dass Fotografien Abschriften ersetzen könnten, retrospektiv, wie sehr Napoleon davon profitiert hätte, wenn

1. „A SCIENCE NOT YET RIPE ENOUGH“: FOTOGRAFIE UND ÄGYPTOLOGIE

er die vielen Hieroglyphen, die er auf seiner Expedition gesehen hatte, fotografisch hätte erfassen lassen.5 Abb. 31 zeigt die erste Fotografie, die der Ägyptologie Dienste erweisen sollte. Sie trägt den seltsamen Titel The Talbotype Applied to Hieroglyphics, der nicht wiedergibt, was die Fotografie zeigt, sondern was sie tut. Möglicherweise handelt es sich bei dem Bild, sofern man es Bild nennen kann, um ein Produkt aus Talbots Werkstatt oder zumindest um eine der letzten Kalotypien, die Talbot selbst fertigte, bevor er sich anderen Interessen zuwandte.6 Im Folgenden soll es nicht um die vielfach erzählte Geschichte der Fotografie in Ägypten im 19. Jahrhundert gehen,7 sondern um ihre Vorgeschichte. Die Ägyptologie setzte sich lange nicht mit der Geschichte ihres Faches auseinander, weshalb auch der Einsatz der Fotografie kaum thematisiert wurde. Dies änderte sich in den 1960er Jahren, als The Talbotype Applied to Hieroglyphics als erste Fotografie in der Geschichte des

31: William Henry Fox Talbot oder Werkstatt, Auf Hieroglyphien angewendete Talbotypie, 1846, Seite 1, Salzpapierabzug von Papier­ negativ (Kalotypie), Staatsbibliothek zu Berlin.

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Faches bestimmt wurde. Der Ägyptologe Ricardo Caminos wies als erster auf die Qualität und Bedeutung der Fotografie hin, die eine in der Ägyptologie wichtige Stele zeigte, und widmete sich der komplexen Genealogie des Bildes: „For Egyptologists it holds, at all events, a special significance. Photography plays today an ancillary, yet enormously important, role in our discipline, and ‚The Talbotype applied to Hieroglyphics‘ is, without doubt, the very first instance of the use of photography in the field of Egyptology. […] To anyone acquainted with the original monument one thing is, above all, quite evident, and that is that the drawing represents an earnest effort to achieve a faithful reproduction of the stela in every respect.”8 Caminos spricht von einer Zeichnung. Auf was für eine Zeichnung verweist er? Tatsächlich zeigt Talbots Fotografie nicht direkt eine Tafel mit ägyptischen Hieroglyphen, sondern die Zeichnung einer Inschrift mit ägyptischen Hieroglyphen. Als Fotografie einer Zeichnung ist das Wesen des Bildes ambivalent. Einerseits ist die Darstellung, wie Caminos lobend hervorhob, dem Original durchaus ähnlich. Andererseits ist sie weit entfernt davon, handelt es sich doch um die fotografische Wiedergabe einer idealisierten Darstellung. Die Fotografie stellt die Tafel zwar dar, wählt hierfür aber die Zwischenstufe der Zeichnung. Das vorige Kapitel hat zu zeigen versucht, dass der Ursprung der Fotografie auf einem Konglomerat verschiedener Medien und den Diskursen mehrerer Wissenschaftler beruht. Behält man diese Komplexität im Hinterkopf, so erweist sich das Bild fast als symptomatisch. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Inhalt von The Talbotype Applied to Hieroglyphics als eigenartig. Zunächst ist zum Beispiel nicht sofort ersichtlich, was eigentlich Inhalt des Bildes ist. Weiterhin drängt sich die Frage auf, ob es sich wirklich um eine Fotografie handelt oder nicht vielmehr um eine Zeichnung oder gar um eine gedruckte Seite aus einem Buch, ist doch der obere Abschnitt der rechteckigen Fotografie mit Schrift gefüllt. Unter diesem handschriftlichen Vermerk in englischer Sprache sind gezeichnete Schriftzeichen, Hieroglyphen, zu sehen. Dieses Wechselspiel zwischen Bild und Schrift in der Fotografie greift das mediale Spannungsverhältnis des Bildträgers auf, der sich zwischen Fotografie, Zeichnung und Schriftdokument befindet. Auch die Hieroglyphen als zwischen Schriftzeichen und Bild changierendes Schriftsystem spinnen dieses Spiel weiter. Im unteren Teil des Bildes befindet sich schließlich die Zeichnung der Tafel, welche sich aus zwölf horizontalen Linien mit Hieroglyphen und einer Figur auf der linken Seite zusammensetzt. Am oberen Rand der Tafel ist eine weitere bildliche Szene zu sehen, die leicht beschädigt zu sein scheint. Die Beschreibung der Kalotypie gleicht einem Gang durch einen Irrgarten. Was genau ist beschädigt? Die Fotografie, die Zeichnung oder die Originaltafel? Aus Quellen ist bekannt, dass die Tafel an dieser Stelle tatsächlich einen Defekt aufweist.

1. „A SCIENCE NOT YET RIPE ENOUGH“: FOTOGRAFIE UND ÄGYPTOLOGIE

Der Zeichner hat diesen also wiedergeben. Als sei der Sachverhalt nicht schon komplex genug, so stiftet eine Bildunterschrift, die sich in der Fotografie selbst befindet, für weitere Verwirrung: „The date of this Tablet, according to Che[valie]r Bunsen, falls between 1397 and 1387 B. C.“ Die Datierung verweist freilich auf die Schriftttafel selbst. Ungewöhnlich ist, dass man derartige Informationen eher in Büchern als auf Bildmedien wie Fotografien finden würde. Auch bei Autopsie der Originalfotografie möchte man diese leicht für eine originale Abschrift oder Zeichnung halten. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Kalotypie.9 In Talbots Augen drängte sich die Fotografie für Disziplinen wie die Ägyptologie geradezu auf. Zum einen empfand er es als wesentlich, die Umgebung der Funde abzubilden, zum anderen könnten diese durch hohe Auflagen von Abbildungen miteinander verglichen und unter Wissenschaftlern ausgetauscht werden. Talbot war davon überzeugt, dass eine Fotografie komplexe Bildinformationen akkurat wiedergeben könne; ein Aspekt, der insbesondere durch das wachsende Interesse an alten Schriftsystemen an Bedeutung gewann. Zudem konnten Fotografien Objekte fragmentieren und ermöglichten somit eine Einordnung in neue Zusammenhänge. Doch trotz Talbots frühen Versuchen, den Gebrauch des Mediums in der Ägyptologie einzuführen, setzte es sich als elementares Forschungsinstrument nicht vor Mitte der 1850er Jahre durch. Eine weitere Eigenart der Fotografie The Talbotype Applied to Hieroglyphics besteht darin, dass uns das Bild den Großteil seiner Genese selbst offenbart. Es handelt sich um eine regelrecht mitteilungsfreudige Abbildung. Bereits die Überschrift proklamiert, dass es sich um eine auf „Hieroglyphen angewandte Talbotypie“ handelt. Darunter fährt der Haupttext fort: „Tablet at Ibrim – discovered 27th Decr 1845 by Mr H. C. Harris – forwarded to the undersigned, and communicated by Mr Saml Birch to the R. Soc. of Literature, with Translation &c. - Vide Lit. Gaz. 25th July 1846 – photographed by Mr H. Fox Talbot’s kindness, from Mr Jos. Bonomi’s design – London, Aug t, 46. George R. Glidden“. Bemerkenswert an dieser Passage ist die Verwendung des Präteritums in der Beschreibung der Genese der Fotografie, bevor diese überhaupt hergestellt wurde: Das Bild „behauptet zu wissen“, dass die Zeichnung der Tafel fotografiert werden würden, ohne dass dies bereits stattgefunden haben kann. Diese Selbstreferenz ist genauso Gegenstand der Fotografie wie die gezeichnete Tafel. Die Referenz oder Erklärung, vermutlich vom Unterzeichner geschrieben, dem Ägyptologen George R. Glidden, offenbart die Komplexität dessen, was wir vor uns haben, und wie viele Stadien die Fotografie durchlaufen hat. Das Bild erklärt weiter, dass es sich bei der Inschrift um eine ägyptische Stele aus der Zeit Pharaos Sethos I. (1290–1278 v. Chr.) handele. Tatsächlich wurde diese 1845 in Ibrim von Anthony Charles Harris (1790– 1869) gefunden, der umgehend George R. Gliddon (1809–1857) über seinen Fund informiert hatte. Harris hatte die kaum zugängliche Tafel als erster abgezeichnet und sie

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32: William Henry Fox Talbot oder Werkstatt, Auf Hieroglyphien angewendete Talbotypie, 1846, Seite 2–3, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Staatsbibliothek zu Berlin.

1. „A SCIENCE NOT YET RIPE ENOUGH“: FOTOGRAFIE UND ÄGYPTOLOGIE

dabei vereinfacht, wobei seine Originalzeichnung verschollen ist. Er gab die Zeichnung daraufhin Gliddon, der seinen eigenen Entzifferungskenntnissen misstraut haben mag und sie daher an Samuel Birch weiterreichte, dem führenden englischen Ägyptologen und Kurator am British Museum.10 Der Künstler Joseph Bonomi (1796– 1878), der Expeditionen nach Ägypten begleitete und für seine Zeichnungen von Hieroglyphen berühmt war, kopierte die Tafel ein weiteres Mal (wobei er sie zugleich bearbeitete) und fügte seiner Zeichnung außerdem eine Abschrift der Übersetzung der Tafel und Auszüge eines den Fund beschreibenden Briefes von Harris an Glidden hinzu,11 welche Talbot oder seine Werkstatt jeweils in zwei weiteren Kalotypien ablichtete (Abb. 32).12 Wie beim ersten Foto sind auch diese beiden Bildträger waagrecht mit in Tinte geschriebener Schrift gefüllt. The Talbotype Applied to Hieroglyphics ist zugleich Ergebnis, Ausgangspunkt und Hintergrund einer Diskussion über die Vor- und Nachteile der wissenschaftlichen Fotografie um 1850 im Netzwerk europäischer Archäologen, in der diese Form der Reproduktion als erkennisbringendes Instrument umstritten war. Caminos betont in seinem Artikel von 1966 vor allem Samuel Birchs Anteil an der Genese des Bildes, dessen Versuch der Abschrift in Anbetracht des damaligen Wissenstandes der ägyptischen Philologie und des Schwierigkeitsgrades des Textes beachtlich sei.13 Dass es sich um eine fotografische Reproduktion handelt, ist für Caminos zweitrangig. Ihm geht es primär um die Wiedergabe der Zeichnung der Inschrift und deren Übersetzung, jedoch weniger um die Tatsache, dass die Fotografie die Massenreproduktion der Zeichnung erst ermöglichte. Caminos’ Gleichgültigkeit gegenüber der Tatsache, dass es sich um keine Fotografie der Stele, sondern lediglich um die Fotografie einer Zeichnung der Stele handelt, findet in Talbots ursprünglicher Intention eine Entsprechung, derzufolge Fotografie auch als Kopiermaschine anderer Medien dienen solle. The Talbotype Applied to Hieroglyphics gelingt beides in nobilitierter Form, waren sowohl die persönliche Handschrift (durch ihre Authentizität) als auch ägyptische Hieroglyphen (durch die Faszination, die ihnen im viktorianischen England entgegengebracht wurde) besondere Schriftarten. Indem Talbot mit Fotografien einer Zeichnung von einer ägyptischen Inschrift (Abb.  33) und einem Abklatsch (Abb. 34) ausgerechnet auch Medien zu seinen Bildsujets machte, die in der Ägyptologie bereits verbreitet waren, eröffnete er einen Paragone, in dem er offenbar beweisen wollte, dass die von ihm fotografierten Medien unendliche Male reproduziert werden konnten. Folglich existieren auch von The Talbotype Applied to Hieroglyphics gleich mehrere Kopien.14 Caminos erwähnte in seinem Aufsatz, dass die drei zusammengehörenden Fotografien Grundlage einer 1846 in London publizierten gleichnamigen kleinen Broschüre gewesen seien,15 wodurch die Produktion mehrerer Abzüge erklärt werden könnte. Es bestehen jedoch Zweifel, dass diese Broschüre jemals in Druck ging, gibt es doch keinerlei Spuren, die darauf hinweisen, dass sie überhaupt existierte. Auch in Talbots Publikationsliste wird sie nicht aufgeführt. Für eine Veröffentlichung wäre es

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33: William Henry Fox Talbot, Ägyptische Zeichnung, o. D., ����� Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), National Media Museum.

einfacher und technisch von Vorteil gewesen, mehrere Negative anzufertigen, um zeitgleich Positivabzüge herzustellen, jedoch sind keine weiteren Negative überliefert. Andererseits ist es zweifelhaft, ob für die vermutlich geringe Auflagenzahl so viele Kopien nötig waren. Möglich ist, dass eine Publikation geplant war, aber das Projekt nie realisiert wurde, die drei Abzüge also einen abgebrochen Versuch einer Publikation darstellen, oder aber dass Caminos die drei Fotografien aufgrund ihrer offensichtlichen inhaltlichen Zusammengehörigkeit und ihrer Textlastigkeit „Publikation“

1. „A SCIENCE NOT YET RIPE ENOUGH“: FOTOGRAFIE UND ÄGYPTOLOGIE

34: William Henry Fox Talbot, Abklatsch, o. D., Salzpapier­ abzug von Papiernegativ (Kalotypie), National Media Museum.

nannte. Die „Verwechslung“ spricht jedenfalls für die starke Verschränkung von Schrift und Bild, die Talbot ohnehin im Sinn hatte: So kann man zwar davon ausgehen, dass es lediglich Kalotypien gegeben hatte, doch die Idee, diese als Publikation zu bezeichnen, ist vor dem Hintergrund von Talbots Motivationen alles andere als irreführend.16 Spinnt man diesen Gedanken weiter, so können die Bilder genau wie ein gedruckter Text als Vermittler von Informationen gedacht werden. Wieder changiert Talbots Fotografie zwischen Bild, Schrift, Einschreibung und Druck.

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Man könnte meinen, die Entzifferung antiker Schriften diente Talbot primär dazu, antike Kulturen zu verstehen, die ihn bereits seit seinem Studium in Cambridge beschäftigten.17 Tatsächlich handelte es sich bei seinem „Entzifferungswahn“, und als ein solcher kann Talbots Tätigkeit durchaus bezeichnet werden, jedoch eher um eine Art mathematisch motivierter Zeitvertreib, in dem, einem Kreuzworträtsel gleich, sofort nach einer vollendeten Tat die nächste Tafel folgen musste. Talbot verstand es, seine Erfindung, die Kalotypie, dafür nutzbar zu machen, womit sich Fotografie und Altertum konkret zu verflechten begannen. Talbots Faszination oszillierte zwischen Sichtbarkeit und Abstraktion: Die antiken Schriften, für die sich Talbot interessierte, verbanden Zahlen, Worte, Chiffren, Zeichen, Silben, Symbole. Sie verknüpften Abstraktes mit Konkretem.18 Sowohl (unentzifferte) Schrift als auch Fotografie konnten als Speicher dienen. Beide komprimieren Information in einem semantischen Rahmen, der entschlüsselt werden muss. In beiden verbleiben die Informationen abrufbar, bis sie lesbar geworden sind. Sie können nur gelesen und verstanden werden, wenn ein Betrachter oder Leser sie zu entziffern vermag, andernfalls bleiben die Schriftzeichen Bilder und die fotografischen Bilder Symbole.19 Das vorherige Kapitel schilderte das reziproke Verhältnis zwischen Talbots Interesse am Notieren und der fotografischen Einschreibung als komplementäre aidemémoire. The Talbotype Applied to Hieroglyphics ist auch in diesem Sinne bemerkenswert. Die Kalotypie – eine Art Engführung von Talbots Ideen zu Bild, Schrift und Reproduktion – kombiniert die Tuschezeichnung einer in Stein gehauenen Inschrift und einen handgeschriebenen Brief im neuen Aufzeichnungsmedium Fotografie und führt damit die Frage nach dem Original abermals ad absurdum. Kein anderes Beispiel wäre besser geeignet, um zu zeigen, wie vordringlich für Talbot der Wert der Kopie war. Es war sein Interesse am Altertum und an der Schrift, welches Bilder wie dieses erst ermöglichte und somit wie nichts sonst zum Katalysator für seine fotografische Bildproduktion wurde. Die Fotografie war von nun an mit dem Altertum verbunden und vice versa. The Talbotype Applied to Hieroglyphics ist somit das erste Resultat eines fortwährenden und nicht immer einfachen Wechselspiels. Es ist ein Versuch einer Verschränkung. Der revolutionäre Charakter, den das Bild angeblich hat, ist jedoch vor allem ein Produkt des 20. Jahrhunderts. Zeitgenössische Quellen, die das Bild als solches huldigen, finden sich wiederum nicht. Wenngleich sich Bild und Schrift in The Talbotype Applied to Hieroglyphics aufs engste verschränken, ist das Bild kein Einzelfall. Schrift und Bild waren für Talbot stets unzertrennbar verbunden. Am Beispiel der Fotografie Queen’s College Oxford (Abb. 9) erläuterte er zum Beispiel die Überlegenheit der fotografischen Kamera beim Erfassen von Schriften. Da Talbot vor allem Dinge zu seinen fotografischen Sujets machte, die seiner Arbeit dienten und ihn beschäftigten, ist es nicht verwunderlich, dass bereits in den frühen 1840er Jahren Schrift zu den geläufigeren Motiven seiner Fotografien gehörte.20 Zu Facsimile of an old printed page (Abb. 21) schrieb Talbot explizit,

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35: William Henry Fox Talbot, Hebräischer Text, ��������������� ca. 1840, ����� Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), National Media ­Museum.

von welchem Vorteil seine Erfindung für seinesgleichen sei: „to the Antiquarian this application of the photographic art seems destined to be of great advantage. Copied of the size of the original, by the method of superposition.“21 1840 schickte Talbot Copy of a Hebrew text (Abb. 35) an seinen Fürsprecher in Frankreich, den Wissenschaftler Jean-Baptiste Biot (1773–1862), dessen Kollegen davon tief beeindruckt waren, wie Handschriften in Zukunft für die Forschung kopiert und verbreitet werden könnten. Talbots Wahl war, sowohl was das Bildmotiv also auch den Adressaten anging, keineswegs zufällig. Die Fähigkeit zum Kopieren etwa von Schriften, die für Wissenschaftler wie Biot von Bedeutung waren, war genau das, woran es Daguerres Verfahren mangelte. Obwohl man die Schärfe und Genauigkeit der Daguerreotypie im Vergleich zu Talbots Verfahren als Vorteil anführte, waren Wissenschaftler aus Biots Umfeld jedoch ebenso von der Klarheit und Präzision der Kalotypie begeistert, als sie Talbots Arbeiten sahen.22 Dies war ein entscheidender Coup für Talbot, sollte sein Verfahren doch später in Frankreich, nicht in Großbritannien, eigentlichen Ruhm erlangen. Da für Talbot der Nutzen seiner Erfindung vor allem in den Möglichkeiten des Kopierens und Vervielfältigens lag, fiel seine Wahl des Materials im Unterschied zu Daguerre

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36: William Henry Fox Talbot, Strophe aus der ‚Ode to Napoleon‘, in Lord Byrons Handschrift, vor 1840, Papiernegativ (Kalotypie), Sammlung Dr. Walter Knysz.

nicht auf Metall, sondern auf Papier, dem Material für Buchdruck und Zeichnungen. Die Ähnlichkeit zu beschriebenem oder bedrucktem Papier ist bei den Kalotypien, die die Schrift zum Thema machen, frappierend. Das Bild Copy of a stanza from the ‚Ode to Napoleon‘ in Lord Byrons hand (Abb. 36) von 1840 wirkt, als habe Lord Byron das lichtempfindliche Papier direkt beschrieben.23 Talbot wollte mit der Reproduktion dieser Handschrift, welche er Herschel sendete, illustrieren, dass jedermann sein eigener Drucker und Verleger sein könne: „to illustrate what I call ‚Every man his own printer & publisher‘“24. Nun würde sogar verarmte Autoren in Zukunft nichts an der Verbreitung ihrer Werke hindern können. Auch hier wird wieder deutlich, wie eng Fotografie bei Talbot mit Wissenschaft, dem Schreiben und dem Publizieren verbunden war. Copy of a Persian Newspaper (Abb. 37) belegt seine Überzeugung, dass die Fotografie Drucktechniken wie die Lithografie ersetzen könne. Talbot war der Meinung, die Kamera mache Bilder dessen, was sie „sieht“.25 Vor dem Hintergrund dieser Aussage und dem Wissen um sein Interesse am Schreiben und an Schrift wird deutlich, warum Talbot seine Erfindung als ideales Instrument zum Erfassen von Keilschriftinschriften empfand, wie das letzte Kapitel ausführen

1. „A SCIENCE NOT YET RIPE ENOUGH“: FOTOGRAFIE UND ÄGYPTOLOGIE

37: William Henry Fox Talbot, Persische Zeitung, o. D., Papiernegativ (Kalotypie), Bodleian Libraries.

wird. Da die Schrift noch nicht entziffert und somit unklar war, welche Partien von besonderer Wichtigkeit sein würden, war es umso wichtiger, ein Instrument zu finden, welches jedes einzelne Detail wiedergeben würde. Spätestens seit er Skulpturen wie die Patroclus-Büste für The Pencil of Nature fotografierte, wusste Talbot um die

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Schwierigkeit, dreidimensionale Objekte in einen zweidimensionalen Raum zu übertragen.26 The Talbotype Applied to Hieroglyphics umgeht dieses Problem, indem das Bild eine Zeichnung als Mittler zwischen Tafel und Fotografie nutzt. Die Fotografie gibt dabei nicht vor, die Tafel zu sein, feiert sich jedoch selbst als Speichermedium von Informationen, die reproduziert und somit in Umlauf gebracht werden können.

2. ERSTE FOTOGRAFISCHE EXPERIMENTE AM BRITISH MUSEUM The Talbotype Applied to Hieroglyphics war lediglich eine Episode in einer Zeit, in der sich viele erst mit der Fotografie vertraut machen mussten. Wenngleich Talbot von ihrem Nutzen überzeugt war, ließ der durchschlagende Erfolg etwa zehn Jahre auf sich warten. Eine nicht unerhebliche Rolle, die der Fotografie letztlich zur weiteren Verbreitung verhalf, spielte dabei die Möglichkeit der Zirkulation. Auch deshalb erreichte The Talbotype Applied to Hieroglyphics verschiedene Wissenschaftler. Wenngleich Caminos vermutete, dass nur noch ein einziger Satz der drei Fotografieren existieren würde, konnten kürzlich weitere Sets lokalisiert werden, unter anderem im Archiv des deutschen Ägyptologen Karl Richard Lepsius (1810–1884),27 dem wohl bedeutendsten Ägyptologen Kontinentaleuropas. Während eines der beiden Sets im Lepsiusarchiv im August 1846 direkt an Lepsius adressiert wurde, war das andere Exemplar Joseph Bonomi gewidmet. Wie es nach Berlin gelangte, ist indes unklar.28 Beide Sets tragen eine mit Tinte geschriebene Originalwidmung von G. R. Gliddon, der die Abzüge verschickt haben muss. Es ist zu vermuten, dass man Lepsius für einen potentiellen Nutzer des neuen Mediums hielt. Ein weiterer Abzug findet sich in einem Sammelalbum von Samuel George Morton (1799–1851), einem Schädelforscher aus Philadelphia, der darin Bilder von „Rassentypen“ sammelte, insbesondere von ihm in Auftrag gegebene Bleistiftzeichnungen diverser Künstler.29 The Talbotype Applied to Hieroglyphics wurde Morton von seinem Freund Gliddon mit folgenden Worten zugeschickt: „If you introduced the Talbotype at Philadelphia, you need no longer employ an Artist in Skull-drawing, but save great expense and ensure supernatural accuracy in your Plates. This worth your consideration; for you can multiply ‚ad infinitum‘, at the mere cost of iodized paper.“30 Da Gliddon neben Genauigkeit, Kosten und Reproduzierbarkeit als weiteren Vorteil der Fotografie die Möglichkeit aufzählte, Morton könne künftig das Zeichnen von Künstlern durch die Kamera ersetzen, muss es diesem verwunderlich erschienen haben, ausgerechnet eine Fotografie desselben Mediums zu erhalten, auf welches er angeblich zukünftig verzichten könne, nämlich ein Bild einer Zeichnung. Während

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Morton Gliddons Begeisterung nicht teilen konnte, zeigte Lepsius anfänglich großes Interesse an der Kalotypie. Sein Notizbuch gibt jedoch Aufschluss darüber, dass er Zweifel an der problemlosen und praktischen Umsetzung des Verfahrens hegte. Dies wurde freilich in der lebhaften Korrespondenz zwischen Lepsius und Talbot von Beginn an thematisiert. 1842 fügte Talbot einem Brief an Lepsius Kalotypien bei,31 auf deren Erhalt hin sich Lepsius mit lobenden Worten äußerte. Aus seiner Sicht lag der Vorteil des Verfahrens in seiner Reproduzierbarkeit, wenngleich er Bedenken zur Haltbarkeit der Abzüge äußerte. Nichtsdestotrotz zog Lepsius die Verwendung der Fotografie auf seiner Expedition in Erwägung. Lepsius hätte nicht besser vorbereitet werden können. Auf einer Englandreise traf er Talbot, der ihm persönlich technische Details erklärte und ihn mit lichtempfindlichem Papier versorgte.32 Eine Art Einkaufsliste fotochemischer Materialien in Lepsius’ Notizbuch lässt vermuten, dass er diese anzuschaffen gedachte. Weiterhin finden sich im selben Notizbuch Anmerkungen zu fotografischen Techniken (Abb. 38).33 Dennoch ist keine einzige Fotografie von Lepsius Expedition bekannt.34 Lepsius mag die Ausrüstung als zu schwer, die Abzüge als zu empfindlich, das Verfahren als zu unpraktisch oder zu kompliziert angesehen haben, um lohnende Resultate zu erzielen. Er hatte sich, dies steht fest, bewusst entschieden, keine Fotografien anzufertigen.

38: Richard Lepsius, Notizbuch No. 12°, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin.

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Wenngleich sein Interesse an der Fotografie fortbestand und er diese für spätere Expeditionen immer wieder in Betracht zog, so sind auch von diesen Reisen keine Fotografien bekannt. Es sind hingegen die Zeichnungen seiner Expeditionen, die Standards für die Visualisierung auf dem Gebiet der Ägyptologie setzten. Die Geschichte der Fotografie ist in der Regel eine Geschichte des Erfolges. Technisches Versagen oder das Ausbleiben der Fotografie finden selten Einzug in das Schreiben über Fotografie. In den frühen Jahren war genau dies jedoch eher Regel als Ausnahme. Lepsius blieb somit kein Einzelfall. 1843 bereitete sich der britische Archäologe Charles Fellows (1799–1860) für eine vom British Museum finanzierte Expedition nach Xanthus in Lykien vor. Talbot kam zu Ohren, dass Fellows dafür eine Anzahl Künstler suchte, vor allem Zeichner. Talbot ergriff die Möglichkeit und schrieb: „It has occurred to me that it would be a very desirable thing to have a series of Calotype Views taken in Lycia and should the idea meet with your approbation I have no doubt that it might be easily done and would prove eminently successful. […] Nothing excels the photographic method in its power of delineating such objects as form your researches, as ruins, statues, basreliefs &c. And I should think it would be highly interesting to take a view of each remnant of antiquity before removing it, & while it still remains in situ & surrounded with stones & bushes & all the other accompaniments of a wild nature.“35 Fellows hatte bereits von der Daguerreotypie gehört, sich aus praktischen Gründen jedoch dagegen entschieden. In dem Glauben, dass Talbots Erfindung frei von technischen Problemen sei, beschloss Fellows, sich darin schulen zu lassen.36 Einige Tage später, in einer Antwort Fellows auf einen enthusiastischen Brief Talbots, berichtet Fellows diesem jedoch von seinem Plan, Abgüsse von Flachreliefs und Abklatsche von Inschriften anzufertigen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.37 Fellows’ Ton wirkte vorsichtig und war durchdrungen von Vorbehalten gegenüber der Kalotypie. Er glaubte weder, dass die Fotografie ihn vor Fehlinterpretationen bewahren würde, noch dass er auf Künstler verzichten könne, wenn es um sein wichtigstes Ziel ging, nämlich möglichst authentische Ansichten auch schwer begehbarer Orte wie Gräber herzustellen. Fellows ging es um eine korrekte Vermessung und maßstabsgerechte Aufzeichnung, also um die Proportionen der Gräber und Reliefs. Er ließ sich deshalb sowohl von einem Architekten begleiten, der für die Ausmessung der Details zuständig war, als auch von einem Künstler, der die Flachreliefs zeichnete.38 Talbot wurde nicht müde, ihn zu überzeugen, dass die Fotografie zum einen einfacher zu handhaben, zum anderen beständiger als Zeichnungen sei. Er bot Fellows an, ihn wie ­Lepsius zu unterrichten.39 Talbot fand so den Weg ins British Museum, mit dem Ziel, ein fotografisches Experiment vorzuführen. Die öffentliche Demonstration wissenschaftlicher Experi-

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mente war im viktorianischen London verbreitet, damit sich das Publikum selbst von der Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse überzeugen konnte.40 Die bevorstehende Abreise Fellows’ mag Talbot unter zeitlichen Druck gesetzt haben, was dazu führte, dass das Resultat des Experimentes nicht zu Talbots Befriedigung verlief und somit wenig Eindruck bei den Trustees hinterließ. Eine Quelle erwähnt extreme Hitze im Juli 1843, was eine mögliche Ursache für unvorhergesehene chemische Reaktionen gewesen sein könnte.41 Es folgte ein Briefwechsel zwischen dem British Museum und Talbot, in dem dieser beteuerte, trotz der Panne von der Notwendigkeit und Nützlichkeit seiner Erfindung überzeugt zu sein. Nach einigen weiteren Briefen schlug die Stimmung eindeutig um und das Museum entschied sich gegen die Kalotypie. Doch Talbot gab nicht auf. In der Überzeugung, dass die Entscheidung auf einem Missverständnis beruhen müsste, richtete Talbot einen letzten Appell an Edward Hawkins (1780–1867) persönlich, den zuständigen Kustos am British Museum, in dem er versuchte den „wahren Grund“ für diesen Meinungswechsel herauszufinden.42 Allen widrigen Entwicklungen zum Trotz schickte er Fellows zudem eine Liste mit fotografischem Zubehör, Jodpapier und einen ausführlichen Rat, wie es innerhalb der kurzen noch verbleibenden Zeit bis zur Abreise noch gelingen könnte, sich auf das Fotografieren während der Expedition vorzubereiten.43 Fellows zeitnahe Antwort machte deutlich, dass dieser sich nicht von seiner Entscheidung würde abbringen lassen: „I have not the slightest doubt that I could already make use of the Calotype apparatus, […] – but considering the great imperfection in the manufacture of paper suited to the purpose, the nicety required in using the chemicals, and the extreme cleanliness and exclusion of light in the process, I fear the science is not yet ripe enough for the use of the rough traveller. […] – the cost of the fitting out, – as well as thinking the subjects not altogether applicable to show the best power of the instrument, I cannot recommend its adoption unless an experienced person is sent to attend solely to the subject. I am quite ashamed at the trouble we have given you, but am sure that our whole party are sensible of the extreme beauty and promising use in the invention.“44 Fellows Brief ließ Talbot wie einen Vertreter wirken, der zuerst bestellt, dann jedoch nach einer peinlichen Darstellung seiner Ware dankend wieder entlassen wurde. Für Fellows war die Anwesenheit einer erfahrenen Person, die mit dem neuen Bildprozess vertraut war, unabdingbar, wenn er die Fotografie auf Expeditionen nutzen wolle. Dies war verständlich, führt man sich vor Augen, wie in etwa Talbots Experiment verlaufen sein mag. Wie das Bild aussah, das Talbot im Sommer 1843 am British Museum aufgenommen und eventuell sogar gleich entwickelt hat – falls überhaupt ein Bild zustande kam –, ist nicht bekannt. Möglich ist, dass Talbot vor allem demonstrieren

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wollte, dass sich überhaupt Gegenstände auf der Oberfläche abzeichnen würden. Ihm ging es vermutlich um die Vorführung der Regeln der „fotografischen Wissenschaft“, d. h. vor allem um die operative Verlässlichkeit der fotografischen Emulsion, und weniger um den Inhalt beziehungsweise Gegenstand der Fotografie. Kelley Wilder erläuterte, dass „wissenschaftliche Fotografie“ den Gebrauch der Fotografie für die Darstellung wissenschaftlicher Phänomene bezeichnet, während es sich bei „fotografischer Wissenschaft“ um die Erforschung fotografischer Emulsionen handelt, nämlich im Versuch herauszufinden, was sich abspielt, wenn eine Fotografie verschiedene Stadien – nach der Belichtung, während der Entwicklung oder Fixierung – durchläuft.45 Wie seine Notizbücher entstanden Talbots erste fotografische Experimente im Privaten. Um sie bekannt zu machen, musste er, wie mit seinen schriftlichen Publikationen, an die Öffentlichkeit gehen und diese überzeugen.46 Die Fotografie der Fassade des British Museums, die diese Buch einleitete (Abb. 1), entstand im selben Jahr, in dem Talbot sein Experiment dort durchführte. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Fotografie in den frühen 1840er Jahren – der Perfektion der für The Pencil of Nature gefertigten Abzüge zum Trotz – noch beziehungsweise auch ein fotochemisches Experiment mit einem ungewissem Ausgang sein konnte. Da Fellows sich nicht im­stande sah, selbst mit der neuen Technik umzugehen, legen seine vorsichtigen Zeilen die Vermutung nahe, dass er einen Kontrollverlust befürchtete, wenn er die Visualisierung seiner Funde, die einen, wenn nicht den bedeutendsten Anteil an der Aufarbeitung der Expedition darstellte, wortwörtlich aus der Hand gab. Während Talbot sein Verfahren, ohne zwischen Amateur und Profi zu unterscheiden, für jedermann praktikabel hielt, so war freilich das Gegenteil der Fall, zieht man Bedenken wie die schwere Ausrüstung, die unvoraussehbaren chemischen Reaktionen unter unkontrollierbaren klimatischen Bedingungen, den Mangel an sauberem Wasser und vielleicht auch eine Zurückhaltung gegenüber der angeblich wirklichkeitsnahen Wiedergabemöglichkeiten der Fotografie mit in Betracht. Liest man zwischen den Zeilen, so scheint es, als ob die besondere Schönheit, die die Fotografie seiner Meinung nach besaß, genau das sein könnte, was Fellows für seine Zwecke nicht interessierte. So sollten es am Ende wieder zwei Zeichner sein – zunächst George Scharf Jr., der später für Layard arbeitete, und dann der Landschaftsmaler William Müller (1812– 1845), die Fellows’ Expedition begleiteten. Sie vermochten es, das darzustellen und hervorzuheben, was sie beziehungsweise Fellows für bemerkenswert hielten. Insbesondere Müllers Zeichnungen (Abb. 39) wurden, wie auch Lepsius’ Zeichnungen in Preußen, zu Ikonen der Ägyptenexpedition. Zusammen mit Fellows’ schriftlichen Berichten boten die Zeichnungen einen faszinierenden Einblick in eine kontinuier­ liche Interessenverschiebung archäologischer Bilddokumentation: Nachdem Müller einige Bleistiftskizzen fertig gestellt hatte, erwähnte er gegenüber einem Gefährten Schwierigkeiten, genaue Bleistiftumrisszeichnungen von den Gräbern und Tempeln

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39: William James Müller, Luxor, Ägypten, 1839, Aquarell, The British Museum.

mit all ihren Details anzufertigen. Müller verglich diese Art des nüchternen Zeichnens ohne Farbe mit dem Einnehmen von Medizin.47 Laut Sam Smiles war Fellows in Xanthus an archäologischen Daten interessiert, die Scharf mit seinen akademischen Zeichnungen sichern und erschließen sollte. Müllers elaborierte Arbeiten setzten sich auf eine ganz andere Weise als Fotografien mit den Funden auseinander:48 Er bettete sein archäologisches Bestreben in kulturelle, ethnografische und geografische Zusammenhänge ein. Dies machte seine Zeichnungen gleichzeitig zu mehr und zu weniger als archäologische Zeichnungen. Die minutiöse Darstellung von Details hingegen, um nur ein Beispiel zu nennen, blieb außen vor. Doch was genau eine archäologische Zeichnung zu leisten hatte, war bis dato undefiniert. Da die Archäologie als systematische Disziplin noch nicht existierte, gab es auch keine Kriterien, die festlegten, wozu Visualisierungstechniken genau gut sein sollten und worauf zu achten war, da ebenfalls ungewiss war, wonach die Grabenden überhaupt suchten. Die zeitgleiche Beschäftigung zweier Zeichner und die intensiv, doch hilflos geführte Diskussion, ob eine Kamera von Nutzen sein könnte, spiegeln diese Unsicherheiten wider. Im Verlauf der Diskussion darum, was Archäologie als Disziplin ausmachen und definieren würde, war um 1850 ein zunehmender Unterschied zwischen von der Imagination motivierten Bildern und den statischen, von wissenschaftlicher Erfassung

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getriebener Bilddokumentation zu beobachten.49 Kein Bild aus dieser Zeit kann ausschließlich nur einer der beiden Gruppen zugeordnet werden. Die Bilder der Archäologie waren, genau wie die Disziplin, noch auf der Suche ihrer selbst. Talbots Diktum von der angeblichen Naturtreue der Fotografie fiel aus diesem Grund nicht sofort auf fruchtbaren Boden. Er sah sich damit konfrontiert, dass neben Zeichnungen auch Abklatsche noch immer als verlässliches Medium galten, um Ausgrabungsobjekte zu erfassen; ein Prozess, der sich unter anderem genau deshalb als praktikabel erwiesen hatte, da die Forscher wussten, wie er anzuwenden war. Talbots Erfindung ersetzte diese Techniken nie vollständig.50 Was genau machte die Technik nicht „reif genug“ für Fellow? Die Gründe waren nicht allein praktischer, ökonomischer und technischer Natur, wie Lepsius’ und Fellows’ Briefe vermuten lassen. Die Furcht vor dem endgültigen Resultat der Fotografie beinhaltete eine Kritik, die ausgerechnet Talbot zu den Vorteilen des Mediums zählte: „No matter whether the subject be large or small, simple or complicated; whether the flower-branch which you wish to copy contains one blossom, or one thousand; you set the Instrument in action, the allotted time elapses, and you find the picture finished, in every part, and in every minute particular“.51 Talbot zufolge würde eine Fotografie alles wiedergeben, unabhängig davon, ob die Details wichtig waren oder nicht. Nur schien es nicht für alle Zwecke von Vorteil zu sein, dass die von Talbot gehuldigte Schönheit der Begleiterscheinungen wilder Natur auch ständiger Begleiter wissenschaftlicher Bildgebungsverfahren war.52 Fellows’ und Lepsius’ vorsichtige Zurückhaltung sowie der kontinuierliche Einsatz von Zeichnungen legen nahe, dass die führenden Wissenschaftler kaum ihre Kontrolle in Bezug auf eines der wichtigsten Handwerkszeuge des sich formierenden Faches an die Launen des Lichtes und der Chemie abtreten wollten. Zeichner konnten auswählen, sie konnten Schatten, Kontraste, Umrisse zeigen, die in Wirklichkeit nicht existierten, um bestimmte Teile der Fundstücke besonders hervorzuheben. Obwohl Präzision und Detailfragen immer mehr Bedeutung beigemessen wurde, hatte die Genauigkeit der Fotografie einen entscheidenden Nachteil: Sie konnte nicht zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden. Sie erfasste nicht nur unbedeutende Büsche und Steine, sondern machte auch Schäden und zufällige Erscheinungen sichtbar, ja, hob diese sogar hervor, worüber sich Archäologen noch im späten 19. Jahrhundert beschwerten. Das Hauptinteresse eines Archäologen lag nicht immer auf der Wiedergabe eines Objektes in seiner originalen Form, sondern manchmal auch auf der idealisierten Darstellung seiner wichtigsten materiellen Eigenschaften. Auch daher war für Lepius und Fellows nicht sofort offensichtlich, wofür genau eine Fotografie gut sein sollte, wenngleich sie im Laufe der Zeit ihren Platz fand. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts teilten sich die Zeichnung und die Fotografie ihre Aufgaben entsprechend der an sie gerichteten Erwartungen. Die beiden Medien arbeiteten dabei komplementär. Wie Stefanie Klamm zeigte, sollte die Fotografie

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andere Techniken wie das Zeichnen niemals ersetzen. Die Archäologie war somit im gesamten 19. Jahrhundert von einer Vielzahl von Medien bestimmt.53 Zieht man die Eigenschaften von Zeichnungen als auch von Fotografien in Betracht, so könnte The Talbotype Applied to Hieroglyphics fast als Kritik des fotografischen Bildes in der Archäologie gesehen werden. Doch nicht nur die epistemischen und medialen Bedingungen der Fotografie waren Grund für die distanzierte Reaktion der Ausgrabenden am British Museum. Auch die institutionellen Strukturen des Hauses, das in den frühen 1840er Jahren vor großen Herausforderungen stand, boten kaum Freiräume für derartige Experimente.

3. „AN UTTER SHAMBLES“: DAS BRITISH MUSEUM 1843 Talbots ausbleibender Durchbruch hat seine Ursache nicht nur im Medium Fotografie. Als Talbot 1843 seine Erfindung dem Kuratorium demonstrierte, nahm dies kaum einer wahr. Doch Talbot war mit derartig frustrierenden Erfahrungen nicht allein. Einem anderen ambitionierten Mann erging es ganz ähnlich, als er das British Museum voller Tatendrang besuchte. Sein Name war Christian Jürgensen Thomsen (1788– 1865) und er war Kurator am Nationalmuseet in Kopenhagen, dem neuen dänischen Nationalmuseum. Eine von ihm etablierte neue systematische Chronologie, welche die prähistorische Zeit in drei Perioden einteilte und künftig Maßstab für die Klassifikation neu ankommender Objekte im Museum werden sollte, hatte Thomsen in Dänemark berühmt gemacht.54 Mit diesem als Dreiperiodensystem bezeichneten Verfahren standardisierte er die Erfassung jeglicher Funde. Der neue Ansatz sollte die moderne Archäologie wesentlich beeinflussen. Am British Museum zeigte 1843 jedoch niemand besonderes Interesse an Thomsens Ideen. Für Thomsen bildete die Verwendung der Materialien Stein, Bronze und Eisen eine zeitliche Abfolge. Das Wesentliche an dieser neuen Idee war, dass die Artefakte nicht isoliert, sondern in Beziehung zu anderen Objekten in ihrer Umgebung betrachtet wurden, wofür Thomsen vergleichende Methoden und Instrumente aus der Ethnologie nutzte. Sein Ansatz gründete auf dem reziproken Verhältnis zwischen Typus, Technologie und Stratigrafie. Die Neuanordnung von Artefakten in Museen basierte von fortan auf chronologischen Befunden und vermittelte Erkenntnisse auf Grundlage von Materialanalyse. Dieses System war mit Darwins Methoden für die Lebenswissenschaften vergleichbar, da es sich um ein Organisationsprinzip handelte, das der Disziplin ein methodisches Fundament verschaffte.55 Es machte die Archäologie zu einer messbaren Wissenschaft. In London lagen die Dinge anders. Lange waren britische Altertumswissenschaftler von den dominierenden ethnologischen Paradigmen und Methoden überzeugt, die für chronologische Klassifikationen genutzt wurden. Als Thomsen die englische

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Metropole besuchte, zeigte er sich wiederum unbeeindruckt von den Altertümern im Museum, die er als eingestaubt und lieblos arrangiert beschrieb.56 Die Präsenta­tion mache einen ungeordneten Eindruck, die Mitarbeiter hätten wenig Wissen und Expertise.57 Unklar bleibt, ob Thomsen sein Dreiperiodensystem offiziell vorstellte. Die Frage ist jedoch vielmehr, ob er dazu überhaupt Gelegenheit fand. Wie auch Talbot hatte es Thomsen mit Hawkins zu tun, der nicht nur Kurator am British Museum war, sondern auch Mitglied des Leitungsgremiums der British Archaeological Association, die zwar 1843 aufgrund des steigenden Interesses an den Altertumswissenschaften gegründet worden war, jedoch durch ihre unübersichtlichen Strukturen ständig mit internen Konflikten zu kämpfen hatte, die bald zur Teilung in zwei Vereinigungen führen sollten.58 Sowohl offizielle Vereinigungen als auch die etablierten Amateurvereine innerhalb der Londoner Altertumswissenschaften waren, als Thomsen und Talbot die Bühne betraten, zum Großteil zerstritten. Ob Thomsens Besuch in dem bestehenden Chaos irgendeinen Einfluss hatte, ist fraglich. Immerhin wurden die Schriften seines jüngeren Kollegen Jens Jacob Asmussen Worsaae (1821–1885), die auf seinem Dreiperiodensystem aufbauten, von den Mitarbeitern des British Museums zwischen 1844 und 1850 gelesen. Auch Worsaae hatte London in jener Zeit besucht, in der man in England noch nicht von einem archäologischen System sprechen konnte. In seinem Reisebericht äußerte er sich über das British Museum ähnlich schockiert wie Thomsen: „There was absolutely nothing in the way of a generally accepted archaeological system. [… Most archaeologists were] utter dilettantes, who had no concept of the chronological sequence of the monuments and antiquities […] I think I can state without being immodest that my trip was a sort of archaeological Viking raid, which served to establish the foundations of the […] Danish system’s influence on the British Isles. […] Because of my especial knowledge of prehistoric artefacts, to which little attention was paid in England and which did not even have a room of their own in the excellent Museum, my expositions were listened to with considerable attention both in the Museum and in the learned societies, yes even at a solemn meeting of the great ‚Society of Antiquaries‘ I unexpectedly gave, at the request of the President, a long lecture in English, for which I received general acclaim.“59 Keine Quelle gibt über einen öffentlichen Vortrag Worsaaes in London zu dieser Zeit Aufschluss.60 Da er sich aus den „squabbles of English antiquarians“61, also den Zänkereien, heraushielt und mit allen Seiten ein gutes Einvernehmen suchte, wurde er zum Ehrenmitglied der beiden neugegründeten Gesellschaften ernannt, die vor dem Streit einst in der British Archaeological Association vereint waren. Dennoch war es ihm dort und in den anderen desorganisiert wirkenden Vereinigungen nicht mög-

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lich, seine innovativen Ideen zu diskutieren, da diese sich vor allem mit administrativen Problemen konfrontiert sahen, die dringender schienen als methodologische Revolutionen und Dispute über die Archäologie selbst. Dies sollte sich in London für längere Zeit nicht ändern. Die Situation in den Vereinen wirkte sich reziprok auf die Strukturen in den offiziellen Institutionen wie den Museen aus. Auch als Worsaae das British Museum Jahre später erneut besuchte, war er noch immer von der mangelhaften Organisation geschockt: „The ���������������������������������������������������������������������������� British Museum is an utter shambles! Only the Egyptian and Roman antiquities are beginning to be improved […]; but there is no prospect of this for their national antiquities. I demonstrated at length to Hawkins […], about the importance of paying them more regard than has previously been the case. They promised they would, but the situation is awkward […] I saw several collections and small, very small, antiquarians in London, of whom I do not expect much.“62 Er fasste seine Aufzeichnungen mit dem Fazit zusammen, dass britische Archäologen dringend mehr Sorgfalt bei der Bestandsaufnahme der Fundorte an den Tag legen sollten. Obwohl Worsaae seinen britischen Kollegen das Dreiperiodensystem bei dieser Gelegenheit nahe brachte, sahen nur wenige eine Notwendigkeit, auf dieser Basis neue Klassifikationen anzuwenden. Der Archäologe und Historiker Peter RowleyConwy schlussfolgert daher, dass es nur wenige Anzeichen dafür gab, dass „Worsaaes Vikingereinfall“ großen Einfluss auf die englische Archäologie dieser Zeit gehabt habe.63 Den Praktikern war das Dreiperiodensystem zwar theoretisch bekannt, jedoch verzichtbar. Dies war bei der Fotografie ganz ähnlich.

