Erasmus und Julius II: Eine Legende [Reprint 2020 ed.] 9783112335000, 9783112334997

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Erasmus und Julius II: Eine Legende [Reprint 2020 ed.]
 9783112335000, 9783112334997

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CARL

STANGE

€ r a ¿ m u s i u n i i f u l t i t ó IL eine %t%tnbt

ALFRED T O P ELMANN / BERLIN W 35 1937

P r i n t e d in G e r m a n y D r u c k von Walter de Gruyter & Co., Berlin W

^ortoort Daß die Frage, ob Erasmus der Verfasser der gegen Julius II. gerichteten Schmähschrift gewesen ist, noch 400 Jahre nach dem Tode des Erasmus keine endgültige Antwort gefunden hat, hat vermutlich darin seinen Grund, daß diese Frage immer nur im Rahmen der Biographie des Erasmus erörtert worden ist. Die einzige Monographie über diesen Gegenstand — die Schrift von Pineau — ändert daran nichts, da auch sie nur beiläufiger Nebenertrag biographischer Untersuchungen ist und im übrigen über die geschickte Zusammenstellung längst bekannter Vermutungen kaum hinausführt. Das Problem des Julius-Dialogs greift aber in doppelter Hinsicht über den Rahmen der ErasmusBiographie hinaus. Zunächst handelt es sich in dieser Schrift um ein politisch-kirchenpolitisches Ereignis, dessen geschichtlichen Ort man nicht schon durch eine Untersuchung über die Charaktereigenschaften des Erasmus feststellen kann. Der in dem Dialog auftauchende geschichtliche Hintergrund bedarf einer eingehenden Untersuchung, — der ErasmusBiograph, der in der Regel durch rein literarische Interessen sich leiten läßt, wird aber schwerlich die Neigung empfinden, sich in diese politisch-kirchenpolitischen Zusammenhänge zu vertiefen. Dazu kommt, daß es sich um eine anonyme Schrift handelt, deren Textgeschichte eine Fülle von Rätseln aufgibt. Die Lösung dieser Rätsel ist nur auf Grund einer eingehenden Vergleichung der verschiedenen Textformen möglich. Hierfür hat Böcking in seiner Ausgabe des Dialogs in den Opera Hutteni wertvolle Vorarbeit geleistet; aber III

leider fehlte ihm in der Reihe der verschiedenen Ausgaben des Dialogs gerade diejenige, die den Zusammenhang der verschiedenen Ausgaben untereinander erkennen läßt und sich damit als der Schlüssel für die Geschichte des Textes erweist. Ein gesichertes Urteil über die Herkunft des Dialogs wird also nur möglich sein, wenn die politisch-kirchenpolitischen Aussagen des Dialogs dem zeitgeschichtlichen Rahmen eingegliedert werden, wie das in den folgenden Ausführungen im 3. und 4. Kapitel geschieht, und außerdem die Texte sämtlicher Ausgaben des Dialogs bis in ihre kleinsten Einzelheiten hinein miteinander verglichen werden, wie wir es im 8. Kapitel ausgeführt haben. In dem Ergebnis dieser Untersuchungen wird ein objektiver Maßstab gewonnen, von dem aus es unmöglich wird, die Aussagen des Erasmus und seiner Freunde — unter Hinweis auf seine Verlogenheit — in ihr Gegenteil zu verkehren, wie es in der modernen ErasmusBiographie ausnahmslos geschieht: 5. Kapitel. Zugleich wird das bisher übliche Verfahren der Stilvergleichung als wertlos erwiesen: wenn sich zwischen dem Dialog und dem Schrifttum des Erasmus einzelne Berührungen im Ausdruck finden, so muß zunächst festgestellt werden, ob es sich dabei nicht um traditionelles Gemeingut des humanistischen Stils handelt: 2. Kapitel, — aber außerdem muß auch entschieden werden, welche der verschiedenen, im Stil voneinander abweichenden Ausgaben des Dialogs der Vergleichung mit den Schriften des Erasmus unterworfen werden soll: Kapitel 7. Indem der Schwerpunkt der Untersuchung auf den geschichtlichen Zusammenhang des Dialogs und auf die Geschichte des Textes verlegt wird, wird schließlich auch ein unbefangenes Urteil über den persönlichen Anteil des Erasmus an den im Dialog zum Ausdruck kommenden Stimmungen und Bestrebungen der Zeit ermöglicht: Kapitel 1. Als ein charakteristisches Beispiel für die Stellungnahme der Zeitgenossen IV

bilden dann die Äußerungen Luthers über den Dialog eine lehrreiche Ergänzung: Kapitel 6. Man kann im Zweifel sein, ob es sich lohnt, eine einzelne Schrift —• noch dazu von so geringem Umfang — immer wieder zum Gegenstand der Untersuchung zu machen, zumal da in der Gegenwart immer wieder betont wird, daß alle Autoritäten auf dem Gebiet der Erasmusforschung Erasmus einstimmig für den Verfasser halten. Aber wenn sich dies einstimmige Urteil der Autoritäten als eine Legende erweist, wie ich dies bereits in meinem »Vorläufigen Bericht« (Ztschr. f. syst. Theol. X I I I , S. 339 ff.) angekündigt habe, so wird nicht bloß aus der — überaus wertvollen — Ausgabe der Briefe des Erasmus von Allen eine ganze Reihe von Anmerkungen und Erläuterungen verschwinden müssen, — es wird sich auch das Bild des Erasmus, das sich in der außerordentlich fruchtbaren biographischen Literatur der letzten Jahrzehnte herausgebildet hat, eine Umwandlung gefallen lassen müssen. Das gilt besonders im Hinblick auf die politischen und kirchenpolitischen Gedanken des Erasmus, die regelmäßig unter dem Eindruck der im Dialog vorgetragenen Auffassung dargestellt werden, obgleich Erasmus einen wesentlich anderen politischen Und kirchenpolitischen Standpunkt vertritt als der Dialog. Aber ebenso gilt es auch von der Schilderung des Charakters des Erasmus. Gewiß war Erasmus kein aufrichtiger Mensch; aber das Maß an Verlogenheit und Gewissenlosigkeit, das ihm diejenigen vorwerfen, die ihn trotz seiner feierlichen Versicherungen für den Verfasser des Dialogs erklären, geht weit hinaus über die Leichtfertigkeit, zu der ihn seine Eitelkeit und seine Ehrsucht geführt haben. Aber auch abgesehen von der Bedeutung, welche das Urteil über den Dialog für die Erasmus-Biographie hat, führt die eingehende Untersuchung seines Inhaltes zu einer Reihe von Erkenntnissen, die für die Geschichte jener Zeit V

wichtig sind. Obgleich es sich um ein Pamphlet handelt, hat die Schrift doch den Wert einer Urkunde. Sie gibt ein getreues Bild der geschichtlichen Lage mit anschaulicher Schilderung der miteinander ringenden Parteien und Personen. Sie ist über die einzelnen Vorgänge fast aktenmäßig unterrichtet. Ursprünglich als ein Kampfmittel des französischen Königs gemeint, bereichert sie unsere Kenntnis der literarischen Bemühungen der französischen Politik. Wiederum aus politischen Rücksichten nicht zu öffentlicher Wirkung kommend, gerät sie durch einen Zufall in den Streit der Humanisten mit den Mönchen hinein und wird infolge der vermeintlichen Verfasserschaft des Erasmus zu einem bis in die Gegenwart hinein unlösbaren Problem. Von den Vorgängen in der europäischen Geschichte, die beiläufig und andeutend berührt werden, hebe ich noch besonders den wunderlichen und rätselhaften Papsttraum des Kaisers Maximilian hervor, dessen Motive und geschichtlichen Voraussetzungen durch eine Wendung des Dialogs in Verbindung mit anderen Nachrichten in ein helleres Licht treten. Für die Vergleichung der verschiedenen Textformen des Dialogs bieten die reichen Bestände der Göttinger Universitätsbibliothek eine außerordentlich günstige Gelegenheit. Es sind zwar nicht alle Ausgaben des Dialogs vorhanden, und besonders die ältesten Ausgaben fehlen ganz. Aber in den 13 Ausgaben, die ich habe feststellen können, sind alle Textformen — wenn auch in Nachdrucken — vorhanden. Es handelt sich dabei um folgende Ausgaben: 1. Fab. Rom. V I , 38: 1525 (Böcking Nr. 7). Die Oratio, die in der Richelschen Ausgabe (s. u. 3) dem Dialog angehängt ist, steht hier vor dem Dialog; vgl. Böcking I V , S. 423. Die Richeliana hat aber diese Oratio nicht aus der Ausgabe von 1525; vgl. die Worte: i a m nunc accessit (u. 3), ist also kein Nachdruck dieser Ausgabe. 2. H. E. Eccl. 102b: 1544 (Böcking Nr. 8): Pasquillorum VI

tomi duo, S. 123—178. Iulius exclusus. DiaJogus, Pasquillo Romano autore. Interlocutores. Iulius II. Genius. Petrus. 3. H. E. Eccl. 5 1 a : Julius II. P. M. Discursus [sic!j viri cuiuspiam eruditissimi festivus sane ac elegans, quomodo Iulius II. P. M. post mortem, coeli fores pulsando, ab janitore illo D. Petro intromitti nequiverit: quanquam dum viveret, sanctissimi atque adeo sanctitatis nomine appellatus, totque bellis feliciter gestis praeclarus, vel dominum coeli futurum se esse speravit. Lector risum cohibe. Cui iam nunc accessit Oratio ad Christum Opt. Max pro Iulio secundo Ligure Pont. Max a quodam bene docto et Christiano perscripta. Lege et adficieris. Primum saeculo ahhinc 1500. retro lapso conscripta typisque exscripta, iam secundum Literis Haeredum Richelianorum descripta.-— Interlocutores Iulius I I Genius et Petrus. — Am Ende: In Germania tandem iam sapiente. Finis. Ohne J a h r und Ort (16. .). Die Druckerei von Richel befand sich in Straßburg; vgl. Balbi Opera I, S. L V I I . (Diese Ausgabe — vgl. Münch, S. 426, V I — ist identisch mit Nr. 13 bei Böcking und gibt den Text von Nr. 5.) 4. H. E. Conc. I, 587: Iulius. Dialogus viri . . . . wie 3 . . . . futurum se esse sperarit. Interlocutores. Iulius. Genius. D. Petrus. Lector, risum cohibe. 31 S. Ohne J a h r und Ort, als Anhang der Acta Primi concilii Pisani, Lutetiae Parisiorum 1612, 4 0 (Böcking Nr. 12. Diese Ausgabe ist von Böcking bei der Textvergleichung nicht benutzt worden). 5. Ius Germ. I I I , 1 1 3 5 : Melchior Goldast, Politica Imperialia, Frankfurt, 1614,S. 1058—1068 (Böcking Nr. 1 1 ) . 6. Scr. var. arg. V , 1008: F. A. F. poetae regii libellus de obitu Iulii P. M. 1 5 1 3 . In loh. Wolf Lectionum memorabilium II, 1600, S. 58ff. (Böcking, Nr. 10). VII

7- H. E. Eccl. 5 1 a : Iulius Secundus. Dialogus anonymi cuiusdam autoris festivus sane ac elegans. Interlocutores: Iulius. Genius. S. Petrus. Lector risum cohibe. Dialogo praefixum est ab Editore Colloquium; Dialogistae, qua fieri potuit, Exquirendo destinatum: Quem Magum ilium fuisse Erasmum, tam rationibus, quam testimoniis efficitur... . Oxonii M C L X X X [1680]. (Diese zweite Oxforder Ausgabe — die erste ist 1668 erschienen — wird von Böcking nicht erwähnt; der Text dieser Ausgabe ist der von Böcking Nr. 2.) 8. Hist. lit. biogr. V I I I , 501. Jortin, The Life of Erasmus I I , 1760, S. 600—622. (Diese Ausgabe gibt den Text von Böcking Nr. 8 wieder.) 9. Scr. var. arg. I V , 2557: Hieronymi Balbi Gurcensis olim episcopi opera poetica, oratoria ac politicomoralia. Joseph von Retzer, I Wien 1791, S.496—538. (Böcking Nr. 15). 10. Scr. var. arg. V , 186: Ulrichi ab Hutten equitis Germani opera quae extant omnia, Ernestus los. Hermann Münch, V I , Leipzig 1827, S. 428—457 (Böcking Nr. 16 — der Text entspricht im wesentlichen Böcking Nr. 3). 1 1 . Scr. var. arg. V , 188: Hutteni Opera, Eduard Böcking I V , i860, S. 427—457. 12. H. E. Eccl. 5 1 a : Dialogue entre St. Pierre et Iules I I à la porte du Paradis (hinzugefügt: L a doctrine catholique touchant l'autorité des Papes). 1727, S. 9-—108. (Böcking, Gallicab). 13. Scr. var. arg. V , 5 3 1 1 : Erasmi Opuscula. A Supplement to the Opera Omnia, edited with introductions and notes by Wallace K . Ferguson, Ph. D., Assistant professor of history in New York University (Haag, 1933), S. 38 bis 124. (Die Besonderheit dieser Ausgabe ist eine wesentliche Erweiterung der Böckingschen Bibliographie und VIII

ein sorgfältiger kritischer Apparat; aber die auf beides verwandte Mühe bleibt leider unverwertet. Der Herausgeber zieht aus den mechanisch nebeneinander gestellten Lesarten keinerlei Schlüsse auf das Verhältnis der verschiedenen Ausgaben untereinander und findet sich durch die unnötigerweise mit einer Reihe von ganz wertlosen Nachdrucken belastete Bibliographie nicht hindurch. So kommt er dazu, daß er den Text von Böcking Nr. 2 für den ältesten hält und abdruckt, obgleich gerade dieser Text sich am weitesten vom Original entfernt.) Außerdem habe ich die O r i g i n a l a u s g a b e (BöckingNr. 1) in den beiden in Deutschland noch vorhandenen Exemplaren benutzt. Von dem S t r a ß b u r g e r Exemplar, das Böcking seiner Ausgabe zugrunde gelegt hat, stand mir ein photographischer Abzug zur Verfügung, während ich das N ü r n b e r g e r Exemplar selbst benutzen und dieser Untersuchung im Abdruck hinzufügen durfte. Für das große Entgegenkommen, das mir dabei der Direktor der Nürnberger Stadtbibliothek, Dr. Bock, erwiesen hat, und für die freundliche Hilfe, die mir durch Professor Strohl in Straßburg zuteil geworden ist, spreche ich auch hier meinen herzlichen Dank aus. Die in Löwen bei Dirk Maertens 1518 erschienene Ausgabe, die Böcking als Nr. 4 erwähnt, aber leider nicht gekannt hat, habe ich in einem Exemplar der Gothaer Stadtbibliothek verglichen. Die beiden Amerbachschen Abschriften, die sich auf der Universitätsbibliothek in Basel (M. S. I X 64 und 64 a) befinden, habe ich durch Stichproben, die ich meinem Freunde Professor Johannes Wendland in Basel verdanke, verwerten können. Außerdem habe ich die Ausgabe Melanchthons nach dem Exemplar der Universitätsbibliothek in Halle (C1 2845) verb

Stange, Erasmus

IX

glichen. Der Titel dieser Ausgabe lautet (etwas abweichend von Böcking I, Index X L V I I I , 4): Germania Cornelii Taciti. Vocabula regionum enarrata, et ad recentes adpellationes accommodata. Harminius Virici Hutteni. Dialogus cui titulus est Iulius. Recens edita a Philippo Melanchthone. Wittenbergae Per Iohannem Lufft. 1557. 8°. A — K (79 Bl.). Dem Arminius ist das bekannte Carmen von Eobanus Hessus, den Vocabula Melanchthons eine Epistola nuncupatoria von David Ungnad vorangestellt und den Schluß des Briefes bildet Conradi Celtis carmen de situ et moribus Germaniae (der Text ist ein unveränderter Nachdruck von Böcking Nr. 2).

X

SnJjalt

Kapitel i: Das Verhältnis des Erasmus zu Julius II.

1

i. Der Iulius exclusus. — 2. Erasmus und der Iulius exclusus. — 3. Erasmus und der Krieg. — 4. Erasmus und die römische Kurie. — 5. Julius II. und Leo X . — 6. Ergebnis.

Kapitel 2: Der Stil des Erasmus und der Stil des Dialogs

49

1. Der Einfluß des Erasmus auf den humanistischen Stil. — 2. Das Problem der Stilvergleichung. — 3. Einzelne Parallelen im Ausdruck.

Kapitel 3: Die politischen Gedanken des Erasmus und des Dialogs

67

1. Die unpolitische Natur des Erasmus. — 2. Der politische Charakter des Dialogs. — 3. Der französische Ursprung des Dialogs. — 4. Die Zeit der Entstehung des Dialogs. — 5. Das Urteil des Dialogs über die verschiedenen Nationen. —• 6. Ludwigs X I I . literarischer Kampf gegen den Papst.

Kapitel 4: Die kirchenpolitische Haltung des Erasmus und des Dialogs 132 1. Gemeinsame traditionelle Anschauungen. — 2. Von Erasmus hervorgehobene Unterschiede. — 3. Erasmus und das Pisaner Konzil. — 4. Der Dialog und das Pisaner Konzil.

Kapitel 5: Die Aussagen des Erasmus über den Dialog 200 1. Thomas Lupset. — 2. Der Briefwechsel des Erasmus. —• 3. Das Zeugnis More's. — 4. Die Zweideutigkeit des Erasmus. — 5. Erasmus und die Lüge.

Kapitel 6: Luther und der Julius exclusus

248

Kapitel 7: Die verschiedenen Ausgaben des Dialogs . 268 Kapitel 8: Der Text des Dialogs

. . . .

339

1. Die Lesarten. — 2. Die Originalausgabe.

XI

ERSTES

KAPITEL

B a ä "ycrfjaltmö btü C r a t f m u ö i. D E R I U L I U S

SuUusi

II.

EXCLUSUS

Nach dem in der Nacht zum 21. Februar 1 5 1 3 erfolgten Tode Julius' II. erschien eine Reihe von Schriften, in denen die Empörung über die Verweltlichung des Papsttums zu scharfem Ausdruck kam 1 ). Unter diesen Schriften ist besonders ein Dialog hervorgetreten, in dem der verstorbene Papst in Begleitung seines »Genius« vor der Himmelspforte erscheint und mit Petrus ein Gespräch führt, dessen Ergebnis die Ausschließung des Papstes vom Himmel ist. Über den Verfasser dieses Dialogs haben bis in die Gegenwart hinein lebhafte Verhandlungen stattgefunden, und zwar mit dem Ergebnis, daß die Verfasserschaft des Erasmus als endgültig bewiesen angesehen wird. Von der jüngsten Monographie über diesen Gegenstand, der Schrift des französischen Gelehrten J.-B. Pineau, Érasme et la papauté, Paris 1924, urteilt der Rezensent in der Zeitschrift für Kirchengeschichte: Pineau habe »mit überzeugender Klarheit« ebenso wie vor ihm schon Durand de Laur und Allen bewiesen, daß Erasmus der Verfasser ist 2 ). Die Weimarer Ausgabe der Werke Luthers druckt dies Urteil zustimmend nach 3 ). Die Untersuchungen Pineaus gehen auf die Feststellungen Allens in Ludwig Pastor, Gesch. der Päpste III, 1895, S. 685. ) Zeitschrift für Kirchengeschichte X L V , S. 294f. 2 ) W. A., Briefwechsel I, S. 346, Anm. 1.

1

1

Stange, Erasmus

1

seiner großen Ausgabe der Briefe des Erasmus z u r ü c k . Allen selbst hat sich, abgesehen von den Einzeluntersuchungen in den Erläuterungen zu den Briefen des Erasmus, in seiner Schrift The age of Erasmus 2) und in den nach seinem Tode herausgegebenen Aufsätzen über Erasmus 3 ) über dessen Verhältnis zu dem Dialog geäußert. Von holländischer Seite hat sich J . Huizinga den Forschungsergebnissen Allens angeschlossen 4 ). Die Erasmus-Biographie des amerikanischen Katholiken John Joseph Mangan schließt sich ebenfalls an Allen an und betrachtet das Problem des Julius-Dialogs als endgültig erledigt 5 ), — ebenso der amerikanische Historiker Ferguson (s. Vorwort S. V I I I f . ) . Schon die Zeitgenossen haben Erasmus für den Verfasser gehalten, obgleich Erasmus die Verfasserschaft wiederholt aufs lebhafteste bestritten hat. Vor allem kommen dabei Äußerungen Luthers in Betracht, mit denen wir uns noch besonders beschäftigen werden (Kapitel 6). In der Hauptsache ist es der Gesamteindruck der Schrift, der dazu führt, sie dem Erasmus zuzuschreiben. Die meisterhafte Führung des Dialogs, der geistvolle Witz und die humanistische Bildung schienen auf den Verfasser der Colloquia hinzudeuten. Im 17. und 18. Jahrhundert hat man dann begonnen, den Beweis für die Verfasserschaft des Erasmus zu führen. 2. E R A S M U S

UND DER

IULIUS

EXCLUSUS

Ein erster Versuch, die Verfasserschaft des Erasmus zu beweisen, ist schon in der Oxforder Ausgabe des Dialogs 1

) P. S. Allen, Opus Epistolarum Erasmi, 1906 fr. ) The age of Erasmus. Lectures. Oxford 1914. 3 ) Erasmus. Lectures and wayfaring sketches. Oxf. 1934. 4 ) Johan Huizinga, Erasmus 1 9 2 4 l , 1925 2 ; deutsch von Werner Kaegi, 1928 1 , 1936 2 . 5 ) 1928. S. das Vorwort meines Aufsatzes »Erasmus und Julius II. — eine Legende« (Ztschr. f. syst. Theol. X I I I , 2 und Töpelmann 1 9 3 6 ) . 2

2

gemacht w o r d e n . Dieser Ausgabe ist ein Dialog vorangestellt, in dem sich ein Kritiker (Critobulus) mit dem Verleger (Bibliopola) über den Verfasser des Dialogs unterhält. Schon auf dem Titelblatt wird auf diesen Beweis besonders hingewiesen. Die Argumente, welche dabei vorgeführt werden, enthalten im wesentlichen schon alles, was die spätere Kritik für die Verfasserschaft des Erasmus beigebracht hat. Es handelt sich zunächst um Gründe sehr allgemeiner Art. Erasmus ist der Meister der Dialoge, -— also hat er auch diesen Dialog geschrieben. Erasmus steht in der Mitte zwischen der römischen Partei und den Protestanten — ebenso wie der Dialog. Erasmus kämpft gegen die Mönche und gegen die Fürsten — ebenso wie der Dialog 2 ). Erasmus haßt den Papst Julius II. mehr als irgend ein anderer. Für das letztere wird ein Brief des Erasmus an Busleiden vom Jahre 1506 angeführt, woraus dann der Schluß gezogen wird, daß der Dialog noch bei Lebzeiten des Papstes verfaßt sei! Wenn Erasmus die Verfasserschaft bestreitet und dabei sagt, er habe an der Schrift mehr »genippt« als sie gelesen, so ist das eine listige Lüge: denn wenn er sie geschrieben hat, braucht er sie nicht zu lesen! Außerdem habe Erasmus niemals ernsthaft geleugnet, daß er der Verfasser des Dialogs sei. Einen etwas ernsthafteren Eindruck als diese oberflächlichen Allgemeinheiten macht der Versuch, im einzelnen Berührungen zwischen dem Dialog und den Schriften des Erasmus nachzuweisen. 1. Das Wort belligerari (im Deponens) findet sich im Dialog und kommt in dieser Form — wie der Vorredner der Oxforder Ausgabe behauptet — nur bei Erasmus vor; aber 1

) In Oxford sind zwei Ausgaben erschienen: 1664 und 1680 (vgl. Jortin, The Life of Erasmus II, 1760, S. 597), die zweite offenbar ein Nachdruck der ersten. 2 ) Die Mönche werden im Dialog nur ganz beiläufig (Böcking I V , S. 435, 14fr.) erwähnt, während von einem Kampf gegen die Fürsten im Dialog gar nicht die Rede ist. 1

3

diese Form findet sich auch bei Hyginus — wie schon Jortin bemerkt x ) — und bei Rufin 2) und — wie wiederum Jortin bemerkt — auch bei Melanchthon, während andererseits auch Erasmus gelegentlich die übliche Form belligerare gebraucht 3 ). Jortin meint sich zu erinnern, das Wort in einem von Melanchthons Briefen gelesen zu haben, — mir ist es im Didymus Faventinus Melanchthons (C. R . I, Sp. 307, 10) begegnet. Aber auch Hutten gebraucht es (Böcking I, S. 313, 19: et pro libertate Germanica belligeratur animosissime). Es ist also keineswegs Sondereigentum des Erasmus. Der feierliche Ton, der in dem altertümlichen belligerare gegenüber dem einfacheren bellum gerere zum Ausdruck kommt 4 ), wird durch das Deponens noch gesteigert. 2. In einzelnen Wendungen stimmt der Dialog mit Erasmus überein. So z. B. heißt es im Dialog: quo maior, eo perniciosior—je höher jemand steht, um so gefährlicher ist er, und als Parallele dazu in einem Brief des Erasmus an Leo: quo maior est potestas, hoc perniciosior, si inciderit in hominem vel stultum vel malum. In demselben Briefe stellt Erasmus Leo X . seinem Vorgänger Julius gegenüber und rühmt von Leo, daß in ihm ad summam bonitatem summamque sapientiam par accessit potentia, während im Dialog Christus dem Julius als Vorbild hingestellt wird und von Christus gesagt wird: Est in illo summa potestas, sed cum summa bonitate coniuncta; est summa sapientia, sed simplicissima. Diese gewiß auffallenden Anklänge sind für den Vorredner ein Beweis, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs ist. Man müßte sonst den Erasmus des Plagiats beschuldigen, da der Brief an Leo aus dem Jahre 1 5 1 5 stammt, also später als der ') 1. c. S. 598 Anm. b. 2 ) Hyginus fab. 274 p. 1 5 1 , 9 v. p. 1 8 1 5 , 10; Rufin, Origenes in Jos. 18, 3 (Thesaurus Linguae Latinae II, 1900 ff., Sp. 1814). 3 ) 1. c. S. 598 Anm. c. 4 ) J . Ph. Krebs, Antibarbarus der lateinischen Sprache, 1 8 7 6 5 , S. 191.

4

Dialog geschrieben ist. Aber kann man es schon ein »Plagiat« nennen, wenn Erasmus wirklich so allgemeine und selbstverständliche Wendungen aus dem Dialog sich angeeignet haben sollte? Wenn Erasmus in der Zeit zwischen 1 5 1 3 , in dem der Dialog geschrieben ist, und 1516, aus welchem Jahre wir ein sicheres Zeugnis für die Bekanntschaft des Erasmus mit dem Dialog haben, den Dialog erhalten hat, konnten sich in einem Briefe des Erasmus von 1 5 1 5 sehr wohl Anklänge an den Dialog finden, zumal wenn es sich um dasselbe Thema, nämlich um den Gegensatz zwischen Julius und Leo, handelte. 3. Ein weiterer Anklang findet sich, wenn Erasmus in dem bereits erwähnten Brief an Busleiden im Hinblick auf die Eroberung Bolognas durch Julius II. sagt: Julius belligeratur, vincit, triumphat, planeque Iulium agit, und wenn im Dialog dieselbe Wendung wiederkehrt in der Äußerung des Papstes: Ubi iam res in eum propemodum locum deductae sunt, in quam volebam, supererat, ut vere Iulium agerem. Die Wendung aliquem agere ist allerdings in keiner Weise ungewöhnlich, so daß man aus ihr keinerlei Schlüsse auf die Identität der Verfasser ziehen kann. Aber der hier vorliegende Parallelismus ist dennoch beachtenswert. Er zeigt, daß bei Übereinstimmung der Worte die Gedanken ganz entgegengesetzt sein können. Im Dialog ist nämlich der Hinweis auf die Ähnlichkeit des Papstes mit Cäsar als B e s c h i m p f u n g gemeint, während Erasmus darin ein L o b sieht. Im Dialog wird Julius viermal mit Caesar verglichen. Zuerst ist es die wüste Erscheinung des dem Trunk ergebenen und von Geschlechtskrankheiten geplagten Papstes, die in Petrus die Vorstellung weckt, als ob »jener verdammte Heide« in Person aus der Hölle wiedergekehrt sei . Sodann beruft sich der Papst, um seinen Eidbruch zu rechtfertigen, auf eine Äußerung Caesars, wonach um der Herrschaft willen auch der Meineid erlaubt ist 2 ). Weiterhin zeigt sich die Verwandt*) Böcking, S. 429, 12.

2

) Böcking, S. 438, 15f.

5

schaft des Papstes mit Caesar darin, daß er gegen die im Pisaner Konzil verbündeten Kardinäle in brutalster Weise wütet und sie verflucht 1 ). Und schließlich wird er ganz zum Caesar, indem er alle Nicht-Italiener, die er Barbaren und Auswurf nennt, aus Italien hinaustreibt, um allein die Herrschaft über Italien zu haben 2 ). Es ist also die perverse Verkommenheit des Papstes, seine Meineidigkeit, seine Roheit und seine Herrschsucht, was ihn mit Caesar verbindet. Unverkennbar hat dem Verfasser des Julius-Dialogs bei dieser Charakterschilderung des Papstes das Bild Julius Caesars vor Augen geschwebt, wie es Sueton in seiner Vita Divi Iulii gezeichnet hat 3 ). Das tritt auch abgesehen von den Stellen, in denen Caesar ausdrücklich genannt wird, zutage. Vom Papst wird im Dialog erzählt, daß er epileptisch gewesen sei: praeter alios morbos comitiali quoque obnoxius 4 ), ebenso wie es bei Sueton heißt: comitiali quoque morbo bis inter res agendas correptus est 5 ). Dem Papst wird in verhüllten Andeutungen zu wiederholten Malen Päderastie vorgeworfen 6 ), — ebenso wie Sueton — allerdings ohne Verhüllung — von dem Verhältnis Caesars zu Nicomedes spricht 7 ). Sogar die anekdotenhafte Einzelheit, daß der !) Böcking, S. 445, 13. ) Böcking, S. 446, 10. 3 ) Dies hat auch Pineau, Érasme est-il l'auteur du Iulius? (Revue de littérature comparée V , S. 386 Anm.) bemerkt. 4 ) Böcking, S. 4 3 1 , 9 . 5 ) Sueton I, 45. 6 ) qui adeo fuerim inexorabilis, ut in eos quoque saevierim, quibus alii soient omnia permittere (Böcking, S. 4 3 3 , 23f.); qui sunt isti candidi comatulique? — Hos quidem animi causa alebam (Böcking, S. 434, 5 fr.) [vgl. hierzu Erasmus Adagia 1 5 1 6 : Nullus comatus qui non idem cynoedus] ; Julius' Verhältnis zum Cardinalis Papiensis (Böcking, S. 4 3 7 , 3°) • 7 ) Sueton I, 2: desedit apud Nicomedem, non sine rumore prostratae regi pudicitiae usw.; I, 49: Pudicitiae eius famam nihil quidem praeter Nicomedis contubernium laesit, gravi tarnen et perenni opprobrio et ad omnium convitia exposito usw. 2

6

Papst rebus propemodum ad desperationem

adductis sich

d e n Bart nicht habe scheren lassen: c a n a m alebam b a r b a m 1 ), findet

bei Caesar ihre Parallele: ut audita clade Tituriana

b a r b a m capillumque submiserit nec ante dempserit q u a m vindicasset 2 ). Neben diesen offenkundigen Berührungen geht die Anlehnung des Dialogs an Sueton aber auch in der Schilderung der Willkürherrschaft des Papstes, seiner »Großzügigkeit« in

finanziellen

Angelegenheiten,

seiner

persönlichen

Freude und Anteilnahme an Kriegsabenteuern und seiner T r i u m p h e weiter. D a ß es sich dabei in der T a t u m eine Einwirkung Suetons handelt, läßt sich an einer Stelle g a n z sicher nachweisen. Bei der Erwähnung der Wortbrüchigkeit des Papstes wird nämlich ein Wort Caesars angeführt, das in der zeitgenössischen Literatur ganz außerordentlich oft vorkommt: quis autem dubitet vel quidvis deierare, c u m de regno agitur? in aliis colenda pietas, ut eleganter ille Iulius dixit alter ego 3 ). D i e Ausgabe des Julius-Dialogs von 1544 (Böcking Nr. 8) bringt die Worte Caesars in freier Wiedergabe 4 ), — ein Zeichen, d a ß auch dem Herausgeber dieser Ausgabe das Wort Caesars bekannt war.

Böcking gibt als Quelle Cicero de officiis I I I ,

21, 82 a n 6 ) .

A b e r es findet sich auch bei Sueton:

N a m si violandum est ius, regnandi gratia V i o l a n d u m est: aliis rebus pietatem colas 6 ). Bei Melanchthon findet sich dieser Vers im Didymus Faventinus in griechischer Sprache und zwar ebenfalls als ein Wort Julius' I I .

Die Päpste plündern den ganzen Erdkreis

plane illud sui Iulii agitantes, quod is in ore dicitur frequens habuisse: eiirep y a p

CCSIKEIV

XP'H» TvpavviSos Ttepi

KCCAXICTTOV OCSIKEIV. TSAAOC *) Böcking, S. 432, 26f.

2)

S'eüaeßEiv

Sueton I, 67.

*) S. unten S. 269, A . 4.

6)

•) Sueton I , 30.

') C . R .

s)

XP£"V-7)

Böcking, S. 438, 15 f.

S. 438, 16, A n m . I , Sp. 335.

7

Herrn Professor Max Pohlenz verdanke ich den Hinweis, daß diese Verse aus Euripides stammen und schon im Altertum viel zitiert wurden . Auf die Herkunft aus Euripides verweist auch Sueton 2 ). Auch in dem Briefwechsel Scheurls kommt dies Zitat zweimal vor; aber diese Anführungen bei Scheurl nehmen insofern eine besondere Stellung in der zeitgenössischen Literatur ein, als sie dies Wort Caesars nicht dem Papst in den Mund legen, sondern auf die Franzosen anwenden. Schon am 22. November 1506 warnt Scheurl in Bologna vor der Wortbrüchigkeit und Unzuverlässigkeit der Franzosen: ne in Gallorum fidem spem constituèrent, quibus nihil peculiarius esset quam regnandi causa, quod etiam Caesar faciebat, iusiurandum violare 3 ). Und ebenso heißt es an einer zweiten Stelle aus späterer Zeit (22. Januar 1525): Quodsi iusiurandum regni causa violandum est, iustam causam habent potentatus Italici usw.; aber auch an dieser zweiten Stelle sind es die Franzosen, von deren auch vor dem Wortbruch nicht zurückschreckenden Herrschsucht die Rede ist 4 ). Aus diesen Anführungen Scheurls geht hervor, daß man — und zwar jedenfalls schon 1506 — das Wort Caesars auf die Wortbrüchigkeit der Franzosen anwandte, — der Dialog kehrt dagegen den Spieß um und legt das Wort Caesars dem Papst in den Mund — wie dies dann weiterhin auch andere Feinde des Papstes, so z. B. Melanchthon, getan haben. Es wird also im Julius-Dialog ein von der päpstlich (-kaiserlichen) Partei — denn dazu gehörte Scheurl — gegen die Franzosen verwendetes Zitat von französischer Seite aufgenommen und als Waffe gegen den Papst benutzt — wozu die vom Papst selbst Euripides, Phoenissae (Reinhold Klotz, 1881, Bibliotheca graeca II, 4, S. 66 zu Vers 5 2 4 ^ ) . 2 ) Quod existimasse videbatur et Cicero, scribens de Officiis tertio libro Semper Caesarem in ore habuisse Euripidis versus, quos sie ipse convertit usw. (I, 30). 3 ) Brief buch I, S. 3 5 . ') Briefbuch II, S. 1 3 1 , Nr. 2 3 1 .

8

in Anspruch genommene Gleichsetzung des Papstes mit Caesar eine naheliegende Handhabe bot. Dieser Umstand ist für die Beurteilung des Julius-Dialogs nicht ohne Bedeutung: er zeigt — was später nach ausführlicher zu erörtern ist —, daß der Dialog französischen Ursprungs ist. Aber im gegenwärtigen Zusammenhange kommt es hierauf nicht an. Die Stellen bei Scheurl sind vielmehr im gegenwärtigen Zusammenhang deshalb von Bedeutung, weil es bei ihnen als sicher anzusehen ist, daß Scheurl seine Kenntnis des Wortes Caesars aus Sueton hat. In einem Briefe vom 26. September 1505 an seinen Oheim und Mäzen Sixt Tucher führt Scheurl nämlich eine andere Stelle aus der Vita Divi Iulii teilweise wörtlich an. Um die kümmerliche Lage seiner Finanzen zu veranschaulichen, erzählt er in humoristischer Weise, daß er einen Ring, den ihm seine Mutter geschenkt hat, verpfändet habe, teils damit dieser Ring (bei dem Juden Jacob) Hebräisch lerne, teils um Julius Caesar nachzuahmen, der beim Beginn des Bürgerkrieges den Soldaten seinen Ring gezeigt und zum Pfand dafür gesetzt habe, daß er sie nach erlangtem Siege reich belohnen werde, — woraus bei den Soldaten die Meinung entstand, sie sollten alle den Ring, das Zeichen des römischen eques, erhalten . Diese Erzählung findet sich bei Sueton mit denselben Ausdrücken und Wendungen 2 ). Diese Übereinstimmung beider Texte 1 ) Brief buch I, S. 8: partim ut Hebraicum disceret, partim ut Iulium Caesarem, illum perpetuum dictatorem, imitarer, qui cum civilia bella ingressurus esset atque Rubiconem transisset, militum fidem implorans affirmavit, se digito annulum detractaturum atque oppigneraturum ad satisfaciendum eis per quos dignitatem suam defensurus esset; unde cum in loquendo exhortandoque annulatum digitum saepius ostentaret, falsa opinione existimatus est ab extrema concione, cui facilius erat videre concionantem quam audire, equestres census pollicitus, id quod eum plurimum iuvisse creditum est. 2 ) Sueton I, 3 3 : pro contione fidem militum flens ac veste a pectore discissa invocavit. Existimatur etiam equestres census pollicitus singulis;

9

zeigt, daß Scheurl im September 1505 unter dem Eindruck der Lektüre Suetons schreibt. Daraus kann man schließen, daß auch die Äußerung Scheurls über die Wortbrüchigkeit Caesars, die der soeben angeführten Äußerung zeitlich (26. September 1505 und 22. November 1506) und im Text Suetons auch räumlich (§ 30 und § 33) ganz nahe steht, auf die Lektüre Suetons zurückzuführen ist. Dann aber wird man auch annehmen dürfen, daß die Anführung jenes Wortes Caesars im Julius-Dialog, der außerdem in allen Einzelheiten das von Sueton gezeichnete Bild Caesars in der Person des Papstes sich abspiegeln läßt, ebenfalls — nicht, wie Böcking angibt, auf Cicero, sondern auf Sueton zurückzuführen ist. Diese — an und für sich sehr belanglosen — Erwägungen gewinnen nun aber im gegenwärtigen Zusammenhang dadurch eine Bedeutung, daß Erasmus in dieser Zeit, d. h. vor der Veranstaltung seiner Sueton-Ausgabe, kein besonders nahes Verhältnis zu Sueton gehabt zu haben scheint. D a ß er selbst die Vita Caesarum Suetons im Jahre 1518 herausgab, hatte einen zufälligen, äußeren Anlaß: sein Freund und Gönner Mountjoy hatte ihm im Jahre 1515 den Codex Tornacensis geschenkt 1 ). O b es Anhaltspunkte dafür gibt, daß Erasmus dem Werke Suetons eine mehr als bloß textkritische Anteilnahme abgewann, ist mir unbekannt. Aber vielleicht ist es bezeichnend, daß Erasmus in der bei Matthias Schürer in Straßburg veröffentlichten Ausgabe seiner Adagia von 1516 2 — soweit ich sehe — nur ein einziges Mal Sueton quod accidit opinione falsa.

N a m c u m in adloquendo exhortandoque

saepius digitum laevae manus ostentans adfirmaret, se ad satisfaciendum omnibus, per quos dignitatem suam defensurus esset, anulum quoque aequo animo detractaturum sibi, extrema contio, cui facilius erat videre concionantem q u a m audire, pro dicto accepit, quod visu suspicabatur; promissumque ius anulorum cum milibus quadragenis, fama

distulit.

V g l . Ausgabe von Carl L u d w i g R o t h (Teubner), 1886, S. X X V , A n m . 14, und die Epistola nuncupatoria des Erasmus zu den Historiae Augustae scriptores

10

(Allen II, ep. 586,

56fr.).

zitiert, während sich in der kurz vorher — 1511 2 — ebenfalls bei Schürer erschienenen Sprüchwörtersammlung des Polidorus Vergilius eine große Fülle von Sueton-Zitaten — in dem ersten Hundert nicht weniger als 13! — finden. Auch jenes vereinzelte Zitat bei Erasmus scheint nicht aus Sueton selbst, sondern entweder aus der Sammlung des Vergilius oder einer anderen älteren Sammlung zu stammen 1 ). Ebenso ist es höchst auffallend, daß Erasmus in der an Friedrich den Weisen und Georg von Sachsen gerichteten Widmung seiner Sueton-Ausgabe, in der er sich aufs breiteste in moralischen Betrachtungen über die römischen Kaiser —mit Nutzanwendung auf die Gegenwart — ergeht, über Julius Caesar sehr nachsichtig urteilt und in keiner Weise auf das Spiegelbild Caesars in Julius II. hindeutet 2 ). Es findet sich auch nicht die leiseste Andeutung, daß das von Sueton gezeichnete Bild Caesars ihn an Julius II. erinnerte, — wie sich denn auch in seinen sämtlichen Äußerungen über Julius II. nichts Derartiges findet. Aber während nun der Dialog die Vergleichung des Papstes mit Julius Caesar zur Verunglimpfung und Beschimpfung des Papstes verwendet, hat die Inanspruchnahme des Namens Caesars durch den Papst eine ganz andere Bedeutung. 1)

Polidori Vergilii

Urbinatis

praesbyteri

Proverbiorum

liber

quo

paroemiae insigniores omnium fere scriptorum luculentissima enarratione explicantur.

1 5 1 1 . — Collectanea Adagiorum veterum Desyderii Erasmi

Roterodami

Germaniae decoris.

auflagen.

mit der Jahreszahl 1509. der

1516. —

Beide A u f l a g e n sind

Neu-

D e n Collectanea ist das Vorwort der 1. Ausgabe beigegeben

Proverbia

des

N a c h demselben Vorwort ist die 1. A u f l a g e

Vergilius

schon

vorher

(superioribus

diebus)

er-

schienen. 2)

Caesar wird nicht zu den eigentlichen Beispielen moralischer V e r -

kommenheit gerechnet

(Allen

II, ep.

586, 33).

Allerdings heißt

es:

Iulium per nefas occupasse monarchiam (ib. 180) und daß unter ihm das Verderben

bereits angefangen habe, den R u h m des Reiches

zu

gefährden, aber dies letztere wird von dem sonst sehr gelobten Augustus (ib. i o i f f . ) in gesteigertem M a ß e gesagt:

Primum

mox in Octavio, Lepido et Antonio sceleratius

(ib.

in Iulio

scelerate,

128f.).

11

Als der Papst den Namen Caesars annahm, hatte er die glänzenden Kriegserfolge Caesars im Auge und dachte ihm darin gleich zu werden, daß er mit Hülfe seiner Politik und seiner militärischen Macht ganz Italien zur Einheit zu bringen suchte. Es war die Überzeugung des Papstes, daß in der damaligen Lage des Kirchenstaates und Italiens nur ein starker Kriegsheld das Papsttum retten könne. Es lag deshalb durchaus in der Absicht des Papstes, mit der Annahme des Namens Julius an Caesar zu erinnern. Darin kam — nur in besonders zugespitzter Formulierung — der das Mittelalter beherrschende Gedanke zum Ausdruck, daß das römische Imperium auf die Papstkirche übergegangen sei. Der Papst Julius 11. wollte seinen alter ego nicht in dem milden und friedfertigen P a p s t Julius I., solidem in dem r ö m i s c h e n K a i s e r sehen: Iulius appellari voluit, non quidem intuitu Iulii retro Pontificis Romani, et miti ingenio viri ac pacifici, sed Iulii Caesaris ob virtutem bellicam praestantissimi ducis, quem et imitari egregius bellator quaesivit . Dem Begründer des Imperiums stellte sich der Papst als Neubegründer des Imperiums zur Seite. Die Vergleichung mit Caesar ist also im Sinne des Papstes kein Vorwurf, sondern ein Ruhm. Für die Gegner des Papstes war aber diese Erinnerung an den römischen Kaiser eine günstige Handhabe, um nicht bloß den inneren Widerspruch der Säkularisierung der Kirche zu unterstreichen, sondern die Parallele zwischen dem Papst und Caesar auch über die Absicht des Papstes hinaus zu seinen Ungunsten auszubeuten. Nicht bloß in seinen Kriegstaten, sondern auch in seinem C h a r a k t e r konnte man im Papst ein Abbild Caesars sehen. In diesem ganz anderen Sinne nimmt der Dialog die vom Papst selbst gewählte Parallele auf. Allerdings ist auch im Dialog von den kriegerischen Erfolgen des Julius die Rede; aber auch sie dienen nur zur Veranschaulichung dessen, Oldoinus bei Böcking, S. 429 Anm. 12.

12

worauf es dem Dialog allein ankommt: den persönlichen Charakter des Papstes in seiner abgrundlosen Verworfenheit erkennen zu lassen. Aus dieser Doppeldeutigkeit der Vergleichung des Papstes mit Caesar folgt, daß die Nebeneinanderstellung beider auch bei Erasmus der Untersuchung bedarf. Meint Erasmus es als einen Schimpf oder als ein Lob, wenn er feststellt, daß der Papst sein Ideal, dem Julius Caesar zu gleichen, erreicht? In dem Brief an Busleiden deutet nichts darauf hin, daß Erasmus etwas Ungünstiges über den Papst sagen will. Allerdings sagt Erasmus, daß zur Zeit in Italien die Studien »erkalten« und die Kriege »glühen«; aber daß er dadurch mit Gefühlen des Hasses gegen die Person des Papstes erfüllt worden sei, läßt sich in keiner Weise aus dem Briefe des Erasmus herauslesen. Ganz so arg kann j a auch die Behinderung der wissenschaftlichen Arbeiten des Erasmus nicht gewesen sein, da er immerhin in den wenigen Tagen, in denen er vor dem herannahenden Papste Bologna verlassen hat, in Florenz, wohin er sich von Bologna aus begeben, einige Dialoge des Lucian hat übersetzen können *). Was er vom Papst sagt, hätte der Papst nur als eine Schmeichelei empfinden können: er prangt als Kriegsheld, siegt und triumphiert und ist damit nun wirklich das geworden, was er beim Antritt seiner Regierung in seiner Namengebung als seinen Wunsch und sein Ziel ausgesprochen hat: Julius Caesar der Zweite! Unwillkürlich wird man durch die Worte, die Erasmus wählt, an Caesars berühmtes: Veni, vidi, vici erinnert; Erasmus bildet dazu seine ebenfalls dreigliedrige Parallelformel: l

) Allen I, S . 4 3 5 : Litteris his, ne a d tantum tamque doctum amicum

nullo litterario munusculo comitatae venirent, Dialogos aliquot Luciani comites addidi; quos pauculis his diebus, d u m obsidionis metu Florentiam profugeramus, Latinos feci; hoc nimirum agens, ne nihil agerem.

Nam

in praesentia quidem in Italia mire frigent studia, fervent bella.

13

belligeratur, vincit, triumphat, und bestätigt damit nur den Anspruch, der in der Gleichheit des päpstlichen Namens mit dem Caesars zum Ausdruck kommt. Wie wenig er sich damals durch das Auftreten des Papstes abgestoßen gefühlt hat, geht aus der gleichzeitigen Äußerung des Erasmus hervor, daß er nach Bologna zurückkehren wolle, und aus der Begründung dieses Entschlusses: »denn der Papst wird dort mit seinen Kardinälen überwintern« 1 ). Im Hinblick auf die sonstige Gepflogenheit des Erasmus, den Verkehr mit den Großen der Erde zu suchen, um dadurch Ehre oder Vorteil für sich zu gewinnen, wird man in diesen Worten die Hoffnung angedeutet finden dürfen, dem Papst auf diesem Wege nahekommen zu können. 3. E R A S M U S U N D D E R

KRIEG

Trotzdem ist dieser Brief des Erasmus an Busleiden in der Folgezeit immer wieder als ein Beweis für den Haß des Erasmus gegen Julius II. in Anspruch genommen worden. Unter den neueren Erasmus-Biographen hat Huizinga dies Argument besonders hervorgehoben. Daß Erasmus der Verfasser des Dialogs sei, gilt in der neueren Erasmus-Forschung als sicher, und infolgedessen geht Huizinga auf dies Problem nur ganz beiläufig ein. Mit vollem Recht sieht er die eigentliche Schwierigkeit in der Frage: wie kommt Erasmus dazu, eine von so fanatischem Haß erfüllte Schrift gegen den Papst zu schreiben? Was hat ihm der Papst getan, daß er ihn mit den maßlosesten Schmähungen bis zum Vorwurf der widernatürlichen Unzucht überhäufen kann? Die Antwort auf diese Frage findet Huizinga in der Abneigung des Erasmus gegen den Krieg. Auch seinerseits an den Brief an Busleiden anknüpfend geht Huizinga von den Eindrücken aus, die Erasmus 1506 in Bologna vom Kriege Allen I, ep. 200, 6.

14

bekommen hat. Allerdings macht er sich dann nicht die Folgerung zu eigen, die der Vorredner zur Oxforder Ausgabe ziehen zu müssen meinte: daß Erasmus den Dialog schon unmittelbar nach 1506 zu Lebzeiten des Papstes geschrieben haben müsse. Angesichts des Inhaltes und der Geschichte des Dialogs ist diese Folgerung in der Tat eine abenteuerliche Unmöglichkeit. Huizinga verweist vielmehr darauf, daß Erasmus noch ein zweites Mal den Krieg kennengelernt hat. In den Jahren 1 5 1 3 und 1514, als der französisch-englische Krieg ihm wiederum mancherlei Widerwärtigkeiten brachte, erinnerte sich Erasmus, »wie ihn der Kriegszustand in Italien in seinen Bewegungen gehindert hatte, wie er sich beim Einzug des Papst-Eroberers in Bologna in seinem Herzen betroffen gefühlt hatte«. Nachdem nun der Papst gestorben, »rächte Erasmus seine Zeit an ihrem kriegerischen Papst, indem er die meisterhafte Satire Iulius exclusus schrieb« 1 ). Die Feststellung Huizingas, daß der englisch-französische Krieg von 1 5 1 3 und 1 5 1 4 für die Stellungnahme des Erasmus zu der Kriegsfrage von besonderer Bedeutung gewesen ist, ist von größtem Werte, zumal wenn man bedenkt, daß unmittelbar vorher (1513) die Schmähschrift auf den Papst gedruckt worden war. Die in ihr enthaltene Anklage gegen den Papst berührte sich in ihrer Verurteilung der Kriegsleidenschaft des Papstes mit dem Widerwillen gegen den Krieg, den die durch den Krieg verursachten persönlichen Nachteile in Erasmus geweckt hatten. Es verhält sich in der Tat so und ist für die Stellungnahme des Erasmus von größter Bedeutung: die Polemik des Erasmus gegen den Krieg nimmt ihren Anfang erst, nachdem ihm die Kriegsfrage einerseits durch den Dialog literarisch und andererseits durch den englisch-französischen Krieg persönlich nahegebracht worden war. Erst von dieser Zeit an nehmen die Äußerungen des Erasmus über den Krieg Huizinga, S. 1 1 2 (ich zitiere nach der 2. Aufl. der holländischen Ausgabe).

15

das Gepräge leidenschaftlicher Erregung an. Aber die Verbindung, die Huizinga zwischen dieser späteren Stellungnahme und den in Italien empfangenen Eindrücken herstellt, läßt sich nicht rechtfertigen. i. Daß Erasmus »sich beim Einzug des Papst-Eroberers in Bologna in seinem Herzen betroffen gefühlt hatte«, ist ebenso wie der Gedanke, daß Erasmus seine Zeit an ihrem kriegerischen Papst habe rächen wollen, aus dem Brief des Erasmus an Busleiden in keiner Weise zu belegen. Man müßte denn schon darin, daß der Papst als summus pontifex bezeichnet wird, eine Andeutung sehen, daß das von ihm Gesagte der päpstlichen Würde widerspricht. Wie kann der höchste Priester der Christenheit seinen Ruhm in den kriegerischen Taten eines Eroberers suchen! Aber als Eroberer sieht Erasmus den Papst nicht an. Dem bevorstehenden Zuge des Papstes gegen Venedig spricht er jedenfalls ausdrücklich die Berechtigung zu: paratur et in Venetos expeditio, ni cedant locis Pontifici debitis, — der Papst wird gegen die Venetianer Krieg führen, wenn sie nicht die Städte herausgeben, die dem Papst v o n R e c h t s w e g e n g e h ö r e n . Von irgendwelchen Bedenken gegenüber der Kriegsführung des Papstes weiß Erasmus nichts. Würde Erasmus den Zug des Papstes gegen Bologna anders beurteilen als den Zug gegen Venedig, so müßte Erasmus das gegenüber der Harmlosigkeit, mit der er dem venetianischen Unternehmen des Papstes gegenübersteht, irgendwie angedeutet haben. Dazu kommt, daß die Bezeichnung des Papstes als summus pontifex sein selbstverständlicher Titel ist. Wollte Erasmus mit der Nennung dieses Titels den Kontrast zwischen der Würde des Papstes und seinem eines Julius Caesar würdigen Verhalten andeuten, so hätte er entweder zu dem Namen des Papstes oder zu dem Namen Julius Caesars irgendein kennzeichnendes Beiwort hinzufügen müssen, das den Kontrast Allen I, ep. 2 0 3 , 10 f.

16

hätte erkennen lassen. So geschieht es charakteristischerweise in der Tat in dem libellus de obitu Iulii. Beim Anblick der Söldnerscharen, von denen der am Himmelstor erscheinende Papst umgeben ist, sagt Petrus: »Ich vermute, daß in dir jener v e r d a m m t e h e i d n i s c h e Julius in Person aus der Hölle zu mir gekommen ist, — so sehr hast du mit ihm alles gemein«. Der Dialog läßt also keinen Zweifel darüber, daß nach seiner Auffassung die Ähnlichkeit mit Julius Caesar für den Papst kompromittierend ist, — wie er denn auch diese Ähnlichkeit auf Eigenschaften des Papstes ausdehnt, die mit seinen kriegerischen Neigungen gar nichts zu tun haben. Da der Papst selbst sich seiner kriegerischen Eigenschaften rühmt und in ihnen Caesar gleichzukommen wünscht, ist es für ihn kein Vorwurf, wenn auf seine Kriege hingewiesen wird; zum Vorwurf wird die Vergleichung mit Caesar erst dadurch, daß die dem Papst mit Caesar gemeinsame moralische Verkommenheit hervorgehoben wird, — und hierauf kommt es dem Dialog allein an. Wiederholt ist von den schmutzigen Leidenschaften des Papstes die Rede x ). Wie sehr dem Dialog daran liegt, im Hinblick auf die geschlechtliche Ausschweifung, Perversität und Krankheit Caesars die Übereinstimmung des Papstes mit seinem antiken Vorbild verwirklicht zu sehen, zeigt die Äußerung des Petrus, in der er — in Anknüpfung an ein aus dem Altertum stammendes Urteil über den Kaiser Commodus — den Papst seinem antiken Vorbild gleichstellt: »an keinem Teile seines Leibes nicht befleckt mit den Spuren ausschweifender und schandbarer Leidenschaften« 2 ). *) z. B. Böcking, S. 427, 20: quam hic cloacam olfacio. S. 4 3 1 , 9: praeter alios morbos comitiali (Epilepsie) quoque obnoxius, denique scabie quoque, quam gallicam (Syphilis) vocant, totus opertus. S. 433, 26: Hoc tametsi durum videtur, molle quiddam est (Zusatz der späteren Ausgaben, s. unten S. 322f.). 2 ) nam pudet dicere ac piget interim videre, nullam corporis partem non conspurcatam notis prodigiosae et abominandae libidinis (B. I V , 2

Stange. Erasmus

17

Für den Dialog ist Caesar ein lasterhafter, moralisch verwerflicher Mensch, während bei Erasmus der Caesar-Titel des Papstes auf den kriegerischen Glanz seiner Herrschaft hinweist. 2. Wie wenig Erasmus die Absicht hat, dem Papst aus seiner Übereinstimmung mit Caesar einen moralischen V o r wurf zu machen, geht aus einem anderen Briefe hervor, in dem Erasmus abermals die Wendung: Iulius Iulium agit, gebraucht. In dem Brief an Andreas Ammonius, der nach Allen v o m 9. Mai

15x2 stammen soll, schreibt Erasmus:

Si quid est certi rumoris apud vos, quaeso ut nobis impartias. N a m magnopere velim audire num vere Iulium agat Iulius, et num Christus antiquum obtinet morem, ut quos maxime suos videri velit, eos maxime adversae fortunae procellis exerceat.

Ego, mi Andrea, pro felici rerum ecclesiasticarum

successu votum suscepi. virginem

Iam scio religionem probas. Visam

Walsingamicam

atque

illic

Graecum

carmen

votivum suspendam: Id, si quando te illo contuleris, respice 1 ). D a ß der Vergleich des Papstes mit Caesar hier nicht im Sinne eines moralischen Vorwurfs, sondern im Hinblick a u f die kriegerischen Bestrebungen des Papstes gemeint ist, ist unbestreitbar.

Wenn die zeitliche Ansetzung des Briefes

durch Allen richtig ist, handelt es sich um die Zeit unmittelbar nach der Schlacht bei R a v e n n a am 11. April 1512, also u m die Zeit, da Julius II. durch den Sieg der Franzosen in eine äußerst verzweifelte L a g e gekommen war.

Erasmus ist

höchst gespannt (magnopere velim audire), ob sich in dieser äußersten Not das H e l d e n t u m des Papstes bewähren wird. Mit

Rücksicht

S. 429, 5 f . ) .

auf die

kirchliche

Gesinnung

des

Brief-

V g l . dazu das von Gibbon, Geschichte des allmählichen

Sinkens und endlichen Unterganges des römischen Weltreiches von J o h a n n Sporschil. I 1 ,

(Deutsch

1862) S. 94 angeführte Urteil der Historia

Augusti ü b e r Commodus: N e c irruentium in se iuvenum carebat infamia, omni parte corporis atque ore in sexum utrumque *) Allen I, ep. 262.

18

pollutus.

empfängers (Iam scio religionem probas) kleidet Erasmus seine Anteilnahme an dem Ergehen des Papstes in die frommen Worte: ich möchte gern hören, ob Christus seiner alten Gepflogenheit treu bleibt, daß er diejenigen, die er ganz besonders als die Seinen erweisen will, ganz besonders in den Stürmen eines widerwärtigen Geschickes übt*). Erasmus sieht also das Unglück von Ravenna in der Beleuchtung der Bibelsprüche Ebr. 12, 6 und Offb. 3, 19. Man soll das Unglück des Papstes als eine Züchtigung Christi ansehen, durch die Christus den Papst als zu ihm gehörig anerkennt. Zu allem Überfluß teilt Erasmus sogar mit, daß er für den glücklichen Erfolg der päpstlichen Waffen ein Gelübde übernommen habe: eine Wallfahrt zur Kapelle in Walsingham! Dort will er eine humanistische Kerze in Gestalt eines griechischen Votivcarmens opfern, — wie er es auch tatsächlich getan hat. Man kann allerdings einwenden, daß sich Erasmus in diesem Briefe an seinen päpstlich gesinnten 2 ) Freund der Es ist überaus bezeichnend und läßt die kirchliche Richtung der Stimmung des Erasmus in dieser Zeit deutlich hervortreten, daß Erasmus drei J a h r e später, als seine englischen Hoffnungen ihn enttäuscht hatten und infolgedessen die Anpassung an die Frömmigkeit seiner englischen Freunde keinen Zweck mehr hatte, denselben Gedanken in der Sprache des antiken Heidentums ausspricht. In dem Brief an Leo X . vom 2 1 . Mai 1 5 1 5 schreibt er im Hinblick auf das Mißgeschick, das Leo als Kardinal zu tragen hatte (Vertreibung der Medici aus Florenz 1494, Gefangennahme in der Schlacht bei Ravenna 1 5 1 2 ) : In quovis rerum statu explicat sese genuina illa virtutis vis; nusquam tarnen clarior quam quoties noverca J u n o Herculem suum omni genere malorum exercet (Allen I I , ep. 335, 56fr.). 2 ) Mangan (I, S. 224, 228, 257) führt die Feindschaft des Erasmus gegen Julius auf Ammonius und Bombasius zurück. Ammonius erzählt (Allen I, ep. 243, 25fr.), daß er mit den beiden Neffen des Papstes Sisto und Leonardo Grosso della Rovere befreundet gewesen sei, als sie noch arm gewesen und keine Aussicht auf Karriere gehabt hätten, daß sie ihm aber seine Übersiedelung nach England als Hochmut vorwerfen und ihn nun verachten. A m 26. J u n i 1 5 1 6 nennt er den J u l i den Quintiiis mit der Bemerkung: Odi enim Julianum nomen, nach der — 2'

19

kirchenpolitischen Stellungnahme desselben anpaßt und daß in diesem Sinne auch die Darstellung seines Ausflugs nach Walsingham als einer Wallfahrt zugunsten der päpstlichen Kriegserfolge nicht ernst zu nehmen ist.

Aber im gegen-

wärtigen Zusammenhange kommt es nicht darauf an, wie Erasmus im Grunde seines Herzens über den Papst dachte, sondern darauf, daß jene Formel: Iulius Iulium agit, im Munde des Erasmus die Bedeutung hat: der Papst zeigt sich als Held, und nicht, wie es dem Dialog entsprechen würde: der Papst zeigt sich als ein verfluchter Heide. Im übrigen kann man diesen Brief des Erasmus aber auch nicht als eine verhüllte Spötterei deuten 1 ).

Erasmus hat

allerdings in der Peregrinatio religionis ergo 2 )

den Kult

der Maria von Walsingham und das Treiben der dortigen Mönche mit der Lauge seines Spottes übergössen.

Aber

man darf den Brief an Ammonius nicht von der späteren Stimmung des Erasmus aus deuten; der Brief an Ammonius stammt aus einer Zeit, in der er — von Warham, dem Primas der englischen Kirche mit der lang ersehnten Pfründe bedacht und im freundschaftlichen Verkehr mit John Fisher und John Colet durch diese beiden hervorragenden Männer stark beeinflußt — sich ernstlich den kirchlichen Interessen zuzuwenden versuchte. In einem Briefe vom 6. Februar 1 5 1 2 bemerkt er, daß er totus in Anglum transformatus sei und gibt als Ursache die Güte Warhams und seiner sonstigen englischen Freunde an, wobei er ein enthusiastisches Lob seinem hohen Gönner spendet 3 ).

Und in einem Briefe an

allerdings vagen — Vermutung Allens, weil er ein von Julius erwartetes Benefiz — 1 5 1 6 ! — nicht erhalten hat. Auf diese dürftigen Daten läßt sich die Vermutung Mangans ebensowenig gründen, wie auf die T a t sache, daß Bombasius als Bologneser an der Verteidigung Bolognas teilgenommen hat. Vgl. Mangan I, S. 3 4 3 fr. s ) Colloquia, ed. Stallbaum 1828, S. 2 1 3 f r . s ) Allen I, ep. 252, 15 fr.

20

den Kardinal Guibe vom 8. Februar 1 5 1 2 bietet er dem Kardinal seine Dienste an unter Hinweis auf sein Verhältnis zu Warham, von dem er sagt, daß er auf die Verherrlichung des römischen Stuhls bedacht sei wie kein anderer mehr und daß ihm darin das ganze Königreich England nachfolge; daran schließt er die Worte an: »Ich bitte Gott, daß er mit seinem heiligen Frieden alles versöhne und vereine« . Er hat also in dieser Zeit seine päpstliche Gesinnung nicht bloß in dem Brief an Ammonius ausgesprochen. Es wäre eine allzu glatte Psychologie, wenn man alle Äußerungen des Erasmus von der gemeinen Grundrichtung seines Charakters aus deuten und ihm nicht zutrauen wollte, daß er unter der Einwirkung so ausgezeichneter Vertreter der Kirche und unter dem verheißungsvollen Anfang einer kirchlichen Versorgung nicht — wenigstens vorübergehend — eine freundliche Stellung gegenüber der Kirche hätte einnehmen können. Der offenkundig ehrlich gemeinte Dank, mit dem er wie an vielen anderen Stellen so insbesondere in dem Adagium: Ne bos quidem pereat 2 ), der unvergleichlichen Güte Warhams ein Denkmal gesetzt hat, läßt es durchaus als wahrscheinlich erscheinen, daß er sich unter dem Einfluß dieses Mannes — wenigstens eine Zeitlang — einer tieferen Auffassung des Lebens zugewandt hat. 3. Aber Huizinga führt dann noch eine weitere Äußerung des Erasmus an, um dessen feindselige Haltung gegenüber dem Papst im Hinblick auf seine kriegerischen Neigungen zu erweisen 3 ). In einem Briefe an Antonius von Bergen *) Allen I, ep. 253, 22: Is Romanae sedis ornamentis ita favet ut nemo omnium magis; quanquam totum hoc regnum propensissimo in eam est animo. Precor Deum ut sua sancta pace omnia conciliet conglutinetque. (Letztere Formel wiederholt Erasmus wörtlich in seinem Brief an Leo X. vom 21. Mai 1515, vgl. Allen II, ep. 335, 125fr.) 2 ) Adagia 1558, S. 909. 3 ) Huizinga 1925 S. 112.

21

vom 14. März 1 5 1 3 / 1 4 — also gerade aus der Zeit, in der Erasmus die Satire gegen den Papst geschrieben

haben

soll — hat Erasmus den Papst Julius als die Ursache aller Kriege bezeichnet, die sich über Europa verbreitet haben: Iulius, certe non ab omnibus laudatus Pontifex, potuit hanc bellorum tempestatem excitare x ). Aber man darf die von Huizinga angeführten Worte des Erasmus nicht aus ihrem Zusammenhange herausnehmen, um aus ihnen ohne Rücksicht auf den übrigen Inhalt des Briefes Schlüsse zu ziehen.

Im Zusammenhang des Briefes,

in dem sie sich finden, sind sie keineswegs ein Ausdruck einer besonderen Erbitterung gegen den Papst.

Gerade dieser

Brief an Antonius von Bergen läßt vielmehr deutlich erkennen, daß die Abneigung des Erasmus gegen den Krieg ganz andere Gründe hatte als die moralische Entrüstung über den Papst. In dem Brief an Antonius von Bergen geht Erasmus von den Unannehmlichkeiten aus, die ihm persönlich aus dem Kriege zwischen Frankreich und England erwachsen und ihn zu dem Entschluß geführt haben, England zu verlassen. Es sind sehr prosaische Erwägungen, Nützlichkeitserwägungen rein persönlicher, egoistischer Art. Einmal zahlen ihm infolge der

wachsenden

Kriegsteuern

seine

hohen

englischen

Gönner immer sparsamer ihre Benefizien, und sodann kann infolge des Krieges auch der französische Wein nicht mehr nach England kommen, so daß durch das fade englische Getränk das Steinleiden des Erasmus verschlimmert und er fast gestorben ist. Nach dieser persönlichen Vorbemerkung, aus der sich die persönliche Gereiztheit seiner Äußerungen über den Krieg erklärt, geht er zu allgemeinen Betrachtungen über den Krieg über. In ihrer Kriegswut stehen die Menschen niedriger l

22

) Allen I, ep. 288, 82 f.

als die Tiere. Als Christen müßten sie unter allen Umständen Frieden halten. Die Kriege führen nur zu Schandtaten, ohne Nutzen zu bringen. Danach wendet er sich der Schuldfrage zu: verantwortlich für die Kriege sind letzten Endes die Fürsten. Aber wenn dies der Fall ist, dann müßten die Päpste als die oberste Autorität der Christenheit ihren Einfluß zur Geltung bringen und den Streit der Fürsten als Schiedsrichter schlichten. Und in diesem Zusammenhang kommt er dann auf den Papst Julius zu sprechen. Denn es ist einleuchtend, daß man sich den soeben gestorbenen Papst im Hinblick auf die Kriege, die er selbst geführt hat, nicht gut als einen solchen Schiedsrichter der Fürsten denken kann. Aber das Beispiel des Julius ist doch keine Widerlegung des Appells an das Schiedsrichteramt des Papstes. In seinen kriegerischen Unternehmungen entspricht der Papst Julius allerdings nicht dem Ideal eines Papstes (certe non ab omnibus laudatus Pontifex); aber sollte Leo, dieser gelehrte, unbescholtene und fromme Mann, die Kriegswut nicht zur Ruhe bringen können? Von einer besonderen Erregung über die Person des Julius ist in diesen Worten in keiner Weise die Rede. Erasmus spricht in ihnen nur die allgemeine Erwartung der Zeit aus, daß mit Leo eine Zeit des Friedens beginnen wird, nachdem Julius, dem Beispiel der Fürsten folgend — denn ihr Ehrgeiz ist die eigentliche Q u e l l e der K r i e g e —, den gegenwärtigen Kriegszustand veranlaßt hat. Aber der damit Julius II. ausgesprochene sehr maßvolle Tadel (non ab omnibus laudatus) wird sofort noch weiter eingeschränkt. Es klingt wie eine Entschuldigung, wenn Erasmus sagt: Julius hatte zum Vorwand, daß er sich in Gefahr befand (Suscipiendi belli praetextus erat Iulius periclitans). Nach der Meinung des Erasmus sind also die unter dem Pontifikat des Julius geführten Kriege um der Freiheit Italiens und 23

der Existenz des Kirchenstaates willen notwendig g e w e s e n . Das

entspricht

gesprochenen

dem Urteil,

in Bologna daß

es sich

1506 von bei

dem

Erasmus Kriege

ausgegen

Venedig u m b e r e c h t i g t e Ansprüche des Papstes handelte. J a , diese Entschuldigung des Julius bekommt sogar dadurch noch größeres Gewicht, d a ß j e t z t , nachdem die Gefahr beseitigt ist, in der sich das Papsttum befand 2 ),

der

Krieg

dennoch nicht aufhört (sublata est causa belli nec tarnen

In diesem Sinne sagt Erasmus auch von Heinrich V I I I . : bellum apparabat, quod ad Ecclesiae Romanae dignitatem tuendam pertinere iudicabat (Allen II, ep. 334, 55f.). Diese Rechtfertigung der Kriege des Julius wird von der katholischen Geschichtsschreibung bis heute wiederholt; vgl. 2. B. Mangan I, S. 227, wo die Notwendigkeit der päpstlichen Kriegsführung in höchst naiver Weise mit der Roheit und Wildheit der Könige und Barone begründet wird, von denen Milde als ein Zeichen der Schwäche angesehen und zu ihren Gunsten ausgenutzt worden wäre. M a n müßte daraus allerdings folgern, daß zu Jesu Zeiten die Könige und Fürsten nicht so roh und wild waren, so daß Jesus hoffen konnte, durch Milde und Güte die Menschen zu gewinnen. — Julius insbesondere hatte nach Mangan mit besonderen Gefahren zu tun, da zu seiner Zeit die (?) Kaiser offenkundig nach der Tiara strebten und Herzöge sich nicht scheuten, Kardinäle vor der eigenen T ü r des Papstes zu ermorden. — Z u dem ersten ist zu bemerken, daß dies Streben nach der Tiara, soweit es sich dabei um Kaiser Maximilian handelt, d u r c h d e n P a p s t s e l b s t veranlaßt war; vgl. unten S. 177f. Z u dem zweiten hätte Mangan hinzufügen müssen, daß der Herzog von Urbino, der den Kardinal Alidosi ermordete, e i n N e f f e des J u l i u s war, vgl. unten S. i o i f f . Das Urteil Mangans entspricht also in keiner Weise der Geschichte. Es ist sehr eigenartig, daß der Julius-Dialog das gerade entgegengesetzte Urteil über das Verhältnis der damaligen Fürsten zum Papst fällt. Im Dialog sagt Petrus zum Papst: Verum illud expedi, adeo religiosos principes nunc habet mundus, tantaque est apud illos sacerdotum reverentia, ut ad unius — atque adeo talis — nutum ad arma descenderint universi? nam meis quidem temporibus hos infestissimos hostes patiebamur (Böcking I V , S. 448, 22ff.). Nach dem zeitgenössischen Urteil des Dialogs sind die Fürsten und Barone jener Zeit also nicht in der Roheit und Wildheit nach Art der Indianer zu denken, sondern wegen ihrer allzu großen Ergebenheit gegenüber der Hierarchie zu tadeln. •) Iam vindicata est a Gallis Italia (Allen I, ep. 288, 102).

