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German Pages 395 [396] Year 1995
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = = Heft 54 = = = = = Michael Bothe, Armin Dittmann, Wolfgang Manti und Yvo Hangartner
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat
Johannes Hengstschläger, Lerke Osterloh, Hartmut Bauer und Tobias Jaag
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Halle/Saale vom 5. bis 8. Oktober 1994
W DE G 1995
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Redaktion: Prof. Dr. Karl Korinek (Wien)
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Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat / Michael Bothe ... Privatisierung von Verwaltungsaufgaben / Johannes Hengstschläger ... Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Halle/Saale vom 5. bis 8. Oktober 1994. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 (Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer ; H. 54) ISBN 3-11-014851-X NE: Bothe, Michael; Privatisierung von Verwaltungsaufgaben; Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer: Veröffentlichungen der Vereinigung...
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Inhalt Jahrestagung 1994
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Erster Beratungsgegenstand: Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab freiheitlichen Verfassungsstaat
der Schule im
1. Bericht von Professor Dr. Michael Bothe 7 Leitsätze des Berichterstatters 43 2. Bericht von Professor Dr. Armin Dittmann 47 Leitsätze des Berichterstatters 72 3. Länderbericht Osterreich von Professor Dr. Wolf gang Manti . 75 4. Länderbericht Schweiz von Professor Dr. Yvo Hangartner . . . 95 5. Aussprache und Schlußworte 105 Zweiter Beratungsgegenstand: Privatisierung von
Verwaltungsaufgaben
1. Bericht von Professor Dr. Johannes Hengstschläger Leitsätze des Berichterstatters 2. Bericht von Professor Dr. Lerke Osterloh Leitsätze der Berichterstatterin 3. Bericht von Professor Dr. Hartmut Bauer Leitsätze des Berichterstatters 4. Länderbericht Schweiz von Professor Dr. Tobias Jaag 5. Aussprache und Schluß worte
165 201 204 240 243 281 287 301
Verzeichnis der Redner
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Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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Satzung der Vereinigung
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J a h r e s t a g u n g 1994 Die Jahrestagung der Vereinigung fand 1994 erstmals nach der Wiedervereinigung Deutschlands in einem der neuen Bundesländer statt. Tagungsort war vom 5. bis 8. Oktober Halle/Saale. Die Vereinigung war in Halle schon einmal, im Jahre 1931, gewesen. Damals war es die achte, dieses Mal die 72. Tagung der Vereinigung seit ihrer Gründung 1922 und die 54. Tagung (einschließlich der Berliner Sondertagung 1990) seit ihrer Wiederbegründung im Jahre 1949. Den Vorsitz führte Walter Schmitt Glaeser, die Aussprachen leiteten die Vorstandsmitglieder Hans-Peter Schneider (1. Beratungsgegenstand) und Karl Korinek (2. Beratungsgegenstand). Die Organisation vor Ort hatte Michael Kilian als kooptiertes Vorstandsmitglied übernommen. Ihm, aber auch Frau Kilian und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist in besonderem Maße für eine äußerst gelungene Tagung zu danken, die allen Teilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben wird. Einschließlich Begleitung waren über 300 nach Halle gekommen. Mit den seit der letzten Tagung neu aufgenommenen zehn Kollegen zählt die Vereinigung mittlerweile (Stand: Oktober 1994) 380 Mitglieder. In der Mitgliederversammlung wurde der verstorbenen Mitglieder Heinrich Kipp, Hermann Soell und Friedrich-August Freiherr von der Heydte gedacht. Die Vereinigung wird ihnen ein ehrendes Andenken bewahren. Der Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Oberbürgermeister der Stadt Halle empfingen die Teilnehmer am ersten Abend im Stadthaus am Marktplatz. An gleicher Stelle waren sie am zweiten Abend Gast der Landesregierung Sachsen-Anhalt. Zuvor hatte Otto Depenheuer in der Marktkirche ein Orgelkonzert besonderer Güte dargeboten. Der festliche Gesellschaftsabend nach Abschluß des wissenschaftlichen Programms eröffnete mit einer Revue im neuen Theater Einblicke in die „DDR der 50er Jahre" und gab anschließend unter den Klängen einer Big Band Gelegenheit zum Tanz. Der traditionelle Samstagausflug führte die Teilnehmer über Landsberg nach Wittenberg, wo das Luthermuseum, das Rathaus, die Schloßkirche und die CranachHöfe besichtigt werden konnten. Das von den Hallenser Gastgebern organisierte Begleitprogramm bot eine reiche Auswahl von Ausflügen in
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Jahrestagung
die nähere und weitere Umgebung. Dazu gehörten die Fahrt zum Kyffhäusergebirge und nach Bad Frankenhausen, der Besuch von Schloß Neuenburg und des Naumburger Doms, die Führung über den Stadtgottesacker und durch die Francke'schen Stiftungen, oder auch die Fahrt nach Dessau mit der Besichtigung des Bauhauses und der Ausflug nach Bad Lauchstädt zu den historischen Kuranlagen und dem Goethetheater; auch konnte Halle mit einer historischen Straßenbahn „entdeckt" und danach das Salinemuseum besucht werden. Im Jahre 1995, vom 4. bis 7. Oktober, wird die Vereinigung ihre Jahrestagung zum dritten Mal, nach 1928 und 1958, in Wien abhalten. Für 1996 nahm die Mitgliederversammlung mit Dank die Einladung nach Dresden an, ebenso diejenige für 1997 nach Osnabrück. W.S.G.
Erster Beratungsgegenstand:
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat 1. Bericht von Prof. Dr. Michael Bothe, Frankfurt/Main Inhalt Seite
1. Einführung: Vom Sinn des Themas 2. Gesellschaftliche Herausforderungen an das Erziehungswesen 2.1 Die gesellschaftliche Binnenproblematik 2.2 Die Außenproblematik 3. Der staatliche Erziehungsauftrag 4. Erziehungsmaßstäbe 4.1 Sinn und Unsinn rechtlich festgelegter Erziehungsmaßstäbe und -ziele 4.2 Erziehungsziele im pluralistischen Staat 4.3 Einzelne Erziehungsziele 4.3.1 Erziehungsziel: kritische, verantwortliche und gemeinschaftsorientierte Selbstverwirklichung 4.3.2 Erziehungsziel: moderne Industrie- und Informationsgesellschaft 4.3.3 Erziehung in der multikulturellen Gesellschaft . . . . 4.3.3.1 Multikulturalität in der Erziehung 4.3.3.2 Multikulturalität als Erziehungsziel 4.3.4 Erziehungsmaßstab Europa 4.3.5 Erziehung zu Frieden und Völkerverständigung . . . 4.4 Zur Bedeutung von Erziehungszielen - eine Schlußbetrachtung
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1. Einführung: Vom Sinn des Themas Selten ist es dem Vorstand unserer Vereinigung gelungen, ein Thema so zeitgenau zu piazieren: Heute ist, von der U N E S C O proklamiert, der Internationale Tag des Lehrers 1 . Besteht kraft Verfassung ein staatlicher Erziehungsauftrag? Die bejahende Antwort auf diese Frage ist weitgehendes Allgemeingut der Verfassungsinterpreten. Schwieriger ist die Frage nach den Erziehungsmaßstäben zu beantworten, da eine inhaltliche Festsetzung solcher Maßstäbe sich an dem Gebot der Ermöglichung von Pluralismus und an der weltanschaulichen Neutralität des Staates zu stoßen scheint. Dies ist in der Vergangenheit hitzig und ausgiebig, unter Beteiligung vieler prominenter Mitglieder unserer Vereinigung diskutiert worden 2 . Was kann uns veranlassen, diese beiden Fragen gerade heute wieder aufzunehmen? Ist es ein archäologisches Interesse, wichtige Debatten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen? Ein derartiges Interesse ist jedenfalls nicht allein geeignet, die Beschäftigung unserer Vereinigung mit diesem Gegenstand zu rechtfertigen. Es ist vielmehr die Tatsache, daß die Erziehung in der „social fabric" eine Schlüsselrolle einnimmt, wie auch immer man die Anforderungen der Gesellschaft und des politischen Systems an die Schule definiert3. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr". Oder: „Wer die Schule hat, hat die Zukunft" 4 . Das bedeutet zweierlei: Die Frage nach der Rolle der Schule in der Gesellschaft ist eine politische Frage, die mit Mitteln des Rechts zu definieren und zu steuern der Rechtstaat in Anspruch nehmen muß. Zum zweiten ist diese Rolle und sind damit Inhalte schulischer BilVereinte Nationen 42 (1994), S. 162. Vgl. zusammenfassend Peter Haberle, Erziehungsziele und Orientierungswerte im Verfassungsstaat, 1981. Aus der kaum überschaubaren Literatur der 70er Jahre seien insbes. genannt: Hans Ulrich Evers, Die Befugnis des Staates zur Festlegung von Erziehungszielen in der pluralistischen Gesellschaft, 1979; Thomas Oppermann, Nach welchen rechtlichen Grundsätzen sind das öffentliche Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen? Gutachten C für den 51. Deutschen Juristentag, 1976; Kommission Schulrecht des Deutschen Juristentages, Schule im Rechtsstaat, Bd. 1 : Entwurf für ein Landesschulgesetz, 1981. 3 Dazu eingehend Günter Frankenberg, Verrechtlichung schulischer Bildung. Elemente einer Kritik und Theorie des Schulrechts, Diss. München 1978, S. 96 ff.; vgl. auch Peter Huber, Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, BayVBl. 1994, S. 545. 4 Vgl. etwa Adolf Arndt, Aufgaben und Grenzen der Staatsgewalt im Bereich der Schulbildung, in: ders. (Hrsg.), Politische Reden und Schriften, 1976, S. 203 ff., 208; skeptisch dazu Ingo Richter, Sitzungsbericht M zum 51. D J T 1976, M 26; Evers, a. a. O . (Fn. 2), S. 92 m. w. N . 1
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dung und Ausbildung historisch bedingt oder historisch gefordert. „Vitae discimus" heißt Lernen für ein prognostiziertes, nicht für ein abstraktes Leben. Schule soll und will befähigen zur Bewährung im persönlichen, gesellschaftlichen, politischen und beruflichen Leben in ihrer Zeit. Im Erziehungswesen ist die Debatte um Reformen stets geführt worden im Hinblick auf die sich wandelnden Anforderungen der Gesellschaft an das Erziehungssystem 5 . Folglich ist die Frage nach dem Erziehungsauftrag und noch mehr die nach Erziehungsmaßstäben eine Frage danach, ob und wie die Schulen den Herausforderungen gerecht werden, die die gesellschaftlichen Probleme in einer bestimmten historischen Situation erzeugen. Das heißt, daß sie sich wandeln. Also: „schola semper reformanda"? Es wird manche reformgeplagte Eltern schaudern lassen, aber in Abständen muß das schon sein. In der Tat haben sich seit den heftigen Debatten der 70er Jahre um rechtliche Vorgaben des Erziehungswesens einige wesentliche gesellschaftliche Rahmenbedigungen gewandelt 6 . Wenn wir also nach dem Wandel des verfassungsrechtlich verankerten Erziehungsauftrages und der aus dem Grundgesetz ableitbaren Erziehungsmaßstäbe fragen, so bedeutet das zugleich die Frage danach, ob und wie denn die Verfassung einen solchen fordern, wie weit sie ihn gar bewirken kann. Also nicht nur Wandel der Verfassung, auch Wandel durch Verfassung ist gefragt. Auch damit sind wir bei einer alten Streitfrage 7 . Damit ergibt sich der Gang unserer Überlegungen. Wir müssen zunächst einen Blick auf die soziale Wirklichkeit werfen und uns fragen, welche Probleme einer Lösung harren, die, jedenfalls auch, eine Herausforderung an das Erziehungssystem darstellen. Es sind gesellschaftliche Krisenphänomene, die unsere heutige Beschäftigung mit dem Thema erfordern. Ein Blick auf diese Krisenphänomene und Zukunftsprobleme ist darum der erste Schritt unserer Überlegungen. Im Anschluß daran ist der Normbestand, der den Rahmen des Erziehungswesens darstellt, darauf zu überprüfen, ob er Direktiven bereithält oder bereithalten könnte, die zur Bewältigung jener Herausforderungen beitragen könnten, und welchen Grenzen solche Direktiven unterliegen. D a es sich zum großen Teil 5 Vgl. OECD, The Curriculum Redefined: Schooling for the 21st century, 1994, insbes. S. 9 ff., 20 ff., 29, 41 ff.; Lutz-Rainer Reuter, Bildung zwischen Politik und Recht, in: Rüdiger Voigt (Hrsg.), Verrechtlichung, 1980, S. 116 ff., 118. 6 Dazu sogleich unter 2.1, vgl. insbes. die Nachw. Fn. 11-15. 7 Die Frage, ob sich durch einen stillen Verfassungswandel oder eher durch einen Wandel der Verfassungsinterpretation die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bildungswesens geändert hatten, war in den 70er Jahren umstritten, vgl. dazu Oppermann, DJT 51 (1976), C 18.
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um Strukturprobleme handelt, die den Gesellschaften der entwickelten Industriestaaten gemeinsam sind, wird es dabei auch rechtsvergleichende Ausblicke geben müssen. Ebenso sind Direktiven nicht nur im nationalen Recht, sondern auch im Europa- und Völkerrecht zu suchen. Bei alledem ist nicht nur nach dem Inhalt solcher Direktiven zu fragen, sondern auch ihre Brauchbarkeit als gesellschaftliches Steuerungsmittel kritisch zu beleuchten. 2. Gesellschaftliche Herausforderungen an das Erziehungswesen Es gibt viele große und kleine Herausforderungen, denen wir die uns folgende Generation ausgesetzt sehen und für die darum die Schule vorbereiten sollte. Lassen Sie mich davon nur einige wenige herausgreifen, deren zentrale Bedeutung wohl niemand bestreiten wird, bei allen Kontroversen, die über die Bewertung im einzelnen bestehen. Der erste Problemkomplex betrifft den Wandel gsellschaftlicher Strukturen in den westlichen Industriestaaten (innere Problematik), der zweite die Stellung Deutschlands und Europas in der Welt (äußere Problematik).
2.1 Die gesellschaftliche
Binnenproblematik
Die innergesellschaftliche Problematik sei mit drei Stichworten schlaglichtartig beleuchtet: Deutschland - ein Land von Singles, von Konsumenten und ein Altenheim. Man kann auch die ersten beiden Stichworte zusammenfassen: ein Land von Selbstverwirklichern. Das dritte Element der gesellschaftlichen Entwicklung ist nicht nur eine Folge des Fortschritts der Medizin, sondern auch eine solche der beiden ersten, welche das Reproduktionsverhalten unserer Gesellschaft nachhaltig beeinflußt haben. Zur Verdeutlichung der Stichworte: Die gesellschaftliche Entwicklung der westlichen Industriestaaten ist in diesem Jahrhundert sehr stark von Enttraditionalisierung und Individualisierung, von dem Prinzip persönlicher Autonomie geprägt8. Die weit zurückreichenden historischen und geistesgeschichtlichen Wurzeln dieser Entwicklung sind hier nicht dar-
8 Helmut Klages, Traditionsbruch als Herausforderung. Perspektiven der Wertewandelgesellschaft, 1993, insbes. S. 9 ff., 253 ff.; Wolfgang Brezinka, Erziehungsziele heute - Problematik und Leitlinien, Pädagogische Rundschau 45 (1991), S. 561, 573; zur Geschichte und Problematik der Individualisierung vgl. Ulrich Beck, Risikogesellschaft - Auf dem Weg in eine andere Moderne, 1986, S. 130 ff., 157 ff.; vgl. ferner Norbert Elias, Die Gesellschaft der Individuen, 1987, insbes. S. 207 ff.
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zustellen 9 . Die empirische Sozialforschung weist in den 60er Jahren einen deutlichen Schub dieser Entwicklung nach, weg von Pflicht- und A k zeptanzwerten, hin zu Selbstentfaltungswerten. Dieser Trend ist ungebrochen, aber es sind seit den 60er Jahren Ändergunen eingetreten. Die Propagierung der Selbstentfaltungswerte in den 60er und 70er Jahren war sehr stark durch reformerischen Schwung, durch Utopien gekennzeichnet. Deshalb wurde sie auch als politischer Konfessionalismus kritisiert 1 0 . Die konservative Kritik betonte demgegenüber jedenfalls im Streit u m Bildungsreformen 1 1 den Pluralismus, während sie in anderen Bereichen stärker wertbezogen argumentierte 1 2 . Dieser Elan hat jedoch nachgelassen, es wird die „Erschöpfung utopischer Energien" konstatiert 1 3 , eine Pluralisierung der Selbstentfaltungswerte 1 4 mit stärkerer Betonung hedonistischer Elemente, eine verbreitete Orientierungslosigkeit sind festzustellen. Die genaue Tragweite dieses Befundes und seine Bezeichnung als Postmoderne sind umstritten 1 5 . Neokonservative Ansätze betonen in dieser Situation nicht Pluralismus, sondern Besinnung auf historische Werte16.
Eine summarische Übersicht bei H. Klages, a. a. O. (Fn. 8), S. 253 ff. Vgl. die Nachweise bei Martin Stock, Die pädagogische Freiheit des Lehrers im Lichte des schulischen Bildungsauftrags, Rdjb 1986, S. 212 ff., 217; gegen eine solche Charakterisierung nachdrücklich Lutz Dietze, Die Reform der Lehrinhalte als Verfassungsproblem, 1976, insbes. S. 183 f. 11 Oppermann, a. a. O. (Fn. 2), insbes. S. 94 ff.; Günter Püttner, Toleranz als Verfassungsprinzip, 1977, S. 50; ders., Toleranz und Lehrpläne für Schulen, D Ö V 1974, S. 656 ff.; eher an der Erhaltung traditioneller Werte orientiert ist der Ansatz von Wolfgang Brezinka, Die Pädagogik der Neuen Linken, 6. Aufl. 1981, insbes. S. 222 ff.; zur Kritik am konservativen Pluralismus-Ansatz, Friedhelm Hase / Karl-Heinz Ladeur, Verfassungsfragen der Curriculum-Revision - Zur juristischen Sanktionierung einer harmonisierenden Pädagogik, KJ 1976, S. 19 ff.; insbes. S. 25 ff.; Lutz Dietze, Verfassungsfragen lernzielorientierter Curricula, DVB1. 90 (1975), S. 389 ff., 401 ff. 12 Vgl. vor allem konservative Positionen in der sog. Grundwerte-Diskussion, vgl. Helmut Kohl, Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit, in: Günter Gorschenek (Hrsg.), Grundwerte in Staat und Gesellschaft, 1977, S. 52 ff.; Hans Maier, Zur Diskussion über die Grundwerte, ebd. S. 172 ff.; A. v. Campenhausen, Grundwerte in Staat und Gesellschaft, ebd. S. 190 ff. Dies gilt insbes. für den Streit um das Abtreibungsrecht. 9
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13 Jürgen Habermas, Die neue Unübersichtlichkeit, 1985, S. 141 ff., ebenso Beck, a. a. O. (Fn. 8), S. 309. 14 H. Klages, a. a. O., S. 31 ff.; Thomas Gensicke, Wertewandel und Familie. Auf dem Weg zu „egoistischem" oder „kooperativem" Individualismus?, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 29-30/94, S. 36 ff. 15 Wolfgang Welsch, Unsere postmoderne Moderne, 3. Aufl. 1991, S. 79 ff., 149 ff., 162 ff.; skeptisch gegenüber der These von der Postmoderne Habermas, a. a. O. (Fn. 13), S. 145; ablehnend H. Klages, a. a. O. (Fn. 8), S. 9 ff., 262. 15 Habermas, a. a. O. (Fn. 13), S. 39 ff.
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Für das Erziehungswesen ist zunächst von Bedeutung, wie sich die stärkere Betonung von Selbstentfaltungswerten auf die elterliche Erziehung auswirkt. In ihrer persönlichen Autonomie sind Mann und Frau gleich. Traditionelle Rollenverteilung in der Familie ist mit diesem Prinzip unvereinbar. Gebundenheit und Geborgenheit in vorgefundenen gesellschaftlichen Gruppen (Ehe, Familie, Großfamilie), in die man hineingeboren wird oder hineinheiratet, werden als Bedrohung der persönlichen Autonomie, als Gefahr für die Selbstverwirklichung empfunden. Als Folge dieser Entwicklung ist das Ende der Familie oder der familiären Bindung konstatiert oder prognostiziert worden. Das war wohl nicht ganz richtig 17 . Sicher ist der Verzicht auf familiäre Bindung eine verbreitete Option (Singles), die übrigens nicht notwendig den Verzicht auf Kinder bedeutet. Die familiäre oder familienähnliche Bindung bleibt aber erwünscht, sie verändert sich jedoch. Statt der Exklusivität der Familie mit etablierter Rollenverteilung finden wir eine breite Variationsbreite von Verbindungsformen eigener Wahl - Wahlverwandtschaften als postfamiliale Familie 18 . Die unterschiedlichen Formen der Liquidation der zahlreichen gescheiterten Ehen und anderen Lebensgemeinschaften verstärken die Buntheit des Bildes. Für den Juristen hat diese Entwicklung allerlei Probleme mit sich gebracht, die bekannt und hier nicht auszubreiten sind. Auch die Verfassungsgebung hat darauf reagiert, so etwa die neue Verfassung des Landes Brandenburg à la carte: „Art. 26 (Ehe, Familie und Lebensgemeinschaften): (1) Ehe und Familie sind durch das Gemeinwesen zu schützen und zu fördern. Besondere Fürsorge wird Müttern, Alleinerziehenden und kinderreichen Familien sowie Familien mit behinderten Angehörigen zuteil. (2) Die Schutzbedürftigkeit anderer auf Dauer angelegter Lebensgemeinschaften wird anerkannt19. Für das Erziehungswesen hat diese Entwicklung zwei ganz wesentliche Konsequenzen. Zum ersten stellt sich die Frage nach dem Träger des 17 Hans Bertram, Die Stadt, das Individuum und das Verschwinden der Familie, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 29-30/94, S. 15 ff. 18 Beck, a. a. O. (Fn. 8), S. 189 ff.; Elisabeth Beck-Gernsheim, Auf dem Weg in die postfamiliale Familie. Von der Notgemeinschaft zur Wahlverwandtschaft, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 29-30/94, S. 3 ff.; dies., Arbeitsteilung, Selbstbild und Lebensentwurf, Neue Konfliktlagen in der Familie, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 44 (1992), S. 273 ff. 19 Hervorhebung vom Verf. O b der Ausschluß des Vaters von der besonderen Fürsorge verfassungsgemäß ist, kann hier nicht diskutiert werden.
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Elternrechts anders 20 als in einer Zeit mit klarer familiärer Rollenverteilung. Zum zweiten - und hier wird es noch problematischer - ist nach den Konsequenzen dieser Entwicklung für das Verhältnis zwischen Elternrecht und staatlichem Erziehungsauftrag zu fragen. Setzt die prinzipielle Gleichordnung von staatlicher Schulhoheit und Elternrecht 21 eine hinreichend leistungsfähige Familie voraus und trifft, so könnte man fragen, diese Voraussetzung für die postfamiliale Familie zu? Oder geht mit dem Anspruch auf den Kindergartenplatz der Verzicht auf den elterlichen Erziehungsvorrang einher? Entsteht gar durch die Schwäche der postfamilialen Familie ein erzieherisches Vakuum, in das der Staat eintreten muß? Hier kann man nur davor warnen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Die geschilderte Entwicklung darf nicht zu einem Eindringen des Staates in den Privatbereich der elterlichen Erziehung führen. Fragen wir weiter nach den inhaltlichen Anforderungen, die der Trend zu Selbstentfaltungswerten für die schulische Erziehung zur Folge haben könnte, gilt es die Probleme zu erfassen, die der Trend für die Gesellschaft und für die zu Erziehenden mit sich bringt. Drei Problembereiche sind vor allem zu nennen: Gemeinsinndefizit, Verlust an Urteilsfähigkeit und Reaktion auf frustrierte Selbstentfaltung. Zum ersten: Selbstentfaltung ist ein relativ offenes, wertneutrales Konzept 22 . Wo sie aber ausgeübt wird im Sinne von Konsum und Anspruchsdenken, bleibt Gemeinsinn auf der Strecke. Eben dies ist ein wesentliches Problem der postmodernen Gesellschaft. „Wir amüsieren uns zu Tode" 2 3 , lautet ein bezeichnender Buchtitel. So ist denn bedauernd festgestellt worden, der beschriebene Wertewandel habe zu einem dramatischen Rückgang von Hinnahme- und Folgenbereitschaft geführt, der das Mindestmaß an Gemeinschaftsethos aufzulösen drohe, das den Staat bislang zusammengehalten habe 24 . Diese Aussage ist zu undifferenziert. Es gibt Selbstverwirklichung im Dienste der Gemeinschaft. Zum anderen muß natürlich gefragt werden, welches Maß an Gemeinsinn für eine pluralistische Gesellschaft wirklich
20 Vgl. dazu Hans-Walter Schlie, Elterliches Erziehungsrecht und staatliche Schulaufsicht im Grundgesetz, 1986, S. 15 ff.: verheiratete Eltern, geschiedene Eltern, nichtehelicher Vater. 21 S. u. 3., insbes. die Nachw. Fn. 61. 22 Klages, a. a. O. (Fn. 8), S. 31. 23 Neil Postman, Amusing Ourselves to Death, Public Discourse in the Age of Show Business, 1985; deutsche Übersetzung: Wir amüsieren uns zu Tode, Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, 1992. 24 Brezinka, a. a. O. (Fn. 8), S. 574.
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unverzichtbar ist 25 . Ein gewisses Maß an Konflikt, d. h. Dissens braucht diese Gesellschaft, daraus schöpft sie ihre Entwicklungsmöglichkeiten. Sie ist aber auf die Einhaltung von Spielregeln einer Konfliktkultur und auf das „Mitmachen", d. h. auf Partizipation angewiesen, genauso wie der Markt seine wohlstandsstiftende Funktion für alle nur erfüllen kann, wenn genügend Marktteilnehmer mitspielen und sich dabei an gewisse Regeln halten. Eine Selbstentfaltung, die sich der Gemeinschaft verweigert, die Freiheit ohne Verantwortung will, ist ein wesentliches Problem unserer Gesellschaft. Zum zweiten: Eine wesentliche Voraussetzung der Partizipation ist Information und ihre Verarbeitung. Die moderne Informationsgesellschaft könnte wie nie zuvor Chancen für den umfassend informierten, und deshalb kritisch partizipierenden Bürger bieten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Auch Information wird konsumiert, Information ist Unterhaltung (und was für eine: Stichwort Reality TV), Unterhaltung ist Kommerz 2 6 . Die Rolle der audiovisuellen Medien führt zu einem starken Verlust an Urteilskraft, zu Unmündigkeit und Passivität 27 . Die kritische Auswahl und Verarbeitung von Information ist ein wesentliches Problem unserer Gesellschaft 28 . Zum dritten: Enttraditionalisierung, das Verneinen von traditionellen Bindungen und das Schwinden von Sicherheit, die durch traditionelle Rollenverteilung vermittelt wurde, führen zu einer kühlen Gesellschaft, zu Vereinsamungsphänomenen und Beziehungslosigkeit. Auch die Betonung von Selbstentfaltungswerten führt zu Frustrationen, w o in der gesellschaftlichen Wirklichkeit Selbstentfaltung an Grenzen stößt 29 . All dies erzeugt neurotische Reaktionen. Gewalt 30 , Rechtsextremismus und Drogensucht oder Flucht in neue, falsche Geborgenheit (Stichwort: „Jugendsekten") sind die Folge. Was folgt aus alledem für die schulische Erziehung? Zunächst: es kann nicht ihre Aufgabe sein, den Großtrend zu Selbstentfaltungswerten auf-
25 Vgl. dazu Albert O. Hirschmann, Wieviel Gemeinsinn braucht die liberale Gesellschaft?, Leviathan 1994, H. 2, S. 293 (gekürzter Abdruck FR vom 25. 6. 1994, S. ZB 3). 26 J. Becker, Die Einfalt in der Vielfalt - Standardisierte Massenkommunikation als Problem der politischen Kultur, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 39/94, S. 21 ff.;
Habermas, a. a. O. (Fn. 13), S. 36. 27 28
Postman, a. a. O., zusammenfassend S. 189 ff. Vgl. auch Postman, a. a. O., S. 197 f.
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Klages, a. a. O. (Fn. 8), S. 39 f.
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Briindel / Klaus Hurrelmann,
Gewalt macht Schule. Wie gehen wir mit
aggressiven Kindern um?, 1994; dies., Zunehmende Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 38/94, S. 3 ff.
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zuhalten oder gar umzukehren und statt dessen Traditionen von Gemeinschaftsdisziplin zu neuem Leben zu erwecken. Es kann und darf nicht das Ziel sein, etwa durch „Rückbesinnung auf traditionelle Werte" den Versuch zu unternehmen, den Gewinn an persönlicher Autonomie, der in den geschilderten Entwicklungen liegt, wieder zurückzunehmen, sozusagen die gute alte Zeit wiederherzustellen. Weder Schule noch Gesellschaftspolitik dürfen den Trend zur Individualisierung in einen solchen zu Kollektivierung (die ja sehr unterschiedlich ideologisch verbrämt sein kann) wandeln. Es wurde aber gezeigt, daß in Selbstentfaltungswerten unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten angelegt sind. Hier ist die Schule gefordert31. Es ist eine Aufgabe und Herausforderung für das staatliche Erziehungswesen, den Gefahren, die unseren Gesellschaften aus diesen Entwicklungen drohen, entgegenzuwirken. Es soll auch die einzelnen zu Erziehenden in die Lage versetzten, mit den Problemen fertig zu werden, die diese Entwicklungen für die individuelle Existenz mit sich bringen. Ob und inwieweit dies möglich ist, muß mit einem Fragezeichen versehen werden. Sicher sind auch andere Bereiche der Gesellschaftspolitik gefragt. Aber ohne Erfolge im Erziehungswesen ist eine Bekämpfung der Funktionsstörungen, die aus den geschilderten Entwicklungen für unsere Gesellschaft drohen, kaum möglich. Je mehr das Kind bei seinen Eltern als Vorbild die ungezügelte Selbstverwirklichung sieht, desto mehr wird es Aufgabe der staatlichen Erziehung, Gemeinschaftswerte zu vermitteln. Dies ist kein Hinweggehen des Staates über einen elterlichen Erziehungsplan, sondern eine inhaltliche Herausforderung an das staatliche Schulwesen. Die Schule kann nicht die Geborgenheit eines Elternhauses ersetzen. Wo aber Fernsehen und Video an die Stelle elterlicher Erziehung getreten sind, kann sie allein noch kritischen Umgang mit Unterhaltungsangebot vermitteln und sinnstiftend wirken. Daß in der Schule Lesen und Schreiben gelernt wird, hat im Zeitalter des Fernsehens eine größere kultur- und gesellschaftspolitische Bedeutung als früher32. Sie kann und muß aber zu einem verantwortlichen Umgang mit der Individualisierung anleiten. Gefordert ist m. a. W. eine Erziehung, die zu kritischer, verantwortlicher und gemeinschaftsorientierter Selbstverwirklichung befähigt. „Für den auf die Freiheit und Selbstverwirklichung des einzelnen orientierten Staat hat (das staatliche Bildungskonzept) seinen tragenden Bezugspunkt in der Herausbildung und Weckung des spezifischen Humanuni, der zum eigenen Urteil und zur vernunftgeleiteten
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Postman, a. a. O. (Fn. 23), S. 197 f. Postman, a. a. O., S. 197 f.
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Selbstverwirklichung befähigten Person, die in Auseinandersetzung mit der geistigen und sozialen Umwelt ebenso ihre Individualität entfaltet wie der Gemeinschaft Dienste leistet." 3 3 Dazu gehört auch die Vorbereitung auf neue Rollenverteilung in der Familie und die Entwicklung der Fähigkeit, in einer enttraditionalisierten Gesellschaft einen sinnvollen Lebensentwurf selbständig zu finden. 2.2 Die
Außenproblematik
Auch dieAußenproblematik sei mit drei Stichworten schlaglichtartig beleuchtet: Deutschland als Ein- (und auch Aus-)wanderungsland, als Wirtschaftsstandort und als Weltmacht. Daß eine gute Bildungs- und Ausbildungsinfrastruktur Voraussetzung eines erfolgreichen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts ist, ist Gemeingut. Das gilt nicht nur für den tertiären, sondern auch für den primären und sekundären Ausbildungsbereich, auf dem der tertiäre letzten Endes aufbaut. Dazu gehört auch, daß der Jugendliche in der Schule lernt, mit den Bedingungen der industriell-technischen Welt und der Informationsgesellschaft zurechtzukommen 3 4 . Umweltbewußtes Handeln ist ein Teilaspekt dieser Fähigkeit 3 5 . Die staatliche Schule sollte ihre A b solventen befähigen, im Berufsleben ihren Mann/Frau zu stehen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, auf einem internationalen Arbeitsmarkt zu konkurrieren oder für deutsche Unternehmen im Ausland zu arbeiten. Insofern muß Deutschland auch Auswanderungsland sein. Sein Erziehungswesen muß die Internationalisierung der Lebenszusammenhänge reflektieren 36 . Größere Probleme bereitet wohl die Tatsache, daß Deutschland wie alle westlichen Industriestaaten ein Einwanderungsland ist 37 . D a ß dies so ist, kann niemand leugnen, der mit offenen Augen durch eine deutsche Stadt geht. O b das so bleiben kann und soll, ist freilich Gegenstand des
Ernst-Wolfgang Böckenförde, Der Staat als sittlicher Staat, 1978, S. 33. Daher die Forderung der WRV nach Arbeitskunde als Unterrichtsfach. 35 Vgl. Art. 7 Abs. 2 Verf. NRW: Erziehung „zur Verantwortung für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen". 36 Für andere Industrieländer vgl. Sir Claus Moser, Ends and Means in Curriculum Reform, in: OECD, a. a. O. (Fn. 5), S. 49; Takashi Yamagiwa, Curriculum Reform and its Implementation, New Trends in the Revised Curricula in Japan, ebd. S. 70 ff. 37 Vgl. Daniel Cohn-Bendit / Thomas Schmid, Heimat Babylon. Das Wagnis der multikulturellen Demokratie, 1992, S. 26 {{.¡Arne Gieseck / Ulrich Heilemann / Hans Dietrich v. Loeffelholz, Wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte der Zuwanderung in die Bundesrepublik, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 7/93, S. 29 ff., zu den Konsequenzen für das Bildungswesen S. 38. 33 34
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Streits. Das kann hier nicht ausdiskutiert werden. Ich vermag freilich nicht zu sehen, wie denn der Migrationsdruck 38 , der durch das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd, West und Ost erzeugt wird, aufgehalten werden kann. Zwar haben die Staaten Westeuropas und Nordamerikas in schöner oder unschöner Eintracht die Zäune an ihren Grenzen erhöht. Aber dies kann nur eng begrenzte Wirkung haben, von Erfolg möchte ich nicht sprechen. Deshalb muß unser Erziehungssystem der Herausforderung gerecht werden, daß wir eine multikulturelle Gesellschaft sind und bleiben werden. Es muß Kinder aus anderen Kulturen aufnehmen und erziehen. Es muß Kinder aus unserer Kulturtradition darauf vorbereiten, mit Menschen aus anderen Kulturen verträglich umzugehen. Zum dritten Stichwort: Deutschland ist in der Weltpolitik ein nicht nur wirtschaftlicher Machtfaktor geworden, sondern auch ein politischer und militärischer, womit wir manchmal noch etwas Schwierigkeiten haben. Um so mehr braucht unser Land Menschen, die bereit und in der Lage sind, mit dieser Situation Deutschlands verantwortlich umzugehen. An Gelegenheiten, wo solche Tugenden gefordert sind, fehlt es nicht; dies ist nicht nur eine Sache politischer Entscheidungsträger. Das bedeutet nicht nur eine Bejahung von und ein Eintreten für Frieden und Völkerverständigung. Es bedeutet auch, daß Gemeinsinn grenzüberschreitend zu verstehen ist, als Verpflichtung in Europa und in der Welt, als Bereitschaft zu internationaler Solidarität. Damit ist nun ein gesellschaftlich-politischer Rahmen skizziert, in dem der staatliche Erziehungsauftrag zu verorten ist. 3. Der staatliche Erziehungsauftrag Der staatliche Erziehungsauftrag verstanden als die Verpflichtung des Staates, ein leistungsfähiges öffentliches Schulsystem vorzuhalten 39 , ist
38 Yahn Moulier Boutang / Demetrios Papademetriou, Typology, Evolution and Performance of Main Migration Systems, in: OECD, Migration and Development. New Partnership for Cooperation, 1994, S. 19 ff.; Albert Miihlum, Armutswanderung, Asyl und Abwehrverhalten - Globale und nationale Dilemmata, Aus Politik und Zeitgeschichte Β 7/93, S. 3 ff.; Jochen Blaschke, Internationale Migration: ein Problemaufriß, in: Manfred Knapp (Hrsg.), Migration im neuen Europa, 1994, S. 23 f f J ü r g e n Filjakowski, Die Bundesrepublik und das Migrationsproblem: historische Erfahrungen und aktuelle Herausforderungen, ebd. S. 113 ff. 39 Die inhaltliche Gestaltung dieses Auftrags wird allein unten unter den Erziehungsmaßstäben behandelt. In der Literatur finden sich verschieden stark inhaltlich angereicherte Konzepte des Erziehungsauftrages, vgl. etwa Kommission Schulrecht des DJT, Schule im Rechtsstaat Bd. I, Entwurf für ein Landesschulgesetz, S. 64 f.
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aus dem Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 G G abzuleiten 40 . Die Schule ist Bestandteil der vom Staat für das Funktionieren der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Infrastruktur. Diese Funktion ist im Sozialstaatsprinzip angelegt. Neben Art. 7 kommen weitere grundrechtliche Aspekte hinzu: Staatliches Schulehalten ist auch Erfüllung staatlicher Schutz- und Förderungspflichten für das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 41 und die Ausbildungsfreiheit (Art. 12). Eine weitere, z. T. auch deutlichere Grundlage sind die entsprechenden Bestimmungen der Länderverfassungen 42 . Ein neuerer, etwas exzentrischer Kritiker 43 leugnet dies: Staatliches Schulehalten sei weder erforderlich noch verhältnismäßig. Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß ein Verfassungsgebot der grundsätzlichen Staatlichkeit des Schulwesens besteht 44 . W o so grundlegende Lebenschancen vergeben werden wie im Schulwesen 45 , ist der Staat selbst gefordert. Dies entspricht einer gemeineuropäischen Verfassungspraxis 46 .
40 Grundlegend Oppermann, Nach welchen Grundsätzen sind das Öffentliche Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen? Gutachten C für den 51. Deutschen Juristentag, 1976, S. C 19 ff.; Bodo Pieroth, Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, DVB1.1994, S. 949 ff., 951. 41 P. M. Huber, a. a. O. (Fn. 3), S. 547. 42 LV Brandenburg, Art. 29 Abs. 2 und 30 Abs. 5. 43 Erich Bärmeier, Uber die Legitimität staatlichen Handelns unter dem Grundgesetz der BRD. Die Unvereinbarkeit staatlichen Schulehaltens mit den Verfassungsprinzipien der „Staatsfreiheit" und der Verhältnismäßigkeit, 1992; ders., Das Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit und die UnVerhältnismäßigkeit staatlichen Schulehaltens, RdJB 1993, S. 80 ff. 44 Peter Glotz / Klaus Faber, Richtlinien und Grenzen des Grundgesetzes für das Bildungssystem, in: Ernst Benda / Werner Maihofer / Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 999 ff., 1012; j4. v. Campenhausen, Erziehungsauftrag und staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 19 f. 45 Vgl. Frankenberg, a. a. O. (Fn. 3), S. 114. 46 Alle neueren europäischen Verfassungen sehen Schulehalten als Aufgabe des Staates bzw. staatlicher Untergliederungen. Sie unterscheiden sich lediglich in der Frage, ob und inwieweit dieser Bereich privater Aktivität geöffnet ist. Mit weitgehender Öffnung für private Schulen z. B. Art. 23 Abs. 4 und 5 der niederländischen Verfassung (mit Finanzierungspflicht des Staates), Art. 27 Abs. 6 der spanischen Verfassung und Art. 75 der portugiesischen Verfassung. Restriktiv dagegen Art. 16 Abs. 3 und 8 der griechischen Verfassung. In diesem Zusammenhang spielt auch das unterschiedliche Verhältnis von Staat und Kirche eine Rolle. Dies hat insbesondere in Portugal Schwierigkeiten bereitet, vgl. Victor Silva Lopes, Constuiçâo da República portuguesa 1976 (anotada), 1976, S. 139 f.
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Die allgemeine Privatisierungsdebatte, in die auch der zweite Beratungsgegenstand dieser Tagung einzuordnen ist, sollte darum den Schulbereich aussparen. Die Effizienzsteigerung durch privates Management und Konkurrenz, eine der wesentlichen Leitideen der Privatisierung 47 , hat im Schulwesen keinen Platz. Schule ist nicht Post oder Bahn. Als warnendes Beispiel diene die problematische Entwicklung, ja der Verfall des öffentlichen Schulwesens in den Vereinigten Staaten, der durch eine unzureichende Finanzbasis bedingt ist. Das „zwang" die reichen Eltern dazu, ihre Kinder in Privatschulen zu schicken. Ein Versuch, den Gleichheitssatz der Verfassungen des Bundes und der Gliedstaaten zur Remedur einzusetzen, hatte nur Teilerfolge auf der Ebene der Staaten 48 . Solange nicht eine unverantwortliche staatliche Haushaltspolitik die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Schulen untergräbt, was gegenwärtig leider nicht völlig selbstverständlich ist, können die Privatschulen auf ihre gegenwärtige komplettierende und eher marginale Rolle verwiesen bleiben 4 9 . Ihre ratio essendi ist (noch?) nicht die Erhöhung der Effizienz des Schulwesens insgesamt, etwa im Sinne leistungsfördernder Konkurrenz, sondern sie ist historischer und grundrechtlicher Natur. Historisch ermöglichte die Zulassung von Privatschulen u. a. die Fortführung kirchlicher Bildungseinrichtungen 50 , aus grundrechtlicher Sicht ermöglicht sie eine weltanschaulich geprägte Alternative zur neutralitätsverpflichteten staatlichen Schule 51 . In dieser grundrechtsfördernden Funktion 5 2 liegt die eigentliche Legitimation der Privatschule, aber auch die Gefahr, daß sie ein Mittel gesellschaftlicher Desintegration wird 5 3 . Sie darf jedenfalls nicht zur Alternative werden, wohin man seine Kinder schickt, wenn in einer Klasse der öffentlichen Schule „zu viele" türkische Kinder sind. 47 Dazu Lerke Osterloh, in diesem Band. Zur notwendigen Rolle des Staates im Bildungswesen vgl. auch den Tagungsbericht von Ulrich Benstz, Internationales Symposium „Recht und Bildung", RdJB 41 (1993), S. 288 ff., 291; zum Problem Schule und Markt ebd. S. 297. 48 Vgl. dazu Michael Bothe, Die Entwicklung des Föderalismus in den angelsächsischen Staaten, JöR 31 (1982), S. 109 ff., 119; zu neueren Entwicklungen Benstz, a. a. O. (Fn. 47), S. 297. 49 Vgl. auch A. v. Campenhausen, a. a. O. (Fn. 44), S. 56 f.; Hans Heckel/ Hermann Avenarius, Schulrechtskunde, 6. Aufl. 1986, S. 24 f. 50 Evers, a. a. O. (Fn. 2); vgl. dazu auch Lothar Theodor Lemper, Privatschulfreiheit, Diss. Köln 1984, S. 85 f. 51 BVerfGE 88, 40, 46 f.; vgl. Klaus Blau, Bedeutung und Probleme der Privatschulfreiheit, JA 1984, S. 463 ff. 52 Christian Starck, Freiheitlicher Staat und staatliche Schulhoheit, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 9 (1975), S. 9 ff., 32 f.; vgl. auch BVerwGE 27, 360,362 ff. 53 Pieroth, a. a. O. (Fn. 40), S. 951.
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Dafür, daß es dazu nicht in größerem Umfang kommt, sind auch Anstrengungen des staatlichen Schulwesens notwendig. Der Erziehungsauftrag des Grundgesetzes ist nicht schon erfüllt, wenn es überhaupt ein öffentliches Schulwesen gibt, er ist vielmehr auf ein leistungsfähiges Schulwesen gerichtet. Daraus ergeben sich, wie von vielen Landesverfassungen anerkannt, Finanzierungs- und Förderungspflichten 54 . O b angesichts der Benachteilung junger Deutscher am internationalen Arbeitsmarkt, die auch durch längere Ausbildungszeiten in der Schule bedingt ist, heute auch eine Verkürzung der Schulzeit verfassungsrechtlich legitimiert oder gar gefordert sein könnte, sei hier nur als Erwägung in den Raum gestellt. Der staatliche Erziehungsauftrag stellt eine objektive staatliche Verpflichtung dar. Wie weit dieser subjektive Rechte von Eltern oder Kindern entsprechen, ist nach wie vor umstritten. Allerdings ist die Ableitung subjektiver Berechtigungen aus dem Sozialstaatsprinzip jedenfalls in Verbindung mit grundrechtlichen Schutzpflichten, wenn auch in beschränktem Maße, anerkannt 55 . Die Formulierung eines „Rechts" auf Bildung 56 in verschiedenen Landesverfassungen 57 legt für den Bereich des Landesverfassungsrechts die Annahme eines subjektiven Rechtes nahe. Auch viele neuere europäische Verfassungen 58 und, im Gefolge der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, völkerrechtliche Verträge 59 formulieren ein „Recht auf Bildung" oder „auf Erziehung". Das ist unproblematisch, wenn und soweit man dieses nur als Recht auf freien Zugang zu vorhandenen Bildungseinrichtungen versteht. Jedoch haben die
L V Brandenburg, Art. 30 Abs. 5, N R W Art. 8 Abs. 3. Vgl. Friedrich E. Schnapp, in: Ingo v. Münch / Philipp Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 1992, Rdn. 19 f. zu Art. 20; Michael Kittner, Art. 20 Abs. 1-3 IV (Sozialstaatsprinzip), Rdn. 62 f., in: A K G G , 2. Aufl. 1989. 56 Dazu Klaus-Dieter Heymann / Ekkehart Stein, Das Recht auf Bildung, A ö R 97, 1972, S. 185. 57 Brandenburg, Art. 29; N R W , Art. 8 Abs. 1. Dazu eingehend Jörg Dieter Kühne, in: Gregor Geller / Kurt Kleinrahm (Hrsg.), Die Verfassung des Landes N R W , 3. Aufl., Art. 8, Fn. 2 a) bb). 58 Art. 73 der portugiesischen, Art. 27 Abs. 1 der spanischen, Art. 37 der estnischen, Art. 38 der lettischen Verfassung; im Sinne einer staatlichen Förderungspflicht Art. 16 der griechischen, Art. 23 der niederländischen und Kap. 1 Art. 2 der schwedischen, Art. 16 der ungarischen, Art. 23 der bulgarischen Verfassung, für die berufliche Bildung auch Art. 29 der estnischen Verfassung. Eine Garantie kostenfreier staatlicher Erziehung findet sich in Art. 40 der litauischen Verfassung. 59 Art. 13 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte; Art. 22 Konvention über die Rechte des Kindes; Art. 2 1. Zusatzprotokoll zur E M R K . 54
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Gerichte aus solchen Vorschriften einen begrenzten, aber klagbaren Anspruch auf Kapazitätserweiterung abgeleitet60. Der prinzipielle Gleichrang 61 von staatlichem (schulischem) Erziehungsauftrag und elterlichem Erziehungsrecht kann nicht an der typischen Familie mit traditioneller Rollenverteilung festgemacht werden 62 . Deshalb ändern die dargestellten Entwicklungen einer Vielfalt unterschiedlicher Formen familiären oder familienähnlichen Zusammenlebens, in denen heute Kinder großgezogen werden können, nichts daran, daß elterliches Erziehungsrecht und staatliche Schulhoheit gleichgeordnet sind und zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden müssen, was auch bedeutet, daß der Staat elterliche Auswahlentscheidungen hinsichtlich der schulischen Erziehung respektieren, ja ermöglichen muß 63 . In den eigenen Bereich der Erziehung in der Familie darf sich der Staat nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 G G einschalten64. Daß Familien mit der Erziehung der Kinder in Schwierigkeiten geraten, ist ein Phänomen, das nicht oder jedenfalls nicht allein diesen neuen Entwicklungen zugeschrieben werden kann. Hier muß der Staat helfend eingreifen, insbesondere zur Erleichterung des schwierigen Loses Alleinerziehender65. 4. Erziehungsmaßstäbe Unter Erziehungsmaßstäben werden im folgenden Regeln allgemeiner Art verstanden, die Inhalt oder angestrebtes Ergebnis der staatlichen Erziehung im Bereich der Schulen bestimmen. Die Regeln über angestrebte
6 0 OVGNRW, OVGE 34,211,213; zum Recht auf Erziehung nach der spanischen Verfassung als ein Recht auf eine gewisse Mindestqualität der Ausbildung vgl. die Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts vom 13. 2. 1981, Boletín de Jurisprudencia Constitucional 1981-1, S. 23 ff., 39. 61 BVerfGE 34, 165; 47, 72; 59, 376; VGH Baden-Württemberg, DVB1. 1975, S. 438 ff., 440; Ingo Richter, in: AK-GG, 2. Aufl., Art. 7, Rdn. 27 ff.; Ulfried Hemmrich, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl. 1992, Art. 7, Rdn. 14, 52; C. Starck, a. a. O. (Fn. 52), S. 25; differenzierend Arnulf Schmitt-Kammler, Elternrecht und schulisches Erziehungsrecht nach dem Grundgesetz, 1983, S. 50 ff.; für einen Vorrang des Elternrechts hingegen Fritz Ossenhiihl, Das elterliche Erziehungsrecht im Sinne des Grundgesetzes, 1981, S. 110 ff. 62 Eva Marie v. Münch, Art. 6 Rdn. 32, in: I. v. Münch / P. Kunig (Hrsg.), a. a. O.; vgl. auch I. Richter, in: AK-GG, 2. Aufl., Art. 6 Rdn. IIa ff.; insbes. 15a für den Begriff der Familie in Art. 6. 63 Vgl. Schmitt-Kammler, a. a. O. (Fn. 61), S. 32 f. 64 Dazu Ε. Μ. v. Münch, a. a. O. (Fn. 62), Art. 6 Rdn. 45 ff. 65 Dieser Gedanke ist zutreffend formuliert in Art. 27 Abs. 3 LV Brandenburg.
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Erziehungsergebnisse werden auch (und plastischer) als Erziehungsziele bezeichnet. 4.1 Sinn und Unsinn rechtlich festgelegter und -ziele
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Möglichkeit und Sinn der rechtlichen Festlegung von Erziehungsmaßstäben sind streitig. Von Sinn und Möglichkeit rechtlicher Zielvorgaben für den Erziehungsprozeß geht eine weit verbreitete Verfassungspraxis aus, so Art. 148 der WRV, ebenso die frühen Landesverfassungen in der Bundesrepublik 64 und nunmehr wieder die Verfassungen der neuen Bundesländer 67 . Gelegentlich hat der Verfassungsgeber insofern auch nachgebessert, so etwa in N R W 1986 bei der Einfügung der „Verantwortung für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen" in die Liste der verfassungsgeforderten Erziehungsziele 68 . Die Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten hat darüber hinaus aus Grundprinzipien der Verfassung und den Grundrechten Erziehungsziele, aber auch Verbote von Erziehungszielen abgeleitet. Auch die Verfassungen anderer Staaten enthalten Erziehungsziele. Dies gilt vor allem für die Staaten Südeuropas, die sich im Zuge ihre Redemokratisierung neue Verfassungen gaben 69 . Auch im außereuropäischen Bereich sind solche Bestimmungen häufig anzutreffen 70 . Allerdings gibt es auch neuere europäische Verfassungen, die zwar einen staatlichen Schulauftrag, nicht aber ausdrückliche Erziehungsziele enthalten 71 . Ferner geben völkerrechtliche Verträge und internationale Erklärungen, insbesondere im Bereich der Menschenrechte, Erziehungsziele vor. Wie der Menschenrechtsschutz allgemein, geht auch die Formulierung von menschenrechtlichen Erziehungszielen aus von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 72 , deren Text fast wörtlich in Art. 13 Abs. 1
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Übersicht bei Evers, a. a. O . (Fn. 2), S. 37 f. Jörg-Detlef Kühne, Neue Länder - neue Erziehungsziele?, RdJB 1994, S. 39 ff. 68 Kühne, a. a. O., (Fn. 57), Art. 7 Fn. 5 a) cc). 69 Art. 16 Abs. 2 der griechischen Verfassung 1975; Art. 73 Abs. 2 der portugiesischen Verfassung 1976; Art. 27 Abs. 2 der spanischen Verfassung 1978. 70 Sehr ausführlich ideologisch ausgeprägt und an herausgehobener Stelle: Art. 3 der mexikanischen Verfassung von 1917; vgl. ferner Art. 205 der brasilianischen Verfassung von 1988; Art. 80 der venezolanischen Verfassung. 71 Art. 23 der niederländischen Verfassung von 1983, ebenso die meisten neuen osteuropäischen Verfassungen. 72 Art. 26 Abs. 2 Abdruck der Texte der im folgenden zit. Verträge bei Christian Tomuschat (Hrsg.), Menschenrechte, 1992. 67
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Satz 2 und 3 des Internationalen Paktes über soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte übernommen wird: „(Die Vertragsstaaten) stimmen überein, daß die Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewußtseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muß. Sie stimmen ferner überein, daß die Bildung es jedermann ermöglichen muß, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen, daß sie Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter allen Völkern und allen rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern sowie die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Erhaltung des Friedens unterstützen muß". Dieser Text findet· sich mit Variationen wieder in den Anti-Diskriminierungs-Konventionen, insbesondere der Konvention zur Bekämpfung der Rassendiskriminierung 73 und dem Ubereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen 74 . Spezifisch gleichheitsbezogen sind die Erziehungsziele in der Konvention zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau 75 , ausführlicher in der Konvention über die Rechte des Kindes 76 . Menschenrechtserziehung ist ein wesentlicher Teil des Arbeitsprogrammes der U N E S C O 7 7 . Ein besonders wichtiges internationales Anliegen ist die Umwelterziehung. Entsprechende Zielbestimmungen finden sich in den Erklärungen der Umweltkonferenz von Stockholm 1972 78 und Rio 1992 79 , der Weltcharta der Natur von 1982 80 und in der Erklärung der von U N E S C O und U N E P gemeinsam organisierten Konferenz von Tiflis über Umwelterziehung 81 . Diese Formulierung von Erziehungszielen auf allen Ebenen, in unterschiedlichen Staaten und im internationalen Bereich sollte allen jenen
Art. 7. Art. 5 Abs. 1 (a); BGBl. 1968 II, S. 385, 402. 7 5 Art. 5 Abs. 2 , 1 0 (c); BGBl. 1985 II, S. 648. 76 Art. 29; BGBl. 1992 II, S. 122. 77 Daniel G. Partan, United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, in: Rudolf Bernhardt (Hrsg.), E P I L Lfg. 5 (1983), S. 314 ff., 317 f.; Stephen P. Marks, Human Rights Activities of Universal Organizations, ebd. Lfg. 8 (1985), S. 274 ff., 279 f. 78 Prinzip 19. 7 9 Prinzip 21. 8 0 Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 28. 10. 1982, Ziff. 15. 81 Vgl. dazu Michael Bothe / Lothar Gündling, Tendenzen des Umweltrechts im internationalen Vergleich, 1978, S. 111 f. 73
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doch zu denken geben, die ein solches Unterfangen für sinnlos halten. Allerdings - die Tatsache, daß es eine bestimmte normative Ü b u n g gibt, daß offenbar ein weit verbreiteter Glaube daran besteht, das Recht sei zur Steuerung des Verhaltens der in der Erziehung Tätigen sinnvoll in der Lage, ist zwar ein Indiz, beweist aber noch nicht hinreichend, daß diese Steuerungsfähigkeit auch wirklich vorhanden ist. Soweit es u m die Erziehungsmaßstäbe der Verfassung geht, beruht ein Teil des Streits wohl darauf, daß zwei unterschiedliche Dimensionen von Verfassungswirkung nicht immer hinreichend unterschieden werden, nämlich einmal eine „rein" juristische, zum anderen eine affektive, erzieherische, gemeinschaftsbildende, ethische Komponente. Haberle hat das die kulturwissenschaftliche Seite der Verfassung genannt 82 . Es gibt auch andere Umschreibungen, etwa Symbolwirkung, Integrationswirkung, Verfassungspatriotismus. Dieser Aspekt der Verfassungswirkung ist eine gesellschaftlich-politische Notwendigkeit und auch Realität. Daß diese Symbolwirkung gerade für die Erziehung wesentlich ist, liegt auf der Hand. Sie geht allerdings häufig von Bestimmungen aus, deren rein juristische Wirkungen mitunter etwas problematisch, ja indirekt sind. Hier sind wir auch bei dem Streit u m die Staatszielbestimmungen 8 3 . T r o t z dieser rechtlichen Problematik hat die W R V , haben die frühen Landesverfassungen nach 1945 und die Verfassungen der neuen Bundesländer auf solche Bestimmungen nicht verzichten wollen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren jedoch offenbar von der Weimarer Erfahrung geschreckt, daß der symbolische Gehalt der W R V schließlich zu einer A b qualifizierung des juristischen geführt hat - also eine Art Programmsatzneurose. Dies ist aber nicht der einzige Grund für die Abstinenz des Grundgesetzes auf diesem Gebiet. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten angesichts der nicht zu vollziehenden Einheit Deutschlands ein Provisorium schaffen und verzichteten deshalb auf den N a m e n „Verfassung" und konsequenterweise auch auf vieles Dekor, das den Symbolwert einer Verfassung ausmacht. U m so unverständlicher ist es, daß die Gemeinsame Verfassungskommission die Gelegenheit hat verstreichen lassen, dieses Defizit des Grundgesetzes nachzubessern und unsere Verfassung in Einklang zu bringen mit dem Stil der Verfassungsgebung, wie er nicht nur in den Bundesländern, sondern auch in neuen Verfassungen im N o r d e n , Westen, Süden und jetzt auch im Osten Euro-
82 Peter Haberle, Verfassungsprinzipien als Erziehungsziele, FS Hans Huber, S. 211 ff., 228 f. 83 Vgl. dazu aus der neueren Literatur zu der weit verbreiteten ablehnenden Grundhaltung Detlef Mertens, Die Staatszieldebatte, in: Eckart Klein (Hrsg.), Verfassungsentwicklung in Deutschland nach der Wiedervereinigung, 1994, S. 65 ff.
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pas 84 zu finden ist. Die wertorientierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch die Bemühungen der Verfassungsinterpreten, verfassungrechtliche Grundentscheidungen als gesellschaftliche Orientierungswerte zu deuten 85 , sind ein schwacher Ersatz für den Symbolwert des ausdrücklichen Verfassungstextes. Der Pädagoge bedarf so erst des Nachhilfeunterrichts durch den Juristen, d. h. meist den richtlinienverfassenden Schulbürokraten, ehe sich ihm oder ihr die ganze Fülle des kulturwissenschaftlichen Gehalts der dürren Worte des Grundgesetzes erschließt. D o c h wenden wir uns nunmehr dem „rein" juristischen Aspekt der Erziehungsziele zu. Bei der Frage nach Sinn und Möglichkeit solcher rechtlichen Vorgaben kann der deutsche Jurist nicht an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Wesentlichkeitstheorie und Gesetzesvorbehalt 86 vorbeigehen. Danach müssen wesentliche Bestimmungen über den Inhalt der Lehre, da sie grundrechtsrelevant sind, auf einer Entscheidung des Gesetzgebers beruhen. Damit ist aber zugleich das Gebot einer Verrechtlichung ausgesprochen. Das B V e r f G geht mit anderen Worten von einer Steuerung schulischer Bildung und Ausbildung durch Recht aus 87 . An dieser Verrechtlichung 88 ist von juristischer 89 und sozialwissenschaftlicher 90 Seite erhebliche Kritik geäußert worden. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts enthebt uns nicht der Frage, ob das Recht hier als Steuerungsmittel nicht überfordert ist, ob hier nicht nur eine Scheinsteuerung vorliegt 91 . J a noch mehr: der Versuch einer rechtlichen Steuerung, der die Eigengesetzlichkeiten der Prozesse personaler
84 Die Aufnahme von Staatszielbestimmungen und sozialen Grundrechten in die neueren europäischen Verfassungen kann hier nicht im einzelnen dargestellt werden. Vgl. dazu etwa Jörg Polakiewicz, Soziale Grundrechte und Staatszielbestimmungen in den Verfassungsordnungen Italiens, Portugals und Spaniens, ZaöRV 54 (1994), S. 340 ff.; zur niederländischen Verfassung vgl. C. A. ]. M. Kortmann, Das niederländische Grundgesetz vom 17.2.1983, JöR 33 (1984), S. 175,180 ff. (einschlägig Art. 18-23). 85 Haberle, a. a. O. (Fn. 2), insbes. S. 87 ff. 86 Grundlegend für das Schulrecht BVerfGE 34,165.
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Reuter, a. a. O. (Fn. 5), S. 119 f., 125 ff.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen Vergesetzlichung oder Parlamentarisierung, Justitialisierung und Bürokratisierung. 89 Mit ganz unterschiedlichen Ansätzen, Gerd Roellecke, Erziehungsziele und der Auftrag der Staatsschule, FS Faller, 1984, S. 187 ff.; und Frankenberg, a. a. O. (Fn. 3), S. 218 ff. 90 Grundlegend J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2,1982, S. 541 ff. 91 Dieter Grimm, Der Wandel der Staatsaufgaben und die Krise des Rechtsstaates, in: D. Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 291 ff., 300. 88
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Interaktion in Lehren und Lernen, der die „kommunikativen Strukturen" 92 der pädagogischen Tätigkeit nicht respektiert, droht zu Funktionsstörungen zu führen 93 . Aber dieser Prozeß von Lehren und Lernen vollzieht sich eben im Rahmen einer rechtlich geordneten Institution. Deshalb müssen im Rechtsstaat bestimmte Verhaltensweisen der in dieser Institution Tätigen rechtlich gesteuert werden. So kann dem Erzieher rechtlich vorgegeben werden, welche Inhalte er zum Gegenstand seines Unterrichts macht. Das Curriculum kann nicht allein in das Belieben erzieherischer Kreativität gestellt werden. Bei Erziehungszielen handelt es sich freilich um rechtliche Vorgaben besonderer Art. „Duldsamkeit und Achtung vor der Uberzeugung des Andern", „Verantwortung für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen", „Liebe zu Volk und Heimat", „Friedensgesinnung" sind Idealvorstellungen einer Persönlichkeit, einer psychologischen Disposition, die als Ergebnis des Erziehungsprozesses erwünscht ist 94 . Wird dem Erzieher rechtlich vorgeschrieben, auf das Erreichen dieser Idealvorstellung hinzuwirken, so bedeutet dies rechtliche Steuerung nicht, jedenfalls nicht primär, durch ein Konditionalprogramm, sondern durch ein Finalprogramm 95 . Dieses gewährt anders als das Konditionalprogramm Freiräume der Ausführung. Ein Finalprogramm wirft aber stets die Verfahrensfrage der Zuständigkeit für die Ausführung, für die Konkretisierung auf. Weil es um die Formung der Persönlichkeit des zu Erziehenden geht, ist Inhalt und Richtung der erzieherischen Einwirkung wesentlich für dessen Persönlichkeitsrecht und auch für das Erziehungsrecht der Eltern. Deshalb muß der Gesetzgeber inhaltliche Grundsatzentscheidungen über die Richtung dieser Einwirkung treffen. Er muß, so das Bundesverfassungsgericht, die „Groblernziele" festlegen. Damit ist dieser Bereich einer Festlegung durch Verwaltungsvorschriften insoweit entzogen. Die Vergesetzlichung stellt eine gewisse Sicherung pädagogischer Freiheit gegenüber der Kultusbürokratie dar 96 . Will der Gesetzgeber allerdings diese Aufgabe sachgerecht erfüllen, so muß er die Sachgesetzlichkeiten seines Gegenstandes beachten, d. h. insbesondere die Begrenzung der rechtlichen Steuerbarkeit des Erziehungsvorgangs. Dieser Vorgang bedarf eines erzieherischen Freiraums 97 .
Habermas, a. a. O., S. 543. Eingehend Frankenberg, a. a. O. (Fn. 3), S. 218 ff. 94 Even, a. a. O. (Fn. 2), S. 120 ff.; Brezinka, a. a. O . (Fn. 8), S. 562 ff. 95 Grimm, a. a. O. 96 Kommission Schulrecht des Deutschen Juristentages, a. a. O . (Fn. 2), S. 36. Aus diesem Grunde bewertet auch Frankenberg, a. a. O . (Fn. 3), S. 238 diese Rechtsprechung als positiv; vgl. auch Reuter, a. a. O . (Fn. 5), S. 126 f.; Raimund Wimmer, Die rechtliche Legitimation von Curricula, ZfParl. 24 (1978), S. 241 ff., insbes. S. 250 f. 92
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Rechtliche Ubersteuerung lähmt ihn. Überregulierung ist darum ungeeignet zum Erreichen legitimer, vom Gemeinwohl geforderter Erziehungsziele und bedeutet eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung von Grundrechtspositionen der am Erziehungsprozeß Beteiligten 98 . Dies gilt nicht nur für den Schulgesetzgeber, sondern auch für die Verfasser von Richtlinien. Ist es also (mit diesem Vorbehalt) Aufgabe des Gesetzgebers, Ziele und Gegenstände des Lehrens und Lernens zu regeln, so stellt sich natürlich die Frage, welchen weiteren Vorgaben der Gesetzgeber hierbei unterliegt. Es ist die normale Aufgabe der Verfassung, dem Gesetzgeber Pflichten aufzuerlegen und Grenzen zu setzen". Ferner hat der Gesetzgeber die Vorgaben übergeordneter Rechtsordnungen ( E G - R e c h t , Völkerrecht) zu beachten. Diese Vorgaben sind auch bei Vollzug und Auslegung des Gesetzes zu beachten. Bei der gebotenen genaueren Betrachtung ergibt sich, daß zwei unterschiedliche Funktionen rechtlich gesetzter Erziehungsziele zu unterscheiden sind, die beide ihre besonderen Probleme aufwerfen 100 . Zum einen haben sie eine negative, ausgrenzende Funktion. Bestimmte unerwünschte Erziehungsziele, etwa Erziehung gegen Völkerverständigung oder zum Rassenhaß, werden verboten. Eine solche N o r m ist einfach zu operationalisieren, sie ist unmittelbarer Anwendung fähig. In dieser Funktion wird das Finalprogramm zum Konditionalprogramm: Wenn verbotene Ziele verfolgt werden, können Sanktionen gegenüber dem Erzieher ergriffen werden. Dann stellt sich aber die Frage, ob denn allgemeine Zielvorgaben der Verfassung wirklich geeignet sind, in dieser Weise zu Konditionalprogrammen umgestaltet zu werden. U n b e stimmtheit der N o r m auf der einen, Furcht vor Sanktion auf der anderen Seite können die kommunikativen Strukturen des Erziehungsprozesses durchaus sachwidrig belasten 101 .
So auch BVerfGE 47,46 (83). Hier scheint mir der wesentliche Kern von Frankenbergs Schulrechtskritik zu liegen, vgl. a. a. O. (Fn. 3) S. 218 ff. 99 In diesem Sinne § 2 Satz 3 EDJT (1. Alternative): „Das Grundgesetz ... und die Verfassung des Landes ... bilden hierfür Richtlinie und Rahmen." 100 Vgl. etwa Kühne, a. a. O. (Fn. 57), Fn. 2a zu Art. 7 NRWV; B. Pieroth, a. a. O. (Fn. 40), S. 952; zur ähnlich gelagerten Problematik im spanischen Recht, Alfonso Fernández-Miranda y Compoamor, in: Oscar Alzaga Villaamil (Hrsg.), Comentarios a las Leyes Políticas. Constitución Española de 1978, tomo III, 1983, S. 130. 101 Dies ist wesentliche Ansatz der Kritik von Frankenberg und Habermas, a. a. O. 97 98
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Zum anderen haben Erziehungsziele eine positive, anleitende Funktion 102 . Sie sollen erreichen, daß die Erziehung in ihrem Sinne stattfindet. In dieser Funktion ist die Norm auf Ausfüllung ausgelegt. Das ist für Normen des Völker- und Verfassungsrechts nichts Ungewöhnliches. Hier stellen sich aber zwei Probleme. Das Erziehungswesen stellt ein gesellschaftliches selbstreferentielles Subsystem dar, das für eine rechtliche Steuerung nicht ohne weiteres empfänglich ist 103 . Insbesondere wenn und soweit das Recht auf seine hauseigenen Durchsetzungsmittel der Sanktionen verzichten muß, stellt sich die Frage der Aufnahme der systemfremden Steuerungssignale des Rechts in dem selbstreferentiellen Subsystem des Erziehungswesens, d. h. die Notwendigkeit einer Ubersetzung in das System 104 . Eine solche Übersetzung muß erfolgen, sollen gesetzliche, verfassungs-, europa- und völkerrechtliche Erziehungsziele Erzieher wirklich anleiten oder inspirieren. Diese Anleitung ist in den Fällen noch relativ einfach, in denen sich das Ziel aus einem geschriebenen Text ergibt. Ist das Ziel aber erst aus einer Interpretation zu erschließen, wie dies für die aus dem Grundgesetz abzuleitenden Erziehungsziele der Fall ist, so kann eine Aufnahme dieser Ziele im Erziehungswesen nur erfolgen, wenn und soweit der Erzieher an die Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten angeschlossen wird. Sieht man zur Lösung dieses Kommunikationsproblems die Kultusbürokratie als den angemessenen Transponder an, so gelangt man schließlich doch wieder zu einer Einschränkung erzieherischer Freiheit durch bürokratisches Regelwerk, die zu Recht kritisiert wird. In der Übertragung rechtlicher Erziehungsziele in die Welt der Erzieher liegt ein wesentliches Problem, das es „unbürokratisch" zu lösen gilt. Wege dazu gibt es, etwa in der Lehrerfortbildung, in der sich die Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten ja durchaus engagiert und weiter engagieren sollte. Neben dieser anleitenden Funktion haben Erziehungsziele eine legitimierende Wirkung. Sie vermögen auch Erziehungsinhalte gegen rechtliche Angriffe abzusichern. Dies könnte für Erzieher einen zusätzlichen Anreiz darstellen, Erziehungsziele der Verfassung aufzugreifen und sich auf diese zu berufen. Die Tatsache, daß Erziehungsziele auf unterschiedlichen rechtlichen Ebenen vorgegeben werden, führt auch zu Rangfragen und zur Frage
102 Vgl. dazu das Urteil des spanischen Tribunal Constitucional vom 13. 2. 1981, Boletín de Jurisprudencia Constitucional 1981 - I, S. 23 ff., 33 f., s. a. das Sondervotum Tomás y Valiente, ebd. S. 44. 103 VgL Qunnar Polke Schuppert, Grenzen und Alternativen von Steuerung durch Recht, in: D. Grimm (Hrsg.), a. a. O. (Fn. 91), S. 217 ff., 223 ff. 104 Schuppert, a. a. O., S. 228.
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nach der Vereinbarkeit bestimmter Erziehungsziele mit höherrangigem Recht, insbesondere der Vereinbarkeit von Erziehungszielen der Landesverfassungen mit Bundesrecht. Einzelne geschlechtsspezifische Erziehungsziele älterer Landesverfassungen105 sind kaum noch mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes und auch nicht mit völkerrechtlichen Normen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu vereinbaren. In der bereits erwähnten Debatte der 70er Jahre wurden die in der Verfassung wirklich oder angeblich angelegten Erziehungsziele in beiden Bedeutungsvarianten als Kampfinstrumente für oder gegen Bildungsreformen eingesetzt106. Dieser Vorgang lädt auch zu der Frage ein, ob heute geforderte Erziehungsziele, von denen bereits die Rede war, aus der Verfassung abgeleitet werden können. Er hat aber auch ein Grundproblem der Festlegung von Erziehungszielen im pluralistischen Staat aufgezeigt, nämlich das Spannungsverhältnis zwischen verfassungsrechtlich gebotener Offenheit, Nichtidentifikation oder Neutralität auf der einen und verfassungsrechtlich legitimierter, ja geforderter materialer Wertfixierung auf der anderen Seite. 4.2 Erziehungsziele im pluralistischen Staat Eine Grenze der Befugnis des Staates, Erziehungsziele festzulegen, liegt, das ist im Prinzip unbestritten, im Verfassungsprinzip des Pluralismus. Dieser erfordert eine gewisse Offenheit des Erziehungsprozesses. Doch wo verläuft diese Grenze? Im Hinblick auf schulische Erziehungsziele ist ein erster, älterer Ansatz E. Steins zur Begründung des Pluralismus-Gebots das Persönlichkeitsrecht des Kindes, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. der Menschenwürde-Garantie des Art. 1107. Das Recht des Kindes auf freie Entfaltung fordere es, dem Kinde „einen ausgewogenen Querschnitt, eine repräsentative Auslese von Gedanken der wichtigsten geistigen Strömungen" zu bieten. Es stehe der Vermittlung „einseitiger Ansichten und von tendenziös ausgewähltem Wissen" entgegen. Hier trifft sich Stein mit erziehungswissenschaft-
105 Art. 131 Abs. 4 LV Bayern; Rheinland-Pfalz hat die geschlechtsspezifischen Erziehungsvorgaben des Art. 32 LV kürzlich gestrichen. 106 Eine Übersicht über diese Entwicklung gibt Stock, a. a. O. (Fn. 10), S. 212, 215 ff.; I. Richter, Bildungsverfassungsrecht, 1973, zusammenfassend S. 303 ff.; vgl. auch Reuter, a. a. O. (Fn. 5), S. 126 f. 107 So vor allem Ekkehart Stein, Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung in der Schule, 1967, S. 42 ff.
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lichen Lehren der pädagogischen Autonomie108. Diese Thesen Steins sind in der bildungsrechtlichen Diskussion der 70er Jahre, etwa von Oppermann und Evers, im Grunde akzeptiert, aber um weitere Gesichtspunkte erweitert worden109. Für den weltanschaulich-religiösen Bereich ist dies die Glaubensfreiheit. Art. 4 ist - darauf ist noch zurückzukommen - eine wesentliche Grenze erzieherischer Gestaltungsfreiheit in der Schule, zugleich aber auch positive Leitlinie im Sinne religiöser Toleranz. Für den gesellschaftlich-politischen Bereich ist dies das Demokratieprinzip, das eine gewisse liberale Grundlage der Schule und Freiheit des Schülers vor einseitiger politischer Indoktrinierung fordert, sowie das Grundrecht der Meinungsfreiheit, das staatsfreie Meinungsbildung ermöglichen will, womit eine einseitige politische Beeinflussung des Schülers nicht vereinbar ist. Aus alledem ist eine ideologische Toleranz als objektive Verpflichtung der Schule, aber auch ein Grundrecht auf eine ideologisch tolerante Schule abzuleiten110. Der elternrechtliche Aspekt dieses Befundes stützt sich auf Art. 6 Abs. 2 111 . Diese Ableitung des Pluralismus-Gebotes führt zu zwei Schlüssen. Das Gebot verbietet es nicht, bestimmte wichtige Gemeinschaftswerte zu Erziehungszielen zu erheben. Die Verfassungsnormen, die das Gebot begründen, können und müssen mit anderen Verfassungsnormen gemäß dem Grundsatz der Einheit der Verfassung112 im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden. „Das Toleranzgebot bedarf... seinerseits einer gleichsam toleranten Anwendung" 113 . Es ist nicht Sinn des Pluralismus-Gebotes, die Orientierung der Erziehung an bestimmten Verfassungszielen zu verhindern114. Weltanschauliche Neutralität bedeutet nicht Wertneutralität, die verfassungsrechtlich gebotene Beschei-
Nachw. bei Stock, a. a. O. (Fn. 10), S. 212 ff. Oppermann, Gutachten DJT, insbes. S. C 36 ff., 81 ff., 92 ff.; Evers, a. a. O., insbes. S. 58 ff., 82 ff.; Günter Püttner, DÖV 1974, S. 656 ff.; vgl. ferner Huber, a. a. O. (Fn. 3), S. 553 f. 110 BVerwGE 79,298. 111 Zur Begründung eines Indoktrinierungsverbots im Zusammenhang mit Sexual kunde-Unterricht vgl. Eibe Riedel, Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte zur Frage der Sexualkunde an öffentlichen Schulen, EuGRZ 1978, S. 264 ff. (Art. 6 Abs. 2 GG, Art. 2 Satz 2 1. Zusatzprotokoll zur EMRK). 112 So zutreffend Oppermann, Gutachten DJT, S. C 94 f. 113 BVerwGE 79,298,307. 114 So ausdrücklich im Hinblick auf die Erziehungsziele der Landesverfassungen BVerfG NVwZ 1990, S. 54; einschränkender Schmitt-Kammler, a. a. O. (Fn. 61), S. 35 ff. 108
109
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dung in Wertfragen bedeutet keinen Wertrelativismus115. Allerdings verhindert das Pluralismus-Gebot eine verabsolutierende Darstellung bestimmter Werte. Ein harter Kern des Verbotsgehalts des PluralismusPrinzips liegt in der vom Grundgesetz vorbehaltlos garantierten Glaubensfreiheit. Insoweit ergeben sich gewisse Probleme aus der Rangordnung der Normen, die Erziehungsziele festlegen. Die religiös gefärbten Erziehungsziele der älteren Landesverfassungen (Erziehung zur „Ehrfurcht vor Gott" oder zur „Gottesfurcht") sind im Hinblick auf die grundgesetzliche Garantie der Glaubensfreiheit und auf entsprechende völkerrechtliche Normen nicht völlig problemfrei 116 . Die Verfassungen der neuen Bundesländer vermeiden solches 117 . Hier liegt im übrigen auch ein schwieriges Problem neuerer europäischer Verfassungsgebung118. Positiv folgt aus dem Gesagten aber, daß das Pluralismus-Prinzip nicht allein als Verhinderungsgrundsatz verstanden werden darf. Aus ihm ergibt sich vielmehr ein Gebot der Erziehung zu Toleranz und Achtung der Meinung anderer. Ein so verstandenes Toleranzgebot ergibt sich im übrigen auch aus den völkerrechtlichen Vorgaben. 4.3 Einzelne
Erziehungsziele
Auf der Grundlage des bisher Erörterten sollen nunmehr Existenz und Tragweite einzelner Erziehungsziele untersucht werden. Dabei kann es nicht um eine Gesamtübersicht gehen. Vielmehr seien einige mögliche Erziehungsziele herausgegriffen, die für die eingangs dargestellten gesellschaftlichen Entwicklungen von besonderer Bedeutung sein können: Es sind dies die Problemkomplexe Selbstverwirklichung und Gemeinschaftsethos, Bindungskrise, Bewährung in der Arbeitswelt und Indu-
115
v. Campenhausen,
a. a. O. (Fn. 12), S. 193 ff.; Arndt, a. a. O. (Fn. 4), S. 215.
Vgl. dazu J.-D. Kühne, Ehrfurchtsgebot und säkularer Staat, NWVB1 5 (1991), S. 253 ff.; Art. 12 Abs. 1 LV Baden-Württemberg, Art. 131 Abs. 2 LV Bayern, Art. 33 LV Rheinland-Pfalz, Art. 7 Abs. 1 LV NRW. 116
117
Kühne, a. a. O., (Fn. 67), S. 42.
Die portugiesische Verfassung (Art. 43 Abs. 2) schreibt strikte konfessionell weltanschauliche Neutralität staatlicher Erziehung vor, während die spanische Verfassung das Eltern-Recht auf religiöse oder moralische Erziehung gemäß ihrer Uberzeugung garantiert (Art. 27 Abs. 3); zu dem damit verbundenen Spannungsverhältnis vgl. Tribunal Constitucional vom 13. 2. 1981, Boletín de Jurisprudencia Constitucional 1981-1, S. 23,27. Die griechische Verfassung sieht hingegen die Entwicklung einer religiösen Gesinnung noch als Erziehungsziel an (Art. 16 Abs. 2). Angesichts der Tatsache, daß die griechische Verfassung nicht in gleicher Weise Staat und Kirche trennt (vgl. Art. 3) wie dies im übrigen Europa Verfassungspraxis ist, ist ein solches Erziehungsziel konsequent. 1,8
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striegesellschaft, Multikulturalismus sowie Frieden und Völkerverständigung. Der Blick ist dabei auf die besonderen Erziehungsziele der Landesverfassungen, auf Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes sowie der Landesverfassungen und schließlich auf sonstige wertsetzende Normen beider Verfassungsebenen gerichtet. Dies ist durch einen Blick auf die Ebenen des EG-Rechts und des Völkerrechts zu ergänzen. Dabei muß unsere Suche offen sein, d. h. wir dürfen die rechtliche Landschaft nicht nur auf der Suche nach eventuell als richtig erkannten Lösungen durchstreifen. Wir müssen auch offen sein für die Beobachtung etwaiger gegenläufiger Direktiven. Es könnte ja sein, daß wir bei unserem Streifzug auch einige Verfassungsdefizite aufdecken. 4.3.1 Erziehungsziel: kritische, verantwortliche und gemeinschaftsorientierte Selbstverwirklichung Die Verfassungsentwicklung in Deutschland spiegelt durchaus den Wandel von Pflicht- und Akzeptanz- zu Selbstentfaltungswerten. Blickt man auf die symbolisch-programmatischen Bestimmungen der Verfassungen der neuen Bundesländer, so fällt im Gegensatz zur WRV und zu den älteren Landesverfassungen die Abwesenheit von Pflichtenbestimmungen auf119, mit Ausnahme des Bereichs des Umweltschutzes und des klassischen „Eigentum verpflichtet". Im übrigen wird bestimmt, was der Staat alles zu fördern und zu schützen hat. Nur ganz gelegentlich klingt auch der Gedanke von Pflichten an, wenn etwa gesagt wird, daß Kinder den Schutz von Staat und Gesellschaft genießen, was ja wohl jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft in die Pflicht nimmt. Insgesamt stimmt das programmatische Bild der neuen Verfassungen etwas nachdenklich. Es entsteht das Bild des netten Staates, der die Selbstverwirklichung seiner Bürger in Arbeit und Kultur fördert. Das ist angesichts der schwierigen historischen Situation, in der diese Verfassungen entstanden sind, verständlich. Insbesondere mußten sich diese Verfassungen absetzen von der Kollektivisierung der vergangenen Epoche. Von daher konnte eine Betonung von Grundpflichten, von Gemeinschaftsgebundenheit als Wiederbelebung eines gerade überwundenen Systems mißverstanden werden120. Auch bei den Erziehungszielen ist die Betonung von Pflicht- und Gemeinsinnwerten in frühen Länderverfassungen stärker als in den neuen. 119 Darauf weist zutreffend hin P. Haberle, Die Verfassungsbewegung in den fünf neuen Bundesländern Deutschlands, 1991 bis 1992, JÖR42 (1994), S. 149 ff., 176 f. 120 Vgl. Haberle, a. a. O. (Fn. 119), Kühne, a. a. O., (Fn. 67), S. 41 f.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule
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Art. 148 W R V ist sehr stark von solchen Werten geprägt. Auch in den alten Landesverfassungen überwiegt die Betonung von Pflicht, Tüchtigkeit und Gemeinsinn 121 . Lediglich die bremische Verfassung postuliert daneben so etwas wie einen Selbstentfaltungswert: „die Erziehung zum eigenen Denken, zur Achtung vor der Wahrheit, zum Mut, sie zu bekennen und das als richtig und notwendig Erkannte zu tun." Hingegen betonen die Erziehungsziele der Verfassungen der neuen Bundesländer (mit Ausnahme Sachsens) durchweg Selbstentfaltungswerte 122 : „Erziehung zu eigenem Denken", „Entwicklung der freien Persönlichkeit" 123 . Freilich bleibt diese Selbstentfaltung gemeinschaftsorientiert. Die Landesverfassungen Sachsen-Anhalt 124 und Mecklenburg-Vorpommern 125 fordern etwa gleichlautend „die Persönlichkeit, die bereit ist, Verantwortung für die Gemeinschaft mit anderen Menschen und Völkern zu tragen." Die Landesverfassung Sachsens 126 fordert „Erziehung zu sittlichem und politischem Verantwortungsbewußtsein" und zu „sozialem Handeln". Bei den Erziehungszielen der Verfassungen Thüringens und Brandenburgs findet sich freilich nichts in diese Richtung Deutendes, wenn man von der „Verantwortung für Natur und Umwelt" absieht 127 . Betont werden als Erziehungsziele auch die Toleranz, die Achtung vor der Würde, dem Glauben und den Uberzeugungen anderer, ferner Anerkennung der Demokratie, der Freiheit, Wille zu sozialer Gerechtigkeit oder Solidarität sowie Friedfertigkeit. Hinsichtlich des Grundgesetzes (und auch hinsichtlich der Verfassungen der alten Bundesländer) ist man für Selbstentfaltung als Erziehungsziel auf die Kunst der Verfassungsinterpreten angewiesen. Den Grundrechten, allen voran Art. 2 Abs. 1, ist ein starkes Bekenntnis zur Selbstverwirklichung eigen, allerdings nie zu einer schrankenlosen, sondern zu einer gemeinschaftsgebundenen Selbstverwirklichung.
121 Art. 12 LV Baden-Württemberg; Art. 131 LV Bayern; Art. 26 LV Bremen; Art. 51 LV Hessen; Art. 7 LV NRW; Art. 33 LV Rheinland-Pfalz. 122 So Kühne, a. a. O. (Fn. 67), S. 41 f. Deshalb stehe ich Kühnes Versuch, die Verfassungen der neuen Bundesländer ganz in gemeindeutsche Verfassungstradition zu stellen, skeptisch gegenüber. 123 Art. 28 LV Brandenburg; Art. 15 Abs. 4 LV Mecklenburg-Vorpommern; Art. 27 Abs. 1 LV Sachsen-Anhalt; Art. 22 LV Thüringen. 124 Art. 27. 125 Art. 15. 126 Art. 101. 127 Art. 28 LV Brandenburg.
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Mit „Verantwortung für die Gemeinschaft", Anerkennung der Demokratie 128 , Erziehung zu freiheitlicher demokratischer Haltung 129 formulieren die neuen Bundesländer Demokratie ausdrücklich als Erziehungsziel. Aber auch das Demokratieprinzip des Grundgesetzes ist als Erziehungsziel zu verstehen. Es fordert Partizipation und Bereitschaft zur Übernahme von politischer Verantwortung in vielen Bereichen - im Kleinen wie im Großen. Zum Demokratieprinzip (in Verbindung mit der Garantie der Meinungsfreiheit) gehört auch die Entwicklung von Kritikfähigkeit im Umgang mit Informationen. Dieses Erziehungsziel wird deutlicher formuliert in den Verfassungsbestimmungen, die Erziehung zu selbständigem Denken und Handeln fordern. Schließlich sind eine wesentliche Anleitung zu gemeinschaftsorientiertem Handeln die Bestimmungen, die Erziehung zu „Solidarität", zum Willen zu sozialer Gerechtigkeit fordern. Dieses Erziehungsziel ist auch im Sozialstaatsprinzip angelegt. Erziehung zu verantwortlicher Selbstentfaltung bedeutet auch eine Erziehung, die den zu Erziehenden dazu befähigt, sich in dieser Gesellschaft, so wie sie ist und sich entwickelt, zu bewähren, ohne über persönliche Probleme zu neurotischen Frustreaktionen zu gelangen. Entwicklung einer „freien Persönlichkeit" bedeutet eben auch dies. Das heißt, daß die Schule Erfahrung der Selbstverwirklichung 130 , aber auch Sinn für Voraussetzungen und Grenzen solcher Selbstverwirklichung vermitteln muß. Sie soll und muß dem Schüler und der Schülerin helfen, selbständig und ohne traditionsvermittelte Sicherheit einen eigenen sinnvollen Lebensentwurf zu finden. So sollten die ausdrücklichen und impliziten Erziehungsziele unserer Verfassungen verstanden und entfaltet werden. Dazu gehört auch eine Vorbereitung auf Rollenfindung im persönlichen Leben, die nicht auf traditionelle geschlechtsspezifische Rollen fixiert ist. Der neue Art. 3 Abs. 2 G G und die Gleichberechtigungsvorschriften der neuen Landesverfassungen verpflichten den Staat, die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen zu fördern. Dies muß auch eine Erziehung bedeuten, die die Bereitschaft und Fähigkeit entwickelt, im privaten und gesellschaftlichen Bereich Gleichberechtigung der Geschlechter zu praktizieren.
128 129 130
LV Brandenburg, Art. 28; LV Thüringen, Art. 22. LV Sachsen, Art. 101. Vgl. Klages, a. a. O. (Fn. 8), S. 36 ff.
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4.3.2 Erziehungsziel: moderne Industrie- und Informationsgesellschaft Die Erziehung zur Bewährung in der modernen Arbeitswelt war ein wichtiges Element in der W R V . Auch die frühen Länderverfassungen sehen berufliche Tüchtigkeit oder Fähigkeit 131 als wichtiges Erziehungsziel an, die bremische Verfassung darüber hinaus die „Erziehung zu einem Arbeitswillen, der sich dem allgemeinen Wohl unterordnet". In den Verfassungen der neuen Bundesländer ist dieser Aspekt ausgeblendet 1 3 2 . Allein Sachsen fordert u. a. eine Erziehung zu „beruflichem K ö n nen". Im übrigen taucht die Arbeit regelmäßig in dem Zusammenhang eines Rechtes auf Arbeit und des staatlichen Kampfes gegen Arbeitslosigkeit auf. Dessen Wichtigkeit wird niemand bestreiten, aber im Zusammenhang einer umfassenderen Programmatik von Staats- und Erziehungszielen ist dies wohl etwas zu kurz gegriffen. In Zusammenhang mit dem Arbeitsleben, ja mit wirtschaftlicher Betätigung im allgemeinen ist ein weiteres Erziehungsziel wichtig, nämlich das der sozialen Verantwortung wirtschaftlicher Tätigkeit. Hier leisten die Verfassungen der neuen Bundesländer einen positiven Beitrag, wenn sie Erziehung zu sozialem Handeln (Sachsen), Willen zu sozialer Gerechtigkeit (Brandenburg und Thüringen) als Erziehungsziele angehen. Wesentliche Aufgabe in der modernen Industriegesellschaft ist die Erhaltung der natürlichen Umwelt als Existenzgrundlage für zukünftige Generationen, ist tragfähiges Wachstum. Dies muß ein wesentliches Erziehungsziel sein. Dies haben schon einige Verfassungen der alten Bundesländer durch Verfassungsänderungen in den 80er Jahren anerkannt 1 3 3 . Die neuen Bundesländer sind sich bei diesem Erziehungsziel der „Verantwortung gegenüber künftigen Generationen" 1 3 4 , „Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen und die Umwelt" 1 3 5 , „Erhaltung der Umwelt" 1 3 6 einig. Ergänzt wird dies durch ausführliche Staatszielbestimmungen zum Umweltschutz in alten und neuen Bundesländern, die auch Umweltschutzpflichten des einzelnen zum Gegenstand haben 1 3 7 , sowie durch das Bekenntnis zur sozialen und ökologischen Marktwirt -
131 Art. 12 Abs. 1 LV Baden-Württemberg; Art. 131 Abs. 1 LV Bayern; Art. 26 Nr. 2 LV Bremen; Art. 56 Abs. 4 LV Hessen; Art. 33 LV Rheinland-Pfalz.
132
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Art. 7 Abs. 2 LV NRW, Änderung 1985. Mecklenburg-Vorpommern, Art. 15 Abs. 4; Sachsen-Anhalt, Art. 27 Abs. 1. 135 Thüringen, Art. 22 Abs. 1, ähnlich Brandenburg Art. 28. 136 Sachsen, Art. 101 Abs. 1. 137 Brandenburg, Art. 39, Mecklenburg- Vorpommern Art. 12; Thüringen Art. 31-33; Sachsen Art. 10; Sachsen-Anhalt, Art. 25. 133
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schaft 138 , die zusätzlich als Erziehungsziele interpretierbar sind. Erziehung zur Achtung vor der Umwelt ist auch durch völkerrechtliche Verträge geboten 139 .
4.3.3 Erziehung in der multikulturellen
Gesellschaft
Die Tatsache, daß unser Land, jedenfalls in seinem städtischen Bereich, sich zu einer multikulturellen Gesellschaft entwickelt hat, stellt besondere Herausforderungen an das Erziehungswesen 140 . Hierbei sind zwei Aspekte zu unterscheiden, nämlich einmal Multikulturalität in der Erziehung, zum anderen Erziehung zum Leben in der multikulturellen Gesellschaft. Zum ersten Aspekt ist nach den Normen zu fragen, die den Umgang der Schulen mit Kindern aus anderen Kulturen bestimmen (also nach rechtlichen Maßstäben für die Organisation der Erziehung), zum zweiten nach in den Verfassungen verankerten Werten, die eine Erziehung zum Leben in der multikulturellen Gesellschaft erfordern oder rechtfertigen (also nach Erziehungszielen im engeren Sinn). Beides ist freilich nicht völlig zu trennen.
4.3.3.1 Multikulturalität in der Erziehung Normative Grundlagen für den ersten Fragenkreis ist das Toleranzund Pluralismusgebot des Grundgesetzes, Art. 3 Abs. 3, Art. 4 und die Minderheitenschutzregeln der Landesverfassungen. Daneben sind E G rechtliche Vorgaben zu beachten. Oben wurde gezeigt, daß eine wesentliche Grundlage des PluralismusGebots im Erziehungswesen das durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 geschützte Entfaltungsrecht des Kindes ist. Für das Kind, dessen Eltern aus einer anderen Kultur stammen, stellt sich die Frage des Entfaltungsrechts in einer besonders prekären Weise. Will es sich in Richtung auf die Erhaltung der eigenen kulturellen Identität entfalten oder in Richtung auf eine Integration, auf ein Aufgehen in der deutschen Kultur. Allerdings wäre es verhängnisvoll, die in dieser Frage angelegten Spannungen im Sinne eines „entweder-oder" lösen zu wollen. Ohne eine genaue Begrifflichkeit bieten zu können, seien nur unterschiedliche Optionen schlagwortartig bezeichnet: Assimilation - Integration - Erhaltung der Iden-
Brandenburg, Art. 42 Abs. 2; Thüringen, Art. 38. Art. 29 Abs. 1 (e) der Konvention über die Rechte des Kindes. 140 Vgl. dazu Cohn-Bendit / T. Schmid, a. a. O. (Fn. 37), S. 301 ff.; vergleichend zur multikulturellen Erziehung Benstz, a. a. O. (Fn. 47), 298 f. 138 139
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule
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tität - Segregation 141 . Jedenfalls muß eine am Pluralismus-Gebot orientierte Schule dem Kind sowohl die Chance zur Bewahrung der eigenen kulturellen Identität als auch die zur Integration bieten. Das ist um so schwieriger, als das von der Schule zu respektierende Elternrecht und der Entfaltungswille des Kindes oder Jugendlichen sehr weit voneinander abweichen können. Zum gleichen Ergebnis muß eine sinnvolle Anwendung des Art. 3 Abs. 3 kommen, denn das Verbot der Benachteiligung wegen der Herkunft bedeutet ja nicht, daß Kinder aus anderen Kulturen schlechterdings genauso behandelt werden müssen wie deutsche, sondern daß ein angemessenes Eingehen auf ihre Eigenart durchaus zulässig ist. Das Eingehen auf den Identitätswunsch ist keine Bevorzugung gegenüber deutschen Kindern in gleicher Lage, sondern das Unterlassen einer verbotenen Benachteiligung. Denn praktisch werden Angehörige einer Minderheit dadurch benachteiligt, daß sie sich nicht gemäß ihrer Kultur verhalten dürfen, während die deutschen Kinder eben dieses können 142 . Die Bemühungen, einen ausdrücklichen Minderheitenschutz zum Bestandteil des Grundgesetzes zu machen, sind kläglich gescheitert. Dabei traf der Minderheiten-Artikel, der wenigstens die Verfassungskommission noch passierte, nur teilweise das hier untersuchte Problem, da er sich auf die in der Bundesrepublik „seit längerer Zeit bestehenden" Minderheiten 143 , also praktisch auf die „lokalen" Minderheiten der Dänen, Friesen und Sorben 144 , dazu wohl Sinti und Roma beschränkte. Allein Sachsen hat in seiner Verfassung einen Artikel, der wohl eher das Problem unserer multikulturellen Gesellschaft betrifft, wie es sich in der Realität, nicht zuletzt in der Praxis des großstädtischen Schulalltags stellt: „Das Land achtet die Interessen ausländischer Minderheiten, deren An-
141 Vgl. dazu Thilo Marauhn, Der Status von Minderheiten im Erziehungswesen und im Medienrecht, in: Jochen Abr. Frowein / Rainer Hofmann / Stefan Oeter (Hrsg.), Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, Teil 2,1994, S. 410 ff., 413. 142 Der Streit um sog. „reverse discrimination'1, der damit zusammenhängt, kann an dieser Stelle nicht entfaltet werden. 143 Vgl. dazu den Abschlußbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BTDr. 12/6000, S. 74. Zu dem Art. 20b, der schließlich doch nicht ins Grundgesetz aufgenommen wurde, vgl. Alexander H. Stopp, Minderheitenschutz im reformierten Grundgesetz, Staatswissenschaften und Staatspraxis 5 (1994), S. 3 ff.; zur Vorgeschichte und zu der Frage des Anwendungsbereichs vgl. Dietrich Franke/ Rainer Hofmann, Nationale Minderheiten - ein Thema für das Grundgesetz? EuGRZ 19 (1992), S. 401 ff., 408 f. 144 Auf die Behandlung dieser Minderheiten im deutschen Erziehungswesen kann hier nicht näher eingegangen werden, vgl. dazu Marauhn, a. a. O. (Fn. 141 ), S. 424,432.
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gehörige sich rechtmäßig im Lande aufhalten." 145 Dies dürfte wohl auch die aus den neuen Migrationsbewegungen entstehenden Minderheiten erfassen. Diese Bestimmung, das versteht sich von selbst, ist auf die Tätigkeit von Land und Kommunen als Schulträger anzuwenden. „Achtung der Interessen" bedeutet, daß ein Wunsch nach Erhaltung der Identität, die von der Gruppe ausgeht und respektiert werden muß. Die Spannung zwischen dem Identitätswunsch der Gruppe und dem eigenen Identitätswunsch des Kindes ist vergleichbar der Frage des Verhältnisses zwischen Schulaufsicht und Elternrecht - und entsprechend zu lösen. All dieses gibt an sich eine Basis für eine minderheitenfreundliche Gestaltung des Schulunterrichts. Dennoch hat sich in der Praxis als Hort des Minderheitenschutzes bislang allein Art. 4 erwiesen 146 . Das Problem hat sich in Deutschland im wesentlichen am koedukativen Sportunterricht entzündet. Das BVerwG 1 4 7 und ähnlich das schweizerische Bundesgericht148 haben ein Recht des islamischen Mädchens auf Befreiung aus religiösen Gründen anerkannt. Der Fall zeigt allerdings auch die Grenzen der Rücksichtnahme auf Minderheiten, ebenso wie die Grenzen der Berufung auf Glaubensfreiheit. Es gibt eine Berufung auf Glaubensfreiheit und/oder kulturelle Identität, die nach der Wertordnung unseres Staates als so gemeinschaftsschädigend anzusehen ist, daß sie nicht hingenommen werden kann. Genausowenig wie Pluralismus ist Minderheitenschutz ein absoluter Wert. Er muß vielmehr mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern zu einem schonenden Ausgleich gebracht werden. Die Sportentscheidung des BVerwG liegt an der Grenze des angesichts hohen Werts der Gleichberechtigung, des gleichen Persönlichkeitsrechts von Mann und Frau noch zu Akzeptierenden. Das BVerwG hat gut daran getan, seine Entscheidung insoweit einzugrenzen, als es im nicht koedukativen Sportunterricht eine gangbare Alternative sah. Wesentlich ist auch, daß die Eltern und die Tochter gemeinsam auf der Befreiung bestanden. Eine Befreiung aufgrund des religiös motivierten
Art. 5 Abs. 3. Vgl. dazu Johannes Hellermann, Multikulturalität und Grundrechte - am Beispiel der Religionsfreiheit, in: Christoph Grabenwarter / Stefan Hammer / Alexander Pelzl / Eva Schulev-Steindl / E. Wiederin (Hrsg.), Allgemeinheit der Grundrechte und Vielfalt der Gesellschaft, 1994, S. 129 ff., 134 ff. 147 BVerwG NVwZ 1994, S. 78 f. = DVB1. 1994, S. 163 ff.; vgl. dazu Pieroth, a. a. O. (Fn. 40), S. 959 f.; Uwe Wesel, Turnvater Jahn oder der Bart des Propheten, NJW1994, S. 1389. 148 BGE 119 Ia 178 = Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht 95 (1994), S. 24 m. krit. Anm. Hans Peter Moser. 145
146
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Wunsches der Eltern gegen den erklärten Willen der Tochter wäre verfassungsrechtlich ausgesprochen bedenklich 149 . Das schweizerische Bundesgericht beruhigte sich damit, daß das betroffene Mädchen noch nicht 16 Jahre alt war und infolgedessen die Geltendmachung der religiösen Uberzeugung dem Vater oblag. Das Gericht machte aber Vorbehalte unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung deutlich. Das Ergebnis des Bundesverwaltungsgerichts ist auch völkerrechtlich nicht unproblematisch, verlangt doch die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau in Art. 10 die „Beseitigung jeder stereotypen Auffassung in Bezug auf die Rolle von Mann und Frau ... in allen Unterrichtsformen durch Förderung der Koeduktion." Der französische Conseil d'Etat 1 5 0 geht in ganz anderer Weise auf das Verfassungsprinzip des laizistischen Staates ein und begrenzt von daher die Ausübung von Religionsfreiheit oder von Verhaken, das durch religiöse Uberzeugungen gefordert ist, in der Schule. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1992 hat er zwar das Tragen des Tschador akzeptiert, jedoch ist damit über den Streit zwischen grundsätzlichen Wertvorstellungen des Staates, wozu eben der Laizismus gehört, und Äußerungen islamischer Identität in der Schule letztlich noch nicht entschieden. Gerade kürzlich sind neue Anläufe zur Durchsetzung des Laizismus unternommen worden. EG-rechtliche Vorgaben für das deutsche Schulwesen betreffen vor allem die für Identität und Integration so wichtige Sprachenfrage. Sie setzen bei der Tatsache an, daß die schulische Versorgung der Kinder die in Art. 48 ff. E G V garantierte Freizügigkeit der Arbeitskräfte berührt 151 . Deshalb stellt die auf Art. 49 E G V gestützte Richtlinie über die schulische Betreuung von Wanderarbeitnehmern 152 ein doppeltes Erfordernis auf: nämlich einmal ein kostenloser Einführungsunterricht in die Sprache und sonstigen Gegebenheiten des Aufnahmestaates, der „den spezifischen Bedürfnissen dieser Kinder angepaßt" ist, zum andern die Förde-
Vgl. auch U. Wesel, a. a. O. C.E. 27 novembre 1989, L'actualité juridique - Droit administratif 20-1-90, S. 39; C.E. 2 novembre 1992, La Semaine juridique 1993, S. 61; vgl. dazu Françoise Monéger, Les musulmans devant le juge français, Journal de Droit International 1994, S. 345 ff. 149 150
151 Ein anderes Freizügigkeitsproblem ist die Freizügigkeit für Lehrpersonen. Diese steht staatlichen Maßnahmen zur Förderung von nationaler Identität, insbesondere Maßnahmen zur Pflege einer Nationalsprache nicht entgegen, solange diese Maßnahmen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, vgl. Rs. C-379/87, Slg. 1989, S. 3967 - Anita Groener gegen Minister of Education and the City of Dublin Vocational Education Committee. 152
R L 7 7 / 4 8 6 / E W G vom 25. 7 . 1 9 7 7 , Abi. Nr. L 199 vom 6. August 1977, S. 32.
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rung einer Unterweisung derselben in ihrer Muttersprache und heimatlichen Landeskunde. Damit erhält die in Deutschland auch verfassungsrechtlich gebotene Gewährung der Chance für Integration im Aufnahmestaat und Bewahrung der heimatlichen Identität eine wichtige Untermauerung. 4.3.3.2 Multikulturalität
als
Erziehungsziel
Multikulturalität als Erziehungsziel folgt aus dem Toleranzprinzip. Dies ist insbesondere in den Formulierungen der neuen Landesverfassungen ganz deutlich zu sehen. Hier findet sich einmal mehr der Gedanke der Erziehung zur „Achtung vor der Würde des Menschen und Toleranz gegenüber der Überzeugung anderer" 153 , oder „Achtung vor der Würde, dem Glauben und der Überzeugung anderer" 154 sowie „Friedfertigkeit und Solidarität im Zusammenleben der Kulturen..." Dieses Toleranzziel kann nicht seinerseits durch das Pluralismusgebot relativiert werden. Lehrinhalte, die diesem Toleranzziel entgegenstehen, sind verfassungswidrig. Allein dies entspricht auch den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands aus den Erziehungszielen der Menschenrechtsverträge155. Eine zusätzliche Dimension gewinnt das Erziehungsziel Multikulturalität durch das Recht der Europäischen Union. Die Ziele der Unionsverträge entfalten ihre Rechtswirkungen für alle deutschen Entscheidungsträger, also auch für die in der schulischen Erziehung verantwortlichen. Das Ziel des Zusammenführens der Völker Europas bedeutet auch ein Gebot, auf die gegenseitige Achtung und Kenntnis der Kulturen Europas im Unterricht hinzuwirken156. 4.3.4 Erziehungsmaßstab
Europa
Dies führt uns zu einem weiteren Gesichtspunkt. Das Bekenntnis zur europäischen Integration, angelegt an der Präambel des Grundgesetzes und im neuen Art. 23, ist u. a. Erziehungsziel. Als solches wirken auch die Unionsverträge. Das muß eine Reihe von praktischen Konsequenzen haben. Unterricht in europäischen Sprachen, Austauschprogramme, Partnerschaften u. a. m. empfangen dadurch eine zusätzliche rechtliche Begründung und - im Zeichen leerer Staatskassen muß es gesagt werden 153 154 155 156
L V Thüringen, Art. 22. L V Brandenburg, Art. 28. S. o. Vgl. insbes. UnionsV: Präambel; E G V : Präambel, Art. 2, 3, 126-128.
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- Bestandsgarantie. Im Geschichts- und Gemeinschaftskundeunterricht muß sich die europäische Dimension auch inhaltlich niederschlagen 157 .
4.3.5 Erziehung zur Frieden und Völkerverständigung Die Ableitung der Erziehungsziels Frieden und Völkerverständigung ist einfach. Die Präambel des Grundgesetzes gibt sie vor. Art. 25 und 26 konkretisieren dies. Ebenso klar ist das Bekenntnis der Verfassungen vieler alter und der neuen Bundesländer zu Frieden und Völkerverständigung als Erziehungsziel. Dieses Erziehungsziel ist auch durch eine Vielzahl von Verträgen für die Bundesrepublik völkerrechtlich geboten. Es wird zudem ergänzt und unterfüttert durch weitere völkerrechtliche Normen oder Normen nicht-rechtlicher Art, wie wir sie in Resolutionen und Erklärungen der Vereinten Nationen (etwa zum Verbot der Kriegspropaganda) 158 , vor allem aber der U N E S C O finden. Grundlegendes Dokument ist hier die Erklärung von Yamoussoukrou über „Peace in the minds of man". Friedenserziehung ist ein wesentliches Element des UNESCO-Programms, das zu fördern sich auch die Bundesrepublik jedenfalls politisch - verpflichtet hat. Sie tut dies insbesondere in den UNESCO-Schulen. Auch dieses Erziehungsziel ist nicht durch ein Pluralismus-Gebot zu relativieren. Lehrinhalte, die mit diesem Ziel unvereinbar sind, sind verfassungswidrig. Die positive Umsetzung dieses Ziels setzt voraus, daß durch geeignete Aktivitäten in den Schulen eine verantwortliche Haltung für den Frieden in der Welt, und dazu gehört auch der Abbau der bestehenden Wohlstandsdisparitäten, trainiert wird, etwa in Projektwochen, Patenschaften u. a. m.
4.4 Zur Bedeutung von Erziehungszielen - eine Schlußbetrachtung Art. 148 der Weimarer Verfassung habe Hitler nicht verhindert. Das beweise, daß Erziehungsziele in der Verfassung unnötig seien. So kann man bei einem angesehenen Mitglied unserer Vereinigung nachlesen 159 . Bevor ich in die erwartete Widerlegung dieser These eintrete, sei vorher noch eins draufgesetzt: Sind die Bayerinnen bessere Säuglingspflegerinnen, weil allein in der Bayerischen Verfassung die Säuglingspflege als Er-
157 Zum „Europäischen Geschichtsbuch" vgl. Dieter Offenhäußer, Wer kennt Daniel O'Connor?, Das Europäische Geschichtsbuch: Ein Beispiel zur Entnationalisierung von Bildungsinhalten, UNESCO heute 41 (1994), S. 294 ff. 158 Art. 20 IPbpR. 159 Roellecke, FS Geiger, S. 344 f.
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ziehungsziel (nur für Mädchen!) verankert ist 160 ? Die Absurdität der Fragestellung führt uns zum entscheidenden Punkt: Die Steuerungsfähigkeit rechtlicher Vorgaben für das Erziehungswesen und die Steuerungsfähigkeit des Erziehungssystems für das gesellschaftliche System sind begrenzt. Das bedeutet aber nicht, daß das Erziehungssystem für die gesellschaftliche Entwicklung und daß verfassungsrechtlicheund sonstige rechtliche Vorhaben für das Erziehungssystem irrelevant wären. Sie vermögen zwar keine gesellschaftlichen Großtrends umzukehren 161 , aber sie vermögen eine Feinsteuerung zu leisten. Orientierung des Erziehungswesens durch Verfassung und Orientierung der Gesellschaft durch Erziehung sind Teile eines Prozesses der fortlaufenden Entwicklung von Konsens in dieser Gesellschaft. Darüber hinaus ist vor einer Uberschätzung der Wirkungen zu warnen, die von einer Entfaltung von Erziehungszielen im Wege der Verfassungsinterpretationen ausgehen kann. Fehlt es an geeigneten Verfahren der Ubersetzung in die Welt der Erzieher, ist die Mühe vergebens. Eine Perfektionierung von bürokratischen Richtlinienwerken mag ich dabei nicht fordern. Die Inhalte der Verfassung gilt es dem Lehrer in einer Weise verständlich zu machen, die nicht auf den berühmt-berüchtigten Vorrang der Verwaltungsvorschrift vor der Verfassung setzt. Bei der anleitenden Wirkung der Verfassung geht es aber nicht nur um Unterrichtsinhalte, sondern auch um Schulorganisationsmaßnahmen, auch solche mit finanziellen Folgen. Als Beispiel sei noch einmal an Austauschprogramme erinnert. Hier ist nicht nur die Kultusbürokratie, hier sind auch die Finanzminister gefordert. Wenn all dies recht bedacht wird, dann lohnt sich wohl doch die Anstrengung, durch Verfassungsgebung und Verfassungsinterpretation Erziehungsziele zu entfalten. Der Versuch, auf diese Weise ein wenig zu den Zukunftsproblemen unserer Gesellschaft zu sagen, ist doch nicht untauglich. Oder wollen wir Juristen uns einfach nicht aus der Diskussion um diese Zukunftsaufgabe heraushalten?
Art. 131 Abs. 4 L V Bayern. Hier liegt m. E. der richtige Kern der Thesen Helmut Schmidts in der sog. Grundwerte-Diskussion (dazu schon oben Fn. 12), der sich gegen die verfassungsrechtliche Verankerung von Grundwerten wendet. Ethos sei in der Gesellschaft vorgegeben, nicht in der Verfassung verankert: „Der Staat kann ein nicht mehr vorhandenes Ethos nicht mehr zurückholen ... Hier ist der Staat an die Grenze seiner Möglichkeiten gekommen" ( H . Schmidt, Ethos in Staat und Gesellschaft, in: Gorschenek (Hrsg.), a. a. O . (Fn. 12), S. 13 ff., 22. 160 161
Leitsätze des 1. Berichterstatters Uber:
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat 1. Die Schule nimmt im gesellschaftlichen System eine Schlüsselfunktion ein, da sie die Schüler auf ihre Rolle in diesem System vorbereitet. Deshalb ist im Hinblick auf sich wandelnde gesellschaftliche Bedingungen immer wieder neu zu fragen, auf welche Ziele schulische Erziehung auszurichten ist und ob die Rechtsordnung, insbesondere die Verfassung diese Ausrichtung wirksam steuern kann und steuert. 2. Die gesellschaftliche Entwicklung ist durch Enttraditionalisierung und Individualisierung geprägt. Dies hat zu einer Veränderung von Familienstrukturen geführt. Die „ typische" Familie mit typischer, traditionsgeprägter Rollenverteilung wurde zurückgedrängt, es entstand eine Vielfalt frei gewählter Formen des Zusammenlebens in familienartigen Gemeinschaften. 3. Selbstentfaltung ist wertneutral. Es besteht heute in weiten Teilen der Gesellschaft eine Selbstverwirklichung in hedonistischem Sinn, geprägt von Anspruchsdenken und Konsumverhalten. Selbstverwirklichung hat vielfach die notwendige Gemeinschaftsorientierung verloren. 4. Auch Information wird im Zeitalter der visuellen Massenmedien konsumiert und kommerzialisiert. Passivität und verminderte Urteilskraft sind die gemeinschaftsschädliche Folge. 5. Individualisierung und Enttraditionalisierung führen zu Phänomenen der Vereinsamung und Beziehungslosigkeit, verhinderte Selbstentfaltung resultiert in Frustration. Dies alles erzeugt pathologische Reaktionen: Gewaltbereitschaft, Rechtsextremismus, Drogensucht und Flucht in falsche Geborgenheit, etwa in Jugendsekten. 6. Das Erziehungswesen kann und darf nicht die Entwicklung der Enttraditionalisierung und Individualisierung rückgängig machen. Es muß aber versuchen, den Gefahren, die unseren Gesellschaften aus diesen Entwicklungen drohen, entgegenzuwirken und die zu Erziehenden in die Lage zu versetzen, sich in dieser Gesellschaft zurechtzufinden. Es ist nicht auszuschließen, daß es damit überfordert ist. 7. Geboten ist eine Erziehung zu kritischer, verantwortlicher und gemeinschaftsorientierterSelbstverwirklichung. Dazu gehörtauch die Ent-
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wicklung der Fähigkeit, in einer enttraditionalisierten Gesellschaft einen sinnvollen Lebensentwurf selbständig zu finden. 8. Anforderungen an das Erziehungswesen ergeben sich aus der Notwendigkeit der Vorbereitung zu Erziehender auf eine Tätigkeit in der internationalisierten, industriell-technischen Welt mit enormen Informationsflüssen (Wirtschaftsstandort Deutschlandj, der Tatsache, daß Deutschland ein Einwanderungsland (Erziehung in und zu Multikulturalität) und eine Weltmacht ist (Erziehung zu Frieden, Völkerverständigung und internationaler Solidarität). 9. Ein staatlicher Erziehungsauftrag, verstanden als Pflicht zum staatlichen Schulehalten, ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip, aus Art. 7 GG und aus grundrechtlichen Schutzpflichten. Privatschulen haben daneben lediglich eine komplettierende Funktion, insbesondere im Bereich der weltanschaulich-religiösen Tendenzschule. 10. Der staatliche Erziehungsauftrag bedeutet eine Verpflichtung des Staates, das Schulsystem leistungsfähig zu halten, insbesondere finanziell angemessen auszustatten. Daraus können sich in sehr begrenztem Umfang individuelle Ansprüche ergeben. 11. Die Enttraditionalisierung des Rollenverhältnisses in der Familie und die Entwicklung einer Vielfalt von Formen familiären oder familienähnlichen Zusammenlebens ändern nichts an der grundsätzlichen Gleichordnung von staatlichem Erziehungsauftrag elterlichem Erziehungsrecht. Der Staat darf nicht zum Substituten der Elternerziehung werden, er muß lediglich helfend eingreifen, wenn Eltern, insbesondere Alleinerziehende, mit besonderen Schwierigkeiten in der Erziehung zu kämpfen haben. 12. Die Formulierung von Erziehungszielen entspricht einer verbreiteten Verfassungspraxis. Wir finden sie in der WRV, in den Verfassungen der alten und neuen Bundesländer sowie in einer Reihe von europäischen und außereuropäischen Verfassungen, ferner in internationalen Erklärungen und Verträgen zum Schutz der Menschenrechte. 13. Ausdrücklich formulierte Erziehungsziele sind ein wichtiges Element der Symbolwirkung von Verfassungen. 14. Wesentlichkeitstheorie und Gesetzesvorbehalt bedingen eine Verrechtlich ung von Erziehungszielen. Rechtlich normierte Erziehungsziele sind grundsätzlich Finalprogramme, die Freiräume für eine Konkretisierung durch die Erzieher gewähren müssen. Eine Übersteuerung des Erziehungsvorgangs ist ungeeignet zum Erreichen legitimer Gemeinwohlziele und stellt darum eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung von Grundrechtspositionen der am Erziehungsprozeß Beteiligten dar. 15. Erziehungsziele haben eine negativ-ausgrenzende und eine positiv-anleitende Funktion.
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16. In der ersten Funktion wird das Erziehungsziel zum Konditionalprogramm, da die Verfolgung verbotener Erziehungsziele zu Sanktionen führen kann. Ob durch allgemein formulierte Erziehungsziele die Voraussetzungen von Sanktionen mit hinreichender, rechtsstaatlich gebotener Klarheit bestimmt werden, ist zweifelhaft. 17. Die positiv-anleitende Funktion bedarf zur Wirksamkeit einer Aufnahme der rechtlichen Steuerungssignale im gesellschaftlichen Subsystem des Erziehungswesens. Vorbedingung dafür ist eine Übersetzung, die nicht allein von der Kultusbürokratie vermittelt werden sollte, sondern durch eine „ unbürokratische * Einbeziehung der Erzieher in die Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten. 18. Die Erziehungsziele der Landesverfassungen sind am Maßstab des Grundgesetzes und völkerrechtlicher Verträge zu messen. Es bestehen Bedenken gegen die Verfassungs- und Völkerrechtmäßigkeit von geschlechtsspezifischen und religiös gefärbten Erziehungszielen älterer Landesverfassungen. 19. Das Verfassungsgebot des Pluralismus stellt eine Grenze für die Festlegung von Erziehungszielen dar, aber es verbietet nicht, bestimmte Verfassungswerte als Erziehungsziele anzusehen. Adererseits steht es einer verabsolutierenden Darstellung einzelner Werte entgegen und gebietet eine Erziehung zu Toleranz und Achtung der Meinung anderer. 20. Ältere Verfassungen betonen Pflicht, Tüchtigkeit und Gemeinsinn als Erziehungsziele. Die neueren Verfassungen betonen eher das Ziel der Selbstverwirklichung, freilich einer gemeinschaftsverträglichen. 21. Auch die Grundrechte legitimieren gemeinschaftsverträgliche Selbstverwirklichung als Erziehungsziel. Aus dem Demokratieprinzip folgt als Erziehungsziel der demokratiebereite Mensch. Dazu gehört Bereitschaft zur Partizipation, zur Übernahme von Verantwortung und Fähigkeit zur kritischen Urteilsbildung. 22. Die Entwicklung von Kritikfähigkeit ist ein wesentliches Erziehungsziel der Verfassungen der neuen Bundesländer. 23. Das Sozialstaatsprinzip enthält als Erziehungsziel Bereitschaft zum solidarischen Handeln auch im gesellschaftlichen Bereich. 24. Die freie Persönlichkeit als Erziehungsziel bedeutet Entwicklung der Fähigkeit, selbständig und ohne Einordnung in Tradition seinen sinnvollen Lebensentwurf zu finden. 25. Sowohl der neue Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als auch die Gleichberechtigungsziele der Verfassungen der neuen Bundesländer verbieten eine Erziehung auf überkommene geschlechtliche Rollenverteilung und fordern als Erziehungsziel die Bereitschaft und Fähigkeit, im privaten und gesellschaftlichen Bereich Gleichberechtigung der Geschlechter zu praktizieren. Ältere Bestimmungen von Landesverfassungen, die Erziehung
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zu geschlechtsspezifischen Rollen anstreben, sind insoweit verfassungswidrig. 26. Arbeitsethos und berufliche Tüchtigkeit sind in den ausdrücklichen Formulierungen der Verfassungen der neuen Bundesländer unterbewertet. 27. Wesentliches neues Erziehungsziel ist das Umweltbewußtsein, die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. 28. Multikulturalität in der Erziehung, d. h. die erzieherische Rücksichtnahme auf Kinder aus anderen Kulturen ist durch das Toleranz- und Pluralismusgebot des Grundgesetzes, Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 GG sowie durch Minderheitenschutzregelungen in den Landesverfassungen geboten. Zusätzliche Grundlagen findet dieses Rücksichtnahmegebot in völkerrechtlichen Verträgen und im Recht der Europäischen Union. 29. Multikulturalität als Erziehungsziel ergibt sich aus dem Toleranzgebot und der Menschenwürde-Garantie des GG sowie aus den Erziehungszielen der neuen Landesverfassungen, die die Achtung vor der Würde und der Überzeugung anderer verlangen. Eine weitere Grundlage dieses Erziehungszieles sind das Recht der Europäischen Union und völkerrechtliche Verträge. 30. Wesentliche Erziehungsziele sind die Entwicklung eines EuropaBewußtseins sowie die Bereitschaft zu Frieden und Völkerverständigung. 31. Rechtliche Zielvorgaben können die Erziehung nur begrenzt steuern. Auch sind die Einwirkungsmöglichkeiten der Erziehung auf die gesellschaftliche Entwicklung nicht zu überschätzen. Da letztere aber letztlich nicht zu leugnen ist, müssen auch erstere entfaltet und entwickelt werden.
Erster Beratungsgegenstand:
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat 2. Bericht von Prof. Dr. Armin Dittmann, Stuttgart-Hohenheim Inhalt Seite
Einführung I. Erziehungsauftrag der Schule - auch im freiheitlichen Verfassungsstaat II. Grundgesetzliche Grenzen und Vorgaben 1. Grundgesetzliche Akzeptanz eines Erziehungsauftrags der Schule 2. Erziehungsmaßstäbe des Grundgesetzes a) Grundrechtlich geprägte Maßstäbe b) Weitere grundgesetzliche Maßstäbe III. Erziehungsauftrag und Erziehungsziele in den Ländern 1. Landesverfassungsrechtliche Vorgaben 2. Aufgaben des Gesetzgebers 3. Erziehungsauftrag und Erziehungsziele „vor Ort" Aspekte des „Vollzugs" IV. Die europäische Dimension Schlußbemerkung
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Einführung Dem freiheitlichen Verfassungsstaat - so scheint es - fehlt der „Mut zur Erziehung". Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man kritischen Bestandsaufnahmen von Pädagogen und Bildungspolitikern folgt, die in gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, wie ζ. B. zunehmender Gewaltbereitschaft und Neigung zu politischem Extremismus, eine Krise der Erziehung ausmachen und in diesem Zusammenhang gerade auch auf Erziehungsdefizite der Schule hinweisen1. Statt emanzipatorischer und einseitig-wissenschaftlicher Erziehung sollte es Aufgabe der Schule sein, wieder stärker Grundwerte zu vermitteln sowie auf eine Charakter-Erziehung und Gemütsbildung hinzuwirken. Die Schulen seien nicht bloß Dienstleistungsbetriebe zugunsten privater Interessen der Schüler an Ausbildung und Aufstieg, sie hätten zugleich auch öffentlichen Interessen zu dienen, insbesondere die Bindungen an Institutionen wie Ehe, Familie und Staat zu pflegen2. Die Vermittlung dieser Grundhaltungen sei in der bildungspolitischen Emphase der 60er und 70er Jahre mit ihren „Bildungsexperten", „Bildungsreformen" und „Bildungsplänen" sträflich vernachlässigt worden 3 . Das Plädoyer für eine „Wiedergewinnung des Erzieherischen" 4 reicht vom Bonner Forum „Mut zur Erziehung" im Jahre 1978 bis zur Neuordnung der baden-württembergischen Lehrpläne in diesem Sommer, bei der eine Stärkung der erzieherischen Komponente des Unterrichts im Vordergrund steht 5 . Mit der Aufnahme dieser Forderungen durch die Bildungspolitik und ihrer rechtlichen Umsetzung für den schulischen Unterricht ist notwendig auch der verfassungsrechtliche Diskussionsbeitrag eingefordert. Spätestens seit der lebhaften Diskussion der 70er Jahre um die ,Schule im Rechtsstaat' sind Fragen der inneren und äußeren Schulangelegenheiten keine ausschließliche Domäne von Erziehungswissenschaft und Bil-
1 So etwa Wolfgang Brzinka, Krise der Kultur - Krise der Erziehung, in: ders. / Franz Petermann / Lothar Schneider (Hrsg.), Mut zur Erziehung, 1994, S. 7 ff.; Fordern statt verwöhnen? Erziehungsziele in der Diskussion, mit Beiträgen von Felix v. Cube, Albin Dannhäuser u. a., Politische Studien, Nr. 333, 1994; Werner Heldmann, Werteerziehung und Gemeinwohlbezogenheit als Auftrag schulischer Erziehung, demnächst in: Aktuelle Fragen der Politik, hrsg. von der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2 So W. Brzinka (Fn. 1), S. 15. 3 So Erich E. Geißler, in: ders. (Hrsg.), Bildung und Erziehung. Notwendige Korrekturen im Schulverständnis?, 1982, S. 12. 4 So der Titel der gleichnamigen Schrift von Hans Maier aus dem Jahre 1972. 5 Vgl. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 62, v. 6. 8. 1994, S. 1.
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dungspolitik, sondern auch Rechtsfragen, die nach Maßgabe der Verfassungsordnung des freiheitlichen Verfassungsstaats zu beantworten sind6, in Deutschland also vorrangig nach Maßgabe der bundesstaatlich geteilten Verfassungsordnung im Bund und in den Ländern. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich genug, daß die Grundsatzfrage nach Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule - von der monographischen Behandlung durch Hans-Ulrich Ever s7 und Peter Haberles einmal abgesehen - bisher weithin ausgeklammert blieb und erst zu Beginn der 80er Jahre am Rande der seinerzeitigen GrundwerteDiskussion vorübergehend ins Blickfeld geriet9. Es ist also verfassungsrechtlich nachzubessern. I. Erziehungsauftrag der Schule auch im freiheitlichen Verfassungsstaat Die verfassungsrechtliche Diskussion hat sich zunächst der grundsätzlichen Frage zu stellen, ob der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat überhaupt ein Erziehungsauftrag zukommen kann, ob es also Aufgabe des Staates sein kann, über den Bildungs- und Ausbildungsauftrag der Schule hinaus gezielt auf die allgemeinmenschliche Entwicklung der Schüler einzuwirken. Es wäre an dieser Stelle allerdings ein hoffnungsloses Unterfangen, die Begriffe Bildung und Erziehung im einzelnen diskutieren und abgrenzen zu wollen, gehören sie doch zu den schillerndsten der Geistesgeschichte
6 Vgl. vor allem die Verhandlungen des 51. DJT im Jahre 1976 zu dem Thema „Nach welchen rechtlichen Grundsätzen sind das öffentliche Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen?", insbes. das in diesem Zusammenhang erstattete Gutachten C von Thomas Oppermann und den späteren Bericht der Kommission Schulrecht des DJT, Schule im Rechtsstaat, Bd. I, Entwurf für ein Landesschulgesetz, 1981. 7 Hans-Ulrich Evers, Die Befugnis des Staates zur Festlegung von Erziehungszielen in der pluralistischen Gesellschaft, 1979; ders., Verfassungsrechtliche Determinanten der inhaltlichen Gestaltung der Schule, in: Josef Krautscheidt / Heiner Marré (Hrsg.), Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 12,1977, S. 104 ff. 8 Peter Haberle, Erziehungsziele und Orientierungswerte im Verfassungsstaat, 1981; ders., Verfassungsprinzipien als Erziehungsziele, in: FS Hans Huber, 1981, S. 21 Iff. 9 Von „Unsicherheiten in Grundpositionen" spricht auch Thilo Ramm, Bildung, Erziehung und Ausbildung als Gegenstand von Grundrechten, in: FS Erwin Stein, 1983, S. 239 ff. (240).
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überhaupt10. Für unser Thema genügt die grundsätzliche Feststellung, daß Erziehung und Bildung ein Bild des Menschen zu verwirklichen suchen und damit zwangsläufig weltanschaulichen Inhalt haben. Beide sind tendenziell auf Fremdbestimmung angelegt11, Erziehung zudem stärker auf Bindung ausgerichtet. Der Erziehung wohnt immer ein adaptives Element inne, gleichviel, ob man hierunter Anpassung an soziale Verhaltensweisen oder aber das Uberzeugtsein von bestimmten Ordnungsvorstellungen versteht. Es ist dieser Aspekt der Fremdbestimmung, der grundsätzliche Skepsis gegenüber einem Erziehungsauftrag des Staates hervorruft, sei es, daß sich diese Skepsis auf historisch negative Erfahrungen stützt12 oder auf die Vermutung der prinzipiellen Unfähigkeit des Staates zur Erziehung. Immerhin läßt es aufhorchen, daß gerade Wilhelm von Humboldt in seiner Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen" die „öffentliche Erziehung" verwirft13. Der freiheitliche Verfassungsstaat teilt diese Skepsis nicht; er steht weder seiner Idee14 noch seiner Geschichte nach einem Erziehungsauftrag ablehnend gegenüber. Zumindest in Deutschland ist die Tradition staatlichen Schulehaltens fester Bestandteil des Verfassungsstaates15. Diese Tradition bezieht sich auf die äußeren und inneren Schulangelegenheiten gleichermaßen, einschließlich der normativen Festlegung von
10 Vgl. zusammenfassend Clemens Menze, Stw. Bildung, in: Staatslexikon, 7. Aufl., Bd. 1, 1985, Sp. 783 ff. sowie Marian Heitger, Stw. Erziehung, in: Staatslexikon, 7. Aufl., Bd. 2, 1986, Sp. 387 ff. Speziell zu Bildung und Erziehung in der staatlichen Schule Frank Hennecke, Staat und Unterricht, 1972, S. 22 ff. Zum inhaltlich weitgehend synonymen Gebrauch der Begriffe „Bildung", „Erziehung", „Ausbildung" und „Unterricht" in den Landesverfassungen Th. Ramm (Fn. 9), S. 242 ff. 11 Zur Fremdbestimmung als wesentlichem Element der Erziehung - im Unterschied zur Bildung - Th. Ramm, (Fn. 9), S. 247 f., 252 ff. 12 Zu Mißbrauchstatbeständen F. Hennecke, (Fn. 10), S. 48 ff. 13 Weitere Beispiele der Kritik am staatlichen Erziehungsauftrag bei F. Hennecke (Fn. 10), S. 91 ff. Ablehnend gegenüber einem Erziehungsauftrag des Staates, weil „der Staat in Wahrheit nicht erziehen kann", auch Gerd Roellecke, Erziehungsziele und der Auftrag der Staatsschule, in: FS Hans Joachim Faller, 1984, S. 187 ff. (195 f.). 14 Zur Idee des Verfassungsstaates zusammenfassend etwa Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1,2. Aufl. 1984, S. 80 ff.;Josef Isensee, Staat und Verfassung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1,1987, § 13 Rdn. 121 ff. 15 Zur Staatlichkeit des deutschen Schulwesens ausführlich Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 40 ff., und zum Zusammenhang von Staatsverfassung und Bildungsverfassung ausführlich Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1,2. Aufl. (Nachdruck) 1975, S. 261 ff.
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Erziehungsauftrag und Erziehungszielen der Schule. Kennzeichnend für das deutsche Schulwesen ist die allerorts enge Verbindung zum Staat. Schulen waren und sind - in der berühmten Formulierung des A L R ganz überwiegend „Veranstaltungen des Staates" 16 . Uber alle verfassungsgeschichtlichen Stufen deutscher Staatlichkeit hinweg blieb die Uberzeugung erhalten, daß der Staat an seinen Bürgern eine Erziehungsaufgabe zu erfüllen habe 17 . Die Vorstellung, daß der Staat allein das „Schulhaus" baut, auf die Hausordnung jedoch keinen Einfluß mehr nimmt, ist dem deutschen Schulwesen fremd 1 8 . Gerade auch der freiheitliche Verfassungsstaat steht ganz in dieser Tradition. So enthielt bereits die Weimarer Verfassung detaillierte bildungsrechtliche Vorgaben sowie - in Art. 148 W R V - die verfassungsstaatliche Pionierleistung einer Definition von Erziehungszielen 19 . Vor allem aber die Erfahrung mit der Schule im totalitären Staat nach 1933 2 0 sowie -
16 Teil II Titel 12 ALR; ausführliche Exegese dieser Grundnorm deutscher Schulentwicklung bei Walter Lande in: Brauchitsch, Verwaltungsgesetze für Preußen, Bd. 6, 1933, S. 63 ff. 17 Zu dieser Entwicklung und den wechselnden inhaltlichen Zielvorstellungen zusammenfassend Tb. Oppermann (Fn. 15), S. 40 ff. 18 Wer vor diesem verfassungs- und schulgeschichtlichen Hintergrund einen „staatlichen Erziehungsauftrag" zur Fiktion erklärt, verkennt die Bedeutung des historischen Arguments in der Verfassungsauslegung. So aber Erich Bärmeier in seiner politikwissenschaftlichen Dissertation „Uber die Legitimität staatlichen Handelns unter dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Die Unvereinbarkeit staatlichen Schulehaltens mit den Verfassungsprinzipien der Staatsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit", 1992; ders., Das Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit und die Unverhältnismäßigkeit staatlichen Schulehaltens, RdJB 1993, S. 80 ff. 19 So P. Haberle (Fn. 8), Erziehungsziele, S. 46. Die wichtigsten Aussagen in Art. 148 lauten: Abs. 1: „In allen Schulen ist sittliche Bildung, staatsbürgerliche Gesinnung, persönliche und berufliche Tüchtigkeit im Geiste des deutschen Volkstums und der Völkerversöhnung zu erstreben". Abs. 2: „Beim Unterricht in öffentlichen Schulen ist Bedacht zu nehmen, daß die Empfindungen Andersdenkender nicht verletzt werden". Abs. 3: „Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schule. Jeder Schüler erhält bei Beendigung der Schulpflicht einen Abdruck der Verfassung (...)" Zum Inhalt im einzelnen Walter Landé, Die staatsrechtlichen Grundlagen des deutschen Unterrichtswesens, in: Anschütz/Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932, § 107. 20 Dazu Tb. Oppermann (Fn. 15), S. 49 f., sowie zur ideologischen Ausrichtung des schulischen Erziehungsauftrags im Nationalsozialismus die Nachw. in BVerfGE 6, S. 132 ff. (155 ff.).
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neuerdings - die Bilanz der Schule im Sozialismus21 waren für den freiheitlichen Verfassungsstaat nicht Anlaß, die Schule aus staatlicher Vormundschaft zu entlassen, sondern - ganz im Gegenteil - Grund, schulische Erziehung im Sinne des freiheitlichen Verfassungsstaates zu instrumentalisieren. Die Landesverfassungen der Jahre 1946/47 legen darüber beredtes Zeugnis ab und dokumentieren mit der verfassungsrechtlichen Fixierung von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen deren besondere Bedeutung und den Willen, die neue Konzeption möglichst auf Dauer zu sichern22. Sie entsprachen damit zugleich besatzungsrechtlichen Vorgaben - vornehmlich der amerikanischen Siegermacht - , die im Rahmen ihrer „reeducation-Politik" gerade in einer Reform des deutschen Schulwesens die Voraussetzung für die Etablierung dauerhaft demokratischer Strukturen in Westdeutschland sahen23. Auch in den Landesverfassungen und Schulgesetzen der neuen Länder wird der Erziehungsauftrag der Schule - und zwar in allen Ländern nachdrücklich hervorgehoben. Keine der neuen Landesverfassungen meidet den Begriff der Erziehung als Aufgabe der Schule24 - im Gegensatz zu den neuen Landesverfassungen in Niedersachsen und SchleswigHolstein25. Vor dem Hintergrund von Tradition26 und normativem Anspruch läßt sich also festhalten, daß sich der freiheitliche Verfassungsstaat als legitimiert ansieht, seinen Schulen einen Erziehungsauftrag zu erteilen.
21 Art. 25 Abs. 1,2 der Verfassung der D D R von 1968 formulierte als oberstes Ziel des Bildungswesens die „sozialistische Gemeinschaft allseitig gebildeter und harmonisch entwickelter Menschen, die vom Geist des sozialistischen Patriotismus und Internationalismus durchdrungen sind". - Zur Entwicklung des Bildungswesens auf dem Gebiet der D D R von 1945 bis zur Wiedervereinigung vgl. die zusammenfassende Darstellung und Dokumentation von Oskar Anweiler, Hans-Joachim Fuchs u. a. (Hrsg.), Bildungspolitik in Deutschland 1945-1990, 1992. 22 Übersicht bei H.-U. Evers (Fn. 7), Erziehungsziele, S. 34 ff. 23 Einzelheiten dazu demnächst bei Armin Dittmann, Erziehung und Schule, in: Knut Wolfgang Nörr (Hrsg.), Kontinuität und Fremdbestimmung. Zum Einfluß der Besatzungsmächte auf die deutsche und japanische Rechtsordnung 1945-1950. 24 A n . 28 brand. Verf.; Art. 15 Abs. 4 meckl.-vorp. Verf.; Art. 101 Abs. 1 sächs. Verf.; Art. 27 Abs. 1 sächs.-anh. Verf.; Art. 22 Abs. 1 thüring. Verf. - Zu dieser Eindeutigkeit auch Jörg-Detlef Kühne, Neue Länder - neue Erziehungsziele ?, RdJB 1994, S. 39 ff. 25 Landesverfassung für Niedersachsen v. 19.5.1993 (GVB1. S. 107); Verfassung des Landes Schleswig-Holstein v. 30. 5.1990 (GVB1. S. 391). 26 Zur staatstheoretischen Tradition dieser Staatsaufgabe Nachw. bei J.-D. Kühne (Fn. 24), S. 40.
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Allein: Der Hinweis auf Tradition und landesverfassungsrechtlichen Anspruch genügt nicht, um auch für den grundgesetzlich geprägten freiheitlichen Verfassungsstaat ohne weiteres von der Legitimation eines schulischen Erziehungsauftrags ausgehen zu können. Die bundesstaatliche Typik des deutschen Schulrechts läßt die sedes materiae unseres Themas zwar eher auf der Länderebene vermuten und verleiht von daher den landesverfassungsrechtlichen Aussagen besonderes Gewicht27. - Jedoch auch diese Aussagen werden vom Grundgesetz überwölbt und eventuell mit der Radikalität des Art. 31 GG verdrängt. Es ist also zu fragen, ob das Grundgesetz einen Erziehungsauftrag der Schule akzeptiert und - gegebenenfalls - Erziehungsmaßstäbe und Erziehungsziele vorgibt. II. Grundgesetzliche Grenzen und Vorgaben 1. Grundgesetzliche Akzeptanz eines Erziehungsauftrags der Schule Das Grundgesetz enthält bekanntlich nur wenige Bestimmungen, die sich ausdrücklich auf das Bildungswesen beziehen. Dies gilt in gleicher Weise für Grundrechtsnormen, institutionelle Garantien und organisatorische Regelungen wie auch für die Zuweisung von Bundeszuständigkeiten im Bildungsbereich28. Für Aussagen zur schulischen Erziehung gilt dieser allgemeine Befund allemal. Soweit in den Grundrechten ausdrücklich Fragen der Erziehung angesprochen werden, steht das Erziehungsrecht der Eltern eindeutig im Vordergrund. Hier liegt, grundgesetzlich gewollt, das Fundament der Erziehung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht29. Sie haben den Gesamtplan für die Erziehung des Kindes aufzustellen und seinen Bildungsweg zu bestimmen30. Der besonders erziehungsrelevante Religionsunterricht wird zwar als ordentliches Lehrfach staatlich garantiert, inhaltlich aber von den Religionsgemeinschaften gestaltet. Der Staat zieht
2 7 Grundlegend zu Leitprinzipien und Typik des deutschen Schulrechts unter dem Grundgesetz Tb. Oppermann (Fn. 15), S. 147 ff. Zum Schulwesen als Kernbereich der Eigenstaatlichkeit der Länder BVerfGE 6, S. 309 ff. (353 ff.). 28 Vgl. zuletzt etwa Klaus Faber ! Peter Glotz, Richtlinien und Grenzen des Grundgesetzes für das Bildungswesen, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, § 28, S. 1364. 2 9 Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG - Umfassend zum Elternrecht Hans F. Zacher, Elternrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd VI, 1989, § 134. 3 0 BVerfGE 34, S. 165 ff. (183 f.); 53, S. 185 ff. (195 ff.); 59, S. 360 ff. (380).
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sich auf die Rolle des Veranstalters und Kostenträgers zurück 31 . Erst im Zusammenhang mit den Genehmigungsvoraussetzungen für private Schulen in Art. 7 Abs. 4 G G werden „Lehrziele" öffentlicher Schulen beiläufig erwähnt. Diese erkennbare Scheu des Grundgesetzes, sich ausdrücklich zu einem Erziehungsauftrag der Schule zu bekennen, kann durchaus als eine bereichsspezifische Ausprägung der allgemeinen Abneigung des Grundgesetzes gegen eine staatliche Bevormundung der Bürger gelten, wie sie sich vor allem in der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), den Kommunikationsfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 G G ) und dem Zensurverbot (Art. 5 Abs. 1 S. 3 G G ) zeigt. Eine grundgesetzliche Absage an einen Erziehungsauftrag der Schule ist darin jedoch nicht enthalten, denn die Entscheidung des Parlamentarischen Rates, sich zu diesem Thema weitgehend zu verschweigen, hat weniger inhaltliche denn entstehungsgeschichtliche und kompetenzielle Gründe. Im Zeitpunkt seiner Beratungen waren die wesentlichen bildungspolitischen Entscheidungen - einschließlich der Definition schulischer Erziehungsziele - bereits auf Ebene der Länderverfassungen gefallen. Zudem war es weithin übereinstimmende Auffassung und besatzungsrechtliche Vorgabe zumal 32 , daß das Bildungswesen als Vorbehaltsgut der Länder und tragendes Element ihrer Eigenstaatlichkeit anzusehen und zu sichern sei. Nicht einmal die schwache und seinerzeit kaum ausgenutzte Grundsatzgesetzgebungskompetenz der Weimarer Reichsverfassung für das Schulwesen wurde dem Bund zugesprochen 33 . Das Grundgesetz war von daher nicht der rechte Ort, klare gesamtstaatliche Vorgaben für Erziehungsauftrag und Erziehungsziele der Schule zu machen 34 .