RÉSUMÉ Dieses Kapitel berichtete von drei enthusiastischen Gelehrten – Talbot, Thomsen und Worsaae –, die mit ihren Ideen im Jahr 1843 auf Granit stießen. Sie fanden sich in einem komplexen Netzwerk verschiedener Gruppierungen wieder, die sich untereinander dermaßen uneins waren, dass es ihnen schwer fiel, die einfachsten Entscheidungen zu treffen. Die Reaktionen auf neue Impulse mögen daher teilnahmslos und desinteressiert gewirkt haben.64 Tatsächlich gab die vorherrschende (Un)ordnung, insbesondere in der Administration, wenig Raum für Neues, seien es visuelle Aufzeichnungstechniken oder Klassifikationssysteme. Sowohl Thomsens als auch Talbots Ansprechpartner war der Kurator Hawkins, der zu dieser Zeit andere Probleme zu lösen hatte. Auch mögen nationale und soziale Zugehörigkeiten eine Rolle gespielt haben: Rowley-Conwy betont im Hinblick auf Worsaae den begrenzten Einfluss, den ein 25-jähriger Däne im London der Mitte des 19. Jahrhunderts im Kontext

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40: William Henry Fox Talbot, Notizbuch „S.1“, 1836, The British Library.

der erbitterten internen Kämpfe zwischen den wissenschaftlichen Gesellschaften haben konnte.65 Das gleiche mag auch für Thomsen gegolten haben. Auch Talbot mag, obwohl Brite, als wohlhabender gentleman of science und Angehöriger der Oberschicht, der befreit von finanziellen Sorgen in seinem Landhaus Wissenschaft mehr als Zeitvertreib als zum Lebensunterhalt betrieb, nicht unbedingt willkommen gewesen sein. Folglich zogen die Mitarbeiter, die mit den Ausgrabungen betraut worden waren, bekannte Methoden den neuen Ideen vor. Die drei Jahre nach Talbots Experiment entstandene Fotografie The Talbotype Applied to Hieroglyphics, mit der dieses Kapitel begann, veranschaulicht die ambivalente Beziehung zwischen der Fotografie und ihrem Nutzen für archäologische Grabungen. Die Genese des Bildes präsentiert sich als Abfolge verschiedener Reproduktionsmethoden, deren Sinn es war, Wissenschaftlern eine Inschrift mit Hieroglyphen vor Augen zu führen. In der Komplexität dieser Referenzkette verweist das Bild auf die beschränkten Möglichkeiten der Fotografie, Distanzen zu überbrücken. Talbot mag vorgeschwebt haben, die Kamera an entlegenen Orten einzusetzen. Die Fotografie, die eine Zeichnung zum Thema hat, zeigt

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jedoch, dass lediglich ein Eindruck der entlegenen Inschrift vermittelt werden konnte. Doch ohnehin drängt sich die Frage auf, ob der durch den fotografischen Abzug verheißene direkte Kontakt mit dem Objekt tatsächlich das vorherrschende Ideal war, oder nicht viel eher die eine undogmatische und variable Interpretationen zulassende Distanz vom Objekt (etwa durch eine Zeichnung), nach welcher Wissenschaftler zu dieser Zeit strebten. Da die Hieroglyphen bereits entziffert waren und ihm das Gebiet somit reizlos erschien, ließ Talbot die Ägyptologie, der er sich zeitweise gewidmet hatte (Abb. 40), sogleich hinter sich – nicht jedoch den Versuch, die Fotografie für das Altertum fruchtbar zu machen. Das nächste Kapitel wird untersuchen, wie es sich mit der Fotografie knapp zehn Jahre nach Talbots gescheitertem Experiment verhielt, als bei einer der wichtigsten britischen Ausgrabungen des 19. Jahrhunderts in Nimrud und Ninive Tontafeln ausgegraben wurden, die noch nicht entziffert waren.

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1. DER BEDROHTE KANON Als sich Austen Henry Layard wenige Jahre nach den Berichten der dänischen Besucher von chaotischen Zuständen im British Museum auf den Weg zu einer Expeditionen nach Mesopotamien machte, hatte sich an den strukturellen Problemen des Museums noch nicht viel geändert. Logistische Herausforderungen traten nicht nur bei den Grabungen selbst, sondern auch bei der Ankunft der Objekte in London auf. Auch wenn Layard in seinem Buch Nineveh and its Remains von 1849 retrospektiv den Eindruck erwecken wollte, die Ausgrabungen der Funde, ihr Transport und ihre Ankunft seien ein wohldurchdachtes Vorhaben gewesen, folgte die Arbeitsorganisation keiner klaren Logik.1 Die Bilder in Layards Publikation, wohlgemerkt allesamt Zeichnungen, unterstützen diese Vorstellung. Um den epistemischen Wert sämtlicher archäologischer Bilder dieser Zeit erfassen zu können, ist es notwendig, den Blick auf die abzubildenden Objekte zu lenken. Denn Gründe für die Unsicherheiten, die die Ausgrabungen und ihre Visualisierung begleiteten, sind nicht nur in den zuvor beschriebenen internen Strukturen oder den Medien, die die Objekte darstellten, zu suchen, sondern auch in den Objekten selbst. Während der Grabungen und auch noch lange Zeit danach, so die Prämisse für die folgenden Ausführungen, hatten die Funde keinen eindeutigen Status inne und ihr Wert war noch verhandelbar. „Wert“ bezieht sich dabei weder auf den ökonomischen Wert noch auf die Bedeutung, welche die Objekte als Quellen biblischer Beweiskraft, als Nationalerbe oder als Symbole des Imperialismus im späten 19. Jahrhundert erhalten sollten. Vielmehr geht es in den folgenden Ausführungen um die Zeitspanne von der Ausgrabung über den Transport bis zur Ankunft im Museum, als der Status der Objekte ungeklärt war.2 Oft wurde angenommen, dass Wert und Bedeutung eines Museumsobjektes unumstößlich und unveränderlich sind, sobald dieses in einen Sammlungskontext eingebettet ist. Doch setzten sich Unsicherheiten beim Versuch der Einordnung der Objekte im Museum meist fort.3 Die Tendenz, in historischen Prozessen nach stabilen Komponenten zu suchen – einem klaren Vorher und Nachher –,

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betrifft im Übrigen auch die Fotografiegeschichtsschreibung. Auch hier orientierte man sich wie in der Archäologiegeschichte an Eckpunkten. Anders gesagt wurde häufig der Eindruck erweckt, dass die Fotografie entweder (noch) nicht existierte oder seit ihrem ersten Auftreten immer genutzt worden sei. Seltener wird thematisiert, wie, wann und weshalb Entscheidung getroffen wurden, ein bestimmtes Medium (nicht) einzusetzen oder was Fotografie eigentlich war, als sie sich noch nicht etabliert hatte. Die im vorigen Kapitel beschriebene Fotografie The Talbotype Applied to Hieroglyphics machte mit ihrem ambivalenten Charakter zwischen Zeichnung und vermeintlich fotografischer „Naturtreue“ deutlich, dass die Fotografie um 1840 selbst noch im Begriff war, ihren erkenntnistheoretischen Wert und ihre Nützlichkeit auszuloten. Die Fotografie hatte also mit den Objekten, die sie Talbots Ansicht nach aufnehmen sollte, einiges gemeinsam. Doch nicht nur das. Auch die Grabungstechniken folgten keiner fortschrittsorientierten Entwicklung, die etwa einen graduellen Übergang von durch Amateure betriebene Altertumswissenschaft hin zur professionellen Archäologie beschreibt, oder von manuellen, von Künstlern auf der Ausgrabungsstätte ausgeführten Visualisierungstechniken wie dem Zeichnen und Skizzieren hin zu mechanischen Techniken wie der Fotografie. Fest steht jedoch, dass sich Fotografie und Altertum in ihrer Entwicklung gegenseitig bedingten, vielleicht auch hemmten, weshalb im Folgenden genauer in den Blick genommen werden soll, wie der Weg von altertumswissenschaftlicher Spekulation hin zu einer messbaren archäologischen Praxis mit Visualisierungsmethoden wie der Fotografie zusammenhängt. Wie wurden Entscheidungen über die Auswahl der Objekte getroffen und was genau verstand man unter „geeigneten Objekten“ für den musealen Gebrauch? Wie wurden die Objekte aus Mesopotamien in Sammlungen eingebunden, die lange Zeit einem europäischen Kanon folgten? Welche Rolle hatten Bilder als Vermittler von Wissen, Werkzeuge der Klassifizierung und Legitimationsmittel für die Öffentlichkeit? Schließlich bleibt noch zu fragen, worin das Wesen des fotografischen (archäologischen) Bildes in einer Zeit besteht, in welcher keine Konzepte, Kriterien oder Vorbilder existierten. Layard führte 1845 bereits erste Grabung in Nimrud durch, welches er anfänglich für Ninive hielt. Als er zwei Jahre später, im Jahr 1847, dorthin zurückkehrte, begann er, die ersten Artefakte nach London zu verschiffen, wo sie im drauffolgenden Jahr ankamen.4 Neben den imperialen und kolonialen Interessen, die für Layard beziehungsweise vielmehr für England ausschlaggebend waren, war ein weiterer Referenzpunkt für seine Expedition die Bibel, da in ihr Orte erwähnt waren, die Layard aufzusuchen gedachte. Diese drei Komponenten können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Layard hatte kein persönliches Interesse an der Bibel, sondern war „Bote” der viktorianischen Gesellschaft, in der Religion eine große Rolle spielte. In seiner Publikation Discoveries in the Ruins of Nineveh and Babylon (1853) listete Layard schließlich 55 Herrscher, Städte und Länder auf, die sowohl im Alten Testament als

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auch in den ausgegrabenen assyrischen Texten auf Tontafeln erwähnt wurden.5 Noch bevor Layard in Ninive und Nimrud Grabungen leitete, führte der französische Konsul Paul-Émile Botta in Ninive und Khorsabad Ausgrabungen durch und fand wie sein englischer Kollege neben antiken Skulpturen auch eine große Anzahl von Inschriften. Beide waren zunächst jedoch auf der Suche nach Objekten, vorzugsweise Statuen und Wandreliefs aus Stein, die sich dazu eigneten, im British Museum und im Louvre ausgestellt zu werden. Auch wenn das Auffinden biblischer Orte auch für die Franzosen keineswegs uninteressant war, muss ihre Motivation vor allem vor dem Hintergrund imperialistischer Bestrebungen, republikanistischer Ideologie, der Erweiterung der nationalen Sammlung und eines steigenden Interesses an positivistisch orientierter Wissenschaft verstanden werden, welche nicht nur die Archäologie, sondern auch die Entwicklung neuer Technologien wie die Fotografie nachhaltig beeinflussen würden.6 Um 1800 war die Bibel ein zentraler Bezugspunkt des intellektuellen und religiösen Lebens im viktorianischen England. Bis 1847, als die offiziellen Ausgrabungen begannen, war die Bibel neben den gleichermaßen bedeutenden antiken Überlieferungen die Hauptquelle für die Geschichte Assyriens und lieferte ein historisches Raster. Die Geologie hatte biblische Überlieferungen zwar zeitweise ins Wanken gebracht, sie jedoch gleichzeitig in anderen Fällen auch belegt.7 Die von Layard ausgegrabenen Artefakte machten die Bibel zu einem realen, historischen und somit greifbarem Gegenstand, der von nun an materiell belegbar war. Verglichen mit den seltsam anmutenden Skulpturen waren es so vor allem die vielen Tontafeln mit Keilschrifttexten, die in England von unschätzbarem Wert waren. Unschätzbar waren sie auch im wörtlichen Sinne, da zum Zeitpunkt ihrer Ausgrabung noch niemand ihre Schrift entziffert hatte. Erste Entzifferungsversuche, bei denen sich auch Talbot in den frühen 1850er Jahren einbrachte, nahmen zum Zeitpunkt der Grabung erst ihre Anfänge. Waren die Tontafeln erst einmal entziffert, würde ihr Inhalt akademische Disziplinen, Grabungstechniken und die Struktur ganzer Institutionen beeinflussen.8 Zur Zeit der hier erwähnten Expeditionen blieben jedoch grundlegende historische und biblische Fragen gänzlich unbeantwortet. Es war zunächst nicht einmal bekannt, in welcher Sprache die keilförmigen, mit einem gespaltenen Bambusrohr in den feuchten Ton gepressten Zeichen geschrieben waren oder zu welcher Sprachfamilie sie gehörten.9 Auf den ersten Blick schienen die mit Inschriften versehenen Tafeln alle gleich auszusehen. Sie wirkten undurchdringbar. Ihr Wert blieb daher unbestimmt. Ohne die Bestimmung ihre Herkunft mithilfe ihrer äußeren Eigenschaften war es also nur ihr Potential, welches sie zu Gegenständen von Interesse machte.10 Wie gingen die Ausgräber also vor? Manchmal ermöglichte die Suche nach bestimmten Namen und Orten, die in der Bibel erwähnt wurden, eine leichte Orientierung in der terra incognita. Manche der Funde bewirkten jedoch das Gegenteil

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dessen, was sie bezwecken sollten. So hielt man, basierend auf den Aussagen der Bibel, vor 1850 König Pul für den ersten assyrischen Eroberer und Tiglat-Pileser für dessen direkten Nachfolger. Doch von Pul fand sich keine Spur auf den ausgegrabenen Tontafeln, weshalb einige die beiden Könige für ein und dieselbe Person hielten.11 Derartige Quellen stellten den traditionellen christlich-biblischen Kanon in Frage statt ihn zu stützen, weshalb die Entdeckungen den intellektuellen Diskurs der westlichen Welt immer wieder auf die Probe stellten. Neben „museumstauglichen“ Artefakten war Layard also hauptsächlich daran interessiert, Schätze auszugraben, die biblische Aussagen materiell bestätigten. Er versprach jede Anstrengung zu unternehmen, damit die Nation eine beachtliche und möglichst vollständige Sammlung assyrischer Artefakte ihr eigen nennen könne.12 Nachdem er sich selbst diesen Maßstab gesetzt hatte, berichtete er dem Museum regelmäßig von den Fortschritten seiner Entdeckungen. So erwähnte er einmal, dass er acht Kammern entdeckt habe, doch nichts – „nothing capable“13 – gefunden habe, was geeignet sei, um nach England transportiert zu werden, wobei unklar bleibt, was er in diesem Kontext mit „capable“ meinte. Oft war es allein der physische Zustand der Artefakte, der darüber entschied, ob der Fund transportiert werden konnte ohne Schaden zu erleiden. Im Fall der Tontafeln, die Layard nicht lesen konnte – dies waren nahezu alle –, entschied er nach deren äußerlichen Erscheinung, also nach der Ästhetik der Objekte. Dabei spielte Intuition eine entscheidende Rolle. Manchmal berichtete er, dass er „nothing of importance“,14 also nichts von Bedeutung gefunden habe, ohne zu erläutern, was er damit meinte. Layard erklärte nie, wonach er eigentlich suchte, möglicherweise da er es selbst nicht wusste.15 Von den zahllosen Grabungsfunden wurden Skulpturen ausgewählt, die Layard zufolge einen Platz im Museum verdienten. Was sie aber als solche auszeichnete, wurde nirgendwo näher festgehalten. Dem Museum zufolge erforderte diese Auswahl „ein erfahrenes Auge“.16 Welche Art der Erfahrung gemeint war, wurde nicht erläutert. Der Vergleich mit Objekten, die er selbst bereits ausgegraben hatte, war also die einzige Methode, die Layard zur Verfügung stand. Es ist unklar, ob der Ankauf von neuem Material sich an dem orientierte, was in London Anklang gefunden hatte, oder ob man Layards Kriterien, von denen nicht klar ist, worin sie bestanden, anwendete. Im Mai 1850, als Layard erneut nach Ninive zurückgekehrt war, um die Ausgrabungen am Palast Sanheribs fortzuführen, machten seine Arbeiter eine Entdeckung, die – neben den monumentalen Großskulpturen – alle vorigen Funde übertraf. Sein Team entdeckte im Palast und den umstehenden Gebäuden ca. 28.000 Keilschrifttafeln und Fragmente. Diese Tafeln wurden später als Kuyunjik-Sammlung bekannt, ein Name, der sich auf einen dortigen Hügel bezog. Heute ist bekannt, dass sich in der Sammlung bedeutende wissenschaftliche, literarische und historische Aufzeichnungen, Verwaltungs- und Vertragsakten, Opferlisten und sogar Tabellen befinden. Dies konnte damals niemand wissen. Des Lesens von Keilschrift unkundig und in Erman-

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gelung geregelter Arbeitsvorgänge herrschte Unsicherheit darüber, wie man mit den Funden umgehen sollte.17 Layard berichtete aus der Ferne, dass auch die Wände des Palastes allesamt mit Inschriften in einer unbekannten Sprache bedeckt seien,18 und urteilte mangels effizienterer Alternativen nach äußerlichen Kriterien, also Größe, Form und Umrissen (sowohl der Schrift als auch der Tafeln selbst), um daraus Rückschlüsse auf deren Wert zu ziehen. So komplex die Schriftzeichen waren und obwohl Layard versuchte, Wiederholungen, also wiederkehrende Strukturen, zu finden, sahen die Inschriften für ihn, wie er zugab, alle genau gleich aus, egal was sie bedeuteten: „precisely similar“.19 Die Ausgrabungen fanden also nicht statt, um bis dato unbekannte Schriften zu entziffern. Vielmehr war diese Herausforderung ein arbeitsintensiver Nebeneffekt. Angesichts des unsystematischen Vorgehens während der Grabungen ist es wenig überraschend, dass auch die Visualisierungsstrategien der Objekte keiner klaren Methode folgten. Dennoch erachtete man es als unverzichtbar, die Expedition von einem Künstler begleiten zu lassen. Die Visualisierung der Funde gehörte zu den wichtigsten wissenschaftlichen Instrumenten, die vor Ort eingesetzt wurden. Damit war vor allem das Zeichnen gemeint. Die Fotografie wurden vor 1850 nicht eingesetzt. Trotz Layards Interesse an der Gesamtanlage des freigelegten Palastes war es zu dieser Zeit nicht üblich, die Ausgrabungstätte und ihr Umfeld in einem größeren Zusammenhang zu betrachten, lag das Hauptinteresse doch auf den individuell ausgegrabenen Objekten. Es sollte noch bis circa 1890 dauern, bis man die exakte Position der Grabungsstätten und die Materialität der Funde durch Querschnitte und andere Dokumentationen veranschaulichte. Bis dahin erinnern viele Zeichnungen mit ihrer romantisierten Darstellung der Umgebung der Fundorte an orientalistische Gemälde und zeitgenössische Landschaftsmalerei.20 Statt die gesamte Fläche auszugraben, legte man meist einen Sondier- oder Suchschnitt an. Die Erde wurde dabei nur so weit entfernt, wie es nötig war, um die Wände freizulegen. Layards Schilderungen zufolge war die Aufhäufung der Erde über den Ruinen so beträchtlich, dass die Arbeiter vor allem Tunnel entlang der Wände anlegten und Schächte gruben, um Licht und Luft herein zu lassen.21 Bis professionelle Künstler angestellt wurden, machte Layard, ein Kenner italienischer Kunst, selbst Zeichnungen von den Skulpturen und Inschriften.22 Die meisten seiner Zeichnungen muten schematisch an; sie konzentrierten sich auf die Umrisse der Tafeln, die auch Schäden im Material mitberücksichtigten (Abb. 41–42). Andere Skizzen zeugen von einem höheren künstlerischen Anspruch und führten in der Vergangenheit zu der Annahme, dass Layard diese Skizzen mithilfe einer Camera Lucida anfertigte. Andere bezweifeln sogar, dass Layard die Zeichnungen ohne die Hilfe eines Zeichners vollendet hatte.23 Tatsächlich ist anzunehmen, dass er, zurück in London, George Scharf als ghost artist für die im Nachhinein angefertigten Bilder engagiert hat, welche die ausgegrabenen Artefakte in ihrem Umfeld zeigen (Abb. 43).24 Die

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Zeichnung (Abb. 44), welche als Frontispiz Layards Buch Nineveh and its Remains schmückt und somit besonders bekannt wurde, stammt vermutlich von Scharf. Zwei schwere Wände geben den Blick auf einen zentralen Platz frei, auf dem ein geflügelter Stier herabgelassen wird. Zwei Gruppen einheimischer arabischer Arbeiter ziehen auf jeder Seite das Objekt gen Boden, während Layard, gegenüber der geladenen

41: Austen Henry Layard ?, Kriegsszene am Nordwestpalast, Austen Henry Layard, The Monuments of Nineveh Bd. 1 (London: John Murray, 1849–1853), 29. 42: Austen Henry Layard, Zeichnung, Ashurbanipal, The British Museum.

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43: George Scharf Jr.?, Schwarzer Obelisk Nimrud, Austen Henry Layard, Nineveh and Its Remains, Bd. 1 (London: John Murray, 1849), 347. 44: George Scharf Jr.?, Ausgrabung des Stiers, Austen Henry Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1 (London: John Murray, 1849), Frontispiz.

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Gesellschaft von Sheik Abd-ur-Rahmann, in erhabener Einsamkeit auf der rechten Mauer verweilt und die Arbeiter am Boden anleitet. Bohrer hat das Missverhältnis zwischen dieser Darstellung und Layards eigenem Text herausgestellt: tatsächlich berichtet Layards Buch kaum von den eigentlichen Grabungen und den Schwierigkeiten, mit denen man sich dort konfrontiert sah. Bei der dargstellten Szene riss angeblich das Seil, und der Stier zerschmetterte am Boden.25 Die ausbalancierte Komposition des Frontispiz vermittelt, wie der Inhalt des Bandes, den Eindruck von Kontrolle, während die inoffizielle Dokumentation, das Archiv der Expedition, eine andere Geschichte erzählt. Waren Sinn und Zweck der visuellen Dokumentation am Ausgrabungsort im Vorfeld noch unklar, so kristallisierten sich im Laufe der Grabungen mögliche Aufgaben heraus, die Bilder bewerkstelligen konnten. So wie man bereits erkannt hatte, dass Objekte, die durch Freilegung und Witterungen Schaden nahmen, bis zum Transport nach England wieder vergraben werden mussten,26 um sie zu schützen, so diente die bildliche Aufzeichnung dazu, das zu konservieren, was durch etwaige Beschädigung oder Verlust, zum Beispiel beim Transport, verloren gehen könnte. Layard bedauerte in einem Fall, dass er kaum Zeit gehabt hatte, eine sorgfältige Zeichnung anzufertigen, bevor ein Fund in Stücke zerbrach.27 Dies war kein Einzelfall. Da nicht selten Objekte auf dem langen Weg zwischen Tigris, Euphrat und über Land und See wortwörtlich auf der Strecke blieben oder ins Wasser fielen, blieben Zeichnungen häufig der einzige Nachweis für eine „Entdeckung“. Die Bilder dienten also als visuelles Inventar, ja, gegebenenfalls sogar als Ersatz für das Originalobjekt. Die visuelle Dokumentation glich bald einer Maschinerie. So waren im Londoner Museum wiederum Künstler beauftragt, ebenfalls sofort Zeichnungen von den aus Mesopotamien eingetroffenen Objekten anzufertigen, nachdem diese repariert worden waren.28 Die Bedeutung der Bilder, insbesondere ihre Rolle als Stellvertreter, machte sie sowohl für den typologischen Vergleich als auch als Instrument zur Inventasierung und Dokumentation bedeutend, obwohl oder gerade weil die Aufnahme der Objekte im Museum keinem System folgte. Dies mag zunächst widersprüchlich klingen, jedoch diente das Zeichnen als erster Schritt dazu, sich über die Bedeutung der Objekte klar zu werden. Das Zeichnen war also das System. Layard kontrollierte den baldigen Druck einer Auswahl von Zeichnungen von Keilschrifttafeln.29 Während die Drucke der Tafeln ihre Zirkulation und Entzifferung förderten, hatten die meisten Zeichnungen der Ausgrabungsstätte, die auf Layards Expedition angefertigt wurden, auch die Aufgabe, die Funde in England zu bewerben und bekannt zu machen.30 Sie waren daher von großer Bedeutung, um weitere Expeditionen zu gewährleisten und vor allem zu finanzieren. Layard forderte deshalb vom British Museum, dass die Bilder in seiner Publikation akkurat ausgeführt werden. Gleichzeitig sollten diese wenig kosten, damit ein möglichst großes Publikum erreicht werden könnte.31 Sein Verleger John Murray investierte schließlich eine beachtliche

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Summe Geld und Aufwand in die Bebilderung, die Layards Buch zu einem wichtigen Bestandteil der wortwörtlichen „Imagekampagne“ machen sollte, um die Öffentlichkeit für Assyrien und die Expeditionen zu begeistern.32 Dem Publikum versprachen diese Bilder Distanz zu überbrücken, also eine Nähe zu den Objekten zu schaffen, obwohl sie sich teilweise noch fernab befanden:33 So verkündete die Illustrated London News in einem Text, der mit der Zeichnung einer Keilschrifttafel begleitet wurde, dass die Abbildung besonders bei denjenigen Lesern auf Interesse stoßen könnte, die sonst keinen Zugang zu den Keilschrifttafeln hätten (Abb. 45).34 Lesen konnte diese Tafeln freilich keiner. Die nach und nach wachsende Ausstellung assyrischer Objekte im Bri-

45: Empfang der Skuplturen aus Nimrud am ­British Museum, Illustrated London News, 31. 03. 1849.

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tish Museum und andernorts sorgte mit der parallelen kostenintensiven Produktion grafischer Reproduktionen in den auflagenstärksten Magazinen dafür, dass die Orte und Monumente des biblischen Assyriens buchstäblich Gestalt annahmen. Eine Konsequenz war die Entstehung eines lukrativen Marktes für illustrierte Bibeln. Indem Reiseführer den Reisenden halfen, biblische Plätze wahrhaftig aufzufinden, machten sie die Heilige Schrift selbst zu einem Führer durch das biblische Land und unterstützten den Glauben an den Wahrheitsgehalt der Bibel, der im viktorianischen England fundamentaler Pfeiler des gesellschaftlichen Lebens war.35 Layards „archäologische Illustrationen“ waren ungeachtet der Tatsache, ob sie von eigener oder fremder Hand gefertigt wurden, also nicht nur allgegenwärtig, sondern auch universal. Sie dokumentierten nicht nur die Ausgrabungen, sie bedienten vielmehr gleichzeitig Vorstellungen und Erwartungen der Menschen an den „Orient“ als koloniales Projekt.36 Sie waren zugleich Quellen für die Öffentlichkeit, Garanten biblischer Wahrheit, Instrumente zur Sicherung finanzieller Unterstützung, Inventarisierungshilfe der Kuratoren und Hilfsmittel für künftige Forscher.37 Die letzten beiden Kategorien machten sie zu wissenschaftlichen Bildern in einem weiteren Sinne. Doch solange der wissenschaftliche Wert der Objekte nicht abzuschätzen und somit unklar war, welche Information die Bilder überhaupt vermitteln sollten, blieben auch die Kriterien dafür, wie ein nützliches Bild aussehen könnte, zwangsläufig ungeklärt. Der Wert der Bilder war also genauso variabel wie die Bedeutung der Objekte, die sie darzustellen versuchen. Als Gattung waren die meisten Zeichnungen von Grund auf anders als die archäologische Fotografie gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Frage, wofür man eine Kamera brauchen oder was archäologische Fotografie ausmachen könnte, war das geringste Problem, das die Beteiligten damals hatten. Bereits 1849 war Layard offenbar damit überlastet, die Ausgrabungen zu überwachen und gleichzeitig Skizzen anzufertigen, so dass er das British Museum aufforderte, ihm einen Zeichner zu schicken.38 Das Museum sah vor, dass die hierfür eingesetzte Kraft sowohl mit den Skulpturen als auch mit der Keilschrift vertraut sein müsse, um im Stande zu sein, Zeichnungen der Reliefs und Inschriften anzufertigen. Diese waren ausgegraben, wurden jedoch zunächst an Ort und Stelle belassen, weshalb das British Museum Bedenken äußerte, die Objekte könnten von einheimischen Arabern zerstört oder von der Witterung beschädigt werden. Der angestellte Zeichner sollte nach der visuellen Dokumentation dieser „bedrohten“ Artefakte außerdem mitentscheiden, welche davon nach London gebracht werden sollten.39 Die Stellenanzeige für den Posten als Zeichner liest sich als utopische Wunschvorstellung: Die explizit als gesund, belastbar und flexibel beschriebene gesuchte Kraft sollte weit mehr sein als ein ausgebildeter Zeichner. Die größte Herausforderung bestand dabei wohl darin, geeignete Skulpturen auszuwählen und Erfahrungen im Lesen einer Schrift mitzubringen, die zu dieser Zeit noch nicht einmal entziffert war. Das Kopieren der Inschriften wurde auf diese Weise direkt mit dem Lesen der Schrift verbun-

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den: Auch wenn der Kopist die Schrift nicht im eigentlichen Sinne lesen konnte, da er sie nicht verstand, so war er doch Mediator zwischen Tafel und der von ihm produzierten bildlichen Wiedergabe. Er musste bewusst Entscheidungen treffen, wenn er beispielsweise bestimmte Details in der Zeichnung wiedergab (in dem Glauben, dass sie zur Schrift gehörten) oder wegließ (in der Meinung, dass es sich lediglich um einen Schaden im Material handelte). Diese Art der Mediation konnte von einer Fotografie freilich nicht geleistet werden. Um eine brauchbare Abschrift einer Inschrift zu gewinnen, wurde (und wird noch heute) meist zunächst mit Bleistift und im Anschluss mit Tusche gezeichnet. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Methoden plötzlich um 1850 als unbequem, unpraktisch oder altmodisch empfunden wurden. Es drängt sich somit die Frage auf, wofür eine Kamera überhaupt gebraucht wurde. Talbots Besuch im Museum, bei dem er die angeblichen Vorteile der Fotografie als Reproduktionsmittel herausstellte, genügte jedenfalls nicht, um alle Beteiligten umzustimmen.40 Einige Monate nach Layards Hilferuf reiste schließlich ein Künstler namens Frederick Charles Cooper (1810–1880) im Auftrag des British Museums nach Mesopotamien. Cooper trat seinen Dienst 1849 an, wurde jedoch bereits im Folgejahr aus gesundheitlichen Gründen wieder nach Hause geschickt. Sein Attest wurde von einem Arzt ausgestellt, der mysteriöserweise zur gleichen Zeit mit denselben Symptomen abreiste. Sein Tagebuch offenbart das Bild eines Stadtmenschen, der nicht nur unter ständigem Heimweh litt, sondern es vorzog, Tee zu trinken, Karten zu spielen, und häufig vorgab, Gottesdienste in Mossul zu besuchen.41 Die Beziehung zwischen Layard und Cooper hatte recht früh eine negative Wendung genommen,42 weshalb zu vermuten ist, dass Coopers Gesundheitszustand beiden Seiten als Vorwand diente, die Zusammenarbeit zu beenden. Coopers Aufgabe bestand darin, sechzig Zeichnungen der ausgegrabenen Skulpturen anzufertigen.43 Die meisten seiner Zeichnungen zeigen unvollendete Arbeiten an den Ausgrabungsstätten, die in einer Sequenz gesehen den stetigen Fortschritt der Arbeiten zur Hauptbotschaft der Bilder machten. Die Fotografie wird im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung nirgends erwähnt. Während seines Aufenthaltes führte Cooper ein Tagebuch, dessen Einträge sich wie die eines Pressefotografen auf der Suche nach dem richtigen Schnappschuss lesen: „During the morning Mr Layard […] had been busy arranging ropes and tackle for lowering one of the winged lions which operations was safely performed by the united exertions of nearly 100 Arabs and Tyari [sic]. The tubal and pipes going all the while gave still greater excitement to the seen. I descended into the trench and obtained an excellent view for a sketch.“44 Ein Aquarell (Abb. 46) zeigt die Ausgrabung des geflügelten Löwen im Palast von Assurnasirpal, die Cooper auch in seinem Tagebuch beschreibt. Die Zeichnung verbildlicht

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46: Frederick Charles Cooper, Geflügelte Löwen aus dem Palast Assurnasirpals II in Nimrud, o. D., Aquarell, The British Museum.

nachdrücklich die Klarheit und Zielorientiertheit des Unterfangens: Das Bild zeigt eine Gruppe, die in der Mitte der Szene Elemente eines Tores niederlässt, links flankiert durch „dekorativ“ arrangierte, auf Kamelen sitzende Einheimische, rechts von einem durch seine Kleidung herausgehobenen Mann mit einer Mütze – vermutlich Layard –, der direkt über der absinkenden Skulptur den Arm ausstreckt, als ob er eine Anweisung geben wolle. Die präzise, fast symmetrisch ausgeführte Komposition vermittelt den Eindruck einer wohlorganisierten Szene. Wie Bohrer richtig festgestellt hat, sind Coopers Darstellungen mit ihren nach Klasse und Arbeit zugeordneten Beteiligten Paradebeispiele kontrollierter Baustellen, auf denen Arbeit unter klarer Anleitung und in folgerichtigen Arbeitsschritten ausgeführt wird.45 Bohrer beschreibt Cooper daher genau wie Scharf als jemanden, der zwischen der Ausgrabungsstätte der Funde und ihrer Rezeption in der Öffentlichkeit vermittelt habe. Darüber hinaus hatten Coopers Zeichnungen keineswegs die Absicht, die Topografie oder die Grabungsstätte wahrheitsgetreu wiederzugeben, sondern vielmehr als pittoreske Darstellungen den Vorstellung der Menschen Rechnung zu tragen. Dies implizierte, Layard als zentrale Figur hervorzuheben.

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Abgesehen von ihrer Funktion als Vorlagen für Holzschnitte, welche in Nineveh and Babylon 1853 publiziert werden sollten, wurden Coopers Aquarelle auch für ein öffentlich zugängliches Diorama eingesetzt, das im Mai 1851 seine Tore öffnete, damit die Ausgrabungen von den Menschen als möglichst realitätsnah empfunden werden konnten.46 Die Tatsache, dass ein Zeitgenosse Coopers Verdienste um die Kommunikation mit der Öffentlichkeit durch seine Bilder rühmte, bestärkt die Annahme, dass diese vor allem dazu dienten, die Grabungen vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen, und nicht primär als Mittel wissenschaftlicher Dokumentation zu dienen: „Cooper has lately been making a laudable effort to communicate to the public a portion of his Eastern acquirements, in a popular form, by means of a diorama of Nineveh; and, it is to be hoped, that he will ere long publish the contents of a wellassorted portfolio, illustrative of oriental costume and manners, which he collected during his sojourn in Mesopotamia and Coordistan. The reader will not fail to perceive how much these volumes owe to the talents of the above-named gentlemen; and to Mr. Cooper especially are the thanks of the author due for his generous and unsolicited offer to undertake a task which has cost him no little time and trouble.“47 Coopers Bilder waren also weit mehr als Dokumente einer archäologischen Expedi­ tion. Sie sind visuelle Zeugenschaften und Resultate einer distanzierten Beobachtung am Rande des Geschehens (Abb. 47–48): nicht ganz Teil der Ausgrabungen und ihnen doch verpflichtet. Die Bilder sind ambivalente Zeugnisse dafür, dass die Briten biblische Orte in ihrer wahrhaftigen und materiellen Gestalt wahrnahmen. Gleichzeitig bedienten sie populäre und verklärte Vorstellungen, die man im viktorianischen Eng­ ­land vom „Orient“ hatte. Nachdem Cooper abgereist war, musste Layard wieder selbst Skulpturen zeichnen und Inschriften kopieren. Aufgrund seines Gesundheitszustandes und der hohen Arbeitsbelastung hielt es das Museum für notwendig, unverzüglich Ersatz für Cooper zu finden und einen neuen Künstler zu entsenden.48 Layards Erwartungen wurden hochgesetzt. So hieß es über den zu entsendeten Künstler: „[he] draws in various styles, seems a youth of good sense, and promises the strictest observance of [Layard’s] directions. His health is good, and we think him strong.“ Bei diesem „cleveren“49 Künstler, der sich im Oktober 1850 auf den Weg nach Mesopotamien machte, handelte es sich um Thomas Septimus Bell.50 Die Fotografie wurde anfänglich nicht als Teil von Bells Aufgaben erwähnt, die vor allem darin bestanden, Grundrisse und Kopien von Inschriften zu zeichnen. Aus einem Brief mit einer Liste anzuschaffender Ausrüstungsmaterialien, die es verdient, in voller Länge zitiert zu werden, geht jedoch überraschenderweise hervor, dass sich fotografisches Equipment durchaus im Reisegepäck befinden sollte:

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47: Frederick Charles Cooper, Nimrud, ca. 1850, Aquarell, The British Museum.

„3 foot rule, 2 measuring tapes, case of German Silver Instruments, Six under Vests, 4 pairs Drawers, Map of Turkey in Case, Waterproof Coat, Flexible Hat, […] shoes, leggings, pair Holster pistols, Flask, Rod, brush, percussion caps, Powder, 2 solid leather portmanteau with straps, box of moist colours, drawing pencils, sketching umbrella stand, compass, evening dress, + telescope, + talbotype, + quinine + scales.“51 Ungeachtet der merkwürdigen Natur einiger Gegenstände, der Garderobe und der künstlerischen Ausstattung, ist besonders kurios, dass sich am Ende der Liste wie en passant das Wort Talbotype findet. Noch bemerkenswerter als die Beiläufigkeit, mit der die Fotografie hier erstmals konkret im Zusammenhang mit einer bedeutenden archäologischen Expedition erwähnt wird, ist, dass die Liste den Prozess und das Endprodukt, die Talbotypie, aufführt, aber nicht die Kamera, welche für die Anfertigung der Talbotypie nötig gewesen wäre.52 Weiterhin fällt auf, dass abgesehen von Chinin („quinine“) keine weitere Chemikalie verzeichnet ist, die für die Herstellung von Fotografien notwendig gewesen wäre. Die Talbotypie wirkt wie ein beliebiger Ge­genstand auf einer wild durcheinandergewürfelten Liste. Technische Hilfsmittel, die der Beobachtung dienten, wie das Teleskop, waren wiederum nicht neu bei Ausgrabungen. So

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48: Frederick Charles Cooper, Ausgrabungen am Ninurta Tempel, Nimrud, o.D., Aquarell, The British Museum.

hatte Layard zu dieser Zeit bereits ein Jahr lang ein Fernglas besessen, das er als ausgesprochen sinnvoll bezeichnete, wenngleich er es nach einigen Schäden durch ein grö­ ßeres Teles­kop ersetzt wissen wollte. Da er 1850 dem Museum gegenüber äußerte, dass er die Talbotypie für zweckdienlich halte, muss dieses daraufhin beschlossen haben, dem neuen Teleskop gleich eine Kamera beizufügen.53 So kommt es, dass auf der Liste ein bis dato bei Grabungen nie verwendetes Instrument der Aufzeichnung plötzlich gleichrangig mit bereits erprobten Instrumenten der Beobachtung aufge­führt wurde. Das Museum hatte demnach also tatsächlich geplant, Bell mit einer fotografischen Kamera auszurüsten. Dies belegen unter anderem auch Anweisungen – „instructions in the use of a Talbotype“54 –, die das British Museum Bell zukommen ließ. Unklar bleibt, wer Bell im Gebrauch der Kamera unterrichtet hat, denn Talbot bleibt in diesem Zusammenhang unerwähnt. Doch obwohl Bells Reise über Syrien sorgsam geplant war, sollte er die Ausgrabungsstätte nie erreichen. Er erreichte lediglich Aleppo, denn bevor er seine Reise nach Mossul fortsetzen konnte, ertrank Bell bei einem Bad im Fluss Gomel. Nach seinem Tod wurde die Talbotypie nicht weiter in den Quellen erwähnt. Bells visuelle Hinterlassenschaft bestand, teilweise wegen Plünderungen, aus lediglich vier Zeichnungen, welche man in seinem Gepäck fand, die jedoch auf dem Rückweg nach London stark beschädigt wurden.

