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German Pages 242 Year 1999
BRUNO PFEIFER
Femsehordnung in Italien
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Burkhard HeB Hans v. Mangoldt, Wernhard Möschel Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen
Band 50
Femsehordnung in Italien Status Quo und Reform
Von Bruno Pfeifer
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pfeifer, Bruno: Fernsehordnung in Italien: Status Quo und Reform I von Bruno Pfeifer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd. 50) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09510-3
D 21 Alle Rechte vorbehalten
© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-09510-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1997/98 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung wurden legislatorische Akte, Literatur und Rechtsprechung bis November 1998 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem sehr verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann, nicht nur dafür, daß er das Thema dieser Arbeit unterstützt und ihre Entwicklung begleitet hat, sondern auch dafür, daß er mir als Lehrer durch seine Schriften wertvolle Anregungen für den europarechtlichen Teil der Arbeit eröffnet hat. Herrn Prof. Dr. Wernhard Möschel danke ich für seine Bereitschaft zur Übernalune des Zweitgutachtens und dessen raschen Erstellung. Danken möchte ich ferner der RAI S.p.A., der Mediaset S.p.A. und dem Westdeutschen Rundfunk für die Überlassung nicht veröffentlichter Materialien. Der UniversitA degli Studi di Milano und insbesondere Herrn Prof. Dr. Bruno Nascimbene, der UniversitA Cattolica deI Sacro Cuore di Milano sowie der Biblioteca della Camera dei Deputati bin ich dafür verbunden, daß sie mir den Zugang zu ihren Materialbeständen und Archiven ermöglicht haben. Dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und der Konrad-AdenauerStiftung danke ich für die großzügige fmanzielle und ideelle Unterstützung im Ralunen einer Promotionsförderung. Herzlich danken möchte ich schließlich Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann für die Aufnalune meiner Arbeit in die "Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht".
Fellbach, im August 1999
Bruno Pfeifer
Inhaltsverzeichnis Einleitung
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1. Teil Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
I7
A. Zur Lage des Fernsehens in Italien seit den 50er Jahren unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes . . . . . I. Vom ersten Rundfunkprogramm zum ersten Urteil des Verfassungsgerichtshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die UrteileNr.225 undNr. 226/1974 und das GesetzNr. 103/1975 III. Die Liberalisierung des Äthers durch das Urteil Nr. 202/1976 . IV. Die Lage zwischen 1976 und 1981 . . . . V. Die Urteile Nr. 148/1981 undNr.23711984 VI. Der Aufstieg SilvioBerlusconis . . . . . VII. Die erste gesetzliche Grundlage für das private Fernsehen (Gesetz Nr. 10/1985). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Die zweite Hälfte der 80erJahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die Verabschiedung des Allgemeinen Rundfunkgesetzes (Gesetz Nr. 223/1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 19 23 25 27 30 35 38 41
B. Die wesentlichen Inhalte des Allgemeinen Rundfunkgesetzes (Gesetz NT. 223/1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
C. Die Probleme bei der Umsetzung des Allgemeinen Rundfunkgesetzes
46
D. Die Verfassungswidrigkeit der zentralen Anti trust-Regelung.
50
E. Die ,,Fernsehreferenden" . . . . . . . . . . . . . . .
53
F. Die Reform ,,Maccanico" und ihre wesentlichen Inhalte.
55
2. Teil
Wesentliche Reformaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
60
A. Die Rolle der RAI innerhalb des "sistema misto" .
61
B. Die Reform der Verwaltungs- und Kontrollorgane . I. Verwaltungsrat und Generaldirektor der RAI 1. Die Reform des Jahres 1975 . . . 2. Die anschließende Entwicklung. 3. Das GesetzNr. 1011985 .. 4. Das Gesetz Nr. 223/1990. . . .
69 70 70 71 72 74
8
Inhaltsverzeichnis
11.
c.
5. DasGesetzNr.206/1993 . . . . . . . . . 6. Die Regierungsdekrete zur Sanierung der RAI 7. Reformausblick . . . . . . . . . . . . . .
75 79 80
Die parlamentarische Kontroll- und Richtlinienkommission und andere Kontrollorgane . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. I. Die Rundfunkgebühr . 11. Die Werbeeinnahmen .
D. DiePrivatisierungderRAI .
3. Teil Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor A. Die pluralismussichernden Bestimmungen des Allgemeinen Rundfunkgesetzes und der Reform ,,Maccanico" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einschränkung multimedialer Konzentration . . . . . . . . . . . . . 1. Verflechtung von Betreibern privater Fernsehsender mit Tageszeitungsunternehmen(Art. 15Abs. 1 GesetzNr.223/1990). . . . . . . 2. Begrenzung des erzielbaren Anteils an den Gesamteinnahmen des Bereichs der Massenkommunikation (Art. 15 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 223/1990 und Art. 2Abs. 81it. d) GesetzNr. 249/1997) . . . . . . . 11. Einschränkung monomedialer Konzentration. . . . . . . . . . . . . 1. Das landesweite Privatfernsehen (Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/ 1990). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hinweise des Verfassungsgerichtshofes für eine Neuregelung (Urteil Nr.42011994) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vom Verfassungsgerichtshofaußer acht gelassene Aspekte . . . c) Auswirkung der ,,Fernsehreferenden"aufeineNeuregelung . . d) Die Neuregelung durch Art. 2 des Reformgesetzes ,,Maccanico': aa) Anzahl der durch einen Anbieter gesendeten Programme. . bb) Begrenzung des erzielbaren Anteils der Gesamteinnahmen desFernsehsektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das lokale Privatfernsehen (Art. 19 Abs. 1 und 4 Gesetz Nr. 223/ 1990). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen (Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/ 1990). . . . . . . . . .
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B. Die Regelung des Kabelfernsehens
135
C. Das Satellitenfernsehen. . . . . .
139
D. Die Sonderstellung der Pay-TV-Sender
142
Inhaltsverzeichnis 4. Teil Die Medienaufsicbt - Die "Autorita per le garanzie neUe comunicazioni"
9
150
A. Das Ernennungsverfahren und die Sicherung der Unabhängigkeit
151
B. Die Aufgaben der ,,Autoritä" . . . . . . . . . . . . . . . . .
154
c.
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Die Beziehungen zwischen der Medienaufsicht und anderen Organen 5. Teil Die europarecbtlicben Aspekte der Reform - Die öffentlicbe Rundfunkfinanzierung in Italien und das Beibilferecbt der EG
A. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der verfassungsrechtliche Bedingungsrahmen der öffentlichen Rundfunkfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Die gesetzlichen Grundlagen der öffentlichen Rundfunkfinanzierung . . 111. Die Rechtsnatur der italienischen Rundfunkgebühr. . . . . . . . . . . B. Überprüfung der öffentlichen Rundfunkfinanzierung am Maßstab der Art. 92 ff.EGV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. AnwendungsbereichderArt.92tT.EGV........ 11. Die Bedeutung der Bestimmung des Art. 90 Abs. 2 EG V . III. Tatbestandliche Voraussetzungen des Art. 92 Abs. I EG V. 1. Der Beihilfebegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begünstigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Angemessenheit der Rundfunkgebühr für die von der RAI geleisteten Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begünstigung durch die Bestimmungen zur Sanierung der RAI? . . . . . . cc) Zwischenergebnis . b) Freiwilligkeit. . . . . . 2. StaatlicheZurechenbarkeit. 3. Kreis der Begünstigten. . . 4. Wettbewerbsverfälschung . a) Für Rundfunkunternehmen relevante Märkte b) Verfälschung des Wettbewerbs. . . . . . . 5. Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten IV. Die (fakultative) Ausnahmebestimmung des Art. 92Abs. 31it. d)EGV. 1. Kulturförderung . . . . . . . . . . . . . . . . a) DerKulturbegriffdesArt. 92Abs. 31it. d)EGv' b) Das italienische Verständnis von ,,Kultur". . . 2. Die ,,BeeinträchtigungsklauseJ". . . . . . . . . a) ,,Eignung" der öffentlichen Rundfunkfinanzierung zur Förderung der Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) ,,Notwendigkeit" der öffentlichen Rundfunkfinanzierung . c) ,,Angemessenheit" der öffentlichen Rundfunkfinanzierung .
160 161 161 163 165 168 168 169 171 171 172 173 178 182 182 183 184 185 185 187 189 191 193 193 194 196 198 198 201
10
Inhaltsverzeichnis
V
3. Das Ennessen der Europäischen Kommission Zusammenfassung der Ergebnisse der Prüfung 6. Teil
1. 2. 3. 4. 5. 6.
203 204
Reformperspektiven
206
Zusammenfassung
209
DiemedienrechtIicheRechtslageinItalien. Der öffentliche Fernsehsektor. Der private Fernsehsektor. . . . . . . . . Die Medienaufsicht . . . . . . . . . . . Die öffentliche Rundfunkfinanzierung und das Beihilferechtder EG . Refonnperspektiven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209 210 210 211 211 212
Anhang Auszugsweise Übersetzung der wichtigsten Bestimmungen
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1. Verfassung der Republik Italien. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetz Nr. 103 vom 14. April 1975 ,,Neue Regelungen für die Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehsendungen". . . . . . . .. 3. Gesetz Nr. 10 vom 4. Februar 1985 "Umwandlung in Gesetz, mit Abänderungen, der Verordnung vom 6. Dezember 1984, Nr. 807, Dringende Bestimmungen für das Rundfunkwesen" . . . . . . .. 4. Gesetz Nr. 223 vom 6. August 1990 ,,Regelung der öffentlichen und privaten Rundfunkordnung (Hörfunk und Fernsehen)" . . . . . . . 5. GesetzNr. 483 vom 17. Dezember 1992"Umwandlung in Gesetz der Verordnung vom 19. Oktober 1992, Nr. 40, Dringende Regelungen in Sachen Rundfunkwerbung". . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Gesetz Nr. 206 vom 25. Juni 1993 ,,Bestimmungen über die Konzessionärsgesellschaft der öffentlichen Dienstleistung Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen)" . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7. Gesetzesverordnung Nr. 444 vom 28. August 1996 ,,Dringende Bestimmungen für die Ausübung der Rundfunktätigkeit" . 8. ItalienischesZivilgesetzbuch . . . . . . . .
213 215 217 218 223 223 223 224
Literaturverzeichnis
226
Sachwortverzeichnis
238
Abkürzungsverzeichnis AfP
Archiv für Presserecht
Arch. civ.
Archivio civile
Arch. giur.
Archivio giuridico
Auditel
Audience Televisiva
BR
Bundesrat
. Bull.
Bulletin der Europäischen Gemeinschaften
Cass.
Corte di cassazione
Corte cost.
Corte costituzionale
CoITiere giur.
n coITiere giuridico
d.d.l.
disegno di legge
Dir. aut.
n diritto di autore
Dir. com. scamb. int.
Diritto comunitario e degli scambi internazionali
Dir. info
Diritto dell'informazione e dell'informatica
Dir. radiotelecom
n diritto delle radiodiffusioni e delle telecomunicazione
Dir. societit
Diritto e societit
d.l.
decreto legge
d.lgs.
decreto legislativo
d.P.R.
decreto del Presidente della Repubblica
d.m.
decreto ministeriale
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
drs.
derselbe/dieselbe
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EuGH
Europäischer Gerichtshof
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Abkürzungsverzeichnis
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift fur Wirtschaftsrecht
FIDE
Federation international pour le droit europeen
Foro it.
Il Foro italiano
Gior. dir. am.
Giornale di diritto amministrativo
Giur. cost.
Giurisprudenza costituzionale
Giur. it.
Giurisprudenza italiana
Giust. civ.
Gi ustizia ci viI e
GRUR Int.
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil
GS
Gedächtnisschrift
G.U.
Gazzetta Ufficiale della Repubblica Italiana
HER
Handbuch des Europäischen Rechts
IRl
Istituto per la Ricostruzione Industriale
MP
Mediaperspekti yen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
RA!
Radiotelevisione italiana
Riv. dir. euro
Rivista di diritto europeo
RL
Richtlinie
RTI
Reti te1evisi ve italiane
Ruf
Rundfunk und Fernsehen
RuFuG
Rundfunkgesetz
Stet
Societa torinese esercizio te1efoni
ZaöRVR
Zeitschrift fur ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
ZHR
Zeitschrift fur das gesamte Hande1s- und Wirtschaftsrecht
Einleitung Die Probleme des Medienrechts gewinnen zunehmend verfassungsrechtliche und politische Relevanz. Die Situation ist in Italien auf diesem Feld von besonderer Brisanz, nicht zuletzt seitdem der wichtigste private Fernsehanbieter, der Mailänder Medienunternehmer Silvio Berlusconi, 1994 rur die Wahlen zum Abgeordnetenhaus kandidierte und auf Anhieb Ministerpräsident wurde. Silvio Berlusconi ist damit zum Inbegriff des fiir Italien typischen Zusammenspiels von Medien, Industrie und Politik geworden. Angesichts des Zusammenwachsens Europas ist eine vorurteilsfreie wissenschaftlich-kritische Bestandsaufnahme und Bewertung der Fernsehordnung Italiens wie anderer Länder von besonderem Interesse. Zwar wird die politische Entwicklung in Italien auch von den hiesigen Medien aufmerksam verfolgt, zu den juristischen Hintergründen des italienischen Medienrechts findet man in Deutschland jedoch nur sehr vereinzelte Stellungnahmen. Dabei bietet sich der Blick gerade nach Italien aufgrund der Ähnlichkeiten der in diesem Land und der Bundesrepublik im Bereich des Medienrechts aufkommenden Probleme an. So wie in Deutschland wurde auch in Italien die Entwicklung der Rundfunkordnung ganz wesentlich durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts geprägt. Dabei spielten in Italien wie in Deutschland Fragen der Grundrechtssicherung, das Konzept des Rundfunks als öffentliche Aufgabe und das Staatsmonopol eine zentrale Rolle. Dennoch haben es eine über fünfunddreißigjährige Verfassungsrechtsprechung in Sachen Rundfunk und die eher sporadischen Eingriffe des Gesetzgebers nicht geschafft, eine befriedigende Regelung des Fernsehsektors hervorzubringen. Im Bereich des öffentlichen Fernsehens trifft der Gesetzgeber hierbei im wesentlichen auf vier von ihm zu lösende Problemkreise. Zu allererst geht es um die Bestimmung der Rolle der staatlichen Fernsehgesellschaft RA! in einer dualen Rundfunkordnung. Zweitens gilt es die Gesellschaftsverhältnisse der RA! zu reformieren und das staatliche Fernsehen von der übermäßigen Kontrolle durch die politischen Parteien zu befreien. Drittens geht es um das zentrale Problem der öffentlichen Rundfunkfinanzierung. Die hier auf dem Spiel stehenden Interessen machen es Reformversuchen besonders schwer. Aktuell und aus deutscher Sicht besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit sich rur die öffentliche Rundfunkfinanzierung in Italien Reformerfordernisse aufgrund des Beihilferechts der EG ergeben. Zwar unter-
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Einleitung
scheidet sich das Rundfunkfinanzierungsrecht Italiens von dem der Bundesrepublik insbesondere durch eine unmittelbare Haushaltsfinanzierung des öffentlichen Rundfunks, Gemeinsamkeiten bestehen aber gerade beim Verständnis des Rundfunks als öffentliche Aufgabe und kulturelles Phänomen. Problematisch ist schließlich auch die Umsetzung eines Volksentscheids vom Juni 1995, in dem sich die Mehrheit der wahlberechtigten Italiener für die Privatisierung der RAI ausgesprochen haben. Im privaten Fernsehsektor stellt die Frage nach der Sicherung einer pluralistischen Fernsehlandschaft das alles überragende Problem dar. Die jahrelange Untätigkeit des Gesetzgebers in diesem Bereich hat das Entstehen einer in Europa einzigartigen Medienkonzentration begünstigt. Da sich der Gesetzgeber naturgemäß mit der Aufbrechung gewachsener Strukturen schwer tut, verwundert es nicht, daß bei Verabschiedung des Rundfunkgesetzes Kartellbestimmungen erlassen wurden, die das Problem der Medienkonzentration zwar unter den unterschiedlichsten Aspekten regelten, im wesentlichen aber eine Bestätigung der bestehenden Konzentrationen darstellten und damit zur Verfestigung der marktbeherrschenden Positionen beitrugen. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kam deshalb gerade hier eine wichtige Rolle zu. In einer neueren Entscheidung wurde von dem Gerichtshof die zentrale Kartellbestimmung des Rundfunkgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Der italienische Gesetzgeber hat hierauf unlängst reagiert und neue Bestimmungen zur Verhinderung übermäßiger Medienkonzentration erlassen. Völlig unangemessen scheinen auch die derzeit für das Kabel- und Satellitenfernsehen bestehenden Regelungen zu sein. Die lückenhaften Bestimmungen können für diese Übertragungstechniken, die zweifellos auch in Italien in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden, kaum als vorausschauende Gesetzgebung bezeichnet werden. Entsprechendes gilt für die Regelung der in verschlüsselter Fonn ausstrahlenden Sender, die im privaten Fernsehsektor eine Sonderstellung einnehmen. Auch hier fehlt es bislang an detaillierten Bestimmungen. Einschneidende Refonnen wurden im Bereich des "Garante per la radiodiffusione e l'editoria", der italienischen Medienaufsicht, bereits verwirklicht. Der "Garante" wurde erst 1990 mit Verabschiedung des Rundfunkgesetzes in die italienische Fernsehlandschaft eingeführt, konnte aber aus unterschiedlichen Gründen die ihm vom Gesetzgeber zugedachte zentrale Rolle in der Vergangenheit nicht immer wahrnehmen. Die nun verabschiedete Refonn sieht eine spürbare Ausdehnung der Kompetenzen der Medienaufsicht vor und faßt deren Aufgaben mit denjenigen einer neu zu gründenden Aufsichtsbehörde für den Bereich der Telekommunikation zusammen.
Einleitung
15
Die vorliegende Arbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, die bisherige Entwicklung der Fernsehordnung Italiens darzustellen und auf die hier grob skizzierten Problemkreise einzugehen. Neben der Darstellung der bestehenden Regelungen und erster Refonnschritte wird besonderes Gewicht darauf gelegt, die Teile der Fernsehordnung hervorzuheben, an denen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber besteht. Besonderes Augenmerk gilt auch den vom Verfassungsgerichtshoffür eine Refonn der Fernsehordnung gemachten Vorgaben.
1. Teil
Die medien rechtliche Rechtslage in Italien A. Zur Lage des Fernsehens in Italien seit den 50er Jahren unter besonderer Berücksichtigung der Rec4tsprechung des Verfassungsgerichtshofes L Vom ersten Rundfunkprogramm zum ersten Urteil
des Verfassungsgericbtsbofes
Das erste Hörfunkprogramm wurde in Italien am 6.10.1924 in Rom durch die Aktiengesellschaft "Unione Italiana Radiofonica" (URI) ausgestrahlt. Ihr wurde durch staatliche Konzession exklusiv die Ausübung des staatlichen Rundfunkmonopols übertragen. Nachdem die URI noch während der Diktatur Mussolinis in "Ente Italiano per le Audizioni Radiofoniche" (EIAR) umbenannt worden war, übernahm 1944, nach dem Ende der faschistischen Herrschaft in Italien, die "Radioaudizioni Italia" (RAI) genannte Rundfunkgesellschaft den Wiederaufbau des Hörfunknetzes. Die Verfassungsgebende Versammlung unterstellte die Gesellschaft 1947 einer Programmkommission und einer parlamentarischen Kontrollkommission. 1952 erwarb die staatliche Anstalt für den industriellen Wiederaufbau IRI ("Istituto per la Ricostruzione Industriale") die Aktienmehrheit der RAI, die 1954 ihren heutigen Namen "RA! - Radiotelevisione Italiana" erhielt. Seit 1975 ist die RA! zu 100% in öffentlicher Hand. Das Femsehzeitalter beginnt in Italien am 3. Januar 1954, mit der ersten, von der RAI ausgestrahlten Fernsehsendung. Das bereits fiir den Hörfunk bestehende Monopol wurde 1952 durch die Erteilung einer zunächst auf zwanzig Jahre begrenzten exklusiven Konzession auf die Veranstaltung von Fernsehsendungen erstreckt. l Während die RA! anfänglich nur 35 Prozent der Bevölkerung technisch erreichen konnte, waren es 1957 bereits 90 Prozent. Vier Jahre später erreichte das erste Programm gar 98 Prozent der Haushalte. 2 NT. 180 vom 26. Januar 1952. Quelle: M Buovolo - Fernsehlandschaft in Italien - Entwicklungen im dualen Modell, MP 1987,528 (528). 1 d.P.R.
2
2 pfeifer
1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
18
Im Jahre 1961 wurde das zweite Programm (RAI 2) gegründet. Am 15. Dezember 1979 nahm schließlich als letztes das dritte Programm (RAI 3) den Sendebetrieb auf. Das private Fernsehen begann in Italien auf Initiative einiger Unternehmer. Bereits im Jahr 1956 hatte der mit der römische Tageszeitung "11 Tempo" verbundene Sender "Tempo-TV" einen ersten Versuch unternommen, Privatfernsehen in Konkurrenz zur RAI durchzusetzen. Dieser Versuch scheiterte indes, da das Postministerium unter Hinweis auf die bereits exklusiv an die RAI erteilte Konzession eine weitere Konzession verweigerte. Nachdem "Tempo-TV" die Erteilung einer Konzession ohne Erfolg beim Staatsrat eingeklagt hatte, rief die Gesellschaft den Verfassungsgerichtshof in Rom an. Der Sender berief sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 21 Abs. 1 italienische Verfassung) sowie auf den die Unternehmerfreiheit schützenden Art. 41 der Verfassung. 3 Art. 21 der Verfassung aus dem Jahre 1947, in traditionellen Vorstellungen befangen, regelt ausdrücklich nur die Pressefreiheit. Zwar läßt sich der Rundfunk und das Fernsehen unschwer unter die "sonstigen" Modalitäten der Meinungsäußerung subsumieren, die in den Abs. 2 - 6 vorgesehenen Beschränkungen dieses Grundrechts sind aber sämtlich auf die Presse zugeschnitten, so daß sachgemäße Beschränkungen der Rundfunkfreiheit vor allem durch die Rechtsprechung entwickelt werden mußten. 4 In dem auf die Beschwerde von "Tempo-TV" ergangenen Urteil Nr. 59/19605 hatte der Verfassungsgerichtshof hierzu eine erste Gelegenheit. Die Entscheidung ist Teil einer langen Serie von Urteilen, die die italienische Fernsehlandschaft radikal verändern sollten. Zunächst schien jedoch das Gericht in der genannten Entscheidung gegenüber dem öffentlichen Rundfunkmonopol eine grundsätzlich positive Haltung einzunehmen. Es bestätigte das staatliche Monopol mit folgender Begründung: 6 Für landesweite Sendungen ist die Zahl der verfügbaren Frequenzen sehr begrenzt. Überließe man den Fernsehsektor daher den Marktkräften, so würde sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein privates Monopol oder, was gleichbedeutend sei, ein Oligopol herausbilden. Bei der wesentlichen
3
Eine Übersetzung der Art. 21 und 41 der italienischen Verfassung [mdet sich im
Anhang.
4 R. Zaccaria - La giurisprudenza della Corte costituziona1e in materia di liberta di espressione radiote1evisiva, in: FS Bari1e - Nuove dimensioni nei diritti di liberta, Padua 1990, S. 539 (539 0; M Harlwig - Die Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichts zur Hörfunk- und Fernsehordnung, ZaöRVR Bd. 47 (1987), 665 (667). 5 Corte cost. Nr. 5911960, Giur. cost. 1960, 759 ff. 6 Corte cost. Nr. 5911960, Giur. cost. 1960, 759 (781 ff.).
A. Fernsehen in Italien seit den 50er Jahren
19
Rolle die der Rundfunk in der Gesellschaft spielt, wäre dies nicht hinnehmbar. Art. 43 der Verfassung eröffne dem Gesetzgeber aber die Möglichkeit, Unternehmen, die besonders wichtige öffentliche Aufgaben erfüllen oder eine monopolartige Stellung innehaben und von hervorragendem Allgemeininteresse sind, dem Staat vorzubehalten. 7 Diese Voraussetzungen seien im Falle des Rundfunks zweifellos erfüllt, so daß eine Verletzung der Art. 41 und 43 der Verfassung durch das staatliche Monopol verneint werden könne. Sei das Monopol aber durch Art. 43 gerechtfertigt, so sei auch die sich hieraus ergebende Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit hinzunehmen, denn ein privates Monopol oder Oligopol würde dieses Freiheitsrecht ansonsten zu einem Privileg einiger weniger herabsetzen. Allein der Staat biete als Monopolist die Garantie, daß in den Programmen alle in der Gesellschaft vertretenen Stimmen zu Wort kämen. Die erforderliche Ausgewogenheit, Objektivität und Unparteilichkeit der Programme bedürfe aber einer gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber kam jedoch dieser Aufforderung in der Folgezeit nicht nach. Die RAl beschränkte sich auf die Einführung eigenständiger Rubriken fiir Sendungen mit politischen Inhalten und der den Wahlkampf begleitenden Sen-dungen (sog. "tribune politiche" und "tribune elettorali").
II. Die Urteile Nr. 225 und 226/1974 und das Gesetz Nr. 103/1975 Das Urteil aus dem Jahre 1960 sollte die italienische Fernsehordnung nur für wenig mehr als zehn Jahre festschreiben. Trotz des Votums des Verfassungsgerichts kam es v.a. Anfang der 70er Jahre, begünstigt durch das geringe Startkapital, das zur Gtiindung eines Fernsehsenders erforderlich war,8 zu zahlreichen privaten Initiativen. Schon im Jahre 1974 wurde das Verfassungsgericht daher erneut angerufen. Die Entscheidungen Nr. 225 und 226 vom 10. Juli 1974 gaben dieses Mal den privaten Veranstaltern in Teilbereichen Recht. 9 In der Zwischenzeit war das staatliche Monopol durch Art. 1 des neuen Postgesetzes bestätigt worden. 1O Art. 185 PostG machte die Rechtmäßigkeit der Sendetätigkeit von der Erteilung einer Konzession abhängig. Art. 195 PostG enthielt fiir den Fall einer Verletzung des Monopols eine Strafandrohung. Der Eine Übersetzung des Art. 43 der italienischen Verfassung fmdet sich im Anhang. ca. DM 50.000,-- filr einen SchwarzfWeiß-Sender, ca. DM 100.000,- filr einen Farbsender. Quelle: S. Astenheimer - Rundfunkfreiheit ein europäisches Grundrecht, Baden-Baden 1990, S. 117. 9 Corte cost. Nr. 22511974, Giur. cost. 1974, 1775 ff.; Corte cost. Nr. 226/1974, Giur. cost. 1974, 1791 ff. 10 d.P.R. Nr. 159 vom 29. März 1973. 7
S
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l. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Entscheidung Nr. 226/1974 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Im Mai 1972 nahm ein kleiner Kabelsender mit ungefähr hundert Anschlüssen namens "TeleBiella" auf lokaler Ebene die Sendetätigkeit auf (Biella, in der Nähe von Turin gelegen, zählte damals ca. 45 000 Einwohner). Aufgrund des bestehenden RAIMonopols sofort der Gesetzwidrigkeit bezichtigt, wurde gegen den Inhaber von "Tele-Biella" Giuseppe Sacchi auf der Grundlage von Art. 195 PostG ein Strafverfahren eingeleitet. Der Strafrichter hatte jedoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung und legte die Sache dem Verfassungsgerichtshofvor. Das römische Gericht hob hierauf das Monopol der RAI für das lokale Kabelfernsehen auf, indem es die Art. 1, 183, 195 PostG für diesen Bereich für verfassungswidrig erklärte. Das bekannte Argument der Begrenztheit der Sendefrequenzen aufgreifend fiihrte das Gericht aus, daß im Gegensatz zur herkömmlichen Übertragungstechnik die Kabelkanäle keiner technisch bedingten Begrenzung unterlägen. Würde sich dennoch bei lokalen Kabelsendungen im ungünstigsten Fall eine Monopolsituation herausbilden, so sei diese nicht anders einzuschätzen als bei der Presse; und für diese würde niemand auf den Gedanken kommen, ein staatliches Monopol zu fordern. 11 Mitentscheidend für das Urteil war, daß die lokalen Programminhalte "Tele-Biellas" von einem, wie der RAI, landesweit ausstrahlenden Sender nicht geboten werden konnten und daher den Pluralismus auf lokaler Ebene anreicherten. Auf landesweiter Ebene wurde das staatliche Monopol indes bestätigt, da nach Ansicht der Richter die hohen Kosten, die bei der Errichtung eines nationalen Kabelnetzes entstünden, die Gefahr eines privaten Monopols oder Oligopols heraufbeschworen hätten. Diese Gefahr rechtfertige zudem den Staatsvorbehalt nicht nur im Bereich des landesweiten Kabelfernsehens, sondern auch im Bereich drahtloser Übertragung.12 Mit diesem Argument wurden erstmalig wirtschaftliche Überlegungen für die Rechtfertigung des staatlichen Rundfunkmonopols herangezogen; dies bedeutete, daß auch nach Wegfall der Frequenzenknappheit das staatliche Monopol gerechtfertigt werden konnte. Im selben Jahr hatte auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über den Fall "Tele-Biella" zu entscheiden. \3 Der Ausgang dieses Verfahrens war fiir Giuseppe Sacchi jedoch weit ungünstiger. Der Gerichtshof stellte zwar fest, daß Fernsehsendungen in Ermangelung ausdrücklich entgegenstehender Vertragsbestimmungen ihrer Natur nach Dienstleistungen i.S.d. EG-Vertrages seien; er 11 Corte cost. Nr. 226/1974, Giur. cost. 1974,1791 (1798). 12 Ebenda, S. 1799.
\3 EuGHE 1974,409 (428 Ziff. 6 und 430 f.) - RS 155/73 ,.,sacchl~'. Siehe auch den Kommentar von A. Dei Vecchio - La Corte di Giustizia delle Comunita e l'affaire TeleBiella, Riv. dir. euro 1974, 168 (174 - 177).
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konnte jedoch keine Verletzung der EG-Vertragsbestimmungen durch ein öffentliches Dienstleistungsmonopol feststellen, da Art. 90 Abs. 1 EGV (damals EWGV) es den Mitgliedstaaten gestatte, aus Gründen, die im öffentlichen Interesse liegen, Fernsehsendungen dem Wettbewerb zu entziehen. Durch das Urteil Nr. 225/1974 hob das Verfassungsgericht das staatliche Monopol, für den Bereich der Übertragung ausländischer Programme mittels inländischer Relaisstationen (sog. Repetitoren) auf. Nach wie vor gingen die Richter von der Begrenztheit der verfügbaren Wellenbereiche aus, die zur Vermeidung privater Monopol- oder Oligopolbildung das staatliche Rundfunkmonopol grundsätzlich rechtfertige. Da die Repetitoren aber nicht auf den Frequenzen der inländischen Sender operierten, sah sich das Gericht zu einer weiteren Einschränkung des Staatsmonopols gezwungen und erklärte Art. 1, 183 und 195 PostG auch für diesen Teilbereich für verfassungswidrig. Im übrigen hielt das Gericht aber, wie auch im Urteil Nr. 226/1974, an der Entscheidung aus dem Jahre 1960 fest und bestätigte das staatliche Monopol außerhalb des Spezialbereichs der Repetitoren. Obwohl das Verfassungsgericht erneut die Begrenztheit der Frequenzen anführte, so legte es doch dieses Mal in der Urteilsbegründung den Akzent auf den Charakter der Fernsehtätigkeit als öffentliche Aufgabe i.S.d. Art 43 der Verfassung. Zu Art. 21 der Verfassung bemerkte es, daß die sachgerechte Ausgestaltung des Monopols die einzige Möglichkeit sei, wenn auch nicht allen, so doch den wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen das erreichbare Höchstmaß an freier Meinungsäußerung zu garantieren. 14 Es schien somit das Monopol auch für den Fall einer Überwindung der durch die Sendefrequenzen gesetzten technischen Grenzen rechtfertigen zu wollen. Angesichts dieser neuen Schwerpunktsetzung verwundert es nicht, daß sich der Verfassungsgerichtshof im Gegensatz zur Entscheidung aus dem Jahre 1960 nicht mit einem bloßen Hinweis auf die gesetzlich zu gewährleistende Ausgewogenheit, Objektivität und Unparteilichkeit der Programme begnügte. Er stellte vielmehr einen aus sieben Punkten bestehenden Katalog auf, der dem Gesetzgeber bis in die Einzelheiten vorgab, wie er das staatliche Rundfunkmonopol auszugestalten habe. 15 Für die spätere Gesetzgebung wurde einer der - von der juristischen Literatur schon bald als "sieben Gebote" bezeichneten) 6 Punkte besonders bedeutsam. Corte cost. Nr. 225/1974, Giur. cost. 1974, 1775 (1787 f.). Ebenda, S. 1789. 16 C. Chiola - I comandamenti della Corte per i1 settore radiote1evisivo, Giur. cost. 1974,2191 fI. 14 15
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Es handelt sich um die Forderung, die leitenden Organe der RA! dem beherrschenden Einfluß der Exekutivgewalt zu entziehen und sie in Zukunft der Aufsicht durch das Parlament zu unterstellen, um so einerseits einer möglichen "despotischen" Kontrolle durch die Regierungsmehrheit vorzubeugen und andererseits die Beteiligung der im Parlament vertretenen Minderheiten zu garantieren. 17 Mit der Kritik am Einfluß der Regierung auf das staatliche Fernsehen verband der Verfassungsgerichtshof demnach nicht die Forderung, daß auch jeglicher Einfluß einer anderen öffentlichen Gewalt ausgeschlossen werden müsse. Damit sprach sich das italienische Gericht, anders als das deutsche Bundesverfassungsgericht, nicht für einen "staatsfreien Rundfunk" aus. Ein solcher Begriff findet sich auch in den übrigen Urteilen des Verfassungsgerichts nicht. 18 Die Hinweise des Verfassungsgerichtshofes wurden vom Gesetzgeber durch das in Teilen heute noch gültige Gesetz Nr. 103 vom 14. April 1975 ("Neue Normen in Sachen Radio- und Fernsehübertragung") aufgegriffen. 19 Art. 1 des Gesetzes Nr. 103/1975 bestimmte, daß die Veranstaltung von Fernsehprogrammen eine besonders wichtige öffentliche Aufgabe von hervorragendem Allgemeininteresse i.S.d. Art. 43 der Verfassung darstellt und daher ausschließlich dem Staat vorbehalten ist. Hiervon ausgenommen wurden lediglich das lokale Kabelfernsehen und der Betrieb von Repetitoren. Die Ausübung des staatlichen Monopols wurde durch Erteilung einer Konzession zur ausschließlichen Veranstaltung von Rundfunk- und Fernsehsendungen einer privaten Aktiengesellschaft, der RA! - Radiotelevisione Italiana, anvertraut, deren Aktienkapital sich ausschließlich in öffentlichem Eigentum zu befinden hatte. 20 Um die RA! von der Exekutivgewalt zu lösen, wurde durch das genannte Gesetz eine ständige parlamentarische Richtlinien- und Kontrollkommission für die Fernsehdienste ("Commissione parlamentare per l'indirizzo e la vigilanza dei servizi radiotelevisivi") eingerichtet. Art. 1 Abs. 2 und 3 des Gesetzes Nr. 103/1975 bestimmten, daß die Kontrollkommission aus zwanzig Abgeordneten und zwanzig Senatoren besteht, die von den Präsidenten der beiden 17 Weitere Forderungen des Gerichtshofs waren die Verankerung eines Gegendarste1hmgsrechts, die Beschränlamg der WerblUlg im RlUldfunk zwn Schutz der Presse, die BindlUlg der Journalisten an einen Berufskodex, die Rege1lUlg des Zugangs privater Gruppen zwn RlUldfunk lUld die AufstelllUlg von Richtlinien für eine ausgewogene ProgrammgestaltlUlg sowie die EinräumlUlg der Befugnis des Parlaments, diese Richtlinien zu konkretisieren lUld deren EinhaltlUlg zu überwachen. Siehe Corte cost. Nr. 225/1974, Giur. cost. 1974, 1775 (1789). 18 Hartwig, S. 689.
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Eine auszugsweise Übersetzung des Gesetzes Nr. 103/1975 fmdet sich im Anhang. Art. 3 GesetzNr. 103/1975.
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Parlamentskammern (Abgeordnetenhaus und Senat) aus sämtlichen im Parlament vertretenen Gruppen ernannt werden. III. Die Liberalisierung des Äthers durch das Urteil Nr. 202/1976 Der Verfassungsgerichtshof sollte sich bald mit dem neuen Gesetz Nr. \03/1975 auseinandersetzen. Schon einige Monate vor Erlaß des Gesetzes hatten verschiedene Radio- und Fernsehsender ohne jegliche Rechtsgrundlage damit begonnen, auf lokaler Ebene Programme auszustrahlen. Am 10. August 1974 brach "Firenze Libera" als erste Station das Staatsmonopol, im Gegensatz zu "Tele-Biella" jedoch nicht per Kabel, sondern die magnetischen Weilen nutzend. Die "Piratensender" sahen sich durch eine seit Beginn der 70er Jahre von der Presse und linken Parteien getragenen Kampagne ermuntert, die das Ziel verfolgte, privaten Anbietern den Zugang zum Rundfunk zu ermöglichen. Die vornehmlich von der christdemokratischen Partei Italiens (DC Democrazia Cristiana) beeinflußte RAI war Anlaß für das linke Spektrum, nach Darstellungsraum auch in diesem Bereich der Massenmedien zu suchen. Der Presse, das erfolgreichere Medium Fernsehen vor Augen, schwebte ein zeitungsähnlich gefilhrter, kommerzieller Rundfunk vor. 21 In dieser Situation wurde der Verfassungsgerichtshof mit VoriagebeschlUssen mehrerer Gerichte konfrontiert, bei denen Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der Sender anhängig waren. Grundlage dieser Verfahren waren erneut Art. I, 183 und 195 PostG in der Fassung, die sie durch Art. I und 45 des Gesetzes Nr. \03/1975 erhalten hatten. Die vorlegenden Gerichte bezweifelten die Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Monopols filr Rundfunk- und Fernsehsendungen, soweit sich dieses auch auf Sendungen lokalen Charakters erstreckte. In dem auf die Vorlagebeschlüsse ergangenen Urteil Nr. 202/1976 22 stellte der Verfassungsgerichtshof zunächst fest, daß keines der vorlegenden Gerichte die Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Monopols im gesamtstaatlichen Bereich bezweifle und es aufgrund der auf nationaler Ebene weiterhin bestehenden Frequenzenknappheit bei der Einstufung der Fernsehtätigkeit als "öffentlicher Aufgabe von wesentlicher Bedeutung und von hervorragendem Allgemeininteresse" bleibe, die den Staatsvorbehalt rechtfertige. 23 Auf lokaler Ebene machte der Gerichtshof jedoch eine, wenn auch nicht wie beim Kabelfernsehen unbegrenzt zur Verftigung stehende, so doch ausreichende 21 W Meinet - Das italienische Fernsehduopol: Grundlagen und Ausprägung, RuF 1988, 220 (222); drs. - Die Rundfunkstruktur in Italien, MP 1985, 40 I (40 I). 22 Corte cost. Nr. 202/1976, Giur. cost. 1976, 1267 tf. 23 Ebenda, S. 1280 f.
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Anzahl von Sendefrequenzen aus, die eine freie Betätigung privater Sender ennögliche, ohne daß die Gefahr des Entstehens eines privaten Monopols oder Oligopols gegeben sei, zumal die Kosten einer Sendeanlage mit lokaler Reichweite nicht erheblich seien. Solche Sendungen im Gegensatz zum örtlichen Kabelfernsehen nicht zuzulassen, hieße daher den in Art. 3 der italienischen Verfassuni4 niedergelegten Gleichheitssatz verletzen. 25 In der Urteilsbegrtindung fortfahrend stellte das Verfassungsgericht außerdem einen Verstoß gegen das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 21 der Verfassung) fest, da für Sendungen im lokalen Bereich die Gefahr privater Monopole oder Oligopole nicht bestehe und somit der einzige Grund fehle, der ,jene schwerwiegende Einschränkung des grundlegenden Prinzips der Freiheit [der Meinungsäußerung], die auch ein Staatsmonopol notwendigerweise mit sich bringt", rechtfertigen könnte. 26 Der Verfassungsgerichtshof erklärte daher Art. 1 und 45 des Refonngesetzes Nr. 103/1975 insoweit für verfassungswidrig, als diese keine Ausnahme vom staatlichen Rundfunk- und Fernsehmonopol für lokal begrenzte Sendungen vorsahen. Das Gesetz Nr. 103/1975 wurde durch diese fundamentale Entscheidung bereits wenig mehr als ein Jahr nach seiner Verabschiedung refonnbedürftig. Der Gesetzgeber wurde vom Verfassungsgerichtshof angehalten, einen umfassenden Ordnungsrahmen für den entstehenden Rundfunkmarkt mit privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern zu schaffen. Die Hinweise, die er für eine gesetzliche Regelung gab, gingen wie bereits in der Entscheidung Nr. 225/1974 bis in Einzelheiten. Unter diesen Hinweisen ist v.a. die Aufforderung hervorzuheben, den Lokalbereich zu definieren (was nie geschah) und Bestimmungen zu erlassen, die den lokalen Charakter der Sendungen sicherstellen und Fonnen der Konzentration, des Monopols oder Oligopols verhindern. Des weiteren forderten die Richter eine Begrenzung der Werbezeiten, ähnlich der Regelung, die im Gesetz Nr. 103/1975 für die RA! gefunden worden war. 27 Außerdem sollte das Verwaltungsorgan bestimmt werden, dem es obliegen sollte, die Einhaltung der Bestimmungen wirksam zu kontrollieren. Das italienische Parlament sollte sich ganze 14 Jahre (!) Zeit lassen, um die vom Verfassungsgericht geforderten Regelungen zu erlassen.
Eine Übersetzung des Art. 3 der italienischen Verfassung fmdet sich im Anhang. Corte cost., S. 1282 f. 26 Corte cost., S. 1283. 27 Art. 21 Abs. 2 Gesetz Nr. 103/1975 (später geändert durch Art. 8 Abs. 18 des RuFuG 1990): Die Gesamtdauer der Werbeprogramme darf einen Anteil von maximal 5% an der gesamten Sendezeit nicht überschreiten. 24
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Das Urteil hatte eine erbitterte Debatte in der Literatur zur Folge, da es als Widerspruch zu den vom Gericht über ein Jahrzehnt lang vertretenen Grundsätzen empfunden wurde. Fast einhellig wurde vertreten, daß die Liberalisierung des Rundfunks im lokalen Bereich dem staatlichen Rundfunkmonopol auf nationaler Ebene jegliche Rechtfertigung entzog. Da wirtschaftliche Probleme der Privatsender, die zur Monopol- oder Oligopolbildung fuhren könnten, sowohl auf lokaler als auch nationaler Ebene zu erwarten seien und die verfügbaren Frequenzen aufbeiden Ebenen begrenzt seien, mache eine Unterscheidung beider Bereiche keinen Sinn. 28 In der Folgezeit wurde häufig darüber spekuliert, ob eine eventuelle Befürchtung der Richter, die Parteien des sogenannten "historischen Kompromisses" (Democrazia Cristiana (DC) und Partito Comunista Italiano (PCI» könnten das staatliche Rundfunkmonopol für sich vereinnahmen,29 bei der Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt haben könnte. 3o IV. Die Lage zwischen 1976 und 1981 Eine der Ursachen für die auf das Urteil vom Juli 1976 folgenden Unsicherheiten in der italienischen Medienlandschaft lag darin begründet, daß viele Autoren in der Entscheidung des Verfassungsgerichts die Anmaßung gesetzgeberischer Funktionen durch die Richter erblickten, weswegen die Entscheidung auch als "sentenza-legge" ("Urteil-Gesetz") kritisiert wurde. 3 ! Den einzelnen Vorgaben zur Regelung des Bereichs wurde eine wie auch immer geartete "Bindungskraft" mit dem Argument abgesprochen, daß es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts sondern des Gesetzgebers sei, eine normative Lücke zu füllen. Der Gesetzgeber aber hatte keine Regelung geschaffen! 28 Siehe stellvertretend für viele andere: R. Zaccaria - La Corte cambia strada: TI monopolio radiotelevisivo e legittimo solo a meta, Dir. radiotelecom. 1976, 288 ff.; C. Chiola - TI pluralismo spontaneo per la radiotelevisione locale, Giur. cost. 1976, 1418 ff.; P. Caretti - Monopolio pubblico e radio-TV "libere" dopo la sentenza della Corte costituzionale n. 202 del 1976, Dir. radiotelecom. 1976, 248 ff.; F D 'Onofrio Groviglio nell'etere: La Corte "apre" ai privati "locali", Giur. cost. 1976, 1424 ff. AA A. Pace - Der Rundfimk in Italien, in: R. Grawert/c. Tomuschat (Hrsg.) - Der Journalist in der Verfassungsordnung. Die Privatfimkordnung, Berlin 1989, S. 67 (93). 29 DC und PCI erhielten bei den Parlamentswahlen am 20. Juni 1976 38,7% bzw. 34,4% der Stimmen. Quelle: A. Pace - La televisione pubblica in Italia, Fora italia..'1o 1995, 245 (Fn 5). 30 P. Barile - Servizio pubblico ed emittenza privata, in: P. BarilelR. ZaccariaIP. Caretti (Hrsg.) - Rapporto annuale sui problemi giuridici dell'informazione (1986-87), Padua 1988, S. 171 (172); Pace, S. 247. 3! D'Onofrio, S. 1424. Siehe auch Hartwig, S. 694 f.
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Kaum daß die Entscheidung aus Rom bekannt wurde, fiillte sich der Äther, durch die fehlende Gesetzeskraft der Vorgaben der Entscheidung Nr. 202/1976 und die mangelnde gesetzliche Regelung begünstigt, mit hunderten von Radiound Femsehsignalen. Ein wahrer Wettlauf um die besten Sendefrequenzen begann. Dort wo der vom damaligen nationalen Frequenzenplan 32 für den Rundfunk vorgesehene radioelektrische Raum bereits besetzt war, wurde einfach auf andere Kanäle ausgewichen, die im öffentlichen Interesse liegenden Diensten, wie z.B. der Funknavigation vorbehalten waren?3 Auch die durch die Konvention zwischen Staat und RA! der Konzessionärin vorbehaltenen Frequenzen wurden hiervon nicht verschont. 34 Zahlreiche Interferenzen blieben in der Folgezeit nicht aus. Häufig kam es vor, daß derselbe Veranstalter in ein und demselben oder verschiedenen lokalen Bereichen mehrere Frequenzen beanspruchte. Dies geschah zum einen, um Konkurrenten von der Programmveranstaltung abzuhalten, zum anderen in der Absicht, die Frequenzen später an Dritte gegen Entgelt "abzutreten". 35 Selbst der improvisierte Sendebetrieb oder gar die Ausstrahlung eines Standbildes stellte sich hierdurch als günstige Geldanlage dar. Der vom Verfassungsgericht geschaffene Freiraum wurde so als Freibrief zur "Wellenbesetzung" mißbraucht. Es entstanden zahlreiche Gesellschaften, die in aller Eile Sendeanlagen und Relaisstationen aus dem Boden stampften. Quasi über Nacht wurden die Bergspitzen von den Alpen bis nach Sizilien mit Antennen, Masten und Übertragungshäuschen bedeckt. Schon bald verursachten die so gesendeten Programme zahlreiche Konfliktsituationen zwischen den Veranstaltern. Da ein Frequenzenplan fehlte, der die Besetzung der Kanäle in geregelte Bahnen hätte lenken können, kam es zu mehrfacher Belegung derselben Kanäle, was dem Zuschauer einen störungsfreien Empfang unmöglich machte. Die Verwaltungsbehörden konnten nach Art. 240 des damaligen PostG nur dort einschreiten, wo Kanäle gestört wurden, die im besonderen öffentlichen Interesse liegenden Diensten vorbehalten waren. In allen anderen Fällen handelte es sich um Konflikte zwischen Privaten, zu deren Lösung der Verwaltung die Ermächtigungsgrundlage fehlte. So wurden die ordentlichen Gerichte von den Konfliktparteien angerufen. Mangels einer ausdrücklichen Regelung entschieden diese nach dem Kriterium, daß die "Vorbenutzung" der Frequenzen 32 Ministerielles Dekret des Ministers rur Post und Telekommunikation vom 3. Dezember 1976. 33 Im Mai 1977 mußte gar der Turiner Flughafen fiir mehrere Stunden stillgelegt werden, weil eine private Rundfunkstation auf der Frequenz des Kontrollturms sendete. Siehe den Bericht Rundfunkchaos in Italien, MP 1977, 706 (714). 34 A. Sarli - Guida alla emittenza radiotelevisiva privata, Mailand 1994, S. 20. 35 Sarli, S. 24.
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zu respektieren sei. 36 Damit konnte sich deIjenige durchsetzen, der als erster eine bestimmte Frequenz "besetzt" hatte. Die fehlende Handlungsmöglichkeit der Verwaltung ausnutzend, beschränkten sich die privaten Veranstalter schon bald nicht mehr auf den lokalen Bereich, den ihnen der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung Nr. 202/1976 zugewiesen hatte. Die Überwindung der örtlichen Ebene wurde zum einen durch eine Steigerung der Sendestärke der Anlagen erreicht. Zum anderen diente hielZU der Zusammenschluß zu sog. Networks. Dabei handelte es sich um zu einer Sendekette zusammengeschlossener Lokalstationen, deren Eigenart es war, zeitgleich ein einheitliches Programm auszustrahlen. Diese Kette wurde entweder durch simultanes Abspielen vorbereiteter Kassetten (ital.: "cassettizzazione" oder "interconnessione funzionale") oder durch Kabelverbindung zwischen den beteiligten Stationen (ital.: "interconnessione strutturale") hergestellt. Zur Bildung der Networks erwarben die wirtschaftlich potenteren Unternehmer direkt die von Dritten bereits betriebenen Sendeanlagen. Da die elektromagnetischen Wellen selbst nicht veräußerbar waren, diente der Erwerb der Anlagen dazu, das "Recht" zur Benutzung der Frequenz - dem eigentlichen Gegenstand des Erwerbs - zu erhalten. Die Tendenz große Sendeketten zu bilden, wurde von der Notwendigkeit getragen, mit einem Werbespot, der vorrangigen Einnahmequelle privater Anbieter, ein möglichst großes Publikum zu erreichen, um fiir die Ausstrahlung des Spots ein möglichst hohes Entgelt zu erhalten. Die Bildung von Sendeketten ermöglichte es den privaten Anbietern, die Werbeeinnahmen bei sinkenden Produktionskosten zu steigern. V. Die Urteile Nr. 148/1981 und Nr. 237/1984 Angesichts des "Verstoßes" gegen die im Urteil Nr. 202/1976 vorausgesetzte räumliche Begrenzung der Privatinitiative wurde der Verfassungsgerichtshof fünf Jahre nach seinem historischen Urteil erneut mit der Materie befaßt. Ende 1980 liefen die letzten Vorbereitungen des Verlegers des Corriere della Sera Rizzoli37 zur landesweiten Ausstrahlung einer aktuellen Nachrichtensendung. Das neue Programm PIN (prima Rete Indipendente) sollte mit 18 über ganz Italien verstreuten Sendeanlagen zeitgleich mittels "interconnessione" live ausgestrahlt werden. Kurz vor Ausstrahlung der ersten Sendung rief die RA! jedoch das römische Bezirksgericht an, um die Sendetätigkeit Rizzolis zu unterbinden und erhielt von diesem eine einstweilige Verfügung. Im 36 A. Pace - Der RWldfunk in Italien, in: R. Grawert/c. Tomuschat (Hrsg.) - Der Journalist in der VerfassWlgsordnWlg, Berlin 1989, S. 67 (78). 37 Der Corriere della Sera ist Italiens auflagenstärkste Wld einflußreichste TageszeitWlg.