31 Zu Einzelfragen des Art. 7 Abs. 3 GG zusammenfassend etwa Alexander Hollerbach, Freiheit kirchlichen Wirkens, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, § 140 Rdn. 32 ff. 32 Das an den Parlamentarischen Rat gerichtete Memorandum der Londoner SechsMächte-Konferenz vom November 1948 brachte unmißverständlich zum Ausdruck, daß die Siegermächte die Einräumung von Kompetenzen auf dem Sektor des Erziehungswesens an eine deutsche Zentralebene nicht dulden würden; Text bei Ernst Rudolf Huber, Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Bd. II (1951), S. 208 f. Näher dazu demnächst A. Dittmann (Fn. 23). 33 Art. 10 Ziff. 2 WRV. 34 Zum anderen wirkte auch im Parlamentarischen Rat der „Weimarer Schulkompromiß" nach und verhinderte von daher eine klare normative Entscheidung über das Verhältnis von Elternrecht und Staatsrecht im Schulwesen; dazu ausführlich Ingo Richter, Bildungsverfassungsrecht, 1973, S. 44 ff.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule
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Trotz dieser erklärlichen Zurückhaltung des Grundgesetzes, dem Staat „Mut zur Erziehung" zu machen, ist der freiheitliche Verfassungsstaat nach dem Willen des Grundgesetzes nicht aus dem Kreis der Erziehungsberechtigten verbannt. Bereits das grundgesetzliche Menschenbild mit seiner Vorstellung vom sozial gebundenen und verpflichteten Individuum 35 nährt die Vermutung, daß dem elterlichen Erziehungsrecht ein staatliches Erziehungsrecht an die Seite gestellt werden könnte 36 . Für die außerschulische Erziehung ist dies mit dem „Wächteramt" der staatlichen Gemeinschaft 1. S. eines subsidiären Miterziehungsrechtes ausdrücklich angesprochen 37 . Für den schulischen Bereich versteckt sich der staatliche Anspruch hinter der vorsichtigen und den Staat verbal in eine eher distanzierte Rolle verweisenden Formulierung des Art. 7 Abs. 1 G G . Es ist aber anerkannt, daß die Aufsicht des Staates über das gesamte Schulwesen neben der Rechtsaufsicht über private und kommunale Schulträger kraft traditioneller Prägung auch die inhaltliche Gestaltungsmacht des Staates im Sinne eines Erziehungs- und Bildungsauftrags umfaßt, einschließlich der Befugnis, die Unterrichtsziele inhaltlich festzulegen 38 . Es war nicht der Wille des Parlamentarischen Rates, mit Art. 7 Abs. 1 G G die entschiedene Inanspruchnahme eines schulischen Erziehungsauftrags durch die Landesverfassungen zu Makulatur werden zu lassen. Das Grundgesetz akzeptiert einen Erziehungsauftrag der Schule. 2. Erziehungsmaßstäbe
des
Grundgesetzes
Mit dieser Grundsatzentscheidung des Art. 7 Abs. 1 G G ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, ob und inwieweit dem Grundgesetz inhaltliche Vorgaben im Sinne von Erziehungsmafistäben und Erziehungszielen der Schule zu entnehmen sind.
BVerfGE 5, S. 85 ff. (204); 7, S. 198 ff. (205); 27, S. 1 ff. (6) und st. Rspr. seither. Zur zulässigen Orientierung schulischer Erziehungsziele an diesem grundgesetzlichen Menschenbild H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 107 f. 37 Art. 6 Abs. 2 S. 2 G G . Zu diesem „Wächteramt" des Staates näher Hans F. Zacher, Elternrecht, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, § 134 Rdn. 93 ff.; Olaf Miehe, Erziehung unter dem Grundgesetz, in: Reinhard Mußgnug (Hrsg.), Rechtsentwicklung unter dem Bonner Grundgesetz, 1990, S. 249 ff.; Mutmaßungen zur dezenten Wortwahl („staatliche Gemeinschaft" statt Staat) bei Theodor Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Komm. z. G G , Art. 6 Rdn. 26 b. 38 BVerfGE 34, S. 165 ff. (182); 47, S. 46 ff. (71 ff.). Krit. zur historischen Auslegung der staatlichen Schulaufsicht unter dem Grundgesetz zuletzt Frank-Rüdiger Jach, Schulvielfalt als Verfassungsgebot, 1991, S. 22 ff. und E. Bärmeier (Fn. 18). 35 36
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Das Grundgesetz enthält insoweit keine ausdrückliche Festlegung, ist andererseits aber auch nicht „offen" oder „neutral" im Sinne inhaltlicher Indifferenz.
a) Grundrechtlich
geprägte
Maßstäbe
Orientierungswerte ergeben sich vor allem aus den Grundrechten in ihrer individualrechtlichen wie objektivrechtlichen Funktion einer Wertordnung, an der sich alle staatliche Tätigkeit auszurichten hat 39 . Die besonders nachdrückliche Betonung von Elternrecht, konfessionell gebundenem Religionsunterricht und Privatschulfreiheit in Art. 6 und 7 G G verbietet die Festschreibung eines umfassenden staatlichen Monopols bei der Definition von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen der Schule. Das Grundgesetz geht von einer Pluralität der Erziehungsmächte aus 40 . Während die Einflußsphären von Staat und Religionsgesellschaften bei der Gestaltung des Religionsunterrichts durch Art. 7 G G exakt umschrieben werden, ist das Verhältnis von staatlichem und elterlichem E r ziehungsrecht im schulischen Bereich grundgesetzlich nicht eindeutig geklärt. In der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet dies, daß die gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule ein sinnvoll aufeinander bezogenes Zusammenwirken der beiden Erziehungsträger verlangt 41 . Damit ist allerdings aus naheliegenden Gründen praktischer Unterrichtsgestaltung nicht die individuelle oder kollektive Elternmitbestimmung in der Schule gefordert 42 , sondern die Verpflichtung des Staates, bei der Definition seiner Erziehungsziele die Vielfalt der Anschauungen in Erziehungsfragen im Sinne größtmöglicher Toleranz zu
39 Zu diesem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte und den umfassenden Konsequenzen für die gesamte Rechtsordnung zusammenfassend etwa Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/l, 1988 ff.; ders., Idee und Elemente eines Systems der Grundrechte, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 1992, § 109 Rdn. 50 ff. 40 „Vorbildlich" insoweit die Formulierung in Art. 12 Abs. 2 b.-w. Verf.: „Verantwortliche Träger der Erziehung sind in ihren Bereichen die Eltern, der Staat, die Religionsgemeinschaften, die Gemeinden und die in ihren Bünden gegliederte Jugend." 41 BVerfGE 34, S. 165 ff. (182 f.); 47, S. 46 ff. (74). - Z u den weiteren, insbes. schulorganisatorischen Konsequenzen dieser gemeinsamen Verantwortung vgl. näher etwa
Th. Oppermann (Fn. 6), S. 98 ff.; Faber/Glotz (Fn. 28), S. 1376 ff. 42
(76).
Zu diesen unterrichtspraktischen Aspekten ausdrücklich BVerfGE 47, S. 46 ff.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule
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berücksichtigen, soweit es sich mit einem geordneten staatlichen Schulsystem verträgt43. Inhaltliche Grundsatznorm für die Definition schulischer Erziehungsziele ist das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), das - seit Ekkehard Stein - die Selbstentfaltung des Kindes einschließt44. Als verfassungsrechtlich vorgegebene Orientierungslinie kann hierbei das grundgesetzliche Menschenbild von der eigenverantwortlichen Persönlichkeit dienen, die sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfaltet45. Hieraus fließt die Pflicht des Staates, seine Bildungs- und Erziehungsbemühungen so zu gestalten, daß Schüler die Möglichkeit erhalten, zur kritischen und selbstbestimmten Person heranzureifen46. Art. 2 Abs. 1 GG schlägt die verfassungsrechtliche Brücke zur pädagogischen Grundvorstellung eines Pestalozzi und Humboldt, die Bildung als einen Teil der Menschwerdung des einzelnen Menschen begreift47. Uber Art. 3 Abs. 1 GG wird der Gedanke der freien Entfaltung der Persönlichkeit mit der Forderung nach individueller Chancengleichheit verbunden. Schulische Erziehung darf nicht nur darauf bedacht sein, Benachteiligungen beim Bildungserwerb abzubauen, sondern hat auch Sonderbegabungen Raum zur Entfaltung zu geben48. Umgekehrt zieht Art. 3 Abs. 2 GG geschlechtsspezifisch differenzierenden Erziehungszielen enge Grenzen. Insgesamt legen diese erziehungsrelevanten „Fundamentalnormen" des Grundgesetzes dem schulischen Erziehungsauftrag eine das Elternrecht ergänzende und dienende Funktion bei, hat sich Schule in den Dienst der Eltern und - mit zunehmender Mündigkeit - auch des Schülers selbst zu stellen, um sein individuelles „Recht auf Selbstentfaltung" zu unterstützen49.
BVerfGE 34, S. 165 ff. (183); 47, S. 46 ff. (75). Ekkehart Stein, Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung in der Schule, 1967. 45 Vgl. Fn. 35. 46 Thomas Oppermann, Schule und berufliche Ausbildung, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, § 135 Rdn. 35. 47 Vgl. dazu etwa Herwig Blankem, Die Geschichte der Pädagogik. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart, 1982, S. 101 ff. 48 Näher Tb. Oppermann (Fn. 46), Rdn. 38 ff. 49 Zu dieser „unterstützenden" und „fördernden" Aufgabe des schulischen Erziehungsauftrages ausdrücklich BVerfGE 34, S. 165 ff. (182). Zu einem im Text des Grundgesetzes nicht, in einigen Landesverfassungen hingegen ausdrücklich erwähnten „Recht auf Bildung" zusammenfassend etwa Klaus-Dieter Heymann / Ekkehart Stein, Das Recht auf Bildung, AÖR 97 (1972), S. 185 ff. 43
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b) Weitere grundgesetzliche
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Maßstäbe
Der freiheitliche Verfassungsstaat ist in seinem schulischen Erziehungsauftrag durch das Grundgesetz aber nicht einseitig auf diese dienende Funktion festgelegt. Uber das grundgesetzliche Menschenbild von der „in der Gemeinschaft stehenden und ihr vielfältig verpflichteten Persönlichkeit" eröffnen sich Möglichkeiten, Erziehungsauftrag und Erziehungsziele im Rahmen der grundgesetzlichen Wertordnung auch „überindividuell" zu definieren. Die „Einheit der Verfassung"50 gebietet, neben den grundrechtlichen auch andere Wertentscheidungen des Grundgesetzes einzubeziehen, das Visier also weit zu öffnen und nicht von vornherein ideologisch zu verengen51. Eine Erziehung zur Demokratie, zu umweltbewußter Lebensweise, aber auch die Orientierung schulischer Erziehungsziele am Beschäftigungssystem und an den Anforderungen der Industriegesellschaft sind grundgesetzlich nicht untersagt, denn die ökonomische Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens ist materielle Basis des grundgesetzlichen Steuer- und Sozialstaates52. Mit einer Erziehung zur Leistungsfähigkeit53 und zu sozialem Verhalten54 stellt sich die Schule also nicht außerhalb des grundgesetzlichen Rahmens, sondern unterstützt - im Gegenteil - die Persönlichkeitsentfaltung des Schülers und erweitert dessen individuellen Entfaltungsraum i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG. Pestalozzi und Fichte - „Menschenbildung" i. S. individueller Entfaltung der Persönlichkeit und „Nationalerziehung" i. S. gemeinschaftsorientierter Erziehung - beide haben ihren Platz in der Schule des freiheitlichen Verfassungsstaats55. Es war daher eine sehr verkürzte Interpretation der grundgesetzlichen Rahmenbedingungen staatlichen Schulehaltens, wenn es im „Strukturplan für das Bildungswesen" aus dem Jahre 1970 hieß56:
50 Zu diesem „vornehmsten Interpretationsprinzip" BVerfGE 1, S. 14 ff. (32) und st. Rspr. seither; zusammenfassend etwa Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 131 ff. 51 So anschaulich H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 106. 52 Ähnlich in diesem Sinne Th. Oppermann (Fn. 46), Rdn. 9 f. 53 Zur legitimen Orientierung der Schule am Leistungsgedanken H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 128; Tb. Oppermann (Fn. 46), Rdn. 41 ff. 54 Dazu positiv BVerwG, N J W 1982, S. 250 f. 55 Zu den Grundideen von Pestalozzi und Fichte sowie deren Rezeption in Preußen zusammenfassend E. R. H über (Fn. 15), S. 269 ff. 56 Deutscher Bildungsrat, Empfehlungen der Bildungskommission, Strukturplan für das Bildungswesen, 4. Aufl. 1972, S. 25. - Krit. dazu bereits F. Hennecke (Fn. 10), S. 36.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule
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„Dem Bildungswesen fällt insbesondere die Aufgabe zu, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß der einzelne das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Recht auf freie Wahl des Berufs wahrnehmen kann." Angesichts des vehementen Plädoyers von Herrn Häberle, im Wege einer „pädagogischen Interpretation" die erzieherische Dimension der Verfassungsprinzipien freizulegen und die darin bisher verborgenen Erziehungsziele verfassungsrechtlich aufzuwerten57, ist - bei aller Zustimmung im Grundsätzlichen - folgende Klarstellung angebracht58. Die Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes enthalten auch aus meiner Sicht legitime Maßstäbe für die Definition schulischer Erziehungsziele. Ihr Orientierungswert beschränkt sich aber darauf, daß sie lediglich mögliche schulische Erziehungsziele ausweisen und im übrigen Prinzipien umschreiben, gegen die schulische Erziehung keineswegs gerichtet sein darf. Nur in diesem Sinne eines verfassungsrechtlichen Angebotes und einer äußersten Grenzziehung sind die grundgesetzlichen Verfassungsprinzipien für den Erziehungsauftrag der Schule fruchtbar zu machen. Eine Interpretation, die den grundgesetzlichen Verfassungsprinzipien inhaltlich verbindliche Vorgaben im Sinne obligatorischer Erziehungsziele entnähme, liefe Gefahr, die bundesstaatlich gewollte Vielfalt im Bildungswesen „von oben her" zu vereinheitlichen und stünde zudem in krassem Gegensatz zur ausdrücklichen Zurückhaltung des Grundgesetzes in Fragen der inhaltlichen Festlegung des schulischen Erziehungsauftrags. Es ist Aufgabe der Länder, aus ihren jeweiligen Verfassungsprinzipien und unter Beachtung des bundesstaatlichen Homogenitätsgebotes (Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) Konsequenzen zu ziehen, etwa im Sinne einer Erziehung im Geiste der Demokratie oder sozialstaatlicher Solidarität. Zusammenfassend gilt: Das Grundgesetz enthält in seinem Grundrechtsteil und in anderen verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen Maßstäbe für die inhaltliche Orientierung des schulischen Erziehungsauftrags. Diese Maßstäbe verdichten sich jedoch nicht zu einem definitiven und normativ verbindlichen Kanon einzelner Erziehungsziele59 oder zu einer bestimmten Rangfolge der verschiedenen Erziehungsträger im
57 P. Häberle (Fn. 8), in: F S H u b e r , S. 211 ff. Z u m Begriff der „pädagogischen Verfassungsinterpretation" insbes. S. 228. 5 8 Distanziert auch G. Roellecke (Fn. 13), S. 189 f. 5 9 S o auch Th. Ramm (Fn. 9), S. 253.
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schulischen Bereich 60 . Das Grundgesetz steckt lediglich einen Orientierungsrahmen ab und überläßt es den Ländern, diesen Rahmen durch die Definition einzelner Erziehungsziele nach eigenen Vorstellungen auszufüllen 61 . Diese Zurückhaltung des Grundgesetzes, den Ländern verbindliche Erziehungsziele vorzugeben, stärkt deren Eigenständigkeit und eröffnet Chancen pluraler und kompetitiver Vielfalt im bundesstaatlich gegliederten Bildungswesens. Sie ist daher zu Recht nie ernsthaft in Frage gestellt worden. Weder für die Enquête-Kommission Verfassungsreform des Bundestages der 7. Legislaturperiode62 noch für die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat 63 stand eine „Anreicherung" des Grundgesetzes insoweit auf der Tagesordnung. Selbst der berühmt-berüchtigte „Mängel"-Bericht der Bundesregierung über die struktuellen Probleme des föderativen Bildungssystems aus dem Jahre 1978 64 sah allenfalls in Randfragen einen moderaten Korrekturbedarf. III. Erziehungsauftrag und Erziehungsziele in den Ländern Die Länder haben diesen grundgesetzlich belassenen Freiraum in Sachen Erziehungsauftrag der Schule kraftvoll genutzt und seine nähere Ausgestaltung - mit Ausnahme der Länder Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein - sogar als Verfassungsfrage angesehen. 1. Landesverfassungsrechtliche
Vorgaben
Eine Bestandsaufnahme65 der normativ fixierten Erziehungsaufträge und Erziehungsziele ergibt ein überaus buntes Bild von Festlegungen, die sich in Dichte und Offenheit, Phantasie und Prägnanz der inhaltlichen
60 Zur grundsätzlichen Gleichrangigkeit von Elternrecht und Erziehungsauftrag des Staates BVerfGE 47, S. 46 ff. (72) - „Sexualkunde" - . 61 Vgl. auch BVerfGE 53, S. 185 ff. (196), mit der Anmerkung, daß sich deshalb auch das Bundesverfassungsgericht bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung schulrechtlicher Regelungen der Bundesländer große Zurückhaltung auferlegen müsse. 62 Schlußbericht der Kommission in BT-Drucks. 7/5924. 63 Bericht in BT-Drucks. 12/6000. 64 BT-Drucks. 8/1551. 65 Eine Synopse der verfassungsrechtlichen Erziehungsziele der alten Bundesländer bei H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 131 f.; P. Haberle (Fn. 8), in: FS Huber, S. 213 ff. Speziell zu den neuen Ländern J.-D. Kühne (Fn. 24), S. 41 ff.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule
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Aussage deutlich voneinander unterscheiden und die in einem mehrfachen „sowohl-als-auch" die Problematik einer praktischen Konkordanz derart pluraler Zielvorstellungen deutlich vor Augen führen, wie etwa Art. 33 rh.-pf. Verf. beispielhaft zeigt: „Die Schule hat die Jugend zur Gottesfurcht und Nächstenliebe, Achtung und Duldsamkeit, Rechtlichkeit und Wahrhaftigkeit, zur Liebe zu Volk und Heimat, zum Verantwortungsbewußtsein für Natur und Umwelt, zu sittlicher Haltung und beruflicher Tüchtigkeit und in freier, demokratischer Gesinnung im Geiste der Völkerversöhnung zu erziehen." Als Reaktion auf die Mißachtung des Menschen im Nationalsozialismus und Sozialismus sowie in teilweise ausdrücklicher Aufnahme der grundgesetzlichen Wertordnung 66 mühen sich die Verfassungen und Schulgesetze bei der Formulierung ihrer Erziehungsziele, die Grundwerte menschlicher Existenz, Gemeinschaftsbezogenheit, Völkerversöhnung und zunehmend auch die Verantwortung für die Umwelt und künftige Generationen zu aktualisieren 67 . Oberstes Erziehungsziel ist - bei weltanschaulich unterschiedlich grundierter Formulierung 68 - die Entwicklung des Schülers zu einer sittlichen Persönlichkeit, die durch einen Katalog von Tugenden und Bürgertugenden bestimmt und in das Gemeinschaftsleben von Staat und Gesellschaft eingebunden ist 69 . Andere Normen sprechen eher das pädagogische Ethos und das Schulklima an, wie etwa die leicht mystifizierende Formulierung in Art. 17 bad.-württ. Verf.: „In allen Schulen waltet der Geist der Duldsamkeit und der sozialen Ethik." Gewiß: Die teilweise unzulängliche Systematik, das Nebeneinander von Belangvollem und (scheinbar) Zweitrangigem sowie die oftmals entwaffnende Generalität der Formulierungen provoziert den Vorwurf der Leerformel 70 . Dieser Befund ändert aber nichts an der verfassungsrechtlichen Verbindlichkeit dieser normativen Vorgaben. Interpretatorische
66 Ζ. Β. § 1 bad.-württ. SchulG; § 2 Abs. 2 hess. SchulG; Präambel des ersten Schulreformgesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern; § 2 Abs. 1 nds. SchulG; § 1 Abs. 1 sächs.-anh. Schulgesetz; § 1 Abs. 2 sächs. SchulG; § 2 Vorl. BildungsG Thüringen. 67 Für die alten Bundesländer H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 113. 68 Vgl. etwa die stark christlich geprägte Formulierung in Art. 131 bay. Verf. einerseits, die säkularisiert-nüchterne Formulierung in Art. 28 brand. Verf. andererseits. 69 So H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 114. 70 Zu derartigen Vorwürfen bereits H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 107; w. Nachw. bei J.-D. Kühne (Fn. 24), S. 45 f. Äußerst skeptisch zu Auslegung und Justitiabilität von Erziehungszielen G. Roellecke (Fn. 13), S. 191 ff.
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Schwierigkeiten beruhen auf der vergleichsweise hohen philosopischpädagogischen Aufladung der Begriffe, dürften aber - wie in anderen Fällen interdisziplinär geprägter Verfassungsbegriffe - hermeneutisch zu bewältigen sein 71 . Überdies sollten scheinbar altväterlich klingende Erziehungsziele, wie ζ. B. die immer wieder gern zitierte „Liebe zur bayerischen Heimat" 7 2 gerade in einem dezidiert föderalistisch geprägten Staat nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern als Ausdruck landsmannschaftlicher Vielfalt und Eigenart akzeptiert werden. Neben einem breiten, auf gemeinsamer kultureller Tradition und Geschichte beruhenden Fundament „gemeindeutscher" Erziehungsziele, wie etwa dem Ziel, zu eigenverantwortlicher und schöpferischer Tätigkeit zu befähigen oder die Bereitschaft zu sozialem Handeln und zu politischer Verantwortung zu wecken 73 , setzen einige Landesverfassungen auch eigene Akzente, wie etwa Bremen mit der Erziehung zur Zivilcourage 74 . Zumal die neuen Bundesländer haben es nicht bei einer Kopie westdeutscher Vorbilder belassen, sondern aus der Erfahrung einer sozialistischen Vergangenheit 75 neben überkommenen auch neue Erziehungsziele formuliert und zeitnah fortgeschrieben 76 , vor allem die Verantwortung für Natur und Umwelt in den Kanon aufgenommen 77 . Eigenes Profil zeigen die neuen Länder schließlich auch insoweit, als keines
71 So J.-D. Kühne (Fn. 24), S. 45 f. unter Hinw. auf die Schwierigkeiten bei der grundgesetzlichen Menschenwürdeauslegung. Vgl. auch das Beispiel des „Thüringer Schulgebets" bei H.-U. Evers (Fn. 7), Essener Gespräche, S. 108 f. 72 Art. 131 Abs. 3 bay. Verf. 73 Zum länderiibergreifend gemeinsamen Nenner von Erziehungszielen vgl. die Erklärung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder vom 25.5.1973 „Zur Stellung des Schülers in der Schule", in: Handbuch für die Kultusministerkonferenz, 1977, S. 106 ff. 74 Art. 26 Ziff. 3: „Erziehung zum eigenen Denken, zur Achtung vor der Wahrheit, zum Mut, sie zu bekennen und als richtig und notwendig Erkanntes zu tun." 75 J.-D. Kühne (Fn. 24), S. 41. 76 Zu den Erziehungszielen in den neuen Ländern vgl. etwa Frank-Rüdiger Jach, Die Entstehung des Bildungsverfassungsrechts in den neuen Bundesländern, RdJB 1992, S. 268 ff. (272 ff.); Hans-Peter Bull, Die Verfassungen der neuen Länder zwischen östlicher Selbstbestimmung und westlichen Vorgaben, in: FS W. Thieme, 1993, S. 305 ff. (322); Peter Haberle, Die Verfassungsbewegung in den fünf neuen Bundesländern Deutschlands 1991 bis 1992, J Ö R 42 (1994), S. 149 ff. (169 tí.); J.-D. Kühne (Fn. 24). 77 Vgl. etwa - mit unterschiedlichen Formulierungen - Art. 28 brand. Verf.; Art. 15 meckl.-vorp. Verf.; Art. 101 sächs. Verf.; Art. 22 thür. Verf. Schon zuvor Art. 131 Abs. 2 bay Verf.; Art. 33 rh.-pf. Verf.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule
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von ihnen ausdrücklich christliche Erziehungsziele formuliert 78 . Allerdings sind Erziehungsziele wie „Ehrfurcht vor allem Lebendigen" und „Nächstenliebe" unverkennbar sprachlich und inhaltlich von einem übergreifend-abendländisch geprägten Verständnis der Welt und eines sinnerfüllten Lebens getragen 79 . Ungeachtet solcher besonderen Akzentuierungen lassen sich die Erziehungsziele auch der neuen Länder dem gemeindeutschen Kanon zuordnen. Vor allem aber fügen sich die landesrechtlich definierten Erziehungsziele in ihrer Bandbreite zwischen individualbezogener und gemeinschaftsbezogener Orientierung in den grundgesetzlich abgesteckten Rahmen ein. Föderative Vielfalt und gesamtstaatliche Einheit bleiben gleichermaßen gewahrt. 2. Aufgaben des Gesetzgebers Der weitgehende Zugriff der Landesverfassungen auf Erziehungsauftrag und Erziehungsziele der Schule hat - neben der sich darin manifestierenden staatspolitischen Bedeutung des Themas - Konsequenzen für die Rolle des Gesetzgebers in diesem Bereich. Ohne diesen verfassungsrechtlichen Zugriff wäre es im freiheitlichen Verfassungsstaat - nach Maßgabe der sog. Wesentlichkeitstheorie 80 Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die unstreitig grundrechtsrelevanten Festlegungen von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen der Schule vorzunehmen, zumal in Abgrenzung zum Erziehungsrecht der Eltern 81 . In den Ländern Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist das insoweit bestehende verfassungsrechtliche Vakuum entsprechend durch den einfachen Schulgesetzgeber gefüllt worden 82 . Die in der
78 Für die alten Bundesländer vgl. demgegenüber etwa Art. 12bad.-württ. Verf. („in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe"); ähnlich Art. 131 bay. Verf.; Art. 7 nordrh.-westf. Verf.; A n . 33 rh.-pf. Verf.; Art. 30 saarl. Verf.; § 2 nds. SchulG. - Zu dieser Zurückhaltung J.-D. Kühne (Fn. 24), S. 42. 79 Vgl. etwa Art. 101 sächs. Verf. und näher dazu Wilhelm Holfelder / Wolfgang Bosse, Sächsisches Schulgesetz, 3. Aufl. 1993, § 1 Erl. 8. 80 Zur Wesentlichkeitstheorie zusammenfassend etwa Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 1988, § 62 Rdn. 41 ff.; speziell zur Bedeutung im Schulbereich Th. Oppermann (Fn. 6), S. 48 ff.; ders. (Fn. 46), Rdn. 15 ff.; H.-U. Evers (Fn. 7), Erziehungsziele, S. 136 ff. 81 Vgl. BVerfGE 47, S. 46 ff. (80). 82 Vgl. § 1 beri. SchulG; § 2 hamb. SchulG; § 2 nds. SchulG; § 4 schlesw.-holst. SchulG.
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Mehrzahl der Länder übliche verfassungsrechtliche Regelung, manchmal bis ins Detail 83 , entlastet und sperrt den einfachen Gesetzgeber zugleich. Ihm bleibt formal allein die Möglichkeit, die verfassungsrechtlichen Vorgaben deklaratorisch aufzugreifen, zu konkretisieren und aktualisierend fortzuschreiben. Das verfassungsrechtliche Korsett dürfte jedoch i. d. R. nicht allzusehr drücken. Angesichts der häufig generalklauselartigen Weite der verfassungsrechtlichen Erziehungsziele eröffnen sich dem Gesetzgeber in der Sache erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere bei Gewichtung und Akzentuierung einzelner Erziehungsziele. Der Unterschied zwischen Ländern mit und ohne verfassungsrechtlich normierten Erziehungszielen wird auf der Ebene des Gesetzgebers weithin verwischt. Die Möglichkeiten des Gesetzgebers, verfassungsrechtliche Erziehungsziele durch spezifische Teilziele und thematische Vorgaben für den schulischen Alltag zu konkretisieren und inhaltlich einzuengen, werden allerdings maßgeblich davon beeinflußt, ob das Erziehungsziel stärker auf die individuelle Entfaltung des Schülers ausgerichtet oder eher gemeinschaftsbezogen ist. Bei Berücksichtigung des Elternrechts und des Grundrechts des Schülers auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit sind die Grenzen einer inhaltlichen Programmierung des schulischen Unterrichts enger, je mehr es um die Umsetzung von Erziehungszielen vorrangig individualen Zuschnitts geht und um so weiter, je mehr das Erziehungsziel gemeinschaftsbezogen ist 84 . Die sich daraus für den Gesetzgeber ableitenden Bindungen und Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit sind im einzelnen nur schwer zu bestimmen. Im staatsbürgerkundlichen Unterricht dürfte ein weiter, im Deutsch- oder Ethikunterricht hingegen ein enger Gestaltungsspielraum bestehen. Allein für den Religionsunterricht hat Art. 7 G G derartige Schranken eindeutig abgesteckt und ein inhaltliches Bestimmungsrecht des Staates ausgeschlossen. Ein Blick auf die Praxis der Landesschulgesetze zeigt einen recht unterschiedlichen Umgang mit der verbleibenden Gestaltungsfreiheit. Während etwa das bremische Schulgesetz sich mit einer generellen Ver-
Vgl. etwa Art. 56 Abs. 5 hess. Verf. zum Inhalt des Geschichtsunterrichts. Ähnlich diff. Th. Ramm (Fn. 9), S. 256. - Vgl. auch BVerfGE 47, S. 46 ff. (72): „Sexualverhalten ist ein Teil des Allgemeinverhaltens. Deshalb kann dem Staat nicht verwehrt sein, Sexualerziehung als wichtigen Bestandteil der Gesamterziehung des jungen Menschen zu betrachten. Dazu gehört es auch, die Kinder vor sexuellen Gefahren zu warnen und zu bewahren." 83
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Weisung auf die Bildungs- und Erziehungsaufgaben der Landesverfassung begnügt85, nehmen andere die verfassungsrechtlichen Vorgaben auf und erläutern die damit verbundenen Aufgaben der Schule anhand besonders hervorgehobener Teilziele 86 bis hin zur ausdrücklichen Aufnahme neuzeitlicher Bedürfnisse. So wird ζ. B. den sächsisch-anhaltinischen Schulen die Aufgabe zugewiesen, die Schüler zu individueller Wahrnehmungs-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit in einer von neuen Medien und Kommunikationstechniken geprägten Informationsgesellschaft zu befähigen87. Dennoch: Insgesamt gesehen belassen es auch die Schulgesetze bei recht allgemeinen Zielvorgaben und Aufgabenstellungen für den schulischen Unterricht. Es bleibt mithin der Exekutive vorbehalten, die Erziehungsziele curricular durch Inhalts- und Methodenanweisungen sowie die Zulassung geeigneter Schulbücher für den Schulalltag, letztlich also für die Hand des Lehrers, konkret umzusetzen 88 . 3. Erziehungsauftrag und Erziehungsziele „vor Ort" Aspekte des „ Vollzugs" In den Niederungen des schulischen Alltags entscheidet sich, ob die hehren Vorgaben des Verfassungsrechts und der Schulgesetze die eigentlichen Adressaten erreichen und angenommen werden, entscheidet sich also die Frage von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit des schulischen Erziehungsauftrags. Ihr soll an dieser Stelle - zumindest kurz - nachgegangen werden. Der Idealfall einer Kongruenz von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit ist bei der Umsetzung von Erziehungszielen in aller Regel kaum zu erwarten, denn gerade diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sind in einem strengen juristischen Sinne nicht vollzugsfähig. Die praktische Umsetzung des Erziehungsauftrags und die Verwirklichung der Erziehungsziele vor Ort ist zuvörderst eine pädagogisch/
§ 2 Abs. 1 brem. SchulG. Vgl. etwa Art. 1 , 2 bay. EUG. 87 § 1 Abs. 2 Nr. 4 sächs.-anh. SchulG. 88 Der Bildungsgesamtplan 1973 (BT-Dr. S. 7/1974, S. 43) definiert das Curriculum als ein System für den Vollzug von Bildungsvorgängen im Unterricht in bezug auf definierte und operationalisierte Lernziele. Es umfaßt Lernziele, Inhalte des Unterrichts, Methoden, Situationen, Strategien und die Evaluation. - Zu Einzelheiten vgl. Hans Heckel / Hermann Avenarías, Schulrechtskunde, 6. Aufl. 1986, S. 42 ff. 85
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didaktische Aufgabe, die - trotz aller partizipatorischen Beimischungen zugunsten von Eltern und Schülern 89 - den Lehrkräften aufgegeben ist. Die Realisierung von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen erfolgt in einem Bereich, der zwar der Verwaltung zuzurechnen und rechtlich strukturiert ist, dessen rechtliche Steuerung aber nicht ohne weiteres in den herkömmlichen Bahnen hierarchischer Ordnung und Weisung erfolgen kann. Der immer wieder ganz allgemein für das Verhältnis von Kultur und Recht herausgestellte Gegensatz von eigengesetzlicher Autonomie und staatlich-normativer Reglementierung des Kulturellen gilt gerade auch für den Schulbereich 90 . Mit der Anerkennung von Ein- und Mitwirkungsrechten der Erziehungsberechtigten sowie der bereits als grundrechtsmündig angesehenen Schüler trägt das Schulrecht dieser Besonderheit Rechnung, wandelt sich die Schule von der obrigkeitlichen Lehranstalt zur Unterrichtsgemeinschaft, wird der Befehl durch den Dialog ersetzt 91 . In der zum Teil normativ anerkannten „pädagogischen Freiheit" 92 wird das personale Element der schulischen Erziehung ausdrücklich betont. Materiell ist es dem Lehrer anvertraut, Unterricht und Erziehung aus seiner Persönlichkeit heraus und mit seinem Beispiel 93 zu gestalten. Diese Gestaltungskraft kann ihm nicht von außen vorgegeben werden, insbesondere nicht durch staatliche Rechtssätze 94 . Erziehung und Unterricht sind im wahrsten Sinne des Wortes ein „Humanuni". Vollzugsdefizite können nicht ausbleiben. Der freiheitliche Verfassungsstaat wird an dieser Stelle seiner Zielvorstellungen stets unvollendet bleiben. Diese Einsicht mag Trost spenden in Zeiten für fehlsam gehaltener
89 Zusammenfassend zum Stand der institutionellen Beteiligung von Eltern und Schülern an den Entscheidungen der Schule Heckel/Avenarius (Fn. 88), S. 69 ff. 90 Dazu Th. Oppermann (Fn. 15), S. 6 ff. und speziell zu dieser Antinomie im Schulbereich Gerd Roellecke, Zum Verhältnis von Recht und Erziehung, in: FS Willi Geiger 1989, S. 342 ff. 91 So bereits Th. Oppermann (Fn. 15), S. 157. 92 Vgl. § 59 Abs. 2 hess. SchUG; zu terminologisch anderen gesetzlichen Regelungen zusammenfassend Heckel/Avenarius (Fn. 88), S. 234 ff. 93 Zur Bedeutung des Vorbildes in der Pädagogik vgl. etwa Friedrich Rast, Vorbild, in: Dieter Lenzen (Hrsg.), Pädagogische Grundbegriffe, Bd. 2, 1989, S. 1585 ff. Zur Bedeutung des gelebten Vorbildes in der schulischen Erziehung auch Bernhard Sutor, Gewissensbildung und Werterziehung als öffentlicher Bildungsauftrag, in: Politische Bildung in der Demokratie, 1990, S. 21 ff. (42). 94 Zur Problematik einer Steuerung des Erziehungsprozesses durch Normen bereits H.-U. Evers (Fn. 7), Erziehungsziele, S. 120 ff.; vgl. auch Theodor Maunz, Gestaltungsfreiheit des Lehrers und Schulaufsicht des Staates, in: FS Günter Dürig, 1990, S. 269 ff. (272).
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schulrechtlicher Rahmenbedingungen 95 , gilt aber auch zu anderen Zeiten96. Es ist daher keine Kapitulation vor den „Sachgesetzlichkeiten" des Schulehaltens bzw. gar ein Plädoyer für die Anerkennung einer rechtsfreien „pädagogischen Provinz" 97 , wenn ich den gegensteuernden Hinweisen auf die Verfassungstreuepflicht der beamteten Lehrer 98 , ihre ausdrückliche Verpflichtung auf die verfassungsrechtlich festgelegten Erziehungsziele99 und das disziplinarrechtliche Damoklesschwert nur wenige Erfolgschancen einräume, auf diesem Wege den verfassungsrechtlich vorgegebenen Erziehungszielen zum praktisch-pädagogischen Durchbruch zu verhelfen. Die Schule ist eben auch in dem Sinne „Schule der Nation", daß sich in ihr letztlich nur die Wertvorstellungen vermitteln lassen, die auch außerschulisch von einem gesellschaftlichen Konsens sowie der Lehrerschaft getragen werden. Diese Einsicht relativiert nicht die Legitimation des Verfassungsstaates, seine verfassungsrechtlich vorgegebenen Erziehungsziele gegebenenfalls auch gegen einen andersartigen gesellschaftlichen Trend zu behaupten und zu verfolgen. Sie stellt aber in Rechnung, daß gerade der freiheitliche Verfassungsstaat kein umfassendes Bestimmungsrecht über „seine" Schüler haben kann, sondern daß auf diese Schüler legitimerweise - und unter dem Schutz der Verfassung - andere, „außerstaatliche Mächte" erzieherisch einwirken, die nicht an die verfassungsrechtlichen Erziehungsziele gebunden sind100. So weisen zwar die im Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland normier-
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Thomas Oppermann, Humane, verrechtlichte, gerechte Schule?, in: Erich E. Geißler (Hrsg.), Bildung und Erziehung. Notwendige Korrekturen im Schulverständnis?, 1982, S. 134 ff. 96 Vgl. die Feststellung von Josef Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, 1990, Bd. IV, § 98 Rdn. 80, daß die Länder nach 1968 ihre eigenen landesverfassungsrechtlichen Erziehungsziele durchweg ignoriert haben. 97 Zur Vorstellung einer „pädagogischen Provinz" vgl. etwa I. Richter (Fn. 34), S. 241 f. 98 Vgl. neben der allgemeinen verfassungsrechtlichen Treuepflicht der Beamten die speziell unterrichtsbezogene Regelung in Art. 56 Abs. 5 S. 3 hess. Verf.: „Nicht zu dulden sind Auffassungen, welche die Grundlagen des demokratischen Staates gefährden." Nach BVerwGE 61, S. 176 ff. (179) muß ein Bewerber um eine Lehrerstelle „als Lehrer im Unterricht auch die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermitteln". 99 Vgl. etwa § 38 bad.-württ. SchulG; Art. 38 bay. EUG. 100 Zu diesen „Schwachstellen" bei der Realisierung verfassungsrechtlicher Erziehungsziele vgl. vor allem G. Roellecke (Fn. 13), S. 187 ff.
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ten Programmgrundsätze eine erstaunliche Parallelität zu schulischen Erziehungszielen auf101, garantieren damit aber noch keineswegs ein kongeniales Zusammenspiel mit den Bemühungen schulischer Erziehung. Daß sich in Schulkassen mit hohem, teilweise mehrheitlichem und zudem oftmals heterogenen Ausländeranteil102 zusätzliche pädagogischpraktische Vermittlungsprobleme stellen, sei zumindest als Fußnote angemerkt. Trotz aller „Internationalisierung" durch Erziehungsziele, wie ζ. B. „Völkerversöhnung", „Brüderlichkeit aller Menschen" oder „Solidarität im Zusammenleben der Kulturen und Völker" 103 , werden viele Lehr- und Lerninhalte im Kern legitimerweise von nationaler Kultur und Geschichte bestimmt und sind von daher einem beträchtlichen Teil der Schüler um so schwerer zu vermitteln104. Man sollte also erkennen, daß hier - auf der pädagogisch-praktischen Ebene des Schulalltags - aus vielerlei Gründen die Achillesferse des freiheitlichen Verfassungsstaats liegt, Erziehungsauftrag und Erziehungsziele seiner Schule in Verfassungswirklichkeit umzusetzen. IV. Die europäische Dimension des Themas Unser Thema hat schließlich auch eine europäische Dimension, denn der freiheitliche Verfassungsstaat des Grundgesetzes ist auf die Europäische Integration hin angelegt und in sie eingebunden. Es ist deshalb nicht von vornherein auszuschließen, daß über die Brücke der grundgesetzlichen Integrationsentscheidung auch Erzie-
101 § 23 Abs. 1 RfStV: „Für die Rundfunkprogramme gilt die verfassungsmäßige Ordnung. Die Rundfunkprogramme haben die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Uberzeugungen anderer zu achten. Sie sollen die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland und die internationale Verständigung fördern." 102 Der Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Ausländer über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland vom März 1994 weist folgende Zahlen aus: 1991 besuchten 6 991 500 Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende Schule. Davon waren 801 800 Ausländerinnen und Ausländer. Ihr Anteil betrug demnach 11,5 %. Diese verteilten sich zu 26,8 % (214 500) auf Hauptschulen, zu 10,0 % auf Gymnasien (80 400) und zu 5,8 % (46 400) auf Sonderschulen. Von den 6 189 700 deutschen Schülerinnen und Schülern besuchten 13,5 % (840 600) eine Hauptschule, 3,4 % (212 100) eine Sonderschule und 24,1 % ein Gymnasium. Ein Vergleich dieser Gruppen zeigt, daß Schülerinnen und Schüler mit ausländischem Paß überwiegend an Hauptschulen anzutreffen sind. Wie bei deutschen ist auch bei diesen allerdings ein Trend zur gymnasialen Ausbildung festzustellen. 103 So jetzt z. B. Art. 28 brand. Verf. und ähnlich Art. 22 thüring. Verf. 104 Ähnlich Tb. Ramm (Fn. 9), S. 262 f.
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hungsauftrag und Erziehungsziele des Europa zugewandten freiheitlichen Verfassungsstaates beeinflußt werden. Ich denke dabei nicht in erster Linie an die Vorgabe bestimmter Erziehungsziele durch das Europarecht. Zwar gehören seit Schaffung der Europäischen Union allgemeine und berufliche Bildung zu den enumerativ benannten Tätigkeitsbereichen der Gemeinschaft 105 , verbindliche Erziehungsaufträge oder Vorgaben für Erziehungsziele der Mitgliedstaaten sind damit jedoch nicht verbunden. Im Gegenteil: Die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte wird ausdrücklich betont und die Zuständigkeit der Gemeinschaft auf lediglich unterstützende und ergänzende Maßnahmen begrenzt. Europarechtlich definierte Erziehungsaufträge und Erziehungsziele wären damit nicht vereinbar. Eher schon bieten etwa die allgemeine Loyalitätspflicht des Art. 5 E G V und insbesondere Art. 119 E G V Ansatzmöglichkeiten 106 , mitgliedstaatliche Erziehungsziele im Sinne einer ökonomischen Analyse daraufhin zu befragen, ob sie die Verwirklichung gemeinschaftsrechtlicher Zielvorstellungen tendenziell behindern, ζ. B. geschlechtsspezifisch differenzierende Erziehungsziele mittelbar unterschiedlich hohe „Marktzutrittschancen" aufrichten. Vor allem aber birgt die Unterstützungs- und Ergänzungskompetenz der Europäischen Union im Bereich von allgemeiner und beruflicher Bildung die Möglichkeit, durch finanzielle Fördermaßnahmen bestimmten Erziehungszielen besonderes Gewicht zu verleihen und damit die Pluralität der nationalen Erziehungsziele faktisch im Sinne einer Rangfolge zu ordnen. Auf seiten der Kommission ist ein entsprechender Wille zur Einflußnahme unverkennbar vorhanden. Weite Teile des Grünbuchs der Kommission zur Europäischen Dimension des Bildungswesens vom September 1993 lesen sich wie die Formulierung von Erziehungszielen.
105 Art. 126, 127 EGV; näher dazu etwa Gerhard Konow, Bildungspolitik nach Maastricht, RdJB 1992, S. 427 ff.; Rüdiger Dohms, Die Kompetenz der E G im Bereich der allgemeinen Bildung nach Art. 126 EGV, RdJB 1992, S. 451 ff.; Jörg E. Feuchthofen / Hans-Jürgen Brackmann, Berufliche Bildung im Maastrichter Unionsvertrag, RdJB 1992, S. 468 ff.; Rudolf Lassahn / Birgit Ofenbach (Hrsg.), Bildung in Europa, 1994. 106 Näher zu den sich daraus ergebenden Unterlassungspflichten etwa Eberhard Grabitz, Art. 5 Rdn. 10, in: ders. (Hrsg.), Komm. z. EWG-Vertrag, Stand; Sept. 1992; Reinhard Junghanns, Art. 119 Rdn. 18 ff., in: Carl Otto Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag, 1994. Vgl. in diesem Zusammenhang etwa die ausbildungsbezogenen Aspekte in der Richtlinie des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ( 7 6 / 2 0 7 / E W G ) - Abi. Nr. 39 vom 14. 2 . 1 9 7 6 .
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So wird ζ. B. der Auftrag der Schule darin gesehen, Selbständigkeit, Urteils-, Kritik- und Innovationsfähigkeit zu entwickeln sowie Verantwortungsbewußtsein für die Solidargemeinschaft zu vermitteln oder - ganz direkt - eine Erziehung zur Unionsbürgerschaft zu betreiben107. Unabhängig von diesen denkbaren europarechtlichen Einwirkungen auf Erziehungsauftrag und Erziehungsziele der Schule bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, im Rahmen des nationalen Rechts das Thema „Europa" in den schulischen Erziehungsauftrag einzubinden, nicht im Sinne einer grundgesetzlich verbindlichen Vorgabe108, wohl aber als pädagogisch sinnvolle Konsequenz aus der bewußten Öffnung des grundgesetzlichen Verfassungsstaats nach Europa. Bisher haben nur Niedersachsen und Sachsen-Anhalt diese Konsequenz auch normativ gezogen109. Schlußbemerkung Ich komme zum Schluß und erinnere an die eingangs geäußerte Vermutung, daß dem freiheitlichen Verfassungsstaat der „Mut zur Erziehung" fehle. Die Analyse des grundgesetzlichen Verfassungsstaats hat diese Vermutung - so meine ist - widerlegt. Zumindest seinem eigenen verfassungsrechtlichen Anspruch nach bekennt sich der grundgesetzliche Verfassungsstaat zum Erziehungsauftrag der Schule und zu konkreten Erziehungszielen, das Grundgesetz eher verdeckt, die meisten Landesverfassungen hingegen überaus dezidiert. Wie in anderen Fällen verfassungsrechtlicher Grundsätze und unbestimmter Rechtsbegriffe mindern auch hier unbestreitbare Schwierigkeiten der Auslegung und der Umsetzung in der Schule nicht die normative Verbindlichkeit, noch sind sie ein Indiz dafür, daß sich der freiheitliche Verfassungsstaat mit diesem Anspruch „ultra vires" bewege, die staatliche Schule als Erziehungsträger nicht tauge. Ernst Wolf gang Böckenförde hat 1967 formuliert 110 , der freiheitliche, säkularisierte Staat lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht garan-
107 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Grünbuch zur Europäischen Dimension des Bildungswesens, vom Sept. 1993 - Kom. (93) 457 endg., insbes. S. 5. 108 So aber wohl Peter Häberle, Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten - in Europa, DV 1992, S. 19. 109 Die europäische Dimension findet sich als Erziehungsziel bisher lediglich in § 2 Abs. 1 nds. SchulG, § 1 Abs. 2 sachs.-anh. SchulG v. 11. 7. 1991 (GVB1. S. 165) sowie verhalten in § 4 schlesw.-holst. SchulG v. 2. 8. 1978 (GVB1. S. 255). 110 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: FS Ernst Forsthoff, 1967, S. 75 ff.
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tieren könne. Diese Einschätzung mag in letzter Konsequenz zutreffen. - Sie kann m. E. jedoch nicht bedeuten, daß der freiheitliche Verfassungsstaat völlig darauf verzichtet, mit den ihm adäquaten Methoden des Maßes und der Toleranz seine jungen Bürger auf diese Voraussetzungen hin zu orientieren und zu erziehen, m. a. W.: eine Pflege der Freiheitsvoraussetzungen, also Staatspflege 111 im besten Sinne zu betreiben. Insoweit darf Schule durchaus „Schule der Nation" sein, darf sich die wehrhafte auch als „lehrhafte" Demokratie ausweisen.
111 Zur existentiellen Bedeutung der „Staatspflege" gerade für den freiheitlichen Staat und durch die Schule Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 214 ff. (228 f.).
Leitsätze des 2. Berichterstatters Uber:
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat 1. In der Diskussion um die „Schule im Rechtsstaat" war die Grundsatzfrage nach Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab bisher kein zentrales Thema. Angesichts zunehmender Forderungen von Pädagogen und Bildungspolitikern nach einer „Wiedergewinnung des Erzieherischen " ist insoweit verfassungsrechtlich nachzubessern. 2. Erziehung (und Bildung) wirken gezielt auf die Entwicklung des Schülers ein. Beide sind tendenziell auf Fremdbestimmung angelegt, Erziehung zudem stärker auf Bindung an Werte, Ordnungsvorstellungen und soziale Verhaltensweisen ausgerichtet. 3. Der Aspekt der Fremdbestimmung weckt grundsätzliche Skepsis gegenüber einem Erziehungsauftrag des Staates. Der freiheitliche Verfassungsstaat teilt diese Skepsis nicht, er steht weder seiner Idee noch seiner Geschichte nach einem Erziehungsauftrag ablehnend gegenüber. a) Die feste Tradition staatlichen Schulehaltens Schloß in Deutschland stets auch die normative Festlegung von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen der Schule ein. b) Der freiheitliche Verfassungsstaat hat diese Tradition bewußt fortgesetzt. Die negativen Erfahrungen mit der Schule im totalitären Staat waren nicht Anlaß, die Schule aus staatlicher Vormundschaft zu entlassen, sondern - ganz im Gegenteil- Grund, schulische Erziehung im Sinne des freiheitlichen Verfassungsstaates zu instrumentalisieren. 4. Der grundgesetzlich geprägte freiheitliche Verfassungsstaat sieht sich als legitimiert an, seinen Schulen einen Erziehungsauftrag zu erteilen. a) Im Vordergrund der grundgesetzlichen Aussagen zum Thema Erziehung steht das Elternrecht. Hier soll das Fundament der Erziehung liegen. b) Der Erziehungsauftrag der Schule ist in Art. 7 Abs. 1 GG enthalten - eher verdeckt als selbstbewußt formuliert. c) Die erkennbare Scheu, sich ausdrücklich zu einem Erziehungsauftrag der Schule zu bekennen, hat im Kern weniger inhaltliche denn entstehungsgeschichtliche Gründe.
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5. Das Grundgesetz geht von einer Pluralität der „ Erziehungsmächte " aus. Die nachdrückliche Betonung von Elternrecht, konfessionell gebundenem Religionsunterricht und Privatschulfreiheit (Art. 6, 7 GG) verbietet ein staatliches Monopol bei der Definition von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen der Schule. 6. Eine ausdrückliche Festlegung bestimmter schulischer Erziehungsmaßstäbe enthält das Grundgesetz nicht. Es steht der inhaltlichen Ausrichtung des Erziehungsauftrages aber auch nicht indifferent gegenüber. 7. Orientierungswerte ergeben sich vor allem aus den Grundrechten. a) Inhaltliche Grundsatznorm für die Definition schulischer Erziehungsziele ist Art. 2 Abs. 1 GG. Dem schulischen Erziehungsauftrag kommt danach vornehmlich eine auf den einzelnen Schüler bezogene dienende Funktion zu. b) Über das grundgesetzliche Menschenbild von der „ in der Gemeinschaft stehenden und ihr vielfältig verpflichteten Persönlichkeit" sind Erziehungsauftrag und Erziehungsziele der Schule im Rahmen der grundgesetzlichen Wertordnung auch gemeinschaftsbezogen zu definieren. 8. Den Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes lassen sich nur begrenzte Aussagen über den Inhalt des Erziehungsauftrags der Schule entnehmen. Eine „pädagogische Interpretation" (P. Häberle) der Verfassungsprinzipien ist abzulehnen. 9. Die Orientierungswerte des Grundgesetzes für die inhaltliche Ausrichtung des Erziehungsauftrags der Schule verdichten sich nicht zu einem definitiven und normativ verbindlichen Kanon bestimmter Erziehungsziele. Das Grundgesetz überläßt es den Ländern, den grundgesetzlich gezogenen Orientierungsrahmen im einzelnen auszufüllen. 10. Die Länder haben den grundgesetzlich belassenen Freiraum kraftvoll genutzt und die inhaltliche Ausgestaltung des Erziehungsauftrags überwiegend auf Verfassungsebene vorgenommen. a) Die bunte Vielfalt landesrechtlicher Erziehungsziele fügt sich - bei unterschiedlichen Akzentuierungen im einzelnen - zu einem Kanon gemeindeutscher Vorstellungen über den Erziehungsauftrag der Schule. Daneben bleibt Raum für landesspezifische Festlegungen. b) Die landesrechtlich definierten Erziehungsziele fügen sich in ihrer Bandbreite zwischen Individualbezug und Gemeinschaftsbezug in den grundgesetzlich gezogenen Rahmen ein. Föderative Vielfalt und gesamtstaatliche Einheit bleiben gleichermaßen gewahrt. 11. Die weitgehende Regelung von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen in den meisten Landesverfassungen entlastet und sperrt den einfachen Gesetzgeber zugleich. Das verfassungsrechtliche Korsett beläßt dem einfachen Gesetzgeber i. d. R. einen hinreichenden Gestaltungs-
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Spielraum, um einzelne Erziehungsziele besonders zu gewichten und neuzeitliche Bedürfnisse aufzunehmen. 12. Die Grenzen einer inhaltlichen Programmierung des schulischen Unterrichts sind enger, je mehr es um die Umsetzung von Erziehungszielen vorrangig individualen Zuschnitts geht und um so weiter, je mehr das Erziehungsziel gemeinschaftsbezogen ist. 13. Die praktische Umsetzung des Erziehungsauftrags und die Verwirklichung der Erziehungsziele ist - wiewohl Aufgabe der „ verwalteten Schule" - zuvörderst eine pädagogisch/didaktisch e Aufgabe, die in „pädagogischer Freiheit" wahrgenommen wird. Eine rechtliche Steuerung ist nur begrenzt möglich. 14. Der freiheitliche Verfassungsstaat wird bei der Verwirklichung seiner Erziehungsziele stets unvollendet bleiben. Die Schule ist „Schule der Nation" auch in dem Sinne, daß sich in ihr letztlich nur die Wertvorstellungen vermitteln lassen, die auch außerschulisch von einem gesellschaftlichen Konsens getragen werden. 15. Der freiheitliche Verfassungsstaat des Grundgesetzes ist Europa zugewandt und in die Europäische Integration eingebunden. Hieraus ergeben sich Konsequenzen für die Bedeutung einzelner Erziehungsziele, derzeit eher faktisch als im Sinne europarechtlich verbindlicher Vorgaben.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat* 3. Länderbericht Österreich von Prof. Dr. Wolf gang Manti, Graz Inhalt Seite
I. II.
Österreich als „Schulstaat" Die Kargheit des verfassungsrechtlichen Befundes . . . . A. Erziehungsauftrag B. Erziehungsmaßstab III. Der Reichtum des unterverfassungsgesetzlichen Normenmaterials IV. Zukunftsaspekte
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* Für anregende Kontakte danke ich meinen Kollegen Walter Berka/Salzburg, Karl Korinek/Wien, Roman Koller/Gtiz und Josef Thonhauser/Súzburg, für die Mithilfe bei der Materialbeschaffung meinen Grazer Mitarbeitern Klaus Poter und Maria Ranacher.
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I. Österreich als „Schulstaat" Der bekannte österreichische Fußballstar Hans Krankt erklärte einmal in einem Interview: „Idole wie ich haben einen Erziehungsauftrag"1. Ausdruck der Selbstüberschätzung? Indikator der Orientierungsschwäche im „Zeitenbruch" ? Oder einfach ein salopper Gag? Ich bin kein Pestalozzi der Postmoderne, um hier alle pädagogischen Bedeutungsnuancen beiläufiger Beliebigkeit ausdeuten zu können. Aber die im letzten provokante Äußerung des Sportlers führt uns die Aktualität unseres Themas vor Augen, das mit aller Ernsthaftigkeit zu behandeln ist. Auf der Kölner Tagung unserer Vereinigung im Herbst 1983 bemerkte Ernst-Wolfgang Böckenförde in der Aussprache zum Beratungsgegenstand „Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen"2 nachdenklich, „daß das staatliche Schulehalten gar nicht in Blick genommen worden ist."3 Gerade das gehöre doch auch zum staatlichen Kulturauftrag, nicht zuletzt die Festlegung der Unterrichtsprogramme und die Problematik ihrer Verbindlichkeit in der öffentlichen Schule im religiös-weltanschaulich neutralen Staat mit grundrechtlichen Freiheitsgewährleistungen als Grenze der staatlichen Aktivität. Und Böckenförde schloß mit dem Hinweis: „Ich möchte diese Frage hier nur aufwerfen, ohne jetzt weiter darauf einzugehen, aber vielleicht wäre das auch ein Thema, das wir einmal zum Gegenstand unserer Verhandlungen machen können."3 Nun wurde dieses Thema aufgegriffen. Meine Hauptaufgabe ist es, die österreichische Verfassungssituation darzustellen. Auch Osterreich mit all seinen Besonderheiten, ja Verzögerungen ist eingebunden in die neueste Geschichte, die eine Geschichte der Größe und Zerbrechlichkeit des autonomen Subjekts ist. Das robuste Postulat der „Selbstverwirklichung" - selbst in der stummen Variante reiner Innerlichkeit - bedeutet immer auch Angewiesensein auf andere Menschen, ja oft Verfügung über sie. Auch die liberale Demokratie braucht ihre Ergänzung durch verantwortete Mitmenschlichkeit. Gemeinschaftswerte sind für das moderne Bewußtsein fast nur mehr als Zwecke und Präferenzen des Individuums denk- und lebbar. Aber selbst das Individuum unterliegt einer postmodernen Infragestellung, ja Erosion. Ironische bis weinerliche Essays der Kulturkritiker, aber auch ernstzunehmende Analysen der Sozialwissenschafter werden nicht müde,
Der Standard, 24. April 1989, 18. S. Bericht von Udo Steiner, Mitbericht von Dieter Grimm und Landesberichte von Norbert Wimmer (Osterreich) und Thomas Fleiner-Gerster (Schweiz) sowie Aussprache und Schlußworte, in: W D S t R L , H. 42, 1984, 7 - 1 4 6 . 3 A . a . O . , 110. 1
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diese Krisenphänomene auch auf eine Krise der Bildung und Erziehung zurückzuführen4. Welcher Bildung und Erziehung welcher Menschen? Auf der einen Seite steht auch in Osterreich die empirisch feststellbare Zunahme höherer Schulabschlüsse, haben sich Maturanten- und Akademikerzahlen vervielfacht. Auf der anderen Seite gibt es zerfallene Ehen und Familien, überforderte Schulen und überschwappende Informationen, die allesamt zunehmend zur menschlichen Abstumpfung und Vereinzelung, ja zu funktionalem Analphabetismus und moralischer Indifferenz mit wachsender Gewaltbereitschaft führen. In der Bildungs- und Erziehungsdiskussion verstummen die Zweifel nicht, ob Erfahrung und Wissen ausreichend von Generation zu Generation tradiert und dabei auch schöpferisch weiter in die Zukunft hineinverwandelt werden können. Als Gründe hiefür werden angeführt: 1. die Individualisierung und Pluralisierung der Lebenswelt mit einem großen Freiheitszuwachs, dem freilich eine weitgehende „(Re)Privatisierung" des Allgemeinen und Öffentlichen, eine Schwächung des sozialmoralisch Verbindlichen gegenübersteht; 2. damit zusammenhängend ein hoher Stellenwert von nutzenorientierten, pragmatischen Aufstiegshoffnungen durch Ausbildung auf Kosten von Allgemeinbildung und Wertvermittlung; 3. die übermächtige Anziehungskraft des Fernsehens und Boulevards, wodurch der Bild- und Bildungshunger sowie die Sehnsucht nach Farbe, Bewegung und Aktion eines breiten Publikums mühelos ebenso befriedigt werden, wie eine populistische Showpolitik gefördert wird. „Bildung ist der Verzicht auf die Anstrengung, dumm zu bleiben."5 Erziehung, über die Wissensvermittlung der Bildung hinausgehend, enthält auch die moralische Aufgabe der Motivation zu sozialem und politischem Handeln. Diese Aufgabe ist schwierig, weil es in der pluralistischen Vielfalt der Moderne und gar der Postmoderne keine biederen Rezepte des Verhaltens mehr gibt. Orientierung muß sorgfältig aus einem ethischen Minimum erarbeitet werden, das als Gemeinsamkeit in einem bestimmten räumlich und zeitlich gegebenen Kulturrahmen, dessen „epochale" Existenz immer noch optimistisch präsumiert wird, konsensfähig ist. Noch schwieriger ist es, allgemeinmenschliche Kategorien ausfindig und
4 Aus der stark angeschwollenen Literatur: Wolf gang Brezinka, Erziehung in einer wertunsicheren Gesellschaft. Beiträge zu einer Praktischen Pädagogik. 2. Α., 1986; Hermann Lübbe, Der Lebenssinn der Industriegesellschaft. Uber die moralische Verfassung der wissenschaftlich-technischen Zivilisation, 1990; Manfred Prisching, Krisen. Eine soziologische Untersuchung, 1986. 5 Odo Marquard, in: Politische Bildung. Zur Sache. Themen parlamentarischer Beratung, 16/90, 1990,167.
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glaubhaft zu machen, wie die Menschenrechtsdiskussion, aber auch die Diskussion um die Multikulturalität zeigen, soweit sie mehr als wohlfeiler Seminar- und Erlagscheinhumanismus sind. Die Schule ist der Zentralort des Bildungssystems und ein wichtiger, wenn auch nicht der ausschließliche Ort der Erziehung, die traditionellerweise im „Haus" und in der Familie ihren Kernbereich hat. In der Bildung als einem Vorgang geistiger Formung in Gestalt eines Lehrens durch planmäßige Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten (Unterricht) und eines Lernens durch theoretische Einsicht überwiegen die kognitiven Elemente, in der Erziehung als umfassender Formung des Charakters durch praktische Einübung von Werten, spielen emotive/affektive und normative Elemente eine besondere Rolle, kommt die pädagogische Verantwortung in Vorbild und Beispiel zum Tragen. Die Zahl der Erzieher ist im historischen Prozeß immer größer geworden. Sie umfaßt heute Eltern, Lehrer, Schüler und Jugendliche selbst in Gruppen und Freundeskreisen, Kirchen, mit schwindendem Einfluß Parteien und Verbände sowie mehr denn je Medien, vor allem das Fernsehen. Wenn es eine Bildungs-, Erziehungs- und Orientierungskrise gibt - und es gibt sie - , kann meiner Grundüberzeugung nach ein Remedium nicht nur bei einem dieser Erziehungsfaktoren gesucht werden, also nicht etwa - wie dies meist geschieht - die Erziehungsverantwortung von den Eltern auf die Lehrer verschoben werden, von dort vielleicht auf die Schulaufsichtsorgane, Ministerialbürokratien und schließlich Parlamente. Ein derartiger Regreß stößt auf den skeptischen Einwand, wieso denn jene Personen, die als Eltern nicht mehr ihrer Erziehungsaufgabe nachkommen, dies auf einmal gemeinwohlorientiert und solidarisch als Lehrer, Schulinspektoren, Ministerialbeamte und Parlamentarier tun sollten. Die wirkliche Schwierigkeit unseres Themas liegt ja gerade darin, daß die Schule durchaus Kondensat der Befindlichkeit ihrer Epoche ist und nicht als eine „pädagogische Provinz" paradiesisch davor bewahrt und „krisenexemt" ist. In idealtypischer Straffung hochkomplexer historischer Entwicklungen in Europa kann man von einem weitgehenden, nicht vollständigen Ubergang der Schule von der Kirche auf den Staat, also einer weitgehenden „Verstaatlichung" des Bildungssystems (Planung, Errichtung, Organisation, Erhaltung, Leitung, Aufsicht als Fach-, Dienst- und Rechtsaufsicht, Festlegung der Bildungs- und Erziehungsziele, Prüfungsund Zeugniswesen durch den Staat, allgemeine Schul-, zumindest Unterrichtspflicht) und der „Erfindung" der Institution „ öffentliche Schule " in der Neuzeit, zumal im aufgeklärten Absolutismus, sprechen, ein Vorgang, der von heute kaum mehr vorstellbaren Konflikten begleitet war.
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In Österreich6 gilt seit Maria Theresia die Schule als ein „Politician". Das große Ursprungsereignis war die am 6. Dezember 1774 erlassene „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kaiserlich Königlichen Erbländern". Die schulpolitischen Auseinandersetzungen erhielten mit dem Aufstieg des kirchenskeptischen Liberalismus (Reichsvolksschulgesetz 1869) im 19. Jahrhundert und dann der Sozialdemokratie (Glöckelsche Schulreform 1919/20) jeweils neue Schärfe. Immer blieb die Schule im Mittelpunkt des kulturpolitischen Interesses und neben Ehe und Familie einer der großen Kontroverspunkte im Verhältnis von Kirche und Staat. In Osterreich erfolgten besonders intensive Konfliktstöße 1848-1874, 1918-1929, dann in den Diktaturperioden, zuerst konservativ-autoritär 1934-1938, dann totalitär gesteigert 1938-1945, bis schließlich 1962 ein großer Schulkompromiß7 zugleich als großer Kulturkompromiß erzielt wurde. Dies geschah nach mühsamen, langwierigen Verhandlungen zwischen OVP und SPO. Das durchaus nach wie vor vorhandene Mißtrauen der politischen Kräfte schlug sich nieder im auffallenden Detailreichtum der schulrechtlichen Regelungen in der Bundesverfassung (Art. 14 sowie Art. 81a und später - 1 9 7 5 - für das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen auch Art. 14a B-VG) und in einfachen Gesetzen, aber auch in der Tatsache, daß die damals noch großen politischen Parteien vom Volksparteitypus sozialer Integrationsparteien sich wechselseitig absicherten durch das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit für die Änderung kulturpolitisch wichtiger Bestimmungen des Schulwesens (Art. 14 Abs. 10, dann auch Art. 14a Abs. 8 B-VG). Schließlich verankerten ÖVP und SPÖ den Parteienproporz in den Kollegien der Schulbehörden des Bundes in den Ländern und Bezirken (Art. 81a und b B-VG). Das Jahr 1962 ist der Höhepunkt der österreichischen Parteienstaatlichkeit: Frucht der prekären Spätphase der ersten Großen Koalition. Gleichzeitig wurden
6 Zur Gesamtentwicklung: Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. 5 Bde., 1982-1988. - Zum maria-theresianischen Reformwerk schon: Joseph Alexander Helfen, Die Gründung der österreichischen Volksschule durch Maria Theresia, 1860. 7 Zur Schulpolitik der Republik Osterreich: Herbert Dachs, Schule und Politik. Die politische Erziehung an den österreichischen Schulen 1918 bis 1938, 1982; Josef Höchtl / Fritz Windhager (Hrsg.), Bildungspolitik für Österreich. Analysen, Kritik, Konzeptionen, 1983; Gerhard Schmid, Schulpolitik im Wandel. Schulreform und Schulentwicklung zum gegenwärtigen Zeitpunkt, (ungedruckte politikwissenschaftliche Diplomarbeit), 1992; Hermann Schnell, Bildungspolitik in der Zweiten Republik, 1993; Josef Thonhauser, Erziehung und Bildung, in: Wolfgang Manti (Hrsg.), Politik in Österreich. Die Zweite Republik: Bestand und Wandel, 1992, 620-644.
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auf einfachgesetzlicher Basis Schulgesetze8 erlassen, die auch für unser Thema wichtig sind, vor allem das Schulorganisationsgesetz v. 25. Juli 1962, BGBl. 242 (SchOG), das inzwischen sechzehnmal novelliert wurde. Die kompetenzrechtliche, organisatorische und finanzielle Dominanz der Gebietskörperschaft Bund ist - anders als in der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz und anderen vollentwickelten Bundesstaaten - im Schulwesen bis hin zur Universität unübersehbar. Es gibt ca. 6600 Schulen in Osterreich mit 117 000 Lehrern und deutlich über einer Million Schülern. Nur 7 % sind Privatschulen (Deutschland: 6 %, Niederlande: 71 %, Griechenland: 3 %) 9 . II. Die Kargheit des verfassungsrechtlichen Befundes In den letzten 15 Jahren wurde der österreichische Verfassungslakonismus zum Sprechen gebracht. Das ist auf den Einfluß eines Teiles der österreichischen Staatsrechtslehre, der EMRK samt der Judikatur der Straßburger Organe sowie schließlich auch und gerade der Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes zurückzuführen. Ein Rechtsverständnis gewann an Boden, „daß die Verfassung auch inhaltlich relevante Aussagen enthält; insbesondere hat man die verfassungsrechtlichen Grundrechtsgewährleistungen in ihrer die Gesetzgebung prägenden Wirkung" 10 erkannt. Grundrechtliche Schutz- und Leistungspflichten des Staates wurden in historischer11 und aktueller Perspektive12 diskutiert, wie es kurz vorher kaum möglich schien.
8 Das Rechtsmaterial wird dargestellt von Johannes Hengstschläger, Das Bildungswesen, in: Herbert Schamheck (Hrsg.), Das österreichische Bundesverfassungsgesetz und seine Entwicklung, 1980, 587-628; ders., Schulrecht, in: Herbert Schambeck (Hrsg.), Parlamentarismus und öffentliches Recht in Osterreich. Entwicklung und Gegenwartsprobleme. II. Teilbd., 1993, 1045-1104; Eckart Klein, Osterreich, in: Die Befugnisse des Gesamtstaates im Bildungswesen. Rechtsvergleichender Bericht, 1976,255-301; Felix Jonak / Leo Kövesi (Hrsg.), Das österreichische Schulrecht, 3. Α., 1990; Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts. 2. Α., 1987,122-173. 9 Der Standard, 29. September 1994, 8. 10 Karl Korinek, Entwicklungstendenzen in der Grundrechtsjudikatur des Verfassungsgerichtshofes, 1992, 5. 11 Vgl. Friedrich Lehne, Grundrechte achten und schützen? Liberales Grundrechtsverständnis 1848, in: JB1. 107 (1985), 129-136 und 216-224; ders., Grundrechte achten und schützen? 1862 und 1867, in: JB1. 108 (1986), 341-347 und 424-435. 12 Ζ. B. Ulrike Davy, Versammlungsschutz und Meinungsfreiheit, in: J A P 1 (1990/91), 197-205.
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Für mich stellt sich also die verfassungsrechtliche Situation schon farbenreicher dar als für Norbert Wimmer, der 1983 in Köln den österreichischen Landesbericht über den Kulturauftrag des Staates lieferte. Dennoch geht ein nüchternes Urteil nicht fehl, das einen Erziehungsauftrag des Staates nach wie vor als eine überwiegend politische Kategorie auffaßt, die im starken „sozialen Garantismus" der österreichischen Bevölkerung sowie ihrer Politiker und Beamten wurzelt. Verfassungsaufträge sind trotz aller materiellen Ansätze noch immer alles eher als eine normative Selbstverständlichkeit. Es gibt auch kein verfassungsrechtlich positiviertes Sozial- und kein Kulturstaatsprinzip. Auch wenn die in der Kelsenschcn Tradition liegende Auffassung von der Verfassung als „Spielregel°n nicht mehr als ausschließliche Charakterisierung gelten kann, so steht dennoch der prozedurale Spielregeltopos, wenn schon nicht im Vordergrund, so doch stets auch gewichtig im Repertoire der Verfassungsinterpretation. Ein Blick auf die Fachliteratur14 zeigt, daß ein Kultur- bzw. Erziehungsauftrag in den Lehrbüchern und Systemen des österreichischen Verfassungsrechts nicht vorkommt, wohl aber setzen sich Spezialaufsätze 15 zum Schul- und Erziehungswesen damit auseinander, v o r allem Hans-Ulrich Evers16. 13 Dazu: Ludwig K. Adamovich / Bernd-Christian Funk, Österreichisches Verfassungsrecht. 3. Α., 1985, 23 f. 14 Grundlegend für die wissenschaftliche Diskussion im deutschsprachigen Raum: Thomas Oppermann, Kulturverwaltungsrecht. Bildung - Wissenschaft - Kunst, 1969; für die neueste Entwicklung ist ein „Begleitaufsatz" zur Hallenser Tagung bemerkenswert: Bodo Pieroth, Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat, in: DVB1.109 (1994), 949-961. 15 Heinz Mayer, Schule und Verfassung, in: RdS (Recht der Schule, eine nur von 1979-1988 existierende Fachzeitschrift) 7 (1985), 1-6; Theo Öhlinger, Kulturverfassungsrecht, in: RdS 8 (1986), 47-59; Peter Pernthaler, Kulturpolitik in Österreich. Verfassungspolitische Rahmenbedingungen, in: ders. (Hrsg.), Föderalistische Kulturpolitik, 1988, 9-27; Karl Spielbiichler, Bestand und Bedeutung der Grundrechte im Bildungsbereich in Österreich, in: EuGRZ 8 (1981), 675-686; ders., Das Grundrecht auf Bildung, in: Rudolf Machacek / Willibald P. Pahr / Gerhard Stadler (Hrsg.), 40 Jahre EMRK. Grund- und Menschenrechte in Österreich. II. Bd.: Wesen und Werte, 1992, 149-174; Herbert Zeizinger, Das Recht auf Bildung in der österreichischen Verfassungsordnung, in: Ludwig Adamovich / Peter Pernthaler (Hrsg.), Auf dem Weg zur Menschenwürde und Gerechtigkeit. FS für Hans R. Klecatsky. II. Teilbd., 1980, 1079-1099. 16 Hans-Ulrich Evers, Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der österreichischen Schule als Rechtsproblem, in: RdS 4 (1982), 33^3; ders., Kulturverfassungsrecht und Kulturverwaltungsrecht in Österreich, in: JöR, NF 33 (1984), 189-201. - Auf die deutsche Rechtslage abstellend: ders,, Die Befugnis des Staates zur Festlegung von Erziehungszielen in der pluralistischen Gesellschaft, Berlin 1979.
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Immer von neuem - nicht ein für allemal durch die Errungenschaften der letzten 200 Jahre beantwortet - stellt sich auch bezüglich der Schulen die Fragentrias: „Was soll der Staat?" „Was darf der Staat?" „Was kann der Staat?" Das Können hängt sehr stark von den finanziellen Möglichkeiten ab (Knappheit der öffentlichen Mittel, Staatsverschuldung)17. Das Dürfen hängt von den Grundrechtsschranken ab, vor allem von dem, was die Tradition der liberalen, staatsgerichteten Abwehrrechte als Raum vielgestaltiger „Privatheit" nach 1848 „freigehalten" hat. Das Sollen bereitet uns die größten Schwierigkeiten. Bevor wir uns den verfassungsrechtlichen Ansätzen der Verfassung zuwenden, aus denen ein inhaltlich bestimmtes Sollen des Staates, ein „Schulauftrag" im allgemeinen und ein „Erziehungsauftrag" im besonderen, abgeleitet werden können, ist es ratsam und hilfreich, kurz innezuhalten und sich der verfassungsgerichtlichen Definition des Begriffs „Schule" TM vergewissern: In seiner Judikatur seit Slg. 1505/1933 stellt der Verfassungsgerichtshof darauf ab, daß es sich bei Schulen um Einrichtungen handle, die dem Lernenden nicht nur bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln oder „lediglich der Förderung des gesellschaftlichen Lebens dienen" (VfSlg. 1505/1933), wie dies die Tanz-, Fahr-, Flieger· und Schischulen tun, sondern auch eine Formung der Gesamtpersönlichkeit bezwecken, also auch „pädagogische und erzieherische Ziele" (VfSlg. 6407/1971) verfolgen. Wenn Erziehung zum verfassungsrechtlichen Schulbegriff gehört, müssen vom Staat vorgegebene Erziehungsmaßstäbe/-ziele zumindest zulässig, ja vom Legalitätsprinzip und vom Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes her, dem großen „Wegweiser" zur inhaltlichen Anreicherung der Verfassung, auch notwendig sein, freilich im liberalen Rechtssystem grundsätzlich nur als Imperative für die öffentliche Schule, nicht für die Eltern und den „gesellschaftlichen" Bereich mit allfälligen „Privatschulen". Dieser Grundsatz wird jedoch durch Spezialregelungen (siehe unten P. 2, dann Fn. 28 und das „Wächteramt" des Staates beim Elternrecht) relativiert. Es bleibt freilich immer noch die Frage nach dem Sollen des Staates bezüglich der Errichtung und Erhaltung von Schulen, also der verfassungsrechtlichen Grundlegung und Verankerung der „öffentlichen Schule" in einem „ Erziehungsauftrag" des Staates, zu beantworten. Verfassungsrechtsdogmatisch bieten sich verschiedene Wege an:
17 Das Fehlen großen Privatkapitals ließ in Österreich nicht einmal eine Diskussion über Privatuniversitäten aufkommen. Nur bei den neugeschaffenen Fachhochschulen zeichnet sich auch die Möglichkeit privater Träger und Erhalter ab.
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1. Die öffentliche Schule wird als Selbstverständlichkeit der Moderne in der Verfassung vorausgesetzt, sie ist „im Prinzip unbestritten"18, steht „außer jedem Streit"19 und bedarf „daher einer expliziten verfassungsrechtlichen Legitimation nicht erst"19. Die fast ausschließliche Beschäftigung des Verfassungsrechts und der Verfassungspraxis mit Kompetenz-, Organisations- und Finanzfragen der Schule ist nur dann sinnvoll, wenn das Schulehalten durch den Staat von der Verfassung als selbstverständlich vorausgesetzt wird. 2. Die Schulhoheit (Unterrichts- und Erziehungshoheit) des Staates wird auch - ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland (Art. 7 Abs. 1 GG) - aus der Leitungs- und Aufsichtsbefugnis des Staates gem. Art. 17 (5) StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger v. 21. Dezember 1967, RGBl. 142, abgeleitet: „Dem Staate steht rücksichtlich des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu."20 3. Aus dem Recht auf Bildung gem. Art. 2 Satz 1 des 1. ZPMRK wird die Verpflichtung des Staates erschlossen, „ein Mindestmaß an öffentlichen Bildungseinrichtungen zu erhalten"21, wobei auch immer wieder der Zusammenhang mit dem Topos des durch die Verfassung stillschweigend und selbstverständlich Vorausgesetzten (siehe P. 1) hergestellt wird. 4. Eine weitere Argumentationslinie läuft darauf hinaus, dem Art. 14 (6) Satz 1 B-VG („Öffentliche Schulen sind jene Schulen, die vom gesetzlichen Schulerhalter errichtet und erhalten werden.")22 interpretativ eine Einrichtungsgarantie23 der öffentlichen Schulen zu entnehmen, dergemäß der Staat in seinen Gebietskörperschaften als „gesetzlicher Schul-
Öhltnger, Kulturverfassungsrecht, 49 (Fn. 15). den., a. a. O., 51 (Fn. 15). 20 „In Reaktion auf die ehemalige kirchliche Oberaufsicht über das Schulwesen enthält die Bundesverfassung den Grundsatz der staatlichen Unterrichtshoheit (Art. 17 Abs. 5 StGG, Art. 14 und 81a B-VG), wonach Schulerrichtung und Schulbildungsinhalte primär als Staatsaufgaben qualifiziert werden." (Pernthaler, Kulturpolitik, 12/Fn. 15 - Hervorhebungen im Original). 21 Evers, Bildungs- und Erziehungsauftrag, 33 (Fn. 15). - Dazu auch die in Fn. 15 angeführten Aufsätze von Spielbüchler (passim) und Zeizinger, 1090-1092. 22 Gesetzliche Schulerhalter können in komplizierter Kompetenzverteilung Bund, Land, Gemeinde oder Gemeindeverband sein (Art. 14 Abs. 6 Sätze 2 und 3 B-VG). 23 Dazu Mayer, Schule, 2 (Fn. 15); Kurt Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, 58; Spielbüchler, Grundrecht, 158-160 (Fn. 15). 18
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erhalter" in gewissem Umfang selbst Schulen errichten und betreiben müsse, woraus sich jedenfalls das Verbot einer Totalprivatisierung ergäbe24. 5. Eine - mit Hilfe des Gleichheitsgrundsatzes freilich verallgemeinerungsfähige - über „bloße" Nichtdiskriminierung hinausgehende Sondersituation besteht für das Minderheitenschulwesen25 zum Schutz und zur Förderung der Eigenart und Eigenständigkeit einer Volksgruppe26. Grundlegend sieht hier Art. 7 (2) des Staatsvertrages von Wien 1955 für die slowenischen und kroatischen Minderheiten einen „Anspruch auf Elementarunterricht in slowenischer oder kroatischer Sprache" und „auf eine verhältnismäßige Anzahl eigener Mittelschulen" vor. 6. Auch die Grundrechte der Freiheit der Berufswahl (Art. 18 StGG) und der Erwerbsausübung (Art. 6 Abs. 1 StGG) enthalten „Fernwirkungen auf das staatliche Bildungswesen"27, die als zusätzliches Argument für eine staatliche Schulhoheit herangezogen werden können. Wird mit diesen Interpretationsbemühungen um staatliche Schulhoheit und Erziehungsauftrag des Staates in der Schule das karge Verfassungsmaterial dogmatisch einigermaßen strapaziert, so fällt es leichter, das Dürfen des Staates zu bestimmen, also die (grundrechtlichen) Grenzen des - nunmehr als gegeben angenommenen - Erziehungsauftrages des Staates zu ziehen. Sie liegen im Recht auf Privatschulgründung (Art. 17 Abs. 2 StGG) 28 und häuslichen Unterricht (Art. 17 Abs. 3 StGG), im
2 4 Die in dieser Argumentation enthaltene „materialisierende" Inanspruchnahme der Kompetenznorm des Art. 14 B-VG ist keine Selbstverständlichkeit, da Kompetenznormen nach wie vor überwiegend als bloße Ermächtigungsnormen verstanden werden (Adamovich/Funk, Verfassungsrecht, 185 / Fn. 13: „Die verfassungsrechtlichen Regeln über die bundesstaatliche Kompetenzverteilung sind als ermächtigende und schrankensetzende Normen zu verstehen. Sie begründen Zuständigkeiten zur Gesetzgebung und Vollziehung und stellen grundsätzlich keine Aufträge zur Erlassung von Gesetzen dar." - Hervorhebungen im Original).
Dazu Spielbüchler, Grundrecht, 159 f. (Fn. 15). Vgl. VfSlg. 9224/1981. 27 Spielbüchler, Grundrecht, 160, im ganzen 160-162 (Fn. 15). 2 8 Dazu Gerhard Lebitsch, Zur Unterrichtsfreiheit der Privatschule, in: RdS 5 (1983), 33-39 und 74-78. Über die Aufsichtsbefugnis des Staates, das Recht zur Führung einer gesetzlich geregelten Schulbezeichnung, das Öffentlichkeitsrecht und die Subventionierung der Privatschulen - ganz zu schweigen vom Druck des jeweils dominierenden „Zeitgeists" - erfolgt eine weitgehende „Einordnung" (wenn nicht „ Unterordnung") der Privatschulen in das öffentliche Schulwesen und die staatliche Schulhoheit sowie deren Bildungs- und Erziehungsziele. 25 26
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Recht auf den Religionsunterricht (Art. 17 Abs. 4 StGG) 2 9 , überhaupt in den Grundrechten der individuellen Glaubensund Gewissensfreiheit (Art. 14 S t G G ) sowie der korporativen Religionsoder Kirchenfreiheit (Art. 15 StGG), aber v o r allem im Elternrecht (Art. 2 Satz 2 des 1. ZPMRK) 3 0 , das in Österreich zusammen mit der E M R K seit 1964 unbestritten Verfassungsrang genießt, freilich noch so etwas wie ein „schlafender Riese" ist, entwicklungsgeschichtlich „entrückt" in den Responscharakter nach dem Challenge der Totalitarismen rechter und linker Provenienz der Jahrhundertmitte. Bei Zunahme von Spannungen und Wertkonflikten zwischen Staat und Eltern bzw. Elternverbänden, Kirchen, Religionsgesellschaften und sonstigen Weltanschauungsgemeinschaften könnte freilich dieser Riese „erwachen", d. h., die Konfliktparteien würden dieses Rechtsschutzinstrumentarium mobilisieren. Die Straßburger Judikatur zum Elternrecht weist ja bereits den Weg: Indoktrinierungsund Manipulationsverbot
29 Vgl. Alfred Rinnerthaler, Die rechtliche Normierung des Religionsunterrichts, in: RdS 2 (1980), 17-20; Hugo Schwendenwein, Religion in der Schule. Rechtsgrundlagen. Das österreichische Religionsunterrichtsrecht, 1980. Die Entropie des Religiösen im vom staatlichen Einfluß weitgehend abgeschirmten Religionsunterricht ist ein Korrelat der im übrigen zunehmenden Säkularisierung der Schule. 30 Zur österreichischen Rechtslage: Adamovich/Funk, Verfassungsrecht, 418 f. (Fn. 13); Walter Berka, Konturen des Elternrechts in der Verfassungsrechtsordnung, in: RdS 4 (1982), 103-107; Gerhard Lebitsch, Das Elternrecht nach der EMRK in der österreichischen Rechtsordnung, in: RdS 9 (1987), 10-16; Mayer, Schule, 5 f. (Fn. 15); Ohlinger, Kulturverfassungsrecht, 54 (Fn. 15); Spielhiichler, Grundrecht, 162-165 (Fn. 15); Otto Triffterer, Zu den verfassungs- und strafrechtlichen Grenzen einer Sexualerziehung in den Schulen, in: JB1. 112 (1990), 409^425; Herbert Zeizinger, Schulversuche und Elternrecht, in: JB1. 98 (1976), 473^76. Aus der reichen deutschen Literatur im Spannungsfeld von Elternrecht und staatlichem „Wächteramt", Hermann Avenarius / Bernd Jeand'heur, Elternwille und staatliches Bestimmungsrecht bei der Wahl der Schullaufbahn, 1992; Josef Isensee, Elternrecht, in: Staatslexikon. 7. Α. II. Bd., 1986, Sp. 222-233 und 239 f.; Bernd Jeand'heur, Verfassungsrechtliche Schutzgebote zum Wohl des Kindes und staatliche Interventionspflichten aus der Garantienorm des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, 1993. Leading Case zum Elternrecht vor dem EGMR in Straßburg: Fall Kjeldsen, Busk Madsen und Pedersen, Urteil v. 7. Dezember 1976, in: EuGRZ 3 (1976), 478^91. Dazu Kommentar und Kritik: Luzius Wildhaber, Die dänischen Sexual-ErziehungsFälle, in: EuGRZ 3 (1976), 493-496. Öhling er (Kulturverfassungsrecht, 54/Fn. 15) spricht vom Elternrecht als „einer" ,inneren' Grenze des staatlichen Engagements auf dem Schulsektor" und Spielhiichler (Grundrecht, 164/Fn. 15) postuliert „eine feine Abwägung", die „der nötige Kompromiß zwischen dem staatlichen Unterrichtswesen und den Interessen der Eltern und Kinder" erfordere.
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oder, wie man mit der Diskussion um die deutsche politische Bildung sehr anschaulich sagen könnte: Überwältigungsverbot. „Je umfassender der Staat Erziehung und Unterricht selbst besorgt, desto großzügiger muß er letztlich private Bildungseinrichtungen oder sogar den häuslichen Unterricht als gleichwertigen Ersatz zulassen, ja unter Umständen durch eigene Beiträge sogar fördern."31 Aus den erwähnten Grundrechten, dem Konkordat, anderen verfassungs- und einfachgesetzlichen Bestimmungen, aber auch aus den Landesverfassungen von Tirol und Vorarlberg ist übrigens auch die besondere Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme von Staat und Kirche ableitbar, die sich immer noch in der die bisherige Geschichte der Zweiten Republik kennzeichnenden befriedeten Balance partnerschaftlicher Kooperation befinden, die nicht durch den allgemeinen Hinweis auf die Säkularität und weltanschauliche Neutralität des Staates weginterpretiert werden darf, was jedoch neuerdings von Zeit zu Zeit durch kulturpolitische Problematisierung dieses modus vivendi zwischen spiritualia und temporalia geschieht. B.
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In einem zweiten Schritt ist nach der - keineswegs mühelosen - Annahme eines Erziehungsauftrages in der österreichischen Verfassung die Frage zu behandeln, ob die Verfassungsrechtsordnung auch unserer Suche nach einem Erziehungsmaßstab oder nach Erziehungszielen Erfolg schenkt. Dabei ist zweierlei zu unterscheiden: 1. die Verfassung selbst in ihrer Gänze als Erziehungsziel („Verfassungspatriotismus"), Denkkategorien dieser Art sind in Osterreich politisch nur schwach und rechtlich so gut wie gar nicht entwickelt; 2. die Verfassung oder Teile von ihr als Richtschnur für Erziehungsziele einfachgesetzlicher Stufe. Die Verfassung schenkt uns expressis verbis keine rasche Antwort. Die materiale Aufladung seit Ende der siebziger Jahre bietet Ansätze hierfür, obwohl die Bindungswirkung und die Steuerungsfähigkeit dieser verfassungsrechtlichen Ansätze prekär bleiben und uns vor übereifrigen Erwartungen bezüglich systematisch-teleologischer Interpretationen bewahren sollten, wenn selbst explizite Positivierungen in Verfassungsrang bisweilen nur geringe normative Kraft haben: Ist Bayern mehr „Kulturstaat" als Osterreich, weil dies in Art. 3 der Bayerischen Verfassung, aber nicht in der österreichischen Bundesverfassung steht? Jedenfalls ist auch
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Spielbüchler, Grundrecht, 165 (Fn. 15).
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in Österreich die Bereitschaft gestiegen, durch die Verfassung die inhaltliche Determinierung der einfachen Gesetze und der Vollziehung dichter als früher vorzunehmen, was auch zu einer gesteigerten Ingerenz des Verfassungsgerichtshofes führt. Stets bleibt das Problem der Justiziabilität, etwa die Einklagbarkeit der Verwirklichung von Erziehungszielen oder Lehrplänen32, ein Fragezeichen. Theo Ohlinger, selbst keineswegs ein Hymniker der materialen Elemente der Verfassung, registriert in seinen jüngst erschienenen Studienbüchern33 die inhaltliche Anreicherung der Verfassung in den vergangenen Jahren sehr präzise und spannt den Bogen von den Baugesetzen (Demokratie, Republik, Bundesstaat, Rechtsstaat, bei manchen Autoren auch liberales Prinzip, Gewaltenteilung etc.) über die Staatszielbestimmungen (Verbot nationalsozialistischer Tätigkeit, dauernde Neutralität, umfassende Landesverteidigung, Umweltschutz, Rundfunk als öffentliche Aufgabe, verschiedene Staatsziele bereits in der Mehrzahl der Landesverfassungen: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg), für die er sogar den Ausdruck „ Verfassungsauftrag"M synonym verwendet, bis zu den Grundrechten. Gerade die „Entwicklung zu einer stärker inhaltsbezogenen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes"35 bezüglich der Grundrechte36 zeitigte eine gravierende Praxiswirkung. Auch für Erziehungsmaßstäbe und Erziehungsziele im österreichischen Schulsystem bleibt dies nicht ohne Folgen: Neben dem liberalen Gebot der Offenheit, Pluralität und Toleranz forciert das umfassende Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes eine unverkürzte37 kognitive Struktur des schulischen Bildungsge32 33 34
Abi. Even, Kulturverfassungsrecht, 204 (Fn. 16). Theo Öhlinger, Verfassungsrecht. 2 Bde., 1993 und 1994. Öhlinger,
Verfassungsrecht (1993), 36 (Fn. 33).
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Korinek, Entwicklungstendenzen, 10 (Fn. 10).
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Nur beispielhaft: Ludwig
Adamovich,
Grundrechte heute. Eine Einführung, in:
Rudolf Machacek / Willibald P. Pahr / Gerhard Stadler (Hrsg.), 70 Jahre Republik. Grund- und Menschenrechte in Österreich. I. Bd.: Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen, 1991, 7-27; Walter Berka; Der Freiheitsbegriff des „materiellen Grundrechtsverständnisses", in: Johannes Hengstschläger u. a. (Hrsg.), Für Staat und Recht. FS für Herbert Schambeck, 1994, 339-347; Davy, Versammlungsschutz (Fn. 12); Felix Ermacora, Grundriß der Menschenrechte in Osterreich, 1988; Bernd-Christian Funk, Ein Grundrecht auf Schutz der Gesundheit? Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Überlegungen, in: JRP 2 (1994), 68-78 (Diskussion: 78-83); Korinek, Entwicklungstendenzen (Fn. 10); Öhlinger, Verfassungsrecht (1994) (Fn. 33). 37 Demnach verbietet sich ein Geschichtsunterricht, in dem der Nationalsozialismus überhaupt nicht vorkommt, aber auch einer, der sich nur auf ihn konzentriert, weil er anderen Geschichtsstoff unsachlich vernachlässigt.
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schehens und bettet die emotiven/affektiven und normativen Elemente der Erziehungsfunktion in den zunehmend schärfer konturierten Normierungsgehalt des Verhältnismäßigkeitsprinzips, Abwägungsgebots und Übermaßverbots. An all dem müssen einfachgesetzliche Erziehungsziele ihr Maß nehmen. Als in aller Regel weitgehend unbestimmte Gesetzesbegriffe stehen sie unter dem Damoklesschwert des Determinierungsgebots nach dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG. Dies spielte auch bei einem diesbezüglichen Verfassungsgerichtshoferkenntnis eine Rolle, wo es darum ging, in einer Verwaltungsstrafnorm des Salzburger Lichtspielgesetzes 1958 den Begriff „sittlich-religiöses Empfinden" zu interpretieren. Der Verfassungsgerichtshof befand damals, „daß das Landesgesetz das Rechtsgut, das ihm vorgeschwebt ist, nicht in einer für eine Strafnorm unbedingt erforderlichen Deutlichkeit umschrieben hat" (VfSlg. 4037/1961)38. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, daß an Normen des Verwaltungsstrafrechts „strengere Anforderungen zu stellen sind als an Zielnormen" 39 wie jene des nunmehr zu erörternden § 2 SchOG, der schulische Bildung und Erziehung im Unterrichtsgeschehen einander zuordnet. III. Der Reichtum des unterverfassungsgesetzlichen Normenmaterials War und ist der Erziehungsauftrag der Universität kaum Diskussionsgegenstand, überwiegen seit alters her die universitären Bildungsaufgaben, wenn sich auch aus dem Universitätsorganisations- und dem Studienrecht Erziehungsziele rechtlich ableiten lassen und ein faktisches Interesse am Zulauf zu den „Sinnorientierungsfächern" wie Psychologie, Pädagogik, aber auch Soziologie, Publizistik und Politikwissenschaft erkennbar ist, so war schon im alten Österreich der Bildungs- und Erziehungszweck der Schulen unbestritten, wie der § 1 des vom politischen und kulturellen Liberalismus als eine seiner größten Errungenschaften empfundenen Reichsvolksschulgesetzes v. 14. Mai 1896, RGBl. 62, zeigt: „Die Volksschule hat zur Aufgabe, die Kinder sittlich-religiös zu erziehen, deren Geistestätigkeit zu entwickeln, sie mit den zur weiteren Ausbildung für das Leben erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten auszustatten und die Grundlage für Heranbildung tüchtiger Menschen und Mitglieder des Gemeinwesens zu schaffen." 38
„Das Gebiet, das durch die vom Gesetze gebrauchten Worte abgesteckt wird, ist unübersehbar. Die Antworten, die die Strafbehörde geben kann, sind nicht vorhersehbar." (VfSlg. 4037/1961). 39 Evers, Bildungs- und Erziehungsauftrag, 3745 (Fn. 16).
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Der 1962 erzielte schulrechtliche Kompromiß brachte auf einfachgesetzlicher Ebene mit dem Schulorganisationsgesetz (SchOG) die „geistige"40 und die „organisatorische Einheit"41 des Schulsystems, mit Ausnahme des land- und forstwirtschaftlichen und des Hochschulwesens, zustande. Das SchOG enthält in seinem § 2 die einheitliche Festlegung der Aufgabe der österreichischen Schule, nach der sich nicht nur der Unterricht selbst, sondern die gesamte innere Ordnung aller Schulen zu richten hat: vgl. ζ. B. die §§ 2,17 (1), 43 (1), 47 (1), 58 (1) und 61 (1) Schulunterrichtsgesetz (SchUG) v. 6. Feber 1974, BGBl. 139 - wiederverlautbart 1986 - , in denen immer wieder expressis verbis auf § 2 SchOG Bezug genommen wird, dergestalt die schulrechtliche Tradition eines Jahrhunderts fortsetzend, die freilich noch ältere, bis in die Antike reichende Wurzeln hat. Der 1. Absatz - zweigeteilt - lautet: „Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken42. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen. Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken." Der sogenannte „Zielparagraph" des § 2 SchOG hat keine hohe literarische Konjunktur: Robert Walter und Heinz Mayer bezeichnen ihn als „sehr pathetisch"43, Manfried Welan attestiert ihm, „Wortmusik" 44 zu sein. Nur das verstorbene Mitglied unserer Vereinigung HansUlrich Evers nahm den Zielparagraphen wissenschaftlich ernst und
Den., a. a. O., 33 (Fn. 16). Hengstschläger, Schulrecht, 1073 (Fn. 8): „Die einzelnen Schularten wurden in einem abgestimmten System einander zugeordnet." 4 2 Zurückhaltend reklamiert der Staat nur eine Mitwirkung an der Erziehung für sich. 43 Walter/Mayer, Grundriß, 132 (Fn. 8). 44 Manfried Welan, Der Bildungsauftrag der Universität, in: Höchtl/Windhager (Hrsg.), Bildungspolitik, 326 (Fn. 7). 40 41
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widmete ihm 1982 einen inhaltsreichen, differenzierten und subtilen Aufsatz45. § 2 SchOG legt eine gemeinsame Bildungs- und Erziehungsaufgabe für die allgemeinbildenden und berufsbildenden öffentlichen Schulen aller Stufen sowie für die Anstalten der Lehrer- und Erzieherbildung fest (§ 1 SchOG): „§ 2 gliedert diese Aufgabe in die Bildungsaufgabe, die Jugend mit dem für das Leben und den Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbständigen Bildungserwerb zu erziehen (Abs. 1 Satz 2) sowie in eine individualbezogene (Abs. 1 Satz 1) und eine sozialbezogene Erziehungsaufgabe (Abs. 1 Satz 3). Die individualbezogenen Erziehungsaufgaben bestimmt das Gesetz als eine wertgebundene, aber wertoffene Erziehung der Jugend nach einem Kanon in der christlich-humanistischen Tradition begründeter Werte, an der die Schule mitzuwirken habe. Die sozialbezogene Erziehungsaufgabe bestimmt das Gesetz durch einen Kanon von Bürgertugenden, die bei den jungen Menschen herangebildet werden sollen, und durch die Umschreibung der Aufgaben des Menschen in der Gesellschaft, im Staat und in der Welt, auf deren verantwortliche Wahrnehmung der Schüler vorbereitet werden soll."46 (Hervorhebungen von mir). Der Zielparagraph mit seinen zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen gehört dem Regelungstypus der finalen Programmierung an und ist deshalb rechtlich nicht leicht zu vollziehen. Bei Schulorganisation, Schulzeit etc. ist dies leichter möglich. Die Verwirklichung des Zielbündels stellt hohe Anforderungen an die Abwägungsleistung unter dem Leitstern der Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit, nicht zuletzt unter Rücksichtnahme auf das Elternrecht. Nicht der pädagogische Erfolg, wohl aber Verhalten, Bemühen und Streben von Lehrern und Schülern sind als Pflicht, zumal als Amtspflicht staatlicher Organwalter (Lehrer) durchsetzbar. Es ist interessant, daß bei der Operationalisierung des Zielparagraphen in den vergangenen drei Dekaden, worüber sogleich zu handeln sein wird, ganz allgemein die Momente der Kritikfähigkeit, aber auch der Umweltverantwortung47 immer stärker betont wurden. Auffallend ist auch das Fehlen oder die Beiläufigkeit von Hinweisen auf Subsidiarität
45 Evers, Bildungs- und Erziehungsauftrag (Fn. 16), dort wird auch der zum Teil vom § 2 SchOG abweichende Erziehungsauftrag der land- und forstwirtschaftlichen
Schulen behandelt (42 f.). 46
Evers, Kulturverfassungsrecht, 202 (Fn. 16).
Erziehungsziel Ökologie. Umfrage über die Wünsche der Familien an die Schule, in: Der Standard, 6. Oktober 1993, 9. 47
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und Föderalstruktur der Lebenswelt, überhaupt die Unterbelichtung von Staat und Recht. Eine wichtige Konkretisierungsstufe der Bildungs- und Erziehungsziele der österreichischen Schule stellen die Lehrpläne48 (§ 6 SchOG) als Verordnungen des Unterrichtsministers dar, in denen die Allgemeinen Bestimmungen, das Allgemeine Bildungsziel und die Allgemeinen didaktischen Grundsätze, gefolgt von zahlreichen Detailregelungen, normiert sind. Ich habe das explizit an § 2 SchOG anknüpfende Allgemeine Bildungsziel der Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) der Lehrpläne aus dem Jahre 198449 quantitativ-qualitativ nach den Kriterien „kognitiv", „emotiv/affektiv" und „normativ" untersucht, wobei sich folgende Verteilung der Elemente ergab: 1. kognitiv: 16 2. emotiv/affektiv: 3. normativ: 15.
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Pragmatisch-utilitaristische Zielsetzungen schlug ich den normativen Elementen zu. Das unterverfassungsgesetzliche Rechtsmaterial an Gesetzen, Verordnungen und Erlässen ist reich. Besondere Erwähnung verdient hiebei der Erlaß des Unterrichtsministers v. 11. April 1978 „Politische Bildung in den Schulen"50. Politische Bildung, zumal als bloßes Unterrichtsprinzip mit seiner Eo ipso-Vagheit, läßt einmal die Probleme und Bruchlinien derartiger Zielvorgaben und ihres kompromissarischen Charakters aufblitzen. Bemerkenswert an diesem Erlaß ist das Fehlen des Terminus Staat, der durchwegs durch „Demokratie" ersetzt wird. Die finale Programmierung und die Unbestimmtheit der Erziehungsziele eröffnen dem Lehrer52 durchaus bemerkenswerte pädagogische 48 Dazu auch Diethelm Thumher, Werterziehung als Aufgabe der Schule. Überlegungen zu dem im SchOG festgelegten Erziehungsauftrag anhand der AHS-Lehrpläne, in: Erziehung und Unterricht, 1986, 178-188. 49 Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst v. 14. November 1984, BGBl. 1985/88. 5 0 ZI. 33.464/6-19a/1978. 51 Allgem. zur politischen Bildung: Karl Kalcsics / Wolfgang Manti / Klaus Poier, Herausforderung Steiermark. Eine Initiative zur politischen Bildung, 1993; Wolf gang Manti, Die Uberwindung von Ignoranz und Indifferenz. Politische Bildung als Teil der Allgemeinbildung, in: Caesar Walter Ernst / Markus Jaroschka (Hrsg.), Zukunft beginnt im Kopf. FS 75 Jahre Urania, 1994, 338-342; Elisabeth Morawek, Politische Bildung in den Schulen, in: RdS 8 (1986), 112-117. 52 Umfassend Walter Berka, Die pädagogische Freiheit des Lehrers als Rechtsproblem, in: JB1. 100 (1978), 571-587.
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Spielräume bei der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule „in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit" ( § 1 7 Abs. 1 Satz 1 SchUG). Im Schulalltag kommt auch den Unterrichtsmitteln (§ 14 SchUG) wie Lehrbüchern, Filmen, Landkarten, Präparaten und - zunehmend umstritten - Medienkoffern besonderes Gewicht zu. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der kulturpolitische Schulkompromiß des Jahres 1962 über drei Jahrzehnte - unter wechselnden Parlamentsmehrheiten, wechselnden Regierungen und über die „68er Schwelle" hinaus - von den politischen Kräften beibehalten wurde, wobei sich in der Praxis leichte zeitgeistkonforme Verschiebungen ergaben, ohne daß es jedoch bis jetzt zu einem Bruch der Traditionslinie gekommen wäre, die nach wie vor jüdisch-christliche Überlieferung mit neuhumanistischen (Betonung der Allgemeinbildung und Relativierung eines bloß utilitaristischen Funktionalismus) und kritisch-rationalistischen (Karl Raimund Popper) Elementen zu verbinden trachtet, wobei der letztgenannte Faktor als das leise, aber offenbar allgemein akzeptierte Novum in der Entwicklungsgeschichte des § 2 SchOG erscheint. IV. Zukunftsaspekte Wenn man die Gegenwartstendenzen Revue passieren läßt und vorsichtige Schätzungen möglicher Entwicklungen vornimmt, so ergibt sich folgendes Bild: 1. Die Schulreformbestrebungen, die es in Österreich derzeit gibt, verlaufen konventionell in dem Sinne, daß sie wieder hauptsächlich auf Organisations-, Kompetenz- und Finanzierungsfragen, nicht auf Erziehungsziele abstellen. Neu, ja geradezu umwälzend ist die Tatsache, daß die Reformtexte53 erstmals in der österreichischen Schulgeschichte seit Maria Theresia das aufgeklärt-absolutistische Paradigma verlassen und als ihre Leitbegriffe Dezentralisierung, Regionalisierung, Deregulierung und Autonomie gewählt haben, was - rechtlich gesprochen - zumindest auf einen größeren Spielraum für die Landesverfassungs- und Landesgesetzgebung hinausliefe. Auch der allgemeine exogene Reformdruck durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union dürfte kaum zu
53 Christian Brünner u. a., Föderalisierung, Autonomie und Ende des Parteienproporzes, o. J. (1993); Reinhard Gande / Hans Putzer /Herbert Schwetz (Hrsg.), Schulautonomie. Ein Handbuch für die Praxis, 1994; Josef Thonhauser, Schulentwicklung durch Autonomie in den Schulen? In: VCL. Die Osterreichische Höhere Schule. Organ der Vereinigung christlicher Lehrerinnen und Lehrer an höheren und mittleren Schulen, 45 (1993), H. 1, 1-5.
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einer besonderen expliziten bundesverfassungsrechtlichen 54 Positivierung von Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab des Staates bezüglich der Schule führen, wiewohl die Projektion von Erziehungserwartungen von der Familie auf den Staat zunehmen wird. 2. Di e politischen Träger des Schulkompromisses von 1962, die sozialen Integrationsparteien vom Volksparteitypus (ÖVP und SPO), fielen bei den Nationalratswahlen 1994 unter die Zweidrittelmarke des Art. 14 (10) und 14a (8) B-VG: SPÖ und ÖVP erreichten zusammen bei den abgegebenen Stimmen nur mehr 62,6 % und bei allen Wahlberechtigten gar nur mehr 50,2 %, während die sogenannte Konzentration der Stimmen und Mandate auf die beiden größten Parteien früher durch Jahre hindurch sogar über der 90 %-Marke lag. Die ÖVP verlor ihr „Sperrdrittel" bereits 1990. Damit ist noch nicht gesagt, daß der Schulkompromiß notwendigerweise seine Auflösung erfährt, aber die Wahrscheinlichkeit seiner Veränderung steigt. 3. Das Abbröckeln des Parteieinflusses und die Abschwächung der Partizipationsimpulse könnte - gegenläufig zu den oben erwähnten Autonomiewünschen - geradezu eine „Rehürokratisierung" und Entparlamentarisierung des Schulwesens dergestalt zur Folge haben, daß in den Medien populistisch und charismatisch agierende Persönlichkeiten mit ihren „Chefbeamten", wie es im alten Osterreich hieß, die Schule verwalten. 4. Individualisierung und Ρluralisierung der Lebenswelt, zusammenschießend in einem veränderten Rollenbild der Frau, könnten zur Folge haben, daß Einzelpersonen, Eltern und Kleingruppen grundrechtliche Rechts- und damit stets auch Wertdurchsetzung in zahlreichen Auseinandersetzungen anstreben, die in dezentralisierten Wertkonflikten ausgetragen werden, die erst durch eine sich allmählich stabilisierende Judikatur und Lehre ihre Partikularität abstreifen und zu einer generellen Praxis führen können. Konsistente Gruppen, etwa Lehrer- und Elternverbände, Universitätslehrer, vor allem der Pädagogik, Personalberater, aber auch Richter, gerade der Höchstgerichte, würden hiebei eine gewichtige Rolle spielen. 5. Wir Kinder der Aufklärung unterschätzen in unserer begreiflichen Freude über den Freiheitsgewinn der letzten 200 Jahre bisweilen die soziokulturellen Modernisierungs- und Säkularisierungskosten, die keine „ Verfassungsmagie" aus der Welt schaffen kann. Es stimmt schon, daß die Verfassung nicht nur Spielregel ist, sie ist aber auch keine Zauberformel für alle menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Probleme. Der Staat und seine Schule können nicht allein und von sich aus als der 54
Allenfalls sind noch landesverfassungsrechtliche Verankerungen zu erwarten.
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große Problemloser auftreten. Die von Ralf Dahrendorf als „Böckenförde-Paradox"5i bezeichnete Einsicht lehrt uns, daß der Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann, daß er viel Moral braucht, ja verbraucht, die er selbst nicht produzieren kann. Er bedarf eines ethischen Umfeldes, das bisher in verschiedenen vorstaatlichen Erziehungs- und Sozialisationseinheiten entfaltet wurde, das auszutrocknen und zu zerfallen droht, wenn Ehe, Familie und Kirchen in Krisen geraten. Wer sich nicht in den üblichen rhetorischen Optimismus eines Referatschlusses flüchten will, darf sein Auge nicht vor den vielen Fragezeichen unseres Zukunftshorizonts verschließen.
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S. Ralf Dahrendorf, Freiheit und soziale Bindungen. Anmerkungen zur Struktur einer Argumentation, in: Krzysztof Michalski (Hrsg.), Die liberale Gesellschaft. Castelgandolfo-Gespräche 1992,1993,11; grundlegend Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation. Zuerst 1967, jetzt in ders., Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, 1991, 92-114, zumal 110-114.
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat 4. Länderbericht Schweiz von Prof. Dr. Yvo Hangartner, St. Gallen Inhalt Seite
1. 2. 3. 4.
Grundlagen Auftrag der Volksschule Erziehungsziele Weltanschauliche Neutralität der öffentlichen Schule . .
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1. Grundlagen Die Volksschule - auf die wir uns im folgenden beschränken - ist in der Schweiz Sache der Kantone 1 . Gemäß den Kantonsverfassungen und Schulgesetzen ist jede Gemeinde verpflichtet, eine Schule zu führen, in der die Grundschulpflicht erfüllt werden kann. In der Regel obliegt diese Aufgabe den Einwohnergemeinden; in einzelnen Kantonen bestehen besondere, ebenfalls direktdemokratisch organisierte Schulgemeinden2. Die Bundesverfassung bestimmt im Art. 27 Abs. 2 und 3: „Die Kantone sorgen für genügenden Primarunterricht, welcher ausschließlich unter staatlicher Leitung stehen soll. Derselbe ist obligatorisch und in den öffentlichen Schulen unentgeltlich. - Die öffentlichen Schulen sollen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können." Die Kantone beziehungsweise Gemeinden haben somit Volksschulen zu führen, die dem in Frankreich entwickelten Modell der école publique, gratuite, obligatoire et laïque3 entsprechen. Die Regelung wurde aufgrund des Kulturkampfes in die 1874 totalrevidierte Bundesverfassung aufgenommen 4 . Die Unterrichtsfreiheit als Individualrecht wurde vom Bundesverfassungsgeber - im Gegensatz zu zahlreichen Kantonsverfassungen - bewußt nicht gewährleistet5. Kantonale Schulmonopole, wie sie früher aufgrund einengender Vorschriften zumindest faktisch vereinzelt bestanden 6 , würden heute allerdings dem von der Schweiz in diesem Punkt vorbehaltlos ratifizierten Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte widersprechen 7 . Privatschulen werden aber nur
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S. Art. 27 Abs. 2 bzw. Art. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (BV). 2 Vgl. Hans Bosshard, Die Rechtsordnung der schweizerischen Volksschule, Diss. Zürich 1955, S. 81 ff. und S. 169 ff. 3 Vgl. André de Lauhadère, Traité élémentaire de droit administratif, tòme III, 1966, S. 208. 4 Vgl. Ulrich Lantpert, Das schweizerische Bundesstaatsrecht, 1918, S. 163. 5 Vgl. Eduard His, Geschichte des neuern Schweizerischen Staatsrechts, Band III/2,1938, S. 619; Walther Burckhardt, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, 3. Aufl., 1931, S. 200; Walter Kämpfer, Bestand und Bedeutung der Grundrechte im Bildungsbereich der Schweiz (mit bes. Berücksichtigung des Rechts auf Bildung), in EuGRZ 1981, S. 694. 6 Vgl. His (Fn. 5), S. 622 f.; Kämpfer (Fn. 5), S. 694. 7 S. Art. 13 Abs. 3 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966, AS 1993 725 (SR 0.103.1), für die Schweiz in Kraft seit 18. September 1992. Das erste Zusatzprotokoll zur EMRK vom 20. März 1952 mit der Gewährleistung des Rechts der Eltern, Erziehung und Unterricht ent-
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zugelassen, wenn ihr Unterricht jenem an der öffentlichen Schule gleichwertig ist8. Vor allem in den deutschsprachigen Kantonen besuchen die meisten Kinder die öffentliche Volksschule9. Deshalb kommen zum vornherein Schüler verschiedenster Herkunft in der von der Gemeinde geführten Einheitsschule zusammen. Nicht nur soziale und konfessionelle Unterschiede der Schüler prägen die öffentliche Schule, sondern angesichts des hohen Anteils von Gastarbeitern aus entfernteren Ländern zunehmend auch kulturelle Verschiedenheiten. In vielen städtischen Schulen sind die Ausländerkinder in der Mehrzahl10. Probleme gibt es allerdings weniger mit den Schülern als mit einzelnen Eltern. Nur in ganz ländlichen Gegenden bestehen noch homogene Verhältnisse. 2. Auftrag der Volksschule Die Volksschule hat in erster Linie die Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen unerläßliche Grundkenntnisse weiterzugeben. Die Bundesverfassung fordert in diesem Sinn einen „genügenden Primarunterricht" (Art. 27 Abs. 2 BV). Den Schülern ist zu vermitteln, was jeder Einwohner unter den herrschenden zivilisatorischen Bedingungen wissen muß. Die Schüler sollen jene Fähigkeiten erwerben und entfalten, die notwendig sind, um einen Beruf zu erlernen und auszuüben und die Anforderungen des modernen Lebens selbständig zu meistern11. Die nähere Festlegung dieser Unterrichtsziele obliegt den Kantonen. Der Bundesverfassungsgeber hat auf eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Ausführung des bundesverfassungsrechtlichen Begriffs des genügenden Primarunterrichts verzichtet12. sprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen, wurde von der Schweiz bisher nicht ratifiziert. Siehe auch Art. 29 Abs. 2 des von der Schweiz bisher ebenfalls nicht ratifizierten Ubereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes. 8 S. z.B. § 58 des Aargauer Schulgesetzes vom 17. März 1981; §6 Abs. 1 des Schulgesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 26. April 1979. Vgl. BGE 91 I 490; Herbert Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 1979, S. 466. 9 Im Kanton St. Gallen ζ. B. besuchen auf der Primarschulstufe (7.-12. Altersjahr) gemäß Auskunft des Erziehungsdepartements nur 1,2 % der Kinder eine Privatschule. 10 Rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Schweiz sind Ausländer. 11 Vgl. Marco Borghi, Komm. BV, N. 33 zu Art. 27; Plotke (Fn. 8), S. 46. 12 Vgl. His (Fn. 5), S. 1014 ff. Der Versuch der Bundesversammlung, durch eine institutionalisierte Bundesaufsicht über die Erfüllung der Verpflichtungen der Kantone gemäß Art. 27 Abs. 2 und 3 BV stärkeren Einfluß auf das Schulwesen zu gewinnen, scheiterte in der denkwürdigen eidgenössischen Volksabstimmung vom 26. November 1882. Die Verwerfung der als „eidgenössischer Schulvogt" bekämpften Vorlage
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Die Volksschule soll das Kind aber auch erziehen und ihm in seiner sittlichen Entfaltung helfen 13 . Die Schule ist aufgrund der Schulgesetze neben den Inhabern der elterlichen Gewalt institutionalisierter Erzieher. Es ist eine wesentliche und nicht nur akzessorische Aufgabe der Schule, in Ergänzung der elterlichen Erziehung, aber gerade auch über das jeweilige Umfeld des Kindes hinaus zu erziehen und die Entwicklung der Kinder zu sittlich verantworteter Einstellung und Lebensführung zu fördern 14 . Die Erziehung durch die Schule dient dem Kindeswohl, gleichzeitig aber auch dem öffentlichen Interesse. Die Schule hat aber trotz ihres eigenständigen Erziehungsauftrags zu beachten, daß die Kinder in erster Linie in der Familie erzogen werden 15 . Es ist - in der Sprache des Schweizerischen Zivilgesetzbuches - Aufgabe der Eltern, „das Kind ihren Verhältnissen entsprechend zu erziehen und seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung zu fördern und zu schützen" (Art. 302 Abs. 1 ZGB). Die Schule hat daher nach Harmonisierung häuslicher und schulischer Erziehung zu streben. Sie muß darauf achten, daß auch Konflikte mit Eltern, die von der Mehrheit abweichende Auffassungen und Verhaltensweisen haben, nach Möglichkeit vermieden werden. Aus diesem Grund ist zum Beispiel im Sexualkundeunterricht Zurückhaltung geboten. Ganz lassen sich Konflikte jedoch nicht ausschalten, soll die Schule ihren selbständigen Erziehungsauftrag erfüllen. Nur über die religiöse Erziehung der Kinder bis zur religiösen Mündigkeit nach erfülltem 16. Altersjahr bestimmt gemäß ausdrücklicher Vorschrift der Bundesverfassung (abschließend) der Inhaber der elterlichen Gewalt (Art. 49 Abs. 3 BV; Art. 303 ZGB) 1 6 . Der Bereich religiöser Erziehung ist allerdings nicht leicht abzugrenzen. Schutzgut der Religionsfreiheit sind auch Verhaltensweisen, die - wie religiöse Kleider- und Speisevorschriften - unmittelbarer Ausdruck religiöser Überzeugungen sind 17 . Die Schule hat hierüber keine Wertungen zu äußern. Sie hat hinwar derart wuchtig, daß das Bundesparlament nie mehr einen entsprechenden neuen Versuch unternahm. Vgl. zum historischen Streit über die bundesgesetzliche Ausführung der Verfassungsvorschriften über die Volksschule L. R. von Salis, Schweizerisches Bundesrecht, Band 5, N. 2460, S. 558 ff. 13 Vgl. Plotke (Fn. 8), S. 46 f. S. a. Art. 29 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes. 14 Vgl. Karl Alexander Eckstein, Schule und Elternrecht, Staatliche Bildungsziele und elterliche Befugnisse im öffentlichen Schulwesen, Diss. Basel 1979, S. 226 f. 15 Vgl. Thomas Fleiner, Die Rechte der Eltern gegenüber der Schule, in AJP/PJA 1993, S. 666 ff.; Plotke (Fn. 8), S. 42 und 46 f. 16 Vgl. Eckstein (Fn. 14), S. 247 f. 17 Vgl. B G E 119 Ia 178 E. 4c, 184 f., und Bemerkungen von Yvo Hangartner dazu in AJP/PJA 1994, S. 622 ff.; Malcolm N. Shaw, Freedom of Thought, Conscience and Religion, in: R.ST.J. Macdonald et al. (Eds.), The European System for the Protection of Human Rights, 1993, S. 458 f.
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gegen auch in den Bereichen, die über Glaubens- und Kultusfragen im engeren Sinn hinausführen, die Fähigkeiten zu vermitteln, die ein junger Mensch unbedingt erwerben muß 1 8 . So hat die Schule unter den heutigen Gegebenheiten zum Beispiel über die verschiedenen Möglichkeiten der Verhütung einer HIV-Infektion aufzuklären, auch wenn Eltern aus religiösen Gründen bestimmte Vorkehren ablehnen. Das Gebot der Rücksichtnahme auf die Entscheidungen und Erziehungsziele der Eltern gilt in solchen religiös beeinflußten Bereichen aber selbstverständlich in ganz besonderem Maße.
3. Erziehungsziele Die schweizerischen Kantone formulieren die Erziehungsziele ähnlich wie die Verfassungen und die Schulgesetze der deutschen Länder 19 . Ein repräsentatives Beispiel ist § 1 des Solothurner Volksschulgesetzes 20 . E r lautet wie folgt: „Die solothurnische Volksschule unterstützt die Familie in der Erziehung der Kinder zu Menschen, die sich vor Gott und gegenüber dem Nächsten verantwortlich wissen und danach handeln. Sie entfaltet die seelischen, geistigen und körperlichen Kräfte in harmonischer Weise, erzieht zu selbständigem Denken und Arbeiten und vermittelt die grundlegenden Kenntnisse zur Bewährung im Leben. - Die Volksschule respektiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Sie führt die Kinder von unterschiedlicher Herkunft zur Gemeinschaft, fördert die Erziehung zur Mitverantwortung in unserem demokratischen Staatswesen und weckt die Achtung vor der heimatlichen Eigenart." Andere Kantone haben etwas andere Formulierungen gewählt 21 . Es würde zuweit führen, hier auf Unterschiede und Nuancen der Texte einzugehen. Die Gesetzgeber ringen zwar erfahrungsgemäß um die Formulierungen, denn diese ergehen in einem weltanschaulich und politisch sensiblen Bereich. Die Texte sind aber zu vage, als daß sie die Praxis über eine allge-
18 Vgl. Eckstein (Fn. 14), S. 248 ff.; Elena Bannwart-Maurer, Das Recht auf Bildung und das Elternrecht, Art. 2 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Diss. Zürich 1975, S. 126 f. 19 Vgl. Hans-Ulrich Evers, Die Befugnis des Staates zur Festlegung von Erziehungszielen in der pluralistischen Gesellschaft, 1979, S. 34 ff.; Frank Hennecke, Staat und Unterricht, 1972, S. 51 ff.; Hans-Joachim Reeb, Bildungsauftrag der Schule, 1981, S. 200 ff. 20 Vom 14. September 1969. 21 In einzelnen Kantonen finden sich die Regelungen bereits in der Verfassung; s. Art. 42 KV BE, Art. 27 KV OW, Art. 3 Abs. 3 KV NW, Art. 17 KV FR, Art. 104 Abs. 1 und 2 KV SO, § 94 Abs. 1 und 2 KV BL sowie Art. 32 KV JU.
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meine, ohnehin akzeptierte Richtlinie hinaus beeinflussen könnten 22 . Einzelne Kantone haben denn auch früher ganz auf gesetzlich umschriebene Erziehungsziele verzichtet 23 . Aus den allgemein formulierten Erziehungszielen läßt sich nicht mehr herauslesen als der Auftrag der Schule, in Ergänzung der elterlichen Bemühungen die Jugendlichen zu einem sittlich verantworteten Leben heranzuführen. Dabei geht es der Schule als öffentlicher Einrichtung vorab darum, die Gemeinschaftsfähigkeit der heranwachsenden Menschen zu fördern und sie zu pflichtbewußten Gliedern der Gesellschaft zu erziehen. In der Demokratie, gerade auch in der Demokratie schweizerischer Prägung mit ihren zahlreichen Volksabstimmungen über Sachfragen von zum Teil existentieller Bedeutung für die Bevölkerung, geht es wesentlich auch darum, Staatsbürger heranzuziehen, die bereit und fähig sind, die Geschicke des Gemeinwesens mitzutragen und mitzugestalten 24 . Die allgemeine Bildung des jungen Menschen vollzieht sich allerdings mehr im engern familiären und gesellschaftlichen Umfeld. Dies gilt aufgrund der Erfahrungen in der Schweiz auch für den staatsbürgerlichen Bereich 25 . Praktisch bedeutsamer sind daher für die Schule die immer zahlreicher werdenden besonderen Erziehungsziele, die in Lehrplänen, Richtlinien zu einzelnen Fragen und ganz einfach in der Schulpraxis konkretisiert werden. Solche besonderen Erziehungsziele sind etwa die Erziehung zu Toleranz gegenüber Minderheiten, zum Umweltschutz, zu Disziplin im Straßenverkehr, zu Aids-Prävention und zu gesundheitsbewußter körperlicher Betätigung und Ernährung. Dabei geht es um die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, aber eben auch um Erziehung zu verantwortungsvollem Handeln gegenüber den Mitmenschen und sich selbst und zu Engagement im Dienste gesellschaftlicher Anliegen. Die Schule kann erzieherisch dort am fruchtbarsten wirken, wo Ausbildung und Bildung eng zusammenhängen. Auf diese Bereiche sollte sich die Diskussion über den Erziehungsauftrag der Schule konzentrieren. Hier lassen sich auch die vertiefenden Einsichten für die Erziehungsverant2 2 Vgl. Gerd Roellecke, Erziehungsziele und der Auftrag der Staatsschule, in: FS Hans Joachim Faller, 1984, S. 187 ff. Peter Haberle spricht von den Erziehungszielen als „soft law" des Kulturverfassungsrechts; vgl. Erziehungsziele als Orientierungswerte im Verfassungsstaat, 1981, S. 69 ff. N o c h weiter ausgreifend Peter Haberle, Verfassungsprinzipien als Erziehungsziele, in: FS Hans Huber zum 80. Geburtstag, 1981, S. 211 ff. 23 Vgl. Eckstein (Fn. 14), S. 161. 24 Vgl. Bosshard (Fn. 2), S. 48 ff. 25 Vgl. Bosshard (Fn. 2), S. 50 f. und die Hinw. in Fn. 31 dazu.
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wortlichen selbst gewinnen, zum Beispiel das Wissen, daß es im Umgang mit Minderheiten nicht nur um Toleranz geht. Toleranz heißt nämlich Duldung 26 , Duldung von etwas, das man eigentlich verneint; das Ziel muß daher nicht bloß die Erziehung zur Toleranz, sondern die Erziehung zum Respekt des andern, zur Bejahung der pluralistischen Gesellschaft und demokratischen Vielfalt sein. Die schweizerische Schule muß sich im besondern auch bemühen, die Jugendlichen in ein Land zu integrieren, das sprachlich-kulturell nicht eine Einheit bildet, sondern - als ein Europa im Kleinen - auf der Vielfalt seiner vier Nationalsprachen beruht. Die Kantone unterrichten die Schüler, auch die vielen Kinder fremdsprachiger Gastarbeiter, in der Sprache, die auf dem jeweiligen Territorium vorherrscht, und sie dürfen trotz grundsätzlicher Anerkennung der Sprachenfreiheit um der Integration willen auch von Privatschulen sprachlicher Minderheiten verlangen, daß die nach dem Territorialitätsprinzip maßgebende Sprache vermittelt wird 27 . Anderseits gehört es zu den selbstverständlichen Erziehungszielen, die Verständigung zwischen den Angehörigen der Sprachregionen zu fördern; aus diesem Grund wird die zweite Landessprache heute bereits an den Primarschulen gelehrt28. Knaben und Mädchen sind im Interesse der Chancengleichheit in Ausbildung und Erziehung absolut gleich zu behandeln (Art. 4 Abs. 2 BV) 29 . Weil die Bundesverfassung auch die faktische Gleichstellung der Geschlechter im Alltag anstrebt 30 , ist die gelebte Geschlechtergleichheit wenn auch erst in jüngster Zeit - zu einem wichtigen Erziehungsziel geworden. 4. Weltanschauliche Neutralität der öffentlichen Schule Die Schulfälle, die als schulrechtliche Fälle behandelt werden, betreffen vor allem die Schranken erzieherischer Betätigung der öffentlichen Schule. Sie ergeben sich aus dem Gebot weltanschaulicher und politischer Neutralität 31 . Vgl. die Toleranzedikte des 17. und 18. Jahrhunderts. Vgl. BGE 91 1480 E. 2,486 ff. 2 8 Wobei der einzelne Kanton selbst entscheidet, welches für ihn die zweite Landessprache ist. Uri hat sich zum Beispiel nicht für die französische, sondern für die italienische Sprache entschieden. 2 9 Vgl. Jörg Paul Müller, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, 1991, S. 229 f. 30 Vgl. Müller (Fn. 29), S. 231. 31 Vgl. Ulrich Weder, Die innenpolitische Neutralität des Staates - Ihre Bedeutung für die Schweiz, Diss. Zürich 1981, S. 111 ff.·, Josef Marschall, Das Prinzip der Konfessionslosigkeit der öffentlichen Schulen in der Bundesverfassung, Diss. Zürich 1948. 26 27
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Die Bundesverfassung bestimmt ausdrücklich, daß die religiöse Erziehung der Kinder dem Inhaber der elterlichen Gewalt zusteht (Art. 49 Abs. 3 Β V) 3 2 . Im Einverständnis mit ihm dürfen jedoch auch Dritte Glaubensinhalte vermitteln. Aus diesem Grund ist es zulässig, wenn die Lehrpläne öffentlicher Schulen (fakultativen 33 ) Religionsunterricht für Angehörige von Religionsgemeinschaften vorsehen und die Studienpläne ihnen hierfür normale Unterrichtszeiten einräumen 34 . Auch religiöses, nicht säkuralisiertes Brauchtum darf in der Schule gepflegt werden, sofern die Schüler der gleichen Religion oder Konfession angehören und kein Inhaber elterlicher Gewalt Einspruch erhebt. Unter den gleichen Voraussetzungen ist auch das Schulgebet zulässig 35 . Die Bundesverfassung fordert keine doktrinär verstandene laizistische Schule. Hingegen verlangt die Bundesverfassung ausdrücklich, daß die öffentlichen Schulen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können («sans qu'ils aient à souffrir d'aucune façon dans leur liberté de conscience ou de croyance»; Art. 27 Abs. 3 BV) 3 6 . Diese Verpflichtung besteht heute auch aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 9) 37 und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (Art. 18) 38 . In der üblichen gemischten Zusammensetzung der Klassen darf die öffentliche Schule deshalb nicht entsprechend einer bestimmten Religion, Konfession oder Weltanschauung unterrichten. Sie darf in diesem Sinn nicht indoktrinieren. In der konfessionell gemischten Schweiz wird traditionsgemäß vor allem darauf geachtet, daß der Unterricht in der öffentlichen Schule nicht einseitig nach römisch-katholischen oder protestantischen Auffassungen
Vgl. Burckhardt (Fn. 5), S. 456 ff. Vgl. Burckhardt (Fn. 5), S. 200; Ulrich Häfelin, Komm. BV, N. 61 zu Art. 49; Bosshard (Fn. 2), S. 78; Schreiben der Justizabteilung vom 19. April 1938, VEB 12 (1938), Nr. 20, S. 42 f. (Zulässigkeit obligatorischen Religionsunterrichts, soweit nicht ausdrücklich darauf verzichtet wird). 34 Vgl. Entscheid des Bundesrates vom 1. März 1938, VEB 12 (1938), Nr. 21, S. 44 f.; Werner Kurt Bräm, Religionsunterricht als Rechtsproblem im Rahmen der Ordnung von Kirche und Staat, Diss. Basel 1978, S. 48 ff.; Plotke (Fn. 8), S. 134 f.; Peter Karlen, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Schweiz, Diss. Zürich 1988, S. 392. 35 Zu diesen Fragen liegt allerdings kein publizierter Entscheid vor. In der Literatur gehen die Meinungen auseinander; vgl. Karlen (Fn. 34), S. 395 f. Die hier vorgetragene differenzierende Lösung wird u. a. vertreten von Burckhardt (Fn. 5), S. 200 Fn. 2; Plotke (Fn. 8), S. 162; Borghi (Fn. 11), N. 79 zu Art. 27. 36 Vgl. Burckhardt (Fn. 5), S. 200 ff.; Häfelin (Fn. 33), N. 55 ff. zu Art. 49; BGE 116 Ia 252 (Kruzifix-Urteil). 37 AS 1974 2151 (SR 0.101), für die Schweiz in Kraft seit 28. November 1974. 38 AS 1993 725 (SR 0.103.1), für die Schweiz in Kraft seit 18. September 1992. 32
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vermittelt wird. Größere Schwierigkeiten bestehen hinsichtlich der zunehmenden Zahl von Schülern, die konfessionslos sind oder dem Islam oder einer anderen fremd- oder neuartigen Religionsgemeinschaft angehören. Altere, aber auch neuere Kantonsverfassungen und Schulgesetze sehen ausdrücklich vor, daß die Schule den Zweck habe, die ihr anvertraute Jugend „nach christlichen Grundsätzen" heranzubilden 39 . A n gesichts der Pflicht zur Respektierung der Glaubens- und Gewissensfreiheit aller Schüler besteht Ubereinstimmung darüber, daß mit solchen Formulierungen lediglich gemeint sein kann - aber immerhin gemeint ist - , daß die Schule christlichen Grundwerten, die auch in der säkularisierten Gesellschaft der Gegenwart akzeptiert sind, verpflichtet ist 40 . In dieser Interpretation wurde die Formulierung von den zur Entscheidung solcher Streitigkeiten zuständigen politischen Bundesbehörden als zulässig angesehen 41 . Insoweit besteht aber doch eine Schranke der Glaubens- und Gewissensfreiheit von Schülern, die weltanschaulich anders geprägt sind. Diese Einschränkung muß klar gesehen werden. Die Schule, die erzieht, kann ethischen Werten gegenüber nicht indifferent sein. Ethische Werte aber werden im Kontext der Kultur einer Gesellschaft entwickelt und konkretisiert. Die Schule, die auf das Leben in dieser Gesellschaft vorberei-
39 S. z. B. Art. 1 Abs. 3 des Berner Gesetzes vom 2. Dezember 1951 über die Primarschule; Art. 27 der Obwaldner Kantonsverfassung vom 19. Mai 1968; Art. 14 Abs. 3 der Nidwaldner Kantonsverfassung vom 10. Oktober 1965; Art. 2 Abs. 1 zweiter Satz des appenzell-innerrhodischen Schulgesetzes vom 29. April 1984. Art. 17 der Freiburger Staatsverfassung vom 7. Mai 1857 verlangt die Organisation und Leitung der öffentlichen Erziehung und des öffentlichen Unterrichts „in religiösem und vaterländischem Sinne" und bestimmt, daß der Geistlichkeit ein „mitwirkender Einfluß darauf" eingeräumt wird. Diese Vorschriften sind heute freilich im Sinn der Bundesverfassung von 1874 zu relativieren. 40 Vgl. Häfelin (Fn. 33), N. 56 zu Art. 49; Karlen (Fn. 34), S. 387 f.; Dieter Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, Tübingen 1993, S. 348; Plotke (Fn. 8), S. 155 ff. Eingehend zum Thema Gerald Petitjean, Die christliche Grundlegung der Schule, Diss. Basel 1972 (ungedruckt). 41 Vgl. Entscheid des Bundesrates vom 11. Januar 1984, VEB 51 (1987) I Nr. 7, S. 48 ff.; Entscheid der Bundesversammlung vom 14. Dezember 1984/25. September 1986, Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, Nationalrat, 1984, S. 1894 ff., und Ständerat, 1986, S. 515 ff. Ebenso Meinungsäußerung des EJPD vom 21. Oktober 1940, wo aber wegen möglicher Mißverständnisse von der Aufnahme einer solchen Vorschrift in ein Schulgesetz abgeraten wird; vgl. VEB 14 (1940), Nr. 12, S. 25 f. - Die Bundesversammlung entscheidet in Streitigkeiten über Beschwerden wegen Verletzung von Art. 27 Abs. 2 und 3 BV als letzte Instanz aufgrund von Art. 79 in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren, SR 172.021.
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tet, muß allen Schülern, gerade auch den aus anderen Kulturkreisen zugezogenen Schülern, die Grundwerte der Gesellschaft vermitteln, der sie angehören 42 . In diesem Sinn hat das schweizerische Bundesgericht in einem Entscheid 43 , der den koedukativen Schwimmunterricht einer islamischen Schülerin betraf, das Mädchen zwar aufgrund einer Rechtsgüterabwägung dispensiert. Es hat aber gleichzeitig festgehalten, die von den Eltern vertretenen Glaubensansichten hätten gegenüber dem Kindeswohl hintanzustehen, wenn das Kind zum Beispiel „in seiner Entwicklung in einem Maße eingeschränkt würde, daß die Chancengleichheit - einschließlich derjenigen zwischen den Geschlechtern - nicht mehr gewahrt wäre, beziehungsweise wenn es die Lehrinhalte nicht vermittelt erhielte, die in der hiesigen Wertordnung als unverzichtbar gelten" 44 .
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Vgl. Marschall (Fn. 31), S. 103 ff. Vgl. B G E 1191a 178. B G E 119 Ia 178 E. 8a, S. 194 f.