24

cessat bellum). Julius meinte immerhin einen Grund für seine Kriege zu haben; aber dieser Grund ist jetzt hingefallen, so daß das Urteil über den gegenwärtigen Kriegszustand schärfer ist als das Urteil über die Kriege Julius' II. Im Hinblick auf die Fortdauer des Kriegszustandes auch nach dem Tode des Julius hat man nicht mehr das Recht, ihm persönlich wegen seiner kriegerischen Betätigung Vorwürfe zu machen. Dieser Brief an Antonius von Bergen war — wie auch Huizinga h e r v o r h e b t — die erste Veröffentlichung des Erasmus über den Krieg. Vermutlich schon 1514 wurde er von Spalatin ins Deutsche übersetzt und dann 1 5 1 5 in der Frobenschen Ausgabe der Adagia zum Dulce bellum inexpertis erweitert 2 ). Dadurch, daß dieser Brief die Polemik des Erasmus gegen den Krieg eröffnet und die Grundlage für seine weiteren Auslassungen gegen den Krieg geworden ist, gewinnt er eine besondere Bedeutung: er läßt die ursprünglichen Motive der Abneigung des Erasmus gegen den Krieg erkennen. Um so wichtiger ist es, daß seine Klage über den Krieg offenkundig ihren Anlaß nicht in irgendwelchen Haßgefühlen gegen Julius II., sondern in dem persönlichen Unbehagen hat, welches der englisch-französische Krieg dem Erasmus bereitet, und daß die Absicht des Briefes nicht die Beschimpfung des Julius ist, sondern daß — wie der Schluß des Briefes zeigt — der angesehene und einflußreiche Empfänger des Briefes veranlaßt werden soll, daß er seinen Einfluß bei den F ü r s t e n : bei Karl von Spanien, dem Kaiser Maximilian und dem englischen Adel, benutzen soll, um sie zur Beilegung des Krieges zu bestimmen 3 ). In diesem Zusammenhange kommt er auf den — keineswegs originalen, sondern auch von der Kurie in An») S. 1 1 4 . 2 ) Allen I, ep. 288 Einl. 3 ) Allen I, ep. 288, 125 fr.

25

spruch g e n o m m e n e n — Gedanken, daß der Papst als Schiedsrichter die streitlustigen Fürsten zurechtbringen müsse, und erwähnt dabei beiläufig und jedenfalls ohne Gehässigkeit den Papst Julius. Das Bedürfnis der Rache an dem kriegerischen Papst wird man infolgedessen aus diesem Briefe des Erasmus nicht herauslesen können. 4. Für die Beurteilung der Stellungnahme des Erasmus gegenüber dem Krieg ist es wertvoll, daß Huizinga im Gegensatz zu dem Vorredner der Oxforder Ausgabe den zeitlichen Abstand betont, in dem sich die ersten Äußerungen des Erasmus über den Krieg (1513/14) zu seinem italienischen Aufenthalt (1506—1509) befinden. Schon dadurch wird die Annahme, daß Erasmus mit seiner Polemik gegen den Krieg »seine Zeit an dem kriegerischen Papst habe rächen wollen«, unmöglich. Hätte Erasmus wirklich ein derartiges persönliches Rachegefühl gegenüber dem Papst gehabt, so müßte man schon den — allerdings ganz unmöglichen — Ausweg wählen, daß man den Julius-Dialog unmittelbar nach der Begegnung des Erasmus mit Julius in Bologna verfaßt sein ließe, wie es der Vorredner der Oxforder Ausgabe getan hat. Psychologisch verständlich wäre ein so leidenschaftlicher Ausbruch persönlicher Gehässigkeit, wie er im Julius-Dialog vorliegt, schlechterdings nicht, wenn zwischen dem persönlichen Eindruck, den Erasmus in Bologna bekommen hat, und seinem Angriff auf den Papst eine Spanne von ungefähr 7 Jahren liegt. Dazu kommt, daß dieser Angriff auf den Papst, wenn er lediglich dem Unwillen des Erasmus über die moralische Haltung des Papstes Ausdruck geben soll, nur bei Lebzeiten des Papstes, aber nicht nach seinem Tode einen Sinn haben würde. *) Vgl. Pastor I I I , 1895, S. 488: »Noch galt ja bei allen christlichen Fürsten und Völkern der heilige Stuhl als ein internationales Friedensgericht, als das höchste Forum, vor welches auch wichtige völkerrechtliche und politische Fragen gehörten«.

26

In der Tat zeigen aber sowohl die Briefe, die Erasmus 1506 in Italien geschrieben hat, als auch seine Briefe an Ammonius und an Anton von Bergen, daß die Abneigung des Erasmus gegen den Krieg mit der Person des Julius nichts zu tun hat. In den Briefen des Erasmus, die von seiner italienischen Reise erhalten sind, wird der Papst nur ganz selten und ohne kritische Bemerkung erwähnt. Die bereits angeführte Äußerung über den Sieg und Triumph des Papstes kann als Ausdruck der Bewunderung aufgefaßt werden. Der Wunsch, nach Bologna zurückzukehren, w e i l der Papst mit seinen Kardinälen dort überwintern wird 1 ), macht auch nicht den Eindruck, daß Erasmus feindselige Gefühle gegenüber dem Papst hegt. Im übrigen wird am 16. November 1506 nur ganz objektiv berichtet, daß der Papst am 11. November seinen Einzug in Bologna gehalten und am folgenden Sonntag, am 15. November, in der Hauptkirche der Stadt die Messe gefeiert habe 2 ). 5. Aber während in diesen Briefen des Erasmus keinerlei persönliches Urteil über die kriegerischen Neigungen des Papstes ausgesprochen wird, besitzen wir eine Äußerung des Erasmus über den Papst, die sich auf seinen Aufenthalt in Italien bezieht und die Stellungnahme des Erasmus zum Papst in der Kriegsfrage in eine ganz eigentümliche Be1)

Allen ep. 200, 6.

2)

Allen ep. 203, 8.

In welchem Ausmaße in der neueren Erasmus-

forschung die einfachsten Tatsachenberichte

des Erasmus

ausgedeutet

werden, damit sie zum Zeugnis für die feindselige Gesinnung des Erasmus gegen Julius II. werden, sieht man an den Worten, die Pineau dem Brief vom 16. November hinzufügt: Dans une lettre du 16 novembre, il donnait cette sèche indication son ironie:

d'un spectacle qui ne laissa pas de le choquer ou d'amuser

»Le souverain Pontife Jules est entré dans Bologne à la Saint-

Martin, et dimanche dernier il a officié dans la cathédrale« (Érasme et la papauté, S. 11).

Wie aus dieser »trockenen Mitteilung« irgend

etwas über die innere Stellungnahme des Erasmus erschlossen werden soll, ist unverständlich, wie denn auch Pineau die Wahl läßt, ob Erasmus sich geärgert oder sich amüsiert hat!

27

leuchtung rückt, — eine Äußerung, die bei den bisherigen Verhandlungen über die Stellungnahme des Erasmus noch nicht die ihr gebührende Beachtung gefunden hat. In dem für Johannes Botzheim geschriebenen Catalogus omnium Erasmi lucubrationum vom 30. Januar 1523 erzählt Erasmus nämlich, er habe während seines Aufenthaltes in Rom (1509) zwei Reden ausgearbeitet über die Frage, ob der Papst den Krieg gegen Venedig führen solle oder nicht. In der ersten dieser beiden Reden habe er davon abgeraten und in der zweiten Rede habe er zum Kriege zugeraten! Von diesen beiden Reden habe aber die zweite Erfolg gehabt, obgleich er — Erasmus — die erste dieser beiden Reden mit größerer Sorgfalt und mehr aus seiner Gesinnung heraus geschrieben habe. Veranlaßt worden sei er zur Abfassung dieser Reden durch den Kardinal Raphael tituli S. Georgii — Raffaele Riario, den Neffen Sixtus' IV., also ebenso wie Julius II. zur Familie della Rovere gehörig — , wobei Erasmus bemerkt, dieser Kardinal habe ihn i m N a m e n J u l i u s ' II. um eine Rede g e g e n den Krieg gebeten, da die Sache damals im Senat der Kardinäle verhandelt werden sollte 2 ). Allen I I , ep. 333, Einl.

It was at his request that Erasmus wrote

the oration against the war with Venice, when in R o m e 1509. erwähnt also nur e i n e R e d e g e g e n 2)

Allen

Krieg.

R o m a e c u m agerem, in gratiam R . D . Raphaelis Cardinalis tituli

S. Georgii dissuasi me

den

flagitabat

Iulii

bellum

suscipiendum adversus Venetos, qui hoc a

nomine-, n a m id tum agebatur in senatu Cardinalicio.

Rursum suasi bellum in Venetos.

Posterior oratio vicit, tametsi ego

priorem maiore studio magisque ex animo tractaveram: periit perfidia cuiusdam archetypum.

Coeperam ex memoria rursus notare q u a e d a m

argumenti capita, et arbitror alicubi latitare inter schedas meas (Allen I, S. 37, 7 ff.). Das Konsistorium, in dem der Beitritt des Papstes zur L i g a von C a m b r a i und damit der Krieg gegen V e n e d i g beschlossen wurde, fand a m 22. M ä r z 1509 statt (Pastor, I I I , S. 594).

D a Erasmus E n d e

Februar 1509 von Siena aus z u m erstenmal in R o m war (Allen I, S. 452), m u ß sich sein Bericht auf diese Zeit beziehen.

Im Adagium:

Dulce

bellum inexpertis, erzählt Erasmus ebenfalls, d a ß er für Julius II. »einst« während seines Aufenthaltes in R o m ein Buch mit dem Titel Antipolemo

28

Man wird es vielleicht der Eitelkeit und Wichtigtuerei des Erasmus zugute halten müssen, wenn er hier den Eindruck zu erwecken sucht, als ob der Papst für seine politischen Entscheidungen den Rat des Erasmus in Anspruch genommen habe. Aber auch wenn man den dieser Erzählung zugrundeliegenden Tatbestand ganz beiseite stellt, geht doch aus dem Bericht selbst hervor, daß Erasmus von Erbitterung über die Kriegswut des Papstes nichts weiß. Erasmus ist nicht bloß seinerseits bereit, das Für und Wider des päpstlichen Unternehmens gegen Venedig zu prüfen — so daß ihm also der Krieg des Papstes gegen Venedig nicht ohne weiteres ein Greuel ist, sondern er bezeugt auch, daß der Papst ein Urteil g e g e n den Krieg habe hören wollen 1 ). geschrieben habe, dessen Veröffentlichung er ankündigt (Verum hisce de rebus omnibus aliquanto copiosius audietur, cum edemus librum cui titulum fecimus Antipolemo, quem olim Romae vitam agentes, ad Iulium secundum Romanum pontificem conscripsimus, eo tempore quo de bello in Venetos suscipiendo consultabatur). Dies erwähnt auch Pineau, bezeichnet aber den im Ecclesiastes veröffentlichten Traktat als un discours fictif, ohne auf seine Bedeutung weiter einzugehen (Érasme et la Papauté, S. 12 Anm. 4). ') Es ist sehr bezeichnend, daß das Manuskript dieser beiden Reden nach der Angabe des Erasmus verloren gegangen sein soll! Man wird dies besonders im Hinblick auf die Rede f ü r den Krieg, die Erasmus später nicht zu reproduzieren versucht hat, bedauern. Auf diese Stelle im Catalogus von 1523 habe ich bereits in meinem »Vorläufigen Bericht« (Ztschr. f. syst. Theol. X I I , S. 350) hingewiesen. Neuerdings hat sich auch Huizinga mit dieser Stelle beschäftigt (Ce qu' Érasme ne comprenait pas. Grotius, Annuaire international pour 1936, S. 13—20). Sie widerspricht offenkundig der Auffassung Huizingas, daß die Eindrücke in Bologna den Zorn und Haß des Erasmus gegen den Papst veranlaßt haben: Voilà donc Érasme sous un jour assez surprenant. Le grand pacifiste tour à tour contre et pour la guerre et qui confesse franchement d'avoir abandonné sa conviction intime pour défendre l'opinion contraire! (S. 14). Huizinga meint, vielleicht sei die tiefe Erniedrigung, die darin für Erasmus liege, für ihn der Grund gewesen, sich an dem Papst durch den Dialog Julius so grausam zu rächen: N'est-ce pas là l'humiliation profonde dont il devait se venger si cruellement en écrivant le dialogue Iulius exclusus e coelis? (S. 14f.). Oder Erasmus

29

6. Erasmus hat allerdings später 1) im Hinblick auf den Einzug des Papstes in Bologna und Rom gesagt, er habe diesen Triumphen des Papstes nicht ohne heimliches Seufzen beigewohnt. Er habe sie mit angesehen und im Stillen darüber geklagt. Pineau zieht aus diesen Worten des Erasmus den Schluß, daß das Seufzen des Erasmus sich auf die kriegerische Haltung des Papstes und den durch die heilige Kirche geübten Menschenmord bezogen habe. Aber davon sagt Erasmus kein Wort und der kriegerische Hintergrund fällt vermutlich bei dem prunkvollen Aufzug des Papstes in Rom fort 2 ), — er bedauert nur den großen Prunk, den der Papst bei seinen Triumphen entfaltet 3 ). Die unerhörte Pracht, mit der der Papst in Bologna einzog, hat auch auf andere Zeitgenossen einen ungeheuer starken Eindruck gemacht 4 ). Ausführlich hat ihn Pastor geschildert, wobei der Stolz und die Freude des treu päpstlich gesinnten Katholiken ohne jede habe aus Furcht vor dem Papst nicht anders handeln können. Oder — man erinnere sich, daß Erasmus überhaupt nicht bedingungsloser Pazifist war (S. 15): En 1509, lors du conflit de la Ligue de Cambrai, il était bien permis à un simple humaniste d'hésiter en toute bonne foi pour savoir si la cause du pape guerrier était juste on non (S. 16). Oder auch — Érasme ne fut jamais un esprit politique, dans aucun sens du mot (S. 17). Il ne s'est jamais rendu compte de la naiveté de ses idées politiques (S. i8f.). Die Vielheit dieser Erklärungsmöglichkeiten zeigt, wie unmöglich es ist, die Kriegsgutachten des Erasmus von 1509 mit seinem angeblichen Zorn auf den Triumphator von Bologna in Einklang zu bringen. ') 1522 in der Apologia ad blasphemias Stunicae (Pineau, S. 11). 2 ) Pastor bemerkt (unter Berufung auf Nolhac, Érasme en Italie 17), die Angabe des Erasmus, er sei auch bei dem Einzug Julius' II. in Rom gewesen, sei eine Unwahrheit (III, S. 572, Anm. 6). Das ist zutreffend, wenn der Einzug des Papstes in Rom vom 28. März 1507 (Pastor I I I , S- 575) gemeint ist, da Erasmus erst Ende Februar 1509, von Siena herkommend, zum erstenmal in Rom war (Allen I, ep. 216 Einl.). Aber Erasmus kann auch irgendeinen anderen der prunkvollen Aufzüge des Papstes in Rom gemeint haben. 3 ) Pastor I I I , S. 572, Anm. 6. Vgl. z. B. Christoph Scheurl, Briefbuch I, S. 34, 39.

30

kritische Bemerkung in höchst naiver Weise zum Ausdruck kommt, wenn Pastor sagt: »Es war ein Schauspiel ganz ungewöhnlicher Art, bei welchem d i e h e r r l i c h e E n t w i c k e l u n g des F e s t w e s e n s d e r R e n a i s s a n c e überwältigend in Erscheinung trat« . Eben diese »herrliche Entwickelung des Festwesens der Renaissance« in ihrer Veranschaulichung durch den Stellvertreter Christi war es, woran der nordische Humanist Erasmus, der hier zum erstenmal das päpstliche Rom vor seinen Augen sah, Anstoß nahm, — wobei man immerhin ganz leise auch die Frage aufwerfen darf, inwieweit wohl an dem heimlichen Seufzen des Erasmus der Wunsch beteiligt gewesen sein mag, Nutznießer dieser weltlichen Herrlichkeit sein zu können. Sein Entschluß, um des Papstes willen den Winter in Bologna zu verbringen, und die Wichtigkeit, mit der er im Hinblick auf seinen späteren Aufenthalt in Rom von seinen freundschaftlichen Beziehungen zur Kurie spricht, zeigen jedenfalls, daß sich zwischen ihm und dem Papste keine unübersteigbare Kluft aufgetan hatte. 4. E R A S M U S

UND DIE RÖMISCHE

KURIE

Erasmus hat sich wiederholt gerühmt, daß er bei seinem Aufenthalt in Rom von den Kardinälen wie ein Freund und wie ihresgleichen aufgenommen worden sei. Er nennt dabei besonders die Kardinäle Riario und Giovanni Medici, den späteren Papst Leo X., aber auch die Kardinäle Alidosi, Guib£ und Grimani. 1. Mit aller Ausführlichkeit und mit der ihm eigenen Selbstgefälligkeit berichtet er über seinen Besuch bei Grimani, der *) Pastor I I I , S. 572. Ein anderer katholischer Historiker — Ferguson — scheint allerdings die Mißbilligung des Erasmus zu teilen, daß the successor of the Apostles make his triumphal entry into the city . . with all the arrogant splendor of a pagan emperor (Erasmi Opuscula,

S. 39). 31

allerdings nur zu einer einmaligen Begegnung mit dem K a r dinal führte und für Erasmus keine weiteren Folgen hatte

.

Letzteres erklärt Erasmus in einem Brief an den Kardinal, zu dem er erst nach 6 Jahren Anlaß findet: er sei der Einladung des Kardinals, ihn wieder zu besuchen, nicht gefolgt, weil er gefürchtet habe, die bezaubernde

Liebenswürdig-

keit des Kardinals werde ihn in seinem Entschluß, Rom zu verlassen und den dringenden Einladungen seiner englischen Freunde — einschließlich der Liebenswürdigkeit des englischen Königs — zu folgen, wankend machen 2 ). Eine Antwort auf diesen Brief vom 15. Mai 1 5 1 5 hat Erasmus nicht erhalten.

Möglicherweise ist die Antwort Grimanis — viel-

leicht sogar auch ein zweiter Brief von ihm — verloren gegangen. Erasmus hat noch dreimal—am 13. November 1 5 1 7 , am 26. April 1 5 1 8 und am 2. Oktober 1 5 1 9 — in superlativer Schmeichelei an Grimani geschrieben 3 ).

Unsere Kenntnis

des Verhältnisses, in dem Erasmus zu Grimani stand, beschränkt sich also auf die Mitteilungen des Erasmus.

Ein

sicheres Zeugnis dafür, daß Grimani sich wirklich ernsthaft für Erasmus interessiert hätte, besitzen wir nicht.

Was

Erasmus von seinem Empfang bei Grimani erzählt, geht nicht über die vornehme Höflichkeit hinaus, wie sie in ähnlicher Lage jeder Kirchenfürst — zumal in Italien, wo man auf schöne Gesten so großes Gewicht legt, — üben würde.

Man

darf außerdem nicht vergessen, daß Erasmus die Schilderung seiner römischen Freundschaften braucht, um auf seine engJortin I, S. 29 fr. ) Quo minus a primo illo et eodem postremo congressu repetiverim dominationem tuam reverendissimam, quemadmodum et illa iusserat et ego me facturum receperam, non mea negligentia sed tua magis inusitata quaedam et singularis comitas humanitasque fuit in causa. . . . Proinde verebar ne si redissem ad tuam celsitudinem, verterem animi decretum (Allen II, 73f.). 3 ) Allen I I I , ep. 7 1 0 , 835 (vgl. besonders ep. 835, 13, Anm.) und I V , ep. 1017. 2

32

lischen Freunde Eindruck zu machen, damit sie — angestachelt durch die angeblichen Bemühungen der römischen Kirchenfürsten, Erasmus für Rom zu gewinnen — sich um so eifriger bemühen, Erasmus durch größere Geldzahlungen in England festzuhalten. In einem Briefe vom 9. Dezember 1511 hat Erasmus seinem Freunde Ammonius dies Geheimnis des Erfolges bereits mitgeteilt. Gegenüber den Klagen des Ammonius, daß es ihm nicht gelinge, in England es zu etwas zu bringen, flüstert er ihm den besonderen Rat ins Ohr, er solle sich die »britannische Eifersucht« zunutze machen und sich auf zwei Stühle setzen. »Erwecke den Eindruck, daß du von mehreren Seiten umworben wirst. Drohe mit deinem Fortgang und treffe Anstalten dazu. Zeige Briefe, in denen man dich unter großen Versprechungen zu kommen einlädt. Ziehe dich ein wenig zurück, damit das Gefühl des Mangels das Verlangen reize1).« Man kann allerdings einwenden, daß dieser dem Freunde gegebene Rat nur scherzhaft gemeint sei. Aber das ist kaum anzunehmen, da ein derartiger Scherz ziemlich sinnlos wäre. Andererseits entspricht die Gerissenheit dieser Lebensweisheit durchaus dem Charakter und dem Verfahren des Erasmus. Die Art, wie er in seinen Briefen an die römischen Kardinäle diesen die großen Vorteile seines Bleibens in England und zugleich seinen englischen Freunden die ihm in Rom winkenden Herrlichkeiten ausmalt, gibt einen anschaulichen Eindruck davon, wie man es macht, sich zu gleicher Zeit auf zwei Stühle zu setzen, — wobei Erasmus dann allerdings die Erfahrung machen muß, daß man sich bei diesem Verfahren unter Umständen auch zwischen die beiden Stühle setzen *) A g e , q u a n d o ita vis, a c c i p e peculiare consilium, sed heus in auremNosti

tt)v ßpiTCtvviKTiv

jT|AoTutrfav.

hac

in

tuum

bonum

D u a b u s sedeto sellis.

S u b o r n a diversos procos q u i te a m b i a n t .

et a p p a r a discessum.

Ostende

abutere. Minare

literas quibus magnis pollicitis avocaris;

s u b d u c i t o te n o n n u n q u a m , u t subtracta copia desiderium a c u a t (Allen I , ep.

250, 13 fr.).

3

S t a n g e . Erasmus

33

kann.

D e n n tatsächlich ist es i h m w e d e r

gelungen,

seine

englischen F r e u n d e zu größeren A u f w e n d u n g e n f ü r ihn zu veranlassen, noch a u c h , in R o m die in E n g l a n d vergebens gesuchten »goldenen B e r g e « 1 ) zu

finden2).

2. N i c h t viel anders ist der E i n d r u c k , den m a n aus d e m Briefwechsel des E r a s m u s mit R i a r i o b e k o m m t .

E s ist schon

a u f f a l l e n d , d a ß E r a s m u s an demselben T a g e zwei Briefe m i t demselben I n h a l t an zwei K a r d i n ä l e in R o m schreibt. dem

Briefe

an

Riario

zugrunde

liegende

Das

Textmaterial3)

und die v o n E r a s m u s v o r g e n o m m e n e falsche D a t i e r u n g des Briefes 4 ) m a c h e n ihrerseits gegen die Authentizität des Briefes an R i a r i o mißtrauisch. und ihrer A n t w o r t e n

D e r Ü b e r b r i n g e r der beiden Briefe war

eben

derselbe

Ammonius,

den

Erasmus in die klugen Geheimnisse seiner Diplomatie eingeweiht hatte 6 ).

M e r k w ü r d i g e r w e i s e hat E r a s m u s die A n t -

!) Allen I I , ep. 330, 38; ep. 334, 47 f. 2 ) Anscheinend hat der Kardinal die Diplomatie des Erasmus durchschaut. Nach dem Bericht des Erasmus hat Grimani ihn nicht mehr zu bereden gesucht, sobald Erasmus ihm mitgeteilt, daß er von Heinrich V I I I . einen »Ruf« erhalten habe (Jortin I, S. 3 1 ) . Tatsächlich ist von einem »Ruf« des Königs weder in dem höchst zweifelhaften Briefwechsel mit ihm (Allen I, ep. 206 Einl.) noch in dem Brief von Mountjoy (Allen I, ep. 215) die Rede. Außerdem ist der Brief von Mountjoy gar nicht von diesem, sondern von Ammonius geschrieben und erst durch Erasmus zu einem Brief seines Gönners gemacht worden (Allen, T h e age of Erasmus, S. 183f.). 3 ) Allen II, ep. 333 Einl. 4 ) Possibly it was that he wished Warham and his English friends to believe that in the earliest days of his visit to England he was already committed to proposals for dedicating Ierome to the Pope (Allen I I , S. 69). 5 ) Nach dem von Allen auf den 3. November 1 5 1 7 datierten Brief an Caesarius scheint es sich allerdings nicht so zu verhalten. In diesem Briefe wird ein als einäugig bezeichneter Mann, nach Allen »vielleicht« Petrus Meghen (?), als Überbringer der Briefe an »die beiden Kardinäle« und des Neuen Testamentes für Leo bezeichnet. Diese Angaben können sich nicht auf den Brief des Erasmus an Leo vom 9. August 1 5 1 6 beziehen, da dieser nicht von Briefen an die beiden Kardinäle begleitet ist und Erasmus ausdrücklich bemerkt, daß er einen Band des Neuen

34

wort Grimanis auch niemals erhalten 1 ), und die Antwort Riarios kommt erst 1518 in die Hände des Erasmus 2 ), obgleich Ammonius schon am 19. August 1 5 1 5 nach London zurückgekehrt war 3 ) und der Brief an Riario schon im August 1 5 1 5 veröffentlicht wurde 4 ). Dazu kommt, daß der Brief Riarios ganz im Geiste und Stil des Erasmus gehalten ist. Er lautet ganz so, wie er lauten müßte, wenn er dem Wunsch des Erasmus, die »Eifersucht« seiner britannischen Freunde zu wecken, entsprechen sollte. Von einer praktischen Stellungnahme des Kardinals gegenüber dem Plan des Erasmus, nach Rom überzusiedeln, ist nicht die Rede. Statt dessen sucht er den englischen Freunden des Erasmus zum Bewußtsein zu bringen, was Erasmus für England bedeutet 6 ), und spricht das Bedenken aus, den Erasmus so hochgepriesenen Gönnern zu rauben ®). Selbstverständlich würde er in Rom alles haben, was sein Herz begehrt: Geld und hohe Würden, Wegzehrung für das herannahende Alter und einen gegen alle Angriffe übelwollender Menschen gesicherte Stellung 7 ). Rom ist j a die eigentliche Testaments hyeme proxima nach R o m geschickt habe, jetzt aber einen zweiten n i c h t schicke. vember 1 5 1 6

D e r Brief an Caesarius muß danach am 3. N o -

geschrieben sein, worauf auch die den beiden Briefen an

die Kardinäle entsprechenden Ausführungen über Reuchlin hinweisen. Bestätigt wird diese Feststellung durch den Brief an Grimani vom 26. A p r i l 1 5 1 8 (Allen I I I , ep. 8 3 5 ,

13—15).

Allen I I , ep. 4 5 6 , 2 0 5 f r . 2 ) Allen I I , ep. 3 4 0 Einl. 3

) Allen I I , ep. 3 3 8 Einl.

*) Allen I I , ep. 3 3 3 5

Einl.

) ita Britanniae multis rebus per se clarae

non parum splendoris

adiunget alumnus Erasmus (Allen I I , ep. 340, 8f.). 6

) ita non audemus te a tarn eximiis Moecenatibus improbis hortatibus

avellere (Allen I I , ep. 3 4 0 , ' ) sive

quaeris

igf.).

emolumentum

sive

neutrum censeo tibi contemnendum;

dignitatem

spectas,

quorum

siquidem et imminenti senectuti

mature procurandum est viaticum, et dignitas te ab invidiae . . . morsibus vindicabit (Allen I I , ep. 3 4 0 , 2 3 f r . ) . 3*

35

Heimat für solche Menschen wie Erasmus . Ja, Rom hätte sogar ein Recht, sein Kommen zu fordern, obgleich ja um Erasmus — wie dereinst um Homer sieben Städte •— verschiedene Städte sich streiten 2 ). Zum Schluß ist dann von der Hieronymus-Ausgabe des Erasmus die Rede, die sich der Kardinal so schnell wie möglich kaufen will, um sich an der Beredsamkeit des Erasmus zu ergötzen und in der Frömmigkeit gefördert zu werden, und es klingt wie eine Rechtfertigung der auffallenden Übereinstimmung des Stils dieses Briefes mit dem des Erasmus, wenn der Kardinal hinzufügt, ihm seien durch Erasmus bei seinem Aufenthalt in Rom die Feinheiten des guten Stils eröffnet worden wie durch keinen andern 3 ). Aber auch wenn man sich gegenüber dem Briefe Riarios kaum des Eindrucks erwehren kann, es mit einer Fälschung zu tun zu haben, und wenn vielleicht die »Freundschaft«, die Erasmus mit den römischen Kardinälen verband, von Erasmus selbst stärker hervorgehoben wurde, als es den tatsächlichen Verhältnissen entsprach 4 ), so behält dennoch diese In1 ) ubi . . . summis viris, id est tui similibus, amplissima virtutis praemia parata sunt (Allen II, ep. 340, 2Öf.). 2) Quid quod R o m a te suo iure veluti suum reposcit? et quamquam hoc habet cum multis urbibus commune, quemadmodum Homerum Septem urbes sibi certatim vendicabant, tarnen haec urbs in hoc certamine nullius studio cessura videtur (Allen II, ep. 340, 31 ff.)3 ) qui mihi, cum hic ageres, ad dicendi facultatem tantum aperuisti lucis, quantum ante hac ab alio nemine fuit ostensum (Allen II, ep. 340, 45f.). Allen knüpft an diese Stelle die sonst nicht weiter zu begründende Vermutung an, Erasmus habe in R o m Vorlesungen über die Beredsamkeit gehalten! 4) M a n vergleiche auch die Aussagen des Bombasius über die beiden Kardinäle in seinem Brief vom 1. Oktober 1518 (Allen I I I , ep. 865, i g f f . ) : Pro Brevi obtinendo quod operis tui benignum futurum sit elogium, non tibi Georgius [ = Riario] aut Marcus [ = Grimani] rogandi fuerunt, . . cum Cardinalem meum . . doctorum omtiium fautorem egregium rerumque huiusmodi arbitrum ac magistrum, ut nemo alius, propitium habeas. Bombasius hält also die Fürsprache des dem Erasmus unbekannten Kardinals Lorenzo Pucci f ü r aussichtsvoller als das Eintreten der dem Erasmus »befreundeten« Kardinäle.

36

anspruchnahme der römischen Kardinäle durch Erasmus ihre Bedeutung. Man sieht jedenfalls, daß die Erinnerung an seinen Aufenthalt in Rom in ihm keineswegs feindselige Gefühle gegen die Kurie weckt. Der Hof Julius' II. ist ihm nicht der Inbegriff aller Verworfenheit, sondern läßt ihm noch im Jahre 1 5 1 5 Rom als erstrebenswerte Heimstätte erscheinen. Unter den Kardinälen, um deren Gunst er sich bemüht, ist Riario ein naher Verwandter des Julius. Julius selbst, so berichtet Rhenanus, habe ihm die Stelle eines päpstlichen Pönitentiars anbieten lassen . Alles dies erweckt nicht den Eindruck, daß er dem Papst gegenüber von einem so maßlos fanatischen Zorn und Haß erfüllt gewesen ist, wie er in dem Dialog zum Ausdruck kommt. Auch die Äußerungen des Erasmus über den Papst selbst und seine Beziehungen zu ihm geben keinen Anlaß zur Annahme einer persönlichen Mißstimmung des Erasmus gegen den Papst. Aus einem erst neuerdings bekannt gewordenen Dokument aus dem vatikanischen Archiv scheint hervorzugehen, daß Erasmus schon am 4. Januar 1506 durch Julius II. einen Dispens zum Empfang kirchlicher Benefizien trotz seines defectus natalium erhalten hat 2 ). Mangan hat die (auch von Allen und Huizinga gebilligte) Vermutung ausgesprochen, daß Erasmus seinen theologischen Doktortitel in Turin auf Empfehlung des päpstlichen Legaten in England Sylvester dei Gigli, der mit Ammonius verbunden war, durch eine Verfügung Julius' I I . an seinen Großneffen Giovanni Ludovico della Rovere, den Kanzler der Universität Turin, erhalten hat 3 ). In Bologna hat er dann durch seine Freundschaft mit Carteromachus (Scipione Fortiguerra), dem Tutor Galeotto della Rovere's, eines Neffen des Papstes, eine neue Möglichkeit gewonnen, Gunsterweise seitens der Kurie zu erhalten: Carteromachus folgte Anfang 1507 mit seinem Zög!) Allen I, S. 62, 205fr. 3 ) Mangan I, S. 219—223.

2

) Allen III, ep. 187 A. (S. X X I X f . ) .

37

ling dem Papst nach Rom, und es ist möglich, daß Erasmus durch seine Vermittlung — wenn auch nicht unmittelbar von Julius selbst, wie Erasmus es darstellt, — den päpstlichen Dispens erhalten hat, das ihm verhaßte Mönchsgewand ablegen zu dürfen 1 ). Ob Erasmus in Rom von Julius selbst empfangen, aber von ihm mit der Bemerkung entlassen worden, er solle sich nicht um die Angelegenheiten der Fürsten kümmern, ist zweifelhaft 2 ). Aus der Zeit nach seiner italienischen Reise gibt es außer den bereits besprochenen Stellen nur vereinzelte kurze Bemerkungen über den Papst. In den für den Papst kritischen Jahren 1 5 1 1 / 1 2 vor und nach der Bildung der Heiligen Liga gegen Frankreich ist sein Interesse für den Papst besonders lebhaft. Am 16. September 1 5 1 1 notiert er in einem Briefe an Ammonius ganz kurz das allerdings falsche Gerücht: Audio Iulium maximum vita defunctum 3 ). Daß das dem Papst beigelegte Prädikat ernsthaft gemeint ist, zeigt der Brief des Erasmus an Leo X . vom 21. Mai 1 5 1 5 : Julius werde als maximus anerkannt von fast dem ganzen Erdkreis 4 ). Am 16. Oktober 1 5 1 1 erkundigt er sich bei Ammonius: quid procédant res Italiae, quid agat invictissimus Iulius 5 ). Daß diese Bezeichnung des Papstes als des stets Unbesiegten ironisch gemeint sei, ist ziemlich allgemein die Meinung der Erasmusforscher, läßt sich aber gegenüber der offenkundigen Hinneigung des Erasmus zur päpstlichen Partei in dieser Zeit nicht aufrecht erhalten. Man kann in diesen Worten ebenso gut die Zuversicht und zugleich den Wunsch ausgesprochen finden, daß der Papst auch die durch den Bruch mit den Franzosen herbeigeführte größte ) Mangan I, S. 231 f.; vgl. Allen I, ep. 217, 2, Anm. ) Jortin I, S. 3 1 ; Mangan I, S. 236; Huizinga, S. 209. Vgl. oben 3 ) Allen I, ep. 228, i6f. S. 28, Anm. 2. 4 ) Ut maximum declararit Iulium totus paene Orbis (Allen II, ep. 1

a

335» '09).

38

5

) Allen I, ep. 233, 4f.

Krisis seines Papsttums überwinden werde. Gewiß nimmt Erasmus — wenn auch noch nicht in so scharfen Formen wie in der Zeit seit dem englisch-französischen Kriege — dem Kriegstreiben des Papstes gegenüber eine ablehnende Haltung ein, und ebenso empfindet er auch den Widerspruch, in dem die weltliche Herrschaft des Papstes zur Frömmigkeit steht. Als ihm Ammonius berichtet, daß der Papst in Loretto gewesen sei salutem suam Divae gratulaturus 1 ), bricht er in die Worte aus: Quid ais? 6 ocpxiEpEus ad Lauretanam? co t % euaeßsias2). Dem jüdischen Arzt, der den todkranken Papst geheilt hat, zürnt Erasmus, weil er den Papst nicht völlig, d.h. nicht auch von seiner Kriegsleidenschaft geheilt hat, qui quidem parum est artifex aut parum effoetae sunt Anticyrae 3 ). Daß Erasmus mit dieser Wendung den Papst ernsthaft für geisteskrank habe erklären wollen, ist angesichts des überaus häufigen Gebrauchs dieser Redensart eine Übertreibung: die Worte des Erasmus besagen nicht mehr, als daß der Papst mit seinen Bemühungen um das Zustandekommen der Heiligen Liga unklug und töricht handle 4 ). Von persönlicher Animosität gegen den Papst ist in diesen Stellen keine Rede. Vereinzelt äußert sich allerdings schon jetzt der Unwille über die durch die päpstlichen Kriegsvorbereitungen gegen Frankreich bewirkte Störung des Handelsverkehrs zwischen Frankreich und England und die daraus folgende Behinderung der Weineinfuhr; aber das hat selbstverständlich mit dem Charakter des Papstes nichts zu tun und übt auch keinen Einfluß auf die politische Stellungnahme des Erasmus aus 5 ). Erasmus bemerkt ausdrücklich, Allen I, ep. 236, 38; vgl. 39 A n m . 3)

Allen I, ep. 240, 3 5 f r .

5)

Iam

hoc

commodorum

4)

quae

a)

Allen I, ep. 245,

19.

Erasmus, Adagia, Sp. 274. ex

bullis

sanctissimis

initium est: siti enecamur (Allen I, ep. 226, iof.).

capiuntur

Die Meinung Allens,

Erasmus könne keinen Wein kaufen, weil die von Julius erhoffte Dispensation ihm zu viel G e l d gekostet habe, läßt sich durch nichts begründen.

39

daß er sich mit seiner Ablehnung des Krieges keineswegs auf die Seite der Franzosen stellen wolle *). Daneben deutet er auf die Unsicherheit des Kriegsglücks hin: die Motte, die immer wieder zum Lichte fliegt, kann sich schließlich die Flügel verbrennen. Sollte die römische Kirche vom Mißgeschick getroffen werden, so müßte man dafür den allzu tatkräftigen Papst verantwortüch machen. Die Vertreibung der Franzosen aus Italien würde auch nicht allzuviel bedeuten, da dann die Spanier und die — von ihren eigenen Untertanen kaum zu ertragenden — Venetianer wieder kommen. Der Papst soll sich nicht darüber täuschen — (darin besteht seine Verblendung) —: die Fürsten werden niemals die Priesterherrschaft dulden. Italien wird nur seinen Herrn wechseln und statt des französischen Joches ein doppelt schweres Joch tragen müssen 2 ). Wie sehr Erasmus an dem Schicksal Italiens Anteil nimmt, sieht man aus seinem Brief vom 2. November 1 5 1 1 : in dem unaufhörlichen Regen des englischen Winters sieht er die Bitte eines ungenannten Dichters erfüllt, der von den Quellen, Flüssen, Seen und Sümpfen Tränen der Klage über das Unglück Italiens wünscht 3 ). Trotz der rein sachlichen Bedenken, die Erasmus gegen den in der Tat phantastischen Plan des Papstes, ganz Europa gegen Frankreich zu hetzen, geltend macht, ist es doch unverkennbar, daß Erasmus in der Sache des Papstes die Sache der Kirche sieht, mit der er auch seinerseits sich verbunden weiß. Dies Gepräge tragen auch die Berichte, die er von Ammonius erhält. Ammonius berichtet über die Ereignisse in Italien offenkundig vom römischen Standpunkt aus. Die Spanier sind mit den Franzosen schon fast zu offenem Bruch gekommen und die Engländer werden 1

) Allen I , ep. 240, 3 2 f . : D e rebus Italicis mihi parum laeta nuntias, non studio Galli, sed odio belli. a

40

) Allen I, ep. 2 4 5 , 1 9 f f .

») Allen I, ep. 2 3 8 ,

uff.

dabei wohl kaum müßige Zuschauer bleiben. Der Papst ist wieder hergestellt. Die Venetianer haben einen Erfolg über die Franzosen davongetragen. Der Kaiser hält sich noch zurück. Die Florentiner und Pisaner sind für ihre Begünstigung des Pisaner Konzils schrecklich bestraft worden 1 ). In einem weiteren Briefe vom 8. November 1 5 1 1 heißt es dann, daß das Bündnis, die heilige Liga, in Rom zwischen dem Papst, Venedig und Spanien zustande gekommen sei, wobei die übernommenen Verpflichtungen mitgeteilt werden. Das Pisaner Konzil tritt mit schlechtem Erfolg zusammen — es geht sogar das — (falsche) — Gerücht, daß der Hauptführer Carvajal durch spanische Vermittlung die Verzeihung des Papstes erlangt habe. Innerhalb von 40 Tagen kann jeder christliche Fürst der Liga beitreten, während sich der Papst für später die Entscheidung vorbehält. Über die Entscheidung Englands weiß Ammonius noch nichts; er scheint aber den Beitritt für selbstverständlich zu halten, da er fortfährt: a l l e i n der Kaiser wird die Rolle des Zuschauers beibehalten. Von den Florentinern heißt es, daß sie den Abfall von Frankreich planen 2 ). — Daß diese Mitteilungen das Gepräge r ö m i s c h e r Kriegsberichte tragen, ist einleuchtend, wie denn in der Tat auch wenige Tage nach diesem Briefe (am 13. November 1 5 1 1 ) Heinrich V I I I . der heiligen Liga beitritt. 5. J U L I U S I I .

UND

L E O X.

Ein besonderes Kapitel in dem Verhältnis des Erasmus zu Julius II. bilden seine Äußerungen, in denen er Julius II. mit Leo X . vergleicht. Leo X . ist in ausgesprochenem Gegensatz zu dem kriegerischen Charakter Julius' II. zum Papst gewählt worden, weil man von ihm, dem Mediceer und Allen I, ep. 236, 37 ff. ) Allen I, ep. 239, 41 ff. Zu der Mitteilung über Florenz vgl. Lettres du roy Louis X I I , III, S. 12 (vom 7. August 1511). 2

41

Florentiner, die Beilegung des Krieges mit Frankreich und überhaupt den Frieden erwartete. seinen Zeitgenossen —

E r wird deshalb von

wenigstens im Anfang seiner Re-

gierung — allgemein als Friedensfürst gepriesen

.

Selbst-

verständlich stimmt auch Erasmus in dieses Lob ein.

Aber

wir haben bereits gesehen, daß Julius II. bei dieser Gegenüberstellung keineswegs unbedingt verurteilt wird. Julius II. m u ß t e Kriege führen, weil er sich in Not und Gefahr befand, — er mußte die verletzten R e c h t e des päpstlichen Stuhls wieder herstellen. In diesem Sinne äußert sich Erasmus auch in seinem Briefe an Leo X . vom 2 1 . Mai 1 5 1 5 .

Obgleich er für seine

bis aufs alleräußerste getriebene Schmeichelei gegenüber dem regierenden Papste das Gegenbild seines Vorgängers als Folie braucht, läßt er es doch nicht an anerkennenden Worten für Julius II. fehlen.

Indem er die Politik Leos rühmt,

weil sie statt der Gewalt und Strenge kluge Überlegung und machtvolle Milde anwende, vergleicht er doch die

An-

Seit 1 5 1 7 vollzieht sich in der öffentlichen Meinung ein Wandel in der Beurteilung Leos. Der Abschluß des Laterankonzils am 16. März 1 5 1 7 hat gezeigt, daß auch Leo gar nicht an eine ernsthafte Reform der Kirche denkt; die Unterdrückung der auf die Ermordung Leos gerichteten Verschwörung der Kardinäle läßt hinter der humanistischen Maske Leos seine gemeine Gesinnung offenbar werden; die im Anschluß an diese Verschwörung vollzogene Ernennung von 31 Kardinälen — die Mutter Maria hat vor Schreck darüber schleunigst ihr Kind Jesus in den Himmel gerettet, damit sie nicht auch ihn nähmen und zum Kardinal machten (Pasquillus exul, 1544, S. 184) — hat die Skrupellosigkeit seiner Willkür und Habsucht aufgedeckt. Dieser Wandel in der Beurteilung Leos macht sich auch bei Erasmus bemerkbar. In seinem Briefe vom 22. Februar 1 5 1 8 spricht er über Leo in viel schärferem Ton als vorher über Julius: Pontifex ac Princeps novas agunt comoedias, qui nunc bellum in Turcas praetexunt, cum multo aliud agatur. Venimus ad summum et tyrannidis et impudentiae (Allen I I I , ep. 775, 5ff.). Dies Urteil über Leo kehrt in den Briefen dieser Zeit sehr oft wieder, vgl. Allen I I I , ep. 784, 59ff.; 785, 21 f.; 786, 23ff.; 796, 17fr. usw. Besonders scharf ist der von Huizinga S. 194 angeführte Brief an Lang (Allen I I I , ep. 872). Vgl. meine Schrift: Weltweites Luthertum, 1936, S. 10.

42

wendung von Gewalt und Strenge mit der ärztlichen Kunst: der Arzt muß schneiden, brennen und bittere Arznei verordnen. Es soll deshalb die Verherrlichung der Kriege Julius' I I . nicht verwehrt werden: man mag die Entschlossenheit, mit der er sie in Angriff genommen, und das Glück, mit dem er sie geführt, anerkennen — man mag seine mit Waffengewalt gewonnenen Siege preisen und seine königlichen Triumphe rühmen. Aber man darf nicht übersehen, daß dieser Kriegsruhm nicht ohne das Leid vieler möglich war und daß ein wesentlicher Anteil des Kriegsruhmes den Fürsten und den Soldaten und nicht zuletzt dem Zufall zuzusprechen ist. War Julius nach dem Zeugnis des ganzen Erdkreises groß durch seine Kriege, so ist Leo doch durch die Wiederherstellung des Friedens der Welt größer. Das bezeugen im einzelnen seine Erfolge gegenüber Frankreich und England. Nach der Lage der Zeit war die Strenge Julius' II. notwendig, aber heilsamer ist die Milde Leos und mehr dem Ideal eines Nachfolgers Christi angepaßt *). Man könnte allerdings einwenden, daß diese nur bedingte Ablehnung des kriegerischen Charakters Julius' II. aus der Rücksicht auf den Empfanger des Briefes zu erklären ist: Erasmus konnte — so könnte man sagen — in einem Briefe an den Nachfolger Julius' II. unmöglich alle Register seines Zornes über den Papst ziehen, sondern mußte gegenüber dem gegenwärtigen Inhaber der päpstlichen Gewalt eine gewisse Zurückhaltung üben und deshalb auch an seinem Vorgänger die Würde seines hohen Amtes respektieren. Aber Erasmus hat das in dem Briefe an Leo ausgesprochene Urteil auch sonst, so z. B. in dem Adagium: Dulce bellum inexpertis, und zwar zum Teil in wörtlicher Wiederholung, ausgesprochen 2 ). Und was er in dem Brief an Leo über Julius II. sagt, stimmt auch mit seiner früheren Haltung gegenüber dem Papst, z. B. mit seinem Brief an Antonius von Bergen Allen II, ep. 3 3 5 , 90—129.

2

) Adagia, Sp. 84of.

43

und mit seinen Briefen an Ammonius überein. Selbst die Wendung seines Briefes an Busleiden vom J a h r e 1506 klingt in dem Briefe an Leo nach. Wenn er damals schrieb: Summus pontifex belligeratur, vincit, triumphat, so kehrt nun diese dreigliedrige Formel wieder: Alii laudibus vehant bella a Iulio secundo vel excitata gnaviter vel gesta feliciter, victorias armis partas recenseant, triumpkos regaliter actos celebrent 1 ). Gegenüber dieser späten Wiederkehr jener dreigliedrigen Formel kann aber nicht mehr von Ironie die Rede sein: wird doch sowohl die Vorbereitung der Kriege durch Julius (gnaviter) als auch ihre Durchführung (feliciter) gelobt. Was Erasmus an Julius zu tadeln findet, spricht er in seinem Brief an Leo ausdrücklich aus; aber das, was er tadelt, hebt die Anerkennung seiner Größe als Kriegsheld nicht auf. Man wird deshalb auch von hier aus die Äußerung in dem Brief an Busleiden — in einer Zeit, in der Erasmus von den notvollen Folgen des Krieges persönlich noch kaum etwas erfahren hatte, — nicht anders denn als Anerkennung der imponierenden Größe Julius' I I . deuten können. Vereinzelt findet sich gelegentlich sogar eine Äußerung des Erasmus, in der er Julius I I . seinem Nachfolger als Vorbild gegenüberstellt. In seinem Brief an Riario vom 15. Mai 1 5 1 5 tritt er für Reuchlin ein. Er bittet den Kardinal, dafür zu sorgen, daß der hochverdiente und hochgeehrte Gelehrte endlich von der ihn zermürbenden Sorge um den in R o m gegen ihn anhängig gemachten und durch viele Jahre sich hinschleppenden Prozeß befreit werde. Um seiner Bitte Nachdruck zu geben, bemerkt er, daß gegenüber der Behandlung, die Reuchlin seitens der Kurie erfährt, vielen die Erinnerung an Julius I I . ein Anlaß zu größerem Dank ist (Multis hic gratiosior est Iulii secundi memoria), da er den 1

) Allen I I ,

expertis: Sit

3 3 5 , 93fr.

penes

Iulium

Ebenso in dem A d a g i u m : Dulce bellum inbelli gloria, habeat ille sibi suas victorias,

habeat sibi magnificos triumphos (Adagia, Sp. 840).

44

Anfeindungen gegen Jakob Wimpheling im Hinblick auf dessen Gelehrsamkeit und Frömmigkeit und auf sein Alter durch persönliches Eingreifen ein Ende gemacht und seine Verleumder zum Schweigen gebracht h a t J ) . Trotz der Schmeicheleien, mit denen Erasmus um die Gunst Leos wirbt, sind seine Urteile über das Verderben des Papsttums unter der Regierung Leos nicht milder geworden als in der Zeit Julius' I I . 6.

ERGEBNIS

Abschließend darf man sagen, daß die Äußerungen des Erasmus über die Person Julius' II. — wenn man sie nicht von vornherein von der gegen den Papst gerichteten Schmähschrift aus beleuchtet und deutet — keineswegs einen besonderen Zorn und Haß gegen den Papst erkennen lassen. Erasmus hat vielmehr durchaus einen Eindruck von dem heroischen Wesen des Papstes und von seiner überragenden Bedeutung bekommen. Wenn er später sagt, Rom sei ohne den Papst und die Kardinäle nur ein Haufen von Trümmern und Erinnerungen an vergangene Unglückszeiten 2 ), so ist ihm offenbar diese Gleichsetzung Roms mit dem Papst an Julius II. anschaulich geworden. Gewiß hat er an dem Prunk des Papstes und an seinen beständigen Kriegen Anstoß genommen, und die Kritik, die er in dieser Hinsicht übt, ist im Laufe der Jahre stärker hervorgetreten, je mehr Erasmus selbst persönlich von den üblen Folgen des Krieges — in der Behinderung seiner wissenschaftlichen Arbeit, in der Verkürzung seiner Benefizien und in der Einschränkung seines Lebensgenusses — betroffen wurde. Aber Erasmus hat in seinem Zorn über den Krieg niemals den C h a r a k t e r des Papstes angegriffen und ihn niemals p e r s ö n l i c h für die 2

Allen I, ep. 333, 105—137, besonders 132—135. ) Mangan I, S. 269.

45

Zustände in Rom und Italien verantwortlich gemacht. Es ist nicht die persönliche Gemeinheit des Papstes, die die Verweltlichung des Papsttums herbeigeführt hat, sondern umgekehrt: Julius konnte nicht anders sein, als er war. Der Abfall des Papsttums von der Einfachheit und Frömmigkeit des ursprünglichen Christentums war längst eingetreten, und in der Not, in die die Kirche durch ihre Verweltlichung geraten war, konnte nur die Entschlossenheit eines starken Willens den Untergang aufhalten. In dieser Beurteilung des Papstes stimmt mit Erasmus — und das ist ein Zeugnis für die Objektivität des Erasmus — das Urteil der späteren Geschichtsschreiber überein. Selbst so ausgesprochen katholisch denkende Geschichtsschreiber wie Pastor und Mangan erkennen die Kritik an der Verweltlichung des Papsttums an und suchen daneben Julius als den Retter der päpstlichen Kirche zu rechtfertigen. In dem Dialog de obitu Iulii handelt es sich offenkundig um eine von persönlicher Gehässigkeit eingegebene Schmähschrift. Diese Gehässigkeit des Dialogs hat auch Erasmus in seinem Briefe an Campegio vom i. Mai 1519 unterstrichen, um damit durchschlagend zu beweisen, daß er nicht der Verfasser des Dialogs sein könne 1 ), d. h. also: er hält es für selbstverständlich, daß niemand bei ihm Haß gegen den Papst annehmen könne. Der Dialog geht in seiner leidenschaftlichen Erregung sogar soweit, daß er Petrus sagen läßt: gegen einen solchen verbrecherischen und verkommenen Papst, wie es Julius ist, müsse man nicht ein Generalkonzil in Anspruch nehmen, sondern das Volk müsse sich mit Steinen bewaffnen und ihn als eine öffentliche Pest der Welt aus dem Wege räumen 2 ). *) Is, ut ex argumento satis constat, scriptus est in odium divi Iulii Pontificis maximi (Allen I I I , ep. 961, 35fr.). 2 ) adversus huiusmodi pontificem, cuiusmodi tu modo descripsisti, palam scelerosum, temulentum, homicidum . . . . non tarn optandum

46

Wie hätte wohl Erasmus bei seinem so oft ausgesprochenen Abscheu gegen jede Gewalttat einen solchen Ausspruch tun können! Zumal wenn sein Zorn gegen Julius in den kriegerischen Gewalttaten des Papstes seinen Grund haben soll. Für den Verfasser des Dialogs ist dieser Widerspruch zwischen der Verurteilung

der Kriege des Papstes und der Auf-

forderung zur gewaltsamen Beseitigung des Papstes nicht vorhanden, da seine Verurteilung der Kriege des Papstes sich nur dagegen richtet, daß der Papst als Oberhaupt der Christenheit und als Stellvertreter Christi Krieg führt und daß er sich dabei nicht scheut, die seiner Seelsorge anvertrauten christlichen Völker gegeneinander zu hetzen.

Für

den Dialog handelt es sich nicht u m die Verurteilung des Krieges überhaupt, sondern um die Verurteilung der auch in den Kriegen des Papstes zum Ausdruck kommenden Verworfenheit seiner Person. Der Verfasser des Dialogs greift die Person des Papstes an und sagt ihm die schmutzigsten und gemeinsten Dinge nach. Dazu hatte Erasmus keinerlei Anlaß. V o n unbedingt durchschlagender Beweiskraft ist in dieser Hinsicht der im Dialog gegen den Papst erhobene V o r w u r f der unehelichen Geburt: heikle

wie hätte wohl Erasmus dies für ihn selbst so

Thema

dem

Papst

gegenüber

berühren

können,

zumal nachdem sich der Papst dazu bereit gefunden hatte, Erasmus selbst die unerfreulichen unehelichen Geburt zu erleichtern!

Folgen seiner 2)

eigenen

Diese eine Wendung

generale concilium, quam ut plebs armata saxis ut publicam orbis pestem e medio tollat (Böcking I V , S. 440, 2 7 f r . ) . Böcking I V , S. 435, 3: Ergo patriam novit qui patrem non novit? V g l . S. 431, 6, wo Julius nur seine Mutter nennt, und S. 433, 19, wo der Papst selbst sagt: cum ne ipse patrem noverim, quod quidem ad gloriam meam dixerim. 2 ) V g l . oben S. 37, Anm. 2. Nachtrag zu S. 42, A . 1: Es ist zu beachten, daß die scharfen Äußerungen des Erasmus aus dem Anfang des Jahres 1518 über die »Unverfrorenheit« des Papstes (Curia

47

des Dialogs — die Anspielung auf die uneheliche Geburt des Papstes — genügt für sich allein, um die Verfasserschaft des Erasmus unbedingt auszuschließen. Für diese persönliche Beschimpfung allergröbster Art ist auch die Abneigung des Erasmus gegen den Krieg kein ausreichendes Motiv. Man muß vielmehr — und das ist bei der Beurteilung des Dialogs die entscheidende Frage — sich darüber klar zu werden suchen, worin diese persönliche Gehässigkeit des Dialogs ihren zureichenden Grund hat. R o m a n a p l a n e perfricuit frontem) u n d ü b e r die V e r l o g e n h e i t des päpstlichen A u f r u f s z u r T ü r k e n s t e u e r , die in W i r k l i c h k e i t n u r f ü r die V e r t r e i b u n g der Spanier aus N e a p e l z u g u n s t e n des N e p o t e n L o r e n z o verw e n d e t w e r d e n sollte, in Briefen a n J o h n Fisher, M o r e u n d C o l e t , also an

Männer,

deren

kirchentreue

Gesinnung

(vgl. die S. 42 A n m . 1 a n g e f ü h r t e n Stellen).

u n z w e i f e l h a f t ist,

stehen

M a n sieht daraus, d a ß es

sich nicht b l o ß u m V e r ä r g e r u n g des E r a s m u s ü b e r seine

erfolglosen

B e m ü h u n g e n u m die d u r c h d e n Papst z u g e w ä h r e n d e »Altersversorgung« h a n d e l t e (s. o b e n S. 34, A n m . 2), d a ß E r a s m u s v i e l m e h r a u f V e r s t ä n d n i s u n d Z u s t i m m u n g r e c h n e n konnte bei M ä n n e r n , d e n e n n o c h neuerdings der g e g e n w ä r t i g e Papst die U n a n t a s t b a r k e i t ihrer k i r c h l i c h e n O b ö d i e n z »bescheinigt« hat.

I n d e m Brief a n R h e n a n u s v o m 13. M ä r z 1 5 1 8 ä u ß e r t

sich E r a s m u s in der gleichen Weise.

D a ß es sich d a b e i u m eine nicht

vereinzelte S t e l l u n g n a h m e des E r a s m u s h a n d e l t , zeigt u. a. der drastische Brief W i l h e l m Nesens a n B r u n o A m e r b a c h aus Paris v o m J u n i

1517

(vgl. des E r a s m u s Brief a n Caesarius v o m 16. 8. 1 5 1 7 ) : Impressus est C o l o n i a e ut a u d i o libellus q u i d a m in I u l i u m p o n t i f i c e m , v i r u m viveret nebulonem quidem, sed hoc [ L e o n e ] longe meliorem.

dum

E x o r i a t u r aliquis

e studiosorum grege, q u i hunc [ L e o n e m ] p a u l o expressius suis e x p r i m a t coloribus q u a m ille quisque [quisquis] fuerit q u i in I u l i u m lusit, sed verissime, sed christianissime, sed ingeniosissime.

Tu

siquid tibi

de

a u t o r e constat m i h i rescribas v e l i m (L. G e i g e r , S t u d . z. G e s c h . d. f r a n z . H u m . ; Vierteljahrsschrift f ü r K u l t u r u n d Literatur der R e n a i s s a n c e I, 1886, S. 18, A n m . ) . — Dieser A l l e n anscheinend u n b e k a n n t g e b l i e b e n e Brief Nesens w i d e r l e g t übrigens a u c h d i e V e r m u t u n g e n , d i e A l l e n i m H i n b l i c k a u f d e n Brief des E r a s m u s a n B u c e r v o m 2. M ä r z

1532 aus-

spricht: Nesen k a n n die v o n Erasmus angefertigte A b s c h r i f t des J u l i u s Dialogs n i c h t schon w ä h r e n d seines A u f e n t h a l t s in Basel

(bis

1516)

gesehen h a b e n , w e n n er v o n Paris aus ( 1 5 1 7 — 1 5 1 9 ) A m e r b a c h das E r scheinen des D i a l o g s meldet u n d sich n a c h d e m Verfasser (s. u . S. 204, A n m . 2 u n d 3).

48

erkundigt

ZWEITES

® t r bcô

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EINFLUSS

DEN

KAPITEL

bfö

DES

© t a l o g ô

ERASMUS

HUMANISTISCHEN

STIL

Während Huizinga nur beiläufig das Problem des Dialogs berührt, hat Durand de Laur bereits im Jahre 1872 ihm eine besondere, eingehende und methodisch angelegte Untersuchung gewidmet 1 ), die auf die Stellungnahme der neueren Erasmusforscher großen Einfluß ausgeübt hat. Durand meint, es sei »fast« bewiesen, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs sei 2 ). Er führt dafür »innere« und »äußere« Gründe an 3 ). Zu den »inneren« Gründen gehört zunächst der Stil. Der Dialog ist in derselben geistvollen Weise geschrieben wie die Schrift des Erasmus über »Das Lob der Torheit«, mit demselben Gedankengehalt, derselben Ironie, in derselben Schreibweise und in derselben Sprache 4 ). Allerdings schränkt Durand dies Urteil dann sogleich etwas ein: die Sprache des Dialogs ist einfacher, ungezwungener und leb1 ) H. Durand de Laur, Érasme précurseur et initiateur de l'esprit moderne, II, 1872, S. 589fr. S. 302 f. : Il est à peu près démontré pour nous qu'il en était l'auteur, mais qu'on l'imprima sans son aveu et contre son gré. 3

) S. 589: À l'appui de notre opinion, il y a des preuves intrinsèques et des preuves extrinsèques. 4

) S. 302: A l'Éloge de la Folie nous rattachons le dialogue de Iules I I . . . C'est le même esprit, le même fonds de pensées, la même ironie, le même style, le même langage. 4

Stange, Erasmus

49

hafter als in den Schriften des Erasmus aus jener Zeit, — aber Durand sieht darin die Schreibweise der Colloquia des Erasmus sich bereits ankündigen 1 ). Diese Ähnlichkeit des Stils ist schon für die Zeitgenossen des Erasmus der Grund gewesen, der sie dazu veranlaßte, Erasmus für den Verfasser zu halten.

Man muß dabei

allerdings beachten, daß die Bezeichnung einer Schrift als »erasmisch« noch nicht die Bedeutung haben muß, daß Erasmus ihr Verfasser sei.

Das Wort »erasmisch« ist in den

humanistischen Kreisen Kunstausdruck für eine bestimmte Art der Schriftstellerei geworden.

Nach Samuel Knight

soll bereits Colet die Formel: Erasmicum quiddam gebildet haben 2 ).

In einer Äußerung Luthers über den Dialog

werden die Merkmale des »erasmischen« Stils in charakteristischer Weise angegeben: »gefällig, voll Bildung und geistvoll« — das ist »erasmisch« 3 ).

Ebenso wie die Bezeichnung

einer Schrift als »ciceronianisch« dieselbe nicht als von Cicero verfaßt bezeichnen soll, sondern nur die Gleichartigkeit der klassischen Form im Sinne Ciceros feststellen will, ebenso ist auch der »erasmische« Stil eine Kunstform, aus deren Anwendung sich noch keinerlei Urteil über die Person des Verfassers ergibt. In diesem Sinne ist auch die ganz ähnliche Äußerung Morillons in seinem Briefe an Erasmus vom 18. Februar 1 5 1 7 zu verstehen: »Welches Vergnügen uns der Julius gemacht hat, wie wir ihm in unendlichem Lachen ein Totenopfer gebracht, wie schön, wie witzig und — um es mit einem Wort zu sagen — wie »erasmisch« er uns in seinem Streit mit Petrus erschienen ist, kann man leichter empfinden ib.: avec une allure plus simple, plus dégagée, plus vive, qui annonce déjà la manière des Colloques. a ) Leben des Erasmus, ins Deutsche übersetzt von Theodor Arnold, 1 7 3 6 , Einl. S. 26. 3 ) tarn iucunde, tarn erudite, tarn denique ingeniöse (id est omnino Erasmice) textus est (W. A . Br. I, S. 1 1 8 , 3 ) .

50

als sagen« x ). Hier ist die Bezeichnung als »erasmisch« lediglich als Schmeichelei für Erasmus gemeint, ohne daß damit über den Verfasser des Julius irgend etwas ausgesagt würde. Aber auch Erasmus selbst bedient sich des Wortes »erasmisch« als Bezeichnung des ihm eigentümlichen Stils 2 ). Ebenso wie Luther hat auch Scheurl aus der »erasmischen« Kunstform des Dialogs den Schluß auf die Verfasserschaft des Erasmus gezogen 3 ); aber diese Schlußfolgerung ist nicht zwingend. Bei dem außerordentlich großen Einfluß, den die Schriftstellerei des Erasmus auf die Bildung seiner Zeitgenossen ausgeübt hat, ist es wohl verständlich, daß man sich bemühte, »erasmisch« zu schreiben. In den Briefen der zahlreichen Freunde des Erasmus tritt dies Bemühen deutlich zutage. Aber auch in dem weiteren Kreis der Humanisten zeigt sich die vorbildliche Bedeutung des Stils und der Sprache des Erasmus, wie man denn z. B. in den Briefen Scheurls den Eindruck einer geradezu pedantischen Nachahmung des Erasmus bekommt und selbst Luther in seiner Streitschrift gegen Erasmus De servo arbitrio offenkundig seinen Stil auf die Höhe des »erasmischen« Stils zu bringen versucht. Erasmus war deshalb durchaus im Recht, wenn er die Beweisführung allein aus dem Stil als unbegründet und voreilig ablehnte. So schreibt er am i. Mai 1519 an den Kardinal Campegio: »Ich wundere mich, daß es Leute gibt, welche a l l e i n a u f G r u n d des Stils mir den Dialog anzuhängen versuchen . . . es dürfte nicht wunderbar sein, wenn manche Schriftsteller in ihrer Redeweise etwas »Erasmisches« bieten, da ich in den Händen aller bin und Quantum nobis arriserit Iulius, cui perpetuo risu parentavimus, quam belle, quam festive et — ut uno dicam verbo — quam Erasmice cum Petro contendere visus sit, facilius intelligi quam explicari potest (Allen II, S. 476, 23fr.). *) Vgl. S. 52, Anm. 1. ) S. unten K a p . 6.

3

4'

51

man unwillkürlich beeinflußt wird durch das, was man beständig liest« 1 ). In einem Briefe vom 18. Mai 1519 an den Kardinal Wolsey heißt es: »Sie berufen sich auf k e i n a n d e r e s A r g u m e n t als das des S t i l s . . . . Aber würde es denn so wunderbar sein, wenn hier oder dort in einer Schrift sich Anklänge an meine Ausdrucksweise finden? da fast niemand in diesen Zeiten schreibt, der nicht irgendwie unter dem Einfluß meines Stils steht; da meine literarischen Erzeugnisse beständig in den Händen fast aller sind, so daß ich selbst in den Schriften derer, die gegen mich schreiben, nicht selten meinen Stil wiederfinde und mit meinen eigenen Federn mich getroffen fühle« 2 ). Ebenso führt er bereits in einem Briefe an den Kölner Theologen Johann Caesarius vom 16. August 1517 den gegen ihn erhobenen Verdacht auf den Stil zurück: »Im übrigen wundere ich mich, daß es Leute gibt, welche annehmen, daß eine so ausgemachte Torheit von mir ausgegangen sei, — vermutlich deshalb, weil die Rede in einem etwas besseren Latein geschrieben ist« 3 ). Gleichzeitig schreibt er (am 25. August 1517) an Hermann von Neuenahr: wie er höre seien in Cöln einige, welche ihm den Dialog zuschrieben, weil die Latinität nicht übel sei 4 ). x ) A c miror esse qui solo stili argumenta mihi obtrudere parent . . . . nec mirum sit futurum etiam si qui in oratione nonnihil referrent Erasmicum, cum verser in manibus omnium, et referimus fere in quorum assidua lectione versamur (Allen III, S. 5 7 5 , 44fr.). 2 ) Brief an Thomas Wolsey vom 18. Mai 1 5 1 9 : Impingunt autem non alio freti argumento quam stili . . . Quanquam quid mirum adeo foret si quid illic aut alibi cum mea phrasi congrueret? cum nemo ferme scribat hisce temporibus qui non aliquid mei stili referat; propterea quod meae lucubrationes omnium paene manibus terantur, adeo ut in horum etiam libris qui scribunt adversus me, non raro stilum meum agnoscam, meque meis pennis transfigi sentiam (Allen I I I , S. 592,

i 7 2ff.).

3 ) Ceterum admiror esse qui suspicentur tarn insignem ineptiam a me profectam; opinor ob id quod sermo fortasse sit paulo Latinior (Allen III, S . 4 5 , 19 ff.). 4 ) Addidit [Iacobus meus] quod vix opinor esse verum, esse istic

52

2. D A S P R O B L E M D E R

STILVERGLEICHUNG

Daß es eine höchst zweifelhafte Sache ist, aus dem Stil einer Schrift auf ihren Verfasser zu schließen, ist ohne weiteres deutlich. Besonders bedenklich wird diese Beweisführung, wenn es sich um den Stil eines sprachbildenden Schriftstellers handelt. Man vergegenwärtige sich z. B. den Einfluß, den Nietzsche oder auch Kierkegaard auf das Schrifttum der Gegenwart ausgeübt haben, — man würde selbstverständlich aus der Anwendung der ihnen eigentümlichen stilistischen Formen bei ihren bewußten oder unbewußten Nachahmern niemals den Schluß ziehen können, daß es sich um pseudonyme Erzeugnisse ihrer Feder handele. Bei dem Dialog des Julius wird die Unzulänglichkeit dieses Beweisverfahrens aber in geradezu klassischer Weise dadurch veranschaulicht, daß von den Zeitgenossen mit Hilfe dieses Verfahrens nicht bloß Erasmus, sondern neben ihm noch andere Männer als Verfasser in Anspruch genommen worden sind. Man hat vermutet, daß Hutten der Verfasser sei. Erasmus selbst gibt an, daß ein unbekannter Spanier den Dialog verfaßt haben soll, daß aber außer ihm auch der Dichter Faustus Andrelinus und Hieronymus Baibus als Verfasser genannt würden 1 ). An einer anderen Stelle sagt er, er habe gehört, daß der Dialog von einem ihm unbekannten Spanier in Paris verfaßt und dann ins Französische übersetzt worden sei 2 ), und in dem Brief an Caesarius vom 16. August 1517 teilt Erasmus mit, er habe schon früher gehört, daß eine derartige Komödie in Frankreich gespielt worden nonnullos qui suspicentur meum inventum esse, ob id, ut ait, quod Latinitas sit mediocris (Allen III, S. 58, 17 fF.). Brief an Campegio vom 1. Mai 1 5 1 9 : Quidam testabantur Hispani cuiuspiamesse, sed suppresso nomine; rursus aliiFausto poetae tribuebant, alii Hieronymo Balbo (Allen I I I , S. 5 7 5 , 39 ff.). 2 ) de quo [dialogo] pridem audivi fabulam, ab Hispanio nescio quo conscriptum Lutetiae, et Gallice versum (Allen III, S. 58, i4f.).

53

sei, die dann irgend jemand ins Lateinische übertragen hat»). Es sind also fünf verschiedene Verfasser, die man nach dem Eindruck, den der Dialog hervorruft, für ihn hat verantwortlich machen wollen. Dabei spielen zum Teil allerdings auch andere Gründe als die Ähnlichkeit des Stils mit. Aber wenn man alle diese so verschiedenartigen Männer aus dem Dialog erraten zu können meinte, so muß es doch wohl ein etwas gewagtes Unternehmen sein, allein aus dem Stil des Dialogs auf den Verfasser zu schließen. Erasmus selbst hat nicht bloß dies Verfahren für anfechtbar erklärt, sondern auch mit aller Bestimmtheit bestritten, daß der Stil des Dialogs sein Stil sei. Nur ganz kurz erklärt er: »Das ist nicht meine Weise zu reden, wenn ich nicht selbst mir völlig unbekannt bin« 2 ), — »der Stil ist dem meinen nicht gerade ähnlich, es sei denn, daß der meine mir wenig bekannt sei« 3 ). Durand de Laur selbst gibt zu, daß gegenüber dem »Lob der Torheit« eine gewisse Abwandlung des Stils zu erkennen sei: die Sprache des Dialogs sei »einfacher, ungezwungener und lebhafter« 4 ), — und in der Tat: der Dialog bewegt sich in einer ganz anderen Atmosphäre als die Schriften des Erasmus. Die Polemik in ihm ist so massiv und brutal, wie die diplomatische Feder des Erasmus nie zu schreiben vermöchte. Der Verfasser des Dialogs ist von einer Leidenschaft des Hasses erfüllt, die jede Zurückhaltung vermissen läßt, während Erasmus auch bei seinen schärfsten x

) Audieram iampridem huiusmodi fabulam actam in Gallia,

talium nugarum immodica licentia semper fuit.

ubi

Earn, opinor, aliquis

in Latinum sermonem transtulit (Allen I I I , S. 4 5 ) . V g l . auch Pastor I I I , S. 685. 2

) cum nec mea sit phrasis, nisi prorsus ipse mihi sum ignotus (Allen

I I I , S. 5 7 5 , 3

45f.).

) qui [stilus] tarnen mei non admodum similis est, nisi meus mihi

parum est cognitus (Allen I I I , 8 . 5 9 2 , 4

54

) S. o. S. 5 0 , A n m .

1.

173f.).

Angriffen die Haltung des sachlichen Kritikers zu bewahren weiß. Während Erasmus mit Nadeln sticht, wirft der Dialog mit Steinen. Während man bei allem, was Erasmus schreibt, die Selbstgefälligkeit empfindet, mit der er die Worte abzirkelt, ist die Sprache des Dialogs der unmittelbare Ausdruck des Gefühls. Dem Dialog ist es ganz allein um sein praktisches Ziel, den Kampf gegen den Papst, zu tun, während Erasmus auch in seiner Kritik des Papsttums immer Schriftsteller bleibt, dem der wohl überlegte Ausdruck mindestens ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger ist als der Gegenstand, über den er schreibt. Erasmus selbst hat in dieser Beziehung auf den einen Punkt hingewiesen, an dem sein Abstand von der Kampfesweise des Dialogs besonders zutage tritt: das ist der p e r s ö n l i c h e Charakter der Satire. Der Dialog ist nicht eine Kritik des Papsttums, sondern ein persönlicher Angriff auf den Papst Julius II., d. h. auf eine bestimmte Person. Erasmus gibt zu, daß er im »Lob der Torheit« auch seinem Spott Raum gegeben hat, aber es ist das —- wie er sagt — »ohne Blutvergießen« geschehen: er hat dabei keines Menschen guten Ruf mit Namennennung angetastet. Er hat nur über menschliche Unarten gespottet, aber nicht über einzelne Personen x ). Er hat immer sorgfältig darauf gehalten, daß nichts von ihm geschrieben werde, was den Namen irgend eines Menschen anschwärzen könnte 2 ). Daß dies in der Tat eine für Erasmus gültige Maxime und nicht bloß eine um des Dialogs willen ersonnene Ausrede ist, ergibt sich daraus, daß Erasmus später auf diesen Grundsatz zurückkommt, und zwar in einem Zusammen1 ) Lusi quidem in Moria, sed incruente: nullius famam nominatim perstrinxi. In mores hominum lusimus, non in famam hominum (Allen I I I , S . 4 5 , 21 ff.). 2 ) Lusimus olim in Moria, sed incruente, licet fortasse plus satis libere. Ceterum illud Semper cavi, ne quid a me proficisceretur quod . . . ullius famae notam atram allineret (Allen I I I , S. 592, 181 ff.).