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Man entschloss, umgehend einen Ersatz für Bell auf den Weg zu schicken.55 Wenngleich es den Verantwortlichen des British Museums so vorgekommen haben muss, als habe man sich mit der ständigen Entsendungen von Künstlern im Kreis gedreht, führte die permanente visuelle Dokumentation der Grabungen langsam zu einer Kontinuität im Stil. Dass nun klarere Vorstellungen über das Aussehen der Bilder herrschten, wenn Aufträge an Künstler erteilt wurden, wird daran ersichtlich, dass Layard beispielsweise gebeten wurde, dem nächsten potentiellen Künstler vorige Zeichnungen von der Ausgrabungsstätte zu zeigen, damit dieser eine Vorstellung bekäme, was von ihm erwartet werden würde.56 Man entschied sich schließlich, Charles Doswell Hodder, den man für einen Künstler „of considerable talent“ hielt, auf die Exkursion zu schicken. Zuvor hatte man Hodder angeblich Einweisungen im Gebrauch der Talbotypie gegeben.57 Welche Art von Talent ein Künstler haben müsste, der nicht nur zeichnen, sondern auch fotografieren sollte, war unklar, waren es doch vor allem handwerkliche Fähigkeiten, die im Umgang mit Chemikalien und optischen Apparaten gefragt waren. Als Hodder seine Arbeit aufnahm, wurde seine Expertise vor allem mit Zeichnungen und Skizzen in Verbindung gebracht (Abb. 49–50).58 Es kann nicht eindeutig belegt werden, dass Hodder seine neuerworbenen Fähigkeiten im Gebrauch der Talbotypie auch in die Praxis umgesetzt hatte. Möglich ist, dass er am Museum nie eine Schulung erhalten hatte oder man es doch nicht für unabdingbar hielt, bei Grabungen zu fotografieren. Im Allgemeinen finden sich zu dieser Zeit in England kaum Aussagen, die Aufschluss darüber geben, warum man fotografische Bilder auf archäologischen Expeditionen überhaupt als notwendig erachtete. Wie schon in den Vorjahren sollten Hodders dreißig Zeichnungen als Ersatz im Falle eines Verlustes der Originale dienen, zum Beispiel um zerbrochene Tafeln möglichst mühelos wieder zusammensetzen zu können, nachdem sie England erreicht hatten.59 Die Fotografie als visuelles Inventar zu nutzen erinnert an Talbots anfängliche Vorstellungen vom Nutzen dieser Technik, wie er sie in The Pencil of Nature, etwa im Zusammenhang mit dem Bild Articles of China, beschrieben hatte (Abb. 20): „[…] And should a thief afterwards purloin the treasures – if the mute testimony of the picture were to be produced against him in court – it would certainly be evidence of a novel kind […]“.60 Doch ��������������������������������������������������������������������� allen Beteiligten bei den Grabungen und am British Museum schienen zu diesem Zwecke bisherige visuelle Techniken der Dokumentation völlig auszureichen. Layard hatte zum Beispiel Zeichnungen der importierten Inschriften angefertigt und stellte zufrieden fest, mithilfe dieser einen der Könige identifiziert und mit der Interpretation der Inschriften allgemein richtig gelegen zu haben. Zeichnungen waren hierfür völlig ausreichend. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass die Fotografie völlig unerwähnt blieb. Sie tauchte wie ein Geist hin und wieder auf, blieb jedoch meist ohne materielle Gestalt. Denn was fast immer fehlte, waren die fotografischen Beweise selbst. Es war also – wenn überhaupt – lediglich das Reden über die

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49: Charles Doswell Hodder, Zeichnungen eines Obelisken, einem Brief von Rassam an Rawlinson beigelegt, Nimrud, 06. 06. 1853, The British Museum. 50: Charles Doswell Hodder, Zeichnung, ­Assyrien, ca. 1850, The British Museum.

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Fotografie, das um 1850 langsam Einzug in die Diskussionen fand, nicht jedoch die Fotografie selbst. 1852 sollten zum Beispiel Inschrifttafeln, die sich auf den berühmten Stieren befanden, von diesen bei den Grabungen getrennt und separat nach England geschickt werden. Solle dies nicht möglich sein, so die Verantwortlichen, so wäre dem einfach Abhilfe zu schaffen: „the said inscriptions can be photographed or even cast.“61 Bedenkt man die Tatsache, dass die Talbotypie nicht in Hodders primären Aufgabenbereich fiel, erscheint ihre Erwähnung fast beliebig, ja, überraschend. Von Hodders Hand sind wiederum keine Fotografien bekannt. Die obige Erwähnung steht auch in diesem Fall allein auf weiter Flur, da sogleich wieder nur von Skizzen und Zeichnungen die Rede war: So betrachtete man es als überflüssig, Hodders Vertrag zu verlängern, da er bereits alles gezeichnet habe, was es angeblich wert sei, skizziert zu werden.62 Es war also, wie bei den aufzuzeichnenden Objekten, nur ihr Potential, welches die Fotografie mehr oder weniger erwähnenswert machte. Nie war sie jedoch unersetzliches Aufzeichnungsmittel. Sie war – im Gegenteil – ohne Weiteres durch Zeichnungen ersetzbar. Diese Haltung bestätigte sich abermals, als Hodder zu Beginn des Jahres 1854 wie bereits sein Vorgänger aufgrund gesundheitlicher Probleme abreiste und die Ausgräber erneut besorgt waren, ohne einen Künstler auskommen zu müssen. Es waren die Zeichnungen, auf die man keinesfalls verzichten wollte: „If we do not have some of these sculptures drawn at once they will be ruined by having been exposed to the dampness of the winter – How unfortunate we have been without our artists. This is quite the time when we ought to have one on the spot to draw every thing that comes out.“63 Zurück in London machte Rawlinson, der Konsul in Bagdad war und sich mehr und mehr zum Experten für Entzifferung entwickelte, den ambitionierten Vorschlag, ein Werkverzeichnis zu erstellen, welches sämtliche Funde samt Fundorte und ihrem genauen Inhalt auflistete. Er hielt Hodders Zeichnungen, Skizzen und Abschriften für besonders nützlich, um die zahlreichen kleinen Gegenstände in den Boxen durch seine Mitarbeiter identifizieren und entsprechend ordnen zu lassen.64 Diese Äußerungen bestätigen einmal mehr, wie wichtig Bilder sowohl auf den Ausgrabungsstätten als auch im Museum waren. Wie dies jedoch vonstattenging – sei es durch Zeichnungen, Abklatsche oder ein anderes Medium – war zweitrangig.65 Unkompliziert war indes kein Medium: In London fertigten die Mitarbeiter im Museum zuerst handschriftliche Duplikate der Inschriften an, bevor sie mithilfe diverser Druckverfahren wie Lithografie publiziert wurden.66 Bis in die 1870er Jahre gab es keine Technik, die es möglich gemacht hätte, Fotografien in gedruckten Publikationen zu reproduzieren, so dass man den Aufwand betreiben musste, die Fotografien wie einst Talbot in The Pencil of Nature in Bücher oder Zeitschriften zusätzlich einzulegen, einzukleben oder aber auf den Fotografien basierende Lithografien anzufertigen.67 Hodders Zeichnungen waren also unverzichtbar, obwohl die Bedeutung der dargestellten Objekte nach wie vor unklar blieb. Man wusste, dass man die Bilder

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benötigte, so wie man die Objekte, die sie darstellten, auch besitzen wollte. Doch worin genau ihr Wert bestand, lag weiter im Dunkeln.

2. OBJEKTE OHNE STATUS Um die Bildmedien zu verstehen, die bei den Grabungen und im Museum zum Einsatz beziehungsweise nicht zum Einsatz kamen, ist es unerlässlich, sich mit der Bedeutung der dargestellten Objekte auseinanderzusetzen. Als Layard sich 1851 als Grabungsleiter zurückzog und seine politische Karriere wieder weiterverfolgte, übernahm Rawlinson die Verantwortung für die britischen Ausgrabungen in Mesopotamien. Während Layard zwar ein erfahrener Ausgräber, jedoch des Lesens und Entzifferns von Keilschrift nicht mächtig war, war Rawlinson ein Pionier der Dekodierung, hatte aber wiederum keine Erfahrungen als Ausgräber. Bereits damals zeichnete sich die Spaltung des Studiums der Objekte in die Sparten Archäologie einerseits und die philologisch orientierte Assyriologie andererseits ab. Da sowohl Layard als auch Rawlinson Kenntnisse der jeweils anderen „Disziplin“ (sofern man sie zu Beginn so nennen konnte) fehlten, waren die Auswahl der Objekte und ihre bildliche Dokumentation eher eine Frage des Zufalls als ein geordnetes Prozedere. Für Layard zählte, was die Funde theoretisch bedeuten könnten. Die Natur dieses Potentials konnte jedoch nicht definiert werden, wobei zu vermuten ist, dass es vielfältig war: Gerade die hybride und polysemantische Natur der Skulpturen und Tontafeln machte sie zu Objekten besonderem Interesses. Rawlinson umging die Probleme, die seine mangelnden Kenntnisse bei den Grabungen mit sich brachten, indem er Rassam die Verantwortung für sie übertrug. Die offizielle Regelung sah vor, dass die Artefakte nach Qualität, Erhaltungszustand, Lesbarkeit, historischem und wissenschaftlichem Wert, Vielfalt und gemäß ihrer chronologischen Abfolge ausgewählt würden.68 Doch die Mehrzahl dieser Kriterien konnte mangels (philologischen) Wissens und logistischer Möglichkeiten nicht erfüllt werden. Die Herausforderung war nicht zu Ende, als die Objekte schließlich England er­ reichten. Im Grunde genommen wurde sie nur noch größer. Die Kuratoren standen nun vor der Aufgabe, die Objekte thematisch zu organisieren, zu klassifizieren und sie gegebenenfalls einzulagern. Schon der Transport stellte sie vor die Aufgabe, die Objekte zu tragen, angemessen zu verpacken und zu transportieren. Letzteres war ge­­rade bei kleineren und zerbrechlichen Gegenständen ein Problem, mangelte es doch an Wissen und Erfahrung, wie man damit umzugehen hatte. Man konnte nur mutmaßen.69 Schließlich musste im Museum ein angemessener Platz für die Artefakte gefunden werden, was die semantischen Schwierigkeiten, die die Objekte hervorriefen, wohl erst richtig zum Vorschein brachte.70 Sie wurden zunächst in den Ausstellungshallen des British Museums gezeigt, wobei die Kuratoren weder für ihre Präsentation

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noch auf ihre Lagerung vorbereitet waren. Zudem herrschten große Meinungsverschiedenheiten über die Klassifizierung der Objekte. Bohrer beschreibt treffend die ambivalente Natur der Objekte, die sich allen institutionellen Regeln des Museums widersetzen: „The privileged threshold of representation that was the British Museum actually served as site and sum of variety of practical and intellectual filters through which objects were displayed. Overall, the treatment of the Assyrian objects appear to have been the beneficiary (or victim) of several not completely compatible claims of importance, significant but not precisely compelling by the museum’s standards. The Assyrian objects were recommended as an antiquarian concern in addition to as a national prize. They were something between a proper object of study, a trophy, and a curiosity.“71 Die Ausstellung der Objekte wurde zu einem ernsthaften Problem, dessen Ursache nicht nur im Platzmangel, sondern auch im Fehlen eines kuratorischen Konzeptes zu suchen war. Die dominierenden Vorstellungen der Kuratoren waren kaum realisierbar, insbesondere, da ihnen Edward Hawkins’ „wissenschaftliche Prinzipien“ zugrunde gelegt werden sollten:72 Sollten die assyrischen Artefakte in der Nähe der ägyptischen Skulpturen stehen? „Verdienten“ sie einen Platz direkt neben den griechischen Skulpturen und Marmorreliefs? Oder müssten sie nicht genau dazwischen aufgestellt werden? Bohrer schloss daraus, dass die Funde im British Museum primär Kuriosita, wenn nicht sogar eine Last waren.73 Die Objekte waren nicht nur in dieser Hinsicht zunächst wertlos: Als Hawkins Prinz Albert durch das Museum führte, erklärte er, dass diese Objekte „ohne Preis“ seien: Weder seien sie käuflich, noch kostete ihr Erwerb die Briten etwas.74 Diese ökonomische Komponente hatte Einfluss auf ihre Wertschätzung im Museum. Layard konnte der handwerklichen Ausführung der assyrischen Monumente zwar etwas abgewinnen, betrachtete sie jedoch als ästhetisch minderwertige Vorläufer klassisch-antiker Kunst. Er sah in ihnen, wie auch in den Tontafeln, vor allem historisches Material, also Informationsquellen der Vergangenheit.75 Ähnlich dachte auch Rawlinson, weshalb seiner Ansicht nach die Inschriften durch ihren angeblichen wissenschaftlichen Wert bei Weitem bedeutender waren als die Skulpturen. Dies war wiederum für das Museumspublikum nicht ersichtlich, weshalb die Tafeln vorwiegend ins Depot wanderten, während die Skulpturen und Wandreliefs in die Ausstellungshallen gebracht wurden.76 Da Letztere jedoch auch nicht ohne Weiteres zu erschließen und einzuordnen waren, äußerten die Trustees die Sorge, dass die assyrischen Skulpturen vor allem der Unterhaltung und nicht der Bildung dienen würden,77 was wiederum der Idealvorstellung eines Museums, welches auch der Wissenschaft dienen sollte, widersprach. Diese Sorge mag schließlich zur tatsächlichen

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Trennung in ein archäologisch ausgerichtetes und ein philologisch-textbasiertes Studium Assyriens geführt haben, wie es sich bereits durch die unbeabsichtigte Arbeitsteilung zwischen Layard und Rawlinson abgezeichnet hatte. Obwohl vermutet wurde, dass die Tontafeln von wissenschaftlichem Interesse sein würden, war auch ihr Status – wie derjenige der Skulpturen – ungeklärt, solange die Assyriologie noch in den Anfängen steckte. Talbots Notizbücher belegen, dass ihn vor allem die philologischen Aspekte der Artefakte, also das Dekodieren der Zeichen und Ziffern, weit mehr faszinierte als die Ausgrabungen oder gar der historische Gehalt der Texte. Er mag außerdem Layards Ansicht über die Hierarchisierung von Skulpturen geteilt haben, bei der assyrische Monumente im unteren Bereich der kunsthistorischen Skala angesiedelt waren. Trotz seines Interesses an Skulpturen als Motive für seine frühen fotografischen Experimente dürften ihm Skulpturen aus Mesopotamien als Fotomotiv weniger geeignet erschienen sein als klassische Skulpturen, da Erstere die Fotografie kaum nobilitierte. Wenngleich eine Quelle von 1848 bereits von einer „archäologischen Wissenschaft“78 sprach, so stand die Archäologie als Wissenschaft und akademische Disziplin um 1850 am Anfang. Bis dahin war Archäologie eine nicht experimentelle Feldforschung,79 auch wenn sich in anderen Wissenschaften bereits um 1840 Experimentierpraktiken durchsetzten. Bis sich diese an Universitäten und in Universtitätslaboren institutionalisierten, sollte jedoch noch einige Zeit vergehen. Grabungsmethoden waren wenig erprobt und durchliefen langwierige Entwicklungsprozesse. Die Archäologie selbst war somit Experimentierfeld. Um 1850 verselbstständigte sich die Archäologie aus dem Umfeld der antiquarians, die meist Amateure waren, und somit aus der Welt der Sammler, Künstler und Altertumswissenschaftler und übernahm Methoden sowie positivistische Konzepte, welche die Archäologie quasi als messbare Naturwissenschaft verstanden.80 Mit dem Versuch, den Status einer „ernstzunehmenden“ Wissenschaftsdisziplin zu erreichen, ging die Entwicklung einher, nicht länger Kuriosita und Raritäten zu sammeln. Für Altertumswissenschaftler waren bis dahin vor allem freistehende Artefakte von Interesse, doch nun überlagerte wissenschaftliche Neugier ästhetische Absichten. Die hierfür erforderlichen Methoden borgte sich die Archäologie von anderen, ihr verwandten Wissenschaften. Bereits im 18. Jahrhundert wurden methodische Vergleiche zwischen der Erforschung des Altertums und anderen Disziplinen gezogen, die ebenfalls mit Grabungen und visueller Dokumentation die Vergangenheit erforschten. So zog der Geologe Algernon Mantell (1790–1852) 1847 einen direkten Vergleich zwischen Geologie und Altertumswissenschaft: Bei dem Versuch, die Spuren der Natur in der Erdgeschichte zu interpretieren, sei der Geologe oft in der Situation des Altertumswissenschaftlers, der sich bemühe, eine alte Handschrift zu entziffern, deren Originaltext unleserlich ist, da sie teilweise durch neue Überschreibungen getilgt wurde.81 Auch visuelle Methoden fanden Vorläufer: Der Altertumsforscher William

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Stukeley (1687–1765) stellten einen Bezug zwischen der Erforschung des Altertums und anderen Wissenschaften her, in dem er feststellte, dass das Studium des Altertums so wie jedes andere akademische Fach auch ohne das Zeichnen unergiebig und beschränkt sei.82 Eine in ihrem ganzen Wesen typische, der Feldforschung verhaftete Wissenschaft war die Geologie. Sie entwickelte sich in dieser Zeit zu einer führenden Wissenschaft, welche sich Methoden erarbeitet hatte, die der Archäologie nutzten und sich langsam in der Grabungstechnik durchsetzte. Dazu gehörte zum einen die Stratigrafie, zum anderen der Gebrauch von Bildern, insbesondere von Karten, Diagrammen und Querschnitten, der in der Geologie stetig zunahm.83 Eine Verbesserung der Technik und sinkende Reproduktionskosten bei Lithografie, Stahl- und Holzstichen waren wichtige Faktoren für die Verbreitung von Bildmaterial. Wie die Archäologen waren auch Geologen gewöhnlich Teil einer sozialen Klasse, bei der das Zeichnen zur Ausbildung gehörte. Darwins Origins of Species (1859) spielte dabei eine große Rolle, da das Buch Naturwissenschaft und Archäologie gleichermaßen beeinflusste.84 Martin Rudwick betonte die Qualität des zu dieser Zeit expandierenden Bildmaterials, welchem zunehmend ein singulärer Status losgelöst vom Text zugewiesen wurde. Bilder waren nicht bloße Ergänzung des Textes, sondern wesentlicher Teil einer Argumentation, die verbale und visuelle Elemente gleichwertig mit einschloss.85 Sowohl bei der geologischen als auch bei der archäologischen Bilddokumentation wurden zunächst topografische Aspekte oft zugunsten von romantisierenden und atmosphärischen Effekten zurückgedrängt.86 Sich tradierende Konventionen und implizites Wissen waren notwendig, um derartige Bilder als wissensgenerierende Quellen zu verstehen. Insbesondere bei Kartendarstellungen setzte sich nach und nach eine ikonografische Beständigkeit durch. Derartige Visualisierungsstandards gingen mit der Professionalisierung von Disziplinen einher. Weitere Parallelen zwischen Archäologie und Geologie und anderen Lebenswissenschaften betrafen nicht nur Bildgebungsverfahren. Nicht nur bei archäologischen Ausgrabungen waren Forscher mit Schwierigkeiten konfrontiert, die die Auswahl und Definition von Fundstücken auf dem Feld betrafen. Stan Rachootin untersuchte Darwins Theorie zur Transmutation der Arten insbesondere am Beispiel des Knochenfundes einer ausgestorbenen Vierfüßlerart aus Patagonien, den Darwin in seinem Notizbuch RN (1837) beschrieben hatte und der danach von dem Anatomen Richard Owen (1804–1892) als Fossil Macrauchenia definiert wurde. Darwin hatte die Fossilien zwar gefunden, mangels anatomischen Wissens jedoch nicht die Schlussfolgerungen ziehen können, die sich Owen wenige Jahre später am British Museum erarbeitete. Darwin selbst gestand ein, dass er zur Zeit der Ausgrabung nicht wusste, welcher Art die Gebeine zuzuordnen waren.87 Owen verglich die Funde im British Museum in London mit anderen Spezies, was dort leichter zu bewerkstelligen war als

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auf der Expedition.88 Darwin hatte die Überreste auf eine völlig andere Art und Weise betrachte: Er suchte nach Spuren, die Aufschluss über ihre ursprüngliche Umgebung gaben, und studierte insbesondere die Taphonomie. Rachootin erklärt weiter: „Darwin reads the bones as a naturalist, in a synthetic and completely original way. Owen’s eyes are those of an anatomist – basically an analytical approach to form, but informed by developmental, functional, and systematic questions as well. What one sees clearly, the other may barely perceive at all. Owen writes of teeth and foot-bones as if there is only a theoretical reason for studying them.“89 Owen war, in anderen Worten, theoriebeflissener Spezialist und Analytiker, während Darwin das Material beschaffte. Darwin, der gängige Techniken des Feldforschers nutzte, wusste folglich ohne Owens parallele Expertise nicht, wonach er suchen sollte.90 Darwin war darauf angewiesen, zu sehen, was die Natur zur Verfügung stellt. Sein Blick war dynamisch und unterschied sich von Owens komplexem, abstraktem und statischem Blick auf die Funde: „A pile of dead bones becomes the result of an instinctual behaviour, and the prelude to the torrent that produces a fossil bed. For Darwin, the shared and unique similarity in the course of the vertebral artery is a token of common descent. It is not necessary that Darwin understand the fine points of arterial routing; what is crucial is that the peculiarity is unique to these creatures. […] This seems a perfectly fine way to get a theory of descent off the ground.“91 Hier zeigt sich ein ähnlich klassischer Fall von Arbeitsteilung, wie er auch bei Layard und Rawlinson zu beobachten war. Da Darwin das anatomische Wissen fehlte, konnte er nicht erkennen, welche Funde einen Beitrag zu den sich in England befindenden Sammlungen leisten würden. Darwin profitierte von Owens Arbeit, im Zuge derer dieser die Funde in einem von ihm mitbestimmten geologischen, geografischen und ökologischen Kontext einbettete und dadurch einen Dialog schuf. Doch Darwins Feldarbeit ermöglichte erst Owens logische und theoretische Analysen, Klassifikationsversuche und Vergleiche. Darwins auf der Expedition verrichtete Arbeit war damit eine „unvorhersehbare Wissenschaft“92, so wie Layards und Rassams Ausgrabungen „unvorhersehbare Archäologie“ waren. Layard und Rassam standen wie Darwin und Owen am Anfang einer Disziplin und trugen maßgeblich zu deren Bildung bei, selbst wenn ihre Arbeit nicht für die Methoden und Praktiken stehen, die sich letztlich durchsetzen sollten. In beiden Fällen spielte das British Museum eine wesentliche Rolle, um den ankommenden Objekten Sinn zu verleihen. Wenngleich man zunächst auf Expeditionen bekannte Aufzeichnungstechniken wie das Zeichnen bevorzugte, änderte auch die archäologische Fotografie den metho-

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dischen Fokus der Ausgrabungen von einer beobachtenden zu einer museologisch ausgerichteten Wissenschaft, da mit ihr Objekte transportabel, dokumentierbar und analysierbar wurden.93 Ausgehend von der These, dass die Ablösung des antiken Artefaktes von seinem Funktions- und Grabungszusammenhang die Voraussetzung für seine museale Einbindung bildet, wäre zu fragen, ob durch die Einführung der Fotografie das Feld als Autoritätshochheit in der Forschung durch das Museum ablöst wurde oder ob die Fotografie ein noch komplexeres Zusammenspiel zwischen Ausgrabung, Museum und Experiment verursachte, im Laufe dessen sich nicht nur der Status der Ausgrabungen, sondern auch der der Fundstücke änderte.

3. „DRAWINGS OR PHOTOGRAPHS“ Die Fotografie betrat also die Bühne, als nicht nur in der Altertumswissenschaft Unklarheit darüber herrschte, wie man den im British Museum ankommenden Objekten Sinn verleihen könnte. Ob Fotos jemals überhaupt eine Rolle spielen würden, war daher nicht absehbar. Festzuhalten ist, dass sich Talbots Gesuch nicht in Form von Fotografien manifestierte, auch wenn von der Fotografie hin und wieder die Rede war.94 Die wenigen erhaltenen Fotografien – es gibt davon nicht mehr als eine Handvoll –, die in den Archiven des British Museums aus den frühen 1850er Jahren überlebt haben, sind nicht nur bis zur Unkenntlichkeit verblichen, sondern stammen vermutlich auch nicht von britischen Expeditionen (Abb. 51–53).95 Doch zunächst zurück zum Frühjahr 1854, als Hodder die Ausgrabungen verlassen hatte. Von Hodders Nachfolger, der wie gewohnt recht schnell ausgesandt wurde, verlangte das Museum explizit, dass er sowohl zeichnerisches als auch fotografisches Talent mitbrachte. Interessant war in diesem Zusammenhang die Wortwahl. So suchte das British Museum nach einem „draftsman and photographist“.96 Der Fehler in der Terminologie (photographist statt photographer) zeigt, dass eigentlich keiner so recht wusste, wovon man eigentlich sprach. Das Museum stellte William Boutcher (1814–1900) ein – als Zeichner.97 Man riet ihm, vorzugsweise Zeichnungen von vielen Objekten statt Duplikate einer kleinen Anzahl von Objekten anzufertigen, da diese auch später in England in Auftrag gegeben werden könnten (Abb. 54–55).98 In Boutchers Arbeitsauftrag wurden Fotografien ausdrücklich neben Zeichnungen erwähnt. Bemerkenswert ist jedoch, wie dies geschah: Laut Vertrag sollte Boutcher „Zeichnungen oder Fotografien“ („drawings or photographs“)99 anfertigen, um diese dann nach London weiterzuleiten. Die Konjunktion „oder“ macht erstens deutlich, dass die Art und Weise, wie die Bilder entstanden, irrelevant war, und zweitens, dass Zeichnungen auch mehr als zehn Jahre nach Talbots Experiment am Museum als ausreichend erachtet wurden, um Objekte mobil und im Museum verfügbar zu machen, selbst wenn sich die Artefakte noch nicht in London befanden.100

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Die Formulierung „Zeichnungen oder Fotografien“ ist kein Einzelfall. Immer wieder wird durch die Erwähnung beider Medien in einem Atemzug deutlich, dass nicht das Medium, sondern die Tatsache, dass überhaupt Bilder gemacht wurden, im Zentrum des Interesses stand.101 Dies wird an einem weiteren Vorfall deutlich: Als am British Museum sowohl Geld als auch Platz knapp wurden, erreichte die Überforderung mit den neu ankommenden Objekte ein neues Ausmaß. Die Kuratoren und Trus-

51: William Boutcher oder Gabriel Tranchand, Skulpturen aus dem Nordpalast Assurbanipals in Ninive, o. D., wahrscheinlich Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), The British Museum. 52: William Boutcher oder Gabriel Tranchand, Skulpturen aus dem Nordpalast Assurbanipals in Ninive, o. D., wahrscheinlich Salz­ papierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), The British Museum. 53: William Boutcher oder Gabriel Tranchand, Skulpturen aus dem Nordpalast Assurbanipals in Ninive, o. D., wahrscheinlich Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), The British Museum.

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tees sahen sich gezwungen, den Import neuer Artefakte von nun an zu beschränken und bei ihren Entscheidungen den Grabungskollegen zu vertrauen. Diese wurden instruiert, nur noch Objekten zu sammeln, die entweder in ihrer Ausführung überragend, von einzigartiger historischer Bedeutung oder besonders erhellende Paradebeispiele einer spezifischen Epoche waren. Duplikate und „Unwichtiges“ sollten besser gleich an Ort und Stelle zurückgelassen werden. Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen der Schwierigkeit, die dieser Auswahlprozess implizierte, verlangte das Museum Bilder. Erneut war wieder die Rede von „Zeichnungen oder Fotografien“102, die somit als Ersatz für Originale dienten. Boutchers potentielle Skizzen, Zeichnungen,

54: William Boutcher, Assyrische Wandmalereien und glasierte Ziegel aus Nimrud, ca. 1850, Aquarell, The British Museum. 55: William Boutcher, Warka, ca. 1850, Aquarell, The British Museum.

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Fotografien und Abschriften von Inschriften wurden somit in diesem Zusammenhang wieder alle in einem Satz erwähnt, ohne dass die Fotografie einen besondern Status eingenommen hätte. Boutcher selbst war der Meinung, dass man die Möglichkeit zu fotografieren nicht ungenutzt verstreichen lassen sollte, hatte er doch Probleme, einen einheitlichen Maßstab für seine Zeichnungen zu finden, und glaubte in der Fotografie, die Vergrößerungen und Verkleinerungen zuließ, eine adäquate Lö­ sung gefunden zu haben.103 Boutchers zwischen Dokumentation und Orientalismus changierenden Zeichnungen sind wie die Arbeiten seiner Vorgänger bekannt, aber hatte er auch eine fotografische Kamera genutzt? Die oben bereits erwähnten ver-

56: Schlachtzug Assurbanipal in ��������������������������������������������������� Ägypten, Nordpalast, Detail������������������������ , Stich nach einer Fotografie (wahrscheinlich Salzpapierabzug von Papiernegativ [Kalotypie]) von William Boutcher oder Gabriel Tranchand, publiziert als Assyrian Sculptures, Siege of a City — From the Palace of Asshur-bani-pal, Illustrated London News, 16. 8. 1856, 178 und als Assyrian Procession (the Slab Lost in the Tigris), Illustrated London News, 15. 11. 1856, 502

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blassten Fotografien im British Museum (Abb. 51–53) wurden eine Zeitlang für Ergebnisse von Boutchers Arbeit von 1854 aus Ninive gehalten. Der Grund hierfür ist einleuchtend, existieren doch zwei Stiche (Abb. 56), die Boutchers Signatur zeigen und allem Anschein nach auf Grundlage der beiden verblichenen fotografischen Abzüge angefertigt wurden (Abb. 53). Die Grafiken zeigen zwei gebrochene Tafeln mit einer assyrischen Prozessionsdarstellung, die während des Transportes teilweise abhanden ge­kommen sind.104 Der obere Stich zeigt die gemeißelten Tafeln vor einer dunklen Lehmsteinmauer neben dem Schatten einer weiteren, daneben liegenden Tafel. Der untere Stich ergänzt Teile des oberen Tafelabschnitts. Beide Grafiken zeigen Boutchers Signatur in der unteren linken Ecke des Stiches, als wenn sie auf die Steintafel selbst eingeschrieben sei. Es ist nicht klar, ob die Signatur sich auf den Stich oder die Fotografie bezog, die hier als Vorbild diente, aber es ist zu bezweifeln, ob dies tatsächlich von Belang war, da der weit präziser ausgeführte Stich ohnehin als Endprodukt gedacht war. Ob dieser durch die Manipulation der fotografischen Vorlage an Glaubwürdigkeit einbußen musste, da es sich schlicht und ergreifend um eine neues Bild handelte, schien nicht von primärem Belang zu sein. Angeblich dienten auch einige von Boutchers Zeichnungen als Quelle für Stiche, wobei die Stiche stets Details ergänzten und andere tilgten.105 Ganz egal, mit welchem Medium also das Originalbild hergestellt wurde: Fest stand, dass es zu kurz griff, um das zu darzustellen, was in einem bestimmten Kontext gezeigt werden sollte. Die Fotografie half hier jedenfalls kaum weiter. Ob die erwähnten Fotografien wirklich von Boutcher stammen, ist zu bezweifeln. Seine Kamera schien für das Klima ungeeignet, weshalb er einen neuen Apparat aus Paris angefordert hatte, der auf einen Wachspapierprozess spezialisiert war.106 Nach seiner Rückkehr nach London erwähnte Boutcher jedoch entschuldigend in einem Brief an Rawlinson, dass der neue Apparat ihn erst erreicht habe, nachdem er Ninive bereits verlassen hatte und auf dem Rückweg in Alexandretta war. Es ist daher mehr als fragwürdig, ob Boutcher derjenige war, der die einzigen und nunmehr völlig verblichenen Fotografien gemacht haben soll, die im Archiv des British Museums aus der Frühzeit der Fotografie überlebt haben. Die Spur führt viel eher nach Frankreich. Als Layard seine ersten umfangreicheren Grabungen in Nimrud und auf dem Kuyunjik-Hügel in Ninive durchführte, tat dies ebenso der französische Arzt, Politiker und Botaniker Paul-Émile Botta. Seine Reisen führten ihn nicht nur nach Ninive, sondern auch in das nahegelegene Khorsabad. Auch in Frankreich wurden Kameras nicht sofort nach Bekanntwerden des neuen Mediums auf Expeditionen eingesetzt, obwohl man von ihnen wusste. Auch hier wurde 1843 der Künstler Eugène Flandin (1809–1889) von der Académie des Inscrip­ tion et Belles-Lettres angestellt und auch hier waren Zeichnungen das gängige Mittel zur Visualisierung der Ausgrabungsstätten.107 Fladins elaborierte Zeichnungen waren überzeugend und deckten sowohl allgemeine Ansichten von den Reliefs in situ als

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auch Details ausgewählter Skulpturen ab (Abb. 57). Beim Vergleich mit seinen ersten schematischen Darstellungen der Funde riefen die französischen Zeichnungen bei Layard Neid hervor.108 Auch Botta hatte in den frühen 1840er Jahren von der Fotografie gehört, sie aber wie Lepsius und Fellows als nicht praktikabel befunden. In seinem Fall war es der Prozess des Franzosen Daguerre, die Daguerreotypie, welchen er unter

57 : Eugène Flandin, Ansicht von Persepolis, 1840, Kreidezeichnung, Fassade n (N) und Aufriss der Nordostseite, 1844, Bleistift- und Aquarellzeichnung, Institut de France.

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anderem deshalb für ungeeignet hielt, da das Material in der Nähe der Ausgrabungen des Palastes nicht zu beschaffen war: „le daguerréotype lui sera bien inutile, rien n’est dessinable de cette manière parce que les passages sont si étroits que nulle part on ne peut le mettre au point de vue, c’est comme si on voulait daguerréotyper dans des égouts dont les murailles seraient sculptées.“109 Bottas Nachfolger Victor Place (1818–1875) zeigte sich hingegen beindruckt von „des vues qui offrent avant tout aux savants la garantie d’une exactitude mathématique“ und pries die Fotografie als „indispensable dans la découverte archéologique.“110 Auch in Frankreich herrschte Unklarheit über die fotografische Terminologie, die in der Presse diskutiert wurde: „Nous n’avons pas choisi le mot photographie […] il signifie en France, en Allemange et en Belgique, Daguerréotype sur papier.“111 Trotz des Umstandes, dass man die Schärfe der Daguerrotypie derjenigen der Kalotypie, also der „Daguerreotypie auf Papier“, als überlegen betrachtete, wurde Letztere nach 1850 bevorzugtes Medium, da sie reproduzierbar war. Ab 1853 wurde die Kalotypie schließlich vom Kollodiumverfahren abgelöst.112 Auch für Place war die Fotografie primär eine andere Art des Zeichen, doch eine mit außergewöhnlicher Überzeugungskraft: „Mon but extant principalement de fournir à la science des données positives, en écartant soigneusement tout ce qui ne serait qu’hypothétique il était essentiel que les plans et les descriptions fussent accompagnés de dessins qui comportassent non seulement une grande certitude mais la preuve même de cette certitude, et rien n’atteignait mieux ce résultat que des vues daguerriennes.“113 Der Ingenieur Gabriel Tranchand wurde schließlich zu Place’ fotografischem Alter Ego ernannt, der, wie Cooper Teil des Teams, aber gleichzeitig distanzierter Beobachter war.114 Tranchand stand, was die fotografische Ausrüstung betraf, vor ähnlichen Herausforderungen wie zuvor die britischen „Fotografen“, sofern man diese als solche bezeichnen konnte. Wie die Briten hatten auch die Franzosen nicht nur hinsichtlich des Einsatzes der Fotografie, sondern auch bei den Ausgrabungen und beim Transport ständig logistische Schwierigkeiten. Auch Krankheiten waren ein dauerhaftes Problem. Das gesamte Unterfangen war also mit ständig auftretenden unvorhersehbaren Problemen und daraus resultierendem Chaos durchwachsen.115 Die Fotografie sollte in diesem Kontext eine unterstützende Rolle einnehmen. Für Place war Tranchand weit mehr als ein Fotograf: Seine Gegenwart sollte auf den Ausgrabungsstätten Ordnung schaffen, indem er dem Chaos den Fortschritt (unter anderem der Archäologie) entgegensetzte und fotografisch die vorankommenden Ausgrabungen dokumentierte (Abb. 58–61). Er garantierte genau die Genauigkeit, die sich Place wünschte, war dieser doch in dem Glauben, die Fotografie würde keine Details weglassen und alles aufzeichnen. Diese Art von blindem Glauben an die Exakt-

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heit und Wahrhaftigkeit fotografischer Abbildungen war von den Briten in dieser Form nie formuliert worden: „la vue a peu de relief, mais j’ai préféré celà à un dessin, afin que l’Académie fut parfaitement certaine que rien n’avait été ajouté ni retranché. […] Je tiens absolument à ce que toutes les vues que vous decevrez, aient ce degré d’exactitude que la photographie seule peut donner.“116 Place’ Faszination der „exactitude mathématique“, wie er sie genauer beschrieb,117 bezog sich jedoch auch auf die Proportionen der Ausgrabungen und die Tatsache, dass die Funde durch eine fotografische Kamera maßstabgetreu dokumentiert wurden, weniger jedoch auf die fotografische Genauigkeit selbst.118 Tatsächlich dürften die verblichenen fotografischen Vorlagen der Stiche, die oben erwähnt wurden (Abb. 51–53), es kaum vermocht haben, (sich) auf die Partien von Interesse – im doppelten Sinne – zu fokussieren. Mangelnde Schärfe traf freilich auch auf einige von Tranchands Bildern zu. Place’ Rede von der Genauigkeit der Fotografie zielte außerdem vor allem auf das Publikum ab, nicht auf die Archäologie. Dies zeigt die Mehrzahl der Fotografien, die auf der Ausgrabungsstätte gemacht wurden (Abb. 60–63): Die „exactitude mathématique“ wird durch ein perfektes Arrangement der imperialen Bildsujets widerlegt, welches wie alles andere als eine neutrale Dokumentation der Geschehnisse wirkt, sondern die Ausgräber visuell in Szene setzt (Abb. 61). Wie die von Layard publizierten Zeichnungen machen auch Place’ Fotografien sichtbar, dass die Dokumentation der Arbeit in Mesopotamien vor allem die breite Öffentlichkeit zu Hause erreichen musste. Die Bilder sollten den Eindruck vermitteln, dass das Ausgrabungsteam eine genaue Vorstellung von dem hatte, was es tat. Fortschritt war der Inhalt der Bilder. Place wählte einige Fotografien als Vorbilder für Lithografien, die in seinem Buch Nineveh el l’Assyrie (1867–1870)119 publiziert wurden, wie es auch Layard mit Coopers Zeichnungen gemacht hatte. Wie Bohrer jüngst feststellte, wurden viele der Fotografien in den Stichen wesentlich verändert wiedergegeben. Dennoch behauptete Place, dass sie exakt den Zustand dokumentierten, in dem die Objekte gefunden wurden.120 Tranchands Bilder gingen damit, laut Bohrer, weit über eine mimetische Originaltreue oder eine unmittelbare Transkription hinaus.121 Es war die Frage nach nationalem Besitz, die bei dieser ersten öffentlichen fotografischen Präsentation der Funde auf dem Spiel stand. Was zählte, war weniger die Fotografie als solche (mit all ihren Unzulänglichkeiten), sondern vielmehr die Art, wie Tranchands Fotografien präsentiert, arrangiert und konstruiert und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Auch in Frankreich führten, wie in Großbritannien, finanzielle Probleme Mitte der 1850er Jahre zu einem vorläufigen Ende fotografischer Aktivitäten.122 Selbst wenn es die präzisen Zeichnungen von Place’ Expedition waren, welche als Grundlage für künftige Rekonstruktionen assyrischer Architektur dienten,123 so lässt sich behaupten, dass es sich bei Tranchands Fotografien um die ersten Bildexperimente handelte, die ansatzweise ausloteten, wie „archäologische Fotografie“ überhaupt aussehen könn-

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58 : Gabriel Tranchand, Ornamentiertes ���������������������������������������������� drittes Tor, südöstliche ������������������ Stadtmauer, mit freigelegten Stiere��������������������������������������������� n, 1852�������������������������������������� –1854, Salzpapierabzug ������������������������������� von Papiernegativ (Kalotypie), ­Collège de France. 59: Gabriel Tranchand, Khorsabad. Ornamentiertes drittes Tor, südöstliche Stadtmauer, komplett freigelegt, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Collège de France.

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60: Gabriel Tranchand, Khorsabad. ­Ornamentiertes drittes Tor, freigelegt, 1852– 1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Collège de France. 61: Gabriel Tranchand, Belegschaft von Khorsabad vor dem dritten Stadttor, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Collège de France.

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te. Die Fotografien sind in ihrer Vielfalt bemerkenswert (Abb. 60–63). Sie reichen von den bereits besprochenen inszenierten und gestellten Bildern, auf denen die gesamte Mannschaft vor den Palasttoren zu sehen waren – groteske Ikonen des Imperialismus, die Place stehend auf Ausgrabungsfunden zeigen –, über Landschaftsszenen, die an Malerei erinnern,124 Alltagsszenen, bis hin zu Nahaufnahmen von Einzelstücken, die den Bildern ähnelten, die Roger Fenton fast zeitgleich im British Museum machte.

62: Gabriel Tranchand, Jagdszene, gefunden in der Zab, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Collège de France.

Nachdem La Mission héliographique 1851 als erster von der Regierung in Auftrag gegebener Versuch, systematisch Denkmäler fotografisch zu erfassen, zu einem Meilenstein in der französischen Fotodokumentation wurde,125 machten sich im weiteren Verlauf der 1850er Jahre immer wieder französische Fotografen wie Louis Désiré Blanquart-Evrard (1802-1872) und Maxime du Camp (1822-1894) auf, um vor allem in Ägypten, Palästina und Syrien Monumente zu fotografieren. Es war Talbots Kalotypie und nicht Daguerres Verfahren, welche hier zunächst zum Einsatz kam. Place’ fotografischer Coup muss daher im Zusammenhang einer regelrechten Fotomanie bei der Bilddokumentation von Monumenten in Frankreich mithilfe der Kalotypie gesehen werden, die es zu dieser Zeit so weder in Großbritannien noch andernorts gegeben hatte. All dies würde eine Vermutung stützen, die Julian Reade bereits vor einigen Jahren äußerte. Diesem Verdacht zufolge waren die nunmehr verblassten Fotografien der Wandtafeln im Nordpalast, die von den Briten in Ninive ausgegraben worden waren, dem British Museum von Tranchand vermacht worden, als er Place 1854 nach Ninive begleitete.126 Tatsächlich würde es sich jedoch um einen Bildertausch handeln.

3. „DRAWINGS OR PHOTOGRAPHS“

Denn ein Brief von Boutcher an das British Museum erwähnt seine Zeichnungen von im Tigris versunkenen Relieffragmenten, welche er dem Louvre wiederum als Ersatz für die originalen Objekte anbot, die die Franzosen ausgegraben hatten:127 „Your imperial majesty will doubtless have heard of the regretted loss on the Tigris of the fine collection of sculptures and other articles despatched by the Consul of France from Assyria. A few of the sculptures were photographed by the French artist. Of the remainders (about 70 cases) no records remain but the drawings I made in Assyria whilst attached as artist to the British Museum and the Assyian Excavation Society. Since I heard of this loss I have thought that, probably, your Imperial Majesty might desire to possess copies of the sculptures. If so, your Imperial Majesty may command my services.“128 So sehr die Fotografien in dieser Angelegenheit geholfen haben mochten, so waren es am Ende Boutchers Zeichnungen, die beim Pariser Direktor auf großes Interesse stießen.129 Nichtsdestotrotz war es Frankreich, das über einen Umweg über Mesopota-

63: Gabriel Tranchand, ohne Titel, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Collège de France.