5. Aussprache und Schlußworte
Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat Vorsitzender (Schneider): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst Ihnen, den beiden Referenten und den Berichterstattern zu Osterreich und der Schweiz, im Namen des Vorstands noch einmal sehr herzlich für die Vorträge danken. Wir fühlen uns bereichert und angeregt zur Diskussion. Wenn man Ihre Ausführungen allesamt noch einmal Revue passieren läßt, könnte man fast den Eindruck gewinnen, daß diejenigen Länder, welche die Erziehungsziele nicht auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben haben, ihnen dank der einfachgesetzlichen Regelungen eine wesentlich größere Bedeutung beimessen, so daß man sich fast fragen könnte, ob sie für die Praxis nicht in Gesetzen oder Lehrplänen sehr viel besser, wirksamer uns sachnäher piaziert sind als in der Verfassung. Das wäre aber schon ein Beitrag zur Diskussion. Ich eröffne hiermit die Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand und möchte gleich zu Beginn darum bitten, das Erziehungsziel „Nächstenliebe" auch einmal unter uns walten zu lassen und Rücksicht auf die Nachredner zu nehmen. Dann könnte es uns trotz der Vielzahl von Wortmeldungen, die ich bereits vorliegen habe, gelingen, allen, die etwas sagen möchten, gerecht zu werden, ohne daß sie von dem, was sie zu Gehör bringen wollen, wesentliche Abstriche machen müßten. Fassen Sie sich also bitte kurz. Häberle: Herr Vorsitzender, verehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Referenten: Wer in unserem Kreis die Diskussion eröffnet, hat in Oppermannsch.tr Tradition die Referate zunächst wertend zu vergleichen die heutigen sind ja durchaus kontrastreich. Ich versuche sogleich einige größere Linien und Zusammenhänge herzustellen. In diesem Sinne zwei Vorbemerkungen und drei Akzente setzende Nachbemerkungen. Erstens zur Kontinuität: Das heutige Thema steht in der größeren Tradition der unverzichtbaren inhaltlichen, kulturellen Grundierung der offenen Gesellschaft bzw. freiheitlichen Demokratie. Unsere Vereinigung hat sie Stück für Stück erarbeitet. Erinnert sei an die Münchner Tagung unter Herrn Zacher zum Thema „Familie" (1986), zuvor an Konstanz und
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Aussprache
Köln unter der Vorstandschaft von Herrn Lerche bzw. die Themen „Grundpflichten" sowie „Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen" (1982/83). In diesem größeren Kontext darf man das heutige Thema sehen, und einige Passagen der Referate gingen in ihrem Verweis auf die Familie darauf ein. Daran schließt meine zweite Vorbemerkung an, zur Aktualität. Ich vermag zwar nichts so Aktuelles zu bieten, wie das von Herrn Manti wiederholte Zitat eines österreichischen Fußballstars. In der Publizistik unserer Tage findet sich aber die These, der Erziehungsauftrag sei heute praktisch von der Familie, dem Staat und den Kirchen auf die Medien, insbesondere das Fernsehen übergegangen. Wenn dem so ist, ergibt sich daraus die dogmatische Frage, ob wir um eine „Drittwirkung" der Erziehungsziele, d. h. ihre Wirkung gegenüber dem öffentlichrechtlichen, aber auch privaten Fernsehen ringen müssen, um Entartungen und Mißbräuchen, z. B. in Sachen Brutalität, „Sex and Crime" entgegenzutreten. Ein Referent hat Rundfunkgesetze, bzw. ihre ethischen Grundwerte zitiert, die in diese Richtung deuten, doch muß das effektiv gemacht werden. Es folgen meine drei Nachbemerkungen, hier die erste: Welches Verständnis von „Erziehung" haben wir, was soll sie? Hier müssen wir in der ganzen Tiefe der europäischen Kulturgeschichte arbeiten. Das beginnt mit der vorklassischen Sentenz von Heraklit: Erziehung gleiche nicht dem Füllen eines Fasses, sondern dem „Entzünden eines Lichtes". Wir sollten im Geiste Goethes und Schillers fragen nach dem Zusammenhang von Freiheit und Bindung bzw. Bildung, Erziehung und des Menschengeschlechts, Freiheit aus tradierter und offener Kultur. Es geht auch um Erziehung zu den Menschenrechten, wie dies die Menschenrechtspakte verlangen und wie der Erstreferent in seinem schönen völkerrechtlichen Exkurs nachgewiesen hat. Hier muß das reiche Erbe des deutschen Idealismus eingebracht werden, etwa Hegels Deutung der Erziehung als „zweiter Geburt" des Menschen. Vor allem ist Rousseau vom „Kopf auf die Füße" zu stellen, also nicht „Zurück zur Natur", sondern im Sinne Arnold Gehlens „Zurück zur Kultur". Wir erleben derzeit schmerzlich in Ex-Jugoslawien, wie rasch der Mensch in den barbarischen Naturzustand zurückfallen kann. Liegt also doch ein Stück Wahrheit beim Pessimismus von T. Hohhesi - Meine zweite Nachbemerkung: Es besteht aller Grund, auch aus Reverenz vor dem genius loci von Halle, daß wir uns die schöpferische Fortschreibung der Erziehungsziele in den neuen ostdeutschen Länderverfassungen vergegenwärtigen, auch die hier zu leistende kulturelle Sozialisation zum Verfassungsstaat hin. Herr Dittmann und Herr Bothe haben dies erwähnt (LS 10 bzw. 27). Im Umbruch der so glücklichen Wende vom totalitären Staat zur freiheitlichen Demokratie erkennen wir die Funktion von Erziehung, den inneren, theoretischen
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Zusammenhang ihrer Ziele mit den substantiellen Prinzipien der Verfassung, fast im Sinne einer neuen Grundwerte-Debatte. So finden wir neu die Erziehung zum Umweltbewußtsein, auch in Verantwortung vor künftigen Generationen. Ausnahmsweise beharre ich auf dem von Herrn Koreferenten als solchen freundlich genannten „Irrtum", d. h. auf meiner These von der „pädagogischen Verfassungsinterpretation". Bayern hat in verfassungsändernder Volksabstimmung etwa 1984 die Erziehungsziele des Art. 131 („Verantwortungsbewußtsein für Natur und Umwelt") fortgeschrieben und im gleichen Atemzug parallel zu diesem soft law des Kulturverfassungsrechts den juristischen Umweltschutz als „andere Seite" verstärkt, durch das „hard law" der Rechts- und Abwägungsprinzipien des Art. 141. Rechthaberisch sei gegenüber Herrn Dittmann, mit dem mich ja das Schwäbische verbindet, auf der „Pädagogischen Verfassungsinterpretation" beharrt. Wenn man seinen Leitsatz 7 genau liest und prüft, wie er die Menschenbildjudikatur des BVerfG fruchtbar gemacht hat, wenn man sieht, wie Herr Bothe aus Art. 20 und dem neuen Europa-Artikel 23 G G Erziehungsziele „herausgezuselt" hat (Zitat Manti), so bestätigt sich die Unentbehrlichkeit pädagogischer Verfassungsinterpretation. Ich sage dies nur in Bangigkeit, da man ja als erster Redner nur loben, nicht kritisieren soll. - Zuletzt die dritte Nachbemerkung, Stichwort „Mitmenschlichkeit, Gemeinsinn". Wir alle kennen die einfach fabelhaften Ergebnisse der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat (1993). Sie alle wissen um die interessante Diskussion, ob und inwiefern ein neuer Art. 2 a ins deutsche Grundgesetz eingebaut werden soll. Nach meiner Auffassung gehört der Orientierungswert „Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn", der doch im Grunde nur eine Fortschreibung der „Brüderlichkeit", des oft vergessenen Ideals der französischen Revolution (so Herb. Krüger) ist, in der Tat nicht in den Grundrechtsteil. Indes hat er seine ideelle Entsprechung bzw. biographische Vorstufe in den schon klassischen gemeindeutschen Erziehungszielen für den jungen Bürger, wie „Verantwortungsfreudigkeit", „Hilfsbereitschaft" etc. Der humanistische Orientierungswert „Mitmenschlichkeit, Gemeinsinn" nähme sich inhaltlich und systematisch in der insoweit zu ergänzenden Präambel des Grundgesetzes am besten aus. Vielen Dank. Oppermann: Herr Vorsitzender, meine Herren Referenten, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir schulden dem Vorstand großen Dank, daß er dieses Thema hier in Halle, also in Ostdeutschland, gewählt hat. Ich habe mich im ersten Moment gefragt, ob unser Schulthema einen Bezug zur Wiedervereinigung hat. Wir haben uns in der Vereinigung mehrfach mit der deutschen Einheit befaßt, zweimal unter Herrn Vogel
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Aussprache
in Berlin 1990 und in Gießen 1991, grundsätzlich, sowie mit der Rechtsstaatlichkeit der Wiedervereinigung und dann 1992 in Bayreuth mit der finanziellen Seite - und jetzt die Kultur! Herr Schmitt Glaeser hat es gestern abend gesagt: Die Kultur, wenn ich jetzt einmal die Schule zur Kultur rechnen darf, berührt einen der wichtigsten Aspekte der Wiedervereinigung. Es geht um die Rückbesinnung auf die innere Gemeinsamkeit. Davon ist in beiden Referaten über die ostdeutschen Landesverfassungen einiges angeklungen. Ich würde dabei den Akzent nicht so sehr darauf legen, was die ostdeutschen Landesverfassungen Neues gebracht haben. Das ist alles wichtig und richtig. Aber was besonders ins Auge sticht, ist - ich darf einen Ausdruck von Herrn Dittmann aufgreifen - der gemeindeutsche Kanon in den Bildungsbestimmungen. Er ist in den ostdeutschen Landesverfassungen ebenso wie in den westdeutschen enthalten. Diese gemeindeutsche Verfassungstradition ist eine wichtige Voraussetzung für die innere Wiedervereinigung. Die Kultur ist der gründende Grund für das Übrige. Wir kennen in Europa - beide Referenten haben zu meiner Freude Europa angesprochen - das berühmte Wort von Jean Monnet: „Wenn ich es noch einmal zu tun hätte, ich würde mit der Kultur anfangen". Weshalb? Weil ohne die gemeinsame Kultur nichts Beständiges entstehen kann. Insofern greife ich gerne das Wort von Herrn Dittmann von der „Schule der Nation" auf. Herr Vorsitzender, Sie haben es ein wenig kritisch kommentiert; aber wenn man sagen würde, „Schule der Kulturnation", dann klingt es schon freundlicher. Vielleicht können wir uns auf dieser Ebene einigen. Es war einer der mehr grundsätzlichen Dissense, wenn ich es richtig gesehen habe, zwischen Ihnen, Herr Bothe, und dem Zweitreferenten, der Akzent auf der Schule der Nation einerseits und auf der Schule der Multikulturalität andererseits. Im übrigen habe ich, wenn ich die unterschiedlichen methodischen Ansätze der beiden Referate einmal beiseite lasse, gar nicht so viel Dissens entdeckt, wie es nach einigen plakativen Formulierungen zunächst den Anschein hatte. „Schule der Nation" in diesem Sinne einer Förderung der inneren Wiedervereinigung ist meines Erachtens ein richtiges Wort am Platze. Ich habe auch nichts gegen die „Schule der Multikulturalität", würde dieses Wort allerdings nicht so hoch aufhängen, Herr Bothe. Im wesentlichen ist damit der Toleranzgedanke angesprochen, den Sie mit Recht erwähnt haben. Die Schule bei uns in Deutschland ist zunächst einmal genau wie in Österreich, in der Schweiz, eine Schule des jeweiligen Staates oder der jeweiligen Nation. Sie sollte sich heute zu den anderen Völkern Europas öffnen, der Toleranzgedanke bringt das zum Ausdruck. Noch etwas anderes zu den Referaten. Wenn ich mir die Titel der beiden Referate ansehe, entdecke ich eine interessante Differenz. Herr Bothe hat die Worte „der Schule" weggelassen. Erziehungsauftrag und Erzie-
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hungsmaßstab im freiheitlichen Verfassungsstaat, heißt es bei ihm. Ich weiß nicht, ob das ein technischer Fehler war. Der vollständige Titel, wie er im Programm ausgedruckt ist, lautet: „Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab der Schule im freiheitlichen Verfassungsstaat". Als ich beiden Referenten zuhörte, hatte ich das Gefühl, Referate zu hören über das Thema: „Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab des Staates im freiheitlichen Verfassungsstaat". Darin stimmten beide Referenten überein. Man hätte das Thema anders anpacken können. Ich würde grundsätzliche Zustimmung signalisieren zum Erziehungsauftrag des Staates, insbesondere des freiheitlichen Verfassungsstaates. Wir stehen nun einmal in diesem Zusammenhang in Deutschland auf dem Boden einer alten Tradition, nämlich auf dem Boden der großartigen Leistungen des preußisch-deutschen Kulturverwaltungsstaates seit dem 19. Jahrhundert. Die Schule ist bei uns Staatsschule, 7 % Privatschule in Deutschland gegenüber 71 % in den Niederlanden, vielen Dank, Herr Manti, für die wichtige Information! Da gibt es historische Unterschiedlichkeiten, während Osterreich und Deutschland insoweit nahe beieinanderliegen. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie der Prozentsatz in der Schweiz ist, Herr Hangartner, aber wenn ich mir die Schweizer Gemeindeschule ansehe, habe ich immer das Gefühl, daß hier Privates mit hineinschwingt. Wir stehen in Deutschland eben immer noch auf den Schultern des Etatismus. Bis zu den Schultern, könnte man sagen, stehen wir noch im Etatismus. Hier möchte ich meine eigentliche Frage ansetzen. Wir unterhalten uns morgen über die Privatisierung der Verwaltungsaufgaben. Da hat man manchmal das Gefühl, ob nicht auch im Kulturbereich in Deutschland Deregulierung, Privatisierung, Liberalisierung angesagt sind. Gerade wenn man die Selbstverwirklichung - beide Referenten haben Art. 2 Abs. 1 G G mit Recht hervorgehoben - auf die Fahnen schreibt, ist diese Selbstverwirklichung des Individuums etwas Privates. Stellen wir doch einmal einige zentrale Normen des Grundgesetzes nebeneinander. Zunächst die Medienfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG: Hier hat bekanntlich ein großer Deregulierungsprozeß mit dem Entstehen der dualen Rundfunkordnung bereits eingesetzt. Vielleicht ist die Stunde nicht fern, in der sogar das Bundesverfassungsgericht sich zu einer geläuterten Auslegung des Art. 5 Abs. 1 GG im Sinne individueller Rundfunkfreiheit durchringt. Zweitens die Privathochschulfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG: Herr Thieme hat ein ganzes Buch darüber geschrieben. Auch wenn Witten-Herdecke vom Staat subventioniert werden muß, ist hier manches in Bewegung gekommen. Und als Drittes: die Privathochschulfreiheit des Art. 7 Abs. 4 GG. Wenn ich die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Waldorf-Schulen und bei anderen Privatschulen vor mir sehe, scheint mir ein allmähliches Umdenken in der Verfassungsinter-
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pretation anzuheben. Das staatliche Schulehalten im Sinne des Art. 7 Abs. 1 GG bleibt in seinem Recht stehen. Trotzdem wird das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Kulturbereich im Laufe der letzten Jahrzehnte in Deutschland verfassungsrechtlich allmählich etwas anders gewichtet, als es früher der Fall war, nämlich im Sinne prinzipieller Gleichberechtigung. Zum Schluß noch etwas zu den Fakten. Herr Bothe, Sie haben sehr stark Fakten in Ihr Referat eingebracht. Ich halte das für richtig. Ich hätte es sonst meinerseits getan. Freilich kann man eben über diese Fakten streiten. Ist die Familie wirklich so tot, wie Sie es dargestellt haben? Da gibt es ganz andere soziologische Untersuchungen. Totgesagte leben manchmal länger. Auf jeden Fall gilt Art. 6 GG weiter; es ist vielleicht verfassungsrechtlich sogar geboten, gewissen faktischen Entwicklungen juristisch entgegenzutreten, ihnen zu widerstehen. Auf der anderen Seite stimme ich Ihnen zu, Herr Bothe, wenn Sie sagen, wir dürfen nicht nur das Erziehungsrecht sehen. Wir müssen auch die Erziehungswirklichkeit in Deutschland sehen. In ihr haben sich eine ganze Reihe von früheren Erziehungsträgern mehr oder weniger verabschiedet. Die Kirche hat sich weitgehend aus der Erziehung der Bevölkerung - ich spreche nicht nur von Ostdeutschland - verabschiedet. Von der Bundeswehr ist überhaupt keine Rede mehr gewesen! Das war früher einmal die Schule der Nation. Auch die Erziehung in der Familie ist problematisch geworden. Im Grunde sind heute nur noch zwei große Erziehungsträger übriggeblieben: Die Schule und - Herr Haberle hat es mit Recht erwähnt - das Fernsehen! Wenn Sie an den täglichen Fernsehkonsum der unter 18-Jährigen denken, wissen Sie, was ich meine. Jeder weiß, welch zweifelhafter Erziehungsträger das Fernsehen ist. Daher ist es doppelt wichtig, daß wenigstens die Schule, ob öffentlich oder privat, ihre Erziehungsaufgabe verfassungsrechtlich und tatsächlich wahrnimmt. Daß beide Referenten in diesem Punkte übereingestimmt haben, begrüße ich nachdrücklich. Meyer: Darf ich Sie fragen Herr Oppermann, ob ich Sie richtig verstanden habe, daß Sie die harmonisierende Verbrüderung der beiden Referate mit dem Stichwort „multikultureller Nationalstaat" schaffen wollen? Oppermann: Ich sehe mich außerstande, auf diese Frage zu antworten. Stern: Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren. Es ist ja schon ein paarmal darauf hingewiesen worden, daß das Thema Schule, wenngleich in anderer Akzentuierung, nämlich als Verwaltung und Schule vor
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30 Jahren Gegenstand der Diskussion in unserer Vereinigung gewesen ist. Damals ging es vorzugsweise darum, das Verwaltungsrecht der Schule zu analysieren, heute sind wir eine Ebene höher. Es geht um das Verfassungsrecht, und zu Recht ist das Thema Schule auch als ein Thema des Verfassungsrechts erkannt. Herr Manti hat an das schöne Zitat von Maria Theresia erinnert, die Schule als Politikum. Und weil die Schule ein Politikum ist, muß die Verfassung dazu etwas sagen. Herr Dittmann hat in seinem Referat auf Wilhelm von Humboldt hingewiesen und seine Ideen, die Grenzen des Staates zu bestimmen. In dieser Schrift hat er gemeint, es sei nötig, die Schule aus dem Öffentlichen herauszuhalten, auf sie keinen großen öffentlichen Einfluß auszuüben. Nur muß man gleich darauf hinweisen, daß Humboldt als preußischer Kultusminister derjenige war, der sofort die Schule einschließlich der Hochschulen in die staatlichen Hände übernahm. Und das ist auch richtig so. Nicht zuletzt haben Sie, Herr Dittmann, daran erinnert, daß auch das Preußische Allgemeine Landrecht schon betont hat, daß die Schule eine Anstalt des Staates ist. Bei Ihnen, Herr Bothe, habe ich in Ihrem Referat - der dritte Redner darf ja auch das Kritische hervorheben - gefunden, daß Sie das Staatliche sehr stark ausgeblendet haben. Sie haben zwar einmal, im Leitsatz 7 war es wohl, auf das Sozialstaatsprinzip hingewiesen. Mir scheint aber die zentrale Norm Art. 7 Abs. 1 GG zu sein, der das Schulwesen, das gesamte Schulwesen, unter die Aufsicht des Staates stellt. Ich betone diesen Punkt, der in einer klaren Kontinuität steht, vom Preußischen Allgemeinen Landrecht über die Preußische Verfassung von 1850, um dem genus loci zu huldigen, und den Art. 148 ff. Weimarer Verfassung, zu den deutschen Landesverfassungen, den vorgrundgesetzlichen, dem Grundgesetz und den späteren Landesverfassungen. Was ist darin gesagt? Man sieht in diesen Bestimmungen deutlich, daß es notwendig ist, einmal die Schule staatlicher Bestimmung zu unterwerfen; zum zweiten sind seit der Weimarer Verfassung und dann in den neueren Landesverfassungen dort auch die Erziehungsziele vom Staat bestimmt. Das ist eine ganz ganz wichtige Aussage. Daß das Grundgesetz sich bei den Erziehungszielen zurückgehalten hat, mag wohl damit zusammenhängen - wenn man die Entstehungsgeschichte richtig deutet - , daß der Weimarer Schulkompromiß ja von vorneherein auch impliziert den großen politischen Kompromiß, den man in der Weimarer Nationalversammlung geschlossen hat, einschließlich der Gefahren, die damit verbunden sind. Man wollte sich da enthalten und hat das Ganze zu Recht auf die Landesverfassungen verwiesen. Damit hat man dem Gedanken des Föderalismus Rechnung getragen und damit auch die Möglichkeit geschaffen, daß die Erziehungsziele unterschiedlich akzentuiert worden sind.
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Ein nächster Punkt: Herr Bothe, ich fand auch im übrigen den Staat zu wenig in Ihrem Referat. Das beginnt schon mit dem Leitsatz 1, wo Sie nur auf die „gesellschaftliche" Bedeutung abgestellt haben. Auch bei Ihrer Formulierung vom Lehrer als Verfassungsinterpreten sehe ich Gefahren. Was in der Wirklichkeit dabei herauskommt, da hat wohl jeder so seine Erfahrungen gemacht. Das kann sogar so weit gehen - das sind ja die neuesten Forderungen, die auf den Tisch gelegt sind - , daß man eine völlige Autonomie der Schule verlangt. Das ist in den Referaten nicht vorgekommen, aber das ist eine Forderung, die im Gegensatz zu Art. 7 GG steht und all dem, was daran aufgehängt ist; denn es geht in Art. 7 nicht nur um eine Aufsicht im technischen Sinne, sondern um die staatliche Gestaltung der Schule schlechthin. Zum Schluß in aller Eile: Niemand kann für eine totale Verrechtlichung der Schule sein, aber bitte, Herr Bothe, erklären Sie mir einmal, was versteht man unter dieser Multikulturellität oder Multikulturalität? Wer immer den Begriff bisher gebraucht hat, hat ihn mir nicht erklären können. Toleranz, Herr Oppermann, ja, europäische Dimension ebenfalls ja, aber immerhin ist wesentlich, daß es zunächst um die Schule in Deutschland geht. Auch die Erziehungsziele sind in nationalen Verfassungen bei uns festgelegt. Ich meine, wir sollten klar erkennen, die Schule steht rechtlich in einem Koordinatensystem von Verfassung mit staatlicher Gestaltungsmacht, mit verfassungsvorgegebenen Erziehungszielen, und wiederum an 1964 angeknüpft, von Verwaltungsrecht. In dieser Hinsicht muß man das Beamtenrecht für die Lehrer erwähnen. Schließlich sollte man klar erkennen, daß die Grundrechte, vor allem Persönlichkeitsrechte der Schüler eine Rolle spielen, damit es im Schulalltag, wie Sie, Herr Dittmann, in Leitsatz 13 gesagt haben, funktioniert. Das ist eine große Aufgabe. Wenn wir als Staatsrechtslehrer hier einige Vorgaben für die Bildungsinstitutionen des Staates, für die Kultusministerien und die Schulämter geben, dann haben auch wir unseren Erziehungsauftrag erfüllt. Danke sehr. Lerche: Herr Vorsitzender, ich glaube, es wäre sehr viel zu sagen zu dem, was in den Referaten schwerpunktmäßig nicht behandelt worden ist, aber das ist sehr schwer, in drei Minuten in dieser geschlossenen Gesellschaft von Verfassungsinterpreten darzustellen. Ich darf mich vielleicht auf eine Frage beschränken an Herrn Dittmann, der in seinem ja so abgewogenen Referat einen Leitsatz, ich glaube es ist Nr. 7a, formuliert hat, den ich eher als einen Fremdkörper empfinde. Wenn ich Sie richtig verstehe, entwickeln Sie hier aus der allgemeinen Entfaltungsfreiheit eine inhaltliche Grundsatznorm, für die Definition der schulischen Entwicklungsziele. Ist das die richtige Wertung? Schließlich ist diese Vorschrift
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primär doch eine Bekräftigung und Bestätigung der Freiheit des Privaten zur Willkür; das heißt also zu einem Verhalten, das nicht legitimierungsbedürftig ist. Dies natürlich kennt Grenzen, und es ist verständlich, daß Sie die Akzente dann auf diese näheren Grenzen legen. Aber der Substanz nach ist es nun doch einmal eine Bekräftigung privater, nicht legitimierungsbedürftiger willkürhafter Betätigung. Damit ist eine gewisse Zurückdrängung etwa von Art. 7, auf den Herr Stern vorhin hingewiesen hat und andere, verbunden. Kann man daraus eine solche Aufwertung herleiten? Wird auf diese Weise nicht auch die Perspektive in anderer Richtung, nämlich im Blick auf die eigentlichen Erziehungsziele etwa des integrativen Moments, verschoben? Das nur als eine Art Verständigungsfrage innerhalb von sicher drei Minuten. Hans Hugo Klein: Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren. Ich möchte mich auf einige Fragen zu der Begrifflichkeit beschränken, die dem Referat von Herrn Kollegen Bothe zugrunde liegt, Fragen, die von kritischer Skepsis getragen sind, nicht zuletzt um darzutun, daß auch ein Mitglied dieser Vereinigung, das in den Vierziger- und Fünfzigerjahren die Schule besucht hat, eine gewisse Fähigkeit zur Kritik mitbekommen hat. Und lassen Sie mich gleich bei dem Begriff Erziehung zur Kritikfähigkeit bleiben. Ist nicht das, was damit gemeint ist oder aus meiner Sicht damit gemeint sein sollte, schlicht die Erziehung zu selbständigem Denken; in dem Sinne, wie ja das Wort Kritik in seinem griechischen Wortsinne auch eigentlich zu verstehen wäre. Aber wir können in der öffentlichen Diskussion nicht darüber hinwegsehen, daß das Wort kritisch, Kritik eine andere, überschießende Bedeutung erhalten hat, die etwa dahin zielt, alles Bestehende zunächst einmal auf seine Berechtigung zu hinterfragen. Und auf dieses Wortverständnis und auf dieses Sachverständnis führe ich nicht zuletzt das zurück, was Sie, Herr Bothe, als Enttraditionalisierung nicht zu Unrecht beschrieben haben. In einer Erziehung zu einer so verstandenen Kritikfähigkeit sehe ich die Gefahr, daß eben jene vorrechtlichen, vorverfassungsrechtlichen Voraussetzungen dahinschwinden, ohne die der Staat nicht existieren kann, die er aber selbst - um das Wort von Herrn Böckenförde noch einmal zu zitieren, nicht garantieren kann. - Meine zweite Frage, aber die stelle ich mit Rücksicht auf den Appell des Herrn Vorsitzenden zurück, zielte auch auf Ihr Verständnis des Begriffes Multikulturalität. Sie werden sicher Gelegenheit nehmen, das des näheren noch zu erläutern. - Meine dritte Frage bezieht sich auf Ihre These 6. Die ersten acht Thesen Ihres Referats sind ja im wesentlichen und verstehen sich wohl im wesentlichen als eine Tatsachenanalyse. Aber hier in diese These 6 ist ein normatives Element eingeflossen, ich weiß nicht, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, insofern
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da nämlich steht, das Erziehungswesen kann und darf nicht die Entwicklung der Enttraditionalisierung und so weiter rückgängig machen. Nun, ob die Schule in der Lage ist, sich gesellschaftlichen Tendenzen wirksam entgegenzustellen, ist eine Frage, über die sich lange streiten läßt. Daß sie es etwa von Verfassungs wegen nicht dürfen sollte, erscheint mir zweifelhaft und zwar um so mehr, als Sie selbst in Ihrem Referat in der These 20 etwa auf die herkömmlichen Erziehungsziele älterer Landesverfassungen hingewiesen haben und ja wohl nicht mit der Akzentuierung, dies sei verfassungswidrig. Wie anders im übrigen sollten hergebrachte Werte Schülern nahegebracht werden können, als durch Anknüpfung an Traditionen? An das, was Herr Oppermann mit dem Begriff der Kulturnation gemeint hat und was uns ja mit nicht zu übersehender Deutlichkeit gerade in dieser Stadt, wenn wir sie offenen Auges und offenen Sinnes durchwandern, vor Augen geführt wird. Herr Stern hat bereits Ihre These 17 angesprochen, mit der Einbeziehung der Erzieher in die Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten. N u n kann damit etwas Selbstverständliches gemeint sein, nämlich daß natürlich auch und gerade die schulischen Pädagogen aufgerufen sind, die Verfassung in zunächst einmal ihrer Interpretation, die aber freilich ihrerseits verfassungsgeleitet sein sollte, den Schülern näher zu bringen. Das scheint mir eben so selbstverständlich wie unbedenklich. Aber ist das gemeint, wenn Sie die Erzieher zwar unbürokratisch aber vielleicht doch ein wenig institutionell in die Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten sozusagen als selbständige Größen im Sinne eines funktionalen Kondominiums einbringen möchten? Mir schiene diese Deutung jedenfalls der Erläuterung bedürftig. - Ich komme zu einer letzten Bemerkung, die nun keine Frage, sondern eher eine These ist. Die Verfassung, das Grundgesetz, ist nicht als ganze Erziehungsauftrag der Schule. Abiturienten brauchen ja noch nicht voll ausgebildete Staatsrechtslehrer zu sein. Aber worauf ich doch gerne bestehen möchte, ist, daß die Verfassung als Erziehungsmaßstab ihre Bedeutung behält. Und das bedeutet für mich, um es an zwei Beispielen zu exemplifizieren, daß sie nicht nur die Europazugewandtheit des deutschen Staates zu betonen hat, sondern auch die deutsche Staatlichkeit in der Bedeutung, die ihr gerade in diesem Europa und in der Welt zukommt. Baut doch eben dieses Europa, wie es jedenfalls gegenwärtig noch beschaffen ist, und erst recht die Weltgemeinschaft der Staaten auf der Souveränität des Staates auf, der im wesentlichen - und außerhalb Deutschlands weithin unbestritten - ein Nationalstaat ist. Und zweites Beispiel: zur Verfassung als Maßstab gehört, das sage ich nicht etwa kritisch an die Adresse der Referenten, sondern eher kritisch an die Adresse der Erzieher als Mitglieder der Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten, wohl auch, daß in der Erziehung das Nebeneinander von
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Wehrpflicht und Kriegsdienstverweigerungsrecht Anerkennung findet. Vielen Dank. Isensee: Juristen neigen dazu, das Thema „Erziehungsziele" für unjuristisch zu halten. Was ihnen dagegen an der Schule als juristisch erscheint, ist die Frage der Kompetenz. Darüber diskutieren sie seit 200 Jahren. Zunächst ging der Streit über die Kompetenzverteilung zwischen Staat und Kirche: darüber, welcher Seite die Schulaufsicht zukomme. Seit der Weimarer Republik richtete sich die Frage auf das Verhältnis zwischen Staat und Eltern: dort die nunmehr gesicherte Schulaufsicht des Staates, hier das grundrechtlich gewährleistete Elternrecht. Seit der Kulturrevolution von 1968 ist der Kompetenzkonflikt aufgebrochen zwischen Legislative und Exekutive (Stichworte: Vorbehalt des Gesetzes, Wesentlichkeitsvorbehalt), aber auch zwischen den einzelnen Lehrern der Staatsschule, die auf pädagogische Autonomie pochen und sich aus der Verwaltungshierarchie emanzipieren möchten, und der Schulverwaltung. Die Kompetenzfragen sind sämtlich auch Sachfragen. Wer die Kompetenz hat zu handeln, bestimmt über den Inhalt des Handelns. Wer kompetent ist zur schulischen Erziehung, definiert die Erziehungsziele. Das war von jeher so. Der heutige Streit über die Erziehungsziele setzte vor 25 Jahren ein, mit der Kulturrevolution. Die Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer kommt mit ihrem Tagungsthema ein Vierteljahrhundert zu spät. Aber die Staatsrechtslehrer halten es mit Hegel: Auch für sie beginnt die Eule der Minerva ihren Flug nicht in der Morgendämmerung. Den Hintergrund der Referate und der Diskussionsbeiträge bildet die Lage nach der Kulturrevolution. Sie begehrte auf gegen christliche Traditionswerte und gegen bürgerliche Konventionen: sie stellte die Normen von Staat und Gesellschaft in Frage. Seither sind die hergebrachten Selbstverständlichkeiten zerbrochen. Doch deshalb ist nicht das Reich der Freiheit heraufgezogen. Vielmehr ist ein neuartiger Bedarf an Regulierung entstanden. Da die ungeschriebenen Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens ausfallen, müssen nun die geschriebenen Vorschriften des Staates in die Bresche springen. Die Staatsschule, die sich herkömmlich auf Sitte und Ethos stützen konnte, bedarf jetzt der Stütze im staatlichen Gesetz. Das Erziehungsprogramm wird verrechtlicht. Die Verrechtlichung der schulischen Erziehungsziele stößt auf Grenzen. Die Normen des Rechtsstaates können nur äußeres Verhalten anordnen, nicht aber Gesinnung, Überzeugung, Moral. Eben darauf richtet sich letztlich die Erziehung. Sie will den Menschen von innen her prägen. Darauf sind denn auch die Erziehungsziele der Landesverfassungen angelegt, so in der Verfassung Nordrhein-Westfalens Ehrfurcht vor
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Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zu sozialem Handeln. Die Landesverfassung nennt auch „Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft". Liebe aber ist eine Sache des Gemüts. Das Gemüt läßt sich nicht regulieren. Hier zeigt sich der Rechtsstaat an der Grenze seiner Möglichkeiten. Sein Gegenstand ist die Legalität, die Ordnung des äußeren Verhaltens. Erziehung aber strebt notwendig darüber hinaus. Sie will Moralität. Das Dilemma wurde schon in der Inkubationszeit des deutschen Rechtsstaats gesehen von Carl Gottlieb Svarez. In seinen Kronprinzenvorträgen verwarf er jedweden Zwang zur Tugend. Dennoch forderte er, daß Unterrichts- und Erziehungsanstalten die moralischen Beweggründe wecken, unterhalten und stärken, also Moralität einüben sollten. Die Moralität aber ist auch die Grundlage der rechtsstaatlichen Demokratie geblieben. Wenn sie die Herrschaft der Gesetze aufrichtet, dann ist sie angewiesen auf die Bereitschaft der Bürger zum Rechtsgehorsam. Just diese Voraussetzung aber wird seit der Kulturrevolution planmäßig durch die Schule in Frage gestellt, wenn sie - abgesunkenes Kulturgut der Frankfurter Soziologie - den Widerstand zum primären Erziehungsziel erhebt und die Befolgung des demokratischen Gesetzes der subjektiven Willkür anheimgibt. Die Schule attackiert hier die rechtsstaatliche Demokratie in ihren ethischen Voraussetzungen. Der Kampf vollzieht sich heute nicht mehr so offen und leidenschaftlich wie in den Glanzzeiten der Frankfurter Schule. Es gilt überhaupt als taktlos, daran auch nur zu erinnern. Hier zeigt sich, daß das Grundgesetz dem Thema „Erziehungsziele" nicht indifferent gegenübersteht, auch wenn es im Unterschied zu den Landesverfassungen nicht ausdrücklich davon handelt. Immerhin geht es um die pädagogischen Voraussetzungen der grundrechtlichen und der demokratischen Freiheit. Das heißt nicht, um mit Forsthoff zu reden, daß das Grundgesetz das „juristische Weltenei" wäre, aus dem man, wenn man es nur lange genug interpretatorisch abklopfte, ein komplettes Erziehungsprogramm und Lebenssinn für jedermann ableiten könnte. Keineswegs. Dennoch ist der rechtliche Freiheitsentwurf der Verfassung nur realisierbar, wenn die Bürger in ihrer Gesamtheit ihre Freiheitsrechte gemeinverträglich und gemeindienlich entfalten. Uber die Erziehungsziele herrscht heute Unsicherheit in der Praxis der Staatsschule wie in der Staatsrechtslehre. Es walten Ängstlichkeit und Betulichkeit. Man weicht aus auf den Markt der Möglichkeiten und Beliebigkeiten. Das Angebot beliebiger ethischer Möglichkeiten ist aber keine Erziehung. Ein Erzieher muß wissen, was er will. Erziehung braucht klare Ziele und festen Griff, wenn sie Orientierung vermitteln soll. Die Schule, zumal die für die ersten Jahrgänge, kann nicht alles problematisieren und relativieren, ohne ihren Erziehungsauftrag preiszugeben.
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Sicheren Grund scheint das Gebot der Toleranz zu bieten. Das Prinzip findet überall Zustimmung. Aber nicht alle verstehen unter Toleranz dasselbe. Oft wird Toleranz verstanden als „Achtung vor der Uberzeugung der anderen" (so eines der Erziehungsziele der Verfassung Nordrhein-Westfalens). Doch die hartnäckige Uberzeugung des Schülers, daß 2 + 2 = 10 sei, wird nicht toleriert, sondern zensiert, und das widerfährt auch Überzeugungen, die nicht so einfach zu überprüfen sind wie die Lösung einer Rechenaufgabe. In der Grundrechtsdemokratie dürfen Uberzeugungen politischer und anderer Art kritisiert und bekämpft werden. Niemand ist moralisch gezwungen, Uberzeugungen zu achten, die er für unmoralisch, töricht, falsch oder gefährlich hält. Toleranz wird der Person des anderen geschuldet, nicht seinen Ansichten. Toleranz ist heute ein unentbehrliches Ziel der Erziehung. Aber auf Toleranz allein läßt sich das Erziehungsprogramm der Schule nicht bauen. Im Bothe'sehen Schulversuch schlägt übrigens Toleranz rasch um in Impertinenz, wenn es gilt, political correctness zu exekutieren. Auch Muslim-Mädchen und ihre Eltern bekommen hier die feministische Rute zu spüren. Konsensfähig ist das Ziel Völkerverständigung. Es liegt auf der Hand, daß sie schon in der Schule beginnen muß, seit Kinder aus unterschiedlichen Kulturkreisen in einer Schulklasse zusammenkommen. Wenn ich Herrn Kollegen Bothe richtig verstanden habe, dann sollen die deutschen Kinder in der Schule lernen, Ausländer zu akzeptieren und andere Völker zu verstehen. Eines freilich lernen sie in der Bothe-Schule nicht: was ihr eigenes Volk und seine Kultur bedeuten. Die Frankfurter Schule lehrt die Deutschen, ihrer nationalen Identität zu entfliehen. Herr Bothe bietet einige Fluchtwege an: kosmopolitsche, multikulturelle, europäische. Seltsamerweise sollen sie sich aus der Verfassung ergeben. So führt der neue Europaartikel des Grundgesetzes zwar auf die Europäische Union. Diese aber ist keine politische Einheit, keine Kultureinheit, keine Nation. Sie weist auf die Nationen zurück, die ihr angehören. Überhaupt bleibt dunkel, wie Herr Bothe aus soziologischen Überzeichnungen von empirischen Tendenzen auf normative Ziele schließen kann. Das größte Rätsel bildet sein neowilhelminisches Erziehungsziel „Deutschland als Weltmacht". Ehe Kinder fremde Kulturen verstehen lernen, sollten sie mit der eigenen Kultur vertraut werden. Ehe sie sich mit anderen Völkern verständigen, müßten sie sich über das eigene Volk verständigt haben. Die Vermittlung nationaler Identität - im Jargon der Verfassungstheorie: die Integration - gehört zu den erzieherischen Leistungen, welche die Staatsschule der nachwachsenden Generation schuldet. Nationale Identität ist in Deutschland zugleich europäisch integrierte und weltoffene Identität. Offenheit aber setzt ein Haus voraus, das Fenster und Türen hat, die sich öffnen lassen.
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Ein unerläßliches Bildungsziel einer Schule, die zur Freiheit erzieht, ist es, Tradition zu vermitteln, literarische, politische, ethische. Bei entsprechender Reife entscheidet der Jugendliche, ob und wieweit er sich die Tradition zu eigen macht oder sich von ihr abkehrt. Aber um sich frei gegen sie entscheiden zu können, muß er sie zuvor kennen. Diese Vorleistung erbringt die Schule seit der Kulturrevolution nicht mehr. Sie folgt Zukunftsentwürfen vom politischen Reißbrett und verschließt sich der Tradition. Der normale Student kann kein Allgemeinwissen über Geschichte oder klassische Literatur mehr in sein Studium einbringen. Er kann sich auch nicht mehr von einer Überlieferung abwenden, weil er von keiner Uberlieferung weiß. Das gilt vor allem für das christliche Erbe, obwohl es in seinen säkularen Brechungen und Vermittlungen auch die heutige Gesellschaft noch prägt. Es schwindet nicht nur die religiöse Energie. Es schwindet noch viel schneller das Wissen über das Christentum, damit das Wissen über die geistige Herkunft des heutigen Gemeinwesens. Hier ist die Entwicklung der DDR noch schneller gelaufen als die in Westdeutschland. Die verfassungsrechtliche Diskussion über Erziehungsziele führt leicht in eine Sackgasse. Das erscheint dem als Unglück, der große Hoffnungen auf die erzieherische Fähigkeit der Schule setzt und der an den ethischen Einfluß der Lehrer glaubt. Aber stimmt diese Prämisse, von der die Referenten so selbstverständlich ausgegangen sind? Meine Damen und Herren, prüfen wir uns: Wenn wir meinen, daß aus uns selber etwas Leidliches geworden sei - verdanken wir das Erziehungszielen und ihrer Umsetzung? Sind wir, falls aus uns etwas geworden ist, es geworden wegen unserer Schulen oder trotz unserer Schulen? Roellecke: Herr Dittmann hat erklärt, die Umsetzung in die Praxis sei die Achillesferse der Erziehungsziele. Das ist richtig beobachtet, aber juristisch klingt es merkwürdig. Vom normalen Verfassungsrecht würde nie jemand sagen, die Anwendung sei seine Achillesferse. Wenn man die Frage beantworten will, warum Erziehungsziele schwer umzusetzen sind, muß man anknüpfen an den Sinn von Erziehung. Den hat schon Hegel richtig beschrieben. Sinn der Erziehung sei es, den Schatz der Erfahrungen vergangener Generationen in die Gegenwart zu transportieren. Heute meint die Systemtheorie das Gleiche, wenn sie sagt, Erziehung bedeute Reproduktion der Gesellschaft. Ein Mainzer Kollege hat das paradox formuliert, als er behauptete: Erziehung nützt gar nichts, die Kinder werden doch so wie wir. Wenn Erziehung die Reproduktion der Gesellschaft ist, dann kann man Erziehungsziele beschreiben als Begriffe, mit denen Erziehung ihre gesamtgesellschaftlichen Aufgaben reflektiert. Wenn das richtig ist, dann fragt sich: Was bedeutet es, wenn sich Recht
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und Politik, also relativ kleine Ausschnitte aus der Gesamtgesellschaft, der Erziehungsziele annehmen? Bedeutet es, daß Recht und Politik die Gesellschaft dominieren? Ich meine: nein. Das zeigt sich daran, daß das Recht mit der Anwendung der Erziehungsziele offenkundig nicht fertig wird. Stichwort: Achillesferse. Das ist nicht nur eine pragmatische, sondern auch eine dogmatische Frage. Das Recht selbst steht der Anwendung von Erziehungszielen im Wege. Zwei Belege: Einmal verhindert das Recht, daß die Lehrer im Sinne der Erziehungsziele rekrutiert werden. Man kann einem Lehramtskandidaten nicht die Einstellung in den öffentlichen Dienst mit der Begründung versagen, es fehle ihm an Gottesfurcht, Heimatliebe oder Verfassungspatriotismus. Zum anderen verhindert das Recht, Schüler im Sinne der Erziehungsziele zu selektieren. Kein Schüler darf sitzenbleiben, weil es ihm an Gottesfurcht, Heimatliebe oder Verfassungspatriotismus fehlt. Erziehungsziele dürfen auch nicht geprüft werden. Was nicht geprüft wird, wird bekanntlich auch nicht gelernt. Welchen Sinn hat dann aber noch die rechtliche Positivierung von Erziehungszielen? Ich kenne die Antwort auch nicht, vermute aber, mit der Juridifizierung von Erziehungszielen lenkt sich das Recht selbst von der Erziehung ab. Es zwingt sich gleichsam, im Rahmen des Rechtes von Erziehung zu reden. Wenn es aber gleichzeitig die Umsetzung von Erziehungszielen verhindert, dann hält die Juridifizierung von Erziehungszielen Recht und Politik von der Erziehung fern. Rauschning: Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei uns in der Vereinigung geht es auch und wesentlich um rechtliche Vorgaben. Insofern darf ich Herrn Bothe fragen, ob die Aussagen zu den Leitsätzen 1 bis 8 sich auch rechtlich rückbinden lassen. Zu seiner These Nummer 8 und zu Herrn Dittmanns These Nr. 14 möchte ich Bemerkungen machen. Es ist selbstverständlich, daß Respekt vor anderen und Toleranz mit Erziehungsziele unserer Schule sind. Aber es bleibt dabei, daß es auch die Schule des deutschen Staates ist; als Staatsaufgabe wird auch in der Verfassung zugrunde gelegt, daß sich der Staat selbst zu erhalten habe. Somit ist auch die Pflege der Integrationsvorgänge zum Staat hin im Sinne von Rudolf Smend ein legitimes und auch ein verfassungsrechtlich gebotenes Tun. Mein verehrter Doktorvater Herbert Krüger hat uns vor Augen gestellt, daß es das Wesen des modernen Staates sei, sich mit keinem Inhalt zu identifizieren. Auch entgegen Herbert Krüger kann aber das Identifikationsverbot mit dem eigenen Staat und mit der eigenen Nation nicht gelten. Wir haben in der Vergangenheit die Kraft der Geschichte und auch die Macht der Völker unterschätzt, und das Aufbrechen des letzten Kolonialstaats - der Sowjetunion - und die Vorgänge im östlichen Mitteleuropa und im Balkan belegen das deutlich. Wir sollten den Bereich
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der staatlichen Identifikation nicht soweit ausklammern, daß sich Mächte dessen bemächtigen, denen wir nicht folgen wollen. Als zweites wollte ich mich gegen die Behauptung wenden, daß eine rechtliche Bindung in diesem Bereich praktisch kaum möglich sei. Auch rechtlich steht den Lehrern nicht frei, unter Berufung auf eine pädagogische Freiheit ihr persönliches Wertesystem zum Inhalt des Schulunterrichts zu machen. Die Verfassungsvorschriften sind nicht nur Recht, wenn sie gerichtlich durchsetzbar oder eben in einem Kontrollsystem erzwingbar sind. Wir sollten unterscheiden die Kontrollfunktion des Rechts, die eben mit der gerichtlichen Uberprüfung in Verbindung zu bringen wäre, und die Bestimmungsfunktion. Als Walter öffentlicher Amter können wir nicht aus unserem privaten Bereich heraus motivieren, sondern sind eben bestimmt wesentlich von den Werten, die uns ins der Verfassung vorgegeben sind. Wenn etwa im Unterricht zur Gegenwartskunde der Lehrer unter Berufung auf Wilhelm Reich erklärt, daß wir nur deshalb in der Einehe gehalten würden, damit wir die Untertänigkeit lernten und bessere Untertanen würden, obwohl doch wissenschaftlich erwiesen sei, daß die Einehe sexuell nicht befriedigen könne, dann gerät das mit der Verfassungsaussage in Konflikt: Das Grundgesetz bekennt sich in Art. 6 Abs. 1 zu den Werten von Ehe und Familie und erklärt nicht die sexuelle Befriedigung zu den obersten Werten. Ein sozusagen schulamtlicher Angriff gegen die Grundfesten der Familie ist im Rahmen eben des Schulunterrichts nicht zulässig. Schließen möchte ich mit einer Bemerkung über einen von Herrn Bothe aufgenommenen Satz, der durchaus unsere Erziehungsaufgabe betrifft. Herr Bothe, Sie haben dieses demagogische Wort von „dem kalten Hauch der Freiheit" wiederholt. Meine Auffassung dazu ist deutlich, daß ein freiheitsverachtendes System, das auf Unsicherheit und Bespitzelung aufbaut, keineswegs die menschliche Wärme garantiert hat; ich sehe in keinem Punkt, daß die Freiheit ein menschliches Zusammensein und ein menschliches Miteinander in Frage stellen kann. Wir sollten dieses Wort wirklich als demagogisch entlarven. Grimm: Meine Damen und Herren. Ich hätte mir die Referate in zwei Punkten etwas deutlicher vorstellen können. Der eine betrifft die Funktion von Erziehung, der andere die begrenzte Rolle, die die Verfassung dabei spielen kann. Die Funktion der Erziehung ist im wesentlichen von der individuellen Persönlichkeitsentfaltung her bestimmt worden. Zwar haben die Referenten die Persönlichkeitsentfaltung durchaus nicht individualistisch verengt, sondern auch die Bedeutung von Gemeinschaftswerten betont. Zu kurz gekommen ist aber der überindividuelle Bezugspunkt der gesellschaftlichen Integration. Gesellschaftliche Integration ist das Produkt von Bindungen, die eine Gesellschaft ungeachtet ihrer Mei-
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nungs- und Interessenvielfalt zusammenhalten und auf denen angesichts der begrenzten Machtressourcen auch das Funktionieren der staatlichen Ordnung beruht. Die Tradierung und Erneuerung dieser Bindungen scheint mir eine der wesentlichen Funktionen von Erziehung neben der Persönlichkeitsentfaltung zu sein. Die Grundlagen gesellschaftlicher Integration werden freilich nicht nur in der Schule gelegt. Vielmehr wirken auch andere Institutionen wie die Familie oder die Medien, vor allem das Leitmedium des Fernsehens, daran mit. Gerade die Integrationskraft dieser Institutionen, das haben auch die Referate herausgestellt, ist aber in jüngerer Zeit stark gesunken, die der Familie wegen der bekannten Auflösungstendenzen, die des Fernsehens wegen der qualitativen Vermehrung und qualitativen Veränderung der Programme. Das ist konstatierend, nicht wertend gesagt. Im selben Maß wächst freilich die Last, die die Schule Zu tragen hat, mit der Folge, daß auch sie ihre Aufgabe nicht mehr zufriedenstellend erfüllen kann. Welche Rolle spielt nun die Verfassung bei der schulischen Erziehung? Die Verfassung enthält die grundsätzlichen Ordnungsvorstellungen und Konfliktlösungsregeln, auf die sich die Gesellschaft geeinigt hat und von deren Beachtung sie ihr Wohlergehen erwartet. Verfassungen gehören daher zu den wichtigsten Integrationsfaktoren der Gesellschaft neben anderen wie ζ. B. dem Bewußtsein gemeinsamen Erbes und Schicksals, besonderer wirtschaftlicher oder kultureller Leistungskraft etc. Integrationsfaktoren sind der Schule zur Pflege anvertraut, so auch die Verfassung, in der eine Gesellschaft ihre Einheit organisiert. Insofern sind die grundlegenden Verfassungsziele zugleich verbindliche Erziehungsziele. Ihnen gegenüber kann es daher keine pädagogische Autonomie geben. Sowohl in den Referaten als auch in der Diskussion ist aber mit einem Unterton des Bedauerns festgestellt worden, daß sich die Umsetzung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Erziehungsziele in der pädagogischen Praxis vom Recht nicht mehr ausreichend steuern lasse. Das trifft zwar zu, verdient unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten aber keine negative Bewertung. Erziehung orientiert sich nicht an rechtlichen, sondern an pädagogischen Rationalitätskriterien. Die darin begründete Eigengesetzlichkeit der Pädagogik wird von der Verfassung geschützt. Deswegen besteht für die Vermittlung der bindenden Erziehungsziele ein Freiraum der Pädagogik, den sie aufgrund ihrer professionellen Maßstäbe füllen muß. Das Recht kann hier nur diejenigen strukturellen Voraussetzungen schaffen, die eine an professionellen Standards ausgerichtete Erfüllung der Erziehungsfunktion möglichst begünstigen. Schiedermair: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! In der juristischen und vor allem der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung mit der Schule kommt es auf eine grundlegende Unterscheidung an,
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die sozusagen der Ausgangspunkt von allem ist. Es gilt zu unterscheiden zwischen dem Kulturauftrag, dem Bildungsauftrag und dem Erziehungsauftrag der Schule. Diese Unterscheidung will ich kurz skizzieren: Bei dem Kulturauftrag geht es um ein Problem, das sich in erster Linie der allgemeinbildenden, auf vier Jahre verpflichtenden Grundschule stellt. Die Grundschule hat die Aufgabe, im Erlernen der Grundtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens den, weltweit gesehen, dramatischen Kampf gegen das Analphabetentum aufzunehmen. Bei diesem Kampf geht es um die Kultur. Davon zu unterscheiden ist der Bildungsauftrag, der vor allem die weiterbildenden Schulen zu jener Vermittlung von Wissen und Können verpflichtet, auf die der Mensch in der späteren Bewältigung seines Lebens im Beruf angewiesen ist. Als drittes und ebenfalls eigenständiges Element kommt dann der Erziehungsauftrag der Schule hinzu. Hier begibt sich der Staat, und Herr Dittmann hat dankenswerterweise in seinem Referat darauf hingewiesen, in der Tat auf das weite Feld der Ethik; denn mit der Erziehung greift der Staat nach dem Charakter, der Charakterbildung und damit nach der Persönlichkeit junger Menschen. Dies ist, da es von Staats wegen geschieht, natürlich ein ganz heikles Unterfangen. Die Landesverfassungen, die, wie wir alle wissen, schon aus kompetenziellen Gründen hier sehr viel ergiebiger sind als das Grundgesetz, unterscheiden denn auch in ihren Aufträgen an die Schule sehr genau zwischen der Kultur, der Bildung und der Erziehung. Dies ist um so mehr zu betonen, als Herrn Bothe in seinem Referat eine Verwechslung unterlaufen ist, die meines Erachtens zu durchaus fatalen Ergebnissen führt. Ich meine damit die Aussage von Herrn Bothe, daß Europa und die europäische Gesinnung zum Erziehungsauftrag der Schule gehörten. Dies kann doch wohl nicht stimmen. Immerhin verweist Europa mit dem Vertrag von Maastricht gerade im Zusammenhang mit der Bildungspolitik ausdrücklich und in absichtsvoller Betonung auf die Kultur der europäischen Nationen. Davon abgesehen, und dies ist der entscheidende Gesichtspunkt, kann es doch nicht angehen, Europa und die europäische Gesinnung dem Erziehungsziel der Schule zuzuweisen; denn in der erzieherischen Umsetzung dieses Zieles käme man nicht umhin, den europäischen Menschen schaffen zu wollen. Gerade wenn man wie Herr Bothe von multikulturellen Konzeptionen ausgeht, sollte man nicht beim europäischen Menschen stehenbleiben. Da muß man schon etwas weltbürgerlicher denken. Ganz anders aber sieht es in diesem Zusammenhang trotz des Vertrages von Maastricht mit dem Βildungsauftrag der Schule aus. Selbstverständlich gehören Europa, die europäische Gesinnung, die europäische Geschichte, der Sprachenunterricht und all das, was in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion dazu beigetragen wird, zu die-
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sem Auftrag. So wird denn gerade auch an dieser Stelle deutlich, wie wichtig es für die zutreffende Beurteilung der Rechtslage ist, zwischen dem Bildungsauftrag und dem Erziehungsauftrag der Schule deutlich zu unterscheiden. Bei der Frage nach dem Inhalt des Erziehungsauftrags werden wir vor allem auf die Landesverfassungen verwiesen, die mit ihrem fast lyrisch anmutenden Wortreichtum allerdings viel ergiebiger sind, als dies heute in den Referaten zum Ausdruck gekommen ist. So lassen die Landesverfassungen in kaum zu übersehender Eindeutigkeit erkennen, worum es bei dem Erziehungsauftrag der Schule gehen soll, nämlich um eine klare Absage an jede Form der Erziehungsdiktatur. Hier gab es doch eine leidvolle Lebenserfahrung. Die Mütter und Väter der Landesverfassungen hatten doch eine Jugend im Sinn und vor Augen, die in der Schule zum wehrlosen Opfer nationalsozialistischer Indoktrination gemacht worden war. Das Ergebnis dieser Indoktrination war eine Staatsjugend in Uniform. Angesichts dieses Tatbestandes liegt es doch auf der Hand, daß die Landesverfassungen unter den Bedingungen der neu gewonnenen Freiheit auch mit dem Erziehungsauftrag der Schule eine Antwort auf das geben wollten, was vorher geschehen war. Dies aber ist, meine Damen und Herren, nicht nur ein Stück Verfassungsgeschichte, sondern darüber hinaus hochaktuell. Gerade hat der deutsche Bundestag in seiner Enquete-Kommission zur „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" das Erziehungswesen der DDR untersucht und damit ein Stück jüngster Vergangenheit aufgearbeitet. Da gab es nicht, wie Herr Manti es in seinem Referat beschrieben hat, rot-weißrote Fähnchen zum Nationalfeiertag. Vielmehr wurden zum Tag der Nationalen Volksarmee in jedem Kindergarten die dreijährigen Kinder zwangsverpflichtet, Panzer zu malen. Auch darf in diesem Zusammenhang an den Erziehungsauftrag erinnert werden, der die Universitäten gesetzlich dazu verpflichtete, die Studentinnen und Studenten zu sozialistischen Menschen zu erziehen. Dies ist unsere Vergangenheit und in ihren Folgen auch noch unsere Gegenwart. Unter diesen Umständen aber haben wir allen Anlaß, die Aussagen der Landesverfassungen zum Erziehungsauftrag der Schule ernst zu nehmen. Entsprechendes gilt auch für den Bildungsauftrag der Schule. So verpflichtet, um nur ein Beispiel zu nennen, Art. 131 der Verfassung des Freistaates Bayern die Schulen dazu, nicht nur Wissen und Können zu vermitteln, sondern auch Herz und Charakter zu bilden. Hier hat dann das Gemüt seinen Platz, von dem Herr Kollege Isensee in der Diskussion gesprochen hat. Darüber hinaus muß man allerdings zur Kenntnis nehmen, daß Art. 131 der Bayerischen Landesverfassung mit dem Hinweis auf das Begriffspaar „Wissen und Können" sowie mit der gleichzeitigen
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Bezugnahme auf das Wahre, Schöne und Gute (Abs. 2) durchaus philosophische Themen anspricht. Hier geht es um das Techne-Denken der Sophisten sowie um die Antwort des späten Plato (Philebos), der mit der Idee des Wahren, Schönen und Guten nicht nur ein Bekenntnis zu seiner idealistischen Philosophie ablegt, sondern gleichzeitig auch die Geburtsstunde einer Pädagogik einleitet, die seit der Aufklärung und bis heute darüber diskutiert, wie diese philosophischen Erkenntnisse in der praktischen Pädagogik umzusetzen seien. Deshalb fiel heute auch mit Recht das Stichwort Humboldt. So sind die Pädagogen in ihrer Diskussion auch heute noch nicht über die Problemvorgabe hinausgekommen, die uns Plato und die Sophisten hinterlassen haben. Ich meine allerdings, daß diese Diskussion auch von den Juristen ernst genommen werden muß, wenn sie über die Bildungsziele der Landesverfassungen und darüber reden, was sich die Mütter und Väter dieser Verfassungen mit ihren klaren bildungspolitischen Vorstellungen dabei gedacht haben. Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die auch von Herrn Botbe in seinem Referat kommentierte Bestimmung des Art. 131 Abs. 4 der Bayerischen Landesverfassung. Dort geht es um ein Bildungsziel, demgemäß die Schulen dazu angehalten werden, daß die „Mädchen" nicht nur im Geist der Gottesfurcht, der Menschenwürde und der sozialen Verantwortung zu erziehen, sondern „außerdem in der Säuglingspflege, Kindererziehung und Hauswirtschaft besonders zu unterweisen sind". Ich habe mich über diese geradezu bezaubernde Formulierung immer besonders gefreut, zumal ich keinen Verfassungstext kenne, in dem die Konjunktion „außerdem" eine solch aparte Verwendung gefunden hat wie in der Bayerischen Landesverfassung. Abgesehen von dem ästhetischen Aspekt gibt es in diesem Zusammenhang auch einiges Aufregende. Aufregend ist, daß das Bildungsziel des Art. 131 Abs. 4 der Bayerischen Landesverfassung ebenso wie viele Bildungsziele anderer Landesverfassungen auch in der Praxis der letzten vierzig Jahre schlicht und einfach nicht mehr umgesetzt worden sind. So kann man nur mit Staunen zur Kenntnis nehmen, daß etwa in der Verfassung von Rheinland-Pfalz (Art. 38) das humanistische Gymnasium verbindlich vorgeschrieben wird, und doch denkt keiner daran, dies in die Praxis umzusetzen. W i r begegnen also an dieser Stelle dem interessanten Phänomen, daß Verfassung in der politischen Praxis nicht vollzogen wird. Darüber einmal nachzudenken, dürfte sich auch und gerade für den Verfassungsjuristen durchaus lohnen. Dies gilt im übrigen ebenso für die Unterweisung in der Säuglingspflege an den bayerischen Schulen. Dabei ist allerdings einzuräumen, daß die Unterweisung in der Säuglingspflege unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung heute bei manchen geradezu anstößig geworden ist. Den Freunden der Gleichstellung sei jedoch empfohlen, von
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dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit in diesem Zusammenhang Abstand zu nehmen; denn hier honoriert die Verfassung doch nur die Tatsache, daß im Freistaat Bayern Kinder von Frauen geboren werden, und solange dieser „verfassungswidrige" Zustand nicht beseitigt ist, kann man auch Art. 131 Abs. 4 der Bayerischen Landesverfassung nicht ernsthaft kritisieren. Böckenförde: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Ich halte es für richtig und wichtig, daß Herr Bothe in seinem Referat zu Beginn das soziale Feld beschrieben hat, in dem schulische Erziehung heute stattzufinden hat und von dem aus sie ihre Herausforderung empfängt. Seine Beschreibung wäre vielleicht noch in mancher Hinsicht zu ergänzen. Einmal dahin, daß neben Familie und Schule, das wurde schon erwähnt, die Medienwelt ein Erziehungsfaktor ist, von dem sehr starke Wirkungen ausgehen. Auch sollte man die Kirchen als Erziehungsfaktor erwähnen, ungeachtet, daß ihre Wirkungskraft wohl im Abnehmen ist. Eine zweite Ergänzung: Erziehung der heranwachsenden Menschen im Sinne einer Prägung ihrer Persönlichkeit und der Vermittlung von Lebenseinstellungen, die als verbindlich genommen werden, findet immer statt. Nimmt eine Erziehungskraft ab, drängt eine andere vor, es bleibt keine Leerstelle, der freigegebene Platz wird sogleich besetzt. Sehen wir uns im Hinblick darauf die gegenwärtige Wirklichkeit an, ist es in der Tat so, daß die Erziehungskraft der Familie, wie festgestellt wurde, abnimmt und ebenso die der Kirchen; die der Medienwelt wächst, auch wenn sie nicht integrierend wirkt, und die der Schule ist prekär. Was ist bei dieser Situation die Herausforderung für den Erziehungsauftrag der Schule? Angesichts der Individualisierung der Gesellschaft, von der Herr Bothe, wie ich meine, mit Recht gesprochen hat, und der abnehmenden Erziehungskraft von Familien und Kirchen kommt der schulischen Erziehung eine gesteigerte Bedeutung zu. Aber die schulische Erziehung kann nicht allein - da unterscheide ich mich von Herrn Bothe darauf orientiert sein, daß junge Menschen sich in dieser Gesellschaft zurechtfinden und daß ihre individuelle Selbstverwirklichung gestützt wird; sie hat, Herr Grimm hat das deutlich gesagt und ich bin da ganz seiner Auffassung, eine integrative Aufgabe, um das zu vermitteln, was die Gemeinsamkeit, die tragende Grundlage und die von innen her regulierende Kraft für das Zusammenleben der Gesellschaft und in der Gesellschaft ausmacht. Je ausgeprägter auf der einen Seite der Pluralismus sich entfaltet, desto notwendiger ist als Komplement diese integrative Erziehungsaufgabe. Nur wenn diese Erziehungsaufgabe einigermaßen gelingt, erhält sich die Gesellschaft auch als Gemeinwesen, das aus gewissen Grundüberzeugungen und einer gewissen Grundeinigkeit heraus lebt.
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Daß dies gelingt, einigermaßen gelingt, ist notwendig einmal aus Gründen der Demokratie - das ist ja lange diskutiert worden im Hinblick auf den Grundkonsens in einer demokratischen Gesellschaft, der wichtig ist. Es ist ebenso notwendig aus rechtsstaatlichen Gründen. Herr Isensee hat von der moralischen Bereitschaft zum Gesetzesgehorsam gesprochen, man kann dies auch noch ergänzen um die moralischen Regulierungskräfte für die weit erstreckte Freiheit, die der Rechtsstaat gewährt und nur gewähren kann, wenn solche moralischen Regulierungskräfte im Freiheitsgebrauch wirksam werden. Wie aber ist integrative Erziehung, die der Schule in besonderer Weise zufällt, möglich? Wir müssen hier, so scheint mir, etwas deutlicher als die Referate es getan haben, Erziehung von Bildung und Ausbildung abgrenzen. Erziehung ist mehr als ein nur kognitiver Vorgang, obwohl kognitive Elemente darin enthalten sind. Erziehung, Herr Manti hat es angesprochen auch unter Rückgriff auf alte Zitate, hat auch eine charakterbildende, eine ethosbegründende und ethosvermittelnde Funktion. Insofern ist sie normativ ausgerichtet. Sie soll Lebenshaltungen und Handlungseinstellungen vermitteln und bewirken, daß sie von den Zöglingen angenommen werden. Eine solche ethosbegründende Erziehung kann aber, wenn ich recht sehe, nur aus einer Verbindlichkeit heraus erfolgen, d. h. einer Richtigkeitsüberzeugung, nicht daraus, daß verschiedene mögliche Angebote vorgestellt werden, die vielleicht verbindlich sein könnten, wenn man sie als für sich verbindlich ansieht. Hier liegt das zentrale Problem. Woher kann die schulische Erziehung im freiheitlichen und religiösweltanschaulichen neutralen Staat diese Verbindlichkeit nehmen und gewinnen? Ist solche Verbindlichkeit unabhängig von Religion und unabhängig von gültigen ethischen Orientierungen zu gewinnen? Oder kann allein das kulturelle Erbe den Grund dafür abgeben? Aber woher hat das kulturelle Erbe seine Verbindlichkeit und wie wird es davor bewahrt, daß es sich in der Abfolge von ein oder zwei Generationen aufzehrt? Den Juristen liegt dafür der Rückgriff auf die Verfassung nahe, und zwar in dem Sinne, daß in Verfassungen - wie in zahlreichen Landesverfassungen geschehen - bestimmte Erziehungsziele formuliert und festgelegt werden. Ich möchte aber davor warnen, jetzt die Verfassung insgesamt sozusagen als kollektives Erziehungsziel zu proklamieren und aus Bestimmungen, die einen ganz anderen Sinn und eine andere Funktion haben, nun Erziehungsziele abzuleiten. Das richtet sich nicht gegen die Auffassung von Herrn Klein, daß zur Erziehung auch gehört, Achtung vor der Verfassung und die Anerkennung der Verfassungsprinzipien zu vermitteln. Werden aber bestimmte Erziehungsziele ausdrücklich normiert, stellt sich das Problem ihrer Vermittlung mit den Freiheitsgarantien der Ver-
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fassung. Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG gewährleistet Religion und Weltanschauung als einen Bereich, der staatlicher Ingerenz vorausliegt. Wenn dies auch für die staatlich getragene Schule gilt, anderseits in der Verfassung - wie in mehreren Länderverfassungen - Erziehungsziele verbindlich festgelegt sind, die sich auf christliche oder allgemeine religiöse Gehalte beziehen, wie kann das zueinandergefiihrt werden? Übrigens gilt das entsprechend für verbindliche Erziehungsziele humanistischer oder moralisch-sozialer Art. Erweisen sich solche Erziehungsziele in dem Moment als nicht mehr vollziehbare normative Illusion, in dem ihre allgemeine Anerkennung brüchig wird und sie gerade deshalb gefordert wären? Oder kommt dem Staat gleichwohl - und auf welcher Grundlage - eine Regelungs- und Entscheidungskompetenz zu? Daraus resultieren die Probleme, die an Beispielen näher erläutert worden sind. Ich erwähne das, um zu zeigen, daß hier Herausforderungen liegen, über die man näher nachdenken muß. Bull: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Ich möchte über das Verhältnis von Erziehung und Indoktrination sprechen oder - anders angesetzt - über das Verhältnis der Meinungsfreiheit, der pädagogischen Freiheit des Lehrers und der Lehrerin zu dem hier immer wieder mit Recht beschworenen Toleranzgebot und zu dem Gebot, Erziehung überparteilich, unparteilich vorzunehmen. Der Lehrer, die Lehrerin ist die Schlüsselfigur bei der Umsetzung all der Ziele, über die wir hier heute sprechen. Seine und ihre pädagogische Freiheit ist rechtlich und faktisch groß. Die Kontrolle über den einzelnen Lehrer, die einzelne Lehrerin in seinem und ihrem Unterricht ist schwer durchzuführen. Herr Dittmann hat in seiner These 13 mit Recht bemerkt: Eine rechtliche Steuerung ist nur begrenzt möglich. Ich nehme an, daß das sich auch auf diesen Zusammenhang bezieht. Auf der anderen Seite aber besteht doch in der Tat die Gefahr, daß einzelne Angehörige der Lehrerschaft indoktrinieren nicht nur jene, die Herr Isensee als Überbleibsel der Kulturrevolution bezeichnet, die frustrierten ehemaligen Achtundsechsziger, die vielleicht immer noch einen Linksdrall in unziemlicher Weise in den Unterricht hineinbringen, sondern natürlich auch manche auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Wer die Zeitung aufmerksam gelesen hat, weiß ja, daß wir Fälle erleben, wo Lehrer ihre Stellung dazu nutzen, Schülerinnen und Schülern ein sehr einseitig verzerrtes, historisch falsches Bild etwa von der deutschen Geschichte zu vermitteln oder in sonstiger Weise ihre jeweiligen (auch parteipolitisch gefärbten) Urteile und Vorurteile aufzudrängen. Herr Manti hat vom „Überwältigungsverbot" gesprochen. Das würde hier genauso entgegenstehen wie anders ausgedrückt das Toleranzgebot.
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Disziplinarverfahren greifen hier in aller Regel nicht oder erst sehr spät - dafür muß schon sehr viel geschehen, ζ. B. die Grenze zu strafrechtlichen Tatbeständen überschritten sein, zu Volksverhetzung und ähnlichem. Die Schulaufsichten wissen ein Lied davon zu singen, wie schwer es ist, solche Tatbestände nachzuweisen - oft gegen einen Korpsgeist innerhalb der einzelnen Schule oder gegen die Angst von betroffenen Schülerinnen und Schülern, solche Dinge anzuzeigen. Natürlich habe kein Rezept zur Uberwindung dieses Dilemmas; ich fürchte, kaum jemand hat ein wirklich greifendes Rezept. Aber vielleicht gibt es doch einen weiterführenden Ansatz, der auf der Ebene dessen liegen würde, was wir hier über Erziehungsziele gesprochen haben, nämlich das Gebot an die Lehrenden, ihre Meinung offenzulegen, im Sinne eines richtig verstandenen Pluralismus sich dazu zu bekennen und dann die Diskussion, die Bearbeitung und Verarbeitung auch der subjektiven Meinungen in der Schule zu beginnen, anzustoßen, ganz bewußt einen Prozeß der Aufarbeitung von Positionen in Gang zu setzen und nicht etwa den anderen Weg zu wählen, die verschiedenen Positionen zu vermengen oder zu verunklaren zu einer Linie des Mittleren, des Kompromisses, der dann keine klaren Konturen mehr hätte. Ein letztes Wort: Wie ist es eigentlich, wenn Schüler und Schülerinnen von den Lehrerinnen und Lehrern instrumentiert werden? Das kommt ja neuerdings auch vor. Wenn etwa eine Landesregierung Stellenkürzungen im Bildungsbereich ankündigen muß, aus der allseits bekannten Finanznot heraus - das kann jeder Landesregierung passieren! - oder wenn sie die Klassenfrequenzen heraufsetzen muß oder wenn bestimmte andere einschneidende Maßnahmen im Bildungsbereich vorbereiten muß oder Parlamente dies beschließen, dann kommt es vor, daß die Lehrerschaft oder die Gewerkschaften aufrufen zu Protestdemonstrationen vor dem Parlamentsgebäude oder vor dem Sitz des Kultusministeriums. Dann entsteht ja wohl die Situation, daß hier die Erziehung zum mündigen Staatsbürger in die Nähe einer Erziehung zum Widerstand gerät, jedenfalls gegen die Regierung oder das Parlament, oder wenn man es sehr dramatisch zuspitzt: zu einem Angriff auf die Demokratie, etatistischer gedacht: auf den Staat. Ich denke, die Regierungen werden auch damit im Zweifel fertig werden, aber das Problem stellt sich, die Grundsatzfrage ist aufgeworfen, und für unseren Kreis hier wäre es vielleicht eine Uberlegung wert, auch darauf nach einer Antwort zu suchen: Wohin führt die Erziehung zu einer grundlegend selbständigen, konstruktiv kritischen Verhaltensweise in der Wendung gegen die Regierungen und Parlamente? Hufen: Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren. Das Thema unseres heutigen Tages verbindet in sehr glücklicher Weise die Elemente
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Schule und Erziehung einerseits sowie Verfassungsstaat und Verfassungsauftrag andererseits. Ich begreife dieses Thema also als Anlaß, über Verfassungstheorie und damit über die grundsätzliche Funktion der Verfassung nachzudenken. Die von Herrn Botbe eingangs sehr eindrücklich beschriebene gesellschaftliche Realität der Familien und auch der Schule zeigt, daß sich die Frage der Funktion des Grundgesetzes derzeit in Erziehung und Schule wie in einem Brennspiegel bündelt. Die beiden Referenten haben in dankenswerter Weise die Frage aufgegriffen, ob und wie die Verfassung in diesem „modernen" Sinne gesellschaftliche Realität beeinflussen kann. Herr Bothe kam dabei etwas mehr von der Empirie her; Herr Dittmann hat eine eher normative und auch eher vorsichtige Position bezogen. Keiner der beiden Referenten aber hat im traditionellen Sinne die Verfassung auf ein Staatsorganisationsstatut oder die Grundrechte auf reine Abwehrrechte reduziert. Auch hier ist der schöne Satz von Herrn Böckenförde schon zitiert worden, wonach der moderne Staat von geistigen Voraussetzungen lebt, die er nicht selbst gewährleisten kann. Wenn ich diesen Satz einmal aufgreifen und sozusagen umdrehen darf, dann ist die Schule doch wohl ein zentrales Instrument, mit dessen Hilfe der Staat dann doch Voraussetzungen beeinflussen kann, von denen er lebt. Die Schule ist vielleicht die einzige Institution, wo diese lebenswichtigen geistigen Grundlagen des Gemeinwesens geschaffen, zumindest aber beeinflußt werden können - mit welchem Erfolg auch immer. Das bildet auch den Ausgangspunkt für die verfassungstheoretische Frage nach dem Einfluß des Grundgesetzes auf die schulischen Erziehungsziele. Es ist hier gesagt worden, die Verfassung enthalte nur höchst abstrakte Aussagen in dieser Richtung. Dem kann ich nicht beipflichten. So hatte etwa die Schulrechtskommission des Deutschen Juristentages unter Mitwirkung des - hier gleichfalls bereits mehrfach zitierten - verstorbenen Kollegen Evers keine Schwierigkeiten, die Erziehungsziele ihres Mustergesetzentwurfes auf die materiellen Aussagen der Verfassung zurückzuführen. Auch ich sehe hier kein Problem - ganz im Sinne von Scheuner, der gesagt hat, die Grundrechte seien nicht nur Abwehrrechte, sonder auch Richtlinie und Rahmen der Staatstätigkeit mithin auch der Staatstätigkeit in der Schule. So kann man Respekt vor der Identität des in- oder ausländischen Mitschülers ohne Schwierigkeiten mit der Menschenwürde in Verbindung bringen. Auch andere Ziele wie Demokratie, Gleichheit und Toleranz sind schulische Erziehungsziele und materiale Verfassungsgebote. Demokratie bedeutet, auf die Schule bezogen, Verfahren zur rationalen Konfliktaustragung. Damit ist ein Stichwort gefallen, an dem wir mit unserem Thema gegenwärtig wohl nicht vorbeikommen. Ich meine den realen Zustand der Schule in der Gegenwart, über den wir viel Negatives - um nicht zu sagen: Nieder-
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schmetterndes - erfahren. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, hier insgesamt von einer großen Krise zu sprechen, jedenfalls zeigen uns die Zahlen über Gewalt in der Schule, fehlende Zufriedenheit der Eltern und vor allem die Resignation eines großen Teiles der Lehrer, daß sich einiges ändern muß, wenn die Schule ihre elementare Funktion für diese Gesellschaft noch erfüllen soll. Statt dessen scheint sich die Demotivation in der Gesellschaft in der Schule in besonderem Maße niederzuschlagen. Einer der Ansätze, hier Abhilfe zu schaffen, ist der Versuch, zu mehr Binnenpluralität im Schulwesen zu gelangen. Dieses Problem wurde in beiden Referaten nur knapp angesprochen und wurde in der bisherigen Diskussion nur abwertend und negativ genannt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß der vorsichtige Versuch verfassungswidrig sein soll, Schüler, Eltern und Lehrer zu einer Schulgemeinschaft zu formen, in der mehr eigene Identität und Profil entfaltet werden können und etwas mehr Spielraum in bezug auf Unterrichtsgegenstände und Gestaltung der Schule gegeben ist. Wo sollen denn die Schüler demokratisches Verhalten und Konfliktaustragung lernen, wenn die Schule als Anstalt im Sinne vergangener Jahrhunderte zentralstaatlich geführt wird? Im übrigen wissen wir doch längst, daß Schule durch die Verwaltung nicht bis in die Zehenspitzen zu steuern ist - Erziehung schon gar nicht. Etwas mehr Selbstbestimmung der Schulgemeinschaft, etwas mehr Betonung der je eigenen Identität, Entscheidungen in kleinen Einheiten und Berücksichtigung der Motivation „vor Ort" sollten daher nicht sogleich auf verfassungsrechtliche Gegenargumente stoßen. Mit „Basisdemokratie" und - in der Tat verfassungsrechtlich problematischer - „Autonomisierung der Schule" hat das alles nichts zu tun. Fazit: Unsere Diskussion kommt mitnichten 25 Jahre zu spät; sie kommt vielmehr exakt im richtigen Zeitpunkt. Wir müssen nur aufpassen, daß wir diese Diskussion nicht mit Argumenten von vor 25 Jahren führen. Vielen Dank. Schachtschneider: Herr Vorsitzender! Jedes Gemeinwesen hat ein politisches Paradigma, und das Erziehungswesen dieses Gemeinwesens kann und darf sich gegen dieses Paradigma nicht durchsetzen, weil letzteres dadurch in Frage gestellt würde. Unser Paradigma ist das der Menschenwürde oder der Freiheit. Art. 2 Abs. 1 GG definiert Freiheit als freie Entfaltung der Persönlichkeit. Darauf hat Herr Dittmann wesentlich abgestellt. Also muß das Erziehungswesen eine bestmögliche freie Entfaltung der Persönlichkeit fördern. Es ist nicht richtig, wenn die Freiheit zu einem Prinzip der Selbstverwirklichung heruntergespielt wird, so daß sie trefflich angreifbar ist. Freiheit im Sinne des Grundgesetzes ist, wie es Herr Isensee der Sache nach angesprochen hat, durch das Sittengesetz definiert. Herr Haberle hat angeregt, den zu Recht und zum Glück nicht in
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das Grundgesetz aufgenommenen Entwurf eines Art. 20 a in die Präambel einzubinden. Die Verpflichtung zum Gemeinsinn und zur Mitmenschlichkeit als Prinzip bürgerlicher Freiheit steht schon als freiheitliches Ethos im Grundgesetz, als das Sittengesetz Kants klassisch formuliert. In diesem Sinne anerkennt unsere Verfassung jeden einzelnen als Person, die wesentlich frei ist. Diese Freiheit ist formal, d. h. anerkennt, daß jeder sich zu einer, seiner Persönlichkeit entfalten kann. Dieser Formalität, die untrennbar mit der Pflicht zur Sittlichkeit verbunden ist, muß die Erziehung bestmögliche Entfaltungschancen geben. Jeder einzelne muß nach Möglichkeit seine eigene Vollkommenheit erreichen können, auch um fremder Glückseligkeit dienen zu können. Die freiheitliche Erziehung muß auf die Freiheit des anderen, auf die Mitmenschlichkeit, auf die Nächstenliebe ausgerichtet sein. Wie leistet man das? Die kulturellen Grundfertigkeiten müssen erneut in den Mittelpunkt gerückt werden. In der Schule muß man lesen, schreiben und rechnen lernen, aber auch alte und neue Sprachen. Die Geschichte, das Land und die Welt, die Natur, die Religionen müssen den Schülern bekannt gemacht werden. Die Grundlagen für die spätere Ausbildung oder für ein späteres Studium müssen gelegt werden. Der Staat aber bleibt auch in seinem Erziehungswesen der Är«gerschen Nichtidentifikation verpflichtet. Wie die Schule unter einer aufklärerischen Verfassung zur Multikulturalität erziehen soll, ist mir nicht recht nachvollziehbar. Auch eine Erziehung zur Demokratie würde eine Verfassungsentscheidung für die Demokratie voraussetzen. Das Grundgesetz verfaßt aber eine Republik und zugleich einen demokratischen und sozialen Bundesstaat. Eine Republik ist durch die allgemeine Freiheit definiert. Das Wort Demokratie soll das vielleicht umfassen, ist aber nicht der Ausdruck, der unsere Verfassung hinreichend kennzeichnet. Herr Schiedermair hat zu Recht die Erziehung zu einem Europabewußtsein kritisiert. Warum sollten wir die Schüler nicht zum National- oder zum Weltbewußtsein erziehen. Die Erziehung eines Bewußtseins halte ich ohnehin für fragwürdig. Besser ist eine Erziehung zur menschenwürdigen, d. h. freiheitlichen Bewältigung des gemeinsamen Lebens. Das erfordert eine Erziehung zur Aufgeklärtheit. Aufklärung ist das entscheidende Wort unseres Gemeinwesens. Gemeint ist die Aufklärung im Sinne des sapere aude, Kants „Wage Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen." Das erfordert viel Übung. Eine letzte Bemerkung zur Erziehung zur Moralität, die Herr Isensee eingefordert hat. Kann der Staat das leisten? Brauchen wir dazu nicht die Kirchen, die wir verloren haben? Dankeschön. Vorsitzender: Wir wollen jetzt zu einem Zwischenwort der Referenten kommen. Ich würde vorschlagen in umgekehrter Reihenfolge. Ich
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möchte zunächst Ihnen, Herr Dittmann, das Wort geben, danach Herrn Botbe und bei Bedarf auch noch unseren beiden Berichterstattern aus Osterreich und der Schweiz. Dittmann: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich möchte die an mich herangetragenen Fragen in chronologischer Reihenfolge beantworten. Herr Haberle, Sie haben einen bunten Strauß verschiedenster Anregungen vorgetragen, von denen ich insbesondere zwei Aspekte herausgreifen möchte. Sie haben zum einen die interessante Frage aufgeworfen, ob man nicht die Erziehungsziele im Sinne einer Drittwirkung für die elektronischen Medien fruchtbar machen könnte. Das wirkt - auf den ersten Blick - bestechend; aber ich hege doch Vorbehalte. Zum einen habe ich in meinem Referat bereits darauf hingewiesen, daß sich im Rundfunkstaatsvertrag mit den sogenannten Programmgrundsätzen eine ganze Reihe von Zielvorstellungen finden, die sich mit Erziehungszielen der Landesverfassungen und Schulgesetze weithin decken. Was Sie, Herr Häberle, mit der Drittwirkung erreichen wollen, ist also bereits auf normativer Ebene weithin geschehen. Allerdings besteht auch hier das bisher nur unbefriedigend gelöste Problem ihrer tatbestandlichen Präzisierung und Sanktionierung dann, wenn gegen sie verstoßen wird. Von einer zusätzlichen Herübernahme der ebenfalls so schwer zu vollziehenden Erziehungsziele als Maßstab einer rundfunkrechtlichen Kontrolle verspreche ich mir daher herzlich wenig. Des weiteren haben Sie die Zurückhaltung des Grundgesetzes in Fragen von Erziehungsauftrag und Erziehungszielen der Schule beklagt und erneut angeregt, die hinter den Staatszielen verdeckten Erziehungsziele im Wege einer pädagogischen Verfassungsinterpretation fruchtbar zu machen. Auch insoweit bleibe ich bei meinen Vorbehalten und betone noch einmal, daß das Grundgesetz nicht nur aus entstehungsgeschichtlichen, sondern auch aus guten Gründen der Rücksichtnahme auf die bundesstaatliche Vielfalt gerade im Bildungswesen sich in der Frage gesamtstaatlicher Erziehungsziele zurückgehalten und dadurch der bundesstaatlichen Vielfalt und der Eigenständigkeit der Länder Raum gegeben hat. - Herr Oppermann, Sie haben mein Stichwort von der „Schule der Nation" aufgegriffen und um Präzisierung gebeten. Ich will es noch einmal deutlich sagen: Zum einen hat die Schule als „Schule der Nation" die eigene, die deutsche Nation zu akzeptieren und im Sinne der Integration positiv zu umhegen. Vor allem aber will ich mit dem Begriff von der „Schule der Nation" sagen, daß die Schule nicht nur die Aufgabe hat, die individuelle Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern und schulisch zu begleiten, sondern daß Schule auch die Aufgabe hat, diejenigen Einstellungen und Orientierungen zu vermitteln, die - polizeirechtlich formuliert - für ein gedeihliches Zu-
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sammenleben in der Gemeinschaft und im Staat unentbehrlich sind. Sie haben weiterhin nachgefragt, ob es um einen Erziehungsauftrag des Staates oder einen Erziehungsauftrag der Schule gehe. Ich sehe da keinen Unterschied. Nach Absprache mit dem Vorstand war das Thema so zu verstehen, daß es allein um die öffentliche und damit in Deutschland in erster Linie um die staatliche Schule geht, der schulische Erziehungsauftrag mithin staatlich bestimmt ist. Schließlich haben Sie, Herr Oppermann, im Hinblick auf das morgige Thema angeregt, auch im Schulbereich stärker über Entstaatlichung, Privatisierung und Deregulierung nachzudenken. Immerhin reicht Art. 7 Abs. IV G G dazu ja ausdrücklich die Hand. Aber schon Herr Stern hat in seinem Diskussionsbeitrag mit dem Hinweis auf Wilhelm von Humboldt zu Recht auf das damit verbundene Dilemma aufmerksam gemacht. Auch bei einer stärkeren Privatisierung des Schulwesens wird der Staat schon allein über die Frage der Finanzierung nicht vor der Tür bleiben, so daß ich in einer stärkeren Privatisierung des Schulwesens insgesamt nur eine graduelle Entstaatlichung sehe. Herrn Stern habe ich mit dieser Antwort indirekt auch schon bedacht. - Herr Lerche, Sie haben meinen Leitsatz 7a herausgegriffen und danach gefragt, inwieweit es eigentlich angehen kann, Art. 2 Abs. I G G als Fundamentalnorm im schulischen Bereich zu benennen, also eine Grundrechtsnorm, die zufolge ihres ausgesprochen weiten Schutzbereichs kaum geeignet erscheint, dem schulischen Erziehungsauftrag inhaltliche Konturen zu verleihen. Diese Skepsis ist m. E. unangebracht. In Art. 2 Abs. I G G ist - mit den Worten von Ekkehart Stein zu sprechen - das Grundrecht des Kindes auf Entfaltung seiner Persönlichkeit mitangelegt. Soweit nun für die Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes ζ. B. die Schulwahl und die Fächerwahl eine Rolle spielt, ist es Aufgabe des Staates, diese von Art. 2 Abs. I GG mitumfaßte individuelle Entscheidung in der Schule zu fördern und zu umhegen. Insofern sehe ich aus Art. 2 Abs. I G G einen schulischen Auftrag legitimiert, derartige schulbezogene Entscheidungen des Individuums zu schützen. Das hindert aber nicht, neben dieser an Art. 2 Abs. I GG orientierten, dienenden Funktion der Schule, ihr auch überindividuelle Aufgaben i. S. e. Integrationsaufgabe zuzuweisen. - Herr Isensee, Sie haben noch einmal ihre Skepsis gegenüber ethisch orientierten Erziehungszielen zum Ausdruck gebracht und dabei vor allem die Nächstenliebe zitiert. Gerade dieses Erziehungsziel erscheint mir aber am wenigsten unter Vollzugsdefiziten in der Schule leiden zu müssen, denn es gibt in den einzelnen Fächern hinreichende Möglichkeiten vom Sportunterricht bis zu stärker leistungsorientierten Fächern - , den Gedanken der Nächstenliebe in vielfältiger Weise in der Klassengemeinschaft einzuüben - durch Hilfestellung und Rücksichtnahme des begabten auf den weniger begabten Schüler. - Herr Roellecke, Sie sehen die
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Achillesferse der Erziehungsziele darin, daß man sie nicht lernen und abprüfen könne. Richtig, aber darum geht es auch gar nicht. Erziehungsziele sind in erster Linie vielfach Vorgaben, die das schulische Umfeld bestimmen sollen, in dem das Lernen stattfindet, die das pädagogische Ethos ansprechen und das Schulklima prägen sollen. Sie sind gerade keine Lernziele und damit auch nicht prüfungsrelevant. Das Maß ihrer Akzeptanz durch den Schüler kann sich allenfalls in den sog. Kopfnoten oder in den Besonderen Anmerkungen des Zeugnisses niederschlagen. - Herr Rauschning, mein Hinweis auf die Staatspflege ist in der Tat an Herbert Krüger orientiert gewesen, das räume ich gerne und freimütig ein. - Herr Bull, Sie haben noch einmal auf die Schwierigkeiten hingewiesen, gegebenenfalls unter Verwendung des Disziplinarrechtes die Erziehungsziele vollzugsfähig zu machen. Diese Skepsis teile ich und verweise in diesem Zusammenhang auf eine Fußnote in dem Begleitaufsatz von Herrn Pieroth, in der sich der Hinweis findet, daß derzeit lediglich drei gerichtliche Entscheidungen auszumachen sind, in denen disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen Lehrer auf die Verletzung von Erziehungszielen gestützt werden. Das bestätigt nur noch einmal von dieser Seite her die Schwierigkeit, auf die Sie hingewiesen haben. - Schließlich Herr Hufen, Sie haben angeregt, durch identitätsstiftende Maßnahmen eine Art Schulgemeinschaft von Lehrern und Eltern dadurch zu beleben, daß der Gedanke der Partizipation aller am Schulleben Beteiligten stärker aktiviert wird, um damit auch die gemeinsame Verantwortung aller Erziehungsträger zu unterstreichen. Die Instrumente dafür wären ja vorhanden und wer selbst als Elternvertreter tätig gewesen ist, weiß, daß die Schulen immer wieder den Gedanken einer Schulgemeinschaft beschwören. Ihrem Ansatz gehört meine ganze Sympathie. Aber - Herr Hufen zurückhaltendes Desinteresse der meisten Eltern und eine vielfach resignative Haltung der Lehrer außerdienstlichen Aktivitäten gegenüber bestimmen derzeit die Realität. Mit anderen Worten: Ich bezweifle, daß über die Spielwiese partizipatorischer Elemente die Schule zur Erziehungsgemeinschaft werden kann. - Vielen Dank. Bothe: Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Die Diskussion hat vieles angesprochen, was mich in der Zeit der Vorbereitung des Referates umgetrieben hat. Ich will versuchen, das zu gruppieren, wobei ich natürlich Gefahr laufe, einzelne Fragen und Herausforderungen nicht aufzugreifen. Zunächst zu dem Bereich Staat und Gesellschaft. Mir ist vorgeworfen worden, ich hätte den Staat unterbetont. Da bin ich mir keiner Schuld bewußt. In dem Referat steckt freilich manches, was die Rolle des Staates etwas bescheidener sieht, vielleicht in dem Sinne - gestatten Sie mir die
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Paraphrase - daß der Staat der erste Diener der Gesellschaft ist. Angst habe ich vor einem Konzept, daß den Staat zu sehr zu einem Selbstzweck jenseits seines Wohlfahrtszwecks für die Bürger macht. Aber in dieser Funktion als Diener der Gesellschaft habe ich den Staat, so glaube ich, nicht unterbetont. Ich möchte dabei insbesondere auf das hinweisen, was ich zur Privatschule gesagt habe. Ich gebe dem Staat schon, was des Staates ist. Nun zur Frage Staat und Nation. Der moderne Staat ist vielleicht Nationalstaat, er ist ganz bestimmt Territorialstaat. O b und inwieweit er Nationalstaat ist, das hängt davon ab, was man unter der Nation versteht. Selbstverständlich ist der Staat für sein Funktionieren auf eine gewisse historisch gewordene Kohäsion angewiesen. Wir sehen heute in vielen Fällen, in der Nähe und in der Ferne, wie Staaten, denen das nation building aus irgendeinem Grund nicht gelungen ist, nicht oder schlecht funktionieren. Ich will also dieses als Nation zu bezeichnende Element einer geschichtlich gewordenen Integration nicht leugnen. Es ist eine Funktionsbedingung des Staates, wenn er seine Rolle als Diener einer auf einem bestimmten Territorium befindlichen Gesellschaft wirklich wirksam erfüllen will. Aber bei dieser Funktionalität sollte es sein Bewenden haben. Ich habe großes Mißtrauen gegen alle Formulierungen, die darüber hinausgehen. D a halte ich es lieber mit einem Frankfurter, nicht aus der Frankfurter Schule, aber mit jemand, der in Frankfurt geboren ist, nämlich Goethe, der im Westöstlichen Diwan geschrieben hat: „Zur Nation Euch zu bilden, Deutsche, Ihr hofft es vergebens. Bildet darum, Ihr könnt es, freier zum Menschen Euch aus."
Soviel zur Nation. Der nächste Punkt, der mich sehr umgetrieben hat, ist das Spannungsverhältnis zwischen Offenheit für eigene individuelle Optionen, die sich entfalten können müssen, auf der einen Seite und Integration in eine Gesellschaft auf der anderen. Hier sind Akzente unterschiedlich gesetzt worden. Darüber muß man sicherlich noch weiter nachdenken, oder darüber kann man eigentlich nie aufhören, nachzudenken. Beides ist in ein richtiges Verhältnis zueinander zu setzen. Demokratie ist, so meine ich, in der Herausbildung von Wertüberzeugungen eben doch dezentral angelegt. Auch Wertüberzeugungen bilden sich in der Demokratie auf dem Marktplatz der Meinungen. Dieser offene Prozeß soll nicht durch Fixierungen präjudiziert werden. Das zu sagen, daran lag mir. Dem liegt die Uberzeugung zugrunde, daß eine gesellschaftliche Integration in diesem offenen Prozeß möglich ist. Eine letzte Frage, bei der ich mich vielleicht deutlicher ausdrücken sollte, hat mich umgetrieben, nämlich die Möglichkeit der Umsetzung
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von Verfassungszielen im Bildungs-, Ausbildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Der Einbezug der Lehrer in die Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten ist als Stichwort in diesem Zusammenhang gefallen. Darauf lege ich Wert. Die Vermittlung von verfassungsgebotenen Erziehungszielen kann nur gelingen, wenn die Lehrer, die Pädagogen in den Prozeß der Entfaltung der Verfassung irgendwie eingebunden werden. Dies ist auch eine Herausforderung an uns, die Verfassung in einer Weise zu entfalten, die auch von der Lehrerschaft aufgenommen werden kann. Ich habe die Lehrerfortbildung in diesem Zusammenhang erwähnt. Hier muß einfach Kommunikation stattfinden. Das bedeutet nicht, daß wir Verfassungsinterpretation den Lehrern überlassen, sondern, daß zwischen unserem Fach und den Lehrern Kommunikation stattfindet. Das Scharnier einer ministerialen Verwaltungsrichtlinie will mir hierfür nicht genügen. Soviel zunächst, die Multikulturalität möchte ich mir für das Schlußwort aufheben. Manti: Der Lehrer ist eine Zentralfigur in den Auseinandersetzungen, die uns heute umtreiben. Die sogenannte Unterrichtsfreiheit des Lehrers wird im österreichischen Schulunterrichtsgesetz unter dem Titel „Unterrichtsarbeit" ganz kurz umschrieben: Der Lehrer hat in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit, also kognitiv, emotiv und normativ, die Aufgabe der österreichischen Schule, das sind die Erziehungsziele des § 2 Schulorganisationsgesetz, von denen ich in meinem Referat gesprochen habe, zu erfüllen. Das ist in der Praxis sehr schwer. Ich habe jahrelang Lehrerfortbildung in politischer Bildung und Staatsbürgerkunde betrieben. Zum Teil wollte mein Publikum ganz einfach nur wissensmäßig den Stoff der alten Staatsbürgerkunde kennenlernen: Es hat Hauptschullehrer gegeben, die ihre Schüler die Kompetenzen der österreichischen Bundesversammlung, zu denen auch heute noch das Recht der Kriegserklärung zählt, auswendig lernen ließen. Aber das sind nur Schmankerln, das wirklich Dramatische dabei - das hat Friedhelm Hufen schon angedeutet - war und ist die tiefe anarchische Grundsehnsucht der Lehrer, die ich sonst nur noch bei Künstlern gefunden habe, das Gefühl der völligen Schrankenlosigkeit bei der pädagogischen Arbeit. Zugleich sind, das ist auch empirisch erwiesen, die Lehrer die mit ihrem Beruf unzufriedenste Gruppe der öffentlichen Bediensteten. Das äußert sich in zahlreichen Krankheitsfällen und Frühpensionen. Angesichts dieses bestürzenden Faktums einer im Grunde desolaten Lehrerschaft bin ich gegenüber den die Enttraditionalisierung nahezu positiv akzeptierenden Thesen 6, auch 7 und 24 Michael Bothes skeptisch, weil dies die Schule überfordert. Es gibt den für die Herstellung der „neuen Welt"
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notwendigen Lehrer doch nicht, und es wird ihn auf absehbare Zeit wohl auch nicht geben. Noch zwei kleine Kritikpunkte in diesem Zusammenhang: Bothe postuliert für den Schüler, in entwickelter Mündigkeit einen sinnvollen Lebensentwurf selbständig zu finden. Auch darin liegt eine Uberforderung. Auf dem Weg zum selbständig erarbeiteten, sinnvollen Lebensentwurf ist doch immer wieder - auch über die rechtliche Mündigkeit hinaus - das Vorbild notwendig, das Beispiel von „Angesicht zu Angesicht" (übrigens ein Pestalozzi-Wort). Dieser Aspekt ist bei Bothe unterbelichtet. Schließlich wende ich mich noch einmal gegen den von Bothe gleichsam verordneten Antitraditionalismus, den ich rechtlich und pädagogisch für äußest problematisch halte. Gerade die sozialintegrative Funktion der Tradition dürfte nicht übersehen werden, jene soziale Integration, die Dieter Grimm so nachdrücklich gefordert hat, immer vor der ernsten Folie der Böckenförde sehen Frage, wie dieses Ethos zu erarbeiten sei. Dies wird immer schwieriger, weil es immer weniger Alltagsselbstverständlichkeiten gibt, weil auch die Traditionsbestände dünner werden, aber gerade deswegen will ich sie nicht gleich hinauswerfen, sondern sorgsam pflegen. Wir können niemals 100 % unserer Werte tradieren, das wäre eine schreckliche Welt. Wir müssen sie modifiziert, adaptiert an die nächste Generation weitergeben. Das ist überaus mühsam. Robert Musil hat einmal im „Mann ohne Eigenschaften" gesagt, das wahre Osterreich sei die ganze Welt. Das kann sehr weltläufig verstanden werden, aber auch sehr provinziell, etwa dergestallt, daß man nichts außerhalb der eigenen Grenzen suche und brauche. Wir wissen ja, wie schwer es ist, das Partikulare in eine universalistische Menschheitsmoral zu übertragen. Und das alles sollte der Lehrer können, wenn wir es nicht zustande bringen? Vogel: Wir sind uns wohl einig darüber, daß verfassungsrechtliche Erziehungsprinzipien die Wirklichkeit nur sehr begrenzt steuern können. Unter diesem Vorbehalt möchte ich ein paar Worte zu den Kollisionen unter solchen Erziehungsprinzipien und zu ihrer Rangordnung sagen. Herr Bothe hat den Fall der moslemischen Schülerin genannt, bei der das Gebot der Gleichberechtigung mit der Religionsfreiheit kollidieren könne. Er hat, wenn ich ihn recht verstanden habe, der Gleichberechtigung den Vorrang gegeben; ich würde ihm darin zustimmen. Hier wird erstens, meine ich, eine Grenze des „Multikulturalismus" deutlich; das möchte ich jetzt aber nicht vertiefen, wahrscheinlich werden das andere tun. Und zweitens wird mit diesem Beispiel die Frage aufgeworfen nach der Rangordnung der Verfassungswerte, auf die hin Erziehung ausgerichtet sein muß. Dazu eine These oder auch nur Hypothese: ich denke,
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vor allen Einzelzielen rangieren hier die Grundentscheidungen der Art. 1 und 20 Grundgesetz, dazu der Art. 3 und der Kern des Art. 2 Abs. 1. Mit anderen Worten: der Verfassungsstaat, der, wie heute schon mehrfach erwähnt worden ist, seine eigenen Voraussetzungen nicht gewährleisten kann, muß gerade deshalb Wert darauf legen, daß jedenfalls der Versuch unternommen wird, diese seine Voraussetzungen im Wege der Erziehung in seinen zukünftigen Staatsbürgern zu verankern. Das Wort von der Schule als Schule der Nation, mit Verlaub Herr Vorsitzender, stammt aus der ersten Regierungserklärung Brandt-Scheel, und ich bin mir sicher, daß es damals im Sinne von Herrn Dittmann als Erziehung zur Nation gemeint gewesen ist, in einem Sinn, den auch Herr Hangartner sehr schön umschrieben hat (freilich nicht der Nation, die Goethe und Herr Bothe abgelehnt haben). Noch ein Wort zur „Ehrfurcht vor Gott", Herr Bothe. Solange unser Grundgesetz sich auf die Verantwortung unseres Volkes vor Gott und den Menschen beruft, werden Sie mich nicht davon überzeugen können, daß die Erziehung zur Ehrfurcht vor Gott verfassungswidrig sei. Im säkularen Staat kann sie zwar nicht Erziehung zu einer bestimmten Religion bedeuten und nicht einmal Erziehung zur Religion überhaupt. Aber sofern wir uns darüber einig sind, daß die Ethik, zu der wir erziehen sollten, nur transzendental begründet werden kann, traue ich mir zu, auch mit einem Atheisten ein Einverständnis über eine Auslegung jener Worte zu finden. Starck: Meine Damen und Herren. Ich möchte etwas zur Verbindlichkeit der Erziehungsziele sagen, was bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist. Die Erziehung zum Staatsbürger, und zwar die Erziehung des Erwachsenen zum Staatsbürger, ist, wie wir wissen, nicht Aufgabe des Staates; er muß hier auf Vorgegebenheiten zurückgreifen können, die anderweitig geleistet werden. Der Staat kann allenfalls mittelbar durch die Gesetzesgestaltung den Bürger dazu bewegen, sich gemeinverträglich zu verhalten. Uber den Titel „Schulehalten" hat der Staat allerdings die Möglichkeit und die Pflicht, den werdenden Bürger zu staatsbürgerlicher Gesinnung zu erziehen unter Einschluß all der staatsbürgerlichen Tüchtigkeiten, wie sie in den zumeist landesverfassungsrechtlich normierten Erziehungszielen stehen. Nun geschieht das auf dem Wege, daß die Erziehungsziele nicht den Schülern, sondern den Lehrern zur Pflicht gemacht werden. Insoweit haben wir es mit verfassungsrechtlichen Grundpflichten zu tun, die die Lehrer erfüllen müssen, wenn sie in der Schule unterrichten. Wie läßt sich die Frage der Verbindlichkeit beantworten? Wie läßt sie sich juristisch-technisch durchsetzen? Ich knüpfe an die These 15 von Herrn Bothe an, der meines Erachtens sehr plausibel un-
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terschieden hat zwischen positiv-anleitender Funktion und negativ-ausgrenzender Funktion der Erziehungsziele; er hat zur negativen Ausgrenzung auch ein Beispiel gebracht, das ich nicht wiederholen will. Vielmehr möchte ich zur anderen politischen Seite hin ein Beispiel bringen: Die Vermittlung einer anarchisch-utopischen Gesellschaftstheorie wird durch die Erziehungsziele ausgegrenzt, d. h. verboten. Ich glaube, daß wir in der Operationalisierung der Erziehungsziele im allgemeinen weiter kommen, wenn wir Anleihen im Planungsrecht machen, das durch intensive juristische Beschäftigung steuernde Wirkung entfaltet. Auch da gibt es Finalsteuerungen, wie sie die Erziehungsziele beabsichtigen. Das hätte man vielleicht etwas vertiefen können. Die Frage, wie es eigentlich um die Realität der Erziehungsziele steht, verweist über die Schule und die dort tätigen Pädagogen hinaus auf die Pädagogiker in den Lehrerbildungsanstalten. Ich habe mich in den Siebzigerjahren mit dieser Frage beschäftigt und die Pädagogikliteratur durchgeschaut und dabei festgestellt, daß die Erziehungsziele entweder ignoriert oder als Ausdruck vergangener Zeiten ridikülisiert worden sind. Man hat gesagt, so etwas altertümlich Daherkommendes, was da in Landesverfassungen steht, sei völlig unbrauchbar; deshalb müsse man ganz auf die Pädagogik setzen: also die Pädagogik gegen die verfassungsrechtlichen Erziehungsziele. Nun haben sich beide Referenten mit der Umsetzung der Erziehungsziele beschäftigt und haben immer nur von der Umsetzung in der Schule gesprochen. Ich meine, daß wir hier auch in den Blick nehmen müssen, daß die Umsetzung in der Schule vorbereitet wird in der Lehrerausbildung. Die Lehrerausbildung gehört unabdingbar zum Thema „verfassungsrechtliche Erziehungsziele". Hier gibt es gewiß Schwierigkeiten, da die Professoren in den lehrerbildenden Anstalten die Lehrfreiheit für sich geltend machen. Auch in den juristischen Fakultäten haben wir Lehrfreiheit. Aber wir wissen, daß wir bei der wissenschaftlichen Ausbildung der jungen Juristen das geltende Recht zu lehren haben und die junge Generation mit den Rechtsgrundsätzen vertraut zu machen haben. Und das muß in einer sicher abgeschwächten und anderen Weise auch an den Bildungsanstalten für die Lehrer geschehen. Huber: Herr Vorsitzender. Ich möchte zunächst zur These Nr. 5 von Herrn Dittmann eine Frage stellen. Dort hat er festgestellt, daß ein staatliches Schulmonopol verboten sei. Ich bin mir nicht sicher, ob man so pauschal sagen kann, der Staat oder das Grundgesetz verbieten ein staatliches Schulmonopol. Ich bin mir insbesondere nicht sicher, ob man nicht zwischen den unterschiedlichen Phasen der schulischen Erziehung differenzieren muß. Schon der Art. 7 unterscheidet ja zwischen der Volksschulerzieung und der sonstigen schulischen Erziehung, und gerade im
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Bereich der Volksschulerziehung kommt die Regelung einem staatlichen Erziehungsmonopol doch ziemlich nahe. Dieses Monopol ist nicht um seiner selbst willen, wir haben es ja mehrfach gehört, im Art. 7 Abs. 1 der staatlichen Schule aufgegeben, sondern zu dem Zweck, Grundkonsens, Integration oder die vorrechtlichen Voraussetzungen im Sinne von Herrn Böckenförde zu schaffen oder zumindest zu ermöglichen. Insofern hätte ich sowohl gegen die Deregulierung, die Herr Oppermann hier zu bedenken gegeben hat, als auch zu der Binnenpluralitätsvorstellung von Herrn Hufen Einwände. Auch im übrigen scheint mir der staatliche Erziehungsauftrag bei der Interpretation der Privatschulfreiheit manchmal ein bißchen zu kurz kommen, nicht zuletzt in der Rechtsprechung. Was nun die Erziehungsmaßstäbe angeht, Herr Dittmann, ist meine weitere Frage: habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie die grundgesetzlichen Wertentscheidungen, Staatszielbestimmungen und Ähnliches lediglich als Ermächtigung verstehen, aber sozusagen nicht als bindende Vorgaben? Wenn dies so sein sollte, dann dürfte hier ein gewisser Systembruch zur sonstigen Bindungswirkung liegen, die man grundrechtlichen Wertentscheidungen im übrigen ja zuspricht; diese gelten für alle staatliche Gewalt strikt und nicht lediglich als Option; sie binden damit auch die Landesstaatsgewalt in vollem Umfang. Im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, bei dem Sie ja von einer „gemeindeutschen Basis" gesprochen haben, haben Sie das der Sache nach - so glaube ich - auch bejaht. Und in der Tat: sollte denn in Niedersachsen, wo die Erziehung zur Selbstverantwortung und Selbstentfaltung nicht in der Verfassung steht, diese Erziehung nicht geboten sein? Das Grundgesetz setzt den Landesverfassungen einen breiten Rahmen; dieser läßt den Ländern Raum zur Akzentuierung, wie es Herr Stern genannt hat, aber dieser Rahmen gilt natürlich mit der Wirkung des Art. 31. Letztes Wort zu den Erziehungsmaßstäben, die in Art. 7 Abs. 1 oder über Art. 7 Abs. 1 in den staatlichen Erziehungsauftrag einfließen: Sie gelten, so verstehe ich es, gleichrangig neben anderen Grundentscheidungen der Verfassung, der Religionsfreiheit - die islamische Schülerin ist ja mehrfach angesprochen worden - der Meinungsäußerungsfreiheit und anderen Wertentscheidungen. Hier, Herr Bothe, ist Raum für den „Multikulturalismus", sozusagen als Ergebnis praktischer Konkordanz oder Toleranz zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und seinen Maßstäben einerseits und kollidierenden Verfassungsentscheidungen auf der anderen Seite. Jedoch, und das ist mir in Ihrem Referat nicht ganz deutlich geworden, darf man doch nicht vergessen, daß der Erziehungsauftrag und seine Maßstäbe von ihrem integrativen Zweck her gedacht werden müssen; dann taucht die „Multikulturalität" jedoch lediglich als Schranke auf und nicht als primäre Zielsetzung von Erziehungsauftrag und -maßstab. Insofern, Herr Vorsitzender, gebietet
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das Grundgesetz in der Tat auch die Erziehung zur Nation, allerdings zu einer Nation im republikanischen und in dem von Goethe gerade nicht gemeinten Sinne. Frowein: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Wir alle sind zur Schule gegangen und die meisten von uns haben Kinder, die in die Schule gehen oder gegangen sind, und deswegen meinen wir, daß wir mehr oder weniger wissen, worüber wir reden, und das mag auch ein bißchen dazu führen, daß die Beziehung zum Recht mir manchmal etwas undeutlich zu werden scheint und wir über einen Erziehungsauftrag sprechen, bei dem wir nicht mehr ganz klar sehen, wieweit er eigentlich wirklich rechtlich determiniert ist. Ich möchte gerne zu vier Punkten, wo ich rechtliche Konfliktzonen sehe, kurze Andeutungen machen und die Referenten vielleicht auch bitten, dazu noch etwas im Schlußwort zu sagen, wenn es sich ergeben sollte. Die erste Frage Schulzwang und Problematik der Privatschulen. Hinsichtlich des Schulzwanges sollten wir uns klar sein, daß es wohl in Europa kaum ein Land gibt, das einen so scharfen Schulzwang, wie wir in Deutschland ihn haben, kennt. Das hat neulich in einem interessanten Verfahren eine Rolle gespielt, wo eine deutsche Schulwiderständlerin bis nach Straßburg kam, dort natürlich auch abgewiesen wurde. Aber der Fall hat mir doch zu denken gegeben. Die Frau ist mit ihrem Kind nach England gegangen, wo sie ihre Art der Erziehung unproblematisch verwirklichen kann. Es ist ein Punkt, über den wir nachdenken sollten. Ebenso sollten wir über das Problem Aufsicht über Privatschulen an den wirklich verfassungsfesten Maßstäben nachdenken, während die Aufsicht in der Praxis sehr weitgehend eine Gängelungsaufsicht ist, die weit über das hinausgeht, was diese Maßstäbe sind. Zweiter Punkt: Schulgliederung. Ich meine, daß eine unmittelbare Beziehung zwischen Schulgliederung und Erziehungsauftrag besteht. Früher pflegte man das ja zum Teil mit der Formel zu umschreiben, Erziehung durch klassische Bildung, das klassische deutsche humanistische Gymnasium. Das kann man nicht ganz ausblenden, wenn man über unser Problem spricht, und muß sich auch erinnern an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die sehr klar in einer streitigen Phase die Einheitsschule im weitesten Sinne verworfen hat und bestimmte Auswahlmöglichkeiten garantiert hat. Das ist in unserem Zusammenhang auch zu bedenken. In diesem Zusammenhang ein Wort zum Ganztagsschulproblem, das meines Erachtens ein eminent rechtliches Problem ist, wo wir uns fragen müssen, ob nicht die deutschen Schulträger in stärkerem Umfang für Familien und Alleinerziehende Ganztagsschulen vorhalten müssen, was außer im deutschsprachigen Raum fast überall die Regel ist. Dritte Bemerkung: inhaltliche Konflikte. Wir erinnern uns alle an die Se-
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xualkunderichtliniendiskussionen und an die politischen Richtliniendiskussionen der Sechziger- und Siebziger) ahre. In einem neuen Gewand taucht das Problem wieder auf. Uber Multikulturalität und Islamvorstellungen ist diskutiert worden. Ich glaube, daß da die Sache nicht so einfach ist wie bei dem Schwimmunterricht. Ich würde persönlich meinen, daß in der Tat die wesentlichen Grundlagen dieser Erziehung geleistet werden müssen, auch wenn Probleme auftauchen mit Grundvorstellungen anderer Religionen und Kulturen. Aber das ist ein sehr schwieriges Konfliktfeld, das angesprochen werden sollte. Letzte Bemerkung: Es ist von Herrn Hufen und vorher schon über das Problem der inneren Schulorganisation gesprochen worden. Ich will einmal mit der Gefahr der Mißverständlichkeit sagen: es gibt wirklich so etwas wie demokratische Organisation in der Schule. Nicht etwa basisdemokratisch, wie das eben erwähnt worden ist. Aber die Beziehung zwischen Gewährleistung dieser Ziele und Einbindung von Eltern, aber auch Schülern in bestimmtem Umfang ist etwas, was größerer Beachtung bedarf. Vielen Dank. Wallerath: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. In den Referaten wie in der Diskussion klang mehrfach die begrenzte Steuerungsfähigkeit von Recht für schulische Erziehungsprozesse an. Dem folgt auf instrumenteller Ebene, wiederzufinden in der These 14 von Herrn Bothe, daß die normative Steuerung hier in Form einer finalen Programmierung erfolgt. Beide Referenten verknüpfen diese Erkenntnis auf der Umsetzungsebene mit der Kategorie pädagogischer Freiheit. Diese Kategorie kann natürlich nicht ein Recht des Lehrers auf Erziehung dem Schüler gegenüber bedeuten - das Recht auf Erziehung steht nur dem Staat und nicht dem einzelnen Lehrer zu, es definiert also einen besonderen Freiraum des Lehrers im Verhältnis zur Schulaufsicht. Herkömmlich wird dieses Prinzip als objektiv-rechtliches Prinzip einer optimalen Gestaltung von Unterricht verstanden. Wenn Herr Bothe den Grundsatz pädagogischer Freiheit, wie ich meine: zu Recht, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbindet, so setzt er damit stillschweigend die subjektiv-rechtliche Verstärkung des Prinzips pädagogischer Freiheit voraus. Dies läßt sich sicherlich nicht, jedenfalls nach herkömmlichem Verständnis, auf Art. 5 Abs. III GG, wohl aber auf Art. 2 Abs. I in Verbindung mit 5 Abs. I GG zurückführen. Die Berenzung dieser Freiheit ergibt sich aus Art. 7 GG einerseits wie auch aus den beamtenrechtlichen Vorschriften und - was nicht immer recht beachtet wird - den besonderen schulrechtlichen Bestimmungen, die die Weisungsfreiheit begrenzen, andererseits. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in der Tat hier als „Schranken-Schranke" zu mobilisieren: Wenn sich die dialogische Struktur von Unterricht einer strikten Programmierung von außen
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widersetzt, so ist lediglich ein „limitiertes Weisungsrecht" geeignet, der personalen Ausfüllung des Beziehungsgeflechts zwischen Lehrer und Schüler Rechnung zu tragen. Insofern sperrt sich der Grundsatz der pädagogischen Freiheit natürlich nicht gegen die Vorgabe von Erziehungszielen - Herr Manti hat das eben sehr schön mit eingebracht. Ich denke, damit sind auch die Bedenken von Herrn Bull zerstreut - selbstverständlich hat der einzelne Lehrer kein Widerstandsrecht gegen vorformulierte Erziehungsziele des Parlaments oder der Kultusbürokratie, soweit sie sich im Rahmen des Wesentlichkeitsvorbehalts bewegen. Wohl aber bietet der Grundsatz pädagogischer Freiheit etwa ein Reservat für methodische Freiheit, auch für didaktische Freiheit. Und hier mag das, was Herr Hufen soeben anklingen ließ, durchaus Geltung gewinnen, und hier mag auch das, was Herr Dittmann mit „Achillesferse" bezeichnete, in der Tat eine gewisse Bestätigung finden. Vielen Dank. Morlok: Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren. Unser Gegenstand Erziehungsauftrag und Erziehungsmaßstab ist gekennzeichnet durch ein Trilemma. Auf der einen Seite haben wir die Direktiven für einen staatlichen Erziehungsauftrag. Der Staat darf, soll, ja er muß Erziehungsziele setzen, wenn er die Voraussetzungen für einen freiheitlichen Verfassungsstaat erhalten will. Auf der zweiten Seite stehen demgegenüber Schranken für die staatliche Erziehungstätigkeit, insbesondere die Grundrechte von Eltern und Kind begrenzen den Staat, wehren Indoktrinierung ab, schaffen die Freiheit, eigene Vorstellungen der Bürger zur Entfaltung zu bringen. Die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen diesen beiden rechtlichen Imperativen ist ein konventionelles Geschäft der Juristen. Hierbei gibt es Verschiedenes zu betrachten, was wiederholt angesprochen wurde. Bei unserem Problem kommt aber, glaube ich, stärker als bei anderen Problemen eine dritte Seite hinzu. Und das ist eben die nur begrenzte Steuerungsfähigkeit des Bildungswesens durch das Recht. Das muß man mit systematischer Konsequenz verfolgen. Herr Bothe hat darauf zunächst einmal in einer Makroperspektive hingewiesen, indem er hervorgehoben hat, daß das Bildungssystem ein ausdifferenziertes Gesellschaftssystem ist, das nur begrenzt transparent ist für den Blick von außen und eben auch nur begrenzt steuerbar ist. Herr Dittmann hat den gleichen Gesichtspunkt von der pädagogischen Situation her betont und sodann mit dem schönen Ausdruck gesagt, Erziehung, vor allen Dingen dann, wenn es um die Vermittlung von Werten geht, funktioniere nicht per Befehl, sondern per Dialog. In der Tat, ich möchte mit meinem Kollegen Gröschner formulieren: Das dialogische Prinzip muß Leitprinzip der Erziehung sein. Daraus folgt aber, daß ich mich in der pädagogischen Situation einlassen muß auf den Zögling.
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Der Lehrer muß suchen, wo der Schüler ist, auch wo er geistig ist. Das ist nicht vorherprogrammierbar. Die pädagogische Freiheit des Lehrers ist alles andere als ein Rechtstitel, das ist eine faktische Notwendigkeit. Angesichts dieses Befundes - der nur begrenzten rechtlichen Steuerbarkeit der Erziehungsziele - fragt sich, was zu tun ist. Herr Roellecke hat den kühlen soziologischen Blick gewählt und gesagt, das rechtliche Gerede um Erziehung solle nur ablenken, da komme sowieso nichts raus, das schaffe den Pädagogen faktische Freiheit. Da mag viel dran sein, aber das ist für uns Verfassungsrechtler, die wir eben normativ verpflichtet sind, unbefriedigend. Eine zweite Antwort hat Herr Bothe gegeben in seinem Hinweis auf die symbolische Dimension der Wirkungen des Rechts. Das ist wichtig und sollte nicht unterschätzt werden. Aber darüber hinaus haben wir doch ein Interesse daran, wie wir die normative Kraft der Verfassung umsetzen können. Im Hinblick hierauf muß man eben ganz konkret sich einlassen auf die Realisierungsbedingungen in der Schule. Ohne den Lehrer, ohne das Klassenzimmer läuft nichts. Die Stichpunkte sind jetzt alle schon genannt worden. Das erste ist Lehrerbildung, Herr Starck hat das ja gerade schon gesagt. Wer sich um Erziehungsziele wirklich kümmert, ein Interesse an der Implementation von Erziehungszielen hat, muß sich darum kümmern. Und das zweite ist, Herr Hufen hat das vor allen Dingen angesprochen, das ist ein Interesse für die Schulorganisation. Hier muß ich in der Tat eben auch den Dialog beginnen zwischen den staatlichen Instanzen und nicht nur den Schülern, sondern auch den Eltern. Das ist nötig; vielleicht sollte man ein bißchen Interesse von der Diskussion um die letzte Ziselierung der Erziehungsziele abziehen und verwenden auf diese praktischen Ubersetzungsschritte. Knies: Herr Vorsitzender, ich wollte an sich nicht zum Thema „Lehrerbildung" sprechen, obwohl dies ein Punkt war, bei dem ich vorhin einen der Herren Kollegen sehr nachhaltig unterstützt habe. Die Lehrerbildung und vor allen Dingen - angesichts der von Herrn Stark ja nicht zu Unrecht kritisierten und keineswegs karikierten Form der akademischen Lehrerbildung an unseren Hochschulen - die praxisorientierte Lehrer/ortbildung sind außerordentlich wichtig zur Realisierung auch der verfassungsgeprägten Bildungs- und Erziehungsziele. Ich wollte vielmehr zu einem Thema einige Sätze sagen, das Sie zwar in Ihrer Aufzählung der jetzt zu erörternden Fragen nicht hatten, das aber von zwei der Herren Kollegen breits aufgegriffen worden ist. Ich hatte nicht den Eindruck, daß unsere beiden Herren Hauptreferenten einen Mangel an Etatismus haben erkennen lassen. Ich würde eher sagen: Das war kräftig etatistisch, jedenfalls was das Verhältnis staatliche Schule
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- Privatschule anging. Geradezu angstvoll - so war mein Eindruck - hat Herr Bothe gesagt: Die Privatschule darf für die öffentliche Schule keine Konkurrenzschule werden! Ich glaube, man braucht sich um die staatliche Schulhoheit und die Dominanz der staatlichen Schule keine Sorgen zu machen. Wir werden den Gang der Geschichte auch in diesem Punkte nicht umkehren. Aber das sollte uns nicht veranlassen, die knappe Lebensluft, die bei uns die Privatschule aufgrund dieser Tradition und der Mentalität der Deutschen ohnedies nur hat, noch weiter abzuschnüren. Eher umgekehrt möchte ich sagen (wenn auch nicht im Sinne der Maximen, die vielleicht morgen die Debatte über die Privatisierung öffentlicher Aufgaben bestimmen werden): Ein wenig mehr Privatschulfreundlichkeit kann uns nicht schaden. Sie könnte gerade der öffentlichen Schule und der staatlichen Schulpolitik zum Vorteil gereichen. Dazu zwei Gesichtspunkte. Zunächst stimme ich Herrn Frowein ganz zu: Wir haben in vielen Schulverwaltungen die Vorstellung, die Privatschule müsse eine Blaupause der öffentlichen Schule sein, und wo sie auch nur um ein Geringes von dieser abweiche, habe die staatliche Schulaufsicht einzugreifen. Es gibt viel gewichtigere Probleme der Privatschulen, bei denen die staatliche Schulaufsicht wirklich gefordert wäre, aber dort nicht in Erscheinung tritt, weil dazu einiger Mut erforderlich wäre. Natürlich darf die private Schule - wie das Grundgesetz sagt - in ihren Lehrzielen und Einrichtungen nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen. Aber sie braucht deshalb doch nicht unter privaten Vorzeichen die Fortsetzung der Staatsschule mit anderen Mitteln zu sein; sie darf etwas anderes sein. Nur wenn sie etwas anderes ist, nimmt sie auch von der öffentlichen Schule einigen Druck weg. Was hätten wir uns - beispielsweise - in Deutschland Schulkämpfe erspart, wenn wir ein stärker ausgebildetes und eingebürgertes privates Schulwesen hätten! Dann hätten sich nämlich die Schulreformbewegungen der Sechziger-, Siebziger und Anfang der Achtziger) ahre zunächst einmal in experimentierenden Privatschulen abspielen können und nicht im Zwangsapparat der staatlichen Schule, wo das Problem für die widerstrebenden Eltern sich ja daran entzündet, daß es keine Ausweichmöglichkeiten gibt, so daß sie also ihre Kinder auf eine von ihnen abgelehnte Reformschule zu schicken genötigt sind, vor der es kein Entrinnen gibt. Eine zweite Entlastung der öffentlichen Schule durch die private bitte ich in Erwägung zu ziehen: ein wenig Entlastung von der weitgehenden erzieherichen Ratlosigkeit. Selbst die privaten Schulen haben ja ihre Schwierigkeiten mit dem, was von den öffentlichen so lauthals und wohlfeil gefordert wird: die „Rückgewinnung des Erzieherischen". Wie stellen wir uns das eigentlich vor? Wir selbst sind in den Familien nicht in der Lage oder nicht willens, den erzieherischen Aufgaben voll nachzu-
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kommen. Das Fernsehgerät als „beruhigender" Miterzieher ist auch in unseren Kreisen nicht unbekannt. Und dann erwarten wir, daß diese erzieherischen Defizite von der Schule, dazu der staatlichen Schule, ausgeglichen und behoben werden! Dort sind aber Lehrer, die sich - wen darf es eigentlich wundern? - wie andere Zeitgenossen auch jene hedonistischen und individualistischen Lebensziele und Lebensplanungen zu eigen gemacht haben, die hier und heute schon mehrfach festgestellt und beklagt worden sind. Darüber könnte ich ein schönes und langes Lied singen. Und von diesen Lehrern erwarten wir dann, daß sie gemeinschaftsorientierte Charakterschulung betreiben. Machen wir uns bitte keine falschen Vorstellungen, und hegen wir keine übertriebenen Erwartungen; aber gehen wir vielleicht, wo dies möglich ist, einen kleinen Schritt in Richtung auf die Verstärkung schulischer Erziehung durch Stärkung privater Schulen. Herr Bull hat mich mit seinem Beitrag zu einer letzten Bemerkung verlockt. Herr Bull, jetzt rächen sich alte Sünden! Ich kann mich beispielsweise sehr gut daran erinnern, daß in einem deutschen Land der Staatssekretär des Kultusministeriums zusammen mit Gewerkschaften und anderen Verbänden die Schulen, Schüler und Lehrer dazu aufgerufen hat, während der Schulzeit zu einer politischen Kundgebung nach Bonn zu fahren, wobei zugleich die Vergebung aller Sünden verkündet wurde: Schule schwänzen war für Lehrer und Schüler erlaubt und folgenlos, sagen wir es deutsch. Denn das politische Ziel der Kundgebung war der Landesregierung genehm; deswegen wurden die Sünden als läßliche angesehen. Jetzt ist eine politische Situation da, wo die unter Verletzung von Schul- und Dienstpflichten in Anspruch genommene Demonstrationsfreiheit sich gegen die Landesregierung selbst richtet - und nun ist man plötzlich erstaunt. Seien Sie nicht erstaunt, sondern kehren Sie zu einem strengen Amts- und Pflichtenverständnis für die Lehrer zurück. Unterscheiden Sie die Wahrnehmung der Amtspflichten von der privaten Grundrechtsausübung; die muß bei der Schule am Nachmittag stattfinden und nicht vormittags während der Schulzeit! Würtenberger: Die beiden Referenten waren sich in einem Punkt einig: Mit der Veränderung der Gesellschaft und ihren Leitideen verändern sich zugleich auch die Erziehungsziele. Dies ist sicherlich richtig. Wenn man nämlich dem Wandel des Zeitgeistes nachgeht, finden sich im Wandel der Erziehungsziele die besten Anzeichen für einen Wandel im Zeitgeist. Gleichwohl möchte ich die kritische Frage stellen: Sind die Erziehungsziele nur Spiegel des gesellschaftlichen Zustandes oder sind Erziehungsziele nicht auch auf gesellschaftliche Stabilisierung oder auf Veränderung der Gesellschaft gerichtet? Bei der Betrachtung der Erzie-
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hungsziele ist eines zu beachten: Jede Generation baut durch die Erziehung der Nachkommenden das geistige Gehäuse der folgenden Generation. Schon daher geht es bei der Erziehung nicht um ein Sich-Treibenlassen durch den möglicherweise problematischen Gang der gesellschaftlichen Entwicklung. Deswegen sollte die Realanalyse der Gesellschaft auch kritisch bewertet werden. Mit Erziehungszielen ist gesellschaftlichen Fehlentwicklungen gegebenenfalls entgegenzusteuern. Bei den Erziehungszielen geht es immer um ein Tradieren dessen, von dem man meint, es als richtig erkannt zu haben. Dabei geht es auch um ein Lernen aus verfehlten Erziehungszielen. Ich erinnere nur an den Schulbuchstreit Ende der 70er Jahre. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Frage an Herrn Bothe richten: Votieren Sie nach Ihrer Realanalyse für eine Erziehung zur Enttraditionalisierung? Geht es nicht auch um die Tradition der bewährten Werte, die Gegenstand der Erziehung sein muß? Muß in der Erziehung nicht auch vermittelt werden, was zur Tradition eines Kulturkreises gehört? Wenn man kulturelle Identität für bewahrenswert hält, muß man Prozesse und Phänomene der Enttraditionalisierung kritisch reflektieren. Dies führt zu einer weiteren Frage an Herrn Dittmann. In Ihrer These 8 haben Sie eine pädagogische Interpretation der Verfassungsprinzipien, wie sie von Peter Haberle vorgeschlagen ist, abgelehnt und im Zwischenwort haben Sie daran nochmals festgehalten. Diese These scheint mir im Blick auf die neuen Bundesländer besonders fragwürdig. Denn hier sollte sich die Erziehung der jungen Generation an den Verfassungsprinzipien und am Pluralismus des westlichen Verfassungsstaates orientieren. Trotz aller Buntheit der dortigen Landesverfassungen sollte die Ethik des Pluralismus vermittelt werden, also die Verfassungsethik, die dem Grundgesetz und seiner Interpretation zugrunde liegt. In diesem Zusammenhang eine letzte Bemerkung: Zum Ethikunterricht ist von beiden Referenten nichts vorgetragen worden. Hier ist für die Gestaltung der Lehrpläne großer Bedarf. Gerade im pluralistischen Staat muß man sich vergewissern, was Gegenstand eines Ethikunterrichts sein darf. Dürfen dem Agnostiker die Werte der Aufklärung oder gar des christlichen Abendlandes nähergebracht werden? Oder muß der Ethikunterricht frei sein von ethischen Wertungen, die diese Gesellschaft prägen? Mußgnug: Ich habe begrüßt, daß Herr Dittmann in seiner vorletzten These betont hat, daß der Auftrag, das Grundgesetz an die Schulen, auch die Pflicht einschließt, das Grundgesetz selbst zum Gegenstand des Unterrichts zu erheben. Noch glücklicher wäre ich gewesen, wenn er diese zentrale wichtige These deutlicher in den Vordergrund seiner Überlegungen gerückt hätte, und wenn auch Herr Bothe auf sie eingegangen
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wäre. Sie berührt den Punkt, der uns Verfassungsrechtler allem voran interessieren muß, wenn von der Schule und ihrem Bildungsauftrag die Rede ist. Wir dürfen das Lehrfach „Staatsbürgerkunde" nicht ganz den Bildungsplanern und Erziehungswissenschaftlern überlassen. Wir müssen ihnen vielmehr erklären, worauf es aus unserer Sicht der Dinge beim Staatsbürgerkunde-Unterricht ankommt. Daß bei ihm einiges im argen liegt, wird klar, wenn man sich vor Augen hält, daß unsere Kinder zwar mit 18 Jahren wahlmündig werden, daß aber die wenigsten von ihnen in der Schule lernen, was es mit der „Zweitstimme" wirklich auf sich hat, und deshalb allzu leicht auf die politischen Roßtäuscher hereinfallen, die ihnen weismachen, die Zweitstimme sei eine Art politisches Almosen, mit dem man Splitterparteien glücklich machen und Minderheitenforderung betreiben könne, ohne den Parteien, die man wirklich wählen möchte, etwas vorzuenthalten. Diesen und die vielen anderen bei den jungen Wählern grassierenden Irrtümer und Fehlvorstellungen zurechtzurücken, halte ich für sehr viel dringlicher als die von Herrn Bothe beschworene Einübung multikultureller Lebensformen, an denen es ja an unseren Gymnasien nicht gerade fehlt, solange sie noch einen ordentlichen Englisch- und Französischunterricht erteilen. Für noch wichtiger als unser Mitwirken bei der Definition dessen, was im Staatsbürgerkunde-Unterricht gelehrt werden muß, halte ich allerdings, daß die Staatsrechtslehre den staatsbürgerkundlichen Bildungsund Erziehungsauftrag der Schule verfassungstheoretisch gründlicher untermauert, als sie das bislang getan hat. Denn mit der staatsbürgerlichen Bildung der Jugend stehen und fallen die Demokratie und das Prinzip der Volkssouveränität. Die Monarchie beschäftigte Prinzenerzieher, um dem Souverän beizubringen, wie mit der Staatsgewalt umzugehen ist. Mit dem Ubergang der Staatsgewalt vom Monarchen auf das Volk ist die Einübung des Souveräns in den Umgang mit ihr vom Prinzenerzieher auf die Volksschule übergegangen. Ich fürchte nur, die Volksschule hat das noch nicht gemerkt. Drum liegt es bei unserer Vereinigung, sie unablässig darauf hinzuweisen, daß das demokratische Volk in seinen Schulen neben Schreiben, Lesen und Rechnen auch lernen muß, wie der Staat funktioniert, dessen Souverän es ist. Ich hätte mir gewünscht, daß davon in den beiden Referaten mehr die Rede gewesen wäre. Denn es geht bei unseren Schülern und Abiturienten zu viel staatsbürgerlicher Unverstand um. Wie dem abzuhelfen ist, mag das Thema der Erziehungswissenschaftler sein. Daß dem abgeholfen werden muß, und daß vor allen Dingen dies der eigentliche Auftrag der Verfassung an die Schulen ist, bleibt unser Thema. Wir machen uns einer Unterlassungssünde schuldig, wenn wir uns dazu verschweigen.