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Hauptverfahren berief sich die RA! auf das Urteil Nr. 202/1976 und brachte vor, Rizzoli respektiere die lokale Begrenzung der Privatsender nicht und verletze daher Art. 195 PostG. Das Bezirksgericht legte daraufhin die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Art. 195 PostG dem Verfassungsgericht vor, da es aufgrund des technischen Fortschritts eine wesentliche Vermehrung der für das Fernsehen auf nationaler Ebene zur Verfügung stehenden Frequenzen zu erkennen glaubte. Damit, so das Gericht, habe sich ein wesentlicher Umstand geändert, der zum Urteil Nr. 202/1976 geführt habe. 38 In dem auf die Vorlage ergangenen Beschluß Nr. 148/1981 führte das Verfassungsgericht aus, es könne mittlerweile als gesicherte Auffassung des Gerichtshofes gelten, daß der "allgemeine Nutzen", der dem Rundfunk- und Fernsehbetrieb auf nationaler Ebene zukomme, eine Verhinderung privater Monopole oder Oligopole in diesem Bereich erfordere. 39 Dies beziehe sich nicht nur auf die beschränkte Zahl der Frequenzen, denn eine Vermehrung der zur Verfügung stehenden Frequenzen würde für sich allein die Gefahr privater Monopole oder Oligopole nicht ausschließen. Auch der technische Fortschritt (z.B. in der Form der "interconnessione") führe in Verbindung mit einer Reihe wirtschaftlicher Faktoren zu einer in verschiedenen Formen realisierbaren Zusammenarbeit mehrerer Sender. Hierdurch könne der lokale Bereich überschritten werden, so daß das Staatsmonopol auf nationaler Ebene berührt werde. 40 Weiter führte der Gerichtshof aus, daß er bereits in der Entscheidung Nr. 202/1976 nachdrücklich darauf hingewiesen habe, daß der Gesetzgeber die Ausübung des Senderechts der privaten Veranstalter auf lokaler Ebene regeln müsse. Infolge der anhaltenden Untätigkeit des Gesetzgebers sei allerdings die heutige Rechtslage von der in den früheren Entscheidungen behandelten nicht verschieden, zurnal es nicht entscheidend auf die Zahl der verfügbaren Frequenzen ankomme. Würden sich aber private Monopole oder Oligopole bilden, so wäre gerade Art. 21 der Verfassung verletzt, der zur Bekämpfung des staatlichen Monopols angerufen werde; denn die Übermacht eines einzelnen oder einer Gruppe enge zwangsläufig die Meinungsäußerungsfreiheit aller anderen Bürger ein, die, da sie nicht über gleiche technische und wirtschaftliche Macht verfügten, schließlich einen fortschreitenden Verlust ihres Freiheitsbereichs hinzunehmen hätten. Die durch die Verbindung von Wort und Bild dem Fernsehen
Corte cost. Nr. 148/1981, Giur. cost. 1981, 1379 (1385). Corte cost. Nr. 14811981, Giur. cost. 1981, 1379 ff. Eine auszugsweise Übersetzung der Entscheidung ist in Ruf 1982, 78 ff. zu fmden. Siehe auch die Anmerkung von H. Bremenkamp - Rundfunk in Italien - zur jüngeren Entscheidung des Corte costituzio-nale, Ruf 1982, 72 ff. 40 Ebenda, S. 1407. 38
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zukommende starke Überzeugungskraft würde es dann einem privaten Monopolisten erlauben, die Meinungsbildung entscheidend zu beeinflussen. Eine derartige potentielle Macht eines Privaten sei aber mit den Regeln der Demokratie nicht vereinbar. 41 Abschließend wies das Gericht ausdrücklich darauf hin, daß seine Ausfiihrungen fiir den augenblicklichen Stand der Gesetzgebung Geltung beanspruchten. Man könne zu anderen Schlußfolgerungen gelangen, wenn der Gesetzgeber "endlich das Problem des Privatrundfunks umfassend und gründlich angeht und ein wirksames System von Garantien bereitstellt, das die Bildung von monopolistischer und oligopolistischer Konzentration in effektiver Weise verhindert, und zwar nicht allein im Bereich der Verflechtung unter den verschiedenen Sendern, sondern auch in dem der Verbindung von Unternehmen, die auf verschiedenen Sektoren der Informationsvermittlung arbeiten, einschließlich der Werbeunternehmen".42 Festzuhalten bleibt somit, daß sich der Gerichtshof mit dieser Entscheidung vom Argument der beschränkten Sendefrequenzen befreite, um nunmehr die Marktkräfte als Hauptargument fiir die Gefahr der Monopol- bzw. Oligopolbildung anzuführen. Daher kann bezweifelt werden, ob - wie dies im Urteil anklingt - die Entscheidung tatsächlich in eine Reihe mit den früheren Urteilen gehört. Dennoch ist der Sinn der Aussagen des Urteils Nr. 148/1981 klar. Solange der Gesetzgeber nicht präventiv mit einer Regelung zum Schutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen einschreitet, kann die Zulässigkeit des staatlichen Rundfunkvorbehalts auf nationaler Ebene nicht weiter zur Diskussion gestellt werden. Zwischen 1976 und 1981 wurden zwar Gesetzentwürfe verschiedenen Ursprungs zur Regelung des Privatfernsehens vorgelegt; keiner von diesen konnte jedoch die parlamentarischen Hürden nehmen. Gestützt auf die im Urteil Nr. 148/1981 enthaltenen Aussagen des Verfassungsgerichtshofes wandte sich die RA! daher erneut an das römische Bezirksgericht und beantragte, den lokalen Sendern zu verbieten, aufgezeichnete identische Programme jeweils zeitgleich auszustrahlen. Im Zuge der Verhandlungen warf das Bezirksgericht unversehens erneut einige Fragen der Verfassungsmäßigkeit auf, die im wesentlichen mit denen identisch waren, die der Verfassungsgerichtshof wenige Monate zuvor als unbegründet erachtet hatte. Zur Begründung der Vorlage dieser Fragen bemerkte das Bezirksgericht, daß die im Urteil Nr. 148/1981 enthaltenen Aussagen über die Gefahr der Bildung privater Oligopole bei Sen-
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Ebenda, S. 1407 f. Ebenda, S. 1408 f.
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dungen auf landesweiter Ebene übertrieben seien. 43 Die weitere Entwicklung sollte dem Verfassungsgerichtshof Recht geben. Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshofblieb über Jahre hinweg anhängig und führte erst 1988 zu einer Entscheidung. 44 Auch das Urteil Nr. 237/1984 wurde vom Verfassungsgerichtshof dazu genutzt, den Gesetzgeber erneut auf die immer noch fehlende gesetzliche Regelung des privaten Rundfunks aufmerksam zu machen. 45 Vorausgegangen waren erneut zahlreiche Vorlagen zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Art. 1, 183 und 195 PostG. Die vorlegenden Gerichte waren der Auffassung, daß die Bestrafung bestimmter Sendetätigkeiten, 46 ohne vorher eine Genehmigung eingeholt zu haben, gegen Art. 3 der Verfassung (Gleichheit vor dem Gesetz) verstoße, wenn andere, gleichartige Aktivitäten47 auch ohne Genehmigung auf Grund der formalen Gesetzeslage und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes straflos blieben. Das Verfassungsgericht führte hierzu mit einiger Schärfe aus, daß allein der bis dahin nicht erfiillte Auftrag an den Gesetzgeber dazu geführt habe, daß die drahtlose Übertragung von Fernsehsendungen im lokalen Bereich durch Private absolut frei in dem Sinne sei, daß (noch) keine gesetzliche Regelung bestehe. Damit habe sich eine zweifellos "anormale und unausgewogene" Situation ergeben, aus der sich die meisten Vorlagebeschlüsse erklären ließen. 48 Hierin aber eine Verletzung des Gleichheitssatzes zu sehen, hieße diesen in das Gegenteil seiner "natürlichen" Bedeutung zu verkehren. Die anormale (und hoffentlich nur vorübergehende) Situation könne nicht zum Maßstab fiir die Beurteilung der allgemeinen Regel gemacht werden, wonach die Errichtung und der Betrieb von Rundfunkanlagen an die Erteilung einer Genehmigung gebunden sei. 49
VL Der Aufstieg Silvio Berlusconis Die ungewohnte Schärfe, die in dem zuletzt genannten Urteil des Verfassungsgerichtshofes anklang, war durch die rasante Entwicklung bedingt, die der italienische Fernsehmarkt Anfang der 80er Jahre einschlug. So wiedergegeben in Giur. cost. 1988,3893 (3924 fT.). Siehe wlten I. Teil A, VIII. 45 Corte cost. Nr. 237/1984, Giur. cost. 1984, 1690 t1 46 Im vorliegenden Fall ging es um den Betrieb einer Anlage zur Repetition der Sendungen der RAI. 47 Gemeint war die Ausstrahlung von Sendungen auflokaler Ebene. 48 Ebenda, S. 1705. 49 Ebenda, S. 1706 f. 43
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Ab 1981/82 wurde das Privatfernsehen in Italien zum Geschäft. Entscheidend trug hierzu der Fininvest-Konzern des Bauunternehmers Silvio Berlusconi bei. Aber auch die Großverleger Rizzoli, Rusconi und Mondadori wurden auf dem Fernsehmarkt aktiv, um die Werbekunden an ihre Unternehmen zu binden. Berlusconi begann in den 70er Jahren als Bauunternehmer und beteiligte sich erstmals 1976 im Medienbereich als Aktionär der konservativen Tageszeitung "ß giornale nuovo" aus Mailand. 1978 stieg er in das Privatfernsehen durch den Aufbau einer Firmengruppe ein, bestehend aus einer Gesellschaft zur Verteilung von Programmpaketen ("Rete Italia"), einem Produktionszentrum ("VideoTecnica"), einem Fernsehsender ("Telemilano-Canale 5") und einer Werbeagentur ("Publitalia '80"). Am 13.11.1980 nahm das hieraus hervorgegangene Network "Canale 5" (aus 40 Sendern bestehend) den Sendebetrieb auf. Der Verleger Mondadori begann ebenfalls in den 70er Jahren im audiovisuellen Bereich mit der Gesellschaft "Mondadori-Video" tätig zu werden. 1978 investierte er in verschiedene Gesellschaften im Rundfunksektor und besaß schließlich 198264% des daraus entstandenen Networks "Rete 4". Der Verleger Rusconi baute Anfang der 80er Jahre die Senderkette "Italia 1" auf, die am 3. Januar 1982 über einen Zusammenschluß von 18 über Nord- und Mittelitalien verstreuter Sender die Programme des neuen Networks ausstrahlte. Bereits wenige Monate nach der ersten Sendung verkaufte Rusconi sein Network an Berlusconi, der den ebenfalls interessierten Mondadori-Verlag überbot. In dem auf die Übernahme von "Italia I" folgenden Jahr begann zwischen .Berlusconi und Mondadori ein harter Kampf um Werbekunden. Bereits im Jahre 1983 konnte Berlusconi diesen aufgrund der von "Canale 5" und "Italia I" erreichten höheren Einschaltquoten für sich entscheiden.?O Zwei Jahre nach Aufnahme der Sendetätigkeit sah sich so der renommierte Verlagschef Mondadori gezwungen, ,,Rete 4" zu veräußern, um das Verlagshaus durch die Verluste der Fernsehgesellschaft nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Der einzige Käufer, der sich nach dem Ausscheiden der wichtigsten italienischen Verleger bot, war Silvio Berlusconi. Da es in Italien noch kein Gesetz gab, das die Privatsender reglementierte und damit schon gar nicht ein Antitrust-Gesetz gegen die Monopolisierung des Fernsehbereichs, konnte Berlusconi schließlich die
50 hn Jahre 1983 erreichten "Canale 5" und ,,Italia 1" gemeinsam einen Zuschaueranteil von 25,8% gegenüber 8,8% von ,,Rete 4". Quelle: [STEL, wiedergegeben in L. Solito je. Sorrentino - Offerta e consumo di te1evisione in Italia (1982-1983), Problemi dell'informazione 1984, 277 (292). Siehe auch G. Grizzaffi - Potentielle und reale Macht in der italienischen Fernsehlandschaft, Ruf 1983, 395 (400) und B. Rauen Italien: Kartellbildung von Medien und Industrie, MP 1990, 156 (158).
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Aktienmehrheit an "Rete 4" erwerben. Es zeigte sich, daß die Etablierung von Networks zusammen mit dem Fehlen normativer Maßstäbe in Italien einen Markt mit starkem Hang zur Monopolisierung und Dezimierung freier Konkurrenz entstehen hatte lassen. Dies war nicht ohne Willen der Politiker geschehen, die nach einem Darstellungsforum neben der staatlichen RAI gesucht hatten. Der Mailänder Bauunternehmer wurde so schließlich zum unbestrittenen Herrscher über die private Fernsehszene Italiens. Berlusconi, dessen Einstieg in das Privatfernsehen von Anfang an vom Ehrgeiz geprägt war, den Wettbewerb mit der RAI aufzunehmen, wurde zu deren einzigem ernsthaften Konkurrenten. 51 Angesichts dieser Situation erschien es von Berlusconi gewiß nicht gewagt, nach der Übernahme von ,,Rete 4" zu behaupten, daß "ein privater "Rundfunkpol" entstanden ist, der in der Lage ist, dem öffentlichen "Pol" entgegenzutreten".52 Das staatliche Fernsehmonopol wandelte sich durch diese Entwicklung innerhalb weniger Jahre zu einem Duopol bestehend aus Fininvest und RAI. Es verwirklichte sich damit genau die Situation, vor der der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung seit den 60er Jahren immer wieder gewarnt hatte. Neben derart übermächtigen Marktteilnehmern wie der RA! und der Fininvest haben bis heute andere Networks kaum eine Chance, fiir die Werbewirtschaft interessante Einschaltquoten zu erreichen. Dies liegt auch daran, daß Berlusconi geschickt die Programmgestaltung seiner drei Sender auf unterschiedliche Zuschauergruppen zugeschnitten hae 3 und so als einziger Veranstalter den Werbekunden die Möglichkeit bietet, mit ihren Werbespots gezielt bestimmte Bevölkerungsschichten anzusprechen. Hinzu kommen nützliche Synergiee1fekte aus der Verlagstätigkeit der Fininvest. Um dennoch neben diesem Medienimperium zu überleben, weichen inzwischen zahlreiche kleine Sender auf die Veranstaltung von "Teleshopping" und ähnlicher "Programme" aus. Dennoch fehlte es nicht an Versuchen einen "terzo polo" ("dritten Rundfunkpol") neben RAI und Fininvest aufzubauen. Der am ehesten Erfolg versprechende Versuch wurde von dem Verleger Rizzoli unternommen. Dieser beging jedoch den Fehler eine überregionale Nachrichtensendung anzukündigen, wodurch er sich den Ärger der RA! und der italienischen Politiker einhandelte. Die von Rizzoli gegründete Fernsehgesellschaft "Rete Europa" mußte schließlich 51 hn Jahre 1994 konnten die Fininvest-Programme einen Zuschaueranteil von 43,59% gegenüber den 46,39% der drei RAI-Sender verbuchen. Quelle: Auditei. 52 Siehe Corriere della Sera vom 28. August 1984. 53 ,,Rete 4" richtet sich an ein eher weibliches und älteres Publikum, während ,,1talia I" jugendliche Zuschauergruppen anspricht. "Canale 5" ist hingegen als Familienprogramm gedacht.
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bereits vor ihrer ersten Sendung, durch Urteile des Bezirksgerichts und des Verfassungsgerichtshofes gezwungen,54 ihren Betrieb einstellen. Ein weiterer Versuch wurde von dem Nahrungsmittelkonzern Parmalat unternommen, der unter dem Namen "Odeon-TV" einen Zusammenschluß von 21 Sendern erreichte. Bereits wenige Monate nach dem Start dieses Networks scherten jedoch sieben Sender aus dem Verband aus und gründeten "Italia 7", da ihnen von Berlusconi bessere Vertragsbedingungen geboten wurden. "Odeon-TV' reichte daraufhin eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein und verklagte "Fininvest" wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Art. 2598 Codice civile (unlauterer Wettbewerb) und Art. 86 EGV (Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung).55 Das mit der Sache befaßte Tribunale di Milano entschloß sich schließlich vom Europäischen Gerichtshof klären zu lassen, ob öffentlich-rechtliche und private Veranstalter einen gemeinsamen Markt im Hinblick auf Art. 86 EGV bilden und ob der von der Fininvest verfolgte Zweck, neue Konkurrenten vom Fernsehmarkt fernzuhalten, als Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen werden kann. 56 Da das Verfahren vor dem nationalen Gericht mit einem Vergleich endete, wurde schließlich das Verfahren vor dem Gerichtshof eingestellt. 57 Die steigende Verschuldung von "Odeon-TV' zwang Parmalat 1988 schließlich zum Verkauf an die Pathe Comunicazioni. Bis heute erreicht der Sender keine nennenswerte Einschaltquoten. In letzter Zeit liegen die Hoffnungen auf dem aus Monaco einstrahlende Sender "Telemontecarlo" (TMC). Nachdem dieser Veranstalter 1995 gemeinsam mit dem Musikkanal "Videomusic" (VMC) von dem aus der Filmbranche stammenden Vittorio Cecchi Gori übernommen wurde, stehen dem Sender die an Filmmaterial reichen Archive des Florentiner Unternehmers offen. 58 Hier schon jetzt von einem "terzo polo" zu sprechen wäre aber übertrieben, denn die
54 Corte cost. Nr. 14811981, Giur. cost. 1981,1379 ff.; siehe oben 1. Teil A, V. 55 Näher hierzu M Fröhlinger - EG-Wettbewerbsrecht und Fernsehen, Ruf 1993, 59
(62).
56 EuGH RS C-170/90, EuZW 1990, 397 f. Siehe auch den Kommentar von G. Bianco - Abuso di posizione dominante e pluralismo dell'infonnazione (con particolare riguardo al settore radiotelevisivo privato), Giur. it. 1992, 61 ff. 57 ABI. Nr. C 33/10 vom 11. Februar 1992. In der Folge wurde auch die Beschwerde an die EG-Kommission zurückgenommen. 58 Neben der Tätigkeit im TV-Bereich verbindet Vittorio Cecchi Gori mit Silvio Berlusconi auch sein Mandat im römischen Parlament. 3 pfeifer
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l. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
von TMC und VMC erreichten Einschaltquoten liegen bislang unter der 5%Marke. 59 Im August 1990 stieß die von Berlusconi neu gegründete Fernsehgesellschaft "Telepiu" zu dessen Einflußbereich. Mittlerweile werden alle drei Programme der "Telepiu" verschlüsselt als Pay-TV gesendet. 60 Zwar mußte Berlusconi seine Anteile an dieser Gesellschaft bis auf einen Rest von 10% schon bald aufgrund der Kartellbestimmungen des Rundfunkgesetzes aus dem Jahr 1990 abgeben, die undurchsichtige Firmenstruktur ließ jedoch langezeit vermuten, daß der Mailänder Medienunternehmer weiterhin den beherrschenden Einfluß auf die Aktivitäten von "Telepiu" ausübte. 61 Mittlerweile teilt sich Berlusconi die Aktienanteile an der "Telepiu" gemeinsam mit dem deutschen Medienunternehmer Leo Kirch (45%) und dem südafrikanischen Magnaten Johann Rupert (45%). 1993 gründete Berlusconi schließlich die Holding Mediaset, deren Kontrolle er die drei Fernsehsender "Canale 5", "Italia 1" und "Rete 4" anheim stellte. Mittlerweile halten neben der Fininvest Berlusconis unterschiedliche Investoren Anteile an der Mediaset. 62 Im Juli 1996 trat Mediaset schließlich mit etwa 24,4% des Aktienkapitals den Gang an die Börse an. Die Fininvest, die sich weiterhin zu 100% im Besitz der Familie Berlusconi befindet, kontrolliert damit "nur" noch etwa 50% der Mediaset-Aktien. Neben den drei erfolgreichen Fernsehsendern hat Berlusconi unter dem Dach der Fininvest im Laufe der Jahre ein Medienimperium bestehend aus über 200 59 Dies könnte sich allerdings in Zukunft ändern, da es Cecchi Gori gelungen ist, die Fußballübertragungsrechte zu erwerben. 60 "Telepiu 1" strahlt Spielfilme aus, "Telepiu 2" ist Sportübertragungen vorbehalten, während "Telepiu 3" ein anspruchsvolles Kulturprogramm sendet. Die Gesellschaft zählt heute 800.000 Abonnenten. Siehe ausfiihrlieh zum Komplex ,,Pay-TV" 3. Teil D. 61 Die Medienaufsicht hat am 10. April 1996 neue Untersuchungen über die wahren Machtverhältnisse innerhalb der "Telepiu" angekündigt, nachdem ein ehemaliger Manager der Fininvest im Prozeß gegen Silvio Berlusconi wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen an die Finanzpolizei ausgesagt hatte, Berlusconi habe den Eindruck erweckt, als "gehöre" ihm "Telepiu" in jeder Hinsicht. Siehe Corriere della Sera vom 28.03. und 11.04.1996. Zum Fall "Telepiu" siehe auch 0. Grandinetti - ,,TI caso Telepiu davanti al Garante", Giornale di diritto amministrativo 1996,236 ff. 1994/1995 wurde gegen "Telepiu" schon einmal wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Konzentrationsgrenzen des Allgemeinen Rundfunkgesetzes von 1990 ermittelt. Siehe den jährlichen Bericht (1995) der Medienaufsicht an das Parlament, abgedruckt in: Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1995, I, 1 (156 ff.). 62 Unter anderem sind Leo Kirch (7,6%), Johann Rupert (7,3%), Al Waleed (2,6%) und unterschiedliche italienische Banken (5,2%) an Mediaset beteiligt.
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Finnen aufgebaut. Dies wäre vermutlich ohne massive politische Protektion v.a. seitens des PSI (partito Socialista Italiano) und dessen langjährigen Partei sekretärs und Schulfreundes Berlusconis, Bettino Craxi, kaum möglich gewesen.
vn. Die erste gesetzliche Grundlage für das private Fernsehen (Gesetz Nr. 10/1985)
Die Networks hatten anfangs das Verbot nationale Rundfunksendungen zu verbreiten dadurch zu unterlaufen versucht, daß sie auf Kassette aufgezeichnete Programme benutzten, die dann zwar von lokalen Sendern, aber zeitgleich in ganz Italien ausgestrahlt wurden. 63 Dieses als "cassettizzazione" bezeichnete Verfahren rief bei der RA! aber auch beim Verband der (nicht verbundenen) Lokalsender heftigen Protest hervor. Die RA! versuchte 1982 - gestärkt durch das Urteil Nr. 148/1981 des Verfassungsgerichtshofes _64 beim zuständigen Bezirksgericht in Rom die Untersagung der Vorgehensweise der Networks zu erreichen. Dieser weigerte sich jedoch, dem Antrag stattzugeben. Hier zeigte sich, daß die vom Verfassungsgericht festgesetzte Begrenzung der Sendetätigkeit Privater auf den lokalen Bereich mangels gesetzlicher Konkretisierung eine weite Auslegung zuließ. Die Networks wagten in der Folgezeit trotz der bereits um die "cassettizzazione" entfachten hitzigen Diskussion einen weiteren Schritt in Richtung landesweiter Fernsehübertragung. Sie begannen mit der Errichtung und Inbetriebnahme von Hochfrequenzbrücken ("ponti radio"), um die Sendestudios in der Stadt mit den auf naheliegenden Bergen befindlichen Fernsehtürmen zu verbinden. Dieses System enthielt im Kern die Möglichkeit zur Überwindung der umständlichen "cassettizzazione" und zur Veranstaltung eines landesweiten Live-Programms. Im Oktober 1984 lehnten die Bezirksrichter in Rom, Turin und Pescara es schließlich gleichzeitig ab, diese Praxis weiterhin zu tolerieren und ließen die zur Erstellung der Hochfrequenzbrücken notwendigen Anlagen von "Canale 5", "Rete 4" und "Italia 1" in den Regionen Piemont, Abruzzen und Lazien beschlagnahmen. 65 Die Gerichte sahen in der Benutzung der Hochfrequenzbrücken ein Verlassen der lokalen Ebene, auf die das Urteil Nr. 202/1976 die Privatinitiative beschränkt hatte. 66 Die Entscheidung der Bezirksgerichte rief in der Bevölkerung eine in diesem Ausmaß kaum vorhersehbare Protestwelle aus. Das Publikum war nicht gewillt, Siehe oben l. Teil A, IV. Corte cost. Nr. 148/1981, Giur. cost. 1981, 1379 tT., siehe oben l.Teil A, V. 65 Als rechtliche Grundlage diente erneut Art. 195 des PostG. 66 Corte cost. Nr. 202/1976, Giur. cost. 1976, 1267 tT. 63
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l. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
auf die Telenovelas und Fernsehshows der Berlusconi-Programme zu verzichten. Das Ausmaß der Unzufriedenheit wurde von Silvio Berlusconi sofort richtig eingeschätzt, der sich entschloß, die "Verdunkelung der Fernsehbildschirme" durch die gänzliche Einstellung des Sendebetriebs seiner Networks zu verschärfen. Dies, obwohl er über zahlreiche Frequenzen in den übrigen Regionen verfügte, die ihm die Aufrechterhaltung der Sendetätigkeit ermöglicht hätten. Berlusconi aber verfolgte das Ziel, den Protest der Fernsehzuschauer zu seinen Gunsten zu steigern, was er zweifelsohne auch erreichte. Die Protestwelle hätte wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Sturz der damaligen Regierung Craxi geführt, wenn diese nicht in der Rekordzeit von vier Tagen (!) ein Regierungsdekret erlassen hätte. 67 Nach Art. 77 Abs. 2 der italienischen Verfassung kann die Regierung in besonderen Notfällen ein solches Dekret mit Gesetzeskraft (sog. "decreto legge") erlassen. Falls das Dekret allerdings nicht innerhalb von sechzig Tagen vom Parlament in ein formelles Gesetz umgewandelt wird, verliert es seine Wirksamkeit ex tunc (Art. 77 Abs. 3 italienische Verfassung).68 Das Dekret schrieb im Wesentlichen den damaligen status quo fest, indem es den privaten Veranstaltern vorläufig für ein Jahr das Recht verlieh, mit den Anlagen weiterzusenden, die bis zum Stichtag 10. Oktober 1984 bereits in Betrieb waren. Auch die zeitgleiche Ausstrahlung desselben Programms durch mehrere Lokalsender wurde unter der Voraussetzung zugelassen, daß dies mittels "cassettizzazione" geschehe. Nicht ganz zufällig wurde das Dekret aufgrund diesen Inhalts allerseits "decreto Berlusconi" getauft. Die Bezirksgerichte mußten sich so dem Willen der Regierung beugen und die Sendeanlagen freigeben. Dies geschah, sehr zur Erleichterung der Zuschauer, noch rechtzeitig vor der Übertragung der Samstagabend-Shows. Dem Dekret, das innerhalb von 60 Tagen Gesetz hätte werden sollen, gelang es indes nicht, die parlamentarischen Hürden zu nehmen. Die Parteien stritten sich vor allem über die Gültigkeitsdauer des Dekrets (ein Jahr) und um die Genehmigung der Hochfrequenzbrücken. Die Regierung Craxi sah sich daher gezwungen, das Dekret am 6. Dezember 1984 erneut zu erlassen. 69 Die Laufzeit wurde nun aber auf sechs Monate herabgesetzt. Die Hochfrequenzbrücken und die Gleichschaltung auf dasselbe Programm blieben vorläufig erlaubt. Die Regierung versprach allerdings, innerhalb von sechs Monaten den Entwurf für ein Allgemeines Rundfunkgesetz vorzulegen. Abermals fand im Parlament eine
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d.l. Nr. 694/1984.
Eine Übersetzw1g des Art. 77 der Verfassung [mdet sich im Anhang. 69 d.l. Nr. 80711984. 68
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hitzige Debatte statt, im Verlaufe derer auch das zweite ,,Berlusconi-Dekret" zu scheitern drohte. Erst als Bettino Craxi die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verband, passierte das Dekret das Parlament und wurde so in das Gesetz Nr. 10/1985 umgewandelt. 70 Das private Fernsehen erhielt hierdurch erstmals eine rechtliche Grundlage. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk galt weiterhin das Gesetz Nr. 103/1975, das durch das Gesetz Nr. 10/1985 nur an wenigen Stellen modifiziert wurde. 71 Die neuen Normen waren jedoch nur als Übergangsregelung bis zum Erlaß eines Allgemeinen Rundfunkgesetzes gedacht. Aus dieser "Brückenfunktion" erklärt sich auch, daß das Gesetz Nr. 10/1985 keinerlei Maßnahmen enthielt, die dem Entstehen beherrschender Stellungen auf dem Fernsehsektor hätten entgegenwiIken können. Damit wurde das Patt zwischen der BerlusconiGruppe einerseits und der RA! andererseits vorerst festgeschrieben. Zweck des neuen Gesetzes war nicht die Schaffung eines grundlegenden ordnungspolitischen Rahmens, sondern vielmehr die Gewährung einer Art Generalamnestie für alle bis dato operierenden Privatsender und die Legalisierung der privaten Sendetätigkeit fiir die Zukunft. 72 So enthielt auch nur Art. 1 Abs. 5 einige spärliche Hinweise darauf, was das Allgemeine Rundfunkgesetz alles zu regeln haben werde. 73 Neu eingefiihrt wurde durch das Gesetz hingegen der Begriff des "Benutzerbeckens" (ital.: "bacino di utenza"), der an die Stelle einer nie erfolgten Definition der "lokalen Ebene" trat. Nach der gesetzlichen Definition sollte es sich hierbei um Gebiete handeln, deren Größe einer gewissen Anzahl privater Sender das wirtschaftliche Überleben sichern konnte. Die Neuschöpfung war sehr dehnbar und enthielt wohl zumindest die Legalisierung regionaler Sender. Mit der klaren Befristung der gesetzlichen Regelung auf eine Geltungsdauer von sechs Monaten wollte man für den Entwurf eines Allgemeinen Rundfunkgesetzes ausreichend Beratungszeit einräumen. Je nach Interpretation konnte die Befristung aber auch als Versuch gewertet werden, den problematischen Fragen, insbesondere der dringend notwendigen Antitrust-Regelung auszuweichen.
Eine auszugsweise Übersetzung des Gesetzes Nr. 10/1985 fmdet sich im Anhang. Allerdings erfuhr die Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung unter den RAIOrganen nicht unerhebliche Änderungen. Siehe 2. Teil B, I. 3. 72 Siehe Art. 3 Abs. I Gesetz Nr. 10/1985. 73 So z. B. die Sicherung der Durchsichtigkeit der Eigentumsverhältnisse an privaten Sendern, die Werbesendungen und die Verhinderung der Bildung von MeinWlgsmonopolen. 70 71
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Das Gesetz Nr. 10/1985 war aufgrund seiner Kürze (es enthielt nur knapp 10 Artikel) und seiner zeitlichen Begrenzung weit davon entfernt, die chaotische Situation des italienischen Fernsehsektors zu lösen. Die privaten Sender operierten auch in der Folgezeit in Erwartung einer definitiven Regelung in nahezu vollständiger Normenlosigkeit. Das Gesetz Nr. 10/1985 wurde so als Provisorium zum Inbegriff der unsicheren Situation auf dem Fernsehmarkt Italiens.
VIII. Die zweite Hälfte der 80er Jahre Bereits bei Verabschiedung des provisorischen Gesetzes Nr. 10/1985 war absehbar, daß der Zeitplan von sechs Monaten fiir die Verabschiedung eines Allgemeinen Rundfunkgesetzes zu knapp bemessen worden war. Die Gültigkeit des Gesetzes wurde daher zunächst fiir weitere sechs Monate verlängert. 74 Die zwischenzeitlich eingetretenen Regierungskrisen hatten eine Verabschiedung des Allgemeinen Rundfunkgesetzes jedoch auch innerhalb dieser Frist verhindert. Das Unvermögen des Gesetzgebers fiihrte gemeinsam mit der Verspätung der Postverwaltung bei der Erstellung des vom Gesetz Nr. 10/1985 geforderten Plans fiir die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen dazu, daß das neue Gesetz letztlich zur Verfestigung des bis dato bestehenden Fernseholigopols beitrug. Am 31. Dezember 1985 lief das Gesetz schließlich seinem Wortlaut nach aus. Die bis dahin ohnehin schon unsichere Gesetzeslage wurde hierdurch um die Frage ergänzt, ob am 1. Januar 1986 der Status quo wie er vor dem provisorischen Gesetz bestanden hatte wiederauflebte oder ob das befristete Gesetz in irgendeiner Weise fortgalt. Ein Bezirksrichter legte in der Überzeugung, daß nach dem Auslaufen des Gesetzes Nr. 10/1985 den Networks die Rechtsgrundlage fehle, Berlusconis Programme in der Region Piemont fiir einen Monat lang still. Die Instanzgerichte urteilten jedoch, daß das Gesetz als Interimsregelung bis zum Erlaß des Allgemeinen Rundfunkgesetzes fortgelte. 75 Da so davon auszugehen war, daß das Gesetz Nr. 10/1985 der italienischen Medienwelt auf unbestimmte Zeit erhalten bleiben sollte, verlagerte sich der Streit auf die Inhalte der Regelungen. Das Gesetz hatte in der Tat einige Probleme aufgeworfen. So konnte bspw. die Abwesenheit jeglicher Kartellbestimmungen den Konzentrationsprozeß erleichtern. Die Beschränkung der Legalisierung von HochfrequenzbIÜcken auf Anla-gen, die am Stichtag 10. Oktober 1984 bereits in Betrieb waren (Art. 3 Abs. 1 d.1. Nr. 223/1985, wngewandelt in Gesetz Nr. 397/1985. Zur Kritik hieran siehe A. Pace - Der Rundfunk in Italien, in: R. Grawertlc. Tomuschat (Hrsg.) - Der Journalist in der Verfassungsordnung. Die Privatfunkordnung, Berlin 1989, S. 67 (85 f). 74
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Gesetz Nr. 10/1985), stellte eine Benachteiligung neuer Marktteilnehmer gegen-über bereits etablierten älteren Sendern dar. Zwei Gerichte aus Genua und Turin bezweifelten schließlich die Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung und legten die Prüfung dieser Frage dem Verfassungsgerichtshofvor. Insbesondere wollten sie geklärt wissen, ob es mit dem Prinzip des Pluralismus vereinbar sei, wenn eine Norm landesweit operierenden privaten Veranstaltern den Sendebetrieb gestatte, ohne Bestimmungen zur Vermeidung von Konzentrationsprozessen vorzusehen. Hierbei wiesen sie ausdrücklich auf das Urteil Nr. 148/1981 hin, in dem das Verfassungsgericht das Bestehen solcher Bestimmungen zur Voraussetzung fiir die Rechtmäßigkeit der landesweiten Ausstrahlung von Programmen durch private Veranstalter gemacht hatte. 75 In demselben Verfahren hatte der Verfassungsgerichtshof auch über einen Vorlagebeschluß des römischen Bezirksgerichts zu entscheiden, an das sich die RAI gewandt hatte, um die Unterlassung der zeitgleichen Ausstrahlung aufgezeichneter identischer Programme durch private lokale Sender zu erreichen. 76 Das vorlegende Gericht bezweifelte die Verfassungsmäßigkeit des Staatsmonopols fiir landesweit ausgestrahlte Programme im Hinblick auf Art. 21 und 41 der Verfassung. 77 Zur Begründung dieser Zweifel fiihrte es an, daß die im Urteil Nr. 148/1981 enthaltenen Aussagen über die Gefahr der Bildung privater Oligopole bei Sendungen auf landesweiter Ebene übertrieben seien. Außerdem sei der Pluralismus auf landesweiter Ebene, wenn nicht schon durch die Konkurrenz privater Sender untereinander, so doch durch die Konkurrenz zwischen privaten und öffentlichen Anbietern gesichert. 78 In dem auf die Vorlagen der Gerichte schließlich ergangenen Urteil Nr. 826/1988 fiihrte das Verfassungsgericht zunächst zur These des Bezirksgerichts aus Rom aus, daß in ihr eine unzulässige Vermischung der Rollen des öffentlichen und privaten Fernsehens liege. 79 Aufgabe des öffentlichen Fernsehens sei Corte cost. Nr. 148/1981, Giur. cost. 1981,1379 (1408 f.). Siehe oben l.Teil A, V. Siehe hierzu bereits oben 1. Teil A, V. 77 M Dagliotti - n far-west e fInito? Dal1e sentenze deHa Corte costituzionale aHa nuova disciplina dei sistema radiotelevisivo, Giust. civ. 1991,2. Teil, 337 (339) weist darauf hin, wie von den vorlegenden Gerichten dieselben verfassungsrechtlichen Prinzipien zur Begründung sich widersprechender Thesen (Verfassungswidrigkeit des privaten Rundfunks auf landesweiter Ebene einerseits und Verfassungswidrigkeit des staatlichen Monopols andererseits) angeführt wurden. 78 Giur. cost. 1988, 3893 (3925). 79 Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 ff. Siehe hierzu auch die Arunerkung von M. Schellenberg - Rundfunkkartellrecht, Arunerkung zu Corte Costituzionale, Urteil 826/1988, in: A. Di MajolP. KindlerlR. Hausmann (Hrsg.) - Jahrbuch für Italienisches Recht, Bd. 4, Heidelberg 1991, S. 129 ff. 75 76
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es, den Regeln des Binnenpluralismus getreu, über vollständige, objektive, unparteiische und ausgewogene Information einer größtmöglichen Anzahl an Meinungen, Tendenzen, politischen, sozialen und kulturellen Strömungen in der Gesellschaft ein Darstellungsforum zu bieten. Rolle des privaten Fernsehens sei indes das Recht der Bürger auf Information und die sich aus Art 21 und 41 der Verfassung ergebenden Freiheitsrechte der Veranstalter zu befriedigen. Da der Binnenpluralismus im Hinblick auf diese Rechte zweifelsohne auf Grenzen stoße, ergebe sich die Notwendigkeit, im Bereich der privaten Veranstalter das größtmögliche Maß an Außenpluralismus zu gewährleisten. Abgesehen von den unterschiedlichen Rollen der privaten und öffentlichen Veranstalter waren die Richter zudem der Auffassung, daß der Pluralismus auf nationaler Ebene auf keinen Fall durch die Konkurrenz zwischen einem "öffentlichen Rundfunkpol" und einem "privaten Rundfunkpol", vertreten durch einen einzigen Veranstalter oder einem Veranstalter in marktbeherrschender Stellung, als verwirklicht angesehen werden könne. Zu den Vorlagen der Gerichte aus Genua und Turin führte der Verfassungsgerichtshof aus, daß in der Tat in dem Urteil Nr. 148/1981 AntitrustRegelungen zur Voraussetzung fiir die Rechtmäßigkeit landesweit ausstrahlender privater Programme gemacht worden sei. An mehreren Stellen des Textes komme aber der provisorische Charakter des Gesetzes Nr. 10/1985 zum Ausdruck. Besonders deutlich sei dies an der in Art. 3 Abs. 1 Gesetz Nr. 10/1985 enthaltene Befristung auf sechs Monate zu sehen, die zu erkennen gebe, daß der Gesetzgeber selbst auf eine rasche Verabschiedung des Allgemeinen Rundfunkgesetzes dränge. Die Rechtfertigungsgrundlage fiir eine so gestrickte Regelung könne aber gerade in ihrem vorläufigen Wesen gesehen werden. Sollte sich die Verabschiedung des umfassenden Ordnungsrahmens jedoch jenseits einer vernünftigen Zeitspanne hinziehen, so müßte das Gericht das Gesetz als definitive Regelung ansehen, zumal es bereits seit drei Jahren Geltung habe. Würde dem Gericht in einer solchen Situation erneut dieselbe Frage vorgelegt, so müßte es eine abweichende Wertung vornehmen, was entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen würde. 81 Das Verfassungsgericht zeigte mit dieser Entscheidung, daß es durchaus gewillt war, die tatsächliche Entwicklung auf dem Fernsehsektor in seiner Rechtsprechung zu berücksichtigen. So erklärte es auch einleitend, daß bei der Untersuchung des Gesetzes Nr. 10/1985 zu berücksichtigen sei, daß es zu einer Zeit erlassen worden sei, in der es bereits zu Konzentrationsprozessen gekommen war. Es verwundert daher nicht, daß die Entscheidung Nr. 826/1988 eher
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Ebenda, S. 3938.
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einen "politischen" als einen ,juristischen" Geist aufweist. 82 Nur so ist zu erklä-ren, daß die römischen Richter einerseits von der Verfassungswidrigkeit der Nonnen ausgingen, sie aber andererseits aufgrund ihrer Befristung für verfas-sungskonfonn erklärten. 83 Das Gericht beschränkte sich darauf, die Verfas-sungswidrigkeit anzukündigen aber (noch) nicht zu erklären.
IX. Die Verabschiedung des Allgemeinen Rundfunkgesetzes (Gesetz Nr. 223/1990)
Im Juni 1988 legte schließlich der damalige Minister für Post- und Telekommunikation Oscar Mammi einen Entwurf für ein Allgemeines Rundfunkgesetz vor. Dieser hatte es mit einem Fernsehmarkt zu tun, auf dem sich mittlerweile 1397 Sender befanden, die 9704 Übertragungsanlagen betrieben. Italien war damit das europäische Land mit der wohl größten Zahl privater Rundfunkveranstalter. Nur 26% aller Sender benutzten Frequenzen, die der Fernsehtätigkeit vorbehalten waren. Die übrigen 74% besetzten Frequenzen, die der Staat anderen Diensten zugeordnet hatte. 84 In der Zwischenzeit hatte De Mita (Democrazia Cristiana) Craxi im Regierungsamt abgelöst. Der Machtwechsel vollzog sich allerdings unter der Bedingung der Einflußnahme des sozialistischen Parteichefs auf das Regierungsprogramm. Craxi erreichte so, daß die Regierung De Mita dafür eintrat, daß Großverlegern im Tageszeitungsbereich der Zugang zum Fernsehmarkt verwehrt bleiben sollte. Dies zielte auf Rizzoli/Fiat, die ihren Einstieg in das Femsehgeschäft bereits angekündigt hatten. Außerdem sollte terrestrisch ausstrahlenden Rundfunkunternehmen der Betrieb von Pay-TV-Stationen nicht verwehrt werden. Angesichts dieser "Abschiedsgeschenke" Craxis an Berlusconi verwundert es nicht, daß der Entwurf des Postrninisters unter den politischen Parteien äußerst umstritten war. Die Gesetzesinitiative hätte sich wohl wie ihre Vorgänger in den parlamentarischen Kommissionen verlaufen, hätte das Verfassungsgericht nicht durch 82 A. Sarli - Guida alla emittenza radiote1evisiva privata, Mailand 1994, S. 39; A. Pace Der Rundfunk in Italien, in: R. Grawert/c. Tomuschat (Hrsg.) - Der Journalist in der Verfassungsordnung. Die Privatfunkordnung, Berlin 1989, S. 67 (107 f). 83 Zu dieser Urteilstechnik siehe G. Azzariti - La temporaneitä perpetua, ovvero 1a giurisprudenza costituziona1e in materia radiote1evisiva (rassegna critica), Giur. cost. 1996, 3037 (3059 ff) und Schellenberg, S. 132 f Siehe allgemein zur Urteilstechnik des Verfassungsgerichtshofes S. StuthIM. Siclari - Die Urteilstechnik des Italienischen VerfassungsgerichtshofeslNeue Entwicklungen, EuGRZ 1989, 389 ff. 84 C. Golfari - 01tre 1a Mammi, Mailand 1994, S. 20.
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I. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
das Urteil Nr. 826/198885 die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes Nr. 10/1985 bereits "angekündigt". Das Gesetzgebungsverfahren sollte aber erst im Jahre 1989 mit Nachdruck vorangetrieben werden, als das Amtsgericht von Varazze dem Verfassungsgericht erneut die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Gestattung des landesweiten Privatfernsehens durch Art. 3 Gesetz Nr. 10/1985 vorlegte. Das Urteil war bereits für Ende Oktober 1989 angekündigt worden, dann aber aufgrund der Regierungskrise, die ein Verabschieden des Gesetzes hinauszögerte, auf Ende Januar 1990 verschoben worden. Während der alljährlichen Pressekonferenz kündigte das Verfassungsgericht im Februar 1990 schließlich an, es werde das Gesetz Nr. 10/1985 endgültig für verfassungswidrig erklären. 86 In dieser Lage wurde das Bemühen der Parteien um einen Kompromiß im ersten Halbjahr 1990 frenetisch. Die Ausformulierung des Gesetzes blieb jedoch bis zum Schluß äußerst umstritten. Erst durch eine Regierungsumbildung in letzter Minute und wiederholten Rekurses auf die Vertrauensfrage umschiffte das Gesetz schließlich die parlamentarischen Klippen. 87 Am 6. August 1990 konnte es endlich noch rechtzeitig vor der Sommerpause verabschiedet werden. Das Gesetz über die "Regelung der öffentlichen und privaten Hörfunk- und Fernsehordnung" (Gesetz Nr. 223/1990), in Italien besser bekannt als "legge Mammi", benannt nach dem Minister für Post und Telekommunikation Oscar Mammi, beendete die lange Ära der Anarchie im italienischen Äther. Das durch das Gesetz Nr. 10/1985 geschaffene rechtliche Provisorium hatte statt der ursprünglich vorgesehenen sechs Monate über fünf Jahre gedauert. Ganze 14 Jahre hatte es gedauert, bis der Gesetzgeber der (ersten) Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes nachgekommen war, den sich in Wild-West-Manier etablierenden Privatrundfunk einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Diese jahrelange legislative Enthaltsamkeit der politischen Führung Italiens hatte eine in Europa beispiellose Medienkonzentration begünstigt.
B. Die wesentlichen Inhalte des Allgemeinen Rundfunkgesetzes (Gesetz Nr. 223/1990) Das Allgemeine Rundfunkgesetz ist im wesentlichen in drei Abschnitte gegliedert. Der erste Abschnitt (Art. 1-15) enthält gemeinsame Regelungen für Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 ff.; siehe oben I. Teil A, VIIl. Schellenberg, S. 137; C. Letzgus IL. Violini-Ferrari - Das italienische Allgemeine Rundfimkgesetz zwischen aktuellem Duopol und erhofftem Pluralismus, Ruf 1993, 20 (24). 87 A. Pace - Problematica delle libertä costituzionali (parte speciale), Padua 1992, S. 436 f. Zur Vertrauensfrage siehe Art. 94 der Verfassung. 85
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B. Wesentliche Inhalte des Allgemeinen Rundfunkgesetzes
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den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Der zweite Abschnitt (Art. 16-24) befaßt sich ausschließlich mit dem privaten Rundfunk, wohingegen der dritte Abschnitt (Art. 25-28) sich an die öffentlich-rechtlichen Anbieter wendet. 88
Art. 1 Gesetz Nr. 223/1990 enthält eine Reihe von Prinzipien, die den italienischen Fernseh- und Radiosektor leiten sollen. Art. 1 Abs. 1 bestimmt (wie bereits Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975 und Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 10/1985), daß der Fernsehbetrieb von hervorragendem Allgemeininteresse ist. Nach Art. 1 Abs. 2 sollen der Pluralismus, die Objektivität, die Vollständigkeit und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Offenheit für verschiedene Meinungen, politische, soziale, kulturelle und religiöse Richtungen unter Beachtung der von der Verfassung garantierten Freiheiten und Rechte grundlegende Prinzipien der Fernsehordnung darstellen, die durch den Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Veranstaltern verwirklicht wird. Art. 16 macht den Sendebetrieb fiir private Veranstalter von der Erteilung einer staatlichen Konzession abhängig. Die Laufzeit der Konzession beträgt sechs Jahre und ist verlängerbar (Art. 16 Abs. 2). Die Erteilung der Konzession wird von der Erfüllung einer Reihe subjektiver und objektiver Voraussetzungen abhängig gemacht. Die Erteilung der Konzession hängt des weiteren davon ab, ob der nach Art. 3 zu erstellende Plan fiir die Zuteilung der Sendefrequenzen noch freie Frequenzen für den Fernsehbetrieb vorsieht. Für den Fall, daß die Zahl der Anträge auf Erteilung einer Konzession die Zahl der zur Verfügung stehenden Frequenzen übersteigt, bestimmt Art. 16 Abs. 17 die Kriterien, nach denen die Auswahl der Veranstalter zu erfolgen hat. Das Gesetz bestimmt auch die Verpflichtungen, denen die Veranstalter unterliegen. Allgemein obliegt ihnen die Einhaltung der Gesetze und internationalen Übereinkommen im Bereich der Telekommunikation und des Urheberrechts (Art. 15 Abs. 8). Nach Art. 20 Abs. 6 sind die landesweiten Sender dazu verpflichtet täglich Nachrichtensendungen zu übertragen. Art. 10 Abs. 2 bis 4 verpflichtet die Veranstalter unter bestimmten Voraussetzungen zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung. Art. 15 Abs. 10 und 11 enthält Bestimmungen zum Schutze der Jugend. Art. 26 Abs. 1 sieht zugunsten europäischer Filmproduktionen eine Quotenregelung vor. Mindestens 51 % der jährlich den Kinofilmen überlassenen Sendezeit muß hiernach durch europäische Werke bestritten werden, wovon mindestens 50% italienischer Produktion sein müssen. Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 verpflichten schließlich die Konzessionäre die
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Eine auszugsweise Übersetzung des Gesetzes NT. 22311990 fmdet sich im Anhang.
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Bilanzen und jede Übertragung einer genauer definierten Menge des Gesellschaftskapitals der Medienaufsicht schriftlich mitzuteilen. Art. 8 normiert die Fernseh- und Radiowerbung unter den unterschiedlichsten Aspekten, wobei Art. 8 Abs. 7 die Werbesendungen auf maximal 15% der täglichen Sendezeit und 18% einer jeden Stunde begrenzt. Für die RAI senkt Art. 8 Abs. 6 diese Grenzen auf 4% bzw. 12% ab. Das Kernstück des Gesetzes Nr. 223/1990 sind zweifellos die in Art. 15 Abs. 1 bis 7 und Art. 19 enthaltenen Bestimmungen zur Verhinderung des Entstehens beherrschender Stellungen im Bereich der Massenkommunikation. Diese Regelungen waren in der parlamentarischen Debatte der Zankapfel der politischen Parteien und wurden erst verabschiedet, als die Regierung die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verband. Art. 15 Abs. 1 legt fest, daß Personen, die Tageszeitungen kontrollieren, deren Anteil an der jährlichen Gesamtauflage der in Italien erscheinenden Tageszeitungen die Grenze von 16% überschreitet, von der Erteilung einer Konzession für den Betrieb eines landesweit ausstrahlenden Fernsehsenders ausgeschlossen sind. Wessen Tageszeitungen einen Marktanteil von 8% überschreiten, kann nicht mehr als eine Konzession erhalten. Ein Marktanteil von unter 8% begrenzt die möglichen Konzessionen auf zwei. Art. 15 Abs. 2 ordnet für eine Reihe von Rechtsgeschäften die Nichtigkeit an, falls durch diese eine Person mehr als 20% der Gesamtrnittel des Massenkommunikationsbereichs erzielt, wobei Art. 15 Abs. 3 die Einnahmequellen aufzählt, die bei der Berechnung der genannten Mittel zu berücksichtigen sind. 89 Für reine Medienunternehmen wird diese Grenze auf 25% angehoben. 90 Art. 15 Abs. 4 regelt die monomediale Konzentrationen. Nach dieser Bestimmung kann niemand Inhaber von mehr als 25% der im Plan für die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen vorgesehenen Konzessionen für das landesweite Fernsehen sein. Die Inhaberschaft von bis zu drei Konzessionen bleibt jedoch auch dann erlaubt, wenn hierdurch die 25o/o-Grenze überschritten wird.
Die Beziehungen zwischen den nationalen Fernsehstationen und den Werbeagenturen werden durch Art. 15 Abs. 7 geregelt. Hiernach darf keine der Werbeagenturen für mehr als drei landesweite Sender Werbung vermitteln. 89 Zu berücksichtigen sind beispielsweise die Erlöse aus dem Verkauf von Tageszeitungen und Zeitschriften, aus dem Verkauf oder der Vermietung von audiovisuellen Produkten, aus der Werbung usw. 90 Als reine Medienunternehmen sieht das Gesetz solche an, die mindestens zwei Drittel ihrer Gesamteinnahmen im Bereich der Massenkommunikation erwirtschaften.
B. Wesentliche Inhalte des Allgemeinen Rundfunkgesetzes
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Alternativ können aber zwei nationale und drei lokale oder ein nationaler und sechs lokale Sender unter Vertrag genommen werden. Verträge die diese Bestimmungen mißachten, werden für nichtig erklärt. Der Bereich des Lokalfernsehens wird schließlich durch Art. 19 geregelt. Art 19 Abs. 1 begrenzt die erhältlichen Konzessionen auf eine pro örtliches Benutzerbecken (ital.: "bacino di utenza").91 Nach Art. 3 Abs. 8 ist es Aufgabe des Plans für die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen die einzelnen Benutzerbecken voneinander abzugrenzen, wobei die Einwohnerzahl, die geographischen und städtebaulichen Gegebenheiten, sowie die sozio-ökonomischen Besonderheiten der versorgten Gebiete zu berücksichtigen sind. Für unterschiedliche örtliche Benutzerbecken kann eine Person bis zu drei Konzessionen erhalten. Falls diese Gebiete allerdings aneinandergrenzen, ist dies nur unter der Voraussetzung gestattet, daß nicht mehr als 10 Millionen Einwohner versorgt werden. Unter derselben Voraussetzung kann in Süditalien der Sendebetrieb für vier Benutzerbecken gestattet werden. Art. 19 Abs. 4 schließt die gleichzeitige Inhaberschaft einer lokalen und nationalen Fernsehkonzession aus. Zwar gelten die Normen des allgemeinen Teils des Rundfunkgesetzes auch
für die RAI; statt der zentralen Vorschriften des Art. 15 Abs. 4 enthält jedoch
Art. 24 eine Spezialregelung, die es der öffentlich-rechtlichen Konzessionärin ermöglicht, drei landesweite Femseh- und drei nationale Radioprogramme gleichzeitig zu betreiben. Art. 24 Abs. 1 erlaubt der RAI außerdem die Inbetriebnahme eines vierten Radioprogramms, das der Übertragung der Parlamentsdebatten vorbehalten bleibt. Die "Iegge Mammi" läßt die Struktur der RAI und die Kompetenzverteilung unter ihren Organen weitgehend unberührt. Allein Art. 25 modifiziert die Amtsdauer der Verwaltungsratsmitglieder. 92
Neu eingeführt wurde durch das Gesetz Nr. 223/1990 die Medienaufsicht. Bis dato gab es lediglich für den Pressebereich eine Aufsicht, die 1981 durch Art. 8 des Pressegesetzes geschaffen wurde. 93 Art. 6 der "Iegge Mammi" verbindet die Aufgaben der Presseaufsicht mit denen des Rundfunkbereichs und führt so den neuen "Garante per la radiodiffusione e l'editoria" in die italienische Medienwelt ein, der mittlerweile durch die "Autoritä per le garanzie nelle comunicazioni" ersetzt wurde. 94 Der "Garante" war als monokratisches Aufsichtsorgan konzipiert, dem Art. 6 Abs. 6 einen eigenen Verwaltungsunterbau zuordnete. Er
91 Der Begriff des örtlichen Benutzerbeckens wurde bereits durch Art. 2 Abs. 2 Iit. b) Gesetz Nr. 10/1985 eingeführt. Siehe oben 1. Teil A, VII. 92 Siehe 2. Teil B, I. 4. 93 Gesetz Nr. 416/198l. 94 Siehe l. Teil E.