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hang, in dem er sich nicht wegen des Dialogs zu verantworten sucht.

In dem Catalogus vom 30. Januar 1 5 2 3 kommt er

bei der Aufzählung seiner Werke auf seine Streitschriften zu sprechen und sagt dort: »Ich habe immer darin meinen Ruhm gesucht, daß ich in den vielen Schriften, die ich im Scherz und im Ernst geschrieben habe, noch keinen der Sterblichen mit meiner Feder unter Namennennung verletzt habe, — aber diesen Ruhm neidet mir, ich weiß nicht, welcher böse Genius.

Bisher habe ich allerdings das Lob

des vorwurfsfreien Stils mir bewahrt und gegen niemanden das Schwert gezogen, es sei denn, daß ich in gehässiger Weise herausgefordert wäre, und ich habe niemandem geantwortet, es sei denn, daß ich den Gegner durch Bescheidenheit überwunden hätte, meinerseits ihm unterlegen an Gehässigkeit.

Dies — meine ich — geht aus meinen Schriften

deutlich hervor, so daß ich mir ohne den Vorwurf der Überhebung dies Lob zurechnen darf.

Es war immer mein vor-

nehmstes Bestreben, — wenn ich von jemandem angegriffen wurde oder wenn ich jemanden angriff — mit unblutiger Feder den Strauß auszufechten« 1 ). Es ist allerdings nicht bloß die vornehme Zurückhaltung des Gelehrten und die Abneigung gegen die Gehässigkeit des persönlichen Streites, was Erasmus veranlaßt, von persönlichen Angriffen sich frei zu halten, — und seine von ihm J

) Equidem gloriari consueveram quod, cum tarn multa ioco serioque scripsissem, nullum adhuc mortalium meo stilo nominatim lacerassem; sed hanc gloriam invidit mihi nescio quis malus genius. Quanquam hactenus defendi laudem innoxii stili, quod in neminem strinxi ferrum, nisi provocatus odiose; neque cuiquam respondi, nisi modestia vicerim adversarium inferior virulentia. Nam arbitror hoc ita liquere e scriptis meis, ut mihi tantum laudis liceat citra arrogantiae notam arrogare. Primum illud erat in votis, ut nec impetitus a quoquam, nec impetens quenquam, incruento calamo luderem perpetuo (Allen I, S. 2 1 , 27fr.). Die Konstruktion des letzten Satzes ist — infolge gedanklicher Vorwegnahme der in dem Wort incruento enthaltenen Negation in Unordnung geraten: es müßte statt nec — nec vielmehr heißen: vel — vel.

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selbst gerühmte »Bescheidenheit« ist nicht bloß ein Ruhm. Es steckt vielmehr in ihr auch ein gut Stück berechnende Selbstsucht. Erasmus spricht es gelegentlich — nach antikem Vorbild — aus: er sei nicht so töricht, gegen diejenigen zu schreiben, die die Gewalt haben 1 ). Seiner Neigung, denen, von denen er Geld oder Anerkennung erwartet, über jede Grenze hinaus zu schmeicheln 2 ), entspricht seine Menschenfurcht und seine Angst, die Gunst der Mächtigen zu verlieren. Dazu kommt die Empfindlichkeit, mit der er jede 1

) nec tarn stultus ut in eos velim scribere qui possunt proscribere (Allen III, S. 58, 21 f.). Vgl.Macrobius, Sat. 2, 4, 21. Man vergleiche mit dieser Stellungnahme des Erasmus die tapferen Worte, mit denen Laurentius Valla die in der humanistischen Kritik des Papsttums außerordentlich oft wiederkehrende Formel des Macrobius ablehnt. Sein Angriff auf die Konstantinische Schenkung war unvergleichlich viel kühner als alles, was Erasmus j e gegen die römische Kirche gesagt hat: qui non tantum adversus mortuos scribo, sed adversus etiam vivos, nec in unum alterumve, sed in plurimos, nec contra privatos modo, verumetiam contra magistratus. At quos magistratus? nempe summum Pontificem, qui non temporali solum armatus est gladio, regum ac principum more, sed ecclesiastico quoque . . . Quodsi prudenter ut dixit, sie fecisse existimatus est, qui inquit: Nolo scribere in eos, qui possunt proscribere, quanto mihi magis idem faciendum esse videtur (de falso credita et ementita Constantini donatione declamatio, Einl.). 2 ) In seinem Brief an Leo scheut er sich nicht, Leo ebenso hoch über die Menschen zu stellen, wie die Menschen über den Tieren stehen und ihn eine himmlische Gottheit unter den Menschen zu nennen: Quis enim non metuat eum compellare litteris qui quanto ceteri mortales peeudibus antecellunt, tanto ipse mortales universos maiestate superat, et inter homines prorsus coeleste quoddam agit numen? (Allen II, S. 79, 3 ff.). Diese Hyperbel steht in schroffem Gegensatz zu dem Spott, den der Dialog über die Schmeichler in Rom — Haec de me ipso verissime quidem, sed modestissime dixi, sagt Julius nach Aufzählung seiner Taten, quae siquis eorum qui Romae solebant apud me dicere, suis phaleris exornasset, deum audires, non hominem (Böcking, S. 433, 3off.) — und über die Selbstvergötterung des Papstes — is qui dei vicem agens in terris omnino deum quendam inter homines praestat (Böcking, S. 439, 5f.) —• ergehen läßt. Wie hätte Erasmus im J a h r e 1515 Leo für einen Gott erklären können, wenn er kurz vorher den Vorgänger Leos wegen solcher frivolen Überhebung verurteilt hätte! 57

Störung seiner wissenschaftlichen Arbeit und alles, was den Hauptzweck seines Lebens, seinen Ruhm, beeinträchtigen könnte, aufnimmt. 3. E I N Z E L N E

P A R A L L E L E N

IM

A U S D R U C K

Trotz alledem hat Pineau in seiner Monographie über das Verhältnis des Erasmus zum Papsttum, d. h. zu dem Dialog des Julius, versucht, die Gleichheit des Stils im Dialog und in den »anderen« Schriften des Erasmus gewissermaßen exakt zu beweisen. Gegenüber dem Hinweis des Erasmus auf den Einfluß, den seine Schriftstellerei auf den Stil der Zeitgenossen ausgeübt hat, meint Pineau, es gehöre geradezu ein Genie dazu, um »diese vollkommene Nachahmung des Gedankens und des Stils« des Erasmus zu erreichen. U m dies anschaulich zu machen, stellt Pineau eine Reihe von Redewendungen in Tabellenform nebeneinander, die einerseits aus dem Dialog, andererseits aus den Schriften des Erasmus entnommen sind. Ein klein wenig scheinen ihm dabei allerdings selber Bedenken aufzusteigen: er versichert seinen Lesern, dies Verfahren sei doch nicht so »kindlich«, wie man zu glauben geneigt sein könnte . Geht man aber im einzelnen diesen »Parallelen« nach, so wird man nur zu dem Ergebnis kommen können, daß das bei dieser Vergleichung der Texte angewandte Verfahren äußerst elementar und die Schlußfolgerungen, die gewonnen werden, ohne jede Beweiskraft sind. Das Verfahren Pineaus ist zunächst schon insofern un1)

le „nonnihil Erasmicum", que l'on pourrait trouver dans le Iulius,

est bien explicable.

Il est si explicable qu'il eût fallu du génie pour

réussir cette parfaite imitation de la pensée et du style érasmiens.

Nous

allons disposer sur deux colonnes un certain nombre de phrases empruntées au Iulius et à d'autres ouvrages d'Érasme. pas si puéril qu'on serait disposé à le croire. de style

58

(Pineau,

S. 19).

Le procédé n'est

Il s'agit autant d'idées que

methodisch, als er die V e r g l e i c h u n g der T e x t e nicht bloß a u f den Stil, sondern zugleich a u c h a u f den sachlichen Inhalt der T e x t e ausdehnt (Il s'agit autant d'idées que de style). Es werden z u m T e i l rhetorische W e n d u n g e n angeführt, bei denen es sich in der T a t ausschließlich u m Eigentümlichkeiten des Stils handelt, ohne d a ß dabei eine Bezugnahme a u f den Inhalt des Dialogs, d . h . a u f die Person des Julius, vorläge. Z u m Teil werden aber a u c h Parallelen aufgewiesen, in denen es sich u m gleichlautende oder ähnlich lautende Ä u ß e r u n g e n über die Person des Julius handelt, so d a ß in diesen Fällen die Übereinstimmung nicht so sehr i m Ausdruck als in dem sachlichen Inhalt der Aussagen zutage tritt. Bei dieser zweiten G r u p p e von Parallelen haben wir es nicht mehr mit einer Ähnlichkeit oder V e r w a n d t s c h a f t des Stils, sondern mit Übereinstimmung i m Hinblick auf den sachlichen

Inhalt der in Betracht kommenden Stellen zu tun.

Diese zweite G r u p p e v o n Parallelen überschreitet infolgedessen den R a h m e n der Untersuchung über den Stil.

Die

V e r m i s c h u n g der beiden G r u p p e n h a t zur Folge, d a ß die F r a g e des Stils überhaupt nicht ernsthaft zur Untersuchung kommt. Stellen wir die auf sachliche Übereinstimmung hindeutenden Parallelen vorläufig zurück, u m ausschließlich die von Pineau festgestellten Ähnlichkeiten des Stils zu prüfen, so ist das Ergebnis außerordentlich dürftig. i . Als Petrus die Initialen des Papstes P. M . als Pestis M a x i m a deutet, bemerkt der Genius d a z u lachend: H a , ha, he, ut hic divinator rem acu tetigit ! 1 )

Pineau führt als Parallele hierzu

eine Stelle aus den Colloquia des Erasmus an, in der dieselbe Formel begegnet.

Diese Stelle

Cyclops sive Evangeliophorus.

findet

sich in dem D i a l o g

A m Schlüsse dieses Dialogs

sagt Polyphem: Dispeream nisi rem acu tetigisti2).

Das ist

») Böcking I V , S. 428, 12. 2)

Pineau, S. 19.

59

allerdings, da es sich in diesem Gespräch in keiner Weise um den Papst Julius handelt, eine rein stilistische Übereinstimmung; aber konnte diese Formel wirklich nur von Erasmus verwendet werden? und mußte der Verfasser des Dialogs, wenn er nicht Erasmus war, wirklich ein »Genie« sein, um diese »vollkommene Nachahmung des erasmischen Stils« zu erreichen? Pineau hätte sich aus jedem beliebigen lateinischen Lexikon darüber unterrichten können, daß die Formel acu tetigisti ein lateinisches Sprichwort ist, das Erasmus ebenso wie seinen Zeitgenossen aus Plautus geläufig war . In dieser Wendung ist schlechterdings nichts »Erasmisches« enthalten, und wenn man aus ihrem Vorkommen in der humanistischen Literatur im Sinne Pineaus Schlüsse ziehen wollte, so müßten ungefähr alle humanistischen Schriftsteller mit Erasmus identisch sein. Wenn Pineau wirklich ernsthaft die Prüfung des Stils des Dialogs in Angriff genommen hätte, so hätte ihm gerade diese Stelle des Dialogs eine schon von anderen beachtete Anleitung geben können, aus der Eigenart des Stils Schlüsse auf den Verfasser des Dialogs zu ziehen. In der Ausgabe der Werke des Hieronymus Baibus von J. von Retzer wird darauf hingewiesen, daß es eine besondere Liebhaberei des Hieronymus Baibus war, zweideutige Wendungen seinem Witze dienstbar zu machen, wie das in der Deutung der päpstlichen Initialen durch Petrus geschieht. A n einer anderen Stelle des Dialogs findet sich eine ähnliche Spielerei: als Julius dem Petrus, weil er das Himmelstor nicht öffnen will, mit einer »Bulle« droht, macht Petrus aus dem Singular den Plural und bezeichnet damit die Drohungen des Papstes als »Wasserblasen« und weiterhin — indem er die »Bulle« durch das ähnlich klingende Wort »Ampulla« ersetzt — als loses Lateinisch-deutsches Handwörterbuch von O . Kreußler, Stereotypausgabe, 1841, S. 9.

60

Geschwätz x ). In demselben Sinne kommt die Zweideutigkeit des Wortes bullae zum Ausdruck, als Julius zum Beweis seiner Heiligkeit auf 6000 Bullen verweist, in denen dies Prädikat dem Papste beigelegt wird, und der Genius dazu bemerkt: Vere bullarum 2 ). Bei dieser Art des Witzes handelt es sich allerdings um eine stilistische Eigentümlichkeit, und man kann es verstehen, daß — wenn Baibus für derartige Scherze eine besondere Vorliebe hatte — daraus die Vermutung, er sei der Verfasser des Dialogs, entstehen konnte. Aber auch aus dieser Parallele wird man keine Schlüsse auf den Verfasser des Dialogs ziehen können, da auch diese Art des Witzes in der antiken Komödie Vorbilder hat und in der humanistischen Literatur keineswegs nur bei Baibus, sondern auch sonst oft — besonders in der Pasquillen-Literatur — wiederkehrt. Im übrigen hätte Pineau bei Erasmus selbst leicht feststellen können, daß die Formel: rem acu tetigisti, die auch sonst bei Erasmus vorkommt z. B. in dem Dialog Concio sive Merdardus (Colloquia, Stallbaum, S. 330 Mitte), kein erasmisches Sondereigentum, sondern eine der Antike entnommene rhetorische Formel ist. Sie findet in den Adagia des Erasmus ihren Platz (Sp. 476) und ebenso auch in den Colloquia des Erasmus, und zwar im Convivium prophanum (I.e. S. 48), in dem Erasmus zum Zweck der Stilübung allerlei bildliche Redewendungen der Antike vorführt, um sie durch andere entsprechende Formulierungen zu erläutern und dadurch eine Bereicherung des Stils zu ermöglichen. Sie gehört also zu den Redewendungen der antiken Literatur, J

) Iulius: Verborum inquam iam satis: ni propere pares, excommunicationis fulmen vel in te torquebo, quo summos aliquando reges ac adeo regna terrui; bullam vides iam in haec paratam? — Petrus: Quod malum fulmen, quod tonitru, quas bullas, quas ampullas mihi narras, obsecro? (Böcking I V , S. 429, 28ff.). ! ) Iulius: . . . . me nullus unquam vocarit nisi Sanctissimum. extant sex millia bullarum. — Genius: vere bullarum (Böcking I V , S. 428, 18ff.).

61

die in den humanistischen Stil übergegangen sind und von Erasmus erläutert werden für diejenigen, die sich den humanistischen Stil aneignen möchten. 2. Eine zweite Stelle, aus der der erasmische Stil des Dialogs hervorgehen soll, findet Pineau in dem Zwischenruf, mit dem der Genius die Worte des Petrus begleitet, als dieser seinen Eindruck von der Verworfenheit des Papstes wiedergibt: Ut graphice hunc suis pinxit c o l o r i b u s ! A l s Parallele dazu führt Pineau wiederum aus den Colloquia eine Wendung des Erasmus an: Quot coloribus pictus es! 2) Aber für diese Formel bedarf es nicht erst des Hinweises auf die Antike, um deutlich zu machen, daß sich der Verfasser des Dialogs ihrer auch ohne Kenntnis der erasmischen Schriften bedienen konnte. Die in ihr enthaltene bildliche Redeweise ist so einfach und so naheliegend, daß aus ihrer Anwendung in verschiedenen Schriften keinerlei Schlüsse auf das Verhältnis dieser Schriften zueinander gezogen werden können. Bei Erasmus selbst findet sich diese Wendung noch wiederholt, so z. B. in seinem Brief an Martin Dorp vom Mai 1515 3 ) und in seinem Brief an Ammonius vom 26. November 1 5 1 1 4 ). Auf diese Stellen hätte sich Pineau viel eher berufen können als auf die von ihm angeführte Stelle, da es sich in diesen beiden Briefen des Erasmus in der Tat um wirkliche Parallelen handelt, während dies bei der von Pineau angeführten Stelle nicht der Fall ist, wie wir sogleich feststellen werden. Oder noch besser hätte sich Pineau auf eine Stelle in dem Briefe des Thomas Morus an Brixius berufen können, da an dieser Stelle die Übereinstimmung des Wortlautes noch größer ist und sogar das graphice des Dialogs wiederkehrt: l

) Böcking I V , S. 429, 10. Pineau, S. ig. 3 ) suis pinxeris coloribus (Allen II, ep. 337, 77f.). 4 ) Itaque Ammonium depinxi, optimis quidem coloribus, quippe suis (Allen I, ep. 245, 12).

62

temet ita depinxisti graphice, ut usw. 1 ), woraus sich dann allerdings nach der Methode Pineaus der Schluß ergeben würde, daß Thomas Morus der Verfasser des Dialogs sein müsse. Aber auch sonst gibt es in der humanistischen Literatur zahllose Belege für die Anwendung dieser Formel. Die von Pineau angeführte Stelle findet sich im Dialog des Soldaten und des Karthäusers (1. c. S. 117). Vergleicht man diese Stelle mit der Wendung im Dialog des Julius, so zeigt sich, daß von einer stilistischen Berührung nur insoweit die Rede sein kann, als an beiden Stellen von »Farben« und von »malen« die Rede ist. Es kommen also dieselben Wörter vor, — aber stilistisch werden sie ganz verschieden verwendet. In den Colloquien begegnen sich nach zweijähriger Trennung zwei Brüder, von denen der eine inzwischen Mönch und der andere Soldat geworden ist. Der Soldat erkennt den Mönch kaum wieder, während der Mönch den Soldaten sofort erkennt, obgleich dieser sein Gewand, sein Gesicht und auch seine Körperhaltung geändert hat. Im Hinblick auf die bunte Uniform des Soldaten sagt der Mönch: »Mit wieviel Farben bist du bemalt! Kein Vogel ändert so seine Federn.« Hier ist also von »Farben« nicht im bildlichen Sinne die Rede, sondern es sind wirklich mit den Augen wahrnehmbare Farben gemeint. Ebenso ist auch das »Malen« nicht im Sinne von »schildern«, sondern im Sinne von »anstreichen« gemeint. Im Dialog des Julius handelt es sich dagegen um eine bildliche Redeweise. Indem Petrus den Charakter des Papstes schildert, malt er ihn mit den ihm eigentümlichen Farben. Zwischen den beiden Stellen besteht also in stilistischer Hinsicht ein wesentlicher Unterschied, da es sich im Dialog des Julius um die stilistische Kunstform der bildlichen Rede handelt und in den Colloquien um eine einfache Wiedergabe einer sinnlichen Wahrnehmung ohne jede stilistische Eigentümlichkeit. Jortin II, S. 628, 2f.

63

D a z u kommt, d a ß sich der D i a l o g des Julius nicht bloß der bildlichen R e d e bedient, sondern — und darin besteht die besondere stilistische Eigentümlichkeit dieser Stelle



zugleich den Worten eine satirische Bedeutung gibt. In den Worten

des

Genius

kehrt nämlich

die bereits

erwähnte

humanistische Spielerei mit zweideutigen Ausdrücken wieder. Der Ausruf des Genius: U t graphice hunc suis pinxit coloribus —

kann verschieden übersetzt werden.

bedeutet:

Entweder es

»Wie malt er diesen treffend mit seinen eigenen

Farben« — oder es kann auch heißen: »Wie malt er diesen treffend mit den Farben e i n e s

Schweines.«

In dieser

Zweideutigkeit hätte Pineau eine Berührung mit Erasmus finden können. In den Colloquien bringt Erasmus im »Echo« im A n s c h l u ß an Pontanus eine Blütenlese derartiger Zweideutigkeiten im Ausdruck und darunter auch die Doppeldeutigkeit des Wortes suis.

D e r Jüngling, der sich mit dem

Echo unterhält, fragt: Q u a m igitur mentem habent isti, qui haec studia

[bonarum literarum] Unguis

und das Echo antwortet: suis.

traducunt

suis?

Was für eine Denkungsart

haben diejenigen, die diese Beschäftigung [mit der klassischen Literatur] verlachen? bedeuten —

D i e des Schweines. Suis kann beides

indem der Genius also im Hinblick auf den

Papst von suis coloribus spricht, bezeichnet er ihn wegen der von Petrus aufgezählten Gemeinheiten als Schwein. In diesen beiden Parallelen erschöpft sich die Ähnlichkeit zwischen der Ausdrucksweise des Dialogs und derjenigen des Erasmus, soweit es sich u m die von Pineau angeführten Stellen handelt.

In allen übrigen Fällen liegt nicht eine Ähnlichkeit

der Ausdrucksweise, sondern eine inhaltliche Berührung vor, w o v o n weiterhin noch zu reden sein wird. 3. W e n n m a n den erasmischen Stil und darüber hinaus sogar die Verfasserschaft des Erasmus schon aus d e m V o r k o m m e n sprichwörtlich gewordener Redensarten der Antike und bildlicher W e n d u n g e n elementarster A r t ableiten will, so ließen 64

sich noch eine ganze Reihe von ähnlichen Parallelen anführen *). Aber man übersieht dabei, daß die Kenntnis der lateinischen Schriftsteller allen Humanisten eigen ist und daß sich infolgedessen derartige Entlehnungen aus der Antike in der humanistischen Literatur überall finden. So groß aber auch der Einfluß des Erasmus auf den Stil der Humanisten in Deutschland und England zweifellos gewesen ist, so ist Erasmus doch nicht der Schöpfer des humanistischen Stils. Der in Italien bereits längst in allen seinen Eigenheiten ausgebildete humanistische Stil ist ihm während seines ersten Aufenthaltes in Paris durch seine dortigen Freunde nahegebracht worden und hat entscheidend auf die Gestaltung seines eigenen Stils eingewirkt. Diesen Zusammenhang darf man selbstverständlich nicht außer acht lassen, wenn es sich um ein Urteil über den Stil des Erasmus handelt, — am allerwenigsten aber, wenn es sich um das Verhältnis einer Schrift, wie sie im Dialog des Julius vorliegt, zum erasmischen Stil handelt. Gesetzt den Fall, Faustus Andrelinus oder Hieronymus Baibus oder beide zusammen seien die Verfasser des Dialogs gewesen, so werden alle Parallelen und Berührungen des Stils des Dialogs mit dem Stil des Erasmus sofort verständlich — in dem Sinne, daß in diesen Anklängen der Einfluß der Pariser Freunde auf den Stil der Schriften des Erasmus zum Ausdruck kommt. Erasmus ist in den Jahren von 1495—1499 in Paris gewesen, also in den Jahren seines Lebens, in denen sich die geistige Haltung eines Menschen endgültig auszuprägen pflegt. Im freundschaftlichen Verkehr mit den Pariser Humanisten, in deren Kreise Faustus Andrelinus ihm persönlich am nächsten trat, hat er zum erstenmal Ich stelle noch folgende »Parallelen« zur Verfügung: clavum clavo pellere (Böcking I V , S. 4 3 2 , 2 2 ; 444, 1 7 ; vgl. Adagia Sp. 6of.), mutuum muli scabunt (Böcking I V , S . 448, 4 2 ; vgl. Adagia Sp. 258), movere camarinam (Böcking I V , S. 4 4 5 , 2 4 ; vgl. Adagia Sp. 44), colophonem imponere (Böcking I V , S. 4 3 3 , 1 3 ; vgl. Adagia Sp. 429), in nassam illexeram (Böcking I V , S. 4 3 2 , 2 1 ; vgl. Allen I I I , ep. 778, 24). 5

S t a n g e , Erasmus

65

die geistige Welt des Humanismus in ihrer vollen Blüte kennengelernt und sich ihr im Rausch der Begeisterung in die Arme geworfen. Im Kreis der Pariser Humanisten war er der Empfangende. Wäre also wirklich der Dialog des Julius stilistisch den Schriften des Erasmus so ähnlich, wie er es tatsächlich keineswegs ist, so müßte man viel eher die Frage aufwerfen, ob sich diese Ähnlichkeit nicht aus der Abhängigkeit des Erasmus von dem Pariser Kreise erklärt. Diese Möglichkeit hat Pineau aber überhaupt nicht in Erwägung gezogen.

66

DRITTES

KAPITEL

B t e polmfdjcn

betanken

bfö C r a ö m u ö u n b bts

Dtaloss

i. D I E U N P O L I T I S C H E N A T U R D E S E R A S M U S

Neben den ganz dürftigen Berührungen in der Ausdrucksweise führt Pineau noch eine Reihe von Parallelen zwischen dem Dialog und den Schriften des Erasmus an, in denen eine sachliche Übereinstimmung der Mitteilungen oder Urteile vorzuliegen scheint. Eine Reihe dieser Stellen sind bereits durch Durand de Laur hervorgehoben worden. Es sind zum Teil Äußerungen, die sich auf die Person Julius' II. beziehen, zum Teil Äußerungen, bei denen die Person des Papstes keine Rolle spielt, sondern nur Zeitverhältnisse oder Zeitfragen allgemeiner Art erörtert werden 1 ). Sehen wir von den Äußerungen über die Person des Papstes ab, um nur die zweite dieser beiden Gruppen, die Äußerungen über allgemeine Angelegenheiten der Zeit, ins Auge zu fassen, so beschränkt sich Durand de Laur auf die Feststellung, daß der Verfasser des Dialogs ebenso wie Erasmus den religiösen und politischen Zustand Europas kennt. Was der Dialog darüber sagt, stimmt mit dem überein, was man im Briefwechsel des Erasmus darüber findet. Man sieht, daß England weniger als irgend ein anderes Land die Autorität des Papstes anerkennt. Es ist vom Krieg gegen Geldern die Rede. Maximilian, Heinrich V I I I . und Ferdinand der K a tholische werden treffend beurteilt. *) Durand de Laur II, S. 589.

8*

67

Ebenso werden die kirchlichen Verhältnisse in übereinstimmender Weise geschildert. Im Dialog ist ebenso wie bei Erasmus von der Entartung der Kirche die Rede. In den Anfangszeiten der christlichen Kirche wurde sie nicht wie zur Zeit der Humanistenpäpste durch Kriege, Geld und äußeren Pomp in ihrem Bestände gesichert und gefördert. Die Apostel waren Diener ihres Herrn, aber nicht weltliche Tyrannen. Sie waren frei von allen Bindungen durch die Welt und führten ein entsagungsvolles Leben in Fasten und Beten, während die Päpste durch Ämterverkauf Reichtümer erwerben und selbst das Amt des Nachfolgers Christi mit Geld erkaufen. Von den Wundertaten der Apostel ist nicht mehr die Rede. Die Verweltlichung der Kirche kommt besonders in dem Anspruch auf das sogenannte Patrimonium Petri, d. h. die weltliche Herrschaft des Kirchenstaates, und in der Lehre von den zwei Schwertern, die Christus dem Petrus gegeben hat, dem geistlichen und dem weltlichen, d. h. in der Lehre von der Überordnung des Papstes auch über die weltliche Macht der Fürsten und Kaiser, zum Ausdruck. Die meisten dieser Parallelen führt auch Pineau an. Die von Durand de Laur angedeuteten Notizen über die politischen Verhältnisse hat er allerdings fallen lassen. Es liegt auch zu sehr auf der Hand, daß mit ihnen nichts anzufangen ist. Bei den politischen Angaben des Dialogs handelt es sich keineswegs um Dinge, die nur Erasmus bekannt waren oder deren Kenntnis nur auf das Zeugnis des Erasmus zurückgeführt werden könnte. Was nämlich zunächst das Verhältnis Englands zum Papst betrifft, so weist der Dialog darauf hin, daß man nur die Biographie des heiligen Thomas Becket und die Erlasse der älteren englischen Könige zu lesen brauche, um sich davon zu überzeugen, wie wenig die päpstliche Autorität in England geachtet worden ist 1 ). Thomas Becket war ursprünglich *) Cum nulla gens sit apud quam minus valeat summi pontificis

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als Kanzler des Königs ein Verteidiger der kirchlichen Rechte der englischen Könige, trat aber nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Canterbury im Jahre 1162 gegen König Heinrich II. auf und wurde deshalb im Jahre 1170 am Altar ermordet, aber schon im Jahre 1174 vom Papst heilig gesprochen 1 ). Es handelt sich also nicht um Dinge, die etwa nur Erasmus auf Grund seines persönlichen Aufenthalts in England wissen konnte, sondern um Ereignisse, die mehrere hundert Jahre zurücklagen, die aber infolge ihres dramatischen Charakters als die schärfste Zuspitzung der nationalen Selbständigkeitsbestrebungen der englischen Kirche gegenüber dem Papsttum symbolische Bedeutung für die in der Folgezeit stattfindenden Kämpfe gewonnen hatten und auch in Frankreich in den Kreisen der Gebildeten allgemein bekannt sein konnten, da Frankreich bei den Kämpfen zwischen England und der Kurie wiederholt vom Papst als Werkzeug zur Niederzwingung der englischen Könige in Anspruch genommen worden ist 2 ). Beweist demgemäß die Kenntnis der nationalen Selbständigkeitsbestrebungen der englischen Kirche für die Verfasserschaft des Erasmus nichts, so hätte sich Durand de Laur viel eher die Erwähnung des Thomas Becket zunutze machen und in ihr einen Beweis für die erasmische Herkunft des Dialogs sehen können. Thomas Becket wird nämlich auch in den Colloquia des Erasmus genannt, und die Erwähnung seines Namens im Dialog und in den Colloquia würde jedenfalls viel eher als ein Beweis für die Identität des Verfassers gelten können als die allgemeine Erwähnung des Jahrhunderte alten Gegensatzes zwischen England und Rom. Bei dieser autoritas, quam Anglorum — id quod protinus liquebit, si quis divi Thomae Cantuariensis episcopi vitam ac veterum regum constitutiones cvolverit — . . . (Böcking I V , S. 450, 22ff.). *) Wilhelm Möller, Lehrbuch der Kirchengeschichte II 2 , S. 264fr. 2 ) Wilhelm Möller, S. 235, 26gf., 444, 487.

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Erwähnung des Thomas Becket handelt es sich immerhin um ein bestimmtes einzelnes geschichtliches Datum und nicht bloß um eine allgemeine Bemerkung über die kirchenpolitische Haltung Englands. Aber abgesehen von der bereits erwähnten symbolischen Bedeutung, die das tragische Schicksal des Thomas für das Verhältnis Englands zu Rom bekommen hat, zeigt gerade die Nennung des englischen Erzbischofs in den Colloquia, daß Erasmus nicht der Verfasser des Dialogs ist. Die rein äußerliche Berührung des Dialogs mit den Colloquia des Erasmus, wie sie in der Nennung des Namens des Erzbischofs zum Ausdruck kommt, steht in scharfem Kontrast zu dem I n t e r e s s e , welches beide, der Dialog und die Colloquia, an der Nennung dieses Namens haben. In den Colloquia wird Thomas zunächst ganz kurz im Convivium religiosum erwähnt. Es ist von seinem Grabe die Rede und von den Schätzen, die dort aufgehäuft sind, und Erasmus bemerkt dazu, daß es viel besser wäre, diese Schätze an die Armen zu verteilen, anstatt sie aufzubewahren, bis sie einst von irgend welchen Gewaltmenschen geraubt werden 1 ), — wie denn in der Tat kurz nach dem Tode des Erasmus Heinrich V I I I . die Schätze des Heiligen raubte 2 ). Sehr ausführlich kommt Erasmus dann ein zweites Mal auf das Grab und die Verehrung des heiligen Thomas in der Peregrinatio religionis ergo zu sprechen. Dieser Dialog hat *) Q u u m essem apud Britannos, vidi tumbam divi T h o m a e gemmis innumeris summique pretii onustam, praeter alia miracula divitiarum. E g o malim ista quae superflua sunt, elargiri in usus pauperum, quam servare satrapis aliquando semel omnia direpturis; ac tumbam ornare frondibus ac flosculis: id opinor gratius esset illi sanctissimo viro (Colloquia, Stallbaum, S. 82). 2)

Colloquia, Stallbaum, A n m . S. 435: Postea Henricus Octavus Angliae

rex, c u m pontificiam religionem aboleret, et res ecclesiasticas invaderet . . . ex spoliis monumenti huius T h o m a e duae cistae repletae sunt, tarn capaces, ut singulis efferendis vix octo robusti homines sufficerent, cum nihil auro vilius inde exportaretur, anno 1538.

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zur Aufgabe, den Unfug der Wallfahrten, Heiligen- und Reliquienverehrung zu geißeln. Mit großer Umständlichkeit werden alle die Schätze des Heiligtums aufgezählt und beschrieben, wobei wiederum auf die Sinnlosigkeit dieser Anhäufung von Reichtümern hingewiesen und statt dessen ihre Verwendung im Dienste der Armen gefordert wird. Zugleich wird über die widerwärtigen Geschmacklosigkeiten gespottet, zu denen der Heiligenkult in dem Küssen und der Verehrung der Reliquien — bis zu den Knochen, Schnupftüchern und Schuhen der Heiligen hin — geführt h a t l ) . Charakteristischerweise ist aber bei dieser wiederholten Erwähnung des Thomas das Interesse des Erasmus immer nur auf die Kritik der kirchlichen Mißstände gerichtet. Erasmus fühlt sich als gebildeter Humanist durch die — besonders von den Mönchen gepflegte — Verzerrung der Frömmigkeit abgestoßen. Die Entartung der Heiligenverehrung ist eine Folge der durch die scholastische Wissenschaft geförderten Unbildung, — wie denn von dem Prior des Klosters des heiligen Thomas ausdrücklich bemerkt wird, daß er der Theologie des Duns Scotus nicht unkundig, das heißt: im Besitz einer minderwertigen Bildung gewesen sei 2 ). Die Kritik des Erasmus am Heiligenkult fügt sich also durchaus in den Rahmen seines Kampfes gegen das Mönchstum und gegen die scholastische Wissenschaft ein. Dagegen tritt das historisch-politische Interesse an der Person des Thomas völlig zurück. Von den geschichtlichen Ereignissen, die sich an die Person des Erzbischofs knüpfen, wird nur erwähnt, daß er von drei Bewaffneten niedergehauen worden ist. Den Anlaß, dies zu erwähnen, gibt die Beschreibung des Klosters: gleich am Eingang desselben ') Colloquia 1. c. S. 225—229. a)

Mihi quidem visus est vir pius iuxta et prudens, neque Scoticae

theologiae rudis (1. c. S. 228), — so sagt der dem Heiligenkult ergebene Partner des Gesprächs.

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stehen nämlich die drei in Stein gehauenen Statuen dieser Ritter x ). Daran knüpft der dem Heiligenkult ergebene Erzähler die Bemerkung, diese Statuen sollten nicht ein Ehrendenkmal der Mörder sein, sondern zur Abschreckung dienen, damit kein Anhänger des Königs j e wieder es wage, an einen Bischof oder an die Güter der Kirche die Hand zu legen a ). Nur diese wenigen Worte deuten an, daß es sich bei der Ermordung Beckets um ein Ereignis handelt, das irgendwie mit dem englischen König in Verbindung steht. Gerade im Hinblick auf die Beziehungen des Erasmus zu England, die in dem Dialog selbst in der schmeichlerischen Erwähnung des Erzbischofs Wilhelm Warham zum Ausdruck kommen 3 ), und insbesondere im Hinblick auf seine von ihm geflissentlich unterstrichenen Beziehungen zu Heinrich V I I I . sollte man erwarten, daß Erasmus die Gelegenheit wahrgenommen hätte, irgend eine Bemerkung über das Verhältnis der englischen Könige zur Kurie zu machen. Diese Erwartung drängt sich um so mehr auf, als das, was Erasmus über die Ermordung des Erzbischofs sagt, den englischen König — wenigstens mittelbar — belastet, da die Mörder als Anhänger des Königs (satellites, aulicus) bezeichnet werden. Aber trotzdem geht Erasmus auf die historischen N a c h Möller, S. 265, sind

es v i e r Ritter gewesen.

Da

Erasmus

das Kloster anscheinend selbst aus eigener Anschauung kennt, müßte man annehmen, daß seine A n g a b e

richtig ist.

A b e r bei der U n z u v e r -

lässigkeit seines Gedächtnisses ist es möglich, daß er sich auch hier irrt. 2)

In vestibulo templi, quod

armati,

qui

manibus

impiis

est Austrum,

virum

stant saxo sculpti

sanctissimum

trucidarunt

tres ....

Ingeruntur oculis, ne quis aulicus posthae iniiciat manus vel in episcopos, vel in possessiones ecclesiae (1. c. S. 225). 3)

Menedemus:

celaretur? — Waramo

U n d e tibi tantum est habitum fidei, ut nihil arcani

Ogygius: Erat mihi nonnihil notitiae cum R . P. Gulielmo

archiepiscopo;

is me tribus verbis commendavit.



E x multis audio virum singulari praeditum humanitate. —• O g . : potius dicas ipsam esse humanitatem, si noris.

Men.: Quin

I a m ea doctrina,

ea

morum sinceritas, ea vitae pietas, ut nullam absoluti praesulis dotem in eo desideres (I. c. S. 226f.).

72

Zusammenhänge jener Ermordung mit keiner Silbe ein. Die Person des Erzbischofs interessiert ihn nicht als historische Gestalt, sondern nur als Gegenstand der Heiligenverehrung. Thomas Becket bedeutet für ihn genau ebensoviel wie der heilige Jakob von Compostella oder die Virgo Parathalassia in Walsingham 1 ). Er ist nur ein Beispiel, an dem Erasmus die phantastischen Ausschweifungen des Aberglaubens anschaulich zu machen sucht. Aus dieser Stellungnahme des Erasmus gegenüber dem englischen Erzbischof ergibt sich aber ein für die Geistesart des Erasmus überhaupt charakteristischer Zug, der ihn von dem Verfasser des Julius-Dialogs ganz wesentlich unterscheidet: das ist das Fehlen des geschichtlichen Sinnes. Die Begabung des Erasmus ist ausschließlich literarisch. Wenn man z. B. die Colloquia liest, ist man überrascht, wie wenig man aus ihnen über die geschichtlichen Vorgänge jener Zeit erfährt. Allerdings werden der Kaiser und die Könige von Frankreich und Spanien gelegentlich genannt, aber ihre Erwähnung trägt durchweg anekdotenhaften Charakter. In dem der Hochzeit des Petrus Aegidius gewidmeten Dialog wird auf die Errichtung des Collegium trilingue in Löwen durch Hieron. Busleiden hingewiesen und dabei die Verdienste dieser Familie um Philipp von Burgund und seinen Sohn Karl V. hervorgehoben 2 ). Diese BeJ)

Colloquia, I. c. S. 213.

2)

Musa: N o n dubium est, quin tibi notum sit toto orbe celebre Busli-

dianorum nomen. —

Alypius: Heroicum genus nominasti, et ornandis

summorum principum aulis natum.

Q u i s enim non veneratur m a g n u m

illum Franciscum Buslidium Besontinae ecclesiae praesulem, qui unus non unum Nestorem praestitit Philippo maximi Maximiliani filio, Caroli, qui maior futurus est, patri? duos,

Aegidium,

nymum

admirabili

— iudicio

Musa:

. . Sed reliquit

prudentiaque

virum,

et

fratres Hiero-

sed Hieronymus heic summa c u m laude moriens, universas

opes suas destinabit instituendo Lovanii Collegio, in quo gratis et publicitus tres linguas eruditissimi viri profitebuntur.

E a res m a g n u m orna-

mentum adiunget et studiis et Caroli gloriae (I.e. S. 174).

73

merkung hat offenkundig lediglich propagandistische Bedeutung zugunsten der humanistischen Sprachstudien. In dem Convivium fabulosum wird eine Anekdote von Maximilian erzählt, in der es sich um die schlagfertige Schlauheit eines kaiserlichen Beamten gegenüber den Räten des Kaisers handelt, die von ihm Rechenschaft über eine von ihm für sich behaltene Summe Geldes fordern 1 ). Im gleichen Zusammenhang bringt Erasmus eine Reihe von Anekdoten über Ludwig X I . von Frankreich (gest. 1483) 2 ). Aber diese Anekdoten haben ebenso wie alle übrigen in diesem Dialog nur den Zweck der witzigen Unterhaltung, wobei gelegentlich satirische Bemerkungen über die moralischen Grundsätze der auftretenden Personen eingestreut werden. In dem Dialog Puerpera ist von dem Vorzug des männlichen Geschlechts vor dem weiblichen die Rede. Eine junge Frau, die soeben einen Knaben geboren hat, meint, daß es in beiden Fällen ein Geschenk Gottes sei, ob nun ein Knabe oder ein Mädchen geboren werde. Ihr Gegenredner erwidert darauf, daß Gott sich doch um so kleine Dinge nicht kümmern könne, da er vielmehr mit den Schicksalen der Könige und Völker viel zu viel zu tun habe. Dabei werden Christian II. von Dänemark, Franz I. von Frankreich, Karl V. und sein Bruder Ferdinand genannt. Aber die Meinung des Erasmus ist offenbar, daß die großen politischen Ereignisse für Gott nicht wichtiger sind als die Vorgänge im Leben des einzelnen Menschen 3 ). In diesem Urteil könnte man geradezu das Bekenntnis der politischen Teilnahmlosigkeit des Erasmus sehen. Sein Leben bewegt sich ganz und gar in dem Kreis der privaten, und zwar der wissenschaftlichen Interessen. Es ist außerordent1. c. S. ig8f. ) 1. c. S. 196fr. 3 ) Quod hominibus videtur maximum, id fortasse videtur Deo nullius momenti (I.e. S. 202). a

74

lieh bezeichnend, daß er auf seiner Reise nach Italien und in der Erinnerung an seinen dortigen Aufenthalt von der klassischen und der italienischen Kunst gar nicht , von der italienischen Landschaft kaum spricht. Was ihm die Rückkehr nach Rom als erwünscht erscheinen läßt, ist in erster Linie die Hoffnung, daß er dort für die Förderung seiner Hieronymus-Ausgabe Gönner finden werde, nachdem seine englischen Gönner seinen Erwartungen nicht entsprochen haben 2 ). Bei seinem Aufenthalt in Italien schreibt er im Jahre 1506, er sei in erster Linie um des Griechischen willen nach Italien gegangen 3 ). In Florenz übersetzt er, nachdem er aus Bologna geflüchtet, einige Dialoge des Lucian 4 ). Bücher, Druckereien, ernste und ausgelassene Geselligkeit mit gelehrten Freunden, Schmeichelbriefe an Gönner und Briefe an solche, die durch die Nennung ihres Namens an seiner Unsterblichkeit Anteil bekommen möchten, — das ist sein Lebensinhalt. Dazu kommt, daß er eigentlich keine Heimat hat. Obgleich er sich als Niederländer und damit als Deutscher fühlt, sind doch seine Herkunft und damit die Erinnerung an sein Vaterland zum mindesten mit dem Makel der unehelichen In dem Brief an Grimani vom 13. November 1517 werden die Statue Hadrians, die Thermen Domitians und das Kapitol erwähnt, aber nur, um sie im Vergleich mit den Briefen des Paulus als geringwertig zu bezeichnen, beziehungsweise die völlige Zerstörung festzustellen (Allen III, ep. 710, 6off.). 2 ) Man vergleiche besonders die Briefe des Erasmus an Riario, Grimani und Leo X . vom Mai 1515: Et tarnen non possum non discruciari Romanae urbis desiderio, quoties animo recursat quam libertatem, quod theatrum, quam lucem, quas deambulationes, quas bibliothecas, quam mellitas eruditissimorum hominum confabulationem, quot mei studiosos orbis proceres relicta Roma reliquerim (Allen II, S. 70, 30). 3 ) Italiam adivimus Graecitatis potissimum causa (Allen I, S. 433, ep. 403, 2f.). 4 ) Dialogos aliquot Luciani comités addidi, quos paueulis his diebus, dum obsidionis metu Florentiam profugeramus, Latinos feci (Allen I, S. 435. 35f-)-

75

Geburt — wahrscheinlich noch schlimmer — belastet. Die engen und ihm widerwärtigen Verhältnisse, in denen er seine Jugend verbringt, veranlassen ihn, nach Paris zu gehen, ohne daß er dort heimisch wird. Dann scheint England das Land seiner Zukunft werden zu sollen, aber auch dort erlebt er Enttäuschungen. Einige Jahre ist er in Löwen, bis sein Gegensatz gegen die dortigen Theologen sein Bleiben unmöglich macht. Dann nimmt Basel ihn auf, aber auch dort dulden die kirchlichen Verhältnisse ihn nicht. In den letzten Jahren findet er endlich in Freiburg eine Zuflucht. Bei diesem unsteten Wanderleben ist es nicht überraschend, daß sich nationales Empfinden und damit politischer Sinn nicht in ihm entwickeln konnten. Es ist schwer festzustellen, welcher der verschiedenen Nationen er sich am nächsten verbunden f ü h l t . A m günstigsten lauten vielleicht seine Urteile über England 2), am ungünstigsten über Frankreich und Spanien. Aber er ist trotzdem nicht in England geblieben, und er hat andererseits in seinem Brief an den Pariser Bischof Poncher vom 14. Februar 1517, als dieser ihn im Namen des Königs nach Paris einlud, in den höchsten Tönen Frankreich gepriesen 3 ). Aber man weiß leider nie, inwieweit sein Lob ehrlich ist. Die humanistische Rhetorik und die beständige Rücksicht auf gegenwärtige oder zukünftige Gönner läßt nie erkennen, ob er wirklich seine Meinung sagt oder ob er nur mit seinem Stil prunken oder ob er Geld haben will. Jedenfalls kann er gelegentlich alle in gleicher Weise mit seinem Spott treffen. So z. B. wird im Dialog Charon festgestellt, daß die Seelen der Franzosen und der Spanier besonders leicht sind, während *) J . Huizinga, Erasmus über Vaterland und Nationen (Gedenkschrift der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft zu Basel, 1 9 3 6 , S. 34 fr.). 2)

Ego

certe quicquid

(Allen I I , ep. 8)

76

288, I22f.).

Allen I I , ep. 5 2 9 .

habeo fortunae,

id habeo

apud

Britannos

dagegen die Seelen der Engländer und der Deutschen fett und dick sind, so daß schon bei nur zehn Seelen der Kahn des Charon zu sinken droht, — mit diesem Witz bekommt jede der beiden Gruppen das ihr gebührende Maß an Lächerlichkeit x ). Es liegt aber überhaupt nicht im Wesen des Erasmus, Partei zu nehmen. Er ist kein Mann der Tat und der Entscheidung, sondern — in der Furcht, es könnte der Fortgang seiner Studien Schaden nehmen, — voll von Rücksichten und Kompromissen. Sein Grundsatz ist, zu keiner Partei zu gehören. Sich selbst redet er ein, daß die Angst des Stubengelehrten vor den Ansprüchen und Entscheidungen des Lebens die antike Tugend des Maßhaltens sei. Besonders in den kirchlichen Kämpfen der Zeit ist seine Charakterlosigkeit verhängnisvoll geworden. Nach seinem scharfen Spott über die Mönche und die scholastische Pseudowissenschaft und nach seinen nicht minder scharfen Angriffen auf die kirchlichen Zustände mußte man erwarten, daß er in Luther einen Kampfgenossen sehen würde, — aber er hat es schließlich doch vorgezogen, die Folgerungen, die sich aus seiner Kritik ergaben, um der Ruhe seiner wissenschaftlichen Arbeit willen preiszugeben. Diese Zweideutigkeit seiner Gesinnung ist der dunkle Schatten auf seinem geschichtlichen Bilde, — sie hat auch auf sein persönliches Verhältnis zu seinen Freunden eingewirkt und ihn selbst im Kreise der Humanisten verächtlich gemacht. Nur an einem Punkte hat er an dem politischen Geschehen seiner Zeit wirklich ernsthaft Anteil genommen: in seiner Stellungnahme gegenüber dem Krieg. Voll Selbstgefälligkeit hat er sich selbst ein Denkmal gesetzt, indem er in den Colloquia den Charon sagen läßt: es gebe bei den Menschen einen Polygraphus, der nicht aufhöre, mit seiner Feder gegen ») Colloquia

(Stallbaum), S. 283.

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den Krieg zu kämpfen und zum Frieden zu ermahnen 1 ). An einer späteren Stelle desselben Dialogs wird das gleiche Lob dem Papst (Leo) gespendet 2 ), eine halbversteckte Parallele, durch die das Denkmal, das sich Erasmus soeben gesetzt hat, sichtbarer wird. In seiner Schrift Querela pacis und in dem Adagium: Dulce bellum, hat er auf die unheilvollen Folgen der Kriege hingewiesen und ihre Unvernunft gegeißelt. In dem Briefe an Antonius von Bergen vom 14. März 1514 hat er sogar versucht, diesen einflußreichen Mann zu bestimmen, daß er auf die kriegführenden Fürsten zur Beilegung des Krieges einwirke 3 ). Erasmus hat allerdings nicht unter allen Umständen den Krieg verworfen: den Verteidigungskrieg erkennt er als berechtigt an 4). Er ist unter Umständen — wie wir bereits gesehen haben — sogar bereit, gleichzeitig eine Rede für und gegen die Führung eines bestimmten Krieges zu entwerfen, — selbst wenn es sich um einen von Julius II. geplanten Krieg handelt 5 ). Im übrigen läßt sich aber nicht verkennen, daß die Abneigung des Erasmus gegen den Krieg nicht ohne Leidenschaft ist. Man hat den Eindruck, daß er hier wirklich einmal eine Sache vertritt, mit der es ihm ernst ist und mit der er sich nicht bloß wegen seines schönen Stils befaßt. Aber man darf andererseits auch nicht übersehen, daß der Brief an Antonius von Bergen von Erasmus geschrieben worden ist, als er persönlich die Folgen des Krieges an dem schlechten englischen Wein und an dem Ausbleiben der von seinen Gönnern ihm zugewiesenen Renten fühlbar Nam audio apud superos esse Polygraphum quendam, qui calamo suo non desinit bellum insectari, et ad pacem cohortari (Colloquia, I.e. a8af.). 2 ) Unus Romanus pontifex sedulo quidem hortatur ad concordiam, sed laterem lavat (Colloquia, 1. c. 284). 3 ) Allen I, ep. 288, 125fr.; vgl. oben S. 2iff. 4 ) Huizinga, Ce qu' Érasme ne comprenait pas, S. 15. ») S. oben S. 27fr. 78

kennen lernte. Schon in Italien bemerkt er, daß der Krieg gegen Bologna seinen gelehrten Interessen, um deren willen er nach Italien gereist ist, in den Weg tritt, und in England hat ihm der Krieg gegen die Franzosen seine glänzenden Zukunftsbilder zerstört, — kein Wunder, daß er den Krieg haßt. Jedenfalls wird sein Widerwille gegen den Krieg ebensosehr durch die persönlichen Unannehmlichkeiten, die ihm der Krieg bereitet hat, bestimmt wie durch die moralischen Argumente, die er — keineswegs durchaus original, sondern in Übereinstimmung mit vielen seiner Zeitgenossen — gegen den Krieg geltend macht. Nach alledem darf man sagen, daß Erasmus keinen Sinn für politische Fragen und kein geschichtliches Verständnis besaß. Schon die Unzuverlässigkeit, mit der er selbst die Daten seiner Briefe und seines eigenen Lebens angibt 1 ), zeigt, wie wenig er zum Historiker geeignet ist. Der Mittelpunkt seiner Welt ist seine Feder, sein Ruhm, er selbst. Mit welcher rührenden Naivität setzt er seine Leser in Kenntnis von allen den ehrenden Beinamen, die ihm seine Zeitgenossen spenden: Germaniae decus, Sidus Germaniae, Sol nostri seculi, decus universi Orbis, doctorum doctissimus, princeps verae theologiae etc. Die Förderung seines Ruhmes und — was dasselbe ist — die Förderung der humanistischen Wissenschaft, das ist für ihn das höchste, aber darüber hinaus hat er für die Angelegenheiten des öffentlichen Lebens und der Völker kein Interesse. 2. D E R

POLITISCHE

CHARAKTER

DES

DIALOGS

Im scharfen Gegensatz dazu ist der Julius-Dialog eine in jeder Hinsicht politische Schrift. Soweit es sich in dem Dialog um geschichtliche Mitteilungen handelt, hat man es mit einer auf sicheren Grundlagen *) Allen, Erasmus.

Lectures and wayfaring sketches, 1934, S. 20.

79

ruhenden Berichterstattung zu tun. Allerdings ist das Urteil über die berichteten Dinge von einem bestimmten politischen Standort aus gefällt, und das Licht, das von hier aus die Ereignisse beleuchtet, ist unnatürlich grell. Aber die Kenntnis der Ereignisse selbst ist in jeder Hinsicht zuverlässig. Man kann die Angaben des Dialogs durchaus als Geschichtsquelle benutzen und aus ihnen den Verlauf der weltgeschichtlichen Ereignisse erkennen. Ein Beispiel zur Veranschaulichung bietet der Bericht des Papstes über seinen letzten Krieg, den Krieg der heiligen Liga von 1 5 1 1 . Als Petrus den Julius fragt, warum er den Krieg mit den Franzosen angefangen habe, obwohl sie ihm doch bei der Eroberung Bolognas und bei der Niederwerfung der Venetianer wertvolle Dienste geleistet, antwortet der Papst, daß es von Anfang an sein Ziel gewesen sei, die »Barbaren« aus Italien zu vertreiben 1 ). Zuerst habe er die Franzosen gegen die Venetianer gehetzt, was ihm nicht schwer gefallen sei, da beide seit langem miteinander rivalisierten, die Franzosen obendrein ihre Herrschaft auszudehnen trachteten und die Venetianer ihnen einige Städte weggenommen hatten. Dann habe er den Kaiser dazu bewogen, trotz seiner Feindschaft gegen Frankreich sich dem Bunde anzuschließen, damit er auch seinerseits einige durch die Venetianer besetzten Städte wiedererhalte.

Mit Hülfe dieser beiden Fürsten sei die

Unterwerfung der Venetianer viel besser gelungen, als der Papst gewünscht habe. Infolgedessen sei es nun das Anliegen des Papstes gewesen, die Franzosen nicht allzu mächtig werden zu lassen.

So habe er zunächst den König von Spa-

nien mit dem französischen König verfeindet.

Der König

von Spanien sei persönlich kein zuverlässiger Charakter 2 ) ') Böcking I V , S. 445, 3 3 f f . ) Vgl. Pastor I I I , 674: »Am meisten Sorge machten dem Papst die unberechenbaren Absichten König Ferdinands.« 2

80

und fühlte sich durch die Franzosen im Besitz Neapels bedroht. D a n n habe er trotz seiner Antipathie gegen die Venetianer diese wieder in Gnaden aufgenommen und in ihnen die Hoffnung geweckt, daß sie die durch die Franzosen erlittenen Demütigungen wieder ausgleichen könnten. Den Kaiser, den er eben erst zum Bündnis mit den Franzosen gebracht, habe er bewogen, diesem Bündnis wieder untreu zu werden. Das sei zum Teil mit Hülfe des Geldes erreicht worden, da der Kaiser immer ohne Geld und infolgedessen für Geldgeschenke sehr empfänglich sei. Daneben habe der Papst durch Briefe und Nuntien den H a ß des Kaisers gegen Frankreich aufs neue angefacht; denn wenn der Kaiser auch während seines Bündnisses mit Frankreich seine Gesinnung nicht habe betätigen können, so habe der H a ß gegen die Franzosen doch über ihn eine unbezwingbare Gewalt. Von gleicher Gesinnung gegen Frankreich und die mit ihm eng verbundenen Schotten seien auch die Engländer erfüllt. Die Engländer seien an sich eine überaus unbändige und kriegslustige Nation, immer darauf aus, zu rauben. Daneben seien sie für religiöse Motive sehr empfänglich, sintemal sie weit ab von Rom wohnen. Dazu kommt, daß sie nach dem Tod Heinrichs VII., der ein überaus strenges Regiment geführt, in dem Gefühl ihrer neugewonnenen Freiheit übermütig und zügellos geworden sind, so daß man sie zu jeder Sinnlosigkeit verführen kann. Besonders günstig sei es für den Papst gewesen, daß der neue König (Heinrich VIII.) noch ein junger Mann oder vielmehr ein Knabe gewesen sei, von feurigem und lebhaftem und wahrhaft jugendlichem Geiste, d. h. unruhig und kriegslustig, ehrgeizig und zu außergewöhnlichen Taten geneigt. Von ihm sage man, daß er schon von den ersten Jahren seiner Regierung an im Sinne gehabt habe, Frankreich anzugreifen. Obendrein war er mit dem König von Spanien, den Julius schon in den Krieg hineingezogen hatte, nahe verwandt. Alle diese günstigen Umstände habe 6

Stange,

Erasmus

81

sich der Papst zunutze gemacht und durch eine Flut von Briefen voll diplomatischer Schlauheit die Fürsten gegeneinander gehetzt. Auch die Könige von Ungarn und Portugal und den Herzog von Burgund habe Julius seinen Zwecken dienstbar machen wollen, was ihm allerdings nicht gelungen sei und auch wohl den Krieg über das gewünschte Maß hinaus ausgedehnt hätte. Die durch ihn zum Kriege getriebenen Fürsten habe er dann durch päpstliche Ehrentitel ausgezeichnet, damit sie glaubten, je größer die Niederlage sei, die sie einem christlichen Volke (den Franzosen) beibrächten, um so größer sei ihr frommes Verdienst um die Kirche Christi. Der Erfolg dieser päpstlichen Diplomatie sei durchschlagend gewesen. Der König von Spanien habe sogar seinen Krieg gegen die Mauren, den er mit unerwartetem Erfolg und mit größtem Gewinn geführt, abgebrochen, um sich mit aller Macht auf die Franzosen zu stürzen. Der Kaiser ließ sich weder durch seine Bündnisse mit Frankreich noch durch die von ihm empfangenen gewaltigen Subsidien, noch durch die bei der Wiedergewinnung der oberitalienischen Städte von Frankreich gewährte Hülfe bei Frankreich halten. Er gab sogar den Krieg gegen Geldern, den er zugunsten seines Enkels Karl begonnen und in größtem Zorn geführt hatte, auf, um den Zwecken des Papstes zu dienen. Die Engländer (von deren Widerspenstigkeit gegen die Kurie schon die Rede war), die sich sonst so sehr gegen Abgaben sträubten, ließen sich beinahe ihr Fell über die Ohren ziehen. Auch die Priester, die im übrigen vom Papst gelernt haben, sich jeder Geldzahlung zu entziehen, ließen jede beliebige Steuer über sich ergehen, ohne zu bedenken, wie sie damit den Königen eine Handhabe für spätere Schätzungen gaben. Aber auch die Könige sahen nicht, wie sie einen Präzedenzfall schufen, der gegen sie selbst verwendet werden konnte: indem sie dem Papst das Recht zuerkannten, ihm mißliebige Fürsten aus dem Wege zu räumen. Der junge englische König ging 82

sogar mit größerem Nachdruck ans Werk, als der Papst wünschte und befohlen hatte, — aber Sünden dieser Art seien dem Papste nicht unwillkommen . Dieser Bericht gibt ein bis in die Einzelheiten hinein getreues Bild von der damaligen Lage in Europa mit treffender Charakteristik der verschiedenen Mächte und ihres Verhältnisses zueinander. In sachlicher Kürze und ohne humanistisches Getändel werden die Tatsachen aneinander gereiht. Wenn man die Einrahmung wegdenkt, könnte man meinen, ein diplomatisches Aktenstück vor sich zu haben, in dem sich der französische König an die mit ihm Krieg führenden Mächte wendet, um ihnen die wahnwitzige Torheit zum Bewußtsein zu bringen, daß sie sich durch den Papst aufeinanderhetzen lassen, damit dieser dann von ihrer gegenseitigen Zerfleischung und Schwächung den Vorteil hat. Der Papst erklärt selbst: »Was liegt daran, wenn die ganze Welt vom Kriegsbrand ergriffen wird, wenn nur der Papst seine Stellung und seinen Besitz behält? Wir suchen alle Last des Krieges von den Italienern auf die Barbaren abzuwälzen: mögen sie soviel kämpfen, wie sie wollen — wir bleiben Zuschauer und werden vielleicht die Früchte ihres Wahnsinns genießen« 2). Daß dieser Abriß der Geschichte des Kriegs gegen die Franzosen nicht von Erasmus stammt, ist sicher. Es ist nicht seine Art, derartige politische Betrachtungen anzustellen und sich soweit in die Auseinandersetzungen der Völker einzulassen. Selbst in dem Brief an Antonius von Bergen sind es immer nur ganz allgemeine Erwägungen der Vernunft und der Moral, die er anstellt; sobald ihn aber seine Gedanken auf die konkreten Verhältnisse der damaligen Politik führen, bricht er ab: »Aber ich möchte nicht tiefer in diese Dinge hinabsteigen 3).« Das ist geradezu seine politische Losung: Böcking I V , S. 449, 9—450, 32. 3)

6'

2)

Böcking I V , S. 451, 6 — 9 .

Sed nolim altius in haec descendere (Allen I I , ep. 288, 105).

83

»nicht tiefer in diese Dinge hinabsteigen«. Er hält sich die Politik grundsätzlich vom Leibe und beschränkt sich darauf, sie anzuklagen, soweit sie die Wissenschaft oder die Ordnung des bürgerlichen Lebens stört. 3. D E R

FRANZÖSISCHE

URSPRUNG

DES

DIALOGS

Volle Bestätigung findet dies Urteil, wenn man nach der politischen Gesinnung fragt, die den Verfasser des JuliusDialogs beseelt. Es kann nämlich keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß nur ein Franzose oder ein französisch gesinnter Italiener den Dialog geschrieben haben kann. Es war soeben schon davon die Rede, daß die Absicht des Dialogs darauf gerichtet ist, die öffentliche Meinung zugunsten Frankreichs und gegen den Papst zu beeinflussen. Es ist offenkundig die Kriegslage von Anfang 1513, die sich in dem Dialog abspiegelt, d. h. die Zeit, in der sich der Gegensatz zwischen Frankreich und dem Papst aufs schärfste zugespitzt hatte. Alle anderen Länder — Deutschland, Spanien, England und Venedig — standen mit dem Papst im Bündnis. In diesen Ländern konnte von erbitterter Erregung gegen den Papst schlechterdings nicht die Rede sein. So schreibt z. B. Scheurl am 8. Juni 1512, zwei Monate nach dem blutigen Siege der Franzosen bei Ravenna ( n . April 1512), in dessen Folge sie dennoch Italien räumen mußten: man müsse Gott bitten, daß er »uns« den Sieg schenke, damit es mit der »Lilie« mit Hohn vorbei sei, weil sie von allen Seiten zertreten werde . . . Man müsse sich durch Gerüchte und Zweifel nicht beeinflussen lassen, — »haben wir doch den Papst und den Kaiser als die H e i l i g e n , denen es nach allen Seiten glückt, die für den katholischen Staat eifrig sorgen w e r d e n « . Daß irgend *) modo oremus Deum, nobis ut omnino spero victoriam largiatur, et actum est cum irrisione de lilio quod ex omni parte conculcabitur . . . . Interea rumusculi non moveant nec dubita, habemus pontificem et

84

jemand aus den dem Papste verbündeten Ländern eine solche Fülle von Schmähungen und eine solche Erbitterung gegen den Papst, wie sie der Julius-Dialog enthält, — noch dazu nach dem Tode des Papstes — hätte aufbringen können, ist ganz ausgeschlossen. Die öffentliche Meinung in Europa, abgesehen von Frankreich, stand — trotz aller Vorbehalte — zweifellos auf der Seite des Papstes und sah in Frankreich den ewigen Friedensstörer und den Feind der Kirche, wie denn auch Scheurl am 12. Mai 1512 die Franzosen als hostes C h r i s t i bezeichnet *) und in dem siegreichen Vorgehen der Verbündeten gegen Frankreich ein Gericht Gottes sieht 2 ). Auf der anderen Seite aber war für Frankreich beim Tode Julius' II. die Lage verzweifelt. Italien schien für die Franzosen verloren. Im Norden hatte Heinrich V I I I . sein Heer gelandet und drang ungestüm in der Pikardie vor. Im Südwesten bemühte sich Ferdinand von Spanien, Navarra von Frankreich loszureißen. Im Süden griffen die Schweizer und die Päpstlichen an. Maximilian hatte sich endlich durch Julius zum Anschluß an die heilige Liga bereden lassen und verhandelte mit Venedig, um die wegen der oberitalienischen Reichsstädte bestehenden Schwierigkeiten zu heben. Der Plan der heiligen Liga war, Frankreich völlig zu zerstückeln, damit es endgültig als politischer Machtfaktor aus Europa verschwände. Aber nicht bloß die dem Dialog zu Grunde liegende politische Gesamtlage deutet auf einen französisch gesinnten Verfasser, sondern auch in einer Reihe von politischen Einzelheiten, die im Dialog zur Sprache kommen, zeigt sich der französische Ursprung. Caesarem sanctos quibus undique convenit, qui reipublicae catholicac diligenter consulent (Briefbuch I, S. 92). !) 1. c. S . 92. 2

) In hunc modum inclinantur res Gallicae, quae tanto tempore tarn

felici cursu in summam potentiam se erexerant, ut plane omnibus constet summum deum, non hominem pugnare (I.e. S. 99).

85

Beachtenswert ist z. B. die Bemerkung über Geldern. Im Dialog heißt es x), Maximilian habe unter dem Einfluß des Papstes den Kampf gegen Geldern, seine heftigsten Feinde, aufgegeben. Dazu bemerkt der Verfasser des Dialogs in Klammern: Maximilian sei deijenige gewesen, der diesen Krieg angefangen habe 2). In scheinbarem Widerspruch dazu steht dann allerdings die weitere Bemerkung, der Kaiser habe durch diesen Krieg die Geldrer von seinem Enkel Karl, dem Herzog von Burgund, abwehren wollen. Das Letztere deutet auf einen Verteidigungskrieg hin, während das Erstere den Kaiser als Angreifer bezeichnet. Gegenüber den sonst so klaren politischen Angaben des Dialogs fragt man sich, was diese für den Gedankengang des Julius völlig belanglose Zwischenbemerkung zu bedeuten hat. Vielleicht findet man die Lösung, wenn man dieser Äußerung des Dialogs eine gleichzeitige Äußerung Scheurls gegenüberstellt. Am 8. Juni 1512 schreibt nämlich Scheurl: »Der Franzose hat den Sicambrer [ = Geldern] in Recht und Unrecht unterstützt. Diese Treulosigkeit ist—wie viele meinen — ein wundervoller Anlaß, das Bündnis [des Kaisers mit Frankreich] aufzuheben. Der Kaiser selbst ist vor einigen Tagen nach Brüssel gekommen, wo er mit gebührender Ehre empfangen worden ist. Auf seiner Reise haben sich die französischen Botschafter über den Durchzug der Schweizer durch kaiserliches Gebiet zum Einfall in die französischen Lande beschwert: was das zu bedeuten habe? Daraufhat der Kaiser ihnen antworten lassen: Kaiserliche Majestät wäre der Eidgenossen ebenso mächtig als der König von Frankreich der Geldrischen.« Scheurl bezeichnet das als eine vortreffliche und witzige Antwort, — der »gottlose« König hätte auch vom ») Böcking I V , S. 450, i6ff. ) et huic [Maximiliano] erat quod ageret, nempe ut Geldros hostes gravissimos (in quos belli suseipiendi fuerat autor) a nepote suo Burgundionum principe depelleret (I.e. i8ff.). 2

86

delphischen Orakel keine bessere Antwort bekommen können und der letzte Rest des französischen Ruhmes werde, wie es »unser Seher« vorausgesagt, unter dem Adler zerflattern x ). Stellt man diese beiden Äußerungen des Dialogs und Scheurls nebeneinander, so hat man in ihnen den französischen und den deutschen Kommentar zu der Geldrischen Angelegenheit. Der Dialog vertritt den Standpunkt, daß der Kaiser die Verantwortung für den Krieg mit Geldern trage, während von deutscher Seite die Geldrischen Unruhen auf die Umtriebe des französischen Königs zurückgeführt werd e n 2 ) . Daneben deutet der Dialog — man könnte sagen: mit ganz leiser Drohung — auf die Schwierigkeiten hin, die dem Kaiser aus der Geldrischen Angelegenheit erwachsen können: die erbitterte Feindschaft der Geldrer und die Bedrängung Burgunds durch dieselben können im Falle eines 1

) Caesar . . . . Sicambrum per fas et nefas iuvit: quam perfidiar» multi non dubitant pulcherrimam fuisse occasionem dissolvendae societatis. Ipse Caesar pervenit ante paucis diebus Brusselam ubi digno honore susceptus est. In itinere oratores Franti conquesti sunt confoederatorum transitum in Gallias per ditionem Austriam quid hoc sibi vellet; quibus responsum scio: kayserliche Maiestat wer der aidgenossen eben ßo mechtig als konig von frangreich der geirischen. Pulcra siquidem et lepida responsio, etiamsi Apollinis oraculum consuluisset impius rex cuius ultima laus praemonente nostro vate sub aquila volabit (Scheurl, I, S. 91). Die rätselhaften Worte des letzten Satzes werden durch eine Mitteilung Sanutos (Diarii X I I I , Sp. 285 f., Nr. 156) verständlich. Dort heißt es in einem Bericht von Lorenzo Trevisano vom 25.—26. November 1 5 1 1 : Et è da saper, che quando fo fata la liga, fo dato al Papa una corniola anticha ligata in arzento, eh' è uno caro tirato da doy galli e sopra il caro era una aquila, qual havia una bacheta in man, zoè in le zaffe e bateva li galli, la qual auta, il Papa la mandò a l'Imperador dicendoli questa esser profetia e lui come difensor di la Chiexia doveva intrar in la liga e bater francesi eh' è nemici di la Chiexia, maxime questo presente Re. Scheurl meint also mit den Worten nostro vate den Papst, der mit der dem Kaiser bei den Verhandlungen über seinen Eintritt in die Liga geschenkten Gemme, auf der der Adler die vor seinen Wagen gespannten Hähne peitscht, sich als Prophet erwiesen hat. 2 ) Zahlreiche Äußerungen in diesem Sinne finden sich in den Lettres du roy Louis X I I , III. 87

Bruches mit Frankreich für den Kaiser sehr unangenehm werden; dieser Andeutung gegenüber spielt Maximilian die Gegenkarte der Schweizer aus. Die Erwähnung dieser im europäischen Mächtespiel verhältnismäßig untergeordneten Angelegenheit durch den Dialog hat nur im Hinblick auf den drohenden Bruch zwischen Frankreich und dem Kaiser einen Sinn und kann nur als ein Argument gegen diesen Bruch verstanden werden. 4. D I E Z E I T

DER

ENTSTEHUNG

DES

DIALOGS

Eine Bestätigung hierfür bietet eine Vergleichung des Textes der verschiedenen Ausgaben des Dialogs. Merkwürdigerweise zeigen nämlich die verschiedenen Typen der Ausgaben des Dialogs an dieser Stelle eine auffallende Textverschiedenheit. Der Libellus von 1 5 1 3 und die ihm folgenden späteren Ausgaben erwähnen in diesem Zusammenhang nur die Geldrische Angelegenheit, während der Typus der von Böcking unter Nr. 2 . 3 . 8 . 11 aufgeführten Ausgaben einen Zusatz enthält*). In diesem Zusatz heißt es, daß der Kaiser Anlaß gehabt habe, sich um den Schutz »des Seinen« zu kümmern: »Denn schon w a r P a d u a a b g e f a l l e n . « Mit »dem Seinen« sind die kaiserlichen Städte in Oberitalien gemeint; denn in dem gemeinsamen Text aller Ausgaben sind kurz vorher die ungeheuren Subsidien der Franzosen erwähnt, mit deren Hülfe der Kaiser seine italienischen Städte wiedererlangen sollte. Von diesen französischen Subsidien spricht auch Scheurl in seinem Briefe vom 8. Juni 1512: als Gegenleistung dafür soll der Kaiser die Schweizer von Frankreich fernhalten *). Diese Erwähnung Paduas gehört offenkundig nicht zum ») Böcking IV, S. 450, i6ff. ) Briefbuch I, S. 91: Asserunt tarnen ipsum regem expediisse Caesari centum milia scutorum his nundinis Lugdunensibus interpretanturque ob eam rem se Germanos prohibere accessu ad Gallias. 2

88

ursprünglichen Text. Man sieht das schon daran, daß durch diesen Zusatz die Konstruktion der Rede in Unordnung gekommen ist. Außerdem liegt ein sachlicher Widerspruch vor, wenn es zuerst heißt, der Kaiser habe von den Franzosen Subsidien erhalten, damit er die oberitalienischen Städte wieder erhalte, und wenn dann gesagt wird, er habe Anlaß, sich um den Schutz dieser oberitalienischen Städte zu kümmern, denn schon war Padua abgefallen. Das eine Mal soll er diese Städte wiedererhalten und das andere Mal soll er sie schützen, damit sie nicht — wie das bereits mit Padua geschehen — den Venetianern in die Hände fallen. Sowohl aus der stilistischen als auch aus der sachlichen Unebenheit des Textes von Nr. 2 ff. geht deutlich hervor, daß es sich bei dem Zusatz um eine nachträgliche Randbemerkung zu dem ursprünglichen Druck handelt, — mag nun dieser Zusatz von dem Verfasser selbst oder von einem anderen herrühren 1 ). Damit ist zunächst bewiesen, daß der Libellus von 1513 die frühere Ausgabe des Dialogs ist. Aber außerdem ist damit auch die Zeitgrenze festgestellt, bis zu welcher man mit der Ansetzung des Drucks von 1 5 1 3 herabgehen kann. Der Hinweis auf die französischen Subsidien und auf den drohenden Verlust der oberitalienischen Städte wird nämlich in dem Augenblick gegenstandslos, in dem die Venetianer ihre zweideutige Haltung gegenüber der Heiligen Liga aufgeben und ein Bündnis mit den Franzosen schließen, wie es am 23. 3. 1513 geschehen ist 2 ). Daraus folgt, daß der Julius-Dialog in der Zeit zwischen dem 21. Februar 1 5 1 3 und dem 23. März 1 5 1 3 in der Fassung, wie er in dem Druck von 1 5 1 3 vorliegt, verfaßt und gedruckt sein muß. Mit dem übrigen Inhalt des Dialogs stimmt dies Ergebnis überein. Es wird im Dialog ausdrücklich gesagt, daß die Sedisvakanz noch besteht. J 2

) S. unten S. 333 ff. ) Pastor IV, 1906, S. 3 1 .