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Eckart Klein: Ich möchte anknüpfen an einen Begriff, der in den Referaten, auch in den Thesen von Herrn Bothe häufiger vorkam, den Begriff der Enttraditionalisierung. Wenn das ein beschreibender Begriff ist, ein Begriff eines faktisch existierenden, „real existierenden" Phänomens, dann ist dem sicher nichts entgegenzusetzen. Ich frage mich nur, ob aus dieser Beobachtung wirklich die weitgehenden Konsequenzen gezogen werden müssen, die Herr Bothe gezogen hat in seiner These 6, wo er sagt, daß das Erziehungswesen nicht kann und nicht darf die Entwicklung der Enttraditionalisierung und Individualisierung rückgängig machen. In ähnlicher Weise vielleicht hat auch Herr Dittmann in seiner These 14 gemeint, daß die Schule letztlich nur die Wertvorstellungen vermitteln kann, die auch außerschulisch von einem gesellschaftlichen Konsens getragen werden. Ich frage mich, ob diese Betrachtungsweise nicht zu resignativ ist. Wozu brauchen wir, um das einmal zugespitzt zu formulieren, eine Schule, die nur das reproduziert, was außerschulisch schon da ist. Ich meine, auch von den verfassungsrechtlichen Vorgaben her, sollte die Schule doch gerade die Möglichkeit darstellen, gewissen Tendenzen gegenzusteuern, außerschulischen Entwicklungen gegenzusteuern, die zu erkannt negativen Folgen führen. Herr Bothe hat sie in seiner These 5 ausdrücklich benannt. Aber dann genügt es doch nicht, sich einfach mit diesem Befund zufriedenzugeben und vielleicht an Symptomen zu kurieren statt die Sache selbst wieder in das Zentrum zu rücken, aus der diese negativen Folgen entstanden sind. Gerade gegen den Zeitgeist zu erziehen, bringt ja dazu, daß den Schülern Zivilcourage beigebracht werden kann. Also nicht dem, was ohnehin in der Gesellschaft gang und gäbe ist, einfach nachzujagen. Lassen Sie mich nur an drei kleinen Beispielen sagen, wie aus meiner Sicht es wichtig gewesen wäre, in der Vergangenheit oder auch gegenwärtig dem Zeitgeist etwas entgegenzutreten. Als es zur Wiedervereinigung kam, waren unsere Schüler überhaupt nicht auf diese Entwicklung vorbereitet. Nicht nur die Schüler übrigens, sondern viele andere auch. Für die Schüler war dieser Teil Deutschlands ein unbeschriebenes Blatt. Ich hätte einmal den Abiturienten fragen wollen, ob er wisse, wo Chemnitz liegt oder was Mecklenburg-Vorpommern ist; da war nichts da. Hier wäre es sinnvoll gewesen, gegen den Zeitgeist in den Schulen zu steuern, aber es war natürlich viel einfacher, mit dem Zeitgeist zu rennen. Oder auch zweitens, wenn ich aus den Schulen höre, von meinen Kindern habe ich das erfahren, daß dort in dem Unterricht zur Kriegsdienstverweigerung aufgefordert wird, anstatt deutlich zu machen, was zunächst einmal die primäre Grundpflicht ist, dann frage ich mich auch, ob es hier nicht wichtiger wäre, gegen den Zeitgeist vorzugehen, wobei ich allerdings angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur möglichen Qualifizierung des Soldaten-
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berufs zugebe, daß es Lehrern schwergemacht wird, hierzu ein positives Wort zu finden. Und darüber hinaus sollte in den Schulen insgesamt Verantwortung und Verantwortungsbereitschaft geweckt werden. Individualismus, der wird in der Gesellschaft ohnehin gepredigt und liegt sozusagen zutage. Aber daß man privat Konsequenzen aus irgendwelchen verantwortungsvollen Positionen zieht, das wird eigentlich nicht vermittelt. Ich frage mich, was wir mit diesem nichtverarbeiteten Befund der Enttraditionalisierung gerade etwa auch den neuen Ländern zum Aufbau ihres Schul- und Erziehungswesens bieten können. Es mag ja sein, daß es hier pädagogisch-praktische Schwierigkeiten gibt, Herr Dittmann hat dieses Wort geprägt, aber ich meine, Schwierigkeiten sind eigentlich dazu da, überwunden zu werden. Ein letztes Wort noch oder eine Frage zur Multikulturalität. Herr Bothe, Sie haben die Grundlage benannt in Toleranz, Pluralismus, Menschenwürde, Europabewußtsein, Völkerverständigung. Ist Multikulturalität nur die Synthese alles dessen, was Sie hier benannt haben? Dann würde ich eher raten, diesen Begriff zu vermeiden, weil es ja nun doch ein Reizwort ist, dann reichen die anderen Begriffe völlig aus. Wenn er aber etwas anderes sein soll, etwas darüber Hinausreichendes, dann ist er nicht definiert worden. Dankeschön. Fromont: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich möchte zuerst eine kurze Bemerkung zur Juridifizierung der Erziehungsziele machen, ich frage mich, ob detaillierte Bestimmungen zur Kultur und Erziehung in die Verfassung eingebracht werden können: aus juristischer Sicht haben solche Verfassungsbestimmungen in der Regel nur programmatische und keine bindende Kraft. In Frankreich zum Beispiel hat das Gesetz vom 25. Juni 1992 in den Artikel 2 der Verfassung die folgende Bestimmung eingefügt: „Die Sprache der Republik ist die französische Sprache". Mit Recht, meines Erachtens, haben die Franzosen diese Verfassungsergänzung nicht ernst genommen, weil sie zu keiner konkreten Rechtsänderung führen konnte. Gerade wurden vielen Bestimmungen des neuen Gesetzes zur Benutzung der französischen Sprache durch den Conseil Constitutionen am 29. 7. 1994 als verfassungswidrig erklärt, soweit sie gegen die Kommunikationsfreiheit im allgemeinen und die Freiheit auf dem Gebiet der Forschung und Lehre im besonderen verstoßen. Im Deutschland kann man teilweise dieselbe Erscheinung beobachten. Die Referenten haben festgestellt, daß die Verfassungen der Bundesländer die Erziehungsziele ganz verschieden festgesetzt haben. In dieser Hinsicht gibt es drei Arten von Verfassungen: diejenigen, die überhaupt darüber schweigen, diejenigen, die der Erziehung eine eindeutig christliche Richtung vorzeigen, und diejenigen, die eine etwas neutrale Färbung
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haben. Nun stelle ich den Referenten folgende Frage: entsprechen den verschiedenartigen Verfassungsbestimmungen effektiv Unterschiede in der Gesetzgebung und der Praxis? An der Wirkung von Verfassungsvorschriften auf die juristische Gestaltung der Erziehung hege ich persönlich Zweifel. Nun komme ich zur zweiten Bemerkung: sie betrifft die multikulturelle Gesellschaft. Wie Herr Referent Botbe schon gesagt hat, haben die Franzosen mit dem sogenannten islamischen Kopftuch viele Sorgen, weil mehrere Prinzipien gegeneinander stoßen, nämlich der Laizismus (Art. 2 der Verfassung) gegen die Meinungsfreiheit (Art. 9 der Menschenrechtserklärung) der Eltern und der Kinder. Aber dahinter stellt sich ein noch schwierigeres Problem, auf das schon hingewiesen wurde, nämlich die integrative Funktion der Schule. Die Schule hat die nationale Kultur zu übermitteln, insbesondere die Beachtung der Gleichheit von Mann und Frau. Nun ist das Tragen des islamischen Kopftuchs das eindeutige Zeichen der Ungleichheit zwischen Mann und Frau. Wenn es in den französischen Schulen toleriert wird, dann wird die ungleiche Behandlung von Mädchen und Jungen in vielen Familien, deren Mitglieder oft die französische Staatsangehörigkeit haben, toleriert. So besteht ein Konflikt zwischen der Erziehungsaufgabe des Staates und der Meinungsfreiheit der Familie. Hinzu kommt, daß die betroffenen Familien oft zerstritten sind: öfters will das Mädchen kein Tuch tragen, aber der Vater will es erzwingen. Eine Lösung zu finden ist nicht einfach. Der Conseil d'Etat hat am 2. 11. 1992 sehr vorsichtig entschieden, daß die Rechtmäßigkeit des Verbots des Tragens des Kopftuchs von den lokalen und zeitlichen Bedingungen abhängt. Diese Entscheidung ist richtig: Das ist kein rein juristisches Problem, das der Richter lösen kann; es ist auch ein politisches Problem, das vom Gesetzgeber und von der Exekutive zu lösen ist. Kühne: Zunächst noch außerhalb der Redezeitbeschränkung die Frage an die Veranstalter, ob es nicht bei diesem spezifischen Thema angezeigt gewesen wäre, die hiesige Saalgalerie für die Teilnehmerinnen des Beiprogramms freizugeben. Sie erziehen doch kräftig mit und im Zweifel mehr als wir. - Dann zu Herrn Botbes These 13 betr. Symbolwirkung der Erziehungsziele. Das war m. E. etwas zu wenig; hier wäre etwas tiefer auszuholen gewesen. Bei vollem Griff über Art. 148 WRV hinaus in den verfassungsgeschichtlichen Hintergrund zeigen sich die Erziehungsziele in der Traditionslinie republikanischer Tugendlehren, die am Beginn des Verfassungsstaates im angelsächsischen Bereich vorhanden sind. Sie sind sozusagen Geschäftsgrundlage für den modernen Verfassungsstaat. Wenn derartige Ziele bei uns anders als in den USA oder in England verfassungsnormiert sind, so zeigt das weiter, daß die hiesigen Verfassungs-
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geber keineswegs von Selbstverständlichkeit ausgingen. Es ist mit anderen Worten ein Stück Verzweiflung über den Untergang der Weimarer Verfassung, ein Stück nachhaltigen Durchsetzenwollens darin, d. h. mehr als lediglich Symbolwirkung. - Im übrigen stellt sich vor diesem Hintergrund auch die Frage, wie die in beiden Referaten wenig angesprochene Adressatenfrage abzuklären ist. Extensiv werden die Medien mit erfaßt, restriktiv bezieht sich das nur auf Schule und Schüler und darüber hinaus ist Schluß bzw. greift die Selbsterziehung. Insoweit war es eine gute Begriffsbildung, die sicher Konjunktur machen wird, daß Sie, Herr Dittmann, neben die ,wehrhafte Demokratie' auch die ,lehrhafte Demokratie' gestellt haben. Denn es geht hier in der Tat um so etwas wie eine von den Verfassunggebern intendierte stete Verfassungsentstehungssicherung. Herr Bothe, hinsichtlich Ihrer These 28 betr. multikulturelle Erziehung haben Sie sich nicht weiter zur Sprachenfrage geäußert. In den Verfassungen der neuen Bundesländer werden zum Teil bereits der Schutz der Kulturen genannt und mit der gescheiterten Grundgesetzergänzung durch Art. 20 b war ebenfalls eine Minderheitenschutzbestimmung angedacht. Wie soll diese kulturensichernde, minderheitensichernde Schule aussehen? Ich meine, es geht nur nach dem Schweizer Modell, das Herr Harngartner dankenswerterweise nutzbringend aufgezeigt hat. Die Staatssprache muß führen und daneben kann auch die Sprache der jeweiligen Kultur gebraucht werden, alles andere ist kaum administrierbar. Die Schweiz ist uns da nicht nur aufgrund ihrer besonderen sprachlichen Gefügtheit voraus, sondern auch aufgrund höheren Ausländeranteils. So hat die Züricher Kultusadministration beispielsweise eine dortige Schule mit 100 Schweizer und 300 Ausländer-Kindern aus 90 Nationen mangels externer Regelbarkeit praktisch zur autonomen Schule erklärt. Dann zur These 4 b von Herrn Dittmann. Zwar hält sich das Grundgesetz, wie Sie mit Recht sagen, hinsichtlich des Erziehungsauftrags zurück. Doch hätte als ein Element dieses Auftrags die gemäßigte Einheitsschule (zuletzt BVerwGE 89,368/377) stärker herausgestellt werden können. Dieser Aspekt betrifft unter sozialem Vorzeichen einmal die Zusammenfassung aller Schichten in einer Schule; insofern wäre etwa Skepsis gegenüber Privatschulausweitungen angezeigt, weil dort statistisch weniger ausländische und Unterschicht-Kinder unterrichtet werden. Im übrigen wäre der gemäßigte Einheitsschulgedanke auch unter politischem Vorzeichen stärker entfaltbar gewesen. - Schließlich zu ihrer These 5, d. h. Gottesbezug und Religionsunterricht, was auch den multikulturellen Bereich berührt. Dazu nur soviel, daß sich am Beginn des modernen Verfassungsstaats der Gottesbezug sowohl in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung als dortiger Vorverfassung findet wie in
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der französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärung mit der freilich sehr deistischen Formel des ,Être suprème'. - Zum Religionsunterricht konkret die Frage, wie wir uns auf Dauer zu verhalten haben bei zunehmender religiöser Pluralisierung. In den Landesschulgesetzen gibt es bereits den Religionsunterricht für Minderheiten, aber noch ist er großkirchlich bestimmt. Was aber, wenn islamische, buddhistische und Sektenangehörige Kinder weiter zunehmen, könnten wir dann den Religionsunterricht in der Schule noch durchhalten? Vielen Dank. Fiedler: Herr Vorsitzender, angesichts der fortgeschrittenen Zeit nur eine kurze Bemerkung und Frage an Herrn Bothe. Ich war zunächst außerordentlich erfreut über das weite Öffnen der Tür unseres Diskussionsfeldes zu dem gesamten internationalen Bereich, und nicht nur Europa spielt eine Rolle. Aber es stellte sich alsbald heraus, daß an diesem Punkte der Freude sofort die Fragen beginnen. Nämlich die Frage, wie Begriffe des internationalen Rechts in einen Verfassungszusammenhang überführt werden können, der zu einer praktikablen, umsetzbaren verfassungsrechtlichen Lösung führen kann. U n d hier beginnen in der Tat die Probleme, insbesondere wenn ich Ihre Thesen 8 und 30 betrachte. In These 8 taucht zum Beispiel das Erziehungsziel „Erziehung zum Frieden" auf und dasselbe in der These 30: „Bereitschaft zum Frieden". Ich habe mich unwillkürlich gefragt, welcher Friedensbegriff dies eigentlich sei. Ist es ein allgemein politischer Begriff oder ein mehr theologisch-moralischer oder gar ein juristischer Begriff. Wenn es ein juristischer Begriff ist, könnte es der Friedensbegriff sein, den wir etwa aus der Satzung der Vereinten Nationen oder aus vergleichbaren Bereichen kennen. Ist überhaupt ein rechtlich durchgestalteter Begriff gemeint? Wenn wir aber rechtlich so weit gehen, taucht auch das Problem des Selbstverteidigungsrechtes und der Selbsterhaltung auf. Umgesetzt auf unser Problem könnte man fragen, wo Toleranz und Aufgeschlossenheit möglicherweise eine Grenze haben. Etwa zur Verteidigung gerade Ihres pluralistischen Systems gegen aggressiv-fundamentalistische missionarische Tätigkeiten in verschiedenen Variationen. Diese Fragen wären jedenfalls dann zu stellen, wenn es überhaupt um einen irgendwie rechtlich gemeinten Begriff ginge. Wenn aber kein rechtlich gemeinter Begriff vorliegt, dann fragt man sich, was er eigentlich soll. Das gleiche gilt für die Formulierung der internationalen Solidarität, die Sie in der These 8 erwähnt haben. Was sind dies für Begriffe? Ich meine, sie zeichnen sich, so allgemein verwendet, durch eine große Multifunktionalität aus. Denn sie sind für verschiedene Inhalte ein sehr naheliegendes Etikett, und deshalb sollte man Begriffe, die aus dem internationalen Bereich stammen, nur mit einer entsprechenden Präzisierung verwenden, weil sonst die verfas-
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sungsrechtliche Umsetzung nicht möglich ist. Man muß auch wissen, was „Friedenserziehung" ist, denn man könnte auf die Idee kommen, es sei so etwas wie ein „Rotlichtkurs" der früheren DDR im Sinne einer staatlichen Pflichtveranstaltung gemeint. An eine solche Veranstaltung war natürlich nicht gedacht. Aber, wie gesagt, die Verfassung ist angewiesen auf klare Begriffsinhalte, wenn sie denn funktionieren soll. Vielen Dank. Selmer: Angesichts des Verlustes meiner Meldekarte, Herr Vorsitzender, hinke ich etwa hinterher und wiederhole wohl auch das eine oder andere. Aber auch Wiederholungen sind ja geeignet, die Konturen zu schärfen, die die Diskussion zwischenzeitlich gewonnen hat. Herr Bothe, Sie haben der Schule eine Schlüsselfunktion im gesellschaftlichen System zugewiesen. Das trifft gewiß zu. Entsprechendes auch von der tatsächlichen schulischen Erziehung zu sagen, erschiene indes unrichtig. Überzogen gesprochen: Eine Erziehung findet in weiten Bereichen des Schulwesens nicht statt. Ganz andere Kräfte, dies ist auch hier gelegentlich zum Ausdruck gekommen, wie Massenmedien, allgemeiner Zeitgeist und persönliches Umfeld sind es, die prägend auf die Jugend einwirken. Hinter diese Kräfte tritt die Schule deutlich in den Hintergrund, wenn sie nicht sogar zur Stätte ungewollter Verstärkung jener Kräfte wird. Nimmt man dies alles, so sind wir hier gelegentlich von einer Geisterdiskussion nicht weit entfernt. Das ändert freilich nichts an der Berechtigung der Themenwahl. Der reale Befund der schulischen Erziehung darf uns gewiß nicht davon abhalten, die Verfassung auf ihre Aussagekraft für den schulischen Erziehungsauftrag abzuklopfen. Hier nun, Herr Bothe, vermag ich Ihrer These nicht beizupflichten, das staatliche Erziehungswesen könne und dürfe nicht die von Ihnen mit Recht registrierte Individualisierung und Enttraditionalisierung - wofür man wohl auch „Entfamiliarisierung" setzen könnte - rückgängig machen. Und ähnliches, Herr Dittmann, kommt auch, wenngleich sehr viel behutsamer, bei Ihnen zum Ausdruck, wenn Sie davon sprechen, daß sich in der Schule nur die Wertvorstellungen vermitteln lassen, die auch außerschulisch von einem gesellschaftlichen Konsens getragen werden. Natürlich kann die Schule das Rad einer breiten tatsächlichen Entwicklung nicht zurückdrehen. Aber sollte sie dies nicht dort jedenfalls versuchen, wo die Entwicklung mit guten Gründen für fatal gehalten wird? Auch Sie, Herr Bothe, tun dies nachdrücklich, wie Ihrem Leitsatz 5 zu entnehmen ist, ziehen aber hieraus nachfolgend keinerlei Schlußfolgerungen, sondern geben insoweit resignierend der gesellschaftlichen Entwicklung das letzte Wort. Ihr zusammenfassender Satz vom Staat als erstem Diener der Gesellschaft war nicht eben dazu angetan, das daraus resultierende Unbehagen zu mildern, versteht man ihn so, daß der schulische Erziehungsauftrag stets der tatsäch-
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liehen gesellschaftlichen Entwicklung zu folgen habe. Er steht zudem in einem gewissen Widerspruch zu Ihrer eigenen These 9, die den staatlichen Erziehungsauftrag mit Recht u. a. auch aus grundrechtlichen Schutzpflichten ableitet, damit aber doch wohl auch aus Art. 6 I G. Der Schutz der Familie als Positivposten des staatlichen Eriehungsauftrags tritt indes in Ihrem Bericht, Herr Bothe, in substantieller Weise nicht in Erscheinung. Das gilt in abgemildeter Form auch für Sie, Herr Dittmann. Denn wohl gestehen Sie den Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes den Stellenwert legitimer möglicher Maßstäbe für den Erziehungsauftrag zu. Nicht nur verweigern Sie ihnen aber - und so also auch dem besonderen Schutz der Familie - verbindliche Aussagekraft für diesen Auftrag. Sie relativieren sie ferner dadurch, daß Sie die Orientierungswerte des Grundgesetzes zur ausfüllenden Disposition der Länder stellen, womit im Ergebnis auch die von Ihnen registrierte gleichmäßige Wahrung von föderativer Vielfalt und gesamtstaatlicher Einheit der Erziehungsziele schwerlich noch als gesichert erscheint. Küchenhoff: An ihre Zeitvorgabe, Herr Vorsitzender, werde ich mich nicht halten, weil ich die allererste Wortmeldung abgegeben habe und jetzt erst drankomme. Aber dafür bedanke ich mich andererseits auch wieder, weil ich auf diese Weise zum Beispiel auf meinen Vorvorredner Bezug nehmen und ihn fragen kann, ob er denn bei seiner Plazierung des Friedensbegriffs nur im internationalen Recht diesen Begriff in Art. 1 und 9 und der Präambel des Grundgesetzes übersehen hat. Dann wollte ich etwas sagen zur Multikulturalität und Einwanderung: nur ein Hinweis auf den Deutschen Juristentag 1980 Ausländerrechtliche Abteilung unter dem Thema „Die Bundesrepublik ein Einwanderungsland?". Der damalige Referent, Herr Kollege Schwerdtfeger, fragte den Vorsitzenden Helmut Simon: das Fragezeichen ist doch wohl nur rhetorisch gemeint? Das weitere dazu dann Gesagte ist nachzulesen in dem ja glücklicherweise ebenso wie bei uns Wortprotokoll. Meine Hauptmeldung aber betraf das, was Herr Häberle dann aufgenommen hat, als seinen wichtigsten Beitrag wie ich meine, nämlich diese Gedanken eines neuen Staats- und Erziehungsziels Mitmenschlichkeit und Gemeinsinn. Ich kann dazu etwas beitragen aus der Entstehungsgeschichte in der Gemeinsamen Verfassungskommission, aber auch den ergänzenden Hinweis, daß das, was Herr Häberle vorgeschlagen hat, doch statt eines Art. 2 a oder 20 a die Präambel als Ort einer solchen Regelung vorzusehen, schon geschehen ist: in den Beratungen der Empfehlungen der Gemeinsamen Verfassungskommission im Bundestag hat es verschiedene Plazierungsvorschläge gegeben, die dann im Ergebnis alle abgelehnt worden sind. Nur: Das Wichtigste, was die Gewichtigkeit dieses Vorschlages unterstreicht, ist, daß das nicht
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etwa eine Initiative war einer der politischen Kräfte, die das politische Leben bestimmen und auch die Zusammensetzung der Gemeinsamen Verfassungskommission, sondern es war die ganz persönliche Initiative eines einzelnen, nämlich des Ostberliner Bundestagsabgeordneten Pfarrer Konrad Elmer, die schließlich von fast zwei Dritteln der GVK interfraktionell unterschrieben worden ist. Diese Initiative entstand aus denselben elementaren Empfindungen über Defizite in der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Grundkonsenses von 1789, des Konsenses auch über Brüderlichkeit, selbständig neben Freiheit und Gleichheit, nicht, Herr Schachtschneider, über das Sittengesetz bloß als Grenze für die Freiheiten, sondern als selbständiger Wert neben Freiheit und Gleichheit. Sie entstand aus denselben Empfindungen, die ich herausgehört habe aus dem, was uns gestern der Rektor mit seinem Stichwort vom kalten Hauch der Freiheit sagen wollte und was der Oberbürgermeister zu den dazugehörenden Belegen in Gestalt der Defizite an sozialer Gerechtigkeit, also an Sozialstaatlichkeit, dann uns gesagt hat. Insbesondere in den Bereichen Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot mit aller unmenschlichen Rücksichtslosigkeit, die hier die soziale Wirklichkeit und damit die Verfassungswirklichkeit bestimmt. Meine Information ist aber auch noch erforderlich darüber, wie es nun zu diesen Ausdrücken gekommen ist. Das ist ja nirgends nachzulesen: Mitmenschlichkeit an die Stelle des Originals Brüderlichkeit sollte nun vermeiden, etwa geschlechtsübergreifend modernisiert von Geschwisterlichkeit zu reden. Die Aufnahme von Gemeinsinn war, das halte ich nun für eine auch politisch, Herr Vorsitzender, unbedingt wichtige Information, der Vorschlag „Gemeinsinn" war die Unterschriftsbedingung des Vorsitzenden des Rechtsausschusses Heymann und als das Ganze scheiterte, dann obwohl fast zwei Drittel unterschrieben hatten, am Nichterreichen der Zweidrittelmehrheit, wurde es im Vermittlungsausschuß am 1. September nochmals aufgegriffen, und zwar auf Initiative des früheren Rechtsausschußvorsitzenden Helmrich jetzt Justizminister von Mecklenburg-Vorpommern, ich wollte nur diese Interfraktionalität des Anliegens nochmals besonders hier bekanntgeben. Danke. Pitschas: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Der Schulpraxis werden wir heute Steine statt Brot gegeben haben. Ich bin überzeugt davon, daß weder ein Lehrer noch ein Sozialarbeiter in einem Jugendfreizeitheim oder ein Erzieher in einer anderen Einrichtung mit den Ausführungen der Referenten etwas anfangen können werden. Drei Fragen sollen deshalb näher zur Problematik führen. Die erste Frage ist, ob wir eigentlich eine zutreffende Konfliktanalyse vorliegen haben. Zwei Feststellungen dazu:
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Sehen wir zunächst und mit vergleichendem empirischen Blick auf die amerikanischen Schulkonflikte, so müssen wir feststellen, daß wir eigentlich die reale Lage, die tatsächliche Situation der Akteure in den deutschen Schulen heute nicht mit der empirischen Analyse in den Referaten erfaßt haben. Eine zweite Bemerkung: Blicken wir auf die vielen Familien, die in äußerster Anstrengung ihrer Erziehungsauftrag wahrnehmen, dann irritierten in den Referaten, vor allem bei Herrn Bothe, die ausschließlichen Katastrophenmeldungen. Einer differenzierteren empirischen Schulanalyse könnten wir entnehmen, daß viele Familien bemüht sind, eigene Erziehungsansätze gegen oder mit den Schulen durchzusetzen und nicht nur Horrorszenarien existieren. Eine zweite Frage oder Bemerkung sei sogleich angefügt. Haben wir unsere Erziehungsmaßstäbe daraufhin ausreichend geprüft, wie im Wechselspiel mit der Schule andere Institutionen eigene Leitbilder der Erziehung setzen und deren Maßstäbe verändern? Dem Sozialrechtler ist klar, was damit gemeint ist, nämlich der maßstabsetzende Einfluß der Erziehung im institutionellen Bereich des Kinder- und Jugendhilferechts. Die Arbeit in den Heimen oder in der Jugendhilfe schlechthin, der Jugendarbeiter oder Sozialarbeiter dort steht in einem Wechselverhältnis mit den schulischen Konfliktlagen und deren Bearbeitung durch die Lehrer. Aus diesem Wechselverhältnis ersprießen genuine Maßstäbe für die Schule. Wie nun werden diese Maßstäbe angewandt? Wer etwa auf eine Großstadt wie Berlin guckt und sieht, wie etwa die Schulen in Kreuzberg bei multikulturellen Konflikten mit den Jugendinstitutionen zusammenarbeiten, gewinnt erst ein Bild davon, wie Verfassungsrecht plastisch (und praxisnah) entfaltet werden müßte. Herr Dittmann hat in seiner These 14 diese Frage unter dem Gesichtspunkt des „Konsenses" aufgegriffen. Ich meine dazu, wir dürfen bei ihr nicht stehenbleiben, sondern wir müssen in der Antwort weitergehen und sagen, wie wir uns Konsensverwirklichung und dann soziale Integration mit einer verteilten Integrationsverantwortung von Schule, Eltern und anderen Erziehern vorstellen. Auf wessen Schultern lastet sie? Und dann müssen wir aus der wirklichkeitsbezogenen Konfliktanalyse erstens zur Kenntnis nehmen, daß die Eltern, die Integrationsprobleme nicht ertragen können oder wollen, ihren Erziehungsauftrag behindert sehen, aus den staatlichen Schulen ausziehen. Sie wechseln mit ihren Kindern auf Privatschulen mit der Konsequenz, daß wir ein segregiertes staatliches Schulwesen bekommen. Von hier aus, so denke ich, müßten wir eigentlich - und zweitens - eine verfassungskonkretisierende Dogmatik entwickeln. Sie hätte Lösungen anzubieten zur konfliktsteuernden Binnenorganisation der Schule, zu Verfahren der Konfliktschlichtung, zum Umgang mit den aus der Glaubensverschie-
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denheit vieler Schüler (Islam!) hervorgehenden Alltagsproblemen. Deren konkrete Bereinigung wird drittens und letztlich dann der Richter zu entscheiden haben - ein Vorgang, den wir heute auch nicht näher diskutiert haben. Stettner: Meine Damen und Herren. Wer so spät drankommt wie ich und andere Kollegen, steht unter einem doppelten Zwang: nämlich einmal etwas Neues sagen zu müssen und das noch, wie der Herr Vorsitzende formuliert, in der „gebotenen Kürze". Ich hoffe, daß ich beidem gerecht werden kann. Ich darf nochmals Herrn Manti, unter Umständen heute zum letzten Mal, zitieren mit dem Wort von der Verfassungslakonie oder dem Verfassungslakonismus. Das Problem ist doch: Wie bekomme ich die Verfassung zum Sprechen, und die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, die heute auch schon einige Male angesprochen wurde, wird hier berufen. Hier darf ich Sie auf folgendes hinweisen, meine Damen und Herren. Ich bin erstaunt, daß es bisher nicht geschehen ist. Wir haben Verfassungen, wir haben Erziehungsziele in den Verfassungen, wir haben Erziehungsgesetze, die diese realisieren sollen, und damit kommen wir in den Bereich der Verwaltung. Wir haben auch die pädagogische Provinz der erziehungswissenschaftlichen Fakultäten angesprochen, aber was vergessen wurde, sind doch die Ministerialbürokratien und die über diese sich realisierenden politischen Einflüsse. Und ich möchte mir an dieser Stelle doch eine kleine Bosheit dem Herrn Erstreferenten gegenüber nicht verkneifen, der ja aus Hessen kommt, und ihn darauf hinweisen, daß die Hessischen Rahmenrichtlinien der Siebzigerjahre immerhin die Erziehung zum bewußten Konflikt institutionalisiert haben. Als Erziehung zur Zivilcourage lasse ich mir das noch eingehen ich würde das dann aber auch anders nennen - aber wenn damit der Widerstand gegen eine legitimierte Staatsgewalt gemeint gewesen sein sollte, dann ist das absolut unzulässig. Also die Ministerialbürokratien, die Politik, wir dürfen sie nicht vergessen als Staatsrechtslehrer, diese Einflüsse aus diesem Bereich. Weiterhin glaube ich, muß man noch darauf hinweisen, daß sich die Realisierung der Erziehungsziele durch die schulischen Instanzen - wobei der Schulleiter, die Schulkonferenz heute auch nicht angesprochen wurden - , in einem Wechselspiel mit den zum Teil gegenläufigen Vorstellungen der Eltern, die auch institutionalisierte und nichtinstitutionalisierte Mitsprachemöglichkeiten haben, vollzieht und darüber hinaus natürlich auch im Dialog mit den Schülern, die heute auch sehr wenig drangekommen sind. Also hier, glaube ich, gibt es noch einige Dinge, die zu hinterfragen wären. Eines noch, Herr Bothe: als bayrischer Professor muß ich die Säuglingspflege auch kurz erwähnen; ohne sie gelernt zu haben, habe ich sie praktiziert. N u r soviel sei aber gesagt: wenn
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dieses Erziehungsziel im Jahre 1946 in eine Verfassung hineingeschrieben wurde, dann ist das im Einklang mit der damals praktizierten Rollenverteilung in der Gesellschaft geschehen, und man wird doch vom Staat nicht verlangen wollen, daß er die gesellschaftlichen Vorstellungen umbaut, radikalisiert. Es mag sein, daß im Verlauf der Entwicklung das gesellschaftliche Substrat entfallen ist. Dann haben wir aber einen Fall des Verfassungswandels vor uns und nicht eine Verfassungswidrigkeit ab origine. Vielen Dank. Gröschner: Da die Zeit drängt, nur zwei wirklich kurze Bemerkungen. Zunähst zu den Leitsätzen 7 und 24 von Herrn Bothe. Dort ist nach meinem Eindruck der Grundbegriff des gesamten Referates enthalten, nämlich der Begriff des „sinnvollen Lebensentwurfs". Wenn das rhetorisch kein Pleonasmus sein soll, logisch keine Tautologie - denn jeder Entwurf ist subjektiv ja sinnvoll - , dann muß das Adjektiv sinnvoll die objektive Eigenschaft eines je eigenen Entwurfs bezeichnen. Nach der Menschenwürdekonzeption des Grundgesetzes ist aber die Antwort auf die Sinnfrage des Lebens eine unentrinnbar subjektive Aufgabe. Deshalb ist mir das Verhältnis der beiden Bestandteile des Begriffs „sinnvoller Lebensentwurf" nicht klargeworden. Die zweite Bemerkung betrifft Herrn Dittmanns Hinweis auf die - ich darf zitieren - „hohe pädagogische und philosophische Aufladung der Begriffe" im Bereich unseres Themas. In dem Zusammenhang wurde als Philosoph im engeren Sinne nur Fichte genannt. Gerade als Neujenenser möchte ich hier zu großer philosophischer Sorgfalt, aber auch Vorsicht mahnen. Fichtes Nationalismus ist nicht nur pädagogisch und politisch gefährlich, sondern philosophisch auch so schwach begründet, daß wir uns nicht darauf berufen sollten; jedenfalls nicht ohne Kommentar. Danke. Engel: Beide Referenten haben die Privatschulfreiheit des Art. 7 IV GG sehr restriktiv ausgelegt. Ich frage mich, ob dazu Anlaß besteht. Diese Zurückhaltung könnte erforderlich sein, weil zwei Besorgnisse im Raum stehen. Das erste Besorgnis ist, daß die vom Staat legitimerweise verfolgten Erziehungsziele gefährdet würden, wenn Privatschulen größeren Raum hätten. Im ersten Zugriff scheint dieses Bedenken schnell auszuräumen, denn Art. 7 I GG gestattet dem Staat ja, sowohl die Lehrinhalte wie die Lehrmittel festzulegen. Nun haben wir aber heute immer wieder und völlig zu Recht gehört, daß es Umsetzungsdefizite gibt, daß es also sehr schwer ist, diese Ziele juristisch so dingfest zu machen, daß sie hinterher auch in der Schulpraxis ankommen. Ist also vielleicht dieses Umsetzungsdefizit ein ausreichender Grund dafür, die Schulen im wesentlichen vom Staat veranstalten zu lassen? Man kann auf zwei Weisen
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reagieren. Die eine Möglichkeit ist, daß man nicht an der einzelnen Erziehungshandlung ansetzt, sondern an den Personen, die erziehen. Insoweit ist aber bei Privatschulen die Einwirkungsmöglichkeit genau so groß wie bei öffentlichen Schulen: Wir haben eine staatlich regulierte Lehrerausbildung, wir prüfen ihren Erfolg in einem Staatsexamen ab und wir können bei den Privatschulen verlangen, daß sie nur solche Lehrer beschäftigen, die in dieser Weise examiniert sind. Es bleibt aber ein zweiter Gesichtspunkt, der auf den ersten Blick überzeugend scheint. Zu den Grundeinsichten der Regulierungstheorie gehört, daß man dort, wo die Steuerungsfähligkeit des Außenrechts defizitär ist, statt dessen auf die Steuerung durch Organisation setzen muß. Wir müssen also Strukturen schaffen, in denen sich das Steuerungsziel gleichsam von selbst verwirklicht. Wenn wir nun aber auf die Wirklichkeit der öffentlichen Schulen schauen, so sehe ich nicht, wie diese Schulen in irgendeiner Weise imstande wären, Erziehungsziele, die der Staat abstrakt vorgibt, besser zu verwirklichen, als das in einer mit Regulierung versehenen privaten Schule der Fall sein könnte. Der zweite Grund, weshalb man für öffentliche und gegen private Schulen plädieren könnte, ist die auch in der Verfassung niedergelegte Besorgnis, daß die soziale Schichtung der Schüler nach dem Einkommen der Eltern gefördert werden könnte. Zunächst ist das aber auch heute schon im staatlichen Schulwesen offensichtlich kein vorrangiges Ziel. Eltern, die die türkischen Klassenkameraden ihrer Kinder vermeiden wollen, schaffen das auch heute schon: Entweder, indem sie vom gegliederten Schulsystem Gebrauch manchen und ihr Kind eben aufs humanistische Gymnasium schicken, oder indem sie sich auf das Wohnsitzprinzip verlassen. Denn natürlich sind die Wohnorte der Kinder nicht zufällig, sondern setzen sich wiederum sozial zusammen. Um auch die letzten Bedenken auszuräumen, möchte ich einen Gegenvorschlag machen: Sollten wir nicht das viele Geld, das wir in die kostenlose staatliche Schulausbildung investieren, so einsetzen, daß nicht mehr die Schule als Institution das Geld bekommt, sondern daß jeder Schüler einen den abstrakten Kosten entsprechenden Betrag zur freien Verfügung bekommt und damit nach Wahl seiner Eltern sei es zur Privatschule oder zur öffentlichen Schule gehen kann. Dann ist auch das Problem der sozialen Schichtung beseitigt - und die Maßnahme ist sogar kostenneutral. Bothe: Herr Vorsitzender! Angesichts der Kürze der verbleibenden Zeit kann ich nicht in der Weise auf die Diskussion eingehen, wie das eigentlich notwendig wäre. Darum nur einige wenige Punkte. Ob die Lehrer den Anspruch, verfassungsgebotene Erziehungsziele zu vermitteln, verwirklichen können, ist in der Tat ein ganz wesentliches
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Problem. Die Motivationslage der Lehrerschaft ist nicht immer die beste, denn selbstverständlich sind auch die Lehrer Bestandteil dieser Gesellschaft, die unter den beschriebenen Krisenphänomenen leidet. Dafür gibt es kein Patentrezept. Ansätze bei der Lehrerbildung, das möchte ich nochmal betonen, sind wichtig. Ein Schulorganisationsmodell, das eine stärkere Kooperation ermöglicht, mag auch helfen. Aber da bleibt mehr offen, als mir selber lieb ist. Ich komme jetzt zu meiner These 6, offensichtlich die These, die sich in der Diskussion der größten „Beliebtheit" erfreut hat: Schule und Enttraditionalisierung. Persönlich bin ich kein Antitraditionalist. Doch zwei Bemerkungen dazu: einmal muß die Schule die Enttraditionalisierung zur Kenntnis nehmen. Sie kann nicht so tun, als gäbe es sie nicht. Insofern glaube ich eine weitgehende Einigkeit festgestellt zu haben. Was ist in dieser Situation zu tun? Ich hoffte klar gesagt zu haben, daß die Schule den Gefahren, die aus dieser Situation dieser Enttraditionalisierung und Individualisierung entstehen, irgendwie wehren muß. Wenn sie dies wirksam tun will, dann kann sie es und darf sie es nicht tun, indem sie einfach versucht, das Rad zurückzudrehen. Das „darf" ist in diesem Zusammenhang nicht normativ gemeint, es ist einfach eine Feststellung: Wenn die Schule ihre Aufgabe erfüllen will, dann darf sie nicht so tun, als gäbe es die beschriebenen Phänomene nicht. Sie darf nicht einfach versuchen, die gute alte Zeit wiederherzustellen. So habe ich das gemeint. Also nicht eine Erziehung zur Enttraditionalisierung, aber eine Erziehung, die befähigt in einer Gesellschaft, die nun einmal enttraditionalisiert ist, zu leben. Damit hängt auch der sinnvolle Lebensentwurf zusammen. Allenthalben sehen wir die Gefahr, daß kein Sinn in Lebensentwürfen mehr gefunden wird. Auch um Anleitung zur Sinnfindung ist es mir gegangen. Das führt mich ganz zwanglos zu dem Problem der Erziehung „zur Ehrfurcht vor Gott". Es gibt zwei Möglichkeiten, mit diesem Verfassungsziel umzugehen. Beide finden Sie in der Literatur. Versteht man es als einen streng christlichen Erziehungsansatz, dann ist dieses Erziehungsziel verfassungswidrig. Oder man kann das Erziehungsziel sozusagen säkularisieren, was in der Tat auch vorgeschlagen wird. Das wäre ein Grundgedanke, wie wir ihn etwa bei Camus in der „Pest" finden, wo im Grunde der Priester und der agnostische Arzt für ihren Dienst an den Kranken aus unterschiedlichen Quellen, aber letztendlich in gleicher Weise motiviert werden. Noch ein Wort zu Begriffen. Wenn die Verfassung wirklich nur lauter klare Begriffe hätte, weiß ich nicht, wie sie aussehen würde. Wir jedenfalls könnten dann nach Hause gehen. Das gilt auch und gerade für den Friedensbegriff, es gilt auch für die Solidarität. Darf ich mir dazu eine Kommentierung zu Art. 26 G G vorbehalten, die zu schreiben ich versprochen habe.
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Ich komme zur Multikulturalität. Wo ist sie rechtlich festzumachen? Es gibt für sie keinen einheitlichen rechtlichen Angelpunkt, wir finden immer nur Teilaspekte. Ich habe den Versuch unternommen, diese Teilaspekte zusammenzufügen. Multikulturalität ist meiner Meinung nach mehr als Toleranz, es ist ein positiver Umgang mit einem gesellschaftlichen Faktum, mit einer Lebenswirklichkeit, die wir gerade in unseren Städten vorfinden. Mit ihr müssen wir umgehen, und das ist schwierig. Sicher können wir nicht für einen einzelnen Maori, der zufällig in einer kleineren Stadt lebt (so etwas soll es geben, die Geschichte spielt manchmal merkwürdig mit Lebensschicksalen), einen eigenen Sprachunterricht geben. Dafür fehlen schlicht und einfach die Mittel. Ich habe auch gesagt, daß das Eingehen auf unterschiedliche Uberzeugungen, auf unterschiedliche Lebensweisen und auf unterschiedliche Traditionen seine Grenzen hat. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen notwendiger Einordnung und Respekt vor andersartigen Traditionen. Mein Eindruck aus dem Stand der Diskussion, auch der öffentlichen Diskussion in unserem Lande, geht aber dahin, daß wir die Buntheit, die die Multikulturalität uns bietet, zu negativ beurteilen. Dagegen wollte ich einige Pfähle einschlagen. Wir dürfen das Spannungsverhältnis zwischen Fragmentierung und Integration, das besteht und das wir aushalten müssen, nicht einfach zugunsten der Integration lösen. Darum geht es mir. Das bringt mich auch zu Schulzwang und zur Privatschule. Auch die Privatschule kann ein Instrument der Fragmentierung sein. Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten bietet sie die Chance, ein Anderssein auch in der Erziehung zu vermitteln. Wenn dies aber zu weit geht, habe ich auch große Sorge um die Gesellschaft. Auch hier also wieder ein Spannungsverhältnis. Den Vorschlag von Herrn Engel in bezug auf die Privatschule kann ich hier nicht in extenso diskutieren. O b er sich kostenneutral verwirklichen läßt, bezweifele ich. Die Privatschule als eine Alternative nur für begüterte Eltern sollte man jedenfalls nicht wollen. Ich bedauere, daß ich Zustimmung und Widerspruch zu vielem, was in der Diskussion gesagt wurde, nicht differenzierter ausbreiten kann. Vielen Dank! Dittmann: Angesichts der mir vom Vorsitzenden aus Zeitgründen nahegelegten Selbstbeschränkung sehe ich mich legitimiert, im Wege des „Rosinenpickens" vorzugehen und nur einige Aspekte aufzugreifen, die in der Diskussion angesprochen worden sind. - Herr Huber, Sie haben mich zunächst auf das Stichwort „staatliches Schulmonopol" in Leitsatz 5 angesprochen. Ein staatliches Schulmonopol existiert in der Tat nicht. Dazu gehört der Hinweis auf Art. 7 GG mit seiner Garantie der Privatschulfreiheit und der Verantwortung der Konfessionen für den Inhalt des
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Religionsunterrichts. Zudem ist auf Art. 6 GG zu verweisen, der das Elternrecht nicht auf den außerschulischen Bereich beschränkt, sondern in den schulischen Bereich hineinwirkt und insoweit das Bestimmungsrecht des Staates relativiert. Ich denke, da sind wir uns einig. Sie haben dann eine gewisse Inkonsequenz darin gesehen, zwar aus den Grundrechten Orientierungswerte für den schulischen Erziehungsauftrag zu entnehmen, nicht aber auch aus anderen Verfassungsentscheidungen. Ich sehe hierin keine „Systemwidrigkeit" und keinen Verstoß gegen den Gedanken von der Einheit der Verfassung, sondern halte den Rückgriff allein auf die Grundrechte deshalb für geboten, weil mir nur hier - und nicht bei anderen grundgesetzlichen Positionen - eine Erziehungsrelevanz gegeben zu sein scheint. Ich verweise in diesem Zusammenhang noch einmal auf meine Einwände gegen die von Herrn Haberle vorgeschlagene pädagogische Verfassungsinterpretation. - Herr Frowein, Sie haben auf den inneren Zusammenhang zwischen Erziehungsauftrag und Schulgliederung hingewiesen. Das unterstreiche ich voll und ganz. Ich sehe sogar eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, diesen Zusammenhang herzustellen, weil das verfassungsrechtlich gebotene Miterziehungsrecht und Mitbestimmungsrecht der Eltern bei der Definition von Erziehungszielen der Schule nicht individuell, sondern am ehesten über ein staatlich vorgehaltenes, gegliedertes und den Elternwünschen insoweit entsprechendes Schulangebot verwirklicht werden kann. - Die Fragen von Herrn Klein und von Herrn Selmer kann ich zum Teil gemeinsam beantworten. Mein Leitsatz 14 wäre gründlich mißverstanden, wenn Sie darin ein Plädoyer für die nacheilende Anpassung des schulischen Auftrages an einen gesellschaftlichen Trend sähen. Nichts läge mir ferner. Ich habe in meinem Referat ausdrücklich hervorgehoben, daß der Staat durchaus legitimiert ist, gegenzusteuern und auch gegen den Strom zu schwimmen. Mein Leitsatz 14 drückt lediglich die Prognose aus, daß die Schule allerdings nicht auf Dauer gegen den Strom schwimmen kann, wenn in bestimmten Fragen der Konsens aller Erziehungsträger verlorengegangen ist. Dann kann auch die Schule nicht Rettungsanker sein. Schließlich, Herr Seltner, zu Ihnen allein. Es hätte mich schon geschmerzt, wenn Sie bei mir eine Minimalisierung des Elternrechts herausgehört haben sollten, denn ich habe gleich zu Anfang meiner grundrechtlichen Überlegungen bewußt auf Art. 6 G G hingewiesen und ausgeführt, daß hier, beim Elternrecht, grundgesetzlich gewollt das Fundament der Erziehung liegt. Soweit Sie, Herr Selmer, in Ihrer Intervention zusätzlich auf die verbindliche Vorgabe des Art. 6 G G für die inhaltliche Ausrichtung des schulischen Eriehungsauftrags hinweisen, stimme ich Ihnen voll und ganz zu, einschließlich der Feststellung, daß diese Vorgabe nicht zur Disposition der einzelnen Länder steht und von deren Dis-
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Positionsfreiheit im übrigen nicht relativiert werden darf. Ich denke also, Herr Selmer, daß zwischen uns beiden in dieser Frage kein Dissens besteht. - Gestatten Sie mir abschließend noch eine allgemeine Schlußbemerkung. Bekanntlich gilt: „Non scholae, sed vitae discimus". Zum Leben in einem Verfassungsstaat aber gehört - und davon bin ich nun in der Tat zutiefst überzeugt - , nicht nur die individuelle Tüchtigkeit, sondern auch der Gemeinsinn, das heißt, die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich mit den Grundwerten dieses Gemeinwesens zu identifizieren und sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Hierzu kann und sollte auch die Schule ihren Beitrag leisten. Vielleicht sollte die Schule diesen Beitrag sogar um so stärker leisten, je mehr die anderen Erziehungsträger - wie vielfach vermutet - heute in ihrer Bedeutung zurücktreten oder diese Funktion nicht mehr odnungsgemäß wahrnehmen. Ernst Rudolf Huber hat einmal zugespitzt formuliert, daß die Wirkungsmacht von Polizeirevieren und Finanzamt, verglichen mit der Wirkungsmacht der Schule, geradezu verblassen. Von daher mag es durchaus verständlich sein, wenn einem Erziehungsauftrag des Staates und damit einer gewissen Fremdbestimmung des Individuums vielfach mit Skepsis begegnet wird, so auch zum Teil in unserer heutigen Aussprache. Ich denke aber, daß gerade der grundgesetzlich geprägte freiheitliche Verfassungsstaat hinreichende Sicherungen grundrechtlicher, institutioneller und kompetenzieller Art bereithält, möglichen Gefahren, die aus dieser Fremdbestimmung resultieren könnten, effektiv zu begegnen. Die Schule ist heute eben keineswegs mehr eine „Insel des Absolutismus" - wie es Gerhard Anschütz einmal formulierte - sondern, wie ich meine, Teil des staatsrechtlich kultivierten Festlandes. Vorsitzender: Ich danke Ihnen, Herr Bothe und Herr Dittmann, für ihre Schlußworte. Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal den Referenten und Landesberichtern sehr herzlich danken für das, was Sie heute uns dargeboten haben. Ich darf Ihnen schließlich für Ihr Interesse und die engagierten Diskussionsbeiträge danken, vor allem aber für Ihre Geduld mit den etwas hilflosen Bemühungen, Ihre Wortmeldungen zu ordnen und in der gebotenen Rücksicht auf den jeweiligen Sachzusammenhang aufzurufen. Wenn Sie also den Eindruck haben, daß Sie nicht rechtzeitig, zu früh, zu spät oder nur zu kurz zu Wort gekommen sind, halten Sie das meinem mangelnden Einfühlungsvermögen zugute. „Nobody is perfect" - Eine Einsicht, die vielleicht auch in der Erziehung etwas stärker in den Vordergrund gestellt werden könnte. Vielen Dank.
Zweiter Beratungsgegenstand:
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben 1. Bericht von Prof. Dr. Johannes Hengstschläger, Linz Inhalt Seite
I.
Abgrenzung des Themas 1. Die Privatisierung in der politischen Diskussion 2. Methodische Bemerkungen 3. Arten der Privatisierung 4. Der Begriff „Verwaltungsaufgabe" 5. Der „Private" II. Grenzen der Privatisierung 1. Genuine Staatsaufgaben 2. Das Rechtsstaatsgebot a) Rechtsgrundlagen der Übertragung und inhaltliche Determinierung der ausgegliederten Rechtsträger . . . . b) Rechtsschutz 3. Das Sozialstaatsprinzip III. Grundrechtsbindungen 1. Das Verhältnis zwischen Rechtsunterworfenen und ausgegliederten Rechtsträgern 2. Das Verhältnis zwischen Staat und ausgegliederten Rechtsträgern IV. Das Subsidiaritätsprinzip 1. Bund und Länder 2. Gemeinden V. Haushaltsrecht
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Johannes Hengstschläger
I. Abgrenzung des Themas
1. Die Privatisierung
in der politischen
Diskussion
Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) will nach der Nationalratswahl am 9. Oktober 1994 als wirtschaftlichen Schwerpunkt eine neue Offensive zur Privatisierung starten. So der Generalsekretär und der Industriesprecher der Partei in einer Pressekonferenz am 25. Juli dieses Jahres1. Der Zeitungskommentar dazu: Was bisher unter dem Stichwort Privatisierung geführt wird, kann vielfach nur als schlichte Irreführung bezeichnet werden. Das Elend der Privatisierung besteht darin, daß kein Politiker sie wirklich will, die Gewerkschaften strikt dagegen sind und daß es auch an privaten Investoren mangelt2. Von der populistischen Chiffre „Privatisierung" gehen seit zumindest zwei Jahrzehnten gewisse magische Kräfte aus. Die Liste der politischen, ökonomischen und psychologischen Argumente, auf welche die Forderung nach Privatisierung gestützt wird, ist lang. Entsprechend engagiert sind auch die Positionen der Gegner3. Die Befürworter erwarten sich von der Privatisierung: 1. den Abbau der Defizite der öffentlichen Haushalte4 und die Gewinnung von privatem Investitionskapital; 1 „Die Presse" vom 26. Juli 1994,15; „Der Standard" vom 26. Juli 1994,11; „Oberösterreichische Nachrichten" vom 26. Juli 1994, 2. Überlegungen zur Privatisierung sind Gegenstand der politischen Diskussion und daher auch im Programm der Bundesregierung enthalten, vgl. Pkt. VII der Beilage 7 des Arbeitsübereinkommens zwischen der Sozialistischen Partei Österreichs und der Osterreichischen Volkspartei über die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung für die Dauer der XVIII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vom 17. Dezember 1990. 2 Hans Köppl, Privatisierungs-Elend, „Oberösterreichische Nachrichten" vom 23. Juli 1994,2. 3 Vgl. dazu die Gegenüberstellung der Pro- und Kontraargumente bei Wolfgang Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, 16 ff.; Peter Eichhorn / Achim von Loesch, Privatisierung, in: Klaus Chmielewicz / Peter Eichhorn (Hrsg.), Handwörterbuch der Öffentlichen Betriebswirtschaft, 1989, Sp. 1302 (1308 ff.); Adrian von Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992,72 ff.; Eberhard Hamer / Rainer Gebhardt, Privatisierungspraxis - Hilfe zur Umstellung von Staats- auf Privatwirtschaft2, 1992,53 {{.-Johannes Hawlik / Wolfgang Schüssel, Staat laß nach, 1985, 109 ff.; Nikolaus Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Institutional choice), 1993,113 f.; und Achim von Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen 2 ,1987, 53 ff. 4 Vgl. etwa Clemens August Andreae, Entbürokratisierung und Privatisierung (aus ökonomischer Sicht), in: Ludwig Fröhler / Ernst Kubin (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben? 1979,101 (104 ff.); Johannes Hawlik / Wolfgang Schüssel, Staat
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
16 7
2 . eine h ö h e r e E f f e k t i v i t ä t , w e i l d e r Staat ein s c h l e c h t e r U n t e r n e h m e r sei u n d P r i v a t e - n i c h t z u l e t z t w e g e n d e s K o n k u r r e n z d r u c k e s a u f d e m M a r k t - besser, insbesondere a u c h kostengünstiger wirtschafteten5; 3. m e h r F l e x i b i l i t ä t , w e n n es d a r u m g e h t , a u f w i r t s c h a f t l i c h e , s o z i a l e und technische V e r ä n d e r u n g e n z u reagieren, v o r allem d u r c h den Einsatz e n t s p r e c h e n d e n F a c h w i s s e n s , das in d e r ö f f e n t l i c h e n V e r w a l t u n g vielfach fehle 6 ; 4 . b e s s e r e r e c h t l i c h e R a h m e n b e d i n g u n g e n , w e i l d e n P r i v a t e n eine d e r ausgegliederten Aufgabe adäquatere Organisationsstruktur zur Verfüg u n g gestellt w e r d e n k ö n n e 7 ; a u ß e r d e m fielen b e s o l d u n g s - u n d d i e n s t -
(Fn. 3), 109; Gabriel Obermann / Feliâtas Scharmer / Karl Soukup, Budgetäre Auswirkungen von Ausgliederungen aus dem öffentlichen Haushalt, O H W 1993, 180 (184); Heinz Schäffer, Privatisierung in Österreich, in: Andreas Khol / Günther Ofner / Alfred Stirnemann (Hrsg.), Österreichisches Jahrbuch für Politik 1988, 1989, 615 (630); Alexander Van der Bellen, Privatisierung öffentlicher Unternehmungen und Konsolidierung öffentlicher Haushalte, Ö H W 1989, 75; Winfried Fuest / Rolf Kroker, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1981, 15 ff.; Eberhard Hamer / Rainer Gebhardt, Privatisierungspraxis (Fn. 3), 41 ff.; sowie Günter Püttner, Die öffentlichen Unternehmen 2 , 1985, 15 f.; ebenso bereits Detlef Bischoff / Karl-Otto Nickusch (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben - Ausweg aus der Finanzkrise des Staates, 1977, insbes. 23 ff. 5 So etwa Rolf Eschenbach / Christof Müller / Thomas Gabriel (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Leistungen, 1993,34 i.; Jürgen Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, 46 f.; Eberhard Hamer / Rainer Gebhardt, Privatisierungspraxis (Fn. 3), 44 ff.; Winfried Fuest / Rolf Kroker, Privatisierung (Fn. 4), 19 ff.; und Bernhard Gramoli, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, 184 ff. Vgl. auch die Untersuchung von Johannes M. Bauer, Privatisierung und Effizienz, WPB1. 1987, 584. In Pkt. II. der Beilage 8 des Arbeitsübereinkommens zwischen S P Ö und Ö V P vom 17. Dezember 1990 wird von der Notwendigkeit einer weiteren Senkung des Budgetdefizits durch strukturelle Reformmaßnahmen des öffentlichen Dienstes gesprochen: „Bisher von der öffentlichen Hand erbrachte Leistungen sind daraufhin zu überprüfen, ob sie entbehrlich sind bzw. ob sie von Privaten kostengünstiger erbracht werden können." 6 Vgl. etwa Wolfgang Däubler, Privatisierung (Fn. 3), 17; Bernd-Christian Funk, Allgemeine verwaltungsrechtliche und verwaltungswissenschaftliche Probleme, in: Bernd-Christian Funk (Hrsg.), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1981, 1 (29 ff.); sowie Friedrich Schoch, Privatisierung von Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung, in: Jörn Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1994, 63 (70). 7 In diesem Sinne etwa Elmar Puck, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden, in: Schriftenreihe der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft: Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1973, 9 (15); Eberhard Hamer / Rainer Gebhardt, Privatisierungspraxis (Fn. 3), 54; und Eberhard Hamer, Praxis der Leistungsprivatisierung, in: Deutscher Industrie- und Handelstag (Hrsg.), Praxisleitfaden Privatisierung, 1984,22 (85).
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rechtliche wie auch haushalts- und kompetenzrechtliche Hemmnisse weitgehend weg 8 ; und 5. hätte sich der Staat auf vielen Ebenen zu weit nach vorne gedrängt, weshalb die Privatisierung zur K o r r e k t u r des freiheitsgefährdenden und in den Markt unangemessen eingreifenden Interventionsstaates überfällig sei 9 . D e m wird von den Skeptikern entgegengehalten: 1. Die Entlastung der öffentlichen Budgets träte in den meisten Fällen gar nicht ein, weil sich nur gewinnbringende Teilbereiche privatisieren ließen, deren Einnahmen den Haushalten fehlten 10 . Außerdem ergäbe die Einbeziehung der sozialen und aller sonstigen Folgekosten privater P r o duktion ein anderes Bild, nämlich eine Umwegsbelastung der Allgemeinheit 1 1 . 2. Staatliche
Leistungssysteme
garantierten
einen
vergleichsweise
hohen und kontinuierlichen Qualitätsstandard, der bei Privatisierung vielfach absinke 12 . 3. N o t w e n d i g e staatliche Lenkungspotentiale, v o r allem im Bereich der Regional- und Infrastrukturplanung, gingen mit der Privatisierung verloren 1 3 .
8 Vgl. statt vieler Bruno Binder, Wirtschaftsrecht, 1992, Rdn. 476; und Elmar Puck, Erfüllung (Fn. 7), 39; ferner vgl. auch die organisationsrechtlichen Überlegungen bei Christian Smekal, Eigene Rechtsform für öffentliche Unternehmungen? in: FS Wenger, 1983,983. 9 Zu den Gründen für die Zunahme der Staatstätigkeit vgl. Achim von Loesch, Privatisierung2 (Fn. 3), 57 ff.; Hans-Joachim Löser, Privatisieren! in: Gerd Habermann / Hans-Joachim Löser (Hrsg.), Antibürokratie, 1980, 111 (113 f.); Wolfgang Schüssel, Abmagerungskur für den Staat, WPB1. 1987, 594 (598 f.); und Joachim Wieland, Privatisierung statt Selbstverwaltung, der Landkreis 1994, 259. 10 Vgl. die Schlagworte „ Privatisierung der Gewinne - Sozialisierung der Verluste " bzw. „Rosinentheorie" bei Detlef Bischoff / Karl-Otto Nickusch (Hrsg.), Privatisierung (Fn. 4), 34, 82, 89, insbes. 135 ff.; Bernhard Gramoli, Grenzen (Fn. 5), 37; Adrian von Hagemeister, Privatisierung (Fn. 3), 42; Jürgen H. Mendner / Werner Sauerhorn, Zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen - Privatisierung - Angriff auf den Sozialstaat, 1983,120; Johannes Hawlik / Wolf gang Schüssel, Staat (Fn. 3), 7; und Burkhard Tiemann, Privatisierung öffentlicher Verwaltungstätigkeit, BayVBl. 1976, 261 (262). 11 Vgl. etwa Wolfgang Däubler, Privatisierung (Fn. 3), 35 ff.; Jürgen Grahbe, Grenzen (Fn. 5), 193; sowie Achim von Loesch, Privatisierung2 (Fn. 3), 87 ff. 12 S. beispielsweise/ürgen H. Mendner / Werner Sauerborn, Privatisierung (Fn. 10), 85 ff.; und Nikolaus Müller, Rechtsformenwahl (Fn. 3), 114. 13 So etwa Adrian von Hagemeister, Privatisierung (Fn. 3), 91 f.; und Günter Püttner, Zur Marktwirtschaftsadäquanz des dezentralisierten Staates, in: Helmut Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, 1988, 29 (37).
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4. Ausgliederungen wären regelmäßig mit Nachteilen für die Beschäftigten verbunden, insbesondere mit einem Abbau sozialer Positionen, die der Öffentliche Dienst gewährt14. Und 5. dürfe staatliches Verwaltungshandeln über weite Strecken nicht an wirtschaftlichen Effizienzkriterien gemessen werden, sondern habe im Bereich der Daseinsvorsorge soziale und kulturelle Grundbedürfnisse der breiten Bevölkerung zu befriedigen. Eine Privatisierung träfe in erster Linie die Schwächeren15. Schon dieser knappe Uberblick über die generalisierenden Pauschalargumente macht deutlich, mit wieviel ideologischem und politischem Aufwand die Diskussion auf beiden Seiten geführt wird. Ihr nachzuspüren und sie zu vertiefen ist nicht mein Thema. Ich habe mich vielmehr auf die juristischen Probleme, auf die staats- und verwaltungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die rechtlichen Voraussetzungen und Konsequenzen der Privatisierung zu konzentrieren. 2. Methodische
Bemerkungen
Die rechtswissenschaftliche Analyse des Privatisierungsphänomens kann ihrer Aufgabe allerdings nur dann gerecht werden, wenn sie die Gleichberechtigung und notwendige Interdependenz sehr verschiedenartiger Sichtweisen und Fragestellungen, die an den Untersuchungsgegenstand anknüpfen, mit berücksichtigt. Sie erfordert, um zu überzeugenden, weil plausibel begründbaren Ergebnissen zu gelangen, eine ausgewogene methodische Vielfalt und Breite der Betrachtungsweisen, die auch die vielschichtigen politischen und ökonomischen Implikationen und Wirkungsweisen der Entstaatlichung mit veranschlagt. 3. Arten der Privatisierung Für den Einstieg in das Thema ist es zu allererst erforderlich, die Begriffe zu klären und die unterschiedlichen Maßnahmen, die unter dem Terminus „Privatisierung" firmieren, in ein System zu bringen.
14 Vgl. etwa Heinz Kluncker, Sozialpolitische Aspekte der Entstaatlichung, in: Horst Hanusch (Hrsg.), Reform öffentlicher Leistungen, 1978, 7 7 ; J ü r g e n H. M endner / Werner Sauerborn, Privatisierung (Fn. 10), 40 ff.; Achim von Loesch, Privatisierung2 (Fn. 3), 126 f.; und Ernst Pappermann, Privatisierung kommunaler Aufgaben: Möglichkeiten und Grenzen, in: Der Städtetag 1984, 246 (251). 15 In diesem Sinne etwa Nikolaus Müller, Rechtsformenwahl (Fn. 3), 114; und Bernhard Gromoll, Grenzen (Fn. 5), 36.
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A m gebräuchlichsten ist wohl die Unterscheidung zwischen formeller oder Organisations-Privatisierung auf der einen und materieller oder Aufgaben-Privatisierung auf der anderen Seite16: - Bei der Organisationsprivatisierungu bleibt die Aufgabe in der Hand des Verwaltungsträgers, er betraut aber mit ihrer Durchführung eine besondere juristische Person, etwa eine Gesellschaft des Handelsrechts, die zur Gänze in seinem Eigentum steht 18 . - Bei der Aufgabenprivatisierung kommt zu dieser rechtsformalen Änderung auch ein materieller Übergang der Verwaltungsaufgabe an den Privaten. Das heißt, der Verwaltungsträger entledigt sich einer bestimmten Aufgabe und überträgt sie einer Privatperson, die sie im eigenen Namen durchführt, oder er überläßt es vor allem dem Markt, das heißt den Wirtschaftstreibenden, sich dieser Angelegenheit anzunehmen 19 . Diese beiden Grundformen werden durch verschiedene Zwischenstufen ergänzt, auf die, soweit es notwendig ist, an entsprechender Stelle noch eingegangen wird 20 .
16 Statt des Begriffes „materielle Privatisierung" wird gelegentlich auch von „echter Privatisierung" gesprochen und im Gegensatz dazu die formelle Privatisierung als
„ unechte Privatisierung" bezeichnet; vgl. statt vieler Bruno Binder, Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 634 f. Eine differenziertere Unterteilung der einzelnen Privatisierungsformen findet sich etwa bei Adrian von Hagemeister, Privatisierung (Fn. 3), 43 ff. 17
An Stelle der Begriffe Organisationsprivatisierung bzw. formeller Privatisierung
wird in der Literatur auch häufig der Terminus Ausgliederung verwendet; vgl. unter anderem Bruno Binder, Der Staat als Träger von Privatrechten, 1980,186; Bruno Binder / Ludwig Fröhler, Die Haftung der Gemeinden für ausgegliederte Unternehmun-
gen, 1982, 8; und Bernd-Christian Funk, Probleme (Fn. 6), 8 f.
18 Vgl. dazu etwa Siegbert Morscher, Kommunale Unternehmungen zwischen Eigenwirtschaftlichkeit und öffentlichem Auftrag - rechts- und politikwissenschaftliche Analyse, in: Siegbert Morscher / Christian Smekal (Hrsg.), Kommunale Unternehmungen zwischen Eigenwirtschatlichkeit und öffentlichem Auftrag, 1982, Friedrich Schock, Privatisierung (Fn. 6), 69; und ders., Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVB1.1994,962. Auch in die Gesetzgebung hat der Terminus „Organisationsprivatisierung" mittlerweile Eingang gefunden; vgl. etwa das Bundesgesetz über die Organisationsprivatisierung der Wasserstraßendirektion und die Gründung einer „Österreichische Donau-Betriebs-Aktiengesellschaft", B G B l . 1992/11.
19 Vgl. hierzu etwa Eberhard Hamer / Rainer Gebhardt, Privatisierungspraxis (Fn. 3), 74 ff.; Friedrich Schoch, Privatisierung (Fn. 6), 69; und ders., Privatisierung der
Abfallentsorgung, 1992, 37 ff. 2 0 Die sog. „Privatwirtschaftsverwaltung", das ist jener Bereich staatlicher Tätigkeit, in dem die Gebietskörperschaften nicht als Träger ihrer hoheitlichen Befugnisse, daß heißt mit dem ihnen eigenen „imperium" auftreten, sondern sich jener Rechtsformen bedienen, die auch Privaten zur Verfügung stehen (zum Begriff vgl. aus der
Privatisierung von Verwahungsaufgaben
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In der tagespolitischen Auseinandersetzung w i r d aber - zumindest in Osterreich - unter Privatisierung primär nicht eine dieser angeführten Varianten diskutiert, sondern schlichtweg die Veräußerung v o n staatlichem Vermögen, insbesondere v o n Unternehmensbeteiligungen an Privatpersonen, sei es durch Verkauf oder durch Notierung an der Börse 2 1 .
4. Der Begriff
„Verwaltungsaufgabe"
Klärungsbedürftig erscheint im gegebenen Zusammenhang auch, was unter „Verwaltungsaufgabe" zu verstehen ist, sowie w e r zu den „Privaten" zählt, auf die solche A u f g a b e n übertragen w e r d e n sollen.
umfangreichen Literatur zu diesem Thema statt vieler Ludwig K. Adamovich / BerndChristian Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht 3 ,1987, 144; Walter Antonioiii / Friedrich Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht 2 , 1986, 20 ff.; und Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts 7 ,1992, Rdn. 560 ff.), bedeutet hingegen keine Privatisierung im eigentlichen Sinne, weil handelnder Akteur der Staat selbst bleibt. Auf sie wird an dieser Stelle daher ebensowenig eingegangen wie auf die Indienstnahme Privater im Verwaltungsverfahren, etwa in Form der Einbindung technischer oder sonstiger Fachbüros in die Ermittlung des Sachverhalts, die von manchen - etwa von Friedrich Schoch (Privatisierung von Verwaltungsaufgaben [Fn. 18], 975 f.) - als faktische Privatisierung bezeichnet wird. Unbehandelt bleiben überdies auch jene gesetzlichen Bestimmungen, die den Normadressaten eine Pflicht zur institutionalisierten Selbstüberwachung auferlegen (so etwa § 9 Abs. 6 AWG, BGBl. 1990/325 idgF, der vorschreibt, daß Betriebe mit mehr als 100 Arbeitnehmern, in denen regelmäßig gefährliche Abfälle anfallen, einen Abfallbeauftragten zu bestellen haben, dessen Aufgabe in der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des AWG und der darauf beruhenden Verwaltungsakte besteht; zur Konzeption des Abfallbeauftragten vgl. etwa Dietmar Pauger, Rechtsprobleme der Abfallvermeidung, in: Bernd-Christian Funk [Hrsg.], Abfallwirtschaftsrecht, 1993,31 [48]) und auf diese Weise in den Nahebereich der Privatisierung rücken. 21 Die zur Zeit in Rede stehende Privatisierung der verstaatlichten Banken, Industrie- und Elektrizitätsunternehmen gehört genauso in diese Kategorie wie der ins Auge gefaßte Verkauf des Noch-Monopolisten Austria Tabakwerke AG. Lediglich die jüngst vollzogene Ausgliederung der Osterreichischen Bundesbahnen und der Arbeitsmarktverwaltung sowie die anstehende Umwandlung der Post in eine Aktiengesellschaft, die zu 100 % im Bundeseigentum steht, scheinen nicht bloß der staatlichen Mittelbeschaffung zu dienen, sondern von anderen Beweggründen getragen zu sein. Daß monetäre Belange auch in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Rolle spielen, belegen jedoch jüngste Pressemeldungen. Ihnen zufolge soll die Ausgliederung der Post nicht zuletzt deshalb ins Jahr 1995 vorgezogen werden, weil durch diese Maßnahme eine Abschlagszahlung für die bisher vom Staat finanzierte Post-Infrastruktur im Ausmaß von ÖS 12,5 Mrd. fällig wird, welche dem Finanzminister hilft, die vom EU-Beitritt verursachten Mehrausgaben zumindest teilweise zu kompensieren; vgl. etwa „Der Standard" vom 23. 9. 1994, 23.
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U m die Bestimmung und Abgrenzung des Begriffs „Verwaltungsaufgabe" hat die Staatsrechtslehrervereinigung schon auf ihrer Tagung im Jahre 1970 gerungen, als die Beleihung im Vordergrund stand 22 . Sehr viel weiter ist die Diskussion trotz etlicher Bemühungen im Schrifttum bis heute nicht gekommen. Außer Streit scheint zwar die Formel zu stehen, daß Verwaltungsaufgaben jene sind, die ein Verwaltungsträger nach der jeweils geltenden Rechtsordnung zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt23. In Wahrheit geht dies aber zu weit, denn zu Recht wird dagegen die Frage erhoben, wie und woran man erkennt, ob der Verwaltungsträger eine Agende als die seine erfüllt oder ob er sie bloß auf Grund historischer oder politischer Entwicklungen mehr oder weniger zufällig aus dem gesellschaftlichen Raum aufgegriffen hat 24 . Aber ist es für die Bewältigung des gestellten Themas unbedingt erforderlich, den Begriff der „Verwaltungsaufgabe" allgemein zu definieren, was die Entwicklung einer Staats- bzw. Verwaltungsaufgabenlehre voraussetzt, die bisher zumindest in Osterreich, und - wenn ich es richtig sehe - auch in Deutschland, nicht geleistet wurde? Oder genügt es, den Verwaltungsaufgabencharakter im konkreten Einzelfall auszumachen 25 ? Genau besehen ist die Verschiebung auf den Einzelfall aber nicht mehr als eine Ausrede, weil auch er nur an Hand allgemeiner charakterisierender Kriterien eingeordnet werden kann. Die konkrete Zuordnung kann
22 Vgl. dazu insbes. Fritz Ossenbühl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, W D S t R L 29,1971,137 (144 f.); Otto Bachof, Aussprache bei der Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1970, W D S t R L 29,1971, 249 ff.; sowie Franz Mayer, Aussprache bei der Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1970, W D S t R L 29,1971,260 f. 23 In diesem Sinne etwa Fritz Ossenbühl, Öffentliches Recht und Privatrecht in der Leistungsverwaltung (Besprechung des Urteils des BGH vom 27. 10. 1972 - KZR 1/72), DVBl. 1974, 541 (542); und Friedrich Schock, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben (Fn. 18), 962; vgl. weiters auch Sybille von Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982,14 f.; Christian Brünner, Aufgaben der Verwaltung, in: Karl Wenger / Christian Brünner / Peter Oberndorfer (Hrsg.), Grundriß der Verwaltungslehre, 1983, 89 (98). 24 So etwa Fritz Ossenbühl, Öffentliches Recht (Fn. 23), 542. 25 Für eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise etwa Prodromes Dagtoglou, Die Beteiligung Privater an Verwaltungsaufgaben, D Ö V 1970, 532 (534 f.); ähnlich Fritz Ossenbühl (Öffentliches Recht [Fn. 23], 542), der am Beispiel der Flughäfen die Qualifikation als staatliche Aufgabe einerseits empirisch damit untermauert hat, daß diese sich ausschließlich in den Händen von Bund, Ländern oder Gemeinden befänden, und andererseits hervorgehoben hat, daß der Staatsaufgabencharakter durch die Gesetzeslage gestützt und nahegelegt werde, wofür er als Beleg vier Bestimmungen der Luftverkehrszulassungsordnung anführte.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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also nur nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsnormen vorgenommen werden, wobei empirische Befunde zur Unterstützung dienen mögen. Dies gilt insbesondere auch für Osterreich, wo dem Rekurs auf das Gesetz auf Grund des strikten Legalitätsgebotes und des damit verbundenen Vorbehalts der Legislative26 vielleicht mehr Gewicht zukommt als in anderen Rechtsordnungen. Verwaltungsaufgaben sind demnach alle jene Agenden, die einem Verwaltungsorgan entweder unmittelbar durch Gesetz übertragen wurden oder ihm zumindest mittelbar gemäß dem Telos, also dem Sinn und Zweck der einschlägigen Normen, überantwortet sind. So haben beispielsweise Interventionsmaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft insoweit Verwaltungsaufgabencharakter, als sie entweder durch die Rechtsordnung selbst, insbesondere durch die Agrarmarktordnung 27 , der Verwaltung zugewiesen sind oder sich als Maßnahmen der darin festgelegten Verwaltungsziele und -zwecke identifizieren lassen, wie etwa die staatliche Beratung und Unterstützung des biologischen Landbaues28. Ob sie von der Gebietskörperschaft selbst wahrgenommen werden oder von einem ausgegliederten Rechtsträger, spielt dabei keine Rolle. Die Ausrichtung eines Landes-Erntedankfestes gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Verwaltung, unabhängig davon, ob sie durch ein Bundesland oder einen privaten Verein erfolgt29.
2 6 Zum Legalitätsprinzip vgl. statt vieler etwa Ludwig K. Adamovich / Bemd-Christian Funk, Österreichisches Verfassungsrecht 3 , 1985, 241; Walter Antonioiii / Friedrich Koja, Verwaltungsrecht 2 (Fn. 20), 214; Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht 7 (Fn. 20), Rdn. 573; für die Rspr. vgl. etwa VfSlg. 5924/1969 und auch die Entscheidung des O G H vom 10. 7 . 1 9 9 1 , 1 O b 30/91 = JB1.1992, 35 ff. 2 7 In Österreich ist diesbezügl. das M O G 1985 (BGBl. 1985/210, zuletzt geändert durch B G B l . 1993/969) maßgeblich. 28 Der biologische Landbau in Österreich wird - folgt man den Angaben im aktuellen „Grünen Plan", der gemäß § 9 Abs. 3 L W G 1992 (Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Sicherung der Ernährung sowie zur Erhaltung einer flächendeckenden, leistungsfähigen, bäuerlichen Landwirtschaft getroffen werden [Landwirtschaftsgesetz 1992 - LWG], B G B l . 1992/375 idgF) jährlich zu erstellen ist - im Jahre 1994 unter dem Budgettitel 1/603 mit einem Betrag von ÖS 225.332.000,- gefördert. Daß es sich hierbei um eine Verwaltungsaufgabe handelt, läßt sich aus der Zielbestimmung des § 1 L W G 1992 sowie aus § 2 Abs. 2 Z. 2 leg cit ableiten, der unter anderem qualitätsverbessernde, umweltschonende sowie produktionslenkende Maßnahmen im pflanzlichen Bereich gestattet. 2 9 Gleiches gilt etwa auch für den Betrieb einer Apotheke (zu den sog. „Bundesapotheken" vgl. etwa Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts 2 , 1987, 556); selbst wenn sie vom Bund betrieben werden sollte, läge keine Verwaltungsaufgabe vor.
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5. Der
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„Private"
Was den Begriff „Privater" anbelangt, wird in der Literatur vorgeschlagen, darunter jedes nicht staatliche Subjekt, das heißt jede grundrechtsgeschützte natürliche oder juristische Person zu verstehen 30 . Dieser Definitionsversuch läuft jedoch Gefahr, in einen Zirkelschluß zu münden, nämlich daß der Grundrechtsschutz aus der Privatenqualität und diese wiederum aus dem Grundrechtsschutz abgeleitet wird 31 . Eher brauchbar erscheint die negative Umschreibung des Privaten als jede natürliche Person, soweit sie nicht als Beamter oder sonstiger professioneller Funktionär des Staates tätig wird, sowie jede juristische Person, die nicht in die Staatsorganisation eingebunden ist32. O b die juristische Person als Einmanngesellschaft im Alleineigentum des Verwaltungsträgers steht, spielt dabei keine Rolle 33 . Jedoch wird die Sonderstellung von Eigengesellschaften einer speziellen Beurteilung bedürfen, etwa in Fragen der politischen Verantwortlichkeit, der staatlichen Kontrolle oder der eventuellen Monopolstellung.
II. Grenzen der Privatisierung 1. Genuine
Staatsaufgaben
Bezüglich der verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung besteht zunächst Einigkeit darüber, daß es einen Kernbereich genuiner Staatsaufgaben gibt, der einer Übertragung auf Private nicht zugänglich ist 34 . Dazu gehören jedenfalls die Landesverteidigung, die Auswärtige Gewalt, die Polizei, die Währungshoheit und die Finanzverwaltung 35 . So etwa Fritz OssenbUhl, Erfüllung (Fn. 22), 144. In diesem Sinne etwa Otto Bachof, Aussprache (Fn. 22), 250. 32 Für eine negative Begriffsdefinition auch Sybille von Heimburg, Verwaltungsaufgaben (Fn. 23), 20; sowie Prodromes Dagtoglou, Beteiligung (Fn. 25), 534. Letzterer rechnet allerdings die juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu den Nichtprivaten. 33 So aber etwa Jürgen Grabbe, Grenzen (Fn. 5), 42. 34 Vgl. dazu etwa Hans Peter Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz 2 , 1977,99 ff.; Adrian von Hagemeister, Privatisierung (Fn. 3), 102 ff.; Hans Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, in: FS II Nipperdey, 1965, 877; Michael Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, 1971, 49 ff.; Fritz Ossenbiihl, Öffentliches Recht (Fn. 23), 542; sowie Sibylle von Heimburg, Verwaltungsaufgaben (Fn. 23), 22. 35 Daß überdies auch die Gesetzgebung und die Rechtsprechung zu den genuinen Staatsaufgaben zählen, liegt auf der Hand und braucht hier nicht näher erörtert zu werden. 30 31
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
175
Aber selbst hier sind die Grenzen nur scheinbar scharf 36 , man denke beispielsweise an die Beauftragung Privater mit polizeiartigen Uberwachungsaufgaben 37 oder an die Verpflichtung der Arbeitgeber zur Einhebung der Lohnsteuer 38 . 2. Das
Rechtsstaatsgebot
Abgesehen davon enthält die Verfassungsrechtsordnung leitende Grundprinzipien, die als inhaltliche Richtschnur und Grenze jeder Privatisierung von Verwaltungsaufgaben zu respektieren sind 39 . Besonderes Gewicht kommt dabei dem Rechtsstaatsgebot 40 zu, das für die Privatisierung in zweifacher Hinsicht von Bedeutung ist, nämlich
Ebenso Wolfgang Däubler, Privatisierung (Fn. 3), 63 ff. In erster Linie ist in diesem Zusammenhang an die Einbindung privater Unternehmungen in die Überwachung des Straßenverkehrs zu denken, insbesondere an die in Osterreich schon seit längerem praktizierte Kontrolle von Kurzparkzonen durch Private; vgl. dazu etwa Theo Ohlinger, Überlegungen zu den rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen einer Verkehrsüberwachung durch Private, Z V R 1992, 144. 36 37
In ähnlicher Weise sieht aber auch das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen ( B G B L 1992/824) eine Ermächtigung des Innenministers vor, Sicherheitskontrollen zum Schutz von Zivilluftfahrzeugen und von Menschen, die sich an Bord befinden oder an Bord gehen, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr von den an sich damit betrauten Sicherheitsbehörden auf geeignete Unternehmungen auszulagern. 3 8 Vgl. dazu § 78 Abs. 1 und § 79 Abs. 1 E S t G 1988, B G B l . 1988/400 idgF. In VfSlg. 7158/1973 und 7975/1977 stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer hafte und daher nicht ein „Erfüllungsgehilfe", eine „verlängerte Hand" des Finanzamtes sei, dessen Handlungen der Finanzbehörde zuzurechnen wären. Der Arbeitgeber sei bei der Erhebung der Lohnsteuer vielmehr durch Gesetz zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben in Pflicht genommen (so auch Heinz-Peter Rill, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte - Einleitung, in: Schriftenreihe der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft: Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1973, 5 [7]; Heinz Schäffer, Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private [Beleihung und Inpflichtnahme] in: Schriftenreihe der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft: Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1973, 58 [60 ff.]; und Gerhard Kuras, Zwischen Finanzamt und Gericht, ecolex 1990, 562). D e r Arbeitgeber setzt jedoch in Erfüllung seiner diesbezüglichen Aufgaben selbst keine Hoheitsakte. 3 9 Näher dazu Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 1993, 187 f. 4 0 Das Rechtsstaatsgebot zählt zu den sog. Bauprinzipien der Bundesverfassung und steht damit unter besonderem Bestandsschutz, das heißt es kann gem. Art. 44 Abs. 3 B - V G nicht durch „einfaches" Bundesverfassungsrecht, sondern lediglich
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Johannes Hengstschläger
1. für die inhaltliche Determinierung s o w o h l des Übertragungsaktes als auch der privatisierten Verwaltungstätigkeit selbst u n d 2. für den Rechtsschutz.
a) Rechtsgrundlagen der Übertragung und inhaltliche Determinierung der ausgegliederten
Rechtsträger
W i e erwähnt, postuliert das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz in Art. 18 A b s . 1 ein relativ strenges Legalitätsgebot, nach d e m die gesamte staatliche Verwaltung nur auf G r u n d der G e s e t z e ausgeübt w e r d e n darf 41 . Andererseits räumt es in den Art. 17 42 u n d 116 A b s . 2 4 3 d e m B u n d , den Ländern u n d den G e m e i n d e n Privatrechtsfähigkeit ein, die mit d e m Gesetzmäßigkeitsprinzip in einem bisher nicht gelösten D i l e m m a verfangen ist. D i e subtile D i s k u s s i o n , o b u n d i n w i e w e i t die G e s e t z e s b i n d u n g auch für die Privatwirtschaftsverwaltung gilt, wird mit g r o ß e m Engagement geführt, die angebotenen L ö s u n g e n haben aber i m Endeffekt bis heute w e n i g bewirkt. Es w e r d e n nämlich alle denkbaren Varianten vertreten,
durch ein Bundesverfassungsgesetz, dem die Bevölkerung in einer Volksabstimmung die Zustimmung erteilt, abgeändert werden; vgl. dazu statt vieler Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht 7 (Fn. 20), Rdn. 146. Eine derartige „Gesamtänderung der Verfassung" wurde in Österreich seit Inkrafttreten des B-VG erst ein einziges Mal vollzogen, nämlich im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Union. 41 Mit diesem Legalitätsgebot ist der „Vorbehalt der Gesetze" gemeint und nicht bloß der „Vorrang der Gesetze"; vgl. dazu statt vieler Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 65; Walter Antonioiii / Friedrich Koja, Verwaltungsrecht 2 (Fn. 20), 214; und Ludwig K. Adamovich / Bernd-Christian Funk, Verwaltungsrecht 3 (Fn. 20), 108; vgl. auch Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I 3 ,1924 (Nachdruck 1969), 64 ff. 42 Art. 17 B-VG idF BGBl. 1974/444 lautet: „Durch die Bestimmungen der Artikel 10 bis 15 über die Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung wird die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt". Zur Ableitung der Rechtsfähigkeit des Bundes und der Länder aus dieser Kompetenznorm vgl. etwa Bruno Binder, Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 453; Richard Novak, Die Problematik der Abgrenzung der Hoheitsverwaltung von der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung, in: FS Antonioiii, 1979,61 (66); und Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht 7 (Fn. 20), Rdn. 292. 43 Art. 116 Abs. 2 B-VG idF BGBl. 1962/205 lautet: „Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben."
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angefangen von der Gleichsetzung der Privatwirtschaftsverwaltung mit der Hoheitsverwaltung 44 über ein differenziertes Modell verdünnter Legalität45 bis hin zur völligen Gleichbehandlung mit Privaten, also der Herausnahme der Privatwirtschaftsverwaltung aus dem Geltungsbereich des Art. 18 Abs. 1 B-VG 4 6 . In der jüngeren Vergangenheit wurde noch ein anderer Ansatz versucht, der die Zuständigkeitsfragen in den Vordergrund schiebt 47 . E r spricht dem Staat das Recht ab, auf allen nur denkbaren Gebieten in den Formen des Privatrechts tätig zu werden. Den Kompetenztatbeständen wohne nämlich eine verbindliche Grundstruktur inne, die primär die hoheitliche Vollziehung vor Augen habe, weshalb es dem einfachen Gesetzgeber nicht zustehe, sich von diesem Verfassungskonzept durch Wechsel ins Privatrecht zu entfernen. Ist aber die staatliche Verwaltung in den Formen des Privatrechts auf ganz bestimmte Kompetenzausschnitte beschränkt, schlägt dies notwendigerweise auch auf die Gesetzesbindung durch, weil das Legalitätsgebot dann eben nur im Rahmen dieser der Privatwirtschaftsverwaltung verbleibenden Ausschnitte in Frage gestellt werden kann 48 . 44 So etwa Ludwig K. Adamovich, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts 6 , 1971, 101; Hans R. Klecatsky, Allgemeines Österreichisches Verwaltungsrecht, JB1. 1954, 473 (503); ders., Die Köpenickiade der Privatwirtschaftsverwaltung,
JB1. 1957, 333; Hans R. Klecatsky / Siegbert Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht 3 , 1982, 238 (Anm. 3 zu Art. 18 B - V G ) ; Alfred Kobzina, Die Ermessensnorm im Sinne des Legalitätsprinzips, JB1. 1956, 492; und ders., Der Staat als Privatwirtschaftssubjekt, O J Z 1 9 6 1 , 4 2 1 ; in diesem Sinne letztlich wohl auch Robert Wal-
ter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht7 (Fn. 20), Rdn. 570. 45 So zumindest im Ergebnis Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 256; ders., Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 517 f.; Franz Bydlinski, Die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staa-
tes in privatrechtlicher Sicht, JB1. 1968, 9(15 ff.); und Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer, Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969,84; vgl. auch Günther Winkler, Gesetzgebung und Verwaltung im Wirtschaftsrecht, 1970, 78 ff. 46 Vgl. etwa Walter Antonioiii / Friedrich Koja, Verwaltungsrecht2 (Fn. 20), 225 ff.; Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 69; Richard Novak, Grenzen
und Möglichkeiten des Legalitätsprinzips, Ö V A 1970,1 (6); Heinz Peter Rill, Gliedstaatsverträge, 1 9 7 2 , 2 8 4 ff.; ders., Demokratie, Rechtsstaat und staatliche Privatwirtschaftsverwaltung, in: FS Wenger, 1983,57 (63); sowie Heinz Schaff er, Die sogenannte Privatwirtschaftsverwaltung und das Gesetz, in: FS Antonioiii, 1979,253. 47 Bernhard Raschauer, Grenzen der Wahlfreiheit zwischen den Handlungsformen der Verwaltung im Wirtschaftsrecht, Ö Z W 1977,1. 48 Die Unzulässigkeit der Flucht des Gesetzgebers in das Privatrecht leitet Bernhard Raschauer weiters auch aus dem Demokratiekonzept des B - V G ab. Dieses erfordere zumindest im Innenverhältnis dem Legalitätsprinzip genügende Bindungen, denn der ausschließliche Einsatz der Handlungsform „Vertrag" garantiere nicht die Durchsetzung des Willens der primären Repräsentanten des Trägers der Staatsgewalt in allen Vollziehungsbereichen (s. Bernhard Raschauer, Grenzen [Fn. 47], 7 ff.).
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Per saldo m u ß man ehrlicher- o d e r - besser gesagt - resignierenderweise eingestehen, daß sich die Praxis, im besonderen die J u d i k a t u r der Höchstgerichte, der D i c h o t o m i e v o n Gesetzesbindung und P r i v a t w i r t schaftsverwaltung k a u m annimmt 4 9 . Die in den F o r m e n des Privatrechts agierenden V e r w a l t u n g s t r ä g e r w e r d e n diesbezüglich ü b e r weite Strecken nicht anders behandelt als sonstige juristische Personen des privaten Rechts 5 0 . Umgelegt auf die Frage, w e l c h e R e c h t s f o r m f ü r die Ü b e r t r a g u n g v o n V e r w a l t u n g s a u f g a b e n auf Private zulässig b z w . e r f o r d e r l i c h ist, resultiert daraus folgender B e f u n d : Die Gebietskörperschaften k ö n n e n f ü r die Besorgung ihrer Privatw i r t s c h a f t s v e r w a l t u n g juristische Personen des Privatrechts, insbesondere Gesellschaften des Handelsrechts, gründen und sich an ihnen in der H ö h e jedes denkbaren Prozentsatzes beteiligen. Letzteres geht insbesondere auch aus den verfassungsgesetzlichen Regelungen über die K o n -
Raschauers Überlegungen zum Demokratiekonzept stehen allerdings im Spannungsverhältnis zu seinen Ausführungen über die Kompetenzordnung des B-VG. Nimmt man diese ernst, so bleibt für Überlegungen zur Gesetzesbindung nur dort Raum, wo die Kompetenzordnung nichthoheitliche Vollziehung zuläßt. Wo die Kompetenzordnung aber den Einsatz nichthoheitlicher Verwaltung erlaubt, wird man auch die Handlungsform „Vertrag" als uneingeschränkt zulässig ansehen müssen, und umgekehrt ergeben Überlegungen zur Gesetzesbindung der Privatwirtschaftsverwaltung von vornherein keinen Sinn, wenn die Kompetenzordnung nur den Einsatz hoheitlicher Handlungsformen gestattet. 49 Die bei Bernhard Raschauer (Grenzen [Fn. 47], 11) unter Berufung auf Heinz S c h i f f e r (Verfassungsinterpretation in Osterreich, 1971, 132 f.) angeführten Erkenntnisse betreffen nicht die Frage des Wahlrechtes zwischen hoheitlichen und nichthoheitlichen Handlungsformen, sondern ausschließlich die Frage des Einsatzes individueller oder genereller Hoheitsakte und lassen daher keine Stellungnahme des Verfassungsgerichtshofes zum vorliegenden Problem erkennen. 50 Die Erkenntnisse VfSlg. 7593/1975, 7716/1975, 7717/1975, 8320/1978 und 10.948/1986 enthalten zwar - da auf den ORF bezogen - letztlich keine eindeutige Aussage zu dieser Fragestellung; so Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 69 Fn. 67. In den Entscheidungen Slg. 11.873/1988 und 11.924/1988 ließ der VfGH aber eindeutig seine Präferenz für die Nichtgeltung des Legalitätsprinzips erkennen. So hat er etwa in Slg. 11.924/1988 ausgesprochen, daß schon aus dem Mangel „besonderer gesetzlicher Grundlagen" für ein Rechtsverhältnis des einzelnen zur öffentlichen Hand (im konkreten Fall zur Post- und Telegraphenverwaltung) dieses nicht als hoheitliches qualifiziert werden könne. Noch deutlicher spricht sich der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung gegen die Geltung des Legalitätsprinzips für die Privatwirtschaftsverwaltung aus; vgl. etwa OGH 26.4.1983,5 Ob 543/82 = EvBl. 105/1983; O G H 2 4 . 1 1 . 1 9 8 8 , 6 Ob 694/88 = JB1.1990,169 = EvBl. 1989/82; OGH 19.12.1989,4 Ob 50,51/89 = WB1.1990/114; sowie das Urteil vom 18. 3.1992,1 Ob 526/92.
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trolle staatsnaher Unternehmungen durch den Rechnungshof hervor, die mit allen Varianten von Beteiligungen und Beherrschungen dieser Unternehmungen durch die öffentliche Hand rechnen 51 . Die Praxis macht von diesen Auslagerungsmöglichkeiten reichlich Gebrauch. Mit einer Reihe staatlicher Vorhaben wurden eigens dafür gegründete Rechtsträger betraut 52 . Zu nennen sind etwa aus dem Infrastrukturbereich die Straßenbausondergesellschaften, die kürzlich in die Alpen Straßen A G und die Osterreichische Autobahnen- und Schnellstraßen A G zusammengefaßt wurden 53 , die Flughafen-Betriebsgesellschaften 54 und die Eisenbahn-Hochleistungsstrecken-AG 55 . Aus der jüngsten Zeit wiederum verdienen die Ausgliederung der Österreichischen Bundesbahnen 56 , die Verselbständigung der Arbeitsmarktverwaltung in F o r m des Arbeitsmarktservice 57 , die Errichtung der Bundesimmobilien GmbH 5 8 sowie die Gründung der Austro-Control G m b H als Nachfolgerin des Bundesamtes für Zivilluftfahrt 59 Beachtung.
Lediglich der Verwaltungsgerichtshof hat in älteren Erkenntnissen die Geltung des Legalitätsprinzips in der Privatwirtschaftsverwaltung bejaht; vgl. etwa V w G H 1 1 . 3 . 1964, ZI. 1820/63; 15. 12. 1976, ZI. 596/76. 51
Vgl. Art. 126 b Abs. 2 B - V G bzw. auch Art. 127 Abs. 3 und Art. 127 a Abs. 3 B -
VG. 52 Vgl. dazu jüngst Eduard Fleischmann, Ausgliederungsprogramm und außerbudgetäre Finanzierungen des Bundes, in: Manfried Gantner (Hrsg.), Budgetausgliederungen - Fluch(t) oder Segen? 1994,117. 53 Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, B G B l . 1992/826. Die frühere Autobahnen- und Schnellstraßen-Aktiengesellschaft, die Pyhrn Autobahn Aktiengesellschaft, die Tauernautobahn Aktiengesellschaft und die Wiener Bundesstraßen Aktiengesellschaft wurden zur „Osterreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Aktiengesellschaft", die Arlberg Straßentunnel Aktiengesellschaft und die Brenner Autobahn Aktiengesellschaft wurden zur „Alpen Straßen Aktiengesellschaft" verschmolzen. 5 4 Vgl. zum Beispiel die Flughafen Wien Aktiengesellschaft. Durch B G B l . 1993/967 wurde dem Bundesminister für Finanzen die Ermächtigung erteilt, die im Eigentum der Republik Osterreich stehenden Anteile an dieser Unternehmung bestmöglich zu veräußern. 55 Bundesgesetz vom 1. März 1989 über die Erklärung von Eisenbahnen zu Hochleistungsstrecken (Hochleistungsstreckengesetz), B G B l . 1989/135. 5 6 Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Osterreichischen Bundesbahnen (Bundesbahngesetz 1992), B G B l . 1992/825. 5 7 Bundesgesetz über das Arbeitsmarktservice (Arbeitsmarktservicegesetz A M S G ) , B G B l . 1994/313. 5 8 Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesimmobiliengesellschaft mit beschränkter Haftung und die Verfügung über bundeseigene Liegenschaften einschließlich Mietwohngebäuden (BIG-Gesetz), B G B l . 1992/419. 5 9 Bundesgesetz über die Austro Control Gesellschaft mit beschränkter Haftung, B G B l . 1993/898.
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Dem Errichtungsakt liegen in den meisten Fällen eigene Bundes- oder Landesgesetze zugrunde, die ihre kompetenzrechtliche Legitimation letztlich, das heißt soweit nicht ohnehin ein anderer Kompetenztatbestand zur Verfügung steht60, ebenfalls aus der Sonderbestimmung des Art. 17 B-VG ableiten. Gemäß dieser Verfassungsanordnung wird - so wörtlich - durch die Bestimmungen der Art. 10 bis 15 über die Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt. Nach herrschender Lehre und Judikatur werden dadurch Bund und Länder nicht nur im Bereich der Vollziehung von den kompetenzrechtlichen Schranken entbunden, sondern auch auf der Ebene der Gesetzgebung61. Als Gesetze für die Privatwirtschaftsverwaltung kommen aber nur solche in Betracht, mit denen sich die Gebietskörperschaften selbst binden62, das heißt die nicht nach außen wirken, also den Rechtsunterworfenen weder Rechte einräumen noch Pflichten auferlegen, sondern lediglich das privatrechtliche Vorgehen der eigenen Organe regeln63. Fraglich ist, ob darüber hinaus auch Modifikationen des Privatrechts, insbesondere des Gesellschaftsrechts, zulässig sind, oder anders gewen-
60 Zu denken wäre dabei etwa an den Kompetenztatbestand „Monopolwesen" in Art. 10 Abs. 1 Z. 4 B-VG; vgl. dazu Heinz Mayer, Staatsmonopole, 1976; und Bernhard Rasebauer, Monopolunternehmen, ZfV 1987, 1. 61 Vgl. etwa Ludwig K. Adamovich / Bernd-Christian Funk, Verfassungsrecht3 (Fn. 26), 184 f.; dies., Verwaltungsrecht3 (Fn. 20), 150 f.; Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 48 ff., 76 ff., 260 ff.; Bernd-Christian Funk, Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, 1980, 58 f.; Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 86 ff.; Richard Novak, Grenzen (Fn. 46), 4 ff.; Peter Pemthaler, Raumordnung und Verfassung 1,1977, 85 ff.; Heinz Peter Rill, Demokratie (Fn. 46), 98 f.; Heinz Schaff er, Privatwirtschaftsverwaltung (Fn. 46), 259, 264 ff.; sowie Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht7 (Fn. 20), Rdn. 292 ff. 62 Derartige Gesetze werden daher in Osterreich - nicht nur von der Lehre, sondern auch vom VfGH (vgl. etwa das Erkenntnis Β 415/92 vom 29.9.1993) - als „ Selbstbindungsgesetz " bezeichnet. 63 Vgl. dazu etwa Walter Antonioiii ! Friedrich Koja, Verwaltungsrecht2 (Fn. 20), 228; Edwin Loebenstein, Das Förderungswesen unter dem Blickwinkel des Legalitätsprinzips (Referat), 2. Österr. Juristentag (1964), Bd. II/3, (oj), 7 (23 ff.); Karl Wenger, Zur Problematik der österreichischen Selbstbindungsgesetze, in: FS Korinek, 1972, 189; sowie die in Fn. 61 angeführte Literatur. Ein Teil der Lehre wendet sich jedoch dezidiert gegen die Auffassung, daß die Gesetzgebungsbefugnis im transkompetenten Bereich auf die Erlassung bloßer Innennormen eingeschränkt sei; so etwa Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 260 ff.; und ders., Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 540.
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d e t , o b es d e m S t a a t z u s t e h t , f ü r j e n e P r i v a t r e c h t s s u b j e k t e , a u f d i e er V e r waltungsaufgaben ausgliedert, S o n d e r b e s t i m m u n g e n vorzusehen64. F ü r den B u n d wird m a n - z u m i n d e s t aus kompetenzrechtlicher Sicht - die Zulässigkeit solcher sondergesellschaftsrechtlichen B e s t i m m u n g e n bejahen k ö n n e n , weil i h m das Zivilrecht einschließlich des wirtschaftlic h e n A s s o z i a t i o n s w e s e n s b e r e i t s g e m ä ß A r t . 10 A b s . 1 Z i f f e r 6 B - V G in G e s e t z g e b u n g u n d V o l l z i e h u n g z u s t e h t 6 5 . E r b r a u c h t sich d a b e i w e d e r a u f A r t . 17 B - V G z u b e r u f e n n o c h a u f d i e S e l b s t b i n d u n g s g e s e t z g e b u n g zu beschränken. Allerdings stehen solche punktuellen
Abweichungen
v o m Z i v i l - u n d H a n d e l s r e c h t als E i n z e l f a l l g e s e t z e u n t e r e r h ö h t e m V e r dacht, gegen das aus d e m Gleichheitssatz resultierende Sachlichkeitsgebot zu verstoßen66.
64 Zu den unterschiedlichen Facetten sondergesellschaftsrechtlicher Regelungen vgl. etwa Walther Kastner / Peter Dorait / Christian Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts 5 , 1990, 495 ff. Es steht außer Frage, daß sondergesellschaftsrechtliche Modifikationen sehr häufig dazu dienen, dem Staat verstärkte Ingerenzbefugnisse auf die ausgegliederte Unternehmung zu verschaffen; vgl. etwa § 5 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 26. März 1947 über die Verstaatlichung der Elektrizitätswirtschaft (2. Verstaatlichungsgesetz), BGBl. 1947/81 idgF, der der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Bestellung der Vorstandsmitglieder der Verbundgesellschaft ein Genehmigungsrecht einräumt. Daß dies jedoch nicht immer der Fall sein muß, beweist das Beispiel der mit Wirkung vom 1. 1. 1994 ausgegliederten Österreichischen Bundesbahnen. In § 12 Abs. 1 Bundesbahngesetz 1992 wird dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als Eigentümervertreter in Abkehr von den einschlägigen Bestimmungen des G m b H - G e setzes, die eine Weisungsbindung der geschäftsführenden Organe auch in Detailfragen vorschreiben, grundsätzlich nur die Erteilung allgemeiner Weisungen zugestanden. Mögen solche Bestimmungen auch dem Wunsch nach Entpolitisierung unternehmerischer Belange des Staates gerecht werden, sollten doch die politischen Konsequenzen nicht ganz außer acht gelassen werden. So haben erst jüngst die vor den Rechnungshof-Ausschuß geladenen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung ihre Verantwortlichkeit für die entstandenen Milliardenverluste bei der A M A G nahezu unisono mit der Begründung abgelehnt, daß ihnen das ÖIAG-Gesetz entsprechende Ingerenzbefugnisse auf die ausgegliederte Unternehmung verwehrten.
65 Ludwig K. Adamovich / Bernd-Christian Funk, Verwaltungsrecht 3 (Fn. 20), 209 f.; Josef Aicher, Zivil- und gesellschaftsrechtliche Probleme, in: Bernd-Christian Funk (Hrsg.), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1992, 191 (207); Bruno Binder, Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 473; Karl Korinek / Michael Holouhek, Grundlagen (Fn. 39), 101; Elmar Puck, Erfüllung (Fn. 7), 42. 66 So etwa Walter Kastner, Bemerkungen zur Verstaatlichung in Osterreich, JB1. 1976, 225 (230); Gerhardt Plöchl, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und seine Stellung zur Wirtschaft, 5. Österr. Juristentag (1973), Bd. I/3A, (oj), 3 (48 f.); Bruno Binder, Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 473; sowie ders., Staat (Fn. 17), 336. Vgl. weiters auch das VfGH-Erkenntnis Slg. 5854/1968, mit dem der Gerichtshof eine Bestimmung des Boden-Credit-Anstalts-Gesetzes, BGBl. 1929/348, die der Osterreichischen Credit-
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Anderes gilt für die Länder67. Eine auf Art. 17 B-VG gestützte Modifikation des Zivil- und Handelsrechts kommt schon rein logisch nicht in Betracht, weil dieses die privatrechtlichen Beziehungen der Rechtssubjekte zueinander regelt, Selbstbindungsgesetze im Rahmen des Art. 17 BVG aber gerade das nicht leisten können68. Für außenwirksame, also die Bürgerbeziehungen betreffende Zivilrechtsgesetze ist den Ländern nur ein schmaler Kompetenzausschnitt in Art. 15 Abs. 9 B-VG zugebilligt. Nach dieser Bestimmung sind die Gliedstaaten im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, die zur Regelung des Gegenstandes erforderlichen Bestimmungen auf den Gebieten des Zivil- und Strafrechts zu erlassen. Das Kriterium der Erforderlichkeit legt der Verfassungsgerichtshof dabei traditionsgemäß eng aus. Er verlangt, daß die zivilrechtlichen Sonderbestimmungen mit der in die Landeskompetenz fallenden Hauptmaterie in einem unerläßlichen Zusammenhang stehen69. Da Privatwirtschaftsverwaltung keine Hauptmaterie ist, die in die Zuständigkeit der Länder fällt, sondern lediglich eine Rechtsform, in der Materien wahrgenommen werden können, kommt ein unerläßlicher Zusammenhang mit der Materie „Privatwirtschaftsverwaltung" logischerweise nicht in Betracht. Bleibt allerdings noch zu fragen, ob es den Ländern zusteht, im Rahmen ihrer sonstigen Kompetenztatbestände, wie etwa im Bereich der Landwirtschaft, des Jagdwesens oder der Raumordnung, Verwaltungsaufgaben auf Privatrechtssubjekte auszulagern und
anstalt für Handel und Gewerbe zivilrechtliche Begünstigungen einräumte, wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot als verfassungswidrig aufhob. Offenbar in der Absicht, die Notwendigkeit gleichheitsrechtlich bedenklichen Sondergesellschaftsrechts zu vermeiden, wählt der Bund in letzter Zeit für ausgegliederte Unternehmen häufig die Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, bei der schon nach allgemeinen Gesellschaftsrecht der Vorstand an Weisungen der Gesellschafter gebunden ist; vgl. dazu S. 10 f. der (unveröffentlichten) Richtlinien des Bundeskanzleramtes vom 5. November 1992 für die Ausgliederung staatlicher Aufgaben und die Gestaltung von Entwürfen zu Bundesgesetzen betreffend die Ausgliederung. 67 Für die Gemeinden kommt ein Abgehen vom allgemeinen Gesellschaftsrecht auf Grund der fehlenden Gesetzgebungskompetenz von vornherein nicht in Betracht. 6 8 S. dazu zuvor bei Fn. 63. 6 9 Vgl. dazu etwa VfSlg. 558/1926, 1809/1949, 2658/1954, 2934/1955, 4605/1963, 6055/1969, 6209/1970, 6343/1970, 8989/1980, 9580/1982, 9906/1983, 10.097/1984; sowie zuletzt die Entscheidung VfGH 18.12.1992, Κ II - 1 / 1 9 9 2 ; eingehend und kritisch zu dieser strengen Judikaturlinie des Verfassungsgerichtshofes Peter Pemthaler, Zivilrechtswesen und Landeskompetenzen, 1987, 61 ff.
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für diese organisations- oder materiellrechtliche Sonderbestimmungen zu erlassen. Art. 15 Abs. 9 B-VG setzt dafür eine doppelte Unerläßlichkeit voraus. Einerseits müßte es sich um eine Verwaltungsaufgabe handeln, die sinnvollerweise nur von einem ausgegliederten Privatrechtssubjekt wahrgenommen werden kann, und andererseits müßte das zur Verfügung stehende Gesellschafts- bzw. Privatrecht für die Bewältigung der ausgegliederten Verwaltungsaufgabe derart unzulänglich sein, daß eine materienspezifische Modifikation unerläßlich erscheint. Jüngst wurde zudem von Korinek und Holoubek70 unter Berufung auf historische Zielsetzungen nachgewiesen, daß der in der Ausnahmeregelung des Art. 15 Abs. 9 B-VG verwendete Begriff „Zivilrecht" das wirtschaftliche Assoziationswesen nicht mitumfaßt. Schließt man sich diesem Ergebnis, für das gute Gründe sprechen, an, kommt eine Modifikation des Gesellschaftsrechts durch den Landesgesetzgeber von vornherein nicht in Betracht. Die hier für die Schaffung von Sondergesellschaftsrecht ins Treffen geführten Gesichtspunkte gelten grundsätzlich auch für die nicht rechtsgeschäftlich vereinbarte, sondern in Gesetzesform verfügte inhaltliche Determinierung des Verwaltungshandelns ausgegliederter Rechtsträger: - Art. 17 B-VG kommt wegen seiner Beschränkung auf bloßes Innenrecht 71 nicht in Betracht. - Ist die Regelung zivilrechtlicher Natur, gilt für den Bund die Kompetenzbestimmung des Art. 10 Abs. 1 Ζ 6 B-VG, für die Länder Art. 15 Abs. 9 B-VG. - Betrifft sie hingegen öffentliches Recht, richtet sie sich in Gesetzgebung und Vollziehung nach der übrigen Kompetenzverteilung. Probleme ganz anderer Natur wirft schließlich die mit Privatisierungsmaßnahmen regelmäßig verbundene Übertragung von Vermögensteilen an ausgegliederte Rechtsträger auf. Für Vermögenstransaktionen des Bundes schreibt das Budgetrecht in Art. 42 Abs. 5 B-VG und den §§ 63 und 64 Bundeshaushaltsgesetz72 besondere gesetzliche Ermächti-
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Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 100 f. S. dazu die in Fn. 63 angeführte Literatur. 72 Bundesgesetz vom 4. April 1986 über die Führung des Bundeshaushaltes (Bundeshaushaltsgesetz - BHG), BGBl. 1986/213, zuletzt geändert durch BGBl. 1994/314. 71
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gungen vor 73 . Im Bereich Länder und Gemeinden gelten ähnliche Bewilligungspflichten der Parlamente 74 . b)
Rechtsschutz
Grenzen für Privatisierungsmaßnahmen erwachsen aber nicht bloß aus den dargelegten Determinierungserfordernissen, sondern auch aus der im Rechtsstaatsgebot enthaltenen Rechtsschutzgarantie75. Der gängige Hinweis, daß es für den Bürger nur von Vorteil sein kann, wenn der Staat auf das ihm eigene Imperium verzichtet und auf seine Ebene herabsteigt, um in formaler Gleichberechtigung mit dem Betroffenen zu verhandeln, ist aus keinem der denkbaren Blickwinkel etwas wert. Sicherlich wäre die hoheitliche Form pervertiert, würde etwa im Beschaffungswesen der Staat mittels exekutierbaren Bescheids dem Bürger Leistungen abverlangen, die er in Qualität, Ausmaß und Preis diktiert. Aber selbst bei staatlichen Aufträgen, also in einem genuin privatrechtlichen Bereich, wäre eine stärkere Position des privaten Partners wünschenswert, etwa wenn er als Bestbieter von der Behörde übergangen wird, die mit den ihr treuhänderisch anvertrauten Steuergeldern wirt-
73 Nach den genannten Bestimmungen des B H G darf der Bundesminister für Finanzen über Bestandteile des beweglichen und des unbeweglichen Bundesvermögens grundsätzlich nur im Rahmen der im Budgetgesetz ausgewiesenen Betragsgrenzen sowie unter Beachtung weiterer genau umschriebener Bedingungen verfügen. Uberschreitungen dieser Schranken setzen ein besonderes Ermächtigungsgesetz voraus, welches nach Art. 42 Abs. 5 B - V G - ebenso wie das jährliche Bundesfinanzgesetz vom Nationalrat ohne Mitwirkung des Bundesrates zu beschließen ist. 74 Für den Bereich der Länder vgl. etwa Art. 55 Abs. 5 Z. 3 O ö Landes-Verfassungsgesetz 1991 ( L - V G 1991), O Ö L G B l . 1991/122 (Wv); sowie Friedrich Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer 2 , 1988, 261 ff.; und Walter Schwab / Gerhard Lehner, Budgetrecht und Budgetpolitik der Länder, 1981, 41. Für die Gemeinden seien beispielsweise § 106 Abs. 1 lit. e Oberösterreichische G e meindeordnung 1990, O Ö L G B l . 1990/91 (Wv) und § 78 Abs. 1 Z. 1 des Statuts für die Landeshauptstadt Linz 1992 ( O Ö L G B l . 1992/7) (Wv) angeführt sowie aus der Literatur Konrad Grillberger / Rudolf Strasser, Privatrechtliche Haftung und Rechtsgültigkeit von Geschäften der Gemeinden, in: Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer (Hrsg.), Das österreichische Gemeinderecht, Loseblattsammlung, 1987,3.13,4 ff.; und Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer, Recht und Organisation der Kommunalwirtschaft, 1974, 73 ff. 75 Das Rechtsstaatsgebot verlangt nach herrschender Auffassung, daß durch die Verfassung oder durch einfaches Gesetz ein effektives Rechtsschutzinstrumentarium gegen staatliches Handeln vorgesehen sein muß; vgl. statt vieler Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht 7 (Fn. 20), Rdn. 165 f.; und Ludwig K. Adamovich / Bernd-Christian Funk, Verfassungsrecht 3 (Fn. 26), 131.
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schaftlich zu gebaren hat. Vergabegesetze, w i e das im Zuge des E W R - B e tritts erlassene Bundesvergabegesetz 7 6 , k ö n n e n hier einiges abwenden 7 7 . Die M ä r v o n der A u f w e r t u n g des Bürgers in der Privatwirtschaftsverw a l t u n g läßt folgende damit v e r b u n d e n e Einbußen außer acht: D e r B ü r ger verliert gegenüber d e m hoheitlichen V e r f a h r e n das Recht auf Parteistellung, auf G e h ö r , auf Akteneinsicht, auf Entscheidung, auf fehlerfreie H a n d h a b u n g des Ermessens und nicht zuletzt die in der H o h e i t s v e r w a l tung regelmäßig eingeräumten subjektiven A n s p r ü c h e in der Sache selbst. D a f ü r die W a h r n e h m u n g v o n V e r w a l t u n g s a u f g a b e n durch Private v o n der Beleihung abgesehen, die hier nicht z u r Diskussion steht - nur
76 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz BVergG), BGBl. 1993/462 idF BGBl. 1993/917. 77 Zur Problematik vor Erlassung des Bundesvergabegesetzes vgl. etwa Walter Barf u ß , Der Staat als Auftraggeber, in: FS Antonioiii, 1979, 305; und Michael Holoubek, Rechtsschutz und Kontrolle im Vergaberecht unter dem Blickwinkel der Anforderungen des EG-Rechts, in: Brigitte Gutknecht / Karl Korinek / Michael Holoubek (Hrsg.), Das Vergaberecht der EG-Bestand und Anpassungsbedarf für Osterreich, 1991,81. Das Bundesvergabegesetz sieht nunmehr für gewisse öffentliche Auftragsvergaben ein Nachprüfungsverfahren beim Bundesvergabeamt vor, das ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluß eines Vertrages behauptet, in Gang setzen kann (§ 92). Erweist sich eine Entscheidung des Auftraggebers als rechtswidrig, ist sie von der Behörde für nichtig zu erklären (§ 94). Nach erfolgtem Zuschlag kommt allerdings nur mehr eine Feststellung der Gesetzwidrigkeit in Betracht (§ 94 Abs. 3). Des weiteren verbürgt das Bundesvergabegesetz dem durch die Auftragsvergabe benachteiligten Bieter den Ersatz des erlittenen Vertrauensschadens (§ 98), der allerdings nicht beim Bundesvergabeamt, sondern im Zivilrechtswege geltend zu machen ist (§ 102). Was den Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes anlangt, ist anzumerken, daß nach § 6 leg cit nicht nur der Bund selbst, sondern auch gewisse (teil-)rechtsfähige Stiftungen, Fonds und Anstalten sowie die Sozialversicherungsträger den genannten Kautelen unterliegen. Überdies erfaßt das Bundesvergabegesetz nach den in Verfassungsrang stehenden Z. 3 und 5 seines § 6 Abs. 1 auch (ausgegliederte) Unternehmungen, die zu dem Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen und - begründet durch eine Bundesbeteiligung, welche die Anteile der anderen Rechtsträger überwiegt - nach Art. 126 b Abs. 2 der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegen, sowie die Verbundgesellschaft und die Sondergesellschaften i. S. des 2. Verstaatlichungsgesetzes. Vergabenormen für die Länder und Gemeinden sowie für die von ihnen ausgegliederten Rechtsträger bleiben hingegen den einzelnen Landesgesetzgebern vorbehalten; vgl. hierzu § 7 Abs. 1 Ζ. 1 sowie erneut die bereits erwähnten Z. 3 und 5 des § 6 Abs. 1 Bundesvergabegesetz; als Beispiel für ein entsprechendes Regelungswerk auf Länderebene vgl. das O Ö Landesgesetz vom 5. Mai 1994 über die Vergabe öffentlicher Aufträge (OÖ Vergabegesetz), O Ö LGBl. 1994/59.
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die Formen des Privatrechts in Betracht kommen, stellt sich die Frage, welche Rechtsschutzgarantien dem Bürger, der dem Staat in einer über Privatrechtssubjekte mediatisierten Form gegenübersteht, verbürgt sind. Der Befund fällt ausgesprochen mager aus, denn es besteht Einigkeit darüber, daß das ausgeklügelte verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem durch die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nur gegen Hoheitsakte, also Bescheide, zur Verfügung steht78. Dazu kommt noch, daß der Verfassungsgerichtshof die Unterscheidung zwischen Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung ausschließlich an Hand formaler Kriterien vornimmt. Er prüft also nur, ob der bei ihm angefochtene Akt hoheitlichen Charakter hat oder nicht, wobei er im Zweifel privatwirtschaftliches Verhalten annimmt. Anstatt das zugrundeliegende Rechtsverhältnis zu qualifizieren und zu fragen, ob es sich inhaltlich um öffentliche Verwaltung handelt, die einen Bescheid verlangt, zieht er sich auf den formalen Standpunkt zurück, daß es allein darauf ankomme, „welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgabe zur Verfügung stellt" 79 . Ein Grund mehr, aus der Verfassung die bereits angesprochene Systementscheidung abzuleiten, daß es weder dem Gesetzgeber noch der Verwaltung selbst nach Belieben zusteht, Verwaltungsaufgaben auf Private auszulagern. Da diese nur in den Formen des Privatrechts tätig werden können, würde eine Übertragung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, die nach der Kompetenzverteilung dem Hoheitsbereich zugehören, dem Betroffenen das verfassungsgesetzlich verbürgte Recht auf Zugang zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts abschneiden und den Rechtsschutz weitgehend leerlaufen lassen 80 .
78 Art. 129 ff. B - V G und Art. 144 B - V G enthalten eine abschließende Regelung anfechtbarer Hoheitsakte, die durch den einfachen Gesetzgeber nicht erweiterbar ist; vgl. dazu etwa Ludwig K. Adamovich / Bernd-Christian Funk, Verfassungsrecht 3 (Fn. 26), 336; Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht 7 (Fn. 20), Rdn. 1050; und Johannes Hengstschläger, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, W D S t R L 52, 1993,298 (303 f.). 79 So bereits VfSlg. 3262/1957. Seit diesem Erkenntnis ist diese formelle Abgrenzung zwischen Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und herrschende Lehre; vgl. etwa Walter Antoniolli / Friedrich Koja, Verwaltungsrecht 2 (Fn. 20), 27 f.; Richard Nowak, Problematik (Fn. 42), 63; sowie ders., Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung - Eine Abgrenzung im Spannungsfeld zwischen Verfassungsrecht und Verfassungsreform, Ö J Z 1979, 1 (3 f.). 80 In diesem Sinne etwa Bernhard Raschauer, Grenzen (Fn. 47), 2 f.; Theo Ohlinger, Die rechtlichen Handlungsformen der Straßenpolizei, ZVR 1974,289 (293); Peter Pernthaler, Neue Probleme des Rechtsschutzes in der österreichischen Verwaltung,
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3. Das Sozialstaatsprinzip Als Schranke für die Ausgliederung von Verwaltungsaufgaben auf Private wird - insbesondere in der deutschen Literatur 81 - gelegentlich auch das Sozialstaatsprinzip ins Treffen geführt, das einen Bereich gebotener staatlicher Tätigkeit und Verantwortung abstecke, der nicht auslagerungsfähig sei. Vor dem Hintergrund der österreichischen Verfassungsrechtsordnung ist diese These aus zwei Gründen nicht haltbar: - Zum einen findet sich auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene - anders als etwa im Bonner Grundgesetz 82 - kein ausdrücklicher Sozialstaatsauftrag 83 . Daran vermag weder die ausdifferenzierte Sozialgesetzgebung etwas zu ändern noch ein Blick auf den Gesamtzusammenhang verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen, der von einem Teil der Lehre 84 für die Begründung bemüht wird. - Zum anderen wäre - selbst wenn man das Sozialstaatsprinzip bejahte - damit nicht gesagt, daß der Staat die Gestaltung der Sozialordnung durch eigene Organe durchführen müsse und nicht auch auslagern dürfe.
JB1. 1988, 354 (355); sowie Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht 7 (Fn. 20), Rdn. 562 f.
Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer (Recht [Fn. 74], 79 f.) meinen in diesem Zusammenhang, daß in der Privatwirtschaftsverwaltung die gleichen Rechte eingeräumt werden müßten, wie sie das öffentliche Recht gewährt, weil die Rechtsstaatsverpflichtung gebiete, daß die Rechtsposition des einzelnen zu wahren ist. Wird die Privatwirtschaftsverwaltung gewählt, um den öffentlich-rechtlichen Bindungen zu entfliehen, so liege ein Mißbraucb der Form und damit ein essentieller Verstoß gegen die Grundsätze des Rechtsstaates vor. 81 Vgl. etwa Dietmar Görgmaier, Möglichkeiten und Grenzen der Entstaatlichung öffentlicher Aufgaben, D Ö V 1977, 356 (358 f.); Jürgen Grabbe, Grenzen (Fn. 5),
56 ff.; Detlef Bischoff / Karl-Otto Nickusch, Privatisierung (Fn. 4), 104; Adrian von Hagemeister, Privatisierung (Fn. 3), 154 ff.; und Heinz-Jürgen Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluß und Benutzungszwang, 1981, 59 ff. Anderer Ansicht hingegen statt vieler Norbert Achterberg, Privatrechtsförmige Verwaltung, J A 1985, 503 (506). 82
Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 Bonner Grundgesetz.
In diesem Sinne etwa Ludwig K. Adamovich / Bernd-Christian Funk, Verfassungsrecht3 (Fn. 26), 39 und 104; Ludwig K. Adamovich, Handbuch6 (Fn. 44), 81 f.; 85
sowie Herbert Schambeck, Die Staatszwecke der Republik Österreich, in: Hans R. Klecatsky (Hrsg.), Die Republik Österreich, 1968,243 (275). 84 Vgl. etwa Peter Pemthaler, Über Begriff und Standort der leistenden Verwaltung in der österreichischen Rechtsordnung, JB1. 1965, 57; Ludwig Fröhler, Die verfassungsrechtliche Grundlegung des sozialen Rechtsstaates in der Bundesrepublik Deutschland und in der Republik Österreich, 1967; sowie Bruno Binder, Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 35 ff. und Rdn. 483.
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III. Grundrechtsbindungen 1. Das Verhältnis zwischen Rechtsträgem
Rechtsunterworfenen
und
ausgegliederten
An der Nahtstelle zwischen Auslagerungsschranken und der rechtsstaatlichen Inpflichtnahme ausgelagerter Verwaltungstätigkeit stehen die Grundrechte. Sie haben insofern janusköpfigen Charakter, als aus ihnen auf der einen Seite die Verpflichtung des Staates abgeleitet wird, sich auch bei der rechtlichen Gestaltung der leistenden Verwaltung nicht seiner Pflicht zur Gleichbehandlung der Betroffenen, zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit und zur Schonung der einzelnen Freiheitsrechte durch Einsatz ausschließlich privatrechtlicher Handlungsformen zu entziehen. Auf der anderen Seite werden gerade die grundrechtlichen Bindungen auch des privatrechtlich handelnden Staates dafür bemüht, um seiner gelegentlichen Flucht ins Privatrecbt*5 den Beigeschmack des Formenmißbrauches zu nehmen86. Daß der einfache Gesetzgeber auch im Bereich des Privatrechts an die Grundrechte gebunden ist, ist heute herrschende Lehre und Judikatur 87 . 85 Dieses Schlagwort geht auf Fritz Fleiner (Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts8, 1928, 326) zurück und wird seither in der Verwaltungsdogmatik zur Kennzeichnung der verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Probleme, die bei der Besorgung von Verwaltungsaufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger in privatrechtlichen Handlungsformen auftreten, verwendet. 86 Vgl. dazu Christian Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973; Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, 212 und 435; sowie Bernhard Raschauer, Grenzen (Fn. 47), 11. Aus der Überlegung heraus, daß der Staat seine öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht durch einen Wechsel der Handlungsform abstreifen kann, ist in der deutschen Lehre der Begriff des „ Verwaltungsprivatrechts" entwickelt worden; vgl. dazu statt vieler Hans J. Wolff / Otto Bachof Verwaltungsrecht I', 1974, 108 ff.; für Österreich vgl. etwa Karl Korinek / Michael Holouhek, Grundlagen (Fn. 39), 27 f.; und Elmar Puck, Nichthoheitliche Verwaltung-Typen und Formen, in: FS Antonioiii, 1979,284. 87 Vgl. etwa Wolfgang Berger, Auswirkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das österreichische Zivilrecht, JB1. 1985,142 (151); Walter Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz, 1982, 90; Franz Bydlinski, Thesen zur Drittwirkung von Grundrechten im Privatrecht, in: Reinhard Rack (Hrsg.), Grundrechtsreform, 1985,173 (174); Ulrike Davy, Streik und Grundrechte in Österreich, 1989,40; Stefan Griller, Drittwirkung und Fiskalgeltung von Grundrechten, ZfV 1983, 1, 109 (6 ff.); ders., Der Schutz der Grundrechte vor Verletzung durch Private, JB1.1992,205, 289 (206); Karl Korinek / Michael Holouhek, Grundlagen (Fn. 39), 125; Heinz Mayer, Der „Rechtserzeugungszusammenhang" und die sogenannte „Drittwirkung" der Grundrechte, JB1. 1990, 768 (772); Richard Novak, Zur Drittwirkung der Grundrechte, EuGRZ 1984, 133 (136); und Heinz-Peter Rill, Demokratie (Fn. 46), 81; aus der Judikatur vgl. beispielsweise VfSlg. 12.103/1989.
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Dies gilt natürlich auch dort, w o er durch Selbstbindungsnormen die Privatwirtschaftsverwaltung determiniert 8 8 . E r hat auch hier gemäß der grundrechtlichen Gewährleistungspflicht den Rechtsunterworfenen jene Schutzwirkungen zu garantieren, die in den Grundrechten verfassungsgesetzlich verankert sind. Sie ziehen den ansonsten vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten in der Privatwirtschaftsverwaltung Grenzen. Ebenso herrscht weitgehend Einigkeit darüber, daß der Staat jedenfalls dann, wenn er als Leistungsträger
mit einer faktischen oder rechtlichen
U b e r m a c h t dem leistungsabhängigen Bürger in nichthoheitlicher F o r m gegenübertritt, an die Grundrechte gebunden ist 89 . Die U m s e t z u n g dieser Bindung hat über die Institutionen des privaten Rechts zu erfolgen, im speziellen über die darin enthaltenen Schutzmechanismen. Schon früh hat die Judikatur 9 0 den von der Lehre 9 1 vorgeschlagenen Kontrahierungszwang in den Fällen faktischer Ü b e r m a c h t des Staates bei bloß formaler Parität mit dem Privaten übernommen. Des weiteren hat der Oberste Gerichtshof im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe
88 So etwa Karl Korinek / MichaelHoloubek, Grundlagen (Fn. 39), 158; Stefan Griller, Drittwirkung (Fn. 87), 121; und Karl Korinek, Das Zusammenspiel hoheitlicher und privatrechtlicher Gestaltungsakte in der kommunalen Wirtschaftsverwaltung, in: Heinz Krejci / Hans Georg Ruppe (Hrsg.), Rechtsfragen der kommunalen Wirtschaftsverwaltung, 1992,27 (43 ff.). 89 In der Lehre ist dieses Problem unter dem Stichwort „ Fiskalgeltung der Grundrechte " bekannt; vgl. dazu etwa Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 69; Stefan Griller, Drittwirkung (Fn. 87), 119 ff.; Ferdinand O. Kopp, Fiskalgeltung und Drittwirkung der Grund- und Freiheitsrechte im Bereich des Privatrechts, in: FS Wilburg, 1975, 141; Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 146; Peter Oberndorfer, Zur Leistungspflicht des daseinsvorsorgenden Staates, in: FS Eichler, 1977, 433 (439); Heinz Peter Rill, Demokratie (Fn. 46), 81 ff.; Karl Wenger, Grundriß des österreichischen Wirtschaftsrechts I, 1989, Rdn. 426 ff.; sowie - krit. - Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht7 (Fn. 20), Rdn. 1333. Treffend Peter Saladin, Grundrechtsprobleme, in: Bernd-Christian Funk (Hrsg.), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1981,59 (72): „Der Staat bleibt Staat, auch wenn er sich privatrechtliche Kleider überzieht. Staatliches Handeln bleibt staatliches Handeln, auch wenn es auf leisen Sohlen des privaten Vertragsrechts einherschreitet." 90 So etwa O G H 16. 9. 1971, 1 Ob 227/71 = SZ 44/138; O G H 28. 3. 1979, 3 Ob 522/78 = SZ 52/52; O G H 15.12.1987,4 Ob 388/87 = JB1.1988,454; O G H 10.9.1991, 4 Ob 538,539/91 = WB1.1992,21; und O G H 18.12.1992,6 Ob 563/92 = RdW 1993, 211. 91 Vgl. etwa Bruno Binder, Die neuen Förderungsrichtlinien des Bundes, ÖZW 1977,77 (80); ders., Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 906 ff.; Franz Bydlinski, Zum Kontrahierungszwang der öffentlichen Hand, in: FS I Klecatsky, 1980, 129; sowie Peter Rummel, in: Peter Rummel (Hrsg.), Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch I 2 ,1990, Rdn. 10 zu § 861 ABGB m. w. N.
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Schadenersatzansprüche des übergangenen und Teilnahmeansprüche des ausgeschlossenen Bieters anerkannt sowie Unterlassungsansprüche für zukünftige Verfahren 92 . Die dogmatische Begründung läßt sich am Gleichheitsgrundsatz festmachen, der in seiner durch die internen Vorschriften konkretisierten Form nach außen wirkt und den Privaten schützt. Seine Verletzung durch den Staat begründet gemäß § 1311 A B G B 9 3 in Verbindung mit § 1295 A B G B Schadenersatz- bzw. Unterlassungsansprüche 94 . Als Transformationsnorm für den Gleichheitsgrundsatz kommt insbesondere auch die Sittenwidrigkeit gemäß § 879 A B G B bzw. gemäß § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 9 5 in Betracht 96 . 92 So etwa OGH 13. 4. 1988, 1 Ob 539/88 = WB1. 1988, 342; OGH 31. 5. 1988, 4 Ob 406/87 = WB1. 1988, 433; OGH 10. 10. 1989, 4 Ob 535/89 = RdW 1990, 43; OGH 29. 11.1989, 1 Ob 663/89 = JB1. 1990, 520; und OGH 6. 6. 1991, 6 Ob 564/91 = WB1.1991,338. Zum Problemkreis „Bieterschutz durch Schadenersatz" vgl. auch Josef Aicher, Die Vergabekontrollkommission in ihrer Bedeutung für die österreichische Rechtsentwicklung und für die Angleichung an das Recht der EG, in: Karl Korinek / Josef Aicher (Hrsg.), Vergabekontrollkommission - Ein Instrument zur Kontrolle von Bauaufträgen des Bundes im Lichte der Europäischen Vergaberechtsentwicklung, 1991, 19 (23 ff.). Seit dem Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes ist der Ersatz des Vertrauensschadens für den übergangenen Bieter im Vergabeverfahren ausdrücklich normiert; vgl. die §§ 98 ff. leg cit. 93 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch vom 1. Juni 1811, JGS Nr. 946 idgF. 94 Im Rahmen des Vergabeverfahrens wurden diese Ansprüche vor Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes vom Obersten Gerichtshof und der älteren Lehre (vgl. etwa Heinz Krejci, Vergaberecht und zivilrechtlicher Bieterschutz, OZW 1982, 33 [36]) auf die Rechtsfigur der culpa in contrahendo gestützt, wobei der Gleichheitssatz in der culpa in contrahendo aufgehen sollte. In der neueren Lehre wird jedoch auch die Ansicht vertreten, daß der Gleichheitssatz entweder auf Grund der Fiskalgeltung dem übergangenen Bieter unmittelbar Schadenersatzansprüche gewähre oder i. S. des § 1311 ABGB als Schutzgesetz aufzufassen sei, dessen Verletzung i. V. m. § 1295 ABGB Schadenersatzansprüche sowie bei drohender Verletzung Unterlassungsansprüche auslöse; vgl. dazu etwa Josef Aicher, Vergabekontrollkommission (Fn. 92), 23 ff.; und Michael Holoubek, Rechtsschutz (Fn. 77), 99 ff. 95 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl. 1994/448 (Wv) idgF. 96 Vgl. etwa Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 309; Franz Bydlinsky, Thesen (Fn. 87), 181; Ludwig Fröhler, Rechtsprobleme der Besorgung kommunaler Aufgaben durch ausgegliederte Rechtsträger, in: FS Wenger, 1983, 447 (454); Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 146 ff., 168 ίί.·, Josef Aicher, in: Peter Rummel (Hrsg.), Kommentar (Fn. 91), Rdn. 30 f. zu § 16 ABGB; sowie Peter Rummel, in: Peter Rummel (Hrsg.), Kommentar (Fn. 91), Rdn. 18 zu § 859 ABGB m. w. N. Aus der Judikatur vgl. OGH 19.12.1989,4 Ob 50,51/89 = WB1.1990,113 ff.; OGH 20.11.1990,4 Ob 166,167/90 = MR 1991,131 ff.; sowie OGH 10.9.1991,4 Ob 538, 539/91 = WB1.1992,21 ff.
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Im Zusammenhang mit der Ausgliederung von Verwaltungsaufgaben auf Private stellt sich unausweichlich die Frage, ob die grundrechtlichen Bindungen in der dargelegten Art nur für den privatwirtschaftenden Staat selbst gelten oder auch für den mit der Verwaltungsaufgabe betrauten Privaten. Die Lehre ist überwiegend der Meinung, daß die Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf Private einen Qualitätssprung darstelle, der die Zurechnung der übertragenen Agende zum Staat nicht mehr zulasse, weshalb auch die Bindung an die ihn verpflichtenden Grundrechte wegfalle 97 . Der Fehler, den die Lehre dabei begeht, steckt in der ausschließlichen Anbindung an die die Verwaltungsaufgabe wahrnehmende Rechtsperson. Auf diese kommt es für die Grundrechtsbindung in Wahrheit nicht primär an, sondern auf die Qualität der übertragenen Aufgabe. Der Bund, die Bundesländer und die Gemeinden sind im Bereich ihrer nichthoheitlichen Tätigkeit nicht in erster Linie deshalb an die Grundrechte gebunden, weil sie spezifische, in der Verfassung vorgesehene juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, sondern in concreto deshalb, weil ihnen im rechtsgeschäftlichen Verkehr eine zum Teil erdrückende Vormachtstellung gegenüber Privaten zukommt. Diese aus ihrer Staatlichkeit resultierende Übermacht dürfen sie dem privaten Partner gegenüber nicht willkürlich einsetzen, sondern nur gemäß den Anforderungen der Grundrechte, insbesondere des Gleichheitsgrundsatzes, und den damit verbundenen Schutzmechanismen des Privatrechts 98 . Es gibt keinen wirklich tragfähigen Grund, der es rechtfertigen könnte, daß sich am Grundrechtsschutz des einzelnen etwas ändern sollte, wenn der Staat eine Aufgabe der Privatwirtschaftsverwaltung nicht selbst besorgt, sondern auf einen Privaten überträgt und diesem gleichzeitig jene Vormachtstellung, die er selbst einzusetzen vermocht hätte, mit überbindet. Allein darauf kommt es an, auf das Verhältnis des Bürgers zu demjenigen, der die nicht hoheitliche Verwaltungsagende wahrnimmt. Wenn dieser, auf den die Verwaltungsaufgabe ausgelagert wurde, dieselbe Vormachtstellung besitzt wie der auslagernde Verwaltungsträger,
97 So ausdrücklich Josef Aicher, Probleme (Fn. 65), 204; unter Berufung auf Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 332 ff.; und Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer, Recht (Fn. 74), 117 ff.; vgl. weiters auch Richard Novak, Verfassungsrechtliche Grundsatzfragen, in: Bernd-Christian Funk (Hrsg.), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1981,37 (42), der im Übergang von hoheitlicher Verwaltung zur Privatwirtschaftsverwaltung und im Übergang von Privatwirtschaftsverwaltung zum ausgegliederten Rechtsträger zwei „Bruchlinien" erkennt. 98 So etwa Peter Oberndorfer, Leistungspflicht (Fn. 89), 438 ff.; und Peter Saladin, Grundrechtsprobleme (Fn. 89), 72 f.
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ändert sich an der grundrechtlichen Schutzwürdigkeit des einzelnen nichts. Der mit Verwaltungsaufgaben betraute Private ist genauso grundrechtsgebunden wie der Staat, oder besser gesagt, die Grundrechtsgebundenheit der nichthoheitlichen Verwaltungsagende wird durch die Auslagerung nicht geschmälert, wenn dieselbe Vormachtstellung mitübertragen wird. Die zaghaften Versuche, eine abgestufte Grundrechtsbindung anzunehmen, je nachdem, ob es sich um eine juristische Person des öffentlichen oder des privaten Rechts handelt, auf die übertragen wurde, und ob der Verwaltungsträger an der juristischen Person privaten Rechts zu 100 % oder nur zu einem Bruchteil beteiligt ist, wobei in diesem Fall die Grundrechtsbindung jedenfalls verneint wird", gehen am Kern des Problems vorbei. Wenn auch die formaljuristische Konstruktion des Rechtsträgers gewisse Indizwirkung haben kann, kommt es letztlich auf sie nicht an, sondern darauf, ob der ausgegliederte Rechtsträger eine dem Staat in diesem Bereich äquivalente Position innehat. Diese kann auch einer physischen Person zukommen, bei der jegliche Beteiligung von vornherein ausscheidet 100 . 2. Das Verhältnis zwischen Staat und ausgegliederten
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Grundrechtliche Aspekte ganz anderer Art sind für das Verhältnis zwischen dem Privaten, auf den eine Verwaltungsaufgabe ausgelagert wurde, und dem ausgliedernden Verwaltungsträger von Bedeutung. Hier stellt
" Vgl. etwa Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 163 ff. Ähnlich Peter Saladin, Grundrechtsprobleme (Fn. 89), 76 f., der eine Grundrechtsbindung dann annimmt, wenn das Unternehmen vom Staat wirtschaftlich beherrscht wird; dominiere der Staat hingegen nicht, so müsse das Unternehmen als „echte" Privatperson behandelt werden. 100 Im Lichte dieser Ausführungen erweist sich die Rechtsfigur der „Garantenstellung", nach der den ausgliedernden Staat die Verpflichtung trifft, auf jede mögliche und zweckmäßige Art sicherzustellen, daß der private Verwaltungshelfer seine Geschäfte so führt, wie es die ihn beherrschende Gebietskörperschaft tun müßte, sollte sie die in Rede stehende privatwirtschaftliche Tätigkeit selbst im eigenen Namen ausüben (vgl. dazu etwa Bruno Binder, Staat [Fn. 17], 332 ff.; sowie Günter Püttner, Die Einwirkungspflicht - Zur Problematik öffentlicher Einrichtungen in Privatrechtsform, DVB1.1975,353 [356 f.]), als entbehrlich. Nach der hier vorgetragenen These ist nämlich der ausgegliederte Rechtsträger unmittelbar an die Grundrechte gebunden und ein Anspruch bei Rechtsverletzungen primär an diesen selbst zu richten. Eines Umweges über eine besondere Handlungspflicht des Staates, für deren Nichterfüllung er einzustehen hätte, bedarf es bei dieser Sichtweise nicht.
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sich die Frage, ob Private grundrechtlich davor geschützt sind, daß ihnen eine bestimmte Verwaltungsaufgabe, die sie nicht wollen, übertragen wird oder daß ihnen eine einmal übertragene Agende wieder genommen wird, bzw. ob sie unter Berufung auf die Grundrechte eine Übertragung von Verwaltungsaufgaben einfordern können. Soweit die Übertragung in den Formen des Zivilrechts erfolgt, spielt der Grundrechtsschutz auf Grund der Vertragsfreiheit kaum eine Rolle. Bei öffentlichrechtlichen Formen, etwa Gesetzen, käme die Verletzung des Rechtes auf Eigentum101, Erwerbsfreiheit102 und Gleichheit103, eventuell auch das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit104 in Betracht. Bei Entzug wäre auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Schutz wohlerworbener Rechte105 ins Kalkül zu ziehen. Für ein subjektives Recht von Privaten auf Übertragung einer Verwaltungsaufgabe läßt sich aus den Grundrechtsverbürgungen jedenfalls nichts gewinnen106.
IV. Das Subsidiaritätsprinzip 1. Bund und Länder Eine ganz andere Facette der Privatisierung betrifft die Frage, ob der Staat von Verfassungs wegen verpflichtet ist, bestimmte Verwaltungs-
101 Art. 5 S t G G 1867 (Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, R G B l . 1867/142, in die republikanische Rechtsordnung übergeleitet durch Art. 149 Abs. 1 B - V G ) ; sowie Art. 1 (1.) Z P M R K , B G B l . 1958/210 idgF.
Art. 6 Abs. 1 S t G G 1867. Art. 7 Abs. 1 B - V G ; Art. 2 S t G G 1867. 104 Art. 4 Abs. 2 E M R K , B G B l . 1958/210 idgF. 105 Vgl. etwa die Erkenntnisse VfSlg. 11.309/1987 (Kürzung von Ruhebezügen von Stadtpolitikern), 11.665/1988 (Pensionskürzungen von Beamten), 12.186/1989 (Rückwirkende Einführung einer belastenden Steuervorschrift) und aus der jüngsten Judikatur das Erkenntnis G 87,88/91 vom 30.6.1993 (Eingriff in Pensionsansprüche). Nach der Judikatur des V f G H stellt ein unangemessen starker Eingriff in bestehende Rechtspositionen wegen der damit verbundenen Enttäuschung des Vertrauens des einzelnen in die Rechtsordnung einen Verstoß gegen das aus dem Gleichheitssatz ableitbare Sachlichkeitsgebot dar (vgl. dazu die eingehende Darstellung und Kritik dieser neuen Judikaturlinie bei Rudolf Thienel, Vertrauensschutz und Verfassungsrecht, 1990). 106 Vgl. auch Fritz Ossenbühl, Erfüllung (Fn. 22), 175 ff.; eingehend zum Rechtsverhältnis zwischen Staat und ausgegliedertem Rechtsträger Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 341 ff. 102
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aufgaben auf Grund eines allgemeinen Subsidiaritätsprinzips107 auf Private auszulagern. So gestellt hat diese Frage gewisse tautologische Züge, denn wenn als Verwaltungsaufgabe jede Agende angesprochen wird, die ein Verwaltungsträger gemäß der geltenden Verfassungsrechtsordnung zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt oder besser gesagt, die ihm zugewiesen ist, kann sie nicht gleichzeitig der staatlichen Wahrnehmung entzogen und auslagerungsbedürftig sein. Die Frage muß vielmehr lauten: Sind dem Staat in seiner Tätigkeit als Träger von Privatrechten verfassungsgesetzliche Grenzen gesteckt? Für Bund und Länder wird ein allgemeines verfassungsrechtliches Subsidiaritätsprinzip grosso modo verneint 108 . Jedoch geben Korinek/ Holoubek zu bedenken, daß dieses Prinzip dem Staat eine äußerste Grenze setzen könnte, wenn er in Gewinnabsicht private Unternehmen konkurrenziert, weil er diesen auf Grund seiner Finanzausstattung und wirtschaftlichen Macht, seiner Möglichkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen festzulegen und privatrechtliche und hoheitsrechtliche Funktionen zu kombinieren, gewaltig überlegen ist. Und auch aus dem Blickwinkel, daß die Mittelaufbringung primär der hoheitlichen Steuererhebung obliegt und nicht der Unternehmenstätigkeit, könnte ihrer Meinung nach eine Beschränkung auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben als äußerste Grenze angenommen werden 1 0 9 .
107 Das Subsidiaritätsprinzip entstammt der katholischen Soziallehre und findet sich in der Enzyklika „Quadragesimo Anno" von Papst Pius XI. aus dem Jahre 1931; vgl. zum Begriff Herbert Schambeck, Österreichs Föderalismus und das Subsidiaritätsprinzip, in: FS Kolb, 1971, 309 (318 ff.). 108 Vgl. etwa Bruno Binder, Wirtschaftsrecht (Fn. 8), Rdn. 479; den., Wirtschaftsunternehmungen der Gemeinden, in: Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer (Hrsg.), Das österreichische Gemeinderecht, Loseblattsammlung, 1987, 3.11, 17; ders., Staat
(Fn. 17), 288 ff.; Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer,
Recht (Fn. 74), 51 ff.; Rolf Ost-
heim, Gedanken zur Zulässigkeit erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand und zur Prüfungskompetenz des Rechnungshofes bei wirtschaftlichen Unternehmungen, in: Karl Korinek (Hrsg.), Die Kontrolle wirtschaftlicher Unternehmungen durch den Rechnungshof, 1986,59 (60 ff.). Das Erkenntnis Slg. 3118 aus dem Jahre 1956, nach dem Gesetzgeber eine Verstaatlichung der gesamten Unternehmungen mit großem Kapitalbedarf und der gesamten Grundstoffindunstrie verwehrt ist, begründete der VfGH nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip, sondern mit der praktischen Beseitigung des durch Art. 6 Abs. 1 StGG 1867 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsbetätigung in diesem Sektor. 109 Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 45; ebenso schon Karl Korinek, Die verfassungsrechtliche Garantie einer marktwirtschaftlichen Ordnung durch die Bundesverfassung, WPB1. 1976/5, 87 (90).
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
195
Es verwundert, daß für die Begrenzung der Staatstätigkeit anstatt eines diffusen Subsidiaritätsprinzips nicht die Kriterien der Gebarungskontrolle, die auch im Haushaltsrecht postuliert sind110, stärker herangezogen werden. Zu Recht wird nämlich in der Literatur einmütig darauf hingewiesen, daß die Überprüfungskriterien der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit zugleich Handlungsmaximen für die Kontrollunterworfenen sind111. Machte man mit dieser These ernst, so wären staatliche Maßnahmen der Privatwirtschaftsverwaltung jenseits dieser Grenzen unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob der Staat die nichthoheitliche Aufgabe selbst wahrnimmt oder an ihm zugehörige Private ausgliedert. 2.
Gemeinden
Konkret festgeschrieben ist das Subsidiaritätsprinzip aber für die Gemeinden. So werden durch die Verfassungsbestimmung des Art. 116 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 118 Abs. 2 B-VG der nichthoheitlichen Gemeindeverwaltung gewisse Grenzen gezogen. Art. 118 Abs. 2 B-VG verweist in den hoheitlichen Wirkungsbereich der Gemeinden „alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden". In den Abgrenzungskriterien „ Interesse" und „ Eignung"ln kommt ein für die Zuständigkeitsumschreibung der Selbstverwaltung prinzipieller Gedanke zum Ausdruck, der die konkrete Gemeinde auch, soweit sie als Träger von Privatrechten einschließlich der Ausgliederung von Verwal-
110
Vgl. § 51 a Abs. 1 B - V G sowie § 2 Abs. 1 B H G .
Vgl. etwa Ludwig K. Adamovicb / Bernd-Christian Funk, Verwaltungsrecht3 (Fn. 20), 141; Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 266,307 f.; Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer, Recht (Fn. 74), 57; Bernd-Christian Funk, Budgetausgliederungen aus juristi111
scher Sicht, in: Manfried Gantner (Hrsg.), Budgetausgliederungen - Fluch(t) oder Segen? 1994,23 (32 f.); KarlKorinek, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit im Rechtsstaat, in: FS Kolb, 1971,203 (205); ders., Zusammenspiel (Fn. 88), 27 (42); Peter Pem-
thaler, Raumordnung I (Fn. 61), 250; und Karl Wenger, Die öffentliche Unternehmung, 1969, 599 ff. 112 Zur Auslegung der Kriterien „Interesse" und „Eignung" vgl. etwa
Ludwig
Fröhler / Peter Oberndorfer, Allgemeine Bestimmungen des Gemeinderechts, in: Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer (Hrsg.), Das österreichische Gemeinderecht, Loseblattsammlung, 1987, 3.1, 25 ff.; Kurt Gallent, Gemeinde und Verfassung, 1978,
127 f.; Hans Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, 1972, 193 ff.; Peter Oberndorfer,
Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971,177 ff.
196
Johannes Hengstschläger
tungsaufgaben tätig wird, bindet 1 1 3 . Daher ist auch gegen jene Regelungen in den Gemeindeordnungen nichts einzuwenden, die die U n t e r n e h menstätigkeit der K o m m u n e n an kaufmännische Prinzipien
der Sparsamkeit,
oder an die voraussichtliche
Wirtschaftlichkeit Leistungsfähigkeit
Grundsätze114, und
an die
Zweckmäßigkeit115
der Gemeinde116
binden.
Alles dies kann als Konkretisierung der Kriterien „Interesse" und „Eignung", denen auch der öffentliche Bedarf innewohnt 1 1 7 , verstanden w e r den. N i c h t mehr lassen sich damit aber jene Gemeindeordnungen rechtfertigen, die den K o m m u n e n die Gründung von Unternehmen und ihre B e trauung mit Gemeindeaufgaben jedenfalls insoweit verbieten, als der Z w e c k der ausgelagerten Aufgabe „auch durch andere in gleicher Weise erfüllt w i r d " 1 1 8 bzw. „erfüllt werden k a n n " 1 1 9 . 113 So etwa Ludwig Fröhler/ Peter Oberndorfer, Recht (Fn. 74), 56 f.; dies., Die Gemeinde im Spannungsfeld des Sozialstaates, 1970, 37; und Peter Oberndorfer, Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in Osterreich, Wirtschaft und Verwaltung 1978,117 (132). Für eine implizite Anwendbarkeit der in Art. 118 Abs. 2 BVG angesprochenen Grundsätze auf die Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinden auch Rolf Ostheim, Gedanken (Fn. 108), 78. Bruno Binder (Staat [Fn. 17], 294 [Fn. 645]; Wirtschaftsunternehmungen [Fn. 108], 17) schränkt den Geltungsumfang der in Art. 118 Abs. 2 B-VG statuierten Einschränkungen für die Privatwirtschaftsverwaltung hingegen insoweit ein, als er das Kriterium des „öffentlichen Interesses" für rein erwerbswirtschaftliche Betätigungen nicht gelten lassen will. 114 Vgl. etwa § 56 Abs. 2 des Verfassungsgesetzes vom 1.12. 1965, mit dem für die burgenländischen Gemeinden mit Ausnahme der Städte mit eigenem Statut eine Gemeindeordnung erlassen wird (Burgenländische Gemeindeordnung), Bgld. LGB1. 37 sowie § 61 Abs. 2 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz 1992 (StL 1992), O Ö LGBl. 7 (Wv). 115 S. beispielsweise § 56 Abs. 2 Burgenländische Gemeindeordnung , § 61 Abs. 2 StL 1992 sowie § 69 Abs. 1 der O Ö Gemeindeordnung 1990 (OÖ GemO 1990), O Ö LGBl. 91 (Wv). 116 So etwa § 68 Abs. 1 der N Ö Gemeindeordnung 1973, N Ö LGBl. 1000-0, § 61 Abs. 1 StL und § 69 Abs. 1 O Ö GemO. § 61 Abs. 4 StL 1992 verlangt überdies - ebenso sowie § 71 Abs. 3 der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien (Wiener Stadtverfassung - WStV), Wiener LGBl. 1968/28 idgF - einen Ausgleich zwischen Erträgen und Aufwendungen. 117 Vgl. in diesem Zusammenhang etwa § 69 Abs. 1 O Ö GemO, § 61 Abs. 1 StL 1992 und § 62 Abs. 1 des Salzburger Stadtrechtes 1966, Sbg. LGBl. 47 (Wv), die für die Errichtung und den Betrieb eines Gemeindeunternehmens explizit ein „öffentliches Interesse" verlangen; § 68 Abs. 1 der N Ö Gemeindeordnung, der hierfür die Berücksichtigung des „voraussichtlichen Bedarfes" der Bevölkerung vorschreibt; sowie § 61 Abs. 3 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, Tir. LGBl. 4 (Wv), der vom „Gemeindebedarf" spricht. 118 So etwa § 68 Abs. 1 der N Ö Gemeindeordnung und § 61 Abs. 3 der Tiroler Gemeindeordnung. 119 So § 71 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Gemeindegesetzes, Vbg. LGBl. 1985/49.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
197
Diese Subsidiaritätsklauseln sind in dieser apodiktischen F o r m weder unter die Abgrenzungskriterien „Interesse" u n d „ E i g n u n g " subsumierbar, n o c h können sie als allgemeine Bundes- und Landesgesetze i. S. des A r t . 116 Abs. 2 B - V G angesehen werden, durch die allein die gemeindliche Privatwirtschaftsverwaltung beschränkt w e r d e n darf 1 2 0 . Solche ausschließlich auf Gemeinden bezogene Gesetze widersprechen vielmehr der verfassungsrechtlich garantierten G e m e i n d e a u t o n o m i e 1 2 1 .
V.