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
wurde von den Präsidenten der beiden Parlamentskammern auf fünf Jahre gewählt, wobei eine Wiederwahl ausgeschlossen war. 95 Dun oblag es v.a. darüber zu wachen, daß die oben genannten Verpflichtungen der Sender und insbesondere die Werberegelung eingehalten wurden (Art. 6 Abs. 10 UAbs. b) und d) und Art. 31 Abs. 1 und 3). Eine wichtige Aufgabe lag des weiteren darin, über die Einhaltung der Konzentrationsgrenzen zu wachen (Art. 6 Abs. 10 UAbs. d) und Art. 31 Abs. 6). Die Sanktionen, die dem "Garante" zur Durchsetzung seiner Aufgaben zur Verfügung standen, gingen von einer schlichten Abmahnung, über Geldstrafen, bis hin zum zeitweiligen Widerruf der Konzession.
c. Die Probleme bei der Umsetzung des Allgemeinen Rundfunkgesetzes
Die Umsetzung der neuen Regeln der "legge Mammi" bereitete einige Schwierigkeiten. Dies war für einen Bereich, der sich 15 Jahre lang ohne regelnde Gesetze entwickelt hatte, auch nicht anders zu erwarten gewesen. Der Gesetzgeber selbst trug dem Rechnung, indem er zahlreiche Übergangsregelungen und -fristen vorsah. So wurde beispielsweise die Verbindlichkeit der zentralen Antitrust-Bestimmung des Art. 15 Abs. 1 und 2 Gesetz Nr. 223/1990 auf den 23. August 1992 verschoben (Art. 33 Abs. 3 und 4 Gesetz Nr. 223/1990). Dem Postministerium blieb bis zum 23. Februar 1991 Zeit für die Erstellung des Planes für die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen (Art. 3 und 34 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990). Die Erteilung der Konzessionen konnte nach Art. 34 Abs. 6 Gesetz Nr. 223/1990 bis spätestens 23. August 1991 hinausgezögert werden. Bis zur Entscheidung über die Erteilung der Konzessionen, höchstens aber bis zum 23. August 1992 sah die Übergangsregelung des Art. 32 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 vor, daß alle Sender, die bei Inkrafttreten des Gesetzes in Betrieb waren und die Voraussetzungen des Art. 16 Gesetz Nr. 223/1990 erfüllten, den Sendebetrieb vorläufig fortsetzen durften. Als sich der 23. August 1991 näherte, ohne daß der Plan für die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen erlassen, noch die Konzessionen erteilt worden wären, entschied sich der Postminister des mittlerweile amtierenden Kabinetts Amato jeweils eine Rangliste unter den landesweiten bzw. lokalen Sendern aufzustellen. 96 Nach dem Willen des Ministers sollten allein die neun Erstplatzierten in der Rangliste fiir das landesweite Fernsehen einen Anspruch auf 95 So seit der Änderung durch Art. 4 bis Abs. 1 Gesetz NT. 483/1992. Nach Art. 6 Abs. 3 Gesetz Nr. 22311990 belief sich die Amtsdauer noch auf drei Jahre, wobei eine einmalige Wiederwahl möglich war. 96 d.m. vom 12. und 13. August 1992.
c. Probleme bei der UmsetZlmg des Allgemeinen RlUldfunkgesetzes
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Konzessionserteilung haben. Der Rangliste folgend erteilte der Minister wenig später sechs Konzessionen, ohne jedoch die neu zu benutzenden Frequenzen mitteilen zu können, da der Plan für die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen noch nicht fertiggestellt war. Die betroffenen Veranstalter konnten daher auf ihren, in den Jahren der Regellosigkeit besetzten Frequenzen weitersenden. Unter den Konzessionären befanden sich die drei Sender der Fininvest ("Canale 5", "Rete 4" und "Italia 1"), "Telemontecarlo", "Videomusic" und der Sender des Verlegers Peruzzo "Rete A". Den drei Pay-TV-Kanälen ("Telepiu") Berlusconis, die sich auf den Plätzen 7-9 befanden, wurde eine Konzession in Aussicht gestellt. Um allen Lokalsendern sowie den landesweit ausstrahlenden Fernsehstationen, die keinen anspruchsberechtigenden Platz in der Rangliste erlangt hatten, dennoch die Möglichkeit zu geben (auch ohne Konzession) weiterzusenden, verlängerten zwei Regierungsdekrete,97 die vom Parlament schließlich in das Gesetz Nr. 482/1992 umgewandelt wurden, die vorläufige Sendeerlaubnis des Art. 32 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 vom 23. August 1992 auf den 28. Februar 1993 (Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 482/1992). Als Grund für diesen Aufschub wurde angegeben, daß den Sendern zur Vervollständigung ihrer Anträge auf Erteilung einer Konzession mehr Zeit gegeben werden müsse. Nach Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 482/1992 wurde auch den Telepiu-Kanälen der Sendebetrieb bis zum 28. Februar 1993 ohne Konzession gestattet, um der Regierung Zeit zu geben, einen eigens für die Pay-TV-Kanäle erarbeiteten Regelkatalog zu erlassen. Die Neuerungen, die das Gesetz Nr. 482/1992 brachte, waren durch die Verspätung der Verwaltung bei der Erstellung des Plans für die Zuteilung der Runclfunkfrequenzen bedingt. Es war nur schwer möglich, über einen Antrag auf Erteilung einer Konzession sachgerecht zu entscheiden, ohne daß der Plan vorlag, der hätte bestimmen sollen, wieviele Konzessionen überhaupt vergeben werden konnten und welche Frequenzen den einzelnen Sendern zu überlassen waren. Nach Art. 34 Abs. 1 Gesetz Nr. 22311990 hätte der Plan zwar schon seit dem 23. Februar 1991 vorliegen sollen (nachdem das Postministerium schon 1984 (!) mit der Abfassung begonnen hatte); er war aber Ende 1991 noch immer nicht fertiggestellt. Erst am 4. März 1992 wurde er in der Gazzetta Ufficiale, dem Gesetzblatt, veröffentlicht. 98 Er enthielt jedoch nur Bestimmungen für die Fernsehfrequenzen. Die Regelung der Hörfunkfrequenzen wurde trotz der zwischen Fernseh- und Hörfunkfrequenzen bestehenden Abhängigkeit auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
97 d.1. Nr. 361 vom 14. August 1992 lUld d.1. Nr. 40711992 vom 19. Oktober 1992. 98 d.P.R. vom 20. Januar 1992.
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Bereits drei Monate nach Verkündung des Frequenzenplans wurde das VeIfahren fiir die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen von den Römischen Ermittlungsrichtern wegen des Verdachts von Schmiergeldzahlungen seitens einiger privater Anbieter bei der Erstellung des Plans gestoppt. Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht seither der damalige Fininvest-Vizepräsident und jetzige Exponent der Politbewegung Forza ItaIia im Abgeordnetenhaus Gianni Letta. Die Aussichten, die Konzessionen möglichst bald erteilen zu können, waren damit in weite Feme gerückt. Das gesamte Gebäude des Allgemeinen Rundfunkgesetzes, das auf dem "Konzessionsprinzip" aufgebaut worden war, drohte einzustürzen. In den zweieinhalb Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes war es nicht gelungen, die zentralen Normen umzusetzen. Auf Initiative der Regierung Ciampi erließ das Parlament schließlich im Juni 1993 das Gesetz Nr. 206/1993, dessen Art. 2 Abs. 2 bestimmte, daß bis spätestens 27. Juni 1995 eine umfassende Neuregelung fiir das gesamte private und öffentlich-rechtliche Fernsehen zu eIfolgen. 99 Die "legge Mamrni" wurde damit offiziell fiir gescheitert erklärt. Dabei schien der Postrninister Anfang 1993 noch von einer Lösung des Problems auszugehen. Nachdem er auch bis zum 28. Februar 1993 nicht in der Lage gewesen war, die Konzessionen (fiir das lokale Fernsehen und die jenseits der Ränge 1-6 befindlichen nationalen Sender) zu erteilen, erließ die Regierung ein neuerliches Dekret, das die Frist des Art. 32 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 abermals vom 28. Februar 1993 bis zum 30. November 1993 verlängern sollte. 100 Es gelang jedoch nicht, im Abgeordnetenhaus innerhalb von 60 Tagen eine Mehrheit fiir die Umsetzung des Dekrets in ein formelles Gesetz zu fmden. Die Regierung sah sich daher gezwungen, das Dekret erneut zu erlassen. 101 Aber auch diesem war kein besseres Schicksal vergönnt. Es lief abermals nach 60 Tagen aus. In der Zwischenzeit hatten die Ermittlungsrichter aus Rom das VeIfahren fiir die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen gestoppt, so daß die Regierung am 28. Juni 1993 in einem neuerlichen Dekret dem Parlament vorschlug, sämtlichen lokalen Fernsehsendern eine vorläufige, dreijährige Konzession zu erteilen, wodurch das Problem auf die Zeit nach Errichtung eines neuen Frequenzenplans verschoben worden wäre. 102 Auch dieses Dekret überwand die parlamentarischen Hürden nicht. Erst dem Regierungsdekret vom 27. August 1993 gelang es im Parlament eine Mehrheit zu finden. l03 Es wurde am
99 Eine Übersetzung des Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 20611993 findet sich im Anhang. Zwn Gesetz Nr. 206/1993 siehe ausfiihrlich 2. Teil B, I. 5. 100 d.l. Nr. 44/1993. 101 d.l. Nr. 12711993. 102 d.l. Nr. 20811993. 103 d.l. Nr. 32311993.
c. Probleme bei der Umsetzung des Allgemeinen RWldfimkges
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27. Oktober, nachdem von den Abgeordneten zahlreiche Änderungen am Text angebracht worden waren, in das Gesetz Nr. 422/1993 umgewandelt. Nach Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 422/1993 wurde der Postminister ennächtigt, sämtlichen lokalen Fernsehsendern. denen gemäß Art. 32 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 vorläufig die Aufrechterhaltung des Sendebetriebs gestattet worden war, Konzessionen zu erteilt, die bis zum Erlaß einer umfassenden Neuregelung des gesamten öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens, höchstens aber für die Dauer von drei Jahren Geltung haben sollten. 104 Hieraufhin wurden Anfang 1994 ca. 600 Konzessionen erteilt. 105 Für die landesweit ausstrahlenden Networks die keine Konzession erhalten hatten, verlängerte Art. 11 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 422/1993 die vorläufige Sendeerlaubnis des Art. 32 Abs. 1 der "Iegge Mammi" bis zum Erlaß der angestrebten Neuregelung, höchstens aber um drei, bzw. zwei Jahre für Pay-TVSender. Nach Art. 3 Abs. 2 Gesetz Nr. 422/1993 sollte der Postminister bis zum Erlaß der umfassenden Neuregelung nicht mehr als acht Konzessionen für das landesweite Fernsehen erteilen. Nach Art. 3 Abs. 1 Gesetz Nr. 422/1993 wurde der Postminister mit der Erstellung eines neuen Frequenzenplans beauftragt. Das Allgemeine Rundfunkgesetz wurde durch das Gesetz Nr. 422/1993 an zahlreichen weiteren Stellen modifiziertl06 und stellt sich mittlerweile nicht mehr als einheitlichen Text dar, sondern als ein Flickwerk zahlreicher Änderungen und Anpassungen. Mit dem Gesetz Nr. 422/1993 bestätigte das Parlament seine Absicht., bis spätestens Sommer 1996 die "Iegge Mammi" durch eine umfassende Neuregelung zu ersetzen. Damit wurde der für die italienische Fernsehordnung typische provisorische Zustand wiederhergestellt. Das Allgemeine Rundfunkgesetz kam niemals über die Anwendung seiner Übergangsbestimmungen hinaus. Die Verwaltung hatte sich nicht fahig erwiesen, die Bestimmungen des Gesetzes fristgerecht umzusetzen, was zwangsläufig dazu hätte führen müssen, zahlreiche Sender stillzulegen. Andererseits war seitens der politischen Parteien angesichts der offenkundigen Probleme der Ministerialverwaltung auch nicht der Wille aufgebracht worden, die Struktur des Allgemeinen Rundfunkgesetzes radikal zu verändern. So kam es zum Erlaß zahlreicher Dekrete und Gesetze mit denen Parlament und Regierung die Lösung der Probleme vor sich herschoben, bis schließlich die
104 Sog. ,,kurze" Konzessionen. Nach Art. 16 Abs. 2 Gesetz Nr. 22311990 haben ,,normale" Konzessionen eine Laufzeit von 6 Jahren. 105 C. Golfari - Oltre la Mammi, Mailand 1994, S. 34. 106 Weitere Änderungen wurden beispielsweise an der WerberegelWlg des Art. 8 (siehe Art. 9 Abs. I Gesetz Nr. 422/1993) und den RegelWlgen zur SichefWlg der Transparenz der Besitzverhältnisse (siehe Art. 6 Gesetz Nr. 42211993) angebracht. 4 pfeifer
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Undurchsichtigkeit der erlassenen Aufschübe und vorläufigen Regelungen, der Richtigstellungen, Änderungen und Verweise auf künftige Maßnahmen das Gesetz Nr. 223/1990 zu einer Interimsregelung absinken ließen, die nicht mehr novellierbar, sondern nur global revidierbar ist. Die zur Überbrückung der Zeit bis zum Erlaß der Neuregelung erteilte "Globalkonzession" bewirkte, daß der italienischen Fernsehlandschaft ihr chaotisch ungeregelter Zustand erhalten blieb.
D. Die Verfassungswidrigkeit der zentralen Antitrust-Regelung Das Verfassungsgericht hatte seit Mitte der 70er Jahre den italienischen Gesetzgeber wiederholt aufgefordert, den Medienpluralismus wirksam durch Erlaß einer Antitrust-Regelung gegen Konzentrationstendenzen zu schützen. l07 Erst im Jahre 1990 kam er dieser Aufforderung durch Erlaß der Art. 15 Abs. 1 bis 7 und Art. 19 des Allgemeinen Rundfunkgesetzes nach. Die jahrelange, bis hin zur Verschleppungstaktik wirkende Untätigkeit des Gesetzgebers hatte bereits eine Situation geschaffen, die als Duopol mit drei öffentlich-rechtliche Programmen der RAI auf der einen und drei privaten Sendern der Fininvest auf der anderen Seite bezeichnet werden kann. 108 Dieses Duopol wurde schließlich vom Allgemeine Rundfunkgesetz abgesegnet, indem Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 der RAl die Aufrechterhaltung des Betriebs dreier landesweiter Sender gestattete und durch Art. 15 Abs. 4 einem Privatunternehmer die Möglichkeit eröffnet wurde, Inhaber von bis zu drei Konzessionen für das landesweite Fernsehen zu werden. Von einer wirksamen Antikonzentrationsbestimmung, wie sie das Verfassungsgericht gefordert hatte, konnte daher kaum gesprochen werden. Vertreter der juristischen Literatur behaupteten gar, daß die Regelung insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei weitem hinter dem bliebe, was als notwendiges Minimum für die Sicherung des Pluralismus noch akzeptiert werden könne und daher eine eindeutigere Verletzung des Art. 21 der Verfassung kaum vorstellbar sei. 109
Siehe oben 1. Teil A, TI - V und VIII. RA! und Fininvest kontrollieren gemeinsam knapp 90 Prozent des italienischen Fernsehmarktes sowohl bezüglich des Zuschaueranteils als auch der Werbeeinnahmen. Die RA! hatte 1994 eine Zuschauerquote von 46% gegenüber 43% der FininvestProgramme. Im Jahr 1993 flossen der Fininvest rund 62% der im Fernsehbereich getätigten Investitionen zu, wogegen die RAI etwa 28% der Investitionen an sich binden konnte. Quelle: RA! - Annuario 1994. 109 R. Lanzillo - Commento all' art. 15 comma 1-7, in: n sistema radiotelevisivo pubblico e privato in ltalia, E. RoppolR Zaccaria (Hrsg.), Mailand 1991, S. 307. 107 108
D. Die VerfasslIDgswidrigkeit der zentralen Antitrust-RegellIDg
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Der Verfassungsgerichtshof wurde mit Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 schließlich durch eine Vorlage des Verwaltungsgerichts der Region Lazien befaßt, bei dem Telemontecarlo dagegen geklagt hatte, auf der Rangliste des Postministers nur auf Platz 6 gelandet zu sein. Dies hätte bei einer Zuteilung der Frequenzen bedeutet, Frequenzen zu erhalten, die das gesamte Staatsgebiet im Gegensatz zu den fiir die Erstplatzierten vorbehaltenen Frequenzen nur unzureichend abdecken. Das Verwaltungsgericht zweifelte im wesentlichen an der Verfassungsmäßigkeit zweier Bestimmungen: zum einen Art. 1 Abs. 1 und 3 Gesetz Nr. 422/1993 und zum anderen Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990. Das Gericht war der Auffassung, daß das in Art. 15 Abs. 4 enthaltene Verbot der Inhaberschaft von mehr als drei (bzw. 25% sämtlicher) Konzessionen fiir das landesweite Fernsehen ungeeignet sei, den Pluralismus im Bereich nationaler Fernsehprogramme zu garantieren. Folglich stelle auch die Regelung, wonach sämtlichen Sendern die vorläufige Aufrechterhaltung des Sendebetriebs fiir die Dauer von mindestens zwei Jahren gestattet werde (Art. 1 Abs. 1 und 3 und Art. 11 Abs. 3 Gesetz Nr. 422/1993), ohne daß auch nur irgendeine andere Bestimmungen vorgesehen worden wäre, um Konzentrationstendenzen entgegenzuwirken, eine Verletzung des Art. 21 der Verfassung dar. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes erging am 7. Dezember 1994. 110 Zum Gesetz Nr. 422/1993 bemerkte das römische Gericht, daß es im Ermessen des Gesetzgebers liege, die aktuelle Situation provisorisch festzuschreiben, um die Möglichkeit zu haben, die Fernsehordnung zu reformieren. Dieser vorläufige Charakter der Regelung rechtfertige die Abwesenheit einer Antikonzentrationsbestimmung, zumal der Gesetzgeber in Sachen Pluralismus Sensibilität dadurch gezeigt habe, daß er die Übergangsregelung des Art. 32 Abs. I Gesetz Nr. 223/1990 verlängert und so auch den Sendern ohne Konzession die Fortsetzung des Sendebetriebs ermöglicht habe.'" Die im Gesetz Nr. 422/1993 enthaltene zeitliche Begrenzung bringe außerdem zum Ausdruck, daß der provisorische Zustand nur von kurzer Dauer sein werde. Allerdings sei der geplante Termin für die Neuregelung der Fernsehordnung unaufschiebbar. 1I2 Angesichts dieser Argumentation drängte sich ein Hinweis auf das Urteil Nr. 826 aus dem Jahre 1988 auf, denn auch damals hatte das Gericht die Übergangsregelung des Gesetzes Nr. 10/1985 allein aufgrund ihres provisorischen Charakters fiir verfassungsgemäß erklärt. Das Verfassungsgericht sah jedoch in
Corte cost. NT. 420/1994, Giur. cost. 1994, 3716 ff. Zur Kritik an dieser Argwnentation siehe Azzariti, S. 3077 f. 112 Ebenda, S. 3737 f. 110 'li
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
der genauen zeitlichen Begrenzung auf drei Jahre den Unterschied zwischen beiden "BfÜckengesetzen" und stellte fest, daß sich aufgrund dieses Unterschieds die Verabschiedung einer endgültigen Regelung nicht wie in den Jahren 1985 - 1990 beliebig hinauszögern lassen werde. 113 Bei der Beurteilung des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 gelangte das Gericht jedoch zu einem anderen Ergebnis. Die Verfassungsrichter urteilten, daß die jahrelange Forderung des Gerichts, einer möglichst großen Anzahl an Stimmen in der Gesellschaft den Zugang zum neuen Medium zu gewährleisten, sich nicht im Erlaß irgendeiner Antitrust-Bestimmung erschöpfe. Die Begrenzung des Art. 15 Abs. 4 sei im Zusammenhang mit dem Frequenzenplan zu lesen, wonach nur neun private landesweite Fernsehkonzessionen erteilt werden können. Somit eröffne Art. 15 Abs. 4 einer Privatperson die Möglichkeit ein Drittel aller privaten nationalen Fernsehstationen zu besitzen. Eine derartige Konzentration sei bei Erlaß des Allgemeinen Rundfunkgesetzes bereits vorhanden gewesen. Art. 15 Abs. 4 habe die Situation für den Pluralismus aber noch verschlechtert. Denn während in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung der Fernsehsektor vor dem Jahre 1990 für jeden Privatunternehmer offen gewesen sei, sei der Markt nun auf die Beteiligung einiger weniger Konzessionäre begrenzt worden. Um die vom Gericht aufgestellten Prinzipien zu beachten, hätte sich der Gesetzgeber aber zumindest um eine allmähliche Verringerung der aktuellen Konzentrationen bemühen müssen. Statt dessen habe man sich in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Das Parlament habe durch Erlaß der genannten Regelung gezeigt., die Verfestigung der existierenden dominanten Marktposition im Auge gehabt zu haben, während der zu schützende Wert die Ausweitung der Meinungsvielfalt gewesen wäre. Dieser Wert überwiege gegeöüber-ner Möglichkeit zur Konzentration, als extremer Ausprägung der Wirtschaftsfreiheit. Die derzeitige Konzentration möge durchaus vom Standpunkt unternehmerischer Interessen zweckmäßig erscheinen, entspreche aber nicht der stärker wiegenden Notwendigkeit der größtmöglichen Anzahl an Stimmen Zugang zum Fernsehen zu verschaffen. Dieses Maximum an möglicher Meinungsvielfalt sei an den zur Verfiigung stehenden Frequenzen und an dem Erfordernis nach Unternehmen in einer Größenordnung zu messen, die ihrem primären Zweck Meinungs- und Kulturvielfalt auch durch ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu garantieren, dienlich sei. 114 Der Verfassungsgerichtshof erklärte daher Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 für verfassungswidrig und stellte fest, daß sich nunmehr unmittelbar aus Art. 21 der Verfassung das Verbot für einen einzelnen Rundfunkver-
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Ebenda S. 3738 f. Ebenda, S. 3742 f.
E. Die ,,Fernsehreferenden"
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anstalter ergebe, die relative Grenze von 25% aller oder die absolute Grenze von drei landesweiten privaten Sendern zu überschreiten. Dem Gesetzgeber sei daher nicht möglich in einer zukünftigen Regelung die Kontrolle eines Drittels aller landesweiten privaten Programme durch ein und denselben Unternehmer zu gestatten. Zur effektiven Sicherung des Pluralismus stünden dem Gesetzgeber eine Viel7ah1. an denkbaren Regelungen zur Auswahl. So könne er beispielsweise die absolute Höchstgrenze fiir die Vergabe von Konzessionen an einen Veranstalter herabsetzen oder die Gesamtzahl der vom Frequenzenplan zugelassenen Programme - soweit der technische Fortschritt dies erlaube - anheben. Die Verfassungswidrigkeit des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 schaffe im übrigen keine Nonnenlücke, was in der Tat einen Rückschritt bedeutet hätte, da die Übergangsregelung des Gesetzes Nr. 422/1993 voll wirksam bleibe. 115 Der Verfassungsgerichtshof fand sich also nicht damit ab, daß das Monopol Silvio Berlusconis auf dem kommerziellen Fernsehmarkt Italiens durch das Allgemeine Rundfunkgesetz eine formale Billigung erfahren hatte. Vielmehr wurde die "legge Mammi" wenige Jahre nach ihrer Verabschiedung auch höchstrichterlich zum Provisorium erklärt.
E. Die "Fernsehreferenden" Einen weiteren Höhepunkt der bewegten Geschichte des italienischen Fernsehens bildeten vier von zwölf Referenden, die am 1l. Juni 1995 abgehaltenen wurden. 116 Die das Fernsehen betreffenden Referenden Nr. 5, 10, 11 und 12 wurden von unterschiedlichen Verbänden initüert, um einige Passagen des Rundfunkgesetzes zu streichen. Das Referendum Nr. 5 betraf die RAI und zielte darauf ab, die Bestimmung aufzuheben, wonach einziger Aktionär der RAI der Staat sein könne (Art. 3 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975, Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 und Art. 1 Gesetz Nr. 483/1992). 54,6% der Wähler stimmten für die Streichung der Regelung, so daß nun dem Gesetzgeber die Aufgabe obliegt, die Modalitäten und das Ausmaß der Beteiligung privaten Kapitals an der RAI festzulegen. 117
115
Ebenda, S. 3744 f
116 Nach Art. 75 Abs. 1 der italienischen Verfassung werden Referenden zur Aufhebung von Gesetzen oder Teilen von Gesetzen abgehalten, wenn dies mindestens 500.000 Wahlberechtigte fordern. Neben dieser kassierenden Wirkung können durch ein Referendum Gesetze nicht geändert werden. 117 Siehe hierzu genauer 2. Teil D.
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Die Referenden Nr. 10 bis 12 wurden von der Mehrheit der Wähler abgelehnt. Das Referendwn Nr. 10 schlug die Abschaffung der Bestimmung vor, die es den Werbeagenturen gestattet, für bis zu drei landesweite Sender Werbung zu vermitteln (Art. 15 Abs. 7 Gesetz Nr. 223/1990). Das Referendwn Nr. 11 zielte auf die Beseitigung der Möglichkeit, Spielfilme mehr als einmal durch Werbung zu unterbrechen (Art. 8 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990). Das Referendwn Nr. 12 verfolgte das Ziel, die Bestimmung zu streichen, wonach ein Veranstalter Inhaber von mehr als einer Konzession für das landesweite Fernsehen sein kann (Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990). Die Wochen vor dem Abstimmungstermin wurden von einer engagiert vorgetragenen Kampagne der Fininvest-Programme gegen die vorgeschlagenen Modifizierungen der "legge Mammi" begleitet. Im Mittelpunkt der Diskussion stand das Referendwn Nr. 11 ("Werberegelung"). Gängiges Argument war, daß die Reduzierung der zulässigen Unterbrecherwerbung für die Privatsender einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der RAI bedeutet hätte, da diese sich auch aus dem Aufkommen der Rundfunkgebühr finanzieren könne. Zudem wurde eine starke Reduzierung des Spielfilmangebots für den Fall des Sieges der Befiirworter angekündigt, da die Privatsender drastische Umsatzeinbußen voraussagten, die sich zwangsläufig auf das Programmangebot auswirken müßten. Diese Argwnentation kam bei den Wählern an. Verschwiegen wurde allerdings, daß die Werbezeitgrenzen des Art. 8 Gesetz Nr. 223/1990 die nach Art. 11 der EG-Fernsehrichtlinie festgesetzten zulässigen Höchstgrenzen überschreiten und schon daher reformbedürftig sind. I 18 Zwn Referendwn Nr. 12 ("Höchstzahl der erhältlichen Konzessionen") meinte die Fininvest, daß es ungerecht sei, wenn ihr Sender entzogen würden, während ihr größter Konkurrent, die RAI, unangetastet bliebe. Trotz des für die Fininvest positiven Ausgangs des Referendwns Nr. 12 kann bezweifelt werden, ob tatsächlich die Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung dieser Argwnentation gefolgt ist, denn nach dem Sturz der Regierung Berlusconi wurde die Volksbefragung vielseits nicht als Richtungsweiser für die anstehende Medienreform, sondern als politische Stellungnahme für oder gegen Berlusconi verstanden. I 19 Trotz des Ausgangs des Referendwns Nr. 12 blieb die im Urteil Nr. 420/1994 enthaltene Aufforderung des Verfassungsgerichts an den Gesetzgeber bestehen, RL 89/552/EWG (ABI. 1989, L 298/23 ff.). Berlusconi war Anfang 1994 erfolgreich zu den italienischen Parlamentswahlen angetreten, mußte jeedoch wenige Monate später im Dezember 1994 sein Amt als Premienninister wieder niederlegen, nachdem die Lega Nord unter Umberto Bossi aus der Mitte-Rechts-Koalition (sog. "Pol der Freiheit") ausgeschert war. 118 119
F. Die Refonn ,,Maccanico" Wld ihre wesentlichen Inhalte
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Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 neu zu regeln. Diese kontroverse Situation hat die Verabschiedung neuer Konzentrationsgrenzen erheblich verzögert. In der Tat mußte sich in der Folgezeit jede Partei, die fiir eine drastische Reduzierung der Medienmacht des ehemaligen Premiers eintrat, den Vorwurf gefallen lassen, den Volkswillen nicht zu respektieren. Damit war die Reform des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 aber auf das Wohlwollen Berlusconis angewiesen. 12o
F. Die Reform "Maccanico" und ihre wesentlichen Inhalte Bereits in den ersten Kommentaren zum Urteil des Verfassungsgerichtshofes Nr. 420/1994 vom 7. Dezember 1994 wurden Zweifel an der Fähigkeit des Gesetzgebers laut, bis zum 28. August 1996, dem Tag des Auslaufens des Provisoriums des Gesetzes Nr. 422/1993, eine umfassende Reform der gesamten Fernsehordnung zu verabschieden. 121 Wie dargestellt hatte der Verfassungsgerichtshof das Gesetz Nr. 422/1993 trotz der Abwesenheit jeglicher Antitrust-Bestimmungen fiir verfassungskonform erklärt und diese Entscheidung mit der Absicht des Gesetzgebers gerechtfertigt, die gesamte Fernsehordnung bis zum 28. August 1996 zu reformieren. Allerdings wurde darauf hingewiesen, daß diese Frist unaufschiebbar sei und genau hierin der Unterschied zu dem:fünf Jahre währenden "Provisorium" des Gesetzes Nr. 10/1985 liege. Im Juni 1995 entschloß sich schließlich das Abgeordnetenhaus, unter lebhaftem Protest der Parteien der rechten Mitte unter Führung des Medienunternehmers Silvio Berlusconi, eigens für die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs eine Kommission einzurichten. Die in Italien besser unter dem Namen "Commissione Napolitano"122 bekannte "Kommission zur Neuordnung des Fernsehsektors" konnte allerdings, bedingt durch vorzeitige Neuwahlen am 21. April 1996, ihre Arbeit nicht abschließen.
120 So hat der Parteisekretär des PDS (Partito Democratico della Sinistra), der stärksten politischen Kraft der Mitte-Links-Koalition, Massimo D' Alema, denn auch nach Bekanntgabe der AbstimmWlgsergebnisse erklärt, daß nunmehr eine Beschränkung der Fininvest nur noch im Einvernehmen mit der Mitte-Rechts-Koalition möglich sein werde. Siehe Corriere della sera vom 13. Juni 1995. 121 O. Grandinetti - Risorse pubblicitarie, stampa, emittenza locale e "pay-tv": le grandi assenti nella decisione che ha dichiarato I'incostituzionalitä dell'art. 15 comma 4 1. n. 223/1990, Giur. cost. 1994, 3758 (3760). Vgl. auch Azzariti, S. 3085. Zum Gesetz Nr. 422/1993 siehe 1. Teil C. 122 Benannt nach deren Vorsitzenden, dem langjährigen Präsidenten des Senats, Giorgio Napolitano.
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
Die neue Regierung der "linken Mitte", unter Führung des ehemaligen IRIPräsidenten Prodi, reichte schließlich am 19. Juli 1996 einen Gesetzentwurf ein, in dem neue Konzentrationsgrenzen vorgeschlagen wurden. J23 Wenig später folgte ein weiterer Gesetzentwurf, der eine umfassende Reform des Rundfunksektors enthielt. 124 Als absehbar wurde, daß aufgrund des heftigen Protests der Parteien der rechten Mitte, trotz der Abtrennung der Antitrust-Bestimmung von denen der übrigen Reform, eine rasche Verabschiedung neuer Konzentrationsgrenzen nicht möglich sein werde, wurde mit Spannung das Verhalten der neuen Regierung am 28. August 1996 erwartet. Diese erließ schließlich ein Regierungsdekret, 125 das unter Art. 1 folgende Bestimmung enthält: ,,In Erwartung der umfassenden Refonn der Fernseh- und Telekommunikationsordmmg, die unter Beachtung der vom Verfassungsgerichtshof mit Urteil vom 7. Dezember 1994, Nr. 420 erteilten Hinweise zu verabschieden ist, ist den Veranstaltern, die am 27. August 1996 rechtmäßig der Rundfunktätigkeit nachgingen, die Fortsetzung dieser Tätigkeit gestattet: a) bis zum 27. August 1997 im Falle des Hörfunks auf nationaler und lokaler Ebene, sowie des Fernsehens auflokaler Ebene; b) bis zum 31. Januar 1997 im Falle des Fernsehens auf nationaler Ebene."
Bis zuletzt war innerhalb der Regierung umstritten, ob in das Dekret auch die im Gesetzentwurf der Regierung enthaltenen neuen Konzentrationsgrenzen aufgenommen werden sollten. Die Regierung entschied sich letztlich gegen die Einfiigung der Antitrustbestimmungen, um die Mitarbeit der Parteien der rechten Mitte bei Verabschiedung der Reform nicht vorschnell aufs Spiel zu setzen. 126 Das Dekret wurde schließlich in das Gesetz Nr. 650/1996 umgewandelt. Mag diese Entscheidung politisch auch sinnvoll erscheinen, so liegt in ihr doch eine offensichtliche Mißachtung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Obwohl dieser die Frist des Gesetzes Nr. 422/1993 für 123 d.d.l. Nr. 1021 ,,1stituzione dell'autorita per le garanzie nelle comunicazioni e nonne sul si sterna radiotelevisivo", Atti deI Senato della Repubblica, XIIl. Legislaturperiode. Siehe hierzu auch den 6. Teil. 124 d.d.l. Nr. 1138 ,,Disciplina de1 sistema delle comunicazioni", Atti de1 Senato della Repubblica, XIIl. Legislaturperiode. Siehe hierzu auch den 6. Teil. 125 d.l. Nr. 444 vom 28. August 1996, G.u. Nr. 20111996. Mangels Umsetzung innerhalb der Frist von 60 Tagen (Art. 77 Abs. 3 italienische Verfassung) wurde das Dekret am 23. Oktober 1996 wortgleich neu erlassen (d.l. Nr. 5451l996). 126 Siehe die Stellungnahme des Ministerpräsidenten Prodi nach Verabschiedung des Dekrets im Corriere della Sera vom 28. August 1996.
F. Die Refonn ,,Maccanico" und ihre wesentlichen Inhalte
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unaufschiebbar erklärt hatte, wurde zur Verabschiedung der Refonn ein eben solcher Aufschub gewährt. Obwohl das Verfassungsgericht ausdrücklich den Erlaß neuer Antitrust-Regelungen bis zum 28. August 1996 angemahnt hatte, ist in dem genannten Regierungsdekret von diesen keine Spur. 127 Angesichts dieser Umstände mag verwundern, daß die Entscheidung von der Regierung als die "verfassungsrechtlich korrekteste Lösung" bezeichnet wurde. 128
Am 31. Juli 1997 wurde vom italienischen Parlament schließlich das lange erwartete Gesetz zur Festlegung neuer Konzenuationsgrenzen erlassen. Vorausgegangen waren langwierige Verhandlungen zwischen der Regierungskoalition und den Parteien der "rechten Mitte" unter Führung Silvio Berlusconis, die bis zuletzt an der politisch sensiblen Materie zu scheitern drohten. Erst als die KarteUbestimmungen und die Regelungen fiir eine neue Aufsichtsbehörde von der übrigen Refonn abgekoppelt wurden, kam es zu einer Verständigung unter den Parteien. Damit wurde aber zugleich die Hoffnung auf eine rasche Verabschiedung einer umfassenden Refonn abennals enttäuscht. Der Großteil der Bestimmungen des Allgemeinen Rundfunkgesetzes gelten daher weiterhin. Das neue Gesetz Nr. 249/1997, in Italien besser bekannt als "legge Maccanico", benannt nach dem zuständigen Minister fiir Kommunikation Antonio Maccanico, faßt erstmals Bestimmungen fiir die Bereiche des Rundfunks und der Telekommunikation zusammen. Aufgrund der Abhängigkeit beider Bereich wird in diesem Umstand gemeinhin der größte Verdienst des neuen Gesetzes gesehen. Dem Ziel der Errichtung einer einheitlichen "Kommunikationsordnung" folgend ersetzt Art. 1 Gesetz Nr. 249/1997 die bisherige Medienaufsicht, den "Garante per la radiodiffusione e l'editoria", durch die "Autoritä per le garanzie neUe comunicazioni". Die "Autoritä" vereinigt im wesentlichen die bisherigen Aufgaben des "Garante" mit denen einer Aufsicht fiir den Bereich der Telekommunikation. Sie setzt sich aus einem Präsidenten, einer Kommissionen fiir Infrastruktur und Netze, einer Kommission fiir Dienstleistungen und Produkte sowie einem Rat zusammen. Die Kommissionen bestehen aus je vier Kommissaren, die zu gleichen Teilen vom Senat und dem Abgeordnetenhaus gewählt werden. Jeder Senator bzw. Abgeordneten kann dabei jeweils einen Kommissar pro Kommission wählen. Der Präsident wird durch den Ministerpräsidenten im Einvernehmen mit dem Minister fiir Kommunikation
127 Kritisch zwn Gesetz Nr. 650/1996 äußert sich auch O. Grandinetti - Il conunento, Gior. dir. am. 1997, 309 ff. 128 Comere della Sera vom 28. August 1996.
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1. Teil: Die medienrechtliche Rechtslage in Italien
bestimmt. Der Rat setzt sich aus dem Präsidenten und sämtlichen Kommissaren zusammen. Art. 2 des Gesetzes Nr. 249/1997 beinhaltet die neuen Konzentrationsgrenzen. Wie bereits Art. 15 Gesetz Nr. 223/1990, so regelt auch diese Bestimmung das Verbot einer marktbeherrschenden Stellung unter den unterschiedlichsten Aspekten. Art. 2 Abs. 1 enthält dabei eine Generalklausei, wonach alle Akte oder Verhaltensweisen verboten sind, die auf die Errichtung oder Erhaltung einer marktbeherrschenden Stellung zielen. Dieses allgemeine Verbot wird insbesondere durch Art. 2 Abs. 6 und 8 konkretisiert. Nach Art. 2 Abs. 6 können keinem Marktteilnehmer mehr als 20% aller Konzessionen für die landesweite Fernsehübertragung auf terrestrischen Frequenzen in analoger oder digitaler Form erteilt werden. Für die digitale Übertragung kann die "Autoritit" allerdings eine Übergangszeit für die Anwendung dieser Grenzen bestimmen. Die Anzahl der Konzessionen, die insgesamt erteilt werden können, wird ebenfalls von der "Autoritit" festgelegt. Gemäß Art. 2 Abs. 8 lit. a) hat die "Autoritit" darauf zu achte~ daß kein privater oder öffentlicher Konzessionär mehr als 30% der Gesamteinnahrnen des Bereichs der landesweiten Fernsehübertragung mittels terrestrischer Frequenzen auf sich vereinigt. Art. 2 Abs. 8 lit. a) Satz 2 bestimmt genauer, welche Einnahme bei der Berechnung der Gesamteinnahrnen zu berücksichtigen sind. Nach Art. 2 Abs. 8 lit. c) gilt eine entsprechende 30% - Grenze auch für den Bereich des landesweiten Kabel- und Satellitenfernsehens. Hier kann allerdings die "Autoritit" eine Übergangszeit bestimmen. Art. 2 Abs. 8 lit. d) befaßt sich mit multimedialer Konzentration. Hiernach hat die "Autoritit" dafür Sorge zu trage~ daß Unternehme~ die Beteiligungen sowohl im Rundfunksektor als auch an Tageszeitungen und Periodika halten, maximal 20% der Gesamteinnahrnen beider Bereiche auf sich vereinigen dürfen. Eine Ausnahme dieser Grenzen sieht Art. 2 Abs. vor. Hiernach kann die "Autorim" von einem Eingreifen absehen, wenn ein Unternehmen bei Inkrafttreten des Gesetzes die Grenzen des Art. 2 Abs. 8 zwar überschreitet, dies aber ausnahmsweise keine marktbeherrschende Stellung begründet noch den Pluralismus und den Wettbewerb beeinträchtigt.
Art. 3 enthält weitere Bestimmungen für den privaten und öffentlichrechtlichen Rundfunk. Nach Art. 3 Abs. 6 bleibt trotz Überschreitung der Grenze des Art. 2 Abs. 6 den betroffenen Unternehmen die Veranstaltung der überschüssigen landesweiten Programme vorübergehend erlaubt, soweit diese gleichzeitig mittels terrestrischer Frequenzen und per Satellit oder Kabel verbreitet werden. Die Dauer dieser Übergangsphase wird gern. Art. 3 Abs. 7 von der "Autoritit" bestimmt.
F. Die Refonn "Maccanico" und ihre wesentlichen Inhalte
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Nach Art. 3 Abs. 9 wird die öffentliche Konzessionärin verpflichtet, der "Autorita" einen Plan vorzulegen, der die Überfilhrung einer ihrer drei Programme in ein Programm ohne Werbung vorsieht. Der "Autorita" obliegt es nach Anhörung der parlamentarischen Kontroll- und RichtIinienkommission eine Frist filr die Umsetzung des Planes zu bestimmen. Art. 3 Abs. 11 enthält Bestimmungen filr die Sendung von Programmen in verschlüsselter Form (Pay-TV). Hiernach kann jedem Veranstalter maximal eine Konzession filr die landesweite Veranstaltung von Pay-TV mittels terrestrischer Frequenzen erteilt werden. Für eine von der "Autorita" zu bestimmende Übergangszeit bleibt aber die Veranstaltung zweier Programme erlaubt. Art. 4 und 5 enthalten schließlich Regelungen rur den Bereich der Telekommunikation, Art. 6 und 7 sehen Schlußbestimmungen vor.
2. Teil
Wesentliche Reformaspekte im öffentlichen Fernsehsektor Der Titel des Gesetzes Nr. 223/1990 "Gesetz zur Regelung der öffentlichen und privaten Rundfunkordnung" erweckt den Eindruck, als handle es sich hier um ein umfassendes Regelwerk fiir sämtliche Veranstalter, seien sie privater oder öffentlicher Natur. Dieser Eindruck wird jedoch nur durch die ersten Artikel des Gesetzes bestätigt, durch die eine Reihe von Prinzipien aufgestellt werden, deren Einhaltung allen Veranstaltern obliegt. Im übrigen wendet sich der Gesetzgeber aber allein den privaten Veranstaltern in detaillierter Form zu. Die Regelung des öffentlichen Fernsehens scheint auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden zu sein. 1 Am deutlichsten kommt dies in Art. 8 Abs. 17 Gesetz Nr. 223/1990 zum Ausdruck, wo der Regelung der Finanzierung des öffentlichen Fernsehens lediglich Übergangscharakter zugewiesen wird. Dieser Logik folgend hat das Gesetz Nr. 223/1990 das RAI-Reformgesetz Nr. 103 aus dem Jahre 1975 2 und das "Gesetz Berlusconi" (Nr. 1O/1985i als Regelungen fiir den öffentlichen Fernsehsektor ausdrücklich aufrechterhalten. Folglich gelten für die RAI weiterhin Normen, die zu einer Zeit entstanden sind, als diese noch Protagonist einer auf das staatliche Monopol ausgerichteten Fernsehordnung war. In einer durch die formale Anerkennung der Privatsender völlig veränderten Fernsehlandschaft können diese Bestimmungen aber nur schwerlich eine solide Grundlage für das staatliche Fernsehen bilden. Der Gesetzgeber hat daher im Gesetz Nr. 206/1993 bestimmt, daß innerhalb von zwei Jahren eine Neuregelung des öffentlichen Fernsehens im Rahmen einer umfassenden Neugestaltung der gesamten Fernsehordnung zu erfolgen habe (Art. 2 Abs. 2). Bis heute ist eine umfassende Neuregelung freilich ausgeblieben. Statt dessen wurde das Gesetz NT. 206/1993 selbst durch zahlreiche Dekrete der Regierung modifiziert,4 die erst durch das Gesetz Nr. 650/1996 umgesetzt wurden. 1 R. Zaccaria - Tre nodi, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. 255 (256). 2 Siehe 1. Teil A, II. 3 Siehe 1. Teil A, VII. 4
Siehe d.I. Nr. 558/1993 ff.
A. Die Rolle der RAI innerhalb des "sistema misto"
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Ergebnis dieser Gesetzgebungstechnik ist ein undurchsichtiges Regelwerk, bestehend aus vier Gesetzen, die zur Befriedigung unterschiedlichster Anspruche erlassen wurden. So sind Überschneidungen und Wiederholungen ebensowenig verwunderlich wie die fehlende Koordinierung unter den einzelnen Bestimmungen. Es wäre daher wünschenswert, wenn das Flickwerk der Gesetze Nr. 103/1975, Nr. 10/1985, Nr. 223/1990 und Nr. 206/1993 zu einem einheitlichen Text zusammengefaßt würde, der die ganze Materie regelt. 5
A. Die Rolle der RAI innerhalb des "sistema misto" Wurde das Fernsehen offiziell bis 1990 noch in der Form eines staatlichen Monopols betrieben, so hat sich fiir die RAI die Lage spätestens durch Erlaß des Gesetzes Nr. 223/1990, durch das die privaten Veranstalter eine formelle Anerkennung erfuhren, völlig verändert. Es liegt auf der Hand, daß diese veränderte Situation eine (Neu)Bestimmung der Rolle der RAI erforderlich macht. Bestätigt wird dieses Erfordernis durch die sinkende Programmqualität der RAI, die im Kampf um die Einschaltquoten immer mehr auf amerikanische Produkte setzt und auf Kosten eines starken Ausgabenanstiegs mit den privaten Veranstaltern um die Fußballübertragungsrechte und die millionenschweren Verträge mit den Stars des italienischen show-business gepokert hat. 6 Die hierdurch provozierte Angleichung der Programminhalte ging so weit, daß es zeitweise fiir das Auge des Zuschauers kaum möglich war, Unterschiede zwischen dem öffentlichen und privaten "Rundfunkpol" auszumachen. 7 Auch wenn die RAI in letzter Zeit darum bemüht ist, die Programmqualität wieder anzuheben, so zeigen die bisherigen Erfahrungen doch, daß eine gesetzliche Bestimmung der Aufgaben der RAI von Nöten ist, will man eine Nivellierung des Prograrnmangebots auf Dauer nicht hinnehmen. Der italienische Gesetzgeber scheint dem jedoch bislang nicht Rechnung getragen zu haben. Zwar bestimmt Art. 1 Gesetz Nr. 223/1990, daß die dort genannten grundlegenden Prinzipien der Fernsehordnung durch den Wettbe5 L. Birzoli - Dalla diagnosi alla terapia, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per \ll1a nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. 16 (18). 6 W. Meinel - Das italienische Fernsehduopol: Grundlagen \ll1d Ausprägung, Ruf 1988, 220 (224 f.); P. Murialdi - L'Italia sotto i riflettori: Berlusconi e la RAI, Problemi dell'infonnazione 1994,417 (417). 7 G. Santaniello - La rifonna deI servizio pubblico, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 421 (423). Vgl. auchM. Santoro, in: P. Barile (Hrsg.) - Idee per il governo. Il sistema radiotelevisivo, Bari 1995, S. 87 (88).
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspelcte im öffentlichen Femsehsektor
werb zwischen öffentlichen und privaten Veranstaltern verwirklicht werden sollen; die nachfolgenden Bestimmungen lassen jedoch keinen sicheren Schluß auf die Modalitäten dieses Wettbewerbs zu. 8 So bleiben bei der Bestimmung der Rolle der RA! verschiedene Alternativen offen. Denkbar wäre zum einen eine zentrale und vorherrschende Stellung des staatlichen Fernsehens in einem System, in dem den privaten Veranstaltern lediglich eine integrative Funktion zukommt, und zum anderen ein diesem Modell in gewissem Maße entgegengesetztes Muster, in dem den privaten Sendern die zentrale Rolle obliegt und die öffentlichen Veranstalter darauf beschränkt bleiben, die eventuellen Lücken der Privatinitiative auszufiillen. Als dritte Alternative ist schließlich noch ein Modell denkbar, in dem weder den privaten noch den öffentlichen Veranstaltern eine besondere Rolle zugewiesen ist, sondern alle Sender auf gleicher Ebene konkurrieren. 9 In diese Richtung hat sich das Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Sendern, wie oben dargestellt, in der jüngeren Vergangenheit entwickelt. Bei flüchtiger Betrachtung des Gesetzes Nr. 223/1990 entsteht der Eindruck, als habe der Gesetzgeber das letztgenannte Modell bevorzugt und nicht beabsichtigt, der RA! eine spezifische Aufgabe zuzuordnen. 10 Grund für diesen Eindruck sind die in Art. 1 des Gesetzes enthaltenen allgemeinen Prinzipien, die aufgrund ihrer systematischen Stellung im allgemeinen Teil des Regelwerkes sowohl für den öffentlichen als auch für die privaten Veranstalter Geltung haben. 11 Zudem wird sowohl der öffentliche als auch der private Rundfunk als Tätigkeit von "überwiegendem Allgemeininteresse" bezeichnet. 12 Die "legge 8 F. Pinto - La radiotelevisione di fronte al corpo elettorale, Giustizia civile 1995, 338 (341). 9 Zu den drei ,,Modellen" siehe P. Caretti - Diritto pubblico dell'infonnazione, Bologna 1994, S. 126 und Santaniello, S. 422 f. 10 So z. B. R. Zaccaria JE. Roppo - Commento agli artt. 1-2, in: R. Zaccan·aIE. Roppo (Hrsg.) - TI si sterna radiotelevisivopubblico e privato, Mailand 1991, S. 26 f. 11 L. Carlassare - Cultura e televisione: I principi costituzionali, Dir. Inf. 1994, 7 (10). Zu den Bedenken die Prinzipien der Objektivität und Vollständigkeit der Berichterstattung auch auf die privaten Veranstalter auszudehnen siehe G. Bognetti - Costituzione, televisione elegge antitrust, Mailand 1996, S. 47 ff. und R. Borrello - Televisione e referendum: una nuova strada irta di incognite per modificare l'assetto del sisterna radiotelevisivo italiano, Giur. cost. 1995, 153 (Fn. 12). 12 Letzgus/Violini-Ferrari stellen zutreffend fest, daß die Bezeichnung der Sendetätigkeit als "Tätigkeit von überwiegendem Allgemeininteresse" in der Vergangenheit zur Rechtfertigung des staatlichen Fernsehmonopols über Art. 43 der Verfassung diente. Eine derartigen Fonnulierung ist nach Einführung einer dualen Rundfunkordnung daher ohne konkrete Bedeutung. Siehe C. LetzguslL. Violini-Ferrari - Das italienische Allgemeine Rundfunkgesetz zwischen aktuellem Duopol und erhofftem Pluralismus, Ruf 1993,20 (28).
A. Die Rolle der RA! innerhalb des "sistema misto"
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Mammi" sieht des weiteren eine Reihe von gemeinsamen Regeln fiir öffentliche und private Veranstalter vor und bürdet letzteren Verpflichtungen auf, die zwar im öffentlichen Interesse liegen, rein kommerziell gesehen aber nachteilig sein können. Hierunter fallt z.B. die Verpflichtung zur Übertragung von Nachrichtensendungen (Art. 20 Abs. 6 Gesetz Nr. 223/1990) oder die Verpflichtung zur kostenlosen Ausstrahlung von Mitteilungen auf Nachfrage der Regierung (Art. 10 Abs. 5 Gesetz Nr. 223/1990). In diese Reihe gehören auch die unlängst verabschiedeten Regierungsdekrete zur Gewährleistung der Chancengleichheit der politischen Parteien im Wahlkampf (ital.: "par condicio"), die nicht nur den öffentlichen, sondern auch den privaten Veranstaltern eine objektive und ausgewogenen Berichterstattung auftragen. 13 Derartige Regelungen könnten den Schluß zulassen, daß letztlich allen Konzessionären, seien sie öffentlich-rechtlicher oder privater Natur, die Erfüllung derselben Aufgaben zukommt. Wäre dies in der Tat Wille des Gesetzgebers, so müßte eine Reform der RAI tendenziell darauf abzielen, die Regelungen fiir die öffentliche Konzessionärin an die der privaten Sender anzugleichen. Dies würde insbesondere Folgen fiir die Gesellschaftsstruktur der RAI AG nach sich ziehen. Selbst eine Öffnung des Gesellschaftskapitals der RAI fiir private Investoren, wie dies von einem der Referenden gefordert wurde,14 wäre dann denkbar. Bereits Art. 2 Abs. 2 S. 2 Gesetz Nr. 223/1990,15 wonach der öffentlichen Konzessionärin die Eigenschaft einer Gesellschaft von nationalem Interesse gemäß Art. 2461 des Zivilgesetzbuches zukommt,16 deutet indes den Willen des Gesetzgebers an, der RAI eine "Sonderrolle" zuordnen zu wollen. Die Bestimmung impliziert gemeinsam mit der Entscheidung des Gesetzgebers fiir ein duales Rundfunksystem die notwendige Betonung der öffentlichen Zielsetzungen und Charakteristika der RAI. Schließlich basiert ein "sisterna misto" nicht nur auf dem wirtschaftlichen, sondern auch auf dem kulturellen
13 Siehe zuletzt für die Parlamentswahlen vom 21. April 1996 das Regierungsdekret Nr. 129/1996. Zum Problem der "par condicio" siehe auch E. Bertinelli - L'informazione radiote1evisiva e la propaganda elettorale. La nuova disciplina contenuta nella legge n. 81 de11993: Un modello davvero defInitivo?, Dir. inf. 1994,201 ff.; P. Schlesinger - Te1evisione e pari opportunitä, Corriere giuridico 1995, 269 f. und C. De Martini - Spunti per una riforma dei si sterna televisivo, Dir. Inf. 1995,243 (249). 14 Siehe oben 1. Teil F. 15 So auch schon Art. 3 Abs. 2 ,,RA1-Reformgesetz" Nr. 103/1975 und Art. lAbs. 3 "Gesetz Berlusconi" Nr. 10/1985. 16 Art. 2461 Codice civile ermöglicht es dem Gesetzgeber, von den allgemeinen Bestinunungen für Aktiengesellschaften abzuweichen. Eine Übersetzung des Art. 2461 des italienischen Zivilgesetzbuches fmdet sich im Anhang.