89

Als Julius dem Petrus mit der Exkommunikation droht, fragt Petrus, mit welchem Recht er dies tue. Darauf erklärt Julius, daß Petrus nur ein Privatmann und kein Priester mehr sei, da er tot sei. Petrus erwidert darauf, daß doch auch Julius tot, sogar mehr als tot sei. Aber Julius wendet dagegen ein, daß er, solange die Kardinäle noch über den neu zu wählenden Papst streiten, auch als toter Papst noch die amtliche Gewalt habe 1 ). Die Wahl Leos X . hat also noch nicht stattgefunden. Darauf deutet auch eine andere Stelle des Dialogs hin. Nachdem der Papst erzählt hat, wie er durch allerlei Ränke und durch die »unschätzbare Macht des Geldes« in den Besitz der Tiara gelangt sei 2 ), fragt Petrus entsetzt, ob dies der übliche Weg sei, zum Papsttum zu gelangen, worauf Julius antwortet: so sei es seit einigen Jahrhunderten in der Tat gewesen, — aber bei seinem Nachfolger werde es anders sein, denn er — Julius — habe sogleich nach Erlangung des Pontifikats eine Bulle erlassen, die derartige Machenschaften verbiete. Eben diese Bulle habe er kurz vor seinem Tode erneuert, — allerdings inwieweit sie beachtet werden würde, dafür seien andere verantwortlich s ). Auch hier wird also deutlich, daß die Wahl Leos noch nicht stattgefunden hat. An und für sich wäre es allerdings möglich, daß diese Datierung schriftstellerische Fiktion ist. Wenn der Verfasser des Dialogs den toten Papst am Himmelstor erscheinen läßt, so muß er selbstverständlich für das vorzuführende Schauspiel die Zeit unmittelbar nach dem Tode des Julius, also die Zeit der Sedisvakanz, wählen. Und in der Tat wäre die Annahme einer schriftstellerischen Fiktion gegenüber dem Anspruch des toten Papstes, auch während der Sedisvakanz noch die Vollmacht seines Amtes zu besitzen, nicht ausgel

) Böcking IV, S. 429, 28—430, 9. ) Böcking IV, S. 435, 27—35. 3 ) Böcking IV, S. 431, 19. a

90

schlössen, da dieser Anspruch des Papstes in keiner Weise mit geschichtlichen Gegebenheiten in Kollision geraten kann. Dagegen schließt der Hinweis auf die noch bevorstehende Papstwahl die spätere Abfassung des Dialogs aus. Wäre die Wahl Leos schon vollzogen, so würde man wissen, ob mit dem Nachfolger des Julius wirklich ein Wandel in der Methode der Papstwahl eingetreten oder ob es bei der alten Praxis geblieben sei x ). Jede dieser beiden Möglichkeiten würde dem Verfasser des Dialogs eine neue Perspektive für seinen Angriff auf Julius eröffnet haben, während nicht einzusehen ist, was im Fall der vollzogenen Wahl die abwartende Haltung des Dialogs gegenüber der Entscheidung der Kardinäle für die Zwecke des Dialogs zu bedeuten haben soll. Dementsprechend findet sich denn auch in dem Dialog keine Spur einer Andeutung der vollzogenen Wahl Leos. Bei der traditionellen Hinneigung der Mediceer zu Frankreich müßte der Dialog wenigstens einen Schimmer der Hoffnung auf ein besseres Verhältnis zum Papsttum durchscheinen lassen, wenn die Wahl Leos bereits erfolgt wäre. Wie die Wahl Leos offenbar als ein Systemwechsel gegenüber der Regierung Julius' II. gemeint war, so begann auch tatsächlich mit dem Regierungsantritt Leos zunächst eine neue Periode der päpstlichen Politik, für die die Ankündigung kirchlicher Reformen und die Versöhnung mit Frankreich die am meisten hervortretenden Merkmale waren 2). Gerade vom französischen Standpunkt aus wäre der Dialog nach der Wahl Leos eine politische Unklugheit gewesen. Er mußte in der Maßlosigkeit seiner nicht die Person des Julius allein, sondern die Jahrhunderte alte Tradition der Kurie treffenden Angriffe jede Bereitwilligkeit Leos zur Versöhnung zunichte machen. »Von verschiedenen Seiten wird übereinstimmend berichtet, d a ß die Erhebung Medicis ohne Simonie zustande kam« (Pastor IV, S. 17). 2 ) Vgl. Pastor IV, S. 31 ff.

91

Nach alledem wird man annehmen müssen, daß der Dialog n o c h v o r d e r W a h l L e o s , d. h. also vor dem u . März 1 5 1 3 , verfaßt worden ist. 5. D A S U R T E I L D E S D I A L O G S ÜBER DIE V E R S C H I E D E N E N N A T I O N E N A u f den französischen Ursprung des Dialogs weisen aber schließlich auch die Aussagen des Dialogs hin, in denen die verschiedenen

miteinander

kämpfenden

Völker

Europas

charakterisiert werden. 1. V o n dem Urteil über England war bereits die Rede x ). Der Hinweis auf das Schicksal Thomas Beckets und auf die Kirchengesetze der alten englischen Könige, auf die Strenge Heinrichs V I I .

und

den jugendlichen

Tatendrang

Hein-

richs V I I I . , auf die Verblendung der englischen Prälaten, die um des Krieges mit Frankreich willen ihre Steuervorrechte leichthin aufgeben, und auf die in diesem Zusammenhang hervorgehobene Torheit der Könige, die sich dem Papste bei der Beseitigung eines ihm mißliebigen Königs zur Verfügung stellen und damit ihm die Bahn zu gleichem Verfahren auch gegen sie selbst öffnen, — alles dies deutet darauf hin, daß der Verfasser des Dialogs den englisch-französischen Gegensatz besonders schwer empfindet.

Der englische Angriff auf

Frankreich ist ein Verrat aller englischen Traditionen, aber er erklärt sich aus dem nationalen Haß der Engländer gegen die Franzosen 2 ). Daß der Dialog gegenüber England diese — man möchte sagen: verbissene Haltung einnimmt, erklärt sich aus der verzweifelten Lage, in die der französische König durch die Landung der Engländer in Spanien (7. 6. 1 5 1 2 ) und durch ihren Einfall in die Pikardie im M ä r z 1 5 1 3 gekommen war. 2. Demgegenüber

tritt

Spanien

im

Dialog

auffallend

2 ') S. oben S. 68 ff. ) Iam Anglis sciebam genuino odio esse Gallorum gentem (Böcking IV, S. 449, 25).

92

zurück. Es wird nur ganz kurz erwähnt, daß Julius den spanischen König, obgleich dieser sich in einem erfolgreichen Kriege mit den Mauren befand 1 ), zuerst gegen die Franzosen aufgehetzt habe und daß dem König — abgesehen von anderen Gründen — besonders im Hinblick auf die Gefährdung seiner Herrschaft in Neapel, sehr daran gelegen sei, die Macht der Franzosen zu schwächen. Wenn dabei bemerkt wird, daß der König von Spanien nicht gerade sehr vertrauenswürdig sei 2 ), so drückt sich darin die Hoffnung der Franzosen aus, ihn zum Abfall von der heiligen Liga bringen zu können, wie es denn in der Tat Anfang 1513 Ludwig X I I . gelang, »mit Spanien für die Dauer eines Jahres einen Waffenstillstand für den italienischen Kriegsschauplatz zu vereinbaren« 3 ). Daneben wird die Verwandtschaft des spanischen Königs mit Heinrich V I I I . als Nebenmotiv ihres Bündnisses erwähnt 4). Ferner wird auf die Verwandtschaft der Spanier mit den Italienern nach Sprache und Volkscharakter hingewiesen 5 ). Aber dies letztere ist für Julius kein Gegengrund gegen seinen Wunsch, auch die Spanier aus Italien zu vertreiben, damit er dann ganz nach seinem Willen schalten und walten könne 6). J a , die Vertreibung der Spanier bezeichnet der Papst sogar als die von ihm ersehnte Krönung seines Lebenswerkes, die leider sein frühzeitiger Tod verhindert habe 7 ). !) Siehe S. 82. 2 ) primum Hispaniarum regem in eos [Gallos] exstimulavi, primum hominem fidei non adamantinae, deinde cuius magnopere referebat utcunque premi Gallorum potentiam, cum ob alia multa, tum praecipue ne quando ditione Neapolitana excluderetur (Böcking I V , S. 449, i6ff.). 3 ) Pastor I V , S. 33. 4 ) Super omnia affinis erat Hispano regi (Böcking I V , S. 450, 4). 5 ) nam cum Hispanis non pessime nobis convenit, sive linguam spectes sive mores (Böcking I V , S. 447, i4f.). 6 ) quanquam hos quoque submotos volebam, quo prorsus liceret more nostro agere (Böcking I V , S. 447, i5f.). ') deturbaturus et Hispanos (nam huc ibam) nisi me fata terris eripuissent (Böcking I V , S. 432, 24f.). 93

Diese Äußerung, daß nach den Franzosen die Spanier an die Reihe kommen, um durch Julius aus Italien vertrieben zu werden, ist selbstverständlich ein an die Spanier gerichtetes Argument, um ihnen zum Bewußtsein zu bringen, was bei der Schwächung der Franzosen und der Unterstützung des Papstes herauskommen wird. Der Dialog verwertet dies Argument im Sinne seiner politischen Tendenz. Aber dabei handelt es sich nicht etwa um eine von ihm erfundene Konstruktion, sondern um eine Bestätigung der außerordentlich guten politischen Orientierung des Verfassers des Dialogs. Bei Pastor heißt es: »Wie sehr Julius II. das Bewußtsein der spanischen Übermacht quälte, deren Einfluß er überall in nächster Nähe . . . . empfand, zeigt eine Äußerung, welche Jovius aufbewahrt hat. Als der Kardinal Grimani ihn eines Tages an die Fremdherrschaft in Neapel erinnerte, stieß Julius II. mit seinem Stock auf den Boden und rief aus: ,Wenn Gott mir das Leben läßt, so werde ich auch die Neapolitaner von dem auf ihnen liegenden Joch befreien.' Ohne Zweifel trug sich der rastlose Rovere-Papst mit neuen großen Entwürfen, als sein Körper zusammenbrach« 1 ). Aus dieser Mitteilung des päpstlichen Historikers geht hervor, daß der Dialog in seinen historischen Angaben auf durchaus zuverlässigen Grundlagen ruht. Der Verfasser des Dialogs schiebt dem Papst nicht Absichten unter, die lediglich in den Vermutungen seines Hasses ihren Grund haben, sondern er stellt die Politik des Papstes so dar, wie sie uns auch aus anderen historischen Quellen bekannt ist. 3. Auch den Venetianern gegenüber läßt der Dialog seine politische Taktik deutlich erkennen. Zweimal werden sie als von allen unbesiegt gerühmt — womit ihnen geschmeichelt werden soll 2 ). Was der Papst ihnen vorzuwerfen hat, ist Pastor I I I , S. 680. ) Venetos omnibus invictos (Böcking I V , S. 445, 36f.); Venetos ante invictos omnibus (Böcking I V , S. 432, 20). 2

94

entweder belanglos — so wenn der Papst von ihnen sagt, daß sie zu den Griechen hinneigen x ) — oder für den Papst kompromittierender als für sie: sie haben ihn mit Schmähungen überhäuft 2 ), halten ihn beinahe für irrsinnig, besetzen ihre kirchlichen Ämter nach eigenem Willen, lassen keine Appellationen nach Rom zu und dulden keinen Kauf der kirchlichen Ämter, so daß der Papst ernstlich geschädigt wird. Außerdem haben sie einen nicht geringen Teil des Kirchenstaates weggenommen, indem sie einige dem Papst gehörende Städte besetzten 3 ). Das letztere haben sie auch Petrus: . . . Iam vero Veneti quid admiserant? — Iulius: Primum graecissabant (Böcking I V , S. 4 3 6 , 3 4 f r . ) . Was mit dem graecissare gemeint ist, geht aus dem Zusammenhang nicht hervor. M a n wird kaum an die besonders an der venetianischen Universität in Padua gepflegten griechischen Studien [!] (Allen I, S. 6 1 , 1 7 0 f r . ) zu denken haben, ebensowenig an die Inanspruchnahme griechischer Söldner (Estradiots) durch die Venetianer (Lettres de Louis X I I , I I I , S. 3 3 ) , sondern daran, d a ß die Venetianer gegen Julius an ein Allgemeines Konzil appellierten und die Einberufung des Konzils durch den ungarischen Primas und Patriarchen von Konstantinopel Thomas Bakocs auf Grund von Bestimmungen, die vor der Trennung der römischen von der griechischen K i r c h e galten, zu erreichen suchten (Pastor I I I , S. 595). 2 ) In besonders drastischer Weise kommt die Haltung Venedigs gegenüber dem Papst in dem Auftreten des venetianischen Botschafters Pisani zum Ausdruck. »Als im November [1508] Julius II. sich gegenüber Pisani über die Eingriffe der Venetianer in seine kirchlichen Gerechtsame beschwerte und hinzufügte, die Signorie werde ihr Verfahren einmal bereuen, entgegnete der Botschafter: Se. Heiligkeit müsse erst zu Kräften kommen, um der Republik etwas anhaben zu können. Über die M a ß e n erzürnt, erwiderte Julius II.: ,Ich werde nicht ablassen, bevor ich Euch wieder zu demütigen Fischern gemacht habe, wie ihr vordem wäret.' , U n d wir', lautete die Antwort Pisanis, ,werden den Heiligen V a t e r zu einem kleinen Pfarrer machen, wenn derselbe sich nicht vorsieht'« (Pastor I I I , S. 5 9 2 ) . 3 ) ac me propemodum pro deliramento habebant, nihil non convitiorum in me iacientes . . . . deinque sacerdotia suo conferebant arbitratu, nullas lites huc transferri patiebantur, nullas iam mercabantur dispensationes. quid multis opus est? intolerabili iactura R o m a n a m sedem affligebant, quippe qui non exiguam insuper patrimonii tui partem occuparant . . . aliquot inquam oppida sedi Romanae debita (Böcking I V , S. 4 3 6 , 3 6 f r . ) .

95

dem Kaiser und den Franzosen 2 ) angetan. Es ist also durchaus gerechtfertigt, wenn sich daraufhin die Franzosen durch den Papst zum Kriege gegen Venedig haben bestimmen lassen. Man bekommt den Eindruck, daß der Dialog den Krieg der Franzosen gegen die Venetianer entschuldigen will: einmal haben diese selbst sich Übergriffe erlaubt, und außerdem sind die Franzosen durch Julius aufgehetzt worden. Der Papst hat dann allerdings Venedig wieder in Gnaden angenommen, aber es ist das gegen seine eigentliche Meinung geschehen und nur zum Schein 3). Auch diese Bemerkung hat offenkundig den Zweck, das seit dem Beitritt des Kaisers zur heiligen Liga erschütterte Verhältnis Venedigs zum Papst zu untergraben und damit der französischen Politik zu dienen. Von den übrigen italienischen Städten werden noch Bologna und Ferrara besonders genannt. 4. Die Eroberung Bolognas steht an der Spitze der Siege, deren sich der Papst rühmt. Das entspricht dem Eindruck, den der fast tollkühne und mit der größten Energie durchgeführte Zug des Papstes gegen Bologna auf die Zeitgenossen machte 4). In der Motivierung dieses Feldzuges steht der Dialog ganz auf der Seite Bolognas. Julius gibt ohne weiteres zu, daß es sich bei dem Krieg gegen Bologna nicht etwa um ein Interesse des Glaubens handelte: Bologna ist keineswegs vom Glauben abgefallen. Ebenso war es nicht etwa die schlechte Staatsverwaltung der Bentivogli, die das Eingreifen des Papstes notwendig machte; im Gegenteil: die Stadt stand tum imperator, q u a m q u a m non admodum amicus Gallo, tarnen quia non erat alia spes a Venetis recipiendi quae tenebant

(tenebant

enim urbes aliquot egregias) pro tempore se huic bello adiunxit (Böcking IV, S.449, 2)

12 ff.).

principio Gallos facile concitavimus in Venetos, quod inter hos

intercederet vetus atque antiqua simultas . . . et Veneti illorum quoque nonnullas urbes occuparant 3)

recepi (Böcking I V , S. 449, 4)

96

(Böcking I V , S. 449, 8ff.).

A d haec Venetos, tametsi

non probarem, ficte tarnen in gratiam

igf.).

Vgl. Pastor III, S. 5 5 7 f r .

unter der Herrschaft der Bentivogli in höchster Blüte, wie die vielen herrlichen Bauten beweisen. Die Herrschaft der Bentivogli gründete sich auch nicht auf einen Rechtsbruch, — sie waren vielmehr auf Grund von Verträgen Herren der Stadt. Es war auch nicht der Wunsch der Bürger, daß der Papst sie von der Tyrannei der Bentivogli befreien sollte; im Gegenteil: die Bentivogli waren bei den Bürgern ganz außergewöhnlich beliebt, während der Papst fast allgemein verhaßt war. Der Grund, um deswillen Julius den Krieg gegen Bologna führte, war vielmehr ganz einfach der große Reichtum der Stadt, von dem nur sehr geringe Abgaben in die päpstliche Kasse flössen. Außerdem paßte es so in den Plan, mit dem der Papst sich trug, d. h. zu seiner Absicht, sich Italien zu unterwerfen. Nach Beseitigung der Bentivogli habe er die Stadt unter die Herrschaft von Kardinälen und Bischöfen gestellt, so daß nun die Einkünfte der Stadt restlos in die päpstliche Kasse flössen. I h m persönlich habe die Eroberung Bolognas eine außerordentliche Steigerung seines Ansehens gebracht. Während die Stadt sich bis dahin des Titels und der Würde einer kaiserlichen Stadt gerühmt habe, seien jetzt überall die Bilder des Papstes und die päpstlichen Hoheitszeichen zu sehen, — es seien ihm sogar Denkmäler aus Erz und aus Stein errichtet. Der päpstliche Triumphzug in die unterworfene Stadt habe an Glanz und Machtentfaltung alles überboten, was die berühmtesten Triumphe römischer Herrscher aufzuweisen hätten. So habe sich der mit Einsetzung aller Kraft durchgeführte Krieg gegen Bologna wohl gelohnt und sei zu einer anschaulichen Darstellung der kämpfenden und triumphierenden Kirche geworden 1 ). Petrus: Sed age, quid Bononia? Num a fide desciverat, ut fuerit sedi Romanae restituenda? — Iulius: Bona verba, non hoc agebatur. — Petrus: Fortasse Bentivolo male administrante marcebat respublica. — Iulius: Immo maxime florebat, at civitas ea multis aedificiis aucta est et illustrata, et eam ob rem impensius inhiabam. — Petrus: Intelligo, praeter ius igitur invaserat? — Iulius: Ne hoc quidem, ex pacto possi7

S t a n g e , Erasmus

97

In der Ironie, mit der der Dialog dies Zerrbild des Stellvertreters Christi umkleidet, zeigt sich deutlich die französische Auffassung.

Die Feindschaft zwischen dem franzö-

sischen König und dem Papst ist — nach beiden Seiten hin — durch nichts so gesteigert und gereizt worden wie durch die Ereignisse, in deren Mittelpunkt Bologna stand. Der Dialog hebt wiederholt hervor, daß der Papst die Eroberung Bolognas (1506) und die darauf folgende Niederwerfung der Venetianer durch die heilige Liga zu Cambrai (10. Dezember 1508 bis Anfang 1 5 1 0 ) nur der Hilfe der Franzosen zu verdanken habe 1 ).

U m so empörter waren die Franzosen, als

der Papst am 15. Februar 1 5 1 0 mit Venedig Frieden schloß und am 14. März 1 5 1 0 einen offenkundig gegen Frankreich gerichteten Bund mit den Schweizern machte, für den der Papst auch Spanien und Venedig gewann 2 ). Im Laufe des Jahres

1 5 1 0 spitzte sich der

Gegensatz

zwischen Frankreich und dem Papst immer mehr zu.

Im

Oktober 1 5 1 0 erschienen die Franzosen vor Bologna 3 ).

Aus

debat. — Petrus: Cives ergo non ferebant eum principem? — Iulius: Immo mordicus illum tenebant, me aversabantur universi ferme. — Petrus: Quid igitur causae? — Iulius: Nempe quod ille sie administrabat, ut ex immensa pecunia, quam a civitate collegerat,. vix paueula illius ad nostrum redirent fiscum. praeterea sie expediebat ad id quod tum agitabam animo: itaque Gallis operam navantibus, et nonnullis meo fulmine territis, profligatis Bentivolis cardinales et episcopos urbi praefeci, ut nulla pars emolumentorum non rediret ad usum Romanae ecclesiae. Ad haec titulus et imperii dignitas illis esse videbatur; nunc undique nostrae visuntur statuae, nostri leguntur tituli, nostra adorantur trophaea; iam passim Iulius aeneus stat et saxeus. denique si spectasses quam regali triumpho Bononiam sum ingressus, fortasse contemneres omnes Octaviorum ac Scipionum triumphos, et intelligeres me non absque causa tarn strenue pro Bononia dimicasse, vereque spectasses eodem tempore et militantem et triumphantem ecclesiam (Böcking IV, S. 436, 10 ff.). *) Gallis operam navantibus (Böcking IV, S. 436, 23 f.); ope Gallorum (Böcking IV, S. 431, 18); vgl. Böcking IV, 8.445, 34fr.; 446, 6ff.; 449) 9ff2 3 ) Pastor III, S. 600, 604. ) Pastor III, S. 613.

98

dieser Zeit wird berichtet, daß der Papst sich einen langen Bart habe wachsen lassen. Die Zeitgenossen meinen, er habe ein Gelübde getan, sich den Bart nicht schneiden zu lassen, bis er die Franzosen aus Italien vertrieben habe. Pastor bemerkt dazu im Anschluß an Gregorovius: »Seit Jahrhunderten hatte kein Papst einen Bart getragen . . . .; aber Julius II. stand es wohl an, der erste zu sein, der das Zeichen männlicher Kraft anlegte!« 1 ). Aber der Julius-Dialog ist anderer Meinung: er sieht darin den Versuch des Papstes, sich unkenntlich zu machen: »als die Franzosen die Übermacht hatten, begann ich mich nach Schlupfwinkeln umzusehen 2 ). Ich ließ mir einen grauen Bart wachsen, da die Lage nahezu verzweifelt war« 3 ). Der Bart des Papstes ist also für den Dialog nicht ein Symbol »männlicher Kraft«, sondern ein Ausdruck seiner Furcht vor den Franzosen 4 ). Am 20. Januar 1511 begann der Papst dann mit der Eroberung Mirandolas seinen Krieg gegen das mit den Franzosen verbundene Ferrara. Aber unmittelbar darauf zwangen die herannahenden Franzosen den Papst, aus Bologna zu fliehen (14. Mai 1511), und eroberten am 23. Mai 1511 die Stadt. Am 11. April 1512 folgte dann die furchtbare Niederlage der Verbündeten bei Ravenna, die den Papst aufs äußerste erregte und erschreckte. Aber die schweren Verluste, die die Franzosen in dieser Schlacht erlitten hatten, führten zum Pastor I I I , S. 6 1 5 . 2)

Ebenso schildert S c h e u r l in seinem Briefe v o m

12. M a i 1512 d i e

L a g e des Papstes: E d i t a tarn horribili et calamitosa

caede

Ravenna

et quasi tota ditio R o m a n a e ecclesiae in G a l l i potestatem v e n i t t a n q u a m f u t u r i pontificis v i c a r i i et procuratoris.

S u n t q u i scribant ipsum I u l i u m

in latebras abiisse relicta R o m a tota factiosa et exspectante novum 3)

(Briefbuch

Gallis

barbam,

I,

principem

S. 88).

superioribus latebras circumspectare coepi;

canam

alebam

rebus p r o p e m o d u m in desperationem adductis (Böcking

S. 432, 26f.).

IV,

V g l . Böcking I V , S. 433, 1, A n m . : I a m f u g a m n a v i g i o

O s t i a e p r a e p a r a t o a d o r n a r a t Iulius. 4)

T

V g l . d i e Parallele bei Sueton (oben S. 7, A n m . 2).

99

Zusammenbruch ihrer Herrschaft in Ober-Italien. Durch die Hilfe der Schweizer gelang es, sie fast ganz aus Italien zu vertreiben. Der Anfang des Jahres 1513, d . h . also die Zeit, in der der Dialog geschrieben worden ist, bringt die Feindschaft zwischen dem Papst und den Franzosen zur schärfsten Auswirkung 1 ). Die leidenschaftliche Wut, die sich in dem Dialog austobt, spiegelt den ohnmächtigen H a ß der unterlegenen Franzosen wieder. 5. Der Feldzug des Papstes gegen Ferrara, bei dem Julius trotz seines hohen Alters und seines bedenklichen Gesundheitsstandes zum Entsetzen der Welt selbst die kriegerischen Operationen leitete, hat für den französischen Verfasser des Dialogs nur untergeordnete Bedeutung. Bei der Aufzählung seiner Erfolge erwähnt der Papst nur kurz, daß er den Herzog von Ferrara (Alfons von Este) lange mit Krieg übel geplagt und dann beinahe in das Netz gelockt habe 2 ). Was damit gemeint ist, geht aus dem Brief Scheurls vom Anfang Februar 1513 hervor. Scheurl berichtet anläßlich des Besuchs des Kardinals Hippolit von Este, des Bruders des Alfons, in Nürnberg, Julius habe über Ferrara das Interdikt verhängt und Alfons unter Zusicherung freien Geleits nach Rom zitiert, habe dann aber trotz des gegebenen Wortes des Papstes und der Kardinäle ihn hinrichten lassen wollen, — das sei aber durch Fabricius Colonna verhindert worden, der den auf das Wort des Papstes vertrauenden Fürsten des Nachts durch das Tor habe entkommen lassen, nachdem die Wächter niedergemacht worden. Es sei das der Dank dafür gewesen, daß Alfons in der Schlacht bei Ravenna ihm das Leben geschenkt habe. Dieser Besuch des Herzogs Pastor III, S. 6 0 9 f r . Ferrariae ducem diu male vexatum bello propemodum in nassam illexeram (Böcking IV, S. 432, 21 f.). 2)

100

in Rom und seine Flucht mit Hilfe der Colonna fand im Juli 1 5 1 2 statt 1 ). Als Anlaß für den Krieg des Papstes gegen Ferrara gibt der Dialog zunächst die Undankbarkeit des Herzogs an. Alexander V I . habe ihm die Ehre angetan, daß er ihm seine zweite Tochter zur Frau gegeben; außerdem habe er ihm als Mitgift ein schönes Land geschenkt, obgleich der Herzog im übrigen keine besondere Stellung einnahm. Der Herzog habe aber — uneingedenk der ihm erwiesenen großen Güte — sich gegen Julius als rebellisch erwiesen, ihm sogar Simonie, Päderastie und Geisteskrankheit nachgesagt. Obendrein habe er gewisse Zölle für sich in Anspruch genommen, die zwar keine sehr große Summe ausmachten, aber für einen gewissenhaften »Hirten« — der Genius fügt erläuternd hinzu: »Krämer« — nicht zu verachten seien. Der eigentliche Grund aber sei gewesen, daß die Eroberung Ferraras wegen seiner Lage dem Plan des Papstes — (sich ganz Italien zu unterwerfen) — entsprochen habe. Er habe deshalb nach Vertreibung des Herzogs das Land seinem Verwandten, dem Herzog von Urbino, geben wollen, der seine Tüchtigkeit und seine unbedingte Ergebenheit gegen den päpstlichen Stuhl »soeben« durch eigenhändige Ermordung des Kardinals J

) Iulius pontifex posteaquam Ferrariam cognomento Novam sacris interdixit ipsumque Alphonsum ad se accersitum contra pontificiam et patrum publicam fidem capite plectere voluit, nisi praesto affuisset Fabricius Columnius qui credulum interemptis custodibus porta noctu eduxit, pulchram gratiam rependens ei cui et ipse vitam suam in pugna Ravennati acceptam referebat (Scheurl I, S. 109). Ipse pontifex sub publica fide Estensem ad se accersivit, sed contra ius gentium insidias struxit, quibus opera Fabricii Columni quem nuper in pugna Ravennati ceperat vix evasit (Brief buch I, S. 98). »Im Vertrauen auf die Freundschaft der Colonna und seines Schwagers Gonzaga von Mantua, überdies m i t e i n e m p ä p s t l i c h e n G e l e i t s b r i e f v e r s e h e n , erschien Alfonso, am 4. J u l i [ 1 5 1 2 ] in Rom. . . . N i c h t o h n e G r u n d fürchtete er, daß Julius ihn widerrechtlich festhalten und verhaften lassen werde. Deshalb entschloß er sich zur Flucht. Mit Hilfe der Colonna gelang es ihm, am 19. Juli zu entkommen« (Pastor III, S. 673).

101

Alidosi erwiesen habe. Die ursprüngliche Absicht des Papstes scheint gewesen zu sein, nicht seinen Neffen, den Herzog von Urbino, sondern seinen Schwiegersohn Giovanni Giordano Orsini zum Fürsten von Ferrara zu machen; denn er fügt zu der Erwähnung des Herzogs von Urbino hinzu: »denn der Mann meiner Tochter war mit seinem Lose zufrieden« . Auffallend ist, daß die militärischen Vorgänge in Ferrara, insbesondere die Eroberung Mirandolas, nicht besonders angeführt werden. Sie werden nur angedeutet, indem Petrus den Papst einen Städtezerstörer nennt 2 ) und auf die blutige Rüstung des Papstes unter dem Priestergewande hinweist 3 ). Aber im übrigen interessiert sich der Verfasser des Dialogs für den Verlauf und die Ereignisse dieses Feldzugs nicht. 1 ) Petrus: . . . A t Ferrariensis ille, quid tandem designarat? — Iulius: Quid ille homo hominum ingratissimus? huic honorem eum habuerat ille Christi vicarius Alexander, ut alteram filiam illi daret uxorem; addidit dotis nomine luculentissimam ditionem, homini alioqui ignobili; tarnen immemor tantae humanitatis Semper oblatrabat mihi, simoniacum, paederasten ac ernotae mentis hominem dictitans; et insuper vectigalia nonnulla vendicabat, non illa quidem maxima, tarnen haudquaquam aspernanda diligenti pastori. — Genius: immo negociatori. — Iulius: A d haec, quod verius ad rem pertinet, expediebat hoc ad id quod parabam, haec imperii mei ditioni copulari, propter situs opportunitatem. proinde conatus sum hoc deturbato ditionem eam cognato meo conferre, viro strenuo et quidvis pro dignitate ecclesiae ausuro, ut qui nuper suapte manu cardinalem Papiensem in nostram gratiam confoderit: nam filiae maritus sua sorte contentus est (Böcking I V , S. 437, 17ff.). •— Ferguson meint, der Dialog habe offenbar den Schwiegersohn des Papstes mit seinem Neffen verwechselt (S. 89, Anm. zu 402). Aber das ist nicht der Fall. Der Dialog unterscheidet beide Verwandten des Papstes und will erklären, warum der Papst dem entfernteren Verwandten — dem Neffen — das Herzogtum Ferrara zugedacht, obgleich dieser bereits Urbino besaß, während der Gatte der Tochter an den politischen Erfolgen des päpstlichen Nepotismus keinen Anteil bekam. 2 ) urbium eversorem (Böcking I V , S. 427, 19). V g l . unten S. 307, Anm. 1. s ) quod cum superne sacerdotis ornatum geras, idem intus armis cruentatis totus horres crepasque (Böcking I V , S. 429, 2f.).

102

Vom französischen Standpunkt aus ist der Krieg gegen Ferrara nur ein unbedeutendes Intermezzo. Er wird nur deshalb erwähnt, weil er dem Verfasser des Dialogs die Gelegenheit gibt, die Wortbrüchigkeit des Papstes zu brandmarken und die Mordtat des Herzogs von Urbino als ein Beispiel der dem Papst erwünschten Ergebenheit anzuführen 1 ). Dabei ist der Hinweis auf die Tüchtigkeit und unbedingte Ergebenheit des Herzogs von Urbino vielleicht nicht ohne Ironie, da der Herzog während der Schlacht von Ravenna zu den Franzosen überging 2) und erst nach den Mißerfolgen derselben wieder auf die Seite des Papstes trat 3 ). Die Erwähnung der Tochter des Papstes (Feiice) ist vielleicht nur als Parallele zu der Tochter Alexanders V I . (Lucretia) gemeint: wie die Tochter Alexanders zur Herzogin von Ferrara gemacht wurde, so konnte Julius daran denken, abermals das Herzogtum mit einer Papsttochter zu beglücken. Jedenfalls kommt es dem Verfasser darauf an, die Verhöhnung des Zölibats durch den Papst zu unterstreichen. 6. Die Haltung des Dialogs gegenüber dem Kaiser ist ausgesprochenermaßen unfreundlich. Der Verfasser legt sich allerdings ihm gegenüber eine gewisse Zurückhaltung auf, aber seine feindselige Haltung gegenüber dem Kaiser tritt wiederholt zutage. Es erklärt sich das aus der unsicheren Bündnispolitik des Kaisers gegenüber den Franzosen. Der Verfasser des Dialogs ist davon überzeugt, daß sich der Kaiser nur widerwillig und nur der Not gehorchend zur Liga von Cambrai und damit zum Bündnis mit den Franzosen ') Der Kardinal Alidosi wurde nach der Einnahme Bolognas durch die Franzosen (am 23. Mai 151 r) am päpstlichen Hoflager in Ravenna, wohin er sich begeben, ermordet (Pastor I I I , S. 623). a ) quodque pontificis dolorem augere potuit, eius nepos princeps Urbinas quod etiam nefas est scribere relictis sociis Gallo se adiunxit et ex insidiis fugitivum quemque miserabiliter interemit (Scheurl I, S. 88). s ) Pastor III, S. 661.

103

verstanden habe x ). Er habe sich deshalb auch alsbald durch den Papst wieder von den Franzosen abziehen lassen und sich seinem alten, leidenschaftlichen Haß gegen die Franzosen aufs neue hingegeben 2 ). V o n der Geldrischen Angelegenheit war bereits die Rede. Daneben wird noch der Anteil des Kaisers an dem Pisaner Reformkonzil erwähnt: die Ansage dieses Konzils ist durch den Kaiser erfolgt, da nach alter Überlieferung dies als das Recht der römischen Kaiser galt; aber neben dem Kaiser wird auch Ludwig X I I . als Schirmherr des Konzils genannt 3 ). Es wird für den französischen König sogar das gleiche Recht zur Einberufung des Konzils, das nach der Behauptung des Dialogs grundsätzlich allen Fürsten zusteht, in Anspruch genommen 4). Auch hier zeigte sich die Unzuverlässigkeit des Kaisers darin, daß er sich durch die Ränke des Papstes bestimmen ließ, vom Konzil zurückzutreten 6 ), so daß das Pisaner Konzil geradezu als concilium Gallicanum bezeichnet werden kann 6). In der Inanspruchnahme des Einberufungsrechtes für alle Fürsten kommt zum Ausdruck, daß die Stellung des Kaisers über den Fürsten beanstandet wird. Er hat zwar den Titel eines »Königs aller Könige«, aber das ist nur »geschriebenes Recht«, während seine tatsächliche Macht nur »der Schatten eines großen Namens« ist 7 ). Der Papst kann sich rühmen, s. oben S. 80. 3)

indicunt

2)

[concilium]

s. oben S. 81. universis,

autore Maximiliano

(quod historiae testantur olim a b imperatoribus

Romanis

imperatore concilium

indici solere), autore item Gallorum rege Lodovico eius nominis

duo-

decimo (Böcking I V , S. 438, i8ff.). *) ceteris item principibus conniventibus indicendi munus ad imperatorem R o m a n u m , qui olim solus indicebat, et ad Gallorum regem, qui praecipuus esset, pertinere (Böcking I V , S. 443, 14fr.). 5)

Imperatorem Maximilianum c u m per sollennes nuntios concilium

indixerat, per non dicendos modos ab instituto subduxi (Böcking

IV,

S. 441, i8ff.). 6)

Gallicano illi concilio (Böcking I V , S. 442, 20).

7)

Selbst ein so begeisterter Verehrer Maximilians wie Scheurl be-

104

daß er dem Kaiser die goldene Krone aufsetzt, während dieser zu seinen Füßen liegt . Daneben wird die beständige Geldnot des Kaisers erwähnt 2 ). In diesen Äußerungen über den Kaiser kommt wiederum ganz unverkennbar der französische Standpunkt des Dialogs zum Ausdruck. Im Frühjahr 1513 würde kein Angehöriger einer anderen Nation dem von allen Seiten angegriffenen und in höchst bedrohlicher Lage schwebenden Franzosenkönig den ersten Rang unter den Fürsten und sogar das dem Kaiser zustehende Recht der Einberufung des Konzils zugesprochen haben. Ebenso würde auch kein Angehöriger einer anderen Nation in so unehrerbietigem, man möchte sagen: wegwerfendem Tone vom Kaiser gesprochen haben. Der Groll gegen den Kaiser spiegelt ersichtlich den Ärger der Franzosen über die Unsicherheit der Haltung des Kaisers gegenüber Frankreich wieder, während zugleich doch die Hoffnung, das nur halb noch bestehende Bündnis mit dem Kaiser festzuhalten, noch nicht ganz geschwunden ist. 7. Außerordentlich merkwürdig ist, daß in dem ganzen Dialog die Schweizer nicht ein einziges Mal genannt werden. Ihr Anteil an den Kriegen des Julius ist — besonders nach der Schlacht bei Ravenna, beim Zusammenbruch der französischen Herrschaft — von entscheidender Bedeutung gewesen. Unmittelbar nach der Schlacht bei Ravenna — am 12. Mai 1 5 1 2 - — schreibt Scheurl, man setze eine nicht zeichnet sein Kaisertum als umbra imperialis (Briefbuch I, S. 157). Ebenso Eobanus Hessus (Böcking I, S. 1 1 9 , 216): Et nos, quando adeo Caesar sibi quisque videtur, Accipimus praeter nomen inane nihil. ') si spectasses Romanum illum sacerdotem pede coronam auream imponentem imperatori, qui rex est regum omnium (si quid modo valent iura scripta), quanquam nihil obtinet nisi magni nominis umbram (Böcking I V , S. 4 5 3 , u f f . ) . V g l . zu dem Anfang dieses Zitats Huttens Vadiscus: cui et a pedibus suis coronam porrigit in genua abiecto pontifex (Böcking I V , S. 176, 6f.). 2 ) pecuniis, quae apud hominem egentem Semper valent plurimum (Böcking, S. 449, 22f.).

105

geringe, vielleicht könnte man sagen: die letzte Hoffnung auf die Schweizer 1 ). Und etwas später (Ende Oktober 1 5 1 2 ) schreibt er, die Schweizer würden von allen Seiten, besonders von den Franzosen und vom Papst, aber auch vom Kaiser und von Spanien umworben, so daß sie sich nicht als Bundesgenossen, sondern als Sieger fühlen könnten.

Der

Papst hat ihnen den Titel: protectores ecclesiae für alle Zeiten verliehen 2 ).

Von dieser Titelverleihung weiß auch

der Dialog; aber er deutet sie nur an, ohne dabei zu sagen, daß es sich um einen den S c h w e i z e r n verliehenen Titel handelt.

Der Papst habe seinen Verbündeten — im Zu-

sammenhang ist von den Fürsten die Rede — einen sehr ehrenvollen Titel verliehen, damit sie glauben sollten, je größer die Niederlage sei, die sie einem christlichen Volk (gemeint sind die Franzosen) beibrächten, um so verdienstvoller erwiesen sie sich als »Beschützer der Kirche« 3 ).

»Die

Kirche beschützen«, bedeute für den Papst, zur Erhaltung der priesterlichen Pfründen die ganze Welt in verderbenbringende Kriege stürzen 4 ).

An einer anderen Stelle des

1 ) constituerunt tarnen non modicam, libens dixissem extremam, spem in confoederatos quos Suiceros dicunt (Briefbuch I, S. 88). 2 ) Gallus . . . ipsos confoederatos una cum toto orbe quod mirum est dictu ambit, mirum in modum colit et honorat, et ipse Iulius confoederatum titulo protectorum ecclesiae perpetuis temporibus insignivit non absque aliorum gravi ignominia, qui iam mittit Maximilianum Sphorciam in patrium ducatum restituere acceptis trecentis milibus aureorum et in singulos annos quadraginta milibus et nonnullis comitatibus. Addo etiam quod Mediolanenses stipulati sunt, ubi et quam diu opus fuerit se praesto futuros suis expensis sexcentis equis gravis armaturae; pollicentur tarnen Gallus multo maiora et forte universum ducatum et Caesar et Hispanus, ut suum nepotem ducem proclament: quae omnia hucusque reiecta sunt. Adeo crescunt res confoederatorum, ut qui socii dici possunt se arbitrentur victores (Brief buch I, S. 98). 3 ) honestissimum titulum acceperant a nobis, ut quo maiorem cladem inferrent populo Christiano, hoc religiosius viderentur ecclesiam Dei protegere (Böcking I V , S. 450, u f f . ) . ') defensam appellas [ecclesiam], cum pro sacerdotum peculio mundus universus bellis perniciosissimis conflictatur (Böcking I V , S. 456, 26f.).

106

Dialogs ist noch einmal davon die Rede, daß es zur päpstlichen Taktik gehört, die Fürsten durch Verleihung von Titeln zu gewinnen, und es werden dann eine Reihe von Titeln aufgezählt; aber unter ihnen ist nicht der den Schweizern verliehene Titel — ebensowenig wie der Titel des französischen Königs als des rex christianissimus Daß der Titel des französischen Königs nicht genannt wird, hat vermutlich darin seinen Grund, daß es sich hier um eine Aufzählung der Titel durch Julius handelt und der französisch gesinnte Verfasser des Dialogs den Titel des französischen Königs nicht dem Papst in den Mund legen will, — diesen Titel zu nennen, bleibt dem Petrus vorbehalten, wie dieser denn auch ausdrücklich bemerkt, daß bereits die V o r g ä n g e r des Julius diesen Titel verliehen haben 2 ). Daß aber der Titel der Schweizer nicht erwähnt wird und überhaupt im ganzen Dialog von den Schweizern mit keiner Silbe die Rede ist, wird sofort verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß gerade zur Zeit der Abfassung des Dialogs Verhandlungen des französischen Königs mit den Schweizern stattfanden. Diese Verhandlungen, die von Seiten der Schweizer in dem Bewußtsein ihrer starken Position und infolgedessen sehr anspruchsvoll geführt wurden, durften unter keinen Umständen gefährdet werden, und deshalb durfte auch von der Rolle, die die Schweizer in den bisherigen Kriegen gespielt hatten, mit keiner Silbe die Rede sein. nos illos magnificis titulis d e c o r a m u s , etiamsi sint sceleratissimi: h u n c »catholicum« appellantes, i l l u m »serenissimum«, a l i u m »illustrissimum«, a l i u m »Augustum«; omnes »dilectos filios« n o m i n a m u s (Böcking I V , S.

448, 34fr.).

Es h a n d e l t sich hier nicht u m die speziell v o n J u l i u s ver-

liehenen T i t e l , sondern u m die a l l g e m e i n e Praxis d e r p ä p s t l i c h e n T i t e l verleihung.

S o ist z. B. d i e V e r l e i h u n g des Titels des

Königs« an S p a n i e n s c h o n d u r c h A l e x a n d e r V I .

erfolgt

»katholischen (Pastor

III,

S. 353)2)

Petrus: A t q u i d rei t a n d e m incidit adversus Gallos et h o r u m r e g e m ,

q u e m vestri maiores Christianissimi titulo d e c o r a r u n t ? (Böcking I V , S. 445,

33f-)107

Wie würde man wohl diese diplomatische Zurückhaltung des Dialogs verständlich machen können, wenn Erasmus der Verfasser des Dialogs wäre! 8. Zu abschließendem Ausdruck kommt die politische Anschauung des Dialogs in den Äußerungen über den Gegensatz, der zwischen den Franzosen und den Italienern besteht. Der Papst wird als Italiener gekennzeichnet. Er stellt sich selbst dem Petrus als Ligurier v o r u n d erklärt es für höchste Frömmigkeit, sich als Papst in den Dienst des Nationalstolzes zu stellen 2 ). Daß die Gläubigen das himmlische Jerusalem als Vaterland und Christus als ihren alleinigen König haben, davon weiß er nichts 3 ), wie er denn auch in Petrus, dem Apostel Christi, nur den Juden sieht 4 ). Die Bitte, »Dein Reich komme«, ist dem Papst nur eine Verheißung für seinen persönlichen Ehrgeiz 6 ). Daraus erklärt sich sein Gegensatz gegen die Franzosen. Julius bekennt ganz offen, daß er niemals den Franzosen freundlich gesinnt gewesen sei 6 ). Sein Krieg gegen die J ) Principio Ligur sum (Böcking I V , S. 430, 29f.). In dem Hinweis auf die Herkunft des Papstes aus Genua soll zugleich seine Unzuverlässigkeit und Treulosigkeit angedeutet werden. S. unten S. 119 f. 2 ) Petrus: Cur te tarn accurate Ligurem esse praedicas, quasi quicquam hoc ad Christi vicarium pertineat, qua gente sit oriundus? — Iulius: Iramo summam existimo pietatem, gentem nostram nobilitare (Böcking I V , S. 435, 3ff.). A u f Münzen, Gebäuden usw. fügte Julius seinem Namen die Angabe seiner Herkunft bei: Julius Ligur. 3 ) Petrus: A t ego initio putabam te de coelesti Hierusalem, credentium patria, loqui, deque illius unico principe, cuius Optant illi sanctificari, hoc est illustrari numine (Böcking I V , S. 435, 8ff.). 4 ) non, ut tu, Iudaeus (Böcking I V , S. 430, 30). 6 ) Petrus: Ergo te regnante, quantum audio, contigit illud, orare quod nos iusserat Christus: »Adveniat regnum tuum« (Böcking I V , S. 436, 23f.). •) Gallis numquam ex animo bene volui, hoc tibi de tripode dictum puta (Böcking I V , S. 446, 4). D a ß Erasmus auf den Gedanken kommen konnte, diese Äußerung dem Papste in den Mund zu legen, ist im Hinblick darauf, daß Julius II. als K a r d i n a l unter der Regierung Alexanders V I . in Frankreich Zuflucht gesucht hat, ganz unwahrscheinlich. Noch viel weniger versteht man, d a ß Erasmus diese Mitteilung mit der

108

Franzosen bedeute nicht eine Änderung seines Verhältnisses zu ihnen, sondern bringe nur zur Ausführung, was er schon lange geplant. Die Verhältnisse forderten, daß er seine eigentliche Gesinnung verbarg . Solange er den Dienst der Franzosen brauchte, habe er sich ihre Hilfe zunutze gemacht und deshalb manches geschehen lassen, manches verheimlicht, manches vorgespiegelt, geduldet und getan; aber als er sein Ziel erreicht, da habe er sich in seiner wahren Gestalt als Julius gezeigt und das ganze Gesindel der Barbaren aus Italien zu vertreiben unternommen 2 ). Kein Italiener sei in seinem Herzen den Barbaren freundlich gesinnt, nicht freundlicher als der Wolf den Schafen 3 ). Dazu kommt, daß der Papst nicht bloß Italiener, sondern auch Genueser ist — das bedeutet, daß er zu heucheln und zu täuschen versteht 4 ). Diese Vergleichung der Italiener mit dem Wolf ist durch die römische Sage von der Wölfin veranlaßt. Indem der Verfasser des Dialogs aber die Franzosen mit den Schafen vergleicht, läßt er erkennen, zu welcher Seite er selbst gehört. Sein Urteil über die Italiener ist äußerst gehässig. Er sagt von ihnen, sie seien aus dem Auswurf der am meisten barbarischen Völker zusammengefegt, gewissermaßen die Hefe starken Zusicherung: hoc tibi de tripode dictum puta — verbunden haben sollte. 1 ) nihil a me novatum est, sed quod iam olim animo parturieram, tum parere coepi; quod antea rebus ita poscentibus dissimularam, tunc aperui (Böcking I V , S. 446, 2f.). 2 ) tantisper illis utebar amicis, dum opus esset illorum ministerio, quandoquidem hactenus utendum opera barbarorum. Interea multa tuli, multa dissimulavi, multa finxi, denique passus sum et feci; verum ubi iam res in eum prope locum deductae sunt, in quem volebam, supererat, ut vere Iulium agerem, totamque illam barbarorum faecem Italia summoverem (Böcking I V , S. 446, 6ff.). s ) nec ullus Italus ex animo bene vult barbaris, non Hercule magis quam Iupus agnis (Böcking I V , S. 446, 4f.). *) sed ego non Italus modo, verum etiam Genuensis (Böcking I V , S. 446, 6).

109

der Nationen 1 ), — aus den Schriften der »heidnischen« Antike hätten sie den Wahn geschöpft, daß alle NichtItaliener Barbaren seien, und dieser Beiname sei in ihren Augen schimpflicher als der Vorwurf des Vatermordes oder der Gotteslästerung 2 ). Daß Erasmus so nicht über die Italiener urteilen konnte, ist ohne weiteres deutlich 3). Während seines Aufenthaltes in Italien hat er so mancherlei Freundlichkeit erfahren, daß er zu so haßerfülltem Urteil über das ganze Volk, geschweige denn zu so brutaler Beschimpfung desselben, keinen Anlaß hatte 4). Sein Verkehr mit den italienischen Humanisten Musurus und Carteromachus ist ihm für seine Kenntnis der Antike und besonders des Griechischen wertvoll und förderlich gewesen. Die Beachtung, die er in Rom seitens der Kirchenfürsten — der Kardinäle Grimani und Medici (Leo X) und (wenn man Erasmus glauben dürfte) auch des Papstes Julius' II. — fand, ist ihm zu einer Quelle selbstgefälliger Betrachtung geworden. Die Bekanntschaft mit dem bePiatina, S. 662, sagt bei der Schilderung des Zustandes in Rom unter Martin V : Dixisses omnes cives aut inquilinos esse aut ex extrema omnium hominum faece eo commigrasse. 2 ) Itali cum sint ex omni barbarissimarum nationum colluvie conflati confusique, non aliter quam sentina quaedam, tarnen e gentilium literis hanc imbiberunt insaniam, ut extra Italiam na tos barbaros appellent: quod quidem cognominis apud illos contumeliosius est quam si parricidam dicas aut sacrilegum (Böcking I V , S. 446, 21 ff.). 3 ) In der neuen Auflage der deutschen Ausgabe seines Erasmus (1936), S. 102, Anm. 1, und in seinem Aufsatz: »Erasmus über Vaterland und Nationen« (Basier Festschrift 1936), S. 48, Anm. 96ff., stellt Huizinga die Äußerung des Dialogs über die Herkunft der Römer aus der Hefe der barbarischen Völker mit Äußerungen des Erasmus zusammen, in denen dieser die Kriegsfreudigkeit moderner Römer auf ihre Herkunft von den Gothen zurückführt. Aber der Dialog sagt nichts über die Kriegsfreudigkeit der Römer und nichts über die Gothen, und was er über die »Kloake« Roms sagt, ist — wie das Zitat aus Piatina (oben Anm. 1) zeigt — keineswegs original. *) De Italorum ingeniis Semper candidissime et sensi et praedicavi (Jortin II, S. 4 1 1 , 6, vom 3 1 . August 1524).

110

rühmten Verleger Aldus in Venedig hat seinem literarischen Erfolg außerordentliche Dienste geleistet. Allerdings fehlt es daneben auch nicht an Eindrücken, die auf die Empfindlichkeit des Erasmus störend einwirkten. Das italienische Klima sagte ihm nicht zu. So schmeichelhaft die Gunst der römischen Hierarchen für ihn war, so führte sie doch nicht zu der sehnlichst erhofften Sicherung seiner finanziellen Lage 1 ). Die für seine wissenschaftliche Arbeit so wertvollen Beziehungen zu Aldus wurden durch persönliche Zusammenstöße peinlichster Art getrübt, wie es bedauerlicherweise — nicht zu Ehren des Erasmus — in dem gehässigen Dialog über den »schäbigen Reichtum« zum Ausdruck kommt. Aber bei allen diesen Angriffen auf die Stimmung des Erasmus spielt doch die national-politische Note keine Rolle. Er ist persönlich verärgert, aber seine unpolitische Natur gibt seiner Mißstimmung keinen politischen Hintergrund. Schon deshalb nicht, weil die Anlässe seines Mißbehagens — unabhängig von den Umständen seines jeweiligen Aufenthalts — ihn ungefähr sein ganzes Leben hindurch begleiten. Die hysterischen Klagen über seine leiblichen Nöte, die Unzufriedenheit mit der Gebefreudigkeit seiner Gönner und die Unbeständigkeit im Verkehr mit seinen Freunden haben nicht in den Verhältnissen eines einzelnen Landes, sondern in seiner Natur und in seinem Charakter ihren Grund. Am allerwenigsten aber konnte Erasmus die Haltung der Italiener gegenüber den »Barbaren« auf den Einfluß der » h e i d n i s c h e n « Antike zurückführen. Nach seiner Auffassung stand die Antike nicht im Gegensatz zu dem Christentum, wie er es verstand, sondern sollte vielmehr dazu dienen, die Verkehrung des Christentums durch die mittelalterliche, d. h. die römisch-hierarchische Barbarei, zu überwinden. v

) Diese Enttäuschung fällt aber erst in spätere Zeit.

111

Die bonae literae waren f ü r ihn nicht bloß die Brücke zur wahren Bildung, sondern eben damit zugleich auch der Weg zur Humanisierung des Christentums. Sollte von »Heidentum« die R e d e sein, so war dies in d e m Aberglauben der mönchischen Unbildung zu suchen, aber nicht in der h u m a nistischen Bildung, in deren Vermittlung der R u h m Italiens bestand. I n d e m der Dialog nicht wie Erasmus von bonae literae, sondern von gentilium literis redet, macht sich ein allerdings feiner, aber grundsätzlicher Unterschied in der weltanschaulichen Auffassung zwischen dem Dialog und Erasmus bemerkbar. Auch der Verfasser des Dialogs steht ganz auf d e m Boden der humanistischen Bildung, aber der H u manismus h a t bei ihm keine theologische Tendenz wie bei Erasmus, sondern wird ausschließlich politischen Ideen dienstbar gemacht. Er lehnt ausdrücklich die Christiana gentilitas, als deren verantwortlichen Urheber er den Papst betrachtet , ab, während Erasmus an dieser Formel grundsätzlich keinen Anstoß zu nehmen brauchte. Mit besonderer Vorliebe redet Erasmus von der philosophia christiana 2 ) oder von der evangelica philosophia 3 ). Es klingt geradezu wie eine Polemik gegen die auch von Erasmus vertretene Säkularisierung des Christentums, wenn es im Dialog von der Lehre Christi heißt: Christi disciplina pectus requirit ab omni contagio terrenae sollicitudinis purgatissimum: nec enim tantus magister e coelo descendit in terras, ut facilem aliquam aut vulgarem philosophiam träderet mortalibus; neque otiosa neque secura professio est esse Christianum 4 ). Die Verweltlichung, die in d e m Machtstreben der päpstlichen Politik zum Ausdruck kommt, findet ihr Gegenstück in der philosophia facilis et vulgaris, die nur 1

) (Petrus:) Tu christianae iam gentilitatis extitisti magister (Böcking IV, S. 454. 6f.). 2 ) Allen IV, ep. 1062, 19; 1167, 186 und oft. 3 ) Allen IV, ep. 1062, 110; 1167, 148 usw ') Böcking IV, S.454, 31 ff.

112

auf ein der gelehrten Müsse gewidmetes und von irdischen Sorgen freies Leben gerichtet ist. Die Theologie des Erasmus ist nur eine etwas andere Abart der Christiana gentilitas als die des Papstes — wie er denn auch, als es zur Entscheidung kam, den Zusammenhang mit der päpstlichen Kirche nicht aufgegeben hat. Soweit es sich um Theologie handelt, ist die Haltung des Dialogs ungebrochen, während man bei Erasmus den Eindruck hat, daß seine Orthodoxie bewußte Anpassung ist. Soweit es sich dagegen um Politik handelt, ist der Humanismus des Erasmus ohne jedes Neuerungsbedürfnis, während der Dialog offenkundig die politischen Ideen der Reformkonzilien vertritt. Dem gehässigen Urteil über die Italiener steht das freundliche Urteil über die Franzosen gegenüber. Es wird von ihnen gesagt, daß sie nicht bloß Menschen, sondern auch Christen sind und daß sie sich durch die gesetzliche Ordnung ihres Staatswesens und durch den Stand ihrer Bildung ganz besonders auszeichnen, dazu auch — was dem Papst ein besonderer Grund zum Neide ist — durch ihren Wohlstand 1 ). Wie bereits erwähnt wurde, erinnert Petrus daran, daß sich die Vorgänger des Julius veranlaßt gesehen hatten, dem französischen König den Titel des »allerchristlichsten Königs« zu verleihen 2 ), — dementsprechend wird auch vom französischen Volk gesagt, daß es besonders fromm ist. Wie alle Barbaren, d. h. alle nicht-italienischen Völker, auf Frömmigkeit halten, so die Franzosen ganz besonders 3 ). Auch der Papst nennt sie ein »christliches Volk«. Ja, ihre Ehrfurcht vor Christus geht dem Papst viel zu weit 4 ). Denn infolge ihrer Frömmigkeit nehmen sie an dem Treiben des römischen *) Böcking I V , S. 446, 12—19. 2 ) S. oben S. 107. 3) Superstitiosum est cum omne barbarorum genus, tum praecipue Gallorum (Böcking I V , S. 447, 13 f.). 4) Christum ipsum nimis anxie colunt (Böcking IV, S. 447, 18). 8

S t a n g e , Erasmus

113

Hofes — der Simonie, der Gottlosigkeit, der sittlichen V e r wahrlosung, den Giftmorden und dem Aberglauben — A n stoß Für den Papst ist das auch ein Grund, sie von R o m und von Italien fernzuhalten: denn je weniger sie von den »verborgenen Geheimnissen«, d. h. von dem wahren Charakter der päpstlichen Kurie wissen, um so mehr schauen sie in Ehrfurcht zu ihr auf, — sobald sie aber einmal dahinter gekommen sind, wie es in Rom zugeht, machen sie daraus einen großen Skandal und halten dem Papst seine Sünden vor, wodurch dann Ansehen und Macht des Papstes geschädigt und seine Einkünfte geschmälert werden 2). Von der ernsten Frömmigkeit, die der Dialog den Franzosen nachrühmt, gibt auch der Dialog selbst eine Probe. Schon die Kritik, die er am Papsttum übt, ist ernster als die des Erasmus. Die Kritik des Dialogs ist von ehrlichem Zorn eingegeben, nicht wie die des Erasmus von frivoler Spottlust. Ihm ist es wirklich um die Sache zu tun, nicht um allgemeine Urteile und unbestimmte Andeutungen, die — von Vorbehalten umgeben — gegebenenfalls als harmlos hingestellt werden können. Aber ebenso trägt auch, was der Dialog über seine Stellung zum Christentum sagt, das Gepräge größerer Wärme und vertiefter Auffassung. Wenn Petrus von der Bitte um das antiquis quibusdam et iampridem obsoletis vocabulis mirum est quam adhuc homines stultissime permoveantur simonia, blasphemia, zodomia, veneficio, sortilegio (Böcking I V , S. 447, 18—22). 2) atque huiusmodi permulta sunt alia, in quibus dissimili vitae instituto proeul arcendi sunt a nostris mysteriis, magis suspecturi si nesciant: nam si semel intellexerint arcana curiae nostrae, protinus evulgant, et nescio quo pacto ad vitia reprehendenda sunt oculatissimi. . A t q u i his e rebus intolerabilis ecclesiae christianae iactura nascitur: dispensations et pauciores et minoris vendimus; minor census redit ex episcopatibus et sacerdotiis et abbatiis; vulgus, si quid exigitur, malignius dat; breviter, undecunque paucior quaestus et steriliores. nundinae . . . . (Böcking I V , S. 447, 39ff.).

114

Kommen des Reiches und von der Seligkeit im Gottes2 reich ) spricht oder von der Aufgabe der Christen, Christus gleichförmig zu werden 3) und von der Verschmelzung aller Menschen zu dem einen Leibe Christi 4 ), so sind das Töne einer innigen und warmen Frömmigkeit. Die Person Christi tritt betont in den Vordergrund 6 ), während dagegen die moralistische Ausdeutung des Christentums, wie sie Erasmus eigentümlich ist, fehlt. Die Glut des Glaubens, die heilige Lehre und die Verachtung der Welt sind der Schmuck der Kirche 6 ). Der Papst soll sich auszeichnen durch heilige Lehre und Heiligkeit des Lebens, durch Wunder, Gebet, Fasten und Wachen 7 ). Das verwerfliche Gebahren des Papstes wird an dem Heilswerk Christi gemessen: Christus hat sich selbst für alle geopfert, während der Papst alle für sich opfert 8 ). Die Verwerflichkeit des Krieges folgt nicht aus dem Unbehagen, das er dem auf die Förderung der Wissenschaft bedachten Gelehrten bereitet, sondern daraus, daß durch ihn der Leib Christi, die Christenheit, zerrissen wird 9 ). Als der Papst von der Nachfolge Christi in seiner Demut und Armut, seinem Leiden und seinem schimpflichen Tode sagt, daß nur wenige dazu bereit seien, obgleich ihn vielleicht manche loben, da antwortet Petrus mit der feinen Bemerkung: eben dies ihn Böcking I V , S. 4 3 6 , 3 3 f . «) Böcking I V , S. 4 5 5 , 18 ff. 3 ) ut ipse totus erat coelestis, ita corpus suum, hoc est ecclesiam sui simillimam esse voluit (Böcking I V , S . 4 5 5 , 4

) Böcking

IV,

S. 4 5 1 ,

36f.:

populus

13ff.). christianus,

Christi

spiritu

conglutinatus. ») Böcking I V , S. 4 5 4 . ) (Iulius:) ecclesia nunc adeo floret ornamentis omnibus.

6

Quibus?

ardore fidei? . . .

(Böcking I V , S . 4 5 2 , 7

) Böcking I V , S.

e

Sacra doctrina?

6ff.).

430, 14fr.;

vgl. S. 4 5 6 ,

. . . Contemptu

(Petrus:) mundi?

15fr.

) qui seipsum impendit ut omnes servaret: tu ut unum pestilens

defenderes caput, totius orbis exitum accersisti (Böcking I V , S. 4 5 3 , 3 3 f f . ) . 9

) subvertisse mihi videris ecclesiam, qui orbem universum ad teter-

rima bella excitaris (Böcking I V , S. 4 5 1 , 3 7 f . ; vgl. S. 4 5 1 , 4 f f . ) . 8*

115

loben heißt ihm nachfolgen 1 ). Man darf in dieser Äußerung den Beweis sehen, daß der Verfasser des Dialogs ein persönliches Verhältnis zur christlichen Frömmigkeit hat. Ebenso ist es ein Ausdruck persönlicher Frömmigkeit, wenn der Verfasser Petrus sagen läßt: vielleicht habe Gott deshalb den Papst zur Pest für die Franzosen werden lassen, weil sie vorher ihm dazu geholfen haben, zur Pest für die Kirche zu werden 2). Damit wird das Unglück Frankreichs als Gericht Gottes beurteilt und das Bekenntnis der eigenen Schuld ausgesprochen 3 ). In dieser Beugung unter das Gerichtsurteil Gottes zeigt sich, daß das persönliche Verhältnis zu Gott für den Verfasser des Dialogs einen den moralischen Wirkungen der Frömmigkeit übergeordneten Eigenwert hat. Der Wert des Christentums besteht für ihn nicht wie für Erasmus in der Humanisierung des Zusammenlebens der Menschen, sondern in seiner Bedeutung für das Verhältnis, in dem der Mensch zu Gott steht. 6. L I T E R A R I S C H E R

LUDWIGS KAMPF

XII. GEGEN

J U L I U S

II.

Daß der Verfasser des Dialogs französisch gesinnt ist, geht aus dem politischen Inhalt des Dialogs mit unwidersprechlicher Deutlichkeit hervor. Das Gesamtbild der politischen Lage in Europa und die vielen einzelnen Urteile über die verschiedenen Staaten und Völker machen es ganz 1

)

(Iulius:) Inveniet fortassis qui laudent, qui imitentur

his sane temporibus.

nenimem,

(Petrus:) Atqui hoc ipsum deniqtie laudare est imitari

(Böcking I V , S. 4 5 5 , 9 ff.). 2

) (Petrus:) unde illud mihi obiter venit in mentem, te consilio quodam

divino Gallis exstitisse pestem, qui prius ecclesiae te pestem invexerint (Böcking 3

IV,

S. 4 5 1 ,

2 1 f.).

) In dieser Äußerung des Dialogs sieht Pineau (Revue de littérature

comparée V ,

S . 4 1 1 f.) einen Beweis, daß ein F r a n z o s e

den Dialog

nicht geschrieben haben kann: la grandeur de la France läßt ein solches Schuldbekenntnis im M u n d e eines Franzosen nicht zu.

116

zweifellos, daß es sich um eine Streitschrift im Dienste der französischen Politik handelt. Die Politik Ludwigs X I I . hat sich derartiger literarischer Waffen auch sonst im Kampf gegen den Papst bedient. Als die militärische Macht Frankreichs gegenüber der Übermacht der durch die Diplomatie des Papstes zustandegebrachten Bündnisse zusammenbrach, hat der französische König sich zu retten versucht, indem er die öffentliche Meinung auf seine Seite zu bringen sich bemühte. Man hat schon damals gewußt, daß der Sieg im Streit der Völker nicht bloß von den militärischen Machtmitteln abhängt, sondern daß dabei auch die moralische Macht der öffentlichen Meinung eine Rolle spielen kann. i. Als ein geeignetes Mittel bot sich ihm eine Einrichtung dar, die schon seit längerer Zeit in Paris bestand und eine ähnliche Bedeutung wie der römische Pasquino hatte: die französische öffentliche Komödie. Schon unter Philipp dem Schönen hatte die Bäzoche, die Gilde der Pariser Parlamentsschreiber, ein Privilegium zur Aufführung allegorischer Schauspiele (Moralitäten) und Farcen erhalten 1 ). In einer aufschlußreichen Studie hat fimile Picot über diese Form der öffentlichen Kritik an den politischen Vorgängen berichtet 2 ). Unter den von ihm angeführten Stücken beschäftigt sich eins — aus dem Jahre 1433 — mit dem Baseler Konzil, ein anderes mit der Pragmatischen Sanktion von Bourges vom Jahre 1438. Die Pragmatische Sanktion von Bourges hatte die Beschlüsse des Baseler Konzils durch eine Synode des französischen Klerus unter Karl V I I . angenommen. Dabei handelte es sich vornehmlich um das Recht der Kapitel und Gemeinden, die Wahl der Bischöfe und Äbte zu vollziehen, wobei dem Papst nur ein Veto-Recht 1

) Eine anschauliche Schilderung dieser Schauspiele gibt Victor Hugo in seinem Roman Notre Dame de Paris. 2

) Bull. soc. hist. prot. franc. X X X V I ,

1887, S. 2 2 5 — 2 3 2 .

117

im Fall der Unwürdigkeit oder des Mißbrauchs eingeräumt war und dem König nur das Recht, den Wählern die von ihm bevorzugten Kandidaten zu empfehlen. Außerdem war die Superiorität der Konzilien über den Papst proklamiert worden. Unter den Mißbräuchen, die die Pragmatische Sanktion im Anschluß an die Beschlüsse des Konzils verbot, befand sich auch das »Narrenfest«, das seit langer Zeit in Troyes gefeiert wurde. Nachdem es infolgedessen einige Jahre nicht stattgefunden hatte, wurde es im J a h r e 1445 mit besonderem Pomp in Paris wieder eingeführt mit einer Satire auf den Bischof, der das Fest verboten hatte. Aus Gründen seiner italienischen Politik verstand sich Ludwig X I . im Jahre 1461 zur Aufhebung der Pragmatischen Sanktion, die aber durch das Parlament verweigert wurde. Im Jahre 1499 erkannte Ludwig X I I . die Pragmatische Sanktion ausdrücklich wieder an, ließ aber auch der antipäpstlichen Kritik seitens des französischen Theaters freien Spielraum. Schon im Jahre 1508 wurde eine Komödie aufgeführt, in der der Papst selbst zum Gegenstand des Spottes gemacht wurde. Der Verfasser dieser Komödie war André de la Vigne, Mitglied der Bazoche, Sekretär der Königin und Poeta regius. Charakteristisch für die am Papst geübte Kritik ist die Verbindung des kirchenpolitischen Gegensatzes mit dem nationalen Gegensatz zwischen Frankreich und Italien. Nachdem das Stück auf einem öffentlichen Platz in Paris aufgeführt worden war, wurde es ohne Nennung des Verfassers in der königlichen Druckerei mit königlichem Privileg gedruckt 1 ). Die scharfe Zuspitzung des Gegensatzes zwischen Ludwig X I I . und Julius II. im Jahre 1512 spiegelt sich in der dann am 10. Februar 1512 aufgeführten Komödie von Pierre Es liegt nahe anzunehmen, daß Erasmus die Anregung zu seiner Schrift Enkomium Moriae durch die Pariser Komödie erhalten hat. André de la Vigne ist 1460 geboren, war also wenig älter als Erasmus. E r war ebenso wie Faustus Andrelinus Poeta regius.

118

Gringore

: L e ieu du prince des sotz et mere sotte, ab>

in der als Hauptpersonen das französische und das italienische Volk, aber auch der Papst erscheinen.

Das französische

Volk beklagt sich über die Ausplünderung durch die Italiener und über ihre Treulosigkeit.

Der Papst, der bereits in dem

Personenverzeichnis als l'homme obstiné 2 ) (2. Thess. 2, 4; celui qui s'oppose) eingeführt wird, schildert sich selbst als pervers, gottlos, zu jedem Bösen bereit, weder Recht noch Vernunft

gelten

lassend.

seine Wortbrüchigkeit. wie ein Grieche,

Besonders Er

ist

unterstrichen

ein abscheulicher

wandelbar wie das

wird

Lügner

unbeständige

Meer,

L u n a regierte die Stunde seiner Geburt, in seinem rakter ganz ein Die den

Begründung

der

Treulosigkeit

Hinweis auf den Charakter

Genuesen deutet

Cha-

Genuese.

auf die

des Papstes

der Griechen

Abstammung

durch

und

der

des Papstes

von

einem genuesischen V a t e r und einer griechischen

Mutter

hin, der Hinweis auf das Meer auf seine Geburt als Sohn eines Fischers 3 ). von Pisa

von

In einem der Ausgabe 1612

beigefügten 4 )

der Konzilsakten

Epigramm

des

eng-

') Pierre Gringoire erscheint in dem Roman Victor Hugos als V e r fasser des dort aufgeführten Stückes. a ) Der Ausdruck stammt aus 2. Thess. 2, 4. Auch in den Akten des Pisaner Konzils (Ausgabe von 1612, Promotiones, S. 203, 2 1 . April 1512) wird der Papst obstinatus genannt. 3 ) Nach dem Julius-Dialog soll Julius von einer S c h w e s t e r Sixtus' I V . stammen; wenn er trotzdem den Namen Rovere führt, so beweist das auf alle Fälle seine illegitime Herkunft (s. o. S. 47). Wenn Ferguson meint (S. 71 f. u. 82), der Dialog verwechsele aus Versehen das V e r wandtschaftsverhältnis, in dem Julius II. zu Sixtus I V . stand, mit dem der beiden Riario (Moritz Brosch, Papst Julius II. und die Gründung des Kirchenstaates, 1878, S. 4), so übersieht er, daß der Dialog die Aussage des Papstes über seine Herkunft von der Schwester Sixtus* I V . als A u s r e d e kennzeichnet, durch welche die Herkunft Julius' II. von Sixtus selbst verhüllt werden soll. 4 ) Im Anschluß an den den Pisaner Akten beigegebenen JuliusDialog (N. 12 bei Böcking I V , S. 424), S. 3 1 .