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mien Talbots Erfindung, missachtet im eigenen Land, dazu half, in England Fuß zu fassen. Schon bald, nachdem in Frankreich die Daguerreotypie erfunden worden war, hatte Arago anvisiert, dass insbesondere Kunstwerke mithilfe dieses neuen Mediums dokumentiert werden sollten. Während dieser sich weiterhin für die Daguerreotypie aussprach und wenig Interesse an Talbots Prozess zeigte,130 setzte sich der Wissenschaftler Biot für Talbot ein wie kaum jemand in England, indem er Talbots Briefe vor der Académie des Sciences vortrug und seine Arbeiten den dortigen Kollegen vorstellte. Talbots reproduzierbares fotografisches Verfahren schien für Biot der Schlüssel seiner Interessen zu sein, fand er die Abzüge doch ebenso gut lesbar wie einen gedruckten Text.131 Außerdem war Biot von Talbots Idee fasziniert, die Fotografie als eine Form des unsichtbaren Schreibens zu verstehen, welche nur mithilfe des Sonnenlichtes zu verstehen sei.132 Aber vor allem teilten beide die Auffassung, dass die Fotografie der Wissenschaft dienen könnte. Bedenkt man, dass die Franzosen von der Kalotypie, insbesondere der antiker Monumente, nach Tranchands ersten Versuchen förmlich besessen waren, könnte man behaupten, dass die Reise von Talbots Erfindung nach Mesopotamien und Frankreich unabdingbar für ihre weitere, wenn auch kurze Lebensdauer in Großbritannien war.133

RÉSUMÉ Die Geschichte der archäologischen Fotografie widerspricht der verbreiteten Annahme, neue wissenschaftliche Instrumente und Medien würden mit einem klar definierten Ziel in Bezug auf ihre Verwendung eingeführt und fänden direkt nach ihrer Erfindung sofort weite Verbreitung. Der Mangel an sauberem Wasser, verlorene Kameras, gestohlene Bilder sowie erschöpfte und (heimweh)kranke Künstler waren praktische Hindernisse. Wenn mithilfe einer Zeichnung gestellte Aufgaben und Ziele bewerkstelligt werden konnten, so waren die Einstellung eines Fotografen und die Komplikationen – kostspielige, in der Hitze kaum zu kontrollierende Chemikalien und die schwere Ausrüstung – der Mühe kaum wert. Die Korrespondenz zwischen dem British Museum und der Ausgrabungsstätte macht deutlich, wie sehr es den Trustees daran gelegen war, dass die Expeditionen stets von Künstlern begleitet würden; zugleich zeigt sie aber auch, dass sie Entscheidungen hinsichtlich der Frage, mit welchem Medium das Bildmaterial zustande kam, mit Gleichgültigkeit begegneten. Niemand beharrte auf den Einsatz der Fotografie, die man in England mit keinem spezifischen epistemischen Wert in Verbindung brachte. Zeichnung und Fotografie waren, um 1850 komplementäre Instrumentarien der wissenschaftlichen Bildgebung, wobei man sie kaum als gleichberechtigt bezeichnen konnte. Obwohl die Ausgräber nicht wussten, wonach sie suchten, vermitteln ihre Bilder und Berichte retrospektiv den Eindruck einer rationalen und strukturierten Vor-

3. „DRAWINGS OR PHOTOGRAPHS“

gehensweise. In Layards Nineveh and its Remains schürten zahlreiche Zeitungsartikel das Interesse und formten – anders als etwa ein naturwissenschaftliches Experiment, in dem Versuchsanordnung und die erwarteten Ergebnisse vorher festgelegt werden – Kriterien, nachdem die Unternehmung stattgefunden hatte. Chaos und Unsicherheit während der Arbeiten wurden aus den nachträglich erstellten Aufzeichnungen verdrängt. In diesem Kontext trug die Fotografie nicht zu Stabilität und Problembehebung bei, sondern erschien vielmehr wie ein zusätzliches Problem. Die spätere Akzeptanz der Fotografie in der Archäologie und anderen Wissenschaften scheint genau dem klassischen Pfad zu folgen, den technische Instrumentarien vom Zeitpunkt ihrer Erfindung bis zu einem akzeptierten, normalen Gebrauch gehen müssen. Ihre Praktikabilität wurde jedoch, wie das nächste Kapitel zeigen wird, zunächst im Museum und nicht auf dem Feld experimentell getestet. Als die Objekte in London in eine neue Ordnung eintraten, war auch hier die Geschichte noch nicht zu Ende. Thomsens und Worsaaes Berichte reflektieren nicht nur Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Entscheidungsträgern, sondern auch Konservatismus und Stolz. Sollten die Funde symbolisch aus ihrem „primitiven Ursprung“ herausgelöst einen organisierten und „disziplinierten“ Raum betreten,134 so war dieses Vorhaben, insbesondere was die Organisation der Keilschrifttafelsammlung betraf, keinswegs umsetzbar. Der Historiker Krzysztof Pomian hatte propagiert, dass Objekte, die in ein ­Museum kommen, ein zweites Leben beginnen: Sie werden zu „Semiophoren“ (Zeichenträgern) und haben damit gleichsam zwei Gesichter, die zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren der Welt, aus der sie stammen, vermitteln.135 Der Zustand, in dem sich das British Museum zwischen 1850 und 1870 befand, macht deutlich, dass die Objekte auch nach ihrer Ankunft keinen festen Platz im Ausstellungssystem besaßen, weder physisch noch semantisch.136 Doch nicht nur die Herkunft der Objekte ließ viele Interpretationenmöglichkeiten offen. Auch die strukturelle Beschaffenheit des Museums selbst, dessen Sammlung durch die Ausgrabungen, durch private und kommerzielle Sammler sowie durch Spenden am Leben gehalten wurde und das zusätzlich eine Neuorganisationen durchlief, hatte zur Folge, dass die Bedeutung der Objekte innerhalb des Raumes immer wieder neu verhandelt werden mussten. Schlussendlich war nur ein kleiner Teil der Funde in der Ausstellung zu sehen, so dass der Begriff „Sammlung“ für die Artefakte aus Mesopotamien in dem Sinne eigentlich gar nicht verwendet werden kann, sofern man unter einer Sammlung eine strukturierte, zielgerichtete und strategische Zusammenführung von Gegenständen nach einem bestimmten System versteht, dessen Eigenschaften klar nach einem Prinzip definiert sind. Das folgende Kapitel wird sich weiter mit der Unordnung, dem Chaos und den Momenten der Veränderung beschäftigen, mit denen die Kuratoren und Trustees zu tun hatten, nachdem die Tontafeln im Museum angekommen waren. Hier mussten sie

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katalogisiert, gelagert und erforscht werden. Sie unterlagen somit der Analyse und dem Vergleich.137 Da der Zugang zu Objekten weiterhin problematisch war, obwohl sie sich nun in London befanden, glaubte Talbot, die Fotografie könnte nun hier die Distanz überbrücken, wozu sie in den Ausgrabungsstätten nicht imstande gewesen war. Die Fotografie spielte eine weitere Rolle in dem Unterfangen, ihre Einführung war jedoch auch hier nie autark und selbstverständlich. Talbot, der in diesem Kapitel nur im Hintergrund agierte, erachtete es als lohnenswert, erneut den Versuch zu unternehmen, die Fotografie am Museum zu etablieren, erhoffte er sich doch durch sie den Zutritt zu den Keilschrifttafeln, die in immer höherer Zahl London erreichten.

TALBOT UND FENTON AM BRITISH MUSEUM

1. TALBOTS WAHRER PENCIL Am 19. Mai 1854 erhielt Edward Hawkins, leitender Kurator des Departments of Antiquities am Londoner British Museum, einen Brief mit den folgenden Zeilen: „As I take a great interest in the Assyrian inscriptions, and have made considerable progress in the study […] and as the Museum is now photographing a series of the clay tablets […] for distribution among persons engaged in the study of this branch of antiquarian research; I should be much gratified if you would give me a copy of the work at the time of its completion.“1 Der Verfasser des Briefes war Talbot. Sein Anliegen beruhte keineswegs auf der Tatsache, dass es sich um Fotografien – und somit um das Resultat seiner eigenen Erfindung – handelte. Vielmehr interessierte sich Talbot für das, was auf den Bildern zu sehen war. Nicht weniger als zehn Briefe folgten – manche von ihnen insistierend und gar verärgert –, in denen Talbot immer wieder die gleichen Fotografien verlangte. Die meisten dieser Briefe blieben unbeantwortet.2 Es sollte noch weitere neun Jahre dauern, bis Talbot schließlich ein Paket erhielt, in dem sich Fotografien in der Art von Abbildung 64 befanden. Im Gegensatz zu diesem ursprünglichen, vermutlich 1863 an Talbot gesandten Typus weisen die Abzüge, die sich heute im Talbot-Archiv befinden, entscheidende Unterschiede auf. Sie müssen also in Talbots Landsitz, Lacock Abbey in Wiltshire, einen Wandel durchlaufen haben. Das in Abbildung 65 gezeigte Beispiel ist eines von vielen derselben Art. Es handelt sich um die Fotografie einer dreieckigen, beschädigten Keilschrifttafel. Der Schriftträger befindet sich auf einem glatten Untergrund und lehnt im Hintergrund an einer ebenso glatten Wandfläche. Weiße Blöcke stützen die beschädigten Ecken auf der linken Seite. Dort sind Ziffern zu sehen – eine davon auf einem Stück Papier, möglicherweise um das Objekt durch das Fotografieren zu klassifizieren. Der Lichteinfall von links ist Bedingung für das Spiel von Licht und Schatten, das die Lesbarkeit der

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TALBOT UND FENTON AM BRITISH MUSEUM

64: Roger Fenton, Keilschrifttafel, 1854–1856, Salzpapierabzug, The British Library.

Keilschriftzeichen unterstützt, wobei die Schrift zu diesem Zeitpunkt noch von niemanden gelesen werden konnten, denn die Keilschrift wartete noch darauf, entziffert zu werden. Die Keilschriftzeichen konstituieren nicht die einzige Inschrift auf der Fotografie: Abbildung 65 weist zusätzliche Spuren von Bleistiftnotizen auf, die in Abbildung

1. TALBOTS WAHRER PENCIL

65: Roger Fenton, Keilschrifttafel, 1854–56, Salz­papierabzug, The British Library.

64 nirgends zu sehen sind. Doch wo genau befinden sich diese Aufzeichnungen – hinter der Keilschrifttafel auf einem Blatt oder gar auf der Fotografie? Auf den ersten Blick lässt sich die Topografie des Fotos nur schwer erschließen. Für den Betrachter wird außerdem nicht ersichtlich, ob es sich um ein lebensgroßes Objekt oder um ein Artefakt von der Größe einer Streichholzschachtel handelt.

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Die beiden Bilder sind Teil einer Fotoserie, welche die bis heute wichtigste Keilschrifttafelsammlung des British Museums, die Kuyunjik-Sammlung, dokumentiert, eine von Layard und seinen Nachfolgern in Ninive ausgegrabene einzigartige Sammlung von Schriftdokumenten. Bei der Fotoserie handelt es sich um die ersten Foto­ grafien, die überhaupt jemals am British Museum gemacht wurden.3 Bisher wurde meist davon ausgegangen, dass die Bilder von Talbot stammen, unter anderem weil sie sich in Lacock Abbey befanden, Talbots Landsitz. Tatsächlich handelt es sich aber um die Ergebnisse eines fotografischen Experimentes des britischen Fotografen Roger Fenton, der von 1853 bis 1858 am British Museum angestellt war.4 Zieht man Talbots Notizbücher zu Rate, so hatte Talbot um 1850 fast vollständig aufgehört aktiv zu fotografieren und sich längst anderen Gebieten zugewandt, vor allem der Assyriologie. Sein Ziel war zu diesem Zeitpunkt die Implementierung des Mediums in jenen wissenschaftlichen Bereichen, für die er selbst eine Leidenschaft entwickelt hatte. Dazu gehörte die Entzifferung der bis dato unentzifferten Keilschrift. Zwar hatte er, wie die beiden vorigen Kapitel zeigten, Wissenschaftlern seines Umfelds bereits wenige Jahre nach der offiziellen Bekanntmachung seiner Errungenschaften den Vorschlag unterbreitet, das Medium wissenschaftlich nutzbar zu machen. Doch sollte es noch weitere zehn Jahre dauern, bis diese Idee konkret aufgriffen und umgesetzt wurde. Und auch dann handelte es sich nicht um eine längerfristige oder nachhaltige Entscheidung. Es wird zu zeigen sein, dass Fentons Bilder für einen Umbruch in der Fotogra­ fiegeschichte stehen, in dem Talbot eine besondere Rolle einnehmen wird. Diese ­Veränderung betrifft den Wandel von der wissenschaftlich-experimentellen Entwicklung der Fotografie hin zur Möglichkeit ihrer praktischen Anwendung in den Wissenschaften. Oder, wie Kelley Wilder es formulierte, die Bilder sind das Ergebnis einer Entwicklung von „photographic science“ bis hin zu „scientific photography“, wobei Fentons Fotografien dieser letzten Kategorie zuzuordnen sind: „Scientific photography is the use of photography to represent scientific phenomena, and photographic science is the investigation of any part of the photographic emulsion in the attempt to find out just what is happening when a photograph is made (after exposure, development or fixing).“5 Zehn ���������������������������������������������������� Jahre zuvor, um 1840, definierte sich die Fotografie vor allem als photographic science. Bei ihr ging es, wie Peter Geimer dies ausdrückte, um die „Demonstration ihrer bloßen Durchführbarkeit“.6 Die Geschichte des Einsatzes der Fotografie am British Museum war nicht nur von Anfang an komplex, weshalb sie mehrere experimentelle Probeläufe durchlaufen musste, bevor man entschied, ob man sie für die Arbeit am Museum für geeignet hielt. Sie wurde auch nach wenigen Jahren aufgrund administrativer und finanzieller Schwierigkeiten abrupt wieder aufgegeben.7 Christopher Date und Anthony Hamber kamen bereits zu dem Schluss, dass die Fotografie am British Museum nie so stark Fuß gefasst hat, wie man hätte annehmen können.8 Mangelndes technisches Wissen,

1. TALBOTS WAHRER PENCIL

aber auch die Favorisierung anderer Reformen, die als dringender empfunden wurden, mögen dazu geführt haben, dass Talbots Vorschläge als zweitrangig erachtet wurden. Die Diskussion über die Einführung des Mediums fiel mit einem institutionellen Transformationsprozess am Museum zusammen, welcher die Administration, grundlegende architektonische Veränderungen, jedoch vor allem das kuratorische Konzept des Museums betraf. Dieses Kapitel wird die Rolle der Fotografie in diesem Umgestaltungsprozess genauer in den Blick nehmen. Dabei wird vor allem die Diskrepanz zwischen dem von Talbot imaginierten Ideal und der eigentlichen praktischen Anwendung der Fotografie zu Tage kommen. Museen im 19. Jahrhundert konstituierten sich durch zwei sich ergänzende Komponenten: Die taxonomische und klassifikatorische Arbeit an der Institution selbst und die Feldforschung, durch die zum Beispiel botanische Exemplare und archäologische Artefakte gesammelt oder ausgegraben wurden. 1807 hatte der Naturphilosoph Georges Cuvier (1760–1832) erklärt, dass es ihm trotz aller Inspiration, die ihm die Feldforschung durch ihre wahrhaftige und lebendige Umgebung gebe, gefangen in Raum und Zeit verwehrt bliebe, durch Bücher und die Möglichkeit des Vergleiches den Objekten tieferen Sinn zu verleihen. „Zu Hause“ könne wiederum auf anderen Ebenen gearbeitet werden.9 Laut Cuvier lag wahres Wissen im Studium der isolierten Objekte, nicht jedoch in der physischen und unmittelbaren Erfahrung der Feldforschung. Der Vergleich, der durch die Gegenwart der Objekte im Museum möglich war und der dem im Museum forschenden Wissenschaftler angeblich zu neuen Schlussfolgerungen verhalf, wirft die Frage auf, wozu es in Museen Fotografien, angeblich ebenfalls zum Vergleich der Objekte gedacht, eigentlich gebraucht wurden. Für das British Museum war dies keineswegs offensichtlich. Das British Museum war um 1850 im Begriff, sich zu einer Institution zu entwickeln, die mehr sein wollte als eine elitär anmutende Sammlung von Kuriositäten, die vor allem von Liebhabern in Augenschein genommen wurden.10 Es sollte Zentrum der Wissensproduktion für die verschiedensten Forschungsfelder werden, allen voran der sich immer weiter professionalisierenden Altertumswissenschaft.11 Dies wurde auch andernorts so gehandhabt und geografisch wie architektonisch zum Ausdruck gebracht: Die Universitäten Oxford und Cambridge, nebst weiterer akademischer Institutionen, siedelten Forschungseinrichtungen oft in unmittelbarer Nähe zu ihren Museen an, welche sich im Mittelpunkt der Universität und somit der Wissensproduktion befanden.12 Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts sollte das British Museum zu einem experimentellen Ort heranwachsen, an dem einerseits Artefakte der ältesten Zivilisationen der Welt gesammelt und andererseits die neuesten Technologien erprobt wurden. Das Fotografieren von Keilschrifttafeln würde somit gleich zwei Superlative auf einen Nenner bringen. Doch auf praktischer Ebene waren diese beiden Bestrebungen nicht problemlos vereinbar. Zum einen waren Talbots Vorstellungen in Bezug auf die Nützlichkeit seiner Erfindung von der tatsächlichen praktischen

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Umsetzung weit entfernt. Zum anderen waren die inneren Strukturen des British Museums um 1850 nach wie vor prekär und alles andere als vorteilhaft für derartig signifikante Umbrüche. Die Vorhaben waren also mehr Wunschvorstellung als realisierbare Ziele. So wie sich die Sammlung aus unsystematisch zusammengewürfelten Beständen konstituierte, so gaben die Entscheidungsträger der Londoner antiquarians auch noch um 1850 ein heterogenes Bild teilweise zerstrittener Parteien ab, was sich ebenfalls als hinderlich für eine geplante Neuordnung erwies.13 Gerade im Hinblick auf die Umstrukturierung der Abteilungen, und somit auch der Ausstellungsobjekte, bestanden große Meinungsverschiedenheiten und Unwägbarkeiten. Diese betrafen insbesondere die Ankunft der bis dato unentzifferten Keilschrifttafeln – Objekte, die bald zu den wichtigsten Bestandteilen der Sammlung werden sollten. Ohne klares kuratorisches Konzept war es also zunächst kaum ersichtlich, was aus welchem Grund fotografiert werden sollte, weshalb derartige Fragen sowohl bei Expeditionen als auch im Museum eine untergeordnete Rolle spielten. Die Fotografiegeschichte tendierte lange, wenngleich dieser Ansatz in letzter Zeit häufiger revidiert wurde, zu einer teleologischen Auffassung des Mediums, welche seinem Erfolg mehr Beachtung schenkte als dessen Ausbleiben. In der Altertumswissenschaft sowie in anderen wissenschaftlichen Feldern um 1850 ist der Siegeszug der Fotografie jedoch keineswegs offensichtlich.14 Obwohl die Museumskuratoren und Trustees rasch von der Erfindung wussten, blieb eine sofortige Reaktion auf sie aus. Logistische Fehlschlüsse und finanzielle Engpässe waren – neben den oben beschriebenen strukturellen Umbrüchen – einerseits der Grund für die Gleichgültigkeit der Kuratoren gegenüber der Fotografie. Andererseits waren Zeichnungen, die weiterhin erfolgreich angefertigt wurden, durchaus effizient. Darüber hinaus war den Verantwortlichen am Museum selbst noch nicht klar, was das neue Medium Fotografie eigentlich zu leisten vermochte. Erschwerend kam außerdem hinzu, und dies ist mit dem vorigen Punkt verbunden, dass es sich bei den von Fenton zu fotografierenden Artefakten (wie unentzifferte Keilschrifttafeln) um Objekte handelte, deren Status bis dahin unbestimmt geblieben war. Da es keineswegs offensichtlich war, welche Information überhaupt von Interesse war, gestaltete es sich als schwierig, Standards für die erfolgreiche Aufzeichnung der Objekte zu etablieren. Die fotografisch abgebildeten Objekte waren dabei in doppelter Hinsicht unentzifferbar: Nicht nur war die Schrift noch ohne semantischen Wert, darüber hinaus war auch die fotografische „Bildsprache“ selbst noch verhältnismäßig neu. Dies ist der Grund, weshalb Fentons Fotografien Experimente vorausgingen, in denen geprüft wurde, wie Fotografie und Altertum reziprok füreinander fruchtbar gemacht werden könnten. Der Beginn dieser Liaison manifestierte sich dabei in Talbot als universellem Wissenschaftler, der sowohl in fotografischen Techniken als auch in der Altertumswissenschaft über Wissen verfügte. In der unlängst vorgenommenen inhaltlichen Erfassung seiner Notizbüchern, in der er sich als vielseitig interessierter und weitläufig

2. PHOTOGRAPHIC SCIENCE – SCIENTIFIC PHOTOGRAPHY

vernetzter Wissenschaftler erwies, ist besonders bemerkenswert, dass sich Talbot, der bis dahin mehrere wissenschaftliche Aktivitäten in verschiedenen Gebieten parallel verfolgte, ab 1850 fast ausschließlich der Entzifferung und Übersetzung von Keilschrifttafeln gewidmet hat, die zu dieser Zeit von ihm und einigen wenigen weiteren Wissenschaftlern in großen Schritten vorangetrieben wurde. Über einhundert Notizbücher Talbots geben hierüber Aufschluss. Just als Talbot der Fotografie als aktiver Fotograf den Rücken kehrte, erreichten die zahlreichen Ausgrabungsstücke der britischen Expeditionen Layards in Mesopotamien das British Museum – darunter auch die Keilschrifttafeln. Fentons Fotografien stehen somit wie keine anderen Bilder für das gleichzeitige Auftreten von Fotografie und einer sich in Großbritannien zunehmend institutionalisierenden Altertumswissenschaft. In ihnen synthetisieren sich jedoch auch mehrere Topoi Talbots: Schon zuvor hatte Talbot Schrift immer wieder zum Sujet seiner Fotografien gewählt, die sich somit als doppelte Einschreibungen lesen lassen. Es überrascht daher nicht, dass es sich bei den Bleistiftspuren auf Fentons Fotografien (Abb. 65) um Talbots Handschrift handelt. Talbot benötigte die Abzüge als Ersatz für die ihm fernen Keilschrifttafeln, um seine eigenen Entzifferungsversuche voranzutreiben.15 Er betrachtete sich demnach als der ideale Adressat der Fotografien, kompetent und für die Aufgabe angemessen gerüstet, wie er es in seinem zu Beginn dieses Kapitels erwähnten Brief deutlich gemacht hatte.16 In Hinblick auf den enormen Zuwachs von Objekten aus aller Welt war das British Museum gezwungen, neue Systeme der Dokumentation und Klassifizierung zu erproben. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Reproduktionen musealer Objekte. Da Talbot in beiden Bereichen über Expertise verfügte, war er prädestiniert für die Förderung der Fotografie am British Museum. Nichtsdestotrotz waren Wissenschaftler in seinem unmittelbaren Umfeld von den Möglichkeiten des Mediums nicht sofort überzeugt.

2. PHOTOGRAPHIC SCIENCE – SCIENTIFIC PHOTOGRAPHY Zu Beginn des Jahres 1839 machte Talbot seine Erfindung öffentlich und stellte seine „photogenic drawings“ in der Royal Society aus. Talbots Freund und geschätzter Kollege, der Astronom Sir John Herschel, präsentierte der Society einen vergleichbaren Prozess.17 Er sollte später Trustee am British Museum werden. Einflussreiche Wissenschaftler, welche mit dem British Museum in engem Kontakt standen, hatten somit direkten Kontakt mit der Fotografie. In Talbots Buch The Pencil of Nature (1844–1846), das den Trustees mit Sicherheit bekannt war, wurden zwar gleich mehrere Beispiele zur Anwendung der Fotografie im Bereich Kunst, Architektur und Altertum angeführt, doch sind nur vereinzelte Fotografien, die vor 1850 am Museum entstanden, bekannt.18 Zwischen 1843 und 1854 können keine systematischen fotografischen Akti-

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vitäten am British Museum verzeichnet werden.19 Das Ereignis, durch das das Board of Trustees mit der Fotografie am offensichtlichsten in Berührung kamen, war jedoch der persönliche Besuch Talbots im British Museum im Jahr 1843.20 Dies war aber nicht Anlass und Antrieb genug für die Kuratoren, um zu verstehen, weshalb und wozu die Fotografie auch im Museum angewendet werden könnte. Es war also keineswegs so, dass die Kuratoren noch nicht von dem neuen Medium gehört hätten. Sie wussten sehr wohl darum, doch entschieden sie sich dagegen, oder vielmehr: nicht dafür. Es sollte noch fast zehn Jahre dauern, bevor Talbots fotografischer Prozess im Museum Fuß zu fassen begann. Talbots lange ersehnte Patentfreigabe sowie die Empfehlung des im Museum angesehenen Astronomen und Präsidenten der Royal Society, William Parsons, Lord Rosse (1800–1867), sollten dabei eine große Rolle spielen. Ein weiterer Faktor war die Weltausstellung von 1851, die laut einem Brief Talbots an Lord Rosse ebenfalls ausschlaggebend war: „Ever since the Great Exhibition I have felt that a new Era has commenced for Photography as it has for so many other useful arts and inventions. Thousands of persons have now become acquainted with the art […]. A variety of new applications of it have been imagined and doubtless many more remain to be discovered. I am unable myself to pursue all these numerous branches of the invention in a manner that can even attempt to do justice to them.“21 Im selben Brief gab Talbot Rosse’ Bitte nach, sein Patent der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (mit der Ausnahme von Porträtfotografie). Das Patent sollte ein wichtiges Thema in der Korrespondenz der beiden Wissenschaftler werden und war dabei immerzu mit der Frage verbunden, wie die Fotografie in der Wissenschaft weiter Anwendung finden könnte.22 Im selben Jahr, 1852, erachtete Talbot die Zeit als reif, um seine Erfindung an die Öffentlichkeit weiterzugeben. Sicher ist es keinem Zufall geschuldet, dass Talbot sich genau zu diesem Zeitpunkt endgültig anderen Interessengebieten zuwandte. Er interessierte sich zwar weiterhin für besondere fotografische Aufzeichnungsmethoden, etwa fotomechanische Reproduktionsverfahren wie die Fotogravure sowie die Bewegungsfotografie, jedoch hatte er selbst weitgehend aufgehört zu fotografieren.23 Die Fotografie fasste also in genau dem Augenblick Fuß in der breiteren Öffentlichkeit, als Talbots Notizbücher sich vermehrt mit Entzifferungsversuchen von Keilschrift füllten. Ab den 1860er Jahren und besonders in den Jahren vor seinem Tod stieg ihre Anzahl immer weiter an. Die besondere Rolle, die Lord Rosse bei der Etablierung der Fotografie einnahm, hatte noch tiefere Gründe. Sein Interesse war unter anderem persönlicher Natur, hatte er doch selbst Versuche unternommen, sowohl Mond als auch Nebel aufzunehmen, ephemere Objekte, die mitnichten mithilfe einer fotografischen Kamera problemlos aufzuzeichnen waren.24 Seine Frau und finanzielle Unterstützerin Mary, Lady

2. PHOTOGRAPHIC SCIENCE – SCIENTIFIC PHOTOGRAPHY

Rosse, wurde später eine bekannte Fotografin. Erste Versuche, astronomische Phänomene zu fotografieren, begannen bereits kurz nach 1839, führten jedoch zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Lord Rosse unternahm drei Jahre später mit der Daguerreotypie erste Versuche, jedoch sind bis in die frühen 1850er Jahren keine weiteren Experimente bekannt. 1854 vermerkte er, er habe Versuche unternommen, den Mond zu fotografieren – jedoch ohne Erfolg.25 Lord Rosse hatte zu dieser Zeit begonnen, astronomische Beobachtungen mit dem Leviathan of Parsonstown durchzuführen, einem Teleskop, das wegen seiner gigantischen Maße seinerzeit als das Größte der Welt galt.26 Er hatte von Talbots Experimenten in der Bewegungsfotografie gehört und fragte ihn um Rat. Dies tat er nicht, ohne seinem Schreiben von seiner Frau gefertigte Fotografien beizulegen, die sich in einer Hochphase fotografischer Kreativität befand und mit den verschiedensten fotografischen Techniken experimentierte: „Lady Rosse has just commenced Photography, and I enclose a few specimens of her first attempts, presently she will do better.“27 Unter diesen Fotografien befand sich vermutlich auch eine Aufnahme des gigantischen Teleskops. Talbot würdigte die Fotografien der Gattin und gestand gleichzeitig ein, dass die Mondfotografie ein schwieriges, wenngleich interessantes Unterfangen sei: „To photograph the telescopic image of the moon, is a problem of the highest interest – […] I look forward with much interest to your future Experiments upon this important subject […].“28 Lord Rosse, dankbar für Talbots Hinweise, versprach, sogleich weitere Versuche zu unternehmen.29 Auch diese Korrespondenz zeigt, dass es Talbot ein Anliegen war, Wissenschaftlern Hilfestellungen bei der Anwendung der Fotografie zu geben. Es folgten mehre Briefe an Lord Rosse, in denen Talbot konkrete technische Hinweise gab.30 Von Lord Rosse’ Versuchen, den Mond zu fotografieren, geben keine fotografischen Hinterlassenschaften Zeugnis; somit bleibt unklar, ob er Talbots Ratschläge wirklich befolgte. Festzuhalten ist, dass auch in diesem Fall die Fotografie als keine dringende Notwendigkeit empfunden wurde. Für seine Nebelstudien zog Lord Rosse ohnehin die Anstellung eines Zeichners vor. Obwohl beziehungsweise gerade weil Fragen der Glaubwürdigkeit und des bildlichen Beweises im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend diskutiert wurden, geschah dies fast nie im Hinblick auf den ausschließlichen Einsatz von Fotografie. Sie war lediglich Hilfsmittel und „funktionierte“, wenn überhaupt, in der Regel unter Hinzuziehung weiterer Medien. Im selben Jahr, 1848, als er vermutlich Talbots Bekanntschaft machte, zog Lord Rosse in Erwägung, sich einen Zeichner einzustellen. Er tat dies, obwohl sich in der Bibliothek von Birr Castle im County Offaly, Irland, wichtige Bücher über fotografische Techniken befanden, davon auch eine Kopie von The Pencil of Nature. Für Lord Rosse war die Auflösung der Nebel von höchster Bedeutung, doch deren Darstellung konnte auch in detaillierten Zeichnungen erfolgen.31 Diese Zeichnungen waren im Kreise von Lord Rosse in den 1860er Jahren hoch im Kurs. In seinem Team wurde die Zeichentechnik in den folgenden Jahrzehnten immer weiter verbessert.32 Hierfür stellte sich Lord Rosse eigens den

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Künstler Samuel Hunter ein.33 Noch in den 1880er Jahren wurden Zeichnung und Fotografie unter Astronomen als komplementäre Bildmittel benutzt und ein Medium ohne das andere als unvollständig angesehen.34 Hinzu kam, dass Fotografien bis um 1880 ohne Hilfe weiterer Drucktechniken nicht in anderen Medien wie Büchern reproduzierbar waren. Selbst dann mussten sie manipuliert werden, also ihrer fotografischen „Aura“ entbehren, um überhaupt reproduzierbar zu sein.35 Durch das Zeichnen machten sich, wie Omar Nasim zeigte, die Künstler mit den Nuancen und Besonder­ heiten noch weitgehend unbekannter Objekte wie dem von Lord Rosse beobachteten Orionnebel bekannt.36 Die Diskurse über die Darstellbarkeit solcher Phänomene betrafen die Astronomie als beobachtende Wissenschaft, in welcher der Forschungsgegenstand kaum bildlich festzuhalten war, ganz besonders.37 Durch das ständige und wiederholte Zeichnen des bis dato unbekannten Objektes wurde der Wissenschaftler mit diesem Objekt vertraut und verstand es mit der Zeit, seine Besonderheiten, Nuancen und seine Struktur auszumachen. Zeichnungen, die aus diesen Prozessen hervorgingen, wurden gar zum Standard für spätere Fotografien. Der parallele Gebrauch von Fotografie und Zeichnung betraf somit neben der Archäologie auch andere wissenschaftliche Felder.38 Gerade Skizzen waren in vielen Bereichen elementare Werkzeuge der Wissensproduktion. Die Parallelen zur wissenschaftlichen Bildproduktion von Keilschrifttafeln sind frappierend, denn auch beim Zeichnen der Keilschrifttafeln war der Akt des Zeichnens bereits ein erster Schritt im Prozess des Entzifferns, da sich der Zeichner stets entscheiden musste, was dem Schriftzeichen selbst und was Irregularitäten des Schriftträgers zuzuordnen war. Man traf hierbei bestimmte Entscheidungen für bestimmte Möglichkeiten, verwarf dafür andere und trug somit zur Entzifferung bei. Die „denkende Hand“39 war hier von enormer Wichtigkeit, da Kopf und Hand durch das Nachzeichnen die mögliche Form der Schriftzeichen gleichsam nachempfinden konnten. Fentons Fotografien, die Talbots Notizen aufweisen, verbildlichen die Komplexität des Entzifferungsprozesses auf der Grundlage von Bildern auf eindrückliche Art und Weise. Doch hier hatte die Fotografie schon für den Wissenschaftler „entschieden“. Aus dieser Sicht schien eine Fotografie kaum das geeignete Medium, da sie ungeachtet der eigentlichen Struktur der Zeichen alles aufzeichnete. Andererseits konnte dieser Nachteil auch von Vorteil sein, solange man noch nicht wusste, welche Information von Bedeutung war. Talbot hatte in The Pencil of Nature in Verbindung mit Inschriften auf der Fotografie Queen’s College Oxford (Abb. 9), hervorgehoben: „It frequently happens, moreover – and this is one of the charms of photography – that the operator himself discovers on examination, perhaps long afterwards, that he has depicted many things he had no notion of a the time.“40 Talbots Argument bezog sich explizit auf Inschriften, gedruckte Plakate und dergleichen. Im Hinblick auf die Defizite, die der fotografische Apparat jedoch aufwies, und die Aufgabe, die er zu bewältigen hatte, mutet es fasst überraschend an, dass die Kamera dafür gepriesen wurde,

2. PHOTOGRAPHIC SCIENCE – SCIENTIFIC PHOTOGRAPHY

derartige subjektivierenden Eigenschaften mit anderen Techniken wie der Zeichnung gerade nicht zu teilen. Erst ungefähr vierzig Jahre, nachdem Talbot und Daguerre ihre Prozesse 1839 publik gemacht hatten, wurde eine erfolgreiche Nebelfotografie angefertigt, deren verschwommene Struktur auf lange Belichtungszeiten schließen lässt. In beiden Fällen, in der Astronomie als auch in der Fotografie am British Museum, verging also ein gutes Jahrzehnt ohne fotografische Experimente. Talbots Besuch von 1843 hatte somit keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Erst Lord Rosse’ ­steigendes Interesse an der Mondfotografie 1852 brachte die Diskussion am British Museum wieder in Gang. Wohl in der Annahme, dass das Fotografieren statischer Keilschrifttafeln einfacher vonstattengehen müsse als das Ablichten des Mondes, un­terbreitete Lord Rosse den Trustees des British Museums den Vorschlag, das Medium im Museum einzusetzen und die Resultate anschließend unter Assyriologen zu verbreiten:41 „I feel very conscious that some attempt should be made to photograph the Inscriptions in as to place them conveniently within the reach of persons who have a taste for that line of research. I cannot but think that many would be induced to donate themselves to so interesting an enquiry if it was made easy to them, and it seems to me to be a reproach to the Trustees to myself in particular as the unworthy representative of science in the Board that the aids of modern Science should not have been called for sooner. The continually varying indication of the meteorological and magnetic instruments at Greenwich are recorded by Photography under the discretion of Mr Brook one of our Fellows, and to photograph inscriptions would be a much easier operation. Besides by photography numerous inscriptions can be taken off, using the original photograph.“42 Lord Rosse unterschätze, dass es sich bei den Tafeln um Objekte handelte, die sich in jeder Hinsicht der Fotografie widersetzen.43 Anders als Skulpturen, deren Bilder unterschiedliche Arten des Sehens und Interpretierens eröffneten, mussten Fotos von Keilschrifttafeln vor allem und im wahrsten Sinne des Wortes lesbar sein. Die Lesbarkeit war jedoch – dies ist der entscheidende Punkt – relativ, da die Schrift zu dieser Zeit unlesbar war. Hinzu kam, dass niemandem bewusst war, wie genau die Fotografie in dieser Hinsicht „arbeiten“ würde. Andererseits machte die Fotografie die Tafeln zugänglich, denn dies waren die Tafeln selbst mitnichten, wenngleich sie sich im Museum befanden. Zum einen blieben sie dem ständig wachsenden Netzwerk von Assyriologen im Ausland zunächst verwehrt, zum anderen aber auch lokalen Amateuren wie Talbot, die keineswegs ohne Weiteres Zugang zu den Räumen fernab der Ausstellungen erhielten. Die Fotografie sollte somit als Ersatz für das Original dienen. Auf Lord Rosse’ Vorschlag hin wurde zunächst der Gebrauch der Fotografie bei archäologischen Ausgrabungen in Erwägung gezogen, doch auch hier waren, wie das

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vorige Kapitel zeigte, in den frühern 1850er Jahren keine Erfolge zu verzeichnen. Bei den Trustees war eine Art Gleichgültigkeit zu beobachten, die – neben auf der Reise erkrankten Künstlern und bei den klimatischen Bedingungen verrücktspielenden Chemikalien – ein weiterer Grund für den ausbleibenden Erfolg der Fotografie sein dürfte. Das vorige Kapitel zeigte, dass Zeichnungen oder Fotografien in Auftrag gegeben und dabei beide Medien alternativ in einem Atemzug genannt wurden, womit der Fotografie mitnichten eine besondere Aufgabe, geschweige denn eine Leistung beigemessen wurde. Die Zeichnung war sogar in gleich mehreren Bereichen bis 1855 das bevorzugte Medium. Sie wurde von der Fotografie nie abgelöst, sondern beide Medien wurden auch bei Grabungen noch lange als komplementäre Hilfsmittel verstanden.44 Um die Entzifferung der Keilschrift voranzubringen, hießen die Trustees schließlich den Vorschlag von Lord Rosse willkommen. Zunächst wollte man jedoch erproben, ob sich die Fotografien als effiziente Reproduktionsmethode erweisen würde. Die Trustees hießen die Entscheidung schließlich willkommen. Lord Rosse lud Talbot somit ein zweites Mal ins Museum ein.45 Dort war man diesmal nicht mehr an photographic science interessiert, sondern eindeutig an scientific photography.

3. AUF DEM MUSEUMSDACH: DAS ZWEITE EXPERIMENT Es war Lord Rosse’ Hartnäckigkeit und dem Interesse des Kurators der Altertümersammlung Hawkins zu verdanken, dass schon bald konkrete Maßnahmen ergriffen wurden. Im Sommer 1853 trafen sich die Trustees, um die Errichtung eines fotografischen Studios auf dem Dach des Museums zu diskutieren. Im Frühjahr 1854 wurde schließlich Roger Fenton als Hausfotograf angestellt, allerdings zunächst nur für zwei Monate. Die ersten Fotografien der Keilschrifttafeln sollten als experimentelle Proben dienen. Danach wollte man entscheiden, ob Fentons Vertrag verlängert werden würde. Das Experiment war nun völlig anderer Natur als Talbots Demonstration gut zehn Jahre zuvor. Der Weg dorthin wurde durch die steigende Stabilität der Chemikalien geebnet, denn je kontrollierter und vorhersehbarer diese agierten, desto zuverlässiger wurde ihre Beweiskraft.46 Während das erste Experiment von 1843 somit in die Kategorie photographic science fiel, war es der ikonografische Gehalt des Bildes selbst, der im Jahr 1852 Bestandteil des zweiten Experimentes wurde. Es kam nun darauf an zu testen, ob es dem Medium gelang, den gewünschten Inhalt – soweit man diesen beurteilen konnte – angemessen durch chemische Reaktionen „zu übersetzen“, um dem intendierten Zweck, der Entzifferung, Rechnung tragen zu können. Dies macht das Experiment zu einem Paradebeispiel im Bereich scientific photography. Das Bedürfnis der Kuratoren und Trustees, das Ablichten der Keilschrifttafeln zunächst als Experiment auszuführen, beruhte auf der Tatsache, dass es sich bei bei-

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den beteiligten Objekten – Keilschrifttafel und Fotografie – um Medien mit bis dahin wenig bekannten Eigenschaften handelte. Doch der Mangel an stabilen Komponenten machte einen eindeutigen Ausgang des Versuches unmöglich. Eine zu prüfende Komponente waren die komplexen Beleuchtungstechniken, um die zwischen Zwei- und Dreidimensionalität changierenden Schriftzeichen lesbar zu machen. Die semantische Bedeutung der Schriftzeichen war jedoch unbestimmt: Wie sollte nun eine Inschrift angemessen reproduziert werden, wenn die Bedeutung der einzelnen Zeichen nicht erforscht war? Welche visuelle Information war von Bedeutung? Welche Kriterien für das Ende des Experimentes lagen demnach vor? Handelte es sich überhaupt um einen wissenschaftlichen Versuch im engeren Sinne oder waren die Ausführungen von 1852 ebenfalls, wie bereits 1843, ein Test „without any clear consensus about what can be counted as an experimental failure or success“47, bei dem sich der Erfolg lediglich durch die Abbildung irgendeiner Art von Information definierte?48 Es war daher notwendig, mögliche Einwände, die die Funktion der Kamera selbst in Frage stellten, unberücksichtigt zu lassen und die Kamera als „unbelastetes“ Instrument zu definieren.49 Dies implizierte, ihr a priori ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit zuzuerkennen. Ob der Ausgang des fotografischen Experimentes erfolgreich vonstattengehen oder fehlschlagen würde, bemaß sich somit am Erfolg oder aber am Fehlschlagen der Operabilität der Fotografie, mit Kelley Wilder: „its transparency, its ability to be repeated by other scientists and replicability of its results.“50 Sowohl die Kontrolle über die Chemikalien als auch der Glaube an das Instrument waren bei Fenton eher gegeben als bei Talbot zehn Jahre zuvor. Fentons Experiment wurde sorgfältig geplant und ein Fotostudio auf dem Dach des British Museums gebaut.51 Der leitende Kurator Edward Hawkins ordnete daraufhin an: „twenty impressions should be taken of each of the Assyrian Tablets and five of ordinary new acquisitions. The Assyrian inscriptions were to be transcribed and printed, and photographic impressions to be sent to such Scholars as one known to be engaged in their translation, and interpretation for the verification of the printed copies.“52 Niemand dachte dabei zunächst an Talbot, der dem Museum kurz darauf eine Anfrage schickte, um die besagten Abzüge zu erhalten. Viele Briefe Talbots sollten folgen, manche von ihnen verlangten nicht nur die erwähnten Fotografien, sondern auch Lithografien – ein weiterer Beweis dafür, dass verschiedene Medien nebeneinander existierten und sich ergänzten. Niemand schien Talbots Gesuch in den darauffolgenden Jahren nachgekommen zu sein. Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet der Person, die das Verfahren nicht nur entwickelt, sondern auch protegiert hatte, der Zugang zu eben denselben Fotografien verweigert wurde, die ohne Talbots Einsatz gar nicht existieren würden. Talbot wollte seine Erfindung nun selbst als Wissenschaftler nutzen, doch für das British Museum war er schlicht und ergreifend lediglich der Erfinder der Fotografie, nicht aber ein potentieller Experte in Assyriologie.

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66: Roger Fenton, Menschliches Skelett und Gorillaskelett (Troglodytes Gorilla), ca. 1855, Albumindruck auf Papier, Victoria and Albert Museum.

Was die eigentliche Ausführung des Experimentes betraf, so wurden die Keilschrifttafeln alle an denselben Ort gebracht, an eine Wand gelehnt, mit einer Nummer versehen und sodann abgelichtet (vgl. Abb. 64). Mit ihrer einheitlichen und neutralen Form scheinen sie spätere Fotografiegenres wie ethnologische Studien oder

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67: Roger Fenton, Mineraliengalerie, British Museum, 1857, Albumindruck, Stereoskopie, The British Museum.

systematische Polizeifotografie zu antizipieren.53 Wie auch Fentons spätere Skelettfotografien, welche er für den Anatomen Richard Owens ausgeführt hatte (Abb. 66),54 unterscheiden sich die Keilschrifttafelbilder von der kontextualisierenden Fotografie, die Fenton ebenfalls in den Ausstellungsräumen des British Museum ausführte.

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68: Roger Fenton, Dritter griechisch-römischer Salon am Artists’ Day im British Museum, 1857, Albumindruck, Stereoskopie, The British Museum.