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Veranstaltern. 17 Da die Angleichung der öffentlichen und privaten Sender zudem einern Pluralismus, der auch auf die Programmqualität und die Prograrnrninhalte abzielt, sicherlich nicht dienlich wäre,18 der Meinungspluralismus nach Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 aber gerade zu den leitenden Prinzipien der italienischen Fernsehordnung zählt, ist kaum vorstellbar, daß eine derartige Situation vorn Gesetzgeber tatsächlich gewollt war. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht scheint der RA! eine spezifische öffentliche Funktion vorgeschrieben, die sie von den privaten Sendern unterscheidet. Art. 3 Satz 2 der Verfassung sieht in diesem Zusammenhang vor, daß es Aufgabe der Republik ist, die wirtschaftlichen und sozialen Hindernisse zu beseitigen, die einer vollständigen Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und der effektiven Ausübung der Grundrechte entgegenstehen. Dieser Verpflichtung kommt der Staat im Rundfunkbereich über die öffentliche Konzessionärin nach. 19 Wenn folglich der Schutz der Grundrechte die Tätigkeit des Staates auf dem Fernsehsektor rechtfertigt, so muß sich diese Tätigkeit durch eine Reihe von Zielen und Aufgaben von der der übrigen Veranstalter unterscheiden und darf sich nicht auf die Verfolgung rein kommerzieller Zwecke beschränken. Für die RA! ist des weiteren Art. 9 Abs. 1 der Verfassung von Bedeutung, durch den der Staat zur Förderung der Kultur und der wissenschaftlichen und technischen Forschung "verpflichtet" wird. Hieraus ergibt sich die Aufgabefür das staatliche Fernsehen, dafür Sorge zu tragen, daß kulturell hochwertige Sendungen auch auf einern Sektor angeboten werden, der zum Großteil vorn Marktdenken beherrscht wird. 20 Dieser Aufgabe ist sicherlich nicht ausreichend genüge getan, wenn Kunst, Wissenschaft und Kultur wie bei den privaten Veranstaltern auf mitternächtliche Sendezeiten verbannt werden oder in der Prograrnmgestaltung gar überhaupt nicht zu finden sind. 21
17 E. Cheli - Un modello originale, in: J. Jacobel/i (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. 40 (43). 18 So auch der "Garante per La radiodifJusione e L'editoria" in seinem jährlichen Bericht (1993) an das Parlament, Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1993, I, S.
9.
19 R. Zaccaria - Tre nodi, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova riforma della RAI, Bari 1992, S. 255 (258 f); drs., in: P. BariLe (Hrsg.) - Idee per il governo. n sistema radiotelevisivo, Bari 1995, S. 100 (103 f). 20 CarLassare, S. 17; De Martini, S. 255. 21 A. Pace - La televisione pubblica in Italia, Foro italiano 1995,245 (260, 262).
A. Die Rolle der RAI innerhalb des "sistema misto"
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Unklar bleibt dennoch, trotz dieser Unterschiede, der Sinn der förmlichen Gleichstellung öffentlicher und privater Anbieter durch Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990. Im Schrifttum wird teilweise darauf hingewiesen, daß allein für die öffentliche Konzessionärin die Prinzipien des Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 näher ausgestaltet wurden. 22 Auch in den einzelnen Konzessionen der privaten Veranstalter sei eine Konkretisierung der Grundprinzipien nicht zu finden. 23 Unterstützung findet die Meinung, die sich gegen eine völlige Gleichstellung privater und öffentlicher Anbieter wehrt, auch durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes. Dieser hat mehrfach darauf hingewiesen, daß sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen an den Regeln des Binnenpluralismus zu orientieren habe, während für die privaten Veranstalter das außenplurale Modell maßgeblich sei. 24 Dies bedeutet letztlich, daß allein der öffentlichen Konzessionärin die Einhaltung der Prinzipien der Objektivität, Vollständigkeit und Unparteilichkeit der Berichterstattung (Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990) obliegen, während sich dies für den privaten Rundfunksektor erst mittelbar aus dem Zusammenspiel einzelner, in ihrer Programmgestaltung weitestgehend freier Veranstalter ergibt. Die Möglichkeit einer RAI, die sich in ihren Programminhalten von den privaten Veranstaltern nicht unterscheidet, ist somit schon allein aus verfassungsrechtlicher Sicht kaum vertretbar. Dennoch sind der aktuellen Gesetzeslage, wie dargestellt, durchaus auch Argumente für das "paritätische" Modell zu entnehmen. Noch schwieriger erscheint allerdings die Entscheidung darüber, ob der RAI eine zentrale und vorherrschende Rolle zukommt oder ob sie sich auf die "Lückenfüllung" zu beschränken hat. Zwischen Vertretern beider Modelle scheint dabei Einigkeit darüber zu bestehen, daß die Privatinitiative im Rundfunkbereich tatsächlich "Lücken" hinterläßt, deren Schließung Aufgabe der RAI ist, 25 da der Auferlegung weiterer 22 Insbesondere durch die zwischen Postministerium \U1d RAI ausgehandelten Konvention (d.P.R. vom 28. März 1994). Nach Art. lAbs. 3 der Konvention haben sich die Programme der RAI streng nach den Prinzipien der Unparteilichkeit, Objektivität \U1d Vollständigkeit, die dem "servizio pubblico" eigen sind, zu richten. 23 Pace, S. 253 f.; Carlassare, S. 10. Die Unterschiede zwischen den Konzessionen für das private \U1d das öffentliche Fernsehen wurden auch vom Verfassungsgerichtshof\U1terstrichen. Siehe Corte cost. Nr. 11211993, Giur. cost. 1993, 939 (957 f.) 24 So insbesondere Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 (3934) \U1d Corte cost. Nr. 42011994, Giur. cost. 1994,3716 (3741 f.). 25 C. Golfari - Quale centralitä, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per \U1a nuova riforma della RAI, Bari 1992, S. 108 (109). Ebenso C. Guerzoni - Per la societä, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per \U1a nuova riforma della RAI, Bari 1992, S. 117 (121).
S pfeifer
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2. Teil: Wesentliche Reformaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
Verbote und Pflichten fiir die privaten Veranstalter nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs durch die Unternehmerfreiheit (Art. 41 der Verfassung) und das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 21 der Verfassung) Grenzen gesetzt sind. Die von der RA! in diesem Sinne zu erfiillenden Aufgaben sind zahlreich und umfassen beispielsweise Sendungen zur politischen Bildung; die Veranstaltung von Minderheitenprogrammen; die Ausstrahlung von Programmen, die für das Ausland bestimmt sind; die Veranstaltung von Schulfernsehen und Sendungen mit bildender Zielsetzung; das Experimentieren mit neuen Technologien; die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung bis in abgelegene Gegenden, auch wenn dies wirtschaftlichen Kriterien nicht mehr entspricht; die Einhaltung einer geringen Werbedichte und den Verzicht auf Unterbrecherwerbung; etc. 26 Die unterschiedlichen Gesetze zum öffentlichen Fernsehen beschreiben die genannten Aufgaben der RA! nur zum Teil. Einzige Bestimmung des Gesetzes Nr. 103/1975 in diesem Zusammenhang ist dessen Art. 6 Abs. 1, durch den der RA! vorgeschrieben wird, mindestens 5% der gesamten Sendedauer den politischen Parteien, den Gewerkschaften, den verschiedenen Konfessionen und Kulturvereinen vorzubehalten. Das Allgemeine Rundfunkgesetz schweigt zu diesem Thema völlig, will man einmal von der Regelung des Werbefernsehens absehen. 27 Auch das Gesetz Nr. 206/1993, das versucht, den gravierendsten Mißständen innerhalb der RA! abzuhelfen,28 enthält keine genauere Aufzählung und beschränkt sich darauf, zur Konkretisierung der Aufgaben und Pflichten des öffentlichen Fernsehens auf die zwischen RA! und Postministerium auszuhandelnde Konvention zu verweisen. 29 Aber auch die derzeit geltende Konvention, mit der die Konzession der RA! fiir weitere zwanzig Jahre bestätigt wurde, enthält nur wenige Bestimmungen bezüglich der Aufgaben der RAl. 30 Angesichts dieser unübersichtlichen und lückenhaften Regelungen 26 Zaccaria, S. 259; O. Grandinetti - I referendwn: Le sentenze della Corte costituzionale (TI commento), Giomale di diritto amministrativo 1995, 533 (535); R. Zaccaria - TI fmanziamento de1 sistema radiote1evisivo, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiote1evisione in Italia, Turin 1994, S. 59 (75). 27 A. Pace - Comunicazioni di massa (diritto), in: Encic10pedia delle scienze sociali "Treccani", 11, Rom 1992, S. 171 (177). 28 Zwn Gesetz Nr. 206/1993 siehe v.a. 2. Teil B und C. 29 Art. 4 Abs. 2 Gesetz Nr. 20611993. 30 Besondere Bestimmungen sind nur für Programme für Behinderte und Minderjährige, für das Werbefernsehen, sowie für das Experimentieren mit neuen Technologien vorgesehen (Art. 8, 11, 10, 12 der Konvention). Die Konvention wurde durch d.P.R. vom 28. März 1994 (G.U. Nr. 188 vom 12. August 1994) gebilligt.
A. Die Rolle der RA! innerhalb des "sistema rnisto"
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scheint sich eine genauere und zusammenfassende Definition der Aufgaben der RAI geradezu aufzudrängen. 31 Dies nicht zuletzt deshalb, weil eine tatsächliche Erfüllung der gesetzlich festgelegten Aufgaben angesichts der konkreten Programmgestaltung der RAI äußerst zweifelhaft erscheint. Die in der Vergangenheit extrem kommerzielle Ausrichtung der RAIProgramme macht es den Befürwortern einer Beschränkung des staatlichen Fernsehens auf die Erfüllung der beispielhaft genannten Aufgaben leicht. Ein derart ausgestaltetes Programm der RAI hätte fiir den privaten Fernsehsektor den angenehmen Nebeneffekt, keine Konkurrenz zu einem kommerziell ausgerichteten Programm darzustellen. Das erklärt auch die Beliebtheit der These bei den privaten Veranstaltern. Für eine Beschränkung der Rolle der RAI spricht aber auch, daß der hierdurch freiwerdende Raum durch neu zu gründende private Sender genutzt werden könnte, wodurch der Außenpluralismus gestärkt würde. 32 Auch der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können Elemente entnommen werden, die auf die Beschränkung des staatlichen Fernsehens auf eine "Lückenfüllerfunktion" hindeuten. Im Urteil Nr. 826/1988 ging das Gericht davon aus, daß ein staatliches Monopol eine Beschränkung des Art. 21 der Verfassung darstelle, die ihre alleinige Rechtfertigung in der Sicherung des Pluralismus vor der Gefahr eines privaten Mono- oder Oligopols finde. 33 Der Staatsvorbehalt stellt sich somit gleichsam als "geringeres Übel" im Hinblick auf die Entwicklung eines effektiven demokratischen Systems dar. 34 Demzufolge würde dem außenpluralen Modell vor dem binnenpluralen grundsätzlich der Vorrang gebühren, wäre die Gefahr eines privaten Monopols einmal beseitigt. Entscheidet sich nun der Gesetzgeber aber zur Einftihrung eines dualen Modells, in dem öffentliche und private Anbieter, d.h. Binnen- und Außenpluralismus nebeneinander bestehen, so dürfte das staatliche Fernsehen aufgrund des grundsätzlichen Vorrangs der außenpluralen Variante eine lediglich integrative Funktion ausüben. 35 Das würde eine Beschränkung der
31 Für eine genauere Defmition der Aufgaben des öffentlichen Fernsehens spricht sich auch Santoro, S. 89 aus. 32 Guen:oni, S. 119. 33 Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 (3928); siehe oben I. Teil A, VIII. 34 A. Pace - Der Rundfunk in Italien, in: R. GrawertJC. Tornuschat - Der Journalist in der Verfassungsordnung. Die Privatfunkordnung, Berlin 1989, S. 67 (93). 35 L. Bini - La legge di regolamentazione dei si sterna radiotelevisivo, Mailand 1991, S. 33; C. Chiola - Natura dell'attivita radiotelevisiva e regime giuridico, in: R. Zaccaria/P. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui probierni giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 15 (19).
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2. Teil: Wesentliche Reformaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
RAI auf die Aufgaben bedeuten, die von den Privaten nicht ausreichend wahrgenommen werden. Wäre es Absicht des Gesetzgebers gewesen, dieser Argumentation zu folgen, so hätte im Allgemeinen Rundfunkgesetz die zentrale Rolle der privaten Veranstalter zum Ausdruck kommen müssen. Ein klarer Hinweis in diese Richtung wäre eine Bevorzugung der Privaten bei Verteilung der Rundfunkfrequenzen gewesen. Das Gegenteil ist der Fall, denn nach Art. 3 Abs. 11 Gesetz Nr. 223/1990 ist vorrangig die Versorgung der öffentlichen Konzessionärin sicherzustellen. 36 Diese Bestimmung ist mit einer Perspektive, in der die RAI zwangsläufig an den Rand des Fernsehmarktes gedrängt würde, nicht vereinbar. Es scheint vielmehr, als habe der Gesetzgeber dem öffentlichen Fernsehen auch im "sisterna misto" eine beherrschende Rolle zuordnen wollen. Ist dem aber so, so ist der RAI über die bloße Erfüllung ihrer Pflichten hinaus auch die kommerzielle q'ätigkeit in Konkurrenz zu den privaten Veranstaltern gestattet sein. 3 ? Genauer betrachtet trägt die kommerzielle Tätigkeit ohnehin zur Erfüllung der Pflichten des staatlichen Fernsehens bei, indem sie diese finanzierbar hält. Auch die Verpflichtung der RAI, eine pluralistische Programmgestaltung zu gewährleisten, läßt sich als Argument fiir deren zentrale Rolle im Rundfunksystem Italiens anführen. Sollen nach den Worten des Verfassungsgerichtshofes im Programm der öffentlichen Konzessionärin "sämtliche (die Hervorhebung ist vom Verfasser) in der Gesellschaft vertretenen Meinungen, politische, soziale und kulturelle Richtungen zum Ausdruck kommen"/8 so kann dies nicht die Beschränkung auf die Veranstaltung von Minderheitenprogrammen bedeuten, sondern umfaßt die gesamte Bandbreite an möglichen Programminhalten, einschließlich derer, die sich am Geschmack des Großteils des Publikums orientieren. Damit ließe sich der Programmauftrag der RAI mit der vom Bundesverfassungsgericht den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern aufgetragene Grundversorgung vergleichen. Letztlich lassen sich den Regelungen des Allgemeinen Rundfunkgesetzes fiir jede der dargestellten Varianten Argumente entnehmen. 39 Die unklare Gesetzeslage ist fiir zahlreiche politische Kompromisse in Italien, die allein auf 36 Nach Chiola tragen private und öffentliche Veranstalter gleichberechtigt zur Verwirklichung des Pluralismus bei, so daß Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bevorzugung der RA! bei der Zuteilung der Frequenzen bestehen. Siehe C. ChiolaiS. VanniRadiote1evisione, Encic10pedia Giuridica "Treccani", XXV, Rom 1992, S. 5). 3? Zaccaria, S. 259. 38 Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 (3934). 39 So auch Caretti, S. 426.
B. Die Refonn der Verwaltungs- und Kontrollorgane
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Kosten einer eindeutigen Regelung den notwendigen Konsens unter den politischen Parteien erlangen konnten, geradezu beispielhaft. So wird allen "Lagern" auch weiterhin ermöglicht, "ihre" Vorstellung darüber zu vertreten, wie der Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Veranstaltern auszusehen hat. Allein dem staatlichen Fernsehen schadet diese Situation, da die notwendigen Reformrnaßnahmen bezüglich Gesellschaftsstruktur, Finanzierung oder gar Privatisierung der RAI eine klare Grundsatzentscheidung zur Aufgabe des staatlichen Fernsehens im dualen Rundfunkmodell voraussetzen.
B. Die Reform der Verwaltungs- und Kontrollorgane Obwohl das Allgemeine Rundfunkgesetz Nr. 223/1990 mit dem Anspruch erlassen wurde, den gesamten Rundfunkbereich zu regeln, hat es nur am Rande die Bestimmungen über die RAI modifiziert. Erst das Gesetz Nr. 206/1993 hat den Versuch unternommen, die Gesellschaftsstruktur der RAI an die veränderten Verhältnisse anzupassen und den eklatantesten Mißständen innerhalb der Aktiengesellschaft abzuhelfen. Da letzteren Normen aber nur eine "Brückenfunktion" bis zum Erlaß einer umfassenden Reform der RAI zukommt (Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993), ist die Frage einer Restrukturierung der RAI weiterhin offen. Handlungsbedarf besteht auch bzgl. der Kontrollinstanzen über die RAI, da die derzeitigen Regelungen unkoordiniert und den veränderten Umständen wenig angepaßt sind. In diesem Zusammenhang wird vielfach, unter Anspielung auf die Reform des staatlichen Fernsehens aus dem Jahre 1975, von einer "Reform der Reform" gesprochen. Dabei wird jedoch übersehen, daß die durch das Gesetz Nr. 103/1975 eingeführten Prinzipien nicht gänzlich dem Willen des Gesetzgebers entsprungen sind, sondern die Antwort auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes waren, in dem die Bedingungen für die Rechtmäßigkeit eines staatlichen Fernsehmonoplos "diktiert" wurden. 40 Die wiederholte Bezugnahme des Verfassungsgerichts auf dieses Urteil in den Entscheidungen jüngeren Datums41 zeigt, daß die 1975 aufgestellten Prinzipien auch heute noch Gültigkeit haben, was bei einer Reform des staatlichen Fernsehens zu berücksichtigen sein wird. 42 Die Verwaltungsorgane der RAI bestehen aus einem Verwaltungsrat und einem Generaldirektor. Ersterer ist für die Geschäftsführung zuständig, letzterem obliegt hauptsächlich die Ausführung der Beschlüsse. Die Kontrolle Corte cost. Nr. 225/1974, Giur. cost. 1974, 1775 ff.; siehe oben 1. Teil A, n. Siehe zuletzt im Urteil Corte cost. Nr. 420/1994, Giur. cost. 1994,3716 ff. 42 R. Zaccaria - Tre nodi, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAl, Bari 1992, S. 255 (256). 40
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
über die RA! wird in erster Linie durch eine parlamentarische Kommission ausgeübt.
I. Verwaltungsrat und Generaldirektor der RAI Die Regelung der Gesellschaftsorgane der RA! ist heute im wesentlichen in den Gesetzen Ne. 103/1975 (Art. 8 - 12), Nr. 10/1985 (Art. 5 - 8) und Nr. 206/ 1993 (Art. 2 und 3) enthalten. 1. Die Reform des Jahres 1975
Im Zuge der Reform des Jahres 1975, deren Ausgangspunkt die Verlagerung der Kontrolle über die öffentlich-rechtliche Konzessionärin von der Regierung auf das Parlament war, wurde der RA! AG erstmals die Natur einer Gesellschaft von nationalem Interesse verliehen (Art. 3 Abs. 2 Gesetz Ne. 103/1975).43 Nach Art. 2461 des Zivilgesetzbuches konnte hierdurch von den allgemeinen Bestimmungen für Aktiengesellschaften abgewichen werden. Obwohl das Gesellschaftskapital fast vollständig in den Händen der Staatsholding IRI (Istituto per la Ricostruzione Industriale) liegt, die wiederum der Kontrolle des Schatzministeriums untersteht, konnte so die Kompetenz zur Ernennung der Mehrzahl der Verwaltungsratsmitglieder44 der parlamentarischen Richtlinien- und Kontrollkommission übertragen werden. 45 Nur 6 der 16 Mitglieder wurden von der Hauptversammlung, d.h. von der IRI bestimmt. Die übrigen 10 Mitglieder mußten mit Dreifünftel-Mehrheit von der Kommission gewählt werden, wobei den Regionalräten das Vorschlagsrecht für vier Mitglieder zukam (Art. 8 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975). Dem Verwaltungsrat oblag die Ernennung des Präsidenten und des Generaldirektors (Art. 8 Abs. 3 Gesetz Ne. 103/1975). Neben dem Vorsitz im Verwaltungsrat und der Vertretung der Gesellschaft war es Aufgabe des Präsidenten, über die Geschäftsführung zu wachen, um die Erreichung des Gesellschaftszwecks und die Umsetzung der Richtlinien der parlamentarischen Kommission sicherzustellen (Art. 10 Gesetz Nr. 103/1975). Die Umsetzung der Beschlüsse des Verwaltungsrates fiel in den Aufgabenbereich des Generaldirektors (Art. 11 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975). Diese genaue Abgrenzung der Kompetenzen wurde jedoch dadurch verwischt, daß auch dem Generaldirektor oblag, über die 43 Wiederholt wird diese Bestimmung durch Art. 1 Abs. 3 Gesetz Nr. 10/1985, Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 22311990 und Art. 1 Gesetz Nr. 206/1993. 44 Der Verwaltungsrat entspricht im wesentlichen dem Vorstand einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht. 45 Zur parlamentarischen Kommission siehe ausführlich 2. Teil B, 11
B. Die Refonn der Verwaltungs- und Kontrollorgane
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Einhaltung der Richtlinien der parlamentarischen Kommission zu wachen und Art. 11 Abs. 2 gar bestimmte, der Generaldirektor leite die Geschäftstätigkeit. Durch diese doppeldeutigen Fonnulierungen kam Zweifel darüber auf, ob der Generaldirektor nur ausfiihrendes oder/und leitendes Organ sei. 46 Konflikte zwischen dem Verwaltungsrat und dem Präsidenten auf der einen und dem Generaldirektor auf der anderen Seite waren damit vorprogrammiert. 2. Die anschließende Entwicklung
Die Umstände, die zur Refonn des Jahres 1975 gefiihrt hatten, veränderten sich schnell. Bedingt durch die Rechtsprechung der Verfassungsgerichts brökkelte das staatliche Fernsehmonopol, und die RA! sah sich zunehmend einem aggressiven Unternehmertum gegenüber, das de facta ein duales Rundfunksystem auf nationaler Ebene errichtete, ohne sich an die Begrenzung der privaten Sendetätigkeit auf den lokalen Bereich zu halten. 47 Aber nicht nur diese äußeren Umstände nagten an der rapide alternden Refonn. Das Hauptziel, das öffentlich-rechtliche Fernsehen der parlamentarischen Kontrolle zu unterstellen, mutierte zu einer Vereinnahmung der RA! durch die politischen Parteien. Es kam zu einer regelrechten Aufteilung der drei Programme, bei der RA! 1 den Christdemokraten (DC), RA! 2 den Sozialisten (PSI) und RA! 3 den Kommunisten (PCI) zugeschlagen wurde. 48 An die Stelle des vordem kritisierten Staatseinflusses auf die RA! traten nun unmittelbare Interventionen von Fraktionen und Parteizentralen. 49 Die Idee, das staatliche Fernsehen auf eine pluralistischere Grundlage zu stellen, wurde so ad absurdum gefiihrt. 50 Infolge der Wahl der Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder durch die parlamentarische Kontrollkommission, einem rein politischen Gremium, wurde das Kräfteverhältnis der Parteien innerhalb des Parlaments fast identisch in das innere der Gesellschaftsstruktur der RA! getragen. Die Parteien übten so direk46 P. Abbadessa _ Organizzazione della societa concessionaria deI servizio radiotelevisivo e "primato" deI consiglio di amministrazione, in: Centro di iniziativa giuridica Piero Cahnandrei (Hrsg.) - TI servizio pubblico radiotelevisivo, Neapel 1983, S. 335 (338 f.). 47 Siehe oben 1. Teil A, III und IV.
48 B. Pellegrino - RAI S.p.a., Mailand 1992, S. 19 ff.; A. Grasso - Storia della televisione italiana, Mailand 1992, S. 340; G. GrizzajJi - Potentielle und reale Macht in der italienischen Fernsehlandschaft, Ruf 1983,395 (397 f.). 49 Siehe den Bericht ,,Rundfimkchaos in Italien", MP 1977, 706 (708). 50 A. Borri - Otto punti per la rifonna, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. XI (XII).
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
ten Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft aus. Dies wirkte sich insbesondere bei Personalentscheidungen negativ aus, indem nicht nur Führungspositionen dem Parteibuch entsprechend vergeben wurden, sondern diese als "Iottizzazione" (dt.: "Parzellierung") bezeichnete Praxis auch bis zum untersten Tariflevel Beachtung fand. 5 \ Ineffizienz und ein aufgeblähter Personalbestand sowie die Diskreditierung der gesamten RAI bei weiten Teilen der Bevölkerung waren nur einige der Folgen. 52 Verwundern mag daher, daß die "lottizzazione" gar noch damit gerechtfertigt wurde, daß sie zur Erreichung des vorgeschriebenen Pluralismus beitrage. 53 Die direkte Verbindung zwischen Parteipolitik und öffentlichem Fernsehen hatte konkrete Auswirkungen auf das Führungsverhalten der leitenden Organe der RAI. Statt "normalen" Gesellschaftsorganen zu gleichen, ähnelten sie immer mehr einem gewählten politischen Gremium. 54 Die Ineffizienz des ganzen Apparates wog um so schwerer, als es galt, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten und der stärker werdenden privaten Konkurrenz entgegenzutreten. In dieser Situation schien die durch die Schwächen des Gesetzestextes bedingte konfuse Praxis der Kompetenzaufteilung unter den Organen weniger denn je den Bedürfnissen der RAI gewachsen zu sein.
3. Das Gesetz Nr. 10/1985 In diese schwierige Lage fiillt der Erlaß des Gesetzes Nr. 10/1985, dessen Ziel es hauptsächlich war, den privaten Veranstaltern die Aufrechterhaltung des Sendebetriebs zu ermöglichen. 55 Art. 5 - 8 modifizierten aber auch die Aufgabenund Zusmndigkeitsverteilung unter den RAI-Organen. Die hinter dieser Neuregelung steckende Logik schien jedoch in sich widersprüchlich. So wurde einerseits die Verbindung zwischen Parlament und RAI dadurch gefestigt, daß nun sämtliche 16 Mitglieder des Verwaltungsrates auf Kosten einer Schwä5\ B. Rauen - Platz fur zwei Networks: Medienkonzentration in Italien, MP 1984, 161 (171).
52 A. Pace - Der Rundfunk in Italien, in: R. Grawert/C. Tomuschat - Der Journalist in der Verfassungsordnung. Die Privatfunkordnung, Berlin 1989, S. 67 (74); Borri, S. XII; B. Rauen - Berlusconi: Wahlkampfrnit den eigenen Medien, MP 1994,349 (360). 53 A. L. Natale- Das Rundfunksystem Italiens, in: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.) - Internationales Handbuch fur Hörfunk und Fernsehen 1994/1995, 22. Aufl., BadenBaden 1994, S. B 2 118 (1l9); G. Corasaniti - Dal pubblico al sociale, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. 54 (55). 54 F. Donati - TI consiglio di amrninistrazione della RAI nella prospettiva di rifonna, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problerni giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1992, S. 119 (124). 55 Siehe oben l. Teil A, VII.
B. Die Reform der Verwaltungs- und Kontrollorgane
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chung des Hauptaktionärs IRI und damit der Regierung von der parlamentarischen Kontrollkommission und damit von den Parteisekretären ernannt wurden (Art. 6 Abs. 1 Gesetz Nr. 10/1985). Auf der anderen Seite wurde die Position der Regierung aber dadurch gestärkt, daß die Ernennung des Generaldirektors vom Venvaltungsrat auf die IRI übertragen wurde (Art. 8 Abs. 1 Gesetz Nr. 10/1985). Hinter diesen Entscheidungen standen, wie so häufig in Italien, Parteiinteressen. Die Schwächung der IRI lag hierbei im Interesse der Sozialisten, da die Staatsholding von jeher im Einflußbereich der Christdemokraten stand. Die Stärkung des Generaldirektors war hingegen ein Anliegen der Christdemokraten, die diesen Posten aufgrund politischer Absprachen für sich beanspruchen konnten. 56 Da die Machtverteilung innerhalb des öffentlichen Fernsehens und nicht die Beseitigung von Schwachstellen der Refonn des Jahres 1975 eigentlicher Beweggrund für die neuen Regeln waren,57 venvundert es nicht, daß die im Refonngesetz 1975 enthaltenen Unklarheiten bezüglich der Kompetenzverteilung nicht nur nicht beseitigt, sondern gar verstärkt wurden. Bestimmte Art. 8 Abs. 5 Gesetz Nr. 103/1975 noch in einer Art Generalklausei, daß dem Verwaltungsrat die Venvaltung der Gesellschaft obliegt, so zählte nun Art. 6 Abs. 4 Gesetz Nr. 10/1985 die Zuständigkeiten einzeln auf. Gleichzeitig wurden die Kompetenzen des Generaldirektors wesentlich ausgeweitet, so daß Zweifel darüber entstanden, wem nun die Leitung der Geschäftstätigkeit tatsächlich zustand. 58 War man der Auffassung, daß der Generaldirektor das leitende Organ darstelle,59 so blieben dem Venvaltungsrat im wesentlichen nur Kontrollfunktionen. Dies führte aber zu einer Überschneidung mit den Aufgaben der parlamentarischen Kommission. 60 Nahm man hingegen an, daß der Verwaltungsrat auch weiterhin die Grundsatzentscheidungen zu treffen habe, so geriet man in Konflikt mit den
56 E. Menduni - L'autunno della televisione (a tre anni della "legge Mammi"), Problemi dell'informazione 1993,429 (436 f.); B. Rauen - Rundfimkpolitik, Partei- und Konzerninteressen - ein italienisches Zusammenspiel, MP 1995, 115 (118). 57 E. Roppo - Approvata la riforma della RAl, Corriere giuridico 1993, 1034 (1036). 58 Donati, S. 126 f. 59 A. Borgioli - La natura giuridica della concessionaria, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto annuale sui problemi giuridici dell'informazione (1985), Padua 1986, S. 151 (160 f.). 60 L. Elia - Conclusioni, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in ltalia, Turin 1994, S. 459 (464); L. Birzoli - Dalla dia-gnosi alla terapia, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova riforma della RAl, Bari 1992, S. 16 (18).
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
neuen Kompetenzen des Generaldirektors. 61 Da der Generaldirektor außerdem der Hauptversammlung verantwortlich war und der Verwaltungsrat seine Abberufung lediglich vorschlagen konnte, hatte der Verwaltungsrat kein Druckmittel zur Hand, um die von ihm getroffenen Beschlüsse auch tatsächlich durchzusetzen. 62 Das Gesetz machte so die einvernehmliche Leitung der RA! durch zwei Organe notwendig, deren Legitimation unterschiedlichen Ursprungs war. Auch der Modus fiir die Wahl der Verwaltungsratsmitglieder wurde vom Gesetz Nr. 10/1985 geändert. War vormals eine Dreifunftel-Mehrheit entscheidend, so wurden nun zwölf Mitglieder mit absoluter Mehrheit gewählt. Die restlichen vier Sitze wurden mit den Kandidaten belegt, die nach den ersten zwölf Gewählten die meisten Stimmen erhalten hatten. Die Wahl war nur gültig, wenn alle Kandidaten im selben Wahlgang die erforderliche Mehrheit erhalten hatten (Art. 6 Abs. 1 Gesetz Nr. 10/1985). Den einzelnen Mitgliedern der "Mehrheitsfraktion" kam so, insbesondere bei knappen Mehrheitsverhältnissen, faktisch ein Vetorecht zu. Es wurden mühsame Absprachen über die Zusammensetzung des gesamten Verwaltungsrates notwendig, die leicht blokkiert werden konnten. Bedingt durch diesen heiklen Wahlmodus kam es häufig vor, daß ein Verwaltungsrat auch nach Ablauf seines Mandats die Geschäfte weiterführen mußte, weil in der parlamentarischen Kommission keine Einigung über die neue Zusammensetzung gefunden werden konnte. 63 Dies hatte fiir die RA! die negative Folge, mangels Legitimation eines ihrer leitenden Organe zur Immobilität gezwungen zu sein. 4. Das Gesetz Nr. 223/1990
Da das Gesetz Nr. 223/1990 es nicht vermocht hat, Klarheit über die Aufgaben des staatlichen Fernsehens innerhalb eines "si sterna misto" zu schaffen,64 verwundert die Abwesenheit innovativer Bestimmungen zur Gesellschaftsstruktur der RAI nicht. 65 Ganz im Gegenteil wurden die Schwächen der bisherigen Regelungen durch die "Iegge Mammi" noch verstärkt, indem durch die neu eingeführte Kopplung der Amtsdauer des
61
P. Caretti _ Diritto pubblico dell'infonnazione, Bologna 1994, S. 127.
62
B. Pellegrino - RA! S.p.a., Mailand 1992, S. 22.
63 Der letzte, nach dem Verfahren des Gesetzes Nr. 10/1985 bestinunte Verwaltungsrat, blieb bis Mitte 1993 (über ein Jahr nach Ablauf seines Mandats !) mangels Verständigung unter den politischen Parteien über eine Neubesetzung im Amt. 64 Siehe oben 2. Teil A. 65 Caretti, S. 126 f.
B. Die Refonn der Verwaltungs- und Kontrollorgane
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Verwaltungs rates an die Dauer der Legislaturperiode66 der Grad der "Politisierung" der RA! ein weiteres Mal erhöht wurde (Art. 25 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990).67
5. Das Gesetz Nr. 206/1993 Nachdem die betriebene "lottizzazione" zu jahrelanger Mißwirtschaft gefiihrt hatte, wurde schließlich durch Erlaß des Gesetzes Nr. 206/1993 der Versuch unternommen, Abhilfe für die dringendsten Probleme des staatlichen Rundfunkunternehmens zu schaffen. Es wurden die Regeln über die Ernennung, Zusammensetzung und die Zuständigkeiten von Verwaltungsrat und Generaldirektor erheblich modifiziert. Dennoch ist die Reichweite der Regelungen begrenzt, da dem Gesetz nach Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich nur eine Übergangsfunktion bis zum Erlaß einer umfassenden Reform des öffentlichen Fernsehens im Rahmen einer Neuordnung des gesamten Rundfunkbereichs zukommt. Durch die Reduzierung des Verwaltungsrates von 16 auf 5 Mitglieder, die aus den Reihen anerkannter Fachleute und "unabhängiger Persönlichkeiten" mit Erfahrungen in der UnternehmensfUhrung auszuwählen sind, wurde ein erster Schritt unternommen, um die Effizienz dieses Organs zu steigern. 68 Um die Unabhängigkeit der Verwaltungsratsmitglieder zu garantieren, wurde außerdem die bereits in Art. 9 Gesetz Nr. 103/1975 enthaltene Liste der mit einem Sitz im Verwaltungsrat unvereinbaren Ämter erweitert. 69 Nachdem der komplizierte Wahlmodus des Gesetzes Nr. 10/1985 die Neubesetzung des Verwaltungsrates häufig blockiert hatte, sieht nun Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993 vor, daß für die Übergangszeit die Verwaltungsratsmitglieder gemeinsam von den Präsidenten der beiden Parlamentskammern (Abgeordnetenhaus und Senat) ernannt werden. Diese Bestimmung stellt zugleich den "Trumpf' des neuen Gesetzes im Kampf gegen die "lottizzazione" dar. 70 Um 66 Vonnals betrug die Amtsdauer drei Jahre (Art. 6 Abs. 2 Gesetz Nr. 10/1985). Die Dauer einer Legislaturperiode beträgt nach Art. 60 Abs. I der Verfassung 5 Jahre. 67 C. Chiola /S. Vanni - Radiotelevisione, in: Encic10pedia giuridica "Treccani", Bd. XXV, Rom 1992, S. 10; C. Chiola - Natura dell'attiviÜi radiotelevisiva e regime giuridico, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 15 (24, 32). 68 E. Roppo - Approvata la rifonna della RAI, Corriere giuridico 1993, 1034 (1034). 69 Unvereinbar mit einem Sitz im Verwaltungsrat sind bspw. Mandate fiir das nationale oder europäische Parlament (Art. 2 Abs. 1 S. 2 Gesetz Nr. 206/1993). 70 C. Golfari - 01tre la Mammi, Mailand 1994, S. 39; Caretti, S. 128; Roppo, S. 1034. Kritik an der Regelung übt P. Barile, in: drs. (Hrsg.) - Idee per il governo, il sisterna radiotelevisivo, Bari 1995, S. 3 (8).
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
die Umklammerung durch die politischen Parteien zu lockern, wurde außerdem die Amtszeit der Ratsmitglieder an den Abschluß zweier Geschäftsjahre und nicht wie vormals an das Ende der Legislaturperiode gebunden. Die Ernennung des Generaldirektors wurde der alleinigen Kompetenz der Hauptversammlung und damit der IR! entzogen. Nach Art. 3 Abs. 1 Gesetz Nr. 206/1993 erfolgt die Ernennung nun durch Hauptversammlung und Verwaltungsrat gemeinsam. Dennoch ist der Generaldirektor ausdrücklich nur dem Verwaltungsrat verantwortlich (Art. 3 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993). Ebenso wurde das Verhältnis zwischen Verwaltungsrat und Generaldirektor neu definiert. Hatte noch das Gesetz Nr. 10/1985 die Kompetenzen des Generaldirektors auf Kosten des Verwaltungsrates erweitert und die Zuständigkeitsgrenzen verwischt, so werden nun die Befugnisse des Generaldirektors durch Art. 3 Abs. 2-5 Gesetz Nr. 206/1993 redimensioniert. Der Verwaltungsrat wird ausdrücklich zum geschäftsfiihrenden Organ der Gesellschaft ernannt. Neben dieser Funktion obliegen ihm aber auch Kontroll- und Garantiefunktionen, um die Erfüllung der Verpflichtungen und Ziele des öffentlichen Fernsehens sicherzustellen (Art. 2 Abs. 5 Gesetz Nr. 206/1993). Das Interimsgesetz Nr. 206/1993 hat so in gewisser Hinsicht eine Brücke zwischen den Bestimmungen der Reform des Jahres 1975 und dem "Gesetz Berlusconi" (Nr. 10/1985) geschlagen, indem der Generaldirektor nicht auf die bloße Ausfiihrung der Beschlüsse des Verwaltungsrates beschränkt wurde (Gesetz Nr. 103/1975), er andererseits aber auch nicht als alleiniger Administrator der RAl angesehen werden kann (Gesetz Nr. 10/1985).71 Das Gesetz hat seit seinem Inkrafttreten schon positive Wirkungen gezeigt. So hat beispielsweise der erste nach dem neuen Verfahren bestimmte Verwaltungsrat die nach politischen Kriterien besetzten Führungskräfte der RAl ausgetauscht, wodurch in den Informationssendungen eine Abkehr von der bisherigen Hofberichterstattung erkennbar wurde. Im Austausch der Führungskräfte kann indes nur ein erster Schritt im Kampf gegen die "lottizzazione" gesehen werden. Zwar stellt auch in anderen Ländern die politische Einflußnahme bei der Besetzung der Führungspositionen im öffentlichen Fernsehen keinen Skandal dar. Nach der "Investitur" wird dann die Leitung des öffentlichen Fernsehens aber zumeist den gewählten Personen überlassen. Anders hingegen in Italien. Die politischen Instanzen beschränken sich hier traditionell nicht auf die Wahl der Führungskräfte, sondern erheben An-
71 F. Donati - TI consiglio di anuninistrazione della RA! nella prospettiva di rifonna (la legge 25 giugno 1993), in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problerni giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 512 (519).
B. Die Refonn der Verwaltungs- und Kontrollorgane
77
spruch, auch auf die konkrete Führung des öffentlichen Fernsehens Einfluß nehmen zu können. Eine der negativen Folgen dieser Praxis ist die unklare Zuteilung der Verantwortlichkeiten :fiir Fehlplanungen und Mißwirtschaft. 72 Soll gegen die "lottizzazione" deshalb erfolgreich angegangen werden, so ist eine wichtige Voraussetzung das Umdenken der politischen Parteien hin zu einer gebührenden ZUlÜckhaltung beim Eingreifen in die konkrete Geschäftstätigkeit des öffentlichen Fernsehens. Um dieses Umdenken zu "unterstützen", könnte erwogen werden, die Besetzung der freiwerdenden Stellen auf mittlerer und unterer Ebene von der Abhaltung eines "concorso", einem der Stellenausschreibung ähnlichen Auswahlverfahren, abhängig zu machen, um so den Parteien ein weiteres Stück ihres allzu großen Einflusses zu entziehen. 73 Das zweite Ziel des neuen Ernennungsverfahrens, die Verspätungen bei der Neubesetzung des Verwaltungsrates zu beseitigen, ist bislang erreicht worden. Das neue Ernennungsverfahren ist seit Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 206/1993 dreimal durchgefiihrt worden 74 und hat der RAI eine jeweils pünktliche Neubesetzung des Verwaltungsrates beschert, trotz heftigen Gerangels unter den politischen Parteien und innerhalb der öffentlichen Meinung. Gleichwohl läßt das Gesetz Nr. 206/1993 noch einige Fragen offen. Da die Kompetenzen von Verwaltungsrat und Generaldirektor einzeln aufgezählt werden (Art. 2 und 3 Gesetz Nr. 206/1993), stellt sich das Problem der Zuständigkeitsverteilung in den nicht ausdriicklich erwähnten Fällen. Die Bezeichnung des Rates als geschäftsfiihrendes Organ der Gesellschaft legt den Schluß nahe, daß im Zweifel grundsätzlich dieser zuständig ist. Andererseits scheint ein Vergleich der aufgezählten Kompetenzen die Grundsatzentscheidungen dem Verwaltungsrat und die gewöhnliche Geschäftsfiihrung dem Generaldirektor vorzubehalten. Dies würde aber im Einzelfall eine schwierige Entscheidung darüber erfordern, zu welcher Art (Grundsatzentscheidung oder gewöhnliche Geschäftsfiihrung) die umstrittene Aufgabe zählt. Es wäre daher dienlich. wenn die anstehende Reform eine Generalklausei schaffen würde, die in Streitfällen die Kompetenz einem der Organe zuweist, um so endlich Klarheit über die Zuständig-
Roppo, S 1035. R. Zaccaria - Tre nodi, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. 255 (261). 74 Der "erste" Verwaltungsrat war geschlossen zurückgetreten, nachdem die Regierung Berlusconi durch einen Zusatzpassus in der Neuauflage eines Regierungsdekrets zur Regelung der RAI-Deflzite (siehe 2. Teil B, I. 6.) versucht hatte, den Rücktritt zu erzwingen, was allein an der Weigerung des Staatspräsidenten Scalfaro scheiterte, dieses Dekret zu unterzeichnen. Siehe P. Murialdi - L'Italia sotto i riflettori: Berlusconi e la RAI, Problemi dell 'infonnazione 1994,417 (421). 72
73
78
2. Teil: Wesentliche Refonnaspe1cte im öffentlichen Femsehsektor
keitsverteilung herzustellen und lähmenden Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaft vorzubeugen. In letzter Zeit ist eine weitere Schwachstelle des Gesetzes an den Tag getreten. Zwischen Verwaltungsrat und Generaldirektor war Streit darüber ausgebrochen, ob der vom Generaldirektor in einer gemeinsamen Sitzung erklärte Rücktritt wirksam sei oder nicht. Daraufhin entschied sich der Verwaltungsrat, den Generaldirektor mit der Begründung abzuberufen, daß das notwendige gegenseitige Vertrauen für eine weitere Zusammenarbeit fehle. Da die Abberufung aber durch die 00 nicht bestätigt wurde, sah sich dieser legitimiert, im Amt zu bleiben, wodurch die Geschäftsfiihrung der RA! ein weiteres Mallahmgelegt wurde. 75 Ein ähnliches Szenario ist auch bei Ernennung eines neuen Generaldirektors denkbar, wenn sich Verwaltungsrat und Hauptversammlung nicht auf einen Kandidaten verständigen können. Ursache dieser Situation ist die ungewöhnliche Konstruktion, wonach der Generaldirektor zwar nur dem Verwaltungsrat verantwortlich ist und nach der Kompetenzverteilung auch auf eine enge Zusammenarbeit mit diesem angewiesen ist, dem Verwaltungsrat aber nicht das alleinige Recht zur Abberufung zusteht, sollte das für diese Zusammenarbeit notwendige (gegenseitige) Vertrauen fehlen. Um die Führung der RA! in derartigen KonfliktfaIlen nicht zu blockieren, müßte im Rahmen einer Reform auch hier nachgebessert werden. Der vom Generaldirektor erklärte "Rücktritt" war durch eine Meinungsverschiedenheit mit dem Verwaltungsrat darüber verursacht worden, ob die Amtszeit des Verwaltungsrates bereits am 31. Dezember 1995 abgelaufen sei, da der Geschäftsabschluß mit diesem Datum zusammenfalle (so der Generaldirektor und der Hauptaktionär 00) oder ob das Geschäftsjahr erst im Juni 1996 mit der Vorlage des Jahresabschlusses ende (so der Verwaltungsrat). Zur Klärung dieser Frage hat der Vorsitzende der parlamentarischen Kontrollkommission die Präsidentin des Abgeordnetenhauses angerufen, die (auf der Grundlage einer eher fragwürdigen Kompetenz) sich in einer Art "Schiedsspruch" für die Version des Verwaltungsrates entschieden hat. 76 In Zukunft könnte auch dieser Streit entschärft werden, wenn die Bestimmung über die Amtsdauer des Verwaltungsrates um eine Definition des Begriffs "Abschluß des Geschäftsjahres" ergänzt würde.
75 76
Siehe zu diesem Vorfall Corriere della Sera vom 20. Wld 21. Januar 1996. Siehe Corriere della Sera vom 8. Wld 9. Februar 1996.
B. Die Refonn der Verwaltungs- und Kontrollorgane
79
6. Die Regierungsdekrete zur Sanierung der RAl Mit dem Dekret Nr. 558/1993 hat die Regierung einige für dringend empfundene Normen erlassen, wn den finanziellen Zusammenbruch der RA! durch ein allein im Jahre 1993 erwirtschafteten Defizits von über 550 Milliarden Lire abzuwenden. Durch einen staatlichen Sonderzuschuß und mit einschneidenden Sparplänen77 gelang es dem Unternehmen, im Jahre 1995 wieder schwarze Zahlen zu schreiben. 78 Zu diesem Erfolg haben auch die ersten Reformschritte des Gesetzes Nr. 206/1993 beigetragen, indem sie die Effizienz des Unternehmens steigern konnten. Das Dekret mußte mangels Umsetzung im Parlament von der Regierung achtzehn (!) Mal neu erlassen werden. 79 Diese verfassungsrechtlich äußerst problematische Praxis, mit der die Regierung ohne Zustimmung des Parlaments Normen erlassen und über einen provisorischen Zeitrawn von 60 Tagen hinaus aufrechterhalten konnte, wurde erst durch eine Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1996 beendet. 80 Erst die hierdurch verursachte Gefahr des endgültigen Auslaufens des Regierungsdekrets veranlaßte das Parlament schließlich, dieses in das Gesetz Nr. 650/1996 umzuwandeln. Zur Sicherstellung der Sanierung wurden durch die "Sanierungs-Dekrete" erneut Änderungen an der inneren Struktur der RA! vorgenommen. Ohne die oben beschriebenen Mängel des Gesetzes Nr. 206/1993 zu lösen, werfen diese Eingriffe zusätzliche Probleme auf. Nach dem oben dargelegten Modell des Gesetzes Nr. 206/1993 obliegen die Grundsatzentscheidungen der Gesellschaft dem Verwaltungsrat. Dennoch bestimmt Art. 1 Dekret Nr. 558/1993, daß der Verwaltungsrat einen Dreijahresplan zur Sanierung des Unternehmens zu erstellen hat, dessen Witksamkeit von der Genehmigung des Post- und des Schatzministers abhängt. Die Regierung nimmt so aktiv an der Festlegung der Unternehmensstrategien teil und erhält dadurch eine dem Gesetz Nr. 206/1993 fremde Rolle. 81
77
Siehe 11 sole/24 ore illld La Repubblica vom 30. Dezember 1993.
78
Siehe Corriere della Sera vom I. Dezember 1995.
79
Siehe zuletzt d.l. Nr. 54011996.
80 Corte cost. Nr. 36011996, FoTO it. 1996, 3269 ff. mit Anmerkung von R Romboli La reiterazione dei decreti legge decaduti: illla dichiarazione di incostituzionalitä con deroga per tutti i decreti in corso (tranne illlO). Siehe auch A. Pizzorusso - Dalla corte costituzionale illlO stop alla reiterazione dei decreti- legge, Corriere giuridico 1996, 1197 ff. m.w.N. 81 Donati, S. 521.
80
2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Femsehsektor
Nach Art. 2 Abs. 5 Gesetz Nr. 206/1993 obliegt dem Verwaltungsrat die Kontrolle über die Einhaltung der Verpflichtungen und Ziele des öffentlichen Fernsehens. Art. 7 Dekret Nr. 558/1993 bestimmt jedoch, daß der Generaldirektor der Depositen- und Darlehenskasse an den Sitzungen des Verwaltungsrates ohne Stimmrecht teilnimmt, um den Präsidenten der Parlamentskammern und dem Ministerpräsidenten über die Fortschritte bei der Umsetzung des Dreijahresplans und den Stand der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung der RAl zu unterrichten. Durch diese Regelung werden vier neue Kontrolleure der RAl eingeführt, ohne daß deren Kompetenzen näher bestimmt werden. Insbesondere der Generaldirektor der Depositen- und Darlehenskasse erscheint hierbei in der sonderlichen Weste eines Prüfers ohne Machtbefugnisse. 82 Zudem stellt sich die neuerliche Stärkung der Position der Regierung und des Ministerpräsidenten in Sachen RAI in Kontrast zu der Entscheidung Nr. 225/1974 des Verfassungsgerichtshofes, in der dem Gesetzgeber aufgetragen wurde, die Kontrolle über das staatliche Fernsehen von der Regierung auf das Parlament zu verlagern. 83
7. Reformausblick Nachdem durch Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993 den Präsidenten der Parlamentskammern die Bestimmung der Verwaltungsratsmitglieder für einen provisorischen Zeitraum übertragen wurde, begann im November 1994 im Parlament die Debatte über eine Neuregelung. 84 Ausgelöst wurde diese durch die Gesetzesinitiative einiger Senatoren, die sich an den Bestimmungen der RAlSanierungsdekrete,85 die zur Ausweitung der Kontrollmöglichkeiten der Regierung über die RAl geführt hatten, störten. Besonderer Anstoß wurde an der Bestimmung genommen, wonach für den Fall, daß der Post- und der Schatzminister den Dreijahresplan zur Sanierung des öffentlichen Unternehmens nicht genehmigen, die Kammerpräsidenten einen neuen Verwaltungsrat bestimmen (Art. 1 Abs. 1 Dekret Nr. 558/1993). Eine derartige Vorschrift wurde als schwere Einmischung der Exekutive in die Geschäftstätigkeit der RAl und als Verstoß gegen die vom Verfassungsgericht im Urteil Nr. 225/1974 aufgestellten Prinzipien empfunden, wonach die Kontrolle über das staatliche Fernsehen nicht der Regierung, sondern dem Parlament zusteht. Um die Stärkung der Rolle der Regierung zu relativieren, schlugen die Senatoren vor, die Kompetenz zur Ernen82 Donati,
S. 521 und Barile, S. 20.
Barile, S. 17. Zum Urteil Nr. 225/1974 siehe oben I. Teil A, II. 84 d.d.!. Nr. 1130 ,,Nuove nonne sulla nomina e la revoca de1 Consiglio di amrninistrazione della RAl-TV Spa", Atti de1 Senato della Repubblica, XII. Legislaturperiode. 85 Siehe oben 2. Teil B, 1. 6. 83
B. Die Refonn der Verwaltungs- und Kontrollorgane
81
nung der Verwaltungsratsmitglieder wieder dem Parlament als ganzem zu übertragen. Nachdem der Gesetzentwurf in leicht veränderter Form die Zustimmung der Senatsmehrheit gefunden hatte,86 begann im März 1995 die Debatte im Abgeordnetenhaus. Erst am 30. November 1995 stimmten die Abgeordneten für den Entwurf, nachdem der Text in der über acht Monate währenden Beratung an zahlreichen Stellen geändert worden war. 87 Zu einer neuerlichen Lesung im Senat kam es jedoch nicht mehr, da der Staatspräsident am 17. Februar 1996 das Parlament für aufgelöst erklärte und Neuwahlen ausrief. 88 Die Parteien hatten sich im November 1995 darauf verständigt, den Verwaltungsrat von derzeit fünf auf neun Mitglieder zu erweitern. Dabei sollten jeweils vier Mitglieder vom Senat bzw. vom Abgeordnetenhaus bestimmt werden. Die Wahl sollte nach Listen erfolgen, die von mindestens 20 Abgeordneten bzw. 10 Senatoren eingebracht werden und die Namen je zweier Kandidaten enthalten. Im Falle der Stimmengleichheit sollte die Liste mit den nach Lebensjahren älteren Kandidaten als gewählt gelten. Die Kompetenz zur Ernennung des neunten Mitglieds, das zugleich RAI-Präsident werden sollte, wurde den vom Parlament bestimmten Mitgliedern übertragen. Für diese Wahl sollte innerhalb der ersten sieben Amtstage des Verwaltungsrates Einstimmigkeit., für weitere sieben Tage eine Dreiviertelmehrheit erforderlich sein. Erltielt innerhalb von vierzehn Tagen kein Kandidat die erforderliche Mehrheit., so sollten die gewählten acht Mitglieder ihr Amt verlieren und für eine Wiederwahl nicht zur Verfügung stehen. Um zu verhindern, daß die Tätigkeit der RAl in dieser Patt-Situation lahmgelegt wird, sah der Komprorniß vor, daß die parlamentarische Kontroll- und Richtlinienkommission innerhalb von fünf Tagen einen Kommissar ernennt., dem die Aufgaben des Verwaltungsrates übertragen wurden. Dieser sollte sein Amt mit der Wahl neuer acht Kandidaten durch das Parlament verlieren. Gemeinsam mit dem neuen Ernennungsverfahren sollte auch die Amtszeit des Verwaltungsrates, die bislang zwei Geschäftsjahre betragen hatte, auf nunmehr
86 d.d.I. Nr. 2206 ,,Nuove nonne sulla nomina e la revoca del Consiglio di amministrazione della RAI-TV Spa", Atti della Camera dei Deputati, XII. Legislaturperiode. 87 d.d.I. NT. 1130-B ,,Nuove nonne sulla nomina e la revoca dei Consiglio di amministrazione della RAI-TV Spa", Atti del Senato della Repubblica, XII. Legislaturperiode. 88 Nach Art. 88 Abs. I der Verfassung kann der Staatspräsident nach Anhörung der Karrunerpräsidenten beide oder auch nur eine Parlamentskammer auflösen. Zum Gesetzgebungsverfahren siehe Art. 71 fI. der Verfassung. 6 pfeifer
82
2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
drei (Kalender)Jahre festgelegt werden. 89 Neu eingefiihrt werden sollte auch die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrollkommission, den Verwaltungsrat abzuberufen, falls dieser die Richtlinien der Kommission mißachtet. Die Abberufung wurde jedoch vom Erreichen einer Zweidrittelmehrheit innerhalb der Kommission abhängig gemacht. Angesichts der großen Schwierigkeiten den dargestellten Komprorniß auszuhandeln, ist unverständlich, warum das Beratungsergebnis der XII. Legislaturperiode von den am 21. April 1996 neu gewählten Abgeordneten nicht zur Grundlage eines neuen Gesetzes gemacht worden ist. Im Gegenteil liegen dem Parlament mittlerweile wieder eine Reihe von neuen Gesetzentwürfen zur Entscheidung vor, die kaum Aussicht haben dürften, eine schnelle Mehrheit zu finden. 90 Der erfolgversprechendste Entwurf wurde von einigen Senatoren des PDS (partito Democratico della Sinistra) eingebracht. 91 Nach deren Vorstellung soll der Verwaltungsrat durch einen Alleinverwalter (ital.: "amministratore unico") ersetzt werden. Die Vertretung der Gesellschaft soll dem RAl-Präsidenten überlassen bleiben. Die Kompetenz zur Ernennung des Alleinverwalters und des Präsidenten soll für den Zeitraum bis zum Erlaß einer umfassenden Reform des gesamten öffentlichen und privaten Rundfunkwesens der parlamentarischen Kontroll- und Richtlinienkommission übertragen werden. 92 Das vorgeschlagene Verfahren sieht dabei vor, daß für die Ernennung des Alleinverwalters und des Präsidenten in den ersten drei Wahlgängen eine Zweidrittelmehrheit, in allen weiteren Wahlgängen die absolute Mehrheit der Kommissionsmitglieder erforderlich ist. Die Amtszeit des Alleinverwalters und des Präsidenten soll auf drei Geschäftsjahre begrenzt sein, wobei der ge naue Zeitpunkt des Abschlusses eines Geschäftsjahres von der Satzung der RAl bestimmt werden soll. Mit einer Zweidrittelmehrheit der Kommissionsmitglieder soll die parlamentarische Kon-
89 Damit wäre das Parlament zur Regelung des Jahres 1975 ZUJÜckgekehrt. Siehe Art. 8 Abs. 2 Gesetz Nr. 103/1975. 90 Siehe d.d.l. Nr. 702, 708, 730, 731 Atti deI Senato della Repubblica, XIII. Legislatmperiode. Der Gesetzentwurf Nr. 731 "Nuove nonne sulle nomina e sulla revoca del consiglio di amrninistrazione della RAl-Radiotelevisione italiana Spa" wurde von einigen Abgeordneten des CCD (Centro Cristiano Democratico), einer Partei der MitteRechts-Koalition, im Senat eingebracht und gibt im wesentlichen die Regelungen des Kompromisses vom November 1995 wieder. 91 d.d.l. NT. 731 ,,Nuove nonne in materia di nomina e competenze degli organi della RAl Spa edella Comrnissione parlamentare per l'indirizzo generale e la vigilanza dei servizi radiotelevisivi", Atti del Senato della Repubblica, XIII. Legislaturperiode. 92 Zur parlamentarischen Kontroll- und Richtlinienkomrnission siehe unten 2. Teil B,
II.