119

lischen Humanisten Buchanan (f 1586) kehren diese Aussagen wieder: Genua a ) cui patrem, genetricem Graecia, partum Litus b ) et unda dedit, hic bonus esse potest? Fallaces Ligures, mendax est Graecia, ponto Nulla fides, haec tu c ) singula solus h a b e s . Bemerkenswert ist noch, daß sich der Papst bei der Aufzählung seiner Sünden und Laster auf »den Rat eines Juden« beruft. »Diese Anspielung auf den Vertrauten Julius'II., den jüdischen Arzt Bonnet, kehrt mehrere Male in dem Stück wieder.« Die Verwandtschaft des Julius-Dialogs mit dieser Komödie Gringores springt in die Augen und ist schon immer beachtet worden. Es steht nichts im Wege, den Julius-Dialog den Moralitäten der Bazoche einzureihen, zumal auch der JuliusDialog als seinen Verfasser einen Poeta regius nennt. Wenn im Julius-Dialog allerdings die Handlung fehlt, so ist auch die Komödie des Gringore mehr ein Dialog als eine dramatische Handlung. Ein Unterschied zwischen beiden Schriften besteht nur darin, daß der Julius-Dialog das geschichtliche Tatsachenmaterial in viel umfangreicherem Maße zur Geltung kommen läßt. Im Hinblick auf die Ausführlichkeit und Gründlichkeit seiner geschichtlichen Angaben trägt der Julius-Dialog fast den Charakter einer wissenschaftlichen Abhandlung und nähert sich damit einer zweiten Gattung literarischer Produktion, die ebenfalls im 1)

Diese Verse stammen nicht von Buchanan.

Sie finden sich oft;

so in den anscheinend älteren Epitaphia aliquot summorum pontificum, Sixti I V , Alexandri V I , Iulii II, Leonis X et Clementis V I I carmine elegiaco Romae iuxta cadaverum eorum sepulchra infixa reperta (mit leichter Abänderung: a) Ianua; b) Pontus; c) in te).

Diese Epitaphia

geben weder Zeit noch Ort an, gehen aber nicht über Clemens V I I . hinaus.

In der Oxforder Ausgabe des Julius-Dialogs von 1680 wird

neben Buchanan

als Verfasser Zwingiis Freund Conrad Grebel (gest.

vor 1526) genannt.

120

Dienste Ludwigs X I I . den Kampf gegen den Papst zu führen berufen war. 2. Im Jahre 1 5 1 1 erschien nämlich in französischer Sprache eine Schrift de schismatum et conciliorum ecclesiae universalis differentia deque Gallicanae ecclesiae conciliorum praestantia et utilitate, als deren Verfasser sich der »Historicus« Ludwigs X I I . , der Belgier Jean Lemaire (Johannes Marius), nennt *). In der Vorrede dieser Schrift werden Maximilian und Ludwig X I I . gelobt, weil sie in Treue gegen den Vertrag von Cambrai den Frieden zu fördern streben — im Gegensatz zu den Ultramontanen, d. h. den Italienern, gegen die Ludwig X I I . ruhmvoll kämpft. Die politische Lage, in der diese Worte geschrieben sind, ist also noch durch die französischen Siege in Italien bestimmt. Als der eigentliche Friedensstörer wird der Papst bezeichnet. Hatte Julius seine Feinde als hostes ecclesiae gebrandmarkt, so werden nun er und seine Bundesgenossen hostes publici commodi genannt 2 ). In ihrer Charakteristik erscheint das aus der französischen Polemik bekannte Bild des Papstes: sie sind verkehrten Sinnes 3 ), von maßloser Überhebung, streitsüchtig, treulos, haßerfüllt gegen das Glück Frankreichs. Friedensstörer sind sie, weil sie den unter der Autorität der Margarete von Burgund, der einzigen Tochter des Kaisers, geschlossenen Vertrag von Cambrai stören. Dadurch werden sie zu Feinden des öffentlichen Wohls, weil mit dem Bruch des in Cambrai beschworenen Vertrages die Bekämpfung der Türken und anderer Feinde des Glaubens verhindert wird, deren Abwehr durch die Einigung der v j Die lateinische Übersetzung dieser Schrift vom J a h r e 1609 ist zusammen mit Schriften des Theodor von Niem und des Franz Zabarelli in Straßburg 1629 neu gedruckt worden. 2 ) In deutlichem Gegensatz zu der Brandmarkung der Feinde des Papstes als hostes ecclesiae oder hostes Christi wird auch im JuliusDialog der Papst verus Christi hostis genannt (Böcking I V , S. 4 5 5 , 36). 3 ) Das W o r t perversi hat hier nicht sexuelle Bedeutung.

121

christlichen Fürsten in Cambrai ermöglicht werden sollte "-). Diese Einigung der christlichen Fürsten hätte gerade durch die Autorität des Papstes geführt, gefördert und gestützt werden müssen; aber obgleich er sich — zu seiner eigenen Schande und zur Entrüstung der Christenheit — das oberste Haupt der Kirche zu sein brüstet, arbeitet er — öffentlich und insgeheim — gegen die Einigung der christlichen Fürsten. Man kann nur Gott bitten, daß er den Papst endlich zur Einkehr bringe, damit er von seinem verkehrten Sinn abstehe 2 ). Geht schon aus diesen einleitenden Worten hervor, daß der Verfasser keineswegs kirchenfeindlich gesinnt ist, so wird dies von ihm in feierlicher Verwahrung noch ausdrücklich ausgesprochen: es soll weder der Autorität der römischen Kirche, soweit sie ihrer göttlichen Sendung treu bleibt, noch auch dem Ansehen der Päpste und Bischöfe, soweit 1 ) Triumphus, honor et laus immortalis sit illustrissixnis ac laudatissimis principibus, qui fideli vinculo concordiae devinciuntur, omnibusque eorum sociis, amicis et confoederatis, qui publicae orbis christiani utilitati Student: uti hodie faciunt Maximiiianus Caesar Augustus, rex Germaniae, et Ludovicus X I I . , christianissimus rex Francorum, una cum celebratissima coniuge sua Anna, regina Franciae et principe Britanniae. Qui quidem Ludovicus gloriose in ultramontanos, hoc est, Italos contendit: quorum qui boni sunt, laudem merentur: alii vero perversi, fastuosi, rebelies, desertores, felicitatis gallicae osores, perturbatores et hostes sunt publici commodi. Perturbatores quidem, quia pacem felicissimis auspiciis Margaritae Austriacae, unicae Imperatoris Maximiliani filiae, in civitate imperiali Cameracensi constitutam turbant. Hostes vero ideo, quia, quantum in ipsis est, maligne impediunt, quo minus laudabiles et pii dictorum principum conatus contra Turcas aliosque infideles suum effectum solenni iureiurando in Cameracensi pacificatione promissum sortiantur (Prooemium, S. 577). 2 ) Nam cuius autoritate confoederatio illa dirigi, promoveri, fulcirique deberet: ille, quantumvis supremum ecclesiae caput, cum insigni sua ignominia populique christiani indignatione se esse iactet, ei directo, palam atque secreto contrarius existit. Faxit vero Deus, ut tandem resipiscens ad meliorem mentem redeat et a coeptis suis perversis desistat (ib. S. 577f.).

122

sie fromm und heilig leben, zunahe getreten werden. Aber es gibt auch unter den Kirchenfürsten viele, die den entgegengesetzten Weg gegangen sind und durch ihr verbrecherisches Leben Anlaß zu Spaltungen in der Kirche gegeben haben, während andere wiederum sich dadurch verdient gemacht haben, daß sie mit Hilfe der Konzilien die Einheit der Kirche wiederhergestellt haben 1 ). Damit ist das Programm der Schrift bereits umschrieben. Es soll der geschichtliche Nachweis geführt werden, daß alle Streitigkeiten und Spaltungen in der christlichen Kirche und damit eine Fülle von Leid und Not der christlichen Völker in der durch den weltlichen Besitz der römischen Kirche hervorgerufenen Habsucht, Anmaßung und Tyrannei der Päpste ihre Quelle haben 2 ). Piatina hat allerdings in seiner »Geschichte der Päpste« gesagt, der Anfang aller Wirren in Italien sei von den Venetianern ausgegangen. Ebenso sind auch viele der Meinung, der gegenwärtige Streit zwischen der römischen und der französischen Kirche sei durch die Venetianer verursacht. Und in der Tat haben auch die Venetianer infolge ihrer furchtbaren Macht an 1

) hac simul protestatione praemissa, me nihil ecclesiae R o m a n a e in

integritate sua

subsistentis,

nec

Pontificum

religiöse viventium autoritati derogaturum.

et clericorum

sancte

ac

Inter hos siquidem multi

inveniuntur, ut hincinde in historiis legere pauloque post videre est, qui contraria via incedentes, corruptissima vita sua schismatis ac divisionibus, quemadmodum boni conciliis et reconciliationibus, occasionem dedere (ib. S. 5 7 8 ) . 2

) in hoc praesenti opere suscepi trium rerum tractationem, quarum

prior erit demonstratio, quomodo opes ecclesiae datae maxime a C o n stantino

Magno

produxerint,

et

successoribus

nimirum

superbiam,

eius

....

postea pessimos

arrogantiam,

fastum,

fructus

haeresin,

principum contemtum, tyrannidem in subditos, impudentiam, aliaque eius generis vitia complura, quae postea generalium conciliorum neglectum invexere.

H a e c vero omnia simul schismata, divisiones, factiones et

separationes in populo christiano excitarunt: quae multorum malorum, afflictionum, tribulationum et persecutionum in populo christiano occasio fuere (S. 5 7 9 ) .

123

dem gegenwärtigen Zwiespalt ihren Anteil. Aber wenn man auf der einen Seite die maßlose Frivolität des Papstes (magna et obstinata audacia Papae, vgl. l'homme obstiné Gringores) und auf der anderen Seite den zuversichtlichen Glauben des französischen Königs an den Sieg der guten Sache sieht, dann weiß man, daß die Ursache des Streites zu allen Zeiten dieselbe ist, nämlich die Anmaßung der Diener der römischen Kirche

. Als Motto ist der Schrift ein Wort des Hieronymus

vorangestellt, in dem er als die Urheber aller Kirchenspaltungen und aller Verführung der Christenheit die Priester bezeichnet 2 ).

Dementsprechend sieht Lemaire auch in den

gegenwärtigen Wirren nicht etwas Neues, sondern nur eine Bestätigung der unerträglichen und maßlosen Herrschsucht der römischen Kirche.

Aber wie es kein Böses gibt, das

nicht irgendwie zum Guten führt 3 ),

so hat auch die Ent-

artung der römischen Kirche zu einer heilsamen Gegenwirkung geführt.

Denn dazu sind — nach der Erklärung

des Baseler Konzils von 1 4 3 1 4) — die allgemeinen Konzilien Initium perturbandi omnia, inquit Piatina in vita Gregorii X [Platina, S. 5 1 3 ] a Venetis ortum est Cum itaque consideraren! multis videri rem valde novam per Venetos, qui inter populos totius orbis máxime formidabiles sunt, . . . . dissensionem quasique belli aperti incendia in supremum ecclesiae Romanae episcopum et gallicae ecclesiae patronum et protectorem ali: ad haec quoque complures mirari, unde tarn magna et obstinata audacia Papae et Christianissimo regi tanta tamque excelsa confidentia venerit: quo clare perspiceretur fons et origo arrogantiae ministrorum ecclesiae romanae et quod haec non sit nova usw. (S. 578f.). a ) S. 5 7 1 : Invenire non possum, scidisse ecclesiam, et de domo Domini populos deduxisse, praeter eos, qui sacerdotes positi fuerant. Isti vero vertuntur in laqueum tortuosum, in ómnibus locis ponentes scandalum. a ) Communi quoque proverbio iactatur: Non esse malum, unde quid boni non oriatur (S. 578). 4 ) Dies ist eine Ungenauigkeit Lemaires: die angeführten Worte stammen vom Konstanzer Konzil, 39. Sitzung (vgl. Acta Pisana 1612, Promotiones, S. 1). Das Baseler Konzil nimmt in seiner 1 1 . Sitzung auf diese Constitutio des Konstanzer Konzils Bezug, um sie zu erläutern und zu bekräftigen (1. c. S. 3).

124

da, daß sie den Acker des Herrn von den Dornen und Disteln der Ketzereien, Irrlehren und Spaltungen befreien, den Ausschreitungen entgegentreten und den Weinberg des Herrn pflegen, damit er reiche Frucht bringe. Werden dagegen die allgemeinen Konzilien nicht abgehalten — schon Piatina meinte, daß die Päpste seiner Zeit das Institut der Konzilien nur deshalb ausschalteten, weil sie die Kritik der Guten und Wohlmeinenden fürchteten (S. 94f.), — so werden dadurch die Ketzereien und Spaltungen gefördert 1 ). Der Verfasser will also nachweisen, daß Konzilien um der Verderbtheit des Papsttums willen notwendig sind, wobei die Einberufer dieser Konzilien — wenn sie sich gegen die Entartung der Päpste richten — selbstverständlich nur die Fürsten sein können, wie denn auch seit den Tagen Konstantins immer die Autorität der Kaiser hinter den Konzilien gestanden hat. In diesem Sinne geht Lemaire die Geschichte der allgemeinen Konzilien durch. Aber diese geschichtliche Belehrung soll offenbar einem ganz bestimmten praktischen Zweck dienen. Die geschichtliche Darstellung mündet im Hinblick auf das durch Julius II. verschuldete Zerwürfnis zwischen Rom und Frankreich in die Ankündigung eines neuen Konzils aus — nach der Zählung des Verfassers wird es das vierundzwanzigste sein. Dies Konzil wird größer sein als alle übrigen und der römischen Kirche zu einem schrecklichen Gericht werden, worauf alsdann Ruhe und Frieden in der ganzen Welt herrschen werden und die Christenheit — nach der Verheißung des Evangeliums — eine Herde und ein Hirte sein wird 2 ). ') Wörtliche Wiedergabe des Konzibbeschlusses von Konstanz (Mirbt, Quellen *, S. 228). 2 ) In tertia parte comprehendentur schismata ab octavo usque ad vicesimum tertium iam praeteritum et fiet mentio de vicesimo quarto futuro multo maiore ceteris omnibus deque horribili et admiranda persecutione, quam ecclesia romana sustinebit. Post quae tranquillitas

125

Die Schrift Lemaires wird von Pastor als Pamphlet bezeichnet, und es wird von ihr gesagt, daß sie die Dinge auf den Kopf stelle, indem sie die Päpste für die Kirchenspaltungen verantwortlich macht, dagegen die heilenden Kirchenversammlungen von den weltlichen Fürsten ausgehen läßt 1 ). Aber aus der von Pastor selbst geschriebenen Geschichte der Päpste ließe sich leicht der Nachweis führen, daß die geschichtlichen Angaben Lemaires — abgesehen von einzelnen Fehlern — im wesentlichen zutreffend sind und daß jedenfalls seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts die allgemeinen Konzilien die von den Päpsten verabscheute Waffe der weltlichen Fürsten gegen die Entartung des Papsttums sind 2 ). Der Auszug, den Lemaire aus der Geschichte des Papsttums gibt, ist gewiß einseitig; aber was er schildert, ist immerhin die in der Zeit der Humanistenpäpste am meisten hervortretende und nicht bloß vom Standpunkt der Pragmatischen Sanktion aus bekämpfte, sondern allgemein zum Ärgernis der Christenheit gewordene Seite des Papsttums. Dabei bewegt sich der Verfasser durchaus in den Grenzen der Mäßigung. So z. B. hält er sein Urteil über die sogenannte Schenkung Konstantins trotz des durch Laurentius Valla erbrachten Nachweises ihrer Ungeschichtlichkeit zurück, obgleich er in dem weltlichen Besitz der Päpste die eigentliche Ursache ihrer Entartung et pax totum mundum excipiet evangeliumque complebitur dicens: unum ovile et unus pastor (S. 580). !) Pastor III, S. 629f. a ) Sciendum est, quod sessione quadregesimaquinta et ultima concilii Basileensis, quae facta est anno M C C C C X L V I I I in mense Iunio, Lugdunum voce et autoritate concilii eiusdem sit constitutum ac nominatum, tanquam locus concilio universali celebrando prae ceteris valde opportunus et idoneus. E x decretis namque synodalium autoritate ac constitutione, de decennio in decennium concilia celebran deberent, nisi, ut superius iam dictum est in parte priore huius tractatus, pontífices concilia fugerent, et quantum in ipsis est, impedirent (Lemaire, S. 622).

126

sieht x ). Der Verfasser ist davon überzeugt, daß von der Schlechtigkeit, der Herrschsucht und der Habsucht der verbrecherischen Päpste alle Übel in der Welt herkommen, will aber nicht bestreiten, daß es auch gute Päpste gegeben hat, die des Lobes würdig sind und sich um die Kirche wohl verdient gemacht haben 2 ). Auch die gelegentlichen Hinweise auf Julius II. geben nur andeutend das allgemein verbreitete Urteil über diesen Papst wieder. So wird z. B. von Eugen IV. — mit deutlicher Anspielung auf den gegenwärtigen Papst — gesagt, daß er den Krieg liebte und daß dies d a m a l s bei einem Papst als etwas Ungewöhnliches empfunden wurde 3 ). Von Johann XXII. heißt es, daß er Frankreich in maßloser Weise ausgeplündert und immer neue Geldforderungen ersonnen habe, worin die römische Kurie Lehrmeisterin ist 4). Schon *) E g o ab hisce disputationibus abstineo, tanquam quarum occasione quis facile in suspicionem haereseos labi possit . . . tum etiam quod alias multi viri ingenio praestantes in iis discutiendis versati sunt, inter quos Laurentius Valla, nobilis Romanus, et orator vehemens, omnino tuetur falso atque perverse hanc donationem confictam. Ego, ut sese res habeat nescio: attamen saniori sententiae libens acquiesco (S. 590). Donationem istam nunquam factam esse, maxime Laurentius V a l l a Romanus, vir singularis cum eruditionis, tum libertatis in scribendo, qui de hoc peculiarem librum mira audacia conscripsit, in quo rationes tales allegat, quae minime refutari posse videntur. Verumtamen communis opinio et possessio, qua pontifices gaudent, satis hanc donationem confirmare videntur (S. 585). 2 ) quod a malitia, ambitione et avaritia sceleratorum paparum omnia mala in mundo proveniant, et vicissim quod boni papae omni laude digni sint et bene de ecclesia mereantur (S. 633). 3 ) Vicesimum tertium schisma inter Felicem V . et Eugenium I V . fuit. Hic cum bella amaret, id quod in huius seculi papis non immerito mirum videri potest . . . (S. 648). 4) Praeterea idem papa, qui tantam auri vim post se reliquit, quantum nullus pontificum, qui vel ante, vel post eum fuere cum suis successoribus, ita regnum Galliae novis exactionibus, annatis, decimis, subsidiis, gratiis expectativis aliisque inventionibus (in qui bus excogitandis R o m a n a magistra est) aggravavit, ut miseri clerici ac studiosi Parisienses ne unicum quidem beneficium adipisci possent (S. 621).

127

bei Gregor IV. wird über die falsche, böse und pharisäische Unaufrichtigkeit der Priester geklagt, die nach dem Vorbild der Pharisäer diejenigen, welche ihnen ihr Unrecht vorhalten, mit wütendem H a ß verfolgen x ). Im Hinblick auf Alexander I I I . wird darauf hingewiesen, wie durch die Päpste die staatlichen Verhältnisse zerrüttet worden sind und beständig zerrüttet werden 2 ). Von Benedikt I X . wird erzählt, daß er nach seinem Tode in tierischer Gestalt erschienen sei — dieses Beispiel dereinstiger Bestrafung durch Gott müßten sich a u c h a n d e r e vor Augen halten 3 ). Mit diesem Hinweis auf das zukünftige Gericht berührt der Verfasser das Motiv, das in dem Julius-Dialog — nach dem inzwischen erfolgten Tode Julius' II. — wieder aufgenommen und ausführlich behandelt wird 4 ). Daneben finden sich bei Lemaire auch vereinzelte Anklänge an die im JuliusDialog uns begegnenden Äußerungen über den Papst. Unter den mancherlei Weissagungen aus älterer und neuerer Zeit, in denen Lemaire die vor seinen Augen sich vollziehende Katastrophe angekündigt sieht, befindet sich auch eine alte Weissagung, in der es heißt, daß der Baum der Eiche um*) O falsa, o malitiosa, o pharisaica hypocrisis sacerdotalis! Non novum est quod furiose conspires in eos, qui te corrigunt vel reprehendunt: siquidem a capite, videlicet a Christo domino nostro initia conspirationum tuarum deduxisti (S. 600). 2 ) Vide, quaeso Lector, quomodo respublica causa paparum turbata fuerit, et perpetuo erit, donec Deus Optimus Maximus malis remedium adhibeat tandem (S. 610). 3 ) Id exemplum alii sibi ob oculos ponere deberent (S. 634). *) Die Verwendung des Gerichtsmotivs zur moralischen Charakterisierung findet sich in dieser Zeit oft. Besonders eindrucksvoll ist die den Julius-Dialog fast vorwegnehmende Komödie, die —• wie der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burchard (Diarium III, S. 2i8f.) berichtet — nach dem Tode des Kardinals Johann Baptista de Ferrariis im Juli 1502 in der »Gesindestube« des Erzbischofs von Ragusa zum Besten gegeben worden ist. Auch diese Komödie wird auf einen Franzosen zurückgeführt.

128

gestürzt werden wird ; diese Anspielung auf das Wappenbild des Papstes kehrt im Julius-Dialog wieder 2 ). Ebenso liegt eine gewisse Berührung der V o r s t e l l u n g e n vor, wenn Lemaire von Felix V . berichtet, daß er sich nach seiner Wahl zum Papst den Bart habe abnehmen lassen 3 ), während der Julius-Dialog erwähnt, daß sich Julius II. in der Zeit seiner Bedrängnis einen Bart habe wachsen lassen 4). Von literarischer Abhängigkeit kann dabei selbstverständlich nicht die Rede sein; aber man bekommt den Eindruck, daß sich beide Schriften in demselben Kreis von Vorstellungen bewegen, obgleich sie die Züge des Papstbildes in verschiedener Weise für die Charakterschilderung des Papstes in Anspruch nehmen. Noch stärker tritt diese Verwandtschaft beider Schriften in den Äußerungen über Frankreich zutage. Ebenso wie im Julius-Dialog wird auch von Lemaire die Frömmigkeit der Franzosen gerühmt: in der Kreuzzugspredigt Urbans II. wird von ihnen gesagt, daß sie allein oder wenigstens doch in erster Linie ein wahrhaft christliches Volk genannt zu werden verdienen 6 ). Daher zeichnen sich auch die französischen Konzilien vor allen anderen durch ihren christlichen Ernst und ihre der Kirche heilsamen Beschlüsse aus. Wie sehr dem Verfasser an diesem Nachweis gelegen ist, zeigt der Umstand, daß er ihm den zweiten Teil seiner Schrift widmet. Die französischen Könige haben den Päpsten immer wieder geholfen und von Pippin und Karl dem Großen bis auf Ludwig X I I . ihnen die größten WohlNota quod circa haec tempora intronizatus fuit in p a p a t u m Iulius secundus, subvertetur

modernus,

antiquum

vaticinium:

arbor

glandis

(S. 652).

2)

Böcking I V ,

3)

A n t e q u a m vero haec agerentur,

S. 427, 30: si quercum auream

ignoras.

barbam radi curaverat (S. 649).

4)

S. oben S. 7, A n m . 2.

5)

solam esse vel primariam gentem Francicam, q u a m vere christianam

liceat 9

pontifex

appellare

(S. 605).

Stange, Erasmus

129

taten erwiesen, weshalb denn auch die Päpste regelmäßig, sobald ihnen die Ränke und Verschwörungen der Italiener bedrohlich wurden, ihre Zuflucht in Frankreich gesucht haben, ohne freilich die ihnen daraus erwachsende Verpflichtung zur Dankbarkeit zu empfinden . Auf einen persönlichen Zusammenhang Lemaires mit dem Verfasser des Julius-Dialogs zu schließen, geben diese Parallelen allerdings kein Recht. Man kann nur soviel sagen, daß die Schrift des Historicus regius Lemaire ebenso wie der Dialog des Poeta regius Andrelinus und die Komödien des Poeta regius de la Vigne und Gringores den Intentionen der Politik ihres Königs entsprachen und ihm in seinem Kampfe gegen den Papst willkommen sein mußten. Daneben ist selbstverständlich der Zusammenhang zu beachten, in dem der französische Humanismus mit der Kritik der italienischen Humanisten am Papsttum steht, wie denn Lemaire sich beständig auf die Geschichte der Päpste von Piatina beruft und die Kritik Laurentius Vallas am Patrimonium Petri kennt. Und nicht minder selbstverständlich ist es, daß die französischen Humanisten sich gegenseitig aus ihren Werken kennen. Lemaires schriftstellerische Tätigkeit hat sich nicht auf diese Schrift über die Konzilien beschränkt, — er selbst nennt zwei weitere seiner Schriften: eine Geschichte Venedigs 2) und eine Geschichte der Kreuzzüge 3 ). Von 1

) Von Innocenz II. heißt es: Innocentius itaque Roma pulsus, in Galliam, tanquam ad communem paparum oppressorum portum, confugit (S. 608); von Eugen III.: cum eum Romani persequerentur more suorum antecessorum in Gallias confugit (S. 60g); von Innocenz I V : patria Genuensis in Gallias confugit (S. 6 1 3 ) ; von Bonifaz V I I I : Ceterum Bonifacius, prout Italorum mos est, turpiter et arroganter oblitus omnium beneficiorum, quae in antecessores suos collata fuissent a Galiii, ut superius videre licuit (S. 6 1 5 ) ; usw. 2

) S. 5 7 9 : historia mea de ipsis [Venetis] Lugduni edita. ) S. 606: Nos quoque alii cuidam operi a nobis composito, summariam narrationem et huius et aliarum subsequentium expeditionum [der Kreuzzüge] . . . inservimus. 3

130

französischen Schriftstellern führt er Gaguin und Alanus Chartier an. Von Gaguin werden die Vita Caroli VII. 1 ), seine Chronica 2) und historia Gallica 3) genannt, — von Chartier bringt er ausführliche Zitate aus seinem Exilium 4 ) und seinem Aulicus 5 ). Gaguin war der anerkannte Führer der Pariser Humanisten, als Erasmus in Paris in den Kreis der Humanisten eintrat; zu seiner Geschichte Karls VII. haben Erasmus und Andrelinus Huldigungscarmina beigesteuert 6 ). 1 ) S. 580: Gaguini hominis tarn theologiae quam historiae cognitione praecellentis, qui in vita Caroli V I I . his verbis sententiam explicat. . . 2

) S. 599: Gaguinus in suis Chronicis. ') S. 622: referente id Gaguino in sua historia Gallica. 4 ) S. 653: Alanus Chartierus in libro suo quem Exilium vocat; vgl. S. 581: Alanus Chartier in fine libri, qui Exilium inscribitur. 5 ) S. 654: Idem in opere, cui titulum fecit Aulicus. 6 ) Erasmus schreibt über seinen ersten Aufenthalt in Paris: Nam illic editum est ab amicis Carmen heroicum, admixto eiusdem generis tetrametro ad Faustum Andrelinum, quicum mihi tum recens coierat sodalitas. Rursus aliud hendecasyllabum ad Robertum Gaguinum, cuius tum apud Parisios non mediocris erat autoritas. Rursus aliud ad eundem, alterne mixto glyconico et asclepiadeo. Praeterea Carmen: De casa natalitia pueri Iesu; nec satis memini si quid praeterea (Allen I, S. 3, 22 ff.).

9*

131

VIERTES

KAPITEL

B i t kird)tnpolitifd)t H a l t u n g btö Craöntuö unb M i.

§uliusi=Bialog$

GEMEINSAME

TRADITIONELLE

ANSCHAUUNGEN

Unter den von Durand de Laur angeführten Parallelen zwischen dem Julius-Dialog und den Schriften des Erasmus findet sich auch eine Reihe von solchen, die sich auf die kirchenpolitischen Verhältnisse beziehen. Pineau hat diese angeblichen Parallelen übernommen und dazu noch einige neue hinzugefügt. Dabei handelt es sich allerdings durchweg um Dinge, die so allgemein bekannt sind, daß aus ihrer Erwähnung im Julius-Dialog und bei Erasmus keinerlei Schlüsse gezogen werden können. i. So stellt Durand de Laur z. B. fest, daß Erasmus im Enkomium Moriae von dem Patrimonium Petri spricht und daß der Verfasser des Dialogs sich »fast in denselben Worten ausdrückt« 1 ). Diese Ubereinstimmung im Ausdruck besteht aber lediglich darin, daß Erasmus gegenüber dem Anspruch des Papstes auf weltlichen Besitz das Wort des Petrus (Mt. 19, 27) anführt: »Wir haben alles verlassen und sind Dir nachgefolgt«, während im Julius-Dialog, als Julius vom Patrimonium Petri spricht, Petrus — die genannte Schriftstelle inhaltlich wiedergebend — sagt, er sei, nachdem er alles verlassen, entblößt von allem, dem von allem entblößten Christus nachgefolgt. II, S. 589.

132

Aber weder die Erwähnung des Patrimonium Petri noch der Hinweis auf die Stelle des Matthäus-Evangeliums kann als Beweis für die Identität der Verfasser angesehen werden. Der Widerspruch zwischen der weltlichen Herrschaft des Papstes und dem armen Leben Jesu ist seit den Tagen Bernhards von Clairvaux und Arnolds von Brescia das ganze Mittelalter hindurch immer wieder empfunden und hervorgehoben worden. Nachdem dann Laurentius Valla die Legende von der Schenkung Konstantins zerstört und die Säkularisation des Kirchenstaates gefordert hatte, kehrt der Angriff auf das Patrimonium Petri überall in der humanistischen Kritik des Papsttums wieder. Zur Widerlegung des päpstlichen Anspruchs liegt aber keine Schriftstelle näher als die Matthäus-Stelle, in der Petrus, der vicarius Christi, selbst von seiner Nachfolge spricht. Selbstverständlich hat auch Laurentius Valla diese Stelle in seiner Schrift: de falso credita et ementita Constantini donatione declamatio angeführt: Ideoque pauperes sibi ministros elegit et qui omnia reliquerunt, ut eum sequerentur (D I I I b) x ). Man kann darin schlechterdings keinen dem Erasmus oder dem Dialog eigentümlichen Gedanken sehen. Die Kritik am Patrimonium Petri gehört ebenso wie die Kenntnis der Matthäusstelle zu den allgemein verbreiteten Vorstellungen jener Zeit. 2. Viel eher könnte man in diesem Zusammenhang auf eine andere Äußerung des Erasmus hinweisen, in der allerdings eine auffallende Übereinstimmung des Ausdrucks mit dem Julius-Dialog vorliegt, die aber weder von Durand de Laur noch von Pineau beachtet worden ist. In einem Brief vom 16. November 1506 schreibt Erasmus aus Bologna, es werde vom Papst eine Expedition gegen die Venetianer vorbereitet, wenn sie nicht die dem Papst »gebührenden« ') Vgl. Huttens Ausgabe mit dem Widmungsschreiben an Leo X . vom 1. Dezember 1 5 1 7 (Böcking I, S. 155), nach einer durch Cochlaeus vermittelten Abschrift Friedrich Fischers (Böcking I, S. 142).

133

O r t e herausgeben: ni cedant locis Pontifici debitis1).

Eben

dieser selbe A u s d r u c k kehrt im Julius-Dialog wieder.

Als P e -

trus fragt, was denn eigentlich das Patrimonium sei, a n t w o r t e t Julius, es seien das einige d e m römischen Stuhl »gebührenden« Städte: A l i q u o t i n q u a m oppida sedi R o m a n a e debita 2). D a ß in diesen beiden Fällen die v o n den

Venetianern

w e g g e n o m m e n e n Städte als dem Papst »gebührend« bezeichnet werden, ist gewiß auffallend.

A b e r der Julius-Dialog gibt

selbst die Erklärung für die W a h l dieses Ausdrucks. dort n ä m l i c h : so habe

Es h e i ß t

es den heiligsten V ä t e r n gefallen

diesen T e i l ihrer Besitzungen zu nennen.

Es handelt sich

also nicht u m eine v o m Julius-Dialog oder v o n

Erasmus,

sondern u m eine schon v o n den V o r g ä n g e r n des Julius gebildete

Formel, durch welche das moralische R e c h t

der

Päpste auf diese Städte ausgedrückt werden soll. Als Julius I I . nach der Niederwerfung Bolognas sich anschickte, gegen V e n e d i g zu ziehen, u m die seiner Herrschaft über Italien i m W e g e stehende M a c h t Venedigs zu brechen, g a b er als Rechtsgrund für sein V o r g e h e n an, d a ß er die oppida

Pontifici debita

wiedergewinnen

Papst mit seinen K a r d i n ä l e n m konnte

Erasmus

Diplomatie

von

diesem

selbstverständlich

wolle.

Bologna

Argument Kenntnis

Da

der haben,

päpstlichen wobei

beachten ist, d a ß er diese B e g r ü n d u n g des neuen ohne j e d e K r i t i k mitteilt.

der

überwinterte3), zu

Krieges

E r berichtet von ihr neben einer

R e i h e von objektiven Tatsachen, und man b e k o m m t den Eindruck, d a ß er das V o r g e h e n des Papstes g a n z in der Ordnung

findet.

I m Julius-Dialog wird dagegen dies A r g u -

ment der päpstlichen Diplomatie g a n z offenkundig ironisch behandelt und als ein H o h n auf die W ü r d e des päpstlichen Stuhls verurteilt. *) S. oben S. 16 Anm. i. Böcking I V , S. 437, 9. 3) S. oben S. 27, Anm. 1.

2)

134

Diese Berührung des Julius-Dialogs mit dem Briefe des Erasmus in der Anwendung jener Formel ist aber für die Beurteilung der sich findenden Parallelen im Ausdruck besonders lehrreich. Man sieht an diesem Beispiel, daß es sich gar nicht bloß um die Alternative handelt, ob die im JuliusDialog und bei Erasmus vorkommenden gleichen Ausdrücke entweder auf die Identität des Verfassers oder auf literarische Abhängigkeit des Dialogs von Erasmus hinweisen. Es besteht daneben noch eine dritte Möglichkeit: die Übereinstimmung im Ausdruck kann auch darin ihren Grund haben, daß es sich um Wendungen handelt, die um ihrer politischen Bedeutung willen allgemein bekannt sind. Es sind die politischen Schlagwörter der Zeit, die nicht der eine Schriftsteller vom anderen übernimmt, die vielmehr öffentliches Gepräge tragen und von allen gebraucht werden. Da der Brief, in dem Erasmus von den loca pontifici debita spricht, dem Verfasser des Dialogs schwerlich bekannt gewesen ist, würde die Erwähnung der oppida pontifici debita im Dialog auf Erasmus als Verfasser nur dann hinweisen, wenn diese Formel nicht zu den politischen Schlagwörtern der Zeit gehören würde. Dies Letztere ist aber, wie der Dialog ausdrücklich bezeugt, der Fall. 3. Von dieser Erwägung aus verlieren auch die weiteren angeblichen Parallelen, soweit es sich um die kirchenpolitischen Fragen handelt, ihre Bedeutung. Gänzlich belanglos ist es, wenn Durand de Laur darauf hinweist, daß sich im Dialog die Theorie von den zwei Schwertern findet , und Pineau ergänzend hinzufügt, daß auch Erasmus im Adagium »Dulce bellum inexpertis« über diese die weltliche Macht des Papstes begründende Theorie

') Julius: Quasi nescias summo pontifici utrumque (Böcking I V , S. 434, 30).

esse gladium

135

spricht 1 ).

Seit der Bulle B o n i f a z ' V I I I . 2 ) ist diese Theorie

selbstverständlich allgemein bekannt und findet bei jeder Erörterung über das Verhältnis von Staat und Kirche ihren Platz. Auch der Umstand, daß beide, der Dialog und Erasmus, gegen diese Theorie den Einwand bringen, der Apostel Petrus habe zwar bei der Gefangennahme Christi das Schwert gezogen, aber auf Christi Befehl es wieder in die Scheide gesteckt, beweist nicht die Identität des Erasmus mit dem Verfasser des Julius-Dialogs.

Wie nämlich die Bulle Boni-

faz' V I I I . die Theorie von den zwei Schwertern auf die Szene im Garten Gethsemane gründet, so ist schon in dieser Bulle der vom Julius-Dialog und von Erasmus gebrachte Einwand berücksichtigt und abgewiesen worden.

Die biblische

Beweisführung für die Theorie von den zwei Schwertern verläuft in der Bulle Bonifaz' V I I I . folgendermaßen: Als Jesus nach dem letzten Abendmahl das Herannahen der Entscheidungsstunde ankündigt und die Jünger ermahnt, sich für das Kommende zu rüsten, sagen die Jünger: »Herr, hier sind zwei Schwerter «(Luc. 22, 38). Darauf antwortet Jesus, wie die Bulle bemerkt, n i c h t : das ist zuviel, s o n d e r n : das ist genug. Also hat Jesus anerkannt, daß den Aposteln nicht nur die geistliche, sondern auch die weltliche Macht zukommt. 1

Aber dann fährt die Bulle fort: »Wer da leugnet,

) Nihil enim me movet quod quidam duos gladios interpretantur utramque potestatem, civilem et ecclesiasticam, quam utramque vindicant Petri successoribus (Adagia, Sp. 835). 2 ) Mirbt, Quellen 4 , S. 210, 38fr. Die Bulle B o n i f a z ' V I I I . klingt auch noch an einer anderen Stelle des Julius-Dialogs an. Als Julius II. sich als caput ecclesiae bezeichnet, sagt Petrus (Böcking I V , S. 452, 3f.): A t Christus nos ministros fecit, se caput, nisi nunc secundum caput accreverit. Im Gegensatz dazu heißt es in der Bulle: Igitur ecclesiae unius et unicae unum corpus, unum caput, non duo capita, quasi monstrum, Christus stilicet et Christi vicarius Petrus Petrique successor (Mirbt, S. 210, 30—33). Vgl. auch Böcking I V , S. 455, 2: fictitio capiti Christi factitium addunt corpus.

136

daß in der Gewalt des Petrus auch das weltliche Schwert einbegriffen sei, der tut das auf Grund einer falschen Auslegung der Worte Jesu an Petrus: Stecke dein Schwert in die Scheide« (Mt. 26, 52; Joh. 18, 10. 11). Die Bulle folgert also aus diesen Worten Jesu nicht, daß Jesus die Anwendung weltlicher Gewalt für unvereinbar mit dem Beruf der Apostel erklärt, sondern daß Petrus die weltliche Gewalt zwar im gegenwärtigen Fall nicht anwenden, aber doch behalten soll. Er soll j a das Schwert in die Scheide stecken, also es weiterhin tragen! 1 ) Die Berufung auf Mt. 26, 52 als Gegeninstanz gegen die päpstliche Ausdeutung von Luc. 22, 38 ist also weder im Julius-Dialog noch bei Erasmus ursprünglich, sondern schon in der offiziellen Proklamierung der Theorie von den zwei Schwertern berücksichtigt worden. Die Übereinstimmung zwischen dem Julius-Dialog und dem Adagium des Erasmus an diesem Punkte gibt also keinen Anlaß, einen literarischen Zusammenhang irgendwelcher Art zwischen beiden Schriftstücken herzustellen. Die hier vorliegende Parallele erklärt sich vielmehr daraus, daß sowohl dem Julius-Dialog als auch dem Adagium des Erasmus die exegetischen Bedenken, zu denen die päpstliche Theorie führte und die bereits die päpstliche Bulle zu unterdrücken sich bemüht, bekannt gewesen sind 2 ). In hac eiusque potestate duos esse gladios, spiritualem videlicet et temporalem, evangelici dictis instruimur. Nam dicentibus apostolis [Luc. 22, 38]: Ecce gladii duo hic, in ecclesia scilicet, cum apostoli loquerentur, non respondit Dominus, nimis esse, sed satis. Certe qui in potestate Petri temporalem gladium esse negat, male verbum attendit Domini proferentis [Mt. 2 6 , 5 2 ] : Converte gladium tuum in vaginam (1. c. S. 38, 3 8 - 4 2 ) . 2 ) Auch bei Laurentius Valla wird diese Schriftstelle in der (fingierten) Rede des Silvester angeführt: Cui in persona Petri dictum est: Converte gladium tuum in locum suum. Omnes enim qui acceperint gladium, gladio peribunt (1. c. E).

137

Allerdings geht dann die Übereinstimmung zwischen dem Julius-Dialog und dem Adagium des Erasmus noch weiter. Beide beschränken sich nicht darauf, auf die Ablehnung der Anwendung von Gewalt durch Christus hinzuweisen, sondern suchen auch beide das dem Willen Jesu widersprechende Verhalten des Petrus zu erklären und zu entschuldigen. Dabei führen beide die gleichen Gesichtspunkte an. Das Verhalten des Petrus ist erstens insofern zu entschuldigen, als er nicht für weltliche Interessen, sondern für das Leben des Herrn das Schwert gezogen hat. Und es ist zweitens zu beachten, daß er damals noch nicht Papst war, da er nur die Verheißung der Schlüssel, aber noch nicht den heiligen Geist empfangen hatte 1 ). Aber auch diese Beurteilung des Petrus ist nicht neu. Schon Dante hat sie in seiner Bekämpfung der Papsttheorie geltend gemacht. Er bestreitet die päpstliche Deutung der Stelle Luc. 22, 38, indem er die Deutung der beiden Schwerter auf das weltliche und das geistliche Regiment für irrig erklärt und die kriegerische Aufwallung des Petrus auf sein ungestümes, vorschnelles Wesen zurückführt. Es ist die Art des Petrus, sich schnell und nach dem oberflächlichen Eindruck zu entscheiden. Darin kommt seine übereilte und unüberlegte Leidenschaftlichkeit zum Ausdruck. Es ist »nicht nur« — Dante läßt also a u c h dies Motiv gelten — die Aufrichtigkeit seines Glaubens, sondern seine natürliche Sinnesart, die ihn ') Böcking I V , S. 434, 36 ff. : Memini et agnosco, sed tunc pro magistro Christo pugnabam, non pro me, — pro vita Domini, non pro nummis aut ditione saeculari: tunc pugnabam nondum pontifex, promissis dumtaxat clavibus, nondum acceptis, nondum accepto spiri tu sancto; et tarnen iussus sum recondere et palam admonitus hoc pugnae genus non convenire sacerdotibus, immo ne Christianis quidem. Vgl. Dulce bellum inexpertis: Sed Petrus, inquiunt, pugnavit. Pugnavit, sed Iudaeus adhuc, nondum accepto spiritu vere christiano. Pugnavit, non pro suis titulis aut praediis, uti nos: ne pro sua quidem vita, sed pro vita magistri (Adagia, Sp. 835).

138

zum Schwerte greifen ließ, — wie das alle christlichen Schriftsteller bezeugen

.

Aus diesen Bemerkungen Dantes geht hervor, daß das im Julius-Dialog und bei Erasmus vorliegende Gedankenmaterial in keiner Weise Sondereigentum dieser Schriften ist, sondern sich restlos als Weitergabe traditionell gewordener Argumente darstellt. Man kann dagegen allerdings einwenden, daß trotzdem die Übereinstimmung des Dialogs und des Adagiums auffallend bleibt.

Mögen immerhin die angeführten Argumente der

Tradition entnommen sein, so ist doch ihr Nebeneinander bei beiden Schriftstellern überraschend.

In der Gegenüberstel-

lung, die Pineau gibt, tritt die Gleichartigkeit der Argumentation deutlich hervor. Wenn auch nicht die Gedanken selbst, so scheint doch ihre Auswahl und Anordnung auf einen und denselben Verfasser hinzudeuten. A b e r man darf dabei nicht übersehen, daß die Zusammenstellung der angeführten Gedanken erst durch Pineau vollzogen worden ist.

Im Julius-Dialog und im Adagium des

Erasmus finden sie sich nicht in dieser Anordnung.

Pineau

läßt die in beiden Schriftstücken vorkommenden Bemerkungen über die Theorie von den beiden Schwertern als eine zusammenhängende Erörterung erscheinen, während sie in A c c i p i u n t e t i a m illud L u c a e , q u o d Petrus dicit Christo, c u m ait: Ecce duo gladii hie, et d i c u n t , q u o d per illos duos gladios d u o p r a e d i c t a r e g i m i n a intelliguntur; q u a e q u o n i a m Petrus d i x i t esse ibi, u b i

erat,

h o c est a p u d se, i n d e a r g u u n t , illa d u o r e g i m i n a s e c u n d u m a u t o r i t a t e m a p u d successorem Petri consistere.

E t a d h o c d i c e n d u m , per i n t e r e m p -

tionem sensus, in q u o f u n d a t u r a r g u m e n t u m . gladios, quos a d s i g n a v e r a t

D i c u n t enim, illos duos

Petrus, d u o p r a e f a t a r e g i m i n a

importare:

q u o d o m n i n o n e g a n d u m est, t u m q u i a illa responsio non fuisset a d intentionem Christi, t u m q u i a Petrus, de m o r e , subito respondebat a d r e r u m superficiem t a n t u m . . . .

E t q u o d Petrus d e m o r e a d superficiem

loqueretur, p r o b a t eius festina et i m p r a e m e d i t a t a praesumtio, a d q u a m n o n solum fidei sinceritas impellebat, sed, ut credo, puritas et simplicitas naturalis.

H a n c s u a m p r a e s u m t i o n e m scribae Christi testantur

omnes

( M i r b t , S. 214, 2 8 — 3 9 ) .

139

den beiden Schriftstücken selbst an getrennten Orten vorkommen und in verschiedenartige Gedankenzusammenhänge eingegliedert sind. Bei genauer Beachtung der Ausdrücke wird man aber auch sogar in den von Pineau hergestellten Paralleltexten Unterschiede bemerken können, die auf die Verschiedenheit der Verfasser hindeuten. Der Text des Julius-Dialogs ist robuster in seinem Angriff auf den Papst, wenn er, um den Kontrast zwischen Petrus und Julius zu zeigen, Petrus sagen läßt, er habe für das Leben des Herrn gekämpft, nicht für Geld und w e l t l i c h e H e r r s c h a f t , während Erasmus von Petrus sagt, er habe nicht für seine T i t e l oder seine Güter gekämpft. Titel und Güter stehen immerhin nicht geradezu in ehrenrührigem Gegensatz zur Würde des Papstes, während Geldsucht und Herrschsucht gemeine Leidenschaften sind 1 ). Im JuliusDialog begegnet uns eine offenkundige Beschimpfung des Papstes, während sich die Kritik des Erasmus in feinere, vorsichtigere Formen kleidet. Eine weitere Abweichung der beiden Texte voneinander l ) Bei V a l l a heißt es: N e defendere quidem nobis ferro nos licet. Siquidem defendere dominum Petrus volebat, c u m auriculam abscidit servo, et tu divitiarum aut comparandarum aut tuendarum causa uti ferro nos iubes? (1. c. E). D a ß der von Erasmus gebrauchte Ausdruck tituli et praedia eine Abschwächung sein soll, scheint dadurch bestätigt zu werden, d a ß V a l l a bei seiner Bestreitung der Konstantinischen Schenkung erwähnt, der Vorgänger Silvesters, der Papst Melchiades, habe von Konstantin außer dem Lateran-Palast einige praedia erhalten, aber das sei eine Schenkung rerum tantummodo privatarum gewesen (1. c. E I U I b). Das Eintreten für diese praedia des Papstes ist also noch kein Beweis für seine Herrsch- oder Habsucht, sondern nur die V e r teidigung seiner p r i v a t e n Rechte. — Fast derselben Ausdrücke, die Erasmus verwendet, bedient sich der Papst an einer anderen Stelle im Dialog: als Petrus sagt, es könne geschehen, daß der v o m Papst angezettelte K r i e g die ganze Welt ergreife, antwortet Julius: Corripiat sane, modo R o m a n a sedes dignitatem et possessiones retineat (Böcking I V , S. 451, 6f.).

140

besteht darin, daß Erasmus von Petrus sagt, er habe für den Herrn mit dem Schwerte gekämpft, als er noch »Jude« war und noch nicht den » w a h r h a f t c h r i s t l i c h e n « Geist empfangen hatte, während es im Julius-Dialog heißt, er sei damals noch nicht P a p s t gewesen, habe nur die Verheißung der Schlüssel gehabt, aber sie noch nicht empfangen, habe noch nicht den » h e i l i g e n Geist« empfangen 1 ). Der Julius-Dialog vermeidet also in diesem Zusammenhang die Bezeichnung des Petrus als »Juden«. Das ist auffallend, da Petrus an einer anderen Stelle auch im Julius-Dialog »Jude« genannt wird. Um Petrus zum Bewußtsein zu bringen, daß er — der Papst — dem Petrus an Würde überlegen sei, beruft sich Julius darauf, daß er seiner Abstammung nach Ligurier und nicht wie Petrus »Jude« ist, mit dem er — Julius — nichts gemein haben möchte. Für den Julius-Dialog ist also das Wort »Jude« ein Schimpfwort. Es kann infolgedessen wohl von Julius dem Petrus gegenüber gebraucht werden, aber nicht Selbstbezeichnung im Munde des Petrus sein. Für Erasmus ist dagegen das Wort »Jude« kein Schimpfwort. Es bezeichnet im Adagium des Erasmus nicht die Rasse, sondern die in vorchristlichen Vorstellungen befangene Gesinnung des Petrus. Während der Papst im Julius-Dialog in Rassenbegriffen denkt, denkt Erasmus in moralischen Begriffen. Genau entsprechend wird auch der Lebensstand des zum Apostel gewordenen Petrus in beiden Schriften durch verschiedenartige Ausdrücke gekennzeichnet. Im Dialog wird Petrus zum Apostel durch den Empfang der Schlüssel und durch den Empfang des »heiligen Geistes« — es werden also zur Bezeichnung seines apostolischen Lebens die solennen Formeln der kirchlichen Dogmatik gebraucht. Durch den Empfang des »heiligen Geistes« wird — um mit Dante zu reden — die puritas et simplicitas naturalis, die sich in der *) S. oben S. 138, Anm. 1. 141

Übereilung des Petrus auswirkt, überwunden. Für Erasmus ist dagegen der Apostolat bedingt durch den Empfang des »wahrhaft christlichen« Geistes, worunter Erasmus die durch die antike Humanität »geläuterte« Moral des Christentums versteht *). Die Tabelle Pineaus ist also in dem Sinne zu verwerten, daß sie — bei genauer Beachtung der feinen Unterschiede im Ausdruck — einen Einblick in die ganz verschiedenartige Geistesart der beiden Schriftstücke gewährt. Beide bewegen sich in denselben Gedanken; aber im Julius-Dialog haben wir es mit einem leidenschaftlichen Gegner des Papstes zu tun, der dem naturhaften Denken des Papstes die fidei sinceritas im Sinne des kirchlichen Christentums gegenüberstellt, während die Kritik des Erasmus den persönlichen Anstoß vermeidet und nur die unvollkommene Moral auf die höhere Stufe der Vollkommenheit zu erheben wünscht. In beiden Schriftstücken ist das Ergebnis der Kritik an der päpstlichen Theorie von den zwei Schwertern, daß die Anwendung von Gewalt den Christen nicht zusteht. Aber auch in dieser Schlußfolgerung fehlt es wiederum nicht an Unterschieden. Der Julius-Dialog hat zunächst nur den Gegensatz *) Es ist auffallend — und auch bezeichnend —, daß Erasmus auch sonst es vermeidet, vom »heiligen Geist« zu reden. Dieser Ausdruck findet sich bei ihm nur, wenn er durch das Glaubensbekenntnis oder durch Schriftstellen ihm aufgenötigt wird. Im übrigen ersetzt er ihn durch andere Ausdrücke: Spiritus ille coelestis (Allen II, ep. 335, 177); Spiritus vere christianus (Ad. Dulce bellum inexpertis); Spiritus Christi (Allen IV, ep. 1006, 192f., 239, 355f.). In einem Briefe an Zwingli vom 31. August 1523 schreibt Erasmus: Luther habe in einem Briefe an Oecolampad von ihm gesagt: mihi non multum tribuendum in his quae sunt Spiritus. Dazu fügt Erasmus hinzu: Hoc quid sit, non intelligo. Und noch einmal kommt er auf diese Äußerung Luthers zurück: Lutherus scripsit ad Oecolampadium, mihi non multum esse tribuendum in his, quae sunt Spiritus. Velim hoc ex te discere, doctissime Zwingli, quis sit ille spiritus? (Jortin II, 491). In der Diatribe de libero arbitrio (ed. Joh. von Walter) kommt Erasmus zweimal auf die Äußerung Luthers zurück: S. 4, 27fr. (vgl. Enders III, 375, 15fr.) und S. 91, 31 ff. (vgl. Enders IV, 235, 47 f f 0.

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im Auge, in dem sich der Papst als P r i e s t e r zu dem aus der natürlichen Eigensucht stammenden Streit steht. Er geht aber dann weiter und dehnt dies Urteil auch auf die Christen überhaupt aus. Aber damit bricht die Erörterung ab: Verum haec alias 1 ). Erasmus dagegen formuliert seine Schlußfolgerung dahin, daß der K r i e g den Christen verboten ist. Aus der Kritik des Petrus wird bei Erasmus also eine Theorie über den Krieg, während sich der Julius-Dialog in dem Zusammenhang, in dem es sich um die Person des Papstes handelt, auf eine allgemeine Erörterung über den Krieg nicht einlassen will. Aber dieser Abbruch des Themas im Julius-Dialog gibt nun Pineau die Anregung zu einer eigenartigen Vermutung. Die Wendung, mit der der Dialog die Erörterung abbricht: Verum haec alias, »scheint«, wie Pineau sagt, »ein anderes Werk anzukündigen, in dem Erasmus das Problem des Krieges vom evangelischen Standpunkt aus erörtern wird. Könnte dies nicht gerade das Adagium ,Dulce bellum' sein, welches nach dem Tode Julius' II. verfaßt ist, da in ihm von Leo X . die Rede ist? Alsdann ist es nicht verwunderlich, daß er im Adagium Ideen und Ausdrücke wiederaufnimmt, die er bereits im Julius gebracht hatte. Das Adagium ist eine richtige Abhandlung und wurde gesondert bei Froben im Jahre 1517 veröffentlicht.« Im Hinblick auf die nachgewiesene verschiedene Denkart der beiden Schriftstücke ist diese Vermutung Pineaus selbstverständlich nicht ernst zu nehmen. Die Wendung: Verum haec alias, bedeutet nicht: hierüber werde ich mich in einer anderen Schrift aussprechen, sondern: dies gehört nicht hierher. Die Erörterung über die g r u n d s ä t z l i c h e Stellung des C h r i s t e n zum Kriege liegt außerhalb des Rahmens der gegen die P e r s o n des Papstes gerichteten Ausführungen. Auf ») Böcking IV, S. 435, 3.

143

die für die Christen geltenden Grundsätze kommt der Verfasser des Julius-Dialogs erst ganz am Schluß der Unterredung zu sprechen. Auf diese Ausführungen am Schluß weist jene Formel: Verum haec alias, hin. Der Julius-Dialog ist seinem schriftstellerischen Charakter nach ein Gespräch; es wäre aber ganz sinnlos, in einem Gespräch zu sagen: hierüber werde ich mich in einer anderen Schrift aussprechen. Damit wäre die schriftstellerische Fiktion des Gesprächs aufgegeben und die Form einer Abhandlung angenommen. Die von Petrus angeführte Formel bedeutet vielmehr: hierüber werde ich mich an einer anderen Stelle des Gesprächs äußern. Aber so abwegig diese Vermutung Pineaus auch ist, so kann sie doch die Handhabe für eine bisher noch nicht erwogene Vergleichung der beiden Schriftstücke bieten. Indem Pineau das »Dulce bellum« als eine zweite Bearbeitung des Problems des Krieges durch Erasmus ansieht, der die Bearbeitung dieses Problems im Julius-Dialog vorangegangen sein soll, — indem also festgestellt wird, daß der Julius-Dialog zeitlich dem Adagium des Erasmus vorangeht, drängt sich die Frage auf, ob die Ähnlichkeit zwischen beiden Schriften nicht vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß Erasmus bei der Abfassung seines Adagiums die Ausführungen des JuliusDialogs gekannt hat, obgleich der Julius-Dialog nicht von ihm, sondern von einem anderen verfaßt ist. Für Pineau ist es ganz selbstverständlich, daß, wenn sich zwischen den beiden Schriftstücken Berührungen nachweisen lassen, Erasmus der Verfasser von beiden sein muß. Aber die von Pineau angegebenen Ähnlichkeiten könnten auch auf literarische Abhängigkeit hinweisen und — wenn dies der Fall ist, ergibt sich aus dem zeitlichen Verhältnis beider Schriftstücke, daß nicht der Julius-Dialog eine Nachahmung des »Dulce bellum« sein kann, daß vielmehr, umgekehrt, Erasmus die Gedankengänge des Julius-Dialogs — in leichter Umprägung ent144

sprechend der ihm eigentümlichen Denkart — sich zu eigen gemacht hat. Daß damit in der Tat das literarische Verhältnis des Erasmus zum Julius-Dialog getroffen wird, wird durch die persönlichen Beziehungen des Erasmus zu dem in der ersten Ausgabe des Julius-Dialogs angedeuteten Verfasser desselben, Faustus Andrelinus, bestätigt. Von der Bedeutung des Andrelinus für die humanistische Bildung des Erasmus in der Zeit seines ersten Pariser Aufenthalts (1495—1499) ist schon die Rede gewesen 1 ). Ebenso von seinem Zusammenhang mit der im Dienste Ludwigs X I I . stehenden literarischen Propaganda (1508—1512) 2). Daß Erasmus auch über die Zeit ihrer ersten Freundschaft hinaus den Zusammenhang mit Andrelinus aufrechterhalten hat, ergibt sich aus Erasmus' späteren Besuchen in Paris. Bei seiner Rückkehr aus Italien (1509) hat sich Erasmus zunächst in Paris aufgehalten, und es liegt nahe, anzunehmen, daß er bei dieser Gelegenheit seine in Italien erhaltenen Eindrücke den Pariser Freunden mitgeteilt und seinerseits die feindselige Stimmung der Pariser gegen den Papst kennengelernt hat. Als dann der Julius-Dialog erschien (1513), stand Erasmus in reger Verbindung mit seinem Pariser Verleger, so daß er schon auf diesem Wege 3) über literarische Ereignisse in Paris von der Art des JuliusDialogs unterrichtet sein konnte. Unter seinen Papieren befand sich eine eigenhändige Abschrift des Julius-Dialogs. Durch die persönlichen Unannehmlichkeiten, die ihm aus dem französisch-englischen Kriege von 1 5 1 3 / 1 5 1 4 erwuchsen, wurde seine Abneigung gegen den Krieg aufs äußerste gesteigert, und unter diesen Einwirkungen schrieb er das Adagium »Dulce bellum«, das zuerst in der Frobenschen Ausgabe von 1 5 1 5 erschien 4 ). !) S. oben S. 65f. ) Vgl. hierzu unten S. a n . 4 ) Huizinga, Erasmus, S. 114. 3

10

S t a n g e . Erasmus

2

) S. oben S. I i 6 f f .

145

Unter

der Voraussetzung

also, daß

die

Berührungen

zwischen dem »Dulce bellum« und dem Julius-Dialog sich nicht schon aus der Tradition, sondern nur aus literarischer Abhängigkeit erklären ließen, würde nur von einer Beeinflussung des Erasmus durch den Julius-Dialog die Rede sein können — der Julius-Dialog geht zeitlich zweifellos dem Adagium voran. Dabei ist der zeitliche Abstand zwischen beiden Schriftstücken ganz gering.

Der Julius-Dialog ist unter dem Ein-

druck des Todes des Papstes Anfang 1 5 1 3 geschrieben und das Adagium unter dem Eindruck des englisch-französischen Krieges 1 5 1 3 — 1 5 1 4 -

Beide Schriftstücke stammen also un-

gefähr aus der gleichen Zeit 1 ).

Es ist wenig wahrscheinlich,

daß Erasmus über dasselbe Thema ungefähr zur gleichen Zeit zwei so inhaltreiche und in ihrer geistigen Haltung so verschiedenartige Schriften geschrieben haben kann 2 ).

Und

es ist im Hinblick auf den geringen Zeitabstand zwischen beiden Schriften ebenso unwahrscheinlich, daß er in der ersten dieser beiden

Schriften die Veröffentlichung

der

zweiten ankündigt, obgleich dann doch nur die zweite und

1 ) So auch Pineau S. 25: »ces trois compositions« — es ist vom Julius, vom »Dulce bellum« und von dem Adagium: »Sileni Alcibiadis« die Rede —, »qui sont de la même époque«. 2 ) Wenn Allen — und die ihm folgen, auch ihrerseits zugeben, daß der Julius-Dialog Anfang 1 5 1 3 unmittelbar nach dem Tode des Papstes geschrieben sein muß, so haben sie nicht beachtet, daß diese Zeit für die Verfasserschaft des Erasmus nicht in Frage kommen kann. Von Anfang Januar bis Mitte Juli 1 5 1 3 gibt es keine Briefe von Erasmus, weil er in dieser Zeit schwer krank war; es ging sogar das Gerücht, er sei gestorben (Allen I, ep. 270 Einl.). Soweit ihm in dieser Zeit die Möglichkeit der Arbeit blieb, war er durch die Collatio Novi Testament! und die Hieronymus-Ausgabe reichlich in Anspruch genommen (ep. 270, 58f.). Dazu kam, daß er während des englisch-französischen Krieges zweifellos ausgesprochen antifranzosisch gesinnt war und infolgedessen unmöglich eine Schrift zugunsten der französischen Politik schreiben konnte.

146

erst nach einer Reihe von Jahren (gegen den Willen des Erasmus) die erste veröffentlicht wird. Auch Pineau bestreitet — im Anschluß an Allen — nicht, daß der Julius-Dialog v o r dem Adagium g e s c h r i e b e n ist 1 ), obgleich er die erste V e r ö f f e n t l i c h u n g des Dialogs in das J a h r 1517 verlegt 2 ). Bei dieser Annahme wird seine Deutung der Wendung des Julius-Dialogs: Verum haec alias, ganz unverständlich. Erasmus würde dann in einer Schrift, die er nicht zu veröffentlichen beabsichtigt, deren Veröffentlichung er vielmehr zu verhindern sucht, auf eine zweite Veröffentlichung hinweisen, die auch wirklich erfolgt, und als dann der Julius-Dialog doch veröffentlicht wird, bleibt der Hinweis auf die zweite Veröffentlichung, die inzwischen bereits erfolgt ist, als noch bevorstehend bestehen. 4. Nach diesen Proben der Pineauschen Textvergleichung verlohnt es sich nicht, auf die übrigen Parallelen einzugehen, in denen sich die kirchenpolitischen Gedanken des JuliusDialogs mit denen des Erasmus decken sollen. Es sind durchweg Klagen über den moralischen Tiefstand und die grauenvolle Entartung der römischen Kirche. Die Kirchenfürsten kümmern sich nicht mehr um Predigt und Seelsorge, sondern überlassen das den Mönchen. Die ursprünglichen Ruhmestitel der christlichen Kirche, die durch Wunder, Fasten und Beten ihre Siege gewann, sind verschwunden. Gewinnsucht, Ausschweifung und schändliche Laster, Giftmord, Gotteslästerung und Simonie herrschen überall. Mit alledem ist nichts gesagt, was auch nur irgendwie als eine dem Erasmus eigentümliche Erkenntnis in Anspruch genommen werden könnte. Um von diesen Dingen reden zu können, bedurfte es weder des Geistes noch der Bildung des Erasmus, weil diese Dinge als Tatsachen vor den Augen 1

) Or justement c'est en 1 5 1 3 ou 1 5 1 4 que le libelle fut composé (S. 10). s ) 1. c. S. 1 f.

10'

147

aller lagen. Nicht bloß in der umfangreichen PamphletLiteratur jener Zeit, sondern auch in den Briefen der Humanisten, in öffentlichen Reden, sogar in den Verhandlungen der Konzilien werden dieselben Anklagen laut. Und es gilt das auch nicht erst für die Zeit des Erasmus, sondern über die Zeit der Reformkonzilien und des päpstlichen Exils hinaus bis in die ersten Anfange des italienischen Humanismus. Erasmus hat in seiner Forderung einer kirchlichen Reform in keiner Weise etwas Neues gebracht; seine Bedeutung besteht nur darin, daß durch die weite Verbreitung seiner Schriften und durch das Gewicht seines Namens der Einfluß der kirchlichen Reformgedanken auf die öffentliche Meinung mächtig verstärkt wurde. Nur auf eine der von Pineau angeführten Parallelen mag in diesem Zusammenhang noch kurz hingewiesen werden, die einen anschaulichen Eindruck davon gibt, wie wertlos diese Textvergleichung Pineaus ist. Unter den von Pineau angeführten Äußerungen des Erasmus befindet sich auch eine Stelle aus dem Adagium »Dulce bellum«, in der es heißt: »Wie überaus klein ist der uns übrig gebliebene Winkel (angulus) des Erdkreises!« Diesem Erasmus-Zitat stellt Pineau eine Stelle des Julius-Dialogs gegenüber, in der vom »christlichen Staat« die Rede ist und von ihm gesagt wird, daß er »in die Enge (in angustum) zusammengedrängt« sei 2). Beiden Stellen gemeinsam ist also der Hinweis auf die räumliche Einschränkung der Christenheit. Aber über diese sehr entfernte Ähnlichkeit des Ausdrucks hinaus haben diese beiden 1 ) Quid quod interim dum humanis opibus tantum adorimur illos [Turcasl, hoc ipsum quod superest nobis ex orbe totum in manifestum discrimen adducimus? Quantulus orbis angulus nobis reliquus est? quantam barbarorum multitudinem quam pauci provocamus? (Adagiorum Chiliades . . Des. Erasmi Rot. Genf 1580, Sp. 839). ') christiana respublica . . . nunc non solum contracta est in angustum, verum etiam si diligentius excutias, plerosque nomine dumtaxat invenies christianos (Böcking I V , S. 456, 19ff.).

148

Stellen nichts miteinander gemein. Der Julius-Dialog redet vom »christlichen Staat« als der Gemeinde der Frommen — sie macht nur eine kleine Schar aus gegenüber denen, die heidnisch gesinnt sind, und auch unter denen, die Christen sein wollen, sind es die meisten nur dem Namen nach. Die »Heiden« sind für den Julius-Dialog, wie wir bereits aus seinem Urteil über die gentilium literae wissen, die unter dem Einfluß der antiken Literatur stehenden, vom weltlichen Geist erfüllten Ungläubigen. Der herrschenden verweltlichten Kirche stellt der Dialog die verschwindend kleine Zahl der wirklichen Christen gegenüber. Will man zu den gentiles als den Ungläubigen auch die Türken rechnen, so handelt es sich doch für den Dialog um die Verdrängung des Glaubens durch den Unglauben, nicht um die politische und militärische Ohnmacht der Christen gegenüber den Türken. Die respublica christiana ist für den Dialog die ideale Kirche Christi. Im Adagium des Erasmus handelt es sich dagegen um die durch das Vordringen der Türken erfolgte geographische Einschränkung der christlichen Staaten. Erasmus weist auf die gewaltige Ausdehnung des Türkenreiches hin, der gegenüber der den christlichen Staaten verbliebene R a u m außerordentlich klein ist: wie kann die kleine Zahl der Christen den Kampf mit den gewaltigen Massen der Türken aufnehmen! Das Ergebnis kann nur sein, daß auch der noch übrige den Christen gehörige Teil der Erde verloren geht. Die Meinung des Erasmus ist deshalb, daß man den Krieg gegen die Türken aufgeben soll, wobei ihm noch der Gedanke zu Hülfe kommt, daß die Türken — ebenso wie die Juden — halbe Christen sind, — was der Verfasser des Julius-Dialogs niemals sagen würde. Die Türken werden im Julius-Dialog nur ganz beiläufig erwähnt 1 ), und es scheint, als ob der Verfasser irgendeinen Einmal ist vom Turcarum dux die Rede: quid enim inter te et Turcarum ducem, nisi quod tu Christi vocabulum praetexis? (Böcking

149

Grund gehabt habe, von ihnen nicht zu sprechen. Von der Türkennot in Jerusalem, Konstantinopel und Ungarn und ebenso auch von der Türkensteuer findet sich keine Andeutung. Da, wo der Dialog die außerhalb des Bereichs der römischen Kirche lebenden Völker erwähnt, redet er von den Indern, Afrikanern, Egyptern und Griechen, aber nicht von den Türken. Daß die Inder und Afrikaner erwähnt werden, deutet auf die portugiesischen Erfolge bei der UmschifFung Afrikas und der Entdeckung des Seeweges nach Indien hin. Über den Eindruck, den diese Ereignisse gelegentlich der Gesandtschaft des Königs Emanuel von Portugal am 12. März 1 5 1 4 in Rom machten, vgl. Pastor I V , S. 50, Anm. 5 und 6; S. 5 1 , Anm. 1 1 ) . Daß außerdem die Egypter und Griechen genannt werden, kann nur ein beabsichtigtes Übergehen der Tatsache sein, daß diese Länder von den Türken besetzt sind. Ebenso hat für ihn der Name der Barbaren eine andere Bedeutung als für Erasmus. Denn während für Erasmus die Barbaren die Türken sind 2 ), ist dieser Name für den JuliusDialog ein Schimpfwort, dessen sich die aufrichtigen Christen gegenüber der verweltlichten Bildung der Italiener erwehren müssen. Für Erasmus ist der Name der Barbaren nur eine geographische Bezeichnung der außerhalb des Kreises der römischen Herrschaft lebenden Völker, während im JuliusDialog in dieser Bezeichnung die italienische Uberhebung gegenüber den anderen Völkern des christlichen Abendlandes zum Ausdruck kommt. I V , S. 456). Außerdem wird der Krieg Ferdinands von Spanien gegen die Mauren erwähnt: belligerabatur id temporis Hispaniae rex cum Turcis incredibili rerum successu maximoque suo quaestu (S. 450, I4f.). Und schließlich ist von den f r ü h e r e n Bemühungen der Päpste um den Türkenkrieg die Rede: quos [principes] nullus unquam pontifex vel in Turcas potuit excitare (S. 451, 2f.). ') Über die von Julius II. dem König von Portugal für seine Kriege in Afrika und Indien verliehenen Ablässe vgl. Annales ecclesiastici, Raynaldus X I , S. 452, 478, 505 fr. 2 ) z.B. Allen IV,ep. 1009, 23f.: barbaris christianae religionis hostibus.

150

Merkwürdigerweise läßt sich aber auch hier wieder — wenigstens für den Ausdruck und den Gedanken des Erasmus — eine ältere Vorlage nachweisen. In der bereits angeführten Schrift Lemaires wird die Kreuzzugsrede Urbans II. auf der Synode von Glermont im Jahre 1099 wiedergegeben. Im Hinblick auf das Vordringen und die Erfolge der Sarazenen heißt es auch dort, daß der christliche Name auf einen kleinen Winkel des Erdkreises eingeengt werde und daß täglich die Gefahr seiner Ausrottung bestehe.1) Aber Urban II. zieht daraus eine andere Folgerung als Erasmus. Er ist nicht der Meinung, daß man deshalb den Krieg gegen die Ungläubigen aufgeben müsse, — er sieht vielmehr in der Bedrängnis der Christenheit einen Ansporn für den Kampf gegen die Ungläubigen 2 ). In dem Gegensatz, in dem sich Erasmus hier zu der Rede des Papstes befindet, kommt — dem Charakter des Erasmus entsprechend — zum Ausdruck, daß für Erasmus die verständigen Nützlichkeitserwägungen ein größeres Gewicht haben als die Leidenschaft des Glaubens; aber die Übereinstimmung, die zwischen den Worten des Erasmus und der Rede Urbans besteht, zeigt, daß der Eindruck, den die fortschreitende Verkleinerung des christlichen Länderbesitzes machte, nicht erst von Erasmus empfunden wurde, daß vielmehr die Zeitgenossen des Erasmus — wie das Beispiel Lemaires beweist — diese Erwägung aus der Rede Urbans kennen konnten. Die aktuelle Bedeutung, die die Frage des Türkenzuges zur Zeit des Erasmus hatte, macht es verständlich, daß man für die früheren Unternehmungen der christr ) Melius et maiori cum gloria nostri progenitores inchoatam Romae et in Italia et per Europam dignitatem, ad totius orbis monarchiam extulerunt, per cuius omnes provincias et regiones nomen floruit christianum, quod nostris temporibus ad parvum orbis angulum coangustari et quotidie de excidio periclitan videmus (Lemaire, S. 6o4f.). 2 ) Expergiscemini, obtestamur et per viscera misericordiae Dei nostri oramus, viri fortes, orbi christiano exemplum incitamentumque futuri, arma capite usw. (S. 665).