Haushaltsrecht Bleibt z u m A b s c h l u ß n o c h zu fragen, welche V o r g a b e n und G r e n z e n
das Haushaltsrecht der Ü b e r t r a g u n g v o n Verwaltungsaufgaben an Private auferlegt. E s gehört zu den deklarierten Zielen der m o d e r n e n Budgetgesetzgebung, mit der Zersplitterung der Staatsfinanzen aufzuräumen und an Stelle der alten Fondswirtschaft einen einheitlichen, übersichtlichen und
120 Zur Interpretation des in Art. 116 Abs. 2 B-VG normierten Schrankenvorbehaltes vgl. Bruno Binder, Staat (Fn. 17), 292; Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer, Recht (Fn. 74), 53 f.; dies., Bestimmungen (Fn. 112), 11; Bernd-Cbristian Funk, Gestaltungsformen kommunaler Wirtschaftsverwaltung, in: Heinz Krejci / Hans Georg Ruppe (Hrsg.), Rechtsfragen der kommunalen Wirtschaftsverwaltung, 1992, 1 (4 ff.); Alfred Grof Die verfassungs- und verwaltungsrechtssystematische Konzeption des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts, 1991, 286 ff.; Jobannes Hengstscbläger, Zur Zulässigkeit einfachgesetzlicher Determinierungen der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinden, in: FS Adamovich, 1992, 143; Hans Neuhofer, Handbuch (Fn. 112), 72; Rolf Ostheim, Gedanken (Fn. 108), 67 ff.; sowie Stephan Schwarzer, Gemeindewirtschaft und Gemeindeverfassung - Die verfassungsrechtliche Garantie der freien wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden und ihre Grenzen, 1980,32 ff. 121 So etwa Bruno Binder, Wirtschaftsunternehmungen (Fn. 108), 17 ff.; ders., Staat (Fn. 17), 294 f.; Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer, Recht (Fn. 74), 54 ff. (insbes. 60); und Rolf Ostheim, Gedanken (Fn. 108), 76 ff. (77). Stephan Schwarzer (Gemeindewirtschaft [Fn. 120], 66 ff.) und Bernd-Christian Funk (Gestaltungsformen [Fn. 120], 10 ff.) sehen hingegen nur potentielle Subsidiaritätsklauseln, wie sie im Vorarlberger Gemeindegesetz normiert sind, als verfassungswidrig an. Subsidiaritätsklauseln, die darauf abstellen, ob die Aufgabe durch andere in gleicher Weise erfüllt wird, sind ihrer Auffassung nach verfassungsrechtlich unbedenklich. Als noch weitergehend erweisen sich die Ausführungen von Karl Korinek, Wirtschaftstätigkeit (Fn. 111), 213: „In seiner gesamtwirtschaftlichen Dimension gestattet das Prinzip der Wirtschaftlichkeit im Zusammenhang mit dem Prinzip der Sparsamkeit wohl jedenfalls eine gesetzliche Regelung, derzufolge die kommunale Wirtschaftstätigkeit nur auf den Fall beschränkt wird, daß der Zweck des Unternehmens nicht auch durch andere Wirtschaftssubjekte erfüllt wird oder erfüllt werden kann." Vgl. nunmehr allerdings Karl Korinek / Michael Holoubek, Grundlagen (Fn. 39), 84 f. (Fn. 139).
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Johannes Hengstschläger
klaren Staatshaushaltsplan einzurichten122. Die Budgets des Bundes, der Länder und der Gemeinden können lediglich dann als effizientes Mittel der Wirtschafts-, insbesondere der Konjunktur- und Sozialpolitik, eingesetzt werden, wenn sie nach den Grundsätzen der Wahrheit, Einheit, der Vollständigkeit und der Klarheit erstellt sind123. In neuerer Zeit mehren sich jedoch die Fälle, in denen die Gebietskörperschaften diese Grundsätze unterlaufen und einen Teil ihrer Gebarung auf juristische Personen, die eigens für besondere Verwaltungsaufgaben errichtet werden, auslagern124. Die Gründe und Triebkräfte für diese versteckte Wiedereinführung von Sonderetats sind vielschichtig und reichen vom Bestreben, dem starren kameralistischen System zu entkommen, über den Wunsch nach flexibleren besoldungs- und organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen bis hin zur Eröffnung besserer Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Rechtsträgern für gemeinsame Projekte125. Zumeist steht aber ein ganz simples budgetpolitisches Motiv dahinter, nämlich ein kostenaufwendiges Vorhaben zu verwirklichen, ohne damit den Haushalt der Gebietskörperschaften unmittelbar zu belasten. Die Auslagerung auf eine juristische Person privaten Rechts schafft nämlich die Möglichkeit, die finanzielle Abwicklung des Vorhabens weg vom staatlichen Haushalt auf diese juristische Person zu überbinden. Damit scheinen die finanziellen Mittel, die für das privatisierte Projekt aufgewendet werden, im Haushaltsplan der Gebietskörperschaft nicht
122 Zum historischen Kampf um die Einheitlichkeit und Vollständigkeit des staatlichen Haushalts vgl. Kurt Heinig, Das Budget II, 1951,291. 123 Zu den Budgetgrundsätzen vgl. Johannes Hengstschläger, Das Budgetrecht des Bundes, 1977, 132 ff.; den., Budgetrechtliche Probleme in: Bernd-Christian Funk (Hrsg.), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1981, 88; Fritz Neumark, Der Reichshaushaltsplan, 1929, 124 ff.; ders., Theorie und Praxis der Budgetgestaltung, Handbuch der Finanzwissenschaften I 2 , 1952, 554 ff.; Kurt Heinig, Das Budget I, 1949; Friedrich Rödler, Bundeshaushaltsrecht, 1992, 24; sowie Robert Walter / Heinz Mayer, Grundriß Bundesverfassungsrecht7 (Fn. 20), Rdn. 519 ff. 124 Vgl. Christian Smekal, Die Flucht aus dem Budget, 1977, 13 ff.; Johannes Hengstschläger, Budgetrechtliche Probleme (Fn. 123), 85 ff.; ders., Gemeindehaushaltsrecht, in: Ludwig Fröhler / Peter Oberndorfer (Hrsg.), Das österreichische Gemeinderecht, Loseblattsammlung, 1987, 3.10.4,20; Eva-Maria Bolter, Budgetausgliederungen - Fluch(t) oder Segen? Ö H W 1993,134. 125 S. dazu die oben in Abschnitt 1.1. angeführten Argumente für die Privatisierung und die diesbezügliche Literatur; sowie weiters Eva-Maria Bolter / Manfried Gantner, Budgetausgliederungen: Eine Einführung, in: Manfried Gantner (Hrsg.), Budgetausgliederungen - Fluch(t) oderSegen? 1994, (13 ff.); Bernd-Christian Funk, Budgetausgliederungen (Fn. 111), 30 f.
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199
auf, das heißt sie schlagen in deren Budgetdefizit nicht zu Buche. Die staatlichen Haushalte sind mit diesen Parafisci nur auf zwei Ebenen verbunden: - Zum einen übernimmt die dahinterstehende Gebietskörperschaft regelmäßig die Haftung für die notwendigen Kredite. Damit macht sie den in die Pflicht genommenen Privaten zu einem Schuldner bester Bonität 126 . - Zum anderen schlägt sich im öffentlichen Haushalt auf der Ausgabenseite die Jahresrate des Abganges nieder, der von der Gebietskörperschaft zu bedecken ist 127 . Der Grund, warum dieser Rückfall in die Sonderetats mit so wenig Widerstand hingenommen wird, liegt zum Teil in ihrer formalen, geradlinigen Beurteilung. Wird eine außerhalb der Gebietskörperschaft angesiedelte juristische Person gegründet, ist der Budgetgesetzgeber nach dem Haushaltsrecht des Bundes - gleiches gilt für die Länder und Gemeinden - nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, ihre Gebarung aus dem staatlichen Haushalt auszuklammern, weil in diesen nur die Einnahmen und Ausgaben der jeweiligen Gebietskörperschaft selbst einzustellen sind 128 . Die Ausgliederung aus dem staatlichen Budget folgt also zwingend aus der Ausstattung mit eigener Rechtspersönlichkeit. Daher ist es aber auch gerechtfertigt, die Gründung solcher ausgegliederten Rechtsträger aus der Sicht des Haushaltsrechts zu hinterfragen. 126
Vgl. Eduard Fleiscbmann/ Manfrede.
Lödl/Alexander
Van der Bellen, Außer-
budgetäre Finanzierungen, in: Manfried Gantner (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Haushaltswesens, 1991, 315 (319). Auf diese Weise wurden mittlerweile eine ganze Reihe von Bauvorhaben des Bundes, insbesondere der Autobahn- und Schnellstraßenausbau, „außerbudgetär" finanziert. Zu diesem Zweck wurde 1982 die Autobahnen· und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ( A S F I N A G ) gegründet ( B G B l . 1982/591), der im Laufe der Zeit auch Finanzierungsvorhaben im Bereich des Bundeshochbaus ( B G B l . 1987/510) und im Hochleistungsstreckenbau der Osterreichischen Bundesbahnen ( B G B l . 1989/136) übertragen wurden; vgl. zu alledem
Eduard
Fleischmann,
Ausgliederungsprogramm (Fn. 52), 129 f.;
Bernd-Christian
Funk, Budgetausgliederungen (Fn. 111), 24 ff.; Gabriel Obermann / Felicitas Scharmer / Karl Soukup, Auswirkungen (Fn. 4), 203 ff. 127 Für den Bundeshaushalt vgl. etwa Kapitel 54 der Anlage I zum Bundesfinanzgesetz für das Jahr 1994 ( B G B l . 1994/1), in dem unter dem Titel „Bundesvermögen" die Einnahmen und Ausgaben der verstaatlichen Unternehmen, Banken etc. enthalten sind, sowie Kapitel 64, das unter anderem auch die „Bundesstraßenverwaltung" mit der Abgangsdeckung für die Straßengesellschaften ausweist. 128 So heißt es etwa in Art. 51 Abs. 3 B - V G ausdrücklich, daß das Bundesfinanzgesetz als Anlagen (nur) den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Bundes zu enthalten hat (vgl. auch § 16 Abs. 1 B H G ) ; eingehend hierzu Johannes Hengstschläger, Budgetrechtliche Probleme (Fn. 123), 88.
200
Johannes Hengstschläger
Gibt es für die Betrauung einer Privatperson mit einer Verwaltungsaufgabe einen außerbudgetären Rechtfertigungsgrund, etwa weil sich die Aufgabe durch Private besser erfüllen läßt als durch die staatlichen Verwaltungsträger oder weil es sich um ein ganz spezifisches Anliegen einer eng umschriebenen Gruppe handelt und diese Gruppe auch in einem selbsttragenden Projekt für die Kosten aufkommt, so wird man gegen die Errichtung einer eigenen juristischen Person aus budgetrechtlicher Sicht nichts einzuwenden haben. Wird aber in Wahrheit nur ein Sonderetat gegründet, um dem staatlichen Budget zu entkommen, und läßt sich die Errichtung der juristischen Person nicht sachlich, das heißt aus der Besonderheit der übertragenen Aufgabe rechtfertigen, weil diese Aufgabe vom Verwaltungsträger selbst genausogut wahrgenommen werden könnte, widerspricht die Ausgliederung dem Haushaltsverfassungsrecht, in concreto den Grundsätzen der Budgetwahrheit, -einheit und -Vollständigkeit 129 . Es hätte sicher präventive Wirkung, wenn der Verfassungsgerichtshof dazu überginge, die Errichtung privater Verwaltungsträger im Lichte dieser Budgetgrundsätze zu prüfen 130 . Umgestellt hat in Osterreich die Fondswirtschaft auf ein einheitliches Staatsbudget Kaiserin Maria Theresia, als ihr kriegsbedingt die Finanzdecke zu kurz wurde. Auf ihre Anfrage nach dem Stand der Finanzen bekam sie im Jahre 1748 die Antwort: „Man habe nicht verläßlich inne werden können, ob die genannten Kameralschulden nur etliche 50 Millionen oder aber 80 Millionen Gulden betragen" 131 . Ich will nicht darüber spekulieren, ob auch die chaotischen Staatsfinanzen schuld daran waren, daß sie den Siebenjährigen Krieg gegen Friedrich den Großen verloren hat, aber fürchten müssen wir eine solche verschleiernde Zersplitterung unserer Staatsbudgets auch heute noch, oder besser gesagt, auch heute wieder.
129 Vgl. zu alldem Johannes Hengstschläger, Budgetrechtliche Probleme (Fn. 123), 96 ff. Manfried Gantner (Bewirkt der Einsatz ausgegliederter Rechtsträger eine Flucht aus der öffentlichen Kontrolle, in: Herbert Kraus / Walter Schwab [Hrsg.], Wege zur besseren Finanzkontrolle, 1992, 88 [97]) ist ebenfalls der Ansicht, daß eine Durchbrechung der Budgetgrundsätze nur bei Vorliegen guter Gründe zulässig sei und die kurzfristige politische Opportunität dafür jedenfalls nicht genüge. 130 Auf diese Weise würde unter anderem auch verhindert, daß sich der Bund bei der Auslagerung einzelner Vorhaben laufend über die bestehenden einfachgesetzlichen Schranken des § 59 BHG hinwegsetzt. Die haushaltsverfassungsrechtlichen Grundsätze stehen dem die Ausgliederung anordnenden einfachen Gesetzgeber nämlich - anders als die genannte Norm - nicht zur freien Disposition; vgl. dazu auch Friedrich Rödler, Bundeshaushaltsrecht (Fn. 123), 169 ff. 131 Vgl. Johannes Hengstschläger, Der Rechnungshof, 1982, 19 (Fn. 13).
Leitsätze des 1. Berichterstatters über:
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben I. Abgrenzung des Themas: 1. Die Liste der politischen, ökonomischen und psychologischen Argumente, auf welche die Forderung nach Privatisierung gestützt wird, ist lang. Entsprechend engagiert sind auch die Positionen der Gegner. 2. Die beiden Grundformen der Privatisierung sind: die Organisations- oder formelle Privatisierung, bei der die Aufgabe in der Hand des Verwaltungsträgers bleibt, und nur die Durchführung auf einen Privaten ausgelagert wird, und die Aufgaben- oder materielle Privatisierung, bei der der Private die übertragene Aufgabe im eigenen Namen durchführt. 3. In der tagespolitischen Auseinandersetzung wird unter „Privatisierung" primär schlicht die Veräußerung von staatlichem Vermögen, insbesondere von Unternehmensbeteiligungen, verstanden, sei es durch Verkauf oder durch Notierung an der Börse. 4. Mit Verwaltungsaufgaben sind alle jene Agenden gemeint, die einem Verwaltungsorgan entweder unmittelbar durch Gesetz übertragen wurden oder ihm zumindest mittelbar gemäß dem Sinn und Zweck der Norm überantwortet sind. 5. „Privater" ist jede natürliche Person, soweit sie nicht als Beamter oder sonstiger professioneller Funktionär des Staates tätig wird, sowie jede juristische Person, die nicht in die Staatsorganisation eingebunden ist.
II. Grenzen der Privatisierung 1. Genuine Staatsaufgaben, wie die Landesverteidigung, die auswärtige Gewalt, die Polizei, die Währungs- und Finanzhoheit sind nicht auslagerungsfähig. 2. Die Gebietskörperschaften können für die Besorgung ihrer Privatwirtschaftsverwaltung juristische Personen, insbesondere Gesellschaften des Handelsrechts, gründen und sich an ihnen in der Höhe jedes denkbaren Prozentsatzes beteiligen.
202
Johannes Hengstschläger
3. Bundes- oder landesgesetzliche Ausgliederungen von Verwaltungsaufgaben können sich, soweit nicht ohnedies ein anderer Kompetenztatbestand zur Verfügung steht, auf die Sonderbestimmung des Art. 17 BVG stützen. Er befreit Bund und Länder als Träger von Privatrechten von den kompetenzrechtlichen Schranken, läßt aber nur Selbstbindungsgesetze zu. 4. Modifikationen des Organisationsrechts privater Rechtsträger sowie ihrer zivilrechtlichen Beziehungen zu Dritten stehen dem Bund gemäß Art. 10 Abs. 1 Ζ 6 B-VG (Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens) zu, den Ländern nur im Rahmen ihrer Kompetenztatbestände, soweit dies zur Regelung des Gegenstandes erforderlich ist (Art. 15 Abs. 9 B-VG). 5. Den Kompetenztatbeständen des B-VG wohnt eine verbindliche Grundstruktur inne, die primär die hoheitliche Vollziehung vor Augen hat, weshalb es weder dem einfachen Gesetzgeber noch der Verwaltung zusteht, sich von diesem Verfassungskonzept durch Wechsel ins Privatrecht zu entfernen. Da Private, auf die Verwaltungsaufgaben übertragen werden, grundsätzlich nur in den Formen des Privatrechts tätig werden können resultiert daraus eine verfassungsrechtliche Auslagerungsschranke. 6. Unterstützt wird die Annahme einer solchen Auslagerungsschranke durch Gesichtspunkte des Rechtsschutzes. Die Mär von der Aufwertung des Bürgers in der Privatwirtschaftsverwaltung durch seine rechtsformale Gleichstellung mit dem Verwaltungsträger läßt außer acht, daß er gegenüber dem hoheitlichen Verfahren das Recht auf Parteistellung, auf Gehör, auf Akteneinsicht, auf Entscheidung, auf fehlerfreie Handhabung des Ermessens sowie die subjektiven Ansprüche in der Sache einbüßt. Dazu kommt, daß die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nur gegen Hoheitsakte zur Verfügung stehen. 7. Aus dem Sozialstaatsprinzip, das auf bundesverfassungsgesetzlicher Ebene nicht ausdrücklich verankert ist, lassen sich keine Schranken für die Privatisierung ableiten.
III.
Grundrechtsbindungen
1. Die Grundrechte binden im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung sowohl den (Selbstbindungs-)Gesetzgeber als auch die Verwaltungsorgane, soweit sie dem leistungsabhängigen Bürger mit einer faktischen oder rechtlichen Ubermacht gegenübertreten. 2. Am Grundrechtsschutz des einzelnen ändert sich nichts, wenn der Staat eine Aufgabe der Privatwirtschaftsverwaltung nicht durch seine
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
203
Organe besorgt, sondern auf Private überträgt, und diesen gleichzeitig jene Vormachtstellung mitiiberbindet, die er selbst einzusetzen vermocht hätte. 3. Für Private, die eine Verwaltungsaufgabe nicht übernehmen wollen, bieten die Grundrechte auf Eigentum, Erwerbsfreiheit, Gleichheit und eventuell das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit gewissen Schutz vor hoheitlicher, ζ. B. gesetzesförmiger Übertragung. IV. Das Subsidiaritätsprinzip 1. Für Bund und Länder läßt sich ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip als Grundlage für die Begrenzung nichthoheitlicher Tätigkeit nicht begründen. 2. Gewisse Schranken ergeben sich aber aus den Überprüfungskriterien der Gebarungskontrolle. Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit binden die Kontrollunterworfenen als Handlungsmaximen. 3. Die kommunale Privatwirtschaftsverwaltung ist an die Abgrenzungskriterien „Eignung" und „Interesse" der konkreten Gemeinde gebunden. V. Haushaltsrecht 1. Kann sich die Betrauung einer Privatperson mit einer Verwaltungsaufgabe nicht auf einen außerbudgetären Rechtfertigungsgrund stützen, etwa daß die Aufgabe von Privaten besser erfüllt werden kann oder daß es sich um ein spezifisches, sich selbst tragendes Anliegen einer eng umschriebenen Gruppe handelt, verstößt diese Budgetflucht gegen die Grundsätze der Budgetwahrheit, -einheit und -Vollständigkeit.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben 2. Bericht von Prof. Dr. Lerke Osterloh, Frankfurt am Main Inhalt Seite
Einführung: Der verfassungsrechtlich offene Begriff der Staatsund Verwaltungsaufgaben, die politische Privatisierungsdiskussion und die Aufgaben der Rechtswissenschaft 206 I. Bedeutungsgehalte aktueller Privatisierungsimperative in Theorie und Praxis 1. Privatisierung als Instrument staatlicher Ordnungspolitik . 2. Privatisierung als Instrument staatlicher Finanzpolitik 3. Privatisierung als Instrument effektiver Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben a) Organisationsprivatisierung als Instrument der Trennung zwischen administrativen und wirtschaftlichen Entscheidungsverantwortlichkeiten b) Die Einbindung Privater durch materielle Privatisierung neben und mit Organisationsprivatisierung als Problem privater Verwaltungshilfe 4. Privatisierung als Gegenstand haushaltsrechtlicher Globalregelung (S 6 E-HGrG, § 7 BHO) II. Privatisierung von Verwaltungsaufgaben als Problem aufgabengerechter Kompetenzausübung durch Sachgesetzgebung und Verwaltung 1. Ausgangspunkte: Verwaltungsaufgabe als staats- und bürgergerichteter Kompetenzbegriff im Gegensatz zur öffentlichen Aufgabe - Privatisierungsbegriffe und Privatisierungskompetenzen 2. Aufgaben der Energieversorgung 3. Aufgaben der Entsorgung a) Entsorgung als einfachgesetzliche Tätigkeitspflichten der Verwaltung b) Organisationsprivatisierung als materiellrechtliches Problem gesetzesgerechter Aufgabenerfüllung
209 209 213 215 215 217 220
222
222 226 230 230 231
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
c) Organisationsprivatisierung und funktionale Privatisierung als Problem gesetzmäßiger Verwaltungshilfe - zur Untauglichkeit der herrschenden Grobformeln . Aufgaben der Infrastrukturplanung
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Lerke Osterloh
Einführung: Der verfassungsrechtlich offene Begriff der Staats- und Verwaltungsaufgaben, die politische Privatisierungsdiskussion und die Aufgaben der Rechtswissenschaft Privatisierung ist ein allgegenwärtiges Reiz- und Schlagwort der Tagespolitik wie auch wirtschafts- und rechtswissenschaftlicher Diskussionen1 - national und international. Bahn, Post, Sparkassen, Industrieunternehmen, Straßen, Energie, Wasser, Abwasser, Müll, aber auch Polizei und Gefängnisverwaltung - all dies und weiteres 2 treibt im Strom der Privatisierungsdiskussion. Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, so scheint es, ist zentrale Gegenwartsaufgabe der Verwaltung. Die Wissenschaft vom Staats- und Verwaltungsrecht, auch so scheint es manchen 3 , hat untätig oder doch zu leise am Ufer gestanden und die Dynamik des Stroms unterschätzt. Rechtliche, auch verfassungsrechtliche Dämme haben sich bereits verändert, Steuerungsentscheidungen für die neue Richtung sind noch undeutlich. Der erst durch den neuen Art. 87e GG verfassungsrechtlich ermöglichte Abschied von den deutschen Staatsbahnen hat mit dem Nebeneinander der Begriffe „bundeseigene Verwaltung" und „Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form" ein neues Spannungsverhältnis geschaffen 4 . Vor allem aber die Formulierungen des Art. 87e IV GG verdienen Aufmerksamkeit: Der zukunftsgerichtete Tatbestand „Gewährleistung" des Bundes wird durch die Formulierung ausgefüllt, dem Allgemeinwohl, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen werde „Rechnung getragen". Diese aus Art. 109 Abs. 2 GG bekannte und bewährte Formel taucht den verfassungsrechtlichen Begriff der Gewährleistung des Bundes auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens in ein magisches Licht. Auch mit Rücksicht auf sachverständige Prognosen zu erheblichem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen als Folge konsequenter Privatisierungspolitik 5 sehen manche dies alles als Zwie-
1 Zul. Friedrich Schock, DVB1.1994,962 ff., mit materialreicher Übersicht zur umfangreichen einschlägigen Literatur wie zu aktuellen Privatisierungsprojekten, auf die hier verwiesen sei. Die folgenden Nachw. beschränken sich aus Platzgründen auf wenige jeweils weiterführende Hinweise. 2 Statt vieler Kronberger Kreis, Privatisierung auch im Westen, 1993 (Schriftenreihe Bd. 26, hrsg. vom Frankfurter Institut für wirtschaftspolitische Forschung e. V.). 3 Friedrich Schoch, DVBl. 1994, 962 (962, 964 f.). 4 Näher Eberhard Schmidt-Aßmann / Hans Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (579 ff., 583); Peter Lerche, in: Paul Kirchhof / Klaus Offerhaus / Horst Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht - Verfassungsrecht - Finanzpolitik, FS Franz Klein, 1994, S. 527 ff., insbes. S 537 ff. zur interpretatorischen „Schadenseingrenzung". 5 European economic research and advisory consortium, (ERECO), Europe in 1998, economic analysis and forecasts, 1994, S. 71 ff. Nach dieser Studie, die mir das Ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, freundlicherweise zugänglich ge-
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licht auf einem d u n k l e n Gang, u n d es entsteht die Frage, o b dann am Ende nicht ein schlanker, sondern eine d ü n n e r Rechts- u n d Sozialstaat auftaucht. D e n klassischen juristischen Zugang z u m T h e m a e r ö f f n e t der Begriff der Staatsaufgaben, der als O b e r b e g r i f f auch den der V e r w a l t u n g s a u f g a ben umschließt. A u f die G r u n d f r a g e n nach Begriff, zulässigem U m f a n g , E r w e i t e r u n g o d e r Verringerung des Bestandes v o n Staatsaufgaben antw o r t e t ein w e i t h i n anerkannter allgemeiner G r u n d s a t z : Staatliche A u f gaben sind solche Tätigkeitsfelder, die der Staat nach geltendem Recht zulässigerweise f ü r sich im A n s p r u c h nimmt 6 . D e r A u f g a b e n b e s t a n d des Staates ist verfassungsrechtlich grundsätzlich o f f e n 7 . Dies gilt z w a r n u r in gewissen, im einzelnen umstrittenen G r e n z e n 8 . S o sind d e n k b a r e n Erw e i t e r u n g e n namentlich freiheitsgrundrechtliche G r e n z e n gesetzt. Die aktuellen F o r d e r u n g e n nach einschneidenden Bestandsminderungen stoßen jedoch erst in R a n d z o n e n auf prinzipielle Barrieren, insbesondere im Bereich der Sicherheit und der Rechtspflege auf das staatliche G e waltmonopol9.
macht hat, ist bei einer angenommenen Privatisierung von ca. 120 öffentlichen Unternehmen in Europa mit insgesamt ca. 3,5 Mio Beschäftigten mit einem Abbau von Arbeitsplätzen in der Größenordnung zwischen 500 000 und 1,1 Millionen zu rechnen. Bei einem Mittelwert von insgesamt 800 000 würden speziell in der Bundesrepublik nach dieser Schätzung 140 000 Arbeitsplätze rationalisierungsbedingt entfallen, vor allem in den Bereichen Telekommunikation und Energie. Vgl. hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Kleine Anfrage, BT-Drs. 12/8209, v. 29. 6.1994. 4 Gründl. Hans Peters, in: FS Hans Carl Nipperdey, Bd. II, 1965, S. 877 ff.; für die auch aktuell ganz gängige Definition nur Wolfgang Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 171. 7 Dieser Grundsatz steht sinngemäß im Zentrum der Rechtspr. des BVerfG zur sog. wirtschaftspolitischen Neutralität des GG, BVerfGE 4, 7 (17 f.); 50,290 (336 ff.), und beherrscht auch die Leitentscheidungen zur Souveränität des wirtschaftslenkenden Gesetzgebers bei gemeinwohlkonkretisierender Zielsetzung und Auswahl geeigneter Mittel zur Zielverfolgung, BVerfGE 30, 250 (263); 30, 292 (317 ff.); vgl. auch BVerfGE 81, 70 (90 f.); 81,156 (192 f.). Dem entspricht die ganz h. M. in der Literatur, dazu bereits Fritz Ossenbubl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 (153 ff.), und speziell zur grundsätzlichen „Privatisierungsoffenheit" der Verfassung zul. Friedrich Schock, DVB1.1994,962 (969 ff.). 8 Josef Isensee, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik, Band III, 1988, § 57 Rdn. 78 ff., 150 ff., 156 ff. 9 Josef Isensee, HStR III (Fn. 8), § 57 Rdn. 42; § 58 Rdn. 37,39 ff.; Volkmar Götz, ebd., § 79 Rdn. 29 ff.; vgl. auch das Resümee von Dieter Grimm, in: ders. (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994, S. 771 ff. Dazu, daß das Gewaltmonopol seinerseits weder Staatsziel, noch Staatsaufgabe, sondern nur staatsvorbehaltenes Mittel der Aufgabenwahrnehmung ist, ebenfalls Josef Isensee, a. a. O.
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Allerdings wirkt neben dem Gewaltmonopol auch das Sozialstaatsprinzip einschließlich seiner freiheits- und gleichheitsgrundrechtlichen Ausprägungen 10 rechtlich und faktisch bedeutsam als prinzipielle Barriere eines Abbaus von Staatsaufgaben. Der Staat ist nicht nur Garant für einen ausreichenden Standard an infrastruktureller Grundversorgung 11 . Auch die verfassungsunmittelbare Pflicht zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums begründet eine individuell einklagbare finanzielle Ausfallbürgschaft des Staates 12 . Man wird wohl, zumal nach der flächendeckenden Gewährleistung des neuen Art. 87 f. G G , nicht ernsthaft befürchten müssen, daß dereinst Ansprüche auf Mietwagenfahrten zwischen sozialhilferechtlich finanziertem Altenheim und nächster Poststation die Sozialämter nennenswert belasten werden. Ein problematisches System kommunizierender Röhren zwischen Aufgabenabbau und Steigerung der Sozialausgaben, etwa beim Wohngeld, ist jedoch nicht zu unterschätzen. Und ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten und wachsenden Sicherheitsaufgaben. Solche möglichen Wechselwirkungen zwischen Abbau und Zuwachs unterschiedlicher Staatsaufgaben weisen zwar auf Probleme verfassungsgerechter und politisch kluger Abwägung, ändern jedoch nichts an dem Grundsatz: Das rechte Maß von Umfang und Inhalt staatlicher Aufgaben ist im demokratischen Rechts- und Sozialstaat grundsätzlich nicht Vorgabe, sondern Gegenstand und Ergebnis staatspolitischer Willensbildung. Der das geltende Verfassungsrecht in diesem Sinne prägende und die Rechtswissenschaft verpflichtende Ideologieverzicht mag einer der Gründe dafür sein, daß gegenwärtig die Vertreter des Staats- und Verwaltungsrechts wohl nicht eben als Marktführer das Feld der Privatisierungsdebatte beherrschen. Das Wort führen Wirtschaftswissenschaften
10 Zur weiteren staatsaufgabenrechtlichen Bedeutung objektivrechtlicher Grundrechtsgehalte, insbes. grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates (die nicht nur als Ausprägungen des Sozialstaatsprinzips begründet sind), Emst-Wolfgang Böckenförde, Der Staat, 1990, 1 (insbes. 23 ff.); Rainer Wahl, in: Thomas Ellwein / Joachim Jens Hesse (Hrsg.), Staatswissenschaften: Vergessene Disziplin oder neue Herausforderung?, 1990, S. 29 (42 ff.). " Eingehend Karl Heinrich Friauf Die Übertragung öffentlicher Verkehrs-Infrastrukturaufgaben auf Private, Rechtsgutachten, 1991, insbes. S. 48 ff., zusammenfassend S. 300 f., mit deutlicher Trennung zwischen notwendigen und ausschließlichen Staatsaufgaben: Die staatliche Garantenstellung schließt private Aufgabenwahrnehmung nicht aus. 12 BVerwGE 1,159 (161 f.); 52,339 (346); 82, 364 (368 f.); BVerfGE 40,121 (133); 82,60 (85).
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und Wirtschaftspolitik. Dies ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht nur als Defizit zu werten. Ökonomische und politische Stellungnahmen fördern allerdings zuweilen ein falsches minimalistisches Bild von den Aufgaben der Rechtswissenschaft: Es beschränkt juristische Beiträge auf das Aufspüren rechtlicher Hemmnisse für einzelne Privatisierungsprojekte. Gegebenenfalls sind minenfreie Umwege aufzuzeigen und notfalls gesetzliche oder verfassungsrechtliche Störungstatbestände 13 umzuformulieren. Die Ziele sollen unbefragt zur Kenntnis genommen und die vorgegebenen Konzepte in die Sprache des Rechts übersetzt werden. - Solche Reduktionen beruhen auf Mißverständnissen. Ideologieverzicht der Verfassung und der Rechtswissenschaft verpflichtet und berechtigt nicht zum Schweigen zu politischen Kontroversen, sondern zu differenziertem Sprechen, Fragen und Einfordern differenzierter Antworten auch im Gespräch mit Ökonomie und Politik. Die Vereinigung hat dem Thema des heutigen Tages einen hochgradig ökonomisch, politisch und ideologisch besetzten und instrumentierten Begriff vorangestellt. Die im geltenden Verfassungs- und Verwaltungsrecht wie in der Dogmatik immer auch gegenwärtigen staatspolitischen Impulse dürfen gerade bei diesem Thema nicht vorzeitig ausgeblendet werden. Ich behandle deshalb einzelne Rechtsfragen der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben erst im zweiten Hauptteil und widme den ersten Teil juristisch wenig verifizierbaren Fragen, bei deren Beantwortung Privatisierung als Schlüsselbegriff fungiert.
I. Bedeutungsgehalte aktueller Privatisierungsimperative in Theorie und Praxis 1. Privatisierung als Instrument staatlicher
Ordnungspolitik
Der gedankliche Gegensatz von Staat und Markt bildet den entscheidenden Kontext zur intendierten Bedeutung des Privatisierungsbegriffs, so, wie er von Institutionen wie etwa der Monopolkommission 14 verwendet wird. Ordnungspolitisch bedeutet Markt Verhaltensregulierung durch Wettbewerb. Der Gegensatz zwischen Staat und Markt ist danach der
13 Insoweit repräsentativ: Kronberger Kreis (Fn. 2), S. 34 ff.; insbes. S. 39 f. speziell zu Art. 87 Abs. 1 GG a. F., dessen spezifischer organisationsrechtlicher Gehalt (vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann / Hans Chr. Röhl und Peter Lerche, Fn. 4) nicht verstanden, sondern als „politisch herbeigeredet" apostrophiert wird. 14 Insbes. Neuntes Hauptgutachten 1990/1991, BT-Drs. 12/3031, Rdn. 2 9 , 5 1 .
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Gegensatz zwischen staatlichen und wettbewerblichen Verhaltensnormen. Dem ordnungspolitischen Imperativ dienen deshalb der Abbau staatlicher Verhaltenslenkung und daneben solche staatlichen Verhaltensnormen und Maßnahmen, die geeignet sind, Bedingungen eines freien Wettbewerbs zu schaffen und zu sichern15. Wieweit Privatisierungsmaßnahmen danach als notwendiges, wesentliches oder überhaupt geeignetes Instrument ordnungspolitischer Zielsetzungen zu bewerten sind, ist durchaus fragwürdig. Privatisierung in jedweder Form ist für sich genommen nicht Verhaltens-, sondern subjektbezogen. Als sog. materielle Privatisierung gilt die Übertragung von Verfügungsgewalt über Vermögensgegenstände oder über Produkt- und Leistungserstellung und -angebot auf „echte" Private. Bei der sog. formellen Privatisierung (Organisationsprivatisierung) sind dies zwar Privatrechtssubjekte, der Staat bleibt aber deren Träger16. Ob nach einer materiellen oder formellen Privatisierungsmaßnahme „mehr Markt" das Verhalten der Beteiligten reguliert, hängt von zusätzlichen Faktoren ab17. Entscheidend ist unter anderem, wieweit vorher und nachher faktische oder rechtliche Monopole bestanden oder bestehen (ζ. B. im Schienenund Luftverkehr, im Telekommunikationsbereich oder auf dem Energiesektor), oder ob durch Veräußerungen marktbeherrschende Stellungen gestärkt oder geschwächt werden (ζ. B. im Bankensektor). Entscheidend ist weiter, ob und wieweit staatliche Gewährleistungspflichten oder auch nur zulässige Gewährleistungsentscheidungen zusätzliche Verhaltens· und Eingriffsnormen als Grundlage für staatliche Kontrolle und gegebenenfalls Intervention erfordern18. Übertragung oder Entlassung staatlicher Tätigkeit in private Hände ist in der Realität selten Übertra-
Volker Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., 1994, § 1, 5 a. Weitere Differenzierungen unten mit Fn. 65 ff.; Nachw. zu der im einzelnen nicht einheitlichen Terminologie bei Friedrich Schoch, DVBl. 1994, 962 f.; lediglich hinzuweisen ist auf eine grundsätzlich abweichende Begriffsbildung, nach der für den Gegensatz zwischen „formell" und „materiell" nicht die Trägerschaft des Rechtssubjekts, sondern die Frage entscheiden soll, ob entweder nach leistungsstaatlichen Maßstäben oder „in privatautonomer Entscheidung" gehandelt werde, so insbes. Wolfgang Loschelder, Strukturreform der Bundeseisenbahn durch Privatisierung (Schriften des W I Ö D Bd. 13), 1993, S. 45, mit unklarer Verknüpfung von erwerbswirtschaftlicher Zwecksetzung und Privatautonomie. 15
16
17 Z. B. Helmut Cox, in: Theo Thiemeyer (Hrsg.), Öffentliche Unternehmen und ökonomische Theorie, 1987, S. 74 ff.; eingehend Werner W. Pommerehne, in: Detlef Aufderheide (Hrsg.), Deregulierung und Privatisierung, 1990, S. 27 ff. 18
Unten mit Fn. 97.
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gung auf die unsichtbare Hand und ebensowenig darf Privatisierung mit Deregulierung19 verwechselt werden 20 . Dafür, daß markttheoretisch konsequent gedachte Ordnungspolitik wenig mit dem Gegensatz von Staat und Privaten, alles aber mit Inhalt und Herkunft von Verhaltensnormen zu tun hat, mag die schlichte Bemerkung Walter Euckens21 zeugen, daß öffentliche Unternehmen „in der Wettbewerbsordnung erträglich" seien, solange sie sich „in Wettbewerbsmärkte einordnen und die Preisbildung auf den Märkten nicht durch staatliche Subventionen an solche Werke gestört wird". Dieser Konsequenz entspricht grundsätzlich auch das Gemeinschaftsrecht: Einerseits wird gem. Art. 85 ff., 90 E W G V auch staatsunmittelbares Handeln in den Grenzen eines funktionalen Unternehmensbegriffs22 tatbestandlich erfaßt und mit dem Ausnahmevorbehalt der Sicherung besonderer Aufgaben öffentlichen Interesses23 dem Geltungsbereich wettbewerblicher Regeln zugeordnet. Andererseits läßt Art. 222 E W G V die bestehenden Eigentumsverhältnisse in den Mitgliedstaaten ausdrücklich unberührt. Im Zentrum der aktuellen ordnungspolitischen Grundsatzkritik an jedweder staatlichen Marktteilnahme steht deshalb eine nicht nur markttheoretisch begründete24 Zusatzthese: Der Staat ist von Natur aus zu
19 Zum Begriff näher Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, 1990, S. 48 ff. 20 Zutr. insbes. Werner W. Pommerehne (Fn. 17), passim, in Auseinandersetzung mit der in der Ökonomie verbreiteten Gegenansicht, nach der öffentliche Unternehmen als eine von verschiedenen Formen staatlicher Intervention dem Deregulierungsproblem zugeordnet werden, vgl. dazu etwa]. Kruse, in: H. St. Seidenfus (Hrsg.), Deregulierung - eine Herausforderung an die Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Marktwirtschaft, 1989, S. 9 ff., sowie de Jong, ebd., S. 173 ff.; weitestgehende terminologische Gleichsetzung von Privatisierung und Deregulierung (Privatisierung als Abbau „hoheitlicher Zutrittsschranken") insbes. bei Rupert Windisch, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole im Bereich von Bahn, Post und Telekommunikation, 1987, S. 1 (8,15 f.). Für hinreichend differenzierende Analysen und Bewertungen des Phänomens der Privatisierung im oben mit Fn. 16 charakterisierten engeren Sinne sind solche terminologischen Einebnungen unbrauchbar.
Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 3., unveränderte Aufl., I960, S. 272. Zur Abgrenzung EuGH, EuZW 1994,248 ff. - Eurocontrol. 23 Auch das Arbeitsvermittlungsmonopol war nicht deshalb teilweise unzulässig, weil es vom Staat wahrgenommen wird, sondern ausschließlich deshalb, weil es in seinem früheren Umfang nicht hinreichend sachlich gerechtfertigt war, EuGH, NJW 1991,2891 f. - Macrotron; vgl. auch unten mit Fn. 84. 24 Auch hierfür repräsentativ: Kronherger Kreis (Fn. 2), S. 8; es ist hier nicht der Ort für eine nähere Stellungnahme zu den zugrundeliegenden, im einzelnen unterschiedlichen theoretischen Ansätzen, die überwiegend der heute dominierenden, in der Bun21
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m a r k t k o n f o r m e m V e r h a l t e n u n f ä h i g 2 5 - g e b o r e n e r S t ö r e r , i m m u n gegen d e n E r z i e h u n g s a u f t r a g des M a r k t e s . I h m f e h l t n ä m l i c h das f ü r einen f u n k t i o n i e r e n d e n M a r k t w e s e n t l i c h e R i s i k o , bei M i ß e r f o l g d e n M a r k t v e r l a s s e n z u m ü s s e n , u n d dies h i n d e r t i h n an ö k o n o m i s c h r a t i o n a l e m , also f u n k t i o n s g e r e c h t e m H a n d e l n - z u L a s t e n des i n s o w e i t n i c h t e f f e k tiv g e s c h ü t z t e n S t e u e r z a h l e r s : D e r k a n n n i c h t k ü n d i g e n , u n d w ä h l e n h i l f t auch n i c h t w e i t e r 2 6 . D i e s e K r i t i k , allein das ist f ü r die P r i v a t i s i e r u n g s p r o b l e m a t i k v o n B e d e u t u n g , b e t r i f f t j e d e staatliche F i n a n z i e r u n g o d e r sonstige F ö r d e r u n g jedes V e r h a l t e n s staatlicher o d e r p r i v a t e r M a r k t t e i l n e h m e r . A u s i h r e r P e r s p e k t i v e ist staatliche Beteiligung an W i r t s c h a f t s u n t e r n e h m e n d e s h a l b z w i n g e n d als ein T e i l k o m p l e x staatlicher S u b v e n t i o n s p o l i t i k z u b e w e r ten 2 7 . D e n n die staatliche U n t e r s t ü t z u n g v o n W i r t s c h a f t s u n t e r n e h m e n ist
desrepublik sog. neuen politischen Ökonomie zuzuordnen sind, kurzer Überblick bei Bruno S. Frey, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1990, 158 ff. - Dafür, wie sehr dieser wirtschaftswissenschaftliche „mainstream" inzwischen Verfassungstheorie und Verfassungspolitik geworden ist, sei neben den Äußerungen auch der Monopolkommission (Fn. 14) nur beispielhaft verwiesen auf das Grundsatzreferat von Manfred E. Streit, in: Beschränkung des staatlichen Einflusses in der Wirtschaft (FIW-Schriftenreihe, H. 155), 1993, S. 1 ff. Krit. und insbes. zutr. zur verfassungsrechtlichen Irrelevanz aktueller politökonomischer Demokratiekritik etwa Wolfram Höfling, Staatsschuldenrecht, 1993, S. 97 ff., 103, der auch, S. 3 ff., richtig auf die unmittelbare Parallele zwischen spezieller Staatschuldendebatte und Grundsatzstreit um Staatskonzeptionen hinweist. Zu den theoretischen Grundlagen der Privatisierung aus politikwissenschaftlicher Sicht etwa Michael Howlett / M. Ramesh, in: Adrienne Héretier (Hrsg.), Policy-Analyse, PVS 1993, Sonderheft 24, S. 245 ff.; zur Frage „Marktversagen versus Staatsversagen - ein ideologisches Karusell?" informativ die differenzierende Analyse aus wohlfahrtstheoretischer Sicht von Eberhard Wille, in: Thomas Ellwein / Joachim Jens Hesse (Fn. 10), S. 251 ff. 25 Die Monopolkommission sichert dies mit dem zusätzlichen Argument ab, daß bei unterstelltem marktkonformen Verhalten öffentliche Unternehmen ohnehin überflüssig seien, Achtes Hauptgutachten 1988/1989, BT-Drs. 11/7582, Rdn. 66. 26 Besonders prägnant Ernst-Joachim Mestmäcker, Organisationen in spontanen Ordnungen, 1992, S. 23 f., in krit. Rezeption der Kategorien „Abwanderung und W i derspruch" von Albert O. Hirschman, vgl. dessen grundlegende Schrift (engl. Originalfassung), Exit, Voice and Loyalty. Responses to decline in firms, organizations, and states, Cambridge, Massachusetts, 1970. 27 Konsequente Kritik gegen Umverteilung durch öffentliche Unternehmen übt deshalb der Kronberger Kreis (Fn. 2), S. 21 f.; weniger deutlich die Monopolkommission (Fn. 14), Rdn. 51, mit dem offenkundig normativ gemeinten Hinweis, etwa erforderliche soziale Flankierung des Marktgeschehens erfolge „durch Ausgleichs- und Förderinstrumente der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik, nicht dagegen durch die unternehmerische Betätigung des Staates". - Das im Text unmittelbar vorangestellte Postulat der Effizienz durch Markt und Wettbewerb legitimiert solche U n terscheidungen gerade nicht.
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unabhängig von Organisationsstatut und Eigentumsverhältnissen gleichermaßen funktionswidrige Überbürdung von Risiken der Marktteilnahme auf den Steuerzahler. Materielle Privatisierung ist also aus konsequent ordnungspolitischer Sicht ein Teilkomplex des Abbaus staatlicher Wirtschaftssubventionen. V o r diesem Hintergrund fällt auf, daß aus der bisherigen Privatisierungspraxis des Bundes vor allem die Veräußerung von Industrieunternehmen und -beteiligungen als ordnungspolitisches Vorbild angeführt und von Ländern und Kommunen entsprechend eingefordert wird 28 . Das ordnungspolitische Gewicht der bisher vom Bund veröffentlichten Maßnahmen 2 9 ist in seinen Relationen zur Subventionspolitik nicht als erheblich einzustufen: In den Jahren 1982 bis 1994 wurden insgesamt Beteiligungen im Wert von 11,6 Milliarden D M veräußert. D e m stehen laut Subventionsbericht 3 0 allein im Jahr 1993 und nur in den sogenannten alten Bundesländern Subventionszahlungen von fast 24 Mrd. D M gegenüber, Anteil gewerbliche Wirtschaft 9 Mrd. D M . Man muß solche Relationen sehen, wenn von ordnungspolitischen Begründungen speziell für die Notwendigkeit materieller Privatisierung gesprochen wird. 2. Privatisierung als Instrument staatlicher
Finanzpolitik
Nicht nur konsequentes ordnungspolitisches Denken, auch die unmittelbare Beobachtung der Praxis belegen: Die tatsächlich entscheidende Antriebskraft der Privatisierungsdiskussion wie der -praxis ist nicht Ordnungspolitik, sondern Finanzpolitik 3 1 . Das Diktat der leeren Kassen fordert Phantasie. Die Frage nach der finanzpolitischen Eignung aktueller Privatisierungsmaßnahmen führt indes - gesamtwirtschaftlich betrachtet - zu einem deprimierenden Resultat. D e r vom Bund genannte Veräußerungserlös als Ertrag zwölfjähriger Tätigkeit entspricht etwa dem Aufkommen aus bundesrechtlich geregelten Sonderabgaben des
Kronberger Kreis (Fn. 2), S. 10 ff.; Monopolkommission (Fn. 14), Rdn. 52. Bericht der Bundesregierung zur Verringerung von Beteiligungen und Liegenschaften des Bundes, B T - D r s . 12/6889. 3 0 Vierzehnter Subventionsbericht, B T - D r s . 12/5580, S. 10, Übersicht 2; zur aktuellen ordnungspolitischen Kritik ζ. B. Astrid Rosensebon, Subventionen in der Bundesrepublik Deutschland, Kieler Arbeitspapiere Nr. 617, hrsg. v. Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, 1994. 31 Zur Entwicklung in der Bundesrepublik etwa Eberhard Hamer / Rainer Gebhardt, Privatisierungspraxis, 2. Aufl., 1992, S. 41 ff. 28
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Jahres 1992 32 . Vom sogenannten Einmaleffekt solcher Veräußerungen33 darf man sich also strukturell nichts erhoffen. Die Zahlen, die zur Zeit zum sogenannten Privatisierungspotential auf allen staatlichen und kommunalen Ebenen genannt werden34, sollten ebensowenig zu finanzpolitischen Illusionen verführen. Zu erinnern ist daran, was solche bezifferten Unternehmenswerte bedeuten: Es sind diskontierte Ertragserwartungen der Käufer 35 . Solche Ertragserwartungen mögen auch darauf beruhen, daß der künftige private Eigner im Gegensatz zum Staat effektiver wirtschaftet, insbesondere auch durch effektiven Personalabbau36. Entscheidend bleibt jedoch aus finanzpolitischer Sicht, daß hier Ertragspotentiale - und nur solche Potentiale sind auf dem Markt veräußerbar - zugunsten eines finanzpolitisch letztlich zweifelhaften Einmaleffekts aufgegeben werden. Das sehr eindeutige finanzpolitische Fazit lautet deshalb: Nicht Privatisierung als Veräußerungsvorgang veräußerbarer Teile von Staatsvermögen und Staatstätigkeit ist interessant, sondern ausschließlich die Verabschiedung kostenträchtiger staatlicher Aufgaben. Die schlichte Entscheidung „Wir machen das nicht mehr, weil wir es nicht bezahlen können", sollte man jedoch, um Mißverständnisse zu vermeiden, nicht Privatisierung nennen. - Der aktuelle Gebrauch dieses Begriffs gehört gewiß nicht nur, aber wohl auch zu den „Wahrheitsproblemen im Verfassungsstaat"37.
32 Nach einer nicht veröffentlichten Berechnung des Statistischen Bundesamtes, die teilweise auf Schätzungen beruht: 11,024 Mrd D M . Es handelt sich dabei um aktualisierte Daten auf den in Wirtschaft und Statistik 1987, Heft 3, unter dem Titel „Parafiskalische Sonderabgaben" veröffentlichten Grundlagen. Wieweit dabei auch „sonstige" Abgaben einbezogen sind, kann dahinstehen, denn es ändert nichts an den grundsätzlichen Proportionen, auf die hier hinzuweisen war. 3 3 Monopolkommission (Fn. 14), Rdn. 50.
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Vgl. Friedrich Schoch, DVB1.1994, 962 (964); die Monopolkommission (Fn. 14),
Rdn. 48, spricht speziell hinsichtlich des Bankensektors von „Milliarden-Erlösen" gerade bei den Sparkassen ist allerdings die freie Verfügbarkeit solcher Erlöse rechtlich zweifelhaft, vgl. Hannes Rebm, Sparkasse 1 9 9 3 , 1 7 3 , J o s e f Schmidt, B W V P 1993, 198. 35
Nachw. zum naheliegenden „Tafelsilber"-Streit bei Friedrich
Schoch, DVB1.
1994, 962 (967). 36 O . Fn. 5. 3 7 Formulierung nach dem Thema eines Vortrags von Peter Haberle am 2 7 . 1 1 . 1 9 9 4 an der Universität in Frankfurt am Main; vgl. auch dens., in: FS Mahrenholz, 1994, S. 133 (141 ff.).
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
3. Privatisierung als Instrument effektiver tungsaufgaben
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Wahrnehmung von Verwal-
Nur mittelbar verbunden mit den zuvor genannten „großen" ordnungs- und finanzpolitischen Gründen und Zielen sind bestimmte in der Privatisierungspraxis häufig dominierende Effektivitätserwartungen engerer Art. Hierbei geht es neben der Organisationsprivatisierung um die Einbindung Privater bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, also um grundsätzlich ebenfalls seit langem bekannte vielfältige Erscheinungsformen vollständiger oder teilweiser Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf „echte" Private38. a) Organisationsprivatisierung als Instrument der Trennung zwischen administrativen und wirtschaftlichen Entscheidungsverantwortlichkeiten Wesentliche Antriebskräfte für die Organisationsprivatisierung sind, deutlich formuliert vom Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG 39 , das öffentliche Haushalts- und Dienstrecht sowie gesunder Menschenverstand in Gestalt unternehmerischer Erfahrung. Als ein Sachverständigenurteil über die Eignung des öffentlichen Organisationsrechts (im weiteren Sinne) für die effektive Führung eines Dienstleistungsunternehmens ist eine solche Beurteilung sicher beherzigenswert, benennt aber auch das Problem. Wenn die Diagnose stimmt, so scheint es auf den ersten Blick, müßte die richtige Therapie bei den Ursachen ansetzen, also das öffentliche Recht an die Erfordernisse effektiver Erfüllung von Verwaltungsaufgaben anpassen40. Organisationsprivatisierung wäre dann grundsätzlich Symptom für unerfüllten Reformbedarf des geltenden Rechts. Es kommt jedoch ein wesentlicher, ebenfalls von Herrn Dürr41 deutlich formulierter Aspekt hinzu. Danach ist für den Sinn der organisato-
Fritz Ossenhühl, W D S t R L 29 (1971), 137 (147 f.). Heinz Dürr, Bahnreform und Industriepolitik, 1992, S. 10,11; im übrigen aus der umfangreichen Literatur zur kontroversen Diskussion der vielfältigen, offenen oder versteckten, tatsächlichen oder vermuteten Motive für die Wahl privatrechtlicher Organisationsformen nur: Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 292 ff.; Friedrich Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 81 ff.; Kronherger Kreis (Fn. 2), S. 25 ff.; Monopolkommission (Fn. 14), Rdn. 46 ff. 40 So die markante Kritik des Kronherger Kreises und der Monopolkommission, ebd.; eingehend und krit. diff. Dirk Ehlers (Fn. 39), S. 377 ff. 41 O. Fn. 39, S. 9 f.; ders., in: Verwaltung und Öffentlichkeit (Godesberger Taschenbücher. Schriften zur Staats- und Gesellschaftspolitik 29), 1992, S. 48 (49 ff.). 38 39
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rischen Privatisierung der Bahn ganz entscheidend eine klare Trennung zwischen unterschiedlichen Zielpunkten effektiver Aufgabenerfüllung, nämlich zwischen spezifischen nichtwirtschaftlichen Verwaltungszwecken einerseits und Zwecken eines Wirtschaftsunternehmens andererseits: Art. 87e Abs. 3 G G verbindet die privatrechtliche Rechtsform mit der Qualifikation als Wirtschaftsunternehmen und trennt damit zwischen dem Aufgabenbereich des Unternehmens und dem des gewährleistenden Verwaltungsträgers 42 . Hierdurch erhält - jedenfalls im Modell das Unternehmen die Chance, durch Entlastung von divergierenden Zielsetzungen seine allein wirtschaftlich zu messende Effektivität zu erhöhen. Die Geltendmachung spezifischer Verwaltungszwecke wird auf die Ebene freiwilligen Aushandelns zwischen Unternehmen und Verwaltungsträger verlagert. Die Kosten der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben werden so im ausgehandelten Preis sichtbar und kontrollierbar kontrollierbar auch als wettbewerbsrelevante Zuwendung. Eine solche ökonomisch wie rechtsstaatlich rationale und transparente Trennung zwischen unterschiedlichen Entscheidungszielen und -Zuständigkeiten ist allerdings als Chance mit einer Organisationsprivatisierung verbunden und für den Bahnbetrieb verfassungsrechtlich gewollt. Insbesondere das Organisationsrecht der Aktiengesellschaft mit seiner Abschirmung der unternehmerischen Selbständigkeit des Vorstands 43 kann 44 solche Funktionstrennung auch sonst wirksam unterstützen. Jedoch bleibt anzumerken: Zum einen handelt es sich hierbei auch um ein klassisches organisationsinternes Managementproblem, das außerhalb wie innerhalb des öffentlichen Rechts gelöst werden kann und muß. Zum anderen ist die vielfach beobachtete und kritisierte Realität der öffentlichen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen gerade durch wenig transparente sachliche und personelle Verflechtungen zwischen Wirtschaftsinteressen und Staatsfunktionen gekennzeichnet 45 . Staatsdistanz und gleichzeitig Staatsnähe des Unternehmens als Marktteilnehmer und als Antragsteller im Anlagengenehmigungsverfahren oder als Adres-
Näher Eberhard Schmidt-Aßmann / Hans Chr. Röhl, D Ö V 1994, 577 (581, 583 ff.). 43 Zur praktisch unbestr. grunds. Weisungsfreiheit des Vorstands bei Leitung und Geschäftsführung gegenüber anderen Gesellschaftsorganen und Aktionären nur Uwe Hüffer, AktG, 1993, § 76 Rdn. 10 ff. mit Überblick zu zahlr. Streitfragen im einzelnen. 44 Zum Verhältnis von Einwirkungspflichten und Einwirkungsrechten des Verwaltungsträgers unten mit Fn. 118. 45 Dazu Roman Loeser, Das Berichtswesen der öffentlichen Verwaltung, 1991, insbes. S. 95 f f , 102 ff., 136 f f , 179 ff. 42
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sat sonstiger staatsaufsichtlicher Maßnahmen46, das sind in Teilbereichen die rechtlich schwer zu bändigenden Kernelemente eines spannungsreichen und politisch explosiven Verschmelzungsprozesses. - Der Blick auf derartige Probleme zeigt zugleich allerdings, daß es generell illusorisch wäre, von der reinen Rechtsform letztlich entscheidende negative oder positive Impulse zu befürchten oder zu erhoffen. b) Die Einbindung Privater durch materielle Privatisierung neben und mit Organisationsprivatisierung als Problem privater Verwaltungshilfe Der zweite Ansatz zur Instrumentierung der Privatisierung im Interesse effektiver Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, die Einbindung Privater, ist ebenso alt wie in der aktuellen Praxis hochbedeutsam. Die Effektivitätserwartungen auf diesem Gebiet werden zwar auch ordnungspolitisch begründet47. Ein Blick in das neue Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz des Bundes48 zeigt jedoch beispielhaft, daß hier vielfach andere Ziele dominieren. Die dort ermöglichte Übertragung von Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung gebührenpflichtiger Bundesfernstraßen ist verbunden mit einer Rechtsverordnungsermächtigung zur Festsetzung kostenorientierter sogenannter Mautgebühren durch den Bundesminister für Verkehr. Die Themen sind Kostenverlagerung vom Steuer- auf den Gebührenzahler und Beschaffung von Kapital und Know How. An dieser Stelle eine Zwischenanmerkung zum speziellen Komplex der sogenannten Finanzierungsprivatisierung49, den ich im übrigen ausklammere. Das Grundphänomen privater Vorfinanzierung öffentlicher Einrichtungen wird ähnlich wie das der Nebenhaushalte50 zu Recht kriti-
46 Monopolkommission, Zehntes Hauptgutachten 1992/1993, BT-Drs. 12/8323, Rdn. 732; näher Hasso Hofmann, Privatwirtschaft und Staatskontrolle bei der Energieversorgung durch Atomkraft, 1989, insbes. S. 34 ff. 47 Typischerweise im Rahmen ganz pauschaler Bewertung verschiedener Privatisierungsformen, ζ. B. Institut FSt. Brief Nr. 255, Ziele und Möglichkeiten der Privatisierung auf kommunaler Ebene, (Bearb. Manfred Schlick), 1986, S. 31. 48 V. 30. 8. 1994, BGBl. 1 1994,2243. 49 Für die Bundesrepublik wegweisend BMF (Hrsg.), Bericht der Arbeitsgruppe „Private Finanzierung öffentlicher Infrastruktur" (Schriftenreihe des BMF, Heft 44), 1991; Uberblick mit internationalem Vergleich aus ökonomischer Sicht bei Frank O. Schmidt, Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung, 1994. 50 Michael Kilian, Nebenhaushalte des Bundes, 1993, S. 724 ff.
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siert 5 1 . E s geht u m mißbrauchsanfällige Instrumente, deren Einsatz in einem problematischen Spannungsverhältnis zu haushalts- und schuldenverfassungsrechtlichen
Transparenzgeboten
steht.
Gleichwohl
herrscht im wesentlichen Einigkeit, daß diese Instrumente zwar besonders rechtfertigungsbedürftig, letztlich aber auch rechtfertigungsfähig sind 5 2 . T r o t z d e m muß gerade die objektgebundene Finanzierungshilfe Privater als Gefährdung der distanzwahrenden Kraft des Steuerstaats 5 3 beobachtet und diskutiert werden. Jenseits dieser besonderen finanzverfassungsrechtlichen Problematik geht es jedoch bei näherem Hinsehen t r o t z neuerer terminologischer V a rianten in der aktuellen Privatisierungspraxis an der F r o n t , also v o r allem auch bei den K o m m u n e n , u m ein Thema, in dessen Mittelpunkt der formell oder materiell private Verwaltungshelfer steht - die Figur, deren rechtliche Strukturen bereits vor 2 4 Jahren v o r der Vereinigung umfassend und facettenreich entfaltet worden sind 54 . W a s hat sich seitdem geändert? Drei Aspekte scheinen mir wesentlich zu sein:
51 Hans Herbert v. Arnim, Möglichkeiten privatwirtschaftlich geplanter, finanzierter bzw. betriebener Infrastrukturvorhaben des Bundes insbesondere im Verkehrsbereich innerhalb der verfassungs- und haushaltsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Beitritt der neuen Bundesländer, 1991, S. 69 ff.; Klaus Grupp, DVB1.1994,140 ff.; Rudolf Wendt, in: Jörn Ipsen (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1994, S. 37 ff. 52 Hans Herbert v. Arnim, (Fn. 51 ), insbes. S. 74 ff., 95 ff.; Klaus Grupp, DVB1.1994, 140 (143 ff.); Rudolf Wendt (Fn. 51), S. 43 ff.; vgl. auch Peter Selmer / Carsten Brodersen, Kurzexpertise „Privatisierung der Bundesautobahnen", 1994, Ms., S. 17 ff. (erscheint demnächst). " Zum Begriff nur BVerfGE 78, 249 (266 f.). - Das schlichte Kernproblem („Wer zahlt, schafft an") beschränkt sich natürlich nicht auf Formen der Finanzierungsprivatisierung im engeren Sinne (Leasingmodelle etc.), sondern zeigt sich gerade auch bei kooperativen Modellen kommunaler Aufgabenerfüllung mit erheblicher privater Kapitalbeteiligung, die wirtschaftliche Risikogemeinschaften mit den Gefahren einseitiger Interessenorientierung entstehen lassen, vgl. zu Beispielen gemischtwirtschaftlicher Projektträger aus der kommunalen Praxis (Media Park Köln, Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg, Ökozentrum Hamm) ζ. B. Rolf Krähmer, WSI Mitteilungen 1992, 73 ff. mit wohl unbewußter Veranschaulichung des Problems: Dort (zusammenf. S. 80) wird trotz negativer Bewertung der „reinen" Finanzierungsprivatisierung die zur Zeit überaus aktuelle umfassendere kooperative Projektverwirklichung positiv bewertet, mit dem Argument, daß „Private bei der Flächenentwicklung ein unternehmerisches Risiko übernehmen, das zu tragen die Kommune nicht in der Lage wäre". 54 Referate von Fritz Ossenbühl und Hans-Ulrich Gallwas zum Thema „Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private", W D S t R L 29 (1971), S. 137 ff. und 211 ff. - Zu begrifflichen Abgrenzungen unten mit Fn. 70.
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Erstens: 1970, das StabG war drei Jahre alt, stand die Planungsdiskussion noch in voller Blüte. Es ging für Juristen um Beobachtung und rechtsstaatliche Bändigung organisatorischer Ausdifferenzierung eines expandierenden staatlichen Aufgabenbestandes. Heute ist das politische Pendel in die Gegenrichtung privatwirtschaftlicher Selbstregulierung zurückgeschlagen, so daß eher Fragen eines rechtsstaatlich geordneten Rückzugs zur Debatte stehen. Zweitens: Technisch-wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen haben zu einem reichen privatwirtschaftlichen Angebot hochspezialisierter Leistungen etwa in der Umwelttechnik, speziell auch der Abfallwirtschaft, der Informationstechnik, aber auch auf den Gebieten unterschiedlichen Projekt- und Planungsmanagements geführt, was alles auf vorhandene staatliche Nachfrage trifft oder diese auch befördert: Der Staat braucht Straßen, die Wirtschaft bietet intelligente Straßen an55. Drittens: Nicht nur, aber auch durch die Situation in den östlichen Bundesländern bedingt, treffen riesiger, zeitlich drängender staatlicher Investitionsbedarf in die öffentliche Infrastruktur zusammen mit höchster Staatsverschuldung und privater Kapitalkraft. Letztere steht indes nicht bedingungslos zur Verfügung. Die Investoren bringen ihre eigenen Spielregeln mit ein - auch ihre Erfahrungen mit zügigen Entscheidungsverfahren an international konkurrierenden alternativen Standorten. Dies alles zusammen hat an einer Qualitäts- und Gewichtsverschiebung der Gegenstände aktueller und potentieller Verwaltungshilfe mitgewirkt. Die Motive sind nach wie vor Rationalisierung und Ökonomie56, diese haben aber gegenwärtig eine gewisse Sprengkraft entwickelt. Seinerzeit waren schon die nordrhein-westfälischen Krankenhaus- und Universitätsbaugesellschaften ein relativ modernes Phänomen (formell) privatisierten Projektmanagements57, heute macht die DEGES, die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und Baugesellschaft mbH, als mögli-
55 dpa-Meldung, Frankfurter Rundschau v. 17. 9. 1994: „Energieversorger entdecken „intelligente" Straße. Badenwerk stellt grenzüberschreitendes Pilotprojekt vor / Am Datenschutz hapert es noch"; Bericht (knu), FAZ ν. 5. 12. 1994, S. 19: „Die Industrie will den Autofahrer komplett vernetzen. Weltkongreß intelligente Straße', in Paris / Unklare Standards hemmen die Entwicklung". 56 So zur Verwaltungshilfe materiell Privater Fritz Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 (148); entsprechend Monopolkommission (Fn. 14), Rdn. 48. 57 Fritz Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 (146 f.); informativer aktueller Uberblick zu Problemen und Formen der kommunalen Privatisierungspraxis: Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Privatisierung in Städten und Gemeinden, 1994 (Schriftenreihe des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, H. 49).
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ches langlebiges Zukunftsmodell rechtsstaatliche Sorgen 58 . Und mit allerdings ganz andere Farben gilt das auch für die materiell privatrechtliche Konstruktion des Dualen Systems 59 . - Beiden Beispielen gemeinsam ist, daß hier Vorstellungen über effektive Bewältigung von öffentlichen und von Staats- und Verwaltungsaufgaben neu zu überdenken sind - mit allen Chancen und Risiken.
4. Privatisierung als Gegenstand haushaltsrechtlicher (S 6 E-HGrG, § 7 Β HO)
Globalregelung
Nach den bisherigen Überlegungen ist klar, daß ein sachgerechter Umgang mit unserem Thema nicht innerhalb der Grenzen haushaltswirtschaftlicher Sparsamkeit möglich ist. Trotzdem ist Privatisierung inzwischen durch die geltende Bundeshaushaltsordnung zum Rechtsbegriff geworden und soll auch in das Haushaltsgrundsätzegesetz einziehen. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs eines Änderungsgesetzes zum H G r G 6 0 sollen künftig die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch die Länder zu der Prüfung verpflichten, Zitat: „inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können". Nach Abs. 2 der Vorschrift ist „in geeigneten Fällen" ein sogenanntes Interessenbekundungsverfahren durchzuführen, das heißt, daß privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben ist, „darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso oder besser erbringen können". Sollen danach Staatsaufgaben jährlich öffentlich ausgeschrieben werden? Der Wortlaut schließt es nicht aus. Tatsächlich zielt die Regelung ausweislich der Entwurfsbegründung 61 insgesamt auf eine ordnungsund finanzpolitisch erwünschte Ausschöpfung sogenannter Privatisierungspotentiale bei Ländern und Kommunen. Solche Potentiale lägen „im Bereich von Infrastruktureinrichtungen", ζ. B. im öffentlichen Personennahverkehr, bei öffentlichen Planungsleistungen, bei Wasser und Abwasser sowie bei der Elektrizitäts-, Gas- und Abfallwirtschaft,
Unten mit Fn. 139. Näher "Walter Frenz, GewArch 1994,145 ff., dort auch zur Qualifikation als Fall einer materiellen Aufgabenprivatisierung. 6 0 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., BT-Drs. 12/6720; Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses, BT-Drs. 12/7292. 61 BT-Drs. 12/6720, S. 3 unter Berufung auf den Bericht der Bundesregierung zur Zukunftssicherung des Standortes Deutschland, BT-Drs. 12/5620. 58
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schließlich auch im umfangreichen Beteiligungsbesitz an großen Industrieunternehmen, bei Stromversorgungsunternehmen, bei Banken und im Versicherungsgewerbe. Abgesehen schon von kompetenzrechtlichen Bedenken 6 2 gegen Inhalt und Ziel verläßt eine solche Regelung den verfassungsrechtlich vorgezeichneten und gebotenen Weg für einen rational differenzierenden U m gang mit Staatsaufgaben. Die Verfassung verteilt die Verantwortung für Konstitution und Erfüllung von Staats- und Verwaltungsaufgaben nach differenzierend gegliederten Sachmaterien, und sie fordert von den Kompetenzträgern verantwortungsgerecht differenzierende Abwägungen je nach unterschiedlichem Sach- und Regelungsbereich 63 . Bei allem ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip integrierter Abwägungsgesichtspunkt neben vielen anderen, nicht aber vorgeordnetes Wertungsprinzip 64 , das eine generelle gesetzliche Anordnung eigenständiger Prüfungsverfahren rechtfertigt. Den soeben genannten Aspekten kompetenzgerechter, nach Sach- und Regelungsbereich differenzierender Abwägung ist der folgende zweite Teil des Berichts gewidmet. Es geht also um den Versuch, das Thema Privatisierung von Verwaltungsaufgaben als Problem aufgabengerechter Kompetenzausübung durch Sachgesetzgebung und Verwaltung näher zu entfalten. Dies geschieht nach erforderlicher Klärung begrifflicher Ausgangspunkte induktiv anhand von drei beispielhaften Aufgabenfeldern, nämlich dem der Energieversorgung, der Entsorgung und schließlich, in leitsätzlicher Kürze, anhand der Aufgabe Planung von Infrastruktur.
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Angemeldet von der Fraktion der SPD im Haushaltsausschuß, BT-Drs. 12/7292,
S. 5. 63 Die gesamte Rechtsprechung des BVerfG insbesondere zu den materiell-verfassungsrechtlichen Bindungen des Gesetzgebers ist geprägt von diesem Gedanken des Rechts und der Pflicht des Gesetzgebers zur sach- und regelungsbereichsspezifisch abwägenden Ausdifferenzierung einer verfassungsgerechten Ordnung des einfachen Rechts. 64 Zu typischen Zielkonflikten im vorliegenden Zusammenhang zutr. Friedrieb Schock, DVB1. 1994, 962 (968). - Hierbei wird das Wirtschaftlichkeitsprinzip freilich in einem recht schlichten Sinn innerhalb des Bezugsrahmens betriebswirtschaftlicher Preis-Kostenkalkulation gedacht (krit. Analyse dazu bei Andreas Greifeid, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, 1981, insbes. S. 31 ff.) und also bezogen auf ein klar definiertes marktgängiges Güter- oder Leistungsangebot. Versteht man das Wirtschaftlichkeitsprinzip dagegen aus guten Gründen streng formal als wertneutrales Optimierungsgebot („Rationalprinzip", Andreas Greifeid, a. a. O., S. 8 ff.; Hans Herbert v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988, S. 36 f. und passim), so scheidet es als Vergleichsmaßstab im Rahmen praktikabler Interessenbekundungsverfahren aus. - Im übrigen dürften tatsächlich durchgeführte konkrete Prüfungsverfahren mit dem Anspruch, die Rationalität von Entscheidungen über „Ausgliederung und Ent-
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II. Privatisierung von Verwaltungsaufgaben als Problem aufgabengerechter Kompetenzausübung durch Sachgesetzgebung und Verwaltung 1. Ausgangspunkte: Verwaltungsaufgabe als staats- und bürgergerichteter Kompetenzbegriff im Gegensatz zur öffentlichen Aufgabe Privatisierungsbegriffe und Privatisierungskompetenzen Die Kehrseite des verfassungsrechtlich offenen Begriffs der Staatsaufgaben ist der in letzter Zeit selten hervorgehobene wichtige Umstand, daß zunächst einmal der Gesetzgeber der verfassungsrechtlich geborene Träger von Privatisierungskompetenzen ist. Für die großen Bereiche der ausschließlichen und der konkurrierenden Gesetzgebung ist dies also regelmäßig der Bund, nur für einen geringeren verbleibenden Teil die Länder. Mit anderen Worten: auf dem gesamten, gerade auch für die Kommunen zentralen Feld der gesetzesvollziehenden Verwaltung ist die Konstitution von Verwaltungsaufgaben und die Entscheidung über deren notwendige oder mögliche Privatisierung Gegenstand weitgehender bundesgesetzgeberischer Souveränität, aus der Perspektive der Verwaltung dann Problem der Gesetzesauslegung. Schon hier, bei der gesetzesauslegenden Ermittlung dessen, was Verwaltungsaufgaben sind, tauchen Schwierigkeiten auf, die nicht zuletzt durch terminologische und inhaltliche Fragen zum Begriff der Verwaltungsaufgaben bzw. Staatsaufgaben geprägt sind. Der Begriff der Verwaltungsaufgabe als Unterfall der Staatsaufgabe65 bezeichnet verfassungs- und einfachgesetzlich begründete und begrenzte staatliche Handlungskompetenzen66, und zwar in Abgrenzung der Exestaatlichung oder Privatisierung" zu erhöhen, praktisch zwangsläufig zur „Anwendung von Methoden als Ritual" führen, dazu Günther E, Braun, Ziele in öffentlicher Verwaltung und privatem Betrieb, 1988, insbes. S. 327 ff. 65 Oben mit Fn. 6. 66 Zur konstitutiven Bedeutung der gesetzlich begründeten staatlichen Handlungskompetenz für den Begriff der Staatsaufgabe im Gegensatz zur öffentlichen Aufgabe näher Wolfgang Löwer (Fn. 6), S. 143 ff., 169 ff.; vgl. auch Winfried Brohm, NJW 1994, 281 (281 ff.); dagegen dezidiert für einen engeren Kompetenzbegriff, da die Kompetenz als primär staatsorganisationsrechtliche Kategorie innerstaatlicher Aufgabenverteilung erst zum Zuge komme, wenn überhaupt eine Staatsaufgabe zu erfüllen sei, Josef Isensee, HStR III (Fn. 8), § 57 Rdn. 140 f. Insoweit besteht allerdings allenfalls eine terminologische, keine sachliche Differenz, da Josef Isensee selbst a. a. O., Fn. 246 mit Rdn. 170, in einem „analogen Sinn" von Grundrechten als Kompetenznormen zugunsten Privater im Verhältnis zum Staat spricht, also sinngemäß doch wie oben im Text - für die entscheidende Abgrenzungsfunktion des Begriffs der Staatsaufgaben im Verhältnis zwischen Staat und privaten Grundrechtsträgern die Kategorie der Kompetenz mobilisiert.
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kutive innerhalb staatlicher Gewaltengliederung und in Abgrenzung und im Gegensatz zu privaten Handlungsbefugnissen auf der Grundlage grundrechtlich geschützter menschlicher Freiheit. Gesetzliche Begründung von Verwaltungsaufgaben benennt verpflichtend oder nur ermächtigend Tätigkeitsfelder oder Tätigkeiten, deren Ausführung dem K o m petenzbereich eines Verwaltungsträgers ausschließlich oder in K o n k u r renz zu bzw. in Kooperation mit privaten Grundrechtsträgern 6 7 zugewiesen ist. D e r übliche und sinnvolle Begriff materieller privatisierung
Aufgaben-
ergibt sich danach als actus contrarius zur Konstituierung
und Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe 6 8 . Handelt es sich u m eine gesetzliche Pflichtaufgabe, liegt die Privatisierungskompetenz also ganz beim Gesetzgeber, im übrigen im Rahmen und nach Maßgabe der E r mächtigung beim Verwaltungsträger. - A u f dem W e g e der Abschichtung v o m Begriff der Verwaltungsaufgabe - wichtig v o r allem bei den Pflichtaufgaben - , folgt dann auch der Begriff der sogenannten Privatisierung,
funktionalen
die sich von der Aufgabenprivatisierung durch die fort-
bestehende Verwaltungskompetenz (Aufgabenträgerschaft) unterscheidet 6 9 und also die herkömmlich sogenannte Verwaltungshilfe erfaßt 7 0 .
67 Entspr. zu den üblichen Unterscheidungen verschiedener Arten von Staatsaufgaben nur Josef Isensee, HStR III (Fn. 8), § 57 Rdn. 150 ff. 68 Bei einer solchen - schon rechtlich geprägten - Begriffsbildung erscheint es zur Klarstellung zweckmäßig, nicht nur von materieller, sondern ausdrücklich auch von j4«/gd¿e«privatisierung zu sprechen, anders etwa Friedrich Schoch, DVB1. 1994, 962 f. - Nach der hier verwendeten Terminologie (auch oben mit Fn. 16) werden dagegen alle Privatisierungsvarianten mit dem Attribut materiell belegt, weil und soweit „echte" Private Adressaten der Privatisierungsmaßnahme sind. 69 Vgl. mit Friedrich Schoch, DVB1. 1994, 962 (963); im wesentlichen gleichbedeutend wird hierzu auch der Begriff des contracting out verwendet, Monopolkommission (Fn. 14), Rdn. 44 f. Da der Begriff der funktionalen Privatisierung entscheidend durch die fortbestehende Verwaltungskompetenz rechtlich geprägt ist, ist dessen übliche Beschränkung auf die Mitwirkung „echter" Privater juristisch ebenso unzweckmäßig wie beim Begriff des Verwaltungshelfers, dazu folgende Fn. - Im sachlichen Ansatz ähnlich, aber mit anderen terminologischen Konsequenzen (generelle Kennzeichnung der funktionalen Privatisierung als „formal" wegen fortbestehender Aufgabenträgerschaft des Verwaltungsträgers) Wolfgang Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (591). 70 Z. B. Friedrich Schoch, DVB1. 1994, 962 (963); Rainer Wahl, DVB1. 1993, 517 (519); abw. von der dort verwendeten herrschenden Terminologie ist der Begriff des Verwaltungshelfers zweckmäßigerweise sowohl auf materiell als auch auf nur formell Private zu beziehen, denn die zentralen Fragen der Vereinbarkeit der Verwaltungshilfe mit der fortbestehenden Verwaltungskompetenz stellen sich insoweit allenfalls graduell abgestuft, nicht grundsätzlich qualitativ unterschiedlich, dazu unten mit Fn. 118. Entsprechend der hier vorgeschlagenen Terminologie wird im übrigen auch
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Konsequent als nicht nur staatsorganisatorischer, sondern auch bürgergerichteter Kompetenzbegriff gefaßt, läßt sich die Verwaltungsaufgabe theoretisch trennscharf von der - nur - öffentlichen Aufgabe abgrenzen. Der Begriff der öffentlichen Aufgabe bezieht sich nicht auf die Aufgabenverteilung im Verhältnis zwischen Verwaltung und Grundrechtsträgern71. Öffentliche Aufgaben, ebenso wie abstraktere Staatsziele oder -zwecke, fungieren vielmehr als legitimierende Gründe staatlicher Tätigkeit jeder Art, zu der etwa auch privatrechtliche Rahmensetzung für privates Wirtschaften gehört72. Solche legitimierenden Gründe und Ziele bilden die abwägungserheblichen Direktiven und Gesichtspunkte materiell verfassungsmäßiger, gleichheits- und freiheitsgerechter Ausgestaltung und Beschränkung grundrechtlich geschützter Lebensbereiche73. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Verwaltungsaufgaben und öffentlichen Aufgaben ergeben sich auf dieser Basis auch dann nicht, wenn der Gesetzgeber sich innerhalb des breiten Spektrums möglicher Instrumente zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der Inpflichtnahme Privater bedient, etwa in Gestalt von Eigenüberwachungs- oder Eigensicherungspflichten74. Die hier entscheidende Frage, wieweit solche Indienstnahmen überhaupt sowie dann mit oder ohne finanziellen Ausgleich verfassungsrechtlich zulässig sind, ist zu beantworten als Bestimmung verfassungsrechtlich tragfähiger Gründe für gesetzliche Beschränkung grundrechtlich geschützter Freiheits- und Vermögensinter-
trotz ausdrücklicher terminologischer Trennung zwischen Organisationsprivatisierung, Verwaltungshilfe und Beliehenern jedenfalls für den Beliehenen die potentielle Uberschneidung mit der Organisationsprivatisierung betont, so Hans]. Wolff / Otto Bachof / Rolf Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl., 1987, § 104a Rdn. 7. - Dafür, daß die heute übliche Beschränkung des Begriffs des Verwaltungshelfers auf die Fälle, in denen dem Verwaltungsträger bei fortbestehender Trägerschaft von privatrechtlichen Rechtssubjekten Hilfe bei der Aufgabenerfüllung geleistet wird, 1971 alles andere als selbstverständlich war, sei nur generell auf Referate und Diskussion in W D S t R L 29 (1971), 137 ff. hingewiesen. - Im Gegensatz dazu wird gegenwärtig (im wesentlichen inspiriert wohl durch die staatshaftungsrechtliche Rechtsprechung, dazu Fn. 124) auch ein noch wesentlich engerer Begriff des Verwaltungshelfers als hier verwendet, nämlich eine Beschränkung auf unselbständiges weisungsgebundenes Handeln unter Ausschluß der Heranziehung Privater aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verträge, so Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1994, § 23 Rdn. 60, 64; wohl auch Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 17 ff. 71 Wolfgang Löwer (Fn. 6), S. 173 f.; Josef Isensee, HStR III (Fn. 8), § 57 Rdn. 136. 72 Josef Isensee, HStR III (Fn. 8), § 57 Rdn. 139. 73 Wolfgang Löwer (Fn. 6), S. 165 f. 74 Fritz Ossenbühl, Eigensicherung und hoheitliche Gefahrenabwehr, 1981; allg. zum Umweltrecht Übersicht bei Michael Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 4 Rdn. 127 ff.
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essen im Dienste der Erfüllung öffentlicher Aufgaben75. Hierfür ist unter anderem die Unterscheidung zwischen eigennütziger und fremdnütziger Tätigkeit, nicht die zwischen öffentlichen Aufgaben einerseits und andererseits „eigentlichen" Staats- bzw. Verwaltungsaufgaben76 relevant. Nur bei Ausstattung Privater mit grundrechtlich nicht begründbaren Handlungskompetenzen77 ist von Übertragung einer Verwaltungsaufgabe zu sprechen78. - Das gesamte, ζ. B. umweltschutzrechtlich bedeut-
75 BVerfGE 30, 292 (311); vgl. auch BVerfGE 58, 137 (147 ff.); 79, 29 (40 ff.); aus der Literatur Dirk Ehlers, W D S t R L 51 (1992), 211 (231,233,239 f.), der zwar speziell bei der Enteignung von einer Indienstnahme „für Staatsaufgaben" spricht, dies aber offenbar nicht in Abgrenzung zu (nur) öffentlichen Aufgaben mit Folgen für Zulässigkeit und Entschädigungspflicht; zur parallelen Problematik der Sonderabgaben nur BVerfGE 57, 139 ff., insbes. zum Zusammenhang zwischen Naturalleistungspflicht und Abgabe mit Antriebs- und Ausgleichsfunktion, S. 158 ff., 165 ff., 168 f. 76 So aber Fritz Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 (155 f.); ders., (Fn. 74), S. 19: Verwaltungsgeschäfte, die „an sich" vom staatlichen Behördenapparat selbst erfüllt werden müßten; dies setzt einen Rekurs auf einen materiellen, dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich vorgegebenen Begriff der Staats- und Verwaltungsaufgaben voraus. 77 Die wesentliche Schwierigkeit, zu erkennen, wann gesetzlich ausdrücklich geregelte Tätigkeit Privater Verwaltungsaufgabe, wann „private" Aufgabe sei, beruht auf der anscheinend verbreiteten Vorstellung, der Staat könne etwas als Staatsaufgabe „deklarieren" und dann anschließend oder auch uno actu „als Staatsaufgabe" auf Private „übertragen", dazu insbes. Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 46 ff., mit - aus dieser herrschenden Sicht durchaus konsequenter - Erweiterung des Begriffs des zulässigerweise nur durch Gesetz Beliehenen. Demgegenüber ist jedoch nach heutigem Grundrechtsverständnis zu bemerken: Öffentliche Aufgaben werden nicht durch staatliche Deklaration zu Staatsaufgaben, sondern, wie dies auch gängig formuliert wird (oben mit Fn. 6), dadurch, daß der Staat Tätigkeitsfelder oder Tätigkeiten für sich (ausschließlich oder konkurrierend) in Anspruch nimmt. Wenn bestimmte Tätigkeiten bereits vom Gesetz selbst „echten" Privaten „zugewiesen" werden, handelt es sich, soweit solche Tätigkeiten Gegenstand grundrechtlich geschützter Freiheit sind, nicht um „Übertragung", sondern allenfalls um „Rückgabe". Rechtlich relevant bleibt dann nur die Frage, ob und wieweit Privaten verliehene Exklusivoder Vorrangrechte als Zugangsschranken für konkurrierende Bewerber durch öffentliche Aufgaben oder Zwecke verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind. Zur Eingrenzung des Begriffs der „Übertragung" von Verwaltungsaufgaben durch die Verwaltung selbst unten, mit Fn. 116. 78 Im Ansatz entsprechend bereits BVerfGE 17,371 (376 ff.) zur Begründung dafür, daß dem Notar „Staatsaufgaben" übertragen seien; deutlicher noch BVerfGE 72,280 (294): „... originäre Staatsaufgaben ..., also Zuständigkeiten, die nach der geltenden Rechtsordnung hoheitlich ausgestaltet sein müssen"; zur Abgrenzung speziell bei Eigensicherungspflichten wie hier auch BVerwGE 81,185 ff. (bewaffneter Werkschutz im Kernkraftwerk). - Danach sind grundrechtlich nicht begründbare Handlungskompetenzen nur solche, deren Wahrnehmung notwendig mit öffentlichrechtlichen
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same Spektrum gesetzlicher Pflichten Privater gehört deshalb zu den möglichen Formen materieller Aufgabenprivatisierung 79 , weil und soweit der Sachgesetzgeber diese Form alternativ oder ergänzend zur Begründung von Verwaltungsaufgaben wählt. 2. Aufgaben
der
Energieversorgung
Das Energiewirtschaftsgesetz bietet ein wichtiges Beispiel für N o t wendigkeit und Fruchtbarkeit genauer Differenzierungen bei der Beschreibung konkreter Verwaltungsaufgaben. Für dieses Gesetz ist überzeugend dargelegt worden 80 , daß es falsch ist, pauschal von einer Verwaltungsaufgabe, insbesondere von einer kommunalen Verwaltungsaufgabe der Versorgung mit Strom oder Gas zu sprechen. Das Gesetz formuliert zum einen in seiner Präambel 81 die öffentlichen Aufgaben und Ziele, deren Förderung das Gesetz dienen soll. Dies ist im Ergebnis die öffentliche Aufgabe, „die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten". Daraus folgt nach den gesetzlichen Regelungen aber nicht etwa die Konstituierung einer konkreten Verwaltungsaufgabe, die Beschaffung, Produktion und Verteilung der Energie umfaßt. Das Gesetz beschränkt die Verwaltungsaufgaben vielmehr auf die Staatsaufsicht und stellt hierfür ein umfassendes Eingriffsinstrumentarium zur Verfügung. Die Durchführung der Energieversorgung selbst unterliegt danach zwar umfassender staatlicher Reglementierung, wird aber nicht als Verwaltungsaufgabe konstituiert, sondern bleibt prinzipiell dem Bereich privater Grundrechtsinitiative zugeordnet 82 . Energieversorgungsunternehmen kann jedermann sein, und jedermann, der Energieversorgung betreibt, unterliegt den erheblichen gesetzlichen Beschränkungen im Dienst der öffentlichen Aufgabe.
Sonderbefugnissen zu hoheitlichem Handeln verbunden ist, also praktisch die Fälle des herkömmlich sog. Beliehenen. - Daß sich im übrigen Beleihung einerseits und verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftige (und in Grenzen auch entschädigungslos rechtfertigungsfähige) Inpflichtnahme Privater nicht gegenseitig ausschließen, zeigt etwa die Stellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren, zum Streitstand nur Christoph Trzaskalik, in: Paul Kirchhof / Hartmut Söhn (Hrsg.), EStG, 1994, § 3 8 A 10 ff., 51, 95 ff. 79 So insbes. auch Wolfgang Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (594 f.) 80 Wolfgang Löwer (Fn. 6), insbes. S. 178 ff., 213 ff.; zusammenf. ders., DVBl. 1991, 132 ff. 81 Zu deren Geltung Wolfgang Löwer (Fn. 6), S. 181, Fn. 275. 82 Zusammenf. Wolf gang Löwer {Fn. 6), S. 211 f. m. zahlr. Nachw.
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Dies widerspricht zwar der Rechtsprechung des BVerfG 83 , nicht aber der des EuGH 8 4 . Dieser hat eine entsprechende gesetzliche Indienstnahme inzwischen als Betrauung mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse i. S. d. Art. 90 Abs. 2 EWGV gewertet, was angesichts des Wortlauts der Norm gerade nicht selbstverständlich ist85, nach deren Sinn aber konsequent. Entscheidend müssen danach die besonderen Dienstleistungspflichten des wirtschaftenden Unternehmens im Interesse einer öffentlichen Aufgabe sein, nicht die Frage, ob dies je nach unterschiedlicher Tradition in den Mitgliedstaaten aufgrund eines hoheitlichen Betrauungsakts oder durch allgemeine gesetzliche Indienstnahme geschieht. Die nach dem Energiewirtschaftsgesetz umstrittenen Spielräume für eigenständige örtliche Versorgungskonzepte im Rahmen gemeindewirtschaftlicher Kompetenzen 86 sind hier nicht näher abzustecken. Im vorliegenden Zusammenhang ist allein folgendes entscheidend: Für die gesetzlich aufgegriffene öffentliche Aufgabe der sicheren und billigen Energieversorgung im Gesamtstaat präsentiert das Gesetz selbst ein Lösungsmodell, das in seiner konstruktiven Konsequenz eine Privatisierung von Verwaltungsaufgaben als Rechtsproblem eigentlich schon gelöst hat: Verwaltungsaufgaben sind hier bereits auf den engen nicht privatisierungsfähigen Bereich hoheitlicher Reglementierung zurückgeschraubt. Besitz oder Veräußerung öffentlicher Beteiligungen an den großen und kleinen Energieversorgern lassen jedenfalls die energiewirtschaftsgesetzlichen Verwaltungsaufgaben unberührt. Bei Ländern und Kommunen geht es um Dispositionen über ertragsstarke Wirtschaftsunternehmen bzw. Beteiligungen mit öffentlicher Zwecksetzung. Haushaltsrechtlich, gemeindewirtschaftsrechtlich und vielleicht auch verfassungsrechtlich87
83 Beschl. der 3. Kammer des 1. Senats, JZ 1990,335, mit der äußerst unklaren Formulierung „gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge"; zur Kritik für viele Eberhard Schmidt-Aßmann, BB 1990, Beilage 34, S. 13 f.; von der diffusen aufgabenrechtlichen Begründung des Kammerbeschlusses zum Ausschluß des Grundrechtsschutzes für gemischtwirtschaftliche Unternehmen zu unterscheiden ist allerdings die Frage, wieweit der Durchgriff auf den staatlichen Mehrheitseigner in jedem Fall die Versagung des Grundrechtsschutzes rechtfertigt, dazu bejahend nur Peter Badura, D Ö V 1990, 353 (354). 84 EuGH, EuZW 1994, 408 ff., - Almelo/Ijsselmij; dazu Barbara Rapp-Jung, EuZW 1994,464 ff. 85 Peter J. Tettinger, DVB1. 1994, 88 (89 f.). 86 Eingehend Wolfgang Löwer (Fn. 6), S. 226 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, in: FS Fabricius, 1989, S. 251 (263 ff.). 87 Auf den einschlägigen Grundsatzstreit ist hier nicht näher einzugehen; für die verbreitete Forderung eines „zusätzlichen" öffentlichen Zwecks schon auf Verfassungsebene ζ. B. Dirk Ehlers (Fn. 39), S. 92 ff.; ders., JZ 1990, 1089 (1091); Reiner
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ist eine solche, über erwerbswirtschaftliche Ziele hinausgehende Z w e c k setzung Voraussetzung für die Zulässigkeit dieses Besitzes an W i r t schaftsunternehmen 8 8 und macht nur diesen dann zur Verwaltungsaufgabe - nicht die Tätigkeit der Unternehmen selbst 89 . M a n mag bezweifeln, wieweit solche Zwecke der verschiedenen Gebietskörperschaften jeweils überzeugend begründbar und tatsächlich tragend sind 90 . Ebenso mag man die massive Präsenz der K o m m u n e n im großen Konzerngeschäft 9 ' für ein staatsorganisationsrechtliches M o n strum halten - spätestens dann, wenn im K a m p f u m die Stadtwerke im Osten 9 2 das Stichwort Privatisierung auftaucht. Daraus indes rechtliche Konsequenzen zu ziehen, wäre äußerst fragwürdig: Das Gemeindewirtschaftsrecht zielt insgesamt auf den Schutz der Wirtschaftskraft der einzelnen Gemeinde 9 3 , die durch solchen Besitz gerade nicht gefährdet ist.
Schmidt, in: Stanislaw Biernat / Reinhard Hendler / Friedrich Schoch / Andrzej Wasilewski (Hrsg.), Grundfragen des Verwaltungsrechts und der Privatisierung, 1994, S. 210 (221 f.); sehr zurückhaltend Paul Kirchhof, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, 1990, § 88 Rdn. 309 ff.; für die dezidierte Gegenansicht Peter Badura, in: Ingo v. Münch / Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, 3. Abschn. Rdn. 109,113,115. 88 Für Bund und Länder gem. § 65 BHO/LHO bez. privatrechtlicher Unternehmen, für die Gemeinden gem. den insoweit nur unwesentlich differierenden Nachfolgebestimmungen des § 67 D G O generell bez. wirtschaftlicher Unternehmen; krit. zu deren heute kaum noch vertretbarer Abgrenzung wirtschaftlicher gegenüber sog. nichtwirtschaftlichen Unternehmen Friedrich Schoch, DVB1. 1994, 962 (972) - dort auch zu den neueren Unterschieden hinsichtlich der weitergehenden gemeinderechtlichen Subsidiaritätsklauseln; spez. zur novellierten G O NW auch Gunnar Schwarting, Der Gemeindehaushalt 1994,193 (195 ff.). 89 Eberhard Schmidt-Aßmann, (Fn. 86), S. 251 (261 f.); ders., BB 1990, Beilage 34, 14; eingehend Wolfgang Löwer (Fn. 6), S. 178 ff. 90 Zum entsprechenden Streit um die „wahren" Motive bei der Wahl der privatrechtlichen Organisationsform bereits bei den in Fn. 39 Genannten; speziell zu den besonders umstrittenen Zielen der „Quersubventionierung" insbes. des Personennahverkehrs krit. etwa Monopolkommission (Fn. 46), Rdn. 735. 91 Insbes. durch die RWE AG, dazu nur Monopolkommission (Fn. 14), Rdn. 52, S. 26 r. Sp.; dies. (Fn. 46), Rdn. 711, 728 f. 92 Dazu nur Vereinbarung in den Verfahren vor dem BVerfG, 2 BvR 1043/91, 1457/91 i. d. F. v. 22.12.1992, Der Gemeindehaushalt 1993,232 ff. 93 EdzardSchmidt-]ortzig, Kommunalrecht, 1982, Rdn. 689; ders., in: Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 5, 2. Aufl., 1984, S. 50 (60).
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Bei der rechtlichen Würdigung der legitimierenden öffentlichen Zwecke ist im übrigen Zurückhaltung geboten 94 und jeder Purismus unangebracht. Die traditionell gewachsenen oder auch verwachsenen Strukturen des Energiesektors 95 mögen reformbedürftig sein. Dies sollte jedoch im Interesse sachgerechter Lösungen auch der brisanten gemeinschaftsrechtlichen Gesamtproblematik 96 nicht in der zu engen Perspektive einer Privatisierungsdiskussion geschehen. Abstrakt, als gesetzgeberisches Modell betrachtet, veranschaulicht das Energiewirtschaftsgesetz eines der zentralen Probleme, die der Gesetzgeber im Rahmen sachgerechter Abwägung für oder gegen privatwirtschaftliche Lösungen stets bedenken muß. Dies sind die ganz typischen, auch international viel beobachteten Komplementärbeziehungen zwischen mehr Privatwirtschaft und gleichzeitig mehr staatlicher Regulierung, sobald es um öffentliche Aufgaben der infrastrukturellen Grundversorgung geht 97 . Auch wenn das Maß ausreichender Infrastruktur weitgehend gesetzgeberischem Ermessen anvertraut ist, bleibt der Staat doch dem Grunde nach für die Existenz einer solchen ausreichenden Infrastruktur verfassungsrechtlich gewährleistungspflichtig 98 . Er steht deshalb grundsätzlich vor der Alternative, entweder durch finanzielles Eigenengagement privatwirtschaftlich unrentable Versorgungslücken selbst zu stopfen, oder aber Vorsorge gegen Marktversagen durch gesetzgeberische Reglementierung zu treffen. Die Wahl der zweiten Alternative ist praktisch zwingend bei Versorgungsaufgaben, deren Erfüllung langfristig geplante Investitionen voraussetzt. - Materielle Privatisierung kann deshalb auf diesem Feld leicht dazu führen, daß Grundrechtsinitiative sich erschöpft in der Freiheit zur privaten, staatlich versicherten Kapitalanlage 99 .
94 So die überwiegende Ansicht, vgl. Friedneb Schach, DVB1. 1993, 377 (388), die, vergleichbar mit der haushaltsrechtlichen Rechtslage bei Bund und Ländern, ihre Rechtfertigung letztlich in der Konkretisierungsprärogative unmittelbar demokratisch legitimierter Adressaten tatbestandlich höchst unbestimmter Normen findet. 95 Zur historischen Entwicklung nur Wolfgang Löwer (Fn. 6), S. 33 ff. 96 Zu aktuellen Fragen ζ. B. Andrea Krebs, DVB1. 1994, 844 ff.; Peter]. Tettinger, DVB1. 1994, 88 (91 ff.); Monopolkommission (Fn. 46), Rdn. 162 ff.; informativ auch (aus der speziellen Perspektive der privaten Gaswirtschaft) Siegfried Klaue, BB 1993, Beilage 18. 97 Gunnar Folke Schuppen, in: Jörn Ipsen (Hrsg.), (Fn. 51), S. 17 (32). 98 Karl Heinrich Friauf (Fn. 11), a. a. O. 9 9 Entgegen BVerfG, JZ 1990, 335 bietet aber auch diese Freiheit noch wesentlich mehr an „privatrechtlicher Selbständigkeit" als „nahezu nichts".
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3. Aufgaben der Entsorgung a) Entsorgung als einfachgesetzliche Tätigkeitspflichten der Verwaltung Im Gegensatz zu den beschränkten hoheitlichen Verwaltungsaufgaben des Energiesektors können als Prototyp sehr umfassender Tätigkeitspflichten die kommunalen Entsorgungsaufgaben gelten, wie z.B. die Entsorgungspflicht nach dem derzeit geltenden Abfallgesetz des Bundes 100 . § 1 Abs. 2 AbfG beschreibt den Gegenstand dieser Verwaltungsaufgaben, also die wesentlichen Tätigkeiten, die zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind, recht konkret als Abfallverwertung und Ablagern mit den Phasen des Einsammelns, Beförderns, Behandeins und Lagerns. Es besteht Einigkeit darüber, daß diese Aufgabe außerhalb der ausdrücklichen Ausnahmetatbestände nicht materiell privatisiert werden darf 101 - eine bare Selbstverständlichkeit, da gesetzliche Pflichten eben nicht zur Disposition des Adressaten stehen. Gleichzeitig ist es aber auch herrschende Meinung, daß die öffentlichrechtlichen Körperschaften hier zu einer Organisationsprivatisierung berechtigt sind, nämlich auf Grund und nach Maßgabe des jeweiligen Landesorganisationsrechts 102 . Ebenso ist es herrschende Meinung, daß eine sogenannte funktionale Privatisierung, also die Betrauung privater oder gemischtwirtschaftlicher Unternehmen mit den im Gesetz genannten Tätigkeiten zulässig sei 103 . Denn dabei bleibe die Aufgabenträgerschaft erhalten, nur die tatsächliche Erfüllung der Aufgabe werde dem Dritten als Verwaltungshelfer übertragen. Für das Abfallgesetz ist dies zweifelsfrei zutreffend, denn § 3 Abs. 2 S. 2 AbfG bestimmt ausdrücklich, daß die Verwaltungsträger sich zur Erfüllung ihrer Pflicht Dritter bedienen können. Diese Regelung wird indes überwiegend als nur deklaratorisch betrachtet 104 . Dasselbe Ergebnis folge
100 An dessen Stelle tritt grundsätzlich erst Oktober 1996 das neue Kreislaufwirtschafts- und AbfallG gem. Art. 13 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen v. 2 7 . 9 . 1994, verkündet am 6 . 1 0 . 1 9 9 4 , B G B l . 1 1994,2705 ff. 101 Friedrich Schock (Fn. 39), S. 37 ff.; ders., DVB1.1994,1 (7 f.); Martin Beckmann, in: Joachim Bauer / Alexander Schink (Hrsg.), Organisationsformen in der öffentlichen Abfallwirtschaft, 1993, S. 38 (44). 102 Eingehend Friedrich Schoch (Fn. 39), S. 57 ff., zusammenf. S. 137; entspr. zum Abwasserrecht Jan Bodanowitz, Organisationsformen für die kommunale Abwasserbeseitigung, 1993, S. 24 ff. - vgl. aber auch unten Fn. 116. 103 Friedrich Schoch, DVB1. 1994, 1 (8). ια 1 ' Friedrich Schoch a. a. O.; Philip Kunig, in: Philip Kunig / Gerfried Schweriner / Ludger-Anselm Versteyl (Hrsg.), AbfG, 2. Aufl., 1992, § 3 Rdn. 2; für die Gegenansicht Rüdiger Breuer, in: Ingo v. Münch / Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), (Fn. 87), 5. Abschn. Rdn. 113.
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bereits aus Organisationsrecht und allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Diese Annahmen sind jedoch korrekturbedürftig: Jede Form der Privatisierung ist zunächst ein Problem aufgabengerechter Instrumentenwahl 105 . Das bedeutet aber für gesetzliche Pflichtaufgaben aus der Sicht der Verwaltung, daß der Anwendung organisationsrechtlicher Normen und allgemeiner Grundsätze des Verwaltungsrechts stets die Prüfung des aufgabenkonstituierenden Gesetzes vorgeschaltet sein muß. Nach dem jeweiligen Inhalt und Gewicht der in der Aufgabennorm genannten Tätigkeiten ist dann zu entscheiden, ob und welche Form der Privatisierung ohne oder nur mit besonderer gesetzlicher Ermächtigung zulässig ist:
b) Organisationsprivatisierung als materiellrechtliches Problem gesetzesgerechter Aufgab enerfüllung Schon Zulässigkeit und Folgen einer bloßen Organisationsprivatisierung sind zunächst ein materiellrechtliches Problem gesetzesgerechter Aufgabenerfüllung. - Interessanterweise wird die Wahl der privaten Rechtsform herkömmlich als Kleiderwechsel beschrieben 106 und unterschiedlich bewertet. Aus der einen Sicht gilt das Motto, egal ob Ärmelschoner oder Nadelstreifen, es ist derselbe Bube, und deshalb rechtlicher Durchgriff auf den öffentlichen Träger der privaten Konstruktion 1 0 7 : Grundrechtsbindung, Versagung der Grundrechtsberechtigung und insgesamt Anwendung der Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts auf das Handeln des privaten Rechtssubjekts 1 0 8 . Die andere Sichtweise läßt sich von der Erfahrung leiten, daß sich mit dem neuen Kleid häufig auch inneres Befinden und Habitus ändern, was dann wiederum, je nach unterschiedlichem Standpunkt, positiv oder negativ gewertet wird 109 . Tatsäch105 Allgemein dazu Gunnar Folke Schuppen, in: Jörn Ipsen (Hrsg.), (Fn. 51), S. 17 ff.; vertiefend Nikolaus Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Institutional choice), 1993, insbes. S. 283 ff. 106 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1. Aufl., 1964, S. 324; Fritz Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), 137 (145); im Ergebnis auch noch, trotz aller Kritik, Horst Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 252 ff., insbes. S. 257. 107 Zu den gegenwärtig umstrittenen Fragen eines Durchgriffs auf die Person des Trägers der juristischen Person einerseits und andererseits eines funktionsabhängigen Grundrechtsschutzes Nachweise oben, Fn. 83.
108
Hartmut Maurer (Fn. 70), § 3 Rdn. 9.
Positiv etwa zu den psychologischen Wirkungen Günter Püttner, Zur Wahl der Privatrechtsform für kommunale Einrichtungen, 1993, S. 21 f.; dort, S. 28 ff., auch zur verfassungsrechtlichen Kritik an landesgesetzlichen Beschränkungen der Organisationsfreiheit der Kommunen; für die überzeugendere Gegenansicht nur Friedrich Schock, DVB1.1994,1 (5 f.). 109
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lieh führt ja die privatrechtliche Organisationsform nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich zur Anwendung privaten Haftungsrechts110 und praktisch unbestritten zur Befreiung von öffentlichem Dienstrecht und zur weitgehenden Entfernung vom Haushaltsrecht einschließlich öffentlicher Rechnungskontrolle111. Dies alles ist jedoch nicht als Ergebnis erfolgreicher Flucht des Vermummten zu bewerten, sondern als Folge bewußter und gewollter, wenn auch im einzelnen umstrittener Geltungsbeschränkung der einschlägigen Normen112. Diese sind änderbar113. Beide Sichtweisen zum Staat im privatrechtlichen Gewand drängen allerdings einen Aspekt an den Rand, der aus der Perspektive gesetzes- und verfassungsgerechter Aufgabenerfüllung entscheidend ist. Die Organisationsprivatisierung ist kein Kleiderwechsel, sondern die Kreation einer neuen Rechtsperson als Beteiligte an neuen, privatrechtlichen Rechtsverhältnissen: Im Außenverhältnis gegenüber Dritten ist deren Rechtsnatur unter den entscheidenden Rechtsschutzaspekten inzwischen von relativ geringer Bedeutung. Zum einen enthält schon das Privatrecht insbesondere auch mit den Rechtsprechungsgrundsätzen zum AGB-Gesetz zahlreiche verfassungskonkretisierende Beschränkungen jeder Form der mißbräuchlichen Ausübung von Marktmacht1 H . Vor allem aber hat die Rechtsprechung auch das sogenannte Verwaltungsprivatrecht öffentlichrechtlich so weitgehend modifiziert, daß das Privatrechtliche am Verwaltungsprivatrecht zuweilen fast nur noch als Rechtsweg erscheint115. Das prakti-
110 Zu Kritik und Streitstand Fritz Ossenbühl (Fn. 70), S. 25 f.; Rainer Hofmann, VB1BW 1994,121 (127 ff.). 111 Näher Dirk Ehlers (Fn. 39), S. 165 ff. 112 Diese Aussage folgt der allgemeinen These, daß der Begriff des Formenmißbrauchs durch den des fehlgeschlagenen Subsumtionsversuchs ersetzt werden kann und sollte, Christian Graf v. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, 1973, S. 61 ff. 113 Zum kürzlichen Scheitern der Vorschläge des Haushaltsausschusses (BT-Drs. 12/6612), die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofs zu erweitern, zusammenf. Bericht in wib 7/94, S. 55. 114 Hier hat deshalb die rein funktionale Sicht der Rechtsprechung zu zusätzlicher Disziplinierung der Marktteilnahme auch von juristischen Personen des öffentlichen Rechts geführt, B G H Z 97, 312 (316 f.); 101, 357 (359); 102, 280 (284 ff.); 105, 24 (27 ff.). 115 Insbes. B G H Z 91, 84 - abgabenrechtliche Bindungen bei privatrechtlich organisierter Löschwasserversorgung, dazu Lerke Osterloh, JuS 1985, 917 Nr. 12; BVerwG, NVwZ 1991, 59 - Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, verwaltungsprivatrechtlicher Anspruch unmittelbar gegen den privatrechtlich organisierten Betreiber, dazu Lerke Osterloh, JuS 1991, 338 Nr. 13.
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sehe Ergebnis entspricht der Forderung nach einem effektiven Rechtsschutz, auch wenn dessen dogmatische Grundlagen von faszinierender Unklarheit geblieben sind. - Ganz anders ist jedoch die Rechtslage im Innenverhältnis zwischen privatrechtlicher Organisation und Verwaltungsträger. Hier gelten, soweit spezielle öffentlichrechtliche Normen fehlen, Privatrecht und striktes Trennungsprinzip zwischen zwei verschiedenen Rechtspersonen. Erstens kann danach der Verwaltungsträger seine gesetzlich begründete Aufgabe - sei es eine verpflichtende, oder auch nur berechtigende Kompetenz - , auf einen formell Privaten ebensowenig „übertragen", wie auf einen echten Privaten. E r bleibt Aufgabenträger. Seinen privatrechtlichen Trabanten kann er nur als Verwaltungshelfer mobilisieren 116 . Dies ist eine zwingende Folge des Vorrangs des aufgabenzuweisenden Gesetzes 117 . Zweitens ist die verfassungsrechtlich
1 " Speziell für die Entsorgungspflichten im Abfall- und Wasserrecht wie im Atomrecht ist diese Stellung des nur formell Privaten als „Dritter" allgemein anerkannt, Phi-
lip Kunig (Fn. 104), § 3 Rdn. 2; Friedrich Schock, DVB1.1994,1 (8); Alexander Schink, VerwArch 1994, 251 (258 f.); Hasso Hofmann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung, 1981, S. 210 ff. Im übrigen wird jedoch das privatrechtliche Rechtssubjekt grundsätzlich als organisatorische Form staatlicher bzw. kommunaler Verwaltung begriffen, repräsentativ Horst Dreier a. a. O . (Fn. 106). 117 Die h. M. bekommt das Vorrangproblem zu Unrecht erst bei den gesetzlichen Pflichtaufgaben in den Blick, behandelt aber die Ubertragbarkeit einer Verwaltungsaufgabe auf die privatrechtliche Eigengesellschaft im übrigen als Problem des Vorbehalts des Gesetzes und bejaht danach (mit Ausnahme der Beleihung) im Rahmen des jeweils maßgeblichen Organisationsrechts die „freie" Aufgabenübertragung, vgl. Dirk Ehlers (Fn. 39), S. 152 ff. Wie ein Subjekt des Privatrechts aber ohne Rechtssatz Subjekt einer öffentlichrechtlich konstituierten Handlungskompetenz werden kann, bleibt unerklärt. - Der Satz: „Ein Betrieb, der ganz der öffentlichen Aufgabe der gemeindlichen Daseinsvorsorge gewidmet ist und der sich in der Hand eines Trägers der öffentlichen Verwaltung befindet, stellt daher nur eine Erscheinungsform dar, in der öffentliche Verwaltung ausgeübt wird", B V e r f G E 45, 63 (80), bedarf zu seiner Begründung nicht der Konstruktion einer Aufgabenübertragung im Rechtssinne. E r läßt sich mit ebenso guter Berechtigung auch auf die Tätigkeit des Verwaltungshelfers anwenden, der ohne öffentlichrechtliche Kompetenz nur „Erfüllungshilfe" leistet. Die dogmatische Figur des Verwaltungshelfers erhöht eher die Uberzeugungskraft des „Durchgriffs" auf den beherrschenden Kompetenzträger, erleichtert die Begründung für dessen in jedem Fall fortbestehende Garantenstellung - Hans-Ulrich Gallwas, W D S t R L 29 (1971), 211 (228 ff.) - und paßt schließlich auch zu der Freiheit des Selbstverwaltungsträgers, im Rahmen seiner Kompetenzen „frei" über die Modalitäten der Erfüllung seiner Aufgaben zu entscheiden. - Demgegenüber widerspricht die Vorstellung, daß Gründung einer juristischen Person des Privatrechts und Aufgabenübertragung „uno actu" Gegenstände eines einheitlichen Organisationsaktes (durch oder aufgrund eines Gesetzes) seien - Fritz Ossenhühl, W D S t R L 29 (1971), 137 (169 ff.) - der heute anerkannten privatrechtlichen Rechtsnatur der Beziehungen dieser Person zum Verwaltungsträger, dazu im folgenden.
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- parlamentarisch-demokratisch wie rechtsstaatlich - fundierte öffentlichrechtliche Einwirkungspflicht 118 des Verwaltungsträgers auf sein privatrechtliches Geschöpf nicht identisch mit Einwirkungsrechten. Diese müssen erst mit den Mitteln des Privatrechts geschaffen werden 119 . - Das entscheidende Problem der Steuerung der Aufgabenerfüllung hat insofern bei allen Formen der Privatisierung in diesem Bereich dieselbe Struktur. Alleininhaberschaft, Beteiligung oder echter Privater - diese Unterschiede führen nur zu graduellen Abstufungen der privatrechtlich vermittelten tatsächlichen Einwirkungsmacht auf den Verwaltungshelfer. c) Organisationsprivatisierung und funktionale Privatisierung als Problem gesetzmäßiger Verwaltungshilfe - zur Untauglichkeit der herrschenden Grobformeln Damit wird zentrale Frage, was nach dem jeweiligen Gesetz nicht übertragbare Aufgabe und was übertragbare Verwaltungshilfe ist. In Literatur und Rechtsprechung werden hierzu Formeln angeboten, die an die Unterscheidung zwischen Gesetz und Gesetzesvollzug erinnern. Dazu gehören die Unterscheidungen zwischen Aufgaben und Aufgabenerfüllung, bzw. zwischen Aufgabe und „faktischer" Aufgabenerfüllung bzw. -erledigung, oder auch die Unterscheidung zwischen Bereitstellung und
118 Dirk Ehlers (Fn. 39), S. 124 ff.; Günter Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl., 1985, S. 120; vgl. auch die Nachw. in der folgenden Fn. 1 1 9 Näher Dirk Ehlers (Fn. 39), S. 132 ff.; im spezielleren Zusammenhang von Berichtspflichten der Aufsichtsratsmitglieder einer Gebietskörperschaft nach § 394 A k t G Eberhard Schmidt-Aßmann / Peter Ulmer, B B 1988, Beilage 13, S. 15; vgl. auch Volker Emmerich / Jürgen Sonnenschein, Konzernrecht, 5. Aufl., 1993, § 2 IV 3, S. 50 ff., dort, S. 54 ff., auch zur speziellen konzernrechtlichen Privilegierung der Treuhandanstalt gem. § 28a E G A k t G , eine Sondervorschrift, die die heute ganz herrschend anerkannte Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts im übrigen letztlich bestätigt; vgl. auch, wohl nur noch für spezielle Grenzfälle eklatanter Wertungswidersprüche a. A. (so für das Treuhandgesetz vor Inkrafttreten des § 28a E G A k t G ) Gunnar Folke Schuppert, Z G R 1992, 454 (463 ff.); ferner allg. mit umf. Nachw. zum Meinungsstand Axel Pfeifer, Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften, 1990, insbes. S. 99 ff.; Thorsten Koch, Der rechtliche Status kommunaler Unternehmen in Privatrechtsform, 1994, insbes. S. 156 ff. Eine heute zuweilen noch geforderte „automatische" unmittelbare Bindung öffentlicher Unternehmen an öffentliche Zwecke in Gestalt parlamentarischer oder ministerieller Beschlüsse - so insbes. Görg Haverkate, W D S t R L 46 (1988), 217 (226 ff.); Rolf Stober, N J W 1984, 449 (455) - läßt sich mangels eines allgemeinen Vorrangs des öffentlichen Rechts allenfalls einzelfallbezogen durch Auslegung der einschlägigen Normen des Gesellschaftsrechts bzw. der jeweils maßgeblichen Satzung begründen, schafft aber keine öffentlichrechtlichen Einwirkungsbefugnisse des Verwaltungsträgers.
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Herstellung öffentlicher Güter 120 . Daneben stehen differenziertere Abstufungen bei der Beschreibung verschiedener Verantwortlichkeitskategorien und dabei insbesondere die Unterscheidung zwischen voller Erfüllungsverantwortung einerseits und Beratungs-, Überwachungs-, Organisations- und Einstandsverantwortung andererseits 121 . Der Kronberger Kreis 122 formuliert die Sache konkret: Es möge zwar das öffentliche Gut Straßenbeleuchtung von der Gemeinde bereitgestellt werden, das bedeute Entscheidung über Art und Umfang des Angebots sowie über dessen Finanzierung. Die Herstellung, also Installation und Wartung, könne auf Private übertragen werden. Wenn es nur um Straßenbeleuchtung ginge, wäre „contracting out" an den Verwaltungshelfer in der Tat unproblematisch. Es hielte sich im Rahmen der Forderung Ossenbühls 123 , die Verwaltungshilfe auf technische oder entscheidungsarme Dienstleistungen zu beschränken. Die gegenwärtigen Aufgaben der Verwaltung zeichnen sich jedoch typischerweise durch ein hohes Maß an zugleich technischem, wirtschaftlichem und auch administrativem Entscheidungs- und Steuerungsbedarf aus. Zwischen technischen und wirtschaftlichen Tätigkeiten als gleichsam geborenen Privatisierungskandidaten einerseits und andererseits typischen administrativen Tätigkeiten lassen sich dann schwer klare Trennlinien sachgerecht konstruieren und jedenfalls nicht generalisierbar formulieren. Effektive Verwaltungshilfe wird in aller Regel sehr umfassende Delegation voraussetzen. Dem Verwaltungsträger selbst bleibt dann die faktisch ausgehöhlte Kompetenz: Er ist zwar verpflichtet, die Aufgabe mit stetem Blick auf das Gemeinwohl zu tragen, weiß aber selbst mangels Sachkenntnis nicht, was dafür tatsächlich zu tun ist. Uber das situationsgerechte Maß seiner öffentlichrechtlichen Sorgfaltspflichten bei Auswahl oder auch Kontrolle des Verwaltungshelfers wird er im Zweifel in nachträglichen Amtshaftungsprozessen informiert werden 124 . FakNachw. Fn. 69, 70; Philip Kunig (Fn. 104), § 3 Rdn. 33. Gunnar Folke Schuppen, in: Jörn Ipsen (Hrsg.), (Fn. 51), S. 17 (27); Friedrich Schock, DVB1.1994,962 (975); beide im Anschluß an Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / Eberhard Schmidt-Aßmann / Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Grundfragen, 1993, S. 11 (43 f.), dort mit Hinw. auf die Differenzierungen der unterschiedlichen Grade des staatlichen Einsatzes bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben bei Josef Isensee, HStR III (Fn. 8), § 58 Rdn. 139. 122 Fn. 2, S. 25. 123 W D S t R L 29 (1971), 137 (201 f.). 124 Speziell zum AbfG Nachw. bei Philip Kunig (Fn. 104), § 3 Rdn. 33; allg. zur umstr. „Werkzeugtheorie" bei der Staatshaftung für selbständige Privatunternehmen Fritz Ossenhiihl (Fn. 70), S. 19 ff.; dazu jetzt mit leichten Erweiterungen zum privaten „Erfüllungsgehilfen" in Abschleppfällen BGHZ 121,161. 120 121
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tisch hat er sich der Gelegenheit zu eigener kraftvoller Betätigung begeben und führt als Aufgabenträger ein Schattendasein 125 . Die Unterscheidung zwischen Aufgabe und tatsächlicher Aufgabenerfüllung bleibt deshalb Abstraktum, dessen sachhaltige Ausfüllung in der Regel nicht möglich ist. - Demgegenüber helfen auch differenzierter abgestufte Kategorien 126 wie Beratungs-, Uberwachungs-, Organisationsund Einstandsverantwortung hier nicht weiter. Sie gehören auf die Ebene dogmatischer Systembildung als Instrument der Analyse, Beschreibung und Ordnung verschiedener gesetzgeberischer Lösungen 127 . Aus der Sicht der Verwaltung leiten diese Kategorien die gesetzesauslegende Ermittlung des Gegenstandes der Verwaltungsaufgabe. Nur bei den freien Aufgaben strukturieren sie den weitergespannten Entscheidungshorizont. Mit anderen Worten, für die gesetzesvollziehende Verwaltung ist Verantwortung stets Erfüllungsverantwortung. Bedeutet Verwaltungshilfe hiernach zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch umfassende und weitreichende Aufgabendelegation, erhält die Qualität der Instrumente zur Steuerung der Aufgabenerledigung durch den Verwaltungshelfer entscheidendes Gewicht. Es ist vielfach dargelegt worden, daß grundsätzlich auch die privatrechtlichen gesellschafts- und konzernrechtlichen Organisationsformen bei sachgerechter Gestaltung hinreichende Möglichkeiten wirksamer Einflußnahme und Kontrolle des Verwaltungsträgers eröffnen 128 . Das gilt insbesondere für die G m b H mit ihren schnellen Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschafterversammlung auf die Geschäftsführung. Aber auch das aus öffentlichrechtlicher Sicht deutlicher dysfunktionale Recht der Aktiengesellschaft errichtet unbeschadet umstrittener Einzelfragen bei entsprechender Gestaltung der Satzung 129 letztlich keine unüberwindbaren Hindernisse. Solange der Verwaltungshelfer im Alleineigentum des Verwaltungsträgers steht, mag denn auch die Trennung zwischen Aufgabenträger und tatsächlicher Aufgabenerfüllung aus der Perspektive der Aufgabe selbst von praktisch geringerer Bedeutung sein. Es bleibt trotzdem ein grundsätzliches Steuerungsproblem, das spätestens dann in voller Schärfe sichtbar wird, wenn echte Private hinzutreten, also mit gemischtwirtschaftlichen oder ganz privaten Unternehmen
Dazu näher BVerfGE 79, 127 (155). Fn. 121. 127 So auch deutlich Eberhard Schmidt-Aßmann a. a. O. (Fn. 121). 128 Vgl. bei den in Fn. 119 Genannten. 129 Zu Defiziten in der Praxis Gunnar Folke Schuppen, Zur Kontrollierbarkeit öffentlicher Unternehmen, Gutachten, veröffentlicht in: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 9. Wp., Anlagen zu Drucks. 9/4545, insbes. S. 20 ff. 125 126
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Austauschverträge dienst- und werkvertraglicher Prägung abgeschlossen werden. Angesichts der umfassenden Auslagerung der Aufgabenerfüllung aus dem Tätigkeitsbereich des Verwaltungsträgers muß dieser bestrebt sein, alle für die tatsächliche Aufgabenerfüllung maßgeblichen gesetzlichen Pflichten privatrechtlich auf den Verwaltungshelfer überzuleiten. Dies geschieht auch ausdrücklich in einschlägigen Musterverträgen 130 . Die Metamorphose verwaltungsadressierter gesetzlicher Pflichten in solche des privaten Vertragsrechts kann jedoch nur gelingen, wenn sie nach Inhalt und Zweck unmittelbar freiheitsbegrenzenden privatadressierten Pflichten entsprechen. Dies ist speziell im Abfallrecht mit seinem Kompromißcharakter 131 zwar prinzipiell der Fall, selbst hier bleibt indes ein Kernproblem ungelöst: Im Verhältnis zum Bürger hat das Gesetz Begrenzungsfunktion, im Verhältnis zur Verwaltung auch weitergehende Steuerungsfunktion. Diese spezifische Steuerungsfunktion wird zwar besonders deutlich bei konkretisierungsbedürftigen offenen Normen und Gestaltungsaufträgen 132 , ist aber bei jeder N o r m mitgedacht und bildet die legitimatorische Grundlage für die gesetzliche Konstituierung von Verwaltungsaufgaben. Die unmittelbare Verpflichtung der grundgesetzlich verfaßten, autorisierten und gebundenen öffentlichen Verwaltung zur Verwirklichung des Gemeinwohls im Rahmen und nach Maßgabe gesetzlicher Steuerung ist Legitimationsgrund dafür, die Erfüllung öffentlicher Aufgaben der Grundrechtsinitiative ganz oder teilweise zu entziehen und in die Obhut eines Verwaltungsträgers zu legen 133 . Diese generelle Gemeinwohlverpflichtung ist aber weder tauglicher Gegenstand eines privatrechtlichen Austauschvertrages, noch einer gesellschaftsvertraglichen Einigung über Unternehmensgegenstand und Unternehmenszweck. Dienende und gestaltende Arbeit mit dem Gesetz bleibt immer etwas anderes als (privatrechtlich vereinbarte) Befolgung freiheitsbeschränkender gesetzlicher Pflichten. Die faktisch umfassende Übertragung der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben auf Private hinterläßt deshalb im Schar130 Bundesumweltministerium (Hrsg.), Ökologischer Aufbau. Privatwirtschaftliche Realisierung der Abwasserentsorgung - Musterverträge (Anlage zum Erfahrungsbericht über BMU-Projekte in den neuen Bundesländern), 1994, insbes. S. 8 f. (Betreibervertrag zur Wasserver- und Abwasserentsorgung). 131 Philip Kunig (Fn. 104), § 3 Rdn. 12. 132 Treffend wird hier von „Optimierungsaufträgen" gesprochen, so Wolfgang Hoffmann-Riem, in: Wolfgang Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), (Fn. 121), S. 115 (132 f·)· 133 Speziell zum Zusammenhang der Konstituierung der Abfallbeseitigung als Verwaltungsaufgabe mit dem Ziel der Optimierung des Umweltschutzes nur BVerwG, N V w Z 1984,176 ff.
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nier zwischen Verwaltungs aufgab e und Verwaltungsverantwortung für deren gesetzmäßige Erfüllung immer einen gewissen Riß, und sei dies manchmal auch nur ein Haarriß. Ihr Zulässigkeit indiziert, daß es sich bei der übertragenen Tätigkeit tatsächlich um einen geborenen Privatisierungskandidaten handelt134. Die gesetzlich zugewiesene Verwaltungsaufgabe sollte dann grundsätzlich deutlich und handlungsleitend auf Aufsichts- und Kontrollbefugnisse beschränkt werden, diese aber auch bereitstellen135. 4. Aufgaben
der
Infrastrukturplanung
Damit ist schließlich für das dritte Beispiel, Aufgaben staatlicher Planung, das Ergebnis bereits vorformuliert. Das geltende Recht der Raumund Fachplanung ist weitgehend geprägt durch sehr offene gesetzliche Konkretisierungs- und Gestaltungsaufträge an die Planungsträger. Diese Aufträge sind zwingend in und durch organisations- und verfahrensrechtlich geordnete hoheitliche Planungs- und Entscheidungsprozesse zu erfüllen136. Obwohl administrativ hoheitliche Tätigkeit, wird namentlich Bebauungsplanung schon seit langem vielfach auch als private Dienstleistung von spezialisierten Planungsbüros und privaten Vorhabenträgern angeboten und von Planungsträgern nachgefragt137. Die Rechtsprechung akzeptiert dies als planungsvorbereitende Hilfstätigkeit138. Das Ergebnis ist plausibel, schafft aber, ebenso wie jetzt die Regeln des § 6 Abs. 1,2 S. 3 BauGB-MaßnG i. V. m. § 2 Abs. 3 BauGB, das Problem faktischer Präjudizierung und Schwächung des eigentlichen Planungsverfahrens nicht aus der Welt.
134 Insofern ist die wesentliche Erweiterung der Möglichkeiten zur „befreienden" Pflichtenübertragung gem. §§16 ff. KrW-/AbfG (Fn. 100) konsequent. 135 Und erst dies ist dann auch der adäquate Rahmen für die Bereitstellung und Entfaltung demokratisch-rechtsstaatlich strukturierter Formen kooperativer Gemeinwohlkonkretisierung, vgl. speziell zur Abfallpolitik Rainer Spies, Staatswissenschaft und Staatspraxis, 1994, 267 ff. 136 Rainer Wahl, in: Wolfgang Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), (Fn. 121), S. 177 (196 ff.). 137 Krit. Rainer Wahl, DVB1. 1993, 517 (519 f.); allg. zu den umstr. Fragen städtebaulicher Planungsverträge Eberhard Schmidt-Αβ mann / Walter Krebs, Rechtsfragen städtebaulicher Verträge, 2. Aufl., 1992, S. 82 ff. 138 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten der ausdrücklichen Regelung des § 6 Abs. 1 S. 2 BauGB-MaßnG BVerwG, NVwZ 1988, 351 ff.; dem folgend OVG Saarlouis v. 13. 4. 1993, AZ 2 W 5/93; für die Gegenansicht bei der entsprechenden Problematik des Standortauswahlverfahrens bei Abfallentsorgungsanlagen zul. Werner Hoppe, DVB1.1994,255 (260 ff.).
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Weitergehende Koordinierungs- und Abstimmungsbefugnisse des Verwaltungshelfers im Planungsverfahren sind ohne gesetzliche Grundlage unzulässig139. Aktuelle Beschleunigungs-, Verfahrensvereinfachungs- und Maßnahmegesetzgebung schafft Grundlagen für umfassendere sog. Planungsprivatisierung140. Der Begriff Privatisierung ist hier jedoch bei Licht betrachtet falsch. Staatliche Planungsaufgabe ist der abgewogene verbindliche Interessenausgleich. Die Sachaufgabe Planung und die Rechtsaufgabe Planung im Planungsverfahren sind untrennbar. Kostensenkung und Beschleunigung sind nicht durch einfachen Einbau privatwirtschaftlicher Effektivität erreichbar, sondern nur durch Abbau oder Umbau des staatlichen Verfahrens141 und dessen gerichtlicher Kontrolle142. Wenn dies unter den aktuell drängenden Gesichtspunkten des internationalen Wettbewerbs innerhalb und außerhalb des Binnenmarktes politisch gewollt ist, dann darf nicht nur nach den verfassungsrechtlichen Grenzen des ökonomischen Rotstifts gefragt werden. Ein Rückschnitt unserer nationalen Vorstellungen von Gemeinwohlkonkretisierung durch Organisation und Verfahren143 muß dann mit der Sorgfalt des Gärtners betrieben werden, der weiß, welche wuchernden Zweige entfernt werden können, ohne daß der Baum Schaden nimmt. Das ist unsere Aufgabe.
139 Näher Rainer Wahl, DVB1. 1993, 517 (520 ff.), der jedenfalls Abstimmungsbefugnisse als hoheitliche Aufgaben aus dem Bereich zulässiger Verwaltungshilfe ausklammert. 140 Konzentrierter Uberblick ζ. B. bei Wagner/Baumbeier, in: Joachim Kormann (Hrsg.), Aktuelle Fragen der Planfeststellung (UPR Special Bd. 7), 1994, S. 39 ff., insbes. S. 56 ff. 141 Dazu ζ. B. Wilfried Ebling, Beschleunigungsmöglichkeiten bei der Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen, 1993; Paul Rombach, Der Faktor Zeit in umweltrechtlichen Genehmigungsverfahren, 1994; Michael Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, 1994, S. 107 ff. 142 Zur Bedeutung des Zeitfaktors als auch gerichtlich zu respektierendem Abwägungsgesichtspunkt etwa Horst Sendler, in: Joachim Kormann (Hrsg.), (Fn. 140), S. 36 ff. 143 Vgl. Martin Bullinger, DVB1. 1992,1463 ff.
Leitsätze der 2. Berichterstatterin über:
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben 1. Privatisierung ist ein hochgradig ökonomisch, politisch und ideologisch besetztes und instrumentiertes Schlagwort der öffentlichen Auseinandersetzung. Der verfassungsrechtlich offene Begriff der Staatsaufgaben, der Verwaltungsaufgaben einschließt, verweist Antworten zu wesentlichen Streitfragen in den Bereich staatspolitischer Willensbildung. Aufgabe der Rechtswissenschaft bleibt es, Inhalte und Ziele politischer Privatisierungsimperative als entscheidungsleitende Vorgaben für gegenwärtiges und künftiges Recht differenzierend wahrzunehmen und kritisch zu befragen. 1. Bedeutungsgehalte aktueller Privatisierungsimperative in Theorie und Praxis 2. Als Instrument staatlicher Ordnungspolitik kann die Eignung von Privatisierungsmaßnahmen theoretisch nicht einheitlich beurteilt werden. Ordnungspolitische Imperative sind Verhaltens-, Privatisierungsimperative subjektorientiert. Die ordnungspolitische Bedeutung eines Wechsels von Vermögen oder wirtschaftenden Tätigkeiten aus dem staatlichen in den privaten Sektor hängt von den jeweiligen realen Marktstrukturen ebenso ab wie von Inhalt und Ausmaß sonstiger direkter und indirekter staatlicher Marktregulierung. Im Gesamtrahmen der Praxis bundesstaatlicher Ordnungspolitik haben Privatisierungsmaßnahmen bisher kein nennenswertes Gewicht erlangt. 3. Privatisierung als Instrument staatlicher Finanzpolitik bedeutet Veräußerung von Ertragspotentialen und ist deshalb in der Relation zur Verabschiedung kostenwirksamer staatlicher Aufgaben von geringer Bedeutung. 4. Privatisierung als Instrument effektiver Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben ist durch allgemeine ordnungs- und finanzpolitische Zielsetzungen nur bedingt geprägt und wird von Effektivitätserwartungen engerer Art getragen. a) Formelle oder Organisationsprivatisierung nach dem Muster der Deutschen Bahn AG bietet als Modell die Chance zu ökonomisch und
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rechtsstaatlich rationaler Trennung zwischen wirtschaftlichen und administrativen Entscheidungszielen und -Zuständigkeiten. b) Materielle Privatisierungen in Gestalt der Einbindung Privater in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben neben und verbunden mit Organisationsprivatisierung stehen im Zentrum der Privatisierungspraxis. Die Rechtsprobleme des herkömmlichen Spektrums privater Verwaltungshilfe sind durch veränderte Qualitäten der Verwaltungsaufgaben gekennzeichnet, die aktuell oder potentiell dem Verwaltungshelfer übertragen werden. Diese Entwicklung stellt geläufige Vorstellungen über effektive Bewältigung von Verwaltungsaufgaben in Frage. c) Anmerkung: Speziell private Finanzierungshilfe muß als Gefährdung der distanzwahrenden Kraft des Steuerstaats beobachtet und diskutiert werden. 5. Privatisierung als Gegenstand haushaltsrechtlicher Globalregelung (§6 E-HGrG, § 7 BHO) sprengt den Rahmen haushaltsrechtlicher Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebote.
II. Privatisierung von Verwaltungsaufgaben als Problem aufgabengerechter Kompetenzausübung durch Sachgesetzgebung und Verwaltung 6. Verwaltungsaufgaben sind verfassungsrechtlich und gesetzlich begründete und begrenzte staatliche Handlungskompetenzen - in Abgrenzung der Exekutive innerhalb staatlicher Gewaltengliederung und im Gegensatz zu privaten Handlungsbefugnissen auf der Grundlage grundrechtlich geschützter menschlicher Freiheit. Als Kompetenzbegriff unterscheidet sich die Verwaltungsaufgabe trennscharf von der öffentlichen Aufgabe. Nur bei Ausstattung Privater mit grundrechtlich nicht begründbaren Handlungskompetenzen bleibt von Verwaltungsaufgaben Privater zu sprechen. 7. a) Kehrseite des verfassungsrechtlich offenen Begriffs der Staatsaufgaben ist die umfassende Privatisierungskompetenz des Sachgesetzgebers, der Verwaltungsaufgaben konstituiert und ausgestaltet. Die verantwortungs- und verfassungsgerechte Wahrnehmung dieser Kompetenz ist Gegenstand sach- und regelungsbereichsspezifischer Abwägung. b) Der Gesetzgeber entscheidet weitgehend souverän innerhalb des breiten Spektrums unterschiedlich abgestufter Staatsauf gab en und -Verantwortlichkeiten auch über graduell abgestufte Privatisierungslösungen im Spannungsverhältnis zwischen staatlicher und privater Gemeinwohlkonkretisierung. Für die Verwaltung bleibt bei gesetzlichen Pflichtaufgaben die gesetzesauslegende Ermittlung dieser Lösung. Nur bei fakultati-
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ven Verwaltungsaufgaben tenzen.
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hat sie weitergehende
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8. Verwaltungsaufgaben im Interesse sicherer und billiger Energieversorgung hat der Gesetzgeber auf nicht privatisierungsfähige hoheitliche Reglementierung beschränkt. Privatisierung bedeutet hier Veräußerung (von Anteilen) erwerbswirtschaftlicher Unternehmen, die allerdings - in größerem Stil - wirtschaftspolitisch heikle Probleme jenseits der Privatisierungsperspektive aufwirft. Der Energiesektor zeigt trotz allem beispielhaft ein typisches Komplementärverhältnis von mehr Privatwirtschaft und mehr staatlicher Reglementierung bei öffentlichen Aufgaben infrastruktureller Grun dversorgung. 9. a) Verwaltungsaufgaben der Entsorgung sind durch umfassende Tätigkeitspflichten gekennzeichnet. Schon die Organisationsprivatisierung ist dann primär kein organisations-, sondern ein materiellrechtliches Problem gesetzmäßiger Aufgabenerfüllung. Die privatrechtliche Organisation ist stets „Dritter", auf den die Kompetenz nur kraft ausdrücklicher Regelung übertragbar ist, sonst bleibt die Rolle des Verwaltungshelfers. b) Für jede Form der Verwaltungshilfe (funktionale Privatisierung und Organisationsprivatisierung) ist Kernproblem die gesetzmäßige Abschichtung von Hilfstätigkeiten. Verwaltungsverantwortung im Gesetzesvollzug ist stets volle Erfüllungsverantwortung. Die begriffliche Trennung zwischen rechtlicher und faktischer Aufgabenerfüllung schafft eine Legitimationslücke, da die Gemeinwohlbindung der gesetzlich gesteuerten Verwaltung als Legitimationsgrund für die Zuteilung von Verwaltungsaufgaben mit den Mitteln des Privatrechts auf den Verwaltungshelfer nicht übergeleitet werden kann. Wo der Gesetzgeber Verwaltungshilfe gestattet, ist als sachgerechtere Alternative eine Beschränkung der Verwaltungsaufgabe auf Aufsichts- und Kontrollbefugnisse indiziert. 10. Verwaltungsaufgaben verbindlicher Infrastrukturplanung sind zwingend auf unmittelbar hoheitliche Erfüllung in organisations- und verfahrensrechtlich geordneten Prozessen angewiesen. Schon planungsvorbereitende private Hilfstätigkeit gefährdet die gesetzmäßige Erfüllung der Planungsaufgabe. Weitergehende Koordinierungs- und Abstimmungsbefugnisse des Verwaltungshelfers im Planungsverfahren sind ohne gesetzliche Grundlage unzulässig. Aktuelle Beschleunigungs-, Verfahrensvereinfachungs- und Maßnahmegesetzgebung bereitet den Boden für umfassendere Planungsprivatisierung. Das bedeutet Abbau notwendiger Kosten des demokratischen Rechtsstaats bisheriger nationaler Prägung.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben* 3. Bericht von Prof. Dr. Hartmut Bauer, Dresden Inhalt Seite
A. Privatisierung als aktuelles Politikum B. Privatisierung als Rechtsproblem I. Terminologische Vorklärungen 1. Verwaltungsaufgaben 2. Privatisierung II. Typologische Erscheinungsformen von Privatisierung . . . 1. Vermögens-, Organisations- und Aufgabenprivatisierung 2. Teilprivatisierungen, Mischformen und Ubergänge . . . III. Die normative Steuerung von Privatisierungsvorgängen . . 1. Das Rechtsregime für Privatisierungen 2. Privatisierung als Prozeß C. Die normative Steuerung der Entscheidungsfindung I. Privatisierungsfähige Gegenstände II. „Subsidiarität" und „Einheit der Verwaltung" als allgemeine normative Direktiven für Privatisierungsvorgänge? III. Privatisierungsziele und Zielkonflikte IV. Normativer Privatisierungsdruck D. Die normative Steuerung der Privatisierungsentscheidung . . . . I. Europarechtliche Direktiven II. Verfassungsrechtliche Direktiven 1. Privatisierungsverbote und Privatisierungsgebote . . . . 2. Privatisierungsmodalitäten a) Formelle Aspekte b) Materielle Aspekte III. Verwaltungsrechtliche Direktiven
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* Für anregende Gespräche über die europarechtliche Seite der Thematik danke ich Herrn Dr. Wolfgang Kahl. Meinen Assistenten am Lehrstuhl, insbes. Herrn Robert Keller, schulde ich Dank für die Unterstützung bei der Vorbereitung des Berichts.