B. Die RefoIm der Verwaltungs- und Kontrollorgane
83
troll- und Richtlinienkommission Alleinverwalter und Präsident ihrer Ämter entheben können. Für den Generaldirektor sieht der Gesetzentwwf die Bestellung durch die Gesellschafterversammlung vor. Nachdem der zweite, auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 206/1993 ernannte Verwaltungsrat, am Tag nach den Parlamentswahlen, kurz vor Ablauf seines Mandats, geschlossen zurücktrat, wurde im Parlament ein erster Anlauf unternommen, um auf der Grundlage des dargestellten Gesetzentwurfs einen neuen Komprorniß zu finden. Da dieses Bemühen jedoch scheiterte, ernannten die Kammerpräsidenten am 6. September 1996 auf der Grundlage der bisherigen Regelung einen neuen Verwaltungsrat. 93 Seither wird der Entwwf des PDS gemeinsam mit den übrigen Gesetzesinitiativen in der dafiir zuständigen Senatskommission beraten. Da der neue Verwaltungsrat nach Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993 für zwei volle (Geschäfts)Jahre ernannt wurde, und damit bei Beratung der Reform "Maccanico"94 die Dringlichkeit für den Erlaß einer Neuregelung fehlte, wurden auch in das Reformgesetz Nr. 249/1997 keine Bestimmungen über die Organe der RA! aufgenommen.
n. Die parlamentarische Kontroll- und Richtlinienkommission und andere Kontrollorgane Die parlamentarische Kontroll- und Richtlinienkommission, auf die im Jahre 1975 die Kontrolle über das staatliche Fernsehen aufgrund einer Forderung des Verfassungsgerichts übertragen wurde,95 wird bis heute im wesentlichen vom Reformgesetz Nr. 103/1975 geregelt. Eine parlamentarische Kommission mit Kontrollbefugnissen über die RA! bestand bereits seit 1947.96 Sie setzte sich aus 30 Parlamentariern zusammen, die paritätisch von den Präsidenten der beiden Parlamentskammern ernannt wurden. Die Aufgabe der Kommission wurde allerdings auf die Gewährleistung politischer Unparteilichkeit der Informationssendungen begrenzt. Diese limitierte Aufgabenstellung erwies sich schon bald als unzureichend, da es nicht nur galt, "Parteilichkeit" in den Informationssendungen, sondern auch im übrigen Programm zu unterbinden. Hinzu kam, daß der Kommission kein Druckmittel zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse zur Verfügung stand.97 Die Kommission war 93 Neuer RAI-Präsident wurde der ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichtshofes Enzo Siciliano. 94 Siehe oben 1. Teil F. 95 Corte cost. Nr. 225/1974, Giur. cost. 1974, 1775 (1780). 96 Siehe oben 1. Teil A, 1. 97
R. Zaccaria - Radiote1evisione e costituzione, Mailand 1977, S. 250 fund 272.
84
2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
so zu einem Schattendasein neben den weitreichenden Kompetenzen der Regierung und insbesondere des Postministers verurteilt. 98 Durch die Reform des Jahres 1975 wurden die Kompetenzen der "neuen" Kommission erheblich erweitert. Dabei wurde aber über das Ziel der Verlagerung der Kontrolle von der Regierung auf das Parlament weit hinausgegangen,99 indem man die Kommission nicht nur mit Richtlinien- und Kontrollkompetenzen ausstattete, sondern ihr auch Streitentscheidungskompetenz und die Möglichkeit zur direkten Einflußnahme auf die Geschäftstätigkeit der RA! übertrug. Gemäß dem bis heute gültigen Art. 4 Gesetz Nr. 103/1975 obliegt es der Kommission, die allgemeinen Richtlinien zur Verwirklichung der Prinzipien der Fernsehordnung (heute in Art. 1 Gesetz Nr. 223/1990 enthalten) sowie zur Programmplanung zu erlassen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Sie beschließt die erforderlichen Regeln, um den gesellschaftlich relevanten Gruppen den Zugang zum Medium Fernsehen zu gewährleisten und entscheidet über die Beschwerden, die gegen die Ablehnung eines Antrages auf Zuteilung angemessener Sendezeit erhoben werden. Die Sendungen politischen Inhalts (ital.: "tribune politiche") und die den Wahlkampf begleitenden Sendungen (ital.: "tri-bune elettorali") werden von ihr unmittelbar geregelt. Sie legt außerdem die allgemeinen Kriterien zur Erstellung der Haushaltsjahrespläne fest und billigt den jährlichen Programmplan. Vormals oblag ihr zudem die Ernennung der Verwaltungsratsmitglieder. loo Diese weitreichenden Kompetenzen haben in der Literatur teilweise zur Annahme eines Verstoßes gegen das Prinzip der Gewaltenteilung geführt, da vertreten wurde, daß es nicht Aufgabe einer parlamentarischen Kommission sei, Verwaltungsaufgaben und Rechtsprechungskompetenzen wahrzunehmen.IO\ Zu-dem sei eine parlamentarische Kommission von Natur aus politisch und damit parteiisch, wodurch gegen den in Art. 97 Abs. 1 der Verfassung festgelegten Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltung verstoßen werde. I02
98 R. Zaccaria - La cornmissione parlamentare per l'indirizzo generale e la vigilanza dei servizi radiote1evisivi, Dir. radiote1ecom. 1975,476 (476). 99 S. Zingale IL. Gotti Porcinari - La legge di rifonna della RAl, Rom 1976, S. 79. 100 Durch Erlaß des Gesetzes Nr. 206/1993 wurde diese Aufgabe auf die Präsidenten der beiden Parlamentskammern übertragen (Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993). Siehe oben 2. Teil B, I. 5. 101 Siehe zuletzt C. De Martini - Spunti per una rifonna del sistema televisivo, Dir. inf. 1995,243 (244). 102 A. Borri - La difficile vigilanza sul sistema mdiotelevisivo, in: 3° rapporto sullo stato dell 'infonnazione in ltalia, Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1990, Nr. 3,
B. Die Refonn der Vetwaltlmgs- und Kontrollorgane
85
Der Gewaltenteilungsgrundsatz stellt fiir den Staatsaufbau indes nur eine Leitlinie dar, die nicht bis in die Einzelheiten der Kompetenzaufteilung unter den Staatsgewalten eingehalten werden kann. I 03 Zudem liegt der Schwerpunkt der in Art. 4 Gesetz Nr. 103/1975 aufgezählten Zuständigkeiten zweifellos bei der Ausübung von Kontrollfunktionen und dem Erlaß von Richtlinien. Die übrigen Kompetenzen sind zwar fiir eine parlamentarische Kommission ungewöhnlich, treffen aber sicherlich nicht den Kernbereich der übrigen Staatsgewalten und verletzen daher den Gewaltenteilungsgrundsatz nicht. I04 Die heutigen Schwierigkeiten der parlamentarischen Kontrollkommission resultieren nicht aus deren weitreichenden Kompetenzen, sondern aus ihrer Eigenschaft als Kontrollorgan. Die Kontrolle über die RAI wird mittlerweile durch eine Vielzahl von Normen geregelt., die sich mehrfach überkreuzt und unharmonisch überlagert haben, da es dem Gesetzgeber bei Regelung der Materie an einem einheitlichen Konzept gefehlt hat. Das derzeitige Kontrollsystem kann aufgrund der Fülle an Kontrollinstanzen als polizentrisch bezeichnet werden. Eine entsprechende Koordinierung unter den einzelnen Zentren wurde indes nicht vorgesehen. Es wurden vielmehr "interne" und "externe" Kontrollorgane geschaffen, ohne sich um eine klare Abgrenzung der Kompetenzen und Aufgaben zu bemühen. I 05 Am deutlichsten ist diese Entwicklung an der derzeitigen Regelung der Beziehungen zwischen parlamentarischer Kontrollkommission und RAI-Verwaltungsrat zu erkennen. 106 Nach Art. 4 Gesetz Nr. 103/1975 ist es Aufgabe der parlamentarischen Kommission, über die Einhaltung der Richtlinien zur Konkretisierung der Verpflichtungen und Ziele des öffentlichen Fernsehens zu wachen. Art. 2 Abs. 5 Gesetz Nr. 206/1993 weist aber die Kontrolle über die Einhaltung der Verpflichtungen der RAI (auch?) dem Verwaltungsrat zu, ohne daß Art. 4 Gesetz Nr. 103/1975 in die Liste der durch das Gesetz Nr. 206/1993 aufgehobenen Bestimmungen aufgenommen worden wäre (Art. 5 Gesetz Nr.
14 (15); M. Hartwig - Die Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichts zur Hörfunk- und Fernsehordnung, ZaöRVR Bd. 47 (1987), 665 (688); A. M. Sandulli Antenne private e vuoto legislativo, in: Centro di iniziativa giuridica Piero Calmandrei (Hrsg.) - TI servizio pubblico radiotelevisivo, Neapel 1983, S. 59 (67 f.); Zingale/Gotti Porcinari, S. 78 f. 103 R. Zaccaria - Radiotelevisione e costituzione, Mailand 1977, S. 253. 104 Ebenda, S. 297 ff. 105 G. Santaniello - La modernizzazione, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova riforma della RAI, Bari 1992, S. 215 (216). 106 F. Donati - TI consiglio di amministrazione della RAI nella prospettiva di rifonna (la legge 25 giugno 1993 n. 206), in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in ltalia, Turin 1994, S. 512 (520).
86
2. Teil: Wesentliche Reformaspelcte im öffentlichen Fernsehsektor
206/1993). Der Grund für das Schweigen des Gesetzes Nr. 206/1993 in Sachen Kontrollkommission ist in dessen provisorischem Charakter zu suchen. Da der einzige Zweck des Gesetzes darin lag, den dringendsten Problemen der RA! für die Übergangszeit bis zum Erlaß einer umfassenden Reform abzuhelfen, wurde das Regelwerk zur Neubestimmung der Rolle der parlamentarischen Kommission als ungeeignet angesehen. 107 Bleibt jedoch die fragwürdige Entscheidung des Gesetzgebers, dem Verwaltungsrat Kontrollbefugnisse über die eigene Geschäftstätigkeit zu übertragen. 108 Da die Objektivität einer derartigen Kontrolle kaum als gewährleistet angesehen werden kann, sollte sich der Gesetzgeber bei der anstehenden Reform entscheiden, ob er dem Verwaltungsrat Kontroll- oder Geschäftsführungsfunktionen übertragen Will. 109 Sollte sich der Gesetzgeber für die Übertragung von Kontrollfunktionen entscheiden, so müßte die parlamentarische Kommission ausdrücklich auf den Erlaß von Richtlinien beschränkt werden, um Kompetenzüberschneidungen zu vermeiden. Um schließlich den Anforderungen des Verfassungsgerichts gerecht zu werden, müßte über das Verfahren für die ErnelUlung der Verwaltungsratsmitglieder ein entscheidender Einfluß des Parlaments bei der Ausübung der Kontrolle über die RA! gewährleistet bleiben. Ähnliche Probleme wie zwischen Verwaltungsrat und Kontrollkommission ergeben sich zwischen letzterer und der 1990 eingeführten Medienaufsicht, dem "Garante per la radiodiffusione e l'editoria", deren Aufgaben und Kompetenzen mittlerweile auf die 1997 neu geschaffene "Autoritä per le garanzie nelle comunicazioni" übertragen wurden. Dem "Garante" wurde nicht nur die Aufsicht über die Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes Nr. 223/1990 durch die privaten Rundfunkveranstalter, sondern auch durch die öffentlich-rechtliche Konzessionärin übertragen. 11 0 Die Schaffung einer Aufsichtsinstanz mit umfassender Kompetenz geschah jedoch, ohne eine Abstimmung zwischen dem "Garante" und der bereits für den Bereich des öffentlichen Fernsehens bestehenden Aufsicht vorzusehen. Durch die Schaffung einer beratenden Versammlung, deren Mitglieder vom "Garante" aus dem Kreise der die Zuschauergruppen vertretenden Vereinigungen und Experten ernannt werden, die auf Grund der Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Verteidigung der Zuschauerinteressen ausgewählt werden (Art. 28 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990), hat das Gesetz Nr. 223/1990 die Dichte der
107
Ebenda, S. 520.
108
Ebenda, S. 520.
109
P. Caretti - Diritto pubblico dell'informazione, Bologna 1994, S. 128; Donati, S.
521. 110
Siehe auch Art. lAbs. 6lit. c) Nr. 10 Gesetz Nr. 249/1997.
B. Die Refonn der Verwaltungs- und Kontrollorgane
87
Kontrollinstanzen noch weiter erhöht. Eine Überschneidung mit den Kompetenzen der parlamentarischen Kommission ist auch hier nicht ausgeblieben, da es nach Art. lAbs. 2 der vom "Garante" erlassenen Durchfiihrungsverordnung Aufgabe der beratenden Versammlung ist, I 11 über die Einhaltung der allgemeinen Prinzipien der Femsehordnung zu wachen. Eben diese Aufgabe obliegt nach Art. 4 Gesetz Nr. 103/1975 aber auch der Kommission. I 12 Bedenkt man schließlich, daß außer den genannten Organen noch der Postminister, das Rechnungsprüferkollegium der RAl AG und der Hauptaktionär lRl, der Rechnungshof, sowie die Präsidenten der Parlamentskammern und der Ministerpräsident - letztere seit Erlaß der Regierungsdekrete zur Sanierung der RAl-Defizite )13 Kontrollfunktionen ausüben, so wird deutlich, wie sehr die Aufsicht über die RAl einer neuen einheitlichen Regelung bedarf. I 14 Besonders dringend ist dabei eine Neuregelung fiir die parlamentarische Kontrollkommission, deren Rolle angesichts der Vielzahl an zum Teil neu geschaffenen Kontrollorgane einer Klärung bedarf, um nicht zuletzt auch die bestehenden Kompetenzüberschneidungen zu beseitigen. I 15 Sollte der Gesetzgeber in Zukunft an der parlamentarischen Kommission festhalten, so wäre auf jeden Fall über eine veränderte Zusammensetzung dieses Gremiums nachzudenken. Bis dato wird die Kommission aus je 20 Mitgliedern des Senats und des Abgeordnetenhauses unter Berücksichtigung der Kräfteverhältnisse im Parlament zusammengesetzt (Art. 1 Abs. 4 Gesetz Nr. 103/1975, Art. 2 Abs. 1 GO der Kommission116). Diese rein politische Zusammensetzung vermag die VielIältigkeit der Gesellschaft nicht widerzuspiegeln. ll ? So aber bleiben Gruppen ohne politische Vertretung (wie z.B. der Kirche, Kinder und Jugendlicher, Künstler, Behinderter usw.) ohne nennenswerten Einfluß auf das staatliche Fernsehen. Die Erweiterung des Gremiums um Vertreter auch dieser Gesellschaftsbereiche hätte zudem den Vorteil, einen Beitrag zur "Entpolitisierung" der RAl zu leisten.
111
Durchfiihrungsverordnung v. 12. September 1990, G.U v. 18. September 1990, Nr.
112
Caretti, S. 127.
113
Siehe oben 2. Teil B, I. 6.
218.
114 Vgl. C. Dematte, in: P. Barile (Hrsg.) - Idee per il governo. sivo, Bari 1995, S. 73 (79).
n sistema radiote1evi-
115 U. De Siervo - Gli organi statali di governo de1 sistema radiote1evisivo, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiote1evisione in Italia, Turin 1994, S. 81 (82). 116 Geschäftsordnung der parlamentarischen Richtlinien- und Kontrollkommission v. 13. November 1975, G.U. v. 17. November 1975, Nr. 303. II? Sandulli, S. 68.
88
2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
Einen ähnlichen Effekt könnte die Änderung der zur Beschlußfassung innerhalb der Kommission erforderlichen Mehrheit haben. Nach der derzeitigen Regelung reicht für die Wirksamkeit der Beschlüsse die einfache Mehrheit der anwesenden Kommissionsmitglieder aus (Art. 12 Abs. 2 GO der Kommission). Da ein wirksamer Minderheitenschutz auch anderweitig nicht vorgesehen ist, liegt die Kontrolle über die RA! in den Händen der Parlamentsmehrheit. 118 Die Versuchung diese Macht zu mißbrauchen, um sich das öffentliche Fernsehen gefügig zu machen, ist daher groß. Würde die Beschlußfassung hingegen vom Erreichen einer qualifizierte Mehrheit abhängig gemacht, so wären nicht nur Minderheiten besser geschützt, sondern es wären auch sämtliche Kommissionsentscheidungen vom Verdacht befreit, einen Versuch der Mehrheitsfraktion zur Vereinnahrnung der RA! darzustellen. Die in Italien um die RA! stets hitzig geführte Diskussion könnte so an Sachlichkeit gewinnen. Zudem wäre die Kommission in ihrer Rolle als Hüterin über Objektivität und Vollständigkeit der Berichterstattung bei weitem glaubWÜfdiger. 119
C. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens 120 Die Regelung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens stellt von jeher einen heiklen Punkt der italienischen Fernsehordnung dar. Zu Anfang ihrer Sendetätigkeit mußte sich die RA! ausschließlich aus dem Aufkommen der Rundfunkgebühr finanzieren. Um das steigende Expansionsbedürfnis der RA! zu befriedigen, wurden ihr später in begrenztem Umfang auch Einnahmen aus der Veranstaltung kommerzieller Werbung zugestanden. Die um die Finanzierung der RA! kreisenden Probleme wurden dadurch komplexer, da man eine Finanzkrise der Presse aufgrund der neuen Konkurrenz auf dem Werbemarkt befürchtete. Als das staatliche Fernsehmonopol Mitte der 70er Jahre zu bröckeln begann und auf dem Werbemarkt ein dritter Konkurrent in der Gestalt der privaten Sender auftauchte, wurde die Frage nach der Finanzierung der Fernsehtätigkeit zum zentralen Problem der gesamten Fernsehordnung. Die Finanzierung der RA! basiert bis heute auf der Grundsatzentscheidung des Art. 15 Gesetz Nr. 103/1975, wonach das öffentliche Fernsehen aus dem Aufkommen der Rundfunkgebühr einerseits und aus den Werbeeinnahmen 118 C. De Martini - SPWlti per Wla rifonna de1 sistema te1evisivo, Dir. inf 1995,243 (244 Wld 257); Zingale/Gotti Porcinari, S. 79. 119 P. A. Capotosti - Gli organi di governo de1 sistema radiote1evisivo, in: R Zaccaria/ P. Barile (Hrsg.) - Rapporto annuale sui problemi giuridici dell'infonnazione (1985), Padua 1986 S. 117 (117). 120 Siehe auch die Prüfung der öffentlichen RWldfunkfmanzierung unter dem Blickwinkel des EG-Beihilferechts im 5. Teil.
C. Die Finanzienmg des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
89
andererseits finanziert wird. Beide Einnahmequellen sind indes nicht gleichbedeutend. Seit jeher bildet die Rundfunkgebühr die wichtigere Einnahmequelle. Dies hat auch im Gesetzestext Ausdruck gefunden. Art. 8 Abs. 16 Gesetz Nr. 223/1990 bezeichnet die Werbeeinkünfte ausdrücklich als Nebeneinnahmen des staatlichen Fernsehens. 121 In der Vergangenheit hat die RA! etwa 58% ihres Finanzbedarfs über die Rundfunkgebühr und rund 33% über die Werbeeinnalunen gedeckt. 122 L Die Rundfunkgebühr Die Rechtsgrundlage fiir die Erhebung einer Rundfunkgebühr in Italien ist bis heute in der königlichen Gesetzesverordnung Nr. 246/1938 (umgewandelt in Gesetz Nr. 880/1938) zu finden. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung ist jeder zur Entrichtung der Rundfunkgebühr verpflichtet, der ein oder mehrere Geräte besitzt, die zum Empfang von Rundfunksendungen geeignet sind. Die Verordnung wurde durch Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975 als Rechtsgrundlage zur Erhebung der Rundfunkgebühr bestätigt,123 wobei zugleich Kriterien zur Festlegung der Höhe der Rundfunkgebühr aufgestellt wurden. Das Gesetz Nr. 223/ 1990 hat diese Kriterien nicht geändert. Das Verfahren für die Anhebung der Rundfunkgebühr war in den zwischen RA! und Postministerium ausgehandelten Konventionen enthalten. 124 Hiernach hatte der Postminister im Einvernehmen mit dem Schatzminister alle zwei Jahre die Angemessenheit der Rundfunkgebühr zu überprüfen. Da es aber an der Festlegung einer zeitlichen Grenze fehlte, innerhalb derer diese Überprüfung stattzufinden hatte, legte die Praxis Verfahren unterschiedlichster Dauer an den Tag, die von wenigen Wochen über Monate, bis hin zu Jahren reichen konnten. 125 Die unsichere Verfahrensdauer war zum Großteil durch den weiten Ermessensspielraum bedingt, den die gesetzlichen Kriterien fiir die Festlegung der 121 So auch schon Art. 21 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975, der durch Art. 8 Abs. 18 Gesetz Nr. 223/1990 aufgehoben wurde. 122 Siehe die statistischen Angaben im jährlichen Bericht (1995) des "Garante per La radiodiffusione e l'editoria", Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1995, Nr. 3, S. 43. Die restlichen 9% stammen überwiegend aus der Vermarktung von Eigenproduk:tionen. 123 Siehe ebenso Art. 4 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993. 124 Siehe zuletzt Art. 22 Abs. 2 der Konvention aus dem Jahre 1988, d.P.R. Nr. 367/1988. 125 R. Zaccaria - Il finanziamento de1 sistema radiote1evisivo, in: R. ZaccariaIP. BariLe (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in ltalia, Turin 1994, S. 59 (65).
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Femsehsektor
Höhe der Rundfunkgebühr ließen. Nach Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975 hatte sich die Höhe der Rundfunkgebühr am Finanzbedarf der RA! für eine funktionsgerechte und wirtschaftliche Ausübung der Fernsehdienste zu orientieren. Es ist unschwer vorstellbar, daß man mit derartigen Kriterien zu nahezu jedem beliebigen Ergebnis gelangen konnte. Dies wurde durch Erhöhungen bestätigt, die zwischen einem und über zehn Prozentpunkten schwankten. 126 Obwohl die Rundfunkgebühr die wichtigste finanzielle Ressource der öffentlichen Konzessionärin darstellte (und bis heute darstellt), fehlte dieser Einnahmequelle die für eine vernünftige Planung der Sendetätigkeit notwendige Vorhersehbarkeit. 127 Diese ständig währende Unsicherheit machte die RA! zudem für politische Einflußnahmen anfällig. 128 Trotz dieser evidenten Mängel konnten sich die Parlamentarier bei Verabschiedung des Gesetzes Nr. 223/1990 lediglich darauf einigen, die Geltungsdauer des Art. 15 Gesetz Nr. 103/1975 bis zum 31. Dezember 1992 zu begrenzen (Art. 8 Abs. 17 Gesetz Nr. 223/1990), um so eine Revision der einschlägigen Bestimmungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Zum Teil wurde dieser Bestimmung entnommen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Rundfunkgebühr ab dem 1. Januar 1993 abgeschafft sei und sich die RA! folglich ausschließlich über ihre Werbeeinnahmen zu finanzieren habe. 129 Dabei wurde aber übersehen, daß die Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Rundfunkgebühr nicht ausschließlich in Art. 15 Gesetz Nr. 103/1975 zu finden ist, sondern bis zur königlichen Gesetzesverordnung aus dem Jahre 1938 zurückreicht und diese auch über den 31. Dezember 1992 hinaus Gültigkeit beanspruchen konnte. 130 Eine Abschaffung der Rundfunkgebühr wäre ohnehin kaum vorstellbar gewesen, da erst diese der RA! eine gewisse Unabhängigkeit von den Einschaltquoten beschert und ihr erst diese Unabhängigkeit die Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Veranstaltung
126
Ebenda., S. 65.
N. Fava - Pluralismo, non partitismo, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova riforma della RAI, Barl 1992, S. 70 (74); E. Menduni - L'autunno della televisione (a tre anni della "legge Mammi"), Probierni dell'infonnazione 1993, 429 (446); L. Elia Conclusioni, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problerni giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 459 (464). 128 E. Manca - Una nuova stagione, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Barl 1992, S. 128 (129). 129 C. Golfari - Oltre la Mammi, Mailand 1994, S. 25 f; C. Letzgus IL. Violini-Ferrari - Das italienische Rundfimkgesetz zwischen aktuellem Duopol und erhoffiem Pluralismus, Ruf 1993,20 (32). 130 Zaccaria, S. 69. 127
C. Die Finanzienmg des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
91
eines pluralen Programms ennöglicht. 131 Die Abschaffung der Rundfunkgebühr hätte zudem bedeutet, den öffentlichen Fernsehsektor nahezu der Hälfte seiner Einnahmen zu berauben. Dies hätte aller Voraussicht nach zu einem erbitterten Kampf um Werbekunden geführt. Die Folgen einer derartigen Entwicklung ftir die Programmqualität wären leicht auszumalen gewesen. \32 Zudem stand und steht die Rundfunkgebühr nicht zur freien Disposition des Gesetzgebers, da der Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen hat, daß dem öffentlichen Fernsehen die notwendigen Finanzmittel zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben zur Verfügung stehen müssen. 133 Blieb jedoch die in Art. 8 Abs. 17 Gesetz Nr. 223/1990 zum Ausdruck kommende Verpflichtung des Gesetzgebers, das System der Finanzierung der RAI zu überdenken. Die Einhaltung der Frist des 31. Dezembers 1992 war dem Gesetzgeber, bedingt durch vorzeitige Neuwahlen und die Schwierigkeiten bei der Bildung der Regierung Amato, nicht möglich, so daß der Termin wie so viele andere der "legge Mammi" auf den 31. Dezember 1993 verschoben werden mußte. 134 Im Juni 1993 wurden schließlich durch Art. 4 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/ 1993 neue Regeln zur Bestimmung der Rundfunkgebühr eingeführt. Hiernach sollten die Aufgaben und Verpflichtungen der öffentlichen Konzessionärin ebenso wie die Höhe der Rundfunkgebühr in der zwischen Postministerium und RA! auszuhandelnden neuen Konvention bestimmt werden.
Art. 4 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993 wurde wiederum durch die Dekrete zur Sanierung der RA! modifiziert, die schließlich in das Gesetz Nr. 650/1996 umgewandelt wurden. 135 Die Regierungsdekrete schreiben vor, daß in der Konvention der Abschluß von "Dienstverträgen" (ital.: "contratti di servizio") zwischen RA! und Postministerium mit dreijähriger Laufzeit vorzusehen ist, in denen die Kriterien für die Festlegung der Höhe der Rundfunkgebühr bestimmt werden. Diese Kriterien haben sich nach dem Willen der Regierung an der Produktivität der RA! und der Qualität der von ihr geleisteten Dienste sowie an weiteren Indikatoren gesamtwirtschaftlich-finanzieller und betriebswirtschaftlicher Art zu orientieren und können keinesfalls zu ein Erhöhung der Gebühr 131 Siehe zur Verpflichtung der RAI zur Veranstaltung eines pluralen Progranuns Corte cost. NT. 82611988, Giur. cost. 1988, 3893 (3934). Siehe auch 2. Teil A. Zur Unvereinbarkeit einer reinen "Werbefmanzierung" mit dieser Verpflichtung vgl. C. Dematte, in: P. Barile (Hrsg.) - Idee per il governo. TI sistema radiotelevisivo, Bari 1995, S. 73 (78 f) und C. Golfari - Oltre la Mammi, Mailand 1994, S. 29. \32 L. BilZoli - Dalla diagnosi alla riforma, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova riforma della RAI, Bari 1992, S. 16 (19). 133 Corte cost. Nr. 82611988, Giur. cost. 1988, 3893 (3934). 134 135
Art. 2 d.l. Nr. 40811992, umgewandelt in das Gesetz NT. 48311992. d.l. Nr. 558/1993 ff. Siehe oben 2. Teil B, I. 6.
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
über die progranunierte Inflationsrate hinaus führen. Auf der Grundlage dieser Kriterien bestimmt der Postminister im Oktober eines jeden Jahres die Höhe der Gebühr :fiir das darauffolgende Jahr. Nachdem die Frist für den Abschluß der Konvention mehrmals verlängert wurde,136 gelang im März 1994 schließlich die Unterzeichnung. 137 In Art. 3 der Konvention wurden die Bestimmungen der "RAl-Sanierungsdekrete" zur Festlegung der Rundfunkgebühr übernommen. Nach Art. 3 Abs. 3 der Konvention wurde darüber hinaus bestimmt, daß falls sich RAl und Postminister nicht rechtzeitig vor Ablauf des "Dienstvertrages" über den Abschluß eines neuen "Dienstvertrages" einig werden, die Rundfunkgebühr automatisch :fiir einen provisorischen Zeitraum um 50% der zu erwartenden Inflationsrate angehoben wird. Den neuen Regelungen kann der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, die Kriterien :fiir die Festlegung der Höhe der Rundfunkgebühr zu konkretisieren und so :fiir die RAl das Ausmaß der zu erwartenden Einnalunen kalkulierbarer zu machen. Insbesondere wird durch die Inflationsrate ein neuer Parameter eingeführt, der den bisher extrem weiten Ermessensspielraum der Exekutive einengt und so die Beliebigkeit der Erhöhungen der vergangenen Jahre beseitigen dürfte. 138 Die in Art. 3 Abs. 3 der Konvention enthaltene ,,Drohung" :fiir den Fall einer mangelnden Einigung zwischen RAl und Postminister wird nicht nur das bisher überlange Verfahren beschleunigen, sondern auch die RAl vor einem monatelangen Schacher um die Höhe der Gebühr schützen. Sinnvoll scheint schließlich auch die Verknüpfung von Programmqualität und Höhe der Rundfunkgebühr, da durch diese Verbindung deutlich wird, daß letzterer einen Beitrag zur Ausstrahlung eines qualitativ hochwertigen und den Anforderungen des Binnenpluralismus gerecht werdenden Programms darstellt 139 Die Rundfunkgebühr erhält so eine konkretere Rechtfertigung.140 Da in diesem Zusammenhang die Tragweite der weitgehenden Angleichung der RAl-Pro-
136 Zunächst bis zum 28. Februar 1994 (d.I. Nr. 558/1993) Wld dann bis zum 31. März 1994 (d.I. Nr. 14111994). 137 Die Konvention wurde durch d.P.R. vom 28. März 1994 gebilligt (siehe G.U vom 12. August 1994, Nr. 188). 138 R. Zaccaria - n servizio radiotelevisivo pubblico: strutture di governo e allocazione delle risorse, in: E. Roppo (Hrsg.) - n diritto delle comunicazioni di massa - problemi e tendenze, Padua 1985, S. 67 (71); drs. - n fmanziamento del sistema radiotelevisivo (2. Teil), in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 487 (492). 139 Golfari, S. 41. 140
Zaccaria, S. 492.
c. Die Finanzienmg des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
93
grnmme an die der privaten Konkurrenz und die unzureichende Definition der Aufgaben und Pflichten des öffentlichen Fernsehens besonders deutlich wird, 141 könnten die neuen Regeln auch einen Beitrag zur Anhebung der Progrnmmquatimt leisten. Ob sich die neuen Regeln tatsächlich bewähren werden, ist bislang noch nicht abzusehen, da die Rundfunkgebühr im Jahre 1994 durch eine in Art. 4 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993 enthaltene Übergangsregelung der Inflationsrate entsprechend angehoben und die Höhe der Gebühr für das Jahr 1995 durch die "RAISanierungsdekrete" festgelegt wurde. Der "Dienstvertrag" für die Jahre 1994 1996, der nach Art. 3 Abs. 3 der "RAI-Konvention" bis zum 30. Juni 1994 hätte abgeschlossen werden müssen, wurde erst am 23. Juni 1996, dem Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt wirksam. 142 Für das Jahr 1996 sah Art. 16 des "Dienstvertrages" 94/96, einer Vorgabe der "RAI-Sanierungsdekrete" auch für das Jahr 1997 folgend, eine Anhebung der Rundfunkgebühr um 2,3% vor, wobei die erwartete Inflationsrate für das Jahr 1996 mit 3,5% angegeben wurde. Durch Art 33 Abs. 4 des "Dienstvertrages" für die Jahre 1997 - 2000 wurde nunmehr eine Kommission bestehend aus Vertretern des Ministeriums für Kommunikation,143 des Schatz- und Finanzministeriums sowie der öffentlichen Konzessionärin benannt, die auf der Grundlage einer komplizierten Berechnungsformel dem Minister für Kommunikation einen Vorschlag für die Bestimmung der Höhe der Rundfunkgebühr für das Jahr 1998 zu unterbreiten hat. Dem Vorschlag der Kommission folgend wurde die Rundfunkgebühr (Fernsehen und Hörfunk kombiniert) für das Jahr 1998 auf ItL 167.000,-- festgesetzt. 144 Nach Art. 33 Abs. 6 des "Dienstvertrages" 1997/2000 ist dieses Verfahren für die Festsetzung der Rundfunkgebühr für das Jahr 1999 zu wiederholen. Damit hat die Neuregelung, zumindest was die Pünktlichkeit der Entscheidung anbelangt, ihre erste Bewährungsprobe bestanden. Die Rundfunkgebühr ist für die RAI hierdurch wieder zu einer "verläßlichen" Einnahmequelle geworden. Um dies auch in Zukunft gewährleisten zu können, wird allerdings erforderlich sein, die neuen Bestimmungen auf eine solidere gesetzliche Grundlage zu stellen. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde durch die Umsetzung der Regierungsdekrete durch das Gesetz Nr. 650/1996 getan. Aufgrund der le-
141 Siehe oben 2. Teil A. 142 d.P.R. vom 4. April 1996, G.U Nr. 101 vom 22. Juni 1996. 143 d.P.R. vom 29. Oktober 1997, G.U Nr. 286 vom 9. Dezember 1997. 144 Siehe d.m. vom 8. Januar 1997, G.U NT. 9 vom 13. Jannuar 1998. Im Jahre 1995 betrug im Vergleich hierzu die Rundfunkgebühr (Fernsehen und Hörfunk kombiniert) noch ItL 158.000,--.
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
diglich dreijährigen Laufzeit der "Dienstverträge" bleibt das dort vorgesehene Verfahren aber ein Provisorium. Problematisch bleibt auch Art. 4 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993 aufgrund des provisorischen Charakters des Gesetzes Nr. 206/1993 (Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 206/1993). II. Die Werbeeinnahmen
Wie bereits festgestellt wurde, stehen der RAl außer der Rundfunkgebühr in begrenztem Umfang auch Einnahmen aus der Veranstaltung kommerzieller Werbung zur Verfügung. 145 Um den Charakter dieser Einkünfte als "NebeneinnaIunen" zu sichern und vor allem um der Presse nicht die Finanzgrundlage zu entziehen, stellte bereits das RAI-Reformgesetz des Jahres 1975 zwei unterschiedliche Schranken für die Werbeakquisition durch die RAI auf. Zum einen wurde der Anteil des Werbefernsehens an der gesamten Sendezeit auf maximal 5% begrenzt, zum anderen wurde durch ein sogenanntes "Werbedach" eine absolute Schranke errichtet, die den maximal zulässigen Anteil der Werbeerlöse an den Gesamteinkünften der RAl bestimmen sollte (Art. 21 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 103/1975). Wegen des Aufstiegs der privaten Fernsehsender Ende der 70er Jahre kam das "Werbedach" in erster Linie diesen zugute, obwohl es anfänglich als Schutzmaßnahme für die Presse gedacht war. 146 Die Regelung mutierte m einem unangebrachten Instrument zur Aufteilung der Werberessourcen zwischen öffentlichen und privaten Veranstaltern147 und verzerrte mdem den Konkurrenzkampf zwischen beiden erheblich. 148 Aufgrund des unmittelbaren Einflusses des "Werbedachs" auf die Einnahmen der privaten Veranstalter verwundert eine extrem heftig geführte Debatte bei der alljährlichen FestIegung dieser Schranke durch die parlamentarische RichtIinien- und Kontrollkommission nicht Da die Kriterien ruf Fest1egung des "Werbedachs" einen ebenso weiten
145
Siehe oben 2. Teil C, vor I.
146 E. Menduni - L'autunno della televisione (a tre anni della "Iegge Mammi"), Problemi dell'infonnazione 1993,429 (431); C. Golfari - 01tre la Manllni, Mailand 1994, S.25. 147 52,3% der Werbeausgaben flossen 1993 dem Fernsehen zu, während die Tagespresse nur 23,8% und die Periodika nur 17,2% erhielten. Zum Vergleich lag das Verhältnis während desselben Zeitraumes in Deutschland bei 17,1% (Fernsehen) bzw. 48,4% (Tagespresse) und 26,7% (Periodika). Quelle: RA! -Annuario 1994. 148 R. Zaccaria - La difficile attuazione della legge n. 223 del 1990 (c.d. ,,Mammi"), Quaderni costituzionali 1992, 65 (88); drs. - n fmanziamento deI si sterna radiotelevisivo, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della mdiotelevisione in ltalia, Turin 1994, S. 59 (66).
C. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
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Ennessensspielrawn wie für die Festlegung der Höhe der Rundfunkgebühr beinhalteten,149 waren letztlich auch die Werbeeinkünfte eine mit Unsicherheiten befangene Einnahmequelle der RAI, so daß eine weitreichende Planung der Sendetätigkeit nahezu unmöglich wurde. Trotz dieser evidenten Mißstände hielt das Gesetz Nr. 223/1990 zunächst an der "Werbedachregelung" fest, auch wenn diese in die Liste der am 31. Dezember 1992 auslaufenden Bestimmungen aufgenommen wurde (Art. 8 Abs. 17 Gesetz Nr. 223/1990). Die Kompetenz zur Festlegung des "Werbedachs" wurde allerdings von der parlamentarischen Kommission auf den Ministerpräsidenten übertragen. Die Frist des Art. 8 Abs. 17 Gesetz Nr. 223/1990 wurde zwar für die Regelung der Rundfunkgebühr150 und die Werbezeitgrenzen wn ein Jahr verlängert;151 da entsprechendes aber nicht für die "Werbedachregelung" geschah, gilt diese seit dem 1. Januar 1993 als abgeschafft. 152 Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist zu begrüßen, da ein weiteres Element beseitigt wurde, das zur Finanzkrise der RAl beigetragen hat. In der Tat konnte sich die parlamentarische Kommission in der Vergangenheit, bedingt durch die auf dem Spiel stehenden Interessen, nur mit erheblichen Verspätungen von teilweise über einem Jahr über die neu festzusetzende Höhe des "Werbedachs" einigen. 153 Wenig glücklich ist allerdings der Umstand, daß in Art. 8 Abs. 16 Gesetz Nr. 223/1990 neben der "Werbedachregelung" auch die Bezeichnung der Werbeeinnahmen als "Nebeneinnahmen" enthalten ist. Da nunmehr diese Bestimmung ihre Gültigkeit verloren hat, könnten die Werbeeinnahmen für das öffentliche Fernsehen (theoretisch) in Zukunft zur wichtigsten Einnahmequelle werden, was entsprechende Gefahren für eine pluralistische Programmgestaltung in sich birgt. Im Gegensatz zur "Werbedachregelung" wurde die zeitliche Grenze für das Werbefernsehen durch das Gesetz Nr. 223/1990 neu bestimmt. Das Werbelimit der RAl sollte fortan 4% der wöchentlichen Sendezeit und 12% einer jeden Stunde betragen. Eine Überschreitung letzterer Grenze von bis zu 2% sollte in der nachfolgenden Sendestunde ausgeglichen werden können (Art. 8 Abs. 6 Gesetz Nr. 223/1990).154 Eine Begrenzung auf bestimmte Tageszeiten oder ein 149 Nach Art. 21 Abs. 2 lUld 3 Gesetz Nr. 103/1975 war Grundlage fiir die FestleglUlg der Höchstgrenze der Werbeeinnahmen die anteilsmäßigen Unterschiede der Medien Presse lUld RlUldfunk: an den nationalen Werbeeinnahmen des VOIjahres. 150 Siehe oben 2. Teil C, I. 151 Art. 2 d.1. Nr. 408/1992, umgewandelt in Gesetz Nr. 483/1992. 152 A. Pace - La televisione pubblica in ltalia, FoTO italiano 1995,245 (256). 153 Ebenda, S. 256. 154 Zu den "Werbelimits''2 fiir private Veranstalter siehe 1. Teil B.
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
Verbot der Veranstaltung kommerzieller Werbung an Sonn- und Feiertagen wurde ebensowenig vorgesehen, wie eine eigens für das öffentliche Fernsehen geltende Regelung der sogenannten "Unterbrecherwerbung". Die neuen Grenzen sollten aber nur bis zum 31. Dezember 1992 gelten (Art. 8 Abs. 17 Gesetz Nr. 223/1990). Zwar wurde auch hier die Frist auf den 31. Dezember 1993 verlängert, seither hat das italienische Parlament aber keine neuen Schranken festgesetzt. Um das Entstehen einer Gesetzeslücke zu vermeiden, nutzte die Regierung den Erlaß des Dekrets zur Sanierung der RAl-Finanzen dazu, die weitere Anwendung des Art. 8 Abs. 6 Gesetz Nr. 223/1990 auf unbestimmte Zeit vorzuschreiben. 155 Dieser Umstand hat die Diskussion um die gänzliche Abschaffung der Werbesendungen in den öffentlich-rechtlichen Programmen erneut Auftrieb gegeben und einen ersten Höhepunkt in dem Versuch erreicht, ein Referendum zu dieser Frage abzuhalten. Die Initiatoren hatten beabsichtigt, den Wählern die Abschaffung sämtlicher, die Werbung in den RAl-Programmen betreffenden Normen vorzuschlagen,156 um "das öffentliche Fernsehen von jeglicher Beeinflussung durch die kommerzielle Werbung zu säubern und es so in seine natürliche Umgebung zurückzuführen".157 Das Vorhaben, die RAl nach dem Modell der BBC zu finanzieren, scheiterte jedoch am Verfassungsgerichtshof, der das beabsichtigte Referendum für unzulässig erklärte. 158 Das Gericht war der Ansicht, daß die Abschaffung der die Werbung in den RAl-Programmen begrenzenden Normen statt eines Verbotes der Ausstrahlung kommerzieller Werbung auch als Liberalisierung der Materie hätte verstanden werden können. Es kam daher zu dem Schluß, daß wenn das Ergebnis des Referendums möglicherweise vom erklärten Ziel der Initiatoren abweiche, diese Doppeldeutigkeit es den Wählern nicht möglich mache, sich mit dem notwendigen Bewußtsein über die Folgen der Abstimmung für oder gegen das Vorhaben zu entscheiden. 159 Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, daß das derzeitige öffentliche Eigentum an den Aktien der RAl ein Berufung der öffentlichen Konzessionärin auf Art. 41
ISS Siehe Art. 10 Abs. 3 d.l. Nr. 55811993. 156 Entsprechend komplex fiel die Fonnulierung des Referendwnbegehrens aus. Die Wähler hätten über die teilweise Abschaffung folgender Artikel entscheiden sollen: Art. 3 Abs. I \llld Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 10311975; Art. 3 bis Abs. 2 Gesetz Nr. 1011985; Art. 8 Abs. 6, 10, 15, 16, 17 \llld Art. 15 Abs. 6, sowie Art. 24 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 \llld Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 483/1992. 157 So wiedergegeben im Urteil Corte cost. Nr. 111995, Giur. cost. 1995, 1 (6). 158 Corte cost. Nr. 111995, Dir. Inf. 1995, 340 ff. Nach Art. 2 Abs. 1 des Verfass\lllgsgesetzes Nr. 111953 obliegt dem Verfassungsgicht die Entscheid\lllg über die Zulässigkeit eines Referendwns. 159 Corte cost. Nr. 1/1995, Dir. Inf. 1995,340 (346 f.).
C. Die Finanzienmg des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
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der Verfassung (Unternehmerfreiheit), in dessen Schutzbereich auch die Veranstaltung kommerzieller Werbung falle, nicht im Wege stehe. 160 Im übrigen sei das öffentliche Eigentum an den RAI-Aktien keine unumstößliche Tatsache, wie die Zulassung eines Referendums zu dieser Frage belege. 161 Die Möglichkeit des Gesetzgebers, ein Verbot der Ausstrahlung kommerzieller Werbung durch die RAI zu erlassen, bleibt von diesem Urteil selbstverständlich unberührt, da die Finanzierung des öffentlichen Fernsehens allein über die Rundfunkgebühr eine rein politische Option darstellt. 162 Aufgrund dieses Umstandes verstummte die Diskussion auch nach dem Scheitern des Referendums nicht. Von den Befiirwortern der Finanzierung des öffentlichen Fernsehens ausschließlich über die Rundfunkgebühr wird die Möglichkeit der RAI, Werbespots zu senden als größtes Hindernis auf dem Weg zu einer weitestgehenden Objektivität der ausgestrahlten Programme gesehen. 163 Um die Erfüllung der Pflichten eines "servizio pubblico"l64 zu gewährleisten, sei daher die Abschaffung der Werbesendungen unumgänglich. 165 Zudem wäre die RAI nicht mehr gezwungen, ihr Programm an den erreichten Einschaltquoten zu messen, was
160 Zur Kritik: an dieser Argumentation siehe A. Pace - La societä concessionaria del servizio pubblico radiotelevisivo: impresa come "sostanza" e proprietä pubblica come mera "forma" ?, Giur. cost. 1995, 12 (13 f.). 161 Corte cost. Nr. 1/1995, Dir. Inf. 1995,340 (346 f.). 162 R. Borrello - Televisione e referendum: una nuova strada irta di incognite per modificare l'assetto del sistema mdiotelevisivo italiano, Giur. cost. 1995, 153 (155, 159). 163 C. Chiola - Natura dell'attivitä mdiotelevisiva e regime giuridico, in: R. Zaccarial P. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui probierni giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 15 (23). 164 Der Begriff des "servizio pubblico" wird in Art. 2 Abs. 2 vom Gesetz Nr. 223/1990 zur Umschreibung des staatlichen Fernsehens verwandt. Die deutsche Rechtsordnung kennt einen entsprechenden Begriff nicht. In Italien umschreibt der Ausdruck eine Tätigkeit, die von der öffentlichen Hand ohne Hoheitsgewalt ausgefiUut wird, wobei die Tragweite des Begriffs im Einzelnen noch ungeklärt ist. Siehe C. LetzguslL. VioliniFerrari - Das italienische Rundfunkgesetz zwischen aktuellem Duopol und erhofftem Plumlismus, Ruf 1993, 20 (28 f.) und P. Barile, in: drs. (Hrsg.) - Idee per il govemo. TI sisterna radiotelevisivo, Bari 1995, S. 3 (11). 165 Golfari, S. 41. Siehe auch die Initiatoren des Referendums zur Abschaffung der Werbesendungen auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen, in: Corte cost. Nr. 1/1995, Giur. cost. 1995, 1 (6).
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
sich zweifellos positiv auf die Programmqualität und die pluralistische Gestaltung der Programminhalte auswirken würde. 166 Bereits ein Vergleich mit anderen öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten Europas, die mehrheitlich auch über Werbeeinnahmen finanziert werden - lediglich die BBC bildet hier eine gewichtige Ausnahme - zeigt, daß die Veranstaltung kommerzieller Werbung keinesfalls, wie dies etwa die Initiatoren des Referendums suggerieren wollen, mit den Aufgaben des öffentlichen Fernsehens unvereinbar iSt. 167 Da allerdings die Einkünfte aus der Veranstaltung kommerzieller Werbung in einem engen Verhältnis zu den erzielten Einschaltquoten stehen, muß zur Sicherung einer pluralistischen Programmgestaltung, die sich nicht ausschließlich am Massengeschmack orientiert, gewährleistet sein, daß die Abhängigkeit der RA! von den Werbeeinnahmen nicht Überhand nimmt. Diesem Erfordernis trug bislang Art. 8 Abs. 16 Gesetz Nr. 223/1990 Rechnung, indem die Werbeeinkünfte ausdrücklich als "Nebeneinnahmen" bezeichnet wurden. Art. 8 Abs. 16 Gesetz Nr. 223/1990 wurde jedoch in die Liste der am 31. Dezember 1992 auslaufenden Bestimmungen aufgenommen (Art. 8 Abs. 17 Gesetz Nr. 223/1990). Während diese Frist für die Werbezeitgrenzen bis zum 31 Dezember 1993 verlängert wurde (Art. 2 Gesetz Nr. 483/1992), fand entsprechendes für Art. 8 Abs. 16 Gesetz Nr. 223/1990 nicht statt, so daß die Bestimmung als abgeschafft angesehen werden muß. Da hierdurch einer überwiegenden Finanzierung des öffentlichen Fernsehens durch die Werbeeinnahmen theoretisch der Weg geöffnet wurde, wäre auch in diesem Bereich ein Einschreiten des Gesetzgebers wünschenswert. Andererseits ist auch die Finanzierung des öffentlichen Fernsehens ausschließlich über die Rundfunkgebühr gerade in Italien wenig ratsam. Da die Entscheidung über die Höhe der Gebühr letztlich "politischen Instanzen" obliegt, würde die gänzliche Abhängigkeit der RA! von dieser Finanzierungsquelle deren Verhältnis zu den politischen Parteien erneut intensivieren. Dies würde aber nicht nur im Widerspruch zu den derzeitigen Bestrebungen des Gesetzgebers stehen, sondern auch wegen der in der Vergangenheit gemachten negativen Erfahrungen mit einer allzu engen "Umarmung" der RA! durch die politischen Parteien Besorgnis erregen. 168 Ein Verbot der Veranstaltung von Werbefernsehen durch die öffentliche Konzessionärin würde zudem eine erhebliche Anhebung der Rundfunkgebühr erforderlich machen, um den enormen Finanzbedarf der RA! 166 A. Pace - La societä deI servizio pubblico radiotelevisivo: impresa come "sostanza" e proprietä pubblica come mern "fonna" ?, Giur. cost. 1995, 12 (15). 167 O. Grandinetti - I referendum: le sentenze della Corte costituzionale (D commento), Giornale di diritto amministrativo 1995,533 (535); Chio[a, S. 23. 168 Grandinetti, S. 535.
C. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens
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zu befriedigen. Zwar zählt die italienische Rundfunkgebühr zu den niedrigsten Europas und deren drastische Erhöhung wäre sicherlich kein Skandal; 169 die politische Durchsetzbarkeit ein derartigen Maßnahme mag zur Zeit aber bezweifelt werden. 170 Letztlich spricht auch das heutige Bild der italienischen Fernsehlandschaft, das von einem Duopol bestehend aus RAI und Fininvest gekennzeichnet ist, gegen die Einftlhrung eines generellen Verbots zur Veranstaltung kommerzieller Werbung durch die RAI. Beide "Kolosse" teilen den Werbemarkt regelrecht unter sich auf. 171 Würde die RAI aber, bedingt durch ein generelles gesetzliches Verbot, von diesem Markt verschwinden, so würden mit ihr der letzte Rest an funktionierenden Marktkräften verlorengehen, was natürlich am meisten der FininvestJMediaset zugute käme. 172 Bevor nicht die Bedingungen geschaffen werden, um das Entstehen weiterer kommerzieller Sender zu begünstigen, die in der Lage sind, der FininvestJMediaset effektiv Konkurrenz zu leisten, ist die ausgleichende Präsenz der RAI auf dem Werbemarkt dringend erforderlich. 173 Einen neuen Akzent im Bereich der Werbefinanzierung hat das Reformgesetz Nr. 249/1997 ("legge Maccanico") gesetzt. Nach Art. 3 Abs. 9 Gesetz Nr.