151

liehen Völker gegen die Ungläubigen und jedenfalls für den eindrucksvollen Anfang der Kreuzzüge ein Interesse hatte, was durch die von Lemaire veröffentlichte Geschichte der Kreuzzüge bestätigt wird x ). 5. Die Vergleichung des Julius-Dialogs mit den Schriften des Erasmus, die von Durand de Laur und von Pineau versucht worden ist, begeht nicht bloß den Fehler, daß sie die zu vergleichenden Texte aus der gemeinsamen geistigen Umwelt, in der beide stehen, herauslöst, ohne mit der Möglichkeit zu rechnen, daß sich die Übereinstimmung zwischen beiden aus der Weitergabe traditionell gewordener Vorstellungen erklärt. Die Untersuchung jener beiden Gelehrten leidet auch nicht bloß an dem Fehler, daß die etwaigen Anklänge und Berührungen unter allen Umständen nur als ein Beweis für die Identität des Erasmus mit dem Verfasser des Julius-Dialogs in Anspruch genommen werden, obgleich doch ebensogut eine Abhängigkeit des Erasmus von dem Verfasser des Julius-Dialogs oder gar eine wechselseitige Beeinflussung beider vorliegen könnte. Die Vergleichung der beiderseitigen Schriften ist auch insofern ganz einseitig und unzulänglich, als sie über dem Bestreben, übereinstimmende Ausdrücke und Gedanken nachzuweisen, es völlig versäumt, die zwischen dem Julius-Dialog und den Schriften des Erasmus bestehenden Abweichungen und Unterschiede festzustellen. Eine erschöpfende Textvergleichung wird selbstverständlich nicht bloß auf Anklänge und Ähnlichkeiten, sondern ebenso auch auf die Unterschiede zu achten haben. In der neueren Erasmusforschung wird aber diese Aufgabe durchweg ignoriert und beiseite geschoben 2 ). *) S. oben S. 130, Anm. 3. Auch in der Apologia Sacri Pisani Concilii Moderni findet sich die Formel: solus ille Latinorum Europae angulus

(S- 35)2

) Es ist merkwürdig, daß unter den Parallelen, die man für die Verfasserschaft des Erasmus anführt, eine von Jortin (II, S. 604, Anm. b) hervorgehobene Stelle übergangen wird, bei der es sich nicht um einen

152

2. V O N

ERASMUS

HERVORGEHOBENE

UNTERSCHIEDE

Diesen M a n g e l e m p f i n d e t m a n besonders stark, wenn m a n sieht, wie Erasmus selbst wiederholt u n d nachdrücklich auf den A b s t a n d des Julius-Dialogs v o n der i h m — —

eigentümlichen Geistesart hingewiesen hat.

d e m Erasmus Erasmus h a t

nicht b l o ß bestritten, d a ß der Stil des Dialogs sein Stil s e i 1 ) , u n d er h a t sich nicht b l o ß aufs allerbestimmteste

dagegen

verwahrt, d a ß er j e m a l s eine Schrift in persönlichem A n g r i f f — noch d a z u a n o n y m — geschrieben h a b e 2 ), — er hat vielmehr a u c h d a r a u f hingewiesen, d a ß die politischen und politischen Voraussetzungen seine — fasserschaft ausschließen.

kirchen-

des Erasmus —

Ver-

Erasmus kann der Verfasser nicht

allgemein bekannten Gedanken, sondern um einen ganz singulären juristischen Einzelfall handelt. Im Dialog rühmt sich der Papst, wie er es fertig gebracht, das Verbot der Simonie zu umgehen: rationem inveni, ut citra simoniae vitium episcopatus emerentur: nirnirum constitutum est a maioribus meis, ut cui contigerit episcopatus, is deponat officium: id ita sum interpretatus: »deponere iuberis; at non deponitur, quod non habes; emendum igitur quod deponas«: hac arte singuli episcopatus sena statim aut septena ducatorum milia adferebant usw. (Böcking I V , S. 43a, 11 ff.). In auffallender Übereinstimmung hiermit sagt Erasmus in einem Briefe an Hermann Busch v o m 31. Juli 1520: Quasi vero lex pontificia dum iubet deponere officium, cui contigit episcopatus, illud senserit: »Cuicumque contigerit episcopatus R o m a e , ei si non habeat, parandum esse officium quod possit deponere.« Warum sollte man nicht diese auffallende Parallele den »Beweisgründen« Allens und Pineaus einreihen? A b e r wenn man sich nicht mit dem K l a n g der Worte zufrieden gibt, kann man aus dieser Stelle mit Sicherheit folgern, d a ß Erasmus den Dialog nicht geschrieben haben kann. Erasmus führt nämlich die Auslegung der lex pontificia, deren Julius sich als einer besonderen Schlauheit rühmt, als unbedingte Unmöglichkeit an. Was der Papst nach der Aussage des Dialogs getan hat, ist etwas, was nach Erasmus als absolut sinnlos überhaupt nicht gedacht werden kann. Hätte Erasmus geglaubt, daß der Papst jene sinnlose Auslegung in der T a t geübt hat, so würde seine ganze Beweisführung in dem angeführten Briefe hinfällig werden. ') S. oben S. 52, A n m . 1 — 4 . S. oben S. 55 f.

2)

153

sein, weil der Verfasser nach seiner politischen und kirchenpolitischen Stellungnahme zweifellos ein französisch gesinnter Schriftsteller ist. In seinem Brief an Johann Caesarius in Köln vom 16. August 1517 bemerkt Erasmus, daß in Frankreich, wo immer die Bereitwilligkeit zu derartigen Possen außerordentlich groß war, eine solche Komödie aufgeführt worden sei. Sie habe wohl jemand ins Lateinische übertragen. Im Brief an Graf Hermann von Neuenahr vom 25. August 1517 lauten die Angaben etwas bestimmter: der Julius-Dialog sei vielleicht die Komödie, von der er schon früher gehört habe und die von einem Spanier in Paris geschrieben und ins Französische übersetzt worden sei: sie sei in Paris aufgeführt worden bei den königlichen Spielen, bei denen man sich an derartigen gemeinen Possen zu ergötzen pflegte. Im Brief an Lorenzo Campegio vom 1. Mai 1519 heißt es dann, der Dialog sei in der Zeit des Schismas, d. h. in der Zeit des zweiten Pisaner Konzils, geschrieben von einem unbekannten Verfasser, — Erasmus habe ihn vor 5 Jahren — also im Jahre 1514 — nur flüchtig gelesen. Später habe er ihn in Deutschland — dazu gehört nach damaligem Sprachgebrauch auch Holland — mehrfach bei anderen gefunden, aber mit verschieden lautenden Überschriften. Einige schreiben ihn einem Spanier zu, dessen Name nicht genannt wird, andere dem Faustus Andrelinus, andere dem Hieronymus Baibus. Erasmus hat über den Verfasser keine bestimmte Vermutung. Er ahnt wohl den Zusammenhang, ist aber noch zu keinem endgültigen Urteil gekommen. Im Brief an den Kardinal Wolsey vom 18. Mai 1519 sagt Erasmus, es sei vor einigen Monaten eine Schrift erschienen, die — wie schon das Argumentum zeigt — während des letzten Schismas geschrieben sei. Von wem? Das sei ungewiß; nur gehe aus dem Buche hervor, daß der Verfasser den Franzosen günstig gesinnt sei. Das Gerede von diesem Buche sei sehr lebhaft, besonders bei den Deut154

sehen. Erasmus habe vor mehreren Jahren erfahren, daß die Schrift heimlich in Holland vorhanden sei, und habe sie flüchtig kennen gelernt. Wir erfahren also aus diesen Äußerungen des Erasmus über die Herkunft des Julius-Dialogs, daß er in der vorliegenden Form seinen Ursprung in Paris hat und in der Zeit des schismatischen Konzils, d. h. in der Zeit des zweiten Pisaner Konzils, entstanden ist. Selbstverständlich sind diese Angaben des Erasmus von allen Forschern, die sich mit dem Julius-Dialog beschäftigt haben, beachtet worden; aber es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit man sie einfach beiseite geschoben hat! Daß der Dialog von einem französisch gesinnten Verfasser herrührt, kann im Hinblick auf seine politische Stellungnahme keinen Augenblick zweifelhaft sein. Davon ist bereits ausführlich die Rede gewesen 1 ). Die Äußerung des Erasmus im Brief an Wolsey, daß das Buch den Franzosen günstig gesinnt sei, entspricht restlos den Tatsachen. Trotzdem schreibt Allen zu diesen Worten des Erasmus: die Franzosen würden im Julius oft erwähnt, aber mit wenig Lob; es sei wahrscheinlich, daß Erasmus die Komödie Gringores im Auge habe ! 2) Das Letztere ist schon deshalb ausgeschlossen, weil in dem Brief an Wolsey die Komödie Gringores überhaupt nicht — auch nicht andeutungsweise — erwähnt wird. Das Buch von dessen franzosenfreundlicher Gesinnung Erasmus spricht, ist das, dessen Verfasser Erasmus sein soll, also der JuliusDialog, und aus dessen Argumentum Erasmus auf seine Ab*) S. oben K a p . 3. ) Allen I I I , ep. 9 6 7 , 1 6 1 , A n m . : T h e French are frequently mentioned

2

in the Iulius, but with little praise. mind L ' h o m m e obstiné.

M o r e probably Erasmus had in his

V g l . I I I , ep. 9 6 1 , 3 7 , A n m . : In giving this

date for the composition Erasmus seems to wish to convey

the false

suggestion that the Iulius was identical with Peter Gringore's moralityplay, L ' h o m m e obstiné usw.

155

fassung in der Zeit des Schismas schließt, was bei der Komödie Gringores unmöglich wäre, da die Komödie kein »Argumentum« hat. Aber ebenso unbegründet ist es, wenn Allen sagt, die Franzosen würden im Julius mit wenig Lob erwähnt. Sie sind die, deren Hülfe der Papst alle seine Erfolge, seinen Aufstieg zum Papsttum und seine Siege verdankt. Sie sind nicht, wie die Italiener sie nennen, Barbaren, sondern durch ihre staatliche Ordnung, ihre Bildung und ihren Wohlstand ausgezeichnet. Sie sind im Gegensatz zu den italienischen Heiden ein christliches Volk und werden wegen ihrer Frömmigkeit gelobt. Dem französischen König, der den Namen des allerchristlichsten Königs trägt, wird neben dem Kaiser das Recht auf die Einberufung eines Konzils zugesprochen, weil er der vornehmste Fürst ist: er wird dem Kaiser zum mindesten gleichgeordnet, da der Name des Kaisers nur ein Schatten i s t . Gegenüber allen diesen Aussagen des Dialogs kann man schlechterdings nicht sagen, die Franzosen würden mit wenig Lob erwähnt. Vergleicht man damit außerdem die Urteile, die über die anderen Völker gefällt werden 2 ), so ist die einseitig französische Parteinahme des Dialogs ganz offenkundig. In der gleichen Weise wird auch die andere Angabe des Erasmus, daß der Dialog mit dem Pisaner Schisma in Zusammenhang stehe, behandelt. Durand de Laur erwähnt diese Äußerung des Erasmus im Brief an Wolsey und bemerkt dazu einfach, Erasmus behaupte diesen Zusammenhang mit »wenig Wahrscheinlichkeit«. Damit ist die Sache abgetan. Die Behauptung des Erasmus wird in keiner Weise nachgeprüft, und es werden keinerlei Gegengründe gegen sie angeführt. Durand de Laur findet die Behauptung des Erasmus nur deshalb wenig wahr') S. oben S. I04f.; ii3ff. ) S. oben S. 92 ff.

2

156

scheinlich, weil sie seine Annahme, daß der Dialog von Erasmus verfaßt sei, widerlegen würde. Noch schlimmer liegt die Sache bei Pineau. Zu der Äußerung des Erasmus in dem Brief an Campegio (bei dessen Wiedergabe Pineau übrigens die Erwähnung des Faustus Andrelinus wegläßt), daß der Dialog zur Zeit des Schismas geschrieben sei, fügt Pineau in Klammern hinzu: »Das schismatische Konzil wurde in Pisa im September 1 5 1 1 eröffnet. A b e r im Julius handelt es sich um den schon gestorbenen Papst.« Wie alle Klammern, die Pineau den Worten des Erasmus hinzufügt, soll offenbar auch diese Zwischenbemerkung die Glaubwürdigkeit des Erasmus erschüttern: der Julius-Dialog kann nicht zur Zeit des Schismas entstanden sein, da das Konzil im September 1 5 1 1 eröffnet wird, der Papst aber, gegen den der Dialog sich richtet, erst Anfang 1 5 1 3 gestorben ist. Es scheint also, als ob Pineau annähme, daß zwischen der Tagung des Konzils und dem Tode des Papstes ein zeitlicher Abstand bestünde, während tatsächlich das schismatische Konzil nicht bloß bis zum Tode des Julius, sondern noch darüber hinaus gedauert hat und erst durch Leo X . beseitigt worden ist. An einer anderen Stelle x) kommt Pineau noch einmal auf das schismatische Konzil in Pisa und auf das von Julius II. einberufene Gegenkonzil zu Rom (das 5. Laterankonzil) zu sprechen. Aber auch hier ist von der Bedeutung, die das Pisaner Konzil im Kampf Ludwigs X I I . gegen den Papst hat, mit keiner Silbe die Rede. Pineau knüpft an die Erwähnung der beiden Konzilien eine Erörterung an über die Stellungnahme des Erasmus zu ihnen: Erasmus lobt — so sagt Pineau — bedingungslos das Konzil von Pisa, während er das päpstliche Konzil und die auf ihm vertretene päpstliche Konzilstheorie aufs schärfste kritisiert. Aber die Belege hierfür nimmt Pineau ausschließlich aus dem Julius-Dialog. *) Pineau, S. 45.

157

Aus den Äußerungen des Julius-Dialogs geht deutlich hervor, daß der Verfasser des Julius-Dialogs in der Konzilsfrage den gallikanischen Standpunkt vertritt; man müßte also untersuchen, ob sich in den anerkannten Schriften des Erasmus die gleiche Stellungnahme gegenüber der Konzilsfrage nachweisen läßt.

Nur wenn dies möglich wäre, könnte man die

kirchenpolitischen Gedanken des Dialogs zur Charakterisierung der kirchenpolitischen Ansichten des Erasmus in Anspruch nehmen.

Wenn dagegen Erasmus in seinen an-

erkannten Schriften den Gallikanismus nicht vertritt, so liegt darin ein Gegenargument gegen die Abfassung des JuliusDialogs durch Erasmus. In diesem Sinne ist j a offenbar auch der Hinweis des Erasmus auf den Zusammenhang des Julius-Dialogs mit dem schismatischen Konzil gemeint.

Indem Erasmus auf diesen

Zusammenhang hinweist, will er beweisen, daß der JuliusDialog nicht von ihm stammen kann.

Er sieht darin ein

ohne weiteres einleuchtendes Argument gegen seine Verfasserschaft. Eben damit spricht er sich aber auch über seine eigene Stellungnahme gegenüber dem schismatischen Konzil aus. Denn wenn die schismatische Kirchenpolitik des JuliusDialogs ein Gegenbeweis gegen seine — des Erasmus — Verfasserschaft ist, so bedeutet dies, daß Erasmus die schismatische Kirchenpolitik ablehnt und dies als selbstverständlich und bekannt voraussetzt. Allen sieht in der Angabe des Erasmus, daß der Dialog in der Zeit des Schismas verfaßt sei, eine bewußte Irreführung. Erasmus wolle dadurch die falsche Vorstellung erwecken, daß der Julius mit der Komödie Gringores identisch sei, die im Februar 1 5 1 2 in Paris aufgeführt worden sei und in der der Papst die Hauptfigur bilde und ein Zwiegespräch zwischen dem französischen und dem italienischen Volk stattfinde, wobei das erstere am besten w e g k o m m t . Allen III, S. 574, 37, Anm.

158

Wie Allen zu dieser Anschuldigung des Erasmus kommt, ist nicht einzusehen. Auch in dem Brief an Campegio wird die Komödie Gringores mit keiner Silbe angedeutet; auch hier redet er nur von dem Julius-Dialog: von diesem heißt es ausdrücklich, daß er in der Zeit des Schismas geschrieben sei. Oder sollte auch Allen vielleicht meinen, daß zwar die Komödie Gringores in der Zeit des Schismas, aber der Dialog erst später entstanden sei ? Aber Allen weiß, daß das Schisma über den Tod des Papstes Julius hinaus gedauert hat. Der Satz, in dem er dies ausspricht, klingt allerdings etwas unbestimmt. Er sagt: die schismatischen Kardinäle »hielten aus« bis nach dem Tode des Julius. An einer anderen Stelle sagt er: »Das schismatische Konzil wurde in Pisa im September 1511 eröffnet. Wegen seiner Duldung legte Julius das Interdikt auf Florenz«, (zu dessen Gebiet Pisa gehörte) 1 ). Aus diesen Äußerungen scheint hervorzugehen, daß Allen über die Dauer des Konzils doch nicht unterrichtet ist. Er scheint anzunehmen, daß das Pisaner Konzil mit dem sofort nach der Eröffnung erfolgenden Interdikt über Florenz erledigt gewesen und daß nur die schismatischen Kardinäle an ihrer Opposition bis über den Tod des Papstes hinaus festgehalten hätten. Nur so wäre es möglich, den Hinweis des Erasmus auf das schismatische Konzil für eine Irreführung zu erklären. 3. E R A S M U S U N D D A S P I S A N E R K O N Z I L

In der Tat hat sich Erasmus niemals über das schismatische Pisaner Konzil zustimmend oder lobend geäußert. Alles, was Pineau in dieser Hinsicht anführt, stammt aus dem Julius-Dialog, ist also nicht von Erasmus. Dagegen haben wir eine ausdrückliche und sehr scharfe Verurteilung des Pisaner Konzils durch Erasmus in seinem Briefe an Leo X. Allen I, S. 476, 43, Anm. 159

v o m 21. M a i 1 5 1 5 : sublatum perniciosissimum illud schisma et ita sublatum tarn ingens malum ut ne cicatrix q u i d a m supersit

.

Ebenso nennt auch A m m o n i u s in seinem Briefe an

Erasmus v o m 27. O k t o b e r 1511 das Pisaner K o n z i l das conciliabulum 2 ).

In den Briefen, in denen Erasmus den D i a l o g

mit d e m K o n z i l in V e r b i n d u n g bringt, spricht er beidemal zugleich von d e m französischen U r s p r u n g des Dialogs: in dieser V e r b i n d u n g des Konzils mit Frankreich deutet er an, d a ß er in d e m schismatischen K o n z i l eine rein französische Angelegenheit sieht, —

was es denn auch im wesentlichen

war, d a der französische K ö n i g die eigentlich treibende K r a f t und die Teilnehmer a m K o n z i l fast nur französische Bischöfe waren.

A u c h im D i a l o g wird es das »gallikanische Konzil«

genannt 3 ). D a ß Erasmus seinem ganzen Wesen nach nicht a u f der Seite des schismatischen Konzils stehen konnte, ist i m Hinblick auf seine unpolitische N a t u r und auf seine Furcht, durch persönliche Feindschaft die Mittel für seine wissenschaftliche A r b e i t und die H o f f n u n g e n seines Ehrgeizes zu verscherzen, ohne weiteres deutlich.

Ein derartiges V o r g e h e n wie das

der französischen Bischöfe in Pisa w a r seiner furchtsamen und berechnenden

Gelehrtennatur völlig unmöglich 4 ).

Seine

Kirchenpolitik beschränkt sich darauf, d a ß er die lange vor i h m v o n den italienischen Humanisten am Papsttum geübte K r i t i k wiederholt.

W e n n m a n seine Ausführungen über das

Papsttum z. B. mit der Kritik Vallas vergleicht, so sieht m a n , d a ß Erasmus weder neue Tatsachen noch neue vorbringt.

Gedanken

A u c h in der moralischen und religiösen Ent-

rüstung über die V e r k o m m e n h e i t des Papsttums wird kein Allen II, ep. 335, 81 ff. a)

Allen I, ep. 236, 43.

') Böcking I V , 4)

S. 442, 20: Gallicano illi concilio.

Gelegentlich gibt auch Pineau dies zu: II n'avait aucune vocation

pour le schisme et les anathtoies qui en sont la consequence (S. 9).

160

neuer T o n angeschlagen.

Nach dem Vorbild der Italiener

gehört es nun einmal zum Hausgerät des Humanisten, daß er sich über die unglaublichen Zustände in der römischen Kurie entrüstet. Die an sich in keiner Weise originelle Kritik des Erasmus gewinnt nur dadurch eine geschichtliche Bedeutung, daß sie die in Italien längst zum Allgemeingut gewordene Verurteilung des Papsttums nach Deutschland und England importiert. In diesen Ländern ist die Haltung gegenüber dem Papsttum noch nicht in dem M a ß e erschüttert wie in Italien und Frankreich.

Das Papsttum findet in diesen Ländern noch

eine starke Stütze an dem Einfluß, den hier die Hierarchie, die scholastische Wissenschaft und das Mönchstum noch ausüben.

Allerdings findet Erasmus auch hier — wenigstens in

Deutschland — den Boden bereits vorbereitet, wie u. a. die Tätigkeit des Huttenschen Kreises zeigt.

A u c h in Deutsch-

land fängt im Anfang des 16. Jahrhunderts die Kritik an den kirchlichen Zuständen an, Mode zu werden und als Ausweis der »höheren Bildung« zu gelten. Es ist deshalb auch für die von Erasmus geübte Kritik charakteristisch, daß sie sich in erster Linie gegen die scholastische Wissenschaft und das Mönchstum richtet 1 ), und daß Besonders charakteristisch ist — neben vielen anderen Stellen — die Erklärung, die Erasmus in seinem Briefe an Erzbischof Albrecht von Mainz v o m 19. Oktober 1519 für die Ursachen der damaligen kirchlichen Unruhen gibt: Spectandi inprimis sunt huius mali fontes. Mundus oneratus est constitutionibus humanis. Oneratus est opinionibus et dogmatibus scholasticis. Oneratus est tyrannide fratrum mendicantium (Allen I V , ep. 1033, 129fr.). Gegenüber der Rolle, die die Mönche in der Polemik des Erasmus spielen, treten sie im Julius-Dialog auffallend zurück. Es wird nur einmal ganz kurz erwähnt, daß Sixtus I V . , der zum Franziskanerorden gehörte, dem Armutsideal des Gründers wenig entsprach und daß auch die Benediktiner zu Reichtümern gelangt sind, die selbst den Neid des Papstes erregen (Böcking I V , S. 435, i 4 f f . ) . Daneben findet sich eine ganz flüchtige Hindeutung auf die Predigttätigkeit der Orden, wobei aber nichts Belastendes über sie gesagt wird (ib. S. 447, if.). 11

Stange,

Erasmus

161

bei seinen Angriffen auf die Hierarchie zwar auch die Kurie die aus dem italienischen Humanismus bekannten Vorwürfe zu hören bekommt, aber daneben der Anteil der deutschen Kirchenfürsten an dem Verderben der Kirche besonders unterstrichen und gelegentlich ihnen sogar die Hauptschuld an den herrschenden Zuständen zugeschrieben wird, als ob die Päpste erst durch das Vorbild der deutschen Kirchenfürsten dazu verführt worden seien, nach weltlicher Gewaltausübung zu streben und sich habsüchtiger Ausbeutung hinzugeben Der kirchenpolitische Standpunkt des Erasmus hat dagegen mit den Bestrebungen der Reformkonzilien nichts gemein. Man könnte ihn als gemäßigten Kurialismus bezeichnen. Denn trotz aller moralischen Kritik an den Päpsten will Erasmus doch die hierarchische Ordnung aufrechterhalten wissen. I n dem Adagium Sileni Alcibiadis erklärt Erasmus, er wolle mit seiner Kritik nicht dazu auffordern, daß den Kirchenfürsten die Macht und der Reichtum, den sie haben, genommen werde. Das wäre nur auf dem Wege der Gewalt möglich, und jede Anwendung von Gewalt lehnt der Fromme ab. Man soll nicht ein Heilmittel brauchen, durch welches die Sache verschlimmert wird. Die Besserung kann nur von den Kirchenfürsten selber kommen. Sie sollen sich der Überlegenheit ihrer geistlichen Würde bewußt sein und die gemeinen Mittel weltlicher Herrschaft denen überlassen, die tief unter ihnen stehen. Sie sollen nicht die Perle des Evangeliums verlieren, indem sie nach den Glasperlen der Welt begehren. Sie sollen — nach Paulus — haben, als hätten sie nicht. Was sie an weltlicher Macht und Reichtum besitzen, soll gegenüber ihrer geistlichen Hoheit als wertlos erscheinen. Auf diese Weise werden sie besser fahren, da sie Enkomium Moriae: Equidem incerta sum, adhuc, utrum his rebus exemplum dederint, an potius sumpserint, episcopi quidam Germanorum, qui . . . plane satrapas agunt usw.

162

dann nicht mehr durch die Furcht gequält werden, ihren Besitz zu verlieren, und nicht mehr für vergängliche und wertlose Dinge so wild zu kämpfen brauchen. Ja, sie werden auf diesem Wege sogar zu größerem weltlichen Besitz gelangen. Man wird ihnen die weltlichen Güter bereitwilliger und reichlicher geben, wenn man sieht, daß sie dieselben gering achten . Von der römischen Form des Kurialismus unterscheiden sich diese Ausführungen des Erasmus dadurch, daß sie von einer theologischen Begründung des göttlichen Rechtes der Hierarchie nichts wissen. Es sind lediglich praktische Erwägungen, die Erasmus zur Anerkennung der bestehenden, geschichtlich gegebenen Verbindung der Hierarchie mit der x ) Neque vero haec dixerim quod sacerdotibus eripiendurn putem siquid quocunque modo contigit vel ditionis vel opum (tumultus enim nulli pio debet piacere), verum illos suae magnitudinis conscios ac memores esse volo, ut ista plebeia, ne dicam ethnica, vel reiiciant ultro, et infimis cedant: vel certe contemptirn possideant et (iuxta Paulum) sie habeant quasi non habeant. Denique sie eos Christi opibus ornatos esse volo, ut quiequid accesserit ex huius mundi splendore, aut meliorum obscuretur luce, aut sordidum etiam ex collatione videatur. Ita fiet ut et quod possident, hoc felicius possideant, quo securius. nec enim angentur metu nequis eripiat: nec pro rebus caducis et humilibus tanto tumultu dimicabunt, si quid alicunde decesserit. Postremo, non orbabuntur suis bonis, dum alienis gaudent ditescere. nec evangelicum amittent margaritum, dum vitreas mundi gemmas consectantur. Ut illud interim omittam, haec ipsa quae contemni volumus, ita copiosius accessura, si fuerint contempta: et honestius sequentur fugientes, quam a b insequentibus arripiuntur. . . . Libentius ista donabunt laici, si viderint reiici ab his quos plus sapere credunt (Adagia 1558, Sp. 677). Diese Ausführungen stimmen auffallend mit dem überein, was Nicolaus Clemangis in der von Hutten 1519 herausgegebenen Schrift de corrupto ecclesiae statu vorträgt: quanto magis aspernabantur [die Christen der ersten Jahrhunderte] temporalem substantiam aut gloriam, tanto illis abundantius omni ex parte affluebat, instar umbrae, quae sequentem fugit. at vero si fugias, Semper indefessa comes sequitur. Cernentes enim saeculares homines tarn prineipes quam alii locupletes, eiusmodi virorum dei sanetam et sinceram conversationem, ob omni terrena faece, igne divini amoris excoctam, certabant undique illis copiosissima bona congerere.

11

163

weltlichen Gewalt veranlassen J ). Die Abneigung des Gelehrten gegenüber jeder gewaltsamen Umwälzung macht ihn willig, sich mit den tatsächlichen Zuständen abzufinden, obgleich die Verbindung von geistlicher und weltlicher Macht dem Evangelium unbedingt widerspricht. Aber über dies Kompromiß hinaus appelliert Erasmus auch an das wohlverstandene Interesse der Kirchenfürsten, indem er ihnen vorhält, daß ihnen die weltlichen Güter, die sie nach dem Evangelium nicht begehren sollen, in noch reicherem Maße zufallen werden, wenn sie sie nicht begehren. Damit wird das christliche Motiv der Nichtachtung der weltlichen Güter dem heidnischen Motiv des Weltgenusses untergeordnet. Die Kritik, in der sich Erasmus über den Weltsinn der Kirchenfürsten entrüstet, wird gekrönt durch den klugen Rat, der dem Weltsinn noch größeren Erfolg sichert. In dieser Vermischung der christlichen Gedanken mit den weltlichen Motiven der Nützlichkeit, worin Pineau einen Ausdruck der Weisheit des Erasmus sieht zeigt sich, daß sich Erasmus seiner Gesinnung nach nicht grundsätzlich von den Hierarchen des römischen Systems unterscheidet. Es verhält sich mit seiner Kritik an der römischen Verweltlichung ebenso wie mit der Kritik der italienischen Humanisten. Wie diese den weltlichen Sinn nur im geistlichen Gewände anstößig fanden, aber in ihrem eigenen Denken und Wollen ihm uneingeschränkt huldigten, so steht auch hinter den erhabenen Deklamationen des Erasmus als letzte Instanz die berechnende und weltkluge Anpassung an den eigenen 1 ) Die Auffassung, daß die weltliche Macht des Papstes zwar nicht zu R e c h t besteht, aber — weil sie t a t s ä c h l i c h besteht — respektiert werden muß, vertritt in Übereinstimmung mit Erasmus auch im JuliusDialog der Papst: quod est caput: tenemus, possidemus, fruimur (Böcking I V , S. 452, 25 f.). Aber indem im Dialog diese Auffassung dem Papst in den Mund gelegt wird, wird sie — im Gegensatz zu Erasmus — als Beweis für die weltliche Sinnesart des Papstes: nihil adhuc audio nisi mundum (ib. S. 452, 36) — verurteilt. 2 ) Pineau, S. 48.

164

Vorteil. Er beruft sich auf das Evangelium, weil es zu einer Ordnung des Lebens führt, die seinen persönlichen Wünschen entspricht; aber das Evangelium hat ihn nicht zum Reformator gemacht. Seine Kritik lehnt jede Aktivität ab, also auch die der Pisaner Schismatiker, zumal das bei diesem Konzil wirksame Motiv der französischen Politik für ihn keinerlei Bedeutung hat 1 ). 1 ) Im Pasquillus ecstaticus (Caelius Secundus Curio) von 1544 (Genf) wird die zweideutige Haltung des Erasmus in drastischer Weise geschildert. Auf seiner Fahrt vom papistischen zum evangelischen Himmel kommt Pasquillus in den Circulus Mercurii. Ibi non pauci erant Manes variis formis et modis vexati. In his quendam inter duas columnas fune per medium ducto appensum vidi. In capite habebat cornua cervina duo, et pedibus pendebat culeus, ipse vero perpetuo motu volvebatur: nam inter cornua appensum erat velum, ut in navibus videmus. Itaque aura secunda velum implente, ille in orbem ferebatur, ita ut pedibus coelum percutere velie videretur: eadem vero aura paulisper remittente ipse culei gravitate revolvebatur in pedes, atque sie sursum, deorsum, huc, atque illuc agebatur. — Marforius: Potuisti'ne hominem agnoscere? — Pasquillus: Non potui: sed Genius mihi indicavit eum esse Desiderium Erasmum Roterodamum inter Coelum Papisticum et Christianum his modis aeeeptum (S. i7of.). In einer älteren Ausgabe ohne Angabe der Zeit und des Ortes lautet dieser Abschnitt folgendermaßen: Et cum superassemus coelum Lunae, venimus in coelum Mercurii: in quo reperi quendam virum, qui inter duos palos chorda per medium dueta erat ligatus, ut in medio quasi penderei, solum pedibus non contingens. — M. Quis erat habitus viri? — P. In capite habebat duo cornua cervina, in pedibus pendebat sacculus cum aureis multis, ipse vero perpetuo rotabatur: nimirum cum inter cornua esset appensum velum, ut sunt carbasa in navibus: ut cum aura coeli in orbem moti velum impleret, ille supinus in orbem ferretur. Aura vero paulisper remittente, ipse gravitate sacculi rursus in pedes relaberetur. Qua ratione miser homo perpetuo huc illucque volutabatur. Caeterum reliquus habitus erat hominis satis civilis, docti et religiosi. — M. Quem dicebat esse Genius? — P. Dicebat esse Amantium Erythrodamum. •— M. Hei mihi, tantum virum? — P. Sic est Marphori. — M. Sed cur hoc habitu torquebatur? — P. In coelo Mercurii torquebatur, quod ingenio Mercuriali, et multum versatili. — M. Cur cornua cervi in capite, et sacculum pecuniarum pedibus appensum habebat? — P. Quod tumore et avaritia omnia miseuisset: et cum non possis scire ex suis scriptis, quarumnam fuerit partium, in medio coeli divini et coeli hominum in hac forma constitutus est (S. gif.).

165

4. D E R D I A L O G U N D D A S P I S A N E R

KONZIL

Daß der Julius-Dialog an dem Pisaner Konzil besonders interessiert ist, geht schon aus dem Umfang hervor, den dies Konzil im Julius-Dialog in Anspruch nimmt: es ist ungefähr der vierte Teil des Dialogs diesem Konzil gewidmet 1 ). Dabei ist der Verfasser über die Verhandlungen und den Gang des Konzils bis ins einzelne unterrichtet. Man kann auch hier wieder den Dialog geradezu als Geschichtsquelle benutzen. In der Darstellung, die Pastor von der Geschichte dieses Konzils gibt, findet man — abgesehen von der verschiedenen Beurteilung •— kaum etwas, was man nicht auch aus dem Dialog erfährt. Vergleicht man die Angaben des Dialogs mit den Akten des Konzils, so bekommt man den Eindruck, daß der Verfasser des Dialogs die amtlichen Schriftstücke des Konzils gekannt hat. Wie der ganze Dialog so zeigt auch dieser Abschnitt eine wohldurchdachte und durchsichtige Gedankenfolge. Erasmus würde — bei seiner sprunghaften und hastigen Art zu schreiben — niemals seine Gedanken in so geschlossener Form vortragen können. Es wird zuerst von den geschichtlichen Gründen für die Entstehung des Konzils gesprochen, sodann die grundsätzliche Frage erwogen, ob ein Konzil im Gegensatz zum Papst möglich sei, darauf über die Gegenmaßnahmen des Papstes, insbesondere über die Einberufung des päpstlichen Gegenkonzils berichtet und endlich auf die Beschlüsse der beiden Konzilien und den in ihnen zum Ausdruck kommenden Geist hingewiesen. Das sind alles Dinge, für die Erasmus gar kein Interesse haben würde. i. Auf die Frage nach den Gründen für die Entstehung des Pisaner Konzils antwortet Julius zunächst 2 ), indem er auf die schon lange bestehende Entrüstung über das Treiben !) Böcking IV, S. 438-445. 2 ) Böcking IV, S. 438, 4—23. 166

der Kurie hinweist: schimpfliche Gewinnsucht, Verschwendung und schandbare Leidenschaften, Giftmord, Gotteslästerung, Totschlag und Simonie herrschen überall. Dazu kommt die Person des Papstes: man sagt von ihm, daß er Simonie treibe, trunksüchtig, geschlechtlich ausschweifend und voll weltlicher Gesinnung sei, so daß er in jeder Hinsicht des päpstlichen Stuhles unwürdig sei und der Kirche zum Verderben gereiche. Man müsse deshalb in dieser Notlage der Kirche seine Zuflucht zum allgemeinen Konzil nehmen. Um so mehr, als der Papst unter der Bedingung gewählt worden sei und sich darauf eidlich verpflichtet habe, daß er innerhalb der nächsten zwei Jahre nach seiner Wahl ein Generalkonzil einberufen werde. Von diesem Eid hat der Papst, wie er zynisch erklärt, sich selbst entbunden, da es ihm so beliebte. Er beruft sich dafür auf ein Wort des Julius Caesar: Wenn es um die Herrschaft geht, kann man unbedenklich alles Beliebige schwören, während man in anderen Dingen gewissenhaft sein muß *). Darauf sind neun Kardinäle von ihm abgefallen, künden ihm ein Konzil an und laden ihn selbst ein mit der Bitte, den Vorsitz zu übernehmen. Als er dies ablehnt, schreiben sie tatsächlich dies Konzil aus unter der Autorität des Kaisers und des französischen Königs. Der Papst bemerkt dazu: So versuchen sie den ungenähten Rock Christi zu zerreißen, den selbst die Kriegsknechte unter dem Kreuz Christi unzertrennt gelassen haben 2 ). S. oben S. 7 ff. ) Die Erwähnung des ungenähten Rockes Christi ist als biblische Reminiszenz (Joh. 19, 23f.) ohne weiteres verständlich. Die symbolische Ausdeutung dieser Bibelstelle kommt auch sonst häufig vor, so z. B. in der Bulle Unam sanctam Bonifaz' V I I I . (Mirbt, Quellen 4, S. 210, 30). Der Julius-Dialog übernimmt diese Wendung vielleicht aus dem Dekret des Pisaner Konzils, durch welches in der 8. Sitzung vom 2 1 . April 1 5 1 2 die Suspension des Papstes ausgesprochen wird: ne inconsutilem Christi tunicam scinderet (Acta Pisana 1612, suspensio Domini Iulii, S. 194). 2

167

Diese A n g a b e n über die Entstehung des Pisaner Konzils entsprechen

den

Akten

desselben.

Die

schismatischen

Bischöfe stellen allerdings begreiflicherweise die juristischen Argumente in den Vordergrund. von

entscheidender

Bedeutung

Infolgedessen ist für sie

die von

allen

Kardinälen

vor der Wahl Julius' I I . beschworene und unmittelbar nach der W a h l von Julius II. unterschriebene Verpflichtung zur A b h a l t u n g eines Generalkonzils *).

D i e Voraussetzung dieser

D a ß der ungenähte Rock in der Literatur um 1512 so außerordentlich oft erwähnt wird, erklärt sich daraus, daß Maximilian gelegentlich des Trierer Reichstages von 1512 eine Besichtigung des Rockes vorgenommen hat, worüber Scheurl am 8. Juni 1512 an Otto Beckmann berichtet (Briefbuch I, S. 92). Nachdem der Rock über 300 Jahre im Hauptaltar des Domes zu Trier geruht hatte, wurde er auf den Wunsch Maximilians »zur Auffrischung der Frömmigkeit der Gläubigen« am 3. und 4. Mai 1512 den versammelten Fürsten und Ständen des Reiches und zahlreichem Volke gezeigt (Wetzer und Welte, Kirchenlexikon I X , 1852, S. 334). Die Flugschriften, in denen das Wunder durch Holzschnitte veranschaulicht und aller Welt verkündigt wird, finden sich sogar in den Reichstagsakten (Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation I 5 , 1873, S. 163). Nach Scheurl soll ihn allerdings nur der Kaiser gesehen haben: Ceterum tarn pretiosum donum praeter Caesarem nemini visum. In seiner übertriebenen Schwärmerei für Reliquien stellt Scheurl es so dar, als ob Maximilian den Rock erst wieder aufgefunden habe. Daraus wie aus der einige Jahre vorher erfolgten Auffindung eines wunderbaren Kreuzes (Briefbuch I, S. 68f.) folgt, daß sich Maximilian der besonderen Gnade Gottes erfreut, so daß er mit Constantin und Helena verglichen werden kann: quo summus rerum conditor in inventione crucis et tantarum reliquiarum Constantino et Helenae parem fecit Maximilianum, ita quoque gratiam dabit usw. Aus diesen Äußerungen Scheurls geht hervor, daß der ungenähte Rock damals die Öffentlichkeit sehr lebhaft beschäftigt hat, so daß seine Erwähnung in den Akten des Konzils und im Julius-Dialog auch hierauf zurückgeführt werden kann. Die Geneigtheit Scheurls, den Kaiser zum Heiligen zu machen, steht in Übereinstimmung damit, daß er ihn neben dem Papste zu den gegenwärtigen Heiligen der Kirche rechnet (s. oben S. 84, Anm. 1) und gelegentlich sogar den Deus terrenus nennt (I, 20), und auf dem Hintergrund dieser Stimmung, die das Politische mit dem Kirchlichen zusammenfließen läßt, erscheint auch die Idee eines Papstkaisers (s. unten S. 177f.) nicht mehr als verwunderlich. *) In den Promotiones Pisani concilii folgt auf die Sanktionierung

168

Verpflichtung ist selbstverständlich das in der Kirche herrschende Verderben, auf das auch in den Verhandlungen des Konzils wiederholt hingewiesen wird. Dagegen tritt die Kritik an der Person des Papstes in den Konzilsakten zurück. Die in der 8. Sitzung des Konzils vollzogene Suspension des Papstes 1 ) schließt sich in ihren Formeln eng an den bei der Wahl des Papstes geleisteten Eid der Kardinäle 2) an. Im Hinblick auf diese betonte Hervorhebung der Rechtsgrundlage des Konzils versteht man nicht recht, wie Pastor dem Vorgehen der Kardinäle jede Rechtsgrundlage absprechen kann 3 ). In dem von den Kardinälen beschworenen und von Julius unterschriebenen Eid heißt es ausdrücklich, daß sich der zu erwählende Papst unter keinen Umständen von diesem Eid entbinden oder entbinden lassen werde, — wenn er es aber doch tun sollte, solle er als Brecher seines Gelübdes und als meineidig und als perturbator et scandalizator ecclesiae von der Kirche und der ganzen Christenheit angesehen werden, und daß der neuzuwählende Papst schon mit dem Eide, den er als Kardinal leistet, den Kardinälen im Fall seines Wortbruchs das Recht und die Gewalt gibt, ein allgemeines Konzil einzuberufen, und sich der Bestrafung durch das Konzil unterwirft. Daß der Papst tatsächlich das angekündigte Konzil innerhalb der beiden ersten Jahre nach seiner Wahl nicht einberufen hat, ist geschichtliche Tatsache, ebenso wie er auch gegen den Willen der Kardinäle neue Kardinäle ernannt hat, obgleich er auch dies abgeschworen hatte 4). Die rechtlichen Voraussetzungen für das Konzil waren also zweifellos gegeben. der Konstanzer Constitutio

»Frequens« durch das Baseler Konzil

und

die

durch

der

Approbation

derselben

Eugen

IV.

die

Kapitulation

Kardinäle (S. 10—20). Acta

Pisana

1612,

Promotiones

2)

1. c. S. 18.

4)

Böcking I V , S. 442, 5f.:

S. 202 f.

') Pastor I I I , S. 625. ac

protinus

in

cardinales ereavi meis institutis accommodos.

hunc

usum

complures

V g l . damit die von den

169

Für die moralische Haltung der Kurie ist diese Bindung des zukünftigen Papstes durch den Eid, den sich die Kardinäle gegenseitig auflegen, außerordentlich kennzeichnend. Sie sind alle davon überzeugt, daß um der Kirche willen ein allgemeines Konzil notwendig sei, — aber sie sind auch alle davon überzeugt, daß der neu zu wählende Papst sein Versprechen möglicherweise nicht halten werde. Deshalb suchen sie ihn durch einen feierlichen Eid vorher zu binden, und sie rechnen sogar damit, daß der neue Papst — wer es auch werden möge — sich nachher auch an den Eid nicht halten werde . Wenn der Julius-Dialog den Papst erklären läßt, er habe sich selbst von seinem Eide entbunden 2 ), so ist das nicht etwa eine aus dem Haß geborene, unerhörte Schmähung des Papstes, — der Dialog spricht damit nur aus, was die zur Papstwahl versammelten Kardinäle sich selbst zutrauten. Sie kannten sich untereinander so gut, daß sie wußten, was von einem aus ihrer Mitte hervorgehenden Papst zu erwarten war. Die Namen der neun schismatischen Kardinäle stehen unter der Convocatio generalis concilii ex parte Cardinalium K a r d i n ä l e n und unter ihnen auch v o n Julius I I . beschworenen

capitula

p u b l i c a , in d e n e n es h e i ß t : I t e m , p r o m i t t e t et iurabit servare . . . . in causis m a i o r i b u s , signanter in c r e a t i o n e c a r d i n a l i u m et v o t a

cardinalium

dari d e b e a n t

per

baliotas

albas

et

....

quod

suffragia

nigras:

f a c t a in c o n t r a r i u m ipso iure sint nulla et h a b e a n t u r pro infectis

aliter

(Promot.

Pis. C o n c . S. 15). Simili voto, i u r a m e n t o , o b l i g a t i o n e

et stipulatione p r o m i t t e t

q u i e x nobis electus fuerit a praedictis promissione, et i u r a m e n t i

praestatione

et eius observatione a c

ipse

v o t o et o b l i g a t i o n e omnibus

in dictis capitulis contentis, a b s o l u t i o n e m n o n petere,

et

singulis

n e c sibi c o n c e d i

facere, a u t concessa uti, nec ipsa potestate per i p s u m e l i g e n d u m d a t a , se faciet absolvi seu, e t i a m s e c u m i n a l i q u o dispensari.

alteri

Quodsi

forsan ( q u o d absit) aliquis nostrum a d p o n t i f i c a t u m electus, u t praefertur, praedictis Conc. 2)

praedictorum

alicui

contraveniat

....

(Promot.

at ipse m e a b eo iureiurando, c u m v i s u m est, absolvi ( B ö c k i n g

S. 438, 14).

170

aut

Pis.

S. 18). IV,

vom

16.

15111).

Mai

D a s Edikt

Maximilians 2

b e r u f u n g des Konzils ist v o m 16. J a n u a r 1 5 1 1 ) , wigs X I I .

vom

1 5 . Februar

zur

Ein-

das L u d -

15113).

2. I n d e m folgenden Abschnitt des Dialogs 4 )

handelt es

sich d a n n u m die kirchenrechtliche F r a g e der Absetzbarkeit des Papstes. kurialistische

D e r Papst trägt dem erstaunten Petrus die Papsttheorie in ihrer extremsten

Form

vor.

D i e Stellung, die der Verfasser des Dialogs zu dieser Theorie einnimmt, wird daran erkennbar, daß er den Sinn dieser Theorie

ohne j e d e

Verhüllung

und

Verklausulierung

in

unmißverständlicher Anschaulichkeit ausspricht und sie d a d u r c h sich selbst brandmarken läßt. M i t brutaler Offenheit gibt der Papst das Leitmotiv dieser Theorie an, indem er an die Spitze seiner Ausfuhrungen den S a t z stellt: der Papst kann der größte Verbrecher, der größte N a r r , ungebildet wie ein Holzklotz und von schmutzigster Gesinnung sein, — wenn er nur die G e w a l t hat, dann muß er als Statthalter Christi verehrt und als der »Allerheiligste« anerkannt werden 5 ) ;

diese Forderung gilt auch

!) I.e. S. 42; vgl. Pastor I I I , S. 624. 2 ) I . e . S. 21 ff. 3 ) 1. c. S. 24 ff4 ) Böcking I V , S. 438, 24—441, 16. B ) (Iulius:) . . . Summum etiam pontificem finge vel Cercopibus sceleratiorem vel Morycho stultiorem, indoctiorem stipite, spurciorem lerna, quisquís hanc tenet potentiae clavem, eum decet ut Christi vicarium revereri, ut sanetissimum suspicere (Böcking IV, S. 438, 25ff.). Pineau findet diese sprichwörtlichen Wendungen auch in den Adagia des Erasmus und führt diese Übereinstimmung unter den Parallelen auf, die beweisen sollen, daß Erasmus den Dialog verfaßt hat. Aber der Dialog konnte diese Redewendungen aus denselben Quellen wie Erasmus haben, und bei Erasmus finden sie sich nicht wie im Dialog nebeneinander, sondern an ganz verschiedenen Stellen der Adagia. Schon Erasmus hat in seinem Brief an Polydorus Vergilius vom 23. Dezember 1520, in dem er — zu Unrecht —• diesem die Priorität seiner Sprüchwörtersammlung bestreitet, geltend gemacht, daß die Sprüchwörter nicht Erzeugnis dessen sind, der sie sammelt: ñeque enim nos gignimus proverbia, sed recensemus quantulum autem laudis debetur ei

171

dann, wenn der Papst offenkundig böse ist, ja, auch dann, wenn seine Bosheit handgreiflich vor aller Augen liegt. Da er kraft seines Amtes Gott auf Erden vertritt, muß er von den Menschen als Gott anerkannt werden und kann deshalb selbstverständlich nicht von irgendeinem bloßen Menschen kritisiert oder beanstandet werden. Petrus wendet dagegen ein, daß diese Theorie gegen den gesunden Menschenverstand (den sensus communis) verstößt: man kann nicht jemanden für gut halten, wenn man sieht, daß er ein Verbrecher ist, und man kann nicht gut von ihm reden, wenn man ihn für böse hält. Aber auf den Papst macht dieser Einwand keinen Eindruck. Was die Menschen denken, ist ganz gleichgültig, — wenn sie nur gut von ihm reden, andernfalls sollen sie den Mund halten. Der römische Pontifex duldet keinerlei Kritik, auch nicht von Seiten eines allgemeinen Konzils. Mit dieser Grundthese des Papstes wird das Fundament des römischen Kirchentums aufgedeckt und die unheilbare Verirrung des römischen Systems offenkundig. Es ist das uralte Problem, das seit den Anfängen der kirchlichen Organisation immer wieder auftaucht und die Kirche quält und in der dem römischen Geiste entsprechenden Lösung zum Verhängnis der Kirche wird: die Frage nach dem Verhältnis der amtlichen Würde des Priesters zu seiner persönlichen inneren Haltung. Die katholische Kirche hat zu allen Zeiten mit Recht daran festgehalten, daß die amtlichen Funktionen des Priesters in ihrer Geltung und Wirkung nicht von der moralischen Beschaffenheit des Priesters abhängig sind. Wenn der Priester im Namen Christi die Sunde vergibt, so tut er es nicht, weil er selbst ohne Sünde ist; er q u i e publicis pratis

flosculos

nulli non obvios decerpserit et in c a l a t h u m

coniecerit! . . . in colligendo perpusillum est gloriae.

Q u o d s i q u a est,

ea Graecis d e b e t u r , q u i multis ante nos saeculis p a r o e m i o l o g i a s reliquerunt

172

( A l l e n I V , ep.

1 1 7 5 , 73 fF.).

nobis

richtet nur den Auftrag seines Herrn aus, so daß die Gültigkeit seines Wortes ausschließlich auf der Autorität Christi ruht. Aber die katholische Kirche läßt dabei außer acht, daß der Priester nur dann im Namen Christi handeln kann, wenn Christus auch wirklich sein Herr ist. Das bedeutet nicht, daß er ebenso wie Christus von aller Sünde frei sein muß. Denn dann würde er selbst nicht mehr der Vergebung der Sünde bedürfen und auch nicht mehr Christus als seinen Herrn gebrauchen, d a sich die Herrschaft Christi ausschließlich in der Vergebung der Sünde vollzieht. Aber wohl muß das persönliche Verhältnis zu Christus die Grundlage seines Lebens sein. Die Voraussetzung des Priestertums ist das Christentum, d. h. der Glaube an Christus, — ist dieser Glaube nicht mehr vorhanden, so ist auch das Priestertum nicht mehr da. Ein Priester, dessen Unglaube offenkundig ist, wird durch diesen seinen Unglauben den Glauben, den seine priesterliche Verkündigung von den ihm anvertrauten Christen fordert, zerstören. Infolgedessen gibt es allerdings eine Schranke des priesterlichen Amtes in der Person des Priesters: das ist der Unglaube des Priesters. O b diese Schranke vorhanden ist, wird zunächst das Gewissen des Priesters zu entscheiden haben; wird sein Unglaube aber offenkundig, ohne daß sein Gewissen ihn zur Aufgabe seines Amtes zwingt, so m u ß die christliche Gemeinde einschreiten und ihn für einen Heiden halten (Mt. 18, 17). In diesem Sinne erklärt Petrus im Dialog, daß der, welcher der Stellvertreter Christi auf Erden ist, wenigstens den Willen haben muß, Christus ähnlich zu sein und sein Leben so zu führen, d a ß ihm nichts vorgeworfen werden und niemand mit Recht von ihm Böses reden kann. Es steht dem Papst übel an, wenn er die Menschen durch Drohungen zwingt und nicht durch sein Wohlverhalten sie dazu bringt, gut von ihm zu reden. Die Päpste müssen so sein, daß man sie, wenn man nicht lügen will, nur loben kann, und es muß 173

ihr höchster R u h m sein, daß sie die Übelgesinnten zum Schweigen zwingen. Gegenüber diesen Ansprüchen, die Petrus an die Person des Papstes stellt, macht der Papst ausschließlich seine amtliche Stellung im Sinne seiner Regierungsgewalt geltend: er ist der Höchste. Petrus wendet dagegen allerdings ein, daß er dann erst recht auch absetzbar sein muß, da er, je höher er steht, um so mehr auch Schaden anrichten kann. Wenn die staatlichen Gesetze einen Kaiser, der eine schlechte Regierung führt, nicht nur absetzen, sondern sogar mit dem Tode bestrafen, in welch unglücklicher Lage befindet sich dann die Kirche, daß sie einen Papst, der alles zugrunde richtet, ertragen muß und unter keinen Umständen sich gegen das allgemeine Verderben wehren kann. Aber der Appell an das Verantwortungsgefühl des Papstes übt keine Wirkung auf ihn aus. Er antwortet nur mit juristischen Deduktionen. Wäre der Papst irgend einer Kritik unterworfen, so könnte dafür nur das Konzil in Frage kommen. Aber das Konzil kann nicht gegen den Willen des Papstes einberufen werden, — andernfalls wäre es nur ein Konziliabulum, aber kein Konzil. Tritt es aber doch zusammen, so kann es nichts gegen den Widerspruch des Papstes beschließen. Außerdem kommt dem Papst der Vorsitz zu und die uneingeschränkte Gewalt, — dadurch ist der eine Papst dem ganzen Konzil unendlich überlegen. Das Ergebnis ist also, daß er selbst wegen irgend eines Verbrechens von seinem »Priestertum« — wie es im Dialog ironisch heißt — nicht abgesetzt werden kann. Und nun folgt eine Aufzählung der Verbrechen, die den Päpsten nachgesagt werden, wobei der Papst jedesmal die Schwere des Verbrechens noch steigert. Mord, Hurerei, Simonie, Giftmord, Gotteslästerung, — alles dies zusammengenommen und noch unzählbare Schandtaten, die schlimmer sind als diese, — alles dies kann nicht dazu führen, daß der 174

Papst abgesetzt werden könnte. Der V o r r a n g des Papstes — so bemerkt Petrus dazu — besteht also darin, daß er allein sich ganz dem Bösen ergeben kann, ohne Strafe befürchten zu müssen, und das Unglück der Kirche besteht darin, daß sie von diesem Scheusal auf keinem Wege frei werden kann, daß sie einen Menschen als Papst anbeten muß, den niemand als Stallknecht ertragen würde. N u r e i n e Möglichkeit der Entfernung gibt der Papst zu. Petrus meint ironisch, das müsse wohl etwas Gutes sein, da der Papst nach dem vorigen wegen irgend eines Bösen nicht beseitigt werden kann.

Diese e i n e Möglichkeit ist das Ver-

brechen der Häresie, vorausgesetzt, daß sie öffentlich erwiesen ist.

Wenn Petrus hier die Häresie als etwas Gutes

bezeichnet, weil sie allein den dem Bösen ergebenen Papst beseitigen kann, so ist das eine Zweideutigkeit voller Ironie: nach der römischen Theorie das schlimmste

Verbrechen

wird sie doch im Papst z u m Segen für die Kirche

.

A b e r der Papst hält auch diese Möglichkeit für belanglos und ungefährlich für die päpstliche Macht.

Zunächst kann

der Papst jene kirchliche Bestimmung über die Wirkung der Häresie aufheben, wenn sie ihm nicht paßt.

Außerdem

würde niemand wagen, den Papst anzuklagen, zumal er mit so großen Machtmitteln ausgerüstet ist.

Würde der Papst

aber doch durch ein Konzil in Verlegenheit kommen, so kann er j a leicht widerrufen, wenn es nicht möglich ist, abzuleugnen.

Es gibt jedenfalls tausend Auswege, auf denen

er sich dem Konzil entziehen kann, — es sei denn, daß er ein Holzklotz ist und nicht ein Mensch. A u f die Frage des Petrus, wer denn alle diese so wunderbaren Bestimmungen festgesetzt habe, erklärt Julius

den

Papst für die Quelle aller Gesetze. Er kann jedes Gesetz aufDie Ironie des Petrus trifft auch Erasmus, der ebenfalls die Häresie für die größte Sünde, schlimmer als jedes andere Verbrechen,

erklärt

( A . R . Pennington, T h e Life and Character of Erasmus, 1875, S. 337).

175

heben, umdeuten, erweitern, einschränken, wie es ihm gutdünkt und wie es seinem Vorteil entspricht. Petrus gibt zu, daß es für den Papst eine herrliche Sache sei, wenn er Gesetze geben kann, die ein Spott auf Christus sind, um vom Konzil gar nicht zu reden; aber er meint, gegen einen solchen verbrecherischen Papst müsse man nicht ein allgemeines Konzil in Anspruch nehmen, — es müßte vielmehr das Volk sich mit Steinen bewaffnen und dies allgemeine Verderben der Welt aus dem Wege räumen. J e mehr sich der Papst seiner Überlegenheit gegenüber dem Konzil rühmt, um so unverständlicher wird es allerdings, daß er sich so sehr vor ihm fürchtet. Aber Julius erinnert daran, d a ß die Fürsten ebenso ihrem Parlament oder ihren Ständen abgeneigt sind. Durch das Beieinander so vieler ausgezeichneter Männer wird das Ansehen des Herrschers leicht verdunkelt. Die Gelehrten unter ihnen sind sich des Vorzugs ihrer Bildung bewußt. Die, welche ein gutes Gewissen haben, reden freimütiger, als den Herrschern paßt. Die durch ihren Rang Ausgezeichneten spielen ihr Ansehen aus. Einige beneiden auch die glanzvolle Stellung des Papstes und suchen seinen Reichtum und sein Ansehen zu vermindern. Außerdem ist niemand da, der sich nicht im Namen des Konzils dem Papst gegenüber etwas herausnehmen zu dürfen glaubte, während er ihm sonst nichts anhaben kann. So hat denn auch kaum je ein Konzil stattgefunden, ohne daß der Papst nicht irgendwie eine Einbuße seiner Majestät erlitten hätte, — wie Petrus selbst es auf dem Apostelkonzil durch das Auftreten des Jakobus ihm gegenüber erfahren hat. Aus allen diesen Ausführungen zieht Petrus den Schluß, daß es für den Papst nur den einen Gedanken gibt: daß seine Herrschermacht nicht angetastet werde, während er nach dem Wohlergehen der Christenheit nicht fragt. Hätte Christus in dieser Weise auch nur an seinen eigenen Vorteil gedacht, so würde es überhaupt keine Kirche geben, als deren Herr176

scher der Papst sich rühmt. Aber wer der Statthalter Christi genannt werden will, darf nicht in seiner Gesinnung in solchem Widerspruch zu Christus stehen. 3. Nach dieser überaus scharfen Kritik der päpstlichen Theorie kehrt das Gespräch wieder zu den geschichtlichen Vorgängen, die sich an das Konzil knüpfen, zurück. Petrus möchte gern wissen, wie der Papst es angefangen hat, das Konzil zu bekämpfen . Zunächst hat der Papst den Kaiser, der das Konzil in feierlicher Weise durch seine Botschafter hatte ansagen lassen, von seinem Vorhaben abgebracht — durch ein Verfahren, über welches selbst der Papst zu sprechen sich scheut. Böcking meint, der Papst habe dem Kaiser versprochen, daß er — Maximilian — des Papstes Nachfolger werden solle 2 ). Irgendwelche Gründe gibt Böcking für diese Vermutung nicht an. Aber die Briefe Maximilians, in denen er von diesem wunderlichen Plan spricht, stammen aus dem September 1511, also aus der Zeit, in der der Kaiser begann, sich von dem Pisaner Konzil abzuwenden. In seinem Briefe an seine Tochter Margarete heißt es ausdrücklich, daß er den Bischof Matthäus Lang nach Rom senden werde, um mit dem Papst ein Abkommen zu treffen, damit er — der Kaiser — zum Koadjutor des Papstes erwählt werde und nach dem Tode des Papstes selbst Papst werde 3). Es scheint, als ob dieser Plan von den Pisaner Bischöfen ausgegangen sei, um den Kaiser beim Konzil festzuhalten. Nach einem Briefe des Kardinals Gonzaga vom 2. Oktober 1511 sind der mit den Schismatikern verbundene Kardinal S. Severino und Labretto nach Rom zitiert worden unter der Anschuldigung, che havevano proposto allo Imperatore de farlo papa, cosa non mai vista et B ö c k i n g I V , S. 4 4 1 , 1 6 — 4 4 2 , 22. 2)

Imperatorein

sibi

successorem

fore

promisisse

videtur

pontifex

(Böcking I V , S. 441, 19 A n m . ) . 3)

12

Pastor III, S. 6 4 2 f r . S t a n g e , Erasmus

177

inaudita . Die letzten Worte dieser Briefstelle erinnern auffallend an die vom Dialog gebrauchte Wendung: per modos non dicendos. Es ist also wahrscheinlich, daß dem Kaiser dieser Köder von beiden Seiten hingehalten worden ist, daß dieser Plan, nachdem er von den Pisanern ausgedacht, von Julius übernommen worden ist. In den Briefen Maximilians ist jedenfalls von Verhandlungen mit dem Papst und den römischen, nicht den schismatischen Kardinälen die Rede. Das sonst unbegreifliche Verhalten des Kaisers rückt in eine neue Beleuchtung, wenn sein Papsttraum auf die geschickte Inanspruchnahme seines Ehrgeizes und seiner Leichtgläubigkeit durch die römische Diplomatie zurückzuführen ist. In den späteren Ausgaben des Dialogs wird diese Leichtgläubigkeit des Kaisers noch besonders hervorgehoben, indem von ihm gesagt wird, daß er unus omnium minime difficilis sei 2 ), — womit zugleich angedeutet wird, daß kein Mensch sonst diesen unglaublichen Schachzug der päpstlichen Diplomatie ernst genommen habe 3 ). Sodann hat der Papst einige Kardinäle — durch Anwendung der gleichen Kunst die er dem Kaiser gegenüber gebraucht hat — dazu überredet, daß sie ihren feierlich be3

) Pastor III, S. 643, Anm. ) Böcking I V , S. 4 4 1 , 18 Anm. 3 ) V o n diesen geschichtlichen Hintergründen aus wird es deutlich, daß die bereits (s. oben S. 24, Anm. 1) erwähnte Verteidigung der Kriege des Julius durch Mangan mit dem Hinweis darauf, daß zu seiner Zeit »Kaiser« offenkundig nach der Tiara strebten, zwar den Wünschen der päpstlichen Apologetik entspricht, aber den tatsächlichen geschichtlichen Zusammenhängen fernsteht. — Bei Jortin findet sich die Bemerkung, Maximilian habe sich den Titel Pontifex Maximus beigelegt, weil Julius II. durch die Annahme des Namens Caesars habe zum Ausdruck bringen wollen, daß er beides — Kaiser und Papst — sei: Iulius II. more than once, took to himself the name of Iulius Caesar, intimating, that he pretended to be both Emperor and Pope. The Emperor Maximilian, to be even with him, took the title of Pontifex Maximus. Ducatiana I. p. 7 (Jortin II, S. 602, Anm. n). Vgl. hierzu oben S. 167, Anm. 2fin. 2

178

schworenen Beitritt zum Pisaner Konzil ebenso feierlich nachträglich abgeleugnet haben. An der in Mailand am 16. Mai 1511 erfolgenden Ankündigung des Konzils nahmen die drei Kardinäle Carvajal, Bri^onnet und Franz Borgia persönlich teil*), während von sechs anderen 2 ) Kardinälen Zustimmungserklärungen (ein mandatum sufficiens) vorlagen 3). Die Namen dieser sechs Kardinäle stehen unter der Einberufung des Konzils seitens der Kardinäle: genannt werden Philipp von Luxemburg, Adrian de Corneto, de Prie, Carlo de Careto, Federigo de Sanseverino und Hippolit von Este 4). Die Darstellung, die Pastor vom Pisaner Konzil gibt, läßt den Eindruck entstehen, als ob eigentlich nur Carvajal Veranstalter des Konzils sei, während die meisten anderen der genannten Kardinäle entweder nur fälschlicherweise seitens des Konzils als Anhänger bezeichnet worden seien oder sich doch bald wieder von dem Vorhaben Carvajals abgewandt hätten 6). Der gereizte Ton, in dem Pastor dem Konzil jede Berechtigung abspricht und ihm alle möglichen Schlechtigkeiten nachsagt, zeigt, daß seine Darstellung nicht bloß ganz einseitig päpstlich ist 6 ), sondern daß er auch die Bloßstellung des Papstes durch das Vorgehen der Kardinäle als äußerst peinlich empfindet. Infolgedessen sind seine Angaben über das Verhalten der Kardinäle zum Teil ungenau und irreführend. So bekommt man z. B. den Eindruck, als ob Francesco Borgia nur zu der Eröffnung des Konzils am i. November x)

Promotiones Pisani Concilii S. 2 1 .

2)

In d e m Instrumentum procurationis et commissionis v o m 2 5 . August

1511

(Promotiones, S. 5 4 f . )

v o m 1. September 1511

und in dem Instrumentum

comparitionis

(Promotiones, S. 6 2 u. 64) heißt es nur: m a n d a t a

sufficientia habentes a nonnullis

aliis

cardinalibus.

3)

ib. S. 35. «) ib. S. 42.

5)

Pastor I I I , S. 6 4 0 , 6 5 0 f r .

6)

M a n g a n lobt Pastors Geschichte der Päpste als unparteiisch

(II,

S. 105). 12

179

1 5 1 1 eine Vollmacht gesandt habe, diese aber durch seinen alsbald erfolgten Tod x) wirkungslos geworden sei, so daß er also so gut wie gar nicht am Konzil beteiligt gewesen sei 2 ). Aber alle Aktenstücke des Konzils vom 16. Mai 1 5 1 1 an sind auch von Borgia unterzeichnet, und an allen Vorbereitungen des Konzils hat er bis zu seiner Erkrankung neben Carvajal und Bricjonnet persönlich teilgenommen, so daß er zweifellos in erster Linie mitverantwortlich für das Konzil ist. Ebenso entsteht aus der Darstellung Pastors der Eindruck, als ob auch Sanseverino eigentlich nicht zu den Anhängern des Konzils gehört habe. Pastor sagt: »Die Hoffnungen, welche man noch immer auf die Ankunft von weiteren Teilnehmern gesetzt, gingen ebensowenig in Erfüllung wie die Erwartung, die Kardinäle Este und Sanseverino würden sich dem Konziliabulum anschließen« 3 ). Dabei muß Pastor selbst berichten, daß die Kardinäle Sanseverino und d'Albret schon im Konsistorium vom 24. Oktober 1 5 1 1 mit Bann und Absetzung bedroht werden, »wenn sie nicht zum Gehorsam gegen die rechtmäßige Autorität des Kirchenoberhauptes z u r ü c k k e h r e n würden« 4), und daß Sanseverino im Konsistorium vom 30. Januar 1512 abgesetzt worden ist, weil er »in seiner Rebellion verharrte und sogar Agenten nach Rom geschickt hatte, um dort einen Aufstand zu entfesseln«5). Tatsächlich steht der Name Sanseverinos nicht bloß unter der Ankündigung des Konzils vom 16. Mai 1 5 1 1 und unter denen, die zur Eröffnung des Konzils Vollmachten gesandt hatten; Sanseverino hat auch seit der Verlegung des Konzils nach Mailand (Dezember 1 5 1 1 ) an den Verhandlungen des Konzils persönlich *) Franz Borgias Tod in Neapel wird bereits in Gesandtschaftsbriefen an Margarete von Österreich vom 10. und 14. Oktober 1 5 1 1 gemeldet (Lettres du roy Louis X I I . ; III, 1 7 1 2 , S. 78 und 83). 2 ) Pastor III, S. 652. 3 ) Pastor III, S. 653. *) Pastor I I I , S. 634. 6 ) Pastor III, S. 656.

180

teilgenommen und ist bis zuletzt einer der entschlossensten Vorkämpfer des Konzils gewesen 2). Auch die Behauptung Pastors, daß es dem Konzil an jedem Zugang weiterer Teilnehmer gefehlt habe, ist nicht richtig. In den Akten des Konzils erscheint vom Anfang November 1 5 1 1 neben den Namen Carvajals, Brigonnets und de Pries auch der Kardinal Amanaeus de Albreto, der nicht zu den Unterzeichnern vom 16. Mai 1 5 1 1 gehörte 3 ), und von der ersten Sitzung in Mailand (der 4. Sitzung des Konzils) vom 4. Januar 1512 wird neben der Ankunft Sanseverinos auch die von 7 Bischöfen und 2 Äbten berichtet 4 ). Daß Philipp von Luxemburg und Adrian von Corneto an den Verhandlungen des Konzils nicht teilgenommen haben und Hippolit von Este eine zweifelhafte Stellung einnahm, ist richtig. Aber wenn Julius schon im Mai 1 5 1 1 erklärte, daß zwei Kardinäle — Philipp und Adrian — »ihm ausdrücklich mitgeteilt hätten, von ihrer Zustimmung könne keine Rede sein, man habe ihren Namen mißbraucht« 5 ), so führt wiederum Pastor selbst ein zeitgenössisches Zeugnis an, welches auf eine andere Beurteilung des Verhaltens dieser beiden Kardinäle hindeutet: in der von den Florentinern am 1 o. Dezember 1 5 1 1 für Machiavelli ausgestellten Instruktion heißt es: »Man wundert sich allgemein darüber, ein Konzil von nur drei Kardinälen angekündigt zu sehen, während die Promotiones S . 106: additis quoque, qui supervenerant, reverendissimo in Christo patre domino, domino Foederico S. Angeli, S. R . E . diacono cardinale Sanseverino usw. 2 ) A u s einem von Pastor aus dem Staatsarchiv zu Mailand geteilten

Schreiben

ohne

Adresse,

Unterschrift und

Datum

mit-

scheint

hervorzugehen, daß Sanseverino auch schon im November in Pisa anwesend war: S. Severino e S . Croce [ =

Carvajal] in Pisa ogni giorno

visitati per ambasciatori da Signori Fiorentini e dal magnifico Iuliano e da loro presentati (Pastor I I I , S. 6 5 4 A n m . 2). 3

) Promotiones, S . 79.

4

) ib. S. 106f. ) Pastor I I I , S. 6 3 1 .

5

181

paar anderen, deren Zustimmung zu haben sie vorgeben, sich verstellen und ihr Erscheinen verzögern.« x) Wenn es heißt, daß sich die »andern« »verstellen und ihr Erscheinen verzögern«, so setzt das voraus, daß sie ursprünglich haben kommen wollen. Die Erklärung, die Julius von ihnen erhalten hat, könnte also eine Folge ihrer Sinnesänderung sein, die der Papst in ihnen zuwege gebracht hat, wie es der Julius-Dialog andeutet 2 ). Der Julius-Dialog würde dann ein zuverlässigeres Bild von diesen Dingen geben als Pastor. Und in der Tat kann man kaum annehmen, daß die Einberufer des Pisaner Konzils die Namen jener beiden Männer ohne jede Grundlage in Anspruch genommen haben. Abgesehen davon, daß sie dann auf den sofortigen Widerspruch jener Kardinäle und auf öffentliche Bloßstellung durch sie rechnen mußten, geht aus den Akten des Pisaner Konzils deutlich hervor, daß die schismatischen Kardinäle aufs peinlichste darauf bedacht gewesen sind, alle ihre Maßnahmen juristisch zu sichern, wie sich das auch aus ihrer schwierigen Lage als selbstverständlich ergibt. Unter diesen Umständen ist es ganz ausgeschlossen, daß die von den Protonotarien und Notarien bezeugten mandata procuratoria der mit Namen genannten Kardinäle 3) nicht vorhanden gewesen sein sollten. Auch die Bemerkung Pastors über Hippolit von Este gibt einen unrichtigen Eindruck. Pastor sagt: »Kardinal Ippolito von Este nahm eine schwankende Stellung ein, welche später zu seiner Versöhnung mit dem Papste führte.« 4) Ergänzend wird dazu in einer Anmerkung bemerkt: »Im Oktober 1 5 1 1 ging Ippolito mit päpstlicher Erlaubnis nach Ferrara zu seinem Bruder.« Aus diesen Angaben soll man den Eindruck Pastor I I I , S. 6 5 1 . 2

) Praeterea cardinales aliquot arte simili persuasi ut quod publicatis

iam instrumentis statuerant, rursum accitis notariis et testibus negarent (Böcking I V , S . 4 4 1 , 2of.). 3

) Promotiones, S. 79.

4

) Pastor I I I , S. 6 3 2 .

182

bekommen, als ob Hippolit im Gegensatz zu den Pisanern auf die Seite des Papstes getreten sei. Aber man braucht sich nur daran zu erinnern, daß im Anfang des Jahres 1 5 1 1 der Feldzug des Papstes gegen Ferrara als erfolglos hatte abgebrochen werden müssen und daß der Papst im Oktober 1 5 1 1 durch die Verhandlungen zur Gründung der Heiligen Liga den Ring um Frankreich zu schmieden sich bemühte, — um einzusehen, daß diese Sendung des Kardinals Hippolit lediglich in der Diplomatie des Papstes ihren Grund hatte, aber über die Stellungnahme des Kardinals zum Pisaner Konzil und zum Papst nichts besagt. Daß von einer Versöhnung des Kardinals mit Julius tatsächlich nicht die Rede sein konnte, geht aufs deutlichste daraus hervor, daß Hippolit alsbald von Ferrara aus sich nach Deutschland zum Kaiser begab und bis zum Tod Julius' II. von Italien fernblieb. Anfang Februar 1 5 1 3 schreibt Scheurl, wie wir bereits (S. 101, Anm. 1) erwähnt haben, daß Julius Ferrara mit dem Interdikt belegt und den Fürsten Alfons von Ferrara gegen das ihm zugesicherte freie Geleit gefangen zu setzen versucht, habe, um ihn hinzurichten (Juli 1512). Daraufhabe Hippolit, ne contra pastorem cum dispendio sacerdotii fratri faveret, beschlossen, sich nach Deutschland zu begeben, wo er von Maximilian freundlich aufgenommen worden ist. Gelegentlich dieser Reise besucht er auch Nürnberg. Scheurl ist entzückt, daß ihm dieser Besuch den Anlaß gibt, seiner außergewöhnlich stark ausgebildeten und auch über das übliche Maß der Humanisten noch weit hinausgehenden Eitelkeit die Zügel schießen zu lassen, und erklärt in seiner begeisterten Lobrede auf den Kardinal: er habe angefangen, den Kardinal so sehr zu lieben und zu verehren, daß er hinfort nicht mehr der päpstlichen Partei angehören wolle, sondern sich nur noch um das Schicksal Ferraras sorge . Die Flucht des Kardinals aus Italien ist ein Beweis, daß seine politische Mission im Scheurl, I, S. 1 1 2 .