Während die Objekte auf diesen Bildern als Teil einer Sammlung präsentiert werden (Abb. 67–69), bestimmen Fentons Fotografien der Keilschrifttafeln wie auch seine Arbeiten von isolierten Skulpturen (Abb. 70) mit ihrer standardisierten Form die zunehmende Rolle der Fotografie als Werkzeug der Inventarisierung. Der provisorisch wirkende neutrale Hintergrund der Keilschrifttafelabzüge ermöglicht es dem Betrachter, sich voll und ganz auf das Objekt zu konzentrieren. Obwohl der Gegenstand damit einerseits im Mittelpunkt der Abbildung steht, ist er andererseits auch Teil einer nummerierten Serie. Die Bilder machten die Inschriften nicht nur zu reproduzierbaren Trägern eines potentiell bedeutsamen Textes, sie lös-

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69: Roger Fenton, Diskuswerfer (Discobolos) im British Museum, 1857, Albumindruck, Stereoskopie, The British Museum.

ten das Objekt auch ein für allemal aus ihrem ursprünglichen kulturellen Kontext heraus. Aus den dreidimensionalen Objekten wurden somit zweidimensionale mobile Träger von Informationen, isolierte Forschungsobjekte, die darauf warteten, von Wissenschaftlern in einen neuen Bedeutungskontext, nämlich den der Biblical Archaeology, eingebettet zu werden. Die Fotos dienten als Ersatz, jedoch waren sie dies, obwohl sie ein instabiles Verhältnis zu dem Objekt aufwiesen, welches sie darstellten. Da der Akt des Entzifferns noch bevorstand, waren die Bilder im Grunde genommen unlesbar. Ihr Sinn bestand somit zunächst in ihrer Reproduzierbarkeit und Mobilität. Die Zirkulation der Fotografien war jedoch ein ernsthaftes Problem. Die Lithografie war

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70: Roger Fenton, Kopf des Homer, ca. 1855, Albumindruck, Victoria and Albert Museum.

nach wie vor die gängigste Methode, um Bilder in Büchern zu drucken. Fotografien konnten – ohne den Zwischenschritt eines anderen Mediums – nur durch das Einkleben der Fotos in Bücher publiziert werden, wodurch sie in diesem Fall ihre fotografische Natur verloren, gleichzeitig jedoch noch mehr zum Gegenstand selbst wurden: Fentons fotografierte Keilschrifttafeln wurden entlang des Umrisses der Tafel ausgeschnitten und auf Karton geklebt, was die Tafeln noch isolierter und fragmentierter wirkten ließ (Abb. 71).55 Tatsächlich waren Fentons Abzüge der Keilschrifttafeln bald in Umlauf, so dass das aufregende Unterfangen – die Entzifferung der Quellen – umgehend beginnen konnte. Dies unterstützte die Bemühungen des Museums, die Museumsobjekte zu For-

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71: Roger Fenton, Keilschrifttafel K50, Salzpapierabzug auf Papier, ca. 1856, The British Museum.

schungsgegenständen zu machen. Einige Altertumsforscher in Europa hörten sogleich von den Fotografien. Talbot war unter den ersten, der sich für die Reproduktionen interessierte, doch die meisten Forscher – darunter bereits etablierte Lehrstuhlinhaber – erhielten die Reproduktionen vor ihm. 56 Nach der Testphase von zwei Monaten wurde Fentons Vertrag um weitere zwei Monate verlängert.57 Es folgte ein achtzehnmonatiger Aufenthalt Fentons im Krimkrieg. Nachdem Fenton von dort zurückgekehrt war, wo er sich als Pionier der Kriegsfotografie bewährt hatte, wurde er zunächst wieder am Museum angestellt, um weitere Keilschrifttafeln und andere Objekte zu fotografieren.58 Doch zwei Jahre später, 1856, entschied das Board of Trustees, sich diesen kostspieligen Luxus nicht weiterhin

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leisten zu wollen: Fentons Vertrag wurde nicht verlängert.59 So unspektakulär wie die Fotografie die Bühne betrat, so beiläufig musste sie sie also auch wieder verlassen. Sie war nie eine Sensation und Attraktion ihrer selbst willen, sondern Mittel zum Zweck, Teil eines größeren Projektes, welches die Systematisierung und die Mobilität der neu ankommenden Museumsobjekte gewährleisten sollte. Selbst in dieser Rolle existierte sie als ein Medium von vielen. Niemals hatten die Kuratoren den Eindruck erweckt, mit den bis dahin gegebenen Möglichkeiten visueller Reproduktion unzufrieden zu sein. Kelley Wilders provokant gestellte Frage „What is photography good for?“60 lässt sich vor dem Hintergrund dieser Episode nicht eindeutig beantworten. Dies war auch der Grund, weshalb das Experiment als Entscheidungshilfe genutzt wurde. Spitzt man Wilders Frage zu, so könnte man fragen, warum das Museum überhaupt einen Fotografen angestellt hatte. Talbot hatte dem British Museum seit 1854 eine Vielzahl an Briefen geschickt, in denen er Fotografien und Lithografien erbat, um Keilschrifttafeln zu entziffern. 1856 folgte eine weitere Flut von Briefen.61 Sie sind weit mehr als Dokumente, die Talbots Status betreffen, sondern können als Zeugnisse wichtiger Diskussionen gelesen werden, die zu dieser Zeit am British Museum stattfanden. Diese berührten zum Beispiel die Frage, wer Zugang zu den Keilschrifttafeln erhalten sollte, was wiederum Streitigkeiten über die (Erst)autorschaft der erhofften Übersetzungen nach sich zog. Talbots Briefe, in denen sich zahlreiche durchgestrichene Teile befinden, zeigen, dass ihn die Thematik geradezu aufwühlte. Doch auch für das Museum selbst stand mehr auf dem Spiel als der Besuch eines Amateurwissenschaftlers. Da Talbot konstant abgewiesen wurde, kam er schließlich zu dem Schluss, dass es sich um ein „Missverständnis“ zwischen ihm Henry Creswicke Rawlinson handeln müsse, welches aus dem Weg geräumt werden sollte, bevor das Museum ihm die Lithografien zukommen ließe.62 Rawlinson, ein ehrgeiziger Altertumswissenschaftler, der bereits einen Ruf als führender Experte auf dem Gebiet genoss, muss Talbot als immense Bedrohung wahrgenommen haben. Es lag ihm nichts ferner, als anderen Personen Inschriften zugänglich zu machen, die er nicht selbst bereits entziffert hatte.63 Dies betraf auch genau die Keilschrifttafeln, nach denen Talbot gefragt hatte, wodurch das Zögern des British Museums erklärt sein dürfte, die Reproduktionen an Talbot zu schicken.64 Doch Talbot insistierte.65 Die Trustees wurden es überdrüssig, Talbots Briefe in ihren Sitzungen zu diskutieren, und verschoben sein Anliegen von einer Sitzung auf die nächste, bis das Thema nach und nach für eine Zeitlang im Nichts versickerte.66 Talbots Hartnäckigkeit unterlegen, gab Rawlinson schließlich nach und schlug ihm Konditionen vor, unter denen er seiner Bitte nachkommen wolle: Talbot sollte garantieren, keine Übersetzungen der Keilschrifttafeln zu publizieren.67 Talbot stimmte zu. Darüber hinaus einigte man sich, dass beide eine unabhängige Übersetzung desselben Textes anfertigen und öffentlich präsentieren sollten. Rawlinson entschied sich für den kurz zuvor ausgegrabenen Keilschriftzylinder aus der Zeit von König Tiglat-Pileser, dessen

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Übersetzung er gerade für eine Publikation vorbereitete. Talbot bot an, seine zu erstellende Übersetzung versiegelt zurückzuhalten, bis Rawlinson seine Version publiziert hatte. Die Übereinkunft zeitigte Erfolge. 1860 erteilte Rawlinson Talbot die Erlaubnis, an den Inschriften zu arbeiten, solange er das Tagesgeschäft des Museums nicht störe.68 Doch Talbot war längst nicht am Ziel. Obwohl Talbot nun Lithografien der kurz davor publizierten Inschriften erhalten hatte, so hatte er noch immer nicht Fentons Fotografien bekommen. Die Inschriften aus Ninive waren eine besonderen Herausforderung. Ein Verzicht käme einer Kapitulation gleich. In einem letzten Versuch, im November 1863, also fast zehn Jahre nach seinem ersten Gesuch, fragte Talbot erneut nach Kopien „of the Collection of Photographs of clay tablets bearing cuneiform inscription, which were made some years ago by direction of the Trustees. This series of documents would be of great use to me in the prosecution of my researches into the Assyrian languages.“69 Erst im Jahr 1863 erhielt er schließlich die Antwort, auf die er so lange gewartet hatte: „I have the pleasure to acquaint you that the Trustees have complied with your request for a copy of the collection of Photographs of Clay Tablets bearing Cuneiform Inscriptions. Will you be so good as to let me know in what way you would like to have them sent to you?“ 70

RÉSUMÉ Im Sommer 1858 beschlossen die Trustees, dass Fentons Anstellung zu kostspielig, nicht unbedingt notwendig und somit verzichtbar war, und stellten die Fotografie am Museum ein.71 Die Fotografie war somit zunächst nichts mehr als eine vorübergehende Episode in der Geschichte des British Museums. Die marginale Rolle, die sie spielte, ist nur vor dem Hintergrund der Bestrebungen des Museums zu verstehen, sich als Forschungsinstitution zu etablieren. Diese Beweggründe halfen der Fotografie und hinderten sie gleichermaßen. In Museen wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts Disziplinen formiert, welche die Institutionen zum Zentrum des wissenschaftlichen Diskurses schlechthin machten. Hier trafen nicht nur Kunst und Wissenschaft, Feldforschung und Laboratorium, Amateur und Experte, sondern auch Objekte aufeinander, die taxonomisch nichts mit einander gemein hatten, um ihr Verhältnis zueinander auszuloten. In dieser Schlüsselposition forderten Museen die Rolle der Feldforschung in den Wissenschaften um 1850 heraus.72 Denn wenngleich Objekte auf Expeditionen gesammelt wurden, so bedurften sie eines zentralen Ortes, einer Dekontextualisierung ihres Ursprungs, um sie vergleichbar, mobil, archivierbar und klassifizierbar zu machen. Forschung fand also im Museum statt. Es war folglich auch das Museum, nicht die Forschungsreisen, das zum Experimentierfeld der Fotografie werden sollte.73 Die Fotografie versprach,

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Katalysator dieser ambitionierten Bestrebungen des Museums zu sein,74 zumal sich bald herausstellte, dass im Museum mitnichten alle Objekte problemlos zugänglich waren. Das British Museum initiierte und finanzierte die Forschung, kontrollierte jedoch auch, wer daran teilhaben durfte. Talbots Fall zeigte, wenngleich die Grenzen zwischen Amateur und Experte noch fließend waren, dass nicht alle Wissenschaftler gleichberechtigten Zugang zu Objekten, Netzwerken und Institutionen hatten. Obwohl sich das Museum in den Ausstellungsräumen immer weiter seinem Publikum öffnete, war sein Forschungsbereich hierarchisch organisiert, um der Professionalisierung verschiedener Disziplinen Rechnung zu tragen, was zur Folge hatte, dass Wissenschaftler mit angesehenen Posten auch am ehesten Zugang erhielten.75 Talbot als Amateurwissenschaftler blieb dabei außen vor. Die in diesem Kapitel dargestellte Episode handelte also nicht nur vom Umgang mit neuen visuellen Technologien, sondern auch von Zugangsproblemen, dem zunehmend auseinanderklaffendem Verhältnis zwischen Amateurwissenschaft und Expertentum und dem damit verbundenen bedrohtem Status des viktorianischen gentleman of science, zu dem auch Talbot zählte. Diese Position stand durch die unaufhaltsame Professionalisierung und Spezialisierung der Wissenschaften auf dem Spiel. Anhand der Episode lassen sich außerdem verschiedene Umbrüche um 1850 beschreiben: Eine entscheidende Veränderung fand in Talbots eigener Laufbahn statt. In dem sich zunehmend professionalisierenden Kontext wechselte er von der Erfinder- zur Nutzerseite der Fotografie. Doch weder sein Versuch, als Experte eines Faches außerhalb der Fotografie wahrgenommen zu werden, noch die Anwendung der Fotografie in diesen Bereichen erfolgte ohne Hindernisse. Talbot genoss freilich einen Ruf als Fotografieexperte, jedoch bei Weitem nicht auf den Gebieten, die er als potentielle Plattform für seine Erfindung sah. Deshalb war es auch alles andere als selbstverständlich, dass er Zugang zu Fotografien assyriologischer Objekte erhielt. Neid seitens der führenden Assyriologen mögen neben Talbots prekärer Position als Amateurwissenschaftler eine weitere Rolle gespielt haben. Doch sein plötzlicher Richtungswechsel war für das Museum auch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Talbot wollte seine Erfindung nun für seine Forschung nutzen und nutzbar machen, doch den Kuratoren und Trustees des British Museums war er vor allem als Erfinder der Fotografie bekannt. Er war Erfinder, Wissenschaftler und Sponsor zugleich, doch diese vielfachen Rollen schadeten seinem Status mehr, als dass sie ihm halfen. Talbots Erfindung sollte sich zwar teilweise als hilfreich für seine eigenen wissenschaftlichen Interessen erweisen, nahm jedoch in anderen Bereichen schnell eine Eigendynamik an. Folglich sah es mit dem umfassenden Gebrauch der Fotografie in der Praxis anders aus. Wissenschaftler in Talbots Kreisen schienen zum einen mit Zeichnungen und Lithografien völlig zufrieden zu sein, zum anderen war Fotografie kostspielig und kompliziert. Verblasste Abzüge, unerwartet auf der Oberfläche auftauchende Flecken, Chemikalien, die willkürlich die Farbe veränderten und zerbrochene Glasnegative

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sollten später zeigen, dass die Fotografie alles andere als ein für immer währendes, singuläres Aufzeichnungsmittel war.76 Vor diesem Hintergrund könnte man sich – statt zu fragen, weshalb sich das British Museum nicht schon früher einen Fotografen eingestellt hat – in der Tat wundern, warum man sich überhaupt dafür entschieden hatte. Wofür Fotografien gut waren, lässt sich also nicht leicht beantworten. Fest steht jedoch, dass die Gründe für ihr Ausbleiben nicht in der Natur der Fotografie allein gesucht werden können, sondern vielmehr Transformationsprozessen innerhalb des Museums und externen Faktoren zuzuschreiben sind. Fentons Fotografien stehen somit einerseits für die problematische und langwierige Fusion zwischen Altertum und Fotografie, andererseits können sie – Talbots Bleistiftspuren zur Entzifferung auf der Oberfläche aufweisend – mehr als jeder andere Gegenstand im Archiv als Sinnbild für Talbots mindset und als Verkörperung seines Pencils gelesen werden. Wie kein anderes Beispiel verdichten Fentons mit Talbots Bleistiftspuren versehene Bilder die Interessen des letzteren, die Frage nach dem Erkenntniswert wissenschaftlicher Praktiken und neue Auffassungen von Einschreibung und Spur auf so eindrückliche Art und Weise. Die Tatsache, dass Talbot nicht der Autor der Fotografien war, unterstreicht ihren einzigartigen Status im Archiv umso mehr.

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Es war nicht Ziel dieses Buches, die frühe Fotogeschichte durch eine Geschichtsschreibung zu ersetzen, die ausschließlich das Scheitern des Mediums beschreibt. In anderen Worten ist es weder richtig, die Adaption der Fotografie als selbstverständlich zu erachten, noch ihrer Abwesenheit mit Überraschheit zu begegnen. Vielmehr soll der hier vorgestellte Ansatz als Anregung dienen, das Augenmerk auf die spezifischen lokalen und oft widrigen Umstände zu lenken, in denen die Fotografie in ihrer Frühzeit entweder als sinnvoll erachtet und somit eingesetzt wurde oder man ihr mit Gleichgültigkeit begegnete, ja, sie gar ignorierte. Talbots Erhalt eines Pakets aus London, in denen sich Fentons Fotografien befanden, war keineswegs das Ende der Geschichte: Weder der sofortige Einsatz der Fotografie am British Museum noch die weit verbreitete Annahme, dass sie sich gegen Ende des 19.  Jahrhunderts als Medium der Wissenschaft breitflächig durchgesetzt und andere Reproduktionsformen weitgehend abgelöst hatte, kann hier bestätigt werden. Die Kamera hatte freilich in vielen Bereichen Fuß gefasst. Exemplarisch für Großbritannien seien die fotografischen Bestandsaufnahmen der 1850er und 1860er Jahre im Heiligen Land und in Ägypten oder Francis Friths (1822–1898) mit Fotografien illustrierte Bibel genannt – in ihrer Verschränkung mit dem Altertum zweifelsohne entscheidende Projekte der Fotografiegeschichte.1 Außerdem ist die Vielfalt fotografischer Experimente in den Londoner Laboratorien und Observatorien sowie der zunehmende Einsatz der Fotografie in der Feldforschung nach 1860 zu erwähnen, durch die im Zuge des Kolonialismus Disziplinen wie die Anthropologie und die Ethnologie vorangetrieben werden sollten. Ohne diese Aspekte schmälern zu wollen, erzählt das Archiv jedoch oft eine andere Geschichte der Fotografie, nämlich die des Zögerns, des Unterlassens und des Scheiterns. So sollte es noch bis zum Jahr 1927 dauern, bis das British Museum entschied, längerfristig einen Fotografen einzustellen.2 Talbot selbst kämpfte bis zu seinem Tod 1877 für den Einsatz der Fotografie. Doch seine Haltung nahm eine zusätzliche überraschende Wendung: Auch er erwies sich keineswegs als unumstößlicher und ständiger Befürworter seiner eigenen Erfindung, sondern wurde ihres problematischen

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Status als wissenschaftliches Instrument gewahr. In seinen letzten Lebensjahren schwankte Talbot buchstäblich zwischen Zuspruch und Kritik des nun nicht mehr neuen Mediums. So schlug er beispielsweise um 1870, als Mittel für Ausgrabungen am British Museum wieder knapp waren, Samuel Birch vor, Zeichnungen der Ausgrabungen direkt an Ort und Stelle anzufertigen: „It would be a good thing if the inscriptions found could be copied on the spot, before they crumble away from exposure to the atmosphere; and moreover the fragments of the same tablet could probably be found lying near together, and could be cemented together at once, thus saving much future trouble in sorting the fragments.“3 Talbotforscher zeigten sich bisher überrascht von der Tatsache, dass er in dieser Angelegenheit in der Fotografie kein adäquates alternatives Medium der Aufzeichnung sah.4 Talbot hatte jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits selbst die Einschränkungen der Einsatzmöglichkeiten des Mediums erkannt. Ob die Fotografie nützlich war oder nicht hing nicht von bestimmten Fachgebieten, sondern von dem konkreten Nutzen und dem Zweck ab, den sie erfüllen sollte. Gerade am British Museum lässt sich dieser fortwährende Wechsel zwischen Zuspruch und Ablehnung durch mehrere Beispiele auch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hervorragend zeigen. Kurz nach Talbots Brief an Birch stellte das British Museum den Fotografen Stephen Thompson (1831–1892) ein. Thompson, der Talbot kannte, war der erste Fotograf nach Fentons Kurzanstellung am Museum. Seine Fotografien waren käuflich erwerblich. 1872 präsentierte er eine Serie von Fotografien von Ausstellungsobjekten, womit der Band ganz im Zeichen der Reproduktion von Kunstwerken stand. Thompson sah in der Fotografie die praktikabelste und günstigste Art, Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und hoffte, dass seine Publikation einen Austausch fotografischer Reproduktionen in Europa und Nordamerika anregen würde.5 Die Fotografie sollte sich auch in anderer Hinsicht als praktikabel erweisen. Als George Smith, ein am Museum angestellter Amateurassyriologe, eine wichtige assyrische Inschrift auf einer Tontafel fand, stand zwar nicht die Frage nach fotografischer, aber die nach biblischer Evidenz erneut auf dem Spiel.6 Die Entzifferung von Keilschrift war zu diesem Zeitpunkt schon sehr weit vorangeschritten und die Schriftzeichen somit von Spezalisten lesbar. Smith hatte Fragmente entdeckt, die zusammengesetzt eine Inschrift hervorbrachten, welche einer Sintflut-Erzählung wie im Buch Genesis beschrieben ähnelte. Das British Museum beauftragte Smith, die Fragmente zusammenzuführen. Das öffentliche Interesse an der Inschrift war groß. Smith wurde sogar 1873 von der Zeitung The Daily Telegraph eine Reise nach Mesopotamien bezahlt, damit er dort weitere Sintflutfragmente finden könne. Die Erzählung auf der Tafel, welche später als Gilgamesch-Epos bekannt wurde, unterschied sich jedoch von der biblischen Sintflut, deren Alleinstellungsmerkmal somit hinfällig wurde. Funde wie diese stellten die Exklusivität europäischer biblischer Kanonordnungen in Frage und waren im westlichen Diskurs höchst problematisch.7 Talbot hatte von der Sintflut-

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tafel gehört und äußerte sogleich Interesse an der Entzifferung ihrer Inschrift. Er verlangte zu diesem Zweck Fotografien, die ihm Thompson 1872 gegen Bezahlung zukommen ließ.8 Die Fotografien sollten die zerstörte und in Fragmente zerstückelte Tafel im Bild gleichsam wieder vereinen. Thompson versah seine Abzüge mit dem Hinweis, dass er die Abzüge zwar vergrößern könne, es ihm jedoch leider nicht gelänge, jedes der Fragmente als Fotografie auf den Karton aufzuziehen, weshalb Talbot mit Lücken zu rechnen habe.9 Während sich Talbot und Thompson also mehr oder weniger am Nutzen der Fotografie erfreuten, war die Begeisterung bei den Trustees weiterhin verhalten. Als Smiths in den frühen 1870er Jahren ein Buch über die Sintfluttafel vorbereitete,10 äußerte der Kurator Samuel Birch gegenüber Talbot Zweifel am Nutzen der Illustrationen, die seiner Ansicht nach in keinem Verhältnis zu den anberaumten Kosten standen. An der Relevanz der bisher unpublizierten Texte und somit an der Publikation als solcher keineswegs zweifelnd, befand er die Fotografien als „not quite satisfactory“, da sie schwieriger zu lesen seien als das Original. Birch schlug daher vor, stattdessen Lithografien zu verwenden.11 Eine Fotografie war dann immerhin auf dem Frontispiz der Publikation zu sehen. Birchs Kritik war vergleichsweise harmlos. Der deutsche Assyriologe Eberhard Schrader (1836–1908) ließ es sich nicht nehmen, Talbot persönlich mitzuteilen, die Fotografie sei „doch zu ungenügend und zu unvollkommen, als dass man darauf sichere Schlüsse bauen könnte.“12 Schraders Worte erinnern an die Einschätzungen von Fellows aus dem Jahr 1843, welcher die Erfindung als noch nicht reif genug bezeichnete. Der Mängel seiner Erfindung bereits bewusst, mag Talbot von Schraders Worten kaum getroffen gewesen sein. Kurz vor Talbots Tot warnte der deutsche Altertumswissenschaftler Conrad Gerhard Friedrich Delitzsch (1850–1922), führender Experte in Assyriologie auf dem Kontinent, schließlich im Vorwort seiner berühmten Assyrische Lesestücke sogar, dass Fotografien nur im Notfall benutzt werden sollten: „Die Autographirung [sic] wird der vorliegenden Schrift gewiss nicht zum Schaden gereichen. Autographie oder Lithographie, im Notfall auch Photographie, scheinen die einzigen Mittel zu sein, die assyrisch-babylonischen Schriftdenkmäler in ihrem zumeist fragmentarischen und überdies nur zu oft schadhaften Zustande naturgetreu wiederzugeben.“13 Delitzsch, der auf den fragmentarischen Zustand der Tafeln hinwies, fand ausgerechnet im vorherrschenden Ideal der Fotografie, der Naturtreue, ein Kriterium für eine erfolgreiche Wiedergabe von Inschriften – wobei die Fotografie dieses Idealbild jedoch nur beschränkt und nur in Ermangelung einer Alternative erfüllen könne. Während Birch, Delitzsch und Schrader also im Laufe der 1870er Jahre immer wieder Zweifel an der Fotografie äußerten, betrachteten sie andere als visuellen Garanten

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der Wahrheit. So verwendete ihr Kollege Norris im Jahr 1871 Fotografien von einem berühmten Keilschriftzylinder, um diese zur Überprüfung mit bereits bestehenden gezeichneten Kopien zu vergleichen, woraufhin er ein Dutzend Fehler in der Zeichnung fand.14 Hier kam erneut die Scheidung zwischen maschineller Erfassung und „denkender Hand“ zum Tragen. Letztere konnte sich freilich auch täuschen. In diesem Fall diente die Fotografie als Beleg.15 Selten fungierte sie jedoch im Alleingang. Dies wird an einem weiteren Vorfall deutlich, als nämlich ein Jahr später in einem Brief des deutschen Assyriologen Julius Oppert (1825–1905) an Talbot wieder der Evidenzstatus der Fotografie zu Tage kam, jedoch nur in Kombination mit Zeichnungen. Oppert verglich die Fotografie einer Tafel, die er original nicht in Augenschein genommen hatte, mit einer Transkription von Smith und kam dabei zu folgendem Ergebnis: „As you are one of the glorious inventors of the great art of photography; you will permit that I have some confidence in heliographic facsimiles: and my copy has not at all the signs which Mr Smith reads on the document. There cannot be on the stone, and on the photograph. The sign which you state to be read , has on the copy the form , and looks rather like Aak.“16 Fotografien erschienen ungeeignet, um Originaltafeln zu ersetzen, da sie als unlesbar galten. Wurde jedoch ein weiteres Medium hinzugezogen, etwa eine Zeichnung oder Transkription, wurden Fotografien als Stellvertreter des Originals verwendet, um Fehler in der Transkription aufweisen zu können. Kurz gesagt war die Fotografie Medium des Transits und komplementäres Werkzeug, welches ohne die Hinzuzieh­ ung anderer Visualisierungstechniken in der Assyriologie kaum von Nutzen war. Das Wechselspiel zwischen Glaube und Zweifel fand seinen Höhepunkt schließlich 1873, als Talbot selbst die Nachteile seiner Erfindung eingestand: Im Versuch, sich einer weiteren, mit der Sintflut verwandten Übersetzung zu widmen, bemängelte Talbot, er habe bisher „nur Fotografien“ zu Gesicht bekommen, die jedoch unzureichend im Hinblick auf die ihm gestellte Aufgabe seien: „What is much wanted now is the publication of more texts well lithographed in Mr Bowler’s style – Has Bowler lithographed the Chaldæan deluge tablets? At present I have only seen photographs, & those, however interesting are insufficient to work from.“17 Talbot sprach der Fotografie hiermit sogleich den Status eines autonomen und singulären Bildmediums ab. Mit dieser Meinung war er nicht allein. Noch im selben Jahr, 1874, machte Talbot von einem Bildmedium Gebrauch, welches er ebenfalls ­entwickelt hatte – die Fotogravure –, möglicherweise um den Mängeln der Fotografie mit der Klarheit dieser neuen Technik etwas entgegenzusetzen (Abb. 72).18 Doch es war bereits zu spät, als dass die Erfindung Fuß fassen konnte. Talbots Tage waren gezählt.

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72: William Henry Fox Talbot, Assyrische Keilschrift, ca. 1874, Fotogravure, Houghton Library, Harvard University.

Die Rolle des Advokaten der Fotografie wurde nun von Thompson erfüllt, der die verhaltenen Entscheidungen des British Museums im Bezug auf die fotografische Dokumentation der Bestände nicht nachvollziehen konnte. So wie einst Talbot kurz vor Fellows’ Abreise nach Lykien die Trustees aufsuchte, nahm auch Thompson Smiths erneuten Aufbruch nach Mossul 1874 zum Anlass, dem British Museum folgenden Vorschlag zu unterbreiten: „to make a series of photographs, not only of the mounds & excavations at Kouyunjik, Khorsabad, & Nimroud, but also of the ‚Scenery of the Tigris,‘ historic sites, etc, etc, – in short to do for Assyria what has already been done by the Valley of the Nile & the Holy Land.“19 Mit dieser eindeutigen Referenz zu den fotografischen Bestandsaufnahmen der 1850er und 1860er Jahre von Fotografen wie Francis Frith, Sergeant James McDonald und den Royal Engineers20 traf Thompson genau ins Mark der Diskussion: Warum hatte sich die Fotografie an diesen Orten ab einem bestimmten Zeitpunkt als fruchtbar erwiesen, nicht jedoch in Mesopotamien? Führt man sich den Kontrast vor Augen, welcher sich durch Friths ägyptische Pyramiden und McDonalds Ansichten des Berges Sinai und der Jerusalemer Kirchen

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einerseits und den Ausgrabungsstädten in Mesopotamien andererseits zwangsläufig ergab, so wird schnell deutlich: Fotografien der wenig fotogenen mesopotamischen Hügel und Ausgrabungsstätten hätten zum einen kaum dem ästhetischen Wert entsprochen, der den nobilitierten Orten Ägyptens und des Heiligen Landes anhaftete. Fotografien der Funde aus Ninive und anderen Orten als Garanten für den Wahrheitsgehalt des Alten Testaments waren zum anderen wertlos, da die Beweiskraft viel mehr in den Objekten selbst lag, namentlich in den Inschriften, die jedoch noch nicht vollständig inhaltlich erfasst waren. Die Vorstellung Mesopotamiens funktionierte bis dahin also eher durch Abstraktion, nicht im konkreten Bild. Allenfalls konnten sich Fotos von den Tafeln zur Entzifferung als hilfreich erweisen – wenn überhaupt. Talbots Hin- und Hergerissenheit spiegelt sich an einem letzten Vorfall noch einmal wider: Als der Assyriologe Hormuzd Rassam berufen wurde, die Ausgrabungen in Ninive voranzutreiben, versuchte auch Talbot Birch noch ein letztes Mal davon zu überzeugen, dass Rassam von einem Fotografen begleitet werden sollte. Wenngleich auch er zuvor vom Nutzen seiner Erfindung enttäuscht worden war, verlor er doch nie den spezifischen Zweck aus den Augen, den das Medium in bestimmten Situationen erfüllen sollte. Es ging ihm nun, im Rückgriff auf ein Ereignis der 1850er Jahre argumentierend, vor allem darum, mit der Fotografie Distanz zu überbrücken und Zeit zu gewinnen: „This would obviate the danger of the antiquities being wholly lost by shipwreck in transitu as happened to the French collection which was upset in the Tigris by the carelessness of Arab boatmen. Moreover the inscriptions or the first instalment of them would reach the Museum much sooner.“21 Birch gab Talbot zu verstehen, dass weder Geld noch fachliche Kapazitäten vorhanden seien, da keiner der Grabenden die Schriften lesen könnte. Rassam, der dessen auch nicht mächtig war, implizierte bemerkenswerterweise, dass das Fotografieren ein Lesen der Keilschrift voraussetzte.22 Talbot gab wie immer nicht sofort auf. In seiner Antwort an Birch betonte er: „[The] photographs of tablets in the Museum, done several years ago, of which the Trustees kindly ordered a copy to be sent me, I have found very useful – Even those which were carelessly executed (somewhat out of focus &c &c &c) are yet good enough for an Assyriologist to be able to determine the general meaning viz. whether Historical, grammatical or otherwise. If you employ a photographer in Mesopotamia he should photograph the tablets twice the natural size because they are then so much more legible. It is perfectly easy to enlarge them in this manner.“23 Talbot Anliegen bezog sich ausschließlich auf die Tafeln und deren Erhalt, nicht auf die Ausgrabungsstätte als solche. Talbot ging es also weder um die Fotografie noch um Mesopotamien oder die Bibel, sondern einzig und allein um die Entzifferung der

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73: Anonym, Homuzd Rassam mit einem Arbeiter unter einem Tor in Nimrud, ca. 1880, wahrscheinlich Albumindruck, The British Museum.

Keilschrift und somit um sein eigenes Bestreben als Assyriologe, weshalb er die fotografische Vergrößerung der Tafeln andachte. Da sich die Keilschrifttafeln jedoch ohnehin auf dem Weg nach London befanden, wurde auch hier eine Kamera nicht als unabdingbar empfunden.24 Julian Reade kommt zum Schluss, dass die Fotografie in diesem Fall nicht eingesetzt wurde, da ihr Nutzen als archäologisches Hilfsmittel auch damals noch nicht erkannt worden war. Als Rassam Bildmaterial benötigte, musste er somit einen professionellen Fotografen in der nächsten Stadt finden. Reade listet nur drei Fotografien dieser Expedition auf, die er treffend als „wenig informativ“ bezeichnet.25 Eines der Bilder zeigt den gealterten Rassam vor einem Torbogen in Nimrud neben einem Arbeiter, beide unscharf und kaum sichtbar hinter einem großen Erdberg, welcher fast ein Drittel des Bildes einnimmt (Abb. 73). Was archäologische Fotografie war, lässt sich an keinem Bildmaterial dieser Zeit aus Mesopotamien festmachen. Dieses Bild wiederum zeigt deutlich, was sie ganz sicher nicht sein sollte. Es wäre müßig, die unzähligen Beispiele aufzulisten, in denen deutlich wird, wie zwiespältig auch noch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts die Haltung von

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Archäologen gegenüber dem Medium war. Als sich der britische Archäologe und Ethnologe Augustus Pitt Rivers (1827–1900) zum Beispiel zu den zeitgenössischen Methoden der Archäologie äußerte, überwogen Zeichnungen und schriftliche Beschreibungen, auch wenn eine Camera Lucida und eine fotografische Kamera Teil der Ausstattung waren. Doch Letztere wurde wegen ihrer Unhandlichkeit nicht selten zurückgelassen, wohl da man den Eindruck hatte, auf die Fotografie verzichten zu können.26 Von der Exkursion sind keine fotografischen Hinterlassenschaften bekannt. Auch das bahnbrechende Buch Methods and Aims in Archaeology des Ägyptologen William Matthew Flinders Petrie (1853–1942) von 1904 beschreibt die Fotografie als ein Medium, welches die Zeichnung vielmehr ergänzte als ablöste: „in order to guarantee the accuracy of the drawing, which is the more useful edition for most purposes“.27 Bei der preußischen Expedition nach Babylon von 1898 bis 1917 etablierte Robert Koldewey (1855–1925) ähnliche Prioritäten, die durchblicken lassen, dass auch um 1900 die Fotografien mehr komplementäres Hilfsmittel als Medium um seiner selbst willen war.28 Die Suche nach dem richtigen und sinnvollen Einsatz der Fotografie war immer eng verwoben mit der Suche nach der Bedeutung der Museumsobjekte. So wie die Fotografie auch in den folgenden Jahrzehnten einen marginalen Status innehatte, mangelte es der Sammlung mesopotamischer Ausgrabungsgüter weiterhin an einem klassifikatorischen Zuhause. Dies betraf vor allem die Kuyunjik-Sammlung, welche die Keilschrifttafeln umfasste. Obwohl die Tontafeln einen entscheidenden und wichtigen Bestandteil der Sammlung ausmachten, blieben sie für den Besucher unsichtbar. Während die Skulpturen für die Besucher zugänglich waren, befanden sich die Tafeln in den Hinterzimmern und Depots des British Museums, wo Experten sich mit ihren Inschriften beschäftigten, sofern sie Zugang bekamen. Die Ausstellungshallen des British Museums vermittelten somit ein Bild Mesopotamiens, ein Bild des Spektakels, welches sich von dem eines in den Depots und Hinterzimmern des Museums nach biblischer Evidenz suchenden Altertumswissenschaftlers beachtlich unterschied.29 Unterhaltung und Forschung fanden somit zwar unter einem Dach statt, hatten jedoch kaum Berührungspunkte. Der prekäre Status, den vor allem die Tafeln innerhalb des Museums innehatten, bezog sich auch auf ihre Verwendung. So befanden sich Tafeln jahrzehntelang im Museum, ohne dass ihnen jemand Bedeutung verlieh, was unter anderem daran lag, dass sie für kaum jemanden zugänglich waren und daher nur wenige wussten, dass sie überhaupt existierten.30 Im Depot, wo die meisten Tontafeln lagerten, ermöglichte kein Klassifikationssystem eine systematische Handhabung oder Erforschung der Tafeln. Christopher Walker betonte, dass gerade die Kuyunjik-Sammlung von Beginn an dem Chaos verfallen war. Die meisten Tafeln stammten zwar aus Ninive, die Sammlung wurden jedoch im Laufe der Zeit mit Tafeln aus den assyrischen Städten Nimrud, Assur, Khorsabad, Tarbisu sowie aus Babylon ergänzt, welche von Rawlinson, Loftus

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and Rassam ausgegraben worden waren. Später folgten weitere babylonische Tafeln aus Borsippa, Ur, Uruk, Larsa und Kutalla, was zur Folge hatte, dass die Sammlung immer unübersichtlicher wurde und niemand mit den ständig neu ankommenden Objekten Schritt halten konnte.31 Nach 1880 versuchten mehrere Personen, durch Katalogisieren den steigenden Zahlen von unbearbeiteten Tontafeln Einhalt zu gebieten, doch der Umfang der Sammlung machte dieses Vorhaben quasi unmöglich. Bis dahin hatte außer Rawlinson, Norris und Talbot fast niemand Zugang zur Sammlung erhalten. Da nur wenige Tafeln inventarisiert und nummeriert waren, mussten sich ehrgeizige Forscher auf Smiths Gedächtnis verlassen, der zu dieser Zeit bereits ca. fünfzehn Jahre an der Sammlung gearbeitet hatte.32 Der deutsche Assyriologe Carl Bezold (1859-1922) unternahm 1887 einen erneuten Versuch und publizierte einen mehrbändigen und bis heute bedeutenden Katalog, der selbst kleinste Fragmente auflis­ tete. Die 21.500 Tafeln wurden nicht nur im Katalog nummeriert, sondern in Kartons nach entsprechenden Nummern gelagert. Dieser Katalog ließ, so der Assyriologe Richard Barnett 1962, erahnen, was fast ein halbes Jahrhundert der Öffentlichkeit verborgen geblieben war. Der Katalog machte die Tafeln somit erst zugänglich.33 Als die Tafeln im Museum ankamen, betraten sie also mitnichten einen geordneten Raum, der im Kontrast zum Chaos der Ausgrabungen stand und diesem Kontrolle entgegensetzte. Da über Jahrzehnte Objekte weder taxonomisch erfasst noch zugänglich waren, wusste man nicht einmal, dass es sie überhaupt gab. Diese Statuslosigkeit und die mit ihr einhergehende Unsichtbarkeit betrafen freilich nicht nur die archäologischen Funde, sondern auch die Fotografie selbst, die sich nicht nur als Technik, sondern auch materiell immer mehr im Museum verbreitete und doch gleichzeitig unsichtbar blieb. Während sich die meisten Fotografien in denjenigen Abteilungen befanden (und es bis heute tun), in deren Auftrag sie ursprünglich gemacht wurden, hatten und haben Fotografien oft keinen festen Platz in der Taxonomie von Museen. Die meisten fristen ihr Dasein ohne Inventarnummer. Nicht selten ist ihre Entdeckung dem Zufall überlassen.34 Ähnliche historische Fälle lassen sich an anderen Medien, Objekten und Abteilungen beobachten. Ein Zeitzeuge des späten 19. Jahrhunderts berichtete beim Anblick des print rooms im British Museum: „the ordinary work […] is quite disorganised by the collection of animated photographs that have been pouring in upon the bewildered officials […] Seriously, does not the collection of rubbish become a trifle absurd?“35 Das Problem betraf also nicht nur die Fotografie, sondern auch die mangelnde Klassifizierbarkeit der „animierten Fotografie“, des Mediums Film: „neither a print nor a book, nor – in fact, everybody could say what it was not; but nobody could say what it was. The scheme was not exactly pigeonholed. The real trouble was that nobody could say to which particular pigeonhole it belonged!“36 Im Versuch des British Museums, das Filmmaterial loszuwerden, welches im Museum keinen festen Platz hatten, schickte man die Filme zunächst an die Photographic Society – ein naheliegender Gedanke

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–, welche daraufhin jedoch verwundert fragte, ob man glaube, die Society existiere einzig und allein, um Material Asyl zu gewähren, für das in anderen Institutionen kein Platz zu finden war.37 Da sich alle Kustoden des British Museums einig waren, dass die Filme keinesfalls ihrer Abteilung angehörten, zog man in Erwägung, eine neue Abteilung zu gründen.38 Ein 1896 vorgeschlagener Plan des britischen Filmpioniers Robert Paul, ein Filmarchiv zu gründen, sollte aufgrund interner Konflikte jedoch niemals Form gewinnen.39 Bei der Fotografie lagen die Dinge ganz ähnlich: man wusste, was sie nicht war, womit sich ihre Absenz nicht nur in ihrem fehlenden Einsatz zeigte, sondern auch im Mangel einer Definition dessen, was sie war.

RÉSUMÉ

Diese Buch erzählte von Unsicherheit, Chaos und Kontingenz in Museumssammlungen. William Henry Fox Talbot diente als Beispiel, um das Verhältnis von Fotografie und Altertum auszuloten – beides Felder, die er auf verschiedenste Art und Weise prägte. Seine wissenschaftlichen Bestrebungen, so eine der Thesen, waren Antriebsquellen seiner fotografischen Experimente. Talbots Erfindung ist in einem Diskurs zu verorten, in dem die Suche nach neuen Aufzeichnungs- und Reproduktionstechniken eine zentrale Rolle spielte, um Wissen zu selektieren, zu zirkulieren, zu memorisieren und zu organisieren. Talbot hatte in der Tat eine Kunst erfunden, doch eine Kunst, die mehr mit den niederen Künsten der Manufaktur, Technik und Reproduktion zu tun hatte als mit dem ästhetisch Sublimen. In diesem Kontext muss der Status der Fotografie verhandelt werden. Doch auch die Vorstellung dessen, was eine Fotografie ist, erfährt im Zusammenhang mit Talbot eine neue Bedeutung: Fotografie bei Talbot ist gleichsam Schrift wie auch Bild. Die Zeit um 1850 war in vielerlei Hinsicht ein Dreh- und Angelpunkt in diesem Buch. Nachdem Talbot die Fotografie zu diesem Zeitpunkt in praktischer Hinsicht weitgehend ad acta gelegt hatte, wendete er sich der Assyriologie zu und propagierte in diesem Zusammenhang den Einsatz der Fotografie als erkenntnisgewinnendes Werkzeug in den Altertumswissenschaften. Er wechselte somit von der Rolle des Erfinders zum Nutzer der Fotografie. Doch in der sich immer stärker institutionalisierenden und professionalisierenden Museumswelt gelang Talbot weder der Wechsel zum hauptberuflichen Assyriologen ohne Hindernisse noch sein Versuch, die Fotografie in diesem Kontext als Hilfsmittel innerhalb seines Netzwerkes zu etablieren. Im Angesicht der steigenden Bedeutung von Expertentum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien war dies kaum verwunderlich. Talbot wurde zwar als Erfinder der Kalotypie geschätzt, dies implizierte jedoch keineswegs, dass man ihm automatisch Zugang zu den Fotografien gewährte, die am British Museum ausgerechnet auf sein Anraten hin angefertigt worden waren. In Großbritannien war Talbots Stand als gentleman of science fernab des professionellen Expertentums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahezu prekär: Er war Erfinder, Wissenschaftler

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und Förderer der Wissenschaft zugleich, doch diese vielfältigen Rollen gefährdeten seinen Status im Netzwerk von Wissenschaftlern und antiquarians in London mehr, als dass sie ihm halfen.1 Talbot fand schließlich in Frankreich in Jean-Baptiste Biot einen mächtigen Fürsprecher, der seinem Verfahren, der Kalotypie, zunächst in Kontinentaleuropa zum Erfolg verhalf. Das vorliegende Buch gab somit nicht nur neue Einblicke in die Nutzung visueller Technologien im viktorianischen England, sondern auch in den sich stark wandelnden Status des Victorian gentleman scientist, die damit verbundene und zunehmende Trennung von Amateur und Experte sowie die daraus resultierenden Zugangsbeschränkungen. Diskrepanzen können nicht nur zwischen der Erfindung und dem praktischem Nutzen der Fotografie aufgezeigt werden, sondern auch zwischen Experten- und Amateurwissen, wenn es um den Gebrauch der Fotografie ging. Galt Talbot zwar eine Zeitlang als Experte in Fotografie, so war es dies nicht in den Gebieten, die er als potentielle Plattform für seine Erfindung erachtete. Als er schließlich die Seiten wechselte, änderte sich auch seine eigene Haltung zur Nutzbarkeit der Fotografie, die er von da an in Frage stellte. Im Kontext der instabilen und chaotischen Ausgrabungs- und Sammlungsvorhaben des British Museums waren die Fotografie und ihr Einsatz vor allem von den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen der Institution abhängig. Das Bestreben des Museums, sich in eine Forschungsinstitution zu wandeln, nützte der Fotografie zwar, doch hinderte sie zugleich. Zu viele Dinge standen zu dieser Zeit auf der Agenda der Trustees, als dass sie dem neuen Medium mehr Beachtung hätten schenken können. Ein weiterer Grund für das Ausbleiben fotografischer Aktivitäten war jedoch auch der ungeklärte Status der Objekte, die fotografiert werden sollten. Das vorliegende Buch formulierte die These, dass dieser Status vor allem im Museum verhandelt wurde, nicht auf der archäologischen Ausgrabungsstätte. Doch selbst im Museum ging dieser Prozess nicht ohne Probleme vonstatten. Der assyrische Löwe, der um 1850 im British Museum ankam, „betrat“ also keineswegs einen organisierten Raum, welcher sich fundamental von den Grabungen unterschied. Die Probleme verlagerten sich lediglich von einer zur nächsten Baustelle – im wahrsten Sinne des Wortes. Anders als bei den assyrischen Funden mangelt es bis heute in Museen meist an einer eigenen Abteilung für die Fotografie. Fotografien sind überall und nirgends zugleich. Sie sind allgegenwärtige Aufzeichnungsmedien, die sich gleichzeitig nirgends einordnen lassen. Doch nicht nur in dieser Hinsicht hat sich wenig geändert. In der Assyriologie sind bis heute Zeichnungen in Gebrauch, da die Tontafeln komplexen Lichtarrangements unterliegen. Fentons Nachfolger sind bis zum heutigen Tag nur auf Zeit beschäftigt, da der Posten noch immer aus finanziellen Gründen in Frage gestellt wird.2 Wissen über Objekte und ihre bildliche Darstellung sind untrennbar mit menschlichen Interessen verbunden, die keinen isolierten Blick auf technologische Systeme

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zulassen. Die spezifischen und oft komplexen Urteile über die am besten geeignete Kombination visueller Aufzeichnungstechniken mit dem aufzuzeichnenden Material steuern Entscheidungen, ob es sich bei der Fotografie um ein sinnvolles oder ein nutzloses Medium handelt.3 Eine Fotografie von 1847 zeigt die Zerstörung des Vorgängerbaus des British Museums (Abb. 74). Kurz darauf kamen die ersten Objekte aus Mesopotamien im Hof des neuen Museumgebäudes an. Das Bild zeichnete die Baustelle mit genau jenem Medium auf, dessen Implementierung sich als weitere „Baustelle“ erweisen würde. Diese Baustelle hatte keinen klaren Status, genauso wenig wie die neu ankommenden Objekte, die Fotografie und vielleicht sogar Talbot selbst. Wollte man sich dennoch festlegen, so war Talbot leidenschaftlicher Assyriologe – und zufällig auch der Erfinder der Kalotypie.