169 Die Rundfunkgebühr (HörfunkIFernsehen kombiniert) rur das Jahr 1998 war mit ItL 167.000,-- knapp halb so hoch wie in Deutschland. Für einen Vergleich der Rundfunkgebühren in Westeuropa aus dem Jahre 1995 siehe die in MP 1995, 458 abgedruckten Angaben des statistischen Bundesamtes. 170 In seinem jährlichen Bericht an das Parlament (1992) hat die italienische Medienaufsicht, der Garante per la radiodifJusione e l'editoria, die zum Ausgleich eines völligen Werbeverbotes erforderliche Anhebung der Rundfunkgebühr auf etwa 50% geschätzt. Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1992, Nr. I, \08. 171 Von 4.628 Milliarden Lire (rund 4,6 Milliarden DM), die im Jahre 1993 in Italien rur Fernsehwerbung ausgegeben wurden, erhielt die RAI 1.321 Milliarden Lire (ca. 1,3 Milliarden DM) und die Fininvest 2.843 Milliarden Lire (etwa 2,8 Milliarden DM). Während desselben Zeitraumes wurden in Deutschland rund 3 Milliarden DM in die Fernsehwerbung investiert. Quelle: RAI- Annuario 1994. 172 R. Rauen - Berlusconi: Wahlkampf mit den eigenen Medien, MP 1994,349 (360). 173 Auch der "Garante per la radiodifJusione e l'editoria" hat sich in seinem jährlichen Bericht (1992) an das Parlament rur eine Anwesenheit der RAI auf dem Werbemarkt ausgesprochen, um einem privaten Monopol vorzubeugen. Siehe Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1992, Nr. I, 3 (108); vgl. auch L. Elia - Conclusioni, in: R. ZaccariaiP. Rarile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 459 (462). Für ein Verbot der Finanzierung des öffentlichen Fernsehens (auch) über Werbeeinnahmen spricht sich C. De Martini - Spunti per una riforma dei sistema televisivo, Dir. inf. 1995,243 (254) mit dem Hinweis aus, daß dann die nötigen Mittel rur den Betrieb neuer Privatsender frei würden. Siehe hierzu auch 3. Teil A, 11. 3.
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
249/1997 wird die öffentliche Konzessionärin verpflichtet, einen Plan vorzulegen, der die Überfiihnmg einer ihrer drei Programme nach dem Modell der deutschen dritten Programme in ein Programm ohne Werbung vorsieht. 174
D. Die Privatisierung der RAI Zeitgleich mit der Initiative zur Abschaffung der Werbung in den Sendungen der RA! hatte der Verfassungsgerichtshof über die Zulässigkeit eines weiteren, die RA! betreffenden Referendums zu entscheiden. Die der Lega Nord nahestehenden Initiatoren hatten Unterschriften gesammelt, um den Wählern die Streichung der Bestimmungen vorzuschlagen, wonach das Aktienkapital der RA! AG ausschließlich in öffentlicher Hand zu liegen hat. I 75 Das Prinzip der ausschließlich öffentlichen Beteiligung am Aktienkapital der RA! wurde durch Art. 3 Abs. 1 und Art. 47 Gesetz Nr. 103/1975 eingeführt. 176 Ausschlaggebend für die Einführung dieser Bestimmung war eines der "zehn Gebote", von deren Einhaltung das Verfassungsgericht die Rechtrnäßigkeit des staatlichen Fernsehmonopols abhängig gemacht hatte. 177 Nach Meinung der römischen Richter konnte die Veranstaltung des öffentlichen Fernsehens nur unter der Voraussetzung privatrechtlich organisiert werden, daß die Inhaberin der Sendekonzession ausschließlich der öffentlichen Hand gehöre. 178 Da das Verfassungsgericht das staatliche Fernsehmonopol mit Hinweis auf Art. 43 der Verfassung rechtfertigte, wonach der Gesetzgeber besonders wichtige öffentliche Dienste öffentlichen Körperschaften vorbehalten kann, 179 wurde diese Bedingung notwendig, um die RA! einer öffentlichen Körperschaft vergleichbar zu machen. 180 Die Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975 wurde erst 174 Art. 7 des Gesetzentwurfs Nr. 11381XIII. sah zudem eine Aufteilung dieses Programmes in unterschiedliche Regionalprogramme vor. Bedauerlich ist, daß das Vorhaben am Widerstand der RA! gescheitert ist. Das Entstehen leistungsstarker öffentlich-rechtlicher Regionalsendern hätte die regionale Vielfalt Italiens besser zum Ausdruck gebracht, als dies bisher mit drei landesweiten öffentlich-rechtlichen Programmen der Fall ist. Die ,,Regionalisierung" eines der RAI-Programme hätte sich zudem gut in die derzeitigen Bestrebungen der Politik eingerugt, in Italien föderale Strukturen aufzubauen. 175 Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 und Art. I Gesetz Nr. 483/1992. 176 Vonnals lag ein geringer Teil der Aktien in privater Hand. 177 Corte cost. Nr. 22511974, Giur. cost. 1974, 1775. Siehe oben 1. Teil A, 1I. 178 Ebenda, S. 1789. 179
Siehe 1. Teil A, I.
180 O. Grandinetti - I referendum: Le sentenze della Corte costituzionale (il commento), Giornale di diritto amministrativo 1995, 533 (536); R. Borrello - Televisione e referendum: una strada irta di incognite per modificare I'assetto del sistema radiotelevisivo italiano, Giur. cost. 1995,153 (160).
D. Die Privatisierung der RAI
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durch Art. 1 Abs. 3 Gesetz Nr. 10/1985, dann durch Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 übernommen. Selbst als der Hauptaktionär der RAI, die Staatsholding IRI, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurdel8l und durch den Beginn der Privatisierung wichtiger staatlicher Betriebe Zweifel darüber aufkamen, ob auch die RAI an diesem Prozeß teilhaben sollte,182 hielt der Gesetzgeber an seiner Linie fest und bestimmte in Art. 1 Gesetz Nr. 483/1992/ 83 daß allein der Staat, öffentliche Körperschaften oder Gesellschaften mit ausschließlich öffentlicher Beteiligung Inhaber der RAI-Aktien sein können. I 84 Spätestens mit Einfiihrung einer dualen Rundfunkordnung im Jahre 1990 hätte der Gesetzgeber Gelegenheit gehabt, die dargestellte Position zu überdenken, da durch die Aufhebung des staatlichen Fernsehmonopols Art. 43 der Verfassung seine Bedeutung für den Fernsehbereich verloren hat Die Tatsache, daß
der Gesetzgeber dennoch an einer RAI in ausschließlich öffentlicher Hand festhielt, ist wohl darauf zurückzuführen, daß diese Organisationsform geeigneter erschien, um die Erfüllung der Aufgaben des öffentlichen Fernsehens in einem "sistema misto" sicherzustellen. In der Tat stellen die Verfolgung von z.T. unwirtschaftlichen Zielen (man denke nur an die Verpflichtung zur Ausstrahlung von Minderheitenprogrammen) und die direkte Abhängigkeit von politischen Instanzen Umstände dar, die eher in das Bild eines öffentlichen als in das eines privaten Unternehmens passen. I 85 Dennoch erklärte das Verfassungsgericht das Referendum zu der Frage, ob
das Aktienkapital der RAI auch privaten Anlegern geöffnet werden soll, fiir zu-
lässig. 186 Die These des Gerichts lautete, daß die Einstufung der öffentlichen Konzessionärin als Gesellschaft von nationalem Interesse i.S.d. Art. 2461 des Codice civile die RAI unabhängig vom (öffentlichen oder privaten) Aktienbesitz speziellen Regeln unterwerfe. 187 Diese speziellen Regeln seien es - und nicht etwa die Natur der Aktionäre -, die sicherstellten, daß die gemeinnützigen Zwecke erreicht werden, von denen sich ein "servizio pubblico" zu leiten lassen habe. Das Gericht wies aber darauf hin, daß, im Falle eines positiven Ausgangs des Referendums, es Aufgabe des Gesetzgebers sei, die speziellen Regeln der 181 Siehe Gesetz Nr. 359/1992. 182 E. Menduni - L'autlmno della te1evisione (a tre anni della "legge Mammi"), Problemi delI'infonnazione 1993,429 (440). 183 Eine Übersetzung des Art. 1 Gesetz Nr. 483/1992 fmdet sich im Anhang. 184 Zur Zeit werden 99,54% der RAI-Aktien von der IRI und 0,46% von der SIAE ("Societä Italiana Autori ed Editori"), einer öffentlichen Körperschaft, gehalten. 185
Grandinetti, S. 536.
186 Corte cost. Nr. 7/1995, Giur. cost. 1995, 149 ff. 187 Siehe 2. Teil B, I. 1.
102
2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
öffentlichen Konzessionärin an die Veränderungen anzupassen, die das private Aktienkapital für die Leitung der Gesellschaft mit sich bringe. 188 Aus den Entscheidungsgrtinden wird ersichtlich, daß nach Meinung des Gerichts die Beibehaltung der rein öffentlichen Beteiligung am Aktienkapital der RAI nach Einführung einer dualen Rundfunkordnung im Jahre 1990 eine rein politische Entscheidung darstellte und als solche in einem Referendum dem Willen der Wähler unterworfen werden konnte. 189 Am 11. Juni 1995 stimmten 54,6% der wahlberechtigten Italiener für die vorgeschlagene Abschaffung, so daß sämtliche Normen, die das Aktienkapital der RAI ausschließlich an die öffentliche Hand banden, am 28. Juli 1995 fiir aufgehoben erklärt werden konnten. 190 Durch die Beteiligung Privater am Aktienkapital werden die Gesellschaftsverhältnisse der RAI noch komplexer als bisher werden. 191 Es ist vorauszusehen, daß sich im Zusammenhang mit der Umsetzung des Abstimmungsergebnisses zahlreiche Probleme stellen werden. Beispielhaft für die auf den Gesetzgeber zukommenden Schwierigkeiten ist die Bestimmung des Art. 198 Abs. 4 PostG,192 die vor Erteilung einer staatlichen Konzession die Pflicht einer Ausschreibung nur für den Fall entbehrlich macht, daß sich eine Gesellschaft um die Konzessionserteilung bemüht, deren Aktienmehrheit von der öffentlichen Hand gehalten wird. Nach einer Beteiligung Privater an der RAI wäre es daher nicht ausgeschlossen, einer anderen Gesellschaft die Konzession zur Veranstaltung des öffentlichen Fernsehens zu erteilen. 193
Zu dem dargestellten Problem gesellen sich Zweifel dartiber, ob der Frage nach der (öffentlichen oder privaten) Inhaberschaft der RAI-Aktien für die Verwirklichung der Aufgaben des öffentlichen Fernsehens tatsächlich die untergeordnete Bedeutung zukommt, die ihr das Verfassungsgericht in seinem Urteil zugewiesen hat. Bereits in seinem Urteil aus dem Jahre 1988 hatte der Verfassungsgerichtshof festgestellt, daß die vollständige Verwirklichung des binnenpluralen Modells eine besondere Aufgabe des öffentlichen Fernsehens darstelle, da die sich aus dem Binnenpluralismus ergebenden besonderen Verpflichtungen privaten Veranstaltern aufgrund der durch Art. 21 (Meinungsfreiheit) und Art. 41 (Unternehmerfreiheit) gezogenen Grenzen nur bis zu einem gewissen Grade 188 Corte cost. Nr. 7/1995, Giur. cost. 1995, 149 (152). Borrello, S. 160. 190 Siehe d.P.R. Nr. 315/1995.
189
191
Grandinetti, S. 537.
192 Siehe d.P.R. NT. 156/1973. A. Pace - La societä concessionaria de1 servizio pubblico radiote1evisivo: impresa come "sostanza" e proprietä pubblica come mera "fonna", Giur. cost. 1995, 12 (14); BorrelLo, S. 160 f. 193
D. Die Privatisierung der RAI
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auferlegt werden könnten. 194 Diese Auffassung wurde zuletzt im Urteil Nr. 420/ 1994 bestätigt.195 Da kein Grund ersichtlich ist, warum sich eine privatisierte RA! ihrerseits nicht auf Art. 21 und 41 der Verfassung berufen können soll, riskiert die Privatisierung, dem öffentlichen Fernsehen die Rechtfertigung für seine eigene Existenz (vollständige Verwirklichung des Binnenpluralismus) zu entziehen. 196 Die in der Vergangenheit vorangetriebene Angleichung der Programminhalte der RA! an diejenigen der privaten Veranstalter hat sicherlich zur Bildung der Meinung in der Bevölkerung beigetragen, daß das öffentliche Fernsehen ebensogut in privater Hand aufgehoben wäre. 197 Ein Rätsel bleibt jedoch, wie die dringend notwendige Steigerung der Programrnqualität198 durch die Beteiligung Privater, die (berechtigterweise) auf die Erzielung eines möglichst großen Gewinns und damit auf die Erreichung hoher Einschaltquoten aus sein werden, bewerkstelligt werden kann. 199 Da außerdem die Aufgaben des öffentlichen Fernsehens (z.T. auch norrnativioo weitgehend feststehen und zudem durch die Richtlinien der parlamentarischen Kontrollkommission eine weitere Konkretisierung erfahren, sind der freien Programmgestaltung der RA! enge Grenzen gesetzt. Von einem "Unternehmerrisiko", das die Präsenz privaten Aktienkapitals rechtfertigen könnte, kann daher kaum gesprochen werden?OI Sicherlich wird die Beteiligung Privater am Aktienkapital der RA! auch Vorteile mit sich bringen. Insbesondere Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Gesellschaftstätigkeit, die in den Jahren der "lottizzazione" besonders gelitten 194 Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 (3934). Siehe auch 1. Teil A, VIII und 2. Teil A. 195 Corte cost. Nr. 42011994, Giur. cost. 1994, 3716 (3741). Siehe auch 1. Teil D. 196 A. Pace - La televisione pubblica in Italia., Foro italiano 1995, 245 (254 und 261). Auch Pace sieht in den durch Art. 21 und 41 dem Binnenpluralismus gesetzten Grenzen ein Hindernis für die Privatisierung der RAI. 197 A. Pace - La societa concessionaria del servizio pubblico radiotelevisivo: impresa come "sostanza" e proprieta pubblica come mera "forma", Giur. cost. 1995, 12 (16). 198 Siehe oben 2. Teil A. 199 E. Zanelli - L'assetto del sistema televisivo e delle telecomunicazioni. Dir. inf. 1996, 893 (900); A. Pace - La televisione pubblica in Italia., S. 261. Siehe auch Mauro Miccio (Mitglied des Verwaltungsrats unter der Präsidentin Letizia Moratti) im Corriere della Sera vom 13. Juni 1995. 200 Man denke beispielsweise nur an die Verpflichtung zur Veranstaltung eines besonderen Programms für Behinderte und Mindetjährige (siehe Art. 8 und 11 der Konvention). Siehe oben 2. Teil A. 201 A. Pace - La societa concessionaria del servizio pubblico radiotelevisivo: impresa come "sostanza" e proprieta pubblica come mera "forma", S. 15.
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2. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im öffentlichen Fernsehsektor
haben,202 kÖllllten von einer privaten Beteiligung profitieren?03 Häufig wird als weiterer Vorteil genaIlllt, daß eine weite Streuung der RAI-Aktien einen Beitrag zur Verwirklichung des Pluralismus darstellen kölllle?04 Zum einen ist aber schon fraglich, ob ein Unternehmen wie die RAI tatsächlich ohne Großaktionäre auskommen würde, zum anderen kÖllllte eine größere Beteiligung der Bevölkerung auch durch die hier vertretene Erweiterung der Richtlinien- und Kontrollkommission um Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen erreicht werden, ohne daß die oben dargestellten Probleme einer Beteiligung Privater am Aktienkapital der RAI entstünden. 205 Nach dem Abstimmungsergebnis des 11. Juni 1995 obliegt nun dem Gesetzgeber die schwierige Aufgabe der Umsetzung des Willens der Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung. Bislang wurden in diese Richtung aber keine Schritte unternommen. Insbesondere das Reformgesetz Nr. 249/1997 schweigt zu diesem Thema gänzlich, was die Schwierigkeiten bei der Lösung der Probleme belegt. Auch wellll die Entscheidung der Wähler theoretisch einer privaten Aktienmehrheit den Weg geöffnet hat, wird der Gesetzgeber die Begrenzung auf eine Minderheitsbeteiligung nicht vermeiden kÖllllen, um die vom Verfassungsgericht bereits 1974 geforderte Kontrolle des Parlaments über die öffentliche Konzessionärin voll zu gewährleisten?06 Schwierig wird daher sein, private Anleger zu finden, die bereit sind, in ein Unternehmen zu investieren, von dessen Kontrolle sie weitgehend ausgeschlossen sind. Ebenso problematisch wird die Suche nach Investoren für ein Unternehmen sein, das von Natur aus nicht auf Gewinnmaximierung aus ist. Wie der Gesetzgeber diese Probleme bewerkstelligen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Das Referendum vom 11. Juni 1995 hat so zur unsicheren Zukunft beigetragen. 202 Siehe 2. Teil B, I. 2. E. Cheli - Un modello originale, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna dellaRAI, Bari 1992, S. 40 (44); E. Manca - Una nuova stagione, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. 128 (131). 204 F. Donati - n consiglio di amministrazione della RAI nella prospettiva di rifonna, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 119 (135 f). Siehe auch R. Zaccaria, in: P. Barile (Hrsg.) - Idee per il governo. n sistema radiotelevisivo, Bari 1995, S. 100 (105 f) und G. Corasaniti - Dal pubblico al sociale, in: J. Jacobelli (Hrsg.) - Per una nuova rifonna della RAI, Bari 1992, S. 54 (60). Corasaniti weist zudem daraufhin, daß durch eine teilweise Privatisierung der RAI ein Beitrag zur Verwirklichung des Art. 47 der Verfassung geleistet werden könnte. Nach Art. 47 der Verfassung begünstigt die Republik die Beteiligung der Bevölkerung am Aktienkapital der großen Produktionskomplexe des Landes. 205 Siehe oben 2. Teil B, II. 206 In diesem Sinne auch Borrello, S. 160 f Für eine Minderheitsbeteiligung spricht sich auch Menduni, S. 445 aus. 203
3. Teil
Wesentliche Reformaspekte im privaten Fernsehsektor Die Probleme, die bei der Umsetzung der Bestimmungen des Allgemeinen Rundfunkgesetzes auftraten, ließen bereits wenige Jahre nach dessen Verabschiedung Stimmen laut werden, die sich fiir eine umfassende "Reform der Reform" aussprachen. Nachdem das Verfahren fiir die Zuteilung der Rundfunkfre-quenzen auf der Grundlage des neu erstellten Frequenzenplans von den Rö-rnischen Errnittlungsrichtern wegen des Verdachts von Schrniergeldzahlungen seitens einiger privater Anbieter gestoppt worden war, 1 brach sich auch beim Gesetzgeber d\e Einsicht Bahn, um eine Neuregelung des Bereichs nicht umhin zu können. 2 Im Zentrum der Reformdiskussion standen die Konzentrationsbestimmungen, denen die Fähigkeit abgesprochen wird, in Italien eine pluralistische Fernsehlandschaft zu schaffen. In diesem Zusammenhang wurde von vielen Autoren gar behauptet, das Allgemeine Rundfunkgesetz stelle eine bloße ,,Fotokopie" der bereits bei Verabschiedung der Kartellbestimmungen erworbenen Positionen dar, obwohl es Aufgabe des Gesetzgebers gewesen wäre, einen Beitrag zur Begrenzung einer in Europa einzigartigen Medienkonzentration zu leisten. 3 Beschleunigt wurde die Reformdiskussion durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes, durch das die zentrale Kartellbestirnmung des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 fiir verfassungswidrig erklärt wurde. 4 Neben den als unzureichend empfundenen Konzentrationsgrenzen wurde das Allgemeine Rundfunkgesetz vor allem auch dafiir kritisiert, daß es in die Ver-
1 Zu den Problemen bei der Umsetzung der Bestimmungen des Allgemeinen Rundfunkgesetzes siehe 1. Teil C. 2 Siehe Art. 2 Abs. 2 Gesetz Nr. 20611993 und Art. lAbs. 1 Gesetz Nr. 42211993, in denen der Gesetzgeber seine Absicht, eine umfassende Reform des gesamten Rundfunkbereichs zu verabschieden, explizit zum Ausdruck bringt. 3 Stellvertretend fiir viele andere R. Lanzillo - Commento all' art. 15 commi 1-7, in: E. RoppolR. Zaccaria (Hrsg.) - TI sistema radiote1evisivo pubblico e privato, Mailand 1991, S. 293. 4 Corte cost. Nr. 420/1994, Giur. cost. 1994, 3716 ff. Siehe hierzu bereits oben 1. Teil D.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
gangenheit gerichtet sei, statt die Weichenstellung für die Zukunft zu treffen. 5 So enthält das Gesetz Nr. 223/1990 beispielsweise keinerlei Regelung für das Satellitenfernsehen; auch das Kabelfernsehen wird nur arn Rande erwähnt. Schließlich wurde auch die fehlende Regelung für die Ausstrahlung von Programmen in verschlüsselter Form bemängelt. Eine gewisse Verbesserung der als unzureichend empfundenen Regelungen des Gesetzes Nr. 223/1990 wurde durch die Reform "Maccanico" (Gesetz Nr. 249/1997 erreicht. 6
A. Die pluralismus sichernden Bestimmungen des Allgemeinen Rundfunkgesetzes und der Reform "Maccanico" Die Bestimmungen zur Sicherung einer pluralistisch ausgestalteten Fernsehlandschaft sind im wesentlichen in den Art. 15, 19 und 24 des Allgemeinen Rundfunkgesetzes und den Art. 2 und 3 des Gesetzes Nr. 249/1997 ("Iegge Maccanico") enthalten. Der Gesetzgeber hat die Materie dabei unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten geregelt. So befassen sich Art. 15 Abs. 1 bis 3 Gesetz Nr. 223/1990 mit der Unterbindung übennäßiger multimedialer Konzentration. Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 hat monomediale Konzentrationen für den Bereich des landesweiten Privatfernsehens zum Gegenstand, während Art. 19 und 24 Sonderregelungen für lokale Anbieter und das öffentlich-rechtliche Fernsehen treffen.
I. Einschränkung multimedialer Konzentration 1. Verflechtung von Betreibern privater Fernsehsender mit Tageszeitungs-
unternehmen (Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990)
Mit Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 22311990 hat der italienische Gesetzgeber eine Norm an den Anfang der Bestimmungen zur Unterbindung übennäßiger multimedialer Konzentrationen gestellt, die sich mit der Verflechtung zwischen Femsehanbietem und Tageszeitungsunternehmen befaßt. Er mißt damit beiden Medien (Fernsehen und Tageszeitungen) bei der Bildung der öffentlichen Meinung eine besondere Bedeutung bei, die es rechtfertigt, besondere Konzentrationsgrenzen vorzusehen. Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 stellt die Anzahl der Sendekonzessionen in Relation zum Auflagenanteil der kontrollierten Tageszeitung. Danach können Personen, die Tageszeitungen kontrollieren, deren An5 Siehe statt vieler B. Pellegrino - RA! S.p.a., Mailand 1992, S. 22 undF. Pinto - La radiote1evisione di fronte al corpo e1ettorale, Giustizia civile 1995,338 (338). 6 Siehe oben 1. Teil F.
A. Die pluralismussichernden Bestimmungen
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teil an der Gesamtauflage des Vorjahres der in Italien erscheinenden Tageszeitungen die Grenze von 16% überschreitet, keine Konzession fiir das landesweite Fernsehen erhalten. Eine Konzession kann erteilt werden, wenn der Auflagenanteil zwischen 8% und 16% liegt, zwei Konzessionen können erteilt werden, wenn die 8o/o-Grenze nicht überschritten wird. Der ursprüngliche Entwurf des Postministers zur Regelung der Materie hatte noch ein gänzliches Verbot für Zeitungsverleger vorgesehen, im Bereich des Privatfernsehens tätig zu werden (sog. "opzione zero"). Der Vorschlag des Ministers wurde aber dafür kritisiert, daß er den Aspekt der Multimedialität nicht hinreichend berücksichtige. 7 Im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten wurde dann die "opzione zero" durch die dargestellte Regelung ersetzt. Aber auch Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 wurde anfangs von den Parlamentariern wenig begeistert aufgenommen, weil es schien, als sichere die Regelung im wesentlichen die Positionen derer, die bereits im Fernsehsektor tätig waren (Berlusconi) und schließe andere am Fernsehgeschäft interessierte Unternehmer (Rizzoli/Fiat) von der Erteilung einer Konzession aus. Als sich dann allerdings die Fusion der Fininvest mit dem Verlagshaus Mondadori anbahnte, wurde die Bestimmung mehrheitlich als geeignetes Mittel angesehen, um eine erheblichen Gefahr für eine pluralistische Medienlandschaft in Italien zu beseitigen. 8 In der Tat ist es Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 zu verdanken, daß die Fusion nicht in dem geplanten Umfang stattgefunden hat. Die auf dem italienischen Medienmarkt bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden multimedialen Konzentrationen wurden im übrigen von Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 aber kaum angetastet. Allein Silvio Berlusconi mußte die Anteilsmehrheit an der Mailänder Tageszeitung 11 Giomale nuovo abtreten, um 7 M Schellenberg - Rundfunkkartellrecht, Anmerktmg zu corte Costituzionale, Urteil 826/1988, in: A. De MajiolP. KindlerlR. Hausmann (Hrsg.) - Jahrbuch fur Italienisches Recht, Bd. 4, Heidelberg 1991, S. 129 (136 f.); C. Golfari - Oltre la Manuni, Mailand 1994, S. 27. 8 Siehe A. Cerri - Radio-tv: Dubbi esperanze sulla nuova legge, Mondoperaio 1991, V, 36 (36) und A. Pace - Problematica delle libert.ä costituzionali (parte speciale), Padua 1992, S. 439. Durch einen Zusammenschluß von Fininvest und Mondadori hätte ein Unternehmen einen Anteil von 40% der Einschaltquoten, 16% der Gesamtauflage der italienischen Tageszeitwlgen, 33% der Gesamtauflage der Periodika und 43% des Werbeumsatzes gehalten. Quelle: P. Caretti - Normative anti trust in occidente, Democrazia e diritto 1990,207 (218). Die Übernahme wurde schließlich auf die auf Bücher ausgerichtete Verlagstätigkeit der Mondadori beschränkt. Mit der Fusion FininvestIMondadori wurde auch die Europäische Kommission befaßt. Nach deren Ansicht wurde durch den Zusammenschluß die wettbewerbsrechtliche Eingriffsschwelle der Marktbeherrschung allerdings nicht überschritten (Bull. EG 6/1990, S. 41). Siehe auch C. Wagner - Konzentrationskontrolle im Medienbinnenmarkt der EG, AfP 1992, 1 (3, Fn 20).
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3. Teil: Wesentliche Reformaspekte im privaten Femsehsektor
weiterhin drei landesweit operierende Sender kontrollieren zu dürfen. Die Unzulänglichkeit der Regelung wurde aber gerade hier deutlich, da sie nicht verhindern konnte, daß Berlusconi seine Anteile mehrheitlich einfach auf seinen Bruder Paolo übertrug und er selbst weiterhin einen Anteil von 29% hält. 9 Silvio Berlusconi bleibt somit trotz seiner drei Konzessionen für das private Fernsehen ein "wichtiger" und damit einflußreicher Aktionär der Tageszeitung. IO Nachgedacht werden sollte daher darüber, ob es nicht sinnvoll wäre, die Grenzen des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 an die Inhaberschaft auch nur geringer Anteile an einer Tageszeitung, statt an deren Kontrolle zu knüpfen. Zumindest sollte aber eine "verbundene Tageszeitung" einer "kontrollierten" gleichgestellt werden. Über Art. 37 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990, der für die Definition einer "kontrollierten" oder "verbundenen" Gesellschaft i.S.d. Allgemeinen Rundfunkgesetzes auf Art. 2359 des Zivilgesetzbuches verweist, II wäre dann eine Beteiligung möglich, die zur Kontrolle von maximal 10% der Stimmrechte in der ordentlichen Gesellschafterversamrnlung fiihrt. 12 Leider wurde die Gelegenheit nicht genutzt, diese Schwäche des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 im Rahmen der Reform "Maccanico" zu beseitigen. Ein weiterer Schwachpunkt der Norm liegt darin, daß allein Verflechtungen zwischen den Betreibern von Fernsehsendern und Tageszeitungsunternehmen berücksichtigt werden. Zeitschriften mit politischen Inhalten zählen bei der Berechnung der Auflagengrenze des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 ebensowenig mit wie sonstige Periodika. 13 Dies mag auf den ersten Blick angesichts der Tatsache nicht verwundern, daß auch das Pressegesetz Konzentrationen im Bereich der Periodika unberücksichtigt läßt. 14 Bei der Berechnung der Gesamteinnahmen des Bereichs der Massenkommunikation (Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 9 Quelle: Jährlicher Bericht (1995) des Garante per la radiodiffusione e I 'editoria an das Parlament, Vita italiana (istituzioni e comWlicazioni) 1995, Nr. 3, 1 (155). 10 Auch der Verfassungsgerichtshofhat in der Enhtscheidung Nr. 420/1994 kritisiert, daß die Regelung Minderheitsbeteiligungen unberücksichtigt läßt. Corte cost. Nr. 420/1994, Giur. cost. 1994,3716 (3743 f.). Siehe hierzu auch 3. Teil A, ll. la). 11 Eine Übersetzung von Art. 2359 Codice civile fmdet sich im Anhang. 12 Zahlreiche andere Normen der "legge Mammi" setzen bereits die ,,Kontrolle" der "Verbindung" gleich (siehe v.a. Art. 15 Abs. 4, 5, 7 und Art. 19 Abs. 5 Gesetz Nr. 223/ 1990). Auf die Notwendigke~t einer Erstreckung der Grenzen des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 auf die Fälle "verbundener Gesellschaften" weist auch A. Gentili - Commenta all'art. 15 comrni 1-7, in: E. Bocchini/N. Lipari (Hrsg.) - Disciplina dei sistema radiotelevisivo pubblico e privato (1. 6 agosto 1990, n. 223), Le nuove leggi civili commentate 1991, 585 (753) hin. 13 Kritik hieran übt auch A. Pace - Problematica delle libertä costituzionali (parte speciale), 2. Aufl., Padua 1992, S. 439. 14 Siehe Gesetz Nr. 416/1981.
A Die pluralismussichernden Bestimmungen
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223/1990),15 die zur Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 erforderlich ist, soll nach dem Willen des Gesetzgebers aber (auch) auf die Erlöse aus dem Verkauf von Zeitschriften abgestellt werden. 16 Diese Ungereimtheit ist wohl nur mit dem Umstand zu erklären, daß sowohl die RAl als auch die Fininvest bei Inkrafttreten des Allgemeinen Rundfunkgesetzes Inhaber von Zeitschriften und Illustrierten waren und ihnen diese nicht entzogen werden sollten. 17 Da Zeitschriften mit politischen Inhalten oder Wochenzeitungen ebenso wie eine Tageszeitung die Meinungsbildung beeinflussen können,18 sollten erstere auch im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 Berücksichtigung finden. Ist Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 einerseits in der eben dargestellten Weise nicht differenziert genug, so führt das Abstellen allgemein auf "Tageszeitungen" zu einer unnötigen Strenge der Bestimmung. Erfaßt werden so nicht nur Tageszeitungen mit politischen Inhalten, sondern etwa auch die in Italien besonders beliebten Tageszeitungen, die sich allein der Sportberichterstattung widmen,19 obwohl diese auf die politische Meinungsbildung nicht einwirken. 20 Die größte "Schwäche" des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 ist darin zu sehen, daß allein die Verflechtung von landesweit ausstrahlenden Fernsehsendern mit Tageszeitungen berücksichtigt wird?1 Während bereits die Inhaberschaft einer kleinen Lokalzeitung die erhältlichen Konzessionen :fiir das Privatfernsehen auf nationaler Ebene auf zwei beschränkt, wird:fiir die Verflechtung lokaler Fernsehsender mit Tageszeitungen keinerlei Grenze aufgestellt. Da nach Art. 19 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 ein Lokalsender immerhin bis zu 10 Millionen Einwohner versorgen darf, wäre das Gebiet, auf dem sich durch diese Unzulänglichkeit in rechtmäßiger Weise ein wahrhaftes Meinungsmonopol bilden könnte, von erheblicher Größe. Angesichts des im lokalen Bereich den ein15 Siehe auch Art. 2 Abs. 8 lit d) Gesetz Nr. 249/1997. 16 Zu Art. 15 Abs. 2 und 3 siehe unten 3. Teil A, 1.2. 17 C. Chiola /S. Vannini - Radiotelevisione, in: Encic10pedia giuridica "Treccani", XXV, Rom 1992, S. 20. Siehe auch E. Testoni - L'attuazione della legge televisiva e le
contraddizioni sui poteri deI Garante, Problemi dell'informazione 1993,3 (11).
18 Ebenso L. Bini - La legge di regolamentazione del sistema radiotelevisivo, Mailand 1991, S. 27; S. Cn·sci - n Garante per la radiodiffusione, Turin 1993, S. 74; Gentili, S. 753. 19 So etwa die Gazzetta dello Sport oder der Corriere dello Sport. 20 AA Crisci, S. 74. 21 P. Caretti, in: Opinioni a prima lettura sulla legge 6 agosto 1990, n. 223 "disciplina del sistema radiotelevisivo privato", Dir. inf. 1990, 799 (803); drs. - Commento all'art. 19, in: E. RoppolR. Zaccaria (Hrsg.) - n sistema radiotelevisivo pubblico e privato, Mailand 1991, S. 398 (403).
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
zeinen Medien zukommenden Einflusses, der mangels ausreichender Konkurrenz oftmals noch größer ist als auf nationaler Ebene, wäre eine Ergänzung des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990, bzw. die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in Art. 19 Gesetz Nr. 223/1990 wünschenswert. Leider wurde die Gelegenheit nicht genutzt, die genannten Schwächen des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 im Rahmen der Reform "Maccanico" zu beseitigen. 2. Begrenzung des erzielbaren Anteils an den Gesamteinnahmen des Bereichs der Massenkommunikation (Art. 15 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 223/1990 und Art. 2 Abs. 8/it. d) Gesetz Nr. 249/1997)
Wie Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 so hat auch Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 die Unterbindung extremer multimedialer Konzentrationen im Auge. Anders als Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 orientiert sich aber Abs. 2 der Vorschrift nicht nur an der Inhaberschaft von Sendekonzessionen und den Anteilen an Tageszeitungsunternehmen, sondern erfaßt Medien unterschiedlichster Art. Anknüpfungspunkt sind bei dieser Bestimmung die Gesamteinnahmen des Bereichs der Massenkommunikation. Der Anteil an den Gesamteinnahmen der hierbei von einem Unternehmen erzielt werden darf, wird auf 20%, bzw. 25% bei "reinen" Medienunternehmen begrenzt. 22 Rechtsgeschäfte, die zu einer höheren Konzentration fuhren, werden fiir nichtig erklärt. Welche Einnahmen bei der Berechnung der "Gesamtmittel" des Bereichs der Massenkommunikation zu berücksichtigen sind, wird durch Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/ 1990 bestimmt. Wie schon Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 so enthält auch Abs. 2 der Vorschrift einige Unstimmigkeiten. Diese stammen zum einen aus der unvollständigen Aufzählung der von der Nichtigkeitsfolge bedrohten Rechtsakte23 und zum anderen aus der widersprüchlichen Aufzählung der im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 zu berücksichtigenden Einnahmen des Massenkommunikationsbereichs. Im Rahmen des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 kann man sich allerdings mit der Annahme behelfen, der Gesetzgeber
22 Als ,,reine" Medienunternehmen sieht das Gesetz solche an, die mindestens zwei Drittel ihrer Gesamteinnahmen im Bereich der Massenkommunikation envi.rtschaften. 23 Nicht erwähnt werden beispielsweise die Fusion von Unternehmen, die Übertragung der Betriebsstätte sowie die Rückgabe des Unternehmens bei Vermietungs- bzw. Überiassungsverträgen. Siehe R. Lanzillo - Commento all'art. 15 comma 1-7, in: E. RoppolR. Zaccaria (Hrsg.) - TI sistema pubblico e privato, Mailand 1991,293 (317).
A. Die pluralismussichernden Bestimmungen
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habe nur einige Rechtsakte beispielhaft aufzählen wollen. 24 Diese Lösung bietet sich allein schon mit Blick auf Art. 31 Abs. 6 Gesetz Nr. 223/1990 an, denn
nach dieser Bestimmung ist die Medienaufsicht nur dann zum Einschreiten gehalten, wenn die Grenzwerte des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 durch andere Umstände als der Umsatzsteigerung (sog. "internes Wachstum") überschritten werden. Hierdurch wird deutlich, daß alle übrigen Umstände vom Verbot des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 erfaßt werden sollen. 25 Eine ähnliche Lösung ist im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 allerdings nicht möglich, da die Bestinunung zweifelsohne eine sichere Grundlage für die Berechnung der 20%-Grenze des Abs. 2 bilden soll und sie diese Funktion nur dann erfiillen kann, wenn die in ihr enthaltene Aufzählung abschließend ist. Hinzu kommt, daß die Parameter des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 mehrmals im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten geändert wurden,26 was den Charakter der Norm als keine rein zufällige Aufzählung unterstreicht. Damit kommt den einzelnen Kriterien des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 besondere Bedeutung zu. Als Gesarnteinnahmen des Bereichs der Massenkommunikation gelten die Erträge aus dem Verkauf von Tageszeitungen und Zeitschriften, aus dem Verkauf oder der Nutzung audiovisueller Produkte, aus Abonnements von Zeitungen, Zeitschriften oder Rundfunksendern, aus der Werbung, aus der öffentlichen Rundfunkgebühr und anderen öffentlichen Abgaben fortlaufender Art. Noch die vom Senat verabschiedete Fassung des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 hatte in diese Liste die Erlöse aus dem Verkauf von Büchern mit aufgenommen. Die Regierung ließ jedoch diese Passage streichen und verband die Abstimmung über Art. 15 Gesetz Nr. 223/1990 mit der Vertrauensfrage, so daß der Verkauf von Büchern in der letztlich verabschiedeten Fassung keine Berücksichtigung mehr fand. 27 Dies ist indes kaum verständlich, da ein erfolgreiches Buch die Meinungsbildung in ähnlicher Weise wie eine Filmreihe oder Nachrichtensendungen beeinflussen kann. 28 Da die ratio der Vorschrift in der Begrenzung des Einflusses eines einzelnen Unternehmers auf die Meinungsbildung liegt, hätten auch die Erlöse aus der auf Bücher ausgerichteten Verlags24 Lanzillo, S. 317; A. Sarli - Guida aHa emittenza radiotelevisiva privata, Mailand 1994, S. 139; P. Graf Wrangel - Die Fusionskontrolle des italienischen Rundfunkgesetzes, GRUR Int. 1991, 870 (875). 25 Lanzillo, S. 318; GrtifWrangel, S. 875. 26 C. ehiolaiS. Vannini - Radiotelevisione, in: EncicIopedia giuridica "Treccani", :XXV, Rom 1992, S. 21. 27 Lanzillo, S. 298. 28 C. Golfari - Oltre la Mammi, Mailand 1994, S. 28.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspelcte im privaten Fernsehselctor
tätigkeit Berücksichtigung finden müssen. Auch auf der Regelung des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 lastet damit der Verdacht, fiir die Fininvest maßgeschneidert worden zu sein, denn wären die Erlöse aus dem Verkauf von Büchern nicht aus dem Katalog des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 gestrichen worden, so wäre das Mailänder Medienunternehmen durch die teilweise Übernahme des renommierten Verlagshauses Mondadori29 gefahrlich nahe an die Grenze des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 gelangt?O Ist die Grundlage zur Berechnung der Gesamteinnahmen des Bereichs der Massenkommunikation durch die fehlende Berücksichtigung des Erlöses aus dem Verkauf von Büchern einerseits zu eng, so ist diese andererseits durch die undifferenzierte Berücksichtigung audiovisueller Produkte viel zu weit geraten. Unter den Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 lassen sich so problemlos auch die Erlöse aus dem Verkauf von Fernseh- und Videogeräten u.ä. subsumieren. Folge hiervon ist, daß die Gesamteinnahmen des Medienbereichs künstlich angehoben werden und so der 20%-Grenze des Abs. 2 vieles von ihrer "Gefahrlichkeit" genommen wird. Da derartige "audiovisuelle Produkte" überwiegend industriellen Charakter haben und mit einem möglichen Einfluß auf die Meinungsbildung nur wenig zu tun haben, wäre auch hier eine Korrektur durch den Gesetzgeber angebracht. 31 Eine Ausweitung der Berechnungsgrundlage nach Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 hat auch die Berücksichtigung der Rundfunkgebühr zur Folge. 32 Zunächst hat der Gesetzgeber hierdurch klargestellt, daß auch die öffentliche Konzessionärin den Grenzen des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 unterliegt. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, da sich auch ein öffentliches Unternehmen
29 Der Mondadori-Verlag wurde durch einen zwischen Berlusconi und De Benedetti ausgehandelten Kompromiß unter den beiden Großunternehmern aufgeteilt. Die auf Bücher und Zeitschriften ausgerichtete Verlagstätigkeit der Mondadori ging dabei an den Mailänder Medienunternehmer, während die Tageszeitung La Repubblica und das politische Wochenmagazin L 'Espresso De Benedetti zugeschlagen wurden. 30 E. Roppo - Trasparenza e pluralismo dei sistema radiotelevisivo, in: R. Zaccaria/P. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in Italia, Turin 1994, S. 227 (239). 31 Graf Wrangei, S. 875 behilft sich mit einere teleologischen Reduktion des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 22311990 auf die Erlöse aus dem Verkauf solcher Produkte, die Einfluß auf die Meinungsbildung ausüben können. Angesichts des klaren Wortlauts der Bestimmung ist dies jedoch nicht ganz unproblematisch. Zudem läßt sich nicht ausschließen, daß der Gesetzgeber bewußt die Grundlage für die Berechnung der 20%Grenze des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 22311990 ausweitet hat. 32 Die Rundfunkgebühr wurde erst im Zuge der parlamentarischen Beratungen in die Liste des Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 22311990 aufgenommen. Siehe Lanzillo, S. 298.
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in einer marktbeherrschenden Stellung befinden kann,33 auch wenn eine solche auf Grund der Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu einer binnenplurnlen Struktur sicherlich weit weniger Gefahren fiir eine pluralistische Fernsehlandschaft in sich birgt als ein privates Monopol oder Oligopol. Dennoch sollte eine eigene Regelung fiir die öffentliche Konzessionärin, etwa im Rahmen des Art. 24 Gesetz Nr. 223/1990 gefunden werden, da die öffentliche Rundfunkgebühr keinen "Marktanteil" darstellt, der von einem privaten Veranstalter erlangt werden könnte. Die Berucksichtigung des Gebührenaufkommens wirkt daher allein zu Gunsten privater Anbieter, da ihnen die Möglichkeit gegeben wird, andere ,,Marktanteile" zu gewinnen, ohne die Grenze des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 zu überschreiten. Besonders deutlich werden die in Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 enthaltenen Widerspruche, wenn es um die FeststeUung des Vorliegens eines "reinen" Medienunternehmers geht, fiir den die Grenze des Abs. 2 von 20% auf 25% Marktanteil angehoben wird. Der zunächst schwer zugängliche Sinn einer Unterscheidung nach "reinen" und sonstigen Medienunternehmern liegt in den grundsätzlichen Vorbehalten des Gesetzgebers gegenüber Verflechtungen zwischen Medien und Industrie sowie in der Annahme einer größeren Objektivität "reiner" Medienunternehmer. 34 Da als "reine" Medienunternehmer nur solche gelten, die mindestens zwei Drittel ihrer Einnahmen im Bereich der Massenkommunikation erwirtschaften, muß fiir die Feststellung dieser Voraussetzung gleichfalls auf Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 zurückgegriffen werden. Dadurch ergibt sich das skurrile Ergebnis, daß ein Unternehmer, der seine Einnahmen ausschließlich aus dem Verlegen von Büchern erzielt, im Gegensatz zu einem Hersteller von Fernsehgeräten nicht als "reiner" Medienunternehmer im Sinne des Allgemeinen Rundfunkgesetzes gilt. Ein weiterer Grund dafiir, daß die Regelung des Art. 15 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 223/1990 in der Vergangenheit bei der Verhinderung zunehmender Medienkonzentration kaum eine Rolle gespielt hat, liegt darin, daß die Nichtigkeitsfolge, die fiir die Rechtsgeschäfte vorgesehen ist, die zu einer Überschreitung der 200/0- bzw. 250/0-Grenze führen, nur von einem sehr begrenzten Personenkreis geltend gemacht werden kann. Nach Art. 1421 Codice civile35 sind nur Personen mit einem speziellen Rechtsschutzinteresse, d.h. unmittelbar vom Rechtsgeschäft Betroffene legitimiert, die Nichtigkeit gerichtlich geltend zu machen. 36 Damit wird ein Großteil möglicher Kläger ausgeschlossen. Insbe-
Lanzillo, S. 298. 34 Lanzillo, S. 316; GrafWrangei, S. 875.
33
35 36
Eine Übersetzung des Art. 1421 Codice civile fmdet sich im Anhang. Siehe auch Art. 100 Codice di procedura civile.
8 pfeifer
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Femsehsektor
sondere ist es Unternehmen nicht möglich, gegen die Überschreitung der Konzentrationsgrenzen durch einen Wettbewerber vorzugehen. 3? Auch die Medienaufsicht wird insoweit nicht besser gestellt. Art. 31 Abs. 6 Gesetz Nr. 223/1990 sieht vor, daß sie im Falle des Überschreitens der Grenze des Art. 15 Abs. 2 Gesetz Nr. 223/1990 das betreffende Unternehmen auffordert, die notwendigen Handlungen vorzunehmen, um dem Verbot nachzukommen. Notfalls kann die Medienaufsicht dem Postminister den Widerruf der Konzession vorschlagen. Eine Klagebefugnis ist aber auch ihr nicht eingeräumt worden. Sinnvoller wurde die Materie vom Gesetz Nr. 67/1987 fiir den Bereich der Presse geregelt. Nach Art. 3 Abs. 6 Gesetz Nr. 67/1987 kann ausdrticklich auch die Presseaufsicht ein Überschreiten der Konzentrationsgrenzen des Pressegesetzes gerichtlich geltend machen. Um die Durchsetzung des Art. 15 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 223/1990 effektiver zu gestalten, wäre es sinnvoll, auch im Rahmen des Art. 31 Abs. 6 Gesetz eine entsprechende Regelung zu treffen. 38 Das Gesetz Nr. 249/1997 hat nur in einem kleinen Teilbereich des Art. 15 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 223/1990 für eine Verbesserung gesorgt. Nach Art. 2 Abs. 8 lit. d) Gesetz Nr. 249/1997 dürfen Unternehmen, die im Rundfunkbereich und als Verleger von Tageszeitungen und Periodika tätig sind, maximal 20% der Gesamteinnahmen beider Märkte erzielen. Eine Anhebung dieser Grenze fiir "reine" Medienunternehmen ist nicht vorgesehen, so daß die hierdurch verursachten Ungereimtheiten des Art. 15 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 223/1990 für diesen Teilbereich beseitigt wurden. Allerdings ist die Aufzählung der bei der Berechnung der Gesamteinnahmen zu berticksichtigenden Komponenten des Art. 2 Abs. 8 lit. d) Gesetz Nr. 249/1997 mit Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 nahezu identisch und wirft damit dieselben Fragen auf.
IL Einschränkung monomedialer Konzentration Zur Einschränkung monomedialer Konzentration hält die "legge Mammi" im wesentlichen drei Bestimmungen bereit: Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 regelt die Materie für landesweit ausstrahlende Privatsender, Art. 24 Abs. 1 trifft eine Spezialregelung für die RAl und Art. 19 Abs. 1 befaßt sich mit den Lokalsendern.
3? 38
GrafWrangei, S. 875. Ebenso Lanzi/lo, S. 319.
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1. Das landesweite Privatfernsehen (Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990) Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 bestimmt, daß niemand Inhaber von mehr als 25% der im Zuweisungsplan :für die Rundfunkfrequenzen vorgesehenen Konzessionen sein darf. Die Inhaberschaft von bis zu drei Konzessionen bleibt jedoch auch dann erlaubt, wenn hierdurch die 25%-Grenze überschritten wird.
Diese Bestimmung stand von Anfang an im Mittelpunkt der Kritik, da ihr vorgeworfen wurde, statt zur Stärkung des Außenpluralismus zur Stabilisierung der bei Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 223/1990 bereits bestehenden Situation beigetragen zu haben. In der Tat konnte sich der Postminister, als er 1992 die ersten Konzessionen für das landesweit ausstrahlende Fernsehen vergab, auf diese Bestimmung berufen und der Fininvest Silvio Berlusconis alle drei beantragten Konzessionen fiir die bereits operierenden Sender erteilen. Von der ganz herrschenden Meinung in der Literatur wurde die Verfassungsmäßigkeit des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 bezweifelt. Mehrheitlich wurde darauf hingewiesen, daß der Inhalt der Bestimmung nicht mit den vom Verfassungsgericht an eine wiIksame Antikonzentrationsbestimmung gestellten Anforderungen übereinstimme. 39 Gestützt wurde diese Ansicht zumeist auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1988, in dem das Bestehen einer effektiven Unterbindung extremer Konzentrationsprozesse (abermals) zur Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines auf nationaler Ebene arbeitenden Privatfernsehens gemacht worden war. 40 In diesem Zusammenhang hatten die Verfassungsrichter darauf hingewiesen, daß fiir eine pluralistische Fernsehlandschaft auf nationaler Ebene die Konkurrenz zwischen einem öffentlichen ,,Rundfunkpol" und einem privaten ,,Rundfunkpol", vertreten durch einen einzigen Veranstalter oder einem Veranstalter in marktbeherrschender Stellung, nicht ausreichen könne. 41 Genau diese Situation wurde nun aber durch Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 legitimiert. Die Erklärung der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung durch das Verfassungsgericht schien daher nur eine Frage der Zeit zu sein und 39 Stellvertretend fiir viele andere R. Lanzillo - Commento all' Art. 15 commi 1-7 und p. Caretti - Commento all'art. 19, in: R. ZaccarialE. Roppo (Hrsg.) - TI sistema radiotelevisivo pubblico e privato, Mailand 1991, S. 302 f. und 307; C. Chiola/S. VanniniRadiotelevisione, Encic10pedia giuridica "Treccani", XXV, Rom 1992, S. 21; C. LetzguslL. Violini-Ferrari - Das italienische Allgemeine Rundfunkgesetz zwischen aktuellem Duopol und erhofftem Pluralismus, Ruf 1993,20 (32). 40 Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 (3938). So auch schon Corte cost. Nr. 148/1981, Giur. cost. 1981,1379 (1408 f.). Siehe 1. Teil A, V und VlIl. 41 Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988,3893 (3934).
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
in der Tat geschah dies schließlich im Dezember 1994 durch das Urteil Nr. 420/1994. 42 Um durch diese Entscheidung eine Normenlücke zu vermeiden, erklärte der Verfassungsgerichtshof allerdings das Übergangsgesetz Nr. 422/ 1993 fiirverfassungskonform, durch das die aktuelle Situation fiir einen provisorischen Zeitraum von höchstens drei Jahren festgeschrieben wurde, um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, eine umfassende Neuregelung des gesamten öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens zu erlassen. 43 Nachdem dieser provisorische Zustand durch das Gesetz Nr. 650/1996 verlängert wurde, hat der Gesetzgeber durch das Gesetz Nr. 249/1997 ("legge Maccanico") schließlich neue Grenzen fiir die monomediale Konzentration festgelegt.44 Die Rahmenbedingungen fiir diese Neuregelung wurden ihm dabei vom Verfassungsgerichtshof durch das Urteil Nr. 420/1994 vorgegeben. a) Hinweise des Verfassungsgerichtshofes fiir eine Neuregelung (Urteil Nr. 420/1994) Da es auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes eine Ideallösung nicht gibt, von der behauptet werden könnte, sie sei die einzige, die dem durch Art. 21 der Verfassung gesetzten Rahmen gerecht werde,45 beschränken sich ein Großteil der im Urteil Nr. 420/1994 enthaltenen Hinweise darauf, dem Gesetzgeber die Grenzen einer Neuregelung des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 aufzuzeigen. Zu den Hinweisen dieser Art zählt die Ermahnung des Gerichts, daß der Gesetzgeber unter keinen Umständen eine Regelung treffen könne, die es einem Veranstalter ermögliche, Inhaber eines Viertels sämtlicher Konzessionen oder gar eines Drittels der dem Privatfernsehen vorbehaltenen Konzessionen zu sein. 46 Diese Aussage ist im Zusammenhang mit dem nationalen Plan fiir die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen zu sehen, der lediglich neun Konzessionen fiir das landesweite Privatfernsehen und drei Konzessionen fiir das öffentlichrechtliche Fernsehen vorsieht. 47 Weiter heißt es in dem Urteil, daß es trotz der besonderen Situation Italiens, die durch das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung gekennzeichnet sei, es durchaus möglich sei, eine Regelung zu 42 43
Corte cost. Nr. 420/1994, Giur. cost. 1994, 3716 ff. Siehe 1. Teil D. Art. I Abs. I, Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 442/1993. Siehe
auch I. Teil C. 44 Siehe oben 1. Teil F. 45 Corte cost. NT. 420/1994, Giur. cost. 1994,3716 (37410. 46 Ebenda, S. 3742 und 3745. 47 d.P.R. vom 20. Januar 1992. Zum Frequenzenplan siehe auch I. Teil C.