183

Auftrag des Papstes ergebnislos geblieben ist und daß er nach seiner Gesinnung auf der Seite seines Bruders steht. Um nicht seine Pfründen zu verlieren, entzieht er sich den schwierigen Verhältnissen in Italien; aber zweifellos ist er bis zum Tode des Papstes ihm feindlich gesinnt. Daß er unter diesen Umständen dem Pisaner Konzil gegenüber Zurückhaltung übt, ist wohl verständlich; aber ein Beweis für seine Mißbilligung des Pisaner Konzils ist dies nicht. Die Pisaner Kardinäle waren über die Anschuldigung des Papstes, sie hätten unberechtigterweise die Namen jener anderen Kardinäle unter die Ankündigung des Konzils gesetzt, selbstverständlich aufs äußerste entrüstet, da sie durch diese Anschuldigung moralisch verdächtigt wurden. Daraus erklärt sich der scharfe Ton, in dem der Dialog das Verhalten des Papstes verurteilt. Im Dialog bezeichnet der Papst selbst sein Verhalten als etwas zu unverschämt x ). Er hätte sich darauf beschränken können, die Kardinäle zum Widerruf zu zwingen; aber daß er sie nötigt, durch einen notariellen Eid ihren notariell beglaubigten Beitritt zum Konzil als von den anderen schismatischen Kardinälen erlogen hinzustellen, ist allerdings eine außergewöhnliche Gewissenlosigkeit. Dazu kam dann ein weiterer Schachzug des Papstes: er beruft seinerseits ein allgemeines Konzil statt des Pisanischen. Als Begründung gibt er an, die Pisaner Kardinäle hätten Zeit und Ort ungünstig gewählt, — das Konzil solle zu Rom stattfinden. Der Papst meint daraufrechnen zu können, daß nach Rom niemand kommen werde, der dem Papst nicht freundlich gesinnt oder wenigstens bereit sei, ihm zu Willen zu sein. Zur Verstärkung seiner Position auf dem Konzil hat er außerdem mehrere Kardinäle ernannt, die seinen Wünschen entsprechen. Petrus findet dies Letztere ganz besonders schlimm, da der Papst während des Konklaves ') Böcking I V , S. 4 4 1 , 26f.: Sed tarnen ut ingenue dicam, erat id paulo quidem impudentius, verum non patebat via commodior.

184

ebenfalls beschworen hat, daß er ohne Zustimmung des Kardinalkollegiums keine neuen Kardinäle ernennen werde 1 ). Da unter den Bischöfen und Äbten, die zu diesem Konzil zu erwarten waren, immerhin auch einige rechtlich und fromm gesinnte sein könnten, hat der Papst empfohlen, daß die einzelnen Kirchenprovinzen aus Sparsamkeitsrücksichten immer nur einen oder höchstens zwei Vertreter schicken sollten. Und da auch so die Zahl der Konzilsteilnehmer noch recht erheblich sein würde, hat der Papst den schon zur Reise gerüsteten Konziliaren mitgeteilt, sie möchten nicht kommen, da das Konzil vertagt werden müsse, — wobei sehr raffinierte Gründe angegeben wurden. Nachdem so die große Masse der Bischöfe ferngehalten war, hat der Papst aufs neue den Termin des Konzils geändert und allein mit denen, die er sich ausgesucht, das Konzil begonnen. Auch unter diesen konnten allerdings immer noch einzelne sein, die mit dem Papst nicht einverstanden sein würden; aber von ihnen würde im Hinblick auf die Waffengewalt des Papstes niemand wagen, ihm entgegenzutreten. Im übrigen hat der Papst das Gallikanische Konzil maßlos zu diskreditieren gesucht, indem er nach allen Seiten hin Briefe schrieb, in denen er sein eigenes Konzil als hochheilig pries, das Pisaner dagegen verfluchte und als ein Konzil des Satans und als schismatische Verschwörung bezeichnete. Soweit es sich bei diesen Angaben des Dialogs um Tatsachen handelt, kann man die geschichtliche Zuverlässigkeit der Berichterstattung nicht bestreiten. Das römische Konzil ist in der Tat fast nur von italienischen Prälaten besucht worden. Ebenso ist es zutreffend, daß der Papst den ursprünglich angekündigten Eröffnungstermin verschoben hat: die Eröffnung fand nicht am 19. April 2 ), sondern am 3. Mai 1 5 1 2 statt 3 ). S. oben S. 169, Anm. 4. ) Pastor III, S. 633. 3 ) Pastor III, S. 664. 2

185

Für letzteres mögen allerdings die politischen Ereignisse bestimmend gewesen sein, da die zur Schlacht von Ravenna am 1 1 . April 1 5 1 2 führenden Ereignisse die Lage des Papstes außerordentlich kritisch gestalteten. Aber auch am 3. Mai waren die politischen Schwierigkeiten noch keineswegs behoben 1 ), und wenn das zunächst vertagte Konzil schon nach dem ganz kurzen Zwischenraum von 14 Tagen dann doch eröffnet wurde, so kann allerdings der Eindruck entstehen, als ob der Papst die Beteiligung am Konzil möglichst auf diejenigen Prälaten beschränken wollte, die zu seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich gehörten und infolgedessen aus Furcht vor den päpstlichen Soldaten zu jeder Unterordnung bereit waren. Daß man von Seiten des Papstes die brutale Anwendung seiner militärischen Machtmittel gegen die ihm feindlich gesinnten Kardinäle befürchtete, wird auch in den Akten des Pisaner Konzils ausgesprochen: in der Antwort der Pisaner Kardinäle an den päpstlichen Nuntius Alexander vom 1 1 . September 1 5 1 1 begründen sie ihr Fernbleiben von Rom mit dem Hinweis auf die Festungen des Papstes und die gentes et Capitaneos assuetos libertatem Cardinalium et aliorum praelatorum facile violare 2 ). Auch die Darstellung Pastors läßt gerade in der Bewunderung, mit der er die Ankündigung des päpstlichen Konzils als einen »genialen Schachzug« des Papstes rühmt 3 ), deutlich erkennen, daß die Überlegenheit des Papstes in der raffinierten Anwendung seiner diplomatischen Künste ihren Grund hatte. Der Julius-Dialog ist in seiner Beurteilung des Konzils zweifellos eine Parteischrift; aber die Darstellung Pastors ist dies nicht minder. Der Julius-Dialog vertritt mit dem Pisaner Konzil den gallikanischen Standpunkt, während Pastor das Verhalten des Papstes restlos zu rechtfertigen sucht. Aber auch ») Pastor III, S. 664. ) Promotiones, S. 71 f. 3 ) Pastor III, S. 634. s

186

die Darstellung Pastors zeigt, daß es sich auf Seiten des Papstes letzten Endes um einen politischen Machtkampf handelte. Die Pisaner Kardinäle stehen allerdings auch ihrerseits im Dienste der Politik; aber daß der französische König sie in den Dienst seiner Politik stellen konnte, hatte seinen Grund zunächst in der Wortbrüchigkeit des Papstes gegenüber seinem im Konklave geleisteten Eid und sodann in der Untergrabung der kirchlichen Autorität, die durch die Einberufung des päpstlichen Gegenkonzils herbeigeführt wurde. In welchem Maße dies Letztere dem Ansehen der kirchlichen Hierarchie schaden mußte, sieht Pastor nicht: für ihn bedeutet die Spaltung des Kardinalskollegiums nur eine persönliche Gefährdung des Papstes. Die Pisaner Kardinäle haben dagegen auf dies gemeinsame Interesse aller Kardinäle nachdrücklich hingewiesen: sie erklären sich immer wieder bereit, dem Papst bis zum äußersten entgegenzukommen, damit der Welt das Schauspiel zweier sich bekämpfender Konzilien erspart bleibe. Die kirchliche Hierarchie gräbt sich durch den Streit der Kardinäle selbst das Grab. Was für verhängnisvolle Folgen muß es haben, wenn die Vertreter der Kirche den Geist und jegliche geistliche Haltung vermissen lassen und wenn nur den weltlichen Fürsten die Wahrnehmung der kirchlichen Interessen überlassen wird Der Julius-Dialog fällt über die ausschließlich mit weltlichen Machtmitteln arbeitende Politik des Papstes ein scharfes Urteil. Er läßt den Papst sich über den mutmaßlichen Ausgang des Streites aussprechen. Wer wird Sieger bleiben? Das hängt vom Glück ab und — vom Gelde. Wir haben mehr Geld. Der Franzose ist durch die langen Kriege finanziell erschöpft, während das dem Papste verbündete England Berge von Gold hat, die noch unberührt sind. Aber man kann freilich nicht wissen, wie es weiter geht. Das ist Promotiones, S. 70.

187

allerdings sicher: siegt der Franzose, so wird das päpstliche Konzil ein Konziliabulum des Satans heißen und der Papst ein Papstgötze. Man wird dann vom Pisaner Konzil sagen, daß es unter der Leitung des Heiligen Geistes stehe, während es vom Papst und seinem Konzil heißen wird, daß sie alles im Geiste des Satans getan haben. Der Papst freilich setzt sein ganzes Vertrauen auf die von ihm aufgehäuften Geldmittel 1 ). Pineau sieht in diesem Urteil des Dialogs über die päpstliche Diplomatie den Spott des Erasmus über die kirchliche Autorität überhaupt. Erasmus — vorausgesetzt daß er der Verfasser des Dialogs ist — wolle sagen, daß der Heilige Geist unkontrollierbar ist. Niemand könne sagen, ob er auf der Seite des Papstes oder auf der Seite seiner Gegner sei. Die Berufung der Konzilien auf den heiligen Geist erscheine ihm als eine Komödie 2 ). Es wäre nur zu wünschen gewesen, daß Pineau aus den anerkannten Schriften des Erasmus irgendwelche Zeugnisse beigebracht hätte, die auf eine derartig grundstürzende Kritik des Erasmus an den Konzilien hindeuten. Davon kann schlechterdings nicht die Rede sein. Aber auch abgesehen hiervon wird durch die Deutung Pineaus ein im Zusammenhang des Dialogs ganz unmöglicher Gedanke eingetragen. Es würde j a selbstverständlich gar keinen Sinn haben, das Recht des Pisaner Konzils gegenüber dem päpstlichen zu verfechten, wenn alle Berufung auf den heiligen Geist nur eine lächerliche Komödie wäre. Der Verfasser des Dialogs will aber offenbar das Pisaner Konzil als ein wirklich vom heiligen Geist geleitetes Konzil erweisen. Wenn er dem Papst die zynischen Worte in den Mund legt, daß der heilige Geist bei demjenigen Konzil sei, welches am

2

Böcking IV, S. 445, 24—32. ) Pineau, S. 46f.

188

meisten Glück und am meisten Geld habe, so ist das nicht die eigene Meinung des Verfassers des Dialogs, sondern in diesen Worten des Papstes kommt zum Ausdruck, daß dem P a p s t der heilige Geist nur eine Phrase, sein eigentlicher Gott aber der Zufall und das Geld ist. 4. In diesem Sinne spricht sich der Dialog auch ausführlich in dem letzten Abschnitt der Erörterung über die beiden Konzilien aus, in dem es sich um die Beschlüsse der beiden Konzilien und die in diesen Beschlüssen zutagetretende Gesinnung h a n d e l t . Über die moralische Haltung der Pisaner Kardinäle weiß Julius nichts Nachteiliges zu sagen. Als den eigentlichen Anstifter des gallikanischen Konzils nennt er den Kardinal d'Amboise, den genialen Staatsmann Ludwigs X I I . Von ihm sagt Julius, er habe in einer Art von Heiligkeit immer danach getrachtet, die Kirche zu verbessern, was ihm auch an einigen Orten gelungen sei. In der Tat ist der Kardinal d'Amboise derjenige gewesen, der die Machtstellung Frankreichs in der Lombardei und zum Teil auch in Neapel außerordentlich gestärkt hat. Schon bei der Papstwahl des Jahres 1503 trat er als der aussichtsvollste Bewerber um den päpstlichen Stuhl neben Julius II. auf. In dem Gegensatz dieser beiden Männer verkörpert sich der politische Kampf zwischen Italien und Frankreich 2 ). Julius zu stürzen oder — wenn dies nicht möglich war—Frankreich von der Bedrückung des Papstes loszulösen und die französische Kirche zu einer selbständigen Nationalkirche zu machen, war das Ziel seines Strebens, und auf ihn ist es zurückzuführen, daß Ludwig X I I . den Gedanken aufnahm, zusammen mit dem Kaiser ein allgemeines Konzil zu berufen, welches Julius absetzen sollte. Es entspricht deshalb durchaus der geschichtlichen Lage, wenn der Papst im Dialog sagt: der Tod habe diesen Mann 1) 2)

Böcking IV, S. 442, 23—445, 24Pastor III, S. 560, 582 fr.

189

aus dem Wege geräumt und damit ihm — Julius — den allergrößten Gefallen getan. Ganz übereinstimmend hiermit berichtet Bembo, wie Böcking mitteilt 1 ), Julius habe Gott für den Tod des Kardinals gedankt: nun sei er erst wirklich allein Papst. Als den Nachfolger d'Amboises und den eigentlichen Leiter des Pisaner Konzils nennt der Papst dann den Kardinal Carvajal. Er ist ein Spanier, von untadeligem Lebenswandel, aber ein strenger Greis und außerdem Theologe. Diese Art von Menschen pflegt den römischen Päpsten abhold zu sein 2). Er behauptet, daß die Zeiten noch niemals schlimmer gewesen seien als damals, daß das Verderben der Kirche noch niemals so unerträglich gewesen sei, — deshalb müsse man zu einem allgemeinen Konzil seine Zuflucht nehmen. Dem Papst hält er vor, daß er sich beim Antritt seines Amtes durch Eid gebunden habe, innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Konzil einzuberufen, und zwar in dem Sinne, daß er von diesem Eid auch durch das gesamte Kardinalskollegium nicht gelöst werden könne, daß die Kardinäle ihn oft daran erinnert und die Fürsten die Einlösung seines Versprechens gefordert hätten, daß der Papst aber auf alles andere mehr gehört habe, so daß es offenkundig sei, daß zu Lebzeiten Julius' II. niemals ein Konzil stattfinden werde s ). Man habe sich dann auf das Vorgehen der früheren Konzilien berufen, habe auch einige päpstliche Erlasse angeführt, aus 1)

Böcking I V , S. 442, 28, A n m .

2)

Diese Ä u ß e r u n g ist im M u n d e des Erasmus unmöglich, da er unter

den »Theologen« die M ö n c h e und Scholastiker versteht, deren Ergebenheit

gegenüber

dem

Papst

niemand

anzweifeln

kann,

während

Dialog a n den frommen Ernst Carvajals und der Seinen —

der

praesertim

cum omnia sua sacris literis condirent (Böcking I V , S. 443, 24) — denkt. 3)

Iulio vivo nunquam futurum concilium (Böcking I V , S. 443, 11 f.).

M a n vergleiche damit das Ausschreiben Ludwigs X I I .

zur

Abhaltung

des Konzils: nunquam sua autoritate aut voluntate futurum concilium credatur celebrandum

190

(Promotiones, S. 25).

denen der Widerstand des Papstes gegen die Abhaltung eines Konzils hervorgeht, und habe erklärt, daß das Recht der Konzilsankündigung auf sie, die Kardinäle übergegangen sei und daß es nach dem stillschweigenden Zugeständnis der Fürsten die Sache des Kaisers und des französischen Königs sei, die Einberufung des Konzils in die Wege zu leiten. Auf die Zwischenbemerkung des Petrus: die schismatischen Kardinäle seien wohl in unerhörter Weise gegen ihn — den Papst — vorgegangen, antwortet der Papst lebhaft, sie seien leider klüger gewesen, als er gewünscht hätte: sie hätten die höchst unerfreuliche Angelegenheit mit bewundernswerter Mäßigung behandelt. Sie hätten sich nicht bloß aller Schmähreden enthalten, sondern den Papst auch niemals ohne seine Ehrentitel genannt, ihn flehentlich gebeten bei allem was heilig und fromm ist, daß er — wie es sich für ihn gebühre und wie er es durch seinen Eid gelobt — den Vorsitz des angekündigten Konzils übernehmen und mit ihnen zusammen zur Beseitigung der kirchlichen Mißstände sich bereit finden möge. Durch dies maßvolle Verhalten der Kardinäle sei die öffentliche Meinung sehr gegen ihn — den Papst — eingenommen worden, zumal sie auch alles, was sie vornahmen, in das Licht der heiligen Schrift stellten. Offenbar hätten sie hierfür einige gelehrte Theologen herangezogen. Dazu hätten sie Fasten und Beten geübt und sich einer wunderbaren Einfachheit der Lebensführung befleißigt, um den Papst durch den Eindruck ihrer Heiligkeit noch mehr ins Unrecht zu setzen. In scharfem Kontrast zu alledem steht das Vorgehen des Papstes und seines Konzils. Der Papst hat allerdings ein glänzendes Programm aufgestellt: die Kirche soll reformiert werden, und zwar zuerst das Haupt der Kirche, der Papst selbst, dann die christlichen Fürsten und schließlich das gesamte Volk. Aber das ist nicht im Sinne der Pisaner gemeint. Die Pisaner Kardinäle haben eine Reform der Kirche im 191

Auge, die der Papst als geradezu gottlos, frevelhaft, mehr als häretisch empfindet und bei der die Kirche ihre Würde und Ehre verlieren würde. Sie wollen, daß die Kirche ihre großen Reichtümer und ihren Länderbesitz aufgeben und zur alten Kargheit und Einfachheit zurückkehren soll. Die Kardinäle, die jetzt durch ihr anspruchsvolles Leben die schlimmsten Tyrannen übertreffen, sollen sich wieder an die Armut gewöhnen. Die Bischöfe sollen sich viel mehr einschränken und weniger Bediente und weniger Pferde halten. Die Kardinäle sollen nicht die Einkünfte von mehreren Bistümern verzehren. Während sie jetzt darauf aus sind, eine Unzahl von Benefizien — mit Recht oder mit Unrecht — sich anzueignen, sollen sie mit den Einkünften zufrieden sein, die für einen einfach lebenden Priester ausreichen. Zum Papst oder Bischof oder Priester soll niemand auf Grund von Geschenken oder aus Gunst oder schimpflicher Liebedienerei gewählt werden, sondern nur um seiner Verdienste willen, — andernfalls soll er sofort entfernt werden. Einen offenkundig verbrecherischen Papst dürfe man absetzen. Unzüchtige und trunksüchtige Bischöfe sollen ihres Amtes beraubt werden. Offenkundig verbrecherische Priester sollen nicht bloß ihr Priesteramt verlieren, sondern auch an ihrem Leibe gestraft werden. Durch diese und andere Bestimmungen ähnlicher Art wolle man die Kirche mit Heiligkeit belasten und ihr ihren Reichtum und ihre Herrschaftsmacht nehmen. Im Gegensatz dazu hat das päpstliche Konzil in Rom ganz andere Wege eingeschlagen. Der Papst dachte j a nicht daran, eine Reform der Kirche in Angriff zu nehmen; er wollte vielmehr unter dem Scheine eines Konzils nur den auf ihn gerichteten Angriff abwehren. Die erste Sitzung des römischen Konzils (10. Mai 1512) hatte infolgedessen rein dekorative Bedeutung. Sie wurde ausgefüllt mit den seit alters üblichen Zeremonien, die eben durch ihr Alter Eindruck machen, aber sonst nichts zu bedeuten haben. Dann 192

wurden zwei Messen gehalten, eine des Heiligen Kreuzes und die andere eine Messe des Heiligen Geistes, als ob die Verhandlungen unter der Einwirkung des Heiligen Geistes stehen sollten. Und schließlich wurde eine Lobrede auf den Papst gehalten.

In der zweiten Sitzung (17. Mai

1512)

wurden die schismatischen Kardinäle mit den schrecklichsten Bannflüchen belegt, indem alles, was sie bereits beschlossen hatten und was sie weiterhin beschließen würden, mehr als gottlos, mehr als frevelhaft, mehr als häretisch wurde.

genannt

In der dritten Sitzung (3. November 1 5 1 2 ) wurde

derselbe Bannfluch auf Frankreich gelegt und die Stadt Lyondurch straft.

Verlegung des Marktes nach G e n f 2 )

ge-

Dabei hat der Papst einige Teile Frankreichs von

dem Interdikt 3 )

ausdrücklich ausgenommen, um dadurch

die Bevölkerung von dem König abzuziehen und im Lande Spaltungen hervorzurufen.

Diese Maßnahmen sind dann,

um sie eindrucksvoller zu machen, in Bullen gefaßt worden, die an alle Fürsten gesandt worden sind, besonders an diejenigen, bei denen der Papst auf günstige Parteinahme Tertio consessu eodem fulmine terrui Galliam nundinis a Lugduno translatis (Böcking I V , S. 444, 24f.). A m 4. Juni 1 5 1 2 wurde das Pisaner Konzil von Mailand nach Asti und dann nach Lyon verlegt (Pastor I I I , S. 669). 2 ) A m 5. November 1 5 1 2 schreibt Scheurl: ipse etiam pontifex universae Galliae ob conciliabulum eo translatum sacris interdixit, quia civitatem Gebbenensem (vulgo Genf dicunt) nundinis Lugdunensibus donat. Merkwürdig ist die Anknüpfung des Nebensatzes mit quia; aber Scheurl ist auch sonst flüchtig und ungenau in der Verbindung der Sätze, vgl. z. B. das Sed des folgenden Satzes. Joh. Wolf, Lectionum memorabilium II, Index: s. v. Julius, berichtet ebenfalls die Verlegung nach Genf: Galliae regem Ludovicum anathematizat cum adhaerentibus, Nundinas Lugduno Genevam transferens. V g l . unten S. 199. 3 ) Der Papst hat schon im August 1 5 1 2 das Interdikt über Frankreich verhängt (Pastor I I I , S. 675), so daß es sich am 3. November 1 5 1 2 nur um eine Bestätigung der päpstlichen Bulle durch das Konzil handelte. Infolgedessen konnte Scheurl schon am 5. November 1 5 1 2 von dem Interdikt wissen. 13

Stange,

Erasmus

193

rechnen konnte. Die durch den Papst bereits am 24. Oktober 1511

vollzogene Absetzung

der leitenden

schismatischen

Kardinäle, von denen Borgia inzwischen verstorben war, wurde feierlich gutgeheißen, ihre Einkünfte anderen zugewandt und sie selbst dem Satan übergeben.

Lieber noch

hätte der Papst sie verbrennen lassen, wenn sie in seine Hände gefallen wären. Zu diesem Bericht des Papstes fügt Petrus das abschließende Urteil hinzu, daß die Beschlüsse des schismatischen Konzils um nicht wenig heiliger zu sein schienen als die des päpstlichen, von dem bisher nur tyrannische Drohungen, Verfluchungen und mit Verschlagenheit gemischte Grausamkeit ausgegangen sei. Wenn der Papst den Satan für den Urheber des schismatischen Konzils halte, so scheine dieser doch Christus näher zu stehen als der Geist, der das päpstliche Konzil geleitet hat. 5. Daß diese Schilderung der beiden Konzilien, soweit es sich dabei um Tatsachen handelt, auf genauer und zuverlässiger Kenntnis der Verhältnisse und Ereignisse ruht, ist zweifellos.

Man kann alles, was über das Pisaner Konzil

gesagt wird, aus den Akten desselben belegen.

Ebenso sind

auch die Angaben über die drei ersten Sitzungen des Römischen Konzils zutreffend. Merkwürdig ist allerdings, daß der Dialog die vierte und fünfte Sitzung des Römischen Konzils vom 10. Dezember 1 5 1 2 und 16. Februar 1 5 1 3 nicht erwähnt.

Aber die Nicht-

erwähnung dieser beiden letzten Sitzungen wird sofort verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Gegenstand, dem diese beiden Sitzungen gewidmet waren, die Aufhebung der Pragmatischen Sanktion war. Die Erörterung dieser Frage lag nicht im Interesse des französischen Königs, da die Pragmatische Sanktion in Frankreich selbst zu Gegensätzen geführt hatte und ihre Aufhebung dem König im eigenen Lande Schwierigkeiten bereiten konnte.

194

Deshalb

werden diese beiden Sitzungen mit Stillschweigen übergangen, wie die Pragmatische Sanktion denn auch im ganzen Dialog nirgends erwähnt wird. Dies Thema ist für den französischen König ebenso heikel wie die Anteilnahme der Schweizer an den Zeitereignissen, von der der Dialog, wie bereits erwähnt, ebenfalls nichts verlauten läßt. D a ß der Verfasser des Dialogs trotzdem auf dem Boden der Pragmatischen Sanktion steht, ergibt sich nicht bloß aus seinem offenkundig französischen Standpunkt und aus seiner ebenso offenkundigen Parteinahme für das Pisaner Konzil, sondern auch aus einzelnen gelegentlichen Bemerkungen. Der Gallikanismus hat wie die Reformbestrebungen des 15. Jahrhunderts überhaupt, deren kraftvollste Ausprägung er ist, ein doppeltes Ziel. Er will im Hinblick auf die moralischen Zustände, die im Klerus herrschen und zu einem allgemeinen öffentlichen Ärgernis geworden sind, eine Reform der Kirche. In diesem Sinne wendet er sich gegen die Habsucht der Priester, wie sie in dem Reichtum der Mönchsorden, in der Pfründenjagd der kirchlichen Würdenträger und in der unüberbietbaren Skrupellosigkeit der päpstlichen Finanzpolitik handgreiflich in die Erscheinung tritt. Der darin zum Ausdruck kommenden Verweltlichung der Hierarchie entspricht die Zuchtlosigkeit der Priester. Diese zeigt sich besonders in den Folgen, zu denen die Ehelosigkeit der Priester führt. Neben der Ehrsucht der Priester, die die Quelle ihrer Habsucht ist, und der Ausschaltung der Generalkonzilien ist das Verbot der Priesterehe die Ursache des Verderbens der Kirche Schon Pius II. hat sich dahin ausgesprochen, daß zwar die Einführung des Zölibats notwendig war, aber die WiederAmbitionem avaritiae matrem, omissionem conciliorum generalium et prohibitionem

coniugii sacerdotum causas corruptae ecclesiae

esse

(Lernaire, S. 658).

13'

195

abschaffung desselben noch notwendiger sei x ). Die Scheidung der Ehe vom Priesteramt sollte dazu dienen, die Priester rein und keusch zu halten; aber sie hat statt dessen zum Konkubinat geführt 2 ). Die legitime Zeugung ist in Ehebruch und das ehrbare Zusammenleben mit einer Ehegattin in vielfältigen Mißbrauch der entfesselten Begierde verwandelt 3 ). Neben der Kritik an der moralischen Entartung der Hierarchie bringt der Gallikanismus weiterhin den politischen Gedanken zur Geltung, daß das Eigenleben der Nation durch die Machtansprüche des Papstes nicht beeinträchtigt werden soll. Indem das Papsttum in ein weltliches Fürstentum verwandelt wird, wird die Uberordnung der religiösen Angelegenheiten über die irdisch-weltlichen in die Denkweise der staatlichen Ordnung übertragen. Daraus ergeben sich unvermeidlich unaufhörliche Kollisionen zwischen Staat und Kirche. A m stärksten wirken sie sich aus auf dem Gebiet der Besteuerung, der Gerichtsbarkeit, bei der Ernennung der kirchlichen Beamten und in der Frage, wo in Konfliktsfällen die letzte Entscheidung zu suchen ist. Für das letztere scheint das Generalkonzil die Lösung zu sein. Aber schon in dem Streit darüber, wer das Generalkonzil berufen soll — der Papst allein oder der Kaiser in Verbindung mit dem Papst — , zeigt sich, daß diese Lösung die politische Konkurrenz beider Mächte nicht aus der Welt schafft. Die *) sacerdotibus magna ratione sublatas nuptias, maiori restituendas videri (Lemaire, S. 580, nach 2)

Piatina).

fuit olim factum novum statutum in ecclesia Latina, quod discidit

ordinerà sancti matrimonii a dignitate sacerdotali sub praetextu puritatis et castitatis sine sorditie: nunc viget statutum ad concubinatum

con-

trarium (Lemaire, S. 656). 3)

Q u i d autem constitutio: »Ne sacerdotes sint uxorati«, affert aliud,

q u a m subvertere et evitare legitimam generationem, ut ea convertatur in adulterium, et honesta cohabitatio cum una dumtaxat sponsa abeat i n multiplicationem effrenis libidinis?

196

(Lemaire, S. 656f.).

Idee des Generalkonzils im Sinne des Gallikanismus ist der Versuch des Staates, die Oberhand über den Papst zu gewinnen, obgleich doch der politische Charakter des Papsttums grundsätzlich bestehen bleibt. Die geschichtliche Bedeutung des schismatischen Pisaner Konzils besteht darin, daß auf ihm der Gegensatz zwischen der staatlichen und der kirchlichen Autorität zu schärfster Zuspitzung kommt, aber daß dies unter Aufrechterhaltung des hierarchischen Prinzips geschieht. Dieser innere Widerspruch kann gar nicht deutlicher zum Ausdruck kommen als darin, daß die Kardinäle im Dienst des französischen Königs den Papst absetzen wollen, aber ehrfurchtsvoll und demütig den Papst bitten, dabei den Vorsitz des Konzils zu übernehmen. Die römische Hierarchie ist eine politische Größe, aber geboren aus einer religiösen Verirrung; sie kann deshalb nicht von ihrer äußeren Erscheinungsform her durch politische Maßnahmen reformiert werden, sondern nur durch die Selbstbesinnung auf den Glaubensgrund ihres Daseins und ihrer Aufgabe. Es ist deshalb auch nicht überraschend, daß das Pisaner Konzil kläglich gescheitert ist und daß der Gallikanismus den Untergang der französischen Kirche im Klerikalismus nicht hat verhindern können. Alle diese Motive des Gallikanismus kehren im Julius-Dialog wieder. Das Recht, ein Konzil zu berufen, wird für den Kaiser und für den französischen König in Anspruch genommen 1 ). Das Konzil soll dem Verderben der Kirche steuern 2 ), und 1)

indicunt universis, autore Maximiliano tanquam imperatore (quod

historiae

testantur

olim

ab

imperatoribus

Romanis

concilium

solere), autore item Gallorum rege Lodovico eius nominis

indici

duodecimo

(Böcking I V , S. 438, i 8 f f . ) ; indicendi munus ad imperatorem R o m a n u m , qui olim solus indicebat, et ad Gallorum regem, qui praecipuus esset, pertinere (ib. 443, 2)

nulla

14fr.).

fuisse tempora

inquinatiora

quam

tum

essent,

nunquam

ecclesiae morbos magis intolerandos, itaque generali conciliosuccurrendum (Böcking

IV,

S. 443, 5 f f ) •

197

zwar gemeinsam mit dem Papst 1 ), obgleich das Konzil dem Papste übergeordnet ist 2 ). Aber die Ursache des Verderbens ist, daß der Papst zu einem weltlichen Fürsten geworden ist 3 ). Das zeigt sich in seinen Kriegen und Bündnissen, in seinem Streben nach Gebietserweiterung des Kirchenstaates und in seinen Geldgeschäften, um von seinem persönlichen Charakter, d. h. von seinen Lastern, zu schweigen 4). Besonders die raffinierte Art des Gelderwerbs wird dem Papst immer wieder vorgeworfen 5). Dabei wird der Schein gewahrt, als ob es sich nicht um Simonie handle 6 ), wie denn auch der Papst bei seinem Regierungsantritt und vor seinem Tode durch eine in starken Ausdrücken gehaltene Bulle im Hinblick auf die Wahl seines Nachfolgers die Simonie verboten h a t ' ) . Dem Verhalten des Papstes entspricht das weltliche Treiben der Kardinäle, die Häufung der kirchlichen Ämter in einer Hand, die Bestechlichkeit aller und die moralische Verwahrlosung, die bis zur Trunksucht und Unzucht der Bischöfe und zu öffentlichen Verbrechen der Priester gediehen ist 8 ). Mit unüber1

) concilio indicto praesiderem, pariterque secum sanandis ecclesiae malis operam commodarem (Böcking IV, S. 443, 22f.). '') si corrigendus est Romanus pontifex, per concilium corrigatur oportet (Böcking IV, S. 439, 26f.). 3 ) Verum hactenus nihil audio nisi ducem non ecclesiasticum, sed mundanum (Böcking IV, S. 451, 25f.); illius praetextu, qui regnum mundi despexit, mundanum tyrannum agis (ib. S. 455, 35f.). 4 ) omnium maxime rebus sordidissimis immersum, pecuniis, ditionibus, copiis, bellis, foederibus, ut ne interim quid de vitiis dicam (Böcking IV, S. 455. 32ff-)5 ) nam multis officiis (sie enim vocant) novis repertis non medioeriter auxi fiscum pontificium (Böcking IV, S. 432, 10f. und oft). 6 ) tum rationem inveni, ut citra simoniae vitium episcopatus emerentur (Böcking IV, S. 432, 11 f.). 7 ) ipse summum assecutus pontificium statim certa formidabili bulla cavi, ne quis simili ratione penetraret; eam bullam et paulo ante mortem renovavi (Böcking IV, S. 435, 32ff.). 8 ) Böcking IV, S. 444, i ff.

198

bietbarer

Schärfe

geißelt

der

Dialog

die

Heuchelei

des

Zölibats, indem er den Papst zynisch erklären läßt, daß die Päpste zwar keine Frauen, aber wohl Kinder hätten, da sie j a Männer seien und nicht E u n u c h e n 1 )

2 ).

') Böcking IV, S. 438: Uxores quidem non habent, liberos autem eos habere, quid monstri est, qui viri sunt, non eunuchi. 2) Wohl das Stärkste im Hinblick auf den moralischen Zynismus der Renaissance-Päpste erzählt Infessura (W. Roscoe, Leben und Regierung des Papstes Leo des Zehnten. I, 1818, S. i36f. Anm.) von Innocenz V I I I . Der Vikar des Papstes hatte ein Verbot erlassen, daß weder Laien noch Kleriker öffentlich oder heimlich Konkubinen im Hause haben dürften. Als sanctissimus Dominus noster dies erfuhr, fuhr er seinen Vikar heftig an, hob das Verbot wieder auf und erklärte, illud prohibitum non esse. In diesem Zusammenhang wird die Zahl der meretrices publicae in Rom — abgesehen von den Konkubinen — auf 6800 angegeben. Nachtrag zu S. 193, Anm. 2: Annales eccles. Raynald. X I , S. 638 B: regnum Franciae, et praesertim Lugdunum, ducatu Britanniae excepto, . . . ecclesiastico subiecimus interdicto, nundinasque Lugduni fieri solitas in Lugduno ex tunc de caetero inhibuimus, dictasque nundinas in civitate Gebennensi faciendas transtulimus.

199

FÜNFTES KAPITEL

Bie £uäfagen btö C r a ö m u ö über ben D i a l o g i. T H O M A S L U P S E T

Daß der Dialog unmittelbar nach dem Tode des Papstes, also im Jahre 1 5 1 3 , verfaßt sein muß, wird ziemlich allgemein anerkannt. Es liegt in der Natur der Sache, daß eine Schrift, die von so leidenschaftlichem Haß diktiert ist und so offenkundig die Absicht hat, auf die Gestaltung der politischen Verhältnisse einzuwirken, nicht erst nach einer Reihe von Jahren geschrieben worden sein kann, nachdem das persönliche und das politische Interesse an Papst Julius I I . in den Hintergrund getreten war. Dazu kommt, daß die geschichtlichen Ereignisse, die mit großer Anschaulichkeit geschildert werden, nur bis zum Tode des Papstes fortgeführt werden, während über die darauf folgenden Ereignisse sich keine Spur einer Andeutung findet. Auch diejenigen, die in Erasmus den Verfasser sehen, geben das zu. Sie sind der Meinung, daß er den Dialog 1 5 1 3 geschrieben, aber das Manuskript geheim gehalten habe und daß es gegen seinen Willen in den Jahren 1516 und 1517 öffentlich bekannt geworden sei. In der Zeit von 1 5 1 3 bis zum Ende des Jahres 1516 findet sich in dem Briefwechsel des Erasmus auch nicht die leiseste Andeutung der Existenz des Dialogs. In einem Briefe Thomas Mores vom 15. Dezember 1516 berichtet dieser, daß Thomas Lupset, ein junger Student, der in den Jahren 1 5 1 3 — 1 5 1 4 in Cam200

bridge der Sekretär des Erasmus war 1 ), ihm, Thomas More, einige Bogen des Erasmus zurückgegeben habe, die er, Lupset, einst bei sich behalten.

Unter diesen Manuskripten

befinde sich der Iulii Genius und zwei Aufsätze: die declamatio de pueris statim a pueritia erudiendis und die declamatio consolatoria. More fügt hinzu, daß alles von der Hand des Erasmus geschrieben sei, — aber es sei nur die erste Niederschrift und es sei nichts ganz vollständig. Lupset habe feierlich erklärt, daß er außerdem nichts in seinem Besitz habe von dem, was Erasmus vermißt.

Das Vorhandene

wolle er, Morus, dem Erasmus schicken, sobald er es wünsche 2 ). Mit diesen Angaben Mores ist ein Brief Lupsets vom 28. Juni 1 5 1 6 zu vergleichen, in dem er sich wegen eines an Erasmus begangenen Unrechts entschuldigt und Erasmus zu versöhnen sucht.

E r habe in keiner Weise aus bösem

Willen, sondern nur aus Unüberlegtheit schwer gegen Erasmus gefehlt. E r gestehe es ein und es reue ihn und er bitte demütig um Verzeihung.

Er sei bereit, jede Strafe zu leiden.

Er

würde dem Erasmus schon zurückgeschickt haben, was er ihm von dem Seinen genommen, aber er habe geglaubt, es sei sicherer, es ihm bis zu seiner, des Erasmus, Rückkehr [nach England] aufzubewahren.

E r werde es ihm, wenn er

zurückgekehrt, vollständig und — das solle Erasmus ihm glauben — unverletzt zurückgeben 3 ). *) Allen I, ep. 270, 5 9 f . A n m 2 ) Lupsetus restituit mihi aliquot quaterniones tuas quas olim apud se tenuerat.

In his est Iulii Genius, et declamationes duae, altera

de

pueris statim a pueritia erudiendis, altera consolatoria; tua manu omnia, sed prima tantum scriptio, neque quicquam satis integrum. sancte negat tui quicquam apud se esse quod tu desyderas. ad te postules, illico fac intelligam (Allen, ep. 502, 3

E x t r a haec H a e c si mitti

9—14).

) Q u o in me sis animo, partim ex tuis mihi proxime missis litteris,

partim ex iis in quibus me accusavit Coletus, egregie intellexi. profecto nihil, incogitantia vero plurimum in te peccavi.

Malicia Fateor et

poenitet supplexque peto veniam; patiar me quovis supplicio damnari. Tradidissem Petro quae ex tuis abstuli, si non putassem tutius in tuum

201

Aus diesen beiden Briefen geht hervor, daß sich unter den Papieren des Erasmus eine von seiner Hand angefertigte Niederschrift des Dialogs befunden hat und daß Lupset dies Manuskript — vermutlich als er im Oktober 1 5 1 5 mit Pace nach Italien reiste — bei sich behalten hat. Erasmus ist darüber sehr in Zorn geraten und hat sich auch bei Colet, dem Gönner Lupsets, über diesen heftig beschwert 1 ). Man kann annehmen, daß die Erregung des Erasmus nicht bloß in der Unzuverlässigkeit Lupsets ihren Grund hat, sondern daß ihn dabei besonders der Gedanke an das Manuskript des Julius und die Furcht, es könne dies Manuskript durch Lupset in andere Hände gekommen sein, beunruhigte. Unbedingt notwendig ist diese Annahme allerdings nicht, da der Zorn des Erasmus schon in der Untreue Lupsets ausreichende Begründung findet, auch wenn es sich um ganz harmlose Manuskripte handelte. Aber aus dem Brief Lupsets scheint hervorzugehen, daß sich mit dem Zorn des Erasmus eine nervöse Unruhe verband. Diebstahl von Manuskripten ist in der Zeit des Humanismus eine fast alltägliche Erscheinung 2 ). Erasmus mochte deshalb immerhin seinen ungetreuen Diener kräftig schelten; aber wenn er sich wegen der Folgen des Diebstahls ängstigte, mußte doch wohl der Inhalt der Manuskripte irgendwie verfänglich sein. Auch die ad nos adventum servare; tibi igitur reverso reddam integra et, crede, intacta (Allen, ep. 4 3 1 , 4 — 1 1 ) .

M a n vergleiche dazu die beiden Briefe

Allen, ep. 664 und 690. r

) V g l . S. 201 A n m . 3 den A n f a n g des Zitates aus dem Briefe Lupsets.

2

) Erasmus selbst sagt, daß sein Brief an J o h a n n Caesarius vom

August

1517

furtim descriptam veröffentlicht worden sei (Allen

ep. 967, 1 6 8 f . ; vgl. Allen I I I , ep. 6 2 2 Einl.).

16. III,

Sehr charakteristisch ist

die Erzählung des Erasmus von dem Versuch eines polnischen Barons, ihm einen Brief Luthers zu stehlen.

N a c h d e m Erasmus den ersten

Versuch des Barons stillschweigend verhindert hat, versucht der Baron sein Glück noch ein zweites M a l : Ibi ridens, »Ut video« inquam »moliris hic furtum aliquod?« II, 438).

202

Arrisit ille et fassus est (Allen I, S. 3 2 , i 4 f . ; J o r t i n

Bemerkung Lupsets, die Manuskripte seien »intakt«, kann an und für sich bloß besagen, sie seien unbeschädigt erhalten; aber sie kann auch in dem Sinne gemeint sein, daß kein anderer sie »berührt«, d. h. von ihrem Inhalt Kenntnis bekommen hat. Dies Letztere scheint allerdings den Tatsachen nicht zu entsprechen. Anfang August 1516 ist jedenfalls der Text des Dialogs den Freunden des Erasmus in Basel bekannt. In Basel befindet sich eine Abschrift des Dialogs, die von Bruno und Bonifacius Amerbach geschrieben ist und am Ende das Datum des 5. August 1516 trägt. Uber die Vorlage dieser Abschrift ist nichts bekannt; aber es liegt immerhin nahe, sie mit der Lupset-Angelegenheit in Verbindung zu bringen: es ist möglich, daß Lupset auf der Reise nach Italien den Baseler Freunden 1 ) des Erasmus die Handschrift des Erasmus gezeigt und ihnen eine Abschrift ermöglicht hat. Allerdings war Lupset im August 1516 schon wieder in England, aber die von den beiden Amerbachs angefertigte Abschrift könnte eine Abschrift zweiter Hand nach einer im Besitz Frobens oder des Beatus Rhenanus befindlichen Abschrift sein, was auch Allen anzunehmen scheint 2 ). Ein weiteres Zeugnis dafür, daß der von Erasmus' eigener Hand geschriebene Text des Julius in Basel bekannt geworden ist, sieht Allen in dem Briefe des Erasmus an Bucer vom 2. März 1532. In diesem Brief verteidigt sich Erasmus gegen den Vorwurf, einige seiner Werke anonym herausgegeben zu haben, — ein Vorwurf, der von Leo J u d unter ausdrücklicher Nennung des Julius gegen ihn erhoben worW e n n Lupset den F r e u n d e n des Erasmus das Manuskript gezeigt und die Anfertigung einer Abschrift zugelassen hat, werden die Worte Lupsets: Malicia nihil, incogitantia

plurimum

verständlich.

Lupset

konnte immerhin meinen, daß es kein Unrecht sei, wenn er den intimen Freunden des Erasmus von dem interessanten Manuskript Kenntnis gab. 2

) Allen, ep. 5 0 2 Einl.

(S. 4 1 9 oben).

203

den ist 1 ). Bucer hat ihm geschrieben, er könne durch Zeugen feststellen, von wo der Julius-Dialog zuerst ausgegangen ist. Dabei scheint er den Namen Wilhelm Nesens angegeben zu haben, der um 1516 bei Froben in Basel arbeitete 2) und in dieser Zeit »vermutlich« das Manuskript des Erasmus gesehen hat 3 ). An der Tatsache, daß es eine eigenhändige Niederschrift des Dialogs durch Erasmus gegeben hat, wird daher ebensowenig zu zweifeln sein wie an der Richtigkeit der Meinung Bucers, daß das Bekanntwerden des Dialogs auf das Manuskript des Erasmus zurückzuführen ist. Aber damit ist noch keineswegs bewiesen, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs ist. Allen zieht diesen Schluß: From this direct statement of the existence of a copy written by Erasmus' own hand, there can be no doubt that he was the author of it 4). Ebenso heißt es an einer anderen Stelle bei Allen: That Erasme was its author there can be no doubt; for there is evidence in two directions of the existence of a copy or copies 5) of it in his handwriting, and we cannot suppose that at that period of his life, when he regulary had one or more servant-pupils in his employ, he would have troubled to copy out with his own hand a work of that length 6) by another 7). Aber Erasmus hat bereits in seinem Brief an Bucer die Übereiltheit dieser Beweisführung festgestellt. Er bestreitet Bucer keineswegs, daß es eine Niederschrift des Dialogs von seiner Hand gibt; aber er bemerkt dazu: derjenige, der etwas se non esse mendacem, non nebulonem, sed ilium potius qui seditiosum ilium Dialogum, qui Iulius inscribitur, non apposito suo nomine publicaverit (Jortin I, 406). 2 3 ) Allen, ep. 329 Einl. ) Allen, ep. 502 Einl. Dieser »Vermutung« widerspricht allerdings Nesens Brief an Amerbach, oben S. 48, Nachtrag. 4 ) Allen II, ep. 502 Einl. (S. 4 1 9 oben). 5 ) Für die Annahme mehrerer Niederschriften des Dialogs von der Hand des Erasmus liegt keinerlei Grund vor. 6 ) Pineau meint dagegen (S. 16): C'est un ouvrage bien court. 7 ) Allen, The age of Erasmus, S. 185,

204

mit seiner eigenen Hand abgeschrieben hat, ist nicht ohne weiteres der Verfasser . In der Zeit des Humanismus spielt die handschriftliche Verbreitung von literarischen Werken noch immer neben dem Druck eine große Rolle 2 ). Die im Mittelalter allein übliche und mögliche Verbreitung durch Handschriften ist auch in der Übergangszeit noch vielfach beibehalten worden. Besonders bei politisch oder kirchenpolitisch gefährlichen Schriften wählte man diesen Weg. Zu dieser Gruppe gehörte auch der Julius. Daß sich Erasmus dabei nicht seines Sekretärs bediente, ist im Hinblick auf den Inhalt des Dialogs ohne weiteres verständlich 3 ). Wenn Lupset dann die unter den Manuskripten des Erasmus befindliche Niederschrift des Dialogs für ein Original des Erasmus hielt, so bestätigt dieser Irrtum nur, daß Erasmus auch ihm das Geheimnis des Dialogs nicht enthüllt hat. Daß der Dialog vielfach handschriftlich verbreitet worden ist, ergibt sich aus der großen Zahl der voneinander abweichenden Ausgaben 4 ). Bei der Abschrift der beiden Amerbachs findet sich ausdrücklich die Bemerkung, daß es sich um eine Abschrift handelt; hätten wir diese Bemerkung nicht, so würde man nach der Methode Allens annehmen müssen, daß sie den Dialog verfaßt hätten. Man bekäme soviel Autoren des Dialogs, wie es Abschreiber desselben gibt. Aber auf so einfache Weise läßt sich das Problem des Dialogs nicht lösen. Um so weniger, als Erasmus aufs bestimmteste — nicht bloß einmal, sondern wiederholt — bestritten hat, daß er der Verfasser sei. Non statim is autor est qui sua manu descripsit (Allen, ep. 502 Einl.). ) Man vergleiche z. B. die ausführlichen Mitteilungen Allens über die Verbreitung des Briefes, den Erasmus am ig. Oktober 1519 an Erzbischof Albrecht von Mainz geschrieben hat (Allen IV, S. 96fr.). 3 ) Damit erledigt sich die von Allen in dem Zitat zu Anm. 7 vor. S . 4 ) S. unten Kap. 7. ausgesprochene Vermutung. 2

205

2. D E R B R I E F W E C H S E L D E S

ERASMUS

Diese Aussagen des Erasmus werden nun allerdings von seinen Kritikern mit einer geradezu unbegrenzten Voreingenommenheit insgesamt für unzuverlässig und bewußt irreführend erklärt. Erasmus kann gegen seine Verfasserschaft sagen, was er will, — seine Kritiker sind fest davon überzeugt, daß er der Verfasser ist: also lügt Erasmus. Zum Teil handelt es sich bei diesen Aussagen des Erasmus um Angaben, die wir an dem Dialog selbst nachprüfen können. So z. B. wenn Erasmus, wie bereits erwähnt worden ist, sagt: der Dialog sei französischen Ursprungs und in der Zeit des Schismas, d. h. im Zusammenhang mit demselben, entstanden. Daß es sich in der Tat so verhält, haben wir ausführlich nachgewiesen 1 ). Der Gegensatz, der in diesen beiden Richtungen zwischen dem Dialog und den Schriften des Erasmus besteht, läßt sich schlechterdings nicht leugnen. Aber dies unbedingt durchschlagende Argument wird von den Kritikern des Erasmus überhaupt keiner Überlegung gewürdigt. Durand de Laur lehnt es ohne weiteres ab mit der Bemerkung, Erasmus behaupte den Zusammenhang des Dialogs mit dem Konzil avec peu de vraisemblance (II, S. 591). Pineau führt das Urteil Pastors an, der den Dialog dem Faustus Andrelinus zuschreibt, weil der Dialog gallikanisch ist 2 ); aber Pineau bemerkt dazu nur ganz kurz: Un tel argument manque sans doute de solidite 3 ). Ebenso schnell werden auch die Aussagen des Erasmus über den mutmaßlichen Verfasser des Dialogs abgetan. Erasmus sagt in seinem Briefe an den Kardinal Campegio vom 1. Mai 1519, der Dialog werde einem unbekannten Spanier oder Faustus Andrelinus oder Hieronymus Baibus zugeschrie1

) S. oben S. 155 fr. ) Pastor III, 685, Anm. a: »Die Polemik dieser Schrift . . . geht offenbar von französischem Standpunkt aus.« 3 ) Pineau, S. 1. 2

206

ben 1 ). Schon vorher in seinem Briefe an Caesarius vom 16. August 1517 hatte er den Dialog mit der französischen Komödie in Verbindung gebracht 2 ), und in seinem Briefe an Hermann von Neuenahr vom 25. August 1 5 1 7 ebenfalls den anonymen Spanier genannt und von einer Übersetzung ins Französische gesprochen, wobei wiederum die Pariser Komödie erwähnt worden war 3 ). Diese Angaben deuten alle auf den Zusammenhang des Dialogs mit Paris und mit der Pariser Komödie hin. Es ist der Kreis, in dem auch Erasmus während seines Pariser Aufenthaltes von 1495—1499 gelebt und mit dem er auch später in Verbindung geblieben ist. Dabei nennt Erasmus auch den Namen des Faustus Andrelinus 4). Aber alle diese Angaben des Erasmus sollen lediglich aus seiner Phantasie stammen, d. h. also bewußte Lügen sein. Der Vorredner der Oxforder Ausgabe von 1669 sagt, vermutlich habe Erasmus selbst an die Verfasserschaft der Genannten nicht geglaubt 6). Jortin bemerkt zu der Nennung Huttens und des Faustus Andrelinus: Hutten could not write so well . . . Faustus Andrelinus . . . was still less capable of writing it, than Hutten 6). Durand de Laur nimmt von den durch Erasmus genannten Namen überhaupt keine Notiz 7 ). Allen

2

3

Allen III, ep. 9 6 1 , 3 9 f r . ) Allen III, ep. 6 2 2 , 1 5 f r .

) Allen III, ep. 6 3 6 , i 4 ff.

4

) Faustus Andrelinus wird von Erasmus erst in dem Briefe vom 1. Mai 1 5 1 9 und dann von More in seiner Widerlegung des ungenannten Mönchs genannt, während vorher nur der Ursprung des Dialogs in Paris angegeben wird. Das erklärt sich daraus, daß Andrelinus am 2 5 . Februar 1 5 1 8 gestorben ist und infolgedessen die Geheimhaltung seines Namens nicht mehr notwendig war. 5 ) nec Erasmo etiam referenti placuisse ullam [harum sententiarum] credo, licet alios ita credidisse illi tunc temporis perplacuisset forsan maxime (Jortin II, 5 9 7 ) . Vgl. Vorrede zu Oxf. II, A 4 b. «) Jortin II, 5 9 5 . 7 ) Durand de Laur II, 3 0 2 f. 5 8 9 ff.

207

erklärt den Hinweis des Erasmus auf die Pariser Komödie für ein Ablenkungsmanöver x ) und die Verfasserschaft des Andrelinus für clairly false 2 ). Pineau stellt der Aussage des Erasmus über den mutmaßlichen Verfasser die Mitteilung voran, daß Böcking und Pastor Andrelinus für den Verfasser halten, so daß man den Eindruck bekommt, als ob es in erster Linie auf das späte Zeugnis dieser beiden Männer, das Pineau ohne weitere Begründung ablehnt, ankomme, — und läßt bei der Wiedergabe des Briefes an Campegio die Erwähnung des Andrelinus durch Erasmus fort 3 ). Huizinga erwähnt ebenso wie Durand de Laur die Angaben des Erasmus über den Verfasser und besonders den Hinweis auf Andrelinus überhaupt nicht 4). Mangan meint, wenn Hutten oder Andrelinus oder Glareanus den Dialog geschrieben hätten, wie Erasmus glauben machen will, würden sie sich dessen gerühmt haben 5 ). Diese schnelle Abfertigung des Erasmus ist nun aber um so unberechtigter, als seine Aussage über den Verfasser des Dialogs nicht vereinzelt dasteht, sondern abgesehen von ihrer Bestätigung durch den Inhalt des Dialogs durch zwei weitere Zeugnisse gestützt wird. 3. D A S Z E U G N I S

MORES

Das eine dieser beiden Zeugnisse ist der Brief Thomas Mores, in dem er die Angriffe eines ungenannten Mönchs auf Erasmus zurückweist 6 ). In diesem sehr umfangreichen Briefe Allen III, ep. 961,37 Anm. 2)

Allen II, ep. 502, Einl. (S. 420).

3)

Pineau, S. if.; 7.

4)

Huizinga, S. n a f .

6)

Mangan II, S. 70.

Die Angabe Mangans, daß Luther in seinem

Briefe an Johann Lang vom 1. März 1517 sich über den Julius-Dialog äußere, ist ein Irrtum, da Luther den Dialog erst Ende September 1517 kennen gelernt hat. 6)

208

S. unten Kap. 6, S. 251.

Jortin II, S. 670fr.

kommt M o r e auch auf den Iulius exclusus zu sprechen: D e Iulii dialogo, neque cuius sit, neque cuiusmodi sit,

mihi

n u n q u a m valde libuit quaerere, c u m d e utraque re varias audiam sententias: hoc certe scio, protinus defuncto Iulio, rem Parisiis ludis actam publicis. Multi sciunt R e v e r e n d u m Patrem Poncherium Parisiensis urbis Antistitem, qui huc (nach England) Legatus venerat, librum vendicasse Fausto, quod ut verum fuerit, nihil impedit Erasmum, cui Faustus non ignotus erat, librum apud se quoque priusquam excuderetur habuisse 1). I n diesen Worten bezeugt M o r e also i . d a ß der D i a l o g s o f o r t nach dem T o d e des Papstes geschrieben i s t 2 ) , 2. d a ß er i m Z u s a m m e n h a n g mit der Pariser K o m ö d i e steht 3 ) und 3. d a ß Faustus Andrelinus der Verfasser des Dialogs ist. M o r e bestätigt also in allen Punkten die A n g a b e n des Erasmus. A b e r er geht noch über Erasmus hinaus. W e n n m a n nämlich einwenden wollte, d a ß More hier nur die von Erasmus erdichteten A n g a b e n wiederholt, so zeigen die Worte Mores vielmehr, woher er und Erasmus ihre Kenntnis von der Entstehung des Dialogs haben.

D e r G e w ä h r s m a n n Mores ist

der Pariser Bischof Stephan Poncher. Stephan Poncher w a r seit 1485 Mitglied des Pariser Parlaments, 1501 K a n z l e r der Universität, seit 1502 Bischof von Paris, 1511 Gesandter des französischen Königs in Italien 4) und als solcher d e r V e r t r a u e n s m a n n d e s K ö n i g s b e i m Pisaner Konzil6). x)

I.e.

S. 686.

2)

Also

nicht

erst

Krieges, wie H u i z i n g a Nach Komödie 4)

dem

unter

Allen

II,

Wortlaut

Mores

ep. 5 2 9 E i n l .

März

dem

14

ist d e r

vgl. oben

des

englisch-französischen

des K i r c h e n s t a a t e s ,

Dialog

sogar

als ö f f e n t l i c h e

S. 120.

Ü b e r seine G e s a n d t s c h a f t z u m

1 5 1 1 , vgl. Moritz 1878,

schaft n a c h E n g l a n d , i m S o m m e r 5)

Einfluß

m e i n t ; v g l . o b e n S . 15.

aufgeführt worden;

in M a n t u a , Gründung

D a ß er zu d e m Pariser Freundeskreise

Brosch, P a p s t J u l i u s S. 2 1 9 ,

II.

u n d ü b e r seine

1 5 1 4 , s. u n t e n S. 211,

Kongreß und

die

Gesandt-

A n m . 2.

I m I n s t r u m e n t u m procurationis et commissionis der K o n z i l s a k t e n Stange,

Erasmus

209

des Erasmus, zu dem auch Faustus Andrelinus gehörte, in näheren Beziehungen stand, kann man aus der sachkundigen Berichterstattung des Julius-Dialogs über die Verhandlungen des Pisaner Konzils erschließen a ). Andrelinus wird vermutlich durch ihn die Kenntnis der Konzilsakten erhalten haben. Dieser Zusammenhang mit den Pariser Freunden wird aber auch dadurch wahrscheinlich, daß in den Jahren 1 5 1 3 — 1 5 1 4 Aleander in seinen Diensten stand 2 ).

Aleander hatte in

Venedig im Aldusschen Hause mit Erasmus enge Freundschaft geschlossen und war 1508 mit Empfehlungsbriefen des Erasmus nach Paris gegangen 3 ), wo er neben Faustus Andrelinus mit größtem Erfolge Vorlesungen hielt 4 ).

Es liegt nahe an-

zunehmen, daß er durch die Pariser Freunde des Erasmus zu Stephan Poncher gekommen ist. Aus der Verbindung Ponchers mit Andrelinus, des Andrelinus mit Erasmus, des Erasmus mit Aleander und Aleanders mit Poncher ergibt sich ein geschlossener Zusammenhang 5 ).

Aleander knüpft in einem

vom 25. August 1 5 1 1 wird Stephan Poncher unter den Zeugen der Rechtsgültigkeit der Verhandlung genannt (Promotiones, S. 60). S. oben S. 166. 2 ) Allen I, ep. 256 Einl. 3 ) Allen I, ep. 256, 3 Anm. "•) Allen berichtet, die Vorlesungen Aleanders in Paris seien mit Vivat, vivat begrüßt worden. As they were accustomed to do to Faustus Andrelinus (The age of Erasmus S. 1 1 3 ) ; vgl. die Angaben Aleanders selbst in seinem Briefe vom Ende Februar 1 5 1 2 . 5 ) Kirchenpolitisch gehören Poncher und Andrelinus mit dem Pisaner Konzil zusammen, während Erasmus nach seiner inneren Haltung gegenüber der römischen Kirche zwar auch mit Pisa sympathisieren mußte, aber aus taktischen Gründen das Konzil verurteilt. Aleander wird 1 5 1 2 auch für das Konzil in Anspruch genommen, hat aber schon damals keine rechte Lust, seine literarische Muße einem »für Seele und Leib nicht ausreichend sicheren Handel« aufzuopfern: Verum ego non tarn sum curiosus ut literario otio non satis fortasse tutum animae corporique negotium praeponam (Allen I , ep. 256, 37ff.). E r geht deshalb sehr bald, 1 5 1 6 , entschlossen ins römische Lager über. Die seitdem erfolgende scharfe Zuspitzung seines Verhältnisses zu Erasmus erklärt sich daraus, daß er über die innere Zugehörigkeit des Erasmus zu dem

210

Briefe vom Ende Februar 1512 wieder mit Erasmus an und erzählt, daß er, als er von der Anwesenheit des Erasmus in Paris gehört, sofort dorthin geeilt sei, aber dann »von den Freunden« erfahren habe, daß Erasmus schon vor vier Tagen wieder abgereist sei x ). Wenn Erasmus nicht schon bei seinem ersten Aufenthalt in Paris 1495—1499 mit Poncher bekannt geworden ist, kann das Verhältnis Ponchers zu Aleander der Anlaß gewesen sein, daß Poncher gelegentlich seiner Gesandtschaft nach England mit Erasmus in Berührung gekommen ist. Man könnte etwa an die Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und England im Sommer 1514 denken 2 ). Besonders bemerkenswert ist aber die von More in hypothetische Form gekleidete Bemerkung: wenn es sich so verhalte, wie Poncher gesagt hat, d. h. wenn Andrelinus wirklich der Verfasser ist, dann steht nichts im Wege, daß Erasmus das Buch des Andrelinus, der ihm nicht unbekannt war, in Händen gehabt hat, ehe es gedruckt wurde. Man wird daraus schließen dürfen, daß jener ungenannte Mönch die Verfasserschaft des Erasmus mit derselben Erwägung begründet hat, die Erasmus in seinem Brief an Bucer abgelehnt hat: mit dem Hinweis auf das Vorhandensein einer eigenhändigen Niederschrift des Erasmus vor der Veröffentlichung des Dialogs durch den Druck. Demgegenüber erfahren wir durch More: 1. daß Erasmus das Buch des Andrelinus h a n d s c h r i f t l i c h kennen gelernt hat, und 2. daß ihm diese Kenntnis durch Poncher übermittelt worden ist. Von dem von Poncher mitgebrachten Exemplar hat Erasmus sich dann seinerseits eine Abschrift gemacht. Dies völlig eindeutige Zeugnis Mores ist natürlich für diePariser Kreise aufs genaueste unterrichtet war und daß Erasmus ihn deshalb — nach seiner Hinwendung zur römischen Partei — fürchtete und haßte. Allen I, ep. 256, 14 fr., 21 f. Lettres du roy Louis X I I . , I V , S. 3 5 5 ff.

14*

211

jenigen, die Erasmus für den Verfasser des Dialogs halten, sehr unbequem. Schon Jortin — obgleich er seinerseits zu keiner ganz sicheren Entscheidung über das Verhältnis des Erasmus zu dem Dialog kommt x ) — räumt den Brief Mores aus dem Wege, indem er sagt: in seiner Antwort auf die Angriffe jenes ungenannten Mönches äußere sich More so, daß er die Beteiligung des Erasmus an dem Dialog weder bejahe noch verneine. Er leugne nur, daß Erasmus den Dialog v e r ö f f e n t l i c h t habe 2 ). Eben diese Entdeckung macht Jortin auch gegenüber dem Briefe des Erasmus an Campegio: Erasmus sagt dort nur, er habe niemals etwas derartiges h e r a u s g e g e b e n 3 ) . Dies Argument wird von den späteren Kritikern des Erasmus weitergegeben. Durand de Laur sagt, Erasmus habe sich nur dahin geäußert, daß der Dialog gegen seinen Wunsch veröffentlicht worden sei 4). Allen wiederholt Jortins Urteil: the only thing that he there specifically denies is the publication, und fügt hinzu: zu dieser Aussage sei Erasmus zweifellos berechtigt gewesen, da es der Sitte der Zeit entsprach, die Herausgabe eigener Schriften durch einen anderen besorgen zu lassen: as to which he is doubtless correct, considering the custom of the time 6). Dasselbe sagt Allen auch in seiner Schrift The age of Erasmus 8). Auch Huizinga meint, ErasI m 2. Bande sagt er: A t least, I know of no person in his days, besides himself, who c a n be supposed to have been both able and willing to write it (II, 5 9 5 ) .

I m 1. Bande bemerkt er dagegen gegen Baluzius,

der seinerseits Erasmus für den Verfasser erklärt: T h e solemn asseverations of Erasmus ought to outweigh the conjectures of Baluzius (I, 9 3 Anm.). z

) More replies as such a manner as neither to affirm nor to deny

that Erasmus might h a v e had some hand in composing it. But he denies that he was the publisher of it (Jortin I I , 596). 3

) Observe that Erasmus doth not say scripserit, but only ediderit

(II, 5 9 6 , A n m . ) . l

) I I , S. 5 9 1 .

•) S.

212

i87f.

5

) Allen I I , S . 4 1 9 unten.

mus habe im Hinblick auf den Dialog niemals gesagt: ik heb het niet geschreven x ). Daß diese Deutung der Worte Mores unmöglich ist, kann keinen Augenblick zweifelhaft sein. Wenn More ausdrücklich erklärt: dies eine wisse er g e w i ß , daß der Dialog in der Pariser Komödie entstanden sei und daß nach der Angabe Ponchers Andrelinus der Verfasser sei, so kann er nicht im nächsten Augenblick sagen, Erasmus habe den Dialog zwar geschrieben, aber jedenfalls nicht drucken lassen. Aber ebenso kann man auch gegenüber den Aussagen des Erasmus nicht daran denken, daß sie nur die Veröffentlichung, aber nicht die Verfasserschaft ablehnen wollen. Gegenüber den zahlreichen und leidenschaftlichen Erklärungen des Erasmus, daß er mit dem Dialog nichts zu tun habe, ist es ganz ausgeschlossen, ihm zuzuschieben, daß er mit einer kleinen, listigen Wortklauberei die Sache habe erledigen wollen. Im übrigen umfaßt das Wort edere, herausgeben, beides: das Schreiben und das Drucken, und im Zusammenhang des Briefes an Campegio bedeutet es sicher beides zusammen. Daß Jortin trotzdem die Worte Mores in der angegebenen Weise gedeutet hat, beruht auf seinem falschen Verständnis dessen, was More weiterhin über den Julius-Dialog sagt. Zunächst faßt Jortin die einleitenden Worte Mores: De Iulii Dialogo, neque cuius sit, neque cuiusmodi sit, mihi nunquam valde libuit quaerere, cum de utraque re varias audiam sententias — so auf, als sei More im Unklaren über den Verfasser und den Inhalt der Schrift, während More nur sagen will, daß er gegenüber der voraufgegangenen ausführlichen Entgegnung auf die Angriffe des ungenannten Mönchs, die sich gegen die Übersetzung des Neuen Testaments des Erasmus richten, es mit der Verdächtigung, Erasmus habe den JuliusDialog geschrieben, kurz machen wolle. Er habe niemals S. 176. 213

Lust gehabt, an dem Streit über dieses Thema sich zu beteiligen. Die Erörterungen über die Verfasserschaft des Julius-Dialogs sind gegenüber den Angriffen auf die Übersetzung des Neuen Testaments durch Erasmus von ganz untergeordneter Bedeutung. Daß Erasmus jedenfalls nicht der Verfasser ist, kann More ganz bestimmt — hoc certe scio — bezeugen. Danach geht More zu einem zweiten Punkt über: geradezu lächerlich ist es, wenn jener ungenannte Mönch aus dem Stil des Dialogs Erasmus als Verfasser erkennen will, — er, der vom Stil nichts versteht und Erasmus tadelt, wenn er an Hieronymus Stilkritik übt, wie will er sich anmaßen, Erasmus am Stil zu erkennen, zumal eine so große Schar von Schriftstellern sich bemüht, sich des Stils des Erasmus zu bedienen! Mit diesem letzteren Satz hat bereits More es als aussichtslos festgestellt, auf dem Wege der Stilkritik die Verfasserschaft des Erasmus nachzuweisen . Schließlich bringt More noch eine dritte Erwägung: gesetzt den Fall — gegenüber dem voraufgegangenen hoc certe scio ist dies im Sinne Mores ein i r r e a l e r F a l l : nicht ein Zugeständnis, sondern eine rein hypothetische Annahme, mit der sich More auf den Standpunkt des Gegners versetzt, um ihn um so gründlicher abführen zu können. Also: gesetzt den Fall, es wäre so, wie der Mönch es darstellt, — Erasmus habe den Dialog zu einer Zeit geschrieben, da er voll Zorn über die Kriege und durch die unruhigen Zeitverhältnisse gereizt war, und sei dabei in seiner Leidenschaft weitergegangen, als es ihm nach Beruhigung der Zeitverhältnisse lieb war, müßte man dann nicht vielmehr denen einen Vorwurf machen, die das Buch zu einer Zeit, in die es nicht mehr hineingehörte, veröffentlicht haben? Daß More hier nicht seine eigene Meinung, sondern die S. oben S. 4 9 fr.

214

des Gegners wiedergibt, ist eindeutig. J e n e r M ö n c h hat offenbar gesagt, man könne die Ableugnung des Dialogs durch Erasmus verstehen: er habe den Dialog in einer Zeit geschrieben, in der er leidenschaftlich erregt war, und sei deshalb jetzt, nachdem die Zeiten anders und er selbst ruhiger geworden, über die gegen seinen Willen erfolgte Veröffentlichung erzürnt. Aber g e s c h r i e b e n habe er ihn doch, und deshalb bleibe er für den Inhalt des Dialogs verantwortlich. Die Beweisführung des Mönchs stützt sich also auf das Vorhandensein der Handschrift des Erasmus und sucht von dieser Tatsache aus den Unwillen des Erasmus über die Veröffentlichung des Dialogs zu verstehen, indem er auf den Wechsel der Zeiten hinweist. Aber More bemerkt dazu: gesetzt den Fall, es wäre so, dann würde man nicht dem Erasmus einen Vorwurf machen können, sondern nur denen, die den Dialog zur Unzeit veröffentlicht haben. Das nur in den Händen des Erasmus befindliche Manuskript konnte keinen Schaden anrichten und kein Ärgernis bereiten, wie es die Veröffentlichung allerdings getan hat. Die Argumentation des Mönchs — gesetzt daß man ihre Voraussetzungen als zutreffend annimmt — trifft nicht den Erasmus, sondern die Urheber der Veröffentlichung. Daß More aber die Voraussetzungen, von denen aus der Mönch argumentiert, nicht für richtig hält, hat More bereits gesagt, indem er das von Erasmus geschriebene Manuskript auf den durch Poncher vermittelten Zusammenhang des Erasmus mit Andrelinus zurückführt *). Das Mißverständnis Jortins hat also darin seinen Grund, daß er bei der Deutung der Worte Mores ihre polemische Haltung unbeachtet läßt. More hat ganz bestimmte gegen Erasmus gerichtete Anklagen vor sich. Leider ist uns die Schrift des ungenannten Mönchs unbekannt; aber man kann aus der Polemik Mores deutlich erkennen, was jener gegen Erasmus vorbringt. Es sind die auch heute noch S. oben S. 2 n .

215

gangbaren Argumente: i. man weiß, daß der Dialog in einer Handschrift des Erasmus vorhanden ist; 2. man schließt aus dem Stil auf Erasmus als Verfasser; 3. man erklärt die Ableugnung des Erasmus daraus, daß er zwar unter dem Eindruck der Kriegsnot den Dialog geschrieben, aber mit Rücksicht auf die veränderten Zeitverhältnisse seine Veröffentlichung verurteilt. Aber eben diese Argumente wiederlegt More.

Sie alle sind hinfällig, weil das Eine unbedingt

feststeht: der Dialog gehört nach Paris und stammt nach dem Zeugnis eines so kompetenten Zeugen, wie es Poncher ist, von Andrelinus. Unsere Kenntnis der Geschichte des Dialogs wird dabei durch die wertvolle Bemerkung Mores, daß Erasmus — auf Grund seiner Freundschaft mit Andrelinus und auf Grund des Besuchs Ponchers in England — von dem Dialog handschriftlich Kenntnis haben konnte, bereichert. Diese Mitteilung löst das Rätsel, wie Erasmus zu der Handschrift des Dialogs gekommen ist. Es ist schwer verständlich, wie Allen angesichts dieses Tatbestandes sagen konnte, die Feststellung Mores, daß Poncher dem Faustus Andrelinus das Buch zuschreibt, schließe nicht notwendig ein, daß More derselben Meinung s e i .

Als ob

die T a t s a c h e , daß Poncher diese Mitteilung gemacht hat, irgendwie abgeschwächt würde durch das, was More zu dieser Mitteilung m e i n t .

Wie konnte More überhaupt eine

»Meinung« haben, wenn ihm eine derartige Mitteilung gemacht wurde?

Und zu welchem Zweck hätte wohl More

diese Mitteilung Ponchers bei der Abwehr der Angriffe gegen Erasmus bekanntgegeben, wenn er dabei die »Meinung« haben wollte, es verhalte sich in Wirklichkeit ganz anders? Man kann in dieser Äußerung Allens nur einen Ausdruck seiner Verlegenheit sehen, wie er denn auch fortfährt: diese Aussage Ponchers, obgleich sie offenkundig falsch sei, »hatte 1

) Allen II, S. 420 oben.