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E. Die normative Steuerung der Aufgabenübertragung I. Privatisierung durch Normen II. Privatisierung durch exekutivische Einzelakte 1. Verfahrensrechtliche Steuerung 2. Verwaltungsakt und Vertrag F. Fortbestehende Verwaltungsverantwortung nach der Aufgabenübertragung I. Erfüllungsverantwortung II. Kontrollverantwortung III. Privatisierungsfolgenverantwortung IV. Beobachtungsverantwortung
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A. Privatisierung als aktuelles Politikum Der „geforderte Staat" 1 stößt an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Er entledigt sich deshalb eines Teiles seiner Aufgaben, um einer „Uberforderung" 2 zu entgehen, und er trennt sich von Vermögenswerten, um die verbleibenden Aufgaben finanzieren zu können. Diesen Eindruck könnte die aktuelle Privatisierungsdebatte 3 jedenfalls bei dem unbefangenen Beobachter hinterlassen: Ob öffentliches Kredit- und Versicherungswesen, Energieversorgungs- oder Medienwesen 4 , ob Flugsicherung 5 , Bahn 6 oder Post 7 , ob Fernstraßen- 8 oder Wasserstraßen1
Reiner Schmidt, Der geforderte Staat, NJW 1980, S. 160 ff. Vgl. Helmuth Schulze-Fielitz, Kooperatives Recht im Spannungsfeld von Rechtsstaatsprinzip und Verfahrensökonomie, DVBl. 1994, S. 657 ff. (S. 666); ferner allgemein zur Entwicklung der Staatsaufgaben und den daraus resultierenden Folgeproblemen insbes. Dieter Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben - sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990; ders. (Hrsg.), Staatsaufgaben, 1994. 3 Die Forderung nach Privatisierung ist freilich nicht „neu"; vgl. zur Geschichte und zur Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland etwa die kurzen Uberblicke bei Klaus König, Entwicklung der Privatisierung in der Bundesrepublik Deutschland - Probleme, Stand, Ausblick - , VerwArch 79 (1988), S. 241 ff. (S. 241 ff.); Achim v. Loesch, Privatisierung öffentlicher Unternehmen, 2. Aufl., 1987, S. 13 ff.; Günter Püttner/Bernhard Losch, Verwaltung durch Private und in privatrechtlicher Form, in: Kurt G. A. Jeserich u. a. (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 5,1987, S. 368 ff. und Joachim Wieland, Besonderheiten der öffentlichen Unternehmen in Deutschland, in: Uwe Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen in Europa, 1993, S. 9 ff. (S. 11 ff.); jeweils m. w. N. 4 Vgl. Neuntes Hauptgutachten der Monopolkommission 1990/91, BT-Drucks. 12/3031, S. 25 f.; Kronberger Kreis, Privatisierung auch im Westen, 1993, S. 34 ff. 5 Art. 87d Abs. 1 Satz 2 GG, eingefügt durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 14. 7.1992 (BGBl. IS. 1254); § 31b Abs. 1 LuftVG in Verbindung mit Verordnung zur Beauftragung eines Flugsicherungsunternehmens (FS-AuftragsV) vom 11.11.1992 (BGBl. IS. 1928); zum Schicksal des ursprünglichen Privatisierungsgesetzes s. Norbert K. Riedel/Axel Schmidt, Die Nichtausfertigung des Gesetzes zur Privatisierung der Flugsicherung durch den Bundespräsidenten, DOV 1991, S. 371 ff. 6 Art. 87e Abs. 3 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.12.1993 (BGBl. IS. 2089) in Verbindung mit Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz - ENeuOG) vom 27. 12.1993 (BGBl. I S. 2378). 7 Art. 87f, 143b GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 30. 8. 1994 (BGBl. I S. 2245) in Verbindung mit Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) vom 14. 9. 1994 (BGBl. I S. 2325). 8 Ζ. B. Hans Jörg Klofat, Einschaltung Privater beim Verkehrswegebau, in: Willi Blümel (Hrsg.), Einschaltung Privater beim Verkehrswegebau - Innenstadtverkehr, 1993, S. 7 ff.; Rainer Wahl, Die Einschaltung privatrechtlich organisierter Verwaltungseinrichtungen in den Straßenbau, ebd. S. 24 ff. und Udo Steiner, Verkehrsrecht im Wandel - „Abschied vom Prinzipiellen" ?, in: Albin Eser u. a. (Hrsg.), FS Hannskarl Saiger, 1994, S. 567 ff. 2
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bau 9 , ob Arbeitsvermittlung 10 , Krankenhauswesen 11 oder soziale und kulturelle Einrichtungen 12 , ob Abwasserbeseitigung oder Abfallentsorgung 13 , ob Tierkörperbeseitigung 14 oder Uberwachungsaufgaben im Umwelt- und Technikrecht 15 - zusammen mit dem Beteiligungsbesitz und dem Grundvermögen der öffentlichen Hand 16 sind all diese und viele andere Bereiche 17 längst von Privatisierungsvorgängen erfaßt oder zumindest von Privatisierungsforderungen überzogen; selbst in der Gefahrenabwehr laufen mittlerweile private Sicherheitskräfte der Polizei zu-
' Dazu Ulrich Fastenrath/Bruno Simma, Die Rhein-Main-Donau-Verträge, DVB1.1983, S. 8 ff. (S. 13 ff.). 10 Vgl. Beschäftigungsförderungsgesetz 1994 (BeschFG 1994) vom 26. 7. 1994 (BGBl. I S. 1786); ferner Verordnung über Arbeitsvermittlung durch private Arbeitsvermittler (Arbeitsvermittlerverordnung - AVermV) vom 11.3.1994 (BGBl. IS. 563) und Erste Verordnung zur Änderung der Arbeitsvermittlerverordnung vom 1. 8.1994 (BGBl. I S. 1946). 11 Vgl. etwa Werner Breyer, Umwandlung eines kommunalen Krankenhauses in eine GmbH - Der Weg zu mehr Wirtschaftlichkeit?, Der Gemeindehaushalt 1993, S. 272 ff.; Reinhold Preißler, Ausgliederung und Privatisierung von Krankenhauslaboren, MedR 1994, S. 20 ff. 12 Zu nennen sind beispielsweise Theater, Kindergärten und Schwimmbäder, aber auch das von der Monopolkommission (Fn. 4) angesprochene Gutscheinsystem in der Sozialverwaltung. Vgl. ergänzend auch Max-Emanuel Geis, Die öffentliche Förderung sozialer Selbsthilfe, noch unveröffentlichte Habilitationsschrift, 1994, insbes. Α. III.2. 13 Z. Jan Bodanowitz, Organisationsformen für die kommunale Abwasserbeseitigung, 1993, S. 24 ff., 34 ff., 108 ff.; Friedrich Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992; ders., Rechtsfragen der Privatisierung von Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung, DVB1.1994, S. 1 ff. 14 Vgl. Hans Fertig, Die Aufgabenwahrnehmung durch Dritte in der Tierkörperbeseitigung, DOV 1994, S. 99 ff.; ders., Rechtlicher Status der Tierkörperbeseitigungsanstalt, GewArch 1994, S. 353 ff. (S. 357 ff.). 15 Dazu etwa Udo Steiner, Technische Kontrolle im privaten Bereich - insbesondere Eigenüberwachung und Betriebsbeauftragte, DVBl. 1987, S. 1133 ff.; Gertrude Lübhe-Wolff/Annette Steenken, Privatisierung umweltbehördlicher Aufgaben, ZUR 1993, S. 263 ff.; Michael Reinhart, Die Überwachung durch Private im Umwelt- und Technikrecht, AöR 118 (1993), S. 617 ff. 16 Monopolkommission (Fn. 4), S. 25 f.; Kronberger Kreis (Fn. 4), S. 34, 41f. 17 Weitere Beispiele etwa bei Andreas Wellenstein, Privatisierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, 1992, S. 185 ff., 351 ff.; vgl. auch den kursorischen Uberblick bei Helmuth Schulze-Fielitz, Verwaltungsrechtsdogmatik als Prozeß der Ungleichzeitigkeit, Die Verwaltung 27 (1994), S. 277 ff. (S. 296 ff.); speziell zur Staatsentlastung im Wissenschaftsbereich siehe Hans-Heinrich Trute, Ungleichzeitigkeit in der Dogmatik: Das Wissenschaftsrecht, Die Verwaltung 27 (1994), S. 301 ff. (S. 318 ff.); ferner etwa zum Bestattungsrecht Rolf Gröschner, Menschenwürde und Sepulkralkultur in der grundgesetzlichen Ordnung, 1995.
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nehmend „den Rang ab" 18 . Ergänzend ist wenigstens kurz die Treuhandanstalt anzusprechen, deren gesetzlicher Hauptauftrag sich geradezu mit „Privatisierung als Verwaltungsaufgabe" überschreiben läßt 19 . Denn diese hier nicht zu vertiefende „Sonderinstitution" 20 zeigt exemplarisch, daß von den neuen Ländern wichtige Impulse für das Postulat „Privatisierung auch im Westen" 21 ausgehen, wie überhaupt spezifische Entwicklungen im Osten gelegentlich Vorbildcharakter für die gesamte Republik zu entfalten scheinen 22 . Privatisierungsforderungen stoßen heute auf ein günstiges politisches Umfeld. Die Bundesregierung mißt der Privatisierung wichtige Bedeutung bei der Zukunftssicherung des Standortes Deutschland bei 23 und sieht in ihr einen „Schwerpunkt des wirtschaftspolitischen Handelns in
18 So Martin Schulte, Gefahrenabwehr durch private Sicherheitskräfte im Lichte des staatlichen Gewaltmonopols, DVBl. 1995, S. 130 ff. (S. 131); bezeichnend auch der Titel des Beitrags von BerndJeand'Heur, Von der Gefahrenabwehr als staatlicher Angelegenheit zum Einsatz privater Sicherheitskräfte, AöR 119 (1994), S. 107 ff.; ferner Christoph Gusy, Vom Polizeirecht zum Sicherheitsrecht, Staatswissenschaften und Staatspraxis 5 (1994), S. 187 ff. (S. 197 ff.). 19 Zu dieser Primäraufgabe und weiteren gesetzlichen Aufträgen der Treuhandanstalt s. etwa Reiner Schmidt, Aufgaben und Struktur der Treuhandanstalt im Wandel der Wirtschaftslage, in: Peter Hommelhoff (Hrsg.), Treuhandunternehmen im Umbruch, 1991, S. 17 ff. (S. 22 ff.); Matthias Schmidt-Preuß, Die Treuhandanstalt und ihr gesetzlicher Auftrag, Die Verwaltung 25 (1992), S. 327 ff.; Wolf gang Spoerr, Verfassungsfragen der Organisation der Treuhandanstalt, Jura 1993, S. 461 ff. (S. 461 f.); Rolf Stober, Zum Sanierungsauftrag der Treuhandanstalt, 1993. 20 Vgl. Gunnar Folke Schuppert, Die Treuhandanstalt - zum Leben einer Organisation im Uberschneidungsbereich zweier Rechtskreise, Staatswissenschaften und Staatspraxis 3 (1992), S. 186 ff. 21 Statt vieler Kronberger Kreis (Fn. 4), insbes. S. 7 f. 22 Als Beispiele dafür werden in der Privatisierungsdiskussion u. a. thematisiert: die aus der „Knappheit geborene (restriktive) Aufgabenpolitik" (vgl. Klaus König, Kommunalisierung, Verselbständigung, Privatisierung, DÖV 1993, S. 1076 ff. [S. 1083]), das im Baurecht neuartige Planungsinstrument eines Vorhaben- und Erschließungsplanes (dazu Schulze-Fielitz, DVBl. 1994, S. 657 ff. [S. 666] und Wolfgang HoffmannRiem, Ermöglichung von Flexibilität und Innovationsoffenheit im Verwaltungsrecht, in: ders., Eberhard Schmidt-Aßmann [Hrsg.], Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, 1994, S. 9 ff. [S. 45] unter Hinweis auf § 55 BauZVO-DDR und § 7 BauGBMaßnG) sowie die Einschaltung privatrechtlich organisierter Einrichtungen in die Verkehrswegeplanung und den Verkehrswegebau (vgl. Rainer Wahl, Die Einschaltung privatrechtlich organisierter Verwaltungseinrichtungen in den Straßenbau, DVBl. 1993, S. 517 ff. [S. 517]). 23 Vgl. Bericht der Bundesregierung zur Sicherung des Standortes Deutschland, BT-Drucks. 12/5620, S. 12, 51 f.
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den nächsten Jahren" 24 . Charakteristisch für die derzeit vorherrschende Grundströmung 25 ist ein im vergangenen Jahr vorgelegtes Privatisierungskonzept der Sächsischen Staatsregierung, das durch den Abbau entbehrlicher Verwaltungsaufgaben, die Straffung bzw. Vereinfachung von Verfahrensregelungen und -abläufen sowie die weitmöglichste Übertragung bisher vom Staat erfüllter Aufgaben auf Dritte „die Verwaltung auf den Kernbestand der staatlichen Aufgabenstellung" reduzieren will. Zur Erreichung dieses Zieles werden u. a. folgende Mittel genannt: eine Kommission, die halbjährlich Privatisierungsvorschläge unterbreitet, eine an den Grundsätzen des Subsidiaritätsprinzips ausgerichtete Prüfpflicht und Darlegungslast bei Gesetz- und Verordnungsentwürfen, eine durch Haushaltsdurchführungserlaß geregelte Verpflichtung zur Suche nach alternativen privatwirtschaftlichen Lösungen sowie ein in zweijährigem Turnus zu erstellender Privatisierungsbericht der Staatsregierung 26 . Als eine der ersten praktischen Auswirkungen dieses Vorstoßes zeichnet sich der „private Baugenehmiger" ab; in dem neuen Sächsischen Aufbaubeschleunigungsgesetz ist nämlich eine Verordnungsermächtigung für „die Übertragung der Aufgaben und Befugnisse der unteren Bauaufsichtsbehörde auf Sachverständige" enthalten 27 . Insgesamt macht das Konzept deutlich, daß sich Privatisierung politisch tendenziell zu einem ubiquitären Phänomen ausweitet.
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Jahreswirtschaftsbericht 1993 der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4330, S. 27. Zusammenstellung des aktuellen politischen Spektrums (einschl. krit. Stimmen)
bei Schock, DVB1. 1994, S. 1 ff. (S. 1); ders., Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, DVBl. 1994, S. 962 ff. (S. 965 f.). 26 Sächsische Staatskanzlei, Privatisierungskonzept der Staatsregierung, SächsLTDrucks. 1/3524, Zitat: S. 2; im Folgenden abgekürzt: Sächsisches Privatisierungskonzept. Die im Text angesprochene Prüfpflicht und Darlegungslast wurde bereits am 2. 11. 1993 in die Geschäftsordnung der Sächsischen Staatsregierung aufgenommen (SächsAbl. S. 1266). S. zu dem Konzept auch Georg Brüggen, Das Privatisierungskonzept der Sächsischen Staatsregierung, Finanzwirtschaft 1994, S. 57 ff. 27 Art. 3 Nr. 62 lit. b. Gesetz zur Beschleunigung des Aufbaus im Freistaat Sachsen (Sächsisches Aufbaubeschleunigungsgesetz - SächsAufbauG) vom 4. 7. 1994 (SächsGVB1. S. 1261). Ausweislich der ursprünglichen Entwurfsbegründung soll die Ermächtigung „für einen Modellversuch genutzt werden, um überprüfen zu können, ob eine gänzliche Privatisierung der Baugenehmigungsverwaltung die vermuteten Wirkungserwartungen tatsächlich hervorbringt" (SächsLT-Drucks. 1/4096, S. 3 und eingehender S. 78). Krit. gegenüber diesem Privatisierungsansatz Christoph Degenhart, Das Sächsische Aufbaubeschleunigungsgesetz - Chancen und Risiken, SächsVBl. 1995, S. 1 ff.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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B. Privatisierung als Rechtsproblem I. Terminologische
Vorklärungen
Die rechtliche Behandlung der „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben" setzt zunächst eine Verständigung über den nicht klar konturierten28 Gegenstand voraus. 1.
Verwaltungsaufgaben
Verwaltungsaufgaben verweisen auf das lange Zeit vernachlässigte „Entwicklungsland"29 der Staatsaufgabenlehre und die erst kürzlich als „dringendes Desiderat" 30 aufgezeigte Lehre von den Verwaltungsaufgaben. Obschon man sich von einer solchen Aufgabenlehre weitreichende Erkenntnisgewinne für die Privatisierungsdebatte erhofft31, ist hier nicht der Ort, sie zu entwerfen. Statt dessen muß es genügen, aus den langjährigen Bemühungen um die Trias „Öffentliche Aufgaben - Staatsaufgaben - Verwaltungsaufgaben"32 für den Begriff der Verwaltungsaufgaben ein 28 Vgl. zum Terminus „Verwaltungsaufgaben" nur Prodomos Dagtoglou, Die Beteiligung Privater an Verwaltungsaufgaben, D Ö V 1970, S. 532 ff. (S. 534: „wenig eindeutig") sowie allgemein zur Problematik der Bestimmung „öffentlicher Aufgaben" Gunnar Folke Schuppert, Die öffentliche Aufgabe als Schlüsselbegriff der Verwaltungswissenschaft, VerwArch 71 (1980), S. 309 ff.; und zum Privatisierungsbegriff statt vieler Joachim Wieland, Privatisierung statt Selbstverwaltung?, Der Landkreis 1994, S. 259 ff. (S. 260: „in der allgemeinen wie auch in der fachlichen Diskussion ... merkwürdig vieldeutig"). 29 Josef Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: ders./ Paul Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, 1988, S. 3 ff. (S. 61). 30 Vgl. Rainer Wahl, Die Aufgabenabhängigkeit von Verwaltung und Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 177 ff. (insbes. S. 181). 31 Z. B. Horst Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, S. 252 f. Fn. 178. 32 Z. B. Hans Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, in: Rudolf Dietz, Heinz Hübner (Hrsg.), FS Hans Carl Nipperdey, Bd. II, 1965, S. 877 ff.; Hans H. Klein, Zum Begriff der öffentlichen Aufgabe, D Ö V 1965, S. 755 ff.; Wolfgang Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 117 ff.; Fritz Ossenhiihl, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, W D S t R L 29 (1971), S. 137 ff. (S. 151 ff.); Hans-Ullrich Gallwas, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch unentgeltliche Dienstleistung Privater, BayVBl. 1971, S. 245 ff. (S. 245); Dagtoglou, D Ö V 1970, S. 532 ff. (S. 534); Hans Peter Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl., 1977, S. 43 ff.; Sibylle v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 13 ff.; Isensee (Fn. 29), S. 63 ff.; zur - umstrittenen - Rechtsprechung s. BVerfGE 12,205 (243); 30, 292 (311 f.); 53,366(401).
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zweckmäßiges Verständnis aufzunehmen. Danach sind Verwaltungsaufgaben alle Angelegenheiten, die der Verwaltung durch Rechtssatz übertragen oder von ihr in rechtlich zulässiger Weise wahrgenommen w e r den 3 3 .
2.
Privatisierung Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Erfassung des Privatisie-
rungsbegriffs, hinter dem sich bekanntlich kein einheitliches Phänomen verbirgt 3 4 . Ungeachtet der beträchtlichen Randunschärfen meint Privatisierung im allgemeinen aber die Verlagerung v o n Angelegenheiten, die bisher von der öffentlichen H a n d wahrgenommen wurden, in den privaten Bereich 3 5 einschließlich der vorgelagerten Grauzonen 3 6 . T r o t z zwi33 Ähnlich Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 200 Fn. 152. Mit diesem Verständnis verbinden sich insbes. zwei Festlegungen: Zum einen wird auf eine vor- oder außerrechtliche Bestimmung der Verwaltungsaufgaben etwa nach Maßgabe der „herrschenden staatspolitischen Anschauungen" (so aber Dagtoglou, D O V 1970, S. 532 ff. [S. 534]; für obligatorische Staatsaufgaben ähnlich Isensee [Fn. 29], S. 69 unter Hinweis auf das herrschende Staatsverständnis und die herrschenden sozialethischen Wertungen) verzichtet. Und zum anderen wird der Bestand an Verwaltungsaufgaben im Rahmen des positiven Rechts „offen" gehalten (vgl. Ossenbühl, W D S t R L 29 [1971], S. 137 ff. [S. 1 5 3 J ü r g e n Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, S. ib·, Joachim Grünewald, Privatisierung öffentlicher Aufgaben - Möglichkeiten und Grenzen, in: Jörn Ipsen [Hrsg.], Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1994, S. 5 ff. [S. 14]; Walter Frenz, Das duale System zwischen öffentlichem und privatem Recht, GewArch 1994, S. 145 ff. [S. 148]); das trägt der Einsicht Rechnung, daß sich die Zuordnung einzelner Aufgaben zum öffentlichen oder privaten Bereich im Zeitverlauf wandeln kann und schließt damit grundsätzlich auch die Möglichkeit von Privatisierungsmaßnahmen ein. 34 Neben verschiedenen Varianten „echter" und „unechter", „eigentlicher" und „uneigentlicher" Privatisierungen werden dieser Rubrik u. a. zweckgebundene Subventionen (Wemhard Möschel, Privatisierung, Deregulierung, Wettbewerbsordnung, JZ 1988, S. 885 ff. [S. 887]), reglementierende Eingriffe gegenüber Privaten und die Einführung kaufmännischer Buchführung in öffentlichen Bereichen (vgl. die Zusammenstellung bei Franz-Ludwig Knemeyer, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, WiVerw 1978, S. 65 ff. [S. 66]), Konzessionen und Finanzierungsauslagerungen (vgl. z. B. Wieland, Der Landkreis 1994, S. 259 ff. [S. 260]), neuerdings auch Kooperationen im Verwaltungsverfahren und die faktische Steuerung der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch private Normsetzung (Schoch, DVBl. 1994, S. 962 ff. [S. 974 ff.]) zugeschlagen. 35 Z. B. Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65 ff. (S. 67); Wolfgang Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 16; Rupert Scholz/Josef Aulehner, „Postreform II" und Verfassung, Archiv PT 1993, S. 221 ff. (S. 238). 36 Zu diesen Grau- und Grenzzonen vgl. Gunnar Folke Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die öffentliche Hand, private Anbieter und Organisationen des Dritten Sektors, in: Ipsen (Fn. 33), S. 17 ff. und Wellenstein (Fn. 17), S. 6.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
251
schenzeitlicher Positivierung 37 kommt dem im umfassenden Sinn verstandenen Stichwort „Privatisierung" dabei keine rechtsdogmatische, sondern lediglich heuristische Funktion zu. Es dient als Chiffre für U m verteilungsprozesse „hin zum Privaten" 38 , macht auf tiefgreifende Veränderungen des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft 39 aufmerksam und regt die Rechtslehre an, die normativen Direktiven für Privatisierungsvorgänge zu sichten, zu ordnen und zu strukturieren.
II.
Typologische Erscheinungsformen
1. Vermögens-,
Organisations- und
von
Privatisierung
Aufgabenprivatisierung
Für eine erste Systematisierung greift man häufig auf die in der Rechtswirklichkeit anzutreffenden Erscheinungsformen von Privatisierungen zurück, die sich bezüglich des Privatisierungsgegenstandes typologisch in die drei gängigen Hauptgruppen 40 „Vermögens-", „Organisations-" und „Aufgabenprivatisierung" einteilen lassen41. § 7 Abs. 1 Satz 2 B H O ; Näheres dazu unter C.IV. Hans Herbert v. Arnim./Rolf Borell/Gustav Vogt, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, 1978, S. 9; Wel37 38
lenstein (Fn. 17), S. 1. 39 Insbes. auf das „osmotische Ineinanderdringen" (Roman Loeser, Verwaltung in Privatrechtsform?, Der Staat 27 [1988], S. 453 ff. [S. 457]) der beiden Bereiche bis hin zur Vision einer Staat und Gesellschaft umfassenden „Schicksalsgemeinschaft" (Peter Haberle, Grundrechte im Leistungsstaat, W D S t R L 30 [1972], S. 43 ff. [S. 62 Fn. 70]); vgl. auch Hans-Detlef Horn, Staat und Gesellschaft in der Verwaltung des Pluralismus, Die Verwaltung 26 (1993), S. 545 ff. (insbes. S. 563). W. Nachw. bei Adrian v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992, S. 9 ff. 40 In der Literatur wird zum Teil mit anderen Einteilungen gearbeitet; vgl. ζ. Β .Rolf Stober, Möglichkeiten und Grenzen einer Privatisierung der kommunalen Abfallentsorgung, in: Peter J. Tettinger (Hrsg.), Rechtlicher Rahmen für Public-Private-Partnerships auf dem Gebiet der Entsorgung, 1994, S. 25 ff. (S. 28); Wemhard Möschel, Privatisierung als ordnungspolitische Aufgabe, in: Hermann Lange u. a. (Hrsg.), FS Joachim Gernhuber, 1993, S. 905 ff. (S. 906 ff.); ders., J Z 1988, S. 885 ff. und Monopolkommission (Fn. 4), S. 23 sowie die Zusammenstellung bei v. Hagemeister, a. a. O., S. 43 ff. 41 Danach werden bei der Vermögensprivatisierung Eigentumspositionen und Vermögenswerte der öffentlichen Hand, also beispielsweise Grundvermögen und Wirtschaftsunternehmen, auf Private übertragen. Auf Bundesebene haben solche Vermögensprivatisierungen im Bereich des Beteiligungsbesitzes in den vergangenen rund zwölf Jahren Erlöse in Höhe von 11,6 Milliarden D M eingebracht, also durchschnittlich etwa eine Milliarde D M pro Jahr; die Zahl der Bundesbeteiligungen wurde dabei von 958 auf unter 400 reduziert (Bericht der Bundesregierung zur Verringerung von Beteiligungen und Liegenschaften des Bundes, BT-Drucks. 12/6889, S. 1). Nach Einschätzung des Bundes liegt das größte Privatisierungspotential bei Ländern und Ge-
252 2. Teilprivatisierungen,
Hartmut Bauer Mischformen
und
Übergänge
Damit sind allerdings nur idealtypische Grundformen
gewonnen,
deren systematisierende Ordnungskraft beschränkt ist. Denn in der V e r waltungswirklichkeit treten häufig Teil- und Mischformen auf - so ζ. B. die Kombination einer Organisationsprivatisierung mit der späteren O p tion für eine (Teil-)Vermögensprivatisierung 4 2 , die Gründung von gemischt· wirtschaftlichen Unternehmen, in denen öffentliche Verwaltung und Private in gesellschaftsrechtlichen Organisationsformen miteinander kooperieren 4 3 oder eine auch als funktionale Privatisierung bezeichnete Variante der Aufgabenteilprivatisierung, bei der zwar die Aufgabe dem Verwaltungsträger zugeordnet bleibt, bei der Aufgabenerledigung aber ein Privater hinzugezogen wird 4 4 . Zusammen mit zahlreichen weiteren Differenzierungen sowie der heute bereits erreichten Vielfalt „von staatlichen, halbstaatlichen und privaten Anbietern öffentlicher Leistungen" und dem zwischen ihnen bestehenden N e t z w e r k v o n Kooperationsbeziehungen 4 5 zeigen diese Beispiele, daß Privatisierung „in Begriff und P r o g r a m m eine stark simplifimeinden (vgl. BT-Drucks. 12/6889, S. 3; BT-Drucks. 12/6720, S. 3). Bei der Organisationsprivatisierung bedient sich der Verwaltungsträger der Formen des Privatrechts, ohne sich jedoch seiner Aufgabe zu entäußern. Die Aufgabe bleibt vielmehr als Verwaltungsaufgabe definiert, wird jedoch nicht in öffentlich-rechtlicher, sondern in privatrechtlicher Form wahrgenommen - etwa in der Organisationsform einer AG oder GmbH (man spricht deshalb auch von formeller Privatisierung; vgl. ζ. B. Monopolkommission [Fn. 4], S. 23). Dadurch entstehen „privatrechtliche Trabanten" (Arnold Röttgen) der Verwaltungsorganisation, die schon bisher eine herausragende Rolle spielen und u. a. auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet tätig sind (vgl. die Zusammenstellung bei Rolf Stober, Die privatrechtlich organisierte öffentliche Verwaltung, NJW1984, S. 449 ff. [S. 451]). Schließlich wird bei An Aufgabenprivatisierung eine bisher von der öffentlichen Hand wahrgenommene Aufgabe auf den privaten Bereich übertragen; die Verwaltung zieht sich aus der Aufgabe zurück, die nunmehr dem privaten Zugriff offensteht und privatem Handeln überlassen bleibt. Diese nicht selten als Privatisierung „im eigentlichen Sinn" bezeichnete Verlagerung bewirkt eine Verringerung des Aufgabenbestandes und führt damit zu einer Entlastung der Verwaltung. In ihren unterschiedlichen Spielarten gewinnt sie in der Praxis zunehmend an Bedeutung; vgl. etwa für den kommunalen Bereich Gertrud Witte, Privatisierung städtischer Aufgaben, Der Städtetag 1994, S. 524 ff. (S. 525). 42 Diese Kombination findet sich beispielsweise im neuen Eisenbahnverfassungsrecht für die Eisenbahnen des Bundes (Art. 87e Abs. 3 GG). 43 Vgl. Schock, DVB1.1994, S. 1 ff. (S. 3) unter Hinw. auf den Entsorgungssektor. 44 Diese Form kooperativer Aufgabenerledigung übt derzeit vor allem in den neuen Ländern auf kommunaler Ebene große Anziehungskraft aus, weil sie im Bereich der Pflichtaufgaben die Möglichkeit eröffnet, privates Kapital und private Initiative für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben zu mobilisieren; siehe dazu Witte, Der Städtetag 1994, S. 524 ff. (S. 525). 45 Vgl. Schuppert (Fn. 36), S. 18.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
253
zierende Bezeichnung" für sehr komplexe Vorgänge ist 4 6 . Die Praxis der Privatisierung kennt viele Nuancen, die sich zwischen den Zuordnungspolen „staatlich" und „privat" bewegen und in der Intensität an vorbehaltenen staatlichen Steuerungsmöglichkeiten unterscheiden; das E n d e der Skala ist erreicht, wenn die staatliche Kontrolle nicht mehr größer ist als bei anderen Angelegenheiten des privaten Sektors 4 7 .
III.
Die normative
1. Das Rechtsregime
Steuerung für
von
Privatisierungsvorgängen
Privatisierungen
Privatisierungen werden durch zahlreiche Vorschriften rechtlich geregelt. Sieht man von völkerrechtlichen Bezügen der Thematik 4 8 ab, dann setzt sich das Rechtsregime für Privatisierungsvorgänge aus verschiedenartigen ineinandergreifenden N o r m k o m p l e x e n des Europarechts sowie des nationalen Verfassungs-, Haushalts-, K o m m u n a l - und sonstigen Verwaltungsrechts von Bund bzw. Ländern zusammen; hinzu k o m m e n zivilrechtliche Regelungsmaterien. Entsprechend weitläufig sind die P r o blemfelder 4 9 ; das macht Beschränkungen unausweichlich. 46 Vgl. Eberhard Schmidt-Aßmann/Hans Cr. Röhl, Grundpositionen des neuen Eisenbahnverfassungsrechts (An. 87e GG), DÖV 1994, S. 577 ff. (S. 582); Schoch, DVB1.1994, S. 1 ff.; ders., DVB1.1994, S. 962 ff. (S. 966 ff.). 47 Vgl. Reiner Schmidt, Rechtliche Möglichkeiten für Privatisierungen im Bereich der Deutschen Bundespost, in: Peter Badura/Rupert Scholz (Hrsg.), FS Peter Lerche, 1993, S. 965 ff. (S. 971); Hans-Heinrich Trute, The after Privatization: Final Conclusions, Revue Europeéne de Droit Public, Sondernummer 1994, S. 211 ff. (S. 214). Vgl. auch Rudolf Wendt, Haushaltsrechtliche Probleme der Kapitalbeteiligung Privater an öffentlichen Infrastrukturinvestitionen, in: Ipsen (Fn. 33), S. 37 ff. (S. 42); instruktiv auch Walter Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof (Fn. 29), S. 567 ff. (insbes. S. 573, 589 f.). 48 Vgl. z. B. Nikolaus Müller, Rechtsformenwahl bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Institutional choice), 1993, S. 212 ff. unter Hinw. auf das GATT und den internationalen Fernmeldevertrag. 49 Sie reichen bis hin zum Wettbewerbs-, Arbeits-, Haftungs-, Verwaltungsprozeßund Strafrecht. Vgl. etwa zum Wettbewerbsrecht Winfried Brohm, Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand und Wettbewerb, NJW 1994, S. 281 ff.; Alexander Schink, Kommunalverfassungs- und kartellrechtliche Probleme bei der Organisation der öffentlichen Abfallwirtschaft, in: Joachim Bauer/Alexander Schink (Hrsg.), Organisationsformen der öffentlichen Abfallwirtschaft, 1993, S. 5 ff. (S. 28 ff.); zum Arbeitsrecht Wolfgang Schuster/Klaus Beckerle, Arbeitsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, NZA 1985, S. 16 ff.; Helmut Lecheler, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, BayVBl. 1994, S. 555 ff. (S. 559 f.) und zum Haftungsrecht Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 12 ff; Rainer Hofmann, Privatisierung kommunaler Aufgaben, VB1BW 1994, S. 121 ff. (S. 127 ff.).
Hartmut Bauer
254
2. Privatisierung als Prozeß Zur sachgerechten Abschichtung der Problemvielfalt bietet es sich für das hier verfolgte Erkenntnisinteresse der normativen Steuerung50 von Privatisierungsvorgängen an, Privatisierung als Prozeß zu begreifen51. Denn die Aufgabenverlagerung „hin zum Privaten" erschöpft sich nicht in dem einmaligen Akt der Privatisierungsentscheidung. Vielmehr geht dieser Entscheidung eine Phase der Entscheidungsfindung voraus, und ihr folgt die Phase der Entscheidungsumsetzung, nämlich der Aufgabenübertragung nach. Und selbst nach erfolgter Aufgabenübertragung bleiben oftmals noch Verantwortlichkeiten bestehen, die in der englischsprachigen Literatur unter dem Stichwort „After Privatization"52 diskutiert werden. Als nominalisiertes Verb bezeichnet Privatisierung also einen prozeßhaften Vorgang, bei dem sich im wesentlichen die genannten vier Stadien unterscheiden lassen. C. Die normative Steuerung der Entscheidungsfindung In der Phase der Entscheidungsfindung entfalten die an späterer Stelle zu erörternden Regelungen über die Privatisierungsentscheidung, die Aufgabenübertragung und die anschließend häufig fortbestehende Verwaltungsverantwortung bereits normative Vorwirkungen. Denn sie stecken den rechtlichen Rahmen für die weiteren Abschnitte des Privatisierungsprozesses ab und müssen deshalb schon bei der Entscheidungsfindung mit in Bedacht genommen werden. Wie die bis zur Verfassungsanpassung53 reichende Bereitschaft für Rechtsänderungen zeigt, ist das der Privatisierungsentscheidung vorausliegende Stadium jedoch sehr 50 Dazu allgemein Gunnar Volke Schuppen, Verwaltungsrechtswissenschaft als Steuerungswissenschaft, Zur Steuerung des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem u. a. (Fn. 30), S. 65 ff. m. w. N.; ferner Eberhard Schmidt-Aßmann, Zur Funktion des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Die Verwaltung 27 (1994), S. 137 ff. (S. 151 ff.). 51 Dieses Verständnis orientiert sich an in der Verwaltungspraxis anzutreffenden „Phasen einer Privatisierungsentscheidung und -durchführung" (vgl. etwa Wilfried Steinheuer, Privatisierung kommunaler Leistungen, 1991, S. 55 ff.) und ist - wie zu zeigen sein wird - zumindest teilweise normativ angelegt. Vgl. auch die allerdings etwas anders ausgerichteten Überlegungen bei Trute (Fn. 47), S. 218; ebenfalls anders ausgerichtet, aber gleichwohl instruktiv Schuppert (Fn. 36), S. 29 ff. zu „gestreckten Privatisierungsprozessen" . 52 Vgl. dazu die Sondernummer 1994 der Revue Europeéne de Droit Public zum Thema „Privatisation et Droit Public / Privatizations and Public Law" und daraus ins-
bes. die Beiträge von Akkermans (S. 15 ff.), Craig (S. 95 ff.), Morison (S. 117 ff.), Papadopoulou (S. 130 ff.) und Trute (Fn. 47). 53
Vgl. oben Fn. 5 bis 7.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
255
stark (auch) von politischen Überlegungen durchsetzt, die die normative Steuerung ergänzen, teilweise sogar überlagern und daher nicht völlig ausgeblendet werden können. Danach sind vier Gesichtspunkte besonders hervorzuheben: I. Privatisierungsfähige
Gegenstände
Die Entscheidungsfindung über künftige Privatisierungen beginnt mit der Frage nach den privatisierungsfähigen Gegenständen. Für sie wird vielfach die Unterscheidung von ausschließlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben fruchtbar gemacht 54 und etwa denjenigen Bereichen, die durch den dem Staat vorbehaltenen Einsatz physischen Zwanges geprägt sind, also insbesondere Justiz und Zwangsvollstreckung, Polizei und Militär, die Privatisierungsfähigkeit abgesprochen, während die konkurrierenden Staatsaufgaben grundsätzlich dem Privatisierungszugriff offenstehen sollen. Indes finden sich auch bei den angeführten ausschließlichen Staatsaufgaben „Sektoren potentieller und aktueller privater Tätigkeit" mit und ohne Beleihung 55 - die Gefahrenabwehr durch Private 56 belegt dies exemplarisch. Deshalb sollte die Frage nach den privatisierungsfähigen Aufgaben aus der Höhe staatstheoretischer Betrachtungen herabgeführt und in erster Linie anhand des positiven Rechts beantwortet werden 57 , mag man sich im allgemeinen auch auf einen gewissen, der generellen Privatisierung entzogenen Kernbestand staatsvorbehaltener Aufgaben verständigen können 58 .
54 Vgl. hierzu und zum Folgenden mit teilweise abweichender Terminologie („notwendige", „genuine", „originäre" etc. Staatsaufgaben) etwa Helmut Lecheler, Privatisierung - ein Weg zur Neuordnung der Staatsleistungen?, Z B R 1980, S. 69 ff. (S. 69 f.); Isensee (Fn. 29), S. 68 f.; Brüggen, Finanzwirtschaft 1994, S. 57 ff. (S. 59); s. aber auch Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 ff. (S. 153 f. Fn. 76) und - krit. -
Bull (Fn. 32), S. 99 ff. 55 Isensee (Fn. 29), S. 69 mit Beispielen. 56 Christian-Dietrich Bracher, Gefahrenabwehr
durch Private, 1987, S. 40 ff., 115 ff. (für die nicht durch staatliche Beleihung begründete Gefahrenabwehr) und S. 26 ff., 62 ff. (zur Beleihung). Vgl. auch das bayerische Gesetz über die Erprobung einer Sicherheitswacht (Sicherheitswachterprobungsgesetz - SEG) vom 24. 12. 1993 (BayGVBl. S. 1049) und die Nachw. oben in Fn. 18. 57 Vgl. Reiner Schmidt, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben als Problem des Staats- und Verwaltungsrechts, in: Stanislaw Biernat u. a. (Hrsg.), Grundfragen des Verwaltungsrechts und der Privatisierung, 1994, S. 210 ff. (S. 220). 58 Zu solchen „Sine Qua N o n Activities" vgl. etwa die bei Schuppen, VerwArch 71 (1980), S. 309 ff. (S. 314) wiedergegebene Aufgabensystematik nach Richard Rose: Schutz der territorialen Integrität, Aufrechterhaltung der Ordnung im Inneren und Sicherung der finanziellen Basis (Steuern).
256
Hartmut Bauer
II. „ Subsidiarität " und „ Einheit der Verwaltung " als allgemeine normative Direktiven für Privatisierungsvorgänge? Ähnliches gilt für die Prinzipien der „Subsidiarität" 59 und der „Einheit der Verwaltung" 60 , die im Zusammenhang mit Privatisierungsmaßnahmen zwar häufig erwähnt werden, sich jedoch nicht als allgemeingültige Verfassungsrechtssätze nachweisen lassen 61 . Deshalb kann ihnen - über ihre Einzelpositivierungen hinaus - auch keine normative Steuerungskraft für die Bewertung von Privatisierungsvorhaben zukommen.
III. Privatisierungsziele und Zielkonßikte Wichtiger als solche allgemeinen Überlegungen sind die mit Privatisierungsentscheidungen verfolgten Ziele, die neben politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten auch rechtliche Vorgaben aufnehmen. Diese Privatisierungsziele sind vielfältig. Sie reichen von ordnungspolitischen Erwägungen über die Einbeziehung und Nutzung privaten Sachverstandes, privater Initiative und privaten Verwaltungspotentials, die Beschleunigung von Verwaltungsprojekten, größere Flexibilität bei Personalakquisition und -einsatz, höhere Kreditwürdigkeit, Flexibilität im Haushaltsgebaren, Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung, Effizienzsteigerung, höhere Beweglichkeit bei der Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungsträgern und den Abbau von Vollzugsdefiziten bis hin zu atmosphärischen und psyschologischen Aspekten einer stärkeren Orientierung an den Handlungsmustern und Erfolgsstrategien der privaten Wirtschaft 62 .
Dazu vor allem Josef Isensee, Subsidian tätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968. S. dazu den zweiten Beratungsgegenstand „Die Einheit der Verwaltung als Rechtsproblem" der Passauer Staatsrechtslehrertagung mit Berichten von Brun-Otto Bryde und Görg Haverkate, W D S t R L 46 (1988), S. 181 ff., 217 ff. und die Begleitaufsätze von Gunnar Folke Schuppert (DÖV1987, S. 757 ff.), Rudolf Mogele (BayVBl. 1987, S. 545 ff.); Rudolf Wendt (NWVB1. 1987, S. 33 ff.) und Janbernd Oebbecke (DVB1.1987, S. 866 ff.). 61 Statt vieler Müller (Fn. 48), S. 167 ff., 178 ff. m. w. N . 62 S. zu diesen Aspekten etwa Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 ff. (S. 145 ff.); Gunnar Folke Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, 1981, S. 125 ff.; Stober, NJW 1984, S. 449 ff. (S. 452); Werner Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, 1987, S. 19 ff.; Wilfried Erbguth/Frank Stollmann, Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch private Rechtssubjekte?, D Ö V 1993, S. 798 ff.; Lübbe-Wolff/Steenken, Z U R 1993, S. 263 ff. (S. 264). 59 60
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
257
Ein zentrales, wenn nicht sogar das Hauptmotiv ist aktuell jedoch finanzpolitischer Natur 63 und beruht u. a. auf den als Folge der Wiedervereinigung sprunghaft angestiegenen Defiziten der öffentlichen Haushalte. Seit der Herstellung der Einheit Deutschlands wird sich die Staatsverschuldung nämlich bis Ende 1994 mit über zwei Billionen DM mehr als verdoppelt haben, und zur Anpassung der Wirtschaftsstrukturen sowie der Lebensverhältnisse in den neuen Ländern an das westliche Niveau werden mittelfristig Transferleistungen in Höhe von jährlich rund fünf Prozent des Bruttosozialprodukts notwendig sein64. Die auf allen Ebenen schubartig angewachsene Finanznot 65 legt einen Rückgriff auf das als „gewaltig" eingestufte Privatisierungspotential 66 nahe, von dem man sich mögliche „Erlöse in dreistelliger Milliardenhöhe" 67 verspricht, die neben anderem zur Rückführung der Verschuldung verwendet werden könnten 68 . Ob Privatisierungen in dieser Größenordnung realisiert werden, bleibt abzuwarten 69 . Im übrigen ist zweifelhaft, ob die erwähnten Privatisierungsziele stets erreichbar sind. Denn die für eine Verlagerung in den privaten Bereich sprechenden Argumente wurden bei kritischen Durchleuchtungen teilweise deutlich relativiert, ganz abgesehen von befürchteten negativen Privatisierungsfolgen wie Nicht- oder Schlechterfüllung öffentlicher Aufgaben, Reduzierung der Einflußmöglichkeiten auf die Aufgabenerledigung, Verschleierung der öffentlichen Verschuldung, zu63 Vgl. statt vieler Wilfried Berg, Verfassungsfragen wirtschaftlicher Betätigung des Staates, ThürVBl. 1994, S. 145 ff. (S. 145). 64 Näheres dazu bei Hartmut Bauer, Die finanzverfassungsrechtliche Integration des Beitrittsgebiets, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IX, im Er-
s c h e i n e n , A . I . u n d B . II.2.C m . w . N . 65 Allein für den Auf- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wird bis zum Jahr 2010 das Investitionsvolumen des Bundes auf knapp 500 Milliarden DM geschätzt; in etwa demselben Zeitraum werden für den Aufbau einer funktionierenden Ver- und Entsorgungsinfrastruktur in den neuen Ländern weitere 200 Milliarden DM veranschlagt (Klaus Grupp, Rechtsprobleme der Privatfinanzierung von Verkehrsprojekten, DVB1. 1994, S. 140 ff. [S. 140]). Hinzu kommt der beträchtliche Investitionsbedarf für die Erhaltung, Verbesserung und Erweiterung der Infrastruktureinrichtungen in den alten Ländern, der allein für die Abwasserentsorgungssysteme mit über 200 Milliarden DM angegeben wird; dazu Schock, DVB1. 1994, S. 1 ff. (S. 5). Monopolkommission (Fn. 4), S. 25. 67 Jahreswirtschaftsbericht 1993 der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4330, S. 27; ähnlich Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, Gesamtwirtschaftliche Orientierung bei drohender finanzieller Uberforderung, 1992, S. 50. 68 Jahreswirtschaftsbericht 1993, a. a. O. 69 Zur bisherigen Privatisierungspraxis s. Schoch, DVB1.1994, S. 962 ff. (S. 964) und zu dem vielfach erhobenen Vorwurf, Länder und Kommunen hätten ihre Privatisierungsmöglichkeiten bislang zu wenig genutzt, etwa Grünewald (Fn. 33), S. 8,10,11 f.
258
Hartmut Bauer
sätzlicher Verwaltungsaufwand für Kontroll- und Überwachungstätigkeit, Monopolbildungen und Kostenerhöhungen für den Leistungsempfänger 70 . Das alles zeigt, daß die Entscheidungsfindung für konkrete Privatisierungsprojekte in Zielkonflikte eingebunden ist, die generalisierende Aussagen verbieten und letztlich nur für das jeweils in Aussicht genommene Vorhaben anhand einer aufgaben-, sach- und situationsbezogenen Einzelfallanalyse gelöst werden können 71 . Die Entscheidung dieses Zielkonflikts obliegt im Rahmen der Rechtsordnung den hierfür zuständigen staatlichen Organen. IV. Normativer
Privatisierungsdruck
Ungeachtet dessen zeichnet sich gegenwärtig ein gewisser normativer Privatisierungsdruck ab. Als Transmissionsriemen für den gesetzgeberischen Willen zur Privatisierung dient vor allem das Haushaltsrecht. Im Dezember vergangenen Jahres wurde nämlich die in der Bundeshaushaltsordnung enthaltene Verpflichtung zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung dahingehend ergänzt, daß die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit auch zu der Prüfung verpflichten, „inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können" 72 . Außerdem schreibt das neue Gesetz vor, in geeigneten Fällen „im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens festzustellen, inwieweit und unter welchen Bedingungen private Lösungen möglich sind" 73 . Eine ähnliche Neuregelung ist - mit einer Präzisierung des Interessenbekundungsverfahrens 74 - für das Haushaltsgrundsätzegesetz vorgeschlagen. 70 Zu Pro und Contra s. aus der älteren Literatur etwa Däubler (Fn. 35), S. 16 ff., 30 ff.; aus jüngerer Zeit ζ. B. Müller (Fn. 48), S. 112 ff.; Erbgutk/Stollmann, DÖV1993, S. 798 ff. (S. 804 ff.); Lübbe-Wolfj/Steenken, ZUR 1993, S. 263 ff. (S. 264 f.); Wieland, Der Landkreis 1994, S. 259 ff. (S. 260). Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß Einzelüberprüfungen konkreter Privatisierungsprojekte u. a. aus finanziellen Gründen wiederholt zu einem negativen Ergebnis geführt haben; dazu etwa Friedhelm van Vorst, Das Duisburger Modell der Organisation der Abfallentsorgung, in: Bauer/Schink (Fn. 49), S. 97 ff. (S. 98 f.); Wahl, DVB1. 1993, S. 517 ff. (S. 519); Schock (Fn. 13), S. V; vgl. auch Müller (Fn. 48), S. 116 ff. 71 Vgl. etwa Schuppert (Fn. 36), S. 32; Schoch, DVB1. 1994, S. 962 ff. (S. 966 f.). 72 Art. 11 Nr. 1 Erstes Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. 12. 1993 (BGBl. I S. 2353). 73 Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes (Fn. 72). 74 Danach ist in geeigneten Fällen „privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken die-
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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Diese Vorschriften setzen im Vorfeld von Privatisierungsentscheidungen an, statuieren für dieses Stadium Prüfpflichten und Darlegungslasten, richten für die von ihnen erfaßten Bereiche ein eigenes Verfahren ein und üben damit zumindest sanften Druck auf eine Entscheidungsfindung in Richtung „Privatisierung" aus75, ohne jedoch eine generelle Privatisierungspflicht zu installieren76. Vergleichbare Tendenzen sind in anderen Regelungsmaterien erkennbar77. D. Die normative Steuerung der Privatisierungsentscheidung Wie bereits erwähnt78, werden Privatisierungsentscheidungen durch eine Vielzahl von Normen unterschiedlicher Rangstufen gesteuert. I. Europarechtliche
Direktiven
Für das Europarecht liegt die Privatisierungsrelevanz zwar nicht ohne weiteres auf der Hand, weil der EG-Vertrag keine ausdrücklichen Aussagen zur Privatisierung trifft. Im Gegenteil: Nach Art. 222 EGV läßt der nende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder besser erbringen können". So Art. 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfs der Fraktionen der C D U / C S U und F.D.P. zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Bundeshaushaltsordnung vom 1.2. 1994, BT-Drucks. 12/6720, S. 2; nach Art. 2 des Gesetzentwurfs wird diese Konkretisierung des Interessenbekundungsverfahrens auch zur Aufnahme in die Bundeshaushaltsordnung vorgeschlagen. 7 5 Ausweislich der Gesetzesmaterialien bezweckt die Neuregelung eine gegenüber der bisherigen Praxis „entschlossenere" Uberprüfung der Privatisierungsmöglichkeiten, eine nachdrückliche Verstärkung des Prüfungsauftrags und die deutliche Verstärkung von Initiativen zur Privatisierung von öffentlichen Unternehmen und Aufgaben (a. a. O., S. 3). 76 Aus diesem Grund dürften die im Gesetzgebungsverfahren gegen die Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes wegen der Einengung des politischen Handlungsspielraums der Länder und Kommunen geäußerten verfassungsrechtlichen Vorbehalte (BT-Drucks. 12/7292, S. 5) nicht überzeugen; denn es wird lediglich ein Prüfverfahren, nicht aber eine Privatisierungspflicht eingerichtet. 77 Ζ. B. Verschärfungen gegenüber der herkömmlichen Subsidiaritätsklausel für die wirtschaftliche Betätigung im kommunalen Wirtschaftsrecht einiger Länder sowie geplante Änderungen des Steuerrechts, mit der die Privatisierung im Entsorgungsbereich vorangetrieben werden soll (vgl. zu diesen beiden Komplexen Friedrich Schoch, Der Beitrag des kommunalen Wirtschaftsrechts zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben, D Ö V 1993, S. 377 ff. [insbes. S. 377,379 f.]; ders., DVB1.1994, S. 962 ff. [S. 966, 972]; vgl. zum Steuerrecht nunmehr auch B F H E 173,254) und der in Aussicht genommene Einsatz des „goldenen Zügels" der Förderungspolitik zur Privatisierungssteuerung (so das Sächsische Privatisierungskonzept [Fn. 26], S. 14; dazu Brüggen, Finanzwirtschaft 1994, S. 57 ff. [S. 61]). 78
Oben B.III.l.
260
Hartmut Bauer
Vertrag „die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt"; auch bleibt die Binnenwirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten weitgehend in nationaler Souveränität 79 . Dem entspricht die verbreitete Feststellung, die EG-Wirtschaftsverfassung 80 verhalte sich gegenüber den mitgliedstaatlichen Wirtschaftsverfassungen „neutral" und gehe von einer Koexistenz des öffentlichen und privaten Sektors aus 81 . Daraus wird zuweilen gefolgert, daß das Europarecht auf Privatisierungen kaum einwirke 82 und bei der Analyse der für Privatisierungsvorgänge maßgeblichen Rechtsordnung vernachlässigt werden könne 83 . Indes dürfte sich die These von der „Privatisierungsneutralität" des Europarechts à la longue kaum aufrecht erhalten lassen84, und zwar in mehrfacher Hinsicht 85 :
79 Vgl. Art. 2,3a Abs. 1 i.V.m. Art. 102a ff. EGV sowie bereits Reiner Schmidt, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, WDStRL 36 (1978), S. 65 ff. (S. 78). 80 Vgl. zum Begriff Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 563 ff. (S. 567); eingehend Jürgen Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, 1992, insbes. S. 26 ff. m. w. N. 81 Vgl. EuGH, Rs. 182/83 (Fearon), Slg. 1984, S. 3677 (S. 3685); Ulrich Everting, Eigentumsordnung und Wirtschaftsordnung in der EG, in: Fritz Baur u. a. (Hrsg.), FS Ludwig Raiser, 1974, S. 379 ff. (S. 381 ff.); Kay Hailbronner, Öffentliche Unternehmen im Binnenmarkt - Dienstleistungsmonopole und Gemeinschaftsrecht, NJW 1991, S. 593 ff. (S. 593); Ingfried F. Hochbaum, in: Hans von der Groeben/Jochen Thiesing/Claus-Dieter Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl. (1991), Bd. IV, Art. 222, Rdn. 5; Michael Schweitzer, in: Eberhard Grabitz (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Lieferung: Juni 1990, Art. 222, Rdn. 1 ff. 82 Günter Püttner, Rechtliche Rahmenbedingungen der Privatisierung, in: Helmut Brede (Hrsg.), Privatisierung und die Zukunft der öffentlichen Wirtschaft, 1988, S. 257 ff. (S. 261). 83 So Schock, DVBl. 1994, S. 962 ff. (S. 969). 84 Hinsichtlich der Wirtschaftsverfassung allgemein gegen die - isoliert betrachtet - zu simplifizierende „Neutralitätsthese" Thomas Oppermann, Europarecht, 1991, S. 306 ff. (S. 309 f.); Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 1990, S. 80 ff. (S. 83) und Hubert Weis, Verstaatlichung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, NJW 1982, S. 1910 ff. (S. 1910,1914). 85 Die im folgenden Text angesprochenen Aspekte haben lediglich exemplarischen Charakter. Ergänzend ist u. a. auf das Beihilferegime (Art. 92 ff. EGV) hinzuweisen, dem teilweise ebenfalls „Privatisierungsrelevanz" zugesprochen wird; so insbes. von Jürgen Basedow, Von der Deregulierung zur Privatisierung, in: Klaus Letzgus u. a. (Hrsg.), FS Herbert Helmrich, 1994, S. 769 ff. (S. 779 f.) unter Hinw. auf eine Entscheidung der Kommission, die eine Kapitalaufstockung bei dem staatlichen Automobilkonzern Alfa Romeo für unzulässig erklärte (Entscheidung der EG-Kommission vom 31. 5. 1989, ABl. EG 1989 L 394, S. 9 ff.). Außerdem kann das EG-Recht auch impulsgebend für und normativ vorordnend auf Privatisierungsvorgänge einwirken, wie erst kürzlich anhand der europarechtlichen Determinanten für die Bahnstrukturreform (Staatsdistanz der Eisenbahnen des Bundes ohne Präjudizierung der
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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Zum einen werden im Zuge der europäischen Deregulierungs- und Liberalisierungswelle erste „gemeinschaftsrechtliche Ansätze zur Begründung von Privatisierungspflichten" 8 6 ausgemacht. Rechtliche Anknüpfungspunkte dafür liefert als Konkretisierung des nunmehr insbesondere 8 7 in Art. 3a Abs. 1, 102a E G Y verankerten „Grundsatzes der offenen Marktwirtschaft
mit freiem W e t t b e w e r b " 8 8
die
Wettbewerbs-
ordnung (Art. 85 ff. E G V ) und namentlich A r t . 9 0 E G V , der die öffentlichen Unternehmen bestimmten Restriktionen unterwirft 8 9 . Aus der Verbindung von A r t . 9 0 E G V mit Art. 8 5 , 8 6 E G V 9 0 werden nämlich Beschränkungen der Ausübung von Ausschließlichkeitsrechten hergeleitet. So hat etwa der E u G H das Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit bezüglich der Vermittlung von Führungskräften für unzulässig erklärt 9 1 . Ahnliche Entwicklungen sind bei anderen Dienstleistungsmonopolen 9 2 zu beobachten; als Beleg dafür mag der Hinweis auf
privaten Rechtsform) von Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV1994, S. 577 ff. (S. 579 f., 582) eingehend dargestellt wurde; zum Parallelproblem im Post- und Telekommunikationsbereich siehe jetzt Ludwig Grämlich, Von der Postreform zur Postneuordnung, NJW 1994, S. 2785 ff. Und schließlich lassen sich faktische Privatisierungszwänge „in Fällen nicht ausschließen, in denen die öffentliche Hand den von der EG gestellten Bedingungen bei Eigenregie nicht nachkommen kann"; so Günter Piittner, Privatisierung, LKV 1994, S. 193 ff. (S. 194). 86 Basedow, a. a. O., S. 779. 87 Vgl. auch Art. 2,3, 7, 7a i.V.m. Art. 30 ff., 52 ff., 59 ff., 85 ff. EGV. 88 Vgl. Albert Bleckmann, Der Vertrag über die Europäische Union, DVB1. 1992, S. 335 ff. (S. 341); Hans-Werner Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 28 f., 207 f.; für die frühere Rechtslage nach dem EWGV vgl. etwa Emst-Joachim Mestmäcker, Auf dem Wege zu einer Ordnungspolitik für Europa, in: ders. u. a. (Hrsg.), FS Hans von der Groeben, 1987, S. 9 ff. (S. 16 ff.); Rolf Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 8. Aufl., 1993, S. 57 ff.; s. aber auch Bengt Beutler, in: ders. u. a., Die Europäische Union, 4. Aufl., 1993, S. 67. 89 Ausgespart bleiben muß hier der für staatliche Handelsmonopole, nicht aber für Dienstleistungsmonopole geltende Art. 37 Abs. 1 EGV. 90 Der Gerichtshof stellt seit längerem in ständiger Rechtsprechung eine Verbindung zwischen den Art. 85 und 86 EGV einerseits und Art. 90 EGV andererseits her (grundlegend die Entscheidung im Fall „British Telecom": EuGH, Rs. 41/83 [Italien/Kommission], Slg. 1985, S. 873 ff.); vgl. neben den Nachw. in den folgenden Anmerkungen auch EuGH, verb. Rs. C-48/90 und C-66/90 (Niederlande u. a./ Kommission), Slg. 11992, S. 565 ff. (S. 634). S. zum Zusammenspiel dieser Rechtssätze neuerdings ferner EuGH, Rs. C-393/92 (Gemeinde Almelo), EuZW 1994, S. 408 ff. (S. 410 f.) sowie zu den zur „mißbräuchlichen Ausnutzung" im Sinne von Art. 86 EGV entwickelten Fallgruppen Jürgen Basedow, Europarechtliche Grenzen des Postmonopols, EuZW 1994, S. 359 ff. (S. 360 f.) m. w. N. 91 EuGH, Rs. C-41/90 (Macroton), Slg. 11991, S. 2010 ff. (S. 2017 f.). 92 Siehe dazu den Uberblick bei Volker Emmerich, in: Manfred A. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, H. II, S. 6 ff.
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eine vom EuGH nicht beanstandete 93 , auf Art. 90 Abs. 3 EGV gestützte Richtlinie der Kommission über die Aufhebung von Monopolen für die Einrichtung, die Inbetriebsetzung und die Wartung von Endgeräten der Telekommunikation 94 genügen. Das wird man wohl zumindest als europarechtlichen Privatisierungsdruck qualifizieren können 95 , auch wenn der EuGH unlängst anläßlich der Uberprüfung eines Einfuhrverbotes für ein lokales Stromversorgungsunternehmen unter Hinweis auf Art. 90 Abs. 2 EGV die privatisierungsfreundliche Politik der Kommission 96 möglicherweise etwas konterkariert hat 97 . Zum anderen sind bei der Beauftragung privater Unternehmen nicht selten die Anforderungen des EG-Vergaberechts 98 zu beachten, die Pri93 Der EuGH begründet seine Entscheidung u. a. mit der Überlegung, es sei nicht sichergestellt, daß der Inhaber des Monopols in der Lage sei, die gesamte Palette der auf dem Markt vorhandenen Modelle anzubieten. Vgl. EuGH, Rs. C-202/88 (Frankreich u. a./Kommission), Slg. 11991, S. 1259 ff. (S. 1268); parallel gelagert war die die RL 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste (ABl. EG 1990 L 192, S. 10) betreffende Entscheidung des EuGH in der verb. Rs. C-271/90, C-281/90 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Archiv PT 1993, S. 67 ff. Nach Claus-Dieter Ehlermann, Telekommunikation und europäisches Wettbewerbsrecht, EuR 1993, S. 134 ff. (S. 138) dient der Telekommunikationsbereich der EG als „Vorbild für die Öffnung anderer Gebiete der Daseinsvorsorge, wie die Versorgung mit Elektrizität und Gas, die Post, der Verkehr". 94 RL 88/301/EWG, ABl. EG 1988 L 131, S. 72 ff.; noch weitergehend RL 90/388/ EWG, ABl. EG 1990 L 192, S. 10 ff. 95 In diesem Sinne Basedow (Fn. 85), S. 780 f.; vgl. auch ders., EuZW 1994, S. 359 ff. (S. 361 ff. zur europarechtlichen Beurteilung des Briefbeförderungsvorbehalts nach § 2 Abs. 4 PostG) und Volker Emmerich, Das Ende eines Monopols, AfP 1987, S. 385 ff. (S. 388); zurückhaltender Hailbronner, NJW 1991, S. 593 ff. (S. 599, 601). Eine generelle europarechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten zur Privatisierung kann freilich nicht angenommen werden; vielmehr ist zwischen der grundsätzlich zulässigen Gründung (vgl. EuGH, Rs. 155/73 [Sacchi], Slg. 1974, S. 409 [S. 430]; Volker Emmerich, Nationale Postmonopole und Europäisches Gemeinschaftsrecht, EuR 1983, S. 216 ff. [S. 223 f.]) und der Ausübung von Ausschließlichkeitsrechten zu differenzieren. 96 Dazu Schmidt (Fn. 57), S. 231. 97 EuGH, Rs. C-393/92 (Gemeinde Almelo), EuZW 1994, S. 408 ff. (S. 410 f.); vgl. dazu auch Barbara Rapp-Jung, Der Energiesektor zwischen Marktwirtschaft und öffentlicher Aufgabe, EuZW 1994, S. 464 ff. (S. 465 f.). 98 RL 77/62/EWG, ABl. EG 1977 L 13, S. 1 (sog. Lieferkoordinierungs-RL), zuletzt geändert durch RL 80/767/EWG, ABl. EG 1980 L 215, S. 1; RL 71/305/EWG, ABl. EG 1971 L 185, S. 5 (sog. Baukoordinierungs-RL), zuletzt geändert durch RL 89/440/EWG, ABl. EG 1989 L 210, S. 1; RL 90/531/EWG, ABl. EG 1990 L 297, S. 1 (sog. Sektoren-RL); RL 93/38/EWG, ABl. EG 1993 L 199, S. 84 (sog. Sektorendienstleistungs-RL); RL 92/50/EWG, ABl. EG 1992 L 209, S. 1 (sog. DienstleistungsRL); RL 89/665/EWG, ABl. EG 1989 L 395, S. 33 (sog. Überwachungs-RL) und RL 92/13/EWG, ABl. EG 1992 L 76, S. 14 (sog. Sektoren-Überwachungs-RL).
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263
vatisierungen zwar weder fördern noch hindern, aber das Verfahren der Auftragsvergabe durch eine Reihe zwingender Modalitäten kanalisieren. Zu erwähnen ist insbesondere die Sektoren-Richtlinie", die für bestimmte Bereiche 100 etwa die Art des Auftragsvergabeverfahrens, die Öffentlichkeit des Wettbewerbsaufrufs und gewisse Mindestfristen für Antragsteller regelt 101 .
II. Verfassungsrechtliche
Direktiven
Anders als im Gemeinschaftsrecht sind die Direktiven für Privatisierungsentscheidungen im nationalen Verfassungsrecht 102 ein oft bestelltes Feld 103 . Im Ergebnis läßt sich die rechtswissenschaftliche Diskussion ungeachtet aller Abweichungen im Detail - dahingehend zusammenfassen, daß das Grundgesetz Privatisierungen zwar Schranken zieht, insgesamt jedoch großen Spielraum für Privatisierungsmaßnahmen eröffnet 104 . Das bestätigt für das Thema „Privatisierung" den Charakter der Verfassung als Rahmenordnung 105 und erleichtert die Beschränkung auf einen kursorischen Uberblick sowie ausgewählte Rechtsfragen.
1. Privatisierungsverbote und Privatisierungsgebote Für die normative Steuerung interessieren zunächst Privatisierungsverbote und -geböte, die sich im Grundgesetz bekanntlich nur bereichsspezifisch nachweisen lassen. Bei der Suche nach solchen konkreten Privatisierungsverboten wird man vor allem in den staatsorganisationsrechtlichen Vorschriften der " Zur Sektoren-RL (Fn. 98) vgl. Armin v. Bogdandy/Stephan Wernicke, Transatlantischer Streit um das Öffentliche Auftragswesen, EuZW 1993, S. 216 ff. (S. 218 ff.). 100 Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikationssektor. 101 Zu den Einzelheiten vgl. Dieter Carl, Europäische Normen für das öffentliche Auftragswesen, EuZW 1994, S. 173 ff.; Kay Hailbronner, Die Vergabe öffentlicher Aufträge nach europäischem Gemeinschaftsrecht, WiVerw 1994, S. 173 ff. (S. 205 ff.); Hans-Joachim Prieß, Das Öffentliche Auftragswesen in den Jahren 1992 und 1993, EuZW 1994, S. 487 ff. 102 Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf das Verfassungsrecht des Bundes; zu landesverfassungsrechtlichen Besonderheiten s. etwa Art. l i l a Abs.2 BayVerf. 103 Ζ. Β. v. Hagemeister (Fn. 39), S. 100 ff.; v. Heimburg (Fn. 32), S. 22 ff.; Hofmann, VB1BW 1994, S. 121 ff. (S. 122 ff.); Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 ff. (S. 159 ff.); jeweils m. w. N. 104 Im Ergebnis ähnlich Schock, DVBl. 1994, S. 1 ff. (S. 5). 105 Vgl. allgemein zum Verständnis der Verfassung als Rahmenordnung ErnstWolfgang Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation - Bestandsaufnahme und Kritik, N J W 1976, S. 2089 ff. (S. 2091,2099).
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Hartmut Bauer
Art. 83 ff. G G fündig - die vor der Privatisierung der Flugsicherung, vor der letzten Bahnreform und unlängst im Zuge der Postreform notwendig gewordenen Verfassungsänderungen 106 sind dafür anschauliche Belege. In diesem Regelungsbereich finden sich nunmehr auch verfassungsrechtliche Privatisierungsgebote in Gestalt des neuen Art. 87e Abs. 3 G G für die Eisenbahnen des Bundes sowie für das Sondervermögen Deutsche Bundespost in dem neuen Art. 143b Abs. 1 GG 1 0 7 . Im übrigen hat sich der Verfassungstext für die Gewinnung von allgemeingültigen Aussagen über Privatisierungsverbote und -geböte als wenig ergiebig erwiesen. Das betrifft beispielsweise den Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG 1 0 8 und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 , 2 8 Abs. 1 GG) 1 0 9 . Nicht wesentlich anders verhält es sich mit dem Haushaltsverfassungsrecht (Art. 110 ff. G G ) und namentlich mit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (Art. 114 GG), der gelegentlich als „Verfassungsgebot zur Privatisierung" 110 , vor allem aber als Privatisierungsschranke thematisiert wird. Besondere Aktualität hat diese N o r m jüngst durch die Vorstöße zur privaten Finanzierung öffentlicher Infra-
106 Nachw. oben in Fn. 5 bis 7. Zur kontroversen Diskussion über die Privatisierungsmöglichkeiten bei Bahn und Post vor den Verfassungsänderungen vgl. einerseits Lecheler, Z B R 1 9 8 0 , S. 69 ff. (S. 70); ders., Der Verpflichtungsgehalt des Art. 8 7 1 1 G G - Fessel oder Richtschnur für die bundesunmittelbare Verwaltung?, N V w Z 1989, S. 834 ff. und andererseits Günter Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl., 1985, S. 86 f.; Armin Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 170; zu den gebotenen Differenzierungen s. Eberhard Schmidt-Aßmann/Günter Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 66 ff., 113 ff.; Schmidt (Fn. 47), S. 966 ff., 969 ff. S. allgem. zur organisationsrechtlichen Komponente von Art. 83 ff. G G auch B V e r f G E 6 3 , 1 (33 f., 40 f.). 107 Zur mittlerweile erfolgten einfach-gesetzlichen Umsetzung siehe Art. 2 E N e u O G (Fn. 6) und Art. 3 P T N e u O G (Fn. 7). 108 Für Art. 33 Abs. 4 G G ist nach wie vor nicht abschließend geklärt, ob ihm eine über die Institutionsgarantie des Berufsbeamtentums und den engen Bereich der genuinen Staatsaufgaben hinausgehende Bedeutung als Privatisierungsschranke zukommt (auf diesen Bereich wird die Privatisierungssperrwirkung von Art. 33 Abs. 4 G G reduziert bei v. Heimburg [Fn. 32], S. 22 ff. und Schmidt [Fn. 47], S. 978); hinzu kommt die tatbestandliche Öffnung für Ausnahmen („in der Regel"). Anders ζ. B. Helmut Lecheler, Grenzen für den Abbau von Staatsleistungen, 1989, S. 64 ff. 109 Das Sozialstaatsprinzip wird immer wieder als Grundlage sowohl für ein Privatisierungsverbot als auch für ein Privatisierungsgebot diskutiert; vgl. etwa v. Heimburg (Fn. 32), S. 25. Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Spruchpraxis verpflichtet das soziale Prinzip den Staat zwar zu sozialer Aktivität, bestimmt aber „nur das ,Was', das Ziel, die gerechte Sozialordnung" und läßt „für das ,Wie', d. h. für die Erreichung dieses Ziels, alle Wege offen" ( B V e r f G E 22, 180 [204]); das schließt grundsätzlich auch die Möglichkeit ein, sich bei der Verwirklichung dieses Prinzips der Mithilfe Privater zu bedienen.
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265
struktur 111 erlangt. Unter Berufung auf das Wirtschaftlichkeitsgebot wurden solche Finanzierungsprivatisierungen bei Verkehrsprojekten nach dem Konzessionsmodell nämlich von manchem für den Regelfall mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit überzogen; begründet wird dies mit der Überlegung, daß Finanzierungsprivatisierungen wegen des gewinnorientierten Verhaltens der Privaten im Vergleich mit einer Finanzierung über den Staatshaushalt in der Regel höhere Kosten verursachten 112 - das liefe insoweit auf ein grundsätzliches Finanzierungsprivatisierungsverbot hinaus. Im Ergebnis übersehen wird dabei freilich, daß bei den im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots anzustellenden Nutzen-Kosten-Vergleichen nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch volkswirtschaftliche und allgemeingesellschaftliche Zwecke in die Abwägung einzustellen sind, also auch die von der Privatfinanzierung erwarteten Effizienz- und Zeitgewinne mit entsprechenden Folgen etwa für die raschere Belebung der Wirtschaftsentwicklung, Erhöhung des Beschäftigungsstandes und - auch dies - schnellere und höhere Steuereinnahmen 113 . Derartige Vorteile können Nachteile aufwiegen, die man darin sehen mag, daß beim Rückgriff auf private Finanzierungen die Dienstleistungen zu vergüten sind und sich private Gesellschaften nicht selten nur zu ungünstigeren Konditionen verschulden können als der Staat 114 . Generalisierende Pauschallösungen im Sinne eines grundsätzlichen Verbots sind daher auch im Bereich der Finanzierungsprivatisierung verfehlt 115 , ganz abgesehen davon, daß mit dem unlängst in Kraft Lecheler, ZBR 1980, S. 69 ff. (S. 71 f.). Dazu vor allem Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Bericht der Arbeitsgruppe „Private Finanzierung öffentlicher Infrastruktur", 1991; ferner die Beiträge von Klaus Grupp (Rechtsprobleme der Privatfinanzierung von Verkehrsprojekten), Wolfgang Hahn (Privatisierung und Privatfinanzierung von Bundesautobahnen) und Bernhard Bruns (Privatfinanzierung: Erfahrungen), in: Willi Blümel (Hrsg.), Verkehrswegerecht im Wandel, 1994, S. 129 ff., S. 149 ff., S. 159 ff. 112 So Grupp, DVB1.1994, S. 140 ff. (S. 147); krit. auch Lothar Schemmel/Rolf Boreil, Verfassungsgrenzen für Steuerstaat und Staatshaushalt, 1992, S. 177, die allerdings mit Recht eine Einzelfallprüfung für erforderlich halten. 113 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Fn. I l l ) , S. 17 ff.; Wendt (Fn. 47), S. 50 f. 114 So Wendt, a. a. O., S. 51; ders., Haushaltsrechtliche und gemeindewirtschaftsrechtliche Hemmnisse, Der Landkreis 1994, S. 263 ff. (S. 267). 115 Vielmehr können solche Privatisierungsvorhaben verfassungsrechtlich nur anhand des jeweiligen Einzelfalles abschließend beurteilt werden; in diesem Sinne zutreffend Wendt (Fn. 47), S. 62; ders., Der Landkreis 1994, S. 263 ff. (S. 269). Ein Beispiel für unzulässige Gestaltungen ist die „Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten A G " , deren Tätigkeit vom Bundesrechnungshof wegen eines Verstoßes gegen den Vollständigkeitsgrundsatz und einer Verschleierung der Kreditaufnahme als verfassungswidrig eingestuft wurde; vgl. BT-Drucks. V/4066, S. 31 ff. (S. 39 ff.). 110
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getretenen Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz über die dort vorgesehenen Mautgebühren eine - privat vorfinanzierte - projektbeschränkte Benutzerfinanzierung von Bundesfernstraßen, also eine echte Verlagerung der Finanzierung in den privaten Bereich ermöglicht wird116. Insgesamt eröffnet das Staatsorganisationsrecht demnach breiten Raum für Privatisierungen. Dieser Befund wird durch die Grundrechtsnormen bestätigt. Gewiß sind die Grundrechte alles andere als privatisierungsneutral. Das zeigen schon allein die bei Wegfall eines ursprünglich vorhandenen öffentlichen Interesses für die staatliche Aufgabenerfüllung grundsätzlich gebotene Privatisierung117 und die seit langem erörterten Standardthemen grundrechtlicher Privatisierungsschranken118. Wegen der Vielgestaltigkeit von Privatisierungsmaßnahmen sind diese grundrechtlichen Privatisierungsgebote und -verböte einer aussagekräftigen Verallgemeinerung jedoch kaum zugänglich119. Sie binden Privatisierungsentscheidungen an bestimmte Voraussetzungen und regeln damit im Grunde die Modalitäten für (verfassungsmäßige) Privatisierungen.
116 § § 2 bis 7 des Gesetzes über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private (Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz - FStrPrivFinG) vom 30. 8. 1994 (BGBl. I S. 2243) und dazu Udo Steiner, Straßenbau durch Private, NJW 1994, S. 3150 ff. 117 Ζ. B. Isensee (Fn. 29), S. 78 f. m. w. N. 118 Ζ. B. Grenzen für staatliche Inpflichtnahmen Privater, Ansprüche auf Aufgabenübertragung, Schutz gegen den Entzug einmal übertragener Verwaltungsaufgaben und Sicherung von Rechtspositionen Dritter gegenüber dem privaten Aufgabenübernehmer; siehe dazu aus der älteren Literatur etwa Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 ff. (S. 175 ff., 192 ff.) und aus jüngerer Zeit etwa Hofmann, VB1BW 1994, S. 121 ff. (S. 124). Die verfassungsrechtliche Beschäftigung mit der Privatisierung hat dabei stets den Kontakt zu neueren Entwicklungen der Grundrechtsdogmatik gesucht und beispielsweise Fortbildungen zu Teilhaberechten (dazu ζ. B. Däubler [Fn. 35], S. 124 ff.; Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65 ff. [S. 71 f.]) oder zu grundrechtlichen Schutzpflichten (ζ. B. Lübbe-Wolff/Steenken, Z U R 1993, S. 263 ff. [S. 265]; Reinhardt, AöR 118 [1993], S. 617 ff. [S. 651 ff.]) aufgenommen und verarbeitet. Nur hingewiesen werden kann darauf, daß sich im Zuge der immer weiter ausgreifenden Privatisierungsbestrebungen die grundrechtlichen Problemlagen längst über die konventionell thematisierten Grundrechtstatbestände hinaus entwickelt und etwa im Zusammenhang mit der betrieblichen Eigenüberwachung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (.Reinhardt, AöR 118 [1993], S. 617 ff. [S. 653, 659 ff.]) oder im Rahmen der Postreform Art. 10 G G (Schoch, DVB1. 1994, S. 962 ff. [S. 971]) erfaßt haben. 119 Vgl. in diesem Sinne bereits Ossenbühl, W D S t R L 29 (1971), S. 137 ff. (S. 176, 192).
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Privatisierungsmodalitäten
In dieser Bemerkung klingt bereits an, daß es nicht genügen kann, die Verfassung lediglich negativ auf Grenzen der Privatisierung zu durchmustern120. Vielmehr muß umgekehrt auch positiv nach der verfassungsrechtlichen Steuerung der Privatisierungsmodalitäten gefragt werden. Dadurch tritt die verfassungsdirigierte Gestaltung von Privatisierungsvorgängen in den Vordergrund des Interesses, bei der sich formelle und materielle Aspekte unterscheiden lassen. a) Formelle Aspekte Was zunächst die formelle Seite betrifft, so sind vor allem die Gesetzesvorbehalte des Grundgesetzes121 zu nennen, die für bestimmte Privatisierungsvorgänge Entscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers fordern 122 - so ζ. B. für Beleihungen und für Aufgabenübertragungen, die zwangsweise erfolgen123, nicht dagegen für den Einsatz von Verwaltungshelfern124, die bloß vorbereitende und unterstützende Funktionen wahrnehmen125. 120 Für die Finanzierungsprivatisierung mit Recht krit. gegenüber dieser Sichtweise Wendt (Fn. 47), S. 39, der dazu auffordert, auch die Möglichkeiten zur Uberwindung verfassungsrechtlicher Hemmnisse aufzuzeigen. 121 Dazu allgemein Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Fn. 29), S. 315 ff. 122 Dabei hat die für die Organisationsprivatisierung umstrittene Frage nach der Geltung des Gesetzesvorbehalts (vgl. etwa Norbert Achterberg, Privatrechtsförmige Verwaltung, J A 1985, S. 503 ff. [S. 507]; Krebs [Fn. 47], S. 620 f.) an praktischer Bedeutung eingebüßt. Sofern nicht ohnehin eigene Organisationsgesetze vorhanden sind, kann dem organisatorischen Gesetzesvorbehalt nämlich prinzipiell auch durch gesetzliche Bestimmungen genügt werden, die lediglich die allgemeinen Voraussetzungen für die Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen durch die Verwaltung regeln (insbes. die Vorschriften des Haushalts- und des kommunalen Wirtschaftsrechts; vgl. Ehlers [Fn. 33], S. 152 ff.; Schoch, DVBl. 1994, S. 962 ff. [S. 970]); und speziell für die Gemeinden folgt im eigenen Wirkungskreis die grundsätzliche Befugnis zum Zugriff auf das privatrechtliche Organisationsarsenal aus dem Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 G G ; dazu z. B. Hans J. Wolff! Otto Bachof/Rolf Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl., 1987, S. 437). 123 v. Hagemeister (Fn. 39), S. 111 ff.; Jürgen Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, S. 146 ff.; Heinz-Jürgen Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluß- und Benutzungszwang, 1981, S. 46 ff.; Ossenbühl, W D StRL 29 (1971), S. 137 ff. (S. 169 ff.); Wolff/Bachof/Stober, a. a. O., S. 415. 124 Vgl. dazu v. Heimburg (Fn. 32), S. 130 ff.; Paul Kirchhof Verwalten durch „mittelbares" Einwirken, 1977, S. 10 ff.; Udo Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 106 ff., 232 ff.; Wolff/Bachof/Stober (Fn. 122), S. 414 f. 125 Für die systematische und auf Dauer angelegte Betreuung Privater mit umweitaufsichtlichen Aufgaben wird dies jedoch bezweifelt; vgl. dazu Lübbe-Wolff/Steenken, Z U R 1993 , S. 263 ff. (S. 267).
268 b) Materielle
Hartmut Bauer Aspekte
In materieller Hinsicht ist die verfassungsrechtliche Steuerung der Privatisierungsmodalitäten facettenreich 126 . Sofern man sich der Notwendigkeit aufgaben- und bereichsspezifischer Differenzierung bewußt bleibt, ist die Erarbeitung übergreifender Privatisierungsmodalitäten aber gleichwohl nicht völlig ausgeschlossen. Ein solches übergreifendes Element modaler Steuerung ist die staatliche Verantwortung für das Gemeinwesen 127 , die auch eine Verantwortung für Verwaltungsaufgaben umfaßt. Diese Aufgabenverantwortung 128 macht darauf aufmerksam, daß der Staat wegen seiner umfassenden Rechtsbindung nicht beliebig über die ihm normativ zugewiesenen oder von ihm in rechtlich zulässiger Weise übernommenen Aufgaben disponieren und sich ihrer nicht ohne weiteres folgenlos entledigen kann. Vielmehr trifft den Staat in vielen Bereichen zumindest eine Gewährleistungspflicht für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben, auch wenn er die entsprechenden Leistungen nicht selbst erbringen muß 129 .
126 Wenn etwa bei Vermögensprivatisierungen aus der staatlichen Gemeinwohlbindung, dem Gleichheitssatz und sozialstaatlichen Erwägungen verfassungsrechtliche Vorgaben zur Gestaltung des Verkaufspreises für die Staatsanteile im Sinne eines modifizierten Schenkungsverbots abgeleitet werden (vgl. BVerfGE 12, 354 [364 ff.]), so ist diese modale Steuerung offensichtlich ganz anders gelagert als bei den grundrechtlichen Organisationsdirektiven, die Art. 5 GG für die Privatisierung des Rundfunkwesens entnommen werden, dazu ζ. B. Wolfgang Hoffmann-Riem, Kommunikation!- und Medienfreiheit, in: Ernst Benda u. a. (Hrsg.), HdbVR, 2. Aufl., 1994, S. 191 ff. (S. 222 ff.). 127 Dazu allgemein Paul Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, in: Isensee/Kirchhof (Fn. 29), S. 121 ff. (S. 122). 128 Im Schrifttum wird die Aufgabenverantwortung teilweise auch unter Stichworten wie „Garantenstellung" (grundlegend Hans-Ullrich Gallwas, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private, WDStRL 29 [1971], S. 211 ff. [S. 221 ff., 229 ff.], der diesen Gedanken freilich nur als „Lösungsansatz" und nicht näher ausgearbeitete „Skizze" präsentiert; aus der späteren Literatur ohne nähere Spezifizierung s. u. a. Steiner [Fn. 124], S. 272 f., 280 ff.; Burkhard Tiemann, Verfassungsrechtliche und finanzwirtschaftliche Aspekte der Entstaatlichung öffentlicher Leistungen, Der Staat 16 [1977], S. 171 ff. [ S. 184 ff.] und Däubler [Fn. 35], S. 93), „letztverbindliche ... Verantwortlichkeit" des Staates „für die Beachtung und Durchsetzung der Rechtsordnung" 0Reinhardt, AöR 118 [1993], S. 617 ff. [S. 652; vgl. auch S. 621, 647]) oder schlicht „Verwaltungsverantwortung" (vgl. Eberhard Schmidt-Afimann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts - Reformbedarf und Reformansätze, in: Hoffmann-Riem u. a. [Fn. 30], S. 11 ff. [S. 43 f.]; ders., Die Verwaltung 27 [1994], S. 137 ff. [S. 154]; darauf aufbauend für die Privatisierung Schuppert [Fn. 36], S. 26 ff.; ferner Schock, DVBl. 1994, S. 962 ff. [S. 974 f.]) thematisiert. 129 Vgl. auch die instruktive Differenzierung des Sächsischen Privatisierungskonzepts (Fn. 26), S. 2: „Aufgabe des Staates ist vor allem die Gewährleistung, nicht so
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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Normativ verankert ist die staatliche Verantwortung für Verwaltungsaufgaben primär in den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien des sozialen 130 und demokratischen Rechtstaates 131 sowie in der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Grundrechte 132 . Daraus erwächst ihm
sehr die Erbringung von (Verwaltungs-)Leistungen". Diese staatliche Verantwortung kommt nicht nur bei der Privatisierungsentscheidung zum Tragen, sondern kann anschließend noch fortwirken; vgl. Reinhardt, A ö R 118 (1993), S. 617 ff. (S. 652). 130 Bei einem nicht auf die bloße Sicherung des Existenzminimums verengten Verständnis des Sozialstaatsprinzips erstreckt sich die „Sozialpflichtigkeit des Staates" auch auf die Daseinsvorsorge im weiteren Sinne und begründet eine staatliche Mitverantwortung für die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs der Bürger ( E k k e b a r t Stein, Staatsrecht, 13. Aufl., 1991, S. 237). Der Staat ist deshalb verpflichtet, bei für die Bevölkerung lebenswichtigen Institutionen wie beispielsweise Verkehrsinfrastruktur, Wasserversorgung, Elektrizitätsversorgung, medizinischen Einrichtungen und ähnlichem für eine gleichmäßige und dauerhafte Leistungserbringung zu sozial verträglichen Preisen zu sorgen (vgl. Burkhard Tiemann, Privatisierung öffentlicher Verwaltungstätigkeit, BayVBl. 1976, S. 261 ff. [S. 267]; den., Der Staat 16 [1977], S. 171 ff. [S. 199]; Dietmar Görgmaier, Möglichkeiten und Grenzen der Entstaatlichung öffentlicher Aufgaben, D Ö V 1977, S. 356 ff. [S. 358 f.]; v. Hagemeister [Fn. 39], S. 159). Das schließt Aufgabenverlagerungen in den privaten Bereich zwar nicht aus, verpflichtet den Staat aber im Rahmen des Möglichen zur Gewährleistung, legt ihm also eine Einstandspflicht für das Vorhandensein und die bedarfsgerechte Entwicklung dieser Einrichtungen auf (vgl. zur Verkehrsinfrastruktur Arbeitsgruppe [Fn. 111], S. 2 , 1 9 und die dort [S. 89 ff.] abgedruckte Zusammenfassung eines Rechtsgutachtens
von Karl Heinrich Friauf). 131 S. dazu etwa die gemeinhin für die Organisationsprivatisierung aus dem Demokratieprinzip abgeleitete Einwirkungspflicht, die einerseits demokratische Legitimation und Kontrolle sicherstellen, andererseits aber auch die pflichtgemäße Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe garantieren soll. Den Zusammenhang von Einwirkungspflicht, demokratischer Legitimation und öffentlicher Aufgabenverantwortung betont mit Recht Willy Spannowsky, Die Verantwortung der öffentlichen Hand für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und die Reichweite ihrer Einwirkungspflicht auf Beteiligungsunternehmen, DVB1. 1992, S. 1072 ff. (S. 1074); s. zur Verankerung der Einwirkungspflicht im Demokratieprinzip ferner etwa Günter Püttner, Die Einwirkungspflicht, DVB1.1975, S. 353 ff. (S. 354 f.) und Ehlers (Fn. 33), S. 124 ff. m. Hinw. zur ergänzenden Absicherung der Einwirkungs- und Kontrollpflicht in anderweitigen Verfassungsnormen. Vgl. ferner zu der aus Rechtsstaats- und Demokratieprinzip hergeleiteten „staatlichen Garantenpflicht" bei Beleihungstatbeständen Steiner (Fn. 124), S. 272 f. 132 Zu dieser dritten normative Säule der Abstützung staatlicher Verantwortung für Verwaltungsaufgaben vgl. Josef Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, 1992, S. 143 ff. (S. 181 f.); Volkmar Götz, Innere Sicherheit, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Fn. 29), S. 1007 ff. (S 1013 ff.); Gusy, Staatswissenschaften und Staatspraxis 5 (1994), S. 187 ff. (S. 204 ff.); Steiner, D V B l . 1987, S. 1133 ff.; Lübhe-Wolff/Steenken, ZUR 1993, S. 263 ff. (S. 265); Reinhardt, A ö R 118 (1993), S. 617 ff. (S. 651 ff. m. Nachw. zur bundesverfassungsgerichtlichen Spruchpraxis).
Hartmut Bauer
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die Pflicht, für die Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs der Bürger zu sorgen. Kooperative Aufgabenerledigung im Zusammenwirken mit Privaten und Aufgabenverlagerungen in den privaten Bereich sind deshalb nicht unzulässig; der Staat bleibt jedoch im Rahmen des Möglichen 133 zur Gewährleistung dieses Bedarfs verpflichtet. Mitunter trifft die Verfassung selbst eingehendere Aussagen zu dieser Verantwortung - so namentlich im neuen Eisenbahn- und Postverfassungsrecht 134 . W o solche Regelungen auf Verfassungsebene fehlen, ist im Rahmen des Grundgesetzes in erster Linie der Gesetzgeber, daneben im Rahmen der Rechtsordnung aber auch die Verwaltung zu ihrer Konkretisierung berufen. Die staatliche Verantwortung für Verwaltungsaufgaben wird dadurch an den demokratischen Prozeß zurückgebunden, in dem regelmäßig über die konkrete Ausgestaltung dieser Verantwortung entschieden wird 135 . III.
Verwaltungsrechtliche
Direktiven
Damit ist die Brücke zum Verwaltungsrecht geschlagen. Dort werden neben dem Haushaltsrecht 136 vor allem den kommunalrechtlichen Vorschriften über die gemeindlichen Aufgaben mit der bekannten Unter-
Vgl. zu diesem Vorbehalt etwa B V e r f G E 3 3 , 3 0 3 (333). Art. 87e Abs. 4, 87f Abs. 1 G G . 1 3 5 In diesem Sinne speziell zur Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19. Aufl., 1993, S. 88; Schmidt (Fn. 84), S. 185 f.; aus der Rechtsprechung vgl. B V e r f G E 5, 85 (198); 5 9 , 2 3 1 (263). 136 Vgl. dazu bereits oben C . IV. Soweit man sich von dem Haushaltsrecht Privatisierungsdruck verspricht, wird dessen praktische Durchschlagskraft auch nach der erwähnten Ergänzung um eine „Privatisierungsklausel" allerdings sehr skeptisch beurteilt; denn die Aufgabenerledigung im öffentlichen Sektor ist allzu leicht begründbar (vgl. Schoch, DVBl. 1994, S. 962 ff. [S. 971]; instruktiv auch Grünewald [Fn. 33], S. 13). Eine ähnliche Einschätzung findet sich für die Regelungen, in denen für die Beteiligung von Bund, Ländern und Gemeinden an Unternehmen in privater Rechtsform u. a. ein wichtiges Interesse der öffentlichen Hand vorausgesetzt wird (vgl. hierzu und zu der Voraussetzung, daß sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erledigen läßt, § 65 B H O , § 65 L H O ; zum Gemeindewirtschaftsrecht siehe Schoch, D O V 1993, S. 377 ff.). Diese Normen gewähren der Privatwirtschaft zwar einen gewissen Vorrang und sollen dem Ausweichen der Verwaltung in private Organisationsformen entgegenwirken; bei ihrer derzeitigen Handhabung haben sie in der Verwaltungspraxis jedoch nur geringe Sperrwirkungen entfaltet (vgl. 133
134
Schmidt [Fn. 84], S. 530 ff.; Ehlers [Fn. 33], S. 163 und Klaus König, Systemimmanente und systemverändernde Privatisierung in Deutschland, V O P 1992, S. 279 ff. [S. 281]) und auch den „Trend zur Organisationsprivatisierung" nicht aufhalten können
('Wendt [Fn. 47], S. 52).
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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Scheidung zwischen freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben, pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und Pflichtaufgaben nach Weisung des übertragenen Wirkungskreises137 Privatisierungsdirektiven entnommen. Während bei den freiwilligen Verwaltungsaufgaben eine Aufgabenprivatisierung prinzipiell138 möglich ist, scheidet bei den kommunalen Pflichtaufgaben eine Aufgabenvollprivatisierung aus; rechtlich zulässig ist allerdings auch in diesem Bereich eine Aufgabenteilprivatisierung etwa durch die Einbeziehung privater Verwaltungshelfer in die Aufgabendurchführung. Oftmals enthalten jedoch die Fachgesetze des Besonderen Verwaltungsrechts spezielle Regelungen, die über den eigentlichen Aufgabenumfang und bereichsspezifisches Privatisierungspotential informieren 139 . Exemplarisch hierfür ist eine Gegenüberstellung des bisherigen und des künftigen Abfallrechts. Mit der hier gebotenen Vereinfachung ist die Abfallentsorgung nach derzeitigem Recht grundsätzlich den (kreisfreien) Gemeinden und Landkreisen als kommunale Pflichtaufgabe zugeordnet140. Das verbietet eine Aufgabenprivatisierung; denn die Kommune kann sich von ihrer Letztverantwortung nicht freizeichnen. Möglich ist jedoch eine Teilprivatisierung durch die Einschaltung Privater bei der Aufgabenerledigung - § 3 Abs. 2 Satz 2 AbfG stellt dies deklaratorisch fest141. Ganz anders das künftige Recht. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz führt die Aufgabenverteilung zwischen Abfallbesitzer, öffentlichrechtlichem Entsorgungsträger und Drittem nämlich einer völligen Neuordnung zu142 und erweitert die Möglichkeiten zur Einbezie-
137
Dazu statt vieler Eberhard Schmidt-Aßmann, Kommunalrecht, in: Ingo v. Münch/Eberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1992, S. I f f . (S. 28 f.). 138 D. h. vorbehaltlich ermessensreduzierender Steuerung durch übergeordnetes Recht; vgl. Hofmann, VB1BW 1994, S. 121 ff. (S. 125). 139 Das betrifft beispielsweise auch die private Verfahrensmitwirkung nach dem sog. Scoping-Verfahren (vgl. § 5 UVPG), die Einschaltung privater Konfliktmittler (vgl. dazu Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard Schmidt-Aßmann [Hrsg.], Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Bde. I und II, 1990) und die Einschaltung Privater in Planungsprozesse (dazu Wahl, DVBl. 1993, S. 517 ff. [S. 519 f., 521 f.]). 140 § 3 Abs. 2 Satz 1 AbfG i.V.m. den landesrechtlichen Abfallgesetzen (z. B. § 3 Abs. 1 BayAbfAlG, § 3 Abs. 1 SächsEGAB; weit. Nachw. und nähere Einzelheiten bei Schock [Fn. 13], S. 12 ff.); zu Ausnahmen s. § 3 Abs. 3 ff. AbfG. 141 Dazu und zu weiteren in § 3 AbfG vorgesehenen Formen der Privatisierung (ζ. B. Indienstnahme Privater nach § 3 Abs. 5 AbfG) s. Stober (Fn. 40), S. 32 ff. 142 Vgl. §§ 4 ff. Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - Krw-/AbfG) vom 27. 9.1994, BGBl. I S. 2705; dazu Ludger-Anselm Versteyl/ Helge Wendenburg, Änderungen des Abfallrechts, NVwZ 1994, S. 833 ff. (insbes. S. 838 f.).
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Hartmut Bauer
hung Privater beträchtlich, und zwar bis hin zu einem Beleihungstatbestand, der es gestattet, die Pflichten der öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger mit befreiender Wirkung 143 befristet ganz oder teilweise auf einen Dritten zu übertragen144.
E. Die normative Steuerung der Aufgabenübertragung Ist die grundsätzliche Entscheidung für eine Privatisierung gefallen, dann schließt sich als ein verselbständigter Betrachtung zugänglicher und bedürftiger Abschnitt die Aufgabenübertragung an 145 . Für diese Ubertragung steht „dem Gemeinwesen die gesamte Skala rechtlicher Gestaltungsform" 146 zur Verfügung. I. Privatisierung durch Normen So erfolgt die Umsetzung von Privatisierungsentscheidungen teilweise durch Normen, und zwar sowohl in der Form des parlamentsbeschlossenen Gesetzes147 als auch durch exekutivische Normsetzung mittels Rechtsverordnung148 und Satzung149. Wird die Aufgabenübertragung in BT-Drucks. 12/7284, S. 18. § 16 Abs. 2 , 4 Krw-/AbfG. 145 Auch wenn mit der Entscheidung über das „ O b " einer Aufgabenverlagerung „hin zum Privaten" vielfach schon Weichenstellungen über das „Wie" verbunden sein werden, ist bis zur endgültigen Umsetzung häufig noch eine weite Wegstrecke zurückzulegen. Denn mit der prinzipiellen Privatisierungsentscheidung ist im allgemeinen noch nichts zur Übertragung einer bestimmten Aufgabe bzw. eines konkret bestimmten Aufgabenumfangs auf einen bestimmten Privaten gesagt. Vgl. auch Steinbeuer (Fn. 51), S. 63 f. 146 Gallwas, W D S t R L 29 (1971), S. 211 ff. (S. 214). 147 So ζ. B. bei den Großprojekten der jüngeren Zeit - Art. 87d Abs. 1 Satz 2 G G zur Flugsicherung; Art. 87e Abs. 3 Satz 4 G G für die Eisenbahnen des Bundes; Art. 143b Abs. 1 Satz 1 G G für die Bundespost; zur einfach-gesetzlichen Umsetzung s. die Nachw. in Fn. 5 bis 7. 148 Beispiele aus jüngerer Zeit sind die Verordnung zur Beauftragung eines Flugsicherungsunternehmens (FS-AuftragsV) und die Arbeitsvermittlerverordnung (Fn. 10); vgl. weiter aus dem (baden-württembergischen) Landesrecht etwa die Verordnung des Innenministeriums über anerkannte Sachverständige für die Prüfung technischer Anlagen und Einrichtungen nach Bauordnungsrecht (Bausachverständigenverordnung - BauSVO) vom 15. 7. 1986 (GBl. S. 305) und die Verordnung des Innenministeriums über die Bestellung sowie die Rechte und Pflichten der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure und die Vergütung für ihre Tätigkeit (ObVBerufsordnung) in der Fassung vom 1 . 1 2 . 1 9 7 7 (GBl. 1978 S. 53). 149 Eine Aufgabenübertragung in dieser Form sehen etwa § 51 Abs. 5 SächsStrG, § 41 BWStraG für die Straßen- und Wegereinigung vor; diese Ermächtigung wird hau143 144
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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diesen Rechtsformen vorgenommen, sind alle dafür bestehenden rechtlichen Voraussetzungen und Direktiven zu beachten, denen gegebenenfalls auch Aussagen über Verfahren und Ausmaß der Privatisierung zu entnehmen sind. II. Privatisierung durch exekutivische
Einzelakte
Sieht man von Privatisierungen durch die Legislative ab, dann liegt der interessantere Komplex der Aufgabenübertragung heute bei den exekutivischen Einzelakten, also bei den Verwaltungsakten sowie bei den Verwaltungsverträgen150 zivilrechtlicher und öffentlichrechtlicher Natur. 1. Verfahrensrechtliche Steuerung Dabei ist zunächst auffallend, daß trotz der hohen Bedeutung, die dem Verwaltungsverfahren gemeinhin für das Verwaltungsrecht beigemessen wird151, die verfahrensrechtliche Steuerung von Privatisierungsvorgängen in der Rechtswissenschaft bislang ein eher unterbelichtetes Thema ist. Das mag freilich darin begründet sein, daß sich schon allein wegen der Buntscheckigkeit der Materie kaum einheitliche Standards ausmachen lassen. Immerhin müssen aber Ubertragungsakte, die in den Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze fallen, die dort geregelten Anforderungen erfüllen. Im übrigen finden sich bereichsspezifisch besondere Regelungen für die Gestaltung von Privatisierungsverfahren. Dazu gehören beispielsweise öffentliche Ausschreibungen im Beschaffungswesen152 und bei der Bestellung von Sachverständigen153 sowie
fig wahrgenommen, so etwa in der „Satzung über die Verpflichtung der Straßenanlieger zum Schneeräumen, Bestreuen und Reinigen der Gehwege im Stadtkreis Heidelberg" vom 16.11. 1989 (Heidelberger Amtsanzeiger vom 25. 1.1990). Art. 51 Abs. 4, 5 BayStrWG hält für die Überwälzung dieser Aufgaben die Form der Rechtsverordnung bereit. 150 Zur hier verwendeten Terminologie s. Walter Krebs, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, W D S t R L 52 (1993), S. 248 ff. (S. 257 f.). 151 Vgl. ζ. B. Rainer Wahl und Jost Pietzcker, Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag, W D S t R L 41 (1983), S. 151 ff., 193 ff.; Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Fn. 29), S. 623 ff. 152 Yg] z u J e n europarechtlichen Direktiven oben D. I., zum Bundesrecht § 55 B H O , für die Länder §§ 57a ff. HGrG, für die Kommunen z. B. § 31 SächsGemHVO. Zur ergänzenden Abstützung von Ausschreibungspflichten durch den Gleichheitssatz sowie UWG und GWB vgl. Stober (Fn. 40), S. 40 f. 153 Z. B. § la Abs. 1 ÖbV-Berufsordnung (Fn. 148).
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Hartmut Bauer
Überprüfungen der Qualifikation von Bewerbern um Verwaltungsaufgaben 154 . Etwaige Verstöße der staatlichen Seite gegen solche Pflichten können Ansprüche Privater auslösen 155 . 2. Verwaltungsakt
und
Vertrag
Als Rechtsformen der Übertragung sind sowohl Verwaltungsakte 156 als auch Verträge 157 verbreitet. Besondere Aufmerksamkeit haben dabei vertragliche Gestaltungen auf sich gezogen, die für die zahlreichen Teilprivatisierungsfälle staatlich-gesellschaftlicher Kooperation naheliegen158 und im Verwaltungsvertragsrecht bereits als eigene Vertragstypen ge-
154 Vgl. z. B. §§ 158,167 Abs. 2 B a u G B ; § 16 Abs. 2 und 3 K r w - / A b f G ; §§ 2 ff. Gesetz über amtlich anerkannte Sachverständige und amtlich anerkannte Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr (Kraftfahrsachverständigengesetz - KfSachvG) vom 2 2 . 1 2 . 1 9 7 1 ( B G B l . I S. 2086). Eine Uberprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird auch bei Vorhabenträgern im Sinne von § 7 B a u B G M a ß n G für notwendig erachtet (so Michael Krautzberger, in: Ulrich Battis u. a., Baugesetzbuch - B a u G B , Kommentar,
4. Aufl., 1994, Rdn. 13 zu § 7 B a u G B M a ß n G ) . Der bei der Tierkörperbeseitigung eingeschaltete Private muß unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung gemeinwohlkonformer Aufgabenerledigung ausgewählt werden; dazu Fertig, D Ö V 1994, S. 99 ff. (S. 102). Ein Auswahlverfahren zur Ermittlung der Qualifikation der Bewerber sehen auch §§ 1 ff. ÖbV-Berufsordnung und §§ 2 f. BauSVO (Fn. 148) vor. Insgesamt läßt sich freilich kein einheitliches Konzept ausmachen; vgl. dazu etwa Lübbe-Wolff/
Steenken, ZUR 1993, S. 263 ff. (S. 266).
1 5 5 Für Verstöße gegen die Ausschreibungsvorschriften der V O B / A benennt der B G H als mögliche Anspruchsgrundlagen Verschulden bei Vertragsschluß, Gleichbehandlung aufgrund Selbstbindung der Verwaltung und Treu und Glauben ( N J W 1992, 5. 827 f.); zu kartellrechtlichen Unterlassungsansprüchen bei Verstößen gegen Ausschreibungspflichten s. O L G Düsseldorf, NWVB1. 1994, S. 193 ff.; vgl. ferner Stober (Fn. 40), S. 42 und Martin Beckmann, Rechtsfragen bei der Gründung einer EntsorgungsGmbH - abfallrechtliche Aspekte - , in: Bauer/Schink (Fn. 49), S. 38 ff. (S. 47 f.); B G H , N J W 1976, S. 46 ff. (S. 47). 156 Vgl. etwa zu den Bestellungs- und Anerkennungsakten § 11 Abs. 1 baden-württembergisches Vermessungsgesetz vom 4. 7. 1961 (GBl. S. 201) i.V.m. § l b Abs. 3 ÖbV-Berufsordnung; § 3 BauSVO; § 5 KfSachvG; auch § 16 Abs. 2 bis 4 K r w - / A b f G sieht den Erlaß von Verwaltungsakten vor. Bei finanzieller Unterstützung privater Aufgabenerfüllung kann der Verwaltungsakt in Form von Bewilligungsbescheiden eingesetzt werden. 157 S. dazu etwa die Zusammenstellung bei Wilhelm Henke, Praktische Fragen des öffentlichen Vertragsrechts - Kooperationsverträge, D Ö V 1985, S. 41 ff. 1 5 8 O b die vertragliche Handlungsform im Vergleich mit den Gestaltungsmöglichkeiten des Verwaltungsaktes (Befristungen, Auflagen, Bedingungen usw.) den Anforderungen kooperativer Aufgabenerfüllung besser gewachsen ist, braucht hier nicht entschieden werden.
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h a n d e l t w e r d e n 1 5 9 ; in d e r V e r w a l t u n g s p r a x i s sind d a f ü r eine R e i h e v o n M o d e l l e n w i e etwa Betreibermodell, Betriebsführungsmodell, Leasingm o d e l l u n d K o n z e s s i o n s m o d e l l erarbeitet w o r d e n 1 6 0 . S o l c h e V e r t r ä g e erl a u b e n eine d i f f e r e n z i e r t e V e r a n t w o r t u n g s z u o r d n u n g bei d e r k o o p e r a t i v e n A u f g a b e n e r f ü l l u n g ; sie n e h m e n dabei einerseits i m W e g e einer „gesetzesdirigierten V e r t r a g s g e s t a l t u n g " 1 6 1 n o r m a t i v e V o r g a b e n auf, a n d e rerseits i n n e r h a l b des gesetzlichen R a h m e n s i m W e g e d e r S e l b s t s t e u e r u n g F e i n a b s t i m m u n g e n v o r , m i t d e n e n u. a. d e r w e i t e r e P r i v a t i s i e r u n g s p r o z e ß dirigiert u n d V o r s o r g e f ü r eine o r d n u n g s g e m ä ß e A u f g a b e n e r f ü l l u n g getroffen wird162. L e i t g e d a n k e f ü r die G e s t a l t u n g dieser K o o p e r a t i o n s v e r e i n b a r u n g e n ist die d a u e r h a f t e u n d s o z i a l v e r t r ä g l i c h e Q u a l i t ä t s - u n d L e i s t u n g s e r b r i n g u n g 1 6 3 u n t e r W a h r u n g d e r r e c h t l i c h e n A u f g a b e n z u o r d n u n g . In d e r V e r -
159 S. Krebs, W D S t R L 52 (1993), S. 248 ff. (S. 278): „Beschaffungs-/Privatisierungsverträge" und „Verträge zur gemeinsamen Erfüllung öffentlicher Aufgaben (.Kooperationsverträge')". 160 S. zu solchen Modellen ζ. B. Bundesumweltministerium, Privatwirtschaftliche Realisierung der Ab Wasserversorgung - Erfahrungsbericht, 1993, S. 28 ff.; Rolf Krähmer, Private Finanzierung kommunaler Infrastrukturinvestitionen - Königsweg oder Sackgasse?, Der Gemeindehaushalt 1992, S. 241 f f H a n n e s Rehm, Modelle zur Finanzierung kommunaler Investitionen durch Private, in: Ipsen (Fn. 33), S. 93 ff.; Schoch, DVB1.1994, S. 1 ff. (S. 10 ff.); Wendt (Fn. 47), S. 57 ff.; zu Vertragsmustern s. Bundesumweltministerium, Privatwirtschaftliche Realisierung der Abwasserentsorgung Musterverträge, 1993: Muster für einen Betreibervertrag zur Wasserver- und Abwasserentsorgung (S. 8 ff. - im Folgenden abgekürzt: Betreibervertrag) und Muster für einen Gesellschaftsvertrag im Zuge des Kooperationsmodells (S. 26 ff. - im Folgenden abgekürzt: Kooperationsvertrag). 161 Eberhard Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverträge im Städtebaurecht, in: Wolfgang Lenz (Hrsg.), FS Konrad Geizer, 1991, S. 117 ff. (S. 122). 162 Diese Vertragsgestaltungen haben bislang nur in Teilbereichen das gebotene rechtswissenschaftliche Interesse auf sich gezogen - so beispielsweise im Energiewirtschaftsrecht; vgl. dazu etwa Ulrich Büdenbender, Energierecht, 1982, S. 188 ff.; Ulrich Immenga, Aktuelle Fragen zum Kartellrecht der Energiewirtschaft: Konzesssionsverträge; Vertragsklauseln im Lichte der Befristungsregelung, in: Bodo Börner (Hrsg.), Das Energiewirtschaftsgesetz im Wandel von fünf Jahrzehnten, 1987, S. 43 ff. und Runderlaß des nordrhein-westfälischen Innenministers vom 2 4 . 2 . 1 9 8 9 zum Abschluß von Verträgen auf dem Gebiet der Energiewirtschaft durch Gemeinden, MB1. N W 1989, S. 248 ff. Vgl. im übrigen allgemein zur bislang zu wenig beachteten Bedeutung von Vertragsklauseln für die Praxis des Verwaltungsvertrages Hartmut Bauer, Anpassungsflexibilität im öffentlich-rechtlichen Vertrag, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Fn. 22), S. 245 ff. (S. 274 ff.). 163 § 8 Betreibervertrag (Fn. 160); vgl. auch Privatisierungskonzept (Fn. 26), S. 8; ferner Görgmeier, D Ö V 1977, S. 356 ff. (S. 359); Jochen-Konrad Fromme, Private Finanzierung von Investitionen in der kommunalen Praxis, in: Ipsen (Fn. 33), S. 127 ff. (S. 135 f.).
276
Hartmut Bauer
tragspraxis wird dieses Anliegen durch Vertragsklauseln umgesetzt; insoweit erscheinen bei einer Analyse von Public-Private-Partnership-Verträgen drei Punkte besonders hervorhebenswert. Erstens: Der Sicherstellung von Qualität, Leistung und Verantwortung dienen zunächst Vertragsklauseln, in denen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nochmals ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommen werden164. Das bekräftigt nicht nur die Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, sondern unterwirft die gesetzlichen Pflichten zugleich und zusätzlich den vertraglichen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten165. Für die Qualitäts-, Leistungs- und Verantwortungssicherung wesentlich sind außerdem Vertragsklauseln, die Informationspflichten des privaten Vertragspartners sowie Kontroll- und Weisungsrechte des Verwaltungsträgers festschreiben166. Zweitens: Qualität und Leistung müssen dauerhaft auf hohem Niveau sichergestellt sein; das schließt gegebenenfalls den Vorbehalt einer Rückführung der Aufgabe in den Verwaltungsbereich ein167. Zur Erreichung dieses Zieles werden in Vertragstexten u. a. Befristungs-, Kündigungsund Anpassungsklauseln verwendet168, die Vorsorge für künftige Entwicklungen der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse treffen und die Verwaltung bei „Schlechterfüllung" in die Lage versetzen, die Aufgabenerfüllung wieder zurückzuholen. Eine solche Rückholung bedarf unter Umständen der zusätzlichen Vereinbarung sog. „Heimfallklauseln" 169 bezüglich der sachlichen und personellen Betriebsausstattung. Denn nur so kann bei einem Wechsel der Trägerschaft - etwa nach einer fristlosen Kündigung oder im Fall eines Konkurses des Privaten - übergangslos die gleichbleibende Leistungserbringung gewährleistet werden.
164 § 1 Abs. 3 Betreibervertrag (Fn. 160); w. Nachw. bei Henke, D Ö V 1985, S. 41 ff. (S. 49). 165 Henke, D Ö V 1985, S. 41 ff. (S. 49). 166 § 9 Betreibervertrag (Fn. 160); vgl. allgemein auch Henke, D Ö V 1985, S. 41 ff. (S. 49); Brüggen, Finanzwirtschaft 1994, S. 57 ff. (S. 60); Fertig, D Ö V 1994, S. 99 ff. (S. 102). 167 Yg] z u ¿¡ese,- Rückholverpflichtung Däubler (Fn. 35), S. 93; Privatisierungskonzept (Fn. 26), S. 8; Eberhard Hamer/Rainer Gebhardt, Privatisierungspraxis, 2. Aufl., 1992, S. 30. 168 §§ 10, 17, 20 Abs. 2 Betreibervertrag (Fn. 160); weit. Beispiele bei Bauer (Fn. 162), S. 282. 169 Vgl. § 18 Betreibervertrag (Fn. 160). In der Verwaltungspraxis wird hierfür häufig die Einräumung eines Erbbaurechts oder eines Erbpachtrechts vorgeschlagen, bisweilen auch ein Ubernahmerecht für Geschäftsanteile in dritter Hand, wenn das „Betreiberverhältnis" endet; zu letzterem s. § 11 Kooperationsvertrag (Fn. 160). Vgl. ferner Rehm (Fn. 160), S. 107; Brüggen, Finanzwirtschaft 1994, S. 57 ff. (S. 60).
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
277
Drittens: Aufgabenübertragungen, die zu Monopolbildungen führen, können aus Gründen der Sozialverträglichkeit vertraglich abgestützte Einflußnahmen auf das Preisgebaren des Leistungserbringers erforderlich machen; entsprechendes gilt für Kontrahierungspflichten170. Im übrigen kann unerwünschten Monopolbildungen mit der befristeten Aufgabenübertragung und regelmäßig wiederkehrenden Neuausschreibungen gegengesteuert werden, die allerdings mitunter vertragliche Ablöseklauseln oder Ausgleichsmaßnahmen zugunsten des ausscheidenden Privaten erforderlich machen171.
F. Fortbestehende Verwaltungsverantwortung nach der Aufgabenübertragung Diese kooperationsvertraglichen Regelungstechniken zeigen, daß Aufgabenverlagerungen „hin zum Privaten" nicht notwendig mit einem vollständigen Rückzug des Staates einhergehen. Viele und zumal die einfacheren Privatisierungsvorgänge172 bewirken zwar eine echte Staatsentlastung. Doch bleibt der Staat von Verfassungs wegen für das Gemeinwesen verantwortlich173. Deshalb liefern Privatisierungsentscheidungen Verwaltungsaufgaben häufig nicht ungehemmten Marktkräften aus, sondern schließen öffentliche Beobachtung, Kontrolle und fortwährende Steuerung des Ausgleichs von öffentlichen und privaten Interessen ein174. Die unmittelbare staatliche Aufgabenwahrnehmung wird abgelöst durch unterschiedlichste Formen der Einflußnahme, Überwachung, Reglementierung und Regulierung, die bis hin zum Wettbewerbs- und Kartellrecht175 reichen und eine ordnungsgemäße private Aufgabenerfüllung sicherstellen sollen; staatliche Aufgabenerfüllung tritt zugunsten der
Vgl. Privatisierungskonzept (Fn. 26), S. 8 f. Brüggen, Finanzwirtschaft 1994, S. 57 ff. (S. 61). 172 Vgl. Schuppen (Fn. 36), S. 28 f. unter Hinw. auf den Industriebesitz des Bundes und Hilfstätigkeiten wie Gebäudereinigung, Betrieb von Kantinen und Kfz-Werkstätten etc., freilich mit der zutreffenden (und wichtigen) Einschränkung der Notwendigkeit einer Berücksichtigung sozialer Belange. 173 Dazu bereits oben D.II.2.b. 174 Vgl. Tiemann, Der Staat 16 (1977), S. 171 ff. (S. 173 unter Hinw. auf das Kartellund Wettbewerbsrecht); Wahl, DVB1. 1993, S. 517 ff. (S. 521); Schuppert (Fn. 36), S. 32; Trute (Fn. 47), S. 223 ff. 175 Vgl. etwa die gegen die Grüne Punkt Duales System Deutschland Gesellschaft für Abfallvermeidung und Sekundärrohstoffgewinnung mbH ausgesprochene Untersagung von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen durch das Bundeskartellamt, W U W 1994, S. 63 ff. 170 171
278
Hartmut Bauer
staatlichen Gewährleistung der Aufgabenerfüllung durch Private zurück 176 . Im neueren Schrifttum werden diese Zusammenhänge unter dem Stichwort „Verwaltungsverantwortung" erfaßt und von hier aus einer ersten Systematisierung zugeführt 177 . Perspektive dieses Vorgehens ist die Entwicklung abgestufter Verantwortlichkeiten der Verwaltung für die Erledigung bestimmter Aufgaben. In diesem Sinne lassen sich nach der Ausgestaltung der Pflichtenstellung der Verwaltung als Verantwortungsarten u. a. die Erfüllungsverantwortung, die Kontrollverantwortung, die Privatisierungsfolgenverantwortung und die Beobachtungsverantwortung unterscheiden 178 . Das kann abschließend nur noch holzschnittartig aufgezeigt werden. I.
Erfüllungsverantwortung
Bei der Erfüllungsverantwortung trifft den Verwaltungsträger die volle Einstandspflicht für die Aufgabenerledigung. Modellcharakter hierfür hat die erwähnte Ausgestaltung der Abfallentsorgungsaufgabe179, die der Verwaltung eine unaufgebbare Verantwortlichkeit für die Erfüllung ihrer Pflichten zuweist 180 , die auch nach einer etwaigen Teilprivatisierung durch Einschaltung Privater fortbesteht und durch entsprechende Vorkehrungen bis hin zu Rückholoptionen abzusichern ist 181 .
Vgl. Privatisierungskonzept (Fn. 26), S. 2. So - mit unterschiedlichen Auffächerungen - Schuppert (Fn. 36), S. 26 ff.; Schock, DVB1.1994, S. 962 ff. (S. 967,974 f.); beide im Anschluß an anderweitige Vorüberlegungen von Eberhard. Schmidt-Aßmann. 178 Diese Auflistung beansprucht weder überschneidungsfreie Vollständigkeit, noch hat sie unmittelbare rechtsdogmatische Funktion. Sie sensibilisiert jedoch für nach der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben bestehende Problemlagen, ordnet diese in Fallgruppen und bereitet so dogmatische Problemlösungen vor. 179 Oben D.III, bei Fn. 140; s. dort auch zu den Ausnahmen. Zu Parallelvorschriften aus dem Atom-, Luftverkehrs-, Wasser- und Tierkörperbeseitigungsrecht s. Stober (Fn. 40), S. 33 f. 180 Die - freilich auf einem ganz anderen Grundkonzept beruhende - Nachfolgevorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 Krw-/AbfG stellt dies mit der Formulierung „Ihre Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Pflichten bleibt davon unberührt" ausdrücklich klar. 181 Zu den Möglichkeiten einer vertraglichen Absicherung solcher Rückholoptionen s. oben E.II.2. 176
177
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
II.
279
Kontrollverantwortung
Mit der Kontrollverantwortung sind Aufsichtsbeziehungen zwischen der Verwaltung und Privaten angesprochen, die sich an eine Aufgabenprivatisierung anschließen können. Musterbeispiele dafür liefern Beleihungsvorgänge, bei denen einem Privaten Verwaltungsaufgaben zur selbständigen Wahrnehmung in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts übertragen werden 1 8 2 . Soweit Privatrechtssubjekte zur Wahrnehmung ihrer Verwaltungsaufgaben mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind, unterstehen sie nämlich grundsätzlich der fortwährenden Rechts-, möglicherweise auch der Fachaufsicht 1 8 3 , die u. a. eine ordnungsgemäße Aufgabenerledigung absichert. III.
Privatisierungsfolgenverantwortung
Unter der Privatisierungsfolgenverantwortung lassen sich Tatbestände rubrizieren, die der Verwaltung nach der Durchführung von Privatisierungsmaßnahmen fortwirkende Verantwortlichkeiten für die Konsequenzen der jeweiligen Maßnahme auferlegen. Hierzu gehört beispielsweise die Verantwortlichkeit für vorhandenes Personal, die teilweise sogar eine besondere verfassungsrechtliche Regelung gefunden hat 1 8 4 . Mit hierher zu zählen ist die neuerdings bei einer bloßen Organisationsprivatisierung angenommene Haftung der Gewährträgerkörperschaft für die Schulden einer ihrem bestimmenden Einfluß unterliegenden, in K o n kurs gefallenen Aktiengesellschaft 185 . Und endlich sind in diesem Zusammenhang Haftungsverantwortlichkeiten bei materiellen (Teil-)Privatisierungen zu nennen, die etwa für Verkehrssicherungspflichten im Rahmen der Amtshaftung 1 8 6 , aber auch für Altanlagensanierungen 187 praktische Bedeutung erlangen können. 182 Vgl. dazu ζ. B. Krebs (Fn. 47), S. 590; Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1994, S. 471, 550 ff. 183 Udo Steiner, Der „beliehene Unternehmer", JuS 1969, S. 69 ff. (S. 72); Krebs,
a. a. O., S. 593; Wolff/Bacbof/Stober
(Fn. 122), S. 416.
So für Beamte der Bundeseisenbahnen in dem neuen Art. 143a Abs. 1 G G ; dazu Günter Fromm, Die Reorganisation der Deutschen Bahnen, DVB1. 1994, S. 187 ff. (S. 194 f.). Zur Post s. den neuen Art. 143b Abs. 3 G G . 185 Lecheler, BayVBl. 1994, S. 555 ff. (S. 560). 186 „Klassische" Beispiele sind die „kleinen" Privatisierungsfälle der Abwälzung der Straßenreinigung, Räum- und Streupflichten sowie die vertragliche Abwälzung von öffentlichrechtlich ausgestalteten Verkehrssicherungspflichten; vgl. etwa B G H Z 118, 368 (373 m. w. N.). Vgl. ferner hierzu und zu den einzelnen Anwendungsfällen der Staatshaftung bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes durch Privatpersonen 184
OssenbUhl (Fn. 49), S. 12 ff. 187
Dazu Beckmann,
(Fn. 155), S. 45, 49 f. m. w. N .
280
IV.
Hartraut Bauer
Beobachtungsverantwortung
Schließlich meint Beobachtungsverantwortung ganz allgemein die Pflicht der Verwaltung, die ordnungsgemäße Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Auge zu behalten. Das schließt insbesondere auch die Verpflichtung ein zu beobachten, ob die staatliche Rahmensetzung für private Tätigkeiten 188 ausreichend ist oder einer Korrektur bedarf und gegebenenfalls in den dafür vorgesehenen Bahnen auf eine solche Korrektur hinzuwirken. Bedeutsam werden kann dies ζ. B. im Umweltund Technikrecht, wenn sich die dort anzutreffende indirekte normative Verhaltenssteuerung durch staatsentlastende betriebliche Eigenüberwachung und Selbstkontrolle sowie private Fremdüberwachung 189 als unzureichend erweisen und - wie gelegentlich befürwortet 190 - eine wirksamere „Kontrolle der (privaten) Kontrolleure" erforderlich machen sollte.
188 Vgl. Schmidt-Aßmann (Fn. 128), S. 43 f.; Schuppert (Fn. 36), S. 29; Schock, DVB1.1994, S. 962 ff. (S. 975). 189 Reinhardt, AöR 118 (1993), S. 617 ff. (S. 625 ff., 635 ff.) m. w. N. 190 Lübbe-Wolff/Steenken, ZUR 1993, S. 263 ff. (S. 268). Vgl. auch §§ 95 bis 102 des sog. Professoren-Entwurfs zum UGB-AT; dort ist u. a. in § 96 Abs. 2 eine gewisse Veränderung der Rechtsstellung der Umweltschutzbeauftragten vorgesehen, die dazu führt, daß den Umweltbeauftragten bestimmte öffentlichrechtliche Außenpflichten gegenüber der zuständigen Behörde auferlegt werden (Michael Kloepfer/Eckart Rehbinder/Eberhard Schmidt-Aßmann/Philip Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, 1990, S. 74, 377 ff.).
Leitsätze des 3. Berichterstatters über:
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben A. Privatisierung als aktuelles Politikum (1) Privatisierung hat „ Konjunktur "! Zahlreiche Bereiche der Verwaltungstätigkeit sind heute von Privatisierungsvorgängen erfaßt oder zumindest von Privatisierungsforderungen überzogen. Wichtige Impulse hierfür gehen von den wachsenden Staatsaufgaben, der Wiedervereinigung und den Entwicklungen in den neuen Ländern aus. B. Privatisierung als Rechtsproblem I. Terminologische
Vorklärungen
(2) Verwaltungsaufgaben sind alle Angelegenheiten, die der Verwaltung durch Rechtssatz übertragen oder von ihr in rechtlich zulässiger Weise wahrgenommen werden. (3) Privatisierung meint im allgemeinen die Verlagerung von Angelegenheiten, die bisher von der öffentlichen Hand wahrgenommen wurden, in den privaten Bereich einschließlich der vorgelagerten Grauzonen. Nach herkömmlichem Verständnis kommt dem Privatisierungsbegriff lediglich heuristische Funktion zu. Er dient als Chiffre für Umverteilungsprozesse „ hin zum Privaten " und regt die Rechtslehre an, die normativen Direktiven für Privatisierungsvorgänge zu erfassen, zu ordnen und zu strukturieren. II. Typologische Erscheinungsformen von Privatisierung (4) Die in der Rechtspraxis anzutreffenden Erscheinungsformen der Privatisierung lassen sich nach dem Privatisierungsgegenstand typologisch in die drei Hauptgruppen „Vermögens-", „Organisationsund „ Aufgabenprivatisierung" einteilen. Dabei handelt es sich allerdings nur um idealtypische Grundformen, deren systematisierende Ordnungskraft beschränkt ist, weil in der Verwaltungswirklichkeit häufig Teil-, Mischund Übergangsformen auftreten.
Hartmut Bauer
282
III. Die normative Steuerung von
Privatisierungsvorgängen
(5) Das Rechtsregime für Privatisierungsvorgänge setzt sich aus verschiedenartigen ineinander greif enden Normkomplexen namentlich des Europarechts, des nationalen Verfassungs-, Haushalts-, Kommunal- und sonstigen Verwaltungsrechts sowie zivilrechtlicher Regelungsmaterien zusammen. (6) Für eine sachgerechte Abschichtung der daraus resultierenden Vielfalt an Rechtsfragen bietet es sich an, Privatisierung als Prozeß zu begreifen. Danach lassen sich bei Privatisierungsvorgängen vier Stadien unterscheiden, nämlich die Phase der Entscheidungsfindung, die Privatisierungsentscheidung als solche, die Aufgabenübertragung und die fortbestehende Verwaltungsverantwortung nach der Aufgabenübertragung. C. Die normative Steuerung der I. Privatisierungsfähige
Entscheidungsfindung
Gegenstände
(7) Für die Frage nach den privatisierungsfähigen Aufgaben sind staatstheoretische Betrachtungen wenig weiterführend; sie sollte deshalb in erster Linie anhand der positiven Rechtsordnung beantwortet werden. II. „Subsidiarität* und „Einheit der Verwaltung" als normative Direktiven für Privatisierungsvorgänge ?
allgemeine
(8) Die Postulate „Subsidiarität" und „Einheit der Verwaltung" sind als allgemeingültige Verfassungsrechtssätze nicht begründbar und können deshalb keine normative Steuerungskraft für Privatisierungsvorgänge entfalten. III. Privatisierungsziele und
Zielkonflikte
(9) Die mit Privatisierungsüberlegungen anvisierten Ziele nehmen neben politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten auch rechtliche Vorgaben auf. Dabei ist die Entscheidungsfindung für konkrete Privatisierungsprojekte in Zielkonflikte eingebunden, die letztlich nur anhand einer aufgaben-, sach- und situationsbezogenen Einzelfallanalyse gelöst werden können. IV. Normativer
Privatisierungsdruck
(10) Zur Durchsetzung des „politischen Willens zur Privatisierung" wird mittlerweile normativer Privatisierungsdruck ausgeübt. Als Ansatzpunkt dient vor allem das Haushaltsrecht, das auf Bundesebene unlängst um Privatisierungsprüfpflichten, Darlegungslasten und ein Interessenbe-
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
283
kundungsv erfahren ergänzt wurde. Vergleichbare Tendenzen sind in anderen Regelungsmaterien erkennbar. D. Die normative Steuerung der Privatisierungsentscheidung I. Europarechtliche
Direktiven
(11) Die verbreitete These von der „Privatisierungsneutralität" des Europarechts dürfte sich à la longue kaum aufrecht erhalten lassen. Denn zum einen geht von der Wettbewerbsordnung der Gemeinschaft ein gewisser Privatisierungsdruck aus. Und zum anderen steuert das EG-Vergaberecht in seinem Anwendungsbereich verfahrensrechtlich Modalitäten der öffentlichen Auftragsvergabe. II. Verfassungsrechtliche
Direktiven
(12) Die verfassungsrechtliche Diskussion bestätigt für das Thema „Privatisierung" den Charakter der Verfassung als Rahmenordnung. Danach zieht das Grundgesetz Privatisierungsentscheidungen zwar Grenzen, eröffnet für Privatisierungen jedoch zugleich großen Spielraum. (13) Verfassungsrechtliche Privatisierungsverbote und -geböte finden sich insbesondere in den staatsorganisationsrechtlichen Vorschriften der Art. 83 f f . GG; die Reformen bei Bahn und Post liefern dafür Belege. Im übrigen erweist sich der Verfassungstext für die Gewinnung von allgemeingültigen Aussagen über solche Ver- und Gebote als wenig ergiebig. Das betrifft insbesondere auch den haushaltsverfassungsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, der anläßlich der privaten Finanzierung öffentlicher Infrastruktur besondere Aktualität erlangt hat. Obschon keineswegs privatisierungsneutral, bestätigen die Grundrechtsnormen den im Staatsorganisationsrecht ermittelten Befund eines eher großen Privatisierungspotentials. (14) Die Privatisierungsmodalitäten werden durch das Grundgesetz in formeller und materieller Hinsicht gesteuert. Für die formelle Steuerung sind der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes und die besonderen Gesetzesvorbehalte wichtige Beispiele. Für die materielle Steuerung hat namentlich die staatliche Verantwortung für das Gemeinwesen herausragende Bedeutung. (Ii) Diese staatliche Verantwortung ist normativ primär in den verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien des sozialen und demokratischen Rechtsstaates sowie in der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Grundrechte verankert. Aus ihr erwächst dem Verfassungsstaat des Grundgesetzes die Pflicht, im Rahmen des Möglichen für die Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs der Bürger zu sorgen. Soweit das
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Hartmut Bauer
Grundgesetz selbst keine eingehenderen Aussagen zu dieser Verantwortung trifft, ist im Rahmen der Verfassung in erster Linie der Gesetzgeber, daneben im Rahmen der Rechtsordnung aber auch die Verwaltung zu ihrer Konkretisierung berufen. Die staatliche Verantwortung für Verwaltungsaufgaben wird dadurch an den demokratischen Prozeß rückgebunden, in dem regelmäßig über ihre konkrete Ausgestaltung entschieden wird. III. Verwaltungsrechtliche
Direktiven
(16) Auf einfach-gesetzlicher Ebene werden verallgemeinerungsfähige Privatisierungsdirektiven vor allem dem Haushaltsrecht und dem Kommunalrecht entnommen. Oftmals enthalten allerdings die Fachgesetze des Besonderen Verwaltungsrechts spezielle Regelungen, die über den eigentlichen Umfang der Verwaltungsaufgabe und bereichsspezifisches Privatisierungspotential informieren. E. Die normative Steuerung der
Aufgabenübertragung
I. Privatisierung durch Normen (17) Soweit die Aufgabenübertragung in den Formen des parlamentsbeschlossenen Gesetzes, der Rechtsverordnung oder der Satzung erfolgt, sind alle dafür bestehenden rechtlichen Voraussetzungen und Direktiven zu beachten, denen gegebenenfalls auch Aussagen über Verfahren und Ausmaß der Privatisierung zu entnehmen sind. II. Privatisierung durch exekutivische
Einzelakte
(18) Die verfahrensrechtliche Steuerung von Privatisierungsvorgängen ist ein vernachlässigtes Thema. Bereichsspezifisch finden sich jedoch besondere Regelungen für die Gestaltung von Privatisierungsverfahren so ζ. B. öffentliche Ausschreibungen im Beschaffungswesen und bei der Bestellung von Sachverständigen sowie Uberprüfungen der Qualifikation von Bewerbern um Verwaltungsaufgaben. (19) Bei der Aufgabenübertragung durch Einzelakte ziehen die zahlreichen Teilprivatisierungsfälle staatlich-gesellschaftlicher Kooperationsverträge besondere Aufmerksamkeit auf sich. Solche Public-PrivatePartnership-Verträge erlauben eine differenzierte Verantwortungszuordnung bei der kooperativen Erfüllung von Verwaltungsaufgaben: Sie nehmen einerseits im Wege der „gesetzesdirigierten Vertragsgestaltung" normative Vorgaben auf, andererseits innerhalb des gesetzlichen Rahmens im Wege der Selbststeuerung FeinabStimmungen vor, mit denen
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
285
u. a. der weitere Privatisierungsprozeß dirigiert und Vorsorge für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung getroffen wird. Von zentraler Bedeutung sind dabei Vertragsklauseln, die eine dauerhafte und sozialverträgliche Qualitäts- und Leistungserbringung unter Wahrung der rechtlichen Aufgabenzuordnung sicherstellen. F. Fortbestehende Verwaltungsverantwortung tragung
nach der Aufgabenüber-
(20) Aufgabenverlagerungen „hin zum Privaten" sind nicht notwendig mit einem vollständigen Rückzug des Staates verbunden. Vielmehr wird die unmittelbare staatliche Aufgabenwahrnehmung oftmals abgelöst durch unterschiedlichste Formen der Einflußnahme, Überwachung, Reglementierung und Regulierung; staatliche Aufgabenerfüllung tritt zugunsten der staatlichen Gewährleistung der Aufgabenerfüllung durch Private zurück. Diese Zusammenhänge lassen sich mit dem Begriff der Verwaltungsverantwortung erfassen und nach der Ausgestaltung der Pflichtenstellung der Verwaltung u. a. in folgende -freilich weder überschneidungsfreie noch abschließende - Verantwortungsarten einteilen: I.
Erfüllungsverantwortung
(21) Beider Erfüllungsverantwortung trifft den Verwaltungsträger die volle Einstandspflicht für die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung. Deshalb besteht seine Verantwortlichkeit auch bei einer etwaigen Teilprivatisierung durch Einschaltung Privater fort und ist durch entsprechende Vorkehrungen abzusichern. II.
Kontrollverantwortung
(22) Mit der Kontrollverantwortung sind Aufsichtsbeziehungen zwischen Verwaltung und Privaten angesprochen, die sich an Privatisierungsvorgänge anschließen können; Musterbeispiele dafür liefern Beleihungstatbestände. III.
Privatisierungsfolgenverantwortung
(23) Unter der Privatisierungsfolgenverantwortung lassen sich Tatbestände rubrizieren, die der Verwaltung nach der Durchführung von Privatisierungsmaßnahmen fortwirkende Verantwortlichkeiten für die Folgen der jeweiligen Maßnahme auferlegen; dazu gehören beispielsweise Haftungsverantwortlichkeiten.
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IV.
Hartmut Bauer
Beobachtungsverantwortung
(24) Schließlich meint Beobachtungsverantwortung die Pflicht der Verwaltung, die ordnungsgemäße Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Auge zu behalten und bei Fehlentwicklungen in den dafür vorgesehenen Bahnen auf eine Korrektur hinzuwirken.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben 4. Länderbericht Schweiz von Prof. Dr. Tobias Jaag, Zürich 1 Inhalt Seite
I. II.
Einführung Verwaltungsaufgaben A. Begriff B. Wirtschaftliche Aufgaben des Staates C. Nicht-wirtschaftliche Verwaltungsaufgaben III. Privatisierung A. Begriffe B. Privatisierung wirtschaftlicher Aufgaben C. Privatisierung nicht-wirtschaftlicher Verwaltungsaufgaben IV. Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Leitplanken der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben V. Zusammenfassende Würdigung
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Tobias Jaag
I. .Einführung Privatisierung ist auch in der Schweiz ein aktuelles Schlagwort in der politischen Diskussion. Insbesondere seit der Ablehnung des Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Dezember 1992 wird die Revitalisierung der schweizerischen Wirtschaft vermehrt postuliert; der europapolitische Alleingang zwinge zur marktwirtschaftlichen Erneuerung, das heißt zur Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung 2 . Unser Thema „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben" beschränkt sich einerseits auf einen Aspekt der Revitalisierung, die Privatisierung; andererseits bezieht es sich nicht nur auf wirtschaftliche Tätigkeiten des Gemeinwesens, sondern auf Verwaltungsaufgaben allgemein. Zur Diskussion steht also die Frage, inwieweit Aufgaben, die heute vom Staat erfüllt werden, Privaten überlassen werden können. Zu prüfen sind die Voraussetzungen von Privatisierungen und die damit verbundenen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Fragen 3 . 1 Wegen der strikten Beschränkung der Redezeit auf 15 Minuten können in diesem Bericht nur wenige ausgewählte Aspekte in summarischer Weise dargestellt werden. Einzelne Ergänzungen zum mündlichen Referat finden sich in den Fußnoten. Meinen Assistenten Frau lie. iur. Pia von Wartburg Mäder und Herrn lie. iur. Markus Riissli danke ich für ihre Unterstützung. 2 Botschaft des Bundesrates über das Folgeprogramm nach der Ablehnung des EWR-Abkommens vom 24. Februar 1993, Bundesblatt (BB1.) 1993 I 805 ff., 822 ff. Die politische Diskussion wird von wirtschaftswissenschaftlicher Seite unterstützt; dagegen befaßt sich die Rechtswissenschaft nur beschränkt mit der Thematik. Vgl. immerhin Walter R. Schluep, Revitalisierung, Deregulierung, Reprivatisierung, Wettbewerb der Systeme - was sonst noch an neuen wirtschaftsrechtlichen Delikatessen?, in: FS Arnold Koller, 1993,477 ff. Aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur etwa Marcel Zumbühl, Privatisierung staatlicher Wirtschaftstätigkeit - Notwendigkeit und Möglichkeiten?, Diss., 1978; Heinz Hauser, Reprivatisierung von öffentlichen Leistungen, Wirtschaft und Recht (WuR) 34/1982,208 ff.; Alfred Meier (Hrsg.), Privatisierung von Gemeindeaufgaben, 1984; Gerhard Schwarz (Hrsg.), Wo Regeln bremsen ... Deregulierung und Privatisierung im Vormarsch, 1988; Robert E. Leu / Albert Gemperle / Manuel Haas / Stefan Spycher, Privatisierung auf kantonaler und kommunaler Ebene. Fallbeispiele aus dem Kanton Bern, 1993; Ulrich Grete, Privatisierungen - nur eine Zeiterscheinung? Die Uberführung von Staatsbetrieben in die private Verantwortung, 1993. - Der Aufgabenstellung eines Landesberichts entsprechend beschränken sich die Literaturhinweise - auch im folgenden - weitgehend auf schweizerische Beiträge. 3 Vgl. dazu etwa Hans Georg Giger, Die Mitwirkung privater Verbände bei der Durchführung öffentlicher Aufgaben, 1951; Paul Richard Müller, Das öffentliche Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts, Diss., 1970, insbes. 110 ff.; Martin Lendi, Privatisierung öffentlicher Aufgaben in der Schweiz, in: L. Fröhler / E. Kubin (Hrsg.), Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1979, 67 ff. = Martin Lendi / Robert Nef, Erfüllung öffentlicher Aufgaben ohne Staat, Dokumente und Informationen zur Schweizerischen Orts-, Regional- und Landesplanung (DISP) 54/1979, 23 ff.; Max
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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II. Verwaltungsaufgaben A.
Begriff
Den Begriff Verwaltungsaufgaben verstehe ich in einem weiten Sinn. Neben den herkömmlichen Aufgaben im Bereich der Eingriffsverwaltung gehören auch solche der Leistungs- und Wirtschaftsverwaltung dazu, und er umfaßt nicht nur Vollzugsaufgaben, sondern auch rechtsetzende Tätigkeiten. Für unsere Fragestellung scheint mir die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Verwaltungsaufgaben als Ausgangspunkt nützlich4; die beiden Kategorien sind bei der Frage der Privatisierung auseinanderzuhalten, auch wenn sie nicht scharf gegeneinander abgegrenzt werden können. B. Wirtschaftliche Aufgaben des Staates Wirtschaftlich sind jene Aufgaben des Staates, mit welchen zumindest teilweise Gewinn erzielt werden kann. Darunter fallen die Produktion von und der Handel mit Gütern sowie die Erbringung von Dienstleistungen, welche nicht ausschließlich dem Staat zugute kommen. Die schweizerische Wirtschaftsverfassung basiert auf dem Grundsatz der privaten Wirtschaftstätigkeit. Die in der Bundesverfassung ausdrücklich verankerte Handels- und Gewerbefreiheit beinhaltet nicht nur Frenkel, Besser - Billiger - Bürgernäher, in: M. Frenkel (Hrsg.), Besser? Billiger? Bürgernäher? Ein Beitrag zur Privatisierungs- und Aufgabenteilungsdiskussion, 1981, 5 ff.; Peter Saladin, Grundrechtsprobleme, in: Bernd-Christian Funk (Hrsg.), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1981, 59 ff.; Ursula Brunner, Rechtsetzung durch Private. Private Organisationen als Verordnungsgeber, Diss., 1982; dies., Übertragung von Umweltschutzverwaltungsaufgaben an Dritte. Gutachten, 1989; Yvo Hangartner, Verwaltung durch Private, Verwaltungspraxis 36/1982, Heft 7/8, 4 ff.; Paul Richli, Privatisierung von Bundesaufgaben, Verwaltungspraxis 36/1982, Heft 7/8, 6 ff.; Kurt Eicbenberger, Verwaltungsprivatrecht, in: F G zum Schweizerischen Juristentag 1985, 75 ff.; Beat Krähenmann, Privatwirtschaftliche Tätigkeit des Gemeinwesens, Diss., 1987; Franz Degiacomi, Erfüllung kommunaler Aufgaben durch Private, Diss., 1989. Vgl. auch den Bericht des Bun-desrates über Privatwirtschaft und Staatstätigkeit vom 25. August 1982, BB1.1982 III 81 ff. 4 So anscheinend auch Richli (Fn. 3), 7. Die Unterscheidung findet sich auch im positiven schweizerischen Recht: Einerseits differenziert Art. 61 des Schweizerischen Obligationenrechts ( O R ) vom 30. März 1911 (Systematische Sammlung des Bundesrechts [SR] 220) zwischen amtlichen und gewerblichen Verrichtungen von Beamten; diese Unterscheidung deckt sich indessen nicht mit der hier getroffenen. Andererseits liegt sie auch der Differenzierung zwischen Monopol-Konzession und Konzession des öffentlichen Dienstes (Beleihung) zugrunde; vgl. dazu Max Imboden / René Α. Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl., 1986,1139 f., und René
Α. Rhinow / Beat Krähenmann, Ergänzungsband, 1990, 503 ff.
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Tobias Jaag
einen individuellen Anspruch auf unbehinderte Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern konstituiert auch ein privatwirtschaftliches System 5 . Demgemäß sind wirtschaftliche Aufgaben grundsätzlich den Privaten vorbehalten. Daraus läßt sich eine Pflicht des Gemeinwesens ableiten, nur soweit selbst wirtschaftliche Tätigkeiten auszuüben, als dies überwiegende öffentliche Interessen verlangen. Die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates soll daher die Ausnahme bilden; es gilt der satz der
Grund-
Subsidiarität
In der Schweiz ist denn auch der staatliche Anteil an der wirtschaftlichen Tätigkeit im Vergleich z u m Ausland relativ bescheiden. E s gibt kaum staatliche Industriebetriebe von Bedeutung 7 . Dagegen sind Bund, Kantone und Gemeinden aufgrund von faktischen oder rechtlichen Monopolen 8 stark im Infrastrukturbereich engagiert (öffentlicher V e r kehr 9 , Post 1 0 , Wasser- und Energieversorgung 1 1 sowie Abwasser- und 5 Art. 31 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV). Vgl. dazu insbesondere René A. Rhinow, in: Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1987 ff. (Kommentar BV), Art. 31, insbes. Rdn. 38 ff.; Jörg Paul Müller, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, 2. Aufl., 1991,351 ff., 353 ff. Nach Klaus A. Vallender, Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung, 2. Aufl., 1991, 43 ff., beinhaltet die Handels- und Gewerbefreiheit eine Institutsgarantie zugunsten der Privatwirtschaft (46). 6 Dazu insbes. Lertdi (Fn. 3), 84 f.; Frenkel (Fn. 3), 16 f.; Leo Schürmann, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl., 1994, 267, 276; Rhinow (Fn. 5), Art. 31 Rdn. 38 ff.; Krähenmann (Fn. 3), 160 ff.; Pierre Moor, Droit administratif, Band III, 1992,332 ff.; Schluep (Fn. 2), 507. Der Entscheid betreffend Übernahme wirtschaftlicher Aufgaben durch das Gemeinwesen obliegt dem formellen Gesetzgeber. 7 Ausnahmen bilden die militärischen Rüstungsbetriebe (Wäffen- und Munitionsfabriken, Flugzeugwerke). Vgl. dazu Grete (Fn. 2), 31 f. 8 Dazu insbes. Karin Sutter-Somm, Das Monopol im schweizerischen Verwaltungs- und Verfassungsrecht, Diss., 1989. 9 So die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB); dazu Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen vom 23. Juni 1944 (SR 742.31); Guido Lazzarini, Öffentlich-rechtliche Anstalten des Bundes im Vergleich, Diss., 1982,125 ff. Daneben aber auch regionale und lokale Verkehrsbetriebe; dazu H. P. Wehrli, Möglichkeiten der Reprivatisierung im Verkehrsbereich, in: Meier (Hrsg.), (Fn. 2), 39 ff. 10 Schweizerische PTT-Betriebe (PTT); dazu das PTT-Organisationsgesetz vom 6. Oktober 1990 (SR 781.0); Lazzarini (Fn. 9), 74 ff. - Die PTT holten kürzlich ein Rechtsgutachten zur Frage ein, welche Organisationsformen für sie verfassungsrechtlich zulässig seien; dabei war auch die Frage der Privatisierung zu prüfen. Der Gutachter gelangte zum Schluß, daß eine Organisationsform mit privater Mehrheitsbeteiligung eine Verfassungsänderung voraussetzen würde (Art. 36 BV); Blaise Knapp, La Constitution et les formes d'organisation des PTT, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (ZBl.) 95/1994, 489 ff. 11 Vgl. beispielsweise die Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK), eine privatrechtliche Aktiengesellschaft, an welcher ausschließlich Kantone und kantonale Elektrizitätswerke beteiligt sind (Fn. 4 zum Gründungsvertrag der NOK, Zürcher
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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Abfallbeseitigung 12 ), und sie betreiben - zum Teil in direkter Konkurrenz zu privaten Unternehmen - Banken 13 , Versicherungsanstalten 14 und dergleichen, aber auch Schulen 15 und Spitäler. Die Privatisierungsdiskussion bezieht sich in der Schweiz vorwiegend auf diese wirtschaftlichen Aufgaben, vor allem auf die Kantonalbanken und die kantonalen Gebäudeversicherungen 16 .