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finden, die in ausgewogener Weise die Notwendigkeit einer Ausweitung der Zahl der Anbieter und die wirtschaftlichen Gegebenheiten berücksichtige. Um allerdings die vorn Verfassungsgericht aufgestellten Prinzipien einzuhalten, müsse der Gesetzgeber die derzeit bestehende Konzentration einschränken und schrittweise abbauen, da man nicht umhin könne festzustellen, daß sich aus der Inhaberschaft dreier von insgesamt neun Konzessionen ein übermäßiger Vorteil bei der Ausnutzung der Mittel und bei der Erlangung von Werbeverträgen ergebe. 48 Dem Gesetzgeber wurde durch diese Aussage die Möglichkeit genommen, mit einern dem Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 ähnlichen "Fonnelkomprorniß" die bestehende Situation unverändert zu lassen. Die Unzulänglichkeit der im Jahr 1990 getroffenen Regelung folgt rur das Verfassungsgericht auch aus einem Vergleich mit entsprechenden Bestimmungen in anderen Ländern und insbesondere den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die durchweg weitaus restriktivere Regelungen getroffen haben. 49 Eine Neuregelung hat sich daher am "europäischen Standard" zu orientieren und darf sich nicht darauf beschränken, eine in Europa einzigartige Medienkonzentration hinzunehmen oder nur an deren Rändern zu beschneiden. Zur Begründung der Unzulänglichkeit der Regelung des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 stellt das Verfassungsgericht einen weiteren Vergleich mit den fiir den Pressebereich geltenden Konzentrationsgrenzen an. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. a) Gesetz Nr. 67/1987 gilt fiir den Pressebereich ein Marktanteil von 20% an den in Italien erscheinenden Tageszeitungen als marktbeherrschende Stellung. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts rechtfertigt sich diese Grenze, wie auch die des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990, mit dem Erfordernis, die pluralistische Ausgestaltung der Medienlandschaft zu sichern. Einen gewichtigen Unterschied zwischen beiden Bereichen sieht das Gericht allerdings darin, daß der Zugang zum Markt fiir Presserzeugnisse keinerlei Beschränkung unterliege, während im Bereich des Fernsehens die Begrenztheit der Frequenzen gemeinsam mit der besonderen "Überzeugungskraft" dieses Mediums ein System der Konzessionierung auferlege. Da sich demzufolge im Bereich des Fernsehens die Notwendigkeit nach einer Venneidung marktbeherrschender Stellungen mit dem Erfordernis nach einer unvenneidbaren Begrenzung der erteilbaren Konzessionen verbinde, so in der Urteilsbegründung weiter, könne der zulässige Konzetrationsgrad nur geringer ausfallen, als der fiir den Pressebereich
Corte cost., S. 3743. Ebenda, S. 3743. Für einen Vergleich der Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten siehe das Griinbuch der Europäischen Kommission über Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt, KOM (92) 480 endg., abgedruckt in BR Drs. 77/93. 48
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
geltende. Da weiter aus der Regelung des Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 folge, daß die Inhaberschaft einer Konzession (nach einer im Ennessen des Gesetzgebers stehenden Einschätzung) der Kontrolle von Tageszeitungen entspreche, die einen Marktanteil von 8% erreichen,50 ergebe sich, daß sowohl die 25o/o-Grenze, als auch die Grenze maximal dreier Konzessionen weniger streng sei, als die in Art. 3 Abs. 1 lit. a) Gesetz Nr. 67/1987 enthaltene 20o/o-Grenze. Dies enthülle sowohl die Widersprüchlichkeit, als auch die Untauglichkeit der Regelung. Hinzu komme die Gefahr einer weiteren Ausdehnung der marktbeherrschenden Stellung durch vom Gesetz gestattete Minderheitsbeteiligungen der Inhaber dreier Konzessionen an weiteren Konzessionärsgesellschafren oder Verlagsanstalten. 51 Für den Gesetzgeber ergeben sich aus diesen Ausruhrungen des Verfassungsgerichts im wesentlichen drei Schlußfolgerungen. Erstens muß er darauf achten, daß die zukünftige Regelung zur Eindämmung der Konzentrationen im Bereich des landesweiten Privatfernsehens strenger ausfällt, als die entsprechende Bestimmung rur den Pressebereich. Zweitens muß er beachten, daß bei einem Vergleich der Regelungen rur den Presse- und den Rundfunkbereich nach Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 die Inhaberschaft einer Konzession der Kontrolle über eine Tageszeitung mit 8% Marktanteil gleichsteht. Drittens darf er bei der Festlegung der Grenzwerte auch die Möglichkeit der Minderheitsbeteiligung an anderen Medienunternehmen nicht außer acht lassen. Das Verfassungsgericht weist auch darauf hin, daß sich die Beurteilung des
Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 nicht etwa deshalb ändert., weil die Bestim-
mung im Kontext mit den umfassenderen und restriktiveren Regelungen der Absätze 1-3 steht, da die dort geregelten Aspekte nicht geeignet seien, die derzeit bestehende marktbeherrschende Stellung zu redimensionieren. 52 Selbst wenn man den Bereich sämtlicher Kommunikationsmittel als einheitlichen Markt ansehen würde oder bei Feststellung einer marktbeherrschenden Situation eine überstaatliche Ebene des Marktes berücksichtigen würde, könnte dies an der Unzulänglichkeit der Bestimmung nichts ändern. Dem Meinungspluralismus müsse vielmehr spezifischer Schutz im Bereich des Fernsehens zu Teil werden, nicht zuletzt wegen der weiten Streuung und der besonderen "Überzeugungskraft" der vom Fernsehen ausgestrahlten Infonnationen. Auch die Bezugnahme auf eine überstaatliche Ebene könne an dieser Notwendigkeit auf Grund der wohl bekannten Sprachbarrieren nichts ändern. Dem Gesetzgeber wird vom Verfassungsgericht folglich auch der Weg abgeschnitten, über eine Verschär~
Zu Art. 15 Abs. 1 Gesetz Nr. 22311990 siehe oben 3. Teil A, I. l. Corte cost., S. 3743 f. 52 Ebenda, S. 3744.
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A. Die pluralismussiehemden Bestinunungen
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fung der bestehenden multimedialen Konzentrationsgrenzen um eine Beschneidung der erworbenen Positionen im Fernsehbereich umhin zu kommen. Er muß sich vielmehr um effektive sektorale Antikonzentrationsbestimmungen bemühen. Aus dem Urteil geht nicht mit letzter Deutlichkeit hervor, ob nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes der Gesetzgeber die Zahl der an eine Person erteilbaren Konzessionen auf maximal eine zu begrenzen hat. Einen Hinweis in diese Richtung enthält die Aussage, daß sich aus Art. 21 der Verfassung die Verpflichtung des Gesetzgebers ergebe, einer größtmöglichen Zahl an unterschiedlichen Stimmen den Zugang zum Rundfunk zu verschaffen. 53 Wenn die Gesamtzahl der möglichen Sendekonzessionen aber begrenzt ist, so kann dieses Ziel nur dann erreicht werden, wenn kein Unternehmer fiir sich mehr als eine Konzession beanspruchen kann. 54 An anderer Stelle führt das Gericht jedoch aus, daß zum Zwecke der Sicherung einer pluralistischen Berichterstattung und Kultur auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der im Medienbereich arbeitenden Unternehmen gewährleistet sein muß. 55 Da sich wirtschaftliche Unabhängigkeit oftmals nur über eine bestimmte Unternehmensgröße erreichen läßt, scheint das Verfassungsgericht indirekt auch die Erteilung zweier oder mehrerer Konzessionen zulassen zu wollen. Zwei vom Verfassungsgericht für eine Neuregelung gemachten "Vorschläge" zeigen, daß sich die Richter letztlich in der Frage der Zahl der an ein Unternehmen erteilbaren Konzessionen nicht festlegen wollten. So heißt es am Ende der Urteilsbegründung, daß der Gesetzgeber fiir eine Neuregelung unter verschiedenen denkbaren Lösungen wählen könne; er könne beispielsweise die an einen Veranstalter maximal zu vergebenden Konzessionen herabsetzen oder aber die vom Plan fiir die Zuteilung der Sendefrequenzen vorgesehene Gesamtzahl der Konzessionen anheben, soweit dies allerdings technisch überhaupt möglich sei. Selbstverständlich ist der Gesetzgeber an diese "Vorschläge" nicht gebunden; sie zeigen dennoch die Präferenzen des Verfassungsgerichtshofes.
Ebenda, S. 3741. 54 Ebenso R. Pardolesi - Pluralisrno estemo (non piu d'una rete a testa ?) per l'etere privato, Foro italiano 1995, 5 (9); 0. Grandinetti - Risorse pubblieitarie, stampa, ernittenza locale e "pay-tv": le grandi assenti nella decisione ehe ha diehiarato l'incostituzio-nalitä dell'art. 15 eornrna 41. n. 223 de11990, Giur. eost. 1994, 3758 (3759); G. VotanoConeentrazioni televisive: Cronaca di un ineostituzionalitä annuneiata, Dir. inf. 1995, 316(321). 55 Corte eost., S. 3743. 53
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
b) Vom Verfassungsgerichtshofaußer acht gelassene Aspekte Trotz der zahlreichen an die Adresse des Gesetzgebers gerichteten Hinweise für eine Neuregelung hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil Nr. 420/ 1994 einige Gesichtspunkte außer acht gelassen. Dies gilt in besonderem Maße für die fehlende Berücksichtigung der Möglichkeiten, die sich dem Fernsehsektor durch die technische Entwicklung eröffnen. Satellitenempfang, Digitaltechnik und Glasfaserkabel werden in naher Zukunft in der Lage sein, den Veranstaltern fast in unbegrenzter Zahl Sendefrequenzen zur Verfügung zu stellen. 56 Während sich die Unternehmen darauf vorbereiten, diese Techniken zu nutzen, argumentiert das Verfassungsgericht weiterhin auf der Grundlage einer grundsätzlich begrenzten Zahl an Sendefrequenzen. 57 Dies ist um so verwunderlicher, als das Gesetz Nr. 422/1993, dessen Verfassungsmäßigkeit im selben Urteil bestätigt wurde,58 dem Postminister aufgibt, den nationalen Plan für die Zuteilung der Rundfunkfrequenzen unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zu überarbeiten (Art. 3 Abs. 1 Gesetz Nr. 422/1993). Aus dieser Diskrepanz ergeben sich Unsicherheiten für die Zukunft. Das Gericht selbst hat zu erkennen gegeben, daß es in der Gewährung der Inhaberschaft von bis zu drei Konzessionen für das landesweite Fernsehen keinen Verstoß gegen das Gebot einer pluralistischen Fernsehlandschaft erkennen würde, wenn nur die Gesamtzahl der zu vergebenden Konzessionen höher läge. 59 Da der technische Fortschritt in absehbarer Zeit ein Vielfaches der derzeitigen Frequenzen für das Fernsehen bereitstellen wird, wäre eine deutliche Anhebung der Zahl der zu vergebenden Sendekonzessionen kein (technisches) Problem mehr. Offensichtlich unbefriedigende Folge hiervon wäre, daß der Gesetzgeber an der bisherigen Regelung festhalten könnte. Um den Ausfiihrungen des Verfassungsgerichts auch in dieser veränderten Situation einen konzentrationsbegrenzenden Sinn beimessen zu können, wurde in den Kommentaren zum Urteil Nr. 420/1994 darüber spekuliert, ob sich das Verfassungsgericht unterschiedslos auf den gesamten Fernsehsektor bezogen habe
56 Art. 12 der zwischen Postministerimn Wld RA! ausgehandelten Konvention (d.P.R. vom 28. März 1994) verpflichtet in diesem Zusammenhang die öffentliche Konzessionärin zur Erprobung neuster Übertragungstechniken. Siehe auch Art. 29 des ,,Dienstvertrages" 1997/2000 zwischen dem Minister fiir Kommunikation Wld der RA! (G.u. 1997, Nr. 286). Derzeit experimentiert jedoch nur der Pay-TV-Sender "Telepiu" mit der Digitaltechnik. Siehe den Corriere della Sera vom 17. Juni 1996. Speziell zwn KabelWld Satellitenfernsehen siehe Wlten 3. Teil B bzw. C. 57 Pardolesi, S. 9. 58 Siehe 1. Teil D. 59 Siehe oben 3. Teil A, 11. 1 a).
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oder aber die Forderung nach wirksamen Antikonzentrationsbestimrnungen getrennt fiir die einzelnen Bereiche des Kabel-, Satelliten- und drahtungebundenen terrestrischen Fernsehens betrachtet werden müsse. Eine eventuelle Begrenztheit der Sendefrequenzen fiir die drahtlose terrestrischen Übertragung hätte dann, zumindest fiir diesen Bereich, eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Senkung der an ein Unternehmen erteilbaren Konzessionen bedeutet. Die Autoren, die sich fiir eine getrennte Betrachtungsweise der einzelnen Bereiche aussprechen, weisen zur Begründung ihrer Ansicht auf die Forderung des Verfassungsgerichtshofes hin, nicht nur das Entstehen medienübergreifender Meinungsmonopole zu verhindern, sondern auch eine pluralistische Ausgestaltung der einzelnen Sektoren zu gewährleisten. Aus dieser Forderung, so die vertretene Meinung, ergebe sich die Verpflichtung spezielle Konzentrationsgrenzen fiir die einzelnen Übertragungswege (Kabel, Satellit und Äther) zu schaffen. 60 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da das Verfassungsgericht seine Ausfiihrungen offensichtlich auf unterschiedliche Medien (Hörfunk, Fernsehen, Presse, usw.) bezogen hat, es hier aber um die technische Art und Weise der Weiterverbreitung ein und desselben Mediums geht. In diesem Zusammenhang wurde von der Fininvest im Verfahren vor dem Verfassungsgericht vorgebracht, daß sich bereits aus Art. 1 der EG-Fernsehrichtlinie61 ein einheitlicher Markt fiir Kabel-, Satelliten- und Ätherübertragungen ergebe. 62 Zwar trifft zu, daß Art. 1 lit. a) Fernsehprogramme unabhängig von der konkreten Übertragungsform unter den Begriff der "Fernsehsendungen" faßt, dies geschieht jedoch nicht zum Zwecke der Konzentrationskontrolle, die überhaupt nicht Gegenstand der Richtlinie ist. Neben den Vorgaben des Verfassungsgerichts werden von den Befurwortern einer getrennten Betrachtungsweise der einzelnen Bereiche die Unterschiede angefiihrt, die zwischen Kabel-, Satelliten- und drahtlosem terrestrischem Fernsehen bzgl. Sendekosten, Werbeeinnalunen und Zuschaueranteilen bestehen. 63 Diese Unterschiede, so wird behauptet, würden eine unterschiedslose Berücksichtigung sämtlicher verfugbarer Kanäle bei der Festsetzung der Konzentrationsgrenzen verbieten. 60 A ContaldolL. Vespignani - La concentrazione delle televisioni nazionali e la libertit di "informazione", Dir. inf. 1995, 330 (332); F. Pinto - La coerenza delle regole, Giustizia civile 1995, 34 (41); R. Zaccaria - La Corte costituzionale applica direttamente il principio pluralistico in rnateria radiotelevisiva e ... ,,non fa il vuoto", Giur. cost. 1994,3748 (3757). 61 RL 89/552fEWG (ABI. 1989, L 298/23 ff). 62 Corte. Cost. Nr. 420/1994, Giur. cost. 1994,3716 (3726 f.). 63 Zaccaria, S. 3757; Votano, S. 322.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
Selbst wenn man die genannten Unterschiede als so gravierend ansieht, daß sich aus ihnen die Notwendigkeit nach einer Sicherung des Pluralismus bis in die einzelnen Bereiche unterschiedlicher Übertragungstechniken hinein ergibt, so bleibt doch die Tatsache, daß der technische Fortschritt jedem einzelnen Bereich eine so große Anzahl an Sendefrequenzen für das landesweite Fernsehen zur Verfiigung stellen wird, daß der Postminister in der Lage sein wird, die Gesamtzahl der Sendekonzessionen (für jeden einzelnen Bereich) erheblich anzuheben. Für das Kabelfernsehen ergibt sich dies aus der Benutzung moderner Glasfaserkabel, die den Transport einer fast unbegrenzten Zahl an Sendesignalen ohne Gefahr des Entstehens von Interferenzen ermöglicht. Auch Satelliten schließen die Gefahr von Interferenzen aus und können daher eine nahezu beliebige Zahl an Signalen senden. Für die drahtlose terrestrische Übertragung ergibt sich die Ausweitung der Kapazitäten aus der Digitaltechnik, die es ermöglicht, über ein und dieselbe Frequenz bis zu sieben Programme weiterzuverbreiten. 64 Bei gleichbleibender Zahl der dem landesweiten Fernsehen vorbehaltenen Frequenzen werden daher in Zukunft allein in diesem Bereich weit mehr als fünfzig statt der bislang vom Frequenzenplan vorgesehen zwölf Programme eingeplant werden können. Damit würde aber der Inhaber von drei Konzessionen weit weniger als 25% aller Konzessionen für den Bereich der drahtlosen terrestrischen Übertragung besitzen. Selbst die vom Verfassungsgericht aus einem Vergleich mit der entsprechenden Regelung für den Pressebereich geforderte Beschränkung auf höchstens 20% sämtlicher Konzessionen in einer Privatunternehmerhand würde demzufolge mühelos eingehalten werden. 65 Durch die konsequente Ausnutzung der technischen Potentiale wäre es demnach selbst für die einzelnen Bereiche (Kabel, Satellit, Äther) ein Leichtes den "Vorschlag" des Verfassungsgerichts nach einer Anhebung der insgesamt zu vergebenden Konzessionen bei Beibehaltung der Höchstgrenze von drei Konzessionen pro Unternehmer umzusetzen. Hieran wird deutlich, daß nicht nur das Verfassungsgericht in technisch überholten Kategorien denkt, sondern auch die Grenze der "drei Konzessionen" einen unbrauchbaren Parameter zur Begrenzung der Medienmacht einzelner Unternehmer darstellt. 66 Die Inhaberschaft einer Sendekonzession stellt zunächst nur die Möglichkeit zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung dar, was nicht mit einer tatsächlichen Beeinflus-
64 C. De Martini - Spunti per una rifonna deI sistema te1evisivo, Dir. inf 1995, 243 (246); ContaldolVespignani, S. 331. Zu den Gefahren und Entwicklungsmöglichkeiten die sich aus Benutzung der Digitaltechnik filr den Rundfunk- und Te1ekommunikationsbereich ergeben siehe J. Jacobelli (Hrsg.) - Dall'analogico al digitale, Bari 1996. 65 Siehe oben 3. Teil A, Il. I a). 66 Ebenso P. Graf Wrangel - Die Fusionskontrolle des italienischen Rundfunkgesetzes, GRUR Int. 1991,870 (882); ContaldolVespignani, S. 331.
A. Die pluralismussichemden Bestimmungen
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sung gleichbedeutend ist. Die Untauglichkeit des KriteriGms wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen fUhrt, daß ein Unternehmer, der drei landesweite Programme ausstrahlt, die nur einen unerheblichen Anteil der Einschaltquoten erreichen, mit einem Veranstalter von drei Programmen [;!I!ichgestellt wird, die von über 40% der Zuschauer verfolgt werden. Wäre die Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes zutreffend, daß die Inhaberschaft einer Konzession in der Regel mit einem entsprechenden Marktanteil gleichzusetzen ist, so dürften RA! und Fininvest als Inhaber von je 25% der Konzessionen fiir das landesweite Fernsehen über einen entsprechenden Marktanteil nicht hinauskommen. Die tatsächlichen Verhältnisse zeigen, daß dies nicht der Fall ist. Beide Veranstalter teilen sich 90% des Marktes sowohl bezüglich der Einschaltquoten, als auch bezüglich der Werbeeinnahmen. Zu diesen, vom Verfassungsgerichtshof scheinbar akzeptierten Ungereimtheiten kommt, daß Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 auf die Zahl der zu vergebenden Konzessionen, statt auf die Zahl der tatsächlich erteilten abstellt. So ist im Extremfall denkbar, daß der Inhaber nur einer Konzession 100% des Marktes kontrolliert, etwa im Falle eines Konkurses seiner Konkurrenten, solange nur sichergestellt bleibt, daß einer ausreichenden Anzahl an potentiellen Wettbewerbern der Zugang zum Markt offen bleibt. 67 Schließlich ist auch illusorisch wie das Verfassungsgericht davon auszugehen, daß die Anhebung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen fiir sich genommen bereits einer Stärkung des Außenpluralismus gleichkommt. 68 Würde man beispielsweise sämtlichen derzeit ohne Konzession auf der Grundlage einer vorläufigen Sendeerlaubnis landesweit operierenden Sendern eine Konzession erteilen,69 so würde sich hierdurch an der Aufteilung des Marktes zwischen RAI und Fininvest nichts ändern. 70 Zur Stärkung der pluralistischen Ausgestaltung der Fernsehlandschaft reicht die Anhebung der Zahl der Anbieter allein nicht aus. 71 Vielmehr muß auch ContaldolVespignani, S. 331 f. E. Roppo - TI commento [Corte cost. n. 42011994], CoITiere giuridico 1995, 180 (182). 69 Auf der Grundlage der Art. 32 Abs. 1 Gesetz Nr. 22311990 i. V.m. Art. 11 Abs. 2 und 3 Gesetz Nr. 42211993 sind derzeit vier Veranstalter tätig. Siehe hierzu auch 1. Teil C. 70 A. Pace - La societa concessionaria dei servizio pubblico radiotelevisivo: impresa come "sostanza" e proprieta come mera "forma"?, Giur. cost. 1995, 12 (14, Fn. 10). 71 P. Caretti - Commento all , art. 21, in: R. Zaccaria/E. Roppo (Hrsg.) - TI sistema radiotelevisivo pubblico e privato, Mailand 1991, S. 412 spricht in diesem Zusammenhang von "quantitativem" und "qualitativem" Pluralismus. 67 68
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspelcte im privaten Fernsehselctor
sichergestellt werden, daß der Zuschauer aus einer Vielzahl an publizistisch sich unterscheidenden Programmen auswählen kann. Das Verfassungsgericht selbst hat bereits im Urteil Nr. 826/1988 darauf hingewiesen, daß in einer pluralistischen Fernsehlandschaft die ausgestrahlten Programme heterogene gesellschaftliche Strömungen widerspiegeln müssen. 72 Kaum ein Privatsender ist jedoch derzeit in der Lage ein qualitativ hochwertiges Alternativprogramm zu den Sendungen der RA! oder Fininvest auszustrahlen. Dies ist v.a. auf die schlechte finanzielle Ausstattung der Sender zurückzufiihren, die im Ringen um Werbekunden gegenüber RA! und Fininvest kaum eine Chance haben. Der vom Verfassungsgericht gemachte "Vorschlag", allein die Zahl der zu vergebenden Konzessionen anzuheben, läßt diesen finanziellen Aspekt völlig außer acht. 73 Dabei scheint doch auf der Hand zu liegen, daß sich eine beherrschende Stellung auf dem Fernsehmarkt nicht allein aus den technischen Kapazitäten eines Veranstalters, sondern auch aus der Kontrolle über die Einnahmen (insbes. die Werbeeinnahmen) des Sektors ergibt. 74 Eine pluralistische Fernsehlandschaft wäre durch eine Vielzahl an erteilten Konzessionen nicht sichergestellt, wenn einem Unternehmer die Möglichkeit bliebe, in beliebiger Höhe finanzielle Ressourcen des Bereichs an sich zu binden. Da sich das landesweite und lokale Fernsehen, als auch die Presse zu einem Großteil aus Werbeeinnahmen finanzieren, ist einer Ausweitung der Zahl nationaler Veranstalter auch aus einer anderen Richtung Grenzen gesetzt. Bereits im Urteil Nr. 225/1974 hat das Verfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, über eine angemessene Begrenzung der Werbesendungen sicherzustellen, daß die "Quelle", aus der sich die freie Presse traditionell finanziert, nicht versiegt und so verhindert wird, daß einer Freiheit, die von der Verfassung zum Gegenstand entschlossenen Schutzes gemacht wird, erheblicher Schaden zugefügt wird. 75 Eine spürbare Anhebung der Zahllandesweiter Veranstalter käme aber gerade einer Ausweitung der Werbesendungen gleich mit zwangsläufig nega-
Corte cost. Nr. 826/l988, Giur. cost. 1988,3893 (3928). Siehe auch 1. Teil A, Vlll. Auf den Umstand, daß in Zukunft die mangelnden fmanziellen ,,Ressourcen" des Femsehsektors und nicht die Knappheit der verfiigbaren Frequenzen die Entwicklung zu mehr Pluralismus bremsen wird, weisen auch P. Barile, in: drs. (Hrsg.) - Idee per il governo. Il sistema radiotelevisivo, Bari 1995, S. 3 (37 f) und C. Dematte, ebenda S. 73 (75) hin. AA F. Confalonieri, ebenda S. 56 (63 f) 74 Pinto, S. 40 f 75 Corte cost. Nr. 225/1974, Giur. cost. 1974, 1775 (1789). Siehe zum Urteil Nr. 225/1974 1. Teil A, II. Zum Erfordernis die Werbesendungen zum Schutz der Presse zu beschränken siehe auch M Hartwig - Die Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichts zur Hörfunk- und Fernsehordnung, ZaöRVR Bd. 47 (1987),665 (692). 72
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tiven Folgen fiir die Finanzgrundlage der Presse. 76 Entsprechende Konsequenzen hätte auch die Anhebung der Zahl landesweiter Sender fiir die lokalen Anbieter. Bereits Art. 3 Abs. 2 Gesetz Nr. 422/1993 bestimmt daher, daß der Postminister fiir die Übergangszeit bis zum Erlaß einer umfassenden Neuregelung des gesamten Rundfunkbereichs nicht mehr als acht Konzessionen fiir das landesweite Fernsehen erteilen darf, um u.a. das Gleichgewicht zwischen nationalen und lokalen Sendern zu wahren. Eben dieses Gleichgewicht würde aber durch eine erhebliche Anhebung der Anbieterzahl auf landesweiter Ebene empfindlich gestört werden. 77 Mit einer Anhebung der zu vergebenden Konzessionen alleine ist dem Pluralismus demnach nicht gedient. Vielmehr besteht die Gefahr, daß Ressourcen einfach vom Lokalfernsehen und der Presse auf das landesweite Fernsehen verlagert werden. Einer Stärkung des Außenpluralismus käme dies nicht gleich. c) Auswirkung der "Fernsehreferenden" auf eine Neuregelung Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers fiir eine Neufassung des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 ist nicht nur durch das Urteil Nr. 420/1994, sondern auch durch den Ausgang der "Fernsehreferenden" vom 1l. Juni 1995 beschränkt worden. 78 Eines der Referenden schlug der wahlberechtigten Bevölkerung die Abschaffung derjenigen Normen vor, die einem Unternehmen die Inhaberschaft von mehr als einer Konzession fiir das landesweite Privatfernsehen gestatten. 79 56,4% der Wähler entschieden sich gegen die vorgeschlagene Änderung der "legge Mammi". Fraglich ist, wie dieses Ergebnis mit dem Urteil Nr. 420/1994 in Einklang zu bringen ist. Formal widersprechen sich Referendum und Urteil nicht, da der Verfassungsgerichtshof zwar die relative Grenze von 25% sämtlicher Sendekonzessionen in der Hand eines Privatunternehmers fiir verfas76 O. Grandinetti - Risorse pubblicitarie, stampa, emittenza locale e "pay-tv": le grandi assenti nella decisione che ha dichiarato l'incostituzionalita dell'art. 15 comma 4 1. n. 223 deI 1990, Giur. cost. 1994, 3758 (3763). 77 Ebenda, S. 3763. 78 Siehe oben 1. Teil F. 79 Siehe Art. 15 Abs. 1 lit. b) a.E. und Abs. 1 lit. c) Gesetz Nr. 223/1990. Ursprünglich sollte auch Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 22311990 in diese Liste aufgenommen werden. Nach Erlaß des Urteils Nr. 420/1994 wurde hierauf aber verzichtet, obwohl nur die relative Grenze von 25% sämtlicher Konzessionen in einer Privatunternehmerhand vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt worden war, nicht aber die von Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 eröffnete Möglichkeit Inhaber mehrerer Konzessionen für das landesweite Fernsehen zu sein.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspelete im privaten Fernsehseletor
sungswidrig erklärt hat, dem Gesetzgeber aber die Möglichkeit gelassen hat, an der absoluten Grenze der "drei Konzessionen" festzuhalten. Das Referendum zielte aber gerade auf eine Verschärfung dieser absoluten Konzentrationsgrenze, ohne auf die 25%-Grenze einzuwirken. Dennoch gehen der Ausgang des Referendums und das Urteil des Verfassungsgerichtshofes in der Sache in verschiedene Richtungen. Während das Ergebnis des Volksentscheids die Beibehaltung der bestehenden Situation nahe legt, ist der Verfassungsgerichtshof um eine Redimensionierung der aktuellen Konzentrationen im Bereich des landesweiten Fernsehens bemüht. Selbstverständlich muß der Gesetzgeber auch nach Abhaltung des Referendums die Vorgaben der Verfassung beachten und dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes nachkommen. Unklarer ist die Bindungskraft des Votums vom 1l. Juni 1995. Nach Art. 38 des Gesetzes Nr. 352/1970 hat die Ablehnung eines Referendums durch die Mehrheit der Wähler zur Folge, daß die Abschaffung derselben Bestimmungen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nicht erneut zum Gegenstand eines Volksentscheids gemacht werden kann. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers für einen entsprechenden Zeitraum keine Bestimmungen zu erlassen, die im Widerspruch zum Abstimmungsergebnis stehen, wurde hingegen nicht vorgesehen, da auch in Italien jedes Mitglied des Parlaments bei der Ausübung seines Mandats an Aufträge nicht gebunden ist (Art. 67 Verf.). Dennoch wäre es ein einmaliger Vorfall, wenn sich das Parlament nur wenige Zeit nach einem Referendum über das Abstimmungsergebnis hinwegsetzen würde. 80 Der Gesetzgeber ist daher zwar nicht juristisch, so aber doch politisch an den Ausgang des Referendums gebunden. Hieraus folgt, daß einerseits keinem Privatunternehmer die Inhaberschaft von bis zu 25% sämtlicher Sendekonzessionen zugestanden werden darf (Urteil Nr. 420/1994), andererseits aber auch die Möglichkeit erhalten bleiben muß, mehr als nur eine Konzession zu erhalten (Referendum vom 11. Juni 1995). d) Die Neuregelung durch Art. 2 des Reformgesetzes "Maccanico" Mit Erlaß des Gesetzes Nr. 249/1997 ist der Gesetzgeber der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes gefolgt und hat neue Grenzen für die monomediale Konzentration gesetzt. Dabei scheint er seine Hoffnungen hinsichtlich einer pluralistischeren Fernsehlandschaft gänzlich auf die Entwicklung der
80 Bislang ist es nicht vorgekommen, daß vom Parlament innerhalb derselben legislaturperiode, in der ein Referendum abgehalten wurde, Maßnahmen ergriffen wurden, die im Widerspruch zum Willen der Wähler standen. Siehe Contaldo/Vespignani, S. 338 (Fn. 16).
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neuen Übertragungstechniken (Kabel und Satellit) zu setzen, während er bezüglich der herkömmlichen Übertragungstechnik eine eher ,,konservative" Haltung einnimmt. In der Tat dürfte sich auch in naher Zukunft ganz im Gegensatz zu den anfllnglichen Absichten des Regierung nur wenig an der verfassungswidrigen oligopolistischen Gestalt der italienischen Fernsehlandschaft im Bereich der herkömmlichen Übertragungstechnik ändern. Ein generelles Verbot filr die Erlangung oder Beibehaltung einer marktbeherrschenden Stellung im Bereich des Fernsehens ist in Art. 2 Abs. I Gesetz Nr. 249/1997 enthalten. Damit wird das allgemeinere Verbot des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, das im Kartellgesetz Nr. 287/1990 enthalten ist, durch eine speziellere und strengere Regelung überlagert. Allerdings enthält das Gesetz Nr. 249/1997 eine derart große Anzahl an Ausnahmen und Übergangsbestimmungen, so daß der gesamten Regelung ihr innovativer Charakter genommen wird. Das in Art. 2 Abs. I Gesetz Nr. 249/1997 ausgesprochene allgemeine Verbot wird zur Verhinderung monomedialer Konzentration in zwei Richtungen konkretisiert. Zum einen wird ähnlich Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 22311990 die Gesamtzahl der durch einen Anbieter gesendeten Programme begrenzt, zum anderen wird eine Grenze rur die erzielbaren Einnahmen aufgestellt. aa) Anzahl der durch einen Anbieter gesendeten Programme Art. 2 Abs. 6 Gesetz Nr. 249/1997 legt fest, daß kein Anbieter mehr als 20% aller im nationalen Frequenzenplan vorgesehenen landesweiten Programme kontrollieren darf, die mittels analoger Übertragungstechnik auf terrestrischen Frequenzen gesendet werden. Für den Bereich der digitalen Übertragung auf terrestrischen Frequenzen sieht Art. 2 Abs. 6 Gesetz Nr. 249/1997 ebenfalls eine 20 % - Grenze vor. Allerdings kann hier die Medienaufsicht eine Übergangszeit bestimmen, um die Errichtung dieses neuen Marktes zu erleichtern. Damit scheint der Gesetzgeber dem Gebot des Verfassungsgerichts aus dem Urteil Nr. 420/1994 nachgekommen zu sein, in dem die entsprechende 25% Grenze des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 rur verfassungswidrig erklärt wurde. sl Bedenken hinsichtlich der Verfassungsgemäßheit der neuen Regelung ergeben sich aber in erster Linie aus den vorgesehenen Übergangs- und Ausnahmebestimmungen. Da gemäß Art. 3 Abs. I und 2 Gesetz Nr. 249/1997 die Anwendung der neuen Grenzen vom Erlaß eines neuen nationalen Frequenzenplanes abhängig ist und sämtliche Anbieter bis zu diesem Zeitpunkt auf den der-
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Siehe oben 3. Teil A., 11., I. und I. Teil D.
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3. Teil: Wesentliche Reformaspekte im privaten Fernsehsektor
zeit besetzten Frequenzen weitersenden dürfen, in der Vergangenheit die Erstellung dieses Planes aber nicht nur Monate sondern Jahre in Anspruch genommen hat, ist allein schon aus diesem Grunde eine Änderung der derzeitigen Lage auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. 82 So wurde denn auch die Frist rur die Erstellung des Planes durch Art. lAbs. 1 Gesetz Nr. 122/1998 bereits erstmalig verlängert. Gravierender ist noch der Umstand, daß selbst nach Annahme des Frequenzenplanes die Anwendung der neuen Grenzwerte nicht gewährleistet ist. Nach Art. 3 Abs. 6, 7 und 11 Gesetz Nr. 249/1997 steht es nämlich der Medienaufsicht frei, einem Anbieter die Veranstaltung von mehr als 20% sämtlicher mittels terrestrischer Frequenzen übertragener Programme solange zu gestatten, bis diese eine "angemessene" Ausstattung der Benutzer mit Empfangsgeräten fUr Satelliten- und Kabelprogramme festgestellt hat. Da hierdurch die Frequenzen, die gemäß des zu erlassenden Frequenzenplans neuen Anbietern zugeteilt werden sollen, nicht frei werden, verschiebt sich zwangsläufig auch die Anwendung des Planes selbst. Wie man sieht, schreibt damit das Gesetz Nr. 249/1997 die bestehende Situation auf Jahre hinaus fest, obwohl das Verfassungsgericht in seinem Urteil Nr. 420/1994 diese als "unverlängerbar" bezeichnet hat. 83 Zudem fehlt in dem Gesetz Nr. 249/1997 auch eine vom Verfassungsgericht geforderte angemessene Berücksichtigung der zulässigen Minderheitsbeteiligungen bei der Berechnung der Grenzwerte. Wie bereits Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 22311990 so stellt auch Art. 2 Abs. 6 i. V .m. Abs. 16 und 17 Gesetz Nr. 249/1997 allein auf "kontrollierte" Programme.84 Zu begrüßen ist hingegen, daß der Gesetzgeber anders als das Verfassungsgericht die Möglichkeit der digitalen Übertragungstechnik berücksichtigt hat und durch die Trennung beider Bereiche die Effektivität der neuen Grenzwerte rur den Bereich analoger Übertragung sicherstellt. bb) Begrenzung des erzielbaren Anteils der Gesamteinnahmen des Fernsehsektors Art. 2 Abs. 8 Gesetz Nr. 249/1997 begrenzt den durch ein Unternehmen erzielbaren Anteil an den Gesamteinnahmen des Fernsehsektors. Zu diesem Zweck unterscheidet die genannte Bestimmung verschiedene Märkte. Für den 82 Ebenso 0. Grandinetti - La nuova disciplina della televisione, Gior. dir. am. 1997, 1105 (1109 f.). 83 Siehe oben 3. Teil A., 11., 1., a). 84 Wie bereits Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 so stellt auch Art. 2 Abs. 6 i.V.m. Abs. 16 und 17 Gesetz Nr. 249/1997 allein auf "kontrollierte" Programme.
A Die pluralismussichernden Bestimmungen
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Bereich monomedialer Konzentration sind dabei der Markt der auf terrestrischen Frequenzen gesendeten verschlüsselten und unverschlüsselten Programme einerseits (Art. 2 Abs. 8 lit. a» und derjenige der Kabel- und Satellitenprogramme andererseits (Art. 2 Abs. 8 lit. c» von Interesse. 85 Für beide Bereiche wird der zulässige Anteil an den Gesamteinnahmen auf 30 % begrenzt. Auch hier ist aber die zügige Anwendung der genannten Grenzen nicht sichergestellt. Nach Art. 2 Abs. 9 Gesetz Nr. 249/1997 ist der Medienaufsicht vielmehr die unmittelbare Anwendung des Art. 2 Abs. 8 Gesetz Nr. 249/1997 gegenüber den Veranstaltern verwehrt, die bei Inkrafttreten des Gesetzes "aufgrund spontaner Entwicklung ihres Unternehmens" bereits mehr als 30% der Gesamteinnahmen erzielen. In einem solchen Fall wird auf ein umfangreiches Verfahren verwiesen, im Rahmen dessen die Medienaufsicht anband einer Vielzahl von Kriterien (Art. 2 Abs. 9 Gesetz Nr. 249/1997) überprüfen muß, ob die Überschreitung der 30% - Grenze auch im Einzelfall eine marktbeherrschende Position begründet, die den Wettbewerb und Pluralismus beeinträchtigt. Eine derartige Ausnahmeregelung gerät aber zwangsläufig mit dem Verbot der bloßen Erlangung oder Beibehaltung (und nicht nur des Mißbrauchs) einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 2 Abs. 1 Gesetz Nr. 249/1997) in Konflikt, wenn das bereits verbotene bloße Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung ausgerechnet damit gerechtfertigt werden kann, daß hierdurch keine Beeinträchtigung von Wettbewerb und Pluralismus zu befürchten ist. 86 Die ganz offensichtlich auf die Bedürfnisse der Mediaset Silvio Berlusconis zugeschnittene Ausnahmeregelung hebelt somit die grundsätzlich zu begrüssende Entscheidung des Gesetzgebers wieder aus, den Anteil eines Unternehmens an den Gesamteinnahmen des Sektors als weiteres Kriterium zur Feststellung einer marktbeherrschenden Position einzuführen. 2. Das lokale Privatfernsehen (Art. 19 Abs. 1 und 4 Gesetz Nr. 223/1990) Während Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 nur von Konzessionen zur Veranstaltung landesweiten Fernsehens spricht, sind die Konzessionen für das lokale Fernsehen Regelungsgegenstand des Art. 19 Abs. 1 und 4 Gesetz Nr. 223/1990. 87 Unter Fernsehausstrahlung im nationalen Bereich versteht das Ge85 Zur Begrenzung multimedialer Konzentration durch Art. 2 Abs. 8 lit. d) Gesetz Nr. 24911997 siehe oben 3. Teil A, 1., 2. 86 Ebenso Grandinetti, S. 1110 f. 87 Graf Wrangei, S. 876 weist darauf hin, daß die offlzielle Überschrift des Art. 19 Gesetz Nr. 223/1990 (',Numero massimo di concessioni consentite per la radiodiffusione sonora e televisiva privata") irrefilhrend ist, da sie vermuten läßt, daß sowohl die Kumulierung lokaler als auch landesweiter Konzessionen von der Bestimmung geregelt
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
setz in diesem Zusammenhang die Versorgung von mindestens 60% des Staatsgebietes,88 während die Erteilung einer lokalen Konzession voraussetzt, daß mindestens 70% des entsprechenden Benutzerbeckens (ital.: "bacino di utenza") oder des zugesprochenen Teils desselben abgedeckt werden (Art. 3 Abs. 11 Gesetz Nr. 223/1990).89 Nach Art. 19 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 kann an einen Veranstalter maximal eine Konzession für die Veranstaltung lokalen Fernsehens pro Benutzerbecken erteilt werden. 90 Insgesamt können an einen Veranstalter Konzessionen fiir maximal drei verschiedene Benutzerbecken erteilt werden. Die versorgten Benutzerbecken können unter der Voraussetzung, daß sie in ihrer Gesamtheit eine Bevölkerung von maximal 10 Millionen Einwohnern nicht überschreiten, auch aneinandergrenzen. Unter derselben Voraussetzung ist in Süditalien die Versorgung von vier Benutzerbecken durch denselben Veranstalter zulässig. Die gleichzeitige Inhaberschaft von Konzessionen für das landesweite und das lokale Fernsehen ist nach Art. 19 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 ausgeschlossen. Es fallt auf, daß die Bestimmungen fiir das lokale Fernsehen weitaus restriktiver sind, als die entsprechende Regelung für das landesweite Fernsehen. Die Konzentrationsgrenzen fiir das lokale Fernsehen mögen fiir sich genommen ihre Rechtfertigung in der Vermeidung lokaler Meinungsmonopole haben. 91 Die unterschiedliche Behandlung von lokalen und landesweiten Veranstaltern fUhrt aber zu widersprüchlichen Konsequenzen. Während ein nationaler Anbieter in wird. Der Grund hierfiir liegt in einer Nachlässigkeit des Gesetzgebers, der es versäumt hat, die Überschrift anzupassen, nachdem die nun in Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 enthaltenen Obergrenzen aus Art. 19 Gesetz Nr. 223/1990 ausgegliedert wurden. Siehe p. Caretti - Commento all'art. 19, in: E. RoppolR Zaccaria (Hrsg.) - TI sisterna radiotelevisivo pubblico e privato, Mailand 1991, S. 398 (400). 88 Durch Art. 3 Abs. 5 Gesetz Nr. 24911997 wurde diese Grenze auf 80 % erhöht. Zudem müssen die landesweiten Sender alle Provinzhauptstädte erreichen. 89 Ein Benutzerbecken ist nach der Neuregelung des Art. 2 Abs. 6 lit. e) Gesetz Nr. 249/1997 kraft Gesetzes mit dem Gebiet einer Region identisch. Die Bezeichnung ,,Lokalfemsehen" ist daher ungenau. Nach Art. 114 i.V.m. Art. 131 der Verfassung gliedert sich die Republik in 20 Regionen. Zum Begriff des Benutzerbeckens siehe auch Art. 3 Abs. 8 Gesetz Nr. 22311990 und I. Teil A, VII. und B. 90 In Abweichung von dieser Regel können nach Art. 34 Abs. 4 Gesetz Nr. 22311990 an Anbieter zwei lokale Konzessionen fiir dasselbe Benutzerbecken erteilt werden, wenn von diesen Anlagen unterhalten werden, deren Betrieb durch das Gesetz Nr. 1011985 genehmigt wurde. 91 Einige Autoren weisen darauf hin, daß das Bemühen des Gesetzgebers um lokale Anbieter angesichts der mangelnden wirtschaftlichen Rentabilität des Rundfimks auf lokaler Ebene ohnehin vergebens sein könnte. Siehe E. Menduni - Praticare il loca1e, in: A. Borri (Hrsg.) - Quale futuro per la Tv, Bari 1991, S. 91 ff.
A. Die pluralismussichernden Bestimmungen
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einem Benutzerbecken bis zu 20 % der landesweiten Programme ausstrahlen kann,92 beschränkt Art. 19 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 einen lokalen Anbieter auf die Veranstaltung nur eines Programms :fiir dasselbe Gebiet. Schwerlich läßt sich auch das Verbot rechtfertigen, Inhaber je einer Konzession rur das landesweite und lokale Fernsehen zu sein, wenn auf nationaler Ebene die Kumulierung von bis zu 20 % sämtlicher Konzessionen gestattet ist. 93 Da Besonderheiten der lokalen Sendetätigkeiten nicht ersichtlich sind, die eine derartige Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten,94 ist der Grund rur die unterschiedliche Behandlung lokaler und landesweiter Sender wohl im Bemühen des Gesetzgebers zu suchen, die bei Erlaß des Gesetzes Nr. 223/1990 bestehende Situation auf nationaler Ebene weitgehend unangetastet zu lassen. 95 Um dem Verdacht der Verfassungswidrigkeit zu entgehen, wird der Gesetzgeber daher diese Ungleichbehandlung beseitigen müssen. 96 Eine gewisse Verbesserung der Lage fiir die lokalen Anbieter ist durch das Gesetz Nr. 249/1997 eingetreten. Durch Art. 3 Abs. 5 Gesetz Nr. 249/1997 wurde erstmals bestimmt, daß der nationale Frequenzenplan mindestens ein Drittel aller zulässigen Programme lokalen Anbietern vorbehalten muß. An der Ungleichheit bezüglich der einem Unternehmen maximal zustehenden Konzessionen auf landesweiter und lokaler Ebene hat aber auch das Gesetz Nr. 249/1997 nichts geändert.
3. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen (Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990) Die Konzentrationsgrenzen der Art. 15 Abs. 4 und 19 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 gelten nicht rur die öffentliche Konzessionärin. Nach der Sonderregelung des Art. 24 Abs. 1 Gesetz kann die RA! je drei landesweit ausstrahlende Fernseh- und Hörfunksender betreiben. Gegenüber den auf landesweiter Ebene operierenden Privatsendern bedeutet dies in sofern eine BessersteUung, als nach Siehe Art. 2 Abs. 6 Gesetz Nr. 249/1997. A. Pace - Problematica delle libertit costituzionali (parte speciale), Padua 1992, S. 439; R. Lanzillo - Commento all'art. 15 commi 1-7, in: E. RoppolR. Zaccaria (Hrsg.) n sistema radiotelevisivo pubblico e privato, Mailand 1991, S. 293 (300). 94 Ebenso A. Pace - Problematica delle libertit costituzionali (parte speciale), 2. Aufl., Padua 1992, S. 439 und GrafWrangei, S. 882. 95 Graf Wrangei, S. 882 sieht den Grund für die Ungleichbehandlung im Willen des Gesetzgebers, den nationalen Anbietern eine starke Stellung zu verschaffen, um ein Gegengewicht zur staatlichen RA! bilden zu können. 96 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der ungleich restriktiveren Regelung fUr das lokale Fernsehen haben auch Lanzillo, S. 300; C. ChiolaiS. Vannini - Radiotelevisione, in: Enciclopedia giuridica "Treccani", XXV, Rom 1992, S.21; Graf Wrangei, S. 882. 92
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 die Inhaberschaft einer Konzession für ein landesweites Hörfunkprogramm der Inhaberschaft einer Konzession für das landesweite Fernsehen gleichgestellt ist. 97 Während also ein privater Veranstalter maximal drei (Hörfunk- oder Femseh-) Sender betreiben kann, verfUgt die RA! über doppelt so viele Sender auf nationaler Ebene. Hinzu kommt die Möglichkeit, ein viertes Hörfunkprogramm zur ausschließlichen Übertragung der parlamentarischen Arbeiten in Betrieb zu nehmen (Art. 24 Abs. 1 a.E. Gesetz Nr. 223/1990).98 Abgesehen von der Besserstellung der RA! bezüglich der Hörfunkprogramme sind sich Art. 15 Abs. 4 und Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 ähnlich, da sie beide die Veranstaltung dreier landesweiter Fernsehprogramme durch einen Anbieter ermöglichen. Diese "Verwandtschaft" der Regelungen hat dazu ge:fuhrt, daß nach Bekanntwerden des Urteils Nr. 420/1994 Stimmen laut wurden, die von der Verfassungswidrigkeit des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 auf die Verfassungswidrigkeit des Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 schlossen. Teilweise wurde gar behauptet, das Verfassungsgericht hätte Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 auf der Grundlage des Art. 27 Gesetz Nr. 87/1953 99 gemeinsam mit Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 für verfassungswidrig erklären können. 100 Durch diese Ansichten aufgeschreckt, sah sich das Gericht veranlaßt klarzustellen, daß sich die Entscheidung ausschließlich auf Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 und nicht auf Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 bezogen habe.
97 Nach Art. 19 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 kann der Inhaber einer Konzession für das lokale Fernsehen eine weitere Konzession für die Veranstaltung eines lokalen Hörfunkprogramms lUlter der Bedingmg erlangen, daß für dasselbe Benutzerbecken die Anzahl der Anträge nicht über die Anzahl der zuweisbaren Frequenzen hinausgeht.
98 Bis heute veranstaltet die RA1 kein solches Programm. Die Konzession zur Übertragung der parlamentarischen Arbeiten wurde daher zunächst ,,Radio Radicale" erteilt. Da es sich hierbei um einen Sender der bis vor kurzem noch im italienischen Parlament vertretenen Radikalen Partei handelte, rief diese EntscheidlUlg erhebliche Kritik hervor. Siehe A. Pace - La televisione pubblica in Italia, Foro italiano 1995, 245 (253 f, Fn 29). Durch Art. 14 des ,,Dienstvertrages" 1997/2000 zwischen dem Minister für Kommunikation lUld der RA! (G.u. 1997, Nr. 286) wurde deshalb wieder die öffentliche Kouzessionärin mit Errichtung eines ,,Parlamentsprogramms" betraut. Zur RegellUlg der Übergangszeit siehe Art. 1 Gesetz Nr. 224/1998. 99 Nach Art. 27 Gesetz Nr. 87/1953 kann das VerfasslUlgsgericht gemeinsam mit einer angegriffenen Nonn mit dieser verblUldene Nonnen für verfasslUlgswidrig erklären. 100 So der "Garante per la concorrenza e per il mercato", die italienischen Kartellbehörde, Giuliano Amato in einem Interview in La Repubblica vom 14 Dezember 1994. Siehe auch R Zaccaria - La Corte costituzionale applica direttamente i1 principio pluralistico in materia radiote1evisiva e ... ,,non fa il vuoto", Giur. cost. 1994,3748 (3754).
A. Die pluralismussichernden Bestimmungen
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In der Tat enthält das genannte Urteil einige Passagen, die auch auf die öffentliche Konzessionärin zuzutreffen scheinen. Zu diesen zählt insbesondere die Aussage, daß der Gesetzgeber im Rahmen einer Neuordnung des Fernsehbereichs unter keinen Umständen einem einzigen Unternehmen die Möglichkeit geben darf, ein Viertel sämtlicher landesweiter Programme zu kontrollieren. 101 Da das Gericht es versäumt hat, zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen zu unterscheiden, scheint die getroffene Aussage nicht nur auf die Fininvest., sondern auch auf die RA! anzuspielen, die ebenso wie ihr privater Konkurrent ein Viertel sämtlicher landesweiter Programme ausstrahlt. 102 Angesichts der unterschiedlichen Aufgaben die öffentlichen und privaten Anbietern obliegen, mag die Forderung nach einer undifferenzierten Gleichstellung beider Anbieter in Sachen Konzentrationsbegrenzung durch die Kritiker des Urteils Nr. 420/1994 und des Art. 24 Gesetz Nr. 223/1990 überraschen. Da den Programmvorgaben für private Veranstalter durch Art. 41 und 21 der Verfassung Grenzen gesetzt sind, bedarf es zur Sicherung einer pluralistischen Fernsehlandschaft einer wirksamen Konzentrationsbegrenzung. 103 Anders hingegen die Situation der öffentlichen Konzessionärin. 104 Ihre Aufgabe liegt darin, bereits durch die eigene Programmgestaltung und nicht erst durch das Zusammenspiel mit anderen Veranstaltern ein pluralistisches Meinungsbild wiederzugeben. Die Verwirklichung dieser Aufgabe ist nicht an das Bestehen effektiver Konzentrationsgrenzen gebunden. Das Gesetz Nr. 223/1990 hat es allerdings versäumt, diese unterschiedlichen Ansätze unzweideutig zum Ausdruck zu bringen. Die im Gesetz enthaltenen Anhaltspunkte für eine Nivellierung der Aufgaben privater und öffentlicher Anbieter, die in der Vergangenheit durch die Annäherung der konkreten Programmgestaltung der RA! an die ihrer privaten Konkurrenz noch unterstrichen wurden,105 dienten einigen Autoren dazu,106 die Bedenken zu Art. 15 Abs. 4 Ge-
Corte cost. Nr. 420/1994, Giur. cost. 1994,3716 (3745). S. Ambrosini - Antitrust e informazione radiote1evisiva: incostituzionalita della norma sulle concentrazioni, Giur. it. 1995,129 (137 f.). 103 Siehe Corte cost. Nr. 826/1988, Giur. cost. 1988, 3893 (3934). Bestätigt durch Corte cost. Nr. 420/1994, Giur. cost. 1994, 3716 (3741). 104 P. Graf Wrangel - Die Fusionskontrolle des italienischen Rundfunkgesetzes, GRUR Int. 1991,870 (882); R. Di Geronimo - TI commento, Comere giur. 1997, 1271 (1282); Zaccaria, S. 3754. 105 G. Votano - Concentrazioni te1evisive: cronaca di una incostituzionalita annunciata, Dir. Inf. 1995,316 (323). Siehe auch oben 2. Teil A. 106 F Pinto - La coerenza delle regole, Giustizia civile 1995, 34 (42). 101
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
setz Nr. 223/1990 undifferenziert auf Art. 24 Gesetz Nr. 223/1990 zu übertragen. Zugegeben würde auch eine genauere Definition der Aufgaben der öffentlichen Konzessionärin Art. 24 Gesetz Nr. 223/1990 nicht von jeglicher Kritik befreien, da die Unterteilung der Fernsehordnung in eine außenplurale und eine binnenplurale Variante nicht dazu führt, daß die Konzentrationsgrenzen für private Veranstalter gänzlich losgelöst von der konkreten Dimension des öffentlich-rechtlichen Anbieters betrachtet werden können. Die Präsenz eines "Kolosses" wie der RA! auf dem Fernseh- und insbesondere auf dem Werbemarkt fördert die Konzentrationstendenzen unter den privaten Anbietern, da ein Privatunternehmer stets eine der RA! ähnliche Unternehmensgröße anstreben wird, um der Konkurrenz durch das öffentliche Fernsehen gewachsen zu sein. 107 Dieser Zusammenhang wurde vor allem Anfang der 80er Jahre deutlich, als sich herausstellte, daß die von Berlusconi, Mondadori und Rusconi gegründeten Privatsender nicht in der Lage waren, zu gleicher Zeit der Konkurrenz untereinander und gegenüber der RA1 standzuhalten. Zwangsläufig setzte sich der Stärkere unter den privaten Veranstaltern durch und erreichte bereits 1984 eine der RA! entsprechende Größenordnung. I 08 Es kann kaum bezweifelt werden, daß je zahlreicher die Programme der öffentlichen Konzessionärin sind, desto geringer der den privaten Veranstaltern verbleibende Raum ist und desto größer ist die Gefahr, daß der private Fernsehsektor von einem Unternehmer monopolisiert wird. l09 Macht demzufolge eine unverhältnismäßige Größenordnung des staatlichen Fernsehens das Entstehen einer effektiven WettbeweIbssituation auf dem privaten Fernsehmarkt unmöglich, so sind die Ausmaße der öffentlichen Konzessionärin trotz deren binnenpluraler Struktur als ein Hindernis auf dem Weg zu mehr Pluralismus angreifbar. Der Gesetzgeber hat diesen Zusammenhang im Rahmen der Reform "Maccanico" berücksichtigt und in Art. 2 Abs. 6 und 8 Gesetz Nr. 249/1997, der an die Stelle des verfassungswidrigen Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 getreten ist, keine Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern vorgesehen. Allerdings trägt Art. 2 Abs. 9 Gesetz Nr. 249/1997 der
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R. Lanzillo - Commento a11'art. 15 commi 1-7, in: E. RoppolR. Zaccaria (Hrsg.)-
n sistema radiote1evisivo pubb1ico e privato, Mailand 1991, S. 293 (304 und 322 f.); L.