74: Anonym, Abriss des Eingangsbereichs am Montagu House, 1847, The British Library.

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Die Bildunterschrift in Majorie Caygills Buch zur Geschichte des British Museums beschreibt das Bild mit den Worten: „In the earliest photograph of the British Museum the ghostly form of Montagu House can be discerned. The pioneer photographer, Henry Fox Talbot, carried out photographic ‚experiments‘ at the Museum in 1843.“ Caygill, The Story of the British Museum, 29. Zur Geschichte des British Museums vgl. auch Miller, That Noble Cabinet; Gunther, The Founders of Science at the British Museum 1753–1900; Jenkins, Archaeologists & Aesthetes; Caygill und Cherry, A. W. Franks; Wilson, The British Museum. Eine ähnliche Parallelisierung verfolgte Christopher Pinney anhand des gleichzeitigen Auftretens von Fotografie und Anthropologie. Vgl. Pinney, „The Parallel Histories of Anthropology and Photography“. Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Der vorwiegend im deutschen Sprachraum verbreitete Begriff „Altertumswissenschaft“ – in Großbritannien antiquarianism – beschreibt das breite Studium einer sowohl geografisch als auch zeitlich weitgefassten Antike in dieser Zeit wohl am besten, da er Disziplinen mit einschließt, die sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts institutionalisierten, wie die klassische und biblische Archäologie, die Philologie und die ebenfalls philologisch orientierte Assyriologie. Wenn hier trotzdem gelegentlich der anachronistische Begriff „Archäologie“ gebraucht wird, so bezieht er sich explizit nur auf Expeditionen und Ausgrabungen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt hierfür weder institutionalisierte wissenschaftliche Methoden und Maßstäbe noch eine institutionalisierte Disziplin „Archäologie“ existierten. Zum Gebrauch der Terminologie vgl. Rowley-Conwy, From Genesis to Prehistory, 4–5. Zur Koexistenz und der zunehmenden Differenzierung zwischen Geschichte, Archäologie und Altertumswissenschaft im 19. Jahrhundert in Europa vgl. Levine, The Amateur and the Professional, 173. Christopher Evans stellt heraus, dass die englischen Begriffe antiquarianism und archaology um 1850 nahezu gleichbedeutend waren, nachdem antiquarianism um 1800 und archaology in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jeweils als Termini verbreiteter waren. Vgl. Evans, „‚Delineating Objects‘“, 271; Sweet, Antiquaries; Hanson, The English Virtuoso; Hudson, A Social History of Archaeology, 2–4; Linda, Conditions of the Emergence and Existence of Archaeology in the Nineteenth Century, 138; Schnapp, „Between

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Antiquarians and Archaeologists“; Price, „Amateurs and Professionals in NineteenthCentury Archaeology“. Talbot, The Pencil of Nature, Introduction. Díaz-Andreu García, A World History of Nineteenth-Century Archaeology, 165. Zu Archäologie und Imperialismus vgl. auch Díaz-Andreu Garcia und Champion, Nationalism and Archaeology in Europe; Bernhardsson, Reclaiming a Plundered Past; Holloway, „Biblical Assyria and Other Anxieties in the British Empire“, 3; Díaz-Andreu García, „Britain and the Other“. Zur Motivation der Ausgrabungen vgl. Reade, „Nineteenth-Century Nimrud“. Rassam wurde in eine christliche Familie in Mossul geboren und in England aufgezogen, wo er die meiste Zeit seines Lebens damit verbrachte, eine Karriere als Politiker und Assyriologe zu verfolgen, um mit den Ausgrabungen biblische Beweise zu liefern. Er war jahrzehntelang Layards Arbeitspartner. Oft wird er als Mittelsmann zwischen England und dem Mittleren Osten beschrieben, dessen weitere Erforschung als gobetween im Hinblick auf transkulturelle Forschungsansätze sicher lohnenswert wäre. Vgl. Reade, „Hormuzd Rassam and his Discoveries“, 59; Schaffer, Roberts, Raj et al. (Hg.), The Brokered World. Zu Layard vgl. Waterfield, Layard of Nineveh; Kubie, Road to Nineveh; Reade, „Reflections on Layard’s Archaeological Career“, 47; Larsen, The Conquest of Assyria, 34–39. Larsen beschreibt auch die Ausgrabungen en détail. Vgl. Lloyd, Foundations in the Dust, 113; Reade, „Les Relations Anglo-Française en Assyrie“, 121. Zur Rivalität zwischen den beiden Ländern vgl. Larsen, The Conquest of Assyria, 317–332; Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 66–131; Hook, „The British State and the Anglo-French Wars over Antiquities, 1798–1858“, 65–69. März 1852, siehe British Museum (im Folgenden: BM), Original Papers (im Folgenden: OP), Januar–Mai 1852. Vgl. Davis, Shifting Sands, 12. Vgl. Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1. Zu den Bildern in Layards Buch vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 142–154. Illustrated London News (im Folgenden ILN), 31. 03. 1849, 213. Bohrer beschreibt die Rolle der Illustrated London News als „intervention into the museum’s own realm that does not coexist with, but literally recreates the context of the works“. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 130, 132–142. Vgl. auch Malley, „Austin Henry Layard and the Periodical Press“, 154; id., From Archaeology to Spectacle in Victorian Britain. Zu Layards Interesse am Publizieren vgl. insbesondere id., „Shipping the Bull“; Pearson, „A. H. Layard’s ‚Nineveh and its Remains‘“, 47. Zu Archäologie und Öffentlichkeit vgl. Phillips, The Past and the Public. Layard, The Nineveh Court in the Crystal Palace. Vgl. Piggott, Palace of the People, 75; Thomas, „Assyrian Monsters and Domestic Chimeras“, 898–901. Zum Nineveh Court vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 206–218; Pearson, „A. H. Layard’s ‚Nineveh and its Remains‘“, 57. Vgl. auch Nichols, Greece and Rome at the Crystal Palace. James Secord bezeichnet die Ausstellung von 1854 als „visual education“: Secord, „Monsters at the Crystal Palace“, 146. Bernhardsson, Reclaiming a Plundered Past, 22, 43; Bohrer, „The Times and Spaces of History“, 203; Brusius, „Misfit Objects“.

EINLEITUNG

17 Obwohl die Assyriologie in England ihre Anfänge fand, befanden sich nach den 1870er Jahren die bedeutendsten assyriologischen Institute in Deutschland. Da die Deutschen jedoch zu diesem Zeitpunkt selbst kaum Keilschrifttafeln besaßen, reisten viele nach London, um die Tafeln zu studieren und baten das British Museum um Fotografien der Tafeln (vgl. das Kapitel „Talbot und Fenton am British Museum“ dieses Bandes). 18 Botta hielt die von den Einheimischen Kuyunjik-Hügel genannte Ausgrabungsstätte für uninteressant, da er angeblich nicht genügend Antiquitäten finden konnte, die er für den Louvre für geeignet hielt. Die Kuyunjik-Sammlung des British Museums ist bis heute die größte und wichtigste Sammlung von Keilschrifttafeln. Vgl. Bezold, Catalogue of the Cuneiform Tablets in the Kouyunjik Collection of the British Museum. Zu aktuellen Forschungen zu den Inschriften vgl. das Ashurbanipal Library Project am British Museum. Zur Bedeutung der Bibliothek vgl. Reade, „Archaeology and the Kuyunjik Archives“; Walker, „The Kouyunjik Collection of Cuneiform Texts“. Layard zeichnete viele Tafeln, um sie im Anschluss zu publizieren (Layard, Inscriptions in the Cuneiform Character from Assyrian Monuments). 19 Lloyd, Foundations in the Dust, 77–93. Lloyd bietet auch einen Überblick über Reisende aus Europa vor dem Zeitalter der Assyriologie. Der erste erfolgreiche Versuch der Entzifferung persischer Keilschrift gelang bereits 1802 durch Georg Grotefend (1775–1833), was Rawlinson angeblich unbekannt war. Zu alten Schrifttypen vgl. DeFrancis, The Diverse Oneness of Writing Systems, 84–85, 212–218; Coulmas, „Theorie der Schriftgeschichte“. Zu Entzifferungen vgl. ebenso Walker, Reading the Past. 20 Vgl. Mooray, A Century of Biblical Archaeology; Chavalas und Younger, Mesopotamia and the Bible; Holloway, Orientalism, Assyriology and the Bible. 21 Vgl. MacHaffie, „Monument Facts and Higher Critical Fancies“, 321. 22 Vgl. Pearson, „A. H. Layard’s ‚Nineveh and its Remains‘“, 57. 23 Newton, „On the Study of Archaeology“, 25–26. 24 Vgl. Smiles, „Art and Antiquity in the Long Nineteenth Century“, 124. 25 Vgl. Bucchi, „Images of Science in the Classroom“, 107. 26 Vgl. Secord, „Monsters at the Crystal Palace“,140–142. 27 Vgl. Fox, Graphic Journalism in England During the 1830s and 1840s; Anderson, The Printed Image and the Transformation of Popular Culture. Zur viktorianischen Auffassung von vision vgl. Flint, The Victorians and the Visual Imagination. 28 Vgl. Brunet, La naissance de l’idée de photographie. 29 Vgl. jüngst Watson und Rappaport, Capturing the Light. 30 Vgl. hierzu Brusius „The many Inventions of Photography“. Es wäre fatal, für eine ­Revision dieser Anfangsdaten bei dem Versuch anzusetzen, neue Akteure ins Spiel zu bringen, die es ohne Zweifel gegeben hat. Eine Vorgeschichte der Fotografie, etwa bei Aristoteles‘ Lochblende 400 v. Chr. angefangen, liefe Gefahr, eine teleologische Fotogeschichte zu werden, die den Eindruck erweckt, dass alle nur auf die Erfindung des Mediums gewartet haben. Neuste Ansätze stellen die noch viel wichtigere und bisher kaum gestellte Frage, warum uns diese Festlegung auf den Ursprung der Fotografie überhaupt so wichtig ist. Vgl. Sheehan und Zervigón (Hg.), Photography and its Origins (mit Dank an die Autoren für das vorläufige Manuskript) und den Abschnitt „Aufzeichnungstechniken“ in diesem Buch.

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31 Vgl. zu Daguerre Pinson, Speculating Daguerre. Zu Talbots Erfindung vor dem Hintergrund seines Gesamtarchivs, vgl. Brusius „Fast alles außer Fotografie“. 32 Vgl. Hans Rooseboom, What’s Wrong with Daguerre? Mit Dank an Kelley Wilder. 33 Vgl. Solomon-Godeau, „Calotypomania“. 34 Der Talbotnachlass in der British Library (im Folgenden: BL), Add MS 88942, wurde 2006 von Talbots Nachkommen an die British Library gestiftet. Der Nachlass einschließlich Notizbücher (BL, Add MS 88942/1) ist im Handschriftenkatalog der British Library abrufbar (searcharchives.bl.uk, abgerufen am 16.06.2014). Vgl. zur Einführung: Brusius, „Beyond Photography“. Die Fotografien werden im Katalog des Jerwood Photography Project der British Library aufgelistet. Diverse fotografische Notizen und eine hohe Anzahl weiterer Lichtbilder werden im National Media Museum, Bradford, aufbewahrt. Ein weiteres umfassendes Talbot Archiv befindet sich seit 2014 in der Bodleian Library der Oxford University und wird in einer erweiterten englischen Fassung des vorliegenden Textes Berücksichtigung finden (in Vorbereitung, The University of Chicago Press). 35 Talbots Universalgelehrtentum wurde bereits 1977 in einer von H. J. P. Arnold verfassten Biografie ausführlich gewürdigt. Hatten sich weitere Autoren mit Talbots vielfältigen wissenschaftlichen Interessen beschäftigt, so taten sie dies, bis auf Ausnahmen, meist marginal und mit ausschließlichem Blick auf seine fotografischen Errungenschaften, ohne gegenseitige Wechselwirkungen genauer zu berücksichtigen. Vgl. z. B. Hannavy, Fox Talbot; Arnold, William Henry Fox Talbot; Amelunxen, Die aufgehobene Zeit; Martin, Henry and the Fairy Palace; Smith, „Talbot’s Epigraph in ‚The Pencil of Nature‘“. Vgl. auch Maimon, „Displaced ‚Origins‘‘ sowie ihre Publikation über Talbot and the Conception of Photography (provis. Titel, University of Minnesota Press, in Vorbereitung). Talbot als Assyriologe findet Erwähnung in Layard, Nineveh and Babylon, xlvi–xlvii sowie in einigen Sekundärquellen: Arnold, William Henry Fox Talbot, 298–310; Gordon, Forgotten Scripts; Walker, „The Kouyunjik Collection of Cuneiform Texts“, 184. Walker erwähnt nicht nur Talbots Rolle bei den frühen Versuchen der Schriftentzifferung, sondern auch, dass er Layard angeboten habe, ihm eine Kamera nach Ninive mitzugeben (ohne Quellenangabe). ����������������������������������������������������������������� Vgl. außerdem Daniels, „Edward Hincks’s Decipherment of Mesopotamian Cuneiform“, 49; Larsen, The Conquest of Assyria, 115–124, 177–188, 215–227, 293–305, 336–337, 358; Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 127. Nele Diekmann arbeitet derzeit an einer Dissertation an der Freien Universität zu Berlin und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, die Talbots Rolle und Praxis als Assyriologe ausgiebig be­­­ spricht („Talbot’s Tools: Scientific Notebooks as a Laboratory of Victorian Scholarship“). 36 Forschungen zu Talbots Universalgelehrtentum wurden erheblich durch die von Larry Schaaf initiierte Datenbank The Correspondence of William Henry Fox Talbot Project erleichtert, in der Talbots erhaltene Korrespondenz weitestgehend transkribiert wurde. Vgl. http://foxtalbot.dmu.ac.uk/index.html (abgerufen am 10.06.2014). 37 Vgl. Schaaf, Out of the Shadows. 38 Als Beispiele seien das Babbage-Archiv in der British Library und das Herschel-Archiv in der Bibliothek der Royal Society genannt. 39 Konferenz William Henry Fox Talbot: Beyond Photography, Centre for Research in the Arts, Social Sciences and Humanities (CRASSH), University of Cambridge, 24.–26.06.2010. Vgl. hierzu Brusius, Dean und Ramalingam (Hg.), William Henry Fox Talbot. Die Beiträge behandelten Talbot vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Netzwerke und Institu-

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tionen im viktorianischen England und warfen Fragen nach dem Zusammenhang von Fotografie und Talbots anderen Forschungsgebieten auf. Diese vorwiegend auf den Briefen und Notizbüchern in der British Library beruhenden Forschungsergebnisse zeigten, dass ein derartiger Zugang zu Talbots Gesamtarchiv auch völlig neue Ansätze auf dem Gebiet der Fotografiegeschichte ermöglicht, obwohl sich die Quellen kaum explizit mit Fotografie auseinandersetzen. Steve Edwards untersuchte in diesem Sinne das Verhältnis von Fotografie und Arbeit unter der Berücksichtigung soziokultureller Aspekte. Vgl. Edwards, The Making of English Photography: Allegories. Lesarten der Fotografie als ein von technologischen, sozialen, wissenschaftlichen und kulturellen Veränderungen abhängiges Phänomen finden sich u. a. in Busch, Belichtete Welt und Warner Marien, Photography. Literatur, die sich Talbot ikonografisch und ikonologisch nähert, wird im Kapitel „Aufzeichnungstechniken“ angeführt. Zu Einschreibung und Spur in der Fototheorie vgl. Dubois, Der fotografische Akt (27–57). Dubois spricht – in Bezug auf Charles Sanders Peirce, Rosalind Krauss und Roland Barthes – von der „Spur eines Wirklichen“ (49) und einer „natürlichen Einschreibung der Welt auf die lichtempfindliche Fläche“ (54), fügt aber gleichzeitig hinzu, dass dieses Konzept zu kurz greift, um die Bedeutungsebene der Fotografie zu beschreiben. Zu neueren Ansätzen zum Thema Aufzeichnung vgl. Wolf, „Es werden Sammlungen jeder Art entstehen“. Vgl. z. B. Peter Geimer, Bilder aus Versehen. Vgl. auch insbesondere kritische Forschungen zum Beweisstatus des fotografischen Bildes, die im Rahmen des Forschungsprojektes Das Technische Bild an der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden sind, z. B. Bredekamp und Brons, „Fotografie als Medium der Wissenschaft“ und Brons, „Das Versprechen der Retina“. Für einen Überblick über weitere laufende Projekte vgl. Bredekamp, Schneider, Dünkel (Hg.), Das Technische Bild. Vgl. z. B. Lindner, „Reinhard Kekulé von Stradonitz – Alexander Conze“; Smiles, „Art and Antiquity in the Long Nineteenth Century“, 124; Lindner, „Sinn oder Sinnlichkeit“; Brinkmann, „Die Fotografie in der Archäologie“; Straub, Ein Bild der Zerstörung; Frübis, „Bilder der Sphinx“. Für weitere Literatur zur Archäologie und Fotografie vgl. Feyler, „Contribution à l’histoire des origines de la photographie archéologique“; Lewuillon, „Positif/Négatif“; Lyons (Hg.), Antiquity & Photography. Zahlreiche Publikationen haben die tragende Rolle und Bedeutung von Bildern bei Ausgrabungen und der Formierung von Disziplinen wie der Kunstgeschichte in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten untersucht. Für genaue Literaturangaben vgl. das Kapitel „Aufzeichnungstechniken“ in diesem Band. Diese Meinung wurde in letzter Zeit vehement revidiert. Vgl. insbesondere Stefanie Klamms Dissertation Bilder des Vergangenen, 8–9, 208–222 (unv. Manuskript, mein Dank gebührt der Autorin für die Weitergabe des Manuskriptes; Publikation in Vorbereitung). Klamms Publikationen zum selben Thema werden in weiteren Kapiteln herangezogen. Jan von Brevern zeigte den vielfältigen und parallelen Einsatz unterschiedlicher Medien am Beispiel der Geologie, Omar Nasim am Beispiel von Nebelbildern. Vgl. von Brevern, Blicke von Nirgendwo; Nasim, Observing by Hand. Vgl. für die Medizin auch Sheehan, Doctored und für Astronomie Bigg, „Representing the Experimental Atom“; id., „Le Siècle de l’atome en images“; id., Photography and Astronomy. Weitere relevante

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Literatur zu Fotografie und Wissenschaft wird in den einzelnen Kapiteln angeführt. Immer wieder haben Arbeiten, die sich unter anderem vorschnell auf Lorraine Dastons und Peter Galisons Studie zur Objektivität bezogen, die Annahme vertreten, dass die Fotografie im 19. Jahrhundert vorwiegend als ultimatives und objektives Beweismittel gedient habe, obwohl die Objectivity-Autoren – wie andere Forschende auch – deutlich die vielfältigen Auffassungen und Konzepte der Fotografie um 1850 herausgehoben haben. Vgl. Daston und Galison, Objectivity, 126–138. Zum wissenschaftlichen Nutzen der Fotografie vgl. insbesondere Tucker, Nature Exposed. Vgl. auch Galison, Image and Logic, Kapitel II und III. 46 Die Rolle von Bildern in der Archäologie wurde u. a. von Frederick Bohrer in einer in vielerlei Hinsicht bedeutenden Studie zum Orientalismus erörtert, die jedoch den Fokus auf die Analyse des „Exotischen“ und die Rezeption Mesopotamiens in der Bildkultur des 19. Jahrhunderts richtete. Da er sich auf die Ästhetik der Bilder konzentrierte, lag sein Hauptaugenmerk auf der Rolle, die Bilder von Ausgrabungsstätten in den Massenmedien und in der Kunst spielten, und weniger auf ihrer epistemologischen Funktion in der Wissenschaft. Vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture. In seinem folgenden Buch über Fotografie und Archäologie widmete Bohrer Talbot sogar mehrere Seiten, ließ jedoch, wenngleich das Buch keine „Siegesgeschichte“ der Fotografie erzählt, in einigen Punkten den neueren Forschungskontext außer Acht und rückte somit die problematische Anfangszeit des Einsatzes der Fotografie in den Hintergrund. Vgl. Bohrer, Photography and Archaeology, 29–35. Vgl. auch id. „Archaeology, Photography, Sculpture“, 43, Anm. 10. Zu einer dort nicht berücksichtigten alternativen Lesart der in Bohrers Buch erwähnten Beispiele Talbots vgl. Brusius, „Inscriptions in a Double Sense“, sowie den Abschnitt zu „London 1843“ in diesem Buch. 47 Für einen Überblick zu Forschungsansätzen in der Archäologiegeschichte bis in die 1980er Jahre vgl. Trigger, „Writing the History of Archaeology“. 48 Vgl. Larsen, The Conquest of Assyria. Die Archäologiegeschichte konzentrierte sich bisher wenig auf Mesopotamien. Monografien gibt es bis heute kaum. Vgl. hierzu auch die bereits erwähnte Publikation Bohrers, Orientalism and Visual Culture.

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Vgl. das zweibändige Werk von Talbot, Hermes, or Classical and Antiquarian Researches. Vol. I&II und id. The Antiquity of the Book of Genesis Illustrated by Some New Arguments. Zum Privaten und Öffentlichen in der Gelehrtenwelt des 19. Jahrhunderts vgl. (in Verbindung mit Darwin) Rudwick, „Charles Darwin in London“. Dean, „Lacock Abbey and the Country House Archive“, 34. Ibid. Ich danke James Secord für seinen Kommentar im Rahmen der Konferenz William Henry Fox Talbot: Beyond Photography, Centre for Research in the Arts, Social Sciences and Humanities (CRASSH), University of Cambridge, 24.–26.06.2010. Vgl. auch den Konferenzbericht: Brusius und Ramalingam, �������������������������������������������������������� „������������������������������������������������������� Tagungsbericht ‚William Henry Fox Talbot: Beyond Photography’“.

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  6 Eine vergleichbare Möglichkeit bietet das Darwin-Archiv, dessen Briefe und Notiz­ bücher in zwei elektronischen Datenbanken zugänglich sind. Vgl. http://www.darwinproject.ac.uk/darwins-letters und http://darwin-online.org.uk/EditorialIntroduc­ tions/vanWyhe_notebooks.html (abgerufen am 15.06.2014).   7 Vgl. zur Einführung: Brusius, „Beyond Photography“.   8 Vgl. Brusius, „The many Inventions of Photography“ und id. „William Henry Fox Talbot and the Variety of the Photographic Archive“.   9 Talbot Correspondence (im Folgenden: TC), Dok.-Nr. 492, 27.05.1808. 10 Die Notizbücher variieren in Größe, Umfang und in der Art und Weise, wie sie geführt werden. Während Talbots vermischte Notizen gewöhnlich eher in Oktavheften notiert sind, hielt er Forschungsnotizen meist in DIN-A5-Heften mit bunten Einbänden fest. 11 Vgl. Bourguet, „A Portable World“. 12 Für diese Beobachtungen bin ich Tony Crilly, June Barrow-Green, Christian Gerini, Graeme Mitchison und Oliver Flebbe zu Dank verpflichtet. 13 Ich danke Simon Schaffer für seinen Kommentar im Rahmen der Konferenz William Henry Fox Talbot: Beyond Photography, Centre for Research in the Arts, Social Sciences and Humanities (CRASSH), University of Cambridge, 24.–26.06.2010. Vgl. auch den Konferenzbericht: Brusius und Ramalingam, „Tagungsbericht ‚William Henry Fox Talbot: Beyond Photography‘“. 14 BL, Add MS 88942/1/1–3 (ca. 1809). 15 Vgl. z.B. Notizbücher mit Anmerkungen zur griechischen Mythologie, Literatur und Geschichte (BL, Add MS 88942/1/4–6 [ca.1811]) sowie BL, Add MS 88942/1/41–43 (ca.1811–1815). 16 Vgl. Gascoigne, „Mathematics and Meritocracy“, 570. 17 TC, Dok.-Nr. 767, Feilding an Talbot, 19.05.1817. 18 TC, Dok.-Nr. 710, Talbot an Feilding, 16.08.1816. 19 Vgl. Becher, „Voluntary Science in Nineteenth Century Cambridge University to the 1850’s“, 59. 20 Zu Talbots klassischen und etymologischen Interessen vgl. hauptsächlich Arnold, William Henry Fox Talbot, 88–92, 231–235; Smith, „A Visual Etymology for the Calotype“; id., „Talbot’s Epigraph in ‚The Pencil of Nature‘“; Maimon, „Displaced ‚Origins‘“. Ich danke Anatoly Liberman für seinen Vortrag „Talbot as a Student of Word Origins“ auf der Konferenz William Henry Fox Talbot: Beyond Photography, Centre for Research in the Arts, Social Sciences and Humanities (CRASSH), University of Cambridge, 24.–26.06.2010. Vgl. id., „Genius and etymology“. Zur politischen Bedeutung der Etymologie vgl. Smith, The Politics of Language. 21 Talbot, Legendary Tales in Verse and Prose. 22 Vgl. Talbot, Hermes, or Classical and Antiquarian Researches. 23 ������������������������������������������������������������������������������������ Mit Dank an David Gange für die Verschriftlichung des Vortrag „The Antiquity of Genesis and the Origins of Civilisation“ auf der Konferenz William Henry Fox Talbot: Beyond Photography, Centre for Research in the Arts, Social Sciences and Humanities (CRASSH), University of Cambridge, 24.–26.06.2010. 24 Talbot, English Etymologies. Vgl. in Talbots Archiv insbesondere seine English Etymologies Series A–L (M): BL, Add MS 88942/1/26–37 (1844–1855). 25 Anonym, „Review of W.H.F. Talbot’s ‚English Etymologies‘“.

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26 Anonym, „Review of W. H. F. Talbot‚ Esq. English Etymologies“. 27 Vgl. Talbots Antwort: Talbot, „Statement“. Vgl. auch Arnold, William Henry Fox Talbot, 231–235. 28 Außerdem finden sich hier viele Verweise auf zeitgenössische Publikationen wie die Literary Gazette, wo Rezensionen zu seinem umstrittenen Buch English Etymologies veröffentlicht wurden. 29 Vgl. Gange „The Antiquity of Genesis and the Origins of Civilisation“. 30 BL, Add MS 88942/1/68–182 (Mitte 1850er Jahre–1877). 31 Talbots kurze Notizbuchserie Miscellanea Assyria von 1853–1855 (BL, Add MS 88942/1/135– 137) resultierte in seiner Publikation Notes on the Assyrian Inscriptions, die er 1854, also wenige Jahre nachdem er sich der Keilschriftentzifferung zu widmen begann, als Privatdruck veröffentlichte. Vgl. Talbot, „Notes on the Assyrian Inscriptions“. 32 Vgl. BL, Add MS 88942/1/146. 33 Ein weiteres Beispiel für Talbots wachsendes Interesse an der Assyriologie in den 1850er Jahren ist das Notizbuch BL, Add MS 88942/1/37 (1855–1877). 34 Zu Talbots Arbeit an dem Zylinder, vgl. BL, Add MS 88942/1/146–148 (1856–ca. 1875). 35 Vgl. Hincks, Talbot, Oppert et al., „Comparative Translations“. 36 Vgl. Robson, „Bel and the Dragons“, 212. 37 Darunter befanden sich Inschriften aus der Zeit des assyrischen Königs Asarhaddon (681–669 v. Chr.). Dieses Thema füllte verschiedene Notizbücher von 1858–1877 mit Entzifferungsversuchen und Entwürfen für Publikationen (vgl. BL, Add MS 88942/1/156– 160). Eine weitere wichtige Inschrift, die Talbot beschäftigte, war der Bellino-Zylinder, benannt nach dem deutschen Philologen Karl Bellino (1791–1820), der die Inschrift für den Keilschriftexperten Georg Friedrich Grotefend kopiert hatte (vgl. Gadd, „Assyrian Antiquities, 1825–56“). Der in Ninive ausgegrabene Tonzylinder mit seiner ungewöhnlichen ausgehöhlten Form trug die Inschrift einer Erzählung von Sanheribs ersten zwei Feldzügen, datiert auf 702 v. Chr. (vgl. das Notizbuch BL, Add MS 88942/1/143–145 von ca. 1865 sowie Talbot, „Bellino’s Cylinder“; id., „A New Translation of Bellino’s Cylinder“ und id., „Bellino’s Cylinder of Sennacherib“. ������������������������������������������ Zum Objekt vgl. BM, Inv.-Nr.  22502, Additional IDs K 1680). Talbot war auch an der Entdeckung und Entzifferung zypriotischer Inschriften beteiligt, wovon zwei Notizbücher zeugen (vgl. das Notizbuch von 1876 BL, Add MS 88942/1/154–155 und Talbot, „On the Cypriote Inscriptions“). Zwei Notizbuchserien entstanden während seiner Mitgliedszeit im Athenaeum Club, in den er 1824 aufgenommen wurde, was nicht nur den Vorteil einer gelegentlichen Unterkunft in London hatte, sondern auch den, dass Talbot hier einer illustren Gesellschaft von Künstlern und Wissenschaftlern beitreten konnte (vgl. das Notizbuch BL, Add MS 88942/1/112–120 von 1855–1864.) Das Notizbuch BL, Add MS 88942/1/128–130 (1875– ca.1876) beschäftigt sich mit der bedeutenden persischen Inschrift von Naqsh-e Rustam. 38 BL, Add MS 88942/1/131–134 (1867–1870). Eine Serie von 1866–1870, die mit „Rough notes“ überschrieben ist (BL, Add MS 88942/1/68–86) bestand ursprünglich aus 20 Notizbüchern und enthält Material für die ersten beiden Teile seines Glossars, während die nachfolgenden Bände aus den Jahren 1871–1877 (BL, Add MS 88942/1/88–105) das Material für den dritten Teil und möglicherweise für den vierten Teil enthalten. Vgl. Talbot, „Contribution Towards a Glossary of the Assyrian Language“. 39 Talbot, „Commentary on the Deluge Tablet“.

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40 Als Beispiel seien seine Anmerkungen von 1876 zu der Inschrift The Revolt in Heaven genannt, die 1876 auf einer Keilschrifttafel im British Museum gefunden wurde und laut Talbot die Geschichte eines Aufstands der Engel oder Götter gegen ihren Schöpfer erzählte (BL, Add MS 88942/1/149–151). Der preußische Assyriologe Friedrich Delitzsch (1850–1922) hatte diesen Originaltext bereits publiziert, weshalb sich Talbot immer wieder auf den bedeutenden Altertumswissenschaftler bezog, der europaweit hohes Ansehen genoss (Vgl. Delitzsch, Assyrische Lesestücke. Zu Talbots Notizen vgl. BL, Add MS 88942/1/124–127 (1876–1877). Vgl. ebenso BL, Add MS 88942/1/176–177 (1875)). Talbot veröffentlichte seine Übersetzung erst 1877, im Jahr seines Todes (vgl. Talbot, „The Revolt in Heaven“). Zwei weitere Notizbücher von 1876 beziehen sich auf Bel and the Dragon aus den Apokryphen zum Buch Daniel, von dem man heute weiß, dass sie Teil des babylonischen Schöpfungsepos sind (BL, Add MS 88942/1/121–123). Talbot stellte die Übersetzung 1876 auf einem Treffen der Society of Biblical Archaeology vor. Der Entwurf wurde veröffentlicht in Talbot, „The Fight between Bel and the Dragon“. Die Notizen lassen erkennen, dass Talbot die Übersetzung bearbeitet hat. Vgl. hierzu Robson, „Bel and the Dragons“, 207. 41 Ibid. 42 Ibid. 43 Zum Notieren im Zusammenhang mit dem französischen Botaniker André Michaux vgl. Bourguet, „A Portable World“, 394. Zur Mobilität der Fotografie vgl. Edwards und Hart, „Introduction“.

AUFZEICHNUNGSTECHNIKEN   1 Talbot, The Pencil of Nature Tafel XIII. Diese ����������������������������������������������� Fotografie wurde häufig in der Talbotforschung thematisiert. Vgl. z. B. Geimer, „Photographie und was sie nicht gewesen ist“, 149. Zur Bedeutung der Fotografie im Zusammenhang mit dem Zufall vgl. Kelsey, „Photography, Chance, and ‚The Pencil of Nature‘“, 22–29. Vgl. auch Hoffmann (Hg.), Daten sichern. Viele Aspekte dieses Abschnitts haben von den lebhaften Diskussionen in der Note-taking Reading Group am Max Planck Insitut für Wissenschaftsgeschichte (2009/10) profitiert. Teile dieses Kapitels wurden bereits auf Englisch publiziert in Brusius, „Beyond Photography“.   2 Bourguet, „A Portable World“, 378. Vgl. auch Steinle, „The Practice of Studying Practice“.   3 Blair, „Note Taking as an Art of Transmission“, 86.   4 Vgl. Bourguet, „A Portable World“, 382.   5 Vgl. Latour, „Drawing Things Together“; Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, 109–121. Zu Mobilität und Wissen in der Fotografie vgl. die beiden letzten Kapitel in diesem Band.   6 Vgl. Becher, „William Whewell and Cambridge Mathematics“; Fisch und Schaffer, William Whewell.   7 Vgl. Schaffer, „Paper and Brass“; Warwick, Masters of Theory.   8 Warwick, Masters of Theory, 116–117. Vgl. auch Stray, „The Shift from Oral to Written Examination“.   9 Warwick, Masters of Theory, 169.

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10 Ibid., 131. 11 Außer der zitierten Literatur vgl. zum Notieren im Allgemeinen insbesondere Hoffmann (Hg.), Daten sichern; Wittmann (Hg.), Spuren erzeugen; Krauthausen und Nasim (Hg.), Notieren, Skizzieren; Holmes, Renn und Rheinberger, „Introduction“, x; Locke, Science as Writing; Krämer, „Operationsraum Schrift“. 12 Holmes, Renn und Rheinberger, „Introduction“, viii. 13 Vgl. Hoffmann (Hg.), Daten sichern. 14 Vgl. Te Heesen, „The Notebook“, 584. 15 Vgl. Daston, „Taking Note(s)“, 444–445. 16 Vgl. Hoffmann, „Schreiben, um zu Lesen“, 200; Hoffmann, „The Pocket-Schedule“. 17 Zu Registern vgl. Te Heesen, „The Notebook“, 586. 18 BL, Add MS 88942/1/201 (1809). 19 Vgl. den Abschnitt „Talbots Mesopotamien“ weiter oben. 20 BL, Add MS 88942/1/41 (1811-1815?). 21 Diese Art der Anmerkungen war in altphilologischen Übungsbüchern schon in der ­Frühen Neuzeit üblich. Vgl. Ann Blair, „The Rise of Note-Taking in Early Modern Europe“, 312–313. 22 Die Serie besteht aus den Notizbüchern BL, Add MS 88942/1/183–195 (1817–1836). Notizbuch L der Reihe befindet sich in der Talbot Loan Collection der British Library, Notizbuch G in einer Sammlung außerhalb der British Library. Einen Überblick über Talbots mathematische und naturwissenschaftliche Interessen bietet Arnold, William Henry Fox Talbot. 23 Reproduziert und transkribiert in Schaaf, Records of the Dawn of Photography. 24 BL, Add MS 88942/1/191. Für eine detaillierte Beschreibung des Inhalts danke ich ­Chitra Ramalingam. Vgl. Ramalingam, „The Most Transitory of Things“. 25 BL, Add MS 88942/1/191. 26 ������������������������������������������������������������������������������������ Zur Talbots botanischen Interessen, teilweise in Verbindung mit fotogenischen Zeichnungen, vgl. Arnold, William Henry Fox Talbot, 254–266; Arnold, „A Problem Resolved“; Daniel, „L’album Bertoloni“; Smith, „Talbot and Botany“; Nickel, „Nature’s Supernaturalism“; Fretwell, „Fox Talbot’s Botanic Garden“; Horsfield, „Ocean Flowers“; Maimon, „On the Singularity of Early Photography“; Steidl, „Leaf Prints“. Mehrere Herbarien der Talbot Familie befinden sich im Talbot Archiv der Bodleian Library. 27 TC, Dok.-Nr. 610, Talbot an Feilding, 06.09.1814. 28 Secord, „Talbot’s First Lense“, 43–53. 29 Vgl. „Herbaria, botanical specimens and mosses“, Add MS 88942/6. 30 Vgl. Hedwig, Stirpes Cryptogamicae Novae Aut Dubiae. Vgl. ebenso Jahn, Dem Leben auf der Spur. 31 Mit Dank an Anne Secord für die persönliche Korrespondenz. Vgl. ebenso Secord, „Talbot’s First Lense“, 47. 32 Vgl. Endersby, Imperial Nature, 72–74. 33 Vgl. Secord, „Corresponding Interests“, 388. 34 Vgl. Robson, „Bel and the Dragons“, 212. 35 Zu den visuellen Aspekten des Schreibens vgl. Gelb, A Study of Writing, 1; Harris, The ­Origin of Writing, 76–81. 36 Vgl. auch von Brevern, Blicke von Nirgendwo, 9.

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37 Zu ikonologischen und ikonografischen Lesarten der Fotografie Talbots vgl. Weaver, „Talbot’s Broom and Swift’s Broomstick“; Weaver, Henry Fox Talbot; Bertelsen, „Interpreting Talbot’s ‚The Ladder‘“; Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot; Batchen, „A Philosophical Window“; Anne McCauley, „Talbot’s Rouen Window“. 38 Zur Literatur über Talbot, die neben der Fotografie auch die Aspekte Text und Schrift berücksichtigt, vgl. Amelunxen, Die aufgehobene Zeit; Armstrong, Scenes in a Library; ­Signorini, Alle Origini del Fotografico; Brunet, Photography and Literature. 39 Zu The Pencil of Nature vgl. die detaillierte Einleitung von Schaaf in Talbot, The Pencil of Nature. Anniversary Facsimile. The Pencil of Nature wurde in der Sekundärliteratur ausführlich besprochen. Für spezifische Studien vgl. z. B. Amelunxen, „William Henry Fox Talbot“; Sharp, „A Note on William Henry Fox Talbot and ‚The Pencil of Nature‘“; Schaaf, „Henry Fox Talbot’s ‚The Pencil of Nature‘“; Gray, „Notes about W. H. F. Talbot’s Texts and Drafts for ‚The Pencil of Nature‘“; Rogers, „W. H. F. Talbot, the Pencil of Nature and the Camera“; Pohlmann, „Der Zeichenstift der Natur“; Dowlatshahi, Drawing with Light; Kelsey, „Photography, Chance, and ‚The Pencil of Nature‘“; Maimon, „Displaced ‚Origins‘“; Schaaf, „Third Census of H. Fox Talbot’s the Pencil of Nature“. 40 Vgl. z. B. Buckland, Fox Talbot and the Invention of Photography, 25–27; Amelunxen, Die aufgehobene Zeit; Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot; Gray und National Museum of Photography, Film, and Television (Hg.), Specimens and Marvels; Halwani, Geschichte der Fotogeschichte, 17–19. Zu Talbots Erfindung im Netzwerk viktorianischer Wissenschaftler vgl. Schaaf, „Herschel, Talbot and Photography“; id., Out of the Shadows. Erfindungen waren Mitte des 19. Jahrhunderts ein umstrittenes Thema, da sie Fragen des geistigen Eigentums und der Autorschaft im Kern betrafen. Vgl. Pettitt, Patent Inventions. Reflektionen zu Talbots Erfindungsmythos finden sich in Buddemeier, ­Panorama, Diorama, Photographie; Edwards, „The Dialectics of Skill in Talbot’s Dream World“; Edwards, The Making of English Photography, 24 (Edwards bezieht sich auf Schaffer, „Scientific Discoveries and the End of Natural Philosophy“); Maimon, „Talbot’s Art of Discovery“. 41 Alternative Ansätze zur Anfangszeit der Fotografie bieten Crary, Techniques of the ­Observer; Batchen, Burning with Desire. Ein Grund für die Fixierung auf Ursprünge ist sicher auch die Tatsache, dass der Weg der Fotografie in den Kanon der Kunst­ geschichte steinig war und das Fach vergleichsweise jung ist. Kanonisierung geht mit wiederkehrenden Jubiläen, einigen wenigen einprägsamen Künstlern und Jahreszahlen als Meilensteilen einher. Ein neuer Forschungsgegenstand lässt sich leichter rechtfertigen, wenn es sich nicht um eine Etappe eines Kontinuums, sondern um ein Medium handelt, welches sowohl unsere Wahrnehmung als auch unsere Vorstellung darüber, was ein Bild ist, von Grund auf, ja, urknallartig, verändert hat. Vgl. zur „Ursprungsobession“ jüngst Brusius, „Erfindung der Fotografie – Eine Fata Morgana?“, sowie Sheehan und Zervigón (Hg.), Photography and its Origins. 42 Vgl. Ramalingam, „Photographic inventions“. Mit Dank an die Autorin. 43 Armstrong, Scenes in a Library, 112. 44 Zu einer Interpretation der Fotografie vgl. Armstrong, „A Scene in a Library“. Für eine Auflistung der Buchtitel auf Talbots Fotografie vgl. Schaaf, The Photographic Art of ­William Henry Fox Talbot, 190.