C. Nicht-wirtschaftliche
Verwaltungsaufgaben
Nicht-wirtschaftlich sind einerseits alle hoheitlichen Aufgaben des Gemeinwesens, d. h. Rechtsetzung sowie Rechtsanwendung in der Form rechtlicher Anordnungen; dazu gehören etwa das Polizei- und Steuerwesen. Die Erfüllung derartiger Aufgaben fällt in di e primäre Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden; anders als im Bereich wirtschaftlicher Tätigkeiten kommt der Staat dabei nicht nur subsidiär zum Zug 17 . Loseblattsammlung [LS] 732.2). Vgl. für die Bernischen Kraftwerke AG (BKW) Leu/Gemperle/Haas/Spy eher (Fn. 2), 107 ff. 12 Zur Kehrichtbeseitigung H. R. Dietsche, Städtische Kehrichtabfuhr St. Gallen, in: Meier (Hrsg.), (Fn. 2), 71 ff.; Degiacomi (Fn. 3), 43 f., 57 f., 92 ff.; Leu/Gemperle/Haas/Spycher (Fn. 2), 89 ff. 13 Insbes. die Kantonalbanken. Diese profitieren in der Regel von Steuerprivilegien und von einer Staatsgarantie. Dazu Leu/Gemperle/Haas/Spycher (Fn. 2), 49 ff. - Anders als die Kantonalbanken tätigt die Schweizerische Nationalbank nicht primär herkömmliche Bankgeschäfte, sondern sie erfüllt wichtige öffentliche Aufgaben im Bereich der Geld-, Kredit- und Währungspolitik; deshalb ist für sie die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung naheliegend. Art. 14 ff. des Nationalbankengesetzes (NBG) vom 23. Dezember 1953 (SR 951.11); vgl. dazu Schürmann (Fn. 6), 274 f., 436 ff.; Lazzarini (Fn. 9), 271 ff.; Walter A. S t o f f e l , Wettbewerbsrecht und staatliche Wirtschaftstätigkeit, 1994,19 ff. 14 So die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA); vgl. Art. 61 ff. des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) vom 20. März 1981 (SR 832.20); Lazzarini (Fn. 9), 231 ff. Zu den kantonalen Gebäudeversicherungsanstalten Leu/Gemperle/Haas/Spycher (Fn. 2), 71 ff. 15 Die Bundesverfassung schreibt in Art. 27 Abs. 2 staatliche Primarschulen vor, ohne die Zulassung von Privatschulen auszuschließen. 16 Vgl. zu den Kantonalbanken Leu/Gemperle/Haas/Spycher (Fn. 2), 57 ff.; Robert E. Leu, Die Kantonalbanken auf wackliger Rechtfertigungsbasis. Uberfällige Privatisierung eines historischen Reliktes, Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Nr. 100 vom 30. April/ l.Mai 1994, 87. Die Privatisierung der kantonalen Gebäudeversicherungsanstalten wird vor allem aus Gründen der Eurokompatibilität postuliert, weil das Versicherungsmonopol dem europäischen Gemeinschaftsrecht widerspricht; vgl. Gerhard Schmid, Ansatzpunkte für mehr Wettbewerb im Versicherungswesen, in: Schwarz (Hrsg.), (Fn. 2), 90 ff., 94 f.; Leu/Gemperle/Haas/Spycher (Fn. 2), 74 ff., 80 ff. 17 Dazu Hangartner (Fn. 3), 4 ff., der zur Zurückhaltung bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben an Private mahnt; Hansjörg Seiler, Gewaltenteilung. Allge-
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Anderseits gehören auch nicht-hoheitliche gewinnbringend
Aufgaben,
soweit sie nicht
ausgeübt werden können, zu den nicht-wirtschaftli-
chen Verwaltungsaufgaben, so etwa das Fürsorgewesen. In diesem Bereich gilt zwar wie bei den wirtschaftlichen Aufgaben das Subsidiaritätsprinzip. W e n n aber das Gemeinwesen für eine solche Aufgabe zuständig ist, müssen wie bei den hoheitlichen Aufgaben besondere Gründe, d. h. öffentliche Interessen vorliegen, u m deren Erfüllung Privaten zu übertragen. Die Erfüllung nicht-wirtschaftlicher Verwaltungsaufgaben durch Private gibt es in erster Linie im Landwirtschaftsrecht 1 8 , in der öffentlichen Fürsorge 1 9 , in der Forschungsförderung 2 0 sowie im Bereich der technischen Sicherheit 2 1 .
meine Grundlagen und schweizerische Ausgestaltung, 1994,368. Demgegenüber wollen Lendi (Fn. 3, 84 ff.) und Moor (Fn. 6,94) das Subsidiaritätsprinzip auch auf nichtwirtschaftliche Verwaltungsaufgaben anwenden. 18 Die Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung (GSF) ist ein privatrechtlicher Verein, dem - auch hoheitliche - Aufgaben im Bereich der Einfuhr und Verwertung von Schlachtvieh und Fleisch übertragen sind; Art. 93 ff. der Verordnung über den Schlachtviehmarkt und die Fleischversorgung (Schlachtviehverordnung, SV) vom 22. März 1989 (SR 916.341). Mit der Aufgabe der Milchverwertung sind der Zentralverband der Schweizerischen Milchproduzenten sowie private Milchgenossenschaften oder -aktiengesellschaften betraut; Art. 10 f. des Beschlusses der Bundesversammlung über Milch, Milchprodukte und Speisefette (Milchbeschluß) vom 29. September 1953 (SR 916.350). - Andere Organisationen, die landwirtschaftliche Aufgaben erfüllen, wie die Schweizerische Zentralstelle für Butterversorgung (Butyra) sowie die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel (GGF), sind öffentlich-rechtliche Genossenschaften. Vgl. dazu Schürmann (Fn. 6), 278 ff. 19 Z. B. Betreuung von Asylbewerbern durch private Hilfsorganisationen; vgl. dazu einen Entscheid des Bundesgerichts (BGE), ZB1. 92/1991, 406 ff. 20 Insbes. der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung; Art. 5 und 8 des Bundesgesetzes über die Forschung (Forschungsgesetz, FG) vom 7. Oktober 1983 (SR 420.1). 21 Der Schweizerische Elektrotechnische Verein (SEV) ist mit den Aufgaben des Eidgenössischen Starkstrominspektorats betraut; er ist eine privatrechtliche Vereinigung. Vgl. dazu die Verordnung über das Eidgenössische Starkstrominspektorat vom 7. Dezember 1992 (SR 734.24). - Verschiedene Bestimmungen der Bundesverfassung (z. B. Art. 32 Abs. 3 und Art. 34quater Abs. 2 BV) sehen ausdrücklich vor, daß private Organisationen beim Vollzug von Gesetzen zur Mitwirkung herangezogen werden können; vgl. dazu Rhinow (Fn. 5), Art. 32 Rdn. 74 ff. - Daneben spielt in der Schweiz auch das Milizsystem eine wichtige Rolle. Unter diesem Titel werden zahlreiche Aufgaben in Politik und Verwaltung von Privaten im Nebenamt erfüllt. Vgl. dazu Lendi (Fn. 3), 81 ff.; Hangartner (Fn. 3), 4.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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III. Privatisierung A. Begriffe 1. Privatisierung bedeutet die Überlassung oder Übertragung von Aufgaben, welche bisher vom Gemeinwesen erfüllt wurden 22 , an Private23. Die Überlassung erfolgt formlos, indem das Gemeinwesen eine bisherige Tätigkeit aufgibt und die Erfüllung der betreffenden Aufgaben privater Initiative, d. h. dem Markt, anheimstellt. Die Übertragung erfolgt durch formellen Akt, durch Erteilung einer Konzession24; man kann von Aufgabendelegation sprechen. 2. Bei der Gegenüberstellung staatlicher und privater Aufgabenerfüllung ist zu beachten, daß zwischen den beiden Polen Staat25 und Private zahlreiche Zwischenformen bestehen26, so etwa die Erfüllung von Auf-
22
Wenn die Frage beantwortet werden müßte, welche Aufgaben konkret für eine Privatisierung in Frage kämen, wäre zunächst eine Bestandesaufnahme erforderlich; diese hätte aufzuzeigen, welche Aufgaben heute von einem Gemeinwesen (Bund, Kantone, Gemeinden) erfüllt werden. Dabei wäre der Tatsache Rechnung zu tragen, daß bei kantonalen und kommunalen Aufgaben unterschiedliche Lösungen anzutreffen sind, indem eine Aufgabe in den einen Kantonen oder Gemeinden durch das Gemeinwesen, in anderen dagegen durch Private erfüllt werden. Der Stand der Privatisierung ist also - wie in einem föderalistischen Staat nicht anders zu erwarten - nicht einheitlich. Auf eine solche Bestandesaufnahme kann hier verzichtet werden; es geht weniger um die Frage, welche Aufgaben konkret privatisiert werden können, als darum, die Voraussetzungen und Modalitäten von Privatisierungen im allgemeinen zu diskutieren. Es genügt deshalb, auf einzelne Beispiele hinzuweisen. Vgl. dazu insbes. Lendi (Fn. 3), 85 ff.; Brunner, Rechtsetzung (Fn. 3), 13 ff.; Hangartner (Fn. 3), 4; Krähenmann (Fn. 3), 26 ff. 23 Dazu Lendi (Fn. 3), 79 ff. Privatisierung ist zu unterscheiden von der Anwendung privatwirtschaftlicher Instrumente in der staatlichen Aufgabenerfüllung, beispielsweise durch Einführung kostendeckender Gebühren oder marktwirtschaftlicher Mechanismen. Darin liegt zwar eine Annäherung an die Methoden der Erfüllung von Aufgaben durch Private, nicht aber eine Privatisierung. Vgl. dazu Frenkel (Fn. 3), 14 f. 24 Je nach Aufgabenbereich durch Monopolkonzession oder Konzession des öffentlichen Dienstes (Beleihung); Fritz Gygi, Verwaltungsrecht. Eine Einführung, 1986, 56; Ulrich Häfelin / Georg Müller, Grundriß des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., 1993, Rdn. 1195 ff.; Sutter-Somm (Fn. 8), 16 ff. 25 Der Begriff Staat wird im folgenden für die Gemeinwesen aller Stufen (Bund, Kantone und Gemeinden) verwendet. 26 Vgl. dazu die Darstellungen zur dezentralisierten Verwaltungstätigkeit in den schweizerischen Verwaltungsrechts-Lehrbüchern, ζ. B. Imhoden/Rhinow/Krähenmann (Fn. 4), Nr. 138, 157; André Grisel, Traité de droit administratif, 1984, 223 ff., 248 ff., 282 ff.; Thomas Fleiner-Gerster, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., 1980, 481 ff.; Schürmann (Fn. 6), 262 ff., 556 ff.; Blaise Knapp, Précis de droit administratif, 4. Aufl., 1991,532 ff., 562 ff.; Gygi (Fn. 24), 43 ff., 56 ff.; fallender (Fn. 5), 162 ff.; Häfelin/Müller (Fn. 24), 240 ff., 277 ff.; Moor
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gaben durch autonome öffentlichrechtliche Körperschaften, Anstalten 27 oder Stiftungen mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, durch öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform sowie durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen 28 , in welchen Staat und Private gemeinsam eine Aufgabe erfüllen. Die Alternative lautet daher nicht einfach entweder Staat oder Private. Solange Aufgaben durch öffentliche Organisationen ohne Beteiligung Privater wahrgenommen werden, liegt Dezentralisation vor. Privatisierung erfolgt rein formell bei der Benutzung privatrechtlicher Organisationsformen für die Aufgabenerfüllung durch das Gemeinwesen 29 . Der eigentliche Privatisierungsprozeß setzt dort ein, w o Private zur Erfüllung einer Aufgabe gemeinsam mit dem Gemeinwesen oder in Konkurrenz dazu zugelassen werden. Abgeschlossen ist die Privatisierung dann, wenn das Gemeinwesen eine Aufgabe vollständig Privaten überläßt. Das schließt nicht aus, daß die private Tätigkeit durch staatliche Vorschriften einer Regelung unterzogen und beispielsweise einer Bewilligungspflicht unterstellt wird 30 ; der Abbau solcher Vorschriften gehört nicht mehr zur Privatisierung, sondern ist Deregulierung.
(Fn. 6), 47 ff., 91 ff., 329 ff.; ferner Leo Schürmann, Das Recht der gemischtwirtschaftlichen und öffentlichen Unternehmungen mit privatrechtlicher Organisation, Zeitschrift für Schweizerisches Recht (ZSR) 72/1953, 65a ff., insbes. 113a ff.; Hans Werder, Der parastaatliche Bereich in der schweizerischen Demokratie, DISP 57/1980,9 ff.; Rolf H. Weber, Wirtschaftsregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen, 1986,136 ff., 149 ff.; Krähenmann (Fn. 3), 129 ff.; Stoffel (Fn. 13), 5 ff.; Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz, Verwaltungspraxis der Bundesbehörden (VPB) 54/1990 Nr. 36. 27 Dazu Lazzarini (Fn. 9). 28 Dazu Etienne Poltier, Les entreprises d'économie mixte. Etude de droit suisse et de droit comparé, Diss., 1983; Michael Stämpfli, Die gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, Diss., 1991. 29 In Deutschland spricht man von Organisations-Privatisierung; vgl. etwa Friedrich Schock, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, Deutsches Verwaltungsblatt (DVB1.) 109/1994, 962 ff. 30 Es handelt sich auch dann um eine private Tätigkeit, wenn dafür eine Bewilligung erforderlich ist. Demgegenüber ist bei der Konzessionspflicht die Einflußnahme des Gemeinwesens so groß, daß nur von einer Teilprivatisierung gesprochen werden kann. Vgl. z. B. die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG): Sie ist ein privatrechtlicher Verein, der gestützt auf eine Konzession (BBl. 1992 VI 567) ermächtigt ist, Radio- und Fernsehprogramme zu veranstalten. Die SRG untersteht einer strengen Regelung und Aufsicht; Art. 26 ff. des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 21. Juni 1991 (SR 784.40).
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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B. Privatisierung wirtschaftlicher Aufgaben 1. Die Erfüllung wirtschaftlicher Aufgaben durch den Staat drängt sich dort auf, wo öffentliche Interessen betroffen sind und keine Gewähr dafür besteht, daß sie bei der privaten Erfüllung der fraglichen Aufgabe genügend berücksichtigt würden. Dies ist einerseits bei jenen lebenswichtigen Dienstleistungen der Fall, deren Inanspruchnahme obligatorisch oder unausweichlich ist und nicht von den finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Bürgerinnen und Bürger abhängig sein soll, wie etwa Ausbildung und Gesundheitswesen 31 . Die Erfüllung wirtschaftlicher Aufgaben durch den Staat liegt ferner dann im öffentlichen Interesse, wenn Private nicht willens oder in der Lage sind, eine flächendeckende und für alle Bevölkerungskreise erschwingliche Versorgung mit wichtigen Gütern zu gewährleisten 32 ; dies ist die Begründung für die staatliche Tätigkeit im Infrastrukturbereich. Daneben bestehen auch sozialpolitische Gründe; so soll etwa mit staatlichen Unfall- und Gebäudeversicherungsanstalten oder mit Kantonalbanken sichergestellt werden, daß alle Einwohner gegen existenzbedrohende Risiken versichert sind33 und die Möglichkeit haben, zu angemessenen Bedingungen Kredit aufzunehmen. 2. Die Frage der Privatisierung wirtschaftlicher Aufgaben des Staates stellt sich nur dort, wo dem Gemeinwesen in einem früheren Zeitpunkt entsprechende Aufgaben übertragen worden sind. Weil die wirtschaftliche Betätigung des Staates subsidiärer Natur ist, bedarf die Rechtfertigung solcher Tätigkeiten der periodischen Uberprüfung. Es ist die Frage zu stellen, ob die seinerzeitigen Gründe für die Übernahme einer Aufgabe durch den Staat noch stichhaltig sind. Dabei ist zunächst abzuklären, ob ein öffentliches Interesse überhaupt noch besteht. Wenn dies der Fall ist, stellt sich die weitere Frage, ob dieses Interesse nicht ge-
31 In der Wirtschaftswissenschaft spricht man von den meritorischen Gütern. Bei diesen werden „Produktion und Angebot... voll oder partiell der Steuerung durch die Marktkräfte entzogen, weil man sie als so wichtig erachtet, daß man ihre Inanspruchnahme nicht von der Zahlungsfähigkeit oder der Zahlungs willigkeit des einzelnen abhängig machen will"; René L. Frey, Gerechtigkeit, soziale Grundrechte und Ökonomie, in: FS Kurt Eichenberger, 1982,225 ff., 227 f.; Stoffel (Fn. 13), 10. 32 Moor (Fn. 6), 331; Stoffel (Fn. 13), 38. 33 Allerdings werden andere Versicherungen (Motorfahrzeughaftpflichtversicherung, betriebliche Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie Unfallversicherung für nicht-industrielle und nicht-gewerbliche Betriebe) trotz Obligatorium von privaten Versicherern durchgeführt, die indessen einer strengen Aufsicht unterstellt sind. Vgl. als Beispiel die Verordnung des Bundesrates über die Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung vom 5. Juni 1979 (SR 961.25).
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nügend gewahrt werden kann, indem Privaten - beispielsweise im Zusammenhang mit einer Bewilligungspflicht - entsprechende Auflagen gemacht werden 34 . Falls eine die öffentlichen Interessen wahrende Erfüllung einer wirtschaftlichen Aufgabe durch Private auf Dauer sichergestellt ist, ist aus wirtschaftsverfassungsrechtlicher Sicht eine Privatisierung anzustreben 35 . Soweit dagegen die Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen bei privater Aufgabenerfüllung nicht umfassend gewährleistet ist, sind die Voraussetzungen für die Privatisierung nicht erfüllt 36 . In diesem Fall kommt allenfalls eine Zwischenlösung in der F o r m der Übertragung der Aufgabe durch Konzession in Frage, ähnlich wie bei den nicht-wirtschaftlichen Verwaltungsaufgaben. Da die wirtschaftliche Betätigung in der Regel durch Gesetz oder sogar durch die Verfassung vorgesehen ist, obliegt auch der Entscheid über Privatisierung oder Teilprivatisierung dem Gesetz- oder Verfassungsgeber 37 .
34 Die Privatisierungsfrage stellt sich vor allem vor dem Hintergrund wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse, daß wirtschaftliche Aufgaben durch Private effizienter erfüllt werden als durch den Staat. Wieweit diese Beurteilung zutrifft und wieweit die Effizienz nicht durch die Beeinträchtigung anderer öffentlicher Interessen erkauft werden müßte, ist für den Juristen schwer zu beurteilen; es handelt sich dabei weniger um eine rechtliche als um eine wirtschaftswissenschaftliche und bis zu einem gewissen Grad auch um eine politische Frage. Vgl. dazu Zumbiikl (Fn. 2), 9 ff.; Hauser (Fn. 2), 208; sowie Grete (Fn. 2), 4: „Es ist jedoch eine Binsenwahrheit, daß private Unternehmen wirtschaftliche Tätigkeiten effizienter bewältigen als staatliche Betriebe." Diese „Binsenwahrheit" wird durch empirische Untersuchungen von wirtschaftswissenschaftlicher Seite bestätigt; vgl. etwa Heinz Hauser, Bedeutung und Arten der Privatisierung öffentlicher Leistungen, in: Meier (Hrsg.), (Fn. 2), 17 ff., 25 ff.; Leu/Gemperle/Haas/Spycher (Fn. 2), passim. 35 In diesem Sinn beispielsweise § 18 Abs. 2 des Energiegesetzes des Kantons Aargau vom 9. März 1993. 36 Es ist etwa zu vermeiden, zusammenhängende Aufgaben auseinanderzubrechen und nur die gewinnträchtigen Teile zu privatisieren; der Grundsatz „die Gewinne den Privaten, die Verluste dem Staat" darf nicht gelten. Es wäre daher kaum mit öffentlichen Interessen vereinbar, beispielsweise die Post in den großen Agglomerationen zu privatisieren und nur in den Randgebieten dem Staat zu überlassen. Demgegenüber ließe sich eine Trennung und unterschiedliche Organisation der Postdienste und des Telecom-Bereichs durchaus rechtfertigen, da die beiden Geschäftsbereiche keine zwingende Einheit bilden. 37 Vgl. für die PTT Knapp (Fn. 10), passim.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben C. Privatisierung
nicht-wirtschaftlicher
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Verwaltungsaufgaben
D i e Ü b e r t r a g u n g v o n nicht-wirtschaftlichen Verwaltungsaufgaben an Private erfolgt entweder direkt d u r c h G e s e t z 3 8 o d e r gestützt auf eine gesetzliche Grundlage 3 9 d u r c h K o n z e s s i o n des öffentlichen Dienstes. Sie kann aus unterschiedlichen öffentlichen Interessen erfolgen 4 0 , so etwa, weil private Organisationen über die erforderlichen besonderen F a c h kenntnisse und E r f a h r u n g e n o d e r über das notwendige Personal v e r fügen 4 1 o d e r weil sie weniger als die Verwaltungsbehörden politischen u n d bürokratischen Z w ä n g e n ausgesetzt sind 4 2 ; dazu k ö n n e n auch staatspolitische G r ü n d e k o m m e n 4 3 . Die Ü b e r t r a g u n g
v o n hoheitlichen
Aufgaben an
Organisationen
außerhalb der Zentralverwaltung ist aber auch mit verschiedenen P r o blemen behaftet 4 4 . Insbesondere können die Mitwirkungsrechte
der
politischen O r g a n e unterlaufen werden 4 5 , und es besteht eine gewisse G e fahr v o n Interessenkollisionen 4 6 . Vgl. die Beispiele vorn Fn. 18,20 und 21. Rhinow/Krähenmann (Fn. 4), 504; Krähenmann (Fn. 3), 203 ff.; Moor (Fn. 6), 55 ff.; dazu auch Seiler (Fn. 17), 371 f. 4 0 Vgl. dazu Frenkel (Fn. 3), 7 ff.; Degiacomi (Fn. 3), 31 ff.; Seiler (Fn. 17), 369 f. 41 So etwa die einschlägigen Fachvereinigungen für technische Aufgaben und private Hilfsorganisationen für die Betreuung von Asylbewerbern. 42 Privatisierung bedeutet gleichzeitig Entpolitisierung; Häfelin/Müller (Fn. 24), Rdn. 1191; Moor (Fn. 6), 50. Überdies besteht die Hoffnung, mit der Privatisierung könnten öffentliche Mittel eingespart werden; aus diesem Grund wird die Privatisierung vor allem auch in Zeiten der Finanzknappheit postuliert. Kritisch dazu Richli (Fn. 3), 6 ff. 43 Aufgabenerfüllung durch Private bildet ein Element der Gewaltenteilung i. w. S. Die Beteiligung von Privaten an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben fördert auch die Akzeptanz von Anordnungen im fraglichen Bereich. Dies dürfte einer der Gründe für den Einbezug landwirtschaftlicher Organisationen in den Vollzug des Agrarrechts bilden. Dazu Degiacomi (Fn. 3), 37 ff. 38
39
44 Vgl. dazu insbes. Werder (Fn. 26), 12 f.; Hangartner (Fn. 3), 5; Degiacomi (Fn. 3), 112 ff. Diese Probleme bestehen zum Teil in ähnlicher Form auch bei der Privatisierung von wirtschaftlichen Aufgaben. 45 Mit der Entpolitisierung ist eine Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse auf die Organe der betreffenden Organisationen verbunden. Auf kantonaler und kommunaler Ebene kann das insbesondere zur Folge haben, daß das Finanzreferendum gegen Ausgabenbeschlüsse, etwa bei größeren Investitionen, ausgeschaltet wird. Dazu Fleiner-Gerster (Fn. 26), 492; Lendi (Fn. 3), 96; Paul Richli, Finanzreferendum bei Erledigung staatlicher Aufgaben durch privatrechtliche Träger, ZB1. 88/1987, 145 ff.; Moor (Fn. 6), 62. 4 6 Die Fachkompetenz der beliehenen Organisationen rührt in der Regel daher, daß sie - auch ohne staatlichen Auftrag - im fraglichen Bereich tätig sind. Das bedeutet, daß sie bei der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben auch eigene Interessen verfolgen. Daraus ergibt sich das Risiko der Benachteiligung von Dritten, etwa von Nichtmitgliedern des beliehenen Verbandes (Außenseiterproblem); dazu Richli (Fn. 3), 7.
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Tobias J a a g
IV. Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Leitplanken der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben Im Zusammenhang mit der Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf Private sind verschiedene rechtliche Leitplanken zu beachten. Diese sind nicht bei allen Kategorien von Privatisierungen gleich. Am wenigsten Probleme wirft die Privatisierung wirtschaftlicher Aufgaben des Gemeinwesens auf, an welchen das öffentliche Interesse dahingefallen ist; erhöhte Anforderungen sind bei der Privatisierung von Aufgaben zu beachten, an welchen weiterhin ein öffentliches Interesse besteht, insbesondere bei hoheitlichen Verwaltungsaufgaben. Zunächst stellt sich die Frage der Auswahl unter den Interessenten. Soweit nicht alle geeigneten Bewerber für die Übernahme einer Verwaltungsaufgabe berücksichtigt werden können, ist die Auswahl nach sachlichen Kriterien zu treffen; es sind die Grundsätze der Rechtsgleichheit und der Wettbewerbsneutralität zu beachten47. Soweit das öffentliche Interesse an der Erfüllung einer wirtschaftlichen Aufgabe dahingefallen ist, kann die Privatisierung ohne formelle Übertragung der Aufgabe auf Private und ohne besondere Vorkehren zur Wahrung öffentlicher Interessen erfolgen 48 . Anders ist die Situation bei der Privatisierung von - wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Aufgaben, an deren Erfüllung ein öffentliches Interesse besteht. In diesen Fällen ist sicherzustellen, daß trotz privater Aufgabenerfüllung die öffentlichen Interessen gewahrt werden. Dies kann einerseits durch gesetzliche Vorschriften oder durch Auflagen erfolgen, die mit dem Akt der Übertragung der Aufgabe oder bei der Gewährung von Subventionen gemacht werden. Andererseits untersteht die private Aufgabenerfüllung in diesen Fällen der staatlichen Aufsicht49.
4 7 D a z u ein Entscheid des Verwaltungsgerichts Bern, Bernische Verwaltungsrechtsprechung ( B V R ) 1982,209ff.; B G E in ZBl. 88/1987,266f.; Krähenmann (Fn. 3), 197f.; Tobias Jaag, Wettbewerbsneutralität bei der Gewährung von Privilegien im Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: F G z u m Schweizerischen Juristentag 1994, 477 ff. 4 8 Das Gemeinwesen stellt seine Tätigkeit ein und verkauft allenfalls Produktionsmittel usw. an interessierte Private. D a s bisher für diese Aufgabe eingesetzte Personal ist - nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften - entweder verwaltungsintern anders einzusetzen oder zu entlassen. Wird der bisher staatliche Betrieb von einem Privaten weitergeführt, kommt allenfalls eine Übernahme des Personals durch den Erwerber in Frage. 49 Moor (Fn. 6), 57 ff.; B G E 103 Ia 544 ff., 551 ; V P B 54/1990 N r . 36,236 ff. Als A u f sichtsmittel kommen etwa die Genehmigungspflicht von Anordnungen (Verfügungen, Tarifen usw.) sowie die Berichterstattungspflicht in Frage; daneben hat die Behörde von Amtes wegen und auf Anzeige oder Rechtsmittel von Dritten hin einzuschreiten, wenn die öffentlichen Interessen gefährdet sind.
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben
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Nach schweizerischer Lehre und Praxis sind auch Private an die Grundrechte und Verfassungsprinzipien gebunden, wenn sie formell mit der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben betraut werden50; die Rechtsstellung von Betroffenen darf durch die Privatisierung nicht verschlechtert werden. Demgemäß haben Adressaten von Anordnungen und anderen Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der delegierten Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private ebenso Anspruch auf Verfahrensrechte und Rechtsschutz, wie wenn der Staat die fraglichen Aufgaben selbst erfüllen würde51. V. Zusammenfassende Würdigung Die derzeitige Aufgabenteilung zwischen Staatsverwaltung sowie ausgelagerten öffentlichen und privaten Organisationen ist in der Schweiz zum Teil vom Zufall geprägt. Insbesondere die Erfüllung wirtschaftlicher Aufgaben52 durch den Staat bzw. durch öffentlichrechtliche Anstalten oder Körperschaften ist zum Teil nur noch historisch erklärbar; die historischen Gründe sind nach verbreiteter Auffassung beispielsweise bei Kantonalbanken und kantonalen Gebäudeversicherungsanstalten heute nicht mehr immer zwingend. Trotzdem sind in der Schweiz Verfassungsund Gesetzgeber aller Stufen zurückhaltend bei der Vornahme von Kor-
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Das gleiche gilt für die Erfüllung wirtschaftlicher Aufgaben durch den Staat in
den Formen des Privatrechts. Saladin (Fn. 3), 72 ff.; Moor (Fn. 6), 115; BGE 103 Ia 544 ff., 550; B G E in ZB1. 8 8 / 1 9 8 7 , 2 0 5 ff. 51 Dies ist zumindest auf Bundesebene weitgehend erfüllt; Art. 1 Abs. 2 lit. e des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren ( V w V G ) vom 20. Dezember 1968 (SR 172.021); Art. 98 lit. h des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, O G ) vom 16. Dezember 1943 (SR 173.110); dazu Moor (Fn. 6), 105 f. - Demgegenüber ist die verfahrensrechtliche Stellung Geschädigter im Bund schlechter, wenn selbständige Organisationen oder Private eine Aufgabe wahrnehmen, als wenn der Bund selbst oder unselbständige Anstalten dafür zuständig sind; während in den letztgenannten Fällen die unmittelbare Staatshaftung gilt, haftet der Bund bei privater (wie bei dezentraler) Aufgabenerfüllung nur subsidiär; die primäre Verantwortlichkeit liegt bei der privaten Organisation. Art. 19 des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz) vom 14. März 1958 (SR 170.32); vgl. dazu die
Kritik von Hangartner (Fn. 3), 5.
52 Die Übertragung von zusätzlichen nicht-wirtschaftlichen Verwaltungsaufgaben auf Private bildet in der Schweiz nur beschränkt Gegenstand von Diskussionen. Immerhin wird zur Zeit durch einen ehemaligen Gefängnisdirektor die Frage der Führung von Gefängnissen durch Private geprüft. Vgl. überdies zur Übernahme von Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes durch Private Brunner, Übertragung (Fn. 3), 193 ff.
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Tobias Jaag
rekturen an der vorgegebenen Aufgabenteilung 53 . O b die Revitalisierungs-Bemühungen im Anschluß an das EWR-Nein mehr als nur punktuelle Änderungen bringen werden, wage ich zu bezweifeln.
51 So lange eine wirtschaftliche Tätigkeit des Staates Gewinn abwirft, besteht kein Interesse des Gemeinwesens, sie abzutreten; ist sie defizitär, besteht kein Interesse der Privatwirtschaft, sie zu übernehmen. Die wenigen Beispiele von Privatisierungen aus den letzten Jahren sind auf besondere Umstände, insbesondere vorübergehende wirtschaftliche Schwierigkeiten einzelner Aufgabenträger zurückzuführen; die zurzeit in Gang befindliche Privatisierung der Solothurner Kantonalbank ist ein anschauliches Beispiel hierfür.
5. Aussprache und Schlußworte
Privatisierung von Verwaltungsaufgaben Vorsitzender: Meine Damen und Herren, geschätzte Kollegen. Wir wollen nunmehr mit der Aussprache beginnen. Aus der Erfahrung, daß auch die wohlüberlegteste Gliederung letztlich nicht durchgehalten werden kann, wahrscheinlich weil jeder von seinem methodischen und inhaltlichen Standort her subjektiv ein bißchen was anderes gehört hat, möchte ich vorschlagen, daß wir von einer Gliederung überhaupt Abstand nehmen. Ich habe die Wortmeldungen nach den Karten, auf denen Sie das Thema Ihres geplanten Diskussionsbeitrags angegeben haben, in der Mittagszeit thematisch zu ordnen versucht. Wir haben wieder relativ viele Wortmeldungen. Ich möchte zunächst einmal keine Zeitvorgabe machen, bitte sich aber - im Interesse der Kollegen, die später drankommen - möglichst kurz zu fassen, um dann nicht ins Gedränge zu kommen. Als erstem darf ich das Wort Herrn Kollegen Bullinger geben. Bullinger: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren. Alle vier Referenten haben, jeder auf seine Weise, die einen in bewundernswürdiger Klarheit, die anderen in bewundernswürdigem Herausarbeiten neuer Entwicklungen, dargestellt, nach welchen Maßstäben der Gesetzgeber über eine Privatisierung entscheiden kann und muß. Ich werde versuchen, in einem kleinen Querschnitt durch die Referate vier Fragen herauszugreifen, aus der Sicht desjenigen, der in Regierungskommissionen an der Gesetzgebungsarbeit mitwirkt. Zunächst ist es bemerkenswert, wie stark sich die Diskussion um die Privatisierung versachlicht hat, obwohl der Nachhall ideologischer Streitigkeiten noch zu hören ist. Weder verfassungsrechtlich noch ideologisch gibt es noch Extrempositionen einer Privatisierung oder Verstaatlichung um ihrer selbst willen. Man hält einen Leistungsvergleich für notwendig. Die Referenten haben die Leistungen einer Privatisierung, aber auch ihre Nachteile dargestellt. Man muß immer auch berücksichtigen, ob nicht durch eine Privatisierung Leistungen ohne Ausgleich verlorengehen, die für den Bürger oder die Allgemeinheit wichtig sind. Dieser Leistungsvergleich darf aber, und damit komme ich zum zweiten Punkt, nicht einfach danach vorgenommen werden, was sich im
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nationalen Rahmen aus einer Privatisierung ergibt. Denn im europäischen und internationalen Wettbewerb muß nationale öffentliche Daseinsvorsorge umgestellt werden. Es geht nunmehr um die Frage, ob Privatisierung einem nationalen Unternehmen trotz fortbestehender öffentlicher Bindungen die Chance erhält, sich im weltweiten Wettbewerb zu behaupten und weiterhin Leistungen anzubieten. Dieser Aspekt ist ζ. B. maßgebend dafür, daß Telekom mit Zustimmung aller großen Parteien privatisiert wird. Drittens muß man Privatisierung unter dem Gesichtspunkt sehen, ob sie dazu beiträgt, in der Bundesrepublik wirtschaftliche Entfaltung durch die Ansiedlung oder den Ausbau privater Unternehmen mit innovativen Produktionen zu fördern, damit Arbeitsplätze zu schaffen und finanziell die Voraussetzungen für den sozialen Rechtsstaat auf hohem Niveau zu erhalten. Hier geht es um Daseinsvor-vorsorge durch wirtschaftsfördernde Standortpflege. Ein armer Staat kann nicht viel leisten. Diese wesentliche Standortpflege wird aber potentiell in Frage gestellt, wenn nicht nur Warenproduktion und Dienstleistungen privatisiert werden, sondern auch Kontrollaufgaben gegenüber der Wirtschaft. Denn es kann sein, daß darunter die Attraktivität des Rechts- und Wirtschaftssystems für Investoren leidet. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. Die Baugenehmigung ist in einem Land der Bundesrepublik, wie Herr Bauer berichtet, weitgehend auf private Sachverständige übertragen worden. In anderen Ländern wird sie weitgehend abgeschafft. Man privatisiert die Verantwortung und das Risiko in der Weise, daß der Bauherr und der von ihm beauftragte Architekt sie tragen müssen. Jetzt stellt sich heraus, daß viele Bauherren, und zwar von kleinen Häuslebauern bis zu großen Unternehmen, entdecken, welche Leistungen das staatliche Genehmigungsverfahren bisher für sie erbracht hat, etwa das Schaffen von Rechtssicherheit, die Absicherung gegen strafrechtliche Verfolgung und zivilrechtliche Ansprüche. Schreckt der Verlust dieser Leistungen Investoren ab, ist die funktionelle Privatisierung der Baugenehmigung fragwürdig. An diesem Beispiel wird eine allgemeine Problematik sichtbar. Nicht überall, aber in einem erheblichen Ausmaß ist heute in Deutschland - offenbar nicht in der Schweiz und in Osterreich - die Privatisierung von Kontrollaufgaben ein Notbehelf. Ein Notbehelf deshalb, weil Verwaltung im herkömmlichen Betrieb sich als nicht in der Lage erweist, die Kontrolle von Wirtschaftstätigkeit genügend flexibel und rasch zu betreiben. In der Septemberausgabe von Le Monde des Débats beschreibt René Lasserre, ein bekannter Deutschlandbeobachter, die Gründe dafür, daß die deutsche Wirtschaft zu unbeweglich und damit zu wenig wettbewerbsfähig geworden sei. Als einen der Gründe führt er auf, die deut-
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sehe Wirtschaft sei in zu starre Verwaltungsverfahren eingebunden. Die Frage ist aber, ob die Privatisierung der Kontrolle der einzige oder der beste Ausweg ist. Ich glaube nein. Jedenfalls nicht immer. Bevor man etwa die Baugenehmigung einfach abschafft, sollte man versuchen, die Verwaltungstätigkeit selbst mit Elementen privatwirtschaftlicher Tätigkeit zu versehen und damit beweglicher, anpassungsfähiger und rascher werden zu lassen. Das heißt, man sollte erwägen, die notwendige funktionelle Privatisierung zu internalisieren, um ihre Vorteile zu gewinnen, mögliche Nachteile aber zu vermeiden. Die von der Bundesregierung eingesetzte Beschleunigungskommission wird ihren im Dezember zu veröffentlichenden Bericht darauf konzentrieren, Modelle zu entwickeln, die wirtschaftsbezogene Verwaltungstätigkeit durch funktionelle Teilprivatisierung in vielfältiger Form flexibler und attraktiver werden lassen. Hoheitliche Verwaltung kann ζ. T. im Wettbewerb mit Privaten stehen. So ließe sich ζ. B. die Baugenehmigung für diejenigen erhalten, die sie wünschen, und im übrigen Privaten die Verantwortung überlassen. Dieses Modell einer internen Verbesserung der öffentlichen Verwaltung durch funktionelle Teilprivatisierung, als Alternative zur Aufgabe der Verwaltungstätigkeit, bedarf der Unterstützung, wenn es sich durchsetzen soll. Isensee: Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Die vier Referate haben heute einiges dazu beigetragen, den Tatbestand der Privatisierung zu verdeutlichen. Doch einige Ergänzungen sind angebracht. „Privatisierung" ist heute ein politisches Schlagwort mit marktwirtschaftlichem Pathos. Es bezeichnet verschiedenartige Sachverhalte. Eben deswegen sind juristische Unterscheidungen angezeigt. Eine wichtige Distinktion, nach den Subjekten der Privatisierung, hat Frau Osterloh gebracht. Sie unterscheidet die unechte von der echten Privatisierung, die Organisationsprivatisierung vom Übergang der Staatsfunktionen auf den Markt. Die Organisationsprivatisierung ist Etikettenschwindel. Hier geht eine Aufgabe nicht vom Staat auf einen Privaten über. Vielmehr verbleibt sie dem Staat. Es wechselt nur die Rechts- und Organisationsform der öffentlichen Hand vom öffentlichen zum Privatrecht, vom Eigenbetrieb zur Kapitalgesellschaft. Auf den ersten Blick mag der Wechsel verfassungsrechtlich nicht sonderlich belangvoll sein. Denn die verfassungsrechtlichen Hypotheken, vor allem die Verpflichtung auf die Grundrechte, lasten weiterhin auf der Tätigkeit. Doch besteht kein Grund, sich damit zu beruhigen. Die Organisationsprivatisierung hat ihre verfassungsrechtlichen Kosten. Die Verwaltung hört auf, öffentliche Verwaltung zu sein, wenn sie sich privatrechtlich organisiert. Der Staat macht
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sich unsichtbar, weil er auftritt wie ein Privatunternehmen. Mit der Publizität schwindet die Möglichkeit der Kontrolle. Die privatrechtliche Organisation erschwert die parlamentarische Führung und Ingerenz. Der Vorbehalt des Gesetzes wird mehr oder weniger ausgeschaltet. Haushaltsrechtliche Regelungen werden unterlaufen. Die Rechnungsprüfung wird, wenn nicht vermieden, so doch ausgedünnt. Damit sinkt das Niveau der demokratischen Legitimation. Das gilt erst recht, wenn private Verbände oder die Personalvertretung an der Leitung beteiligt werden. Die Organisationsprivatisierung weicht dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 G G aus. Die Beamten werden ersetzt durch Arbeitnehmer. Das kommt dem Aberglauben entgegen, daß Arbeitnehmer von ihrem Status her billiger und effizienter arbeiteten als Beamte. In Wahrheit dürfte die privatrechtliche Organisation teurer werden als die bisherige, schon deshalb, weil die Bezüge des neuen Topmanagements nicht mehr durch die strengen Besoldungsregeln moderiert werden. Es ist nun viel von Leistung die Rede, doch wenig von der parteipolitischen Patronage, dient doch der Bereich der Staatsbanken, Sparkassen und Stadtwerke vielfach dazu, alten Kämpfern Pfründe zu verschaffen. In der Organisationsprivatisierung treffen sich eine aus Amerika importierte Management-Ideologie mit Gewerkschaftsinteressen. Die Gewerkschaften können Tarifpolitik betreiben, ohne auf verfassungsrechtliche Hindernisse in den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zu stoßen. Das beamtenrechtliche Streikverbot fällt. Ein Streik braucht nicht den Konkurs der privatwirtschaftlichen Staatsverwaltung zu fürchten, weil diese rückversichert ist beim Steuerstaat. Hier zeigt sich das eigentümliche Mischregime: die Verwaltung nimmt am Marktwettbewerb teil, aber sie unterzieht sich nicht seinen Risiken. Die Inkonsequenz ist aus ordnungspolitischer und aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Ärgernis. Die Organisationsprivatisierung mag allenfalls als Interim hingenommen werden, so bei Bahn und Post. Die Gefahr besteht jedoch, daß die Zwischenlösung zur Dauerlösung wird, weil sie für alle Beteiligten mit Ausnahme der Kunden und der Steuerzahler bequem ist. Eine weitere Unterscheidung betrifft den Charakter der Aufgabe, die im Zuge einer echten Privatisierung vom Staat auf einen Grundrechtsträger übertragen wird. Entweder behält sie ihren staatlichen Charakter, obwohl sie von einem Privaten wahrgenommen wird. Dann liegt der Tatbestand der Beleihung vor. Oder aber sie wandelt sich um in eine Grundrechtsagende: Ausübung der Berufsfreiheit oder eines anderen Grundrechts. Im ersten Falle bleibt die Tätigkeit an die Grundrechte gebunden, im zweiten wird sie durch Grundrechte unterfangen. Nicht jede Tätigkeit, die der Staat hier und heute wahrnimmt, ist von ihrem Wesen her staatlich, so daß sie, auch wenn sie in private Hände übergeht, ihren Staat-
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liehen Charakter behält. Es kommt hier an auf die Unterscheidung Georg Jellineks zwischen wesentlichen und konkurrierenden Staatsaufgaben. Die Wahrnehmung ersterer ist dem Staat vorbehalten; Private können mit ihnen allenfalls beliehen werden. Es gibt, um Rupp zu zitieren, kein Privateigentum an Staatsfunktionen. Konkurrierende Staatsaufgaben sind dem Staat wie dem Privaten zugänglich. Sie werden auch von den Schutzbereichen der Grundrechte abgedeckt. Das gilt auch dann, wenn man sie weiterhin als „öffentliche Aufgaben" qualifiziert, „öffentlich" verstanden als bedeutsam für das Gemeinwohl. Die Belange des Gemeinwohls werden im freiheitlichen Gemeinwesen sowohl vom Staat als auch von den Grundrechtsträgern erfüllt. Es gibt kein Gemeinwohlmonopol des Staates. Gemeinwohlwichtige Aufgaben wie Ernährung oder Gesundheitswesen werden von privaten Berufen erfüllt. Der Bäcker wie der Arzt erfüllen öffentliche Aufgaben. Dem Staat vorbehalten ist allerdings die Sicherstellung der Leistungskapazität und des Leistungsstandards. Im Feld der konkurrierenden Aufgaben ist das Subsidiaritätsprinzip anwendbar. Der Staat darf eine Aufgabe nur dann ganz oder teilweise an sich ziehen, wenn er dem öffentlichen Interesse besser genügt als Private. Staatliche Monopole oder staatliche Teilhabe am Wettbewerb greifen in grundrechtliche Schutzbereiche ein und bedürfen deshalb der Rechtfertigung. Wird diese Rechtfertigung hinfällig, so muß der Staat den Tätigkeitsbereich räumen und Privaten überlassen. Das Subsidiaritätsprinzip beschreibt den grundrechtlichen Rechtfertigungsmodus. Herr Bauer lehnt zu Unrecht die Relevanz des Subsidiaritätsprinzips ab, das er nicht versteht, vertritt aber jedenfalls in der Sache die richtige These. Unsere Zunft neigt bisweilen dazu, Tätigkeiten, die der Staat ausübt, auf verfassungsrechtliche Gebote zurückzuführen und so als notwendige Staatsaufgaben auszuweisen. Beliebt ist der Schluß von einer Verwaltungskompetenz des Grundgesetzes auf eine institutionelle Garantie des status quo. So gibt es eine ganze Sparte der Literatur zum Bahnrecht, die der Deutschen Bundesbahn aufgrund der einschlägigen föderalen Kompetenznormen die verfassungsrechtliche Gewähr des überkommenen Tätigkeitsbereichs und der überkommenen Organisationsform attestierte, mit der Folge, daß sich damit verfassungsinterpretatorische Hindernisse für eine Privatisierung aufbauten. Die Organisationsprivatisierung der Bahn erforderte so die förmliche Änderung des Grundgesetzes. Doch die Rechtsmeinung, die sich hier etabliert hatte, beruht auf einem Mißverständnis der bundesstaatlichen Kompetenz. Die Kompetenz muß unterschieden werden von der Staatsaufgabe. Die Staatsaufgabe bezieht sich auf das Verhältnis des Staates zur Gesellschaft. Als normative Kategorie bezeichnet sie eine Aufgabe, die der Staat wahrnehmen darf oder sogar wahrnehmen muß. Im letzteren Falle liegt eine wesentliche Staats-
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aufgabe vor, wie sie sich insbesondere im Gewaltmonopol zeigt. Die Staatsauf gaben werden vom Grundgesetz nicht katalogisiert. Sie sind nur selten geschrieben (wie in der Gewähr der staatlichen Schulaufsicht). Sie müssen zumeist durch Interpretation aufgedeckt werden. Bundesstaatliche Kompetenznormen betreffen dagegen das Verhältnis von Bund und Ländern, und nur dieses Verhältnis. Sie haben hypothetischen Charakter: Wenn der Staat eine Aufgabe an sich zieht, dann ist entweder der Bund oder es sind die Länder zuständig. Doch die Kompetenznorm sagt nicht, daß der Staat eine bestimmte Aufgabe überhaupt wahrnehmen muß. Sie enthält keine Rechtspflicht des Staates zum Handeln. Damit steht sie einem Rückzug nicht im Wege. Sie hindert nicht die Privatisierung. Diese ist für sie kein Regelungsthema. Eine letzte Unterscheidung. Die Referate befaßten sich mit gezielten Maßnahmen einer Privatisierung. Ich möchte sie finale oder auch offene Privatisierung nennen. Es gibt aber auch das Phänomen der latenten und apokryphen Privatisierung. Diese vollzieht sich ausgerechnet im Kernbereich der Staatstätigkeit, der klassischen Staatsaufgabe Sicherheit. Der Staat hält sich zunehmend zurück, seinen Bürgern die Sicherheit ihrer physischen Existenz und ihres Eigentums in dem Maß zu gewährleisten, auf das sie unter den Bedingungen der heutigen Gesellschaft angewiesen sind. Er überläßt es ihnen, selber für ihre Sicherheit zu sorgen. Sie wenden sich an private Sicherheitsdienste. Diese treten in die Lücke ein, die der Staat einreißen läßt. Das Gewerbe wächst heute wie nur wenige. Rechtsgrundlage sind das Notwehr- und das Nothilferecht des Privaten. Was bisher Ausnahme gewesen ist vom staatlichen Gewaltmonopol, entwickelt sich zur Regel. Der Bürger erhält die Sicherheit nicht mehr unentgeltlich vom Staat. Er muß sie sich von Privatunternehmen kaufen falls er in der Lage ist, sie zu bezahlen. Die apokryphe Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit zeitigt Nebenfolgen sogar für die soziale Gleichheit. Niemand nimmt Anstoß, wenn die Bundeswehr ihre Munitionsdepots von der Wach- und Schließgesellschaft schützen läßt, die ja nicht die Militärphobie der Öffentlichkeit reizt. Der Sicherheitsbedarf in U-Bahnen wird von Schwarzen Sheriffs bedient. Die Polizei aber macht sich aus falsch verstandener Liberalität unsichtbar für den Bürger. Sie betätigt sich im technischen Hinterhalt als Radarfallensteller. Sie hält sich in Distanz im Streifenwagen. Die sichtbare Präsenz des Polizisten innerhalb des Publikums - zu Fuß, nicht etwa im Streifenwagen - erscheint anachronistisch, obwohl sie, gäbe es sie noch, ebenso wirksam wie schonend die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für jedermann anmahnen könnte. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist freilich anzumerken, daß der Staat zwar das Gewaltmonopol zu wahren hat, nicht aber ein komplettes
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Sicherheitsmonopol. Dennoch ist es angezeigt, die apokryphe Privatisierung dieser Staatsaufgabe kritisch zu überprüfen und ihre rechtsstaatlichen Kosten zu berechnen. Oldiges: Die Referenten des heutigen Vormittages haben sehr schön den Facettenreichtum möglicher Privatisierung von Staatsfunktionen dargestellt. Gleichwohl hätte ich es begrüßt, wenn ein noch konkreterer Problemzugang gewählt worden wäre. Die verschiedenen Privatisierungsfelder hätten in ihrer jeweiligen Problematik noch stärker voneinander abgesetzt werden sollen, denn es stellen sich keineswegs überall dieselben Probleme. Ich will das ohne Anspruch auf Vollständigkeit anhand von drei Beispielen exemplifizieren: Da gibt es zunächst die Privatisierung von Staatsfunktionen, die sich in erster Linie als eine Privatisierung von Staatsvermögen darstellt. Staatsvermögen kann im Rahmen der Daseinsvorsorge oder auch zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken eingesetzt sein. Gibt der Staat die entsprechenden Tätigkeiten auf und veräußert er die dazugehörigen Vermögensgegenstände an nunmehr private Betreiber, so handelt es sich um den nachgerade klassischen Fall der Privatisierung. Deren rechtliche Grenzen sind hinreichend diskutiert worden; sie ergeben sich aus ausdrücklichen - verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen - Aufgabenzuweisungen an den Staat, aus haushaltsrechtlichen Veräußerungsverboten und aus sozialstaatlichen Gewährleistungen. - Anders steht es um den zweiten Fall: um die Übertragung von Hoheitsfunktionen auf Private. Dabei handelt es sich noch nicht um die Privatisierung einer zuvor hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung, sondern es werden nur Private zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben eingesetzt. Das geschieht auch bisher schon und wird voraussichtlich noch häufiger der Fall sein; rechtlich betrachtet handelt es sich dabei um Beleihung. Formelle Schranken setzt hier das Gesetz, wenn es spezielle Organisationsformen für die Hoheitsbetätigung vorsieht oder schlicht verlangt, daß hierfür - jedenfalls in der Regel - Beamte zuständig sein sollen. Bei materieller Betrachtung geht es vor allem um die Wahrung der Handlungseinheit der öffentlichen Verwaltung. - Am interessantesten wird es - und das wäre das dritte Problemfeld - dann, wenn der Staat sich aus einem bisher hoheitlich wahrgenommenen Aufgabenbereich ganz oder teilweise zurückzieht. Er tut dies neuerdings in zunehmendem Umfang bei Zulassungsentscheidungen, die am Maßstab öffentlicher Sicherheit zu treffen sind, also im Aufgabenfeld der Gefahrenabwehr. Hier verschränkt sich ohnehin seit je Öffentliches und Privates, denn öffentliche Sicherheit, bezogen etwa auf eine bauliche oder sonstige Anlage, liegt nicht zuletzt auch im Interesse des Anlagenbetreibers. Aber letztlich geht es um „öffentliche" Sicherheit, und für diese ist nun einmal der Staat ver-
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antwortlich. In jüngster Zeit mehren sich Überlegungen, wie man den Staat von eigenen Sicherheitskontrollen entlasten und diese Aufgabe den für die Anlage zuständigen Architekten oder Ingenieuren überlassen könne; einige Bauordnungen gehen in dieser Hinsicht schon recht weit. Hier wird Stück um Stück Verantwortung abgeschoben, und öffentliche Sicherheit wird jedenfalls teilweise in die private Risikosphäre verlagert. Das kann man unter rechtlichem Aspekt hinnehmen, solange jedenfalls die Erfolgsverantwortung beim Staat verbleibt; davon war heute schon die Rede. Bedenklicher aber ist bei all dem der Verlust an Staatlichkeit. Dieser Aspekt wurde heute noch nicht angesprochen; er besitzt ja auch keine rechtliche Dimension. Der Begriff der Staatlichkeit orientiert sich an Staatsaufgaben, und diese lassen sich bekanntlich rechtlich kaum bestimmen. Gleichwohl gilt zu Recht öffentliche Sicherheit als zentrales Gemeinwohlelement. Je mehr der Staat bei der Gefahrenabwehr auf private Eigenkontrolle setzt, desto schwächer wird ihre Gemeinwohldimension. Aber das ist rechtlich schwer zu fassen. Schuppert: Frau Osterloh, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Ich war über die Referate sehr glücklich, weil die Referenten ihre Energien nicht darauf verwendet haben, vergangene Schlachten zu schlagen und die ideologischen Positionen pro und contra von Privatisierung erneut vor uns auszubreiten; vielmehr ist es den Referenten gelungen, ein sehr differenziertes Bild der Privatisierungsproblematik zu entwerfen, und ich glaube daher auch, daß mit dieser Tagung Anschluß gefunden wird an die bisher von Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern dominierte Privatisierungsdiskussion. Insbesondere hat mir eingeleuchtet und dies kam sowohl bei Herrn Bauer wie bei Frau Osterloh vor - , daß man eine Verbindung herstellen muß zwischen dem Privatisierungsthema und dem Verständnis der Verwaltung insgesamt. Und mein kleiner Beitrag versteht sich als ein solcher Versuch, eine Verbindungslinie aufzuzeigen zwischen der Privatisierungsdiskussion und dem Funktionswandel der Verwaltung. Mit dem Funktionswandel der Verwaltung meine ich einen Wandel von Aufgaben- und Rollenverständnis der Verwaltung, und ich glaube, es gibt eine Reihe von Anzeichen dafür, daß ein solches geändertes Rollenverständnis sich nicht nur in den Wissenschaften von der Verwaltung, sondern auch und gerade in den Köpfen der Verwaltungsangehörigen selbst vollzieht. Wenn wir eine begriffliche Annäherung an dieses gewandelte Rollenverständnis zu finden suchen, so kann man m. E. zwei Begriffe bemühen, die heute auch schon gefallen sind. Das erste Begriffspaar ist das des Wandels von der Erfüllungs- zur Gewährleistungsverantwortung oder von der Vollzugs- zur Gewährleistungsverwaltung.
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Ich glaube, daß man mit dieser plakativen Entgegensetzung die Gewährleistungsfunktion des Staates, auf die es in der Diskussion über den Rückzug des Staates immer mehr ankommt, gut in den Griff bekommt und daß es mit diesem Begriff auch gelingt, zwei Einsichten miteinander zu verknüpfen. Einmal die Einsicht, daß der Staat nicht alles selbst machen muß, sondern er hat nur die Verantwortung dafür, daß bestimmte Aufgaben wahrgenommen werden. Ein sehr gutes Beispiel für den Spielraum bei der Umsetzung dieser Gewährleistungsverantwortung ist das Beispiel des Rundfunks. Ich habe gerade auf der Zugfahrt mit Gewinn einen Aufsatz von Herrn Badura über die Rundfunkorganisation in Bayern gelesen, die ja speziell gelagert ist und die man daher besonders schön mit anderen Regelungsmodellen kontrastieren kann. Tut man dies, so kann man sehr schön sehen, daß es einen gleitenden Ubergang gibt zwischen einem rein öffentlich-rechtlichen Rundfunk, einem Rundfunk in öffentlicher Trägerschaft mit eingebauten privaten Anbietern wie in Bayern, einem dualen Rundfunk mit einer Landesmedienanstalt als Kontrollinstanz und schließlich einem außenpluralen Modell in privater Trägerschaft. Die zweite Einsicht, die heute auch eine große Rolle gespielt hat, ist die, daß mit der Privatisierung das Problem erst anfängt. Privatisierung jedenfalls in sozialstaatlich sensiblen Bereichen - bedeutet notwendig Regulierung. Regulierung und Privatisierung hängen miteinander zusammen und sind zwei Seiten einer Medaille. Dies kann man bei der Privatisierung der Bundespost wirklich wunderbar studieren. Wenn das aber so ist, dann bedürfte es einer Ergänzung der Privatisierungsdiskussion durch eine Theorie der Regulierung bzw. müßte man - wem Regulierungstheorie zu verwaltungswissenschaftlich ist - neu nachdenken über Aufsicht, also darüber, was Aufsicht ist, sein soll und sein kann. Also nicht nur Rechtsaufsicht und Fachaufsicht, sondern begleitende Aufsicht, beratende Aufsicht, fördernde Aufsicht etc. Ich möchte daher anregen, das Privatisierungsthema in anderen, notwendigerweise damit zusammenhängenden Bereichen, fortzuspinnen und auf seine Konsequenzen zu überdenken. Den zweiten Punkt, den ich ansprechen möchte, entlehne ich einem kürzlich erschienenen Exposé von Herrn Scbmidt-Aßmann über die Funktion des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Es sei - so schreibt er dort - eine dringliche Aufgabe des Verwaltungsrechts, die Verwaltung im Kooperationsspektrum staatlicher und privater Aufgabenerfüllung zu verorten. Dies ist - glaube ich - ein zentraler Punkt. Es geht darum, die Verwaltung als einen Anbieter öffentlicher Dienstleistungen unter mehreren anderen Anbietern zu begreifen. Es gibt eine Reihe von gemeinwohlorientierten Dienstleistungen, die durch andere Anbieter als die
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öffentliche Verwaltung angeboten werden, etwa durch Private oder durch Organisationen des Dritten Sektors wie gemeinnützigen Unternehmen, Wohlfahrtsverbänden etc. Dies gilt selbst für gesetzlich vorgesehene Leistungen - wie etwa Kindergartenplätze - oder für Aufgaben mit Verfassungsrang, wie das Beispiel der Wohnraumversorgung zeigt. Sehr viele Landesverfassungen kennen ein Grundrecht auf Wohnraum; dieser wird bereitgestellt und angeboten nicht etwa durch die staatliche Verwaltung, sondern durch private Investoren oder durch Wohnungsbaugenossenschaften. Kindergärten, Altenheime, Drogenberatung - all dies wird überwiegend nicht-staatlich wahrgenommen. Wenn wir diese Befunde ernst nehmen, so müssen wir die Verwaltung begreifen als Teil im Konzert von Anbietern öffentlicher Leistungen, und zwar als einen Teil mit einem spezifischen Beitrag. Wenn wir dies analytisch bewältigen wollen, könnten wir anknüpfen an die politikwissenschaftliche Kategorie des Netzwerkes und können uns die Verwaltung vorstellen als einen Netzwerkpartner innerhalb von Anbieternetzwerken. Wenn dies als zu verwaltungswissenschaftlich empfunden wird, so möchte ich mich zum Schluß einer zentralen Aufgabe der Rechtswissenschaft zuwenden. Ich habe wiederholt betont, daß das Verwaltungsrecht und die verwaltungsrechtliche Dogmatik die Aufgabe haben, dasjenige an Rechtsformen, Handlungsformen und Entscheidungstypen bereitzustellen, was die moderne Verwaltung braucht; ich nenne dies die Bereitstellungsfunktion des Rechts. Ein Beispiel dafür ist der von Herrn Bauer zu Recht in den Mittelpunkt gestellte Typ des Kooperationsvertrages, der sich gerade auch dafür eignet, Kooperation in Netzwerken rechtlich zu gestalten; ein weiteres Beispiel ist die - in dem schönen Begleitaufsatz von Herrn Scboch hervorgehobene - Öffnung des Verwaltungsverfahres für die Kooperation mit Privaten. Ein vielleicht nicht so gelungenes Beispiel ist - um eine winzige kritische Bemerkung zu Frau Osterloh zu machen - der Begriff des Verwaltungshelfers. Dies klingt so, als wäre die Verwaltung nach wie vor allein federführend bei der Aufgabenbewältigung und würde sich im Einzelfall bestimmter Helfer bedienen. Ich glaube, die Relationen sind doch etwas anders, und was wir jetzt gebrauchen könnten in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik, ist, was man vielleicht Privatisierungsfolgenbewältigung nennen könnte. Dies sollte uns vielleicht demnächst mehr beschäftigen. Vielen Dank! Schachtschneider: Herr Vorsitzender! Es geht um nicht weniger als um den Umbau des Staates. Durch ihn sind auch die Privaten betroffen. Wir müssen zu der Begrifflichkeit finden, die dem Problem gerecht wird. Die Begriffe des Staatlichen und des Privaten sind, befürchte ich, noch
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von der liberalistischen Dichotomie von Staat und Gesellschaft bestimmt. Auch die Privaten, Herr Schuppert hat das soeben angesprochen, sind an der Gemeinwohlverwirklichung beteiligt; denn sie entfalten sich nach Maßgabe der Gesetze. Wenn das staatliche Gemeinwesen mit der privaten Wirklichkeit des gemeinsamen Lebens nicht zufrieden ist, können die Gesetze verändert werden. Das Private kann durch den Gesetzgeber mit unterschiedlicher Intensität gesteuert werden. Die Gemeinwohlverwirklichung kann und wird auch Privaten, diese institutionell begriffen, anvertraut. Freilich ist die Art und Weise privater Gemeinwohlverwirklichung eine andere als die staatliche. Insbesondere soll die erste nach Möglichkeit wettbewerblich sein. Aber in dem Maße, in dem wir institutionelle Staatlichkeit aufgeben, verstaatlichen wir die durch das Recht zur Willkür geprägte Privatheit mehr und mehr. Herr Isensee hat das angesprochen. Die funktionelle Verstaatlichung des institutionell Privaten mindert auch die Möglichkeit von Wettbewerb. Nicht all die sogenannten Unternehmen, die jetzt formell oder auch materiell privatisiert werden, lassen sich sinnvoll dem Wettbewerbsprinzip unterwerfen. Das Verhältnis von Staatlichkeit und Privatheit ist freiheitlich im Sinne des Grundgesetzes, nicht liberalistisch zu bestimmen. Das Handeln des Menschen, insbesondere des Bürgers, ist immer staatlich und privat zugleich; denn staatlich oder privat sind die Maximen des Handelns bestimmt. Das Handeln aber hat Wirkung in der Gemeinschaft, die staatlich geordnet ist, aber Privatheit bestmöglich erlaubt. Das Handeln des Staates soll ausschließlich staatlichen Maximen folgen, muß also durchgehend gesetzlich bestimmt sein. Ich schließe mich ganz dem an, was Herr Isensee gesagt hat. Auch in dem Referat von Herrn Hengstschläger ist das zum Ausdruck gekommen. Die formelle Privatisierung ist nichts anderes als die Flucht des Staates aus dem Staatsrecht. Das gilt vornehmlich für das öffentliche Dienstrecht. Die formell privatisierten Unternehmen entziehen sich aber auch dem demokratischen Kompetenzrecht. Es ist das Amtsprinzip, welches sich zur Zeit keiner großen Beliebtheit erfreut, das die Entwicklung zu stören scheint. Nur was ist das für eine Entwicklung? Es ist die Vermehrung der Pfründe, an denen die Gewerkschaft und die Parteien Interesse haben, gestützt von den Unternehmensberatern, deren Einfluß auf den Staat, so gut wie unbemerkt, stetig wächst. Die amtsmäßigen Laufbahnprinzipien behindern ohnehin nur die Karrieren derer, welche im Gewerkschafts- und Parteienstaat die Führungspositionen beanspruchen. Die formelle Privatisierung staatlicher Verwaltungen gehört somit vornehmlich in das Kapitel Ämterpatronage. Gerade das Gut Amtlichkeit scheint der europäischen Entwicklung geopfert werden zu sollen. Auch für die Kommunen wird es vor allem finanziell schmerzlich werden, wenn weite Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge dem
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europäischen Wettbewerbsprinzip ausgesetzt werden. Herr Bauer hat Art. 90 EGV angesprochen. Den Begriff des öffentlichen Unternehmens, dessen Sprengkraft für die Gestaltung des Staates nicht unterschätzt werden darf, muß erst einmal jemand in einer Weise definieren, welche begriffliche Unterscheidungen des Staatlichen ermöglicht. Der Begriff des Wirtschaftlichen vermag das Wirtschaftliche nicht vom Hoheitlichen zu unterscheiden. Auch der Staat ist ein Teil der Wirtschaft. Das zeigt die Finanz- und Haushaltsverfassung. Das ökonomische Prinzip gilt auch für den Staat. Eine den Art. 90 EGV rechtfertigende Definition der öffentlichen Unternehmen ist nicht möglich. Der Europäische Gerichtshof macht deren Begriff schlicht vom Begriff des Wirtschaftens abhängig und differenziert demgemäß willkürlich. Wenn die Bundesanstalt für Arbeit ein wirtschaftliches Unternehmen ist, dann ist es die Sozialversicherung auch. Folglich wäre sie nach Art. 90 Abs. 1 EGV dem Wettbewerbsprinzip auszusetzen. Dasselbe müßte für die Universitäten, die Schulen usw. gelten. Mittels Art. 90 EGV können wir gegenwärtig von den Gemeinschaftsorganen gezwungen werden, einen wesentlichen Teil unserer Verfassungsordnung zu verlassen. Dabei geht es nicht nur darum, unternehmerische Effizienz (eine empirisch fragwürdige Gutschrift) zu aktivieren, sondern mit der Entstaatlichung des Staates um einen Umbau des Gemeinwesens insgesamt, auch darum, endlich die nicht geliebten Juristen aus dem Staat zu verdrängen. Der Begriff des Hoheitlichen muß auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 33 Abs. 4 und Abs. 5 GG als Gegensatz zum privaten Wirtschaften begriffen werden. Alles Staatliche aber ist hoheitlich. Dankeschön! Roellecke: Alle Vorredner haben mit Recht darauf hingewiesen, daß die Grenzen der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben von der Präzisierung der Staatsaufgaben ahängen. Man kann das eine ohne das andere nicht festlegen. Ich gestehe, daß ich bei allen Referaten nicht verstanden habe, wo die Grenze der Staatsaufgaben liegt. Ein Beispiel. Herr Bauer schreibt in Leitsatz 15, aus der Pflicht zum Schutz der Grundrechte erwachse dem Verfassungsstaat die Pflicht, im Rahmen des Möglichen für die Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs der Bürger zu sorgen. Ich habe die Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs immer für die Aufgabe der Wirtschaft gehalten, nicht für eine Aufgabe des Staates. Ich frage mich auch: Wenn die Wirtschaft es nicht mehr schafft, die Bürger mit allen lebenswichtigen Gütern zu versorgen, wie kann es dann der Staat schaffen? Man kann natürlich argumentieren, gemeint ist der Notstand. Im Notstand muß der Staat verteilend eingreifen. Aber empirisch stimmt das nicht. Wenn die Not besonders groß ist, wird die Verteilung von Gütern radikal privatisiert. Denn dann entstehen Schwarzmärkte, die der
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Staat allenfalls dulden, aber nicht regeln kann. Ist also die Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs wirklich eine Staatsauf gäbe? Alle Referate haben nun eine merkwürdige Argumentation verwendet, um dem Problem der Staatsaufgaben auszuweichen. Sie haben die Verwaltungsaufgaben formal definiert, besonders deutlich bei Frau Osterloh. Verwaltungsaufgaben seien verfassungsrechtlich und gesetzlich begründete und begrenzte staatliche Handlungskompetenzen. Was eine Verwaltungsaufgabe ist, bestimmt also der Gesetzgeber. Wenn der Gesetzgeber eine Aufgabe zu einer privaten Aufgabe erklärt, ist das Privatisierungsproblem folglich gelöst. Dann kann man sich nur noch darüber unterhalten, wie das Verfahren läuft. Herr Bauer hat sich konsequenterweise auch darauf konzentriert. Er hat nur noch über Verfahren gesprochen und nicht mehr über materielle Grenzen. Aber Frau Osterloh meint, es gäbe materielle Grenzen. Ihre Argumentation setzt jedenfalls materielle Grenzen voraus. Ich sehe jedoch keine. Mit Sicherheit sind öffentliches Interesse und Gemeinwohl keine Grenzen. In diesem schönen Land gibt es niemanden, der nicht behaupten könnte, er arbeite im öffentlichen Interesse und diene dem Gemeinwohl. Das beste Beispiel ist die Landwirtschaft. Deshalb wird sie auch so hoch subventioniert. Sogar in den Bereichen, in denen der Staat ein Monopol zu haben scheint, gibt es private Aktivitäten, im Bereich der militärischen Sicherheit etwa. Selbst die großen Waffen werden von privaten Firmen hergestellt. Auch die Außenpolitik ist keine Domäne des Staates. Es gibt eine Scheckbuchdiplomatie und natürlich eine Wirtschaftsdiplomatie. Denken Sie nur an Berthold Beitz, der wahrscheinlich die Außenpolitik der Bundesrepublik stärker beeinflußt hat als die meisten Berufspolitiker. Wenn aber sogar Kernbereiche staatlicher Tätigkeiten mit privaten Aktivitäten durchsetzt sind, dann ist es um so notwendiger, die Grenze inhaltlich zu beschreiben, bis zu der der Staat privatisieren darf. Badura: Herr Vorsitzender, verehrte Kollegen! Da das Thema lautete: „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben", ist der größte Privatisierungsvorgang, den wir wahrscheinlich in der jüngeren deutschen Geschichte erlebt haben, nämlich die Privatisierung der Treuhand, nicht Gegenstand der Referate gewesen. Die beiden anderen großen Privatisierungsaktionen, nämlich Post und Bahn, die beiden großen Unternehmen der anstaltlichen Verwaltung, sind erwähnt worden. Ich muß allerdings sagen, daß man zu meiner Überraschung das neue Feld, das sich hier verfassungsrechtlich aufgetan hat - es sind ja zwei oder sogar vier neue Artikel in die Verfassung gesetzt worden - , sehr wenig betrachtet hat. Wenn Sie ζ. B. den Post-Artikel nehmen - und das wäre zugleich eine Frage an die beiden deutschen Referenten - , findet sich ja
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dort die Merkwürdigkeit, daß das jeweilige Angebot von Postleistungen als „privatwirtschaftlich" bezeichnet wird, zugleich aber eine Infrastrukturverpflichtung des Bundes in die Verfassung aufgenommen worden ist. Es ist weiterhin so, daß neben den Postunternehmen auch private Anbieter selbst im Monopolbereich auftreten können. Es tritt also die eigenartige Privatisierungslage auf, daß wir nebeneinander ein Staatsunternehmen und Privatunternehmen haben, die aus der Privatisierung hervorgegangen sind. Die Monopoltätigkeit der Staatsunternehmen wird reguliert und ebenso wird das Angebot der anderen Unternehmen reguliert und es entsteht auf diese Weise ein doch ungewöhnliches Dreiecksverhältnis. Man kann das mit unserem ehrwürdigen Begriff des „Verwaltungsprivatrechts" auch überhaupt nicht mehr fassen; denn das für Staatsunternehmen komische Wort „privatwirtschaftlich" soll ja wohl gerade verhindern, daß die Juristen - so ähnlich wie Herr Isensee uns gerade karikiert hat, oder einige von uns - wieder mit ihren Begriffen versuchen, die Post dennoch einzufangen. Das also wäre eine Frage: Die eigenartige Kombination einer Organisations- und einer Aufgabenprivatisierung, wie wir sie bei der früheren Deutschen Bundespost und jetzt den Nachfolgeunternehmen haben. Eine weitere Frage und Bitte um Klärung: Es ist vielleicht etwas wenig klargeworden - wenn es auch etwas angedeutet wurde - , warum es denn überhaupt solche Privatisierungen gibt, was denn überhaupt der Vorteil einer OrganisationsPrivatisierung sein könnte. Es ist hier von fast allen Vorrednern ein negativer Akzent gesetzt worden. Mir selbst scheinen die Organisationsprivatisierungen nicht etwas so Schlimmes zu sein, vor allem wenn man bedenkt, daß so etwas nicht einfach zum Spaß gemacht wird, sondern daß es bestimmte Vorteile dieser Form des Anbietens von Dienstleistungen gibt. Die Referate hätten für meinen Geschmack etwas mehr dazu sagen können, worin denn diese Vorteile vielleicht liegen könnten. Frau Osterloh etwa hat unter 1.4 den Punkt einer effektiven Erbringung von Verwaltungsleistungen - oder so ähnlich - erwähnt. Aber man hätte doch gern gewußt, warum das so gemacht wird, und nicht nur mit dem negativen Akzent, man wolle sich bestimmten Bedingungen entziehen oder es werde das Gemeinwohl gefährdet oder es würden Manager statt Beamter tätig werden - was ja nicht in jedem Fall schlecht sein muß; es könnte ja sein, daß die Verwaltungsleistungen nicht darunter leiden, sondern positiv beeinflußt werden. Ein weiterer Punkt, der mit dem eben Gesagten zusammenhängt: Es ist natürlich nötig, daß man das Thema der Deregulierung und der Staatsentlastung stärker ins Auge faßt, wenn man über die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben spricht. Es ist nicht nur eine Art aktuelles politisches Schlagwort. Vielmehr scheint ein Punkt erreicht zu sein, den
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vor allem die Wiedervereinigung unterstrichen hat - und natürlich auch die Europäisierung - , an dem die Leistungsfähigkeit des Staates nicht mehr voll gewährleistet ist. Wenn hier beklagt wird, daß es zu wenig Polizisten auf den Straßen gibt oder gar private Sicherheitsdienste gekauft werden müssen, müssen wir uns doch fragen: Wie ist es dazu gekommen? Es könnte doch sein, daß der Staat sich übernommen hat. Und wenn jetzt die Politiker endlich die Frage stellen, ob es denn Tätigkeiten gibt, die nicht unbedingt vom Staat wahrgenommen werden müssen, sollten wir ihnen nicht in den Arm fallen, sondern sollten wir uns überlegen, nach welchen Kriterien denn hier vorgegangen werden könnte. Frau Osterloh hat an einer fast beiläufigen Stelle einen Zusammenhang mit der Subventionierung hergestellt. Sie hat geschildert - und wollte das wahrscheinlich kritisch gegen die Politik der Bundesregierung wenden - , daß das Volumen der Subventionen riesenhaft ist und daß das bißchen, was bei Privatisierungen an Geld herauskommen könnte, wenig sei. So ähnlich war die Formulierung. Ja aber, man muß sich doch überlegen, daß man eigentlich sagen könnte, die Nichtprivatisierung sei in einer Reihe von Fällen eine versteckte Subventionierung. Denn wenn der Staat Tätigkeiten wahrnimmt, die privatwirtschaftlich billiger angeboten oder besser angeboten werden könnten, zahlt der Steuerzahler eine versteckte Subventionierung. Das europäische Recht, das hier zu recht mehrfach erwähnt worden ist, betrachtet natürlich einen solchen Vorgang als eine Beihilfe nach Art. 92 EGV. Der Zusammenhang von Subventionierung und Privatisierung könnte also wohl noch mehr Aufschluß bringen. Der dritte und letzte Punkt ist der hier auch schon mehrfach erwähnte Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG). Es ist in der Tat von Herrn Isensee zu Recht betont worden und in den Referaten, wie ich finde vielleicht zu wenig, daß das Thema „Privatisierung" eine Rückwirkung auf den öffentlichen Dienst hat. Für die Tätigkeit der Beamten - nicht nur bei dem Sonderproblem von Post und Bahn, wo eigens Ubergangsvorschriften in die Verfassung aufgenommen werden mußten - und auch für die Art, wie das Berufsbeamtentum als Teil des öffentlichen Dienstes tätig sein kann, hängt vieles von der Frage ab, in welchem Umfang eine Privatisierung stattfindet und was eben „hoheitsrechtliche" - nicht „hoheitliche", Herr Schachtschneider - Aufgaben sind, die in der Regel, wo sie Daueraufgaben sind, von Beamten wahrgenommen werden sollen, wenn ich das Grundgesetz verkürzt zitieren darf. Es könnte ja auch so sein, daß bei einer stärkeren Rückbesinnung darauf, was denn „hoheitsrechtliche" Aufgaben wirklich sind, das Berufsbeamtentum gestärkt und nicht geschwächt wird. Denn gerade die diffuse Verbreitung des Beamteneinsatzes ist ein Thema, das vielfach beklagt worden ist und das in dem Zu-
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sammenhang der Privatisierung eine gewisse Bedeutung erlangen könnte. Die Privatisierung von Post und Bahn hat in dieser Hinsicht eine Entlastung gebracht; denn das Thema wurde ja meistens gerade an Lokomotivführern usw. exemplifiziert - das kann man sich also in Zukunft nicht mehr so leicht machen. Ich darf mit der Bitte schließen, vielleicht auch dazu noch ein paar Worte zu sagen, gerichtet an Frau Osterloh und die anderen Referenten, auch betreffend Osterreich und die Schweiz, wie dort das Thema - vor allem für Österreich dürfte es von Interesse sein gesehen wird: Staatssektor, Privatisierung und öffentlicher Dienst. Degenhart: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich möchte nochmals die Frage stellen, ob die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Privatisierung von Verwaltungsaufgaben hier nicht etwas zu locker gezogen wurden. Gerade unter den Verhältnissen in den neuen Bundesländern etwa bedeutet die Privatisierung im kommunalen Bereich, daß eine Rechtsaufsieht, eine effektive Rechtsaufsicht, die jetzt schon nur unter erheblichen Schwierigkeiten stattfindet, weitestgehend illusorisch wird. Das kann auch rechtsstaatlich nicht ganz irrelevant sein. Herr Bauer, Sie haben zu Recht hingewiesen auf das mehrfach erwähnte sächsische Aufbaubeschleunigungsgesetz, das eine Privatisierung des Baugenehmigungsverfahrens vorsieht. Ob dies tatsächlich zur Beschleunigung beiträgt, mag dahinstehen. Jedenfalls ist dies ganz sicher nur ein Einstieg in weitergehende Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben. Der Einstieg über das Baurecht wurde deshalb gewählt, weil hier die politischen Widerstände sicher am geringsten sind und das ganze mit „Investitionsförderung" auch positiv besetzt werden kann. Konkret also zur Privatisierung des Baugenehmigungsverfahrens: hier kann meines Erachtens doch auf die Wahrung des Funktionsvorbehalts des Art. 33 GG, der ja mehrfach angesprochen wurde, nicht verzichtet werden. Denn dieser Funktionsvorbehalt für die klassischen Hoheitsfunktionen, wie die „Baupolizei" und die „Gewerbepolizei" ist ja nicht nur eine naturschutzrechtliche Norm für das Biotop des Berufsbeamtentums. Der Funktionsvorbehalt hat ganz erhebliche rechtsstaatliche Funktionen: als Garantie rechtsstaatlicher Distanz und Neutralität, der Interessenunabhängigkeit bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben. Dann, wenn private Sachverständige, die interessenmäßig involviert sind, das Baugenehmigungsverfahren „durchziehen", dürften diese Erfordernisse ebenso gut gewahrt sein, wie etwa dann, wenn Steuerberater die Steuerbescheide ausstellen. Diese Interessenunabhängigkeit, diese Neutralität und Distanz sind in Gefahr. Deshalb scheint mir eine Privatisierung originär hoheitlicher Funktionen mit dem grundgesetzlichen Funktionsvorbehalt nicht mehr vereinbar.
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Schließlich ein letzter Punkt, den ich aber nur kurz andeuten möchte. Sie haben, Frau Osterloh, wenn ich das richtig verstanden habe, doch auch gewisse finanzverfassungsrechtliche Grenzen angedeutet im Hinblick auf die Neutralität, die Distanz des Steuerstaates. Hier ist meine Frage, ob bei der Privatisierung und damit auch der privaten Finanzierung unverzichtbarer Infrastrukturaufgaben, die herkömmlicherweise zu den klassischen Staatsaufgaben zählen, nicht auch der Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit, der Steuergerechtigkeit eine Rolle spielen muß. Denn dies sind die maßgeblichen Direktiven für die Finanzierung von Staatsaufgaben im Steuerstaat des Grundgesetzes. Deshalb möchte ich zusammenfassend doch vielleicht auf etwas konkretere verfassungsrechtliche Schranken für eine Privatisierung von Hoheitsaufgaben und klassischen Staatsaufgaben drängen. Vielen Dank! Oppermann: Herr Vorsitzender, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bedaure außerordentlich, daß Herr Kollege Jaag nicht mehr anwesend ist. Ich wollte ihm ein besonderes Lob für sein schönes Referat spenden. Vorsitzender: Er ist hier. Oppermann: Umso besser! Ich fand, er hat einen wichtigen Punkt in die Diskussion eingeführt, den ich noch einmal hervorheben möchte. Herr Jaag hat deutlich die Differenz zwischen witschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Betätigung der Verwaltung ins Spiel gebracht und in diesem Zusammenhang von Verfassungspflichten, jedenfalls für die Schweiz, der Privatisierung für den wirtschaftlichen Bereich gesprochen. Seinen Leitsatz 3b möchte ich noch einmal vorlesen: „Sind Private willens und in der Lage, eine wirtschaftliche Aufgabe unter Wahrung der öffentlichen Interessen auf Dauer zu erfüllen, so ist sie - allenfalls unter entsprechenden Auflagen - Privaten zu überlassen". Das ist ein bemerkenswerter Satz. Er scheint vor dem Hintergrund der Schweizer Sicht der Wirtschaftsverfassung zu stehen, die ungefähr dem entsprach, was Herr Nipper dey Mitte der sechziger Jahre in einem inhaltsreichen, oft verkürzt zitierten Aufsatz dem Grundgesetz entnehmen wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat dann mit seinem Investitionshilfe-Urteil einen anderen Akzent gesetzt, aber auch nur deswegen, weil es immer wieder verkürzt zitiert wird. Es wird von der „wirtschaftspolitischen Neutralität" des Grundgesetzes gesprochen und der Zusatz unterschlagen, daß diese Neutralität natürlich nur im Rahmen des Grundgesetzes gelten kann. Darüber sollte neu nachgedacht werden. Sicherlich haben Frau Osterloh und Herr Bauer die herrschende Lehre wiedergegeben, wenn sie sagten, es liege mehr oder weniger in der Souveränität des Gesetzgebers, zu pri-
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vatisieren oder nicht. Auch Herr Hengstschläger betonte für Österreich mehr oder weniger den breiten Ermessensbereich des Gesetzgebers in diesem Bereich. Aber ist das wirklich so grenzenlos? Wenn man die faktische Entwicklung einbezieht, Bahn, Post, Lufthansa und vieles mehr, darf diese Privatisierungswelle verfassungsrechtlich nicht unbeeindruckt lassen. Sagen die Grundrechte nicht Wesentliches über die Wirtschaftsverfassung aus? Art. 2 I als wirtschaftliche Handlungsfreiheit, die Koalitionsfreiheit, die Berufsfreiheit, das Eigentum usw. - enthält das nicht eine grundsätzliche „Freiheitsgeneigtheit" der Verfassung? Im Sinne einer prinzipiellen NichtStaatlichkeit der Wirtschaft? Man sollte darüber nachdenken. Sie haben in Ihrem Leitsatz 13 eine interessante Formulierung gewählt, Herr Bauer, die mir noch nicht vollkommen aufgegangen ist: „Welche Bedeutung haben die Grundrechte in der Privatisierungsdebatte?" Weshalb hat die Privatisierung „Konjunktur", wie Sie es ausgedrückt haben? Irgend jemand sagte, die Finanznot sei es gewesen, die zur Privatisierungsfreundlichkeit geführt hat. Das ist sicherlich richtig. Not lehrt nicht nur Beten, sondern auch Privatisieren! Aber diese Finanznot, Herr Badura, kommt nicht von ungefähr. Der Staat ist bei uns in vielen Bereichen, gerade im öffentlich-wirtschaftlichen Bereich, zu fett geworden. Der „schlanke" Staat ist nunmehr das Ziel. Das „Lean management" der Privatwirtschaft ging voran. Hier wäre das eine oder andere zu ergänzen. Der öffentliche Dienst und Art. 33 IV GG wurde angesprochen. Ich weiß nicht, ob unser Sherlock Holmes im Kampf gegen das öffentliche Laster, Herr Kollege von Arnim, noch anwesend ist. Hier läge ein reiches Betätigungsfeld für ihn. Die Pfründenwirtschaft zwischen dem Parteienstaat und den öffentlichen Unternehmen - Herr von Münch hatte dies bereits kürzlich angesprochen - ist und bleibt ein Krebsübel unseres Parteienstaates. Das führt unter anderem zu einer Überbeschäftigung, die einer der Gründe für die Privatisierungswelle geworden ist. Die British Airways fliegt plötzlich wieder mit gutem Gewinn, nachdem sie sehr stark abgebaut hat. Die Lufthansa orientiert sich in die gleiche Richtung. Private Rundfunkgesellschaften kommen mit einem Bruchteil des Personals aus wie öffentliche Rundfunkanstalten usw. Ich will das nur einmal ansprechen. Ist die Frage nach dem „schlanken Staat" nur eine wirtschaftliche Frage, oder verbirgt sich dahinter eine berechtigte verfassungspolitische Forderung, nämlich die, daß sich der Staat - mindestens im wirtschaftlichen Bereich - auf seine notwendigen Aufgaben zurückziehen sollte? Schmidt-Preuß: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Die Privatisierungsdiskussion - so haben wir in allen Referaten gehört - wird
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bislang weithin beherrscht von Ökonomen und Ordnungspolitikern. Um so wichtiger ist die Frage nach den rechtlichen Vorgaben zugunsten einer Privatisierung, also wenn Sie so wollen, nach Privatisierungsgeboten. Was das Grundgesetz angeht, so haben alle Referenten - namentlich die deutschen - hervorgehoben, daß es eine explizite Privatisierungsgebotsvorschrift nicht gibt. In der Tat ist dem voll zuzustimmen. Das Grundgesetz kennt - wenn man einmal von den speziellen Vorschriften wie Art. 87 e oder f absieht - keine explizite Norm, die eine Privatisierung gebietet. Gleichwohl können sich implizite Aussagen aus dem Grundgesetz ergeben, die für eine Privatisierung sprechen. Ich denke an die Grundrechte. Herr Bauer hat unter seinem Leitsatz 13 darauf hingewiesen - Herr Oppermann führte gerade zuvor Entsprechendes aus - , daß die wirtschaftsbezogenen Grundrechte in ihrer Gesamtheit doch darauf hindeuten - jedenfalls von ihrer inneren Logik her - , daß es auch von Grundgesetz wegen so etwas gibt wie einen Primat des privaten Sektors. Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, das legen doch wohl die Grundrechte nahe, soll nicht - jedenfalls nicht in erster Linie Sache des Staates, sondern eben Sache Privater sein. Von daher könnte man von einem Primat des privaten Sektors sprechen und mich würde interessieren, Herr Bauer, ob Sie über den Begriff des Privatisierungspotentials in ihrem Leitsatz 13 hinaus noch so weit gehen könnten, ein Regel-Ausnahme-Verhältnis anzunehmen: im Zweifel, Herr Oppermann hat es eben schon ausgeführt, pro Privatisierung und erst wenn der Markt nicht mehr funktionsfähig erscheint, aber auch nur dann und wenn das auch nachgewiesen ist, Produktion durch den Staat. Zum zweiten die Ebene des EG-Rechts. Ich glaube, Herr Bauer verdient auch hier - jetzt folge ich meinem Vorredner, Herrn Oppermann - volle Zustimmung, wenn er das EG-Recht als eine Möglichkeit sogar eines Privatisierungsschubs betont. Zwar überläßt es Art. 222 EGV den Mitgliedstaaten, die Eigentumsordnung in eigener Regie zu gestalten, aber die Hebelwirkung geht, das haben Sie völlig zutreffend dargetan, von Art. 92 in Verbindung mit Art. 86 EGV aus. Sie haben die Entscheidung des EuGH zur Arbeitsvermittlung erwähnt, dieser ist nur die Judikatur zum Telekommunikationsbereich zur Seite zu stellen. Es ist wohl keine Ubertreibung, wenn man sagt, daß die Postreform und auch die jetzt Gesetz gewordene Möglichkeit privaten Zugangs zur Arbeitsvermittlung kaum und nicht so und vor allem auch nicht zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre, wenn es nicht diese Judikatur und diese Privatisierungsschübe vom EGRecht her gegeben hätte. Eine dritte Ebene, die in den Referaten nicht angesprochen worden ist, möchte ich nur in Form einer Frage an Frau Osterloh und Herrn Bauer kurz ansprechen, und das ist der Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom Mai 1990. In den
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Leitsätzen, die Bestandteil eben dieses Vertrages sind, heißt es, ich darf diesen einen Satz kurz nennen: „Wirtschaftliche Leistungen sollen vorrangig privatwirtschaftlich und im Wettbewerb erbracht werden." Prägnanter kann man den Primat des privaten Sektors kaum formulieren, und ich frage mich, ob dies nicht auch eine normative Bindungswirkung für die Gestaltung der Wirtschafts- und Organisationspolitik der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung beinhaltet. Zwar hat - was die einfachgesetzliche Wirkung dieser Bestimmung angeht - der Staatsvertrag keine verfassungsrechtliche Qualität. Insofern kann der Gesetzgeber jederzeit etwas Neues regeln, das ist richtig. Aber der Staatsvertrag gilt fort, wie auch der Einigungsvertrag bestätigt. Wenn man nun auf der staatsvertraglichen Ebene die Bindungswirkung betrachtet und die Coburg-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinzunimmt, dann ergibt sich das überraschende Bild, daß die Bundesrepublik „neu" gebunden ist, auch wenn ihr damaliger Vertragspartner DDR inzwischen durch Beitritt untergegangen ist. Daß die Bundesrepublik „neu" eben auch an dieses vorgegebene Privatisierungsgebot gebunden ist - ich will nur die Frage stellen, vielleicht gebunden sein könnte - , das wäre sicherlich eine überraschende Erkenntnis, und vielleicht ist es möglich - wenn dies auch jetzt spontan so vorgetragen ist - , daß die beiden Referenten hierzu kurz etwas sagen. Am Schluß noch eine Frage an Frau Osterloh. Sie betrifft das, was Sie, glaube ich, in ihrem Leitsatz 8 zum Energiebereich ausgeführt haben. Mich würde auch der Problemkreis der Organisationsprivatisierung und der materiellen Privatisierung im Energiebereich interessieren. Wie würden Sie unter dem Gesichtspunkt des Art. 28 Abs. 2 GG namentlich die Frage beantworten, ob nicht der Landesgesetzgeber der Gemeindeordnungen das kommunale Wirtschaftsrecht zugunsten a) der Organisationsprivatisierung, aber darüber hinaus b) auch zugunsten einer materiellen Privatisierung öffnen kann. Nennen möchte ich hier die privatisierungsfreundliche Subsidiaritätsklausel etwa des Art. 89 der Bayerischen Gemeindeordnung. Danach ist ein gemeindliches Wirtschaftsunternehmen bereits dann unzulässig, wenn die Gemeinde den Unternehmenszweck nicht besser als ein Privater erfüllen kann. Würden Sie dies, gemessen an Art. 28 GG, für verfassungsrechtlich zulässig halten? Dabei möchte ich nur noch für die bayerischen Kolleginnen und Kollegen hinzufügen, daß es vielleicht auch an der Zeit ist, die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahre 1957 neu zu überdenken, in der das Gericht die Daseinsvorsorgeunternehmen, also Strom, Wasser, Gas, ausgenommen hat von der Vorläufervorschrift zu Art. 89, in der es wortgleich hieß, daß kommunale Wirtschaftsunternehmen nur unter den genannten Bedingungen gegründet werden dürfen. Vielleicht das als Schlußfrage. Vielen Dank!
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Meyer: Ich möchte noch ein bißchen konkreter werden, Herr SchmidtPreuß. Wenn Sie aus den Grundrechten einen Zwang zu privatisieren ableiten, dann wären Sie zum Beispiel verfassungsrechtlich gezwungen, das ganze Sparkassenwesen zu privatisieren. Sie kommen gar nicht umhin, es zu sagen, und ich frage mich, aus welchem Grundrecht Sie das ableiten wollen, aus Art. 12? Überlegen Sie einmal die Konsequenzen. Die Konsequenz wäre, daß die oligopolitische Struktur des Bankenwesens noch gestärkt würde. Was das aber mit unserem freiheitlichen System zu tun haben soll, ist mir schleierhaft. Schmidt-Preuß: Nur ein Satz. Die normative Bindungswirkung dieser Direktive des Primats des privaten Sektors, von der ich sprach, ist natürlich nicht unbegrenzt. Darum würde ich sagen, ein Schwarz-WeißBild - in dem Sinne, daß solch strikte Folgerungen hieraus abzuleiten sind, wie Sie sie jetzt andeuten - ist nicht angezeigt. Vielen Dank. Dagtoglou: Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren. Man darf die Durchführung von Aufgaben durch die Verwaltung und die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben weder idealisieren noch dämonisieren. Die Rolle des Juristen beschränkt sich wohl darin, auf Grenzen und Verfahren hinzuweisen, wobei der Spielraum des Gesetzgebers viel weiter als der der Verwaltung selbst ist. Dabei ist auch für den Juristen die Erfahrung mit Privatisierung anderswo sehr wertvoll. Deswegen ist es wohl ziemlich bemerkenswert, daß keiner der vier schönen Referate, die wir heute morgen angehört haben, darauf hingewiesen hat, daß vor genau 15 Jahren die Epoche der Privatisierung in Europa mit der Bildung der ersten Regierung Thatcher angefangen hat. Das umfangreiche Privatisierungsprogramm, das dann in den Achtzigerjahren durchgeführt worden ist, bietet ein Erfahrungsmaterial, das niemand, auch nicht der Öffentlichrechtler ignorieren sollte. Das gilt auch für die sehr interessante Diskussion, die dieses Privatisierungsprogramm, das übrigens noch nicht abgeschlossen worden ist, begleitet hat und noch begleitet. Dieser Diskussion könnte man zum Beispiel entnehmen, daß für Legitimität und Effektivität der Privatisierung sehr viel ausmacht oder gar entscheidend ist, ob Verwaltungsaufgaben, die normalerweise monopolartig von der Verwaltung durchgeführt werden, auf ein privater Monopol oder mehrere private Unternehmen, die gegeneinander konkurrieren, übertragen wird. Wenn man von dem Schutz des Betroffenen vor und nach der Privatisierung spricht, und diese beiden Schutzgestaltungen vergleicht, darf man den Schutz, den dieser Wettbewerb garantiert, soweit er natürlich frei und unverfälscht ist, nicht vergessen und nicht unterschätzen. Es wäre insofern interessant zu untersuchen, ob es überhaupt gestattet ist,
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bei aller Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsaufsicht, ein Verwaltungsmonopol einfach durch ein privates zu ersetzen, wie ζ. B. zum größten Teil der Privatisierung des British Telecom der Fall gewesen ist. Einen zweiten Punkt bildet die bereits angesprochene europarechtliche Seite des Problems, die leider nur Herr Bauer, wenn auch ziemlich kurz erwähnt hat. Ich stimme ihm zu, wenn er sagt, daß trotz Art. 222 EGVertrag die verbreitete These von der Privatisierungsneutralität des Europarechts à la longue kaum aufrechterhalten lassen könne. Schon aber aus diesem Grunde und übrigens auch aus der Tatsache, daß diese These nicht mehr so unangefochten ist, folgt es, daß die europarechtliche Perspektive eine zentrale und nicht einfach eine periphere Bedeutung hat. Dann würde man feststellen können, daß außer des Art. 90 EG-Vertrag über öffentliche Monopole und Unternehmen mit Ausschließlichkeitsrechten Art. 92 EG-Vertrag für die Privatisierungsproblematik von erheblicher Bedeutung ist. Diese Vorschrift enthält ein grundsätzliches Beihilfeverbot, sie sieht aber auch Ausnahmen vor, deren wichtigste die Bewilligung der Kommission meistens mit Auflagen verlangen. Diese Subventionen sind oft wesentlicher Bestandteil von Rekonstruierungsprogrammen, die die Privatisierung von öffentlichen Unternehmen vermeiden oder erleichtern sollen. Der jüngste Air France-Fall, wo ein solches Programm, das eine riesenhafte Summe von staatlichen Subventionen beinhaltet, von der Kommission bewilligt worden ist, droht eine cause célèbre zu werden, wenn die Kommissionsbewilligung angefochten wird, wie es vorgestern in der Finanzpresse angekündigt worden ist. Der Europäische Gerichtshof hat übrigens bereits entschieden, daß ein öffentliches Monopol die private Bereitstellung von Dienstleistungen nicht verhindert, sofern sie sich auf Gebiete bezieht, die von der faktischen Durchführung des staatlichen Monopols nicht angeboten werden. So zum Beispiel das Urteil zum Postmonopol und auch das Urteil zur Bundesanstalt für Arbeit. So erfolgt die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben de facto und durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs und so wird der Wettbewerb zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor erzwungen. Vielen Dank. Pitschas: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, es scheint mir im Augenblick so, als ob die Herren Kollegen und Kolleginnen Staatsrechtslehrer den Charme des zivilisierten Kapitalismus in Europa - wie das Herr Scharpf im Gesprächskreis Verwaltungslehre genannt hat - entdeckt hätten. Wie sehr sich aber im Hinblick auf die damit einhergehenden Probleme die Unterlassung rächt, Privatisierungsfragen in den neuen Bundesländern zu erörtern, belegt die Ausblendung des nur mit gemischten Gefühlen zu betrachtenden Beispiels der Treuhandanstalt aus
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den Referaten überaus deutlich. Insofern scheint es mit unverzichtbar, gegen die Thesen von Frau Osterloh und Herrn Bauer- bei Herrn Bauer These 7 und bei Frau Osterloh ebenfalls These 7 - Widerspruch anzumelden. Dabei geht es mir einerseits um staatstheoretische Vertiefung. Unverzichtbar ist die Erörterung, was hinter der Privatisierung steht, die inzwischen zu einem umfassenden Vorgang der Deregulierung ausgebaut wurde. Wie entwickeln sich im Verhältnis hierzu die Staatsfunktionen und nicht allein die Verwaltungsfunktion, wie Herr Schuppert meint. Denn vorrangig stehen im Zusammenhang der Privatisierung die Kernaufgaben des Staates zur Diskussion - und diesbezüglich zeigt sowohl das Beispiel der Treuhand im engeren konkreten Sinne wie das Beispiel des allgemeiner zu betrachtenden gegenwärtigen Wandels der Staatsfunktionen, daß wir auf dem Weg vom kooperativen zum distanzierten Staat sind. Hierzu kann man natürlich erklärend feststellen, wir hätten und übernommen und als Staat „zu fett" gelebt. Bloß ist das nicht die ganze Wahrheit. Anzuschließen bleibt doch die Frage - und hierin zeigt sich die Begründetheit einer staatstheoretischen Betrachtung - , wie weit wir denn „entfetten" oder, wie es auch heißt, „verschlanken" wollen? Was soll im Staatsbestand verbleiben? Das ist die Grundfrage! Ich möchte sie nicht so wie die Referate beantworten, sondern im Gegenteil dafür eintreten, daß es Grenzen der Privatisierungskompetenz des Gesetzgebers gibt. Eine dieser Grenzen ist aus dem Grundgesetz deutlich zu entnehmen. Sie ist dort zu ziehen, wo die Sicherheit der Bürger in Frage gestellt wird. Der Sicherheitsgewährleistungsauftrag des Staates bzw. die Funktion der Gewährleistung von „Sicherheit" darf nicht beeinträchtigt werden. Das gilt ebenso für die Innere Sicherheit, also das Sicherheitsmonopol der Polizei, wie für die soziale Sicherheit, die in ihren Grundzügen garantiert bleiben muß. So verlangt etwa die staatliche Arbeitsförderung nach hoheitlicher Gewährleistung; sie ist nicht durch private Verteilungslenkungsentscheidungen zu ersetzen. Gleiches gilt gegenüber Risikoentscheidungen im technischen Sicherheitsrecht, in bezug auf die wir dann - und insofern möchte ich Ihnen, Herr Bauer, in der Aufsplitterung der Verantwortungen für technische Sicherheit zustimmen (Thesen 22 und 23) - eine Kontroll- und Privatisierungsfolgenverantwortung bejahen müssen. Akzeptiert man dabei eine offene Staatskompetenz zur Privatisierung, so ist es folgerichtig, wenn Bauer in These 14 die Privatisierungsneutralität der Europäischen Union in Frage stellt. Dies geschieht allerdings unter Bezugnahme auf ein Urteil, das gerade nicht so eindeutig ist, wie Herr Bauer meint. Es handelt sich um die von ihm angezogene Entscheidung des EuGH zum Vermittlungsmonopol
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der Bundesanstalt für Arbeit bei Führungskräften. In ihr hat der Gerichtshof in durchaus abgewogener Art und Weise darauf hingewiesen, daß wir einerseits die wettbewerbliche Ausdehnung privatwirtschaftlicher agenda in den europäischen Mitgliedstaaten akzeptieren müssen, auf der anderen Seite aber den sich entwickelnden europäischen Sozialstaat zu beachten haben. Es geht eben nicht um „Schwarzweißmalerei", sondern wohl doch um eine (diffuse) Neutralität, besser: um die Herausbildung von etwas Neuem, das man vielleicht als „soziale Kohäsion" bezeichnen sollte. Insofern sind die Fragen, die dankenswerterweise in den europarechtlichen Ausführungen angeschnitten wurden, sehr viel differenzierter zu stellen und zu beantworten. Ergänzend dazu hat der EuGH in einem zweiten Zugriff und entsprechend dem sozialen Ausgleichsdenken die Frage, ob französische Sozialversicherungsträger dem Unternehmensbegriff des europäischen Wirtschaftsrechts unterliegen, dahingehend beantwortet, daß sie eben wegen ihrer Eigenschaft als Träger von Gemeinwohlbelangen (Sozialversicherung) keine Unternehmen seien. Damit deutet der Gerichtshof an, daß es hier zukünftig einer differenzierten Betrachtung bedarf. Zum Abschluß sei mir eine dritte Bemerkung gestattet. Sie erstreckt sich auf die Frage des Folgenmanagements. In These 23 hat Herr Bauer hierzu und - wie ich finde - sehr konsequent von einer „Folgenverantwortung" für Privatisierung gesprochen. Sie bleibt allerdings in praktisches Verwaltungshandeln umzusetzen. Versuchen wir dies, dann zeigt sich unter dem Rubrum „Privatisierung" eine erstaunliche inhaltliche Rückwirkung der wahrgenommenen Folgenverantwortung auf das Privatisierungsverständnis. Diese bedeutet nämlich unter den Bedingungen der Gewährleistung sozialer Sicherheit nunmehr so etwas wie Re-Regulierung. Es ist m. a. W. also nicht so einfach, zur Verwirklichung von Marktwirtschaft und Wettbewerb private Unternehmenswirtschaft anstelle staatlicher Aktivitäten einzuführen, wenn und soweit der Staat auf die Verantwortung für die Folgen dieser seiner Entlastung verpflichtet wird. Folgenmanagement gibt in der Konsequenz dessen auf, andere Mechanismen der (sozialen) Folgenverarbeitung zu installieren, die auch nicht so umstandslos mit dem Begriff des „Netzwerks" zu erfassen sind, wie dies Herr Schuppert meint. Vielmehr geht es unter Folgengesichtspunkten und der Verantwortung für Folgen aus Privatisierungsentscheidungen darum, ein anschließendes Kooperationsgefüge von Staat und Wirtschaftsgesellschaft im Kampf gegen „asoziale" Privatisierungskonsequenzen zu schaffen (z. B. Beschäftigungsgesellschaften). Für die staats- und verwaltungsrechtliche Erfassung dieser Notwendigkeit bleibt dann der Begriff der „Privatisierung" selbst seltsam deutungsleer.
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Hengstschläger: Herr Bullinger, Sie haben gesagt, die Diskussion hat sich versachlicht. Da ist viel Wahres dran. Aber in der juristischen Diskussion wird noch immer nicht ganz ehrlich über die Privatisierung gesprochen. Denn wenn man in die Niederungen der Politik steigt, dann gibt es vor allem zwei Motive für die Privatisierung. Das erste Motiv ist die Verschleuderung des Tafelsilbers zur Stopfung der Budgetlücken. Und das zweite Motiv ist die Wahrnehmung von kostenaufwendigen Aufgaben, die aus dem Budget nicht bestritten werden können. Es ist aber das Ganze ambivalent zu sehen und das ist in der Diskussion bisher überhaupt noch nicht zum Tragen gekommen. Dem Staat kommen nämlich täglich neue Aufgaben hinzu. Das heißt, er wirft auf der einen Seite Ballast ab, weil er auf der anderen Seite neue Aufgaben übernehmen muß. Ich denke beispielsweise, was Osterreich betrifft, an die Abfallwirtschaft, die bisher gesetzlich kaum geregelt war und nun eine relativ komplizierte Staatsaufgabe geworden ist. Oder die Finanzierung europäischer Verkehrswege, wie etwa des Brenner-Basis-Tunnels, kann weder aus den Budgets der Länder, die beteiligt sind, noch aus dem der EU bestritten werden. Was wird gemacht? Tunnels, die bisher immer vom Staat gebaut wurden, werden privatisiert. Es gibt bereits private Interessenten, die Finanzierung soll durch eine entsprechende Maut erfolgen. Sie haben gesagt bei der Privatisierung darf der Rechtsstaat nicht verlorengehen. Das ist eine ganz wichtige Forderung und Grenze für die Privatisierung. Natürlich gehört diese Grenze ausdifferenziert und im einzelnen festgemacht, etwa hinsichtlich der Rechtssicherheit, des Rechtsschutzes und der Kontrolle. Die Privatisierung von Kontrollaufgaben ist auch angesprochen worden. Hier gibt es sogar, in Österreich jedenfalls, Vorschläge, den Rechnungshof zu privatisieren. Das heißt private Unternehmen mit der Kontrolle der öffentlichen Gebarung zu betrauen. Noch ein Wort am Rande zu Herrn Oldiges. Er hat gesagt, daß die Hoheitstätigkeit nicht behandelt wurde. Das war so ausgemacht, denn die Beleihung stand 1970, wenn ich mich richtig erinnere, auf der Tagesordnung der Staatsrechtslehrertagung. Für die Beantwortung einer der wichtigsten Fragen, nämlich was sind Staatsaufgaben, was sind Verwaltungsaufgaben, wie weit können sie ausgelagert werden, ist es notwendig, eine Staats- und Verwaltungsaufgabenlehre zu entwickeln. In Osterreich ist sie bis heute nicht erarbeitet, und wenn ich es richtig sehe, auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Eine solche Staats- und Verwaltungsaufgabenlehre einigermaßen seriös darzustellen, hätte die ganze Zeit des Referats beansprucht. Vielleicht kann die Staatsrechtslehrervereinigung zu einem anderen Zeitpunkt diese Frage auf die Tagesordnung stellen.
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Herr Oppermann hat sehr treffend gesagt: Der Staat möge sich auf seine eigentlichen Aufgaben und dann hat er eingefügt „was immer das sein möge, das mögen andere sagen" zurückziehen. Aber darauf kommts an. Herr Schachtschneider, die Organisationsprivatisierung kann wohl zu einer Flucht aus dem Staat führen, die kaum mehr Effizienz mit sich bringt, sondern bessere Pfründe, die auch anfällig für Skandale sind, weil ja hier meistens mit fremden Geldern gewirtschaftet wird. Denken Sie beispielsweise an die Straßenbaugesellschaften in Österreich. In Wahrheit gebaren sie mit Budgetgeld, denn es werden Kredite aufgenommen, für die der Staat haftet. In Wahrheit sind das keine privaten Unternehmer, sondern nur Finanzierungsmechanismen. Am gefährlichsten sind diese ausgegliederten Rechtsträger, wenn sie Monopolstellung haben, denn dann haben sie auf der einen Seite keine Konkurrenz, sie können diktieren, und auf der anderen Seite keine demokratische, parlamentarische Legitimation und auch keine demokratische Verantwortung. Und davor ist zu warnen. Osterloh: Ich darf als erstes das Stichwort von Herrn Bullinger aufgreifen, Privatisierung als Notbehelf, und dies verbinden mit einigen Kritikpunkten von Herrn Badura, der mich möglicherweise als Privatisierungsgegner mißverstanden hat. Allerdings bin ich dagegen, daß Privatisierung als Notbehelf, oder vielleicht schärfer: als Ersatzhandlung eingesetzt wird, und vor allem und in erster Linie bin ich ein Gegner verbreiteter Verwendungsweisen dieses Begriffs. Insbesondere zum Zusammenhang zwischen Veräußerung öffentlicher Unternehmen und Subventionierung: Ich habe eben jenes gemeint, daß nämlich aus konsequent odnungspolitischer Sicht das Betreiben öffentlicher Wirtschaftsunternehmen versteckte Subventionierung bedeutet. Wenn man Subventionen in größerem Stil abbauen will, dann soll man das machen. Es zweifelt kaum jemand daran, daß das erforderlich ist. Man soll aber nicht sagen, daß nun gerade die Veräußerung öffentlicher Unternehmen das Wichtigste sei, und daß es eine besonders wesentliche Form des Subventionsabbaus sei. Das habe ich versucht, mit dem Zahlenvergleich zu belegen. Zum Adressaten meiner Kritik: Mir schien eines der Grundprobleme beim Betrachten der Privatisierungsdiskussion folgendes. Staatsverschuldung, überzogene öffentliche Haushalte, Unfähigkeit zu grundsätzlichen Änderungen - das ist weder ein Parteienproblem noch ein spezifisch deutsches, sondern ein internationales Problem aller westlichen Industriestaaten. Es ist ein absolutes Phänomen, wie schwierig dessen Lösung offenbar ist. Wir haben zwar zur Zeit bestimmte zusätzliche Schwierig-
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keiten im Land, aber es besteht kaum ein Zweifel daran, daß sich bei den großen Problemen wenig bewegt. Es kommt hinzu, was Herr Bullinger erwähnt hat, nämlich die Frage, wieweit wir im Zuge der europäischen Angleichung und Harmonisierung unter anderem in rechtsvergleichender Sicht mehr Phantasie entwickeln müssen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Uber die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Marktmechanismen bin ich mir insoweit nicht sicher. Sie, Herr Bullinger, haben Beispiele gebracht wie Behördenwettbewerb. Dazu habe ich von sehr interessanten Experimenten in England gelesen. Ich weiß es nicht, vielleicht funktioniert das. - Die großen Probleme, die wir haben, müssen gelöst werden, aber mir kommt ab und zu der Verdacht, daß mangels Problemlösungskapazitäten hierzu mit falschen Worten gearbeitet wird. Zur Grundkritik daran, was bei uns fehlte, Treuhand, Post und Bahn, das ist richtig. Die Treuhand war allerdings als Thema der Uberleitung eines staatlichen und gesellschaftlichen Systems in ein anderes ausgeklammert. Post und Bahn betreffen besondere Felder höchst umstrittener verfassungsrechtlicher Fragen, auf die der verfassungsändernde Gesetzgeber inzwischen zum guten Teil geantwortet hat. Im Interesse einer zeit- und sachgerechten Stoffbegrenzung mußte man sich einfach entscheiden. Wir sind anders an das gestellte Thema herangegangen, und meine Lücken sind mir sehr bewußt - auch hinsichtlich vieler anderer nicht behandelter Punkte. Zu den Grundfragen des Streits um Privatisierung - dafür/dagegen, Vorteile/Nachteile: Gewisse Grundmuster dieses Streits gerade im Zusammenhang mit der Post kann man bereits in Protokollen des Reichstags von 1898 finden. Es ging dort um ein Gesetz über einige Änderungen im Postwesen - damals unter dem Vorzeichen der Ausdehnung des staatlichen Postmonopols auf den innerörtlichen Bereich. Es ist geradezu verblüffend, wie ähnlich die Argumentationsmuster geblieben sind. Genau in dem Punkt meine ich, daß ich als Jurist Zurückhaltung üben sollte mangels Sachverstandes zu ganz unterschiedlichen Sachfragen. Ich habe, und das betrifft Bahn, Post und andere Bereiche, dezent angedeutet, daß ich die Effektivitätsprobleme nicht unterschätze, und habe versucht, das mit dem Begriff des Sachverständigenurteils von Herrn Dürr zu beschreiben. Herr Isensee hat darauf aufmerksam gemacht, daß hier die große Verlustliste der Organisationsprivatisierung kaum sichtbar geworden sei. Stichworte: Verluste der parlamentarischen Kontrolle, Legitimationsverluste, Dienstrecht, Streikrecht. Nur eine kurze Anmerkung: Der Rechtsformenwechsel wird ja immer als Kleiderwechsel beschrieben, diskutiert und unterschiedlich bewertet. Ich möchte mal ganz lax sagen, die Kritikund Verlustliste enthält so eine Art Vermummungsverbot. Der Staat ver-
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mummt sich und entflieht dem geltenden Recht, dem er eigentlich unterworfen sein sollte. Ich halte diese Folgen nicht für das Ergebnis einer erfolgreichen Flucht, sondern das sind Folgen bewußter und gewollter Geltungsbeschränkung der einschlägigen Normen. Diese Normen sind änderbar. Für die Bundeshaushaltsordnung ist kürzlich eine einschlägige Änderung abgelehnt worden. Die Gefahren sehe ich wohl, aber man kann dann das Recht entsprechend ändern, wenn man das möchte. Und endlich noch, wenn ich damit abschließen darf, zu den Grundfragen: Begriff der Staats- und Verwaltungsaufgaben, formaler/materieller Begriff, Widersprüche dazu. Erster Satz: Es gab ein ausdrückliches Vorstandsverbot, uns mit der Staatsaufgabenlehre zu beschäftigen. Zweitens: Gibt es nicht doch materielle Grenzen der Privatisierung, gibt es nicht doch positive Aufgaben? Ich meine zunächst, daß äußerste materielle Grenzen des Verfassungsrechts jedenfalls in der gegenwärtigen Privatisierungssituation noch in keiner Weise berührt sind und habe in der Tat im Anschluß an die herrschende Lehre einen Aufgabenbegriff benutzt, der in seinen Grenzen unscharf ist. Ich habe insbesondere keine materiellen Begriffe wie öffentliche Sicherheit oder Gefahrenabwehr benutzt, sondern Gewaltmonopol. Ich meine auch, daß man nach geltendem Recht große Schwierigkeiten mit solchen materiellen Begriffen hat. Aber ich habe gleichzeitig gesagt, es gibt unter anderem eine Gewährleistungspflicht des Staates für eine hinreichende infrastukturelle Grundversorgung. Es bleibt natürlich fraglich, was denn hinreichend ist. - Insgesamt aber bedeutet das Verzicht auf einen materiellen Begriff der Staatsausgaben, und ich halte das für konsequent. Man muß dann allerdings sehen, Herr Roellecke, daß zum Staatsaufgabenbegriff gerade nicht nur Konkretisierungen in Gestalt von Verwaltungsaufgaben gehören. Der Begriff der Staatsaufgaben umfaßt, wie zum Beispiel Isensee in seinem Fünf-Stufen-Katalog zusammengefaßt hat, die ganze Spannbreite unterschiedlicher Grade staatlichen Einsatzes bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, auch das gesamte Zivilrecht. Das ist Staatsaufgabe Zivilrechtsgesetzgebung. Sie wird nur ergänzt auch durch Verwaltungstätigkeit. - Zum Verhältnis von materiellen Grenzen eines Staatsaufgabenbegriffs einerseits und einem formalen Begriff der Verwaltungsaufgaben andererseits: Ich habe in der Tat für Verwaltungsaufgaben einen ganz formalen Rechtsbegriff benutzt und dies übrigens auch zum Verwaltungshelfer - nicht etwa einen verwaltungswissenschaftlichen Begriff, wie es hier in der Diskussion auftauchte. Einen Widerspruch sehe ich zwischen materiellen Grenzen der Staatsaufgaben bzw. des Staatsaufgabenabbaus und einem formalen Kompetenzbegriff der Verwaltungsaufgabe gerade nicht. Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, im Rahmen seiner materiellen Grenzen öffentliche Aufgaben in Staats- und dann in Verwal-
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tungsaufgaben zu transformieren. Dadurch komme ich zu einem von der Souveränität des Gesetzgebers abhängigen formalen Begriff der Verwaltungsaufgaben. Bauer: Herr Vorsitzender, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Nachsicht dafür, daß ich nicht auf die einzelnen Redner eingehe, sondern mich statt dessen auf einige Sachgesichtspunkte konzentriere, die in der Diskussion wiederholt angesprochen wurden: Der erste Punkt betrifft die Frage, ob man nicht einen Kernbestand an ausschließlichen Staatsaufgaben hätte erarbeiten sollen, der dem Privatisierungszugriff entzogen ist? Nun: Herr Hengstschläger hat bereits darauf hingewiesen, daß wir bislang über keine normativ verbindliche Staatsaufgabenlehre verfügen, und im Rahmen der hier vorliegenden Thematik konnte eine solche Staatsaufgabenlehre natürlich auch nicht entworfen werden. In der Sache selbst denke ich, daß man sich sicher auf einen gewissen Grundbestand an ausschließlichen Staatsaufgaben verständigen kann, der etwa den Schutz der territorialen Integrität, die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und die Sicherung der finanziellen Basis umfassen könnte. Nur ist damit recht wenig gewonnen. Denn zum einen gibt es auch bei diesen Materien Durchlöcherungen und in den Randbereichen Ausfranzungen zugunsten privater Betätigung. Und zum anderen erscheint es mit Blick auf die gesamte Bandbreite der Thematik insbesondere für die Beantwortung konkreter Rechtsfragen, wie sie sich in der gegenwärtigen Ambiance stellen, wenig weiterführend, an dem Kernbestand staatlicher Aufgaben anzusetzen. In diesem Zusammenhang vielleicht noch eine kurze Nebenbemerkung zum Subsidiaritätsprinzip: Meine Äußerung im Vortrag bezog sich auf ein allgemeingültiges Subsidiaritätsprinzip; gegen konkrete normative Einzelausprägungen dieses Prinzips, wie sie hier angedeutet wurden, habe ich keine Vorbehalte. Der zweite Punkt, den ich kurz aufgreifen möchte, bezieht sich auf die hier mehrfach monierte, unzureichende Darstellung der Gründe für Privatisierungen. Ich hatte in meinem Referat versucht, einige Motive für Privatisierungsmaßnahmen unter dem Stichwort „Privatisierungsziele" vorzustellen, und dabei darauf hingewiesen, daß bei einzelnen Privatisierungsvorgängen stets aufgaben-, situations- und sachspezifische Abwägungsentscheidungen notwendig sind. Generalisierende Aussagen über Vor- und Nachteile von Privatisierungsmaßnahmen, also über Privatisierungsgründe sind demnach von Gegenstand her nur beschränkt möglich. Dritter Punkt - europarechtliche Direktiven. Zunächst freue ich mich, durch eine Reihe von Stellungnahmen aus dem Auditorium in der Einschätzung bestätigt worden zu sein, daß das Europarecht bei der Privati-
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sierung von Verwaltungsaufgaben nicht vernachlässigt werden darf, was bekanntlich bis heute keine Selbstverständlichkeit ist. Daß im übrigen nicht alle Aspekte, die aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts erörterungswert gewesen wären, thematisiert wurden, war und ist mir bewußt. Das gilt neben anderem auch für das Beihilferecht. Art. 92 EGV war ursprünglich - zusammen mit den von Ihnen genannten und weiteren Anwendungsfällen wie etwa der staatlichen Beihilfe für Alfa Romeo als Beispiel für faktischen Privatisierungsdruck - in meinem Vortragskonzept enthalten. Er fiel allerdings später der Streichung zum Opfer, weil bei dem Konzept, das ich für die dogmatische Erfassung der Privatisierungsproblematik offerieren wollte, nicht alle Beispiele vorgestellt werden konnten. Punkt vier: In der Aussprache wurde mehrfach kritisiert, daß die verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung zu kurz gekommen seinen. Diese Kritik dürfte sich daraus erklären, daß sich die Privatisierungsdebatte in der Vergangenheit über weite Strecken mit solchen verfassungsrechtlichen Grenzen beschäftigt hat. Dementsprechend hatte auch ich anfangs insgesamt rund fünfzehn Stichwörter auf meinem Arbeitspapier stehen, die verfassungsrechtliche Fragen zum Gegenstand hatten, deren Abarbeitung aber die gesamte Vortragszeit in Anspruch genommen und im wesentlichen keine besonders interessanten Erkenntniszuwächse gebracht hätte. Aus diesen Gründen habe ich mich dafür entschieden, lediglich einzelne, zum Teil derzeit prekäre Probleme herauszugreifen und mich im übrigen auf bisher vernachlässigte Fragen zu konzentrieren. Dies trägt nicht zuletzt der Einsicht Rechnung, daß die Verfassung im praktischen Ergebnis verhältnismäßig weiten Spielraum für Privatisierungsentscheidungen läßt. Der Verzicht auf eine eingehende Ausarbeitung der gewiß wichtigen, in diesem Gremium aber ohnehin bekannten verfassungsrechtlichen Grenzen eröffnete - Punkt fünf - Raum für Fragestellungen, die aus meiner Sicht klärungsbedürftiger und spannender sind - so ζ. B. für Fragen des Ubertragungsakte, der Privatisierungsfolgen und der nach der Privatisierung fortbestehenden Verwaltungsverantwortung. Öffnet man sich für diese Fragestellungen, dann stößt man auf bislang eher vernachlässigte Problemfelder, nämlich auf Fragen, wie Sie Herr Bullinger in seinem Diskussionsbeitrag u. a. mit dem schönen Begriff der „Daseinsvorvorsorge" und Herr Schuppert mit seinen Überlegungen zur dogmatischen Domestizierung der Kooperationsverwaltung und der Privatisierungsfolgenverantwortung aufgezeigt haben. Breuer: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Im Grundsatz scheint Konsens zu herrschen, nämlich Konsens dahin, daß wir auf der
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einen Seite eine Staatsaufgabenvermehrung vor uns haben, die sich im Laufe von Jahrzehnten gleichsam aufgestaut hat, auf der anderen Seite aber aus ökonomischer Sicht Privatisierungsforderungen, die sehr weit gehen. Daß die Wahrheit in der Mitte liegt, deutet sich an. Ich möchte daran aber vier Fragen anschließen, von denen ich nicht weiß, ob sie in der bisherigen Debatte schon mit der gebührenden Klarheit behandelt worden sind. Die erste Frage beginnt mit einer Binsenweisheit: Man soll bekanntlich aus der Geschichte lernen. Das heute behandelte Thema der Privatisierung oder Verstaatlichung hat eine lange Vorgeschichte. Ich erinnere etwa an den Bahn- und Postbereich, aber auch an die kommunale Daseinsvorsorge und Entsorgung. Soweit mir die geschichtlichen Entwicklungen geläufig sind, hat fast in allen diesen Bereichen die private Wirtschaft die erste Initiative ergriffen, und es ist regelmäßig dabei zu Mißständen gekommen. Die flächendeckende Versorgung war vielfach nicht gewährleistet. Monopolmißbräuche und Probleme mit Oligopolen haben ebenfalls eine große Rolle gespielt. Man hat schon damals versucht, mit Verträgen, sei es mit öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verträgen, die privaten Unternehmer in die Pflicht zu nehmen. Es ist nur zum geringsten Teil gelungen. Die Folge davon ist, daß im kommunalen Bereich vieles von der öffentlichen Hand übernommen worden ist, was zunächst in privater Initiative eingeleitet worden war. Ahnliches läßt sich zum Beispiel für den Bereich der Eisenbahn aufzeigen. Mich würde nun interessieren, wieweit die Referenten diese Diskussionen berücksichtigt haben, jedenfalls könnten sich gewisse Bedenken aufgrund der historischen Erfahrung einstellen. Ich zweifle nicht daran, daß vieles von dem, was ich angedeutet habe, in den Fußnoten der Referate steckt, aber es wäre vielleicht doch gut, wenn man das, was bisher in den Fußnoten verborgen ist, in das Licht dieser Diskussion rücken könnte. Ist es also, so möchte ich provokant alle vier Referenten fragen, vielleicht ein Bruch mit den historischen Erfahrungen oder eine Nichtberücksichtigung der historischen Erfahrungen, wenn wir sofort auf die Welle der modernen Diskussion springen? Zweiter Punkt: Rechtsstaatliche Bedenken gegen die heute oft geforderten Privatisierungen ergeben sich, wie Herr Bullinger zu Anfang einleuchtend ausgeführt hat, überall dort, wo die Eingriffs·, Verteilungs- oder Planungsverwaltung privatisiert werden soll. Herr Bauer hat dankenswerterweise das sächsische Beispiel aufgegriffen, aber man kann genau so gut das Beispiel der bayerischen Landesbauordnung nennen und das Bemühen auch vieler westlicher Bundesländer, diesen Bereich zu privatisieren. Frau Osterloh hat im Bereich der Straßenplanung die D E G E S erwähnt, wo man im Vorfeld der Planfeststellung eine Privatisierung herbeiführt. Hier habe ich unüberwindbare Bedenken, denn der Hintergrund aller dieser Bemühungen besteht doch darin,
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daß das Verwaltungsrecht außerordentlich kompliziert geworden ist und daß die Verrechtlichung im formellen und materiellen Bereich außerordentlich weit vorangetrieben worden ist, mit dem Ergebnis, daß wir heute damit nicht mehr oder nur noch begrenzt fertigwerden. Die Versuche, das Verwaltungsrecht ein wenig schlanker zu gestalten und es zu vereinfachen, haben nur zu begrenzten Folgen geführt. Nun darf aber nicht als Ersatzlösung für eine Vereinfachung des Verwaltungsrechts die Privatisierung gefordert werden, denn das klingt ein wenig nach dem Bankrott des sozialen Rechtsstaates. Die Lösung könnte nur darin bestehen, daß wir versuchen, unser Verwaltungsrecht wieder funktionsfähig zu machen, statt Bereiche der Eingriffs- und Planungsverwaltung zu privatisieren. Ich gebe zu, Herr Bullinger, daß man auch diese These wahrscheinlich ein wenig einschränken muß, ich würde aber weniger eine Konkurrenz der Genehmigungsträger oder der Genehmigungsstellen favorisieren als eine Staatsentlastung etwa bei bestimmten Schritten der Darlegung oder der Sachverhaltsprüfung. Das haben wir aber schon seit eh und je, etwa im Bereich der Eigenüberwachung innerhalb der technischen Überwachung. Hier käme es wahrscheinlich darauf an, auch ein Stück der Tradition wieder in die rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren einzubauen. Dritter Punkt: Trotz des Diskussionsverbotes des Vorstandes, die Frage der Staats- und Verwaltungsaufgaben aufzugreifen, möchte ich mich ähnlich, wie die Referenten es getan haben, ein wenig widersetzen. Ich glaube allerdings, daß die Bemühungen um eine abstrakte Staatsaufgabenlehre, die schon in den vergangenen Jahren vielfach unternommen worden sind, zu nicht sonderlich ermutigenden Ergebnissen geführt haben. Viel wichtiger scheint mir zu sein, daß man den parlamentarischen Gesetzgeber in die Verantwortung ruft. Er hat in der Tat weithin die Möglichkeit, das sehe ich ebenso wie Frau Osterloh, eine Aufgabe der privaten Wirtschaft zu überlassen oder sie auf den Staat oder die kommunale Selbstverwaltung zu verlagern. Aber mit dieser Alternativentscheidung ist das Problem nicht bewältigt. Wo man privatisiert, kommt es meines Erachtens darauf an, das Verfahren und die Rechtsposition des Bürgers so auszugestalten, daß der Bürger, der auf die Leistungsverwaltung angewiesen ist, nicht in ein rechtsstaatliches Loch fällt. Ich bin auch nicht ganz sicher, ob die Versuche des Verwaltungsprivatrechts, die wir in den letzten Jahrzehnten unternommen haben, hinreichend sind. Der Verweis auf das Verwaltungsprivatrecht bedeutet eigentlich nur, daß die Grundrechte und gewisse rechtsstaatliche Prinzipien maßgebend seien. Mir scheint, daß der Gesetzgeber hier mehr bieten muß, etwa an Verfahrensrechten, an Beteiligungsrechten, an Anhörungsrechten für den Bürger. Dann wird Privatisierung im Sektor der bisherigen Leistungsverwaltung eher erträglich. Vierter Punkt: Wo
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der Gesetzgeber privatisiert, wird man ein Gebot der Normenklarheit und der Normenwahrheit meines Erachtens stärker einfordern müssen, als das bisher in der Debatte zum Ausdruck gekommen ist. Herr Bauer, Sie haben das Beispiel der Abfallentsorgung erwähnt und zu Recht darauf hingewiesen, daß unsere vertraute Vorstellung, die Abfallentsorgung sei eine Aufgabe der öffentlichen Hand, nach dem noch geltenden Abfallrecht vielleicht stimmt, nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das in zwei Jahren in Kraft tritt, so aber nicht mehr stimmen wird. Was hat der Gesetzgeber getan? Während bisher der gesamte Sektor der Abfallentsorgung einschließlich der Verwertung als Aufgabe der entsorgungspflichtigen Körperschaften deklariert war, hat man nun die Pflichten und Verantwortlichkeit primär auf die private Wirtschaft gelenkt, wofür vieles spricht, etwa wenn wir an die Eigenverantwortung der Wirtschaft unter dem Stichwort des Verursacherprinzips denken. Aber wer sich das Gesetz genauer ansieht, wird eine merkwürdige Schwebelage, eine Unklarheit dieses Gesetzes, feststellen. Wieweit die unbestimmten Rechtsbegriffe, die entweder dem Staat die Verantwortung geben oder den Privaten Pflichten auferlegen, überhaupt justitiabel sind, ist eine Preisfrage. Mich würde interessieren, wie weit Sie, Herr Bauer, bei Ihren Überlegungen gekommen sind, ob der Gesetzgeber so seiner Entscheidungslast gerecht werden kann, Aufgaben zwischen Privaten und der öffentlichen Hand in einer transparenten Weise zu verteilen. Der Zweifel geht noch weiter, denn der Gesetzgeber hat mit zahlreichen Verordnungsermächtigungen operiert, und so frage ich mich, ob dem Postulat des Gesetzesvorbehalts eigentlich genügt ist, wenn wesentliche Entscheidungen der Zuständigkeit und der Grundpflichten offengehalten werden. Und schließlich darf ich die Frage anschließen, ob es den rechtsstaatlichen Prinzipien genügt, wenn man gleichsam eine Normgebung zur gesamten Hand einführt, weil der Gesetzgeber sich offenbar nicht ganz sicher ist, ob er die Zuständigkeitsentscheidung und die Regelung der Grundpflichten schon in einer vollziehbaren Weise getroffen hat. Es ist nach dem zitierten Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz so, daß ein Verordnungsentwurf der Bundesregierung dem Bundestag vorgelegt werden muß und der Bundestag eine Abänderungsentscheidung treffen kann, so daß verfassungsrechtlich schwer auszumachen ist, wer eigentlich die Privatisierungsentscheidung trifft und wer die maßgeblichen Grundpflichten normiert. Mir scheint also, daß an diesem Beispiel das Dilema besonders deutlich wird: Der Gesetzgeber wollte privatisieren und die private Wirtschaft in die Pflicht rufen, er hat es aber nur halb oder halbherzig getan. Ob dies den rechtsstaatlichen Anforderungen genügt und ob das Privatisierungspostulat so eingelöst werden kann, wage ich zu bezweifeln.
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Bull: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren. Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung. Ich bin bisher davon ausgegangen, daß wir in dieser Vereinigung als Individuen sprechen, als Mitglieder dieser Vereinigung und nicht als Mitglieder etwa einer Regierung oder einer Partei. Die gestrige Bemerkung von Herrn Knies zu meinem Diskussionsbeitrag veranlaßt mich doch, darum zu bitten, daß unsere wissenschaftliche Diskussion nicht nach dem Muster des schlechten parlamentarischen Rituals geführt wird, indem ζ. B. Bezug genommen wird darauf, daß jemand anders von der gleichen Couleur in der Vergangenheit etwas anderes gesagt oder getan habe. Zur Sache: Ich möchte die Frage ein wenig zuspitzen, die Herr Badura gestellt hat: Warum wird privatisiert, und zwar aus der Sicht von Entscheidungsträgern insbesondere im kommunalen Bereich. Warum wird die Rechtsform geändert oder materiell eine Aufgabe von der Verwaltung abgegeben? Ausgangspunkt ist in der Tat die Finanznot. Ganz wesentlich, ganz zentral in zahllosen Fällen ist die Notwendigkeit zu rationalisieren, Haushalte zu sanieren, vor allem Stellen zu sparen, weil der Personalkostenanteil in den Haushalten so gewaltig ist und reduziert werden muß. Und von daher ergibt sich ein vor allem ganz starker faktischer politischer und sozialer Druck in Richtung Privatisierung, der übrigens auch die Gemeindewirtschaftsbestimmungen der Gemeindeordnungen erfassen wird; alles Notwendige an nachträglicher rechtlicher Sanktionierung wird kommen. Die zu entscheidende Frage stellt sich so dar: Kann man von den privaten Wirtschaftssubjekten erwarten, daß sie billiger, effektiver, wirtschaftlicher, künden- (verbraucher-)freundlicher arbeiten? Kann man insbesondere auf die Gewinnerzielungsabsicht setzen, die in den privaten Einheiten realisiert werden soll? Daß man hier auch große Vorbehalte haben kann, das haben etwa die Beispiele von Herrn Isensee - wenn sie auch nur auf die formale Privatisierung bezogen waren - schon belegt: Die Managergehälter sind hoch, und die Hoffnung darauf, daß die ganz Tüchtigen aus der Privatwirtschaft nun die Verwaltung umkrempeln und zu wirklichen Erfolgen führen werden, wird zwar allseits geäußert, ist aber nicht immer realistisch. Das Gewinnstreben ist legitim, aber es stellt sich natürlich dann im Anschluß die Frage: Wer bezahlt dafür? Die Kunden, die Verbraucher, die Gebührenpflichtigen müssen ja die Gehälter und die Gewinne mitzahlen, und die Arbeitnehmer in den Unternehmen sind ebenfalls betroffen. Ich will das aus Zeitgründen nicht weiter vertiefen, aber ich denke, hier ist eine Reihe von Fragezeichen anzubringen. Wenn ich auf die kritische Bemerkung von vorhin eingehe, daß ja auch die Bundeswehr ihre Bewachung nun abgebe, ihre Munitionsdepots gar privaten Schutzleuten zur Bewachung überlasse, muß man natürlich
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ebenfalls fragen warum - weil es billiger ist! Weil es billiger ist, Leute anzustellen, die nach einem anderen Tarif gezahlt werden, die nicht ausgebildet sind wie Polizeibeamte mit ihren drei Jahren Ausbildung, sondern vielleicht 14 Tage lang, und die zu einem ganz anderen Tarif arbeiten. Um es kurz zu lassen, müssen über die betriebswirtschaftlichen, die haushaltsmäßigen, die stellenplanmäßigen Überlegungen hinaus die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge gesehen werden. Eine differenzierte Betrachtungsweise ist zwingend geboten. Zweitens zu Herrn Isensees Bemerkung über die apokryphe Privatisierung der Staatsaufgabe Sicherheit. Ein bewußter Rückzug des Staates liegt hier nicht vor. Festzustellen ist vielmehr einerseits eine Entwicklung neuer Bedarfe, eines gesteigerten Sicherheitsbedürfnisses, andererseits neue ökonomische Entwicklungen in Selbstbedienung, Einkaufszentren usw. Daß sich hier gesteigerter Bedarf nach Schutz des Eigentums und Besitzes auftut, ist klar und ebenso daß der Staat nicht mitkommt, all diese Aufgaben von hochqualifizierten Polizeivollzugsbeamten wahrnehmen zu lassen. Wir werden mit dieser Situation noch sehr viel zu tun haben und große Anstrengungen unternehmen müssen, um ihr gerecht zu werden, ζ. B. indem wir die Stellenzahl in der Polizei wieder vermehren. Aber da kommen wir auf den Ausgangspunkt zurück: die Finanznot, die Konkurrenz um die knappen Ressourcen etwa mit dem Bildungswesen - und dies ist dann ein neues Thema. Vogel: Alle Referenten haben zu Recht betont, daß die staatliche Verantwortung für im Gemeininteresse liegende Aufgaben mit der Privatisierung in der Regel nicht beendet sein wird. Sie äußert sich jetzt nur in anderer Form: als Verantwortung für die Sicherstellung jener Aufgaben - Frau Osterloh sprach von der Grundgewährleistung - , und das Mittel zur Wahrnehmung der staatlichen Verantwortung ist vornehmlich eine staatliche Aufsicht. Ich möchte hier nur ergänzen, daß das ein altes Thema ist, daß hier ein Bestand von erprobten verwaltungsrechtlichen Handlungsformen bereitliegt, auf den solchen Aufsicht zurückgreifen kann. Die Referenten wissen das wahrscheinlich und haben es nur aus Zeitgründen nicht näher ausgeführt; Frau Osterloh jedenfalls weiß es, denn sie hat auf das Energiewirtschaftsgesetz hingewiesen. Bitte verstehen Sie meine Bemerkung also nicht als Kritik an den Referenten. Aber bei Herrn Schuppert und ein wenig auch bei Herrn Pitschas klang es so, als sei die rechtliche Strukturierung jener Aufsicht ein ganz neues Thema für die Verwaltungsrechtswissenschaft und deswegen möchte ich das Folgende kurz ergänzen. Herr Breuer hat zu Recht darauf hingewiesen, daß wir auch die historische Dimension zu beachten haben; die Dinge, um die es hier geht, sind an sich erforscht, aber sie sind wenig bekannt.