216

doch eine gewisse Beliebtheit«; denn die erste gedruckte Ausgabe in der von Böcking gegebenen Ausgabenreihe trägt den Titel: F[austi] A[ndrelini] F[oroliviensis] Poetae Regii de obitu Iulii Pontificis Maximi. Anno Domini 1 5 1 3 1 ) . Woher weiß Allen, daß die Angabe Ponchers »offenkundig falsch« ist? Daß Poncher als Gesandter des französischen Königs in England war, wird More gewiß nicht erdichtet haben, da jedermann in England ihn sofort hätte überführen können. Ebenso ist nicht anzunehmen, daß More die Äußerung Ponchers erfunden hat; dem widerspricht schon das hoc certe scio Mores. More selbst sagt ausdrücklich, daß v i e l e (multi) von der Gesandtschaft Ponchers und seiner Aussage über Andrelinus wissen. Im übrigen lebte Poncher selbst noch, als More 1520 2) seine Verteidigung des Erasmus schrieb. Dazu kommt, daß von dem Bericht Mores aus eine Äußerung des Erasmus verständlich wird, für die man bisher noch keine Erklärung gefunden hat. Erasmus sagt nämlich in seinem Briefe an Campegio vom 1. Mai 1519, in dem er zum erstenmal Faustus Andrelinus nennt: er habe gehört, daß auch Campegio ihn im Verdacht habe, der Verfasser des Dialogs zu sein, glaube das aber nicht. Er sei aber überzeugt, daß, falls Campegio doch irgendwelchen Argwohn hegen solle, er — Erasmus — ihm diesen leicht nehmen könne, wenn er mit ihm persönlich darüber reden könne. Man möchte wohl gern wissen, was Erasmus dem Kardinal dann erzählt haben würde! Vermutlich doch nicht, daß er tatsächlich der Verfasser des Dialogs sei, aber aus Opportunismus gegenüber der Kurie ihn ableugne. Etwas Derartiges konnte er einem Vertreter der Kurie unmöglich sagen. Aber vielleicht würde er ihm dasselbe gesagt haben, was More in seinem Bericht mitteilt: daß seine Kenntnis des 1

) But the attribution, though clairly false, certainly had some v o g u e ;

for the first printed edition in Böckings list is entitled . . . . 2

(Allen, 1. c.).

) Allen I I , S. 4 1 9 unten.

217

Dialogs auf den Pariser Bischof zurückgeht, also auf einen hohen und berühmten kirchlichen Würdenträger, dessen Zeugnis als unbedingt glaubhaft anzusehen ist. Damit wäre dann zugleich auch der Verdacht abgewehrt, als handle es sich bei der Verbreitung des Dialogs um eine geheime Wühlarbeit des Erasmus gegen die Kirche: seine Berührung mit dem Dialog beschränkt sich vielmehr lediglich darauf, daß er durch das Vertrauen eines hohen Kirchenfürsten in den Besitz einer Abschrift des Dialogs gekommen ist, — was Campegio jederzeit durch eine Anfrage bei Poncher hätte nachprüfen können. In dem obigen Zusammenhang erwähnt Allen dann auch das zweite Zeugnis, welches die Aussage des Erasmus über die Verfasserschaft des Andrelinus bestätigt: die Tatsache, daß es eine Ausgabe des Dialogs mit den Initialen des Faustus Andrelinus gibt. Allen scheint sich mit dieser Tatsache dadurch abfinden zu wollen, daß er den Titel dieser Ausgabe als eine Anpassung an die Nachricht Ponchers oder auch an die auf ihr fußende Äußerung des Erasmus zurückführt. Daß davon keine Rede sein kann, daß die Abschrift des Erasmus vielmehr den Text der von Böcking an erster Stelle angeführten Ausgabe voraussetzt und daß Erasmus den ursprünglichen, auf Andrelinus hinweisenden Titel des Dialogs geändert hat, werden wir noch nachzuweisen haben 1 ). Im gegenwärtigen Zusammenhang beschränken wir uns auf die Feststellung, daß Allen auf das vielverhandelte Problem des auf Andrelinus hinweisenden Titels überhaupt nicht eingeht. Eine Vergleichung der Texte der verschiedenen Ausgaben hätte Allen davon überzeugen können, daß die mit den Anfangsbuchstaben des Namens des Andrelinus versehene Ausgabe zweifellos die älteste Ausgabe ist; aber Allen beschränkt sich auf die durch nichts begründete Behauptung, >) Kap. 7.

218

es sei Mode geworden, die falsche Nachricht Ponchers zu glauben, und so sei die Ausgabe mit den Initialen des Andrelinus entstanden! Das Zeugnis Ponchers und die Priorität der auf den Namen des Andrelinus hinweisenden Ausgabe vor allen übrigen Ausgaben sind neben dem Stil und dem Inhalt des Dialogs ein unbedingt sicherer Beweis dafür, daß Erasmus nicht gelogen hat, als er die Entstehung des Dialogs auf Paris und Andrelinus zurückführte. Während wir von dem, was zwischen Erasmus und Lupset vorgefallen ist, nur auf Grund von sehr kurzen und unbestimmten Briefäußerungen wissen, so daß wir die dahinterliegenden Vorgänge durch Vermutungen konstruieren müssen, haben wir in den Aussagen des Erasmus über den Verfasser des Dialogs, in der diese Aussagen des Erasmus restlos bestätigenden Beschaffenheit des Dialogs nach Form und Inhalt, in dem Zeugnis des Pariser Bischofs und in dem Verhältnis der verschiedenen Auflagen des Dialogs zueinander ganz sichere, greifbare, geschichtliche Tatbestände. Daß Allen alle diese geschichtlichen Tatsachen umdeutet oder überhaupt nicht beachtet, ist eine Folge davon, daß er die Bedeutung des von ihm entdeckten »Diebstahls« Lupsets überschätzt. Diese Entdeckung Allens ist allerdings von allergrößtem Werte, da sie uns darüber aufklärt, wie der Dialog in der Tat durch diesen Diebstahl dazu gekommen ist, in den Jahren 1517 und 1518 eine geschichtliche Rolle zu spielen, während er bis dahin der Öffentlichkeit unbekannt geblieben war; aber der »Diebstahl« Lupsets ist ohne jede Bedeutung, wenn es sich um die Frage nach der Herkunft des Dialogs handelt. Wie Erasmus zur Kenntnis des Dialogs und zu der von ihm angefertigten Abschrift gekommen ist, darüber kann uns nur entweder Erasmus selbst oder der, von dem Erasmus die Kenntnis des Dialogs erhalten hat — also Poncher —, oder der Dialog selbst Auskunft geben. 219

4- D I E Z W E I D E U T I G K E I T

DES

ERASMUS

Die Folge davon, daß sich Allen durch die nebelhafte Lupset-Affäre den Blick für die sicheren geschichtlichen Gegebenheiten hat trüben lassen, ist, daß nun alle Aussagen über den Dialog in dem Briefwechsel des Erasmus — seine eigenen und auch die seiner Freunde — auf den Hintergrund einer augurenhaften Verlogenheit gestellt werden. J e stärker Erasmus seine Unschuld beteuert, um so sicherer ist es, daß er lügt: denn er würde seine Unschuld j a nicht so stark unterstreichen, wenn er nicht ein böses Gewissen hätte. Wenn sich in den Briefen seiner Freunde Äußerungen finden, aus denen hervorgeht, daß sie Erasmus nicht für den Verfasser halten, so ist das bestellte Arbeit oder auch ironisch gemeint. Den Brief an Caesarius vom 19. August 1517 hat Erasmus nach Allen »wahrscheinlich« geschrieben, damit er weitergegeben werden solle, wie er denn auch im März 1518 in den Lamentationes obscurorum virorum des Ortwein Gratius gedruckt worden ist ; — Erasmus hat allerdings, wie Allen weiß, das Gegenteil erklärt und bei zwei verschiedenen Gelegenheiten die Veröffentlichung als g e g e n seinen W i l l e n (furtim) erfolgt bezeichnet 2 ), und Ortwein Gratius gehörte zweifellos nicht zu denen, die im Dienste der Diplomatie des Erasmus standen 3 ). — In dem Brief an Wolsey vom 1. Mai 1519 nimmt Erasmus auf diesen Brief an Caesarius Bezug, — daraus folgert Pineau, daß der Brief »also« für die Öffentlichkeit bestimmt war 4) ; aber Pineau übersieht, daß inzwischen die Veröffentlichung durch Ortwein Gratius erAllen III, ep. 622 Einl. ) Allen III, ep. 622 Einl. 8 ) Vgl. das überaus scharfe Urteil des Erasmus bei Allen III, ep. 830, 2

4—5. 4

) Pineau, S. 8: Cette lettre était donc un plaidoyer destiné à la publicité.

220

folgt war, so daß man aus der Erwähnung des Briefes gegenüber Wolsey keine Folgerungen auf die geheimen Absichten des Erasmus ziehen kann. Die Veröffentlichung des Briefes an Caesarius ist nicht im Interesse des Erasmus erfolgt, sondern um seine Autorität gegen die humanistische Partei auszuspielen, und die auf diesem Wege zustande gekommene Veröffentlichung lag als literarische Tatsache vor, als Erasmus an Wolsey schrieb. In einem Briefe vom 18. Februar 1517 schreibt Guy Morillon aus Brüssel an Erasmus: Quantum nobis arriserit Iulius, cui perpetuo risu parentavimus, quam belle, quam festive et, ut uno verbo dicam, quam Erasmice cum Petro contendere visus sit, facilius intelligi quam explicari potest. Immensum est quod illi tribuit Cancellarius 1 ). Pineau bemerkt dazu: Morillon hätte Erasmus nicht »beglückwünschen« können, wenn er nicht »gewußt« hätte, wer der Verfasser des »Julius« war 2 ). Aber in dem Briefe Morillons ist von »beglückwünschen« gar nicht die Rede. In dem Briefe wird nur gesagt, daß Morillon und seine Freunde, zu denen auch der Kanzler gehört, bei der Lektüre des Dialogs unter unendlichem Gelächter dem Papst eine fröhliche Totenfeier veranstaltet haben. Dabei bezeichnet Morillon den Stil des Dialogs als fein und witzig und geradezu als erasmisch, — aber wir haben bereits festgestellt, daß dies — als eine Schmeichelei für Erasmus — über den Verfasser des Dialogs noch nichts besagt 3 ). Ob Morillon bereits ein gedrucktes Exemplar des Dialogs in Händen hat, wie Pineau annimmt 4 ), oder ob es sich um Allen I I , ep. 5 3 2 , 2 3 f f . 2

) Quant à G u y Morillon, il n'aurait pas félicité Érasme, s'il n'avait

su lui-même à qui attribuer le Iulius (S. 1 7 ) . 3

) S. oben S . 50 f.

4

) De fait, aussitôt imprimé, il fit les délices des lecteurs cultivés

(S. 1 7 ) .

221

eine Handschrift handelt, wie Mangan vermutet 1 ), ist aus seinen Worten nicht zu erkennen. Pineau nimmt ohne jeden Beweis an, daß der Dialog schon damals gedruckt war. Man könnte aber auch vermuten, daß Erasmus im Anschluß an den Brief Mores vom 15. Dezember 1516, in dem More die Übersendung der von Lupset zurückbehaltenen und inzwischen zurückgegebenen Papiere des Erasmus zur Verfügung stellt 2 ), diese Papiere erhalten und nunmehr seinen niederländischen Freunden von dem Dialog Kenntnis gegeben hat. Aber die von Allen vollzogene Datierung der Briefe scheint zu dieser Vermutung nicht zu stimmen, da Erasmus erst in seinem Briefe an More vom i . M ä r z 1517 um die Zusendung der Papiere Lupsets bittet 3 ). Aber jedenfalls wird man den Brief Morillons nicht als ein Zeugnis für das Vorhandensein eines gedruckten Exemplars des Dialogs ansehen können. U m den Brief Morillons zum Beweis der Zweideutigkeit des Erasmus verwenden zu können, gibt Pineau an, daß »dieser Brief in dem Manuskript von Deventer geblieben« sei 4 ), das soll heißen: Erasmus hat diesen Brief nicht in die von ihm selbst veröffentlichten oder redigierten Briefsammlungen aufgenommen. Er hat ihn also nicht in der Öffentlichkeit bekannt werden lassen. Der Grund dafür soll nach Pineau das dem Erasmus für den Julius-Dialog gespendete Lob Morillons gewesen sein. Aber auf diesen Gedanken kann man nur kommen, wenn man in dem Urteil Morillons über den Dialog nicht bloß die Ähnlichkeit des Stils, sondern auch die Verfasserschaft des Erasmus ausgesprochen findet. Außerdem ist aus dem Deventer-Buch eine sehr große ') considering that it had probably not yet been printed, but was only being circulated in manuscript (Mangan II, S. 68). 2 ) Allen II, ep. 5 0 2 , gff. 3) Remitte exemplaria epistolarum quas nunc mitto, et quae reddidit Lupsetus, sed per hominem certum (Allen II, ep. 5 4 3 , 3 2 f r . ) . 4) cette lettre est restée dans le manuscrit de Deventer (S. 17).

222

Zahl von Briefen ebenfalls nicht veröffentlicht worden, ohne daß in ihnen vom Julius-Dialog die Rede wäre . M a n wird bei vielen dieser Briefe überhaupt keinen bestimmten Grund für ihre Fortlassung aus den gedruckten Briefsammlungen erkennen können. Im Hinblick auf den Brief Morillons wird man die NichtVeröffentlichung vielleicht mit größerem Rechte auf die »nugae« und die fein formulierten Bosheiten im Anfang des Briefes zurückführen dürfen, in denen sich Morillon reichlich unbefangen und ironisch über Barbirius ausspricht 2 ). Daß die Erwähnung des Julius-Dialogs Erasmus nicht als bedenklich erschien, beweist sein Brief an More vom i. März 1517, in dem er die Nachricht Morillons, daß der Dialog in den Händen des Kanzlers ist und ihm ausgezeichnet gefällt, weitergibt 3 ). Diesen Brief hat Erasmus ohne Bedenken in die Farrago aufgenommen 4). V o n diesem Brief des Erasmus an More vom 1. März 1517 gibt Pineau zu, daß in ihm nichts darauf hindeutet, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs sei 5 ). »Aber«, so fährt Pineau fort, »warum freut sich Erasmus, w i e ü b e r e i n e n p e r s ö n l i c h e n E r f o l g , über das Lob, welches das kleine Buch in der Brüsseler hohen Gesellschaft findet?« 6) Man kann auf diese Frage nur mit der Gegenfrage antworten: Woher weiß Pineau, daß Erasmus den Erfolg des Dialogs als einen »persönlichen Erfolg« empfindet? Pineau hatte selbst unmittelbar vorher festgestellt, daß nichts in dem Briefe auf die Verfasserschaft des Erasmus hindeutet; als »persönlichen Erfolg« konnte Erasmus den Erfolg des Buches Allen I, A p p . V I I I , 2)

Allen I I , ep. 532, 1 ff.

3)

Allen,

ep. 5 4 3 , 9 :

S. 603fr.

Dialogus

ille Iulii et

Petri, ut

intelligo,

iam

TCÖ KayKEÀÀapico p e y à À o ) in manibus est et unice placet. 4)

Allen, ep. 543 Überschrift.

5)

R i e n n'indique ici qu' Érasme en soit l'auteur

6)

mais pourquoi se réjouit-il, comme

d'un

(S. 17).

succès personnel,

des

éloges q u ' obtient le petit livre dans cette haute société bruxelloise? (ib.).

223

aber nur dann empfinden, wenn er der Verfasser war, so daß in seiner Freude über den »persönlichen Erfolg« also doch ein Hinweis auf seine Verfasserschaft liegen würde. Die Freude des Erasmus an dem »persönlichen Erfolg« kann man nur dann in seine Worte hineinlesen, wenn man sich bei der Deutung der Worte des Erasmus ausschließlich von der Voraussetzung leiten läßt, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs ist. Im Gegensatz zu Pineaus Äußerung, daß sich in dem Briefe an More nichts findet, was darauf hindeutet, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs sei, sieht Mangan in diesem Briefe an More den ersten, wenn nicht den am meisten überzeugenden Beweis dafür, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs ist *). In der Annahme, daß der Dialog damals nur als Handschrift existierte, folgert Mangan, daß Erasmus selbst dies Manuskript an den Kanzler von Burgund geschickt habe 2 ). Das ist allerdings eine völlig unbegründete Vermutung, da Erasmus von der Stellungnahme des Kanzlers nur durch die Vermittlung Morillons weiß. Aus dem Ton, in dem Erasmus berichtet, daß der Dialog dem Kanzler »unendliches« Vergnügen bereitet hat, meint Mangan schließen zu dürfen, daß Erasmus eben dasselbe »unendliche« Vergnügen gehabt habe und daß dies beweise, daß er der Verfasser sei 3 ). Aber Erasmus konnte für seine Freude an dem Erfolg des Dialogs auch andere Gründe haben, Gründe, die es verständlich machen, daß er mit seinen vertrauten Freunden über den Dialog lachen und doch mit aller Entschiedenheit ') it is the first, if not the most convincing argument that he was the author of it (Mangan II, S. 68). 2 ) and who would be more likely to send it to his patron than Erasmus himself (1. c.). 3 ) From the tone of this remark it is allowable that it pleased Erasmus immensely also (1. c.).

224

die Verantwortung für den Dialog ablehnen konnte. Man muß sich die geschichtliche Lage vergegenwärtigen, in der sich Erasmus in den Jahren 1517 und 1518 befand. Seine Angriffe auf das Mönchstum und auf die scholastische Wissenschaft hatten eine scharfe Gegenwirkung hervorgerufen. Aus dem Briefwechsel des Erasmus geht deutlich hervor und es wird auch von den Biographen des Erasmus einmütig hervorgehoben, daß diese Jahre für Erasmus kritische Jahre waren. Es war nicht bloß seine Empfindlichkeit, die sich unter dem Eindruck, daß sein Ruhm in Frage gestellt wurde, bis zur Nervosität, ja, fast bis zum Verfolgungswahn steigerte. Er empfand auch die Gefahr, die seine Lebensaufgabe bedrohte. In seinem Dienst an den bonae literae verband sich sein persönliches Interesse mit seiner ihm durch seine Begabung und durch die geschichtliche Lage des kulturellen Lebens bestimmten Sendung. Es war nicht bloß seine Eitelkeit, der er mit seiner nie ermüdenden Zähigkeit und seinem schaffensfreudigen Fleiß diente, — er war zugleich auch von der Uberzeugung durchdrungen, mit seiner Arbeit der Menschheit zu dienen, ihrem Fortschritt zu feinerer Bildung und — wie er meinte — damit auch zu moralischer Besserung. Mit seinem Eintreten für die humanistische Bildung des Altertums war sein Kampf gegen das Mönchstum und gegen die mit diesem verwachsene scholastische Wissenschaft gegeben. In diesem Kampf mußte ihm die Anprangerung der kirchlichen Entartung, wie sie der Julius-Dialog vollzog, höchst erwünscht sein. Der Kampf, den der Dialog führte, unterscheidet sich allerdings von dem des Erasmus dadurch, daß er die kirchliche Entartung von der politischen Seite her angriff, während es sich für Erasmus um die Frage der Bildung handelte; aber im Ziel fanden sich beide zusammen: Das Ziel war für beide die Erschütterung des mittelalterlichen l ) Er spricht wiederholt von einer conjuratio: Allen I V , ep. ioa8, i8> ep. 1029, a.

15

S t a n g e , Erasmus

225

Systems. Deshalb konnte Erasmus im Kreis der gleichgesinnten Freunde seinem Einverständnis mit dem Dialog Ausdruck geben und mit ihnen über die Bloßstellung des gemeinsamen Gegners lachen. Auch der Dialog war in seinem witzigen Spott ein Musterbild humanistischer Überlegenheit und mit seiner rücksichtslosen Kritik ein Aufruf zu humanerer Bildung. Auf der anderen Seite mußte Erasmus diese Art des Angriffs verurteilen. Es war nicht bloß seine ausgesprochene Gelehrtennatur, die ihn von der Politik fernhielt. Er hatte zugleich das instinktive Gefühl, daß die Vermischung des literarischen Kampfes mit der Politik für den Erfolg der humanistischen Bestrebungen eine Gefahr war. Der Dialog griff das mittelalterliche System an dem Punkte an, an dem es am stärksten, am unangreifbarsten war. Die Verbindung des mittelalterlichen Systems mit der weltlichen Gewalt war die festeste Grundlage des römischen Kirchentums. Die Geschichte hat Erasmus recht gegeben, daß diese Grundlage durch die Mittel des Humanismus nicht zu erschüttern war. Der Julius-Dialog ist sogleich nach seinem Erscheinen unterdrückt worden und hat auch nach seiner Wiederbelebung in den Jahren 1517 und 1518 nur ein verborgenes Dasein geführt. J a , man kann sogar sagen: gerade die eindrucksvolle Schilderung, die der Dialog von der weltlichen Herrlichkeit des Papstes gibt, bringt die Ohnmacht dieses Angriffs zum Bewußtsein. Der Julius-Dialog hat nur in der Geschichte der satirischen Literatur eine Rolle gespielt, aber als politische Aktion ist er ein völliger Fehlschlag gewesen. Es ist deshalb nur ein Beweis für das sachliche Urteil des Erasmus, wenn er sich mit allen Kräften dagegen wehrte, durch den Dialog kompromittiert zu werden. Seine mönchisch-scholastischen Gegner hätten sich nichts Besseres wünschen können, als daß sein Kampf gegen ihre Torheiten zu einem Kampf gegen die kirchliche Autorität gestempelt wurde. Demgegenüber gibt sich Erasmus die größte Mühe, 226

seinen römischen Freunden ihre Zusammengehörigkeit mit der humanistischen Bildung zum Bewußtsein zu bringen und die Unwissenheit und mangelnde Bildung seiner mönchischscholastischen Gegner zu unterstreichen. Mit allen Mitteln humanistischer Beredsamkeit sucht er den Papst und die Kardinäle auf seine Seite zu ziehen. Seine Haltung gegenüber dem Julius-Dialog ist also durchaus folgerichtig. Als Genießer humanistischer Geistigkeit kann er sich über den schlagenden Witz und die treffsichere Kritik des Dialogs aufrichtig freuen; aber das ist nur eine esoterische Freude im kleinen Kreise der humanistischen Aristokratie. Die Veröffentlichung des Dialogs dagegen kann er nur bedauern. Sie wird nicht bloß ihm persönlich, sondern den bonae literae überhaupt schaden. Erasmus nimmt damit dem Dialog gegenüber nur dieselbe Stellung ein, die der Humanismus allgemein gegenüber der satirisch-polemischen Literatur einnimmt: man gibt sie nur unter der Hand weiter. Zum mindesten müssen diese Schriften — wenn sie doch gedruckt werden — anonym bleiben. Erasmus brauchte nicht erst der Verfasser des Dialogs zu sein, um die Veröffentlichung des Dialogs zu bedauern und als eine Gefährdung der humanistischen Bestrebungen anzusehen. Auch wenn er gar nichts mit dem Dialog zu tun hatte, mußte er doch fürchten, daß der Ärger, den der Dialog in Rom auslösen würde, seine römischen Gönner veranlassen konnte, den humanistischen Wünschen gegenüber ihr Ohr zu verschließen. Und gerade jetzt, wo seine im Wettbewerb mit der Komplutensischen überhastete Ausgabe des Neuen Testaments so reichen Stoff zu ernsten Angriffen auf ihn bot, bedurfte er der Nachsicht und der Gunst der Kurie mehr als je. Als einen Beweis für das Wissen der Freunde und die Zweideutigkeit des Erasmus führt Pineau weiterhin auch eine Äußerung des Erasmus in einem seiner Briefe an Wolfgang Capito an. Erasmus sagt in seinem Briefe vom 19. Oktober 15*

227

1518: ,,'O'loüAios iam passim vulgatus est ac saepius excusus. O intemperias! 1 ) " Aus dieser kurzen Bemerkung geht nur hervor, daß Erasmus die zunehmende Verbreitung und wiederholte Veröffentlichung des Dialogs bedauert. Allen sieht in diesen Worten eine weitere Bestätigung dafür, daß die Baseler Freunde den Julius im Manuskript kannten und »wahrscheinlich« über die Verfasserschaft des Erasmus unterrichtet waren 2 ); aber weder das eine noch das andere ist in den Worten des Erasmus auch nur angedeutet. Wenn Erasmus schreibt: der Dialog sei nunmehr »häufiger« gedruckt, so könnte das auch heißen: »nicht bloß einmal« in der den Baselern bekannten Ausgabe. Die ersten Ausgaben des Dialogs sind vermutlich schon 1517 in Basel und vielleicht auch in Köln gedruckt. Daß die Baseler Freunde von einer Handschrift des Dialogs wußten, steht fest; aber der Brief an Capito kann zur Bestätigung dieser Tatsache nicht herangezogen werden. Ebenso wenig kann man aus diesem Briefe die Verfasserschaft des Erasmus herauslesen. Bedenklich ist diese Äußerung in dem Brief an Capito nur dann, wenn Erasmus mit dieser Äußerung auf die im September 1518 in Löwen bei Dirk Maertens erschienene Ausgabe hindeuten will. Man kann kaum annehmen, daß diese Ausgabe ohne seine Zustimmung erfolgt sein sollte; aber was soll dann der Ausruf: O intemperias! Man könnte meinen, dieser Ausruf sei von Erasmus im Sinne seiner Gegner hinzugefügt, also ironisch aufzufassen. Aber andrerseits stimmen diese Worte ganz mit dem sonstigen Urteil des Erasmus überein, daß die Veröffentlichung des Dialogs unter allen Umständen zu verwerfen sei. Man wird infolgedessen vielleicht mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß Erasmus trotz seiner Allen III, ep. 877, lof. ) This passage should have been quoted there as a further indication that Erasmus' friends at Basle had seen the Iulius in ms. and probably were aware of his authorship (Allen III, ep. 877, 10 Anm.). 2

228

nahen Beziehungen zu Dirk Maertens mit der Veröffentlichung im September 1518 nicht vorbehaltlos einverstanden gewesen ist 1 ). Kurze Zeit nach diesem Briefe an Capito, am 1. Januar 1519, schreibt Erasmus an Thomas More, seine Verleumder in Köln setzten alles in Bewegung, um ihm zu schaden. Sie hätten auch manche in dem Sinne zu bereden gewußt, daß er jenes gottlose Buch geschrieben habe, das nicht bloß einmal verbrannt zu werden verdiene, und sie würden noch mehr beredet haben, wenn er nicht persönlich die höchst unverschämte Verleumdung zurückgewiesen hätte 2 ). Daß es sich hier um den Julius-Dialog handelt, wie Allen annimmt 3 ), ist wohl sicher. Erasmus schickt More, für den Fall, daß auch in England der Verdacht gegen ihn laut geworden ist, einen Brief, den er an Paulus Bombasius (zu seiner Verteidigung) geschrieben hat, — da es zuviel Zeit koste, mehreren dasselbe zu schreiben. Erasmus bemerkt weiter, er habe zunächst die Absicht gehabt, sich an den Papst zu wenden, damit dieser seinen Verleumdern ihr Handwerk lege, habe nun aber in Basel mit dem Nuntius Pucci über diese Angelegenheit gesprochen 4). Pineau setzt zu diesen Ausführungen die Frage: Que signifie cette comédie? J e ne pense pas qu'Érasme veuille convaincre !) S. unten S. 266 f. 2

) Ut

nusquam cessant sycophantae mei, ut nullum non

lapidem, quo noceant Erasmo!

movent

Persuaserant Coloniae uni atque alteri

libellum illum impium et non uno incendio dignum a me conscriptum fuisse, persuasuri retudissem

pluribus,

ni praesens impudentissimam

(Allen I I I , ep. 908,

calumniam

iff.).

3

) Allen I I I , ep. 908, 3 A n m .

4

) Quodsi quid huius suspicionis apud vos quoque subortum est . . .

mitto ad te exemplar literarum mearum ad Paulum Bombasium; nam perlongum sit eadem pluribus scribere. . .

Pridem erat in animo sub-

monere Pontificem summum ut huiusmodi licentiae indies magis magis

gliscenti

finem

imponeret;

sed

nondum

incidit

ac

commoditas.

Antonium Puccium oratorem tamen admonui Basileae, et recepit se curaturum (Allen I I I , ep. 908, 5 ff.).

229

More lui-même: ces dénégations sont destinées à passer sous les yeux d'autres lecteurs 1 ). Aber inwiefern soll es eine Komödie sein? Erasmus setzt voraus, daß More den libellus ille impius kennt und daß More weiß, daß das in dem Brief des Erasmus ausgesprochene Urteil über denselben berechtigt ist. Wie hätte er sonst den Dialog als libellum illum impium bezeichnen können! Deshalb braucht Erasmus in der Tat More nicht zu überzeugen. Wenn er ihm den Brief an Bombasius mitschickt — der uns übrigens nicht erhalten ist und dessen Inhalt wir infolgedessen nicht kennen — , so ist das eine eindrucksvolle Geste. Erasmus zeigt damit, daß er selbst die Angelegenheit in Rom anhängig macht, daß er also nicht bloß sich nicht vor Rom fürchtet, sondern seinerseits die Kurie zur Abwehr jener Verleumdungen in Anspruch zu nehmen beabsichtigt, — wie er es denn auch im Hinblick auf die Angriffe auf seine Ausgabe des Neuen Testaments tatsächlich ausgeführt hat 2 ). Pineau meint: Cette lettre, en effet, a toutes les allures et les intentions d'une circulaire. More est prié, s'il en est besoin, de la répandre et de la faire lire autour de lui 3). Aber folgt schon aus der Bitte des Erasmus, More möge etwaigen Verdächtigungen in England entgegentreten, daß die Aussagen des Erasmus falsch sind und daß More das weiß? Daß sie also miteinander Komödie spielen? Nach Huizinga hat Erasmus das gerade Gegenteil von dem getan, was Pineau annimmt: Erasmus spielt nicht — wie Pineau meint — mit More eine Komödie, die für die Augen der anderen bestimmt ist, sondern er verleugnet aus Furcht vor den Folgen auch More gegenüber seinen Anteil an dem Briefe 4). Aber nachdem More schon in der Lupset-AngeS. 18. 2)

V g l . seinen Brief an Leo v o m 13. August 1519 (Allen I V , ep. 1007).

3)

1. c.

4)

H i j heeft het auteurschap van den Iuliusdialoog uit vrees voor de

gevolgen S. 176).

230

allervlijtigst

verloochend,

zelfs tegenover

More

(Huizinga,

legenheit als Vertrauter des Erasmus mitgewirkt hatte und — wie er später mitteilt — schon vor der Lupset-Angelegenheit durch Poncher über die Herkunft des Dialogs unterrichtet worden war, brauchte Erasmus ihm gegenüber seine Verfasserschaft nicht zu verleugnen, da More wußte, daß Erasmus nicht der Verfasser war. Von den intimen Freunden des Erasmus bringt Peter Gilles (Petrus Aegidius) in Antwerpen am 19. Juni 1518 eine ganz kurze Bemerkung über den Dialog, die den Eindruck erweckt, als ob zwischen ihm und Erasmus über den Dialog noch nicht gesprochen worden sei. Gilles teilt mit, daß ein Dialog eines unbekannten, aber durchaus gelehrten Verfassers über den Papst Julius in Antwerpen hier und da verkauft werde. Jedermann kaufe ihn und jedermann rede von ihm. Gilles wünscht dringend, daß Erasmus ihn gesehen haben möchte, obgleich es wohl nicht zweifelhaft sei, daß er auch in Basel verkauft werde 1 ). Nach dem Verfahren Pineaus müßte man diesen Brief, den Pineau nicht berücksichtigt hat, als bestellte Arbeit auffassen. Es soll der Eindruck entstehen, daß Erasmus den Dialog überhaupt noch gar nicht kennt, sondern erst im Juni 1518 durch Gilles kennenlernt. Aber Erasmus konnte unmöglich daran denken, diesen Eindruck erwecken zu wollen, nachdem sein Brief an Caesarius vom 16. August 1517 bereits im März 1518 durch Ortwein Gratius veröffentlicht worden war und außerdem schon seit August 1516 den Baseler Freunden die Existenz einer von der Hand des Erasmus geschriebenen Abschrift des Dialogs bekannt war. Aus dem Brief an Caesarius vom Dialogus nescio cuius autoris, prorsus tarnen eruditi, de Iulio hic passim venditur: hunc nemo non emit, nemo non habet in ore. Hunc te vidisse maxime vellem; quanquam non dubium quin isthic quoque venumdetur (Allen I I I , ep. 849, 31 ff.). Es ist zu beachten, daß die auch sonst in der humanistischen Literatur vorkommende Formel: nescio cuius, nicht bedeutet, daß man über den Verfasser im Unklaren sei, sondern daß es sich um einen anonymen Verfasser handelt.

231

i6. August 1517 und aus dem Brief an Hermann von Neuenahr vom 25. August 1517 geht hervor, daß schon damals in Köln Erasmus für den Verfasser des Dialogs gehalten wurde. Das Gleiche gilt auch von Nürnberg, wo Christoph Scheurl im September 1517 bereits den Dialog kennt und für ein Werk des Erasmus erklärt. Aber das Beispiel Scheurls zeigt auch, daß die Verbreitung des Dialogs im Geheimen erfolgte, so daß z. B. an der Universität Wittenberg nur Luther ihn kannte, aber keiner der anderen intimen Freunde Scheurls . Dementsprechend ist es auch nicht unmöglich, daß nicht alle intimen Freunde des Erasmus von dem Dialog wußten, während andererseits Erasmus unmöglich im Oktober 1519 den Brief Gilles' in der Farago — also ausgerechnet bei Froben in Basel — veröffentlichen konnte, um dadurch den Anschein zu erwecken, als ob er erst durch Gilles von dem Dialog Kunde erhalten hätte. Eine weitere Äußerung aus dem Kreis der Freunde des Erasmus über den Dialog ist in dem — ebenfalls von Pineau nicht berücksichtigten — Briefe Martin Dorps vom 14. Juli 1518 enthalten. Dorp spricht von mehreren ihm unerfreulichen Schriften — den Lamentationes des Ortwein Gratius, einer gegen Reuchlin gerichteten Schrift und den Bemühungen des Faberschen Kreises — und tröstet sich gegenüber diesen Dingen, die ihm die Freude an der Wissenschaft verderben könnten, mit der alles überwindenden, sieghaften Kraft des Erasmus. In diesem Zusammenhang erwähnt er dann schließlich auch den Libellus de Iulio coelis excluso und sagt von ihm, daß alle ihn lesen und zu seiner Verwunderung nur wenige ihn ablehnen; aber auch hier zeige sich wieder die Überlegenheit des Erasmus, der mit Recht dem V e r f a s s e r z ü r n e , weil er die humanistische Wissenschaft — noch dazu in der für sie so kritischen Zeit — unbeliebt macht 2 ). 1 2

) S. unten Kap. 6. ) Libellum de Iulio P. M. coelis excluso passim legunt omnes, et

232

Nimmt man die Worte Dorps so, wie sie dastehen, so besagen sie, daß Dorp, der in dieser Zeit mit Erasmus in engster Verbundenheit stand, weiß, daß Erasmus dem Verfasser des Dialogs grollt, und zwar wegen der üblen Folgen, die der Dialog für die humanistische Wissenschaft haben muß. Es wird nicht mehr bloß die Veröffentlichung verurteilt, sondern auch der Verfasser selbst. Erasmus hat sich nach dem Zeugnis Dorps gegenüber dem Verfasser des Dialogs verabstandet. Er steht im Gegensatz zu dem Verfasser, ist also nicht selbst der Verfasser. Der Dialog gehört mit den unmittelbar vorher genannten Schriften zusammen, d. h. zu der dem Humanismus schädlichen Literatur x). Das merken allerdings die meisten nicht. Es lesen ihn alle, — wegen seiner glänzenden Diktion und seiner sensationellen Kritik an der Autorität des Papstes; aber wenige sind sich klar über die Folgen, die den humanistischen Kreisen erwachsen werden: es kann nicht ausbleiben, daß sich dieser schrankenlose Mißbrauch humanistischer Intelligenz in unheilvoller Weise auswirken wird. Auch dieser Brief Dorps ist von Erasmus ebenso wie der Brief Gilles' in die Farrago aufgenommen worden. Aber auch hier wird man nicht von bestellter Arbeit reden können. Die Äußerungen Dorps tragen schon insofern den Stempel überzeugter Aufrichtigkeit an sich, als sie — im Unterschied von dem »unendlichen Gelächter« Morillons — ein tiefer greifendes Urteil über die Bedeutung und Tragweite des Dialogs aussprechen. Diejenigen, die sich in der Weise Morillons nur über den geistreichen Spott des Dialogs amüsieren, sehen nur die eine Seite der Sache, während Dorp durch Erasmus gelernt hat, die Dinge ernster anzusehen: man darf über dem haud scio quo pacto pauci damnant: etsi tu quidem iusta in autorem ratione stomacheris, qui literas facit esse, si nunquam alias, hac maxime tempestate invisas (Allen III, ep. 852, 50fr.). x ) Genau ebenso stellt auch Erasmus den Julius mit den Epistolae obscurorum virorum zusammen (Allen III, ep. 636, 5ff.).

233

literarischen Kitzel nicht die Auswirkung des Dialogs auf die gegebenen Verhältnisse der Wirklichkeit vergessen. In dieser ernsteren Beurteilung des Dialogs findet die Stellungnahme Dorps eine gewisse Parallele an der Stellungnahme Luthers, der — wenn auch in anderem Sinne — an dem bloßen Gelächter über den Dialog sich nicht beteiligen wollte . Man könnte sogar sagen: wenn Erasmus diese Bemerkungen Dorps durch die Aufnahme in die Farrago der Öffentlichkeit bekannt machte, so war das eigentlich kein Beweis besonderer diplomatischer Klugheit. Wenn Erasmus selbst dazu half, die Verantwortung für den Dialog dem Humanismus aufzubürden, so bot er damit seinen Gegnern eine Waffe dar, die sie gegen ihn verwenden konnten. Sie konnten darauf hinweisen, daß Erasmus selbst und seine Freunde den Zusammenhang des Dialogs mit dem Humanismus anerkannten und ein Vorgehen der kirchlichen Autorität gegen den Humanismus infolge der in dem Dialog gegebenen Enthüllung der antirömischen Gesinnung des Humanismus für selbstverständlich hielten. Es wäre viel klüger gewesen, wenn Erasmus sich darauf beschränkt hätte, den Zusammenhang des Dialogs mit der Pariser Komödie und damit den Zusammenhang des Dialogs mit der französischen Politik zu unterstreichen. Damit hätte er — den tatsächlichen Verhältnissen durchaus entsprechend — eine scharfe Linie zwischen den rein literarisch-moralischen Bestrebungen der bonae literae und der politischen Intrige des Dialogs gezogen und seinen Gegnern die Verwendung des Dialogs im Kampf gegen die bonae literae unmöglich gemacht. Der Eindruck, den man aus dem Briefwechsel des Erasmus von der Stellungnahme des Erasmus und seiner Freunde gegenüber dem Dialog bekommt, ist also keineswegs so eintönig, wie es der Fall ist, wenn man in jeder Äußerung in 1

) S. unten Kap. 6.

234

diesen Briefen nur eine Masche in dem Lügennetz sieht, welches Erasmus über seine Verfasserschaft zu breiten sucht. Aus der verschiedenen Stellungnahme der Freunde sieht man, daß Erasmus keine einheitliche Parole ausgegeben hat, wie er es nachher in seinem höchst unerfreulichen Streit mit Lee allerdings getan hat

. Gilles erfährt von der Existenz des Dialogs

erst im J u n i 1 5 1 8 , — was vielleicht daraus zu erklären ist, daß Antwerpen kein eigentliches Zentrum des Humanismus w a r — , Morillon empfindet bloß die Komik des Falles, und Dorp sieht voll Besorgnis auf die drohenden Folgen, während More über den Zusammenhang der Dinge genau unterrichtet ist und Erasmus bei der Abwehr der Angriffe auf ihn hilft. Nach der modernen Erasmusforschung sind die Freunde des Erasmus alle zu einem Geheimbund zusammengeschlossen: sie ergötzen sich voll Schadenfreude an dem genialen Streich, den Erasmus dem Papsttum gespielt hat, und suchen zugleich ' j Mangan II, S. 17 fr. Besonders raffiniert sind die Anweisungen, die Erasmus in seinem Briefe an Jodocus Jonas vom 9. April 1520 gibt: Nunc superest alter actus, ut amici scribant literarias censorias in Leum, sed ita ut laudent et doctos et principes Angliae doctis faventes, Leum unum, onerent; et hunc magis rideant ut stultulum, ut gloriosulum, ut fucatulum, quam ut insectentur. Cuperem colligi multas epistolas tales, quo magis obruatur. Colligantur a doctis et ad me mittantur per certos homines; ipse recognoscam et curabo edendas. Sit in his magna varietas. Dedi Wilhelmo Neseno quo vos instituât. . . . Saluta amicos omnes, et si quid amant Erasmum, hunc Leum tractent ut dignus est (Allen IV, ep. 1088, 3ff.). Vgl. ep. 1085, iofF.: Ceterum quomodo monstrum hoc natum in perniciem bonorum studiorum, sit a vobis expediendum, ex amicorum literis cognoscetis, quibus hoc negotii dedimus. Sehr bezeichnend ist auch folgende Äußerung des Erasmus: Ego intérim technis omnibus venor librum, nullas non tendens insidias, videlicet quo paratior essem ad respondendum si quando ille sua evulgasset. Sed frustra omnia; nam ille non paulo vigilantior erat in celando quam ego in vestigando. Tentatus est scriba ille tertius promissa pecunia. Coeperat apud Atensem describi. Olfeceram, etiam duas pagellas interceperam; habiturus et ceteras, ni ex meo colloquio suboluisset Atensi scribam non sat bona fide celasse rem. Id ubi sensit Leus, ab Atensi repetit codicem (Allen IV, e P- 99 8 , !7> Anm.).

235

das Geheimnis des Dialogs zu verhüllen; in Wirklichkeit aber zeigen ihre Briefe, daß ihre Stellungnahme sehr verschieden ist und daß sich die ganze Stufenfolge der Empfindungen, die der Dialog hervorrufen konnte, auf sie verteilt. In dieser Mannigfaltigkeit der Auswirkung des Dialogs zeigt sich die lebendige Wirklichkeit der Geschichte, während es den Eindruck einer unnatürlichen Konstruktion macht, wenn jedes in dieser Angelegenheit gesprochene Wort in den Dienst der Verlogenheit des Erasmus gestellt wird. 5. E R A S M U S

U N D

DIE

L Ü G E

Den Vorwurf der Verlogenheit suchen die Kritiker des Erasmus allerdings dadurch abzuschwächen, daß sie behaupten, er habe niemals klar und eindeutig bestritten, daß er der Verfasser sei. Schon Jortin hatte, wie bereits erwähnt worden ist, festgestellt, daß Erasmus nur geleugnet habe, die Schrift »veröffentlicht« zu haben, aber nicht, daß er sie »geschrieben« habe. Diese gewaltsame Ausdeutung der Äußerung des Erasmus, er habe den Dialog nicht »herausgegeben«, haben sich die Nachfolger Jortins einmütig angeeignet x ). Allen sagt, Erasmus habe sich immer nur zweideutig geäußert und niemals »direkt« seine Verfasserschaft bestritten 2 ). Pineau geht in diesem Sinne die einzelnen Äußerungen des Erasmus durch 3 ). Ebenso meint auch Huizinga, Erasmus habe immer vermieden, regelrecht zu sagen, er habe es nicht geschrieben 4 ). Und unter Berufung auf Allen eignet sich auch Mangan das Urteil Jortins an: auch nach Mangan hat Erasmus niemals S. o. S. 212. 2)

there can be no doubt that he was the author of it; although by

m a n y equivocal utterances —

none of which is a direct denial —

attempted to conceal the fact (Allen I I , S. 419 oben).

he

V g l . Allen, T h e

age of Erasmus, S. 185: the rest he endeavoured to persuade, that he was not the author, using m a n y forms of equivocation. 3) S. 4 ff. 4)

236

S. oben S. 2 i 2 f .

geradeheraus seine Verfasserschaft abgeleugnet. Als Grund dafür gibt Mangan die Vermutung an, daß die Tatsache seiner Verfasserschaft zu vielen seiner nächsten Freunde — leider nennt Mangan keinen einzigen — bekannt war. Erasmus sei verschwenderisch in allen Arten von Zweideutigkeiten gewesen, um den Verdacht abzuwehren x ). Aber nach allem Bisherigen bedarf es nicht mehr einer umständlichen Nachprüfung der einzelnen Äußerungen des Erasmus, um zu zeigen, daß Erasmus sich in Wirklichkeit nicht in Zweideutigkeiten gehüllt, sondern mit aller Bestimmtheit jeden Anteil an dem Dialog bestritten hat. Er hat nicht bloß die »Veröffentlichung« des Dialogs verurteilt, sondern es auch für töricht, kindisch und eines ernsten Mannes unwürdig erklärt, derartige Dinge zu schreiben 2 ). In seinem Brief an Caesarius schreibt er: »Ich bin erstaunt, daß man seine Zeit und seine Mühe an solche Arbeiten verlieren kann« 3 ). Mit pedantischer Spitzfindigkeit kann man allerdings feststellen, daß Erasmus »man« sagt und nicht »ich«. Aber unter dem »man« befindet sich doch auch er. Huizinga hat ganz recht; hier steht nicht im grammatischen Sinne: »ich habe es nicht geschrieben«, — aber gedanklich verhält es sich doch so: in der allgemeinen Formel des »man« ist der besondere Fall des erasmischen »ich« miteingeschlossen. Zu allem Überfluß fügt Erasmus denn auch sofort die Anwendung des »man« auf das »ich« hinzu. Es ist, als ob er die Strenge und Peinlichkeit seiner späteren Kritiker geahnt hätte: »Im übrigen wundere ich mich, daß man m i c h im Verdacht hat, eine so ausgemachte Torheit 1 ) he never denied flatly its authorship, for the reason, we suppose, that the fact was known to too many of his closest friends for any such denial; but he was lavish in all sorts of equivocations whereby to throw suspicion off the scent (Mangan II, S. 70). 2 ) istiusmodi nenias . . . indignas eruditis ac probis viris (Allen I I I , ep. 622, 30). 3 ) Demiror quid istis in mentem veniat, cum sie otium et operam perdunt (Allen III, ep. 622, i8f.).

237

verfaßt zu haben x ).« Gewiß kann man auch hier wieder sagen: Erasmus habe auch hier nicht die einfache Formel gebraucht, daß er es nicht geschrieben habe, sondern er lehne nur den Verdacht ab, daß er es geschrieben habe. Aber auf ernsthafte Beachtung wird man mit einer derartigen Auslegung nicht rechnen können. Erasmus lehnt nicht bloß den gegen ihn gerichteten Verdacht ab—obgleich schon dies eine ausreichend bestimmte Erklärung w ä r e — , sondern er bezeichnet dabei die Schrift auch noch als »ausgemachte Torheit«, — was doch abermals nur als eine Ablehnung verstanden werden kann. Man kann allerdings hiergegen einwenden, daß Erasmus im Hinblick auf sein Buch über die Torheit später gewisse Zugeständnisse gemacht und die allzu große Freiheit der dort geübten Kritik gewissermaßen bedauert hat, daß er also den Spott, den er gegenüber dem Julius-Dialog für unvereinbar mit der Würde eines ernsthaften Mannes erklärt, in jener früheren Schrift tatsächlich geübt hat. Aber Erasmus hat dabei doch immer den Abstand zwischen dem »Lob der Torheit« und dem Julius-Dialog betont. In der Schrift über die Torheit handelt es sich immer nur um Typen, nicht um einzelne Personen 2 ), und außerdem erscheinen die Torheiten der kirchlichen Autoritäten in der Schrift über die Torheit als ein einzelnes Glied in der Kette der menschlichen Torheiten überhaupt. Das Reich der Torheit ist so allgemein, daß es sich auch über die höchsten Spitzen der menschlichen Gesellschaft erstreckt. In dem Bewußtsein der Solidarität mildert sich der Stachel des Spottes. Im Dialog dagegen ist es eine einzelne Person, die erbarmungslos an den Pranger gestellt und mit allen Mitteln eines tötlichen Hasses moralisch vernichtet wird. x)

Ceterum admiror esse qui suspicentur tarn insignem ineptiam a

me profectam (Allen, ep. 622, 19f.). 2)

Lusimus et nos olim in Moria, sed nullius nomen a nobis perstrictum

est (Allen III, ep. 636, 4f.).

238

In seinem Briefe an Campegio versichert Erasmus, daß er alles, was er an Geist besitze, Christus und dem Wohle seiner Braut widmen »werde« . Für Pineau ist auch hier wieder die grammatische Form aufschlußreich. Erasmus sagt: dicabitur — er wird in Z u k u n f t mit allen seinen Kräften der Kirche dienen. Ein Mann, der so wie Erasmus der Feinheiten der Sprache mächtig war, denkt bei dieser Versicherung für die Zukunft an die Irrtümer und Fehler der Vergangenheit 2 ). Erasmus denkt an die Moria und — so fügt Pineau hinzu — »ohne Z w e i f e l an den Julius« 3 ). Aber schon in dem Brief an Wolsey, der mit dem Brief an Campegio fast gleichzeitig ist, kehrt dieselbe Versicherung seiner Loyalität in der grammatischen Form der Gegenwart 4) und in dem Brief an Leo X . in der Form der Vergangenheit wieder 5 ). Diese an den einzelnen Worten des Erasmus geübte Silbensteclierei erweckt den Eindruck, daß es keine ernsthaften Gründe gibt, die Erklärungen des Erasmus über sein Verhältnis zum Dialog als zweideutig hinzustellen. Wenn Erasmus Angaben über den wirklichen Verfasser macht, so sagt er damit deutlich und einwandfrei, daß er selbst nicht der Verfasser ist. Wenn er die Beschuldigung seiner Gegner, daß er der Verfasser sei, als »Lüge« bezeichnet 6 ), so heißt das wiederum, daß er nicht der Verfasser ist. Wenn er von dem Stil des Dialogs sagt, daß es nicht sein Stil sei 7 ), so 1)

Si quid valet hoc ingenium, si quid hae literae, si quid industria,

id totum Christo et illius sponsae usibus dicabitur 2)

(Allen III, ep. 961, 62f.).

Pineau, S. 8 Anm. 15.

3)

Pineau, S. 9: Il pense à l'Éloge de la folie, et sans doute au Julius.

4)

hoc quicquid est ingenii, quicquid eloquentiae, id totum gloriae

Christi, Ecclesiae catholicae sanctisque studiis dedicatum

esse volo (Allen

III, ep. 967, i8gf.). 5)

Allen I V , ep. 1007, 72: Hoc quantulumcunque est ingenium semel

Christo dicatum est. 6)

Allen III, ep. 9 6 1 , 5 9 : qui de me talia

mentiuntur.

') S. o. S. 51 f.

239

erklärt er damit, daß er die Schrift nicht geschrieben hat. Wenn er sich darauf beruft, daß er niemals eine anonyme Schrift veröffentlicht h a b e s o will er damit bezeugen, daß er mit dem Dialog nichts zu tun habe. Wenn er nachdrücklich versichert, daß es ihm widerstrebe, irgend jemanden persönlich anzugreifen 2 ), so ist damit auch seine Verfasserschaft des Julius-Dialogs ausgeschlossen. Alle diese Wendungen haben den gleichen Zweck, seinen Anteil an der Schrift zu verneinen. Man mag immerhin alle diese Aussagen des Erasmus für Lügen erklären; aber man kann unter keinen Umständen behaupten, daß sich Erasmus über seinen Anteil am Dialog zweideutig ausgedrückt habe. Er hat sich sogar dazu verstanden, im Hinblick auf den Dialog durch einen feierlichen Eid seine Loyalität gegenüber der katholischen Kirche zu beteuern: »Ich rufe Christus an, daß er mir ewig z ü r n e , wenn ich nicht alles, was ich an Geist und Beredsamkeit besitze, ganz dem Ruhme Christi, der katholischen Kirche und den frommen Studien gewidmet wissen will« 3 ). Daß in der Tat die Äußerungen des Erasmus über sein Verhältnis zum Julius-Dialog als eine bedingungslose Ablehnung seiner Verfasserschaft gemeint sind, wird auch dadurch bestätigt, daß sie an der Stelle, auf deren Urteil es in dieser Angelegenheit hauptsächlich und in erster Linie ankam, in diesem Sinne verstanden worden sind. In der römischen Kurie hat man den Versicherungen des Erasmus geglaubt. Der Brief, den Erasmus am i. Mai 1519 an Campegio geschrieben hat, wird von diesem bereits am 4. Juli 1519 beantwortet. Mit unbedingter Rückhaitlosigkeit ver1 ) Allen III, ep. 967, 1 8 1 : Nullum adhuc opus conscripsi, neque conscripturus sum cui non praefigam meum nomen. 2 ) S. oben S. 55 f. 3 ) Allen, ep. 967, 189 fr.: Christum mihi Semper iratum imprecor nisi hoc . . .: vgl. S. 239, Anm. 4.

240

sichert der Kardinal Erasmus seines Vertrauens: die unter dem Namen des Erasmus veröffentlichten Schriften des Erasmus seien ein vollgültiger Beweis seiner Zuverlässigkeit. Es ergehe ihm, wie so oft berühmten Männern, daß ihn böswillige Menschen verleumdeten. Dabei nimmt Gampegio ausdrücklich auf den Julius-Dialog Bezug und erklärt bestimmt und ohne jede Einschränkung, er habe niemals weder in der Form der Behauptung noch in der Form der Vermutung zu anderen davon gesprochen, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs sei. Es sei wohl möglich, daß auch er durch den Witz und die Satire des Dialogs an die meisterhafte Beherrschung dieser Künste durch Erasmus erinnert worden sei, — wie ja Erasmus selbst gesagt habe, daß ihm alle derartigen Geisteserzeugnisse zugeschrieben würden; aber das seien Gedanken, die vor Gott, der allein auch die Gedanken der Menschen sieht und richtet, nicht bestehen können 1 ). Gegenüber allen den greifbaren Tatsachen, die gegen die Verfasserschaft des Erasmus sprechen, wie sie in dem Inhalt des Dialogs selbst, den Beziehungen des Erasmus zur Kurie, seinem eigenen Zeugnis und dem Zeugnis seiner Freunde vorliegen, handelt es sich bei den Gründen, die für seine Verfasserschaft angeführt werden, durchweg um un1 ) Quamobrem quicquid calumniae aliquorum insania vel iniquitas impingere tibi studuerit, dum quae alii licentiosius scribunt, ad te referunt, nihil est quod curas. Satis enim in his quae publicato nomine tuo profiteris, spectata est tua probitas; quae tametsi est magna, ea tarnen minime effugere potest quae illustria saepe ingenia non potuerunt, hoc est perversa hominum iudicia et malevolas detractationes. Et quod ad Dialogum attinet, istud velim mihi nunc credas me nunquam hoc de te dixisse aut affirmasse, aut dubium aliquibus reliquisse, te eius fuisse autorem. Potui fortassis, eam opinionem secutus qua dicis quicquid libellorum prodit hoc temporis quod salem aut aculeum aliquem habeat, tibi impingi id intra me cogitasse; sed humanas cogitationes quis videt, aut censuram in eis exercet? nisi qui cuncta videt et yeluti ab ipso Iapsa arguit (Allen I V , ep. 995, 48).

16

S t a n g e , Erasmus

241

begründete Vermutungen.

Dabei erscheint gegenüber der

Peinlichkeit, mit der die Worte des Erasmus und die für ihn sprechenden Tatbestände aus dem Wege geräumt werden, in überraschendem Gegensatz die Bereitwilligkeit, Beweise für die Verfasserschaft des Erasmus ausfindig zu machen und anzuerkennen.

Man meint sogar, bei Erasmus selbst, trotz

allem, was er gegen seine Beteiligung an dem Julius-Dialog gesagt hat, das Zugeständnis seiner Verfasserschaft finden zu können. Wie Pineau zu dem Brief des Erasmus an Campegio — ohne jeden Grund — es für »zweifellos« erklärt, daß Erasmus bei der Erwähnung seiner Jugendtorheiten an den JuliusDialog denkt 1 ), so macht Allen bei dem Briefe des Erasmus an Leo X . vom 13. August 1 5 1 9 die gleiche Entdeckung. In diesem Briefe an Leo X . bittet Erasmus den Papst, die Angriffe auf sein Neues Testament durch ein Machtwort zum Schweigen zu bringen, und gibt dabei eine Erklärung seiner unbedingten Ergebenheit gegenüber der Kurie ab 2 ). Wie auch sonst wiederholt, begegnet er auch in diesem Z u sammenhange dem naheliegenden Einwand, daß doch sein »Lob der Torheit« mit dieser Versicherung seiner Ergebenheit wenig im Einklang stehe. einst —

olim!

Vorbeugend gibt er zu, daß er

(es sind seitdem 10 J a h r e verflossen!)



»etwas« (quid) in allzu großem Übermut — entsprechend dem jugendlichen Alter — seinem gegenwärtigen

hervorgesprudelt habe;

Lebensalter seien nur ernste

heilige Dinge angemessen 3 ).

aber und

Nach der Auffassung Allens

hat Erasmus dabei »zweifellos« auch den anonymen Julius») S. o. S. 239. 2 ) Hoc quantulumcunque est ingenium semel Christo dicatum est. Unius huius gloriae serviet, serviet ecclesiae Romanae, serviet ecclesiae principi, praesertim autem sanctitati tuae, cui me plus quam totum debeo (Allen I V , ep. 1007, 72ff.). 3 ) Quodsi quid etiam olim per aetatem licentius effutivimus, hanc certe aetatem nihil decet nisi serium ac sanctum (1. c. 79ff.).

242

Dialog im Auge

G e g e n diese D e u t u n g spricht schon die

ausdrückliche Erklärung des Erasmus, die er im Hinblick auf das Zugeständnis seiner Jugendtorheiten in dem Briefe an M a r t i n D o r p v o m M a i 1515 abgibt.

D o r t sagt er: A d

hunc m o d u m et per otium et amiculis obsecundans ineptivi, idque semel dumtaxat in vita 2 ).

Er denkt also bei d e m Z u -

geständnis seiner jugendlichen Ausschreitung nur an einen einzigen Fall: an das »Lob der Torheit«. A b e r in d e m Brief des Erasmus ist auch mit keiner Silbe von d e m Julius-Dialog die R e d e , — wie A l l e n d a z u kommt, es nicht bloß als möglich, sondern als » z w e i f e l l o s « zu bezeichnen, d a ß Erasmus hier auch an den Julius-Dialog gedacht h a b e , ist völlig unverständlich.

Aus d e m Zusammen-

hang geht vielmehr hervor, d a ß Erasmus z w e i f e l l o s

nicht

an den Julius-Dialog gedacht hat. In d e m folgenden Satz m a c h t Erasmus nämlich eine Einschränkung seines Zugeständnisses, durch die es deutlich wird, d a ß er bei j e n e m Zugeständnis seines jugendlichen Übermutes nur an die Moria, aber nicht an den JuliusDialog

gedacht

haben

kann.

Obgleich

er zugibt,

daß

er früher zu Beanstandungen A n l a ß gegeben hat, so hat er in seinen Schriften doch niemals irgend j e m a n d e n auch n u r im geringsten angeschwärzt, niemand ist durch sie weniger fromm geworden, keinerlei Erregung ist durch ihn veranlaßt worden 3 ).

D a ß diese Erklärung a u f den Julius-Dialog nicht

zutrifft, ist eindeutig.

D e n n schlimmer,

als es im Julius-

Dialog mit Julius geschieht, kann ein Mensch k a u m »angeschwärzt« werden, und die Frömmigkeit, wie sie der Papst versteht, d. h. die Unterordnung unter R o m , kann gar nicht Erasmus was doubtless

thinking, too, of te unacknowledged

Iulius

(1. c. 80, A n m . ) . 2)

Allen I I , 94, 143 fr.

3)

Nullus adhuc meis scriptis factus est vel pilo nigrior, nullus minus

pius; nullus mea causa tumultus ortus (I.e. 81 f.).

16*

243

stärker beeinträchtigt werden, als es durch die Verächtlichmachung der römischen Kurie seitens des Dialogs geschieht, und ebenso kann auch das Ärgernis, das der Julius-Dialog den römischen Kreisen bereitete, schlechterdings nicht überboten werden. Diese Beschönigung seines jugendlichen Übermutes kann sich nur auf die Moria beziehen, in der in der Tat keine einzelne Person persönlich angegriffen wird und an deren Veröffentlichung sich auch keine ernstlichen Anfeindungen des Erasmus in der Öffentlichkeit angeschlossen haben. Dazu kommt, daß es j a höchst wunderlich wäre, wenn Erasmus in diesem Briefe an Leo X. sich wegen des JuliusDialogs würde entschuldigen wollen. Einen Monat vor seinem Briefe an Leo hat er von Campegio die Nachricht erhalten, daß man ihm seine Versicherung, nicht der Verfasser des Julius-Dialogs zu sein, in Rom glaubt, und nun soll er trotzdem das Bedürfnis haben, den Julius-Dialog mit der Unüberlegtheit der Jugend zu rechtfertigen? Nachdem Leo soeben überzeugt worden war, daß Erasmus für den Julius-Dialog nicht in Frage komme, soll er nun doch in des Erasmus reumütigem Eingeständnis seiner jugendlichen Torheiten eine Rechtfertigung des Julius-Dialogs sehen? Aber vielleicht meint Allen nicht, daß der Papst diese verhüllte Anspielung auf den Julius-Dialog merken konnte, sondern daß nur er — Allen — diese Anspielung erkennt, weil er zu wissen glaubt, daß Erasmus neben der jugendlichen Torheit der Moria auch die jugendliche Torheit des Julius-Dialogs begangen hat. Indessen wenn es sich so verhält, so wäre damit deutlich, daß es sich nur um eine von Allen vorgefaßte und eingetragene Vermutung handelt und nicht um Gedanken, die Erasmus »zweifellos« gehabt hat. Die Deutung Allens wird aber schließlich auch durch den Hinweis des Erasmus auf sein nunmehr gereiftes Alter, dem nur ernste und heilige Gedanken anstehen, unmöglich. Im 244

Munde des Erasmus ist dies allerdings nur eine rhetorische Wendung.

Man könnte wohl fragen, ob einem Manne von

43 J a h r e n — s o alt war Erasmus, als er die Moria schrieb, — als jugendlicher Übermut zugut gehalten werden konnte, was er mit 53 Jahren gern hätte verleugnen mögen.

Es

ist auch keineswegs ausgemacht, daß Erasmus wirklich von nun an nur die seinem Alter angemessenen ernsten und heiligen Gedanken gehabt hat.

Aber darauf kommt es im

gegenwärtigen Zusammenhang nicht an.

Daß durch diesen

Hinweis auf die verschiedenen Altersstufen die nach Allen »zweifellos« vorliegende Beziehung

auf den Julius-Dialog

unmöglich wird, ergibt sich aber unbedingt, wenn man sich erinnert, daß nach Allen der Julius-Dialog erst im Jahre 1 5 1 7 an die Öffentlichkeit gekommen sein soll.

Dies hatte Allen

anscheinend vergessen, als er in dem Briefe an Leo Erasmus an den Julius-Dialog denken ließ.

Nach Allen soll der

Julius-Dialog als Manuskript im Schreibpult des Erasmus gelegen haben, bis ihm Lupset im Jahre 1 5 1 6 das Manuskript stahl und dann im Jahre 1 5 1 7 der Druck erfolgte. So liegen also zwischen dem Brief des Erasmus an Leo und der Veröffentlichung des Dialogs gerade zwei Jahre, und Erasmus wird gewiß nicht gemeint haben, daß gerade die Zeit von seinem 5 1 . bis zu seinem 53. Jahre ihn aus dem Zustand jugendlichen Übermutes zur ernsten Reife des Mannesalters geführt habe. Daß

die

Aufrichtigkeit

keine

besondere

Tugend

des

Erasmus gewesen ist, wird man allerdings nicht bestreiten können. E r hat zwar selbst gesagt, daß ihm nichts so zuwider sei wie die Lüge. In dem Brief an Grimani vom 15. Mai 1 5 1 5 erklärt er stolz: Mentiri sane non est meum

.

Aber seine

Briefe und sein Verhalten zeigen leider, daß er sich in dieser Selbstbeurteilung irrt.

Was er über seine Herkunft erzählt,

Allen II, ep. 334, 31 f.

245

macht nicht den Eindruck der Zuverlässigkeit. Die unbegrenzte Bereitwilligkeit, mit der er die größten Schmeicheleien sagt, wenn er Vorteile erhofft, zeigt, daß seine Worte nicht auf die Goldwage der Gewissenhaftigkeit gelegt werden. U m sich Gönner zu verschaffen und von ihnen Geld zu erhalten, ist er zu jeder Schmeichelei fähig. Er scheut sich sogar nicht, zu diesem Zweck auch seinen Freund zur Lüge zu veranlassen l ). Das Rezept seiner Lebensklugheit, das er seinem Freunde Ammonius mitteilt, ist eine Anleitung zu offenkundiger Heuchelei 2 ). Mit der größten Naivität legt er seine Briefe der Öffentlichkeit und er Nachwelt vor, aus denen man deutlich die oft recht bedenklichen Schachzüge seiner Diplomatie erkennen kann. Man bekommt den Eindruck, daß der von ihm so nachdrücklich betonte Anspruch auf unbedingte Wahrhaftigkeit für ihn nur zum äußeren Dekorum gehört, während seine innere Stellung zur Wahrheit ausschließlich durch die Forderungen seines Ehrgeizes und seiner Eitelkeit bestimmt wird. In der modernen Erasmus-Literatur hat Huizinga vielleicht am rückhaltlosesten diese Charaktereigenschaft des Erasmus hervortreten lassen. Mit vollem Recht weist Huizinga zur Entschuldigung des Erasmus darauf hin, daß auch andere Humanisten viel und ohne Scham gelogen haben. Erasmus nimmt darin keine Ausnahmestellung ein. Die überwiegend ästhetische und intellektuelle Bildung des Humanismus führt trotz aller Kritik der Moral des herrschenden Systems nicht zur Vertiefung des inneren Lebens. Man kann außerdem auch geltend machen, daß Erasmus infolge der unglücklichen Verhältnisse seiner Geburt in seiner moralischen Haltung ungünstig beeinflußt war. Der Makel seiner Geburt, der ihm ohne seine Schuld anhaftete und ihn sein ganzes Leben hindurch demütigte, und der beständige Mangel an *) Brief an J a k o b Battus v o m 12. D e z . 1500 (Allen I, ep. 139). 2)

246

S. o. S. 33.

Geld, der ihn bei seiner wissenschaftlichen Arbeit hemmte, ließen in ihm das Gefühl für Ehre und Wahrhaftigkeit sich nicht in dem Maße entwickeln, wie es in geordneten Verhältnissen selbstverständlich zu sein pflegt. Für ihn selbst verband sich dabei das, was anderen als Selbstsucht erschien, mit dem Bewußtsein der ihm durch seine großen Gaben gestellten besonderen Aufgaben, so daß er es nicht bloß als sein Recht, sondern auch als seine Pflicht empfand, die Verhältnisse und die Menschen mit kluger Berechnung seinen persönlichen Zwecken dienstbar zu machen. Aber diese mildere Beurteilung seines Charakters würde ihre Berechtigung verlieren, wenn Erasmus wirklich der Verfasser des Julius-Dialogs gewesen ist. Es ist doch etwas anderes, wenn er seinen Gönnern sagt, was sie gern hören wollen, um dadurch für sich Vorteile zu gewinnen, als wenn er mit vollem Bewußtsein eine ausgemachte Unwahrheit ausspricht. Zumal seine eidliche Erklärung, seine feierliche Anrufung Christi, läßt es nicht zu, daß man seine Ableugnung der Verfasserschaft des Dialogs auf die laxe Moral seiner humanistischen Zeitgenossen zurückführt. Wenn Erasmus der Verfasser des Dialogs ist, dann kann man seine Ableugnung dieser Tatsache nur als einen Beweis seiner absoluten Verlogenheit ansehen. Der Versuch, seine Erklärungen insgesamt als bewußt unwahr hinzustellen und dann doch von seiner Ehre und Größe zu reden, ist unbedingt ausgeschlossen.

247

SECHSTES

K A P I T E L

Hutijtr unb ter BTuliu* txtlufusi Merkwürdigerweise beginnt der Dialog erst seit dem Jahre 1517, also vier Jahre nach dem Tode des Papstes, literarisch wirksam zu werden. In den Kreisen der Humanisten wird er zunächst heimlich verbreitet, — wie es scheint: handschriftlich x ). Offenbar sieht man in ihm eine erst jetzt verfaßte Schrift. Der starke Eindruck, den der Dialog auf die Humanistenkreise gemacht hat, spiegelt sich in dem Eifer wieder, mit dem man ihn zu verbreiten sucht. Wir haben dafür ein anschauliches Zeugnis z. B. in dem Briefwechsel Christoph Scheurls 2 ). A m 30. September 1517 schickt er den Dialog an Jodocus Trutvetter in Erfurt, indem er ihn bittet, denselben »heimlich« den gemeinsamen Freunden in Erfurt mitzuteilen 3). An demselben Tage schreibt Scheurl an Spalatin und verweist ihn an Luther, bei dem er den Dialog lesen könne 4 ). Bezeichnend ist, daß Scheurl den ') Erasmus scheint noch im August 1517 anzunehmen, daß der D i a l o g nur handschriftlich verbreitet wird. V g l . Allen I I I , ep. 622, 24f.: quaeso te, vir optime, ut istius modi nugas impias pro tua virili premendas eures, priusquam exeudantur. 2)

Ebenso Allen I I I , ep. 636, 25 f.

Christoph Scheurls Brief buch, herausgegeben von Franz Freiherrn

von Soden und J . K . F. Knaake, I, 1867; I I , 1872. 3)

Brief buch I I , S. 23: Ego, cum omnia mea vel labore parta et secreta

tibi optime communia,

mitto exemplum

quarundam

Reuchlin pertinentium et praeterea dialogum Divi

Petri,

epistolarum Iulii

et illius

ad genii,

cuius eruditio, experientia, calliditas autorem Erasmum ni fallor plane non mentitur.

Communicabis haec secreto amicis communibus, domino

episcopo, abbati, decano, scholastico, Ionae c u m aliis compransoribus, rem certe lectu dignam. 4)

248

Briefbuch I I , S. 25: A p u d Mar. Luder magni nominis theologum

Dialog nicht bloß zur Kenntnis des Erfurter Bischofs und anderer der dortigen kirchlichen Führer gebracht wissen will, sondern auch zur Kenntnis Friedrichs des Weisen, und daß er davon überzeugt ist, daß auch Friedrich der Weise über den Dialog lachen wird Auch an Luther hat Scheurl am 30. September 1 5 1 7 geschrieben 2 ),

aber in diesem Briefe wird der Dialog nicht

erwähnt. Die Weimarer Ausgabe der Werke Luthers nimmt an, daß Luther den Dialog durch Trutvetter auf dem Umwege über Ulrich von Dinstedt erhalten habe 3 ).

Am

5. Januar 1 5 1 8 schreibt nämlich Scheurl an Trutvetter, er möge »seinen« Dialog an den »Herrn Kantor«, d. h. an Ulrich von Dinstedt, Kantor an der Allerheiligenkirche in Wittenberg 4 ), schicken 5 ), und an demselben Tage schreibt er an Ulrich von Dinstedt, er habe zwei Exemplare dieser Schrift an den gemeinsamen Freund Trutvetter geschickt, damit er das eine ihm — Dinstedt — gebe 6 ),

aber Trut-

leges dialogum mirabilem, quem optimo principi nostro [Friedrich dem Weisen] velim praelegi: ridebit certe scio. Mangan I I , S. 153, Anm. 5, sagt, der Kurfürst solle wenig oder gar nicht Latein verstanden haben: who is said to have known little or no latin. Vgl. dazu Paul Kirn, Friedrich der Weise und die Kirche (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance, Band 30), S. 8: »Lateinisch lernte er verstehen, wenn er auch der Notwendigkeit, es zu sprechen, aus dem Wege ging. So verstand er z. B. 1520 in Köln den lateinisch redenden Erasmus, beauftragte aber Spalatin damit, ihm lateinisch zu antworten. Eingelaufene Schriften ließ er sich von diesem übersetzen, obwohl er ihren Sinn auch ohne fremde Hülfe versteheu konnte.« а ) Briefbuch I I , S. 24. 3 ) W. A. Br. I, S. 346 Anm. 4 ) Brief buch I, S. 55 Anm. u. S. 1 1 7 . 5 ) Briefbuch I I , S. 4 1 : Rogo ut dialogum meum domino cantori transmittas. Daß es sich um den Dialog des Julius handelt, zeigt die folgende Anmerkung. б ) Brief buch I I , S. 42: Erasmus perscripsisse creditur dialogum Divi Petri, Iulii pont. et genii, rem plane festivam et auctoritate tua dignam: hunc duplicatum misi communi amico Eysenacensi, ut alterum redderet.

249

vetter sei in der Erfüllung dieser Bitte säumig gewesen: Dinstedt solle ihm, wenn er es gelesen, dies Exemplar zurückschicken 1 ). Diese Vermutung der W. A. ist aber nicht zutreffend. Sie wird schon dadurch unwahrscheinlich, daß Scheurl in seinem Briefe an Trutvetter vom 5. Januar 1518 in demselben Satze, in dem er um die Zusendung des Dialogs an Dinstedt bittet, die Übersendung der Vorlesungen von Staupitz über die Prädestination, die Luther am 11 .September 1517 erbeten 2 ) und Scheurl am 30. September 1 5 1 7 zugesagt hatte 3 ), an Luther erbittet 4). Wäre der an Dinstedt zu übersendende Dialog auch für Luther bestimmt gewesen, so wäre die von Scheurl gemachte Unterscheidung beider Aufträge unbegründet. Außerdem schließt die Bitte Scheurls, Dinstedt solle den Dialog