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45 Vgl. Buckland, Fox Talbot and the Invention of Photography, 61; Kemp, Theorie der Fotografie I, 60; Geimer, „Photographie und was sie nicht gewesen ist“, 137. 46 „I do not profess to have perfected an art but to have commenced one“. TC, Dok.-Nr. 3782, Talbot an Jerdan, 30.01.1839. 47 Vgl. Williams, Culture and Society 1780–­1950, 15–16. 48 Vgl. Fisch und Schaffer, William Whewell; Yeo, Defining Science. 49 Vgl. Bermingham, Learning to Draw, 238. 50 Vgl. Schaaf, Out of the Shadows, xi. 51 Talbot an Herschel, 13.03.1841. Zit. in Buckland, Fox Talbot and the Invention of Photo­ graphy, 65. 52 Talbot, The Pencil of Nature, Introductory Remarks. Zur Übersetzung aller Zitate aus The Pencil of Nature vgl. die deutsche Ausgabe Talbot, Der Zeichenstift der Natur. 53 Talbot, The Pencil of Nature, Text zu Tafel III . 54 Zur Interpretation dieses Bildes in The Pencil of Nature vgl. Armstrong, Scenes in a Library, 141–142. Zur Rolle der Fotografie als Inventar vgl. Armstrong, „A Scene in a Library“. 55 Vgl. Roberts, „Images and Artefacts“, 5. Für weitere Ausführungen zu Fotografie und Archiv vgl. z. B. Wolf, „Das Denkmälerarchiv der Fotografie“; id., „‚Es werden Sammlungen jeder Art entstehen‘“; Stiegler, „William Henry Fox Talbots ‚Der Zeichenstift der Natur‘“, 37–39; Tucker, „The Historian, the Picture, and the Archive“; Wilder, Photography and Science, 79–101. Für weitere Literatur zur Rolle von Fotografien als mobile Objekte vgl. das Kapitel zu Talbot und Fenton. 56 Zu dieser Lesart von The Pencil of Nature vgl. auch Edwards, The Making of English ­Photography, 28. Zur Rolle von Fotografien als Faksimiles in The Pencil of Nature vgl. Armstrong, Scenes in a Library, 145–153. 57 Zum Reading Establishment vgl. Keeler, „Inventors and Entrepreneurs“. 58 Steve Edwards versteht dies als kapitalistische Nutzung, was einleuchtet, wenn man Talbots rigorose Patentrechtsstrategie bedenkt. Vgl. Edwards, The Making of English Photography, 32–33. 59 Talbot, The Pencil of Nature, Text zu Plate V. 60 Vgl. Armstrong, Scenes in a Library, 149. 61 Maimon, „Displaced ‚Origins‘“, 324. Maimon bezieht sich auf Barthes, Die helle Kammer. 62 Vgl. Maimon, „Displaced ‚Origins‘“ 315–316. 63 Vgl. Batchen, „The Naming of Photography“. Zur Terminologie der Fotografie(geschichte) vgl. ebenso Gernsheim, The History of Photography from the Camera Obscura to the Beginning of the Modern Era, 80; Schaaf, Out of the Shadows, 54, 62, 112. 64 Talbots Schwägerin Laura Mundy nannte Fotografie „Schatten“: „Thank you very much for sending me such beautiful shadows, the little drawing I think quite lovely, that & the verses particularly excite my admiration, I had no idea the art could be carried to such perfection – I had grieved over the gradual disappearance of those you gave me in the summer & am de lighted to have these to supply their place in my book.“ TC, Dok.Nr. 03017, Mundy an Talbot, 12.10.1834. Dabei könnte es sich um die erste Erwähnung von Talbots Fotografien handeln. Vgl. auch den Brief TC, Dok.-Nr. 6892, Talbot an John Henry Bolton, 1854 (?). „Sir H. Davy and Wedgwood first discovered, in 1802, that a sheet of paper could be made sensible to light, and that thus a leaf or small object placed on the paper would, by protecting the paper from the light, leave its own image

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or shadow. These images were all negative.“ Vgl. auch Talbots Notizbuch Memoranda, BL, Add MS 88942/1/272 (1838–1840), in dem die Überschrift „Marks on shadow pictures“ auftaucht, sowie Schaaf, Out of the Shadows, 40. Zum Schatten in der Fotografie vgl. Amelunxen, „Skiagraphia“; Pohlmann, „Über die Kunst, einen Schatten zu Fixieren“ (Passagen zu Talbot finden sich auf den Seiten 149–151) und Schulz, „Photographie und Schattenbild“. BL, Add MS 88942/1/193. Eine Reproduktion des entscheidenden Blattes findet sich in Schaaf, Out of the Shadows, 41. Zu photogenic drawing vgl. Geimer, „Photographie und was sie nicht gewesen ist“; Ware, „Prolegomena to a ‚Skiology‘ of Photogenic Drawing“; Armstrong, „Cameraless“; Wilder, „William Henry Fox Talbot und ‚The picture which makes itself‘“. Zur kameralosen Fotografie vgl. Barnes (Hg.), Shadow Catchers. Vgl. ebenso Brunet, Photography and Literature, 16. Vgl. TC, Dok.-Nr. 4435, Feilding an Talbot, 25.02.1842. Talbot, Some Accounts of the Art of Photogenic Drawing. Talbot, „Early Researches in Photography“, Zit. in Weaver, Henry Fox Talbot, 53 und Berg, Ikone des Realen, 62. Stenger, Die Photographie in Kultur und Technik, 11. PC Dr. Vogel, zit. nach Stiegler, Philologie des Auges, 46. Weitere Ausführungen und Quellen zu Fotografie und Schrift befinden sich in ibid. „‚Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein‘. Aber muss nicht weniger als ein Analphabet ein Photograph gelten, der seine eigenen Bilder nicht lesen kann?“. Zit. nach Benjamin, „Kleine Geschichte der Photographie“, 64. Vgl. Talbot, The Pencil of Nature. Anniversary Facsimile, Foreword, 3; Lassam, Fox Talbot, Photographer, 20. Tschichold, Die Neue Typographie, 163. Flusser, Für eine Philosophie der Fotografie, 16. Vgl. zu diesem Begriff in der Medienwissenschaft Kittler, Aufschreibesysteme 1800/1900. Ingold, Lines, 3. Ibid., 136. Notizbuch Memoranda, BL, Add MS 88942/1/272 (1838–1840). Anonym, „Antiquarian Photographic Society“, 83. Babbage, On the Economy of Machinery and Manufactures, 69. Vgl. Dolan, „Imperial Archives“, 315. Vgl. Fox, Graphic Journalism in England During the 1830s and 1840s, 29–33. Babbage, On the Economy of Machinery and Manufactures, 70. Vgl. TC, Dok.-Nr. 3681, Babbage an Talbot, 28.05.1838. Vgl. auch Talbots Antwort TC, Dok.-Nr. 3683, 02.06.1838. Vgl. TC, Dok.-Nr. 41, Talbot an Babbage, undatierter Brief. Vgl. ebenso Charles Babbage, „Observations on the Application of Machinery to the Computation of Mathematical Tables“. TC, Dok.-Nr. 3876, Talbot an Babbage, 10.05.1839. TC, Dok.-Nr. 4050, Talbot an Babbage, 30.01.1840. TC, Dok.-Nr. 4945, Talbot an Babbage, 20.02.1844.

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  92 Babbage, The Ninth Bridgewater Treatise, 235–240.   93 Ibid., 238.   94 Babbage, On the Economy of Machinery and Manufactures, 104.   95 Ibid., 112.   96 Ibid., 103.   97 Talbot, Some Account of the Art of Photogenic Drawing, 11.   98 TC, Dok.-Nr. 3875, Herschel an Talbot, 09.05.1839.   99 Persönliche Korrespondenz mit Larry Schaaf. Nicht für alle Negative existieren korrespondierende Positivabzüge. Diese können entweder unauffindbar, nie hergestellt oder verblichen sein. Zur Patroclus-Serie vgl. Susan L. Taylor, „Fox Talbot as an Artist “, 39. Taylor spricht von mindestens dreißig noch existierenden Negativen. 100 Vgl. Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot, 148. 101 „I enclose Patroclus & Venus, done yesterday in fine weather. Yours very truly H. F. Talbot. These are from plaster casts, I have no marble bust here to copy from.“ TC, Dok.-Nr. 4046, Talbot an Herschel, 28.02.1840. 102 Vgl. Taylor, „Fox Talbot as an Artist“, 51; British Museum (Hg.), The Townley Gallery; British Museum, Deptartment of Greek and Roman Antiquities (Hg.), A Description of the Collection of Ancient Marbles in the British Museum. 103 Zur Rezeption und Interpretation von Patroklus in der Kunst vgl. Scott, „Achilles and the Armor of Patroclus“. Vgl. auch Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot, 148. Talbots Notizbuch S. 4 (BL, Add MS 88942/1/16, 1837) enthält eine Anmerkung zu Achilles. 104 Zur Rezeption von Skulpturen vgl. Dobbe, „Dispositive des Sehens“, 112–116. 105 Vgl. Cabinet des Estampes du Musee dʼart et dʼhistoire (Hg.), Pygmalion Photographe; und Païni, „Le complexe de Pygmalion (sculpteur à l’écran)“. 106 TC, Dok.-Nr. 3987, Talbot an Herschel, 07.12.1839. 107 Vgl. Bergstein, „Lonely Aphrodites“, 475. 108 Vgl. Schröter, „Wie man Skulpturen rendern soll“, 231–233. 109 Talbot, The Pencil of Nature, Text zu Plate V. 110 Geimer, Theorien der Fotografie, 150. 111 Talbot, Some Account of the Art of Photogenic Drawing, 207. 112 Für andere Ansätze vgl. Taylor, „Fox Talbot as an Artist“, 39. Taylor erläutert hier den Kunststatus der Fotografien der Büste. 113 TC, Dok.-Nr. 4056, Strangways an Talbot, 07.03.1840. 114 Talbot, The Pencil of Nature, Text zu Plate XVII. 115 Vgl. Bermingham, Learning to Draw. Zur Fotografie und der Tradition des Zeichnens vgl. Kemp (Martin), „Talbot and the Picturesque View“ und Kemp (Wolfgang), „… einen wahrhaft bildenden Zeichenunterricht überall einzuführen“, 101. 116 Talbot, Some Account of the Art of Photogenic Drawing, 5. Zum Zeichnen und Aufzeichnen bei Talbot vgl. Wolf, „Es werden Sammlungen jeder Art entstehen“. 117 Vgl. Johnson (Hg.), Sculpture and Photography. 1844 erklärte die Literary Gazette die Fotografie der Büste des Patroklus als „really sublime in style and effect. Photography is admirably adapted for sculpture; and a noble gallery of all that is great in that art might readily be produced in such splendid imitations as that now before us. Mr Talbot’s

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instructions as to the best means for taking the ‚likenesses‘ are of high practical value.“ Zit. nach Weaver, Henry Fox Talbot, 107. 118 Zu Talbot und Herschel vgl. Schaaf, Out of the Shadows. 119 Vgl. Snyder, „19th Century Photography of Sculpture and the Rhetoric of Substitution“, 23. 120 Vgl. Bader, Gaier und Wolf (Hg.), Vergleichendes Sehen. 121 Vgl. Reichle, „Kunst – Bild – Wissenschaft“, 173–174; Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas (1924–1929) wurde eines der einflussreichsten Beispiele für den Gebrauch von Fotografien als mobile „Stellvertreter“ für Kunstwerke werden. Vgl. Warburg, Der Bilderatlas Mnemosyne. Vgl. auch das letzte Kapitel in diesem Band. 122 ��������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. Parry, „Fabled Bodies“; Ballerini, „Recasting Ancestry“. ������������������������� Talbot war nicht der einzige Fotograf, der Skulpturen für seine Experimente wählte. Bayard sammelte ebenfalls Skulpturen, die er, teilweise auch in Gruppen, sorgsam anordnete und fotografierte. Auch Daguerre arrangierte entsprechende Szenarien. Vgl. Ballerini, „Recasting Ancestry“, besonders 51–52. 123 Vgl. Billeter, Skulptur im Licht der Fotografie, 15. 124 Vgl. Feildings (Lady Elisabeths) Tagebucheintrag vom 12.04.1840, zit. in Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot, 248, Anm. 243. 125 Vgl. Ballerini, „Recasting Ancestry“, 42. Vgl. auch im Zusammenhang mit Talbots Patroclus Wolf, „Es werden Sammlungen jeder Art entstehen“, 33–34. 126 Vgl. das nächste Kapitel. 127 Select Committee Report on the British Museum, 1835, 283–284. Zit. in Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 310; Nichols, Greece and Rome at the Crystal Palace. 128 Mit der Dokumentation der Sammlung im Crystal Palace in Sydenham waren zunächst der Fotograf Philip Henry Delamotte und später die Firma von Negretti und Zambra beauftragt. Vgl. Fawcett, „Plane Surfaces and Solid Bodies“; Kurtz, The Reception of Classical Art in Britain; Kenworthy-Brown, „Plaster Casts for the Crystal Palace, Sydenham“. 129 BM, Misc. Papers, Box J. Vgl. auch Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 310. 130 Vgl. Fifteenth Report of the Science and Art Department of the Committee Council on Education; Williamson, European Sculpture at the Victoria and Albert Museum, 184. 131 Vgl. Hills, James Watt, 234–237. 132 TC, Dok.-Nr. 4015, Talbot an C. Talbot (geb. Mundy), 02.02.1840. 133 Zit. in Johnson (Hg.), Sculpture and Photography. Vgl. auch Brewster, The Stereoscope. Ebenfalls publiziert in Wade, Brewster and Wheatstone on Vision, 218–222. Vgl. auch Silverman, „The Stereoscope and Photographic Depiction in the 19th Century“. 134 Vgl. Brewster, The Stereoscope, 183–186; Wade, Brewster and Wheatstone on Vision, 218–222. Zur Diskussion über das Stereoskop zwischen Talbot und Brewster vgl. TC, Dok.Nr. 6265, Brewster an Talbot, 22.09.1849. Ebenfalls aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt die Erfindung der Foto-Skulptur von Antoine François Jean Claudet (1797– 1867), der die Technik in mehreren Briefen an Talbot erwähnte. Vgl. TC, Dok.-Nr. 8886, Claudet an Talbot, 26.10.1864 und TC, Dok.-Nr. 8891, Claudet an Talbot, 01.11.1864. 135 Vgl. MacGregor, „Antiquity Inventoried“. 136 Vgl. Johnson (Hg.), „The Very Impress of the Object“; Didi-Huberman, La ressemblance par contact.

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137 Talbot machte zwischen 1840 und 1843 mindestens 29 Fotografien von der Statuette. Vgl. Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot, 128. 138 Vgl. Fawcett, „Graphic Versus Photographic in the Nineteenth-Century Reproduction“; Hamber, „The Use of Photography by Nineteenth-Century Art Historians“, 97; Grant, „Time and the Conways“. 139 Vgl. Benjamin, „Kleine Geschichte der Photographie“, 47–64. Benjamin schreibt in „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“: „Die Kathedrale verläßt ihren Platz, um in dem Studio des Kunstfreundes Aufnahme zu finden; das Chorwerk, das in einem Saal oder unter freiem Himmel exekutiert wurde, läßt sich in einem Zimmer vernehmen“, 13. 140 Ibid., 13. 141 Diese Kritik wurde formuliert in Wetzel, „Il Y Aura“, 14. Vgl. ebenso Bredekamp, „Bildmedien“, 360–362. 142 Bergstein, „Lonely Aphrodites“, 476. 143 ��������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. Wilder, „William Henry Fox Talbot und ‚The picture which makes itself‘“, 190; Amelunxen, „Skiagraphia“, 21. 144 Vgl. Bredekamp und Brons, „Fotografie als Medium der Wissenschaft“. 145 Anonym, „ Photographic Copies of Ancient Manuscripts“, 83. 146 Freitag, „Early Uses of Photography in the History of Art“, 119. Die Literatur zur Rolle der Fotografie in der Kunstgeschichte ist umfassend. Vgl. z. B. Nickel, Fotografie im Dienste der Kunst und Dilly, „Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung“. Dilly beschrieb fotografische Reproduktionen, nicht die Kunstwerke selbst, als den Gegenstand der Kunstgeschichte. Vgl. auch Malreaux, Das imaginäre Museum, 32; Ratzeburg, „Mediendiskussion im 19. Jahrhundert“; Matyssek, Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Für den englischsprachigen Raum vgl. Marshall, Photography; Fawcett, „Visual Facts and the Nineteenth-Century Art Lecture“; id. „Graphic Versus Photographic in the Nineteenth-Century Reproduction“; Roberts (Hg.), Art History through the Camera’s Lens; Hamber, „A Higher Branch of the Art“. 147 See Settimelli, Zevi (Hg.), Gli Alinari. 148 Vgl. Ginzburg, „Spurensicherung“. 149 Wölfflin, „Wie man Skulpturen aufnehmen soll“.

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Talbots dreizeilige „Notiz für den Leser“ wurde in The Pencil of Nature auf einem seperaten Zettel zu Beginn des Buches eingefügt. Der Terminus „Index“ stammt aus der Zeichentheorie von Charles Sanders Peirce. Der Index bezeichnet hier die physikalische Beziehung zwischen Ursache und Effekt. Vgl. Peirce, „Division of Signs“. Zum postmodernen Gebrauch des Begriffs in der Fotografietheorie vgl. Krauss, „Notes on the Index“; id. „Notes on the Index, Part 2“. Teile dieses Kapitels wurden auf englisch publiziert in Brusius, „Inscriptions in a ­Double Sense“. Arago, Historique et description des procédes du Daguerréotype et du diorama par Daguerre. Vgl. ebenso Daston und Galison, Objectivity, 34.

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  5 Im nächsten Kapitel wird deutlich, dass die Kalotypie in Frankreich schon wenig später sehr viel häufiger verwendet werden sollte als die Daguerreotypie, da sie die meisten Expediteure aufgrund des geringeren Gewichtes der Ausrüstung und ihrer Reproduzierbarkeit als praktischer empfanden, wenngleich sie auch in puncto Schärfe nicht die Qualität der Daguerreotypie erreichte.   6 Die Fotografie wurde entweder von Talbot selbst aufgenommen oder in seinem direkten Umfeld in der von ihm und Nicolaas Henneman 1843 gegründeten fotografischen Werkstatt, dem Reading Establishment. Im Jahr 1846, in dem die Fotografie entstand, war Talbot zuletzt als Fotograf tätig. Obwohl sein Name auf der Fotografie vermerkt ist, ist also unklar, ob Talbot Auftraggeber der Arbeit oder Autor war. Er schickte seine Negative zwar in die Werkstatt ein, doch Henneman stellte dort auch eigene Negative her. Die Bemerkung „photographed by Mr Talbot’s kindness“ könnte bedeuten, dass Henneman oder ein Mitarbeiter der Werkstatt die Fotografie aufgenommen hat. Vgl. Schaaf, The Photographic Art of William Henry Fox Talbot, 30; Talbot, The Pencil of Nature. Anniversary Facsimile, Introduction. In Talbots Notizbuch Talbotype Establishment Reading von 1846 (BL, Add MS 88942/1/286) ist kein Eintrag zu dieser Fotografie zu finden.   7 Zu einer Auswahl der zahlreichen Publikationen zum Gebrauch der Fotografie in Ägypten im 19. Jahrhundert, etwa durch Francis Frith, vgl. den Epilog in diesem Band.   8 Vgl. Caminos, „The Talbotype Applied to Hieroglyphics“, 68–69.   9 Zum technischen Verfahren der Talbotypie vgl. Taylor, Impressed by Light. 10 Caminos, „The Talbotype Applied to Hieroglyphics“, 68. 11 ���������������������������������������������������������������������������������������� „This Tablet is found a short distance above the Castle of Ibrim in Nubian. It is sculptured high upon a Rock which approaches so close to the River that there is no towing path; and from this circumstance boats seldom go near to the Eastern shore, and this Inscription has continued hitherto unnoticed by Travellers. Accident brought it to my view on the 27 Decr 1845, and on my return from Wady Half I copied it by means of a ladder on the 31st of the same month. / The pictorial representation which heads the Tablet is almost effaced, in consequence of its greater exposure to the corroding effect of the wind, but there remain traces of a Chariot and horses; the King stabbing or spearing a fallen enemy; and an approving Divinity of which the legs alone are visible. A representation somewhat similar to this is not uncommon on Egyptian monuments. / I scratched my name at the bottom of the Tablet in token of possession, and because it may thus be identified.“ Transkription ������������������������������������������������������� von Kelley Wilder, mit Dank für ihre Forschungsnotizen. Die Autorin dankt außerdem Chitra Ramalingam und Larry Schaaf. Harris nahm offenbar an, dass die Nennung seines Namens ihn als Besitzer des Objektes ausweisen würde. Tatsächlich war er jedoch nicht der erste, der die Stele abgezeichnet hatte. Frühere Zeichnungen sind jedoch verschollen. 12 Vgl. TC, Dok.-Nr. 4553, Lepsius an Talbot, 05.08.1842. Der deutsche Ägyptologe Richard Lepsius hatte offensichtlich vor, Bonomi als Zeichner zu beauftragen, und erwähnte ihn in einem Brief an Talbot. Zu Bonomi vgl. Freier, Grundert und Freitag (Hg.), Eine Reise durch Ägypten. Die originale Tuschezeichnung der Stele (Inv.-Nr.  1937–4167, 21,4 × 12,4 cm) sowie ein schmalerer Notizstreifen mit der originalen Tintenaufschrift, der über der Zeichnung platziert war und mit ihr zusammen fotografiert wurde, befindet sich im National Media Museum in Bradford. Legt man beide Gegenstände übereinander, so haben sie zusammen in etwa die Größe des fotografischen Abzugs. In

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Bradford befinden sich außerdem zwei handgeschriebene Blätter mit dem in Tinte geschriebenen Text, der auf der zweiten und dritten Kalotypie von The Talbotype Applied to Hieroglyphics zu sehen ist. Die Tuschekopien könnten nach Bonomis Originalzeichnungen hergestellt worden sein, damit Text und Umrisse auf den Fotografien besser zu erkennen sind. Vgl. Caminos, „The Talbotype Applied to Hieroglyphics“, 68–69. Laut Caminos war die Übersetzung der Inschrift bereits überholt, als Talbots Fotografie entstand. Zur Ägyptologie in Großbritannien im 19. Jahrhundert vgl. Gange, Dialogues with the Dead. Arnold spricht von einer unüberschaubaren Menge. Vgl. Arnold, William Henry Fox Talbot, 158. Caminos erwähnt 25 Kopien. Caminos, „The Talbotype Applied to Hieroglyphics“, 67. Vgl. Caminos, „The Talbotype Applied to Hieroglyphics“, 65. Persönliche Korrespondenz mit Kelley Wilder und Roger Taylor. Zur kulturellen Bedeutung von Schrift vgl. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Vgl. Amelunxen, Die aufgehobene Zeit, 17. Zu den bildlichen Aspekten des Schreibens vgl. Gelb, A Study of Writing, 1; Harris, The Origin of Writing, 76–81. Vgl. Amelunxen, Die aufgehobene Zeit, 60. Wie bereits bei der Skulptur als Motiv war Talbot nicht der einzige Fotograf, der Schrift, Text und Gedrucktes zum Thema seiner frühen fotografischen Experimente machte. Der französische Fotograf Niépce machte z. B. bereits Mitte der 1820er Jahre Kopien von Lithografien. Vgl. Brunet, Photography and Literature, 13. Eine hervorragende Auswahl von Talbots zahlreichen Fotografien, die Schrift thematisieren, findet sich im Katalog des ��������������������������������������������������������������������� Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía und National Museum of Photography Film und Television (Hg.), Huellas de Luz. Talbot, The Pencil of Nature, IX. TC, Dok.-Nr. 4055, Biot an Talbot, 07.03.1840. TC, Dok.-Nr. 4318, Edgcumbe an Talbot, 05.05.1841. TC, Dok.-Nr. 3843, Talbot an Herschel, 21.03.1839. Talbot, The Pencil of Nature, Text zu Plate III. Ibid., Text zu Plate V. Vgl. Hafemann, „Richard Lepsius, William Henry Fox Talbot und die frühe Fotografie“; id. „Preußen und die frühe Fotografie“, 168. Mit Dank an Ingelore Hafemann für die Informationen zu den 2008 wiederentdeckten Berliner Abzügen. Möglicherweise stand Lepsius mit Bonomi in Kontakt, da dieser seine Publikation gestaltete und ihn 1842–1845 auf seiner Expedition nach Ägypten begleitete. Die Talbotypie wurde in Philadelphia durch die deutschen Fotografen W. & F. Langenheim unterstützt. Talbots Fotografien befindet sich im Archiv von Samuel Mortons ethnologischen Aufzeichnungen (Library Company of Philadephia, Samuel George Morton Papers). Vgl. Rogers, „The Slave Daguerrotypes of the Peabody Museum “, 41. Library Company of Philadelphia, Samuel George Morton Papers, Gliddon an Morton, 17.06.1846. Zit. in Rogers, „The Slave Daguerrotypes of the Peabody Museum “, 42. Vgl. TC, Dok.-Nr. 4453, Lepsius an Talbot, 13.03.1842. Vgl. auch Talbots Notizbuch Memoranda, BL, Add MS 88942/1/277 (1840). Hier wird Lepsius als Empfänger von Fotografien aufgelistet, die am 07.03.1842 verschickt wurden. Vgl. TC, Dok.-Nr. 4553, Lepsius an Talbot, Juli 1842.

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33 Vgl. Lepsius Notizenbuch I, 12° Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Inv.-Nr.  84 (fol. 41, 54, 84, 102, 104, 106, 108). Transkription: Elke Freier. Vgl. auch Archiv des Akademienvorhabens Altägyptisches Wörterbuch an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 34 Vgl. Feyler, „Contribution à l’histoire des origines de la photographie archéologique“. 35 TC, Dok.-Nr. 4799, Talbot an Fellows, 11.04.1843. 36 TC, Dok.-Nr. 4802, Fellows an Talbot, 14.04.1843. 37 TC, Dok.-Nr. 4802, Fellows an Talbot, 14.04.1843. 38 TC, Dok.-Nr. 4802, Fellows an Talbot, 14.04.1843. 39 Vgl. TC, Dok.-Nr. 4808, Talbot an Fellows, 26.04.1843. 40 Vgl. Lightman, Victorian Popularizers of Science sowie Fyfe und Lightman, Science in the Marketplace. 41 Vgl. hierzu Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 313. 42 TC, Dok.-Nr. 4858, Talbot an Hawkins, 01.08.1843. Vgl. auch Hamber, „A Higher Branch of the Art“, 368. Hamber verstand diesen Brief irrtümlich als direkt an Fellows adressiert. Die Protokolle der Trustees (vgl. BM, Minutes of the Committee Meetings [im Folgenden: MCM], 1839–1847) verzeichnen Talbots Besuch nicht, wenngleich Fellows in der Sitzung vom 24.06.1843 oft erwähnt wird. Bis zu seiner Tätigkeit als Assyriologe in den 1850er Jahren findet Talbot in den Protokollen des British Museums kaum Erwähnung. 43 TC, Dok.-Nr. 4857, Talbot an Fellows, 01.08.1843. 44 TC, Dok.-Nr. 6436, Fellows an Talbot, 01.08.1843. 45 Wilder, Photography and Science, 13. 46 Vgl. Armstrong, Scenes in a Library, 109. 47 Müller zit. in Solly, Memoir of the Life of William James Müller, 189. 48 Zu Müller, Scharf und Fellows’ Expedition nach Lykien vgl. Smiles, „Art and Antiquity in the Long Nineteenth Century“, 132. 49 Smiles betont, dass dieses Dilemma in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter fortbestand. Ibid. 141. Bohrer irrte in der Behauptung, dass die Fotografie auf Talbots Empfehlung hin auf Expeditionen erfolgreich eingesetzt wurde. ��������������������� Vgl. Bohrer, „Archaeology, Photography, Sculpture“, 43, Anm. 10. 50 Im Juni des folgenden Jahres, 1844, schrieb Fellows an Talbot: „I have taken the copy of which I enclose a tracing from the mould (which become bas-relief & more visible) made at Xanthus from the Greek portion of the Inscribed monument. I enclose you a copy hoping to view your translation. […]“. TC, Dok.-Nr. 5358, Fellows an Talbot, 21.06.1844. 51 TC, Dok.-Nr. 3782, Talbot an Jerdan, 30.01.1839. Interessanterweise schließt Talbot den Brief mit dem Eingeständnis, die Fotografie lediglich begonnen, nicht jedoch perfektioniert zu haben: „I hope it will be borne in mind by those who take an interest in this subject, that in what I have hitherto done, I do not profess to have perfected an Art, but to have commenced one; the limits of which it is not possible at present exactly to ascertain.“ 52 TC, Dok.-Nr. 4799, Talbot an Fellows, 11.4.1843. 53 Vgl. Klamm, „Vom langen Leben der Bilder“; id., Bilder des Vergangenen.

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54 Der Terminus Frühgeschichte (oder frühgeschichtliche Archäologe) wird erst ab den 1850er Jahren verwendet. 55 Briggs, „Review of ‚From Genesis to Prehistory‘“, 474. Eine detaillierte Diskussion zur Geschichte des Dreiperiodensystems in Großbritannien findet sich in Rowley-Conwy, From Genesis to Prehistory, 39. Vgl. auch Briggs, „Prehistory in the Nineteenth Century“, 237–240. 56 Zit. nach Briggs, „Prehistory in the Nineteenth Century“, 238. 57 Zit. nach Rowley-Conwy, From Genesis to Prehistory, 87. 58 Ibid., 99–108. Daraus entstand zusätzlich das Archaeological Institute of Great Britain. Zu den zunehmenden Spannungen und administrativen Problemen in der Zeit der Institutionalisierung der Altertumswissenschaften in London um 1840 vgl. Hingley, „The Society, its Council, the Membership and Publications“, 173, 184–187; Briggs, „Prehistory in the Nineteenth Century“, 244; Levine, The Amateur and the Professional, 7–39; Wetherall, „The Growth of Archaeological Societies“; Murray, „Prehistoric Archaeology in the ‚Parliament of Science‘“. 59 Worsaae, zit. nach Rowley-Conwy, From Genesis to Prehistory, 108–109. 60 Rowley-Conwy vermutet, dass Worsaae den Vortrag mit einem anderen verwechselte, den er 1852 hielt. Ibid., 109. Vgl. ebenso Briggs, „Prehistory in the Nineteenth Century“, 240. 61 Worsaae, zit. nach Rowley-Conwy, From Genesis to Prehistory, 109. 62 Worsaae, zit. nach ibid. 63 Ibid., 119. Vgl. auch Rowley-Conwy, From Genesis to Prehistory, 113, 235–285. Der Autor betont, dass die Diskussion um die Übernahme des Dreiperiodensystems noch zwanzig Jahre andauerte. 64 Vgl. auch Briggs, „Review of ‚from Genesis to Prehistory‘“, 478. Zu wissenschaftlichen Neuerungen und Anormalität in vordisziplinären Perioden vgl. Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, 64. 65 Rowley-Conwy, From Genesis to Prehistory, 109. Vgl. ebenso Briggs, „Prehistory in the Nineteenth Century“, 238, 254.

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Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1. Vgl. Brusius, „Misfit Objects“. Vgl. Brusius, „The Ancient Near East in Storage“. Zu Layard vgl. die Einleitung im vorliegenden Band. Vgl. Layard, Discoveries in the Ruins of Nineveh and Babylon. Tresch, The Romantic Machine, 287; Michael Osborne, „Science in the French Empire“. Vgl. Rudwick, „The Shape and Meaning of Earth History“. Vgl. Frahm, „Images of Assyria in Nineteenth- and Twentieth-Century Western Scholarship“. Vgl. Larsen, „Hincks Versus Rawlinson“, 343.

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10 Nathan Schlanger diskutierte dieses Problem der Ärchaologie der Frühgeschichte zeitgleich am Beispiel von Münzen, die ebenfalls Inschriften tragen. Vgl. Schlanger, „Series in Progress“, 352–353. 11 Diese Vermutung wurde später vom deutschen Assyriologen Eberhard Schrader bestätigt. Vgl. Holloway, „The Quest for Sargon, Pul and Tiglath-Pileser in the Nineteenth Century“; id., „Biblical Assyria and Other Anxieties in the British Empire“, 8–12. 12 Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 2, 327. 13 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, Layard an das British Museum, 24.07.1847. 14 Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1, 343. 15 Larsen erwähnt dieses Problem kurz im Zusammenhang mit Botta, ohne weiter ins Detail zu gehen. Vgl. Larsen, The Conquest of Assyria, 23. 16 BM, Letterbooks (im Folgenden: LB) 7, Dezember 1848–März 1849, 20.07.1848. 17 Layard hielt die Inschriften anfänglich für Duplikate. Nach und nach gelang es ihm, Königsnamen zu identifizieren. Layards eigene Beurteilung seiner Entzifferungskenntnisse sind beschrieben in Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1, 350; Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 2, 180, 188–189. Budge ist sogar der Meinung, dass Layard deshalb zunächst keine Tafeln in Nimrud gefunden habe, weil er nicht verstand, was er vor sich hatte, und die Objekte in dem Glauben, es würde sich um „strange pottery“ handeln, hat liegen lassen. Budge, The Rise and Progress of Assyriology, 83. Vgl. auch Larsen, The Conquest of Assyria, 263–264. 18 Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1, 34. 19 Ibid., 29, 332. 20 Zu Altertum und romantischer Malerei in Großbritannien vgl. Smiles, The Image of Antiquity. 21 Layard, Discoveries in the Ruins of Nineveh and Babylon, 69, 75. Zur ������������������������� archäologischen Technik des „tunnelling“ vgl. Liverani, „La Scoperta Del Mattone“. 22 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, Layard an das British Museum, 24.07.1847. Zu Layards Interesse an Kunst vgl. Lennon, „Layard’s Letters to Morelli“ ; Anderson, „Layard and Morelli“. 23 Vgl. Reade, „Nineteenth-Century Nimrud“, 6. Bleibtreu zufolge gibt es fünfhundert originale Zeichnungen von Reliefs aus dem assyrischen Palast in Ninive, von denen 145 von Layard signiert wurden. Aufgrund ihres Stiles schreibt Bleibtreu Layard noch weitere einhundert Zeichnungen zu. Vgl. Bleibtreu, „Layard’s Drawings of Assyrian Palace Reliefs“. Layards Zeichnungen werden im Department of the Middle East des British Museums verwahrt, Inv.-Nr.  Or Dr. I 58–61. Weitere Manuskripte und Druck­ fahnen zu Layards Discoveries in the Ruins of Nineveh and Babylon befinden sich in der National Library of Scotland, John Murray Archive, MS 42353, MS 43356 (346B) (2), MS. 42355, 1847–1853. 24 Zu diesem Bild vgl. auch Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 144. 25 Ibid., 144–145. Zur Senkung des großen Stieres vgl. auch Larsen, The Conquest of Assyria, 126–127. Layards eigener Bericht findet sich in Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1, 81–85. 26 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 08. 01. 1848. 27 Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1, 349. 28 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 08. 01. 1848.

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BM, LB 7, Dezember 1848–März 1849, British Museum an Rawlinson, 15.12.1848. Vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 142–154. BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, Januar 1848. Vgl. Holloway, „Biblical Assyria and Other Anxieties in the British Empire“, 5. Zur Bedeutung der Bilder für die Publikation vgl. die ausführliche Korrespondenz ­zwischen Layard und Murray in der National Library of Scotland, John Murray Archive (MS 42341, fol. 13–15, 17–18, 29–30, 33–34). Vgl. auch BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 29.01.1848 und 15.04.1848. Zu Bildern in der Illustrated London News vgl. Bohrer, „The Times and Spaces of History“, 207–208. ILN, 31.03.1849, 213. Vgl. Esposito, „Dalziels’ Bible Gallery (1881)“, 269; Holloway, Orientalism, Assyriology and the Bible, 14. Zu diesem Aspekt und zum westlichen Exotismus vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 132–167. Shawn Malley zählt drei Reaktionen auf Layards Ausgrabungen in der Presse auf: „providing material proof of biblical history, forging cultural continuity with antiquity, and celebrating Britain’s colonial history“. Malley, „Austin Henry Layard and the Periodical Press“, 164. Vgl. Layards Korrespondenz mit Henry Ellis, Hauptbibliothekar des British Museums, 1849–1852, BL, Add MS 38978, fol. 322. BM, LB 7, Dezember 1848–März 1849, 20.07.1848. Vgl. z. B. Rawlinsons Korrespondenz mit den Mitarbeitern der Ausgrabungen, beispielsweise die drei Briefe an Rawlinson 1845–1847, BL, Add MS 47658, fol. 11, 12–16b, 18, 22. Reade, „Nineteenth-Century Nimrud“, 9, 10. Zu Cooper vgl. BL, BL, Add MS 38942, fol. 23, Layard an Ellis, Mossul, 18.03.1850, sowie weitere Korrespondenz zwischen Layard und Ellis, BM, LB 7, Dezember 1848–März 1849, 13.03.1850 und 23.04.1850; BL, Add MS 38979 fol. 14., 142, 167, 327. Vgl. auch Bohrer, „The Times and Spaces of History“, 213, 217; Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 183, 187–191. Vgl. Curtis, „A Victorian Artist in Assyria“, 176. Layard hat möglicherweise einige Zeichnungen selbst angefertigt. Vgl. Bleibtreu, „Layard’s Drawings of Assyrian Palace Reliefs“, 197. Curtis, „A Victorian Artist in Assyria“, 176. Curtis untersuchte 28 bisher unbekannte Grafiken Coopers, 27 Aquarelle und eine Tuschzeichnung, die kurz vor seiner Publika­ tion vom British Museum erworben wurden. Einige Einträge in Coopers Tagebuch, ebenfalls im Besitz des British Museums, können mit diesen Skizzen in Verbindung gebracht werden. Coopers Tagebucheintrag vom 29.01.1850, zit. in ibid., 177. Vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 189. Vgl. ibid., 183; ILN, 09.08.1851, 174. Badger, The Nestorians and Their Rituals, Bd. 1, 7. Badger war britisch-anglikanischer ­Missionar in Ostmesopotamien. BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 24.10.1850.

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49 BL, Add MS 38979, fol. 353, Ellis an Layard, 16.11.1850. Eine Abschrift befindet sich im British Museum, LB 8, Februar 1850–Juni 1852. 50 Vgl. dazu verschiedene Briefe in der British Library, Add MS 38979, fol. 14, 142, 167, 327; BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 14.10.1850. Zu Bell vgl. auch Reade, „NineteenthCentury Nimrud“, 10; Larsen, The Conquest of Assyria, 276, 287–290, 308–310. Bells Lebensdaten sind unbekannt. 51 BL, Add MS 38979, fol. 357, 358, Ellis an Bell, 09.09.1850. Eine Abschrift befindet sich im British Museum, LB 8, Februar 1850–Juni 1852. 52 ���������������������������������������������������������������������������������� Das Oxford English Dictionary von 1844 definiert „Talbotype“ im gleichnamigen Eintrag sowohl als Prozess als auch als Produkt: „The process of photographing on sensitized paper, patented by W. H. Fox Talbot in 1841: = calotype n.; also, a picture produced by this process.“, ibid. 53 BM, LB 8, Februar 1850–Juni 1852, Ellis an Hamilton, 01.11.1850. 54 BL, Add MS 38979, fol. 359, 360, Ellis an Layard, 18.11.1850. 55 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 24.10.1850. Layard hatte Bells Tod bekannt gegeben, vgl. BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 08.02.1851 und 21.06.1851; BM, Original Papers (im Folgenden: OP), Januar 1851–Juni 1851, 23.05.1851; BM, OP, Juli–Dezember 1851, Rassam an Ellis, 23.06.1851; BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 09.08.1951. Vgl. auch die Briefe BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 20.09.1851 und 08.11.1851; BM, LB 8, Februar 1850–Juni 1852, Ellis an die Lords Commissioners of the Majesty’s Treasury, 21.09.1851. 56 Ellis an Layard, 24.11.1851, LB 8 , Februar 1850 – Juni 1852, BM. 57 Ellis an Rawlinson, 13.12.1851, BM, LB 8, Februar 1850–Juni 1852, sowie 22.11.1851, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, BM. Vgl. auch Gadd, The Stones of Assyria, 78; Reade, „Nineteenth-Century Nimrud“, 10. Hodder (Lebensdaten unbekannt) war von dem Maler William Newton ausgebildet worden, wobei unklar bleibt, woher Newton seine fotografischen Fähigkeiten erworben hatte. Ein Briefwechsel zwischen Talbot und Newton ist nicht bekannt. 58 Einige von Hodder signierte Zeichnungen befinden sich im Department of the Middle East im British Museum, Inv.-Nr.  Or Dr. I 58–61. Dort befinden sich auch Zeichnungen von William Boutcher (siehe zu ihm den Abschnitt „Drawings or photographs“ in ­diesem Kapitel). Einige könnten von Layard selbst sein (z. B. S. 33, Grand Entrance ­Koujuncik, Nr. 10.11.12). Dafür spricht, dass sich einige unsignierte Zeichnungen von Hodders signierten Zeichnungen (z. B. auf S. 9) stilistisch unterscheiden. 59 BM, OP, Januar–September 1853. 60 Talbot, The Pencil of Nature, Text zu Plate III. 61 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 12.06.1852. 62 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 09.04.[1853?]. Trotz der plötzlichen Anordnung der Kuratoren scheint Hodder noch einige Zeit (bis Anfang 1854) in Mesopotamien geblieben zu sein. 63 BM, OP, Oktober 1853–Mai 1854, Rassam an Rawlinson, 19.01.1854. 64 BM, OP, Oktober 1853–Mai 1854, Rawlinson an Ellis, 23.03.1854. 65 BM, LB 8, Februar 1850–Juni 1852, Ellis an Layard, 25.06.1851. 66 BM, OP, Januar–September 1853, J. Vaux an M. R. Hamilton, 4.3.1853; BM, OP, Oktober 1853–Mai 1854, Rassam an Rawlinson, 05.01.1854. Mitte der 1850er Jahre zog man die

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ANMERKUNGEN

Lithografie für das Drucken von Keilschrift dem Kupferstich vor. Vgl. Rawlinson, „Memorandum on the Publication of the Cuneiform Inscription“ (BM, OP, Juli 1855– März 1856, 18.07.1855). 67 Vgl. Gascoigne, How to Identify Prints. Dieses Problem wird auch ausführlich diskutiert bei Daston und Galison, Objectivity, 125–138 Vgl. auch Belknap, „From a Photograph“. 68 Vgl. Rawlinson, „Memorandum on the Publication of the Cuneiform Inscription“ (BM, OP, Juli 1855–März 1856, 18.07.1855). 69 Reade, „Nineteenth-Century Nimrud“, 18. 70 Vgl. Reade, „Restructuring the Assyrian Sculptures“, 617–618. 71 Bohrer, „The Times and Spaces of History“, 203; id., Orientalism and Visual Culture, 154–167. Zum Kunststatus der Skulpturen siehe Larsen, The Conquest of Assyria, 99–107. 72 Bohrer, „The Times and Spaces of History“, 210. 73 Ibid., 204. 74 Vgl. Larsen, The Conquest of Assyria, 111, 192. 75 Vgl. Bohrer, „Inventing Assyria“, 342–345; Reade, „Reflections on Layard’s Archaeo­ logical Career“, 48. 76 Brusius, „Misfit Objects“ und id. „The Ancient Near East in Storage“. 77 Vgl. Bohrer, „The Times and Spaces of History“, 212. 78 BM, LB 7, Dezember 1848–März 1849, 20.07.1848. 79 Zur wandelnden Bedeutung des wissenschaftlichen Reisens um 1800 vgl. Cooper, „From the Alps to Egypt (and back again)“; Kuklick, Science in the Field. 80 Schnapp, The Discovery of the Past, 304, 308. Vgl. auch Pearson, „A. H. Layard’s ‚Nineveh and its Remains‘“, 57. 81 Evans, „‚Delineating Objects‘“, 271. 82 Ibid. 83 Vgl. Rudwick, „The Emergence of a Visual Language for Geological Science 1760–1840“. Vgl. ebenso O‘Connor, The Earth on Show, 330–335. 84 Schnapp, The Discovery of the Past, 303–304. Vgl. auch Schlanger, „Series in Progress“, 344–350. 85 Rudwick, „The Emergence of a Visual Language for Geological Science 1760–1840“, 152. Zu Darwins Einsatz von Bildern, vgl. Voss, Darwins Bilder. 86 Ibid., 173–174. 87 ����������������������������������������������������������������������������������� Darwin im „Journal of Researches“, 208, zit. nach Rachootin, „Owen and Darwin Reading a Fossil“, 159. 88 Zur Rolle der Fotografie im wissenschaftlichen Vergleich vgl. das letzte Kapitel in diesem Band. 89 Rachootin, „Owen and Darwin Reading a Fossil“, 168. 90 Vgl. Secord, „The Discovery of a Vocation“, 144–150. 91 Rachootin, „Owen and Darwin Reading a Fossil“, 173. 92 Ibid., 179. 93 Karin Knorr Cetina untersuchte dieses Phänomen am Beispiel der Astronomie. Knorr Cetina, „The Couch, the Cathedral and the Laboratory“, 117–118. 94 So werden z. B. Fotografien im Zusammenhang mit Aufträgen für Bilder bei den Ausgrabungen des britischen Geologen William Loftus (1820–1858) in Susa (heute im süd-

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westlichen Iran) erwähnt (BM, LB 8, Februar 1850–Juni 1852, Ellis an Rawlinson). Die in den Berichten erwähnten Fotografien konnten nicht identifiziert werden.   95 Vgl. BM, Department of the Middle East, Or Dr. VII, The Royal Asiatic Society Portfolio, Abb. XX und XXVI. Die Fotografien wurden dem British Museum in einer Kiste mit Zeichnungen und anderen Materialien von der Royal Asiatic Society vermacht, welche ­diese vom Assyrian Excavation Fund erhalten hatte. Es könnten weitere Zeichnungen und Fotografien existiert haben, die aber 1916 verschwunden sind. Von zwei Fotografien, deren Originale verloren gegangen sind, existieren moderne Abzüge. Die zwei einzigen verbliebenen Originale konnten aufgrund ihres verblichenen Zustands nicht reproduziert werden. Die Fotografien sind neben Zeichnungen von Boutcher besprochen und reproduziert in Barnett, Sculptures from the North Palace of Ashurbanipal at Nineveh, XI, 40, 47, Tafeln XX and XXXVI. Mit Dank an Julian Reade und Nigel Tallis.   96 Auszug aus dem Vertrag mit dem Künstler, BM, OP, Juni–Dezember 1854 (nicht datiert).   97 Boutcher war anfänglich unzufrieden mit den Konditionen seiner Anstellung. Schließlich akzeptierte er die Bedingungen seiner Vorgänger, welche auch die Eigentums­ rechte an seinen Bildern betrafen. So forderte Rawlinson, „that all his drawings, Photographs, copies of inscriptions &c are the property of the Museum.“ BM, OP, Juni–Dezember 1854, Rawlinson an Ellis, 03.10.1854.   98 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 08.04.1854. Zu Boutcher vgl. ebenso Larsen, The Conquest of Assyria, 325. Boutchers Kamera wird auch erwähnt bei Reade, „NineteenthCentury Nimrud“, 10 und Barnett, Sculptures from the North Palace of Ashurbanipal at Nineveh, XI.   99 Vertrag mit dem Künstler, BM, OP, Juni–Dezember 1854 (nicht datiert). 100 Zur Vielfalt der Medien vgl. Klamm, „Bilder im Wandel“; Lewuillon, „Positif/Négatif“. 101 Der Ausdruck „drawings or photographs“ findet sich auch in BM, OP, Januar–Juni 1855, Rawlinson an Ellis, 05.02.1855. 102 BM, LB 10, Oktober 1853–Januar 1856, Rawlinson an Ellis (nicht datiert). Vgl. auch ­Reade, „Nineteenth-Century Nimrud“, 17. 103 Rawlinson hatte offenbar Verstädnis für die Situation und bat das Museum wegen des Fotoapparats, den Boutcher verlangte, um Hilfe: BM, OP, Januar–Juni 1855, Rawlinson an Ellis, 05.02.1855. Siehe auch BM, OP, Juni–Dezember 1854, Loftus an Rawlinson, 28.09.1854 (als Antwort auf einen Brief von Rawlinson an Loftus, 20.09.1854). 104 Julian Reade, „New Lives for Old Stones“, 168. Die Stiche wurden ersmals publiziert in ILN, 16.08.1856, 178 und 15.11.1856, 502. Vgl. auch Mirjam Brusius, „Le Tigre, le Louvre et les échanges de connaissances archéologiques visuelles entre la France et la GrandeBretagne aux alentours de 1850“. 105 Reade, „New Lives for Old Stones“, 165. Ein Beispiel befindet sich in ILN, 24.05.1856, 553. 106 BM, OP, Juni–Dezember 1854, Loftus an Rawlinson, 28.09.1854 (als Antwort auf einen Brief von Rawlinson an Loftus, 20.09.1854). 107 Zu Flandin vgl. Albenda, „Les dessins de Flandin“; Demange, „Eugène Flandin“. 108 Reade, „Les Relations Anglo-Française en Assyrie“, 124. 109 Botta an Mohl, 05.10.1843, zit. nach Chevalier und Lavédrine, „Débuts de la photographie et fouilles en Assyrie“, 196.