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Staatliche Gewährleistung gemeinwohlwichtiger Aufgaben gibt es nämlich auch ohne deren vorausgehende Verstaatlichung. Es gibt sie seit 150 Jahren mit der von Ihnen schon erwähnten Beaufsichtigung der privaten Eisenbahnen vor deren Verstaatlichung. Diese Aufsicht hatte keineswegs nur gewerbepolizeilichen Charakter: sie war Aufsicht zur Sicherstellung von Infrastrukturleistungen, als solche gekennzeichnet vor allem durch eine den Unternehmungen auferlegte Betriebspflicht. Schon im preußischen Eisenbahngesetz von 1838 gab es auch bereits das von Herrn Bauer erwähnte Heimfallrecht. Gegen Ende des Jahrhunderts, ich meine des vorigen, wurde dann bedeutsam die Versorgung mit den neuen Energieträgern Leuchtgas und elektrischem Strom. Das Instrument, diese Versorgung sicherzustellen, waren wegerechtlich begründete Konzessionsverträge. Die Funktion dieser Verträge war aber wiederum die Gewährleistung der individuellen Versorgung. Wir finden wieder die Betriebspflicht, wir finden Genehmigungsvorbehalte für Tarife und in großer Zahl Heimfallrechte. Andere Instrumente, eine notwendige Versorgung sicherzustellen, waren die Gründungssatzungen öffentlicher oder gemischtwirtschaftlicher Unternehmungen. Das war gewiß eine Zweckentfremdung, aber es ist so gemacht worden. Gesetzliche Regelungen mit gleicher Zielsetzung gab es im Personenverkehr und eben in der Energiewirtschaft. Instrumente waren immer wieder Genehmigungsvorbehalte, Betriebspflichten, Tarif- und Fahrplangenehmigungen und so weiter, und oft auch Heimfallrechte. Das Thema „Gewährleistung des öffentlichen Interesses an bestimmten Leistungen der Privatwirtschaft" führt also weit über die Privatisierungsdebatte hinaus. Aber es gehört auch in den Zusammenhang unseres heutigen Themas und deswegen ist es gut, daß die Referenten es angesprochen haben. Spannowsky: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Wie es bei jedem Verwaltungshandeln Fehler geben kann, sind einzelne Fehlentscheidungen auch im Zuge der Privatisierung kaum zu vermeiden. Aber Fehler, die bei der Verlagerung der Aufgabenwahrnehmung in den privaten Sektor hinsichtlich der Absicherung von administrativen Kontroll- und Einwirkungsrechten unterlaufen sind, lassen sich oft im nachhinein kaum mehr beheben. Wichtig erscheint mir, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen die Verwaltung, insbesondere Kommunen, bei der Privatisierung keine ausreichende Vorsorge für die Geltendmachung ihrer Kontrollund Einwirkungsrechte getroffen haben. Dazu folgendes Beispiel: Eine Stadt überträgt die Durchführung der sehr umfangreichen Innenstadtsanierung nur einem einzelnen Sanierungsträger, versäumt es aber, einen
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Zeitplan hinsichtlich der Durchführung festzulegen und ihre Kontrollund Einwirkungsmöglichkeiten abzusichern. Klärungsbedürftig erscheint insofern die Frage, ob ausreichende Korrekturmöglichkeiten bestehen, wenn gebotene Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten ungenutzt geblieben sind. Aus den insbesondere im Verwaltungsvertragsrecht auftretenden Schwächen bei der Durchsetzung öffentlicher Interessen resultiert die weitere Frage: Müssen im deutschen Recht erweiterte nachträgliche Korrekturmöglichkeiten nach französischem Vorbild geschaffen werden? Im französischen Verwaltungsvertragsrecht gibt es nämlich die erweiterte administrative Möglichkeit, trotz vertraglicher Bindung auch noch nachträglich, einseitig dem öffentlichen Interesse, ggf. gegen Entschädigung, durch Änderung („mutabilité") oder sogar Aufhebung („résiliation") des Vertrags Durchsetzungskraft zu verleihen. Nachzudenken lohnt es sich meiner Ansicht nach auch über die Frage, wie die teilweise schädliche Lockerung von Handlungsbindungen ausgeglichen werden können, die bei der Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf Private teilweise eintreten. Auch dazu ein Beispiel: Wird ein Beamter einer Stadtverwaltung mit dem Ziel der unerlaubten Einflußnahme auf die Aufgabenerfüllung bestochen, erfüllt dies einen Straftatbestand. Ist die Aufgabenwahrnehmung aber einem Privaten übertragen worden, kann es zu einer Lockerung der personellen Einbindung in den administrativen Verantwortungsbereich kommen. Auf einen Privaten, dem die Aufgabenwahrnehmung übertragen wurde, kann - das ist konsequenz der Rechtsprechung des B G H - , wenn nicht von der besonderen Inpflichtnahme nach dem Verpflichtungsgesetz Gebrauch gemacht wurde, rechtlich risikoloser zum Nachteil Dritter eingewirkt werden als auf einen Verwaltungsbeamten. Mir scheint es insofern notwendig, die Frage zu erörtern, ob und inwieweit solche Lockerungen der Verantwortungskette zu rechtfertigen sind und wenn sie nicht gerechtfertigt sind, wie nachträglich Vorkehrungen zur Korrektur von Privatisierungsfehlern ergriffen werden können. Grupp: Herr Vorsitzender, der Suche nach materiellen verfassungsrechtlichen Kriterien für die Privatisierung ist bisher nur, wenn ich das richtig sehe, begrenzter Erfolg beschieden gewesen. Die Referenten haben uns allerdings einen formalen verfassungsrechtlichen Begriff genannt, der freilich etwas ambivalent ist, nämlich den der Wirtschaftlichkeit - der doch sehr wohl, Herr Bauer, ein verfassungsrechtliches Gebot ist, wie inzwischen überall anerkannt ist -. Ambivalent ist dieses Wirtschaftlichkeitsgebot deswegen, weil, wie Frau Osterloh gesagt hat, zum einen nach § 7 B H O n. F. Wirtschaftlichkeitsprüfungen die Privatisierung von Verwaltungsaufgaben fördern sollen (aber das ist wohl kaum
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eine Änderung gegenüber dem zuvor geltenden Recht, weil die sparsamste oder wirksamste Aufgabenerfüllung auch bisher schon zu wählen war, und das Schloß - so meine ich - auch die Möglichkeit ein, Aufgaben auf Private mindestens zur Ausführung, also in Form der Organisationsprivatisierung, zu übertragen, wenn das im übrigen rechtlich zulässig ist - und insoweit offenbart sich natürlich die gesamte Schwäche des Wirtschaftlichkeitsprinzips als eines rein formalen Kriteriums - ; ich glaube daher, Frau Osterloh, daß Ihre Befürchtung einer jährlichen Ausschreibung von Staatsausgaben auch künftig unbegründet sein wird, zumal da die Frage, ob eine Staatsaufgabe über den Haushalt finanziert werden soll, sich nach § 6 B H O - und nicht nach deren § 7 - bestimmt). Ambivalent ist dieses Wirtschaftlichkeitsgebot zum anderen deswegen, weil es - darauf hat Herr Bauer abgehoben - eine mögliche Grenze der Privatisierung einer Finanzierung von staatlichen Aufgaben darstellen soll. Herr Bauer hat freilich gemeint, dieses Prinzip sei insoweit wenig ergiebig; er hat auch gemeint, es müßten selbstverständlich beider Wahl der Privatfinanzierung in Anwendung dieses Kriteriums der Zeitgewinn berücksichtigt werden, die Gewinnung privaten Sachverstands und ähnliches. N u n ist es zwar selbstverständlich - ich glaube, daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen - , daß das geschehen muß, Herr Bauer, aber kann man nicht auch „Zeit einkaufen" (wie das schlagwortartig so schön heißt) dadurch, daß man einen staatlichen Kredit aufnimmt, der ja in aller Regel billiger aufgenommen werden kann, weil die Bonität des staatlichen Kreditnehmers höher eingeschätzt wird? Und auch die langfristige Belastung des Staatshaushalts bleibt uns doch erhalten, wenn die Staatsaufgabe selbst nur privat finanziert wird; es tritt lediglich eine Änderung ein: Die Zins- und Tilgungsbelastung wird schlicht ersetzt durch die Verpflichtung zu einer langjährigen Ratenzahlung. Häberle: Verehrte Frau Osterloh, Herr Vorsitzender, werte Kollegen: Obwohl das „Plenum" recht „leer" geworden ist, möchte ich erstens an einige Bemerkungen der beiden Referenten Frau Osterloh und Herrn Bauer anknüpfen und zweitens in einer Art Zwischenvotum auf die Beiträge der Herren Oppermann und Schmidt-Preuß von soeben eingehen. Meine erste Frage an die Referenten lautet: Welches sind die Konsequenzen der „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben" für den spätestens heute wieder aufzunehmenden „Streit um das Wirtschaftsverfassungsrecht" ? Denn in irgendwann schlägt doch die „Quantität" der Privatisierung in die Qualität um, mit grundsätzlichen Folgen für den Verfassungsstaat. Frau Osterloh hat in Leitsatz 2, Herr Bauer im Text und Herr Jaag gegen Ende seines eindrucksvollen Referats auf ordnungspolitische Probleme Bezug genommen, Stichwort: privatwirt-
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schaftliche Ordnung in der Schweiz. Herr Oppermann wies mit Recht daraufhin, daß die Formel des BVerfG im Investitionshilfeurteil oft nicht zu Ende gelesen wird: „sofern dabei das Grundgesetz beachtet wird". Auch in seiner späteren Judikatur hat das Gericht einfach diese Formel zitiert, aber nicht näher positiv konturiert, etwa im Mitbestimmungsurteil Band 50, S. 290. Heute muß der „Streit" um die Wirtschaftsverfassung im Sinne der DOV - Zitate E. R. Hubers der 50er Jahre bzw. die soziale Marktwirtschaft als innerem Prinzip des Verfassungsstaates neu aufgerollt werden. Dies aus vielen Gründen: Herr Oppermann hat, wie sich das gehört, seinen großen Lehrer Herb. Krüger zitiert. Und wir erinnern uns an alle Klassiker jenes Streits, etwa auch Ernst Rudolf Huber und Nipper dey, die man nach bald 40 Jahren schöpferisch aber doch fortdenken muß und nicht immer bloß wie ein Postglossator zitieren sollte. Das heißt: Die Grundrechte und der soziale Rechtsstaat bilden positiv ein Ensemble im Sinne der „sozialen Marktwirtschaft" als Verfassungsprinzip, umso mehr als mit Herrn Schmidt-Preuß daran zu erinnern ist, daß die soziale Marktwirtschaft als „dritter Weg" im deutsch-deutschen Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von 1990 denkbar verfassungsnah ausstrahlend konstituiert ist. Wir müssen sowohl das Marktprinzip als auch das „Soziale" betonen, eine Balance herstellen. So ergeben sich etwa Grenzen für Markt und Privatisierung, weil es oft zu menschenunwürdigen Vermachtungsprozessen kommt. Der zweite Problemkreis fragt rechtsvergleichend-verfassungsteoretisch: Wir stehen inmitten eines fast weltgeschichtlichen Vorgangs, in dem einerseits der übergroße Glaube an die Wirtschaftskompetenz des Staates in Osteuropa buchstäblich „abgewirtschaftet" hat, andererseits ein starker gelegentlich übergroßer Glaube an den Markt fast als „Wirtschaftsreligion" tritt. Was ist aber der Markt verfassungstheoretisch - ein „unbekanntes Wesen" ? Wir sollten nach dem Menschenbild des Marktes fragen. Warum und in welchen Bereichen erbringt der Markt mehr Leistungen als die öffentliche Verwaltung, Stichwort: Wettbewerb. Hier hat Herr Bullinger eingangs Aufschlußreiches gesagt. Auch der fast universale Sieg der Marktwirtschaft über die sozialistische Plan- und Marktwirtschaft seit 1989 zwingt uns zur Frage: so viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. Diese den Typus Verfassungsstaat betreffende Frage zwingt zur Rechtsvergleichung: Griechenland hat im Telecom-Bereich soeben eine Teilprivatisierung begonnen. Frankreich ringt ebenfalls um sie. Italien reduziert seine Staatswirtschaft, auch Osterreich. In Frankreich wird diskutiert, ob und wie man von de Gaulles Wirtschaftsform der „économie mixte" abrückt und zum deutschen Modell der sozialen Marktwirtschaft übergeht. In Osteuropa werden viele Privatisierungen auf den Weg gebracht. Die Erfolgsgeschichte des Marktes und seine spe-
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zifischen Gemeinwohlleistungen bzw. die variantenreiche soziale Marktwirtschaft dürfen uns aber nicht die im Verfassungsstaat nötigen sozialund kulturstaatlichen Grenzen vergessen lassen. In diesen größeren Rahmen gehört die von allen Referenten so eindrucksvoll diskutierte Privatisierung öffentlicher Verwaltung. Es gibt ihr gegenüber indes die Grenze des Sozialstaatsprinzips. Vogel: Zu BVerfG Bd. 4 S. 7 ff.: Es ist wenig bemerkt worden, daß wir seit 1969 in Art. 109 Abs. 2 Grundgesetz den Begriff des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" haben und daß dies unsere Wirtschaftsverfassung berührt. Wissenschaftliche Diskussion hierüber hat es gegeben, aber leider fats unter Ausschluß der staatsrechtlichen Öffentlichkeit. Vorsitzender: In Österreich ist das sehr wohl bemerkt worden, Herr Vogel. Engel: Frau Osterloh hat in, wie ich finde, sehr anregender Weise den Zusammenhang zwischen Privatisierung und Subventionierung hergestellt. Dem möchte ich zunächst aus ordnungspolitischer, dann aus dogmatischer Sicht ein wenig nachgehen. Aus ordnungspolitischer Sicht fragt sich, ob der Spielraum zur Privatisierung größer wird, wenn man die Möglichkeit einbezieht, private Unternehmen durch Subventionen zu beeinflussen. Denn idealtypisch steht der Staat vor der Wahl, ein öffentliches Interesse entweder durch die Errichtung eines öffentlichen Unternehmens oder durch die Einwirkung auf private Unternehmen mit den Mitteln der Subvention zu verfolgen. Im ersten Fall setzt man auf den Steuerungsmechanismus Staat, im zweiten Fall grundsätzlich auf die Steuerung durch den Markt, zu deren Korrektur man nur punktuell eingreift. Das klingt, als seien die Möglichkeiten zur staatlichen Steuerung beim öffentlichen Unternehmen viel größer. Beide Instrumente können jedoch so ausgestaltet werden, daß die staatlichen Wirkungsmöglichkeiten sich stark annähern. Der Subventionsgeber bekommt nahezu den Einfluß eines Mehrheitsgesellschafters, wenn er nicht mehr punktuell, sondern periodisch subventioniert (und die Subvention für das Unternehmen von existentieller Bedeutung ist). Ein plastisches Beispiel sind die subventionierten privaten Theater. Umgekehrt haben wir heute vielfach davon gesprochen, wie sehr die Einwirkungsmöglichkeiten des Staats als Unternehmensträger mit der Wahl mancher Organisationsformen des Privatrechts für ein öffentliches Unternehmen sinken. Man kann den Vergleich auch aus der spiegelbildlichen Perspektive anstellen: Wie sehr schwächt die Wahl eines der beiden Instrumente die
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Steuerungsmöglichkeiten des Markts? Die stärkste Sanktion des Markts ist der Konkurs, also der Zwang zum Marktaustritt. Er ist bei manchen öffentlichen Unternehmen sogar rechtlich ausgeschlossen. Ein Beispiel sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Auch wenn der Konkurs rechtlich möglich ist, wird das öffentliche Unternehmen oft darauf vertrauen, daß es im Zweifelsfall in die tiefen Taschen der öffentlichen Haushalte greifen kann. Schließlich wird zu wenig bemerkt, daß in vielen öffentlichen Unternehmen überhaupt das Bewußtsein fehlt, auf Preissignale des Markts zu reagieren. Besonders krass ist es bei der Bundespost, die bis heute keine differenzierte Kostenrechnung hat. Als sie angeben sollte, welche Kosten ihr entstehen, wenn sie für ihre privaten Mobilfunkkonkurrenten Mietleitungen einsetzt, hat sie Beiträge genannt, die zu 90 % aus Gemeinkostenanteilen bestanden. Die dogmatische Seite des Verhältnisses von Privatisierung und Subventionierung haben bereits die Herren Badura und Dagtoglou angesprochen. Ich möchte ganz pointiert fragen, ob bestimmte Formen der Privatisierung nicht eine versteckte Subvention an die Privaten enthalten, die das öffentliche Unternehmen übernehmen. Ganz besonders kraß liegt es wiederum bei der Bundespost, der auch nach der Auswechslung des Unternehmensträgers das Monopol erhalten bleiben soll. Das ist eine Lizenz zum Gelddrucken. Auch wenn der rechtliche Schutz eines öffentlichen Monopols vor der Privatisierung beseitigt wird, bleibt aber eine aus dem früheren Monopol herrührende, sehr starke Marktstellung, gegen die neue Wettbewerber kaum eine Chance haben. In England hat man diese Lektion inzwischen gelernt und spaltet staatliche Monopolunternehmen vor der Privatisierung so auf, daß starke Wettbewerber entstehen. Geschieht das nicht, wird man von einer versteckten Subvention an den Übernehmer sprechen müssen. Das hat bedeutsame Folgen für Verfahren und Inhalt der Privatisierung. Als Subventionsgewährung unterliegen deutsche Privatisierungen nämlich der Beihilfeaufsicht der Brüsseler Kommission. Soweit die Kommission die versteckte Subvention nicht ausnahmsweise mit industriepolitischer Begründung passieren läßt, müßten die Unternehmen folglich vorher aufgespalten werden. Das wird vor allem dem Finanzminister mißfallen. Die Unternehmen sind dann nämlich nur noch einen kleinen Teil der intakten Einheit wert. Dann erweist sich vielleicht, daß unser Tafelsilber in Wahrheit Tafelblech ist. Tettinger: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Gestatten Sie mir einige Bemerkungen aus der Perspektive der Wirtschaft. Herr Haberle hat dies gerade auch schon angesprochen. Nach meinem Verständnis der grundrechtlichen Koordinaten ist es ja doch so, daß in erster
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Linie private Wirtschaftsunternehmen am Markt aktiv sein sollen und der Staat einem gewissen Rechtfertigungszwang unterliegt, wenn er selbst wirtschaftlich tätig werden will. Dann aber sind Prüfungszäsuren sicherlich angebracht. Die Verwaltungswissenschaften sprechen zu Recht von der Aufgabenkritik als einer ständigen Aufgabe der Verwaltung und unter diesem Blickwinkel kann ich für die in der BHO umrissene Privatisierungsprüfpflicht sehr wohl positives Verständnis aufbringen. Frau Osterloh, Sie haben diesen Punkt ja auch zum Subventionsbereich in Beziehung gesetzt. Ich würde insoweit sogar eine haushaltsrechtliche Ergänzung vorschlagen, die eigentlich materiell der Sache nach schon vorfindbar ist, wenn als Voraussetzung für eine Subventionierung ein erhebliches Bundes- oder Landesinteresse nachgewiesen werden muß. Man möge doch in entsprechender verfahrensrechtlicher Ausformung paralellel zur Privatisierungsprüfpflicht eine Subventionierungsprüfpflicht formulieren. Das würde sicherlich den administrativen Aufwand beträchtlich erhöhen, aber möglicherweise bessere Wirkungen zeitigen. Ein zweites Stichwort: Wirtschaftsverfassung. Damit ist in der Tat ein interessantes Diskussionsfeld angesprochen. Herr Bauer hat in seinem Referat zur Recht auf die Formulierung des Maastrichter Vertragswerks von der offenen, wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft hingewiesen. Und wenn man dann noch die Industriepolitik und einige andere Aussagen, etwa im Kompetenzkatalog hinzuzieht, dann stellt sich ja doch wohl die Frage nach der Durchschlagskraft auf die nationale Ebene. Hinzu kommt, wie Herr Vogel betont hat, daß ja in Art. 109 GG zusätzliche Vorgaben eingefügt worden sind, und zu ergänzen ist, daß im neuen Art. 88 GG die Preisstabilität sogar inzwischen auch ausdrücklich genannt ist, als eines der Postulate, die als Elemente dieses gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anerkannt sind. Vor diesem Hintergrund bedaure ich, daß der Vorstand die Aktivitäten der Treuhandanstalt hier und heute ausgeklammert hat. Dies ist unter wirtschaftsverfassungsrechtlichem Blickwinkel ein besonders brisanter Bereich. Herr SchmidtPreuß hat zu Recht darauf hingewiesen, nicht nur in den Leitsätzen des „Unions"-Vertrages, aber vorzugsweise da, finden sich mustergültige Formulierungen für Privatisierungsvorgaben, und ich glaube, wenn man diesen Bereich noch miteinbezieht, dann brauchen die Juristen gar nicht so sehr in Sack und Asche zu gehen, denn was die Politologen und die Ökonomen hier geliefert haben, das war beinahe gegen Null tendierend. Man hat sich in unseren Nachbarwissenschaften intensiv damit beschäftigt, wie man aus einer Wettbewerbsordnung eine stärker planwirtschaftlich ausgerichtete Ordnung macht, aber wie man den Transformationsprozeß von einer sozialistischen Ordnung in eine freiheitliche Wirtschaftsordnung sinnvoll begleitet, da waren nicht so sehr viele Über-
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legungen nachweisbar. Also die Juristen, so meine ich, brauchen sich gar nicht so sehr grämen über ihre mangelnde Aktivität. Ein weiteres Stichwort: Energieversorgung. Frau Osterloh, Ihre Aussagen waren mir sehr sympathisch, insbesondere, daß Purismus nicht angebracht ist und daß gewisse gesetzgeberische Gestaltungsspielräume bestehen. Hinzuweisen ist etwa auf die Diskussion darum, was aus Art. 28 II G G ableitbar ist, wenn man personalisieren will, auf der einen Seite Herr Löwer, auf der anderen Seite Herr Püttner mit jeweils markanten Positionen. Man muß eigentlich bedauern, daß das Bundesverfassungsgericht im Streit um die Stadtwerke in den neuen Bundesländern nicht entschieden hat, was immer es im einzelnen auch entschieden hätte. Denn jetzt wird diese Diskussion perpetuiert und irgendwann kommt der eine oder andere Punkt der Kompromißveranstaltung doch wieder vors Bundesverfassungsgericht. Außerdem handelt es sich in der Praxis um eine eher schiefe Schlachtordnung. Es stehen nicht auf der einen Seite die hehren Kommunen und auf der anderen Seite die privaten Konzerne, sondern es sind hier die Stadtwerke in der Rechtsform der AG oder GmbH, hier als Groß versorger solche Konzerne, von denen zumindest einige doch mehrheitlich in kommunaler Hand sind. Also in der Tat eine schiefe Schlachtordnung. Einige Anmerkungen noch zum Energiewirtschaftsgesetz. Ergänzend könnte man hier vor allem noch hinweisen auf die interessante Definition zum energiewirtschaftlichen Aktionsfeld, nämlich die Legaldefinition des Energieversorgungsunternehmens („ohne Rücksicht auf Rechtsform und Eigentumsverhältnisse"). Im EnWG findet sich also schon sehr frühzeitig eine richtungsweisende Formulierung und zugleich im Ansatz eine Differenzierung zwischen Wirtschaftstätigkeit einerseits und Kontrolle andererseits. In diesem energiewirtschaftlichen Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, daß leider auf Art. 74 Nr. 11 G G sehr wenig geachtet wird. Dort ist nämlich nicht die Rede von Versorgungstätigkeit, sondern von Energiewirtschaft, und zwar innerhalb des Klammerzusatzes Recht der Wirtschaft. Also vielleicht auch ein interessanter Impuls für die rechtswissenschaftliche Diskussion. Noch ganz kurz zum Komplex der Entsorgung: Dies ist zur Zeit die Wachstumsbranche par excellence, und ich glaube, wir Juristen gehen diesbezüglich noch allzu sehr von traditionellen polizeirechtlichen Vorstellungen aus. Der moderne Gesetzgeber - das ist hier mehrfach gesagt worden, vor allem Herr Breuer hat es angesprochen - sieht es anders. Es besteht in der Sache auch meines Erachtens überhaupt kein Grund, die Entsorgungs anders zu behandeln als die Versorgung, beides wichtige Wirtschaftsbereiche. Das wird zunehmend auch rechtlich nicht nur hierzulande anerkannt. Und wenn das so ist und die Produktverantwortung
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im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft betont wird, dann glaube ich, darf man auch die Privatwirtschaft in diesem Zusammenhang nicht eher diminutiv als den kleinen Verwaltungshelfer - das Stichwort ist auch genannt worden - betrachten, denn weite Bereiche außerhalb des Haushaltsabfalls werden ja schon heute in der Praxis von Privaten und zwar privaten Großunternehmen entsorgt. Die Duales System Deutschland GmbH wurde auch angesprochen. Diese Konstruktion ist es in der Tat wert, juristisch einmal genauer unter die Lupe genommen zu werden. Seinerzeit, als bei der Staatsrechtslehrertagung 1970 über das Verhältnis Staat und Wirtschaft bei der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private gesprochen wurde, hat Herr Ossenbiihl einen Katalog entwickelt, u. a. mit der Figur „staatsentlastendes Handeln der Wirtschaft". Ist die DSD GmbH wirklich nur dieses oder handelt es sich etwa um eine staatlich-privates Kondominium? Man müßte sehr viel genauer nachforschen, wieviel hoheitlicher Zwang letztlich dahintersteht, daß man sich in diese private Organisation hineinbegibt. Sorgfältige Überlegungen müßten übrigens auch dem Instrumentarium der public private partnership, eine schöne neudeutsche Chiffre - Sie haben sie genannt, Herr Bauer - , gelten. Darunter verbergen sich verschiedene Modelle und auch hier sollte man nicht zu sehr abstrahieren, sondern genaue, subtile Detailarbeit leisten. Die verfassungsrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und kartellrechtlichen Implikationen jedes einzelnen Modells müssen sehr sorgfältig betrachtet werden. Fromont: Vielen Dank, Herr Vorsitzender. Ich will hier nicht die Frage der Grenzen der Privatisierung behandeln. Zwar enthält die französische Verfassung eine grundsätzliche Regelung, nämlich: „Jedes Vermögen, jedes Unternehmen, dessen Bewirtschaftung ein „Service public" (etwa öffentliche Aufgaben, Daseinsvorsorge) oder ein Monopol ist oder wird, muß das Eigentum der Gemeinschaft werden" (9. Abs. der Prämbel der Verfassung von 1946, die weiter gilt). Aber die Rechtsprechung des Conseil constitutione!! zur Privatisierung in den Jahren 1986-87 war nicht ertragreich: wegen des weitem Ermessens, das der Conseil Constitutionen dem Gesetzgeber auf diesem Gebiet zuerkannt hatte, wurde keine Privatisierung als verfassungswidrig erklärt. Ich möchte aber Ihre Aufmerksamkeit auf das Problem der Transparenz und damit die Gefahr der Korruption bei der Privatisierung lenken. Es gibt zwei Arten von Privatisierung im weitesten Sinne: entweder Verkauf des Unternehmens oder Abbau des Monopols und Verteilung von Lizenzen. In beiden Fällen kann die Korruption entweder die Wahl des Erwerbers bzw. des Lizenzträgers oder die Festsetzung des Kaufpreises betreffen. Die meisten Verfahren, die in Frankreich in den Jahren
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1986-88 durchgeführt wurden, ließen der Exekutive ein viel zu breites Ermessen: die Erwerber wurden durch den Wirtschaftsminister frei ausgewählt und der Kaufpreis wurde auf Grund des Vorschlags des sogenannten Privatisierungsausschusses durch den Wirtschaftsminister ebenfalls frei festgesetzt; nur die Verteilung der Rundfunklizenzen nach Abbau des staatlichen Rundfunkmonopols wurde durch einen verhältnismäßig unabhängigen Ausschuß durchgeführt. Dieses Verfahren wurde nur in einem Punkt seit 1993 vom Gesetzgeber geändert: der Premierminister kann nur Unternehmer auswählen, die vom Privatisierungsausschuß vorgeschlagen werden, aber dieser Privatisierungsausschuß besteht aus Mitgliedern, die vom Premierminister ernannt worden sind! Genauso wie das Verfahren der Treuhand für die Privatisierung der früheren Volksunternehmen gewährleistet das französische Privatisierungsverfahren keine Transparenz und tatsächlich wurden viele mit Herrn Balladur befreundete Unternehmer seit 1986 begünstigt. Die einzigen Verfahren, die auf keine Kritik stoßen, sind die öffentliche Ausschreibung und der Verkauf von Aktien an der Börse. Freies Ermessen bei der Privatisierung ist mit dem Transparenzgebot unvereinbar. Bayer: Herr Vorsitzender, ich gehe von der Annahme aus, daß eine Aussprache der kritischen Auseinandersetzung mit den Referaten dienen soll. Ich möchte für meine Person von diesem Recht der Kritik Gebrauch machen. Drei Bemerkungen hätte ich machen wollen. Die erste Bemerkung hat sich weitgehend erledigt. Ich lehre seit vier Jahren hier im Weichbild von Leuna und Buna Öffentliches Wirtschaftsrecht, und da muß ich mich in der Tat fragen: Wo ist am heutigen Tag der Begriff der Privatisierung in den Neuen Bundesländern, insbesondere der Begriff der Treuhandanstalt, deren Abwicklung, deren Ende, deren „Schlußbilanz", wo ist all das geblieben? Es mag Gründe gegeben haben, dieses aus den Referaten auszuklammern. Ich erkläre für meine Person, daß ich für solche Gründe kein Verständnis habe. Meine zweite Bemerkung. Wer sich einmal, und ich schließe damit an Herrn Bull an, wer sich einmal mit der Frage der Privatisierung auf kommunaler Ebene - Beispiele: Abwässer, Müllentsorgung - beschäftigt hat, wer dafür die geeigneten Modelle entwickeln sollte, der weiß, wie schnell sich das Problem stellt: Welches sind die steuerlichen Konsequenzen einer Privatisierung? Ich muß mich schon ein wenig wundern, daß bis zu diesem - mehr als vorgerückten - Augenblick in dieser Veranstaltung das Wort „Steuern" nicht vorgekommen ist. Die Unternehmensbesteuerung klang jetzt eben bei Herrn Fromont als ein allgemeines Thema, eingeschlossen in die Bewertungsfrage, an. Aber die speziellen steuerlichen
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Fragen, die sich hier stellen, sie sind übergangen worden. Ich liefere dazu jetzt hier noch ein Stichwort. Es gibt eben zum einen die Ausübung der öffentlichen Gewalt durch die Gemeinde, diese läßt unser Umsatzsteuerrecht steuerfrei. Und es gibt umgekehrt den Bereich der unternehmerischen Lieferungen und sonstigen Leistungen seitens einer Gemeinde, also das, was sich in der Sphäre des Privatrechts abspielt. Das wird nach geltendem Recht der Umsatzbesteuerung - Wettbewerbsneutralität der Besteuerung! - unterworfen. Für die Gemeinden ist die Politik der „Privatisierung" nicht ohne gewissen Risiken, steuerliche Risiken! Meine dritte Bemerkung ist eine kritische Bemerkung. Sie werden das erlauben, Herr Bauer, zu Ihrer These Nr. 3, der These, die Privatisierung würde sich einer dogmatischen Erfassung entziehen. Ich sehe dieses anders. Ich denke allerdings auch, man wird von einem anderen Ausgangspunkt her kommen müssen, als Sie ihn gewählt haben. Der Ausgangspunkt kann für mich nur im Zivilrecht liegen. Privatisierung hat etwas zu tun mit „Privatpersonen", mit dem „Privatmann". Frau Osterloh, Sie entschuldigen, die „Privatfrau" gibt es ja im Sprachgebrauch bis heute nicht! Die Privatperson aber, das sind, zivilrechtlich gesprochen, schlicht und einfach die „natürliche Person", der Mensch des § 1 BGB, und die „juristischen Personen des Privatrechts „ der §§ 21 ff. BGB. Dies nun verbunden mit einer zweiten These: Wir hätten uns etwa in die Situation derer hineinzuversetzen, die, sei es als Mensch, oder sei es als Aktiengesellschaft, eine Aufgabe bisheriger öffentlicher Verwaltung fortsetzen sollen. Was geschieht? Es ergibt sich die Situation: „Verwaltungsgeschäfte", „Verwaltungsangelegenheiten", verwandeln sich in den Händen dieser Personen in ein „Handelsgeschäft" im Sinne des § 1 HGB, in ein „gewerbliches Unternehmen" im Sinne des § 2 H G B ! Oder anders gesagt: Die, die das tragen, und hier würden sich natürlich, etwa im Anschluß an Karsten Schmidt und dessen „Handelsrecht", solche Begriffe wie der des „Unternehmensträgers" anbieten, diese Personen werden zu „Kaufleuten". Es sind jetzt „Kaufleute", die die Verwaltungsgeschäfte weiterbetreiben, in diesen nun ihr „Handelsgeschäft" haben. Ein Beispiel aus der jüngsten amerikanischen Praxis: Das Zuchthaus. Ich selbst bin Hamburger, und mein Beispiel würde mich vor die Frage stellen: Inwieweit läßt sich das berühmt-berüchtigte „Santa Fu", vielleicht auch „Stammheim", als ein kaufmännischer Betrieb denken, in den Händen einer Privatperson als deren „Handelsgeschäft"? Schließlich: Wozu dies alles aus der Sicht des Staates? Meine knappe Antwort: Hier macht sich die hier und heute schon mehrfach artikulierte marktwirtschaftliche Ordnung bemerkbar. Diese Ordnung auferlegt dem Kaufmann sozusagen die Pflicht, sich an seinen eigenen Interessen zu orientieren, also aus dem Betreiben von „Santa Fu" dann doch noch irgendwo einen „Ver-
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mögenszuwachs", einen „Gewinn" zu ziehen. Damit aber schließt sich dann auch der Kreis: Frau Osterloh, ich kann Ihnen darin nicht folgen, daß Sie so tun wollen, als ob die Privatisierung, die Überlassung von Verwaltungsaufgaben an Private, an „Kaufleute", aus der Sicht des Staates „à fond perdu" ginge, daß das notwendig „Verlustgeschäfte" wären. Ich würde das genau umgekehrt sehen: Es ist privatisiert worden. Es ist mit Erfolg privatisiert worden. Die kaufmännische Gewinnerzielungsabsicht ist umgeschlagen in tatsächlichen Gewinn. Da knüpft dann eben, und damit darf ich schließen, das Steuerrecht an, das Einkommensteuerrecht für das Gefängnis als Einzelunternehmen, das Körperschaftsteuerrecht für das Gefängnis als Kapitalgesellschaft. Der Staat finanziert sich dadurch, daß er privatisiert. Dieses bringt ihm nämlich Steuern; Einkommensteuer, Körperschaftsteuer usw. Gröschner: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Uber die Privatisierung von Selbstverwaltungsaufgaben haben wir heute relativ wenig gehört. Ich möchte dazu deshalb am Ende der Diskussion wenigstens ein aktuelles Beispiel bringen, wenn es auch vielleicht etwas makaber ist: die Privatisierung der Feuerbestattung. Der sonst so traditionsbewußte Bayerische Landtag hat es als erster Landesgesetzgeber fertiggebracht, Bau und Betrieb privater Krematorien zu ermöglichen. Abgesehen von Besonderheiten der Bayerischen Verfassung, die nach meiner Prognose das Privatisierungsgesetz zu Fall bringen werden, verstößt die Privatisierung der Bestattung - ich meine sowohl der Erd- wie der Feuerbestattung - gegen die Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz. Seit Landrechtszeiten ist Bestattung nämlich eine gemeinsame öffentliche Aufgabe von Kommunen und Kirchen. Historisch, aber eben auch systematisch wird dadurch ein staatskirchenrechtlicher Kernbereich der Selbstverwaltung konstituiert, der es ausschließt, eine Seite der Aufgabenerfüllung zu privatisieren und partielle Privatheit zu ermöglichen. Aus einem gemeinsamen öffentlichen Aufgabenerfüllungsverhältnis läßt sich eben nicht einfach der eine Partner herausbrechen, ohne das ganze Verhältnis zu zerstören. Ich denke, daß das Thema deshalb in dieser Logik der gemeinsamen öffentlichen Aufgabenerfüllung nicht nur von speziellem, sondern auch von generellem Interesse für unseren heutigen Beratungsgegenstand ist. Danke. Rauschning: Sehr verehrte Frau Osterloh, sehr geehrte Herren Kollegen. Ich habe mich eigentlich gewundert, daß auch die Diskussion und nicht nur die Vorträge im Schwerpunkt so sehr im Verfassungsrecht liegen, bis Herr Breuer und Herr Vogel anfingen, die verwaltungsrechtliche Seite zu betonen. Ich glaube, Herr Hengstschläger, daß ich Ihnen kon-
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kret widersprechen muß: Wir brauchen für dieses Thema keine neue Theorie der Staatsaufgaben. Es handelt sich vielmehr um ein praktisches Problem, und die praktischen Probleme haben einen ganz wesentlichen Schwerpunkt im Kommunalwesen. Der Bürger tritt der Verwaltung und umgekehrt tritt die Verwaltung dem Bürger gegenüber vor allem im Bereich des Kommunalen, und dort sind die konkreten verwaltungsrechtlichen Probleme gewiß immens. Nehmen wir ein praktisches Beispiel: Der Bau für die dritte Klärstufe einer kommunalen Abwasserkläranlage und die daran zu stellenden Anforderungen drängen zu der Frage, ob auch die Abwasserentsorgung privatisiert werden soll. Wie müßten die Rechtsverhältnisse ausgestaltet sein müssen, damit zum Beispiel auch zugunsten des Betreibers ein Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet werden kann? Ein weiteres Beispiel finden wir im nuklearen Entsorgungsrecht. Es heißt im Atomgesetz, daß der Bund das Endlager betreibe, und er kann sich dazu Dritter bedienen. Bau und Betrieb setzen ein Planfeststellungsverfahren voraus; ist der Dritte dann der Planfeststellungsbegünstigte? Oder wie sieht das ganze Aufsichtswesen in diesem Bereich aus, wenn der Bund als der eigentliche Träger einen Privaten einschaltet? Hier spätestens ist dann die Frage aufzuwerfen, welche steuerrechtlichen Auswirkungen das hat. Sowohl durch die Beteiligung eines Dritten bei der nuklearen Entsorgung oder auch beim privatrechtlichen Organisieren der Abwasserkläranlage entsteht die Frage der Umsatzsteuer. Wenn die privatrechtliche Organisation auslöst, daß Umsatzsteuer zu zahlen ist, dann muß die durch die private Organisation gewonnene Effizienz, die dem Bürger ja zu gute kommen soll, mindestens um jene 15 % steigen, damit wenigstens die Mehrwertsteuer verdient wird. Diese Hinweise auf die vielfachen verwaltungsrechtlichen Probleme und darauf, daß diese von den Verfassungsfragen nicht verdrängt werden dürfen, mögen hier genügen. Als letzten Punkt weise ich auf den besonderen Druck zur Privatisierung aus dem öffentlichen Dienstrecht hin. Eine Effizienzsteigerung durch Privatisierung wird doch dadurch ermöglicht, daß sie diese Verwaltungsteil dem Personalvertretungsrecht und dem B A T entzieht. Die Starrheit auch der nichtbeamteten Teile des öffentlichen Dienstes, die zuweilen dazu zwingen, praktisch vom Leistungsprinzip abzusehen, und die praktische Unkündbarkeit in diesem Bereich ohne das Entstehen eines Beamtenethos sind die Quellen für einen Druck zur Privatisierung. Meyer: Nur zwei kurze Fragen an die Referenten zur echten Privatisierung. Kann man unter dem Gedanken der Umgehung nicht doch eine verfassungsrechtliche Schranke für diejenigen echten Privatisierungen aufrichten, die nur dazu dienen, die Verschuldungsmöglichkeiten des
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Staates zu erhöhen? Die zweite Frage ist angeregt durch Herrn Rauschning. Es hat mich gewundert, daß keiner der Referenten auf die Idee gekommen ist, einmal die Behaubtung der Flexibilität, die offentsichtlich der privatrechtlichen Form zu eigen sein soll, zu untersuchen. Wie weit besteht sie wirklich und wenn sie besteht, warum kommen wir nicht auf die Idee zu überlegen, ob wir nicht Flexibilität auch im öffentlichen Bereich einführen. Und da würde ich, Herr Rauschning, überhaupt keine Bedenken haben, das starrste System im öffentlichen Personalbereich, nämlich das Beamtenrecht, ebenfalls der Kontrolle zu unterziehen. Nun aber zu der unechten Privatisierung. Hier bin ich eigentlich erschüttert, daß keiner der Referenten gesagt hat, daß das Wort Privatisierung hier außerordentlich irreführend ist. Es geht gar nicht um die Privatisierung, sondern es geht um die Verprivatrechtlichung öffentlichen Handelns. Das sind aber zwei völlig verschiedene Dinge, die wir auseinanderhalten müssen. Wir haben ein ausgeprägtes Rechtsregime für solche Dinge, nämlich im kommunalen Wirtschaftsrecht. Dieses Regime zeigt meines Erachtens die Begrenztheit jedenfalls der derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten, die „unechte Privatisierung" einigermaßen vernünftig in den Griff zu bekommen. Wir befinden uns nämlich hier in einem Raum der Uberschneidung von bundesrechtlichem Gesellschaftsrecht auf der einen und kommunalem Verfassungsrecht auf der anderen Seite. Und es scheint so, daß das kommunale Verfassungsrecht nicht die Kraft hat, das durchzusetzen, was eigentlich unter kommunalrechtlichen Gesichtspunkten an Anforderung an die privatrechtliche Gesellschaftsnorm zu stellen ist. Ich möchte das an einem Beispiel zeigen, aus dem sich meines Erachtens auch ergibt, daß die Pfründenwirtschaft, die ja offentsichtlich damit verbunden ist, etwas mit Sachzwängen zu tun hat. Die Möglichkeiten der Gemeinde als Eigentümer sind nach dem Privatrecht sehr viel geringer, als wir uns das vorstellen. Theoretisch kann die Gemeinde als Eigentümer einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH alles bestimmen. Praktisch ist das sehr viel schwieriger. Und weil das so schwierig ist, besteht ein hohes Interesse der jeweiligen Mehrheit in der Gemeinde daran, daß der Geschäftsführer der GmbH einer der ihren ist. Der Einfluß geht also nicht über die rechtlichen Möglichkeiten des Eigentümers, sondern über die privateren der Parteigeschlossenheit. Und darum ist man weniger interessiert, irgendwelche Manager aus dem Privatbereich zu gewinnen, als eben solche aus dem Kommunalbereich selbst und vor allen Dingen aus dem parteipolitischen Kommunalbereich. Zweiter Punkt. Die Möglichkeit, aus den wenigen Bindungen, die das kommunale Wirtschaftsrecht kennt, auch noch auszubrechen, ist durch die Konzernbildung, die kommunale Konzernbildung gegeben. Fast alle Regeln des Kommunalrechts, die auf Unternehmen zielen, wie etwa der Rech-
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nungsprüfung durch öffentliche Rechnungsprüfungsämter, zielen immer auf die originäre Gesellschaftsform, also auf die GmbH oder die Aktiengesellschaft. Die größeren Städte sind aber längst dazu übergegangen, eine einzige Beteiligungsgesellschaft zu gründen, die wiederum hundertprozentiger Inhaber aller Aktiengesellschaften oder GmbHs der Stadt ist. Damit sind diese mehr oder weniger aus den Bindungen des kommunalen Wirtschaftsrechts „entlassen". Die Frage wäre, ob wir nicht hier nachhaken und versuchen müßten, das wieder in den Griff zu bekommen, damit jedenfalls in diesen Bereichen der verprivatrechtlichten öffentlichen Verwaltung die öffentliche Hand wieder ein gewisses Steuerungspotential erhält. Jaag: Herr Vorsitzender! Herr Oppermann hat mich direkt angesprochen, und deshalb möchte ich kurz darauf etwas präzisieren. Mit diesem Landesbericht von 15 Minuten war ich gezwungen, mich auf eine holzschnittartige Darstellungen zu beschränken. Es war mir nicht möglich, auf alle Verästelungen einzugehen. Das Subsidiaritätsprinzip, das ich aus der Handels- und Gewerbefreiheit der schweizerischen Bundesverfassung abgeleitet habe, hat nicht die Bedeutung - wie das Herr Meyer in einem Zwischenvotum formuliert hat - , zu privatisieren um jeden Preis. Was ich daraus ableiten würde, ist der Zwang, die Verstaatlichung einer wirtschaftlichen Aufgabe zu begründen, ein Begründungszwang; oder aber, wenn die Verstaatlichung erfolgt ist, der Zwang, eine periodische Uberprüfung vorzunehmen, ob das noch gerechtfertigt sei. Maßstab sind die öffentlichen Interessen; das ist ein sehr unbestimmter Rechtsbegriff und damit eine politische Frage, die nur sehr beschränkt justitiabel ist. Von da her kann man aus dem Subsidiaritätsprinzip nicht einen Zwang zur Privatisierung ableiten. Dazu kommt, daß der Bundesgesetzgeber, selbst wenn noch ein solcher Zwang bestünde, nach schweizerischem Recht darauf nicht behaftet werden könnte wegen des Ausschlusses der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Bundesgesetzen. Wenn also ein Bundesgesetz eine wirtschaftliche Aufgabe zur staatlichen Aufgabe machen würde, dann könnte daran selbst das Bundesgericht nichts ändern. Das als Präzisierung. Danke schön. Hengstschläger: Ich darf vielleicht zuerst auf die Anmerkungen von Herrn Breuer eingehen. Sie haben gemeint man soll ein wenig in die Geschichte schauen, die Bundesbahn und die Post waren einmahl privat und haben kein gutes Angebot gemacht. Seit sie in staatlichen Händen sind, sei das ganz anders. Herr Breuer, natürlich muß man mitberücksichtigen, daß die Bundesbahn ein sehr hohes Defizit hat, bei uns in Österreich jedenfalls, ich glaube hier ist es ähnlich und das gute Angebot, das die
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Bundesbahn bereitstellt seit sie nicht mehr privat ist, zahlen wir alle, die Steuerzahler. Es ist das eine politische und weniger eine rechtliche Entscheidung. Ihr zweiter Gesichtspunkt war die Einbindung Privater in das Verwaltungsverfahren. Ich glaube, das ist punktueller Zukauf von Fachwissen, Zukauf von Hirnschmalz. Ob das wirklich Privatisierung ist, das möchte ich bezweifeln, denn das sind ganz andere Kategorien und Gesichtspunkte, die hier eine Rolle spielen. Herr Rauschning hat gesagt man hätte bei konkreten Beispielen beginnen sollen, etwa bei der Abwasserversorgung. Natürlich hätte man methodisch so punktuell vorgehen können. Nur für die Frage, was privatisiert werden darf und was nicht privatisiert werden darf, hätte sich daraus allgemein wahrscheinlich wenig gewinnen lassen. Außerdem sind diese punktuelle Beispiele Legion, die man hier bewältigen hätte können. Sicher wäre das auch methodisch einfacher gewesen. Herr Meyer, ich gebe Ihnen vollkommen Recht, wenn Sie meinen, daß eine Grenze der Privatisierung dort verläuft, wo nur der staatliche Haushalt untergraben wird. Wenn also nur die Staatsverschuldung ausgelagert und verschleiert wird, wenn also nur ein budgetrechtlicher Grund vorliegt und kein Sachgrund, keine Rechtfertigung aus der ausgelagerten Verwaltungsaufgabe selbst, dann ist die Ausgliederung nicht legitim, sondern verstößt gegen die Budgetgrundsätze der Einheit und der Vollständigkeit und auch gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Nur leider ist es bei uns in Osterreich so, daß die Verstöße gegen diese Budgetgrundsätze, die in der Verfassung verankert sind, sanktionslos bleiben. Es gibt bis heute kein Erkenntnis des Verfassungsgerichthofes, nicht einmal eine Argumentation in die Richtung, daß es sich hier um Verfassungswidrigkeiten handelt. Und zum Schluß noch ein Wort zur Wirtschaftlichkeit. Herr Grupp, Sie haben gesagt, das wäre ein Kriterium, das nicht operationalisierbar ist. Ich sehe das ein wenig anders. Natürlich ist es schwierig, Wirtschaftlichkeit in die konkrete Wirklichkeit umzusetzen. Aber wir sollen uns davor nicht scheuen, wir sollen nicht ängstlich sein davor. Ich sage einmal eine Formel so ins Unreine: Wenn der Private dieselbe Leistung in gleicher Qualität, ohne Nachteile für den Betroffenen, kostengünstiger anbietet, dann muß ausgegliedert werden. Dann wäre eine Weiterführung der Aufgabe durch den Saat unwirtschaftlich. Und wenn wir davon ausgehen, daß diese Prüfungskriterien der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit zugleich Handlungsmaximen sind, dann wäre sogar die unwirtschaftliche Weiterführung durch den Staat verfassunswidrig. Osterloh: Ganz knapp vorweg zur Frage nach den Grenzen der Regelungsbefugnis der Länder im Verhältnis zur Selbstverwaltungsgarantie
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gem. Art. 28 Abs. 2 GG. Herr Schmidt-Preuß, Sie wissen, die kennt nur das Bundesverfassungsgericht. Spielräume sind natürlich da, und es gibt ja, wie Sie auch wissen, bisher schon recht unterschiedliche Regelungen. Wie sich das weiter entwickelt, da müssen wir wohl vor allem abwarten, wie sich die jüngste Änderung des Art. 28 GG in Zukunft auswirkt. - Auf drei Punkte möchte ich eingehen. Zum einen noch einmal zur Veränderung seit 1970: Warum ist das Thema wieder interessant geworden? Zweiter Punkt, um den mir eine ganze Fülle von Fragen zu kreisen schienen, Privatisierung als Problem der Verteilungsgerechtigkeit, und als dritter Punkt, Privatisierung als Problem der Verfahrensgerechtigkeit. Erstens: Ich habe betont, daß im Kern der Sache der Verwaltungshelfer steht, wobei ich natürlich auch den kooperativen Verwaltungshelfer einbeziehe. Ich gebe jederzeit zu, daß „private public partnership" ein bißchen schicker klingt. Rechtlich ist es dasselbe. Ich habe, nochmal, den Verwaltungshelfer ganz formal als Rechtsbegriff abgeschichtet von der gesetzlichen Verwaltungskompetenz: Er ist derjenige, der etwas tut, was nicht Kompetenzausübung ist, aber trotzdem Aufgabenerfüllung. Da diese Figur seit langem bekannt ist, fragt sich, was eigentlich die Gründe dafür sind, daß sie jetzt so interessant geworden ist. 1970, da war noch die Planungsdiskussion in voller Blüte. Da ging es vielleicht eher darum, einen sich ausdifferenzierenden, expandierenden Staat zu beobachten. Privatisierung spielt damals praktisch in unserem Sinne keine Rolle. Die technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen haben inzwischen dazu geführt, daß die Verwaltungsaufgaben gewachsen und vor allem sozusagen wirtschaftshaltiger geworden sind. Umweltschutz, das ist eben auch Abfallwirtschaft. Es ist interessant geworden, Verwaltungstätigkeit zu übernehmen. Und natürlich kommt hinzu das Zusammentreffen von riesigem Investitionsbedarf, privater Kapitalkraft und Staatsverschuldung. Das steht als Druck hinter der aktuellen Situation, weshalb wir über die bekannten Rechtsfiguren neu nachdenken müssen. Die Qualitäten der Verwaltungshilfe haben sich geändert. Zweitens und zentral, Privatisierung als Problem der Verteilungsgerechtigkeit, von Herrn Degenhart ausdrücklich eingemahnt. Diese Frage steht aber auch hinter vielen anderen Aspekten: Das von Herrn Breuer unter Hinweis auf die Geschichte des Marktversagens bei flächendeckender Versorgung angeführte Sozialstaatsprizip; wohl auch zum großen Teil das Problem der Wirtschaftsverfassung mag man hier einbeziehen und letzten Endes auch das der Umgehung der Verschuldungsgrenze, denn darum geht es auch dort - Verteilungsgerechtigkeit in der Gegenwart und auf die Zukunft bezogen. Das ist sicher der Punkt, um den sich viele Sorgen machen, ob hier ein ausgewogenes Maß an Verteilungsgerechtigkeit unter dem Druck ökonomischer Zwänge vergessen
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wird. Und ebenso ist es die Sorge, ob das, was wir als nationalen Standard erreicht haben, ob da nicht Verluste entstehen unter dem Druck der internationalen Angleichung - aber eben auch gerade das heißt Verteilungsgerechtigkeit. O b im übrigen Privatisierung für mehr oder weniger Verteilungsgerechtigkeit sorgt, darüber kann man schlechterdings keine pauschale Aussage machen. Es kommt natürlich immer ganz entscheidend darauf an, wie lange sich der Saat innerhalb seiner weiten Entscheidungsspielräume verpflichtet fühlen will, für einen verteilungsgerechten, höheren oder niedrigeren Standard der Versorgung aller einzustehen. Das ist im Grunde die auch hier schon im thematischen Zusammenhang der Grundsätze der Finanzverfassung des geeinten Deutschlands gestellte und natürlich nicht beantwortete Frage, was wir unter einhaltlichen Lebensverhältnissen verstehen und verstehen wollen. Beantworten kann auch ich sie nicht. Ich denke aber, man sollte dies nicht pauschal für oder gegen Privatisierung als Problem ausspielen. Drittens, Privatisierung als Verfarensproblem. Abbau von Verfahren, da liegt wohl tatsächlich die Frage der Zukunft, jedoch nicht als spezifisches Privatisierungsproblem. In dem Maße, in dem staatliche Verfahren abgebaut werden, ist allerdings mehr Raum für private Tätigkeit. Wenn es keine staatliche Planung mehr gibt, wenn der Staat nicht Gemeinwohlkonkretisierung in Gestalt abwägender Planung betreibt, dann kann natürlich der Markt die Planung übernehmen. Er erledigt aber etwas anderes als staatliche Aufgaben gemeinwohlkonkretisierender Abwägung. Gleichwohl meine ich, daß aller Anlaß besteht, unsere Ideen zum Grundrechtsschutz durch Verfahren zu überdenken - nicht nur unter ökonomischem Druck, sondern auch selbstkritisch fragend, wieviel und was von der Idee des Grundrechtsschutzes durch Verfahren in der Praxis angekommen ist. Im Nachdenken darüber liegen auch Chancen der Privatisierungsdiskussion, wenn man das so nennen will. Ich danke Ihnen. Bauer: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Der zweite Teil dieser Aussprache hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie weitläufig das Themenspektrum der „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben" ist; Herr Schoch hat in seinem Begleitaufsatz mit voller Berechtigung von einer „Thematik von nahezu unendlicher Weite" gesprochen. Das zwingt zur Beschränkung. Vielleicht darf ich deshalb nochmals kurz das Erkenntnisinteresse meines Referates zusammenfassen. Mir ging es darum, ein Raster für Privatisierungsvorgänge anzubieten, das sich an der normativ geordneten Verwaltungspraxis orientiert und eine sachgerechte Abschichtung der Rechtsfragen der Privatisierung erlaubt. Dafür erschien es mir überzeugend, an dem prozeduralen Charakter von Privatisierungsvorgängen anzusetzen: Privatisierung als Prozeß! Dieser Ansatz
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legt Ausdifferenzierungen in mehrere Privatisierungsphasen offen und lenkt den Blick insbesondere auf den der eigentlichen Privatisierungsentscheidung vorausliegenden Abscnitt sowie die dieser Entscheidung nachfolgenden Abschnitte - so vor allem auf die Aufgabenübertragung und die danach fortbestehende Verwaltungsverantwortung. Vor diesem Hintergrund möchte ich ein paar Aspekte aus der zweiten Diskussionsrunde aufgreifen: Zunächst wurde gerügt, man hätte den Privatisierungsbegriff konkreter fassen müssen und können. Herr Bayer, ich glaube nicht, daß die Begriffsbestimmung vom Privatrecht her geleistet werden kann. Denn die Praxis der Privatisierung kennt viele Nuancen, die sich zwischen den Polen „staatlich" und „privat" bewegen und nicht allein vom Privatrecht her bzw. durch den Ubergang in privatrechtliche Regie erfassen lassen. Der zweite, u. a. von Herrn Beuer und Herrn Rauschning angesprochene Aspekt betrifft die Frage, ob nicht ein stärkerer Akzent auf das Verwaltungsrecht zu legen gewesen wäre. N u n finden sich im Verwaltungsrecht gewiß wichtige, spannende und in den Vorträgen ja auch erörterte Probleme. Abstriche mußten freilich naturgemäß beim Besonderen Verwaltungsrecht gemacht werden. Will man die Gesamtproblematik in den Blick nehmen, dann ist es nämlich nicht möglich, etwa kommunale Kläranlagen eingehender zu behandeln; vielmehr waren auch die Post und die Bahn zu berücksichtigen, um nur zwei Beispiele für Großvorhaben aus der jüngsten Vergangenheit zu nennen. Was speziell das Abfallrecht betrifft, Herr Breuer, so habe ich diese Regelungsmaterie nur als Beispiel benutzt, um aufzuzeigen, daß sich das Privatisierungspotential oftmals erst aus dem Fachgesetz erschließt; die gegenüberstellung des bisherigen Abfallrechts mit dem künftigen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz schien mir dafür besonders geeignet. Daß diese Regelungsmaterie bei einer umfassenderen Analyse - etwa im Hinblick auf die von Ihnen genannten unbestimmten Rechtsbegriffe - zusätzliche Aufschlüsse geboten hätte, ist mir bewußt, wobei allerdings die in dem neuen Gesetz vorgesehenen weiteren bzw. mehrfachen Aufgabenübertragungsmöglichkeiten wegen der Verflüchtigung von Verantwortlichkeiten vermutlich interessanter sind als die in die Diskussion eingeführten Beispiele. Schließlich noch ein Wort zur Aufgabenübertragung. Herr Vogel, Sie haben freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, daß es in diesem Kontext Regelungsmodelle gibt, die schon aus der weiter zurückliegenden Vergangenheit herrühren. Die Verträge im Bereich der Energiewirtschaft sind dafür exemplarisch. Nur hat dies bislang nicht dazu geführt, daß die Übertragungsvorgänge und die Sicherstellung der nach der Aufgabenübertragung fortbestehenden Verwaltungsverantwortung zu einem zentralen Thema der rechtswissenschaftlichen Privatisierungs-
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debatte gemacht worden wären. Deshalb erschien es mir wichtig, diesen Problemkomplex anhand neuerer Entwicklungen nochmals aufzugreifen, zumal sich damit hochinteressante Fragen der Regelungstechniken für die Aufgabenübertragung und für die Gewährleistung fortbestehender Verwaltungsverantwortung verbinden. Vielleicht verhält es sich hier wie andernorts: „Groß Neues war nicht nachzutragen"; das ändert aber nichts daran, daß solche Fragestellungen (zumindest wieder) stärker ins Bewußtsein gerückt werden sollten. Vielen Dank! Vorsitzender: Meine Damen und Herren, einige Kollegen haben gemeint, daß manches gefehlt hat, zu Unrecht ausgeklammert wurde, teils vom Vorstand, teils von den Referenten. Die Kritik ist natürlich berechtigt, aber ich bitte doch um Verständnis, daß gerade angesichts der enormen Weite des Themas Schwerpunktsetzungen und auch Ausklammerungen notwendig waren. Es liegt in der Natur der Sache, daß solche Ausklammerungen von jedem anders gesehen und bewertet werden. Ich möchte schließen, in dem ich sage, daß ich persönlich von diesem heutigen Tag unerhört viel profitiert habe, von den drei Referaten, von dem Landesbericht und von sehr, sehr vielen ergänzenden, vertiefenden, in Frage stellenden Diskussionsbeiträgen. Ich möchte mich bei den Referenten und bei den Diskutanten sehr herzlich bedanken. Es ist oft so, daß bei einer Staatsrechtslehrertagung eine gewisse Summe oder Zwischensumme gezogen wird. Das ist bei unserem Thema wohl nicht möglich gewesen, weil einfach das Ziehen einer Summe erfordert, daß viel an wissenschaftlichen Aufarbeitungen vorhanden sind. Und derartige Arbeiten sind eben, wie wir auch mehrfach gehört haben, nur bruchstückweise, nur verstreut vorhanden. Ich bin aber überzeugt, daß die künftige wissenschaftliche Erörterung - die staatsrechtliche und verwaltungsrechtliche Diskussion - heute in Bahnen gelenkt worden und ganz entscheidend mitgeprägt worden ist. Herzlichen Dank noch einmal. Auf Wiedersehen nächstes Jahr in Wien. Dankeschön.
Verzeichnis der Redner Badura S. 313 Bauer S. 329, 353 Bayer S. 345 Böckenförde S. 125 Bothe S. 134,160 Breuer S. 330 Bull S. 127,334 Bullinger S. 301 Dagtoglou S. 321 Degenhart S. 316 Dittmann S. 132,162 Engel S. 159,340 Fiedler S. 153 Fromont S. 150, 344 Frowein S. 141 Grimm S. 120 Gröschner S. 159,347 Grupp S. 337 Häberle S. 105, 338 Hengstschläger S. 325, 350 Huber S. 139 Hufen S. 128 Isensee S. 115,203 Jaag S. 350 Eckart Klein S. 149 Hans Hugo Klein S. 113 Knies S. 144
Küchenhoff S. 155 Kühne S. 151 Lerche S. 112 Manti S. 136 Meyer S. 110,321,348 Morlok S. 143 Mußgnug S. 147 Oldiges S. 307 Oppermann S. 107,110,317 Osterloh S. 326, 351 Pitschas S. 156, 322 Rauschning S. 119,347 Roellecke S. 118,312 Schachtschneider S. 130, 310 Schiedermair S. 121 Schmidt-Preuß S. 318. 321 Schuppert S. 308 Selmer S. 154 Spannowsky S. 336 Starck S. 138 Stern S. 110 Stettner S. 158 Tettinger S. 341 Vogel S. 137, 335, 340 Wallerath S. 142 Würtenberger S. 146
Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Stand: 1. Januar 1995 Ehrenvorsitzender auf Lebenszeit Ipsen, Dr. Dr. h. c. Hans Peter, o. Professor Vorstand 1. Schmitt Glaeser, Dr. Dr. h. c. Walter, o. Professor, Rübezahlweg 9 a, 95447 Bayreuth, (0921) 32070; Universität, 95447 Bayreuth, (0921) 552942, Fax (0921) 552996 2. Korinek, Dr. Karl, o. Professor, Auhofstr. 225, A-1130 Wien, (0043-1) 8 7648 76; Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien, (0043-1) 401 03 3145 Fax (0043-1) 5 33 7693 3. Schneider, Dr. Dr. h. c. Hans-Peter, o. Professor, Echternfeld 16, 30657 Hannover, (05 11) 6508 58; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (0511) 762-81 85 oder 81 86 Mitglieder 1. Abelein, Dr. Manfred, o. Professor, Rheinweg 12, 53113 Bonn, (0228) 256 92; Universität Regensburg 2. Adamovich, Dr. Ludwig, Professor, Präsident d. österr. Verfassungsgerichtshofs, Roosevelt-Platz 4, A-1090 Wien, (0043-1) 408 55 70; dienstl., (0043-1) 53122-415 3. Alexy, Dr. Robert, o. Professor, Klausbrooker Weg 122, 24106 Kiel, (0431) 549742; Universität Kiel, (0431) 8 803543
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
4. Antonioiii, Dr. Dr. h. c. Walter, Universitätsprofessor, Hasnerstr. 3/1, A-3100 St. Pölten, (0043-2742) 75917; Universität Wien 5. Arndt, Dr. Hans-Wolfgang, o. Professor, Waldstr. 34, 67434 Neustadt/Weinstraße, (06321) 333 85; Universität Mannheim, (0621) 2925195 6. v. Arnim, Dr. Hans Herbert, o. Professor, Im Oberkämmerer 26, 67346 Speyer, (06232) 9 8123; Hochschule Speyer, (06232) 65 43 43 7. Arnold, Dr. Rainer, o. Professor, Plattenweg 7, 93055 Regensburg, (0941) 74465; Universität, (0941) 9432654/5 8. Autexier, Dr. Christian, Professor, Egon-Reinert-Str. 19, 66111 Saarbrücken, (0681) 3714 87; Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für französisches öffentliches Recht, (06 81) 3 0221 85 9. Baa.de, Dr. Hans W., Professor, 6002 Mountain Climb Drive, Austin/Texas, USA, 78 731, Tel. (001-512) 45250 71; dienstl., (001-5 12) 4 715151 10. Bachof, Dr. Dres. h. c. Otto, o. Professor, Auf dem Kreuz 3, 72076 Tübingen, (0 70 71) 61144; Universität, (0 70 71) 29 25 49 11. Badura, Dr. Peter, o. Professor, Am Rothenberg Süd 4, 82431 Kochel am See, (0 8851) 52 89; Universität München, (089) 21 8035 76 12. Barfuß, Dr. iur. Dr. rer. pol. Walter, a. o. Universitätsprofessor, Tuchlauben 13, A-1014 Wien, (0043-1) 5 3437-122, Fax (0043-1) 5332521 13. Bartlsperger, Dr. Richard, o. Professor, Schleifweg 55, 91080 Uttenreuth, (091 31) 59916; Universität Erlangen, (091 31) 8528 18 14. Battis, Dr. Ulrich, Professor, Beiersdorfer Weg 42, 12589 Berlin, (01 72) 6301063; Humboldt-Universität Berlin, (030) 28 43-1703, Fax (030) 28 43-1756 15. Bauer, Dr. Hartmut, Professor, Waldkauzstr. 27, 86199 Augsburg, (0821) 96776; TU Dresden, (03 51) 463-24 88
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16. Bayer, Dr. Hermann-Wilfried, Professor, Henkenbergstr. 45a, 44797 Bochum, (0234) 791744; Universität, (0234) 7005724 17. Becker, Dr. Jürgen, Professor, Kellerstr. 7, 81667 München; dienstl., (0 89) 4 8003 00 18. Berchthold, Dr. Klaus, Universitätsdozent, Bräunerstr. 4-6/22, A-1010 Wien, (0043-1) 53 1434 19. Berg, Dr. Wilfried, o. Professor, Waldsteinring 25, 95448 Bayreuth, (0921) 93125; Universität, 95440 Bayreuth, (0921) 5528 76 20. Berka, Dr. Walter, o. Universitätsprofessor, Birkenweg 2, A-5400 Hallein, (0043-6245) 76758; Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg, Kapitelgasse 5-7, A-5020 Salzburg, (0043-662) 80443621, Fax (0043-662) 8044-3 03 21. Bernhardt, Dr. Dr. h. c. Rudolf, o. Professor, Gustav-Kirchhoff-Str. 2 a, 69120 Heidelberg, (06221) 41 3699; dienstl., (06221) 4821 22. Bethge, Dr. Herbert, o. Professor, Am Seidenhof 10, 94034 Passau, (08 51) 41697; Universität, (08 51) 50 91 97 23. Bettermann, Dr. Dr. h. c. Karl-August, o. Professor, Alte Landstr. 173, 22339 Hamburg, (040) 5 384064; Universität, (0 40) 4123 45 57 24. Beyerlin, Dr. Ulrich, api. Professor, Luisenstr. 7, 69151 Neckargmünd; Max-Planck-Institut für ausländ. Öffentl. Recht und Völkerrecht, Berliner Str. 48, 69120 Heidelberg, (0 62 21) 482236 25. Bieber, Dr. Roland, o. Professor, 5, chemin du Chateau Sec, CH-1009 Pully/Lausanne; Universität Lausanne, CH-1015 Lausanne-Dorigny, (0041-21) 6922791, Fax (0041-21) 6922785 26. Binder, Dr. Bruno, Universitätsdozent, Mozartstr. 1, A-4020 Linz, (0043-70) 23 9926; Universität Linz, Altenbergerstr. 69, A-4040 Linz, (0043-70) 2313 81 411
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27. Birk, Dr. Dieter, o. Professor, Borkumweg 43, 48159 Münster, (02 51) 21 84 78, Fax (0251)218478; Universität, (0251) 832795 28. Blankenagel, Dr. Alexander, Professor, Jochemplatz 1, 12163 Berlin, (030) 7929326 od. 7929408; Humboldt-Universität Berlin, (030) 2843-1944 od. 1945 29. Bleckmann, Dr. Dr. Albert, Universitätsprofessor, Thomas-Morus-Weg 10 f, 48147 Münster, (0251) 23 58 67; Universität, (0251) 832021 30. Blümel, Dr. Willi, Universitätsprofessor, Angelhofweg 65, 69259 Wilhelmsfeld, (06220) 18 80; Hochschule Speyer, (06232) 654-362 od. 360, Fax (06232) 654-2 08 od. 290 31. Blumenwitz, Dr. Dieter, o. Professor, Tannenstr. 2, 85598 Baldham, (08106) 33252; Universität Würzburg, (09 31) 3123 08, Fax (09 31) 3123 17 32. Böckenförde, Dr. iur. Dr. phil. Dr. h. c. Ernst-Wolfgang, o. Professor, Bundesverfassungsrichter, Türkheimstr. 1, 79280 Au bei Freiburg, (0761) 405623; Universität Freiburg, (0761) 203-2263 od. 2262 33. Böckstiegel, Dr. Karl-Heinz, Professor, Parkstr. 38, 51427 Bergisch-Gladbach, (02204) 66268; Universität Köln, (0221) 4 7023 37 34. Bogs, Dr. Harald, Professor, Dresdener Str. 7, 37120 Bovenden, (0551) 8 15 95; Universität Göttingen, (05 51) 3973 92 35. Bothe, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Theodor-Heuss-Str. 6, 64625 Bensheim, (06251) 4345; Universität Frankfurt a.M., (069) 7982264 36. Brandt, Dr. Edmund, Professor, Sielower Landstraße 34, 03044 Cottbus, (03 55) 24786; TU Cottbus, (03 55) 692116, Fax (0355) 6923 36 37. Brenner, Dr. Michael, Privatdozent, Bauerstr. 21, 80796 München, (089) 271 8524; Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-SchillerUniversität Jena, Fürstengraben 1, 07743 Jena, (03641) 632232
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38. Breuer, Dr. Rüdiger, Professor, Heinrich-Brauns-Str. 4, 54296 Trier, (0651) 21478; Fax (0651) 140845 Universität Bonn, Adenauerallee 44, 53113 Bonn, (02 28) 73 91 50 oder 73 91 51, Fax (02 28) 73 55 82 39. Brohm, Dr. Winfried, o. Professor, Wydenmööslistr. 11, CH-8280 Kreuzlingen, (0041-72) 751525; Universität Konstanz, (07531) 88-2169 od. 21 76 40. v. Brünneck, Dr. Alexander, Universitätsprofessor, Blumenhagenstr. 5, 30167 Hannover, (05 11) 716911; Universität Frankfurt (Oder), (03 35) 55 34-264 od. 295, Fax (0335) 5534-305 41. Brugger, Dr. Winfried, LL.M., Universitätsprofessor, Säckinger Str. 17b, 69239 Mannheim, (06221) 1613 19; Juristisches Seminar, Universität Heidelberg, Friedrich-EbertAnlage 6-10, 69117 Heidelberg, (06221) 547462, Fax (06221) 547654 42. Brunner, Dr. Georg, o. Professor, Belvederestr. 94, 50933 Köln, (0221) 4 973594; Universität Köln, Ubierring 53, 50678 Köln, (0221)315110 od. 315149 43. Bryde, Dr. Brun-Otto, Universitätsprofessor, Stettiner Str. 10, 35435 Wettenberg-Wißmar, (06406) 74191; Universität Gießen, Hein-Heckroth-Str. 5, 35390 Gießen, (0641) 7025015 44. Bull, Dr. Hans Peter, o. Professor, Rehbenitzwinkel 39, 24106 Kiel, (0431) 336228 Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein, Düsternbrooker Weg 92, 24105 Kiel, (0431) 5 963000; Universität Hamburg 45. Bullinger, Dr. Dr. h. c. / Univ. de Dijon, Martin, o. Professor, Altschlößleweg 4, 79280 Au bei Freiburg, (0761) 4023 89; Universität Freiburg i.Br., (0761) 2 03-2248 od. 2247 46. Burmeister, Dr. Joachim, o. Professor, Schlehecker Str. 1, 53797 Lohmar, (02205) 8 8816; Universität Köln, (0221) 4 704454 Fax (0221) 4 705135 47. Frhr. v. Campenhausen, Dr. Axel, Professor, Oppenbornstr. 5, 30559 Hannover, (0511) 52 81 74; Klosterkammer Hannover, (0511) 3 48 26 71
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48. Classen, Dr. Claus Dieter, Professor, Fr.-Loeffler-Str.42, 17489 Greifswald, (03834) 898024; Ernst-Moritz-Arndt-Universität, 17487 Greifswald, (0 38 34) 6 33 60, Fax (0 38 34) 6 33 40 49. Czybulka, Dr. Detlef, Professor, Heinrich-Reck-Str. 5 a, 18211 Admannshagen Universität Rostock, Lehrstuhl für Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, Staats- und Finanzrecht, Richard-Wagner-Str. 31 (Haus 1), 18119 Rostock-Warnemünde, (03 81) 5 7226, Fax (03 81) 5 7216 50. Dagtoglou, Dr. Prodromos, Professor, 66, Chartfield Avenue, London SW 15 6HQ, Großbritannien, (004481) 7 88 3513, Fax (0044 81) 7882467; Universität Athen, Juristische Fakultät, Seminar für öffentliches Recht, Hippokratous 33, 10680 Athen und Lysikratous 12, 10558 Athen, Griechenland, (00301) 32211 90, Fax (00301) 32263 33 51. Davy, Dr. Benjamin, Universitätsdozent, Schottenring 31/7, A-1010 Wien, (0043-1) 3 14 80 93; Techn. Universität Wien, (0043-1) 5 88 01-44 86 52. Degenhart, Dr. Christoph, Universitätsprofessor, Stormstr. 3,90491 Nürnberg, (0911 ) 59 24 62, Fax (0911 ) 59 24 62; Universität Leipzig, Juristenfakultät, Otto-Schill-Str. 2, Postfach 920, 04009 Leipzig, (0341) 9 735191, Fax (03 41) 973 5199 53. Delbrück, Dr. Jost, Professor, Schoolredder 20, 24161 Kiel, (0431) 322558; Universität, (0431) 8 802149 54. Denninger, Dr. Erhard, Universitätsprofessor, Am Wiesenhof 1, 61462 Königstein, (061 73) 78932; Universität Frankfurt a.M., (069) 7982654 55. Depenheuer, Dr. Otto, Professor, Kaiser-Friedrich-Str. 15, 53113 Bonn, (0228) 21 3932, Fax (0228) 213932; Universität Mannheim, Schloß, Westflügel, 68131 Mannheim, (0621) 2921464, Fax (0621) 2922435 56. Detterbeck, Dr. Steffen, Professor, Stettinerstr. 60, 35274 Kirchhain, (06422) 4531; Philipps-Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35032 Marburg, (06421) 283123, Fax (06421) 273853
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57. Di Fabio, Dr. Dr. Udo, Professor, In der Olk 8, 54290 Trier, (0651) 44845, Fax (0651) 5407; Universität Trier, (06 51) 2 01 25 56, Fax (06 51) 2 01 39 03 58. Dittmann, Dr. Armin, o. Professor, Karl-Brennenstuhl-Str. 11, 72074 Tübingen, (07071) 82456; Universität Hohenheim, 70599 Stuttgart, (0711) 4592791, Fax (0711) 45934 82 59. Doehring, Dr. Dr. h. c. Karl, o. Professor, Mühltalstr. 117/3, 69121 Heidelberg, (06221) 4098 80; Universität, (06221) 54 7446 60. Dörr, Dr. Dieter, Professor, Heidenkopferdell 1, 66123 Saarbrücken, (06 81) 6 91 30; Saarl. Rundfunk, 66100 Saarbrücken, (06 81) 6022050, Fax (0681) 60238 74 61. Dolzer, Dr. Dr. Rudolf, Professor, Am Pferchelhang 4/1, 69118 Heidelberg, (06221) 803344; Universität Mannheim, 68131 Mannheim, (0621)2 92-5607 od. 5631 62. Dreier, Dr. Horst, o. Professor, Bismarckstr. 13, 21465 Reinbek, (040) 7225834; Universität Hamburg, Schlüterstr. 28, 20146 Hamburg, (040) 4123-3503 od. 2627 63. Dreier, Dr. Ralf, o. Professor, Wilhelm-Weber-Str. 4, 37073 Göttingen, (0551) 591 14; Universität, (05 51) 39 73 84 64. Diirig, Dr. Günter, o. Professor, Staufenstr. 9, 72074 Tübingen, (0 70 71) 82508 65. Eberle, Dr. Carl-Eugen, Professor, Kapellenstr. 68a, 65193 Wiesbaden, (0611) 520468; ZDF, 55100 Mainz, (06131) 704100 Fax (06131) 7054 52 66. Ebsen, Dr. Ingwer, Professor, Alfred-Mumbächer-Str. 19, 55128 Mainz, (061 31) 33 1020; Universität Frankfurt a.M., (069) 7982703 67. Ehlers, Dr. Dirk, Professor, Am Mühlenbach 14, 48308 Senden, (02597) 8415; Westfälische Wilhelms-Universität, Institut für Wirtschaftsverwaltungsrecht, Universitätsstr. 14—16, 48143 Münster, (0251) 832701
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
68. Ehmke, Dr. Horst, o. Professor, Bundeshaus, 53113 Bonn, (0228) 163429 od. 164834 69. Eichenberger, Dr. Dr. h. c. Kurt, o. Professor, Bärenbrunnenweg 4, CH-4144 Arlesheim b. Basel, (0041-61) 70133 86 70. Engel, Dr. Christoph, Professor, Werderstr. 6, 49076 Osnabrück, (05 41) 4 72 88; Universität, (0541) 96961 77, Fax (0541) 96945 79 71. Epiney, Dr. Astrid, Professeure assiciée, 5, av. Beauregard, CH-1007 Lausanne; Universität Freiburg i. Ue., Seminar für Völkerrecht und Öffentliches Recht, Route d'Englisberg 7, CH-1763 Granges-Paccot, (0041) (0)37219317 72. Erbel, Dr. Günter, Professor, Burbacher Str. 10, 53129 Bonn; Universität, (0228) 73 55 83 73. Erbguth, Dr. Wilfried, Professor, Friedrich-Franz-Str. 38, 18119 Rostock-Warnemünde Universität Rostock, (03 81) 7141 12, Fax (03 81) 714129 74. Erichsen, Dr. Hans-Uwe, o. Professor, Falkenhorst 17, 48155 Münster-St. Mauritz, (0251) 313 12; Universität Münster, (0251) 832741 75. Faber, Dr. Heiko, Professor, Wunstorfer Str. 1, 30989 Gehrden, (05108) 2234; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 762-8206 76. Fastenrath, Dr. Ulrich, Professor, Zum Heiderand 14, 01474 Weißig, (0351) 46063 90, Fax (0351) 46063 90; TU Dresden, Juristische Fakultät, Mommsenstr. 13, 01062 Dresden, (03 51) 463-73 33, Fax (0351) 463-72 13 77. Fiedler, Dr. Wilfried, o. Professor, Am Löbel 2, 66125 Saarbrücken, (0 68 97) 76 64 01; Universität, (0681) 3023200 78. Fleiner-Gerster, Dr. Dr. h. c. Thomas, o. Professor, Le Riedelet 9, CH-1723 Marly FR, (0041-37) 461261; Institut für Föderalismus, Universität Freiburg i. Ue,, Miséricorde, CH-1763 Granges-Paccot, (0041-37) 219591, Fax (0041-37) 219701
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365
79. Folz, Dr. Hans-Ernst, Professor, Bispinger Weg 11, 30625 Hannover, (0511) 57 5719 od. 56 28 92; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (0511) 762-8248 oder 8249 80. Frank, Dr. Dr. h. c. Götz, Professor, Cäcilienplatz 4, 26122 Oldenburg, (0441) 75689; Carl von Ossietzky Universität, (0441) 798-83 38 od. 8271, Fax (0441) 798-82 87 81. Friauf, Dr. Karl Heinrich, o. Professor, Eichenhainallee 17, 51427 Bergisch-Gladbach, (02204) 61984 82. Fröhler, Dr. Ludwig, o. Universitätsprofessor, Gut Bärengschwandt, A-3342 Opponitz; Universität Linz, (0043-70) 78 5658 83. Fromont, Dr. Dr. h. c. Michel, Professor, 12, Boulevard de Port Royal, F-75005 Paris, (00 33-1) 45 35 73 71; Universität Paris I Panthéon-Sorbonne, 12, Place du Panthéon, F-75231 Paris Cédex 05, (0033-1) 4634 9732 84. Frotscher, Dr. Werner, Universitätsprofessor, Habichtstalgasse 32, 35037 Marburg/Lahn, (06421) 3 2961; Universität, Universitätsstr. 6, 35037 Marburg, (06421) 283122 85. Frowein, Dr. Dr. h. c. Jochen Α., o. Professor, Blumenthalstr. 53, 69120 Heidelberg; dienstl., (06221) 4822 58 86. Funk, Dr. Bernd-Christian, o. Professor, Schönbrunngasse 46 a, A-8010 Graz, (0043-316) 31082; Universität, (0043-3 16) 3 80-33 66 od. 33 68 87. Gallent, DDr. Kurt, Professor, Obersenatsrat i. R., Pestalozzistr. l/III, A-8010 Graz, (0043-316) 778962; dienstl., (0043-3 16) 73054 88. Gallwas, Dr. Hans-Ullrich, Professor, Hans-Leipelt-Str. 16, 80805 München, (0 89) 32 83 66; Universität, (089) 21 803262 89. Geis, Dr. Max-Emanuel, Professor, Rachelstr. 1, 93086 Wörth a. d. Donau, (094 82) 22 84; Universität Augsburg, Juristische Fakultät, 86135 Augsburg, (0821) 5 98-401 oder -355 (Sekr.) 90. Göldner, Dr. Detlef, Privatdozent, Wilhelmshavener Str. 20, 24105 Kiel, (0431) 81644
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91. Goerlich, Dr. Helmut, Professor, Juristenfakultät, Universität Leipzig, Otto-Schill-Str. 2, Postfach 920, 04009 Leipzig, (0341) 973 51 71, Fax (0341) 9735179 92. Götz, Dr. Volkmar, o. Professor, Geismarlandstr. 17 a, 37083 Göttingen, (0551) 43119; Universität, (0551) 39-73 91 od. 4761 93. Gornig, Dr. Gilbert H., Professor, Kaakweg 16 b, 37077 Göttingen, (0551) 371269; Universität, (0551) 39-4661 od. 4662, Fax (0551) 394767 94. Grämlich, Dr. Ludwig, Professor, Justus-Liebig-Str. 38 a, 64839 Münster; TU Chemnitz-Zwickau, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Postfach 9 64, 09009 Chemnitz, (03 71) 53141 64, -65, Fax (03 71) 5313961 95. Grawert, Dr. Dr. h. c. Rolf, o. Professor, Aloysiusstr. 28, 44795 Bochum, (0234) 473692; Universität, (0234) 70028 09 96. Grewe, Dr. Dr. h. c. Wilhelm G., o. Professor, Zum Kleinen Ölberg 28, 53639 Königswinter, (02244) 68 74; dienstl., (0228) 214160 97. Griller, Dr. Stefan, Universitätsprofessor, Hungerbergstr. 11-13, A-1190 Wien, (0043-1) 322405; Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstr. 39-45, A-1090 Wien, (0043-1) 31336-4135 98. Grimm, Dr. Dieter, o. Professor, Bundesverfassungsrichter, Bundesverfassungsgericht, 76006 Karlsruhe, (0721) 91 01-220; Universität Bielefeld, (0521) 1 064405 99. Gröscbner, Dr. Rolf, o. Professor, Stormstr. 39, 90491 Nürnberg, (0911) 591408; Universität, Fürstengraben 1, 07743 Jena, (03641) 63 21 13, Fax (03641) 632115 100. Grupp, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Stephanienufer 5, 68163 Mannheim, (0621) 822197, Fax (0621) 822197; Universität des Saarlandes, 66041 Saarbrücken, (06 81) 3 02-35 08 od. 35 48, Fax (06 81) 3 02 42 13
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
367
101. Gusy, Dr. Christoph, Professor, Rockwinkeier Heerstr. 128, 28355 Bremen; (0421) 2574573; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaften, Postfach 100131, 33501 Bielefeld, (0521) 10643 82 102. Haberle, Dr. Dr. h. c. Peter, o. Professor, Universität, 95440 Bayreuth, Universitätsstraße 30, Gebäude RW, 95447 Bayreuth, (0921) 552947, Fax (0921) 552985 103. Häfelin, Dr. Ulrich, o. Professor, Müseliweg 1, CH-8049 Zürich, (0041-1) 568460 104. Hänni, Dr. Peter, o. Professor, Stadtgraben 6, CH-3280 Murten, (0041-37) 71 58 15; Universität Freiburg i.Ue., (0041-37) 21 9111 od. 219595 105. Hafner, Dr. Felix, Privatdozent, Hirzbrunnenschanze 67, CH-4058 Basel, (0041-61) 6914064; Justizdepartement Kanton Basel-Stadt, (0041-61) 2678119, Fax (0041-61) 2678137 106. Hahn, Dr. Dr. h. c. Hugo J., LL.M. (Harvard), o. Professor, Frankens«·. 63, 97078 Würzburg, (0931) 2842 86; Universität, (0931) 31 23 10, Fax (0931) 3123 17 107. Hailbronner, Dr. Kay, o. Professor, Toggenbühl, CH-8557 Fruthwilen, (0041-72) 641946; Universität Konstanz, (0 75 31) 882247 108. Haller, Dr. Herbert, a. o. Universitätsprofessor, Felix-Mottl-Str. 48 Haus 2, A-1190 Wien, (0043-1) 34293 82; Wirtschaftsuniversität Wien, (0043-1) 3 1336-41 58 od. 4668 109. Haller, Dr. Walter, o. Professor, Burgstr. 264, CH-8706 Meilen, (0041-1) 923 1014; Universität Zürich, Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht, Hirschengraben 40, CH-8001 Zürich, (0041-1) 2572051, Fax (0041-1) 261 7839 110. Hangartner, Dr. Yvo, o. Professor, Am Gozenberg 2, CH-9202 Gossau, (0041-71) 851511; Hochschule St. Gallen 111. Haverkate, Dr. Görg, Universitätsprofessor, Klingenweg 26, 69118 Heidelberg, (06221) 8005 81; Universität Heidelberg, (06221) 547723 112. Heckel, Dr. Martin, o. Universitätsprofessor, Lieschingstr. 3, 72076 Tübingen, (07071) 61427; Universität, (0 7071) 29 29 71
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
113. Heintzen, Dr. Markus, Professor, Friedenstr. 10, 06114 Halle; Juristische Fakultät, Universität Halle-Wittenberg, 06099 Halle, (0345) 891455, Fax (0345) 891450 114. Hendler, Dr. Reinhard, Universitätsprofessor, Tulpenstr. 21, 35096 Weimar/Lahn, (06421) 77305; Universität Regensburg, Juristische Fakultät, 93040 Regensburg, (0941) 943-2657 oder 2656, Fax (0941) 9432836 115. Hengstschläger, Dr. Johann, o. Universitätsprofessor, Auf der Halde 16, A-4020 Linz, (0043-70) 281081; Universität, (0043-70) 2468-401 od. 455, Fax (0043-70) 2468901 116. Herdegen, Dr. Matthias, Professor, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Universität Bonn, Adenauerallee 24-42, 53113 Bonn, (0228) 73 55 70/73 55 80, Fax (0228) 73 7901 117. Herrmann, Dr. Günter, Professor, Wankweg 13, 87642 Buching/Allgäu, (083 68) 1696 118. Herzog, Dr. Roman, Professor, Bundespräsident, Schloß Bellevue, Spreeweg 1, 10557 Berlin, (030) 39084-700 119. Hesse, Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. Konrad, o. Professor, Schloßweg 29, 79249 Merzhausen, (0761) 4038 11; Universität Freiburg 120. Hettlage, Dr. Karl-Maria, o. Professor, Scheidtmanntor 11, 45276 Essen 121. Heun, Dr. Werner, Professor, Bürgerstr. 5, 37073 Göttingen, (05 51) 706248; Universität Göttingen, Institut für Allgemeine Staatslehre und Politische Wissenschaften, Goßlerstr. 11, 37073 Göttingen, (0551) 394693 122. Heyen, Dr. iur. Lic. phil. Erk Volkmar, Universitätsprofessor, Maxburgstr. 25, 67434 Neustadt/Weinstraße, (063 21) 7983; Universität Greifswald, (03834) 63-248 123. Hilf, Dr. Meinhard, Universitätsprofessor, Schelpsheide 12, 33613 Bielefeld, (0521) 8892 82; Universität Hamburg, (0 40) 4123 45 64, Fax (0 40) 4123 63 52
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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124. Hill, Dr. Hermann, Professor, Habichtstr. 15, 67373 Dudenhofen; Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Postfach 1409, 67324 Speyer, (06232) 654328 125. Höfling, Dr. Wolfram, Professor, M.A., Professur für Öffentliches Recht III - Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Justus-Liebig-Universität Gießen, Licher Str. 64, 35394 Gießen, (0641) 702 5025, Fax (0641) 7025097 126. Hoffmann, Dr. Dr. h. c. Gerhard, o. Professor, Ernst-Lemmer-Str. 10, 35041 Marburg, (06421) 81645 127. Hoffmann-Riem, Dr. Wolfgang, Professor, Marienterrasse 15, 22085 Hamburg, (040) 229 8969, Fax (0 40) 2 29 88 58; Universität, (0 40) 4123 5419 128. Hofmann, Dr. Hasso, o. Professor, Christoph-Mayer-Weg 5, 97082 Würzburg, (0931) 8 73 88; Humboldt-Universität Berlin, (030) 2843 1967, Fax (030) 28431972 129. Hofmann, Dr. Dr. Rainer, Universitätsprofessor, Bergstr. 83, 69121 Heidelberg, (06221) 401004; Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Köln, Gottfried-Keller-Str. 2, 50931 Köln, (0221) 4 703834, Fax (0221) 4 7051 46 130. Hollerbach, Dr. Alexander, o. Professor, Hugstetten, Parkstr. 8, 79232 March i.Br., (07665) 22 51; Universität Freiburg, (0761) 2 03 2207 131. Hoppe, Dr. Werner, o. Professor, Erphostr. 36, 48145 Münster, (0251) 391899, Fax (0251) 3924 71; dienstl., (02 51) 83 2703, Fax (02 51) 4 6499 132. Hotz, Dr. Reinhold, Professor, Rötelistr. 12, CH-9000 St. Gallen, (0041-71) 2467 77; Hochschule St. Gallen, (0041-71) 22 03 03 133. Huber, Dr. Peter M., o. Professor, Fürstengraben 1, 07743 Jena; Universität Jena, (0 36 41) 8 22 51 95, Fax (0 36 41) 8 22 51 95 134. Hufen, Dr. Friedhelm, o. Professor, Backhaushohl 62, 55128 Mainz, (061 31) 34444; Universität Mainz, (061 31) 39-23 54 od. 3045
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
135. Ipsen, Dr. Dr. h. c. Hans Peter, o. Professor, Augustinum App. 1142, 23879 Mölln, (04542) 813141; Tel. in Lüneburg, (04131) 4011 31 136. Ipsen, Dr. Jörn, o. Professor, Luisenstr. 41, 49565 Bramsche, (05461) 4496; Universität Osnabrück, (0541) 608-6158 od. 6169 137. Ipsen, Dr. Knut, o. Professor, Nevelstr. 59, 44795 Bochum, (0234) 43 1266; Universität, (0234) 7002820 138. Isensee, Dr. Josef, o. Professor, Meckenheimer Allee 150, 53115 Bonn, (0228) 693469; Universität, (0228) 73 7983 139. Jaag, Dr. Tobias, o. Professor, Bahnhofstr. 22, CH-8022 Zürich, (0041-1) 2 112550; Universität, (0041-1) 25731 70 140. Jaenicke, Dr. Günther, Professor, Waldstr. 13, 69181 Leimen b. Heidelberg, (062 24) 725 71; Universität Frankfurt 141. Jakob, Dr. Wolfgang, o. Professor, Wilhelmstr. 25, 80801 München, (089) 390506; Universität Augsburg 142. Janssen, Dr. Albert, api. Professor, Landtagsdirektor, Langelinienwall 16, 31134 Hildesheim, (05121) 83467; Niedersächsischer Landtag, (0511) 3030-226 od. 227 143. Jarass, Dr. Hans D., LL.M. (Harvard), o. Professor, Baumhofstr. 37 b, 44799 Bochum, (0234) 772025; Universität, (0234) 70028 18, Fax (0234) 7094281 144. Jeand'Heur, Dr. Bernd, Privatdozent, M 2.1, 68161 Mannheim, (0621) 2 0323 145. Kästner, Dr. Karl-Hermann, Professor, Alt-Rathausstr. 5, 72511 Bingen, (075 71) 3223; Juristische FakultätMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universitätsplatz 10 a, 06108 Halle, (0345) 891451, Fax (03 45) 891450 146. Kaiser, Dr. jur. Dr. rer. pol. h. c. Joseph H., o. Professor, Rothofweg 7, 79219 Staufen i.Br., (07633) 5728; Universität Freiburg
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147. Karpen, Dr. Ulrich, Professor, Oldenfelder Str. 32, 22143 Hamburg, (0 40) 6 77 83 98; Universität Hamburg, Seminar f. Öffentl. Recht und Staatslehre, Schlüterstr. 28, 20146 Hamburg, (040) 4123-3023 od. 45 14 od. 4555 148. Kempen, Dr. Bernhard, Privatdozent, Kringsweg 18, 50931 Köln, (9221) 41 8069; Universität zu Köln, Gottfried-Keller-Str. 2, 50931 Köln, (02 21) 4 70-38 27 oder 4 70-23 64 149. Khol, Dr. Andreas, Universitätsprofessor, Cuviergasse 23, A-1130 Wien, (0043-1) 841573; dienstl., (0043-1)401100 150. Kilian, Dr. Michael, Professor, Lindenberg 15, 06198 Brachwitz; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Juristische Fakultät, Gebäude Advokatenweg 37, 06114 Halle, (0345) 2025813 151. Kimminich, Dr. Otto, o. Professor, Killermannstr. 6, 93049 Regensburg, (0941) 3 28 54; Universität, (0941) 9432660 152. Kirchhof, Dr. Ferdinand, o. Professor, Panoramastr. 95, 72766 Reutlingen, (07121) 402 81; Juristische Fakultät der Universität Tübingen, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, (0 70 71) 29 25 61, Fax (0 70 71) 2943 58 153. Kirchhof, Dr. Paul, o. Professor, Bundesverfassungsrichter, Am Pferchelhang 33/1, 69118 Heidelberg, (06221) 801447; Universität, (06221) 547457 154. Kirn, Dr. Michael, o. Professor, Rummelsburgerstr. 3, 22147 Hamburg, (040) 6473842; Universität der Bundeswehr, (040) 65412782 155. Kisker, Dr. Gunter, Universitätsprofessor, Waldstr. 74, 35440 Linden, (06403) 61030; Universität Gießen, (0641) 702 5025 156. Klein, Dr. Eckart, Universitätsprofessor, Ebersheim Weg 35, 55131 Mainz, (06131) 536 70 Universität Potsdam juristische Fakultät, Lehrstuhl für Staatsrecht, Völkerrecht und Europarecht, Postfach 90 03 27,14439 Potsdam, (0331) 97735-16, -11, Fax (0331) 4821 71 157. Klein, Dr. Hans Hugo, o. Professor, Bundesverfassungsrichter, Heilbrunnstr. 4, 76327 Pfinztal, (07240) 73 00; Universität Göttingen, (0551) 394635
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
158. Kloepfer, Dr. Michael, o. Professor, Davoser Str. 13 a, 14199 Berlin, (030) 8252490, Fax (030) 8252690; Humboldt-Universität Berlin, (030) 2843-1927 od. 1928, Fax (030) 28431938 159. Knemeyer, Dr. Franz-Ludwig, o. Professor, Unterdürrbacher Str. 353, 97080 Würzburg, (0931) 961 18; Universität, (0931) 3128 99, Fax (0931) 3123 17 160. Knies, Dr. Wolfgang, o. Professor, Am Botanischen Garten 5, 66123 Saarbrücken, (06 81) 3998 88; Universität, (06 81) 3 02 3158 161. Knöpfte, Dr. Franz, o. Professor, Höhenweg 22, 86391 Leitershofen; Universität Augsburg, (0821) 59 8352 162. Koch, Dr. Hans-Joachim, Professor, Wendlohstr. 80, 22459 Hamburg, (040) 5 51 88 04, Fax (040) 55188 04; Universität Hamburg, Fachbereich Rechtswissenschaft II, Forschungsstelle Umweltrecht, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg, (040) 4123-39 77 od. 5443, Fax (040) 4123 62 80 163. Koenig, Dr. Christian, LL.M., Universitätsprofessor, Wettergasse 8, 35037 Marburg; Joh.-Gutenberg-Universität Mainz, 55099 Mainz, (0 61 31) 39-34 53, Fax (0 6131) 39-30 90 164. Kokott, Dr. Dr. Juliane, Universitätsprofessor, LL.M. (Am.Un.), S.J.D. (Harvard), Häusserstr.21, 69115 Heidelberg (06221) 167867; Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf, Hausadresse: Studienhaus, Fürstenwall 5, (0211) 3 90 90 35/3 90 90 36, Fax (0211) 3 90 90 37 165. König, Dr. Dr. Klaus, Professor, Weinstr. 53, 67434 Neustadt a.d. W., (06321) 4803 54; Hochschule Speyer, (06232) 65 43 69 166. Kopp, Dr. Ferdinand O., o. Professor, Innstr. 40, 94032 Passau; Universität, (08 51) 50 9193
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167. Korìnek, Dr. Karl, o. Professor, Auhofstr. 225, A-1130 Wien, (0043-1) 8 764776; Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien, (0043-1) 40103-3145, Fax (0043-1) 5 33 7693 168. Krause, Dr. Peter, o. Professor, Weinbergstr. 12, 54317 Korlingen, (065 88) 7333; Universität Trier, (06 51) 2 0125 87, Fax (06 51) 2 0138 03 169. Krawietz, Dr. Werner, o. Professor, Nienbergweg 29, 48161 Münster, (02 51) 861451; Universität, (0251) 832591 170. Krebs, Dr. Walter, Professor, Papenbusch 56, 48159 Münster, (0251) 21 51 85; Fachbereich Rechtswissenschaft, Freie Universität Berlin, Boltzmannstr.4, 14195 Berlin-Dahlem, (030) 838 5921, Fax (030) 8 38 5922 171. Kreßel, Dr. Eckhard, Professor, Spiegelstr. 1, 97070 Würzburg; Universität, (0931) 313 05 172. Kriele, Dr. Martin, o. Professor, Richard-Wagner-Str. 10, 51375 Leverkusen, (0214) 51564; Universität Köln, (0221) 4 702230 173. Kröger, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Hölderlinweg 14, 35396 Gießen, (0641) 52240; Universität, (0641) 702-5211 od. 5205, Fax (0641) 7025212 174. Krüger, Dr. Hartmut, Professor, Sielsdorfer Str. 10, 50935 Köln, (0221) 434927; Universität, (02 21 ) 4 70 45 00 175. Kücbenboff, Dr. Erich, Professor, Dachsleite 65, 48157 Münster, (0251) 2472 71; Universität, (0251) 832706/05 176. Kühne, Dr. Jörg-Detlef, Professor, Münchhausenstr. 2, 30625 Hannover, (0511) 55 6563; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 762-8225 oder 8226
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
177. Kunig, Dr. Philip, Professor, Institut für Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht, Thielallee 52, 14195 Berlin, (030) 8383010, Fax (030) 8383011 178. Lange, Dr. Klaus, Universitätsprofessor, Lilienweg 22, 35423 Lieh, (06404) 5681; Universität Gießen, (0641) 702 5019 179. Laubinger, Dr. Hans-Werner, M. C. L., Professor, Philipp-Wasserburg-Str. 45, 55122 Mainz, (061 31) 43191; Universität Mainz, Weiderweg 9, 55099 Mainz, (06131) 395942 180. Laurer, DDr. Hans René, a. o. Universitätsprofessor, Scheffergasse 27 a, A-2340 Mödling, (0043-2636) 20402; Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstr. 39-45, A-1090 Wien, (0043-1) 31336/4669 181. Lecheler, Dr. Helmut, o. Professor, Freie Universität Berlin, Riemeisterstr.21, 14169 Berlin, (0 30) 80 99 9122, Fax (0 30) 80 99 9126 182. Lehner, Dr. Moris, Universitätsprofessor, Blütenstr. 17, 80799 München, (0 89) 2 72 21 33; Freie Universität Berlin, (030) 83 821656 183. Leisner, Dr. Walter, o. Professor, Pienzenauerstr. 99, 81925 München, (089) 98 9405; Universität Erlangen, (09131) 852260 184. Lerche, Dr. Peter, o. Professor, Junkersstr. 13, 82131 Gauting b. München, (089) 8502088; Universität München, (0 89) 21 80 33 35 185. Link, Dr. Heinz-Christoph, o. Professor, Staffelweg 4, 91054 Erlangen, (091 31) 2093 35; Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht, Hindenburgstr. 34, 91035 Erlangen, (09131) 852242 186. Lipphardt, Dr. Hanns-Rudolf, api. Professor, Auf der Weide 7, 69126 Heidelberg, (06221) 3823 12; dienstl., (06221)410321 187. Listi, Dr. Joseph, o. Professor, Universitätsstr. 10, 86135 Augsburg, (0821) 598-2720 od. 2730 188. Löwer, Dr. Wolfgang, Professor, Hobsweg 15, 53125 Bonn, (0228) 21 82 73
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189. Lorenz, Dr. Dieter, o. Professor, Bohlstr. 21, 78465 Konstanz, (07533) 6822; Universität, (07531) 882530 190. Losch, Dr. Dr. Bernhard, Professor, Dürerstr. 9, 42119 Wuppertal, (0202) 43 0260; Bergische Universität - Gesamthochschule Wuppertal - FB 1, Gesellschaftswissenschaften, Gauss-Str. 20, 42097 Wuppertal, (0202) 43922 85/2281, Fax (0202) 4392927 191. Loschelder, Dr. Wolfgang, Professor, Schlüterstr. 3, 14471 Potsdam, (0331) 973680; Universität (03 31) 9 77-3412 192. Luchterhandt, Dr. Otto, Professor, Eißendorfer Str. 98, 21073 Hamburg (Harburg); Universität Hamburg, Moorweidenstr. 7, 20148 Hamburg 193. Lübbe-Wolff, Dr. Gertrude, Professorin, Kollwitzstr. 55, 33613 Bielefeld, (0521) 106440; Fakultät f. Rechtswissenschaft d. Universität Bielefeld, 33615 Bielefeld, (0521) 882659 194. Lücke, Dr. Jörg, Universitätsprofessor, Körnerstr. 5 a, 53173 Bonn, (0228) 356110; Universität Mainz, Jakob-Welder-Weg 9, 55099 Mainz, (06131) 3933 75, Fax (06131) 39-3529 195. Magiera, Dr. Siegfried, o. Professor, Feuerbachstr. 1, 67354 Römerberg, (06232) 84898; Hochschule Speyer, (06232) 654348, Fax (06232) 654208 196. Majer, Dr. Diemut, Professorin, Privatdozentin an der Universität Bern, Welfenstr. 30, 76137 Karlsruhe, (0721) 81 6550 od. (07841) 4112; Fachhochschule des Bundes für öff. Verw. — Fachbereich Bundeswehrverw. — Seckenheimer Landstr. 8-10, 68163 Mannheim, (0621) 41 80 91 197. v. Mangoldt, Dr. Hans, Professor, Goetheweg 1, 72147 Nehren, (07473) 7908; Universität Tübingen, (07071) 293302 198. Manssen, Dr. Gerrit, Professor, Steinstr. 5, 17489 Greifswald, (038 34) 5013 84; Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 17487 Greifswald, (03834) 63360
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199. Manti, Dr. Wolfgang, o. Universitätsprofessor, Wiener Str. 256/XI/33m, A-8051 Graz, (0043-3 16) 68 1306; Universität, (00 43-3 16) 3 80 33 70 200. Marko, Dr. Joseph, Universitätsdozent, Kasernstr. 35, A-8010 Graz, (0043-316) 462238; Universität Graz, Elisabethstr. 27, A-8010 Graz, (00 43-3 16) 3 80-0, Fax (00 43-316) 38 40 93 201. Marti, Dr. Hans, a. o. Professor, Waldriedstr. 29, CH-3074 Bern, (0041-31) 521266; dienstl., (0041-31)221683 202. Maurer, Dr. Hartmut, o. Professor, Säntisblick 10, 78465 Konstanz, (07533) 13 12; Universität, (07531) 883657, Fax (07531) 882369 203. Mayer-Tasch, Dr. Peter Cornelius, Professor, Am Seeberg 11, 86938 Schondorf, (081 92) 8668; Universität München, (089) 21 80-3020 od. 3021, Fax (089) 2180 3022 204. Meessen, Dr. Karl Matthias, Professor, Zobelstr. 18, 86153 Augsburg, (0821) 55 5989; Universität, (0821) 598-479 od. 255 205. Meissner, Dr. Boris, o. Professor, Kleine Budengasse 1, 50667 Köln, (0221) 23 9754 206. Melichar, Dr. Dr. h. c. Erwin, o. Universitätsprofessor, Schulerstr. 20, A-1010 Wien, (0043-1) 5 13 12 70 207. Meng, Dr. Werner, Professor, Mariahilfstr. 13, 81541 München; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Advokatenweg 37, 06099 Halle a.d. Saale, (0345) 5011 92, Fax (0345) 501194 208. Menger, Dr. Christian-Friedrich, o. Professor, Piusallee 109, 48147 Münster, (0251) 23033 15; Universität, (02 51) 832741 209. Merli, Dr. Franz, Universitätsdozent, Universität Graz, Elisabethstr. 27, A-8010 Graz, (0043-3 16) 3 80-0, Fax (0043-3 16) 384093 210. Merten, Dr. Dr. Detlef, o. Professor, Von-Dalberg-Str. 8, 67487 St. Martin, (06323) 18 75; Hochschule Speyer, (06232) 654349
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
377
211. Meyer, Dr. Dr. h. c. Hans, Professor, Georg-Speyer-Str. 28, 60487 Frankfurt a.M., (069) 775794; Johann Wolfgang Goethe-Universität, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt a.M., Postfach 11 1931, 60054 Frankfurt a.M., (0 69) 7 98 38 63, Fax (0 69) 7 98 38 64 212. Meyn, Dr. Karl-Ulrich, Professor, Leyer Str. 36, 49076 Osnabrück, (0541) 1264 82; Universität Jena, Fürstengraben 1, 07743 Jena, (03641) 6322 50, Fax (03641) 632199 213. Mößle, Dr. Dr. Wilhelm, o. Professor, Gontardstr. 1, 95445 Bayreuth; Universität, 95440 Bayreuth, (0921) 5528 66 214. Mössner, Dr. Jörg Manfred, Professor, Uhlandstr. 53, 49134 Wallenhorst, (0 54 07) 5 92 96, Fax (05407) 4509; Universität Osnabrück, Martinistr. 10, 49069 Osnabrück, (0541) 9696116, Fax (0541) 96961 67 215. Morlok, Dr. Martin, Professor, Poßbergweg 51, 40629 Düsseldorf, (0211) 286868; Friedrich-Schiller-Universität Jena, Fürstengraben 1, 07740 Jena, (03641) 632851, Fax (03641) 632566 216. Morscher, Dr. Siegbert, o. Universitätsprofessor, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes, Tschiggfreystr. 11 a, A-6020 Innsbruck, (0043-512) 286210; Universität, (0043-512) 507-82 10, -8211, Fax (0043-512) 507-2828 217. Mosler, Dr. Dr. h. c. Hermann, Professor, Mühltalstr. 117a, 69121 Heidelberg, (06221) 48 0082 218. Müller, Dr. Georg, o. Professor, Sugenreben 356, CH-5015 Untererlinsbach, (0041-64) 3438 73; Universität Zürich, (0041-1) 2573003/4 219. Müller, Dr. Jörg Paul, o. Professor, Kappelenring 42 a, CH-3032 Hinterkappelen, (0041-31) 90105 70; Universität Bern, (0041-31) 65 8894/9 220. Müller-Volbehr, Dr. Jörg, Universitätsprofessor, Universität Marburg, Universitätsstr. 6, 35037 Marburg, (06421) 28 3810
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
221. Münch, Dr. Fritz, api. Professor, Jaspersstr. 2, 69126 Heidelberg, (06221) 38 83 87; Max-Planck-Institut, (06221) 48 21 222. v. Münch, Dr. Ingo, Professor, Hochrad 9, 22605 Hamburg, (040) 829624; Universität, (040) 41234601 223. Murswiek, Dr. Dietrich, Universitätsprofessor, Lindenaustr. 17, 79199 Kirchzarten, (07661) 99237; Universität Freiburg, (0761) 203-2237 od. 2241, Fax (0761)203-2240 224. Mußgnug, Dr. Reinhard, o. Professor, Keplerstr. 40, 69120 Heidelberg, (06221) 4 6222; Universität, (06221) 54 7466 225. v. Mutins, Dr. Albert, o. Professor, Hof Altwasser, 24811 Brekendorf, (043 53) 515; Universität Kiel, (0431) 8 803536 226. Neumann, Dr. Volker, Professor, Werderstr. 17, 69120 Heidelberg, (06221) 473530; Humboldt-Universität Berlin, (030) 20932971, Fax (0 30) 20 93 27 60 227. Nicolaysen, Dr. Gert, Professor, Bockhorst 68 a, 22589 Hamburg, (040) 8 701747; Universität, (040) 41234568, Fax (040) 41236252 228. Nierhaus, Dr. Michael, Professor, Am Moosberg 1 c, 50997 Köln, (2236) 63629; Lehrstuhl, Universität Potsdam, (0331) 977-32 84 od. 3519, Fax (0331) 97735 35, Kommunalwissenschaftliches Institut der Universität Potsdam, (0331) 97732 52 od. 3215 229. Novak, Dr. Richard, o. Professor, Thadd.-Stammel-Str. 8, A-8020 Graz, (0043-3 16) 535 16; Universität, (0043-3 16) 3 8033 71 230. Oberndorfer, Dr. Peter, o. Professor, Wolfauerstr. 94, A-4045 Linz, (0043-70) 349694 231. Oebbecke, Dr. Janbernd, Professor, Kronacher Weg 36, 40627 Düsseldorf, (0211) 2748 34; Heinrich-Heine-Universität, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf, (0211) 3 90 90-20
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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232. Ö h linger, Dr. Theo, o. Universitätsprofessor, Tolstojgasse 5/6, A-1130 Wien, (0043-1) 8 77 1260; Universität, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien, (0043-1) 401033136 233. Oldiges, Dr. Martin, Universitätsprofessor, Schillerstr. 5, 04109 Leipzig; Juristenfakultät, Universität Leipzig, Otto-Schill-Str. 2, Postfach 920, 04009 Leipzig, (0341) 973 5131, Fax (0341) 93 51 39 234. v. Olshausen, Dr. Henning, o. Professor, Johann-Fesser-Str. 10, 67227 Frankenthal, (06233) 20504; Universität Mannheim, (0621) 2 92-55 97 od. 5631 235. Oppermann, Dr. Dr. h. c. Thomas, o. Professor, Burgholzweg 122, 72070 Tübingen, (07071) 49533, Fax (07071) 44702; Universität, (0 70 71) 29 25 60, Fax (0 70 71) 29 43 58 236. Ossenbühl, Dr. Fritz, Professor, Im Wingert 12, 53340 Meckenheim, (02225) 1 7482; Universität Bonn, (0228) 7355 72/3 237. Osterloh, Dr. Lerke, Universitätsprofessorin, Esperantos«·. 28, 60598 Frankfurt a.M., (069) 6311638; Universität, (0 69) 7 98-2 271112 8611, Fax (0 69) 79 82 25 62 238. Papier, Dr. Hans-Jürgen, o. Professor, Neusiedler Weg 14, 32130 Enger, (05224) 5202; Universität München, (0 89) 21 80-62 94 od. 62 95, Fax (089) 341440 239. Partsch, Dr. Karl Josef, o. Professor, Frankens«·. 10, 55218 Ingelheim, (06132) 2264; Universität Bonn 240. Pauly, Dr. Walter, Professor, Herweghstr. 1, 06114 Halle; Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06099 Halle (0345) 832462, Fax (0345) 295 15 241. Pechstein, Dr. Matthias, Privatdozent, Lindenallee 40, 14050 Berlin, (030) 3 019417 242. Peine, Dr. Franz-Joseph, Professor, Kurpromenade 71 b, 14089 Berlin, (0 30) 3 65 6193; Freie Universität Berlin, Boltzmannstr. 3, 14195 Berlin, (030) 838-4740 od. 3962
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243. Pernice, Dr. Ingolf, Universitätsprofessor, Forsthausstr. 6, 61479 Glashütten, (061 74) 61613 od. 964229; Universität Frankfurt a. M., (0 69) 7 98 23 82, Fax (0 69) 7 98 83 83 244. Pernthaler, Dr. Peter, o. Universitätsprofessor, Philippine-Welser-Str. 27, A-6020 Innsbruck, (0043-512) 4182 84; Universität Innsbruck, Innrain 80, A-6020 Innsbruck, (0043-512) 5072670 245. Graf v. Pestalozza, Dr. Christian, o. Professor, Freie Universität Berlin, Thielallee 52, 14195 Berlin, (030) 8 38 3014 246. Petersmann, Dr. Ernst-Ulrich, o. Professor, Hochschule St. Gallen, Bodanstr. 4, CH-9000 St. Gallen, (0041-71) 302440, Fax (0041-71) 302441 247. Pieroth, Dr. Bodo, Professor, Zumsandestr. 31, 48145 Münster, (0251) 3941 59; Universität Münster, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wilmergasse 28, 48143 Münster, (0251) 832704, Fax (0251) 832707 248. Pietzcker, Dr. Jost, Professor, Hausdorffstr. 95, 53129 Bonn, (0228) 23 3954; Universität, (02 28) 73 91 77 249. Pirson, Dr. Dr. Dietrich, o. Professor, Brunnenanger 15, 82418 Seehausen bei Murnau, (0 88 41) 4 78 68; Universität München, (089) 21 802715 250. Pitschas, Dr. Rainer, o. Universitätsprofessor, Marktstr. 35, 76829 Landau, (06341) 8 8829; Hochschule Speyer, (062 32) 654208, Fax (06232) 6542 08 251. Potacs, DDr. Michael, Universitätsdozent, Bauernfeldgasse 9/2/3, A-1190 Wien; Wirtschaftsuniversität Wien, Althanstr. 39-45, A-1090 Wien, (0043-1) 313 36-4667 252. Püttner, Dr. Günter, o. Professor, Mörikestr. 21, 72076 Tübingen; Universität, (0 70 71) 29-52 62 od. 52 63, Fax (0 70 71) 294905 253. Quaritsch, Dr. Helmut, o. Professor, Otterstadter Weg 139, 67346 Speyer, (06232) 32637; Hochschule, (06232) 6543 34, Fax (06232) 654208
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254. Rack, Dr. Reinhard, a. o. Universitätsprofessor, Obere Teichstr. 19, A-8010 Graz, (0043-3 16) 43 8842; Universität, (0043-3 16) 3 8033 73 255. Randelzbofer, Dr. Albrecht, o. Professor, Freie Universität Berlin, Ehrenbergstr. 17, 14195 Berlin 256. Raschauer, Dr. Bernhard, o. Universitätsprofessor, Pfeilgasse 7/2/6, A-1080 Wien, (0043-1) 4083353; Universität, Schottenbastei 10-16, A-l010 Wien, (0043-1) 40103 3144, Fax (0043-1) 535 5202 257. Rasenack, Dr. Christian A. L., LL.M., Professor, TU Berlin, Institut für Rechtswissenschaft, Sekr. H 81, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, (0 30) 31 42 58 74/75, Fax (030) 7452543 258. Rauschning, Dr. Dietrich, o. Professor, Rodetal 1, 37120 Bovenden, (05594) 331; Universität Göttingen, (0551) 394751 259. Rengeling, Dr. Hans-Werner, o. Professor, Langeworth 143, 48159 Münster; Universität Osnabrück, Institut für Europarecht, Martinistr. 8, 49069 Osnabrück, (0541) 969-4505 od. 4504, Fax (0541) 9694509 260. Ress, Dr. iur. Dr. rer. pol. Dr. h. c. mult. Georg, Universitätsprofessor, Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission Straßburg, Am Botanischen Garten 6, 66123 Saarbrücken, (0681) 30230 55; Universität, (0681) 3022503 261. Rhinow, Dr. René Α., o. Professor, Jurastr. 48, CH-4411 Seltisberg, (0041-61) 9119935, Fax (0041-61) 9118288; Universität Basel, (0041-61) 26725 67, Fax (0041-61) 2672568 262. Riedel, Dr. Eibe H., Universitätsprofessor, Haagwiesenweg 19, 67434 Neustadt/Weinstraße, (06321) 8 4819; Universität Mannheim, (0621) 292-5607 od. 5631 od. 3369, Fax (0621) 2925704 263. Rill, Dr. Heinz Peter, o. Universitätsprofessor, Peter-Jordan-Str. 145, A-1180 Wien, (0043-1) 4 75 7615; Wirtschaftsuniversität, (0043-1) 31336-4666 od. 4665
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264. Robbers, Dr. Gerhard, Universitätsprofessor, Dagobertstr. 17, 54292 Trier, (0651) 5 3710; Universität Trier, 54286 Trier, (0651) 2012542, Fax (0651) 2013905 265. Roellecke, Dr. Gerd, o. Professor, Kreuzackerstr. 8, 76228 Karlsruhe, (0721) 491739; Universität Mannheim, (0621) 29251 86 266. Ronellenfitsch, Dr. Michael, o. Professor, Augusta-Anlage 15, 68165 Mannheim, (0621) 412334; Universität Tübingen, (07071) 2921 09, Fax (0 70 71) 294905 267. Ruch, Dr. Alexander, o. Professor, Gartenstr. 85, CH-4052 Basel, (0041-61) 2 72 3622; ΕΤΗ Zürich, Rämistr. 101, CH-8092 Zürich, (00 41-1) 2 56 40 06 268. Rudolf, Dr. Walter, o. Professor, Rubensallee 55a, 55127 Mainz, (06131) 71942, Fax (06131) 78188; Universität Mainz, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 55099 Mainz, (06131) 392412, Fax (06131) 395439 269. Rüfner, Dr. Wolfgang, Professor, Hagebuttenstr. 26, 53340 Meckenheim, (02225) 71 07; Universität Köln, (0221) 4 702679 od. 4 703777 270. Ruland, Dr. Franz, Professor, Im Langenfeld 17 a, 61350 Bad Homburg, (061 72) 3 11 09; Universität Frankfurt a.M.; dienstl., (069) 1 522200 271. Rupp, Dr. Hans Heinrich, o. Professor, Am Marienpfad 29, 55128 Mainz, (061 31) 3 45 88 272. Sachs, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Dattenfelder Str. 7, 51109 Köln, (0221) 844657, Fax (0221) 850670; Universität Düsseldorf, Gebäude 23.32, Raum 01.21, Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf, (0211) 3 11 5351 273. Saladin, Dr. Dr. h. c. Peter, o. Professor, Forrerstr. 26, CH-3006 Bern, (0041-31) 3528006; Universität Bern, (0041-31) 631 88 94, Fax (0041-31) 63138 83 274. Salzwedel, Dr. Jürgen, o. Professor, Siebengebirgsstr. 86, 53229 Bonn, (0228) 481710; Universität, (0228) 7355 80
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275. Sattler, Dr. Andreas, Professor, Ludwig-Beck-Str. 17, 37075 Göttingen, (0551) 22340; Universität, (0551) 3973 77 od. 3973 93 276. Schachtschneider, Dr. Karl Albrecht, o. Professor, Hubertusstraße 6, 90491 Nürnberg, (0911) 599436; Universität Erlangen-Nürnberg, (0911) 5302329 277. Schäffer, Dr. Heinz, o. Universitätsprofessor, Große Neugasse 6/14, A-1040 Wien, (0043-1) 5 76 96 73; Universität Salzburg, Kapitelgasse 5-7, A-5020 Salzburg, (0043-662) 8044 3631, Fax (0043-662) 8 044303 278. Schambeck, Dr. Herbert, o. Universitätsprofessor, Hofzeile 21, A-1190 Wien, (0043-1) 363494; Universität Linz, (0043-732) 2468/424 279. Schenke, Dr. Wolf-Rüdiger, o. Professor, Beim Hochwald 30, 68305 Mannheim, (0621) 744200; Universität, (0621) 29252 14 280. Scherer, Dr. Joachim, LL.M., Privatdozent, Privatweg 9, 64342 Seeheim-Jugenheim, (06257) 23 14; Universität Frankfurt a.M., (069) 299080 281. Scheuing, Dr. Dieter H., o. Professor, Finkenstr. 17, 97204 Höchberg b. Würzburg, (0931) 4 8331, Fax (0931) 4081 98; Universität Würzburg, (0931) 312324, Fax (0931) 3123 17 282. Schick, Dr. Walter, o. Professor, Strindbergstr. 27, 90482 Nürnberg, (0911) 501422; Universität, (0911) 53 02-4 96 od. 3 53 283. Schiedermair, Dr. Hartmut, o. Professor, Universität Köln, Gottfried-Keller-Str. 2, 50931 Köln, (0221) 4 702364 284. Schilling, Dr. Theodor, Privatdozent, 8, Harris Street, Cambridge, MA 02140 USA, 001-617-8643493; c/o Fletcher School of Law and Diplomacy, Tufts University, Medford, MA 02155 USA, Fax 001-617-6285508 285. Schindler, Dr. Dr. h. c. Dietrich, Professor, Lenzenwiesstr. 8, CH-8702 Zollikon, (0041-1) 391 71 18 od. 3 91 41 40, Fax (0041-1) 3 91 71 18; Universität Zürich
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286. Schiaich, Dr. Klaus, o. Professor, Wolkenburgstr. 2, 53757 St. Augustin, (02241) 33 7509; Universität Bonn, (0228) 7391 25 287. Schlink, Dr. Bernhard, Professor, Endenicher Allee 16, 53115 Bonn, (0228) 652358; Humboldt-Universität Berlin, (030) 2843 1905 288. Schmid, Dr. Gerhard, Professor, Hochwaldstr. 24, CH-4059 Basel, (0041-61) 3 31 8425; dienstl., (0041-61) 3247830 289. Schmidt, Dr. Reiner, o. Professor, Bachwiesenstr. 4, 86459 Gesseltshausen, (08238) 41 11; Universität Augsburg, (0821) 598443 290. Schmidt, Dr. Walter, Universitätsprofessor, Brüder-Knauß-Str. 86, 64285 Darmstadt, (061 51) 64710; Universität Frankfurt a.M., (069) 79821 89 291. Schmidt-Aßmann, Dr. Eberhard, o. Professor, Höhenstr. 30, 69118 Heidelberg, (06221) 800803; Universität, (06221) 54 7428 292. Schmidt-Jortzig, Dr. Edzard, o. Professor, Graf-Spee-Str. 18 a, 24105 Kiel, (0431) 8 7064 Fax (04 31) 8034 71; Universität, (0431) 8 803545 293. Schmidt-Preuß, Dr. Matthias, Professor, Am Römerlager 23, 53117 Bonn, (0228) 678091; Universität Erlangen, Schillerstr. 1, 91054 Erlangen, (0 9131) 85 47 81, Fax (0 91 31) 85 64 39 294. Schmitt Glaeser, Dr. Dr. h. c. Walter, o. Professor, Rübezahlweg 9 a, 95447 Bayreuth, (0921) 32070; Universität, 95447 Bayreuth, (0921) 552942, Fax (0921) 552996 295. Schmitt-Kammler, Dr. Arnulf, Professor, Renthof 33, 35037 Marburg, (06421) 64902; Universität Köln, (0221) 470-3544 od. 3500 296. Schnapp, Dr. Friedrich E., o. Professor, Efeuweg 22, 44869 Bochum, (02327) 74213; Universität, (0234) 7002239 297. Schneider, Dr. Hans, o. Professor, Ludolf-Krehl-Str. 44, 69120 Heidelberg, (06221) 4803 81; Universität, (06221) 54 7446
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
298. Schneider, Dr. Dr. h. c. Hans-Peter, o. Professor, Echternfeld 16, 30657 Hannover, (05 11) 6508 58; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 762-81 85 oder 81 86 299. Schneider, Dr., Litt. D. h. c. Peter, o. Professor, Goldenluftgasse 4, 55116 Mainz, (06131) 223273 300. Schnur, Dr. Dr. h. c. Roman, o. Professor, Lindenstr. 49, 72108 Rottenburg, (074 72) 22224; Universität Tübingen 301. Schoch, Dr. Friedrich, o. Professor, Kastelbergstr. 19, 79189 Bad Krozingen, (07633) 34 85; Universität Freiburg i.Br., (0761) 203-2257 od. 2258 302. Scholler, Dr. Heinrich, Professor, Zwengauerweg 5, 81479 München, (089) 796424; Universität, (089) 21 802724 303. Scholz, Dr. Rupert, o. Professor, Koenigsallee 71 a, 14193 Berlin; Universität München, (0 89) 21 8021 13 304. Schröder, Dr. Meinhard, o. Professor, Zum Wingert 2, 54318 Mertesdorf, (0651) 5 78 87; Universität Trier, (0651) 201 25 86 305. Schulte, Dr. Martin, Professor, Ricarda-Huch-Str. 37, 01219 Dresden, (0351) 4722550; Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden, 01069 Dresden, Hausadresse: von-Gerber-Bau, Bergstr. 53, 01069 Dresden, (0351) 463-7362, Fax (03 51) 463-7207 306. Schulze-Fielitz, Dr. Helmuth, Professor, Drosselbarts». 8, 81739 München, (0 89) 6010469; Universität Würzburg, Domerschulstr. 16, 97070 Würzburg, (0931) 312331/2, Fax (0931) 3123 17 307. Schuppert, Dr. Gunnar Folke, Professor, Brüsseler Str. 9, 13353 Berlin, (030) 45458 96; Humboldt-Universität Berlin, (030) 2843 1702, Fax (030) 28431971 308. Schwabe, Dr. Jürgen, Professor, Erlenweg 1, 21614 Buxtehude, (04161) 8 7141; Universität Hamburg, (0 40) 4123 44 54
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
309. Schwarze, Dr. Jürgen, Professor, Universität Freiburg, Institut für Öffentliches Recht, 79085 Freiburg i. Br„ (0761) 203-2238 od. 2251, Fax (0761) 2032234 310. Schwarzer, Mag. Dr. Stephan, Universitätsdozent, Rodlergasse 7/10, A-1190 Wien, (0043-1) 3 691746; Bundeswirtschaftskammer, (0043-1) 501054195 311. Schweitzer, Dr. Michael, Professor, Göttweiger Str. 135, 94032 Passau, (0851) 34533; Universität, (0851) 509-3 13 od. 3 11 312. Schweizer, Dr. Rainer J., o.Professor, Webergasse 8, CH-9000 St. Gallen, (0041-71) 235624; Hochschule St. Gallen, Tigerbergstr.21, CH-9000 St. Gallen, (0041-71) 22 34 30, Fax (0041-71) 23 4537 313. Schwerdtfeger, Dr. Gunther, Universitätsprofessor, Hülsebrinkstr. 23, 30974 Wennigsen, (051 03) 13 11; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 762-8280 314. Seewald, Dr. Otfried, o. Professor, Peter-Griesbacher-Weg 11, 94032 Passau, (08 51) 3 51 45, Fax (08 51) 3 5145; Universität, (08 51) 5 09-158 od. 159, Fax (08 51) 50 95 09 315. Seidl-Hohenveldern, Dr. Dr. h. c. Ignaz, o. Professor, Schwertgasse 4, A-1010 Wien I, (0043-1) 533 1560, Fax (0043-1) 53315 60 316. Selmer, Dr. Peter, Professor, Akazienweg 9, 22587 Hamburg, (040) 864743; Universität, (040) 4123 45 76 317. Siedentopf, Dr. Dr. h. c. Heinrich, o. Professor, Hauptstr. 170, 76829 Landau, (06341) 60757; Hochschule Speyer, (06232) 654212 318. Siekmann, Dr. Helmut, Professor, Hustadtring 143, 44801 Bochum; Universität, (0234) 7005252 319. v. Simson, Dr. Werner, o. Professor, Luisenstr. 3, 79098 Freiburg i. Br., (0761) 358 63
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320. Skouns, Dr. Wassilios, Professor, Nikolaou Manou 18, GR-54643 Thessaloniki, (00 30-31) 83 14 44; Universität, (0030-31) 4734 03, Fax (0030-31) 4341 00 321. Söhn, Dr. Hartmut, o. Professor, Eppanerstr. 9, 94036 Passau, (0851) 5 8520; Universität Passau, (08 51) 5091 92 322. Spannowsky, Dr. habil. Willy, Privatdozent, (am Wochenende) Falkenweg 18, 72555 Metzingen, (0 7123) 148 49; (von Montag bis Freitag) Brucknerstr. 5, 69256 Mauer, (06226) 23 67; Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtswissenschaftliche Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6-10, 69117 Heidelberg, (06221) 54 7717 323. S t a f f , Dr. Ilse, Universitätsprofessorin, Am Forum 4, 65779 Kelkheim, (06195) 33 08; Universität Frankfurt a.M., (069) 798 2991 324. Starck, Dr. Christian, o. Professor, Schlegelweg 10, 37075 Göttingen, (0551) 5 5454; Universität Göttingen, Juristisches Seminar, Platz der Göttinger Sieben 6, 37073 Göttingen, (0551) 39 7-412 od. 413 325. Steiger, Dr. Heinhard, Universitätsprofessor, Oberhof 16, 35440 Linden, (0641) 2 32 52; Universität Gießen, (0641) 702 50 30 326. Stein, Dr. Ekkehart, Professor, Christoph-Daniel-Schenck-Str. 20, 78464 Konstanz, (075 31) 318 40; Universität, (07531) 8823 29 327. Stein, Dr. Torsten, Universitätsprofessor, Ludolf-Krehl-Str. 1 b, 69120 Heidelberg, (0 6221) 48 04 38; Europa-Institut, Universität Saarbrücken, 66041 Saarbrücken, (06 81), 302-45 67 od. 3695 328. Steinberg, Dr. Rudolf, Universitätsprofessor, Wingertstr. 2 a, 65179 Hofheim/Taunus; Universität Frankfurt, Senckenberganlage 31, 60054 Frankfurt a.M., (069) 7982438 329. Steinberger, Dr. Helmut, o. Professor, Universität Heidelberg, Friedrich-Ebert-Anlage 6-10, 69117 Heidelberg, (06221) 547454 od. 42 8261
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330. Steiner, Dr. Udo, o. Professor, Am Katzenbühl 5, 93055 Regensburg, (09 41) 70 0913; Universität, (0941) 943-2666 od. 2667 331. Stelzer, Dr. Manfred, Universitätsprofessor, Neblingergasse 8-10/11, A-1130 Wien; Universität, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien, (0043-1) 40103 3141, Fax (0043-1) 5355741 332. Stern, Dr. Dr. h. c. mult. Klaus, o. Professor, Am Stockberger Busch 10, 51515 Kürten, (02268) 6167; Universität Köln, (0221) 47022 89 333. Stettner, Dr. Rupert, Professor, Jahnstr. 6, 85221 Dachau, (08131) 13244; Universität Bamberg, 96047 Bamberg, (0951) 863-2631 od. 2633 334. Stober, Dr. Rolf, Professor, Am Blütenhain 33, 48163 Münster, (02536) 1734, Fax (02536) 6838; TU Dresden, Juristische Fakultät, Mommsenstr. 13, 01062 Dresden, (0351) 463 7340, Fax (03 51) 463-7214 335. Stock, Dr. Martin, Professor, Lina-Oetker-Str. 22, 33615 Bielefeld, (0521) 121995; Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach 100131, 33501 Bielefeld, (0521) 10643 89, Fax (0521) 1064431 336. Stolleis, Dr. Michael, Universitätsprofessor, Waldstr. 15, 61476 Kronberg; Universität Frankfurt a.M., (069) 79831 92 337. Stolzlechner, Dr. Harald, o. Universitätsprofessor, Sackengutstr. 5 b, A-5020 Salzburg, (0043-662) 420252; Universität, (0043-662) 8044 3601 338. Streinz, Dr. Rudolf, o. Professor, Waldsteinring 26, 95448 Bayreuth, (0921) 94730; Universität, 95440 Bayreuth, (0921) 553520, Fax (0921) 5528 97 339. Tettinger, Dr. Peter J., o. Professor, Bergstr. 30, 50999 Köln, (02236) 668 56; Universität Bochum, (0234) 7005275 340. Thieme, Dr. Werner, Professor, Am Karpfenteich 58, 22339 Hamburg, (040) 5384992; Universität, (0 40) 4123 45 69
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341. Thürer, Dr. Daniel, o. Professor, Abeggweg 20, CH-8032 Zürich, (0041-1) 3626547; Universität Zürich, Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht, Hirschengraben 40, CH-8001 Zürich, (0041-1) 2 572051, Fax (0041-1) 261 7839 342. Tomuschat, Dr. Christian, Professor, An Tiebes Eiche 3, 53229 Bonn, (0228) 430067; Universität, (0228) 7391 72 343. Trute, Dr. Hans-Heinrich, Universitätsprofessor, Wettinplatz 3, 01896 Pulsnitz, (03 5955) 45301; TU Dresden, Mommsenstr. 13, 01062 Dresden, (0351) 463-73 17 od. 7318, Fax (0351) 463 7208 344. Trzaskalik, Dr. Christoph, Professor, Stockheimer Str. 30, 55128 Mainz, (06131) 369414; Universität, (061 31) 392138 345. Tsatsos, Dr. Dimitris Th., o. Professor, Am Waldesrand 10 e, 58119 Hagen, (02331) 586668; Fernuniversität Hagen, 58097 Hagen, (02331) 8042876 346. Uber, Dr. Giesbert, o. Professor, Roseneck 5, 48165 Münster, (02501) 31 59; Universität, (0251) 832701 347. Umbach, Dr. Dieter C., Professor, Vors. Richter am Landessozialgericht, Steinstr. 23, 76133 Karlsruhe, (0721) 691134, Fax (0721) 373722; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Ernst-Ludwig-Str. 1, 55116 Mainz, (06131) 141551, Fax (06131) 141567 348. v. Unruh, Dr. Georg-Christoph, o. Professor, Steenkamp 2, 24226 Heikendorf, (0431) 23 1459; Universität Kiel, (0431) 8 80-3522 od. 3569 349. Vallender, Dr. Klaus Α., Professor, Unterbach 4, CH-9043 Trogen, (0041-71) 942769; Institut f. Finanzwirtschaft u. Finanzrecht, Varnbüelstr. 19, CH-9000 St. Gallen, (0041-71) 302520 350. Vedder, Dr. Christoph, Professor, Georgenstr. 46, 80799 München, (0 89) 346104; Universität Bielefeld, (0521) 1064412, Fax (0521) 1065844
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
351. Graf Vitzthum, Dr. Wolfgang, o. Professor, Im Rotbad 19, 72076 Tübingen, (07071) 63844, Fax (07071) 638 88; Universität Tübingen, (070 71) 295266, Fax (070 71) 294905 352. Vogel, Dr. Klaus, o. Professor, Ottostr. 36, 82319 Starnberg, (081 51) 88 81; Universität München, (089) 21 802718, Fax (089) 33 3566 353. Waechter, Dr. Kay, Professor, Ceciliengärten 12, 12159 Berlin; Universität Hannover, Fachbereich Rechtswissenschaften, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover, (05 11) 762-8227 354. Wagner, Dr. Heinz, o. Professor, Tietzenweg 54, 12203 Berlin, (030) 83321 67; Freie Universität Berlin, (030) 838 3639 355. Wahl, Dr. Rainer, o. Professor, Hagemattenstr. 6, 79117 Freiburg i.Br., (0761) 65960; Universität, (0761) 203-2252 od. 2253, Fax (0761) 2032144 356. Wallerath, Dr. Maximilian, api. Professor, Gudenauer Weg 86, 53127 Bonn, (0228) 283202; dienstl., (0221) 3710 78 357. Weber, Dr. Albrecht, Professor, Weidenweg 20, 49143 Bissendorf, (05402) 3907; Universität Osnabrück, (0541) 608 61 88 358. Weber, Dr. Karl, o. Universitätsprofessor, Noldinstr. 14, A-6020 Innsbruck, (0043-512) 574537; Universität, Innrain 82, A-6020 Innsbruck, (0043-512) 5072687 359. Weber-Dürler, Dr. Beatrice, o. Professorin, Ackermannstr. 24, CH-8044 Zürich; Universität, Wilfriedstr. 6, CH-8032 Zürich, (0041-1) 2573003 360. Wendt, Dr. Rudolf, o. Professor, Schulstr. 45, 66386 St. Ingbert-Hassel, (06894) 532 87; Universität Saarbrücken, (0681) 3 02-2104 od. 3104 361. Wenger, DDr. Karl, Universitätsprofessor, Meytensgasse 18, A-1130 Wien, (0043-1) 822 7244 362. Wengler, Dres. Dres. h. c. Wilhelm, Professor, Werderstr. 15, 14163 Berlin, (030) 8016535
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
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363. Wieland, Dr. Joachim, LL.M., Universitätsprofessor, Brehmstr. 14, 33609 Bielefeld, (0521) 342 84; Universität, 33501 Bielefeld, (0521) 1064422, Fax (0521) 1065844 364. Wielinger, Dr. Gerhart, Universitätsdozent, Bergmanngasse 22, A-8010 Graz, (0043-3 16) 31 8714; dienstl., (0043-316) 70312428 365. Wildhaber, Dr. Luzius, o. Professor, Auf der Wacht 21, CH-4104 Oberwil, (0041-61) 4012521; Universität Basel 366. Wilke, Dr. Dieter, Präsident des Oberverwaltungsgerichts, Universitätsprofessor a. D., api. Professor (FU Berlin), dienstl., Kirchstr.7, 10557 Berlin, (030) 3979 8926, Fax (030) 397988 08 367. Wimmer, Dr. Norbert, o. Universitätsprofessor, Hörtnaglstr. 16, A-6020 Innsbruck, (0043-512) 830263; Universität, Innrain 80, (0043-5 12) 5072671 368. Winkler, Dr. Günther, Universitätsprofessor, Reisnerstr. 22/5/11, A-1030 Wien, (0043-1) 71344 15; Universität, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien, (0043-1) 40103 3131 369. Wolf, Dr. Joachim, Privatdozent, Adalbert-Stifter-Str. 3, 69221 Dossenheim, (06221) 860636; Max-Planck-Institut Heidelberg, (06221) 4822 78 370. Wolfrum, Dr. Rüdiger, o. Professor, Mühltalstr. 117, 69121 Heidelberg, (06221) 475236; dienstl., (06221) 482-255 od. 256 371. Wollenschläger, Dr. Michael, Professor, An den Forstäckern 15, 97204 Höchberg, (091 31) 491 96; Universität Würzburg, Domerschulstraße 16, (0931) 3123 05, Fax (0931) 312317 372. Würtenberger, Dr. Thomas, o. Professor, Beethovenstr. 9, 79100 Freiburg i.Br., (0761) 78623; Universität, 79085 Freiburg i.Br., (0761) 203-2246 od. 2249 373. Wyduckel, Dr. Dieter, Professor, Technische Universität Dresden, 01062 Dresden, (0351) 4 63-7321, Fax (03 51) 463-7209
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Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
374. Zacher, Dr. Dr. h. c. Hans F., o. Professor, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Starnberger Weg 7, 82343 Pöcking, (0 8157) 13 84; Institut für Politik u. öffentl. Recht, (089) 21 802725 375. Zeh, Dr. Wolfgang, Ministerialdirigent, Professor, Sibyllenstr. 40, 53175 Bonn, (0228) 375652; Deutscher Bundestag, (0228) 1623 00 od. 163044, Fax (0228) 1686803 376. v. Zezschwitz, Dr. Friedrich, Universitätsprofessor, Petersweiher 47, 35394 Gießen, (0641) 4 5152; Universität, (0641) 7025020 377. Zimmer, Dr. Gerhard, Professor, Bamberger Str. 22, 10779 Berlin, (030) 8544656; Universität der Bundeswehr Hamburg, (040) 654121 35 378. Zippelius, Dr. Reinhold, o. Professor, Niendorfstr. 5, 91054 Erlangen, (09131) 5 5726; Universität, (09131) 852820 379. Zitzelsberger, Dr. Heribert, Privatdozent, Willi-Stamer-Str. 9, 82031 Grünwald, (089) 6412785; Bayer AG Leverkusen, (0214) 3 08 1028 380. Zuleeg, Dr. Manfred, Professor, Kaiser-Sigmund-Str. 32, 60320 Frankfurt a.M., (069) 564393; Johann-Wolfgang-Goethe Universität, Postfach 11 1932, 60325 Frankfurt a.M.
Satzung (Nach den Beschlüssen vom 21. Oktober 1949, 19. Oktober 1951 H.Oktober 1954, 10. Oktober 1956, 13. Oktober 1960 5. Oktober 1962, 1. Oktober 1971, 6. Oktober 1976 und 3. Oktober 1979)
§1 Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer stellt sich die Aufgabe: 1. wissenschaftliche und Gesetzgebungsfragen aus dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Aussprache in Versammlungen der Mitglieder zu klären; 2. auf die ausreichende Berücksichtigung des öffentlichen Rechts im Hochschulunterricht und bei staatlichen und akademischen Prüfungen hinzuwirken; 3. in wichtigen Fällen zu Fragen des öffentlichen Rechts durch Eingaben an Regierungen oder Volksvertretungen oder durch öffentliche Kundgebungen Stellung zu nehmen.
§2 Mitglied der Vereinigung kann werden, wer auf dem Gebiet des Staatsrechts und mindestens eines weiteren öffentlich-rechtlichen Fachs a) seine Befähigung zu Forschung und Lehre durch hervorragende wissenschaftliche Leistung nachgewiesen hat* und
* Mit der oben abgedruckten, am 1.10.1971 in Regensburg beschlossenen Fassung des §2 hat die Mitgliederversammlung den folgenden erläuternden Zusatz angenommen: „Eine hervorragende wissenschaftliche Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist eine den bisher üblichen Anforderungen an die Habilitation entsprechende Leistung."
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b) an einer deutschen oder deutschsprachigen Universität** oder der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer als Forscher und Lehrer tätig ist oder gewesen ist. Das Aufnahmeverfahren wird durch schriftlichen Vorschlag von drei Mitgliedern der Vereinigung eingeleitet. Ist der Vorstand einstimmig der Auffassung, daß die Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliedschaft erfüllt sind, so verständigt er in einem Rundschreiben die Mitglieder von seiner Absicht, dem Vorgeschlagenen die Mitgliedschaft anzutragen. Erheben mindestens fünf Mitglieder binnen Monatsfrist gegen die Absicht des Vorstandes Einspruch oder beantragen sie mündliche Erörterung, so beschließt die Mitgliederversammlung über die Aufnahme. Die Mitgliederversammlung beschließt ferner, wenn sich im Vorstand Zweifel erheben, ob die Voraussetzungen der Mitgliedschaft erfüllt sind. Von jeder Neuaufnahme außerhalb einer Mitgliederversammlung sind die Mitglieder zu unterrichten. §3
Eine Mitgliederversammlung soll regelmäßig einmal in jedem Jahre an einem vom Vorstand zu bestimmenden Orte stattfinden. In dringenden Fällen können außerordentliche Versammlungen einberufen werden. Die Tagesordnung wird durch den Vorstand bestimmt. Auf jeder ordentlichen Mitgliederversammlung muß mindestens ein wissenschaftlicher Vortrag mit anschließender Aussprache gehalten werden. §4 Der Vorstand der Vereinigung besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern. Die Vorstandsmitglieder teilen die Geschäfte untereinander nach eigenem Ermessen. Der Vorstand wird am Schluß jeder ordentlichen Mitgliederversammlung neu gewählt. Zur Vorbereitung der Mitgliederversammlung kann sich der Vorstand durch Zu wähl anderer Mitglieder verstärken. Auch ist Selbstergänzung zulässig, wenn ein Mitglied des Vorstandes in der Zeit zwischen zwei Mitgliederversammlungen ausscheidet.
* * In Berlin hat die Mitgliederversammlung am 3.10.1979 die folgende zusätzliche Erläuterung angenommen: „Universität im Sinne dieser Vorschrift ist eine wissenschaftliche Hochschule, die das Habilitationsrecht in den Fächern des öffentlichen Rechts und die Promotionsbefugnis zum Doctor iuris besitzt und an der Juristen durch einen Lehrkörper herkömmlicher Besetzung ausgebildet werden."
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§5 Zur Vorbereitung ihrer Beratungen kann die Mitgliederversammlung, in eiligen Fällen auch der Vorstand, besondere Ausschüsse bestellen. §6 Uber Eingaben in den Fällen des §1 Ziffer 2 und 3 und über öffentliche Kundgebungen kann nach Vorbereitung durch den Vorstand oder einen Ausschuß im Wege schriftlicher Abstimmung der Mitglieder beschlossen werden. Ein solcher Beschluß bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitgliederzahl; die Namen der Zustimmenden müssen unter das Schriftstück gesetzt werden. §7 Der Mitgliedsbeitrag wird von der Mitgliederversammlung festgesetzt. Der Vorstand kann den Beitrag aus Billigkeitsgründen erlassen.