Bini - La 1egge di rego1amentazione de1 sistema radiote1evisivo, Mailand 1991, S. 32; A. ContaldolL. Vespignani - La concentrazione delle televisioni nazionali e 1a 1iberta di "infonnazione", Dir. inf. 1995,330 (334); Votano, S. 323; Pinto, S. 39. 108 Siehe oben 1. Teil A, VI. 109 Ambrosini, S. 136.
B. Die Regelung des Kabelfernsehens
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öffentlichen Konzessionärin auf, die Umwandlung einer ihrer Programme in ein Programm ohne Werbesendungen vorzubereiten. 110 Nach dem Willen des Gesetzgebers finden die Konzentrationsgrenzen des Art. 2 Abs. 6 und 8 Gesetz Nr. 249/1997 auf dieses Programm keine Anwendung. Die Frist fiir die tatsächliche Umwandlung wird aber an das Auslaufen der Übergangsphase gekoppelt, während derer die Veranstaltung von mehr als 20 % aller landesweiter Programme mittels terrestrischer Frequenzen durch ein Unternehmen erlaubt bleibt. Damit hat auch der Gesetzgeber eingesehen, daß nach der Umsetzung der Forderungen des Verfassungsgerichtshofes auf dem Fernsehmarkt Italiens nur dann ein neues Gleichgewicht entstehen kann, wenn auch an die RA! ,,Hand angelegt wird". III Es ist zu hoffen, daß der hierdurch geschaffene Freiraum in Zukunft nicht nur zur Verbesserung der Qualität des Programmangebots der RA! sondern auch zum Entstehen neuer, wirtschaftlich überlebensfähiger Privatsender führen wird.
B. Die Regelung des Kabelfernsehens Das staatliche Fernsehmonopol wurde Anfang der 70er Jahre erstmals durch das private Kabelfernsehen durchbrochen. Vorreiter war ein kleiner Kabelsender mit ungefähr hundert Anschlüssen namens "Tele-Biella", der im Mai 1972 mit der Ausstrahlung eines Lokalprogramms begonnen hatte. Da die Kabelsender den Äther zur Übertragung ihrer Sendesignale nicht beanspruchten, konnte ihnen das Argument der Begrenztheit der Sendefrequenzen, das vom Verfassungsgericht zur Rechtfertigung des staatlichen Fernsehmonopols vorgebracht worden war, 112 nicht entgegengehalten werden. Als das Verfassungsgericht mit dem Fall "Tele-Biella" befaßt wurde, erklärte es daher das staatliche Fernsehmonopol fiir den Bereich des lokalen Kabelfernsehens fiir verfassungswidrig. I 13 Die enormen finanziellen Mittel die zur Errichtung eines nationalen Kabelnetzes erforderlich gewesen wären, führten das Gericht aber dazu, aus Furcht es
110 So bereits der von A. Pace - La televisione pubblica in ltalia, Foro italiano 1995, 245 (251) gemachte Vorschlag. III C. Dematte, in: P. Barile (Hrsg.) - Idee per il governo. n si sterna radiotelevisivo, Bari 1995, S. 73 (77); Ambrosini, S. 137; Lanzillo, S. 308. Nach Auffassung von E. Menduni - L'autunno della televisione (a tre anni della "legge Mammi"), Problemi dell'infonnazione 1993,429 (446) würde bereits die Beschränkung eines jeden privaten Anbieters auf die Veranstaltung nur eines Programms die Voraussetzungen für mehr Pluralismus schaffen. Dabei übersieht er jedoch, daß schon einmal Anfang der 80er Jahre eine Situation, in der drei private Anbieter mit jeweils nur einem Programm um Marktanteile konkurrierten, an der übermächtigen Konkurrenz der RAr zerbrach. 112 Corte cost. Nr. 59/l960, Giur. cost. 1960, 759 ff., siehe l. Teil A, I. 113 Corte cost. Nr. 226/1974, Giur. cost. 1976/1791 ff., siehe l. Teil A, II.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
könnte ein privates Monopol oder Oligopol entstehen, das staatliche Monopol
fiir das Kabelfernsehen auf nationaler Ebene in derselben Entscheidung fiir ver-
fassungskonfonn zu erklären.
Die sich aus dem "Tele-Biella-Urteil" ergebende neue Rechtslage wurde vom Gesetzgeber bei Abfassung des Gesetzes Nr. 103/1975 in den Art. 24 - 37 berücksichtigt. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/ 1975 nahmen das lokale Kabelfernsehen von dem im übrigen fortgeltenden staatlichen Fernsehmonopol aus. Im Gegensatz zur drahtlosen Vetbreitung von Fernsehprogrammen, fiir die der Lokalbereich niemals definiert wurde, begrenzte Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975 die einzelnen Kabelnetze auf ein Gebiet mit einer Gesamtbevölkerung von maximal 150.000 Einwohnern: 14 Neben dieser räumlichen Begrenzung, die auf eine im Urteil Nr. 226/1974 enthaltene Forderung des Verfassungsgerichtshofes zurückzuführen war, enthielt das Gesetz Nr. 103/1975 eine weitere Einschränkung fiir das private Kabelfernsehens, ohne daß hierfiir auch nur irgendein Hinweis in dem genannten Urteil zu finden gewesen wäre: Nach Art. 24 Abs. 1 konnte nur die Errichtung und der Betrieb einkanaliger Kabelfernsehanlagen genehmigt werden. Da die Kosten fiir Errichtung und Betrieb eines Mehrkanalnetzes im Vergleich zur monokanalen Variante weitaus geringer sind, stieß diese Restriktion allgemein auf Unverständnisl15 und dürfte wohl allein mit dem damaligen Willen des Gesetzgebers zu erklären sein, die Privatinitiative im Fernsehbereich auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die Beschränkung auf einkanalige Kabelnetze und die orographische Situation Italiens, die eine weiträumige Anwendung der Kabeltechnik erschwert!16 führten gemeinsam mit der Öffnung des Äthers fiir private Fernsehprogramme durch das Urteil Nr. 202/1976 dazu, daß das Kabelfernsehen rasch seine Vorreiterrolle fiir das private Fernsehen verlor. Das Interesse, das anfangs dem privaten Kabelfernsehen entgegengebracht worden war, ließ daher in der Folgezeit stark nach. Selbst als Ende der 80er Jahre die Debatte um den Erlaß eines 114 Nach Art. 24 Abs. 3 Gesetz Nr. 103/1975 durfte ein Verteilernetz allerdings nicht mehr als 40.000 Teilnehmer versorgen. 115 Siehe stellvertretend für viele andere C. Rossano - La nuova nonnativa RTV e la costituzione, Dir. societit 1975, 125 (130); A. Contaldo - La disciplina della TV via cavo in ltalia e I' esperienza nonnativa in USA, Gran Bretagna e Francia, Dir. aut. 1993, 217 (219) 116 R. Esposito - Commento all'art. 29, in: E. Roppo/R. Zaccaria (Hrsg.) - TI sistema radiotelevisivo pubblico e privato, Mailand 1991, S. 497; A. Lucarelli - Commento all'art. 29, in: E. BocchiniIN. Lipari (Hrsg.) - Disciplina del sistema radiotelevisivo pubblico e privato (1. 6 agosto 1990, n. 223), Le nuove leggi civili commentate 1991, 585 (885).
B. Die RegelWlg des Kabelfernsehens
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Allgemeinen Rundfunkgesetzes einsetzte, konzentrierte sich alles auf die drahtlose Ausstrahlung der Fernsehsignale. Der Gesetzgeber brachte schließlich bei Verabschiedung des Gesetzes Nr. 223/1990 das allgemeine Desinteresse dadurch zum Ausdruck, daß er die Kompetenz zur Regelung des Kabelfernsehens auf der Grundlage des Art. 77 Abs. 1 der Verfassung auf die Regierung übertrug ll7 und sich auf die Vorgabe einiger weniger Rahmenbedingungen beschränkte (Art. 29 Gesetz Nr. 223/1990). Die Regierung erließ schließlich am 22. Februar 1991 die Verordnung zur Regelung des Kabelfernsehens (d.lgs. Nr. 73/1991), die an die Stelle der Art. 24 - 37 des Gesetzes Nr. 103/1975 trat. Die Errichtung und der Betrieb des Kabelnetzes stellten nunmehr eine staatliche Aufgabe dar, die nur ausnalunsweise fiir den Fall, daß nicht schon ein staatliches Kabelnetz besteht und nur auf den lokalen Bereich begrenzt, durch Erteilung einer Konzession auf Private übertragen werden kann (Art. 2 und 4 Abs. 1 Verordnung Nr. 73/1991). Die Errichtung eines Kabelnetzes durch Private über den lokalen Bereich hinaus blieb nach wie vor ausgeschlossen. Die Sendung von Programmen hingegen wurde privaten Veranstaltern sowohl lokal als auch über den lokalen Bereich hinaus gestattet, soweit sie Inhaber der hierfür erforderlichen Genehmigung waren (Art. 9 Abs. 1 Verordnung Nr. 73/1991). Die Verordnung Nr. 73/1991 eröffnete damit den Privaten einerseits die Möglichkeit auch landesweit Programme über Kabel zu verbreiten, nahm ihnen aber andererseits die noch durch die Art. 24 - 37 Gesetz Nr. 103/1975 garantierte primäre Zuständigkeit für die Errichtung lokaler Kabelnetze. 118 Die Beschränkung auf die Verwendung von Monokanalkabel wurde durch die Verordnung Nr. 73/1991 ausdrücklich aufgehoben (Art. 2 Verordnung NT. 73/ 1991). Hierin lag nur teilweise ein Fortschritt gegenüber der Regelung des Art. 24 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975, da die Verordnung Nr. 73/1991 die Errichtung der Kabelnetze grundsätzlich der öffentlichen Hand vorbehält und dieser bereits durch das Gesetz Nr. 103/1975 die Verwendung von Mehrkanalkabel gestattet war. Zur Sicherung des Meinungspluralismus verweist Art. 12 der Verordnung Nr. 73/1991 auf die Regelungen der Art. 15 und 19 Gesetz Nr. 223/1990 und stellt zu diesem Zweck die Genehmigung zur Übertragung eines Progranuns über Kabel den Konzessionen für die drahtlose Übertragung gleich. Auch die Ver-
117 Nach Art. 77 Abs. 1 der VerfassWlg kann die RegiefWlg durch die Parlamentskammern dazu ermächtigt werden, VerordnWlgen mit Gesetzeskraft zu erlassen. 118 Kritischhierzu C. Gessa/G. Votano - La nuova disciplina della TV via cavo: normativa italiana ed esperienza francese, Dir. inf. 1991, 703 (710); Contaldo, S. 222 f.; Lucarelli, S. 887 Wld 889.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
ordnung Nr. 73/1991 wurde daher durch das Urteil Nr. 420/1994 des Verfassungsgerichtshofes betroffen. 119 Auch die durch die Verordnung Nr. 73/1991 eingefiihrten Neuregelungen konnten an dem Umstand nichts ändern, daß das Kabelfernsehen bis heute in Italien kaum eine Rolle spielt. Dies ist v.a. darauf zurückzuführen, daß die Stet (Societa Torinese Esercizio Telefoni), ein Unternehmen der Staatsholding IRI (Istituto per la Ricostruzione Industriale), der die Verkabelung der italienischen Haushalte obliegt, bis heute nicht in der Lage war, ein leistungsfähiges Kabelnetz zu errichten. Erst in letzter Zeit bemüht sich die Stet verstärkt um die Verkabelung des Landes. 120 Zu diesem Rückstand beigetragen hat auch die starke Konkurrenz und große Anzahl an drahtlosen Sendern, die das Kabelfernsehen lange Zeit als wenig lukrativ erscheinen ließen. 121 Die große Zahl an Programmen, die durch modeme Glasfaserkabel übertragen werden können, dürfte das Interesse am Kabelfernsehen auch in Italien in Zukunft ansteigen lassen. Die enormen Kapazitäten dieses neuartigen Leiters gestatten es gar, ein einziges Kabelnetz fiir Telefondienste und das Fernsehen zu errichten, wodurch sich der finanzielle Aufwand stark relativieren läßt. 122 Mit dem Gesetz Nr. 249/1997 ist der Gesetzgeber nunmehr erneut im Bereich des Kabelfernsehens interveniert. Die vorgesehenen Bestimmungen erscheinen aber fiir ein Gesetz, das wie das Gesetz Nr. 249/1997 auf die Techniken und Märkte der Zukunft baut, eher dürftig. Kernpunkt der neuen Regelung ist auch hier die Bestimmung zur Sicherung einer pluralistischen Fernsehlandschaft. Entsprechend der Regelung fiir die auf terrestrischen Frequenzen ausgestrahlten 119 Von Contaldo, S. 230 wurde darauf hingewiesen, daß sich die Genehmigung für das Kabelfernsehen allein auf die Programmveranstaltung bezog, während die Konzession für das drahtlose Fernsehen auch den Betrieb der Sendeanlagen mnfaßte. Hieraus zog er den Schluß, daß der Gesetzgeber Genehmigw1g und Konzession zum Zwecke der Konzentrationsbegrenzung nicht einfach hätte gleichstellen dürfen, sondern eine eigene Regelung etwa nach Art des Art. 15 Abs. I Gesetz Nr. 223/1990 für das Kabelfernsehen hätte finden müssen. Ähnlich auch R Esposito - I ,,nuovi mezzi": satellite, cavo, pay-tv, in: R Zaccaria/P. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in ltalia, Turin 1994, S. 265 (290 f.). 120 Für Ende 1996 war die Verkabelung von insgesamt 500.000 Haushalten geplant. Siehe Corriere della Sera vom 4. April 1996. 121 Auch der Garante per La radiodiffusione e l'editoria beklagte in seinem jährlichen Bericht an das Parlament (1995) das völlige Fehlen des Kabelfernsehens in Italien. Siehe Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1995, Nr. 3, Bd. 1,254. 122 Diesen Umstand macht sich auch die Stet zu nutze, indem sie den Haushalten, die bereits an das Glasfasertelefonnetz angeschlossen wurden, seit dem I. Juni 1996 die Übertragung der Pay-TV-Programme der "Telepiu" anbietet.
c. Das Satellitenfernsehen
139
Programme bestimmt Art. 2 Abs. 8 lit. c) Gesetz Nr. 249/1997, daß kein Unternehmer mehr als 30 % aller Einnahmen des Bereichs des Kabel- und Satellitenfernsehens erzielen darf. Dieser Grenzwert tritt nunmehr an die Stelle der durch die Verfassungswidrigkeit des Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990 i.Y.m. Art. 12 Verordnung Nr. 73/1991 geschaffenen Lücke. 123 Da durch die Trennung der Märkte fiir das drahtungebundene terrestrische Fernsehen einerseits und das Kabel- und Satellitenfernsehen andererseits dem Mediaset-Konzern die Möglichkeit eröffnet wird, seine "überschüssigen" Programme nach der Übergangszeit auf die neuen Übertragungstechniken zu verlagern und ferner die Übergangszeit gemäß Art. 3 Abs. 6, 7 und 11 Gesetz Nr. 249/1997 solange andauern kann, bis die Medienaufsicht eine "angemessene" Ausstattung der Benutzer mit Empfangsgeräten fiir Satelliten- und Kabelprogramme festgestellt hat, ist zu erwarten, daß die bislang nur im Schneckentempo vorankommende Errichtung eines landesweiten Kabelnetzes forciert werden wird und dem Kabelfernsehen so in Zukunft eine wachsende Bedeutung zukommen wird.
C. Das Satellitenfernsehen Nur vereinzelt lassen sich in den Gesetzen zur Regelung des Fernsehsektors Hinweise auf das Satellitenfernsehen finden. Eine detaillierte Regelung der Materie wurde vom italienischen Gesetzgeber bis heute nicht vorgenommen. Ein erster (indirekter) Hinweis auf das Satellitenfernsehen enthielt bereits Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 103/1975. Nach dieser Bestimmung wurde nicht nur die drahtlose Verbreitung von Fernsehprogrammen und die Verbreitung über Kabel, sondern auch die Verbreitung von Fernsehprogrammen mit jedwedem anderen Mittel als eine elementare öffentliche Aufgabe von hervorragender Bedeutung für die Allgemeinheit i.S.d. Art. 43 der Verfassung bezeichnet. Das Satellitenfernsehen wurde so vom staatlichen Fernsehmonopol mit umfaßt. Da das Satellitenfernsehen vom Urteil Nr. 226/1976, durch das der Verfassungsgerichtshof das staatliche Fernsehmonopol des Art. 1 Gesetz Nr. 103/1975 fiir den Teilbereich der lokalen terrestrischen Fernsehübertragung für verfassungswidrig erklärt hat, nicht berührt wurde, konnte in der 1981 zwischen dem Postminister und der RA! ausgehandelten Konvention der öffentlichen Konzessionärin das exklusive Recht zum Experimentieren mit der Satellitentechnik 123 Art. 3 Abs. 10 Wld 11 Gesetz Nr. 249/1997 verpflichtet den Minister fiIr Kommunikation eine neue VerordnWlg zur Regelung des Kabelfernsehens zu erlassen. Obwohl die ihm hierfilr gesetzte Frist am 31.10.1997 abgelaufen ist, lag die Verordnung im November 1998 noch immer nicht vor.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
übertragen werden. 124 Die Errichtung und der Betrieb der Sendeanlagen wurde allerdings nicht der RAI, sondern der Telespazio übertragen,125 einem öffentlichen Unternehmen der IRIIStet-Gruppe, an der auch die RAI beteiligt ist. Das Gesetz Nr. 10/1985 bestätigte schließlich das staatliche Monopol, indem in Art. 1 Nr. 1 Gesetz Nr. 10/1985 ausdrücklich auch der Satellitenfunk erwähnt wurde. In der Neuauflage der RAI-Konvention konnte daher 1988 abermals der öffentlichen Konzessionärin das ausschließliche Recht zur Veranstaltung des Satellitenfernsehen übertragen werden. 126 Bereiteten die Bestimmungen der Gesetze Nr. 103/1975 und Nr. 10/1985, sowie der verschiedenen "RAI-Konventionen" zum Satellitenfernsehen den Juristen kaum Schwierigkeiten, so änderte sich die Lage mit Erlaß des Gesetzes Nr. 223/1990. Nach Art. 1 Gesetz Nr. 223/1990 soll die Verbreitung von Fernsehprogrammen, mit welchem technischen Mittel auch immer, durch das Zusammenwirken öffentlicher und privater Veranstalter verwirklicht werden. Da die Norm das staatliche Monopol fiir das Satellitenfernsehen abzuschaffen scheint, wurden in der Literatur Stimmen laut, die behaupteten, die duale Rundfunkordnung sei dort nicht anwendbar, wo die hohen Kosten der angewendeten Übertragungstechnik (wie etwa beim Satellitenfernsehen) das Entstehen einer pluralistischen Fernsehlandschaft nicht erwarten lasse. Zudem wird darauf hingewiesen, daß das Gesetz Nr. 223/1990, von der Ermächtigung der Regierung zur Regelung des Kabelfernsehens einmal abgesehen (Art. 29 Gesetz Nr. 223/1990), allein die erdgebundene drahtlose Übertragung regle und daher zur Feststellung der Frage, ob das staatliche Monopol tatsächlich auch fiir den Teilbereich des Satellitenfernsehens abgeschafft worden sei, auf andere Normen, wie etwa denjenigen der Konvention zwischen Staat und RAI zurückgegriffen werden müsse. 127 Ließ sich mit dieser Argumentation mit Blick auf Art. 12 der Konvention aus dem Jahr 1988 ein staatliches Monopol für das Satellitenfernsehen rechtfertigen, so machte es bereits die neue Konvention aus dem Jahr 1994 128 den Verfechtern der dargestellten Theorie erheblich schwerer. Im Gegensatz zu Art. 12 der Konvention 1988 enthält nämlich die derzeit gültige Konvention Siehe Art. 11 d.P.R. Nr. 521/1981. Siehe Art. 3 d.P.R. NT. 523/1984. 126 Siehe Art. 12 d.P.R. NT. 367/1988. 124 125
127 C. ChioJa/S. Vannini - Radiote1evisione, Enc. Giur. XXV, Rom 1992, S. 6. Ähnlich auch R. Esposito - I ,,nuovi mezzi": satellite, cavo, pay-tv, in: R. ZaccariaIP. BariJe (Hrsg.) - Rapporto '93 sui probIerni giuridici della radiotelevisione in ltalia, Turin 1994, S. 265 (285). 128 d.P.R. vom 28: März 1994.
c. Das Satellitenfernsehen
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keinerlei Hinweise mehr auf ein der RA! ausschließlich gewährtes Recht zur Veranstaltung des Satellitenfernsehens. Einen eindeutigen Hinweis auf das Recht privater Veranstalter sich der Satellitentechnik zu bedienen, enthält das Gesetz Nr. 422/1993. 129 Durch Art. 11 Abs. 2 Gesetz Nr. 422/1993 werden Veranstalter, die ihre Signale in verschlüsselter Form senden ("Pay-TV'), verpflichtet, sich ab dem 28. August 1997 ausschließlich der Kabel- oder Satellitentechnik zur Ausstrahlung ihrer Programme zu bedienen. Um den Zuschauern einen stufenweisen Übergang zur neuen Teclmik zu ermöglichen, werden die Pay-TV-Sender darüber hinaus verpflichtet, bereits ab dem 28. August 1995 die Sendungen mit Hilfe mehrerer Übertragungstechniken auszustrahlen (sog. "multicasting"). Da ein staatliches Monopol für die Veranstaltung von Satellitenfernsehen mit einer Bestimmung nicht vereinbar ist, die privaten Veranstaltern die Benutzung der Satellitentechnik vorschreibt, hat der Gesetzgeber durch Art. 11 Abs. 2 Gesetz Nr. 422/1993 indirekt klargestellt, daß nach seinem Willen die duale Rundfunkordnung nicht nur für das terrestrische, sondern auch für das mittels Satellit übertragene Fernsehen gelten soll. Klarheit hat nunmehr das Gesetz Nr. 249/1997 geschaffen, das keinen Zweifel daran läßt, daß auch privaten Veranstaltern die Satellitenübertragung offensteht. Bezüglich Errichtung und Betrieb der Satellitenanlagen trifft Art. 11 Gesetz Nr. 422/1993 allerdings keine Regelung. Hieraus ergeben sich Zweifel darüber, ob diese Tätigkeit nach wie vor dem Staat vorbehalten ist oder auch private Veranstalter zugelassen werden können. 13o Das Gesetz Nr. 223/1990 gestattet den Inhabern einer Konzession auch die Errichtung und den Betrieb der Sendeanlagen für die terrestrische drahtlose Verbreitung von Fernsehsendungen (Art. 5 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990). Hieraus könnte auf ein entsprechendes Recht im Rahmen der Satellitentechnik geschlossen werden. Die Vergleichbarkeit beider Übertragungswege ist allerdings angesichts der von der Satellitentechnik verursachten hohen Kosten eher fraglich. Näher liegend wäre, sich an den Bestimmungen der Verordnung Nr. 73/1991 zu orientieren, die für das Kabelfernsehen zwischen Errichtung und Betrieb der Anlagen durch den Staat einerseits und die Sendung der Programme durch private und öffentliche Veranstalter andererseits unterscheiden. 131 Hierfür spricht auch, daß die zwischen 129 Zwn Gesetz Nr. 422/1993 siehe l. Teil C. Zu den verschlüsselt ausstrahlenden Veranstaltern siehe genauer lUlten 3. Teil D. 130 A. Contaldo - La disciplina dei DBS (tv via satellite), in: A. Sarli (Hrsg.) - Guida alla emittenza radiotelevisiva privata, Mailand 1994, S. 242 (249 f.) lUld drs. - TI monopolio della diffusione satellitare e la liberalizzazione del sistema, Dir. inf. 1995, 690 (694). 131 Siehe 3. Teil B.
142
3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
Postrnini.sterium und der Telespazio ausgehandelte Konvention, die dem öffentlichen Unternehmen ein Exklusivrecht für die Errichtung und den Betrieb der Sendeanlagen fiir das Satellitenfernsehen einräumt, im Zuge der Umsetzung des Gesetzes Nr. 223/1990 nicht modifiziert wurde und erst im September 2004 ausläuft. Damit wurde das Festhalten an einer Trennung auch im Bereich des Satellitenfernsehens zwischen Errichtung und Betrieb der Sendeanlagen einerseits und Programmveranstaltung andererseits hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Das Gesetz Nr. 249/1997 hat schließlich das Satellitenfernsehen bei der Neuregelung der Konzentrationsgrenzen berücksichtigt und dadurch eine gefahrliehe Gesetzeslücke geschlossen, die es einem Unternehmer in Abwesenheit einer entsprechenden Bestimmung im allgemeinen Rundfunkgesetzes ermöglicht hätte, die Regelungen der Art. 15 ff. Gesetz Nr. 223/1990 durch die Ausstrahlung der Programme über Satellit zu unterlaufen. 132 Die jahrelange "Experimentierphase" der RA! im Bereich des Satellitenfernsehens neigt sich damit ihrem Ende zu. Mittlerweile sendet auch die Fininvest, Telemontecarlo und Telepiu über Satellit. Damit sind sämtliche "großen" Veranstalter über Parabolantennen zu empfangen. Zwar bilden 600.000 bislang in Italien installierte Parabolantennen für die Rundfunkveranstalter (noch) keine ernsthafte Alternative zur terrestrischen Übertragung; dies wird sich aber mit Auslaufen der Übergangsphase des Art. 3 Abs. 6, 7 und 11 Gesetz Nr. 249/1997 ändern. 133
D. Die Sonderstellung der Pay-TV-Sender Die ersten Sendungen in verschlüsselter Form wurden in Italien erst nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 223/1990 vom Sender "Telepiu" ausgestrahlt. "Telepiu", ein Geschöpf des Medienunternehmers und ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi,134 ist bis heute der einzige, als Pay-TV operierende Sender Italiens. 135 Mittlerweile bietet "Telepiu" seinen Abonnenten drei Pro132 Siehe L. Bini - La legge di regolamentazione dei sistema radiotelevisivo, Mailand 1991, S. 27 f. 133 Siehe oben 3. Teil A., ll., 1., d) Wld 3.Teil B. 134 AufgTWld der KartellbestimmWlgen des Gesetzes Nr. 22311990 mußte Berlusconi schon bald nach GründWlg der Gesellschaft die Anteile an "Te1epiu" bis auf einen Rest von 10% abgeben. Die restlichen 90% der Aktien werden heute von Leo Kirch (45%) Wld der Nethold, einer Tochtergesellschaft der südafrikanischen Richmont-Gruppe Johann Ruperts (45%) gehalten. 135 "Telepiu" zählt derzeit etwa 800.000 Abonnenten. Die Abonnementgebühr liegt bei etwa 36 DM fur ein Wld ca. 46 DM fur zwei Programme. Der Sender konnte seit seinem Bestehen noch keine Gewinne erzielen.
D. Die SonderstellWlg der Pay-IV-Sender
143
gramme an, wobei "Telepiu 1" Spielfilme ausstrahlt, "Telepiu 2" Sportübertragungen vorbehalten ist und "Telepiu 3" ein anspruchsvolles Kulturprogramm sendet. Anders als in den meisten anderen Ländern Europas, wo Pay-TV-Kanäle ausschließlich über Kabel oder Satellit ausstrahlen,136 bediente sich "Telepiu" anfangs, bedingt durch ein in Italien bis heute fehlendes nationales Kabelnetz, allein der terrestrischen Frequenzen. Da das Gesetz Nr. 223/1990 keine ausdrückliche Regelung für das Abonnementfernsehen bereit hält, war die Zulässigkeit der drahtungebundenen terrestrischen Sendung verschlüsselter Programme in der juristischen Literatur äußerst umstritten. Die Vertreter der Unzulässigkeit wiesen darauf hin, daß der Gesetzgeber zur Sicherung einer pluralistischen Femsehlandschaft den einem Unternehmer maximal zustehenden Anteil an den zu vergebenden landesweiten Konzessionen auf 25% begrenzt habe (Art. 15 Abs. 4 Gesetz Nr. 223/1990). Die Berücksichtigung der Pay-TVSender bei Vergabe der Konzessionen könne aber dazu fUhren, daß diese Grenze allein im Hinblick auf die Abonnenten ihr Ziel erreiche, während sich fiir die große Mehrheit der Zuschauer die Situation ergeben könne, daß weit mehr als 25% der tatsächlich empfangenen Programme von ein und demselben Unternehmer angeboten werden. 137 Da die Zahl der zu vergebenden Konzessionen aufgrund der bestehenden Frequenzenknappheit nicht einfach angehoben werden könne, gewährleiste allein die drahtgebundene Ausstrahlung, daß neben den Pay-TV-Sendern eine ausreichende Anzahl an unverschlüsselten Programmen angeboten werde. 138 Als "Telepiu" den Antrag auf Erteilung einer Sendekonzession beim Postministerium stellte, teilte die Gesellschaft mit, sie beabsichtige die Sendetätigkeit über die Beiträge der Abonnenten zu finanzieren, ohne jedoch die Veranstaltung von Werbesendungen ausschließen zu wollen. In Erwartung der Konzessionserteilung bat die Gesellschaft den Minister um Auskunft darüber,
136 T. Cal/ova - Sulla televisione a pagamento in europa e in particolare sulla francese canal plus, Dir. aut 1992,46 (48). Ein Überblick über die Erfahrungen mit dem Abonne-
mentfernsehen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien Wld anderen europäischen Ländern fmdet sich bei J. Zimmer - Pay IV: Durchbruch im digitalen Fernsehen?, MP 1996, 382 ff. 137 0. Grandinetti - Risorse pubblicitarie, stampa, emittenza locale e "pay-tv": le grandi assenti nella decisione che ha dichiarato I'incostituzionalita dell'art 15 conuna 4 1. n. 223/1990, Giur. cost. 1994,3758 (3764); N. Lipari - TI pasticcaccio delle pay-tv, l'Unita vom 20. September 1992. 138 Von der Benutzwtg der Kabeltechnik machen beispielsweise M Maione - La pretesa "libertä" di istituire "pay-tv" e la 1. n. 223 del 1990, Giur. cost. 1992, 673 (679) Wld C. Chiola/S. Vannini - Radiotelevisione, Encic10pedia giuridica "Ireccani", XXV, Rom 1992, S. 16 die Zulässigkeit des Abonnementfernsehens abhängig.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
ob auch die Inhaberin einer provisorischen Sendeerlaubnis nach Art. 32 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 in verschlüsselter Form senden dürfe. 139 Angesichts des Streits im Schrifttum um die Zulässigkeit der Verschlüsselung der Programme entschied sich das Postministerium zur besseren Beantwortung der Frage eine Entscheidung des Staatsrates einzuholen. In seinem Antrag140 führte der Minister aus, daß vom Gesetzgeber im Gesetz Nr. 223/1990 zwar keine ausdrückliche Regelung der Pay-TV-Sender vorgesehen worden sei, dem Gesetz aber einige indirekte Hinweise auf die Zulässigkeit der drahtungebundenen terrestrischen Sendung von Programmen in verschlüsselter Form zu entnehmen seien. Zu diesen zähle die Bezugnahme auf die "Verbreitung von Fernsehprogrammen, mit welchen technischen Mitteln auch immer" (Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990), aus der geschlossen werden könne, daß grundsätzlich auch die Sendung in verschlüsselter Form, die nur eine Unterart der terrestrischen Sendung darstelle, von den Bestimmungen des Gesetzes erfaßt werde. Hinzu komme, daß Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 unter die Gesamteinnahmen des Bereichs der Massenkommunikation auch die Erträge aus Abonnements von Fernsehsendern fasse. Unter die ,,Erträge aus Abonnements" könnten aber gerade auch die Entgelte der Abonnenten der Pay-TV-Sender gefaßt werden. Ein letzter Hinweis auf das Abonnementfemsehen sei schließlich, so der Postminister, in Art. 1 der EG-Fernsehrichtlinie enthalten. 141 Nach dieser Bestimmung sei unter ,,Fernsehsendung" sowohl die Sendung von Programmen in verschlüsselter, als auch in unverschlüsselter Form zu verstehen. Da Art. 39 Gesetz Nr. 223/1990 die Richtlinie mit Erlaß des Gesetzes Nr. 223/1990 ausdrücklich fiir umgesetzt erklärt habe, müsse auch vom Gesetz Nr. 223/1990 die verschlüsselte Ausstrahlung von Programmen erfaßt sein. 142 Der Staatsrat machte sich im wesentlichen die Argumentation des Postministers zu eigen143 und entschied unter Hinwies darauf, daß die Verbreitung von Fernsehprogrammen eine spezielle Ausprägung des Rechtes auf freie Mei139 So wiedergegeben in A. Contaldo - Aspetti giuspubblicistici della disciplina sulla pay-tv, Dir. aut. 1994,170 (174). 140 Wiedergegeben in Giur. cost. 1992, 667 tT. 141 RL 89/552/EWG (ABi. 1989, L 298/23 ff.). 142 Mit derselben Argwnentation bergrilnden A. Fragola - Prime battute di un discorso giuridico sulla tv pay, Dir. aut. 1993, 83 (87) und A. Contaldo - La radiotelevisione a pagamento (pay-tv), in: A. Sarli (Hrsg.) - Guida alla emittenza privata, Mailand 1994, S. 230 (232) die Zulässigkeit des drahtungebundenen terrestrischen Abonnementfernsehens. 143 Gutachten des Staatsrates vom 16. Oktober 1991, Giur. cost. 1992, 664 ff, mit kritischer Anmerkung von M Maione - La pretesa "libertä" di istituire "pay-tv" e la 1. n. 223 del 1990, Giur. cost. 1992, 673 ff.
D. Die Sonderstellung der Pay-TV-Sender
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nungsäußerung darstelle, daß nur schwerlich geleugnet werden könne, daß das Gesetz Nr. 223/1990 mangels eines ausdrücklichen Verbotes auch die Sendung von Programmen in verschlüsselter Fonn gestatte. Die Ausführungen des Postministers und des Staatsrates wurden von den Vertretern der Unzulässigkeit des drahtungebundenen terrestrisch ausgestrahlten Abonnementfernsehens heftig kritisiert. Im wesentlichen wurde argumentiert, daß die Bezugnahme auf Art. 1 der EG-Fernsehrichtlinie zwar für definitorische Zwecke hilfreich sei, dies aber nicht darüber hinweghelfen könne, daß im Gesetz Nr. 223/1990 keinerlei Regelung für das Abonnementfernsehen getroffen worden sei. Das aus Art. 1 Abs. 1 Gesetz Nr. 223/1990 entnommene Argument wurde mit dem Hinweis darauf abgetan, daß die Verschlüsselung eines Programmes vor dessen Übertragung statt finde und daher unabhängig vom konkret verwandten Übertragungsmittel sei. 144 In Bezug auf den in Art. 15 Abs. 3 Gesetz Nr. 223/1990 enthaltenen Hinweis auf die Erträge aus Abonnements von Fernsehsendern wurde behauptet., dieser beziehe sich ausschließlich auf das Kabelfernsehen, der einzigen vom Gesetzgeber bedachten Fonn eines "entgeltlichen" Fernsehens. 145 Die Stellungnahme des Staatsrates beeinflußte schließlich die Abfassung der Durchfiihrungsverordnung zum Gesetz Nr. 223/1990. 146 Art. 27 dieser Verordnung sieht vor, daß sämtliche Pflichten und Verbote des Gesetzes Nr. 223/1990 auch auf die Fernsehsender Anwendung finden, deren Programme nur mittels eines Decoders empfangen werden können. Mit dieser Bestimmung wurde die Zulässigkeit des Abonnementfernsehens erstmals ausdrücklich anerkannt. War die von Postminister und Regierung bis zum Erlaß der Durchfiihrungsverordnung eingeschlagene Linie ohne Bruch zu verfolgen, so änderte sich die Situation durch Erlaß des ministeriellen Dekrets, das die Rangliste zur Bestimmung der Sender mit Anspruch auf Erteilung einer Konzession enthielt. 147 Obwohl alle drei Sender der "Telepiu" sich unter den neun erstplatzierten Sendern mit Anspruch auf Erteilung einer Konzession befanden, verschob der Postminister die Konzessionserteilung für die Pay-TV-Sender auf die Zeit nach Erlaß eines geeigneten "Regelkatalogs"148 seitens des Postministeriums, um die Wer144 R. Esposito - I ,,nuovi mezzi": satellite, cavo, pay-tv, in: R. ZaccariaIP. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiotelevisione in ltalia, Turin 1994, S. 265 (292); Maione, S. 674. 145 A. Pace - Cattive abitudini nella pay-tv, Il sole/24 ore vom 25. August 1993. 146 Siehe d.P.R. Nr. 255/1992 i.Y.m. Art. 36 Gesetz Nr. 223/1990. 147 d.m. vom 13. August 1992. Siehe hierzu auch 1. Teil C. 148 Das ministerielle Dekret sprach absichtlich nicht von "Verordnung" (ita!.: ,,regolamento"), sondern allgemein von einem ,,Rgelkatalog" (ita!.: "disciplinare"), um bei
10 pfeifer
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
besendungen zu begrenzen und die Sendungen festzulegen, die in unverschlüsselter Form gesendet werden müssen. 149 Das Dekret des Postministers verstieß mit dieser Bestimmung gegen Art. 27 der Durchfiihrungsverordnung, da es die vorgeschriebene Gleichbehandlung von verschlüsselt und unverschlüsselt ausstrahlenden Sendern mißachtete. Da nach Art. 17 Abs. 3 Gesetz Nr. 400/1988 ministerielle Verordnungen im Rang den Regierungsverordnungen nachstehen, wurde der Minister fiir sein Vorgehen heftig kritisiert. 150 Die Regierung entschloß sich schließlich das Vorgehen des Postministers durch Erlaß eines Regierungsdekrets mit Gesetzeskraft (Art. 77 Abs. 2 der Verfassung) auf eine solidere rechtliche Grundlage zu stellen. Nach Art. 1 Abs. 2 dieses Dekrets (d.l. Nr. 361/1992) wurde der Postrninister mit dem Erlaß besonderer "Vorschriften" für das Abonnementfernsehen beauftragt. Da das genannte Regierungsdekret im Parlament fiir die Umwandlung in ein Gesetz keine Mehrheit fand, mußte es nach Ablauf von 60 Tagen erneut erlassen werden. 151 Das neuerliche Dekret wurde schließlich in das Gesetz Nr. 482/1992 umgewandelt, nachdem die Befugnis zur Regelung des Abonnementfernsehens vom Postminister auf die gesamte Regierung verlagert worden war. Nach Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 482/1992 ist nicht mehr vom Erlaß eines geeigneten "Regelkatalogs", sondern von einer "Verordnung" die Rede, die nach dem Verfahren des Art. 36 Gesetz Nr. 223/1990 zu erlassen ist. 152 Anders als das Dekret des Ministers vom 13. August 1992 enthält Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 482/1992 keinerlei Hinweise darauf, was die Verordnung fiir das Abonnementfernsehen im einzelnen zu regeln hat. Die Kritik am Vorgehen von Regierung und Parlament verstummte auch nach Erlaß des Gesetzes Nr. 482/1992 nicht. Dies lag v.a. daran, daß in der juristischen Literatur mehrheitlich die Ansicht dessen Erlaß nicht an das fiir ministerielle Verordnungen geltende Verfahren des Art. 17 Abs. 3 und 4 Gesetz Nr. 400/1988 gebunden zu sein. 149 Die Notwendigkeit einer Sonderregelung für das Abonnementfernsehen wird in der juristischen Literatur allgemein bejaht. Siehe stellvertretend fiir viele andere Esposito, S. 296,m.w.N. 150 A. Contaldo - La radiotelevisione a pagamento (pay-tv), in: A. Sarli (Hrsg.) - Guida alla ernittenza privata, Mailand 1994, S. 230 (236). 151 d.I. Nr. 407/1992. 152 ln Abweichung des Art. 17 Gesetz Nr. 400/1988, der das beim Erlaß von Verordnungen einzuhaltende Verfahren bestimmt, stellt Art. 36 Gesetz Nr. 223/1990 für den Erlaß der Durchführungsverordnung und sämtliche Änderungen derselben ein besonderes Verfahren auf. Hiernach wird die Verordnung auf Vorschlag des Postrninisters nach vorangegangenem Beschluß des Ministerrates und nachdem der oberste technische Rat für das Post- und Fernmeldewesen, die Medienaufsicht, sowie die zuständigen Parlamentskomrnissionen angehört wurden, erlassen.
D. Die SonderstellWlg der Pay-TV-Sender
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vertreten wird, daß die Regelung des Abonnementfemsehens dem Vorbehalt des Gesetzes unterliege und daher nicht von der Regierung durch Erlaß einer Verordnung vorgenommen werden könne. 153 Die Vertreter dieser Meinung konnten sich dabei auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stützen, in der mehrmals zum Ausdruck gebracht wurde, daß Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit im Rundfunkbereich dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen. 154 Erschwerend kam hinzu, daß Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 482/1992 keinerlei Hinweise fiir die Begrenzung der Regelungsbefugnis der Regierung enthielt. 155 Zwar garantierte das Verfahren des Art. 36 Gesetz Nr. 223/1990 dem Parlament, in der Form der Anhörung der zuständigen Kommissionen, eine gewisse Mitwirkung am Erlaß der Verordnung, die endgültige Entscheidung lag aber bei der Regierung. Das komplexe und zeitraubende Verfahren des Art. 36 Gesetz Nr. 223/1990 verhinderte in der Folgezeit den Erlaß der Verordnung zur Regelung des PayTY. Durch Art. 3 Abs. 11 Gesetz Nr. 249/1997 wurde diese Aufgabe schließlich auf die Medienaufsicht übertragen. Eine Regelung des Bereichs ist bislang aber auch durch diese nicht erfolgt.
Nachdem Regierung und Parlament durch Art. 1 Abs. 2 Gesetz Nr. 482/1992 bereits zum Ausdruck gebracht hatten, nicht an der undifferenzierten Gleichstellung von Pay-TV-Sendem und unverschlüsseit ausstrahlenden Sendern festhalten zu wollen, wurde diese ,,Kurskorrektur" durch Art. 11 Abs. 1 Gesetz Nr. 422/1993 bestätigt.156 Während unverschlüsselten Programmen prinzipiell die erdgebundene drahtlose Ausstrahlung gestattet blieb, verpflichtete Art. 11 Abs. 1 Gesetz Nr. 422/1993 die Pay-TV-Sender sich zur Ausstrahlung ihrer Programme der Kabel- oder Satellitentechnik zu bedienen. Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Gesetz Nr. 422/1993 wurde den Pay-TV-Sendem fiir die Umstellung je-
153 Esposito, S. 602; A. Contaldo - La radiotelevisione a pagamento (pay-tv), in: A. Sarli (Hrsg.) - Guida alla emittenza privata, Mailand 1994, S. 230 (237); drs. - Aspetti giuspubblicistici della disciplina sulla pay-tv, Dir. aut. 1994,170 (181 Wld 185 f.); R. Zaccaria - Pay-tivil, serve Wl'altra legge Mammi, Avvenire vom 17. September 1993. Siehe auch Art. 17 Abs. 2 Gesetz Nr. 400/1988, durch den klargestellt wird, daß die RegiefWlg zur Rege1Wlg derjenigen Sachverhalte, die dem Vorbehalt des Gesetzes Wlterliegen, keine VerordnWlgen erlassen darf. 154 So zuletzt Corte cost. Nr. 112/l993, Giur. cost. 1993, 939 (959). 155 Auch A. Brighina - Le innovazioni sull'istituto e sull'assetto dei poterei dei Garante per la radiodiffusione e I'editoria, in: R. Zaccaria/P. Barile (Hrsg.) - Rapporto '93 sui problemi giuridici della radiote1evisione in Italia, Turin 1994, S. 492 (502) übt hieran Kritik. 156 Zum GesetzNr. 422/l993 siehe auch 1. Teil C.
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3. Teil: Wesentliche Refonnaspekte im privaten Fernsehsektor
doch bis zum 28. August 1995 Zeit gelassen. 157 Um den Zuschauern den stufenweisen Übergang zur neuen Übertragungstechnik zu ermöglichen, wurden die Pay-TV-Sender nach Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Gesetz Nr. 422/1993 fiir weitere 24 Monate (d.h. bis einschließlich 28. August 1997) verpflichtet, die Programme sowohl über den Äther, als auch über Kabel bzw. Satellit auszustrahlen (sog. "multicasting").158 Für die Übergangszeit schreibt Art. 11 Abs. 2-bis Gesetz Nr. 422/1993 vor, daß auf die in verschlüsselter Form ausstrahlenden Sender die Regelungen des Gesetzes Nr. 223/1990 Anwendung finden. Damit fand der Gesetzgeber, wenn auch nur für einen provisorischen Zeitraum, zur Regelung des Art. 27 der Durchführungsverordnung zurückgefunden. Mit Erlaß des Gesetzes Nr. 422/1993 setzten sich die Vertreter der Unzulässigkeit des drahtungebundenen, terrestrisch ausgestrahlten Abonnementfernsehens durch. Die Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 und 2 Gesetz Nr. 422/1993 wurde mittlerweile allerdings durch Art. 3 Abs. 11 Gesetz Nr. 249/1997 aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt. Nach Art. 3 Abs. 11 Gesetz Nr. 249/1997 kann einem Unternehmen maximal eine Konzession für die landesweite Ausstrahlung eines verschlüsselten Programms auf terrestrischen Frequenzen erteilt werden. Die Ausstrahlung von bis zu zwei verschlüsselten Programmen bleibt allerdings während der Übergangszeit des Art. 2 Abs. 6 und 7 Gesetz Nr. 249/1997 erlaubt. 159 Mit dieser Entscheidung ist der Gesetzgeber den Bedürfnissen von "Telepiu" entgegengekommen. In der Tat hätte die Einhaltung der Fristen des Art. 11 Gesetz Nr. 422/1993 den Fortbestand der Gesellschaft gefahrdet, da ein flächendeckendes Kabelnetz in Italien bislang nicht besteht und die Anzahl der Haus-
157 Durch das Dekret d.I. Nr. 360/1995 das von der Regierung zehn Mal (!) wortgleich neu erlassen werden mußte, bevor es schließlich in das Gesetz Nr. 650/1996 umgewandelt wurde, wurde die Frist des Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Gesetz Nr. 422/1993 auf den 31. Dezember 1996 verschoben. Der Garante per Ja Radiodiffusione e J'Editoria hatte zuvor bereits in seinem jährlichen Bericht an das Parlament (1995) darauf hingewiesen, daß der Rückstand Italiens bei der Kabe1- und Satellitentechnik zwangsläufig eine Verschiebung der Frist des Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Gesetz Nr. 422/1993 mit sich bringen würde. Siehe Vita italiana (istituzioni e comunicazione) 1995, Nr. 3, Bd. 1, S. 254. Zweifel am Vorliegen "außergewöhnlicher Notwendigkeit und Dringlichkeit", die von Art. 77 Abs. 2 der Verfassung filr den Erlaß eines Regierungsdekrets vorausgesetzt wird, äußerte A. ContaJdo - Sulla possibilitä di convertire le TV in chiaro in pay-tv, Dir. inf. 1996,263 (264). 158 Das Regierungsdekret Nr. 323/1993, das durch das Gesetz Nr. 422/1993 umgewandelt wurde, hatte die Pay-TV-Sender noch dazu verpflichtet, sich innerhalb eines Jahres auf die neue Übertragungstechnik umzustellen. 159 Siehe oben 3. Teil A., TI., 1., c).
D. Die Sonderstellung der Pay-TV-Sender
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halte mit Parabolantenne vergleichsweise gering ist. Mit der Entscheidung, die Möglichkeit der Ausstrahlung verschlüsselter Programme auf terrestrischen Frequenzen zu erhalten, setzt sich der Gesetzgeber aber erneut der Kritik derjenigen aus, die hierin eine Verstärkung der negativen Wirkungen von Medienkonzentration fiir all diejenigen sehen, die nicht Abonnenten sind. Durch Art. 3 Abs. 11 Gesetz Nr. 249/1997 wurde "Telepiu" mittlerweile gezwungen eines ihrer drei Programme ausschließlich über Satellit auszustrahlen. Die hierdurch freigewordenen Frequenzen kamen in erster Linie Telemontecarlo zugute, das bislang nur unzureichend mit Sendefrequenzen ausgestattet war. 160 Damit hat die neue Regelung bereits einen ersten Beitrag zur Stärkung des Pluralismus geleistet.
160
R. Di Geronimo - TI commento, eoITiere giur. 1997, 1271 (1275).
4. Teil
Die Medienaufsicht - Die "Autorita per le garanzie nelle comunicazioni" Zu den wesentlichen Neuerungen, die durch das Gesetz Nr. 223/1990 in die italienische Femsehordnung eingeführt wurden, gehört die Errichtung einer Medienaufsicht. Die Idee ein Aufsichtsorgan fiir den Rundfunkbereich zu schaffen war bei Verabschiedung des Gesetzes "Mammi" keineswegs neu. Bereits 1972 gab es im Parlament erste Bestrebungen eine "Commissione di garanzia" fiir sämtliche Rundfunkdienste zu schaffen. 1 Im Jahr 1981 wurde dann, zunächst auf den Pressebereich beschränkt, eine Aufsichtsbehörde eingeführt. 2 Es handelte sich hierbei nicht etwa um die Errichtung einer Kommission, wie dies noch 1972 beabsichtigt worden war, sondern um die Schaffimg eines ,,EinMann-Organs", dem in erster Linie die Aufgabe zukam, durch halbjährliche Berichte dem Parlament die Gelegenheit zu geben, sich über die tatsächliche Anwendung des Pressegesetzes ein Bild zu machen. Die guten Erfahrungen, die mit der Presseaufsicht gemacht wurden, veranlaßten den Gesetzgeber schließlich dazu, sich an dieser bei der Errichtung der Rundfunkaufsicht zu orientieren. Durch das Rundfunkgesetz Nr. 223/1990 wurden die Aufgaben der Rundfunk- und Presseaufsicht in einem Organ, dem "Garante per le radiodiffusione e l'editoria" vereint. Dem Ziel der Errichtung einer einheitlichen "Kommunikationsordnung" folgend wurde der "Garante" im Zuge der Refonn "Maccanico" mittlerweile durch die "Autoriti per le garanzie nelle comunicazioni" ersetzt (Art. 1 Gesetz Nr. 249/1997). Die "Autoriti" vereinigt im wesentlichen die bisherigen Aufgaben des "Garante" mit denen einer Aufsicht fiir den Bereich der Telekommunikation.
1 Vgl. P. Vipiani - TI Garante dell'attuazione della legge per l'editoria ed il Garante per la radiodiffusione e l'editoria: due figure istituzionali a confronto, Dir. inf. 1991,235 (235). 2 Art. 8 GesetzNr. 41611981.
A. Das Ernennungsverfahren und die Sicherung der Unabhängigkeit
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A. Das Ernennungsverfahren und die Sicherung der Unabhängigkeit Wie schon durch das Pressegesetz, so wurde auch durch das Gesetz Nr.
223/1990 keine Kommission, sondern ein monokratisches Organ mit Aufsichts-
funktionen geschaffen. 3 Begründet wurde diese Entscheidung mit der Notwendigkeit nach einer ZUlÜckdrängung der Praxis der "lottizzazione", der Postenvergabe nach Parteienproporz. 4 Da nur ein Amt zu besetzen sei, so die übetwiegende Ansicht der Parlamentarier, müßten sich die politischen Parteien notgedrungen auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Dies sollte nicht nur einer unnötigen Vermehrung der zu vergebenden Ämter vorbeugen, sondern auch die Unabhängigkeit und die Autorität der Medienaufsicht stärken. 5 Das Bemühen des Gesetzgebers um die Wahrung der Unabhängigkeit der Medienaufsicht wurde auch am gewählten Ernennungsverfahren deutlich. Der "Garante" wurde per Dekret des Präsidenten der Republik auf gemeinsamen Vorschlag der Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses ernannt. Die Kammerpräsidenten übten dabei ersichtlich, wie auch schon bei der Bestimmung der Mitglieder des Verwaltungsrates der RAl, eine überparteiliche Funktion aus, in der sich sämtliche im Parlament vertretenen Gruppen wiederfinden sollten. 6 Wie schon das Pressegesetz, so stellte auch das Gesetz Nr. 223/1990 bestinunte Anforderungen an die "Wählbarl