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ANMERKUNGEN

110 Vgl. ibid.; Archives Nationales (im Folgenden: AN), F 21, 546, Place an den Ministre de l’intérieur, 09.09.1851. Vgl. auch Pillet, Un pionnier de l’assyriologie; Chevalier, „Victor Place: consulat et archéologie“. 111 Ziegler, „Sur le terme Héliographie“. Vgl. auch Batchen, „The Naming of Photography“. 112 Pillet, Un pionnier de l’assyriologie, 106; Lacan, „La Mission de M. Place“, 3. 113 AN, F 21, 547, Place rapport Nr. 41, 18.12.1855. Auch zit. in Chevalier und Lavédrine, „Débuts de la photographie et fouilles en Assyrie“, 196. 114 Einige Fotografien könnten von Place selbst oder von Félix Thomas sein. Wahrschein­ licher ist jedoch, dass die Abzüge von Tranchand stammen, dessen Lebensdaten unbekannt sind. Vgl. Pillet, Un pionnier de l’assyriologie, 105, 111; Chevalier und Lavédrine, „Débuts de la photographie et fouilles en Assyrie“. Trachand wird auch kurz erwähnt (jedoch nicht ausführlicher behandelt) in Perez, Focus East, 227; Larsen, The Conquest of Assyria, 307–309, 314, 351. Die meisten der Fotografien Tranchands sind verloren. Einige der Originalabzüge sind am Collège de France in Paris verwahrt. Moderne Abzüge finden sich in den AN, F. 546 and 547. Beide Institutionen besitzen auch handschriftliches Material, das mit den Grabungen im Zusammenhang steht (darunter Briefe, Tagebücher und Berichte). 115 Bei Chevalier finden sich diverse Beschreibungen der Probleme, mit denen die fran­ zösischen Archäologen, insbesondere Place, konfrontiert waren. Vgl. Chevalier, „De Khorsabad à Paris“. 116 ������������������������������������������������������������������������������������� AN, F 21, 546, Rapport Nr. 7. Vgl. ������������������������������������������������������� auch Chevalier und Lavédrine, „Débuts de la photographie et fouilles en Assyrie“, 208. 117 Vgl. AN, F 21, 546, Rapport Nr. 7. und ibid., 196. 118 Katja Müller-Helle spricht von einer fotografischen Verschiebung um 1850 „weg von einer Detailgenauigkeit hin zu einer mathematisch genauen Übertragung von topografischen Gegebenheiten“ nach denen nicht nur Architekturen, sondern auch Karten rekonstruiert wurden. Vgl. Müller-Helle, „Präzise Bilder“, 103. 119 Place, Nineve et l’Assyrie. 120 Bohrer, „Edges of Art“, 225–226; Daston und Galison, Objectivity, 125–138. 121 Bohrer, „Edges of Art“, 226. 122 Chevalier und Lavédrine, „Débuts de la photographie et fouilles en Assyrie“, 211. 123 ������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. Micale, „European Images of the Ancient Near East at the Beginnings of the Twentieth Century“, 194. 124 Pinney zeigte anhand der Anthropologie, wie sehr sich Fotografie und Malerei in ihrer Symbolik ähnelten. Pinney, „The Parallel Histories of Anthropology and Photography“, 84. 125 Vgl. Boyer, „La Mission Héliographique“. 126 Mit Dank für die persönliche Korrespondenz an Julian Reade. Vgl. auch Reade, „New Lives for Old Stones“, 164. In seiner Publikation von 1857 erwähnte der damalige Leiter der Ausgrabungen William Loftus keine Fotografien, obwohl er Boutchers Einsatz und vor allem seine Zeichnungen und Grundrisse würdigte. Vgl. Loftus, Travels and Researches in Chaldæa and Susiana, Preface. Vgl. auch BM, OP, Juli 1855–März 1856, Loftus an Ellis, 28.12.1855. Gadd nimmt ebenfalls an, dass von Boutcher keine Fotografien gemacht wurden. Vgl. Gadd, The Stones of Assyria, 111. 127 Vgl. auch Reade, „Les relations Anglo–Française en Assyrie“, 134.

TALBOT UND FENTON AM BRITISH MUSEUM

128 Louvre, Archives des Musées nationaux, Antiques orientales, A4, Brief von Boutcher an den Louvre (His Imperial Majesty), 09.08.1855. 129 BM, OP, Juli 1855–März 1856, Loftus an Ellis, 16.10.1855. Nicht nur der Austausch fotografischer Techniken, sondern auch der von Objekten und Bildmaterial zwischen Paris und London kommt in der Forschung zu kurz. Der Austausch war jedoch nicht immer beabsichtigt. So kam es vor, dass Objekte versehentlich statt nach London nach Paris verschickt wurden. Vgl. Brusius, „Le Tigre, le Louvre et les échanges de connaissances archéologiques visuelles entre la France et La Grande-Bretagne aux alentours de 1850“. 130 Vgl. Tresch, „The Daguerreotype’s First Frame“. 131 Levitt, The Shadow of Enlightenment, 150. 132 Vgl. ibid., 152. 133 Zur Geschichte der britischen Kalotypie vgl. Taylor, Impressed by Light. Zur Geschichte der Kalotypie in Frankreich vgl. Aubenas und Roubert (Hg.), Primitifs de la photographie: Le calotype en France, 1843-1860 und Jammes, Art of French Calotype. Für eine Kritik des kunsthistorischen Ansatzes von Jammes vgl. den kritischen Beitrag von SolomonGodeau, „Calotypomania“. 134 Pearson, „A. H. Layard’s ‚Nineveh and its Remains‘“, 58. 135 Pomian, Der Ursprung des Museums. 136 Für eine Kritik an Pomians Ansatz vgl. Schaffer, „Object Lessons“, 61–62; Alberti, „Objects and the Museum“, 567 und Brusius, „The Ancient Near East in Storage“. Zu den Funden aus Mesopotamien im British Museum vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 106. 137 Alberti, „Objects and the Museum“, 567.

TALBOT UND FENTON AM BRITISH MUSEUM 1 TC, Dok.-Nr. 6965, Talbot an Hawkins, 19.05.1854. 2 ������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. u. a. TC, Dok.-Nr. 8728, Talbot an Panizzi, 19.11.1863. Die meisten dieser Briefe gingen an Antonio Genesio Maria (Anthony) Panizzi, der zunächst Leiter der Bibliothek war und 1856 Ellis’ Nachfolge als Hauptadministrator des Museums antrat. Vgl. Cowtan, A Biographical Sketch of Sir Anthony Panizzi, 61, 81. 3 Die Fotoserie, die sich in der Talbot Collection der British Library befindet, besteht aus fotografischen Vor- und Rückansichten einer Reihe assyrischer Keilschrifttafeln (K. 50–278). Die K-Nummer, die auch auf den Fotografien zu sehen sind, bezieht sich auf Kuyunjik-Sammlung. 4 Zur Zuschreibung siehe auch die Sitzungsprotokolle der Trustees, BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 12.12.1854. Talbot schien bei Fentons Ausbildung als Fotograf nicht beteiligt gewesen zu sein. 5 Wilder, Photography and Science, 13. Bereits publizierte, leicht abweichende Versionen dieses Kapitels finden sich in Brusius, „Experimente ohne Ausgang“; id., „From Photographic Science to Scientific Photography“. 6 Geimer, „Photographie und was sie nicht gewesen ist“, 137. 7 ���������������������������������������������������������������������������������� Zur Fotografie am British Museum vgl. Hannavy, „Roger Fenton and the British Museum“; Date, „Photographer on the Roof“; Date und Hamber, „The Origins of Photography

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ANMERKUNGEN

at the British Museum“; Hayward Gallery, Roger Fenton. Date ����������������������������� und Hamber berücksichtigen in ihrer Studie auch die sozialen und institutionellen Strukturen im Museum und machen diese, nicht nur die Fotografie selbst, für deren Ausbleiben verantwortlich. Vgl. auch Hamber, „A Higher Branch of the Art“, 377 und Kreutler, „Sonnenlicht und ­Druckerschwärze“, 17. Die Fotografie der Keilschrifttafeln wird an wenigen Orten zwar erwähnt, doch nirgends weiter untersucht.   8 Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 309.   9 Zit. in Outram, „New Spaces in Natural History“, 260–261. 10 Vgl. Date, „Photographer on the Roof“; Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 309. 11 Vgl. Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 309; Forgan, „Building the Museum“; Pickstone, „Museological Science?“, 119–120. 12 Vgl. Bennett, „Museums and the Establishment of the History of Science at Oxford and Cambridge“; Forgan, „Building the Museum“. 13 ������������������������������������������������������������������������������������ Vgl. den Abschnitt “London 1843“ und Hingley, „The Society, its Council, the Membership and Publications“, 173, 184–187. 14 Vgl. Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 309, 323. 15 Talbots Notizen auf Fentons Fotografien scheinen sich auf keine bestimmte Publikation zu beziehen, jedoch könnte es sich um Studien für seinen Assyrian Glossary (1868, 1870 und 1873) handeln. Für diesen Hinweis danke ich Eleanor Robson. 16 TC, Dok.-Nr. 6965, Talbot an Hawkins, 19.05.1854. 17 Vgl. Schaaf, Out of the Shadows. Zu den Ereignissen um 1839 vgl. jüngst Wolf, „Nature as Drawing Mistress“. 18 Vgl. Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 315. 19 Ibid. Lediglich einige Aufträge, Schenkungen und Käufe werden verzeichnet. Die detaillierte und pedantische Natur der Sitzungsprotokolle am British Museum suggeriert, dass jegliche fotografischen Aktivitäten ins Protokoll aufgenommen worden wären, wenn diese stattgefunden hätten. Eine Aufarbeitung der umfangreichen fotografischen Bestände in den verschiedenen Abteilungen des British Museums steht noch aus. 20 Vgl. Brusius, „Inscriptions in a Double Sense“ und das Kapitel „London 1843“ in diesem Band. 21 TC, Dok.-Nr. 6668, Talbot an Parsons (Lord Rosse), 30.11.1852. 22 Die Korrespondenz zwischen Talbot und Lord Rosse greift das Thema Patent in dreizehn Briefen immer wieder auf. Vgl. TC. Zu Talbot und Patenten vgl. Arnold, William Henry Fox Talbot, 175–216; Adamson, „Early British Patents in Photography“; Blaschke, Photography and the Commodification of Images, 5–6; Schaffer, „Commentary“, 282–283. 23 Vgl. Schaaf, „The Caxton of Photography“; Ramalingam, „The Most Transitory of Things“. 24 Vgl. Schaffer, „On Astronomical Drawing“; Nasim, „Observation, Working Images and Procedure“. Zu weiteren Versuchen der Nebelaufzeichnung vgl. Nasim, Observing by Hand. 25 TC, Dok.-Nr. 6914, Talbot an Parsons, 05.02.1854. 26 Vgl. Schaffer, „The Leviathan of Parsonstown“.

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27 TC, Dok.-Nr. 6909, Parsons an Talbot, 02.02.1854. Vgl. auch Davidson, Impressions of an Irish Countess. 28 TC, Dok.-Nr. 6914, Talbot an Parsons, 05.02.1854. 29 TC, Dok.-Nr. 6915, Parsons an Talbot, 08.02.1854. 30 TC, Dok.-Nr. 6918, Talbot an Parsons, 11.02.1854. 31 Die Würdigung von Zeichnungen war zu dieser Zeit keineswegs ungewöhnlich. Im selben Jahr als Talbots The Pencil of Nature erschien, sprach sich Charles Piazzi Smyth in On astronomical drawings für möglichst naturgetreue und exakte Zeichnungen aus: Smyth, „On Astronomical Drawing (Reprint)“. 32 �������������������������������������������������������������������������������� Schaffer, „On Astronomical Drawing“, 455. Schaffer bemerkt: „astronomical competence could only be checked against the instrument and drawings of a known object, but drawings were used to check whether instruments were reliable and celestial objects had changed.“ (ibid.). Vgl. auch Pang, „The Industrialization of Vision in Victorian Astronomy“, 20. 33 Schaffer, „On Astronomical Drawing“, 449, 465–466. Leider sind von Hunter keine genauen Lebensdaten bekannt (die Verfasserin dankt Omar Nasim). 34 Vgl. Pang, „The Industrialization of Vision in Victorian Astronomy“, 22, 24; Pang, „Victorian Observing Practices, Printing Technologies, and Representations of the Solar Corona (I)“, 270–272. 35 Zu Reproduktionstechniken in der Astronomie vgl. Pang, „Technologie und Ästhetik der Astrofotografie“. 36 Vgl. Nasim, „Zeichnen als Mittel der ‚Familiarization‘“. 37 Das Zeichnen der Gestirne wurde in den 1850er und 1860er Jahren konstant vorangetrieben. Die Bilder wurden als akkurat und somit als effizient empfunden. Vgl. Nasim, „The ‚Landmark‘ and ‚Groundwork‘ of Stars“. 38 Vgl. Pang, „Victorian Observing Practices, Printing Technologies, and Representations of the Solar Corona (I)“, 270–272; Klamm, „Bilder im Wandel“. 39 Bredekamp, Galilei der Künstler, 337. 40 Talbot, The Pencil of Nature, Tafel XIII. 41 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 15.05.1852. Siehe auch Date und Hamber, „The Origins of Photography at the British Museum“, 316. 42 BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 15.05.1852. Auch zit. in ibid. 43 Vgl. Robson, „Bel and the Dragons“, 212. 44 Klamm, „Bilder im Wandel“. 45 TC, Dok.-Nr. 6644, Parsons an Talbot, 13.06.1852. 46 Vgl. Wilder, Photography and Science, 78. 47 James Secord, „Extraordinary Experiment“, 338. 48 Jan von Brevern zeigte diese Problematik jüngst anhand der frühen Alpenfotografie Aimé Civiales und der Geologie: Seine Bildern handelten „von Bergen, die als wissenschaftliche Objekte noch gar nicht so scharf definiert sind, wie man vielleicht denken könnte. Wenn man sich noch gar nicht sicher war, nach was man genau suchte, wie sollte man dann wissen, ob nicht auch ein solches Bild – trotz Nebel und Wolken – einmal entscheidende Hinweise würde liefern können? Erst im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte sollte deutlicher werden, wie eine gelungene geologische Fotografie überhaupt auszusehen hatte, welche Bedingungen erfüllt sein mussten, damit ein Bild

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wissenschaftlich nutzbar war.“ Von Brevern, Blicke von Nirgendwo, 57. Vgl. auch ibid., 234 zum „epistemischen Optimismus“: „Fotografien würden Antworten auf Fragen geben können, die man zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht einmal gestellt hatte.“ Bernd Stiegler spricht von einer Unruhe der Begriffe und einer Unordnung in der Frühzeit der Fotografie, da die Bilder nicht kompatibel mit Vorgängermedien schienen. Stiegler, Theoriegeschichte der Photographie, 17. Vgl. Schaffer, „Where Experiments End“, 269; Wilder, Photography and Science, 55. Wilder, Photography and Science, 64. BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 11.03.1854. Vgl. auch Hannavy, Roger Fenton of Crimble Hall, 34. Vgl. BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 11.03.1854; Hannavy, Roger Fenton of Crimble Hall, 34. Vgl. Lechtreck, „Evolution vor der Kamera“. Vgl. ibid. Es sind mindestens fünf Sets von jeweils fünfzig auf Karton aufgezogenen Fotografien der Keilschrifttafeln bekannt, davon mind. eines im Middle East Department des British Museums, die vermutlich dazu gedacht waren, an verschiedene Wissenschaftler geschickt zu werden. Am 10.10.1854 fragte der Assyriologe Friedrich Rietschl aus Bonn das British Museum nach einem Set der Fotografien (BM, OP, Juni–Dezember 1854 und BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, jeweils 10.10.1854). Julius Oppert in Paris erhielt ebenfalls Kopien (BM, MCM, C 7, Juli 1855–Juli 1862, 26.08.1855; Ms 5677, Inscriptions cunéiformes. Photographies envoyées le 27 mai 1857, par Jules Oppert), Institut de France, Paris. BM, MCM, C 6, April 1847–Juli 1855, 13.05.1854. Ibid. BM, MCM, C 7, Juli 1855–Juli 1862, 26.04.1856. Wilder, Photography and Science, 83. Auch Nathan Schlager stellte implizit die Frage, wozu die Fotografie um 1850 gut war. Vgl. Schlanger, „Series in Progress“, 348–349. TC, Dok.-Nr. 5007, Talbot an Panizzi, 07.12.1856 sowie zahlreiche weitere Briefe. BM, MCM, C 7, Juli 1855–Juli 1862, 22.11.1856. Larsen, The Conquest of Assyria, 50, 203, 208, 215–227. TC, Dok.-Nr. 92, Panizzi an Talbot, 12.01.1857. Viele Briefe (vgl. TC) und einige Notizbücher geben Zeugnis von diesem Vorfall. Eine kritische Sicht auf Talbots Rolle im British Museum bietet Robson, „Bel and the Dragons“. BM, MCM, Juli 1855–Juli 1862, 13.12.1856. BM, MCM, Juli 1855–Juli 1862, 10.01.1857. TC, Dok.-Nr. 8233, Panizzi an Talbot, 31.10.1860. TC, Dok.-Nr. 8756, Panizzi an Talbot, 31.10.1860. TC, Dok.-Nr. 8776, Panizzi an Talbot, 23.12.1863. Vgl. Caygill, The Story of the British Museum, 40. Vgl. Outram, „New Spaces in Natural History“. Vgl. Pickstone, „Museological Science?“; Yanni, Nature’s Museums, 11–12; Forgan, „Building the Museum“. Vgl. auch Secord, Victorian Sensation, xii. Zur Bedeutung Londons in der viktorianischen Wissenschaft vgl. Rudwick, „Charles Darwin in London“; Morus, Schaffer, Secord, „Scientific London“.

EPILOG

74 Tucker, „The Historian, the Picture, and the Archive“. Zu Fotografien als mobile Objekte und als Zeugnisse kuratorischer Praxis im 19. und frühen 20. Jahrhundert vgl. Edwards und Hart, „Introduction“; Edwards, „Mixed Box“; id., „Material Beings: Objecthood and Ethnographic Photographs“ und id., „Photographs and the Sound of History“. 75 Vgl. Fyfe, „Reading Natural History at the British Museum and the Pictorial Museum“, 197; Hamber, „A Higher Branch of the Art“, 382; Barton, „Men of Science“. 76 Wilder, Photography and Science, 84.

EPILOG   1 Vgl. Frith, The Holy Bible; Van Haaften, Egypt and the Holy Land in Historic Photographs; Nir, The Bible and the Image; Nickel, Francis Frith in Egypt and Palestine; Esposito, „Dalziels’ Bible Gallery (1881)“; Brusius, „Re-inventing Sinai“.   2 Vgl. Caygill, The Story of the British Museum, 40; Hamber, „A Higher Branch of the Art“, 384–387.   3 TC, Dok.-Nr. 9623, Talbot an Birch, 18.03.1870.   4 Vgl. Kommentar zu TC, Dok.-Nr. 9623, Talbot an Birch, 18.03.1870.   5 Thompson, A Catalogue of a Series of Photographs, Preface.   6 Vgl. den Abschnitt „Talbots Mindset“ in diesem Band.   7 Vgl. Damrosch, The Buried Book. Eine ähnliche Diskussion zur Beweisführung der Sintflut fand in der Paläontologie um 1700 statt. Hier wurde die Natur als Zeugin herangezogen, um den Wahrheitsgehalt der Bibel zu beweisen. Vgl. Rudwick, The Meaning of Fossils, 83–95; Gillispie, Genesis and Geology, 41–72.   8 TC, Dok.-Nr. 367, Talbot an Thompson, 11.12.1872.   9 TC, Dok.-Nr. 6685, Thompson an Talbot, 20.12.1872. Vgl. auch den Brief vom Vortag: TC, Dok.-Nr. 6664, Thompson an Talbot, 19.12.1872. 10 Smith, Chaldaen Account of the Deluge. 11 TC, Dok.-Nr. 9821, Birch an Talbot, 01.11.1871. 12 TC, Dok.-Nr. 6134, Schrader an Talbot, 07.03.1874. 13 Delitzsch, Assyrische Lesestücke. Das Buch war für die nachfolgenden fünfzig Jahre das einflussreichste Textbuch zur Assyriologie. Es erreichte fünf Auflagen. 14 TC, Dok.-Nr. 9808, Norris an Talbot, 22.09.1871. 15 Für diesen Hinweis dankt die Verfasserin Lorraine Daston. 16 TC, Dok.-Nr. 5973, Oppert an Talbot, 03.04.1872. 17 TC, Dok.-Nr. 9956, Talbot an Birch, 27.02.1873. Hervorhebung der Autorin. 18 Das Bild wurde in folgendem Artikel publiziert: William Henry Fox Talbot, „Four New Syllabaries and a Bilingual Tablet“, in Transactions of the Society of Biblical Archaeology, 1874, Bd. 3, 496–529, 508. Persönliche Korrespondenz mit Larry Schaaf. Vgl. auch „‚Splendid Calotypes‘“, 39. 19 TC, Dok.-Nr. 6724, Thompson an Talbot, 01.12.1873. 20 Vgl. Howe, Revealing the Holy Land. Die Lebensdaten von McDonald sind nicht gesichert. 21 TC, Dok.-Nr. 1239, Talbot an Birch, 22.10.1876. 22 Vgl. TC, Dok.-Nr. 1248, Birch an Talbot, 23.10.1876. „I will bear in mind what you say about a photographer but do not know if it will be possible to do so with the Funds at

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my disposal the Excavations cost £100 per month without a photographer. There is no English Assyriologist available to send out, my assistant is wanted here and none of the others are advanced enough to employ as copyists in Mesopotamia. Rassam knows nothing about cuneiform which in my opinion is as well. I have told him what is required is that all the fragments should be sent here. The 2000 tablets or fragments must be close at hand, they were at Suez about ten days ago […].“ TC, Dok.-Nr. 7311, Talbot an Birch, 24.10.1876. Vgl. Reade, „Nineteenth-Century Nimrud“. Reade, „Hormuzd Rassam and His Discoveries“, 56. Vgl. auch Rassam und Rogers, Asshur and the Land of Nimrod, 222, 226, 376. Bowden, Pitt Rivers, 102. Eine Ausnahme bildet die South Lodge Camp Ausgrabung 1893, im Rahmen derer eine Fotografie publiziert wurde. Petrie, Methods and Aims in Archaeology, 73. Vgl. Brusius, „The Field in the Museum“. Vgl. Bohrer, Orientalism and Visual Culture, 118. Dieses Phänomen existiert auch noch heute. Zur Rolle des Depots im Museum vgl. Brusius und Singh, „Tales from the Crypt“. Vgl. Walker, „The Kouyunjik Collection of Cuneiform Texts“, 186–187. Vgl. ibid., 185–186. Barnett und Falkner, The Sculptures of Assur-Nasir-Apli, ii. Vgl. Brusius, „William Henry Fox Talbot and the Variety of the Photographic Archive“. Westminster Gazette, 20.02.1897, 2, zit. nach Bottomore, „The Collection of Rubbish“, 294. Vgl. zum South Kensington Museum auch Hamber, „Building Nineteenth-Century Photographic Resources“, 261–265. The Era, 17.10.1896, 9, zit. nach ibid., 292–293. Zit. nach ibid., 292. Photographic News, 17.12.1896, 173, zit. nach ibid., 292–293. Vgl. ibid.

RÉSUMÉ 1

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Zu vergleichbaren Problemen zwischen Amateuren und professioneller Expertise in den visuellen Wissenschaften des späten 19. Jahrhunderts vgl. Lightman, Victorian ­Popularizers of Science; Gieryn, Cultural Boundaries of Science. Dies stellte sich im Gespräch mit einer Fotografin heraus, die 2009 einem Vortrag der Autorin zum vorliegenden Thema in der Royal Society vor wenigen Jahren als interessierte Zuhöherin beiwohnte. Sie war als Fentons Nachfolgerin am British Museum kurzzeitig angestellt, um Keilschrifttafeln zu fotografieren. Ihre Vertragsverlängerung stand damals – einmal mehr – zur Disposition. Vgl. u.a. Rheinberger, Epistemologie des Konkreten, 313.

QUELLEN UND ABKÜRZUNGEN

AN BL BM ILN LB MCM OP TC

Archives Nationales, Paris British Library, London British Museum, London, Central Archive Illustrated London News Letterbooks (BM) Minutes of the Committee Meetings (BM) Original Papers (BM) Talbot Correspondence (http://foxtalbot.dmu.ac.uk/letters/letters.html)

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Cover: William Boutcher, Excavations at Nineveh, c. 1850, Aquarell, 36,2 × 31,4 cm, Inv.-Nr.  2007,6024.571, Or.Dr.IV, ME Archive © Trustees of the British Museum Abb. 1: Anonym, The Earliest Photograph of the British Museum (Montagu House), 1843, Inv.-Nr.  C26 F7, Grey Album, Maps Library, © The British Library Abb. 2: Reception of Nineveh Sculptures at the British Museum, Illustrated London News, 28.02.1852, 184 Abb. 3: Frederick Charles Cooper, A Kelek Glides Down the River Loaded with One of the Bulls from Nimrud, Aquarell, publiziert in Illustrated London News, 31.03.1849, © Trustees of the British Museum Abb. 4: George Scharf, ��������������������������������������������������������������������� The Townley Gallery and the Erecting of the New Gallery�������������� , 1828, Zeichnung, Inv.-Nr: 00222781001, Reg. No. 1862, 0614.626, © Trustees of the British Museum Abb. 5: Joseph Bonomi, Moving One of the Lions from Nineveh to the New Room, British Museum, 19.02.1852, publiziert in Joseph Bonomi, Nineveh and its Palaces (London: H. G. Bohn, 1857) Abb. 6: The Nineveh Room at the British Museum, Illustrated London News, 26.03.1853, 225 Abb. 7: William Henry Fox Talbot, Notebook „Egyptian Archaeology“, 1856/1857, 21,0 × 16,2 cm, Add MS 88942/1/146, © The British Library Abb. 8: William Henry Fox Talbot, Notebook „Miscellanea Assyria Vol. III“, 17,0 × 11,5 cm, Add MS 88942/1/137, © The British Library Abb. 9: William Henry Fox Talbot, The Pencil of Nature, Plate XIII, Queen’s College Oxford, 1843, © Metropolitan Museum of Art Abb. 10: William Henry Fox Talbot, Notebook, Add MS 88942/1/201, 1809, 20,0 × 32,5 cm, © The British Library Abb. 11: William Henry Fox Talbot, Notebook, Add MS 88942/1/41, 1811-1815 (?), 19 × 16,5 cm, © The British Library Abb. 12: William Henry Fox Talbot, Notebook „J“, Add MS 88942/1/191, 1832-33, 16,5 × 20,0 cm, © The British Library Abb. 13: William Henry Fox Talbot, Herbaria (Mosses), ca. 1830, Add MS 88942/6/5, © The British Library Abb. 14: William Henry Fox Talbot, Tracing Paper of Two Tablets from the Koujuncik Collection, „I Can’t Recognize Half these Characters“, Add MS 88942 (teilkatalogisiert), © The British Library

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Abb. 15: William Henry Fox Talbot, The Open Door, Pencil of Nature, Plate VI, April 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 14,4 × 19,4 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 2772, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 16: William Henry Fox Talbot, The Haystack, The Pencil of Nature, Plate X, ca. 1841, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie) auf Papier, www.metmuseum.org, Gift of Jean Horblit, in memory of Harrison D. Horblit, 1994, Accession Number: 1994.197.2 (5), © Metropolitan Museum of Art Abb. 17: William Henry Fox Talbot, The Ladder, The Pencil of Nature, Plate XIV, April 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 17,1 × 18,3 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 2771, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 18: William Henry Fox Talbot, A Scene in a Library, The Pencil of Nature, Plate VIII, vor 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 13,3 × 18,0 cm, www.metmuseum. ���������������������������������������������������������������������������� of Jean Horblit, in memory of Harrison D. Horblit, 1994, Accession Numorg, Gift ber: 1994.197.2 (5), © Metropolitan Museum of Art Abb. 19: William Henry Fox Talbot, Articles of Glass, The Pencil of Nature, Plate IV, vor 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 12,6 × 15,3 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 69, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 20: William Henry Fox Talbot, Articles of China, The Pencil of Nature, Plate III, vor 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 14,0 × 18,2 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 66, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 21: William Henry Fox Talbot, Facsimile of an Old Printed Page, The Pencil of Nature, Plate IX, ca. 1839, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 16,5 × 14,3 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 851, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 22: William Henry Fox Talbot, Copy of a Lithographic Print, The Pencil of Nature, Plate XI, vor 1844, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 14,6 × 19,3 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 373, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 23: William Henry Fox Talbot oder Nicolaas Henneman, The Reading Establishment, Panorama, 1846, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 19,9 × 48,1 cm, www.metmuseum.org, Gift of Jean Horblit, in memory of Harrison D. Horblit, 1994, Accession Number: 2005.100.171.1.2, © Metropolitan Museum of Art Abb. 24: William Henry Fox Talbot, Bust of Patroclus, The Pencil of Nature, Plate V, 1842, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 13,7 × 12,9 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 190, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 25: William Henry Fox Talbot, Bust of Patroclus, The Pencil of Nature, Plate XVII, 1843, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 14,9 × 14,5 cm, Inv.-Nr.  Schaaf 3664, © Hans P. Kraus Jr., New York Abb. 26: William Henry Fox Talbot, Patroclus/View in the Cloisters, 1840, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 13,2 × 10,7 cm, Talbot Photo 14 (5), © The British Library Abb. 27: William Henry Fox Talbot, Arrangement of Three Pieces of Sculpture, 1840, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Bild 15,9 × 20,8 cm, auf Papier 17,9 × 22,6 cm, Talbot Photo 12 (10), © The British Library Abb. 28: William Henry Fox Talbot, Bust of Patroclus, ca. 1840, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 16,3 × 17,7 cm, Talbot Photo 12 (17), © The British Library Abb. 29: William Henry Fox Talbot: Patroclus, ca. 1839, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), LA 838, © The British Library

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 30: Anonym, Alabaster Vase. Gastand, o. D., Abklatsch, Abklatsch-Archiv, Serie 2127, Blatt 1, Lepsius Archiv, Ägyptisches Museum, © Berlin Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Abb. 31: William Henry Fox Talbot oder Werkstatt, The Talbotype Applied to Hieroglyphics, 1846, Seite 1, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 18,8 × 22,5 cm, © Staatsbibliothek zu Berlin Abb. 32: William Henry Fox Talbot oder Werkstatt, The Talbotype Applied to Hieroglyphics, 1846, Seite 2���������������������������������������������������������������������������� –��������������������������������������������������������������������������� 3, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 18,8 × 22,5 cm, © Staatsbibliothek zu Berlin Abb. 33: William Henry Fox Talbot, Copy of an Egyptian Drawing, o. D., Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 18,8 × 22,5 cm, © National Media Museum/Science & Society Picture Library Abb. 34: William Henry Fox Talbot, Copy of a Paper Squeeze, o. D., Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 18,5 × 22,7 cm, © National Media Museum/Science & Society Picture Library Abb. 35: William Henry Fox Talbot, Copy of a Hebrew Text, ca. 1840, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), 11,5 × 10,0 cm, © National Media Museum/Science & Society Picture Library Abb. 36: William Henry Fox Talbot, Copy of a Stanza from the ‚Ode to Napoleon‘, in Lord Byron’s Hand, vor 1840, Papiernegativ (Kalotypie), 12,3 × 18,3, Inv.-Nr.  Schaaf 604, © Sammlung Dr. Walter Knysz Abb. 37: William Henry Fox Talbot, Copy of a Persian Newspaper, o. D., Papiernegativ (Kalotypie), 22,9 × 18,6 cm, W.H.F. Talbot Archive [FT10020], Inv.-Nr.  Schaaf 3862, © Bodleian Libraries Abb. 38: Richard Lepsius, Notizbuch No. 12°, Inv.-Nr.  84, © Ägyptisches Museum und ­Papyrussammlung, Staatliche Museen zu Berlin Abb. 39: William James Müller, Luxor, Egypt, 1839, Aquarell, 27,6 × 39,7 cm, Inv.-Nr.  PD 187812-28-151, © Trustees of the British Museum Abb. 40: William Henry Fox Talbot, Notebook „S.1“, 1836, 19,1 × 11,8 cm, Add MS 88942/1/13, © The British Library Abb. 41: Austen Henry Layard ?, Battle Scene from the Northwest Palace, Austen Henry Layard, The Monuments of Nineveh Bd. 1 (London: John Murray, 1849–1853), 29 Abb. 42: Austen Henry Layard, Zeichnung, Ashurbanipal, 41,8 × 69,0 cm, Inv.Nr.  2007,6024.71, Or.Dr.I.69, © Trustees of the British Museum Abb. 43: George Scharf Jr.?, The Black Obelisk Nimrud, Austen Henry Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1 (London: John Murray, 1849), 347 Abb. 44: George Scharf Jr.?, Lowering the Bull, Austen Henry Layard, Nineveh and its Remains, Bd. 1 (London: John Murray, 1849), Frontispiz Abb. 45: The Nimroud Sculptures, just received at the British Museum, Illustrated London News, 31.03.1849 Abb. 46: Frederick Charles Cooper, Winged Lions in the Palace of Ashurnasirpal II at Nimrud, o. D., Aquarell, ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 47: Frederick Charles Cooper, Nimrud, ca. 1850, Aquarell, 25,0 × 35,1 cm, Inv.-Nr.  2007,6024.149, Or.Dr.II.52, © Trustees of the British Museum

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 48: Frederick Charles Cooper, Excavation at the Ninurta Temple, Nimrud, o. D., Aquarell, ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 49: Charles Doswell Hodder, Tracings of Some of the Panels of an Obelisk, Attached to a Letter from Homuzd Rassam to Henry Creswicke Rawlinson, Nimroud, 06.06.1853, ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 50: Charles Doswell Hodder, Zeichnung, Assyrien, ca. 1850, 28,8 × 44,8 cm, Inv.Nr.  2007,6024.16, Or.Dr.I.14, ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 51: William Boutcher oder Gabriel Tranchand, Sculptures from the North Palace of Ashurbanipal at Nineveh (668–627 BC), o. D., wahrscheinlich Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Inv.-Nr.  Or.Dr.V.7 (10), ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 52: William Boutcher oder Gabriel Tranchand, Sculptures from the North Palace of Ashurbanipal at Nineveh (668����������������������������������������������������������� –���������������������������������������������������������� 627 BC), o. D., wahrscheinlich Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Inv.-Nr.  Or.Dr.V.7 (14), ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 53: William Boutcher oder Gabriel Tranchand, Sculptures from the North Palace of Ashurbanipal at Nineveh (668–627 BC), o. D., wahrscheinlich Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Inv.-Nr.  Or.Dr.V.7 (17, 18), ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 54: William Boutcher, Assyrian Wall-Paintings and Glazed Bricks From Nimrud, ca. 1850, Aquarell, 37,2 × 52,4 cm, Inv.-Nr.  2007,6024.32, Or.Dr.I.30, ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 55: William Boutcher, Warka, ca. 1850, Aquarell, 25,9 × 36,7 cm, Inv.-Nr.  2007,6024.71, Or.Dr.I.69, ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 56: Details from one of Ashurbanipal’s Campaigns in Egypt, North Palace Panels M17–18, Stich nach einer Fotografie (wahrscheinlich Salzpapierabzug von Papiernegativ [Kalotypie]) von William Boutcher oder Gabriel Tranchand, publiziert als Assyrian Sculptures, Siege of a City — From the Palace of Asshurbanipal, Illustrated London News, 16.8.1856, 178 und als Assyrian Procession (the Slab Lost in the Tigris), Illustrated London News, 15.11.1856, 502 Abb. 57: Eugène Flandin, Vue de Persépolis, 1840, Kreidezeichnung, Ms 2733, fol. 67 und Facade (N) und Élévation�������������������������������������������������������������� ����������������������������������������������������������������������� et plan du coté Nord-Est, 1844, Bleistift- und Aquarellzeichnung, Ms 2734, fol. 14, © Institut de France Abb. 58: Gabriel Tranchand, Khorsabad. Porte ornée n°3. Enceinte Sud-Est de la ville. Les taureaux à face humaine apparaissent, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Inv.-Nr.  44 CDF 7-3b/4, Fonds Maurice Pillet, © Collège de France. Archives Abb. ���������������������������������������������������������������������������������������� 59: Gabriel Tranchand, ����������������������������������������������������������������� Khorsabad. Porte ornée n°3. Enceinte Sud-Est de la ville entièrement dégagée, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Inv.-Nr.  44 CDF 7-3b/6, Fonds Maurice Pillet, © Collège de France. Archives Abb. 60: Gabriel Tranchand, Khorsabad. Porte ornée n°3, dégagée. Les ouvriers du chantier et leurs contremaîtres, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), ca. 21,0 × 29,5 cm, Fonds Maurice Pillet, © Collège de France. Archives Abb. 61: Gabriel Tranchand, Léquipe de Khorsabad devant la porte no. 3 de la ville, 1852– 1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), ca. 21,0 × 29,5 cm, Fonds Maurice Pillet, © Collège de France. Archives

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 62: Gabriel Tranchand, Châsse trouvée dans le Zab, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Inv.-Nr.  44 CDF 7-3b/9, Fonds Maurice Pillet, © Collège de France. Archives Abb. 63: Gabriel Tranchand, Non identifié, 1852–1854, Salzpapierabzug von Papiernegativ (Kalotypie), Fonds Maurice Pillet, Inv.-Nr.  44 CDF 7-3b/5, Fonds Maurice Pillet, © Collège de France. Archives Abb. 64: Roger Fenton, Cuneiform Tablet, 1854-56, Salzpapierabzug, 21,0 × 19,2 cm, Talbot Photo 22 (244), © The British Library Abb. 65: Roger Fenton, Cuneiform Tablet, 1854-56, Salzpapierabzug, 19,5 × 19,5 cm, Talbot Photo 22 (201), © The British Library Abb. 66: Roger Fenton, Skeleton of a Man and of the Male Gorilla (Troglodytes Gorilla), ca. 1855, Albumindruck auf Papier, 36,5 × 28,0 cm, Inv.-Nr.  40:849, © Victoria and Albert Museum StereosAbb. 67: Roger Fenton, The Mineral Gallery at the British Museum, 1857, Albumindruck, �������� kopie, 7,6 × 7,1 cm, Archives CE114/1008, © Trustees of the British Museum Abb. 68: Roger Fenton, The Third Graeco-Roman Saloon on Artists’ Day at the British ­Museum, 1857, Albumindruck, Stereoskopie, 7,6 × 7,1 cm, Archives CE114/1003, © Trustees of the British Museum Abb. 69: Roger Fenton, The Discus-Thrower (Discobolos) at the British Museum, 1857, ­Albumindruck, Stereoskopie, 7,6 × 7,1 cm, Archives CE114/1009, © Trustees of the British Museum Abb. 70: Roger Fenton, Head of Homer, ca. 1855, Albumindruck, Inv.-Nr.  40:810, © Victoria and Albert Museum Abb. 71: Roger Fenton, Cuneiform Tablet K50, Salzpapierabzug auf Papier, ca. 1856;  ME Archive 184/24 (K50), © Trustees of the British Museum Abb. 72: William Henry Fox Talbot, Assyrian Cuneiform Writing, ca. 1874, Fotogravure, 6,5 × 9,7 cm, © Houghton Library, Harvard University Abb. 73: Anonym, Homuzd Rassam with Workman in Archway at Nimrud, ca. 1880, wahrscheinlich Albumindruck, ME Archive, © Trustees of the British Museum Abb. 74: Anonym, Demolition of Montagu House Gateway 1847, Inv.-Nr.  C26 F7, Grey Album, Maps Library, © The British Library

NAMENSREGISTER

Arago, Dominique François 95–96, 156 Babbage, Charles 77–79, 88, 90 Baxter, George 78 Bell, Thomas Septimus 133, 135–136 Bertoloni, Antonio 62, Bezold, Carl 191 Biot, Jean-Baptiste 105, 156, 194 Birch, Samuel 44, 99, 101, 184–185, 188 Blanquard-Evrard, Louis Désiré 154 Bonomi, Joseph 99,101, 108 Botta, Paul-Émile 17, 123, 148–150 Boutcher, William 144, 146–148, 155 Brewster, David 36, 74, 90 Du Camp, Maxime 154 Chantry, Francis 90 Cooper, Frederick Charles 131–135, 150–151 Cuvier, George 163 Daguerre, Louis-Jacques Mandé 25–26, 67, 105, 110, 149–150, 154, 169 Darwin, Charles 40, 115, 142–143 Delitzsch, Conrad Gerhard Friedrich 185 Faraday, Michael 36, 58–59 Fellows, Charles 110–114, 149, 185, 187 Fenton, Roger 33, 45, 154, 159, 162, 164–165, 170, 173–174, 176–179, 181 Fielding, Elisabeth (née Fox Strangways, Lady Elisabeth) 40–41, 43, 56–57, 59, 75, 89 Flandin, Éugene 148 Flinders Petrie, William Matthew 190 Frith, Francis 187 Gliddon, George R. 99, 101, 108–109

Grotefend, Georg 199 (Anm. 19) Harris, Anthony Charles 99, 101 Hawkins, Waterhouse 22 Hawkins, Edward 111, 116–117, 140, 159, 170–171 Hedwig, Johann 60 Henneman, Nicolaas 72 Herschel, John Frederick William 28, 40, 69, 74, 79–80, 82, 88, 106, 165 Hincks, Edward 20, 44, 46 Hodder, Charles Doswell 136, 138, 144 Hooker, William Jackson 40, 62 Humboldt, Alexander von 39–40, 60, Koldewey, Robert 190 Layard, Austen Henry 17–18, 20, 43–44, 112, 121–133, 135–136, 139–141, 143, 148–149, 151, 157, 162 Lepsius, Richard 108–110, 112, 114, 149 Linné, Carl von 60 MacDonald, James 187 Mantell, Algernon 141 Moholy-Nagy, László 75 Morelli, Giovanni 93 Morton, Samuel George 108–109 Müller, William 112–113 Newton, Charles Thomas 21 Norris, Edwin 20, 44, 180, 191 Oppert, Julius 180 Parsons, William (Lord Rosse) 166–170 Paul, Robert 192 Pestalozzi, Johann Heinrich 22 Pitt Rivers, Augustus 190

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NAMENSREGISTER

Place, Victor 150–151, 154, 169 Rassam, Hormuzd 17, 139, 143, 188–189, 191 Rawlinson, Henry Creswicke 20, 40, 44, 46, 138–141, 143, 148, 178–179, 190–191 Ruskin, John 92 Scharf, George 23, 112–113, 125–126, 132 Schrader, Eberhard 185 Smith, George 47–48, 184–187, 191 Stirling-Maxwell, William 92 Stukeley, William 142 Thompson, Stephen 184–185, 187 Thomsen, Christian Jürgensen 115–118, 157

Tranchand, Gabriel 150–151, 154, 156 Owen, Richard 142–143, 173 Watson, John 74 Watts, James 90 Westmacott, Richard 89 Whewell, William 36, 51, 69 Wölfflin, Heinrich 93 Worsaae, Jens Jacob Asmussen 166–117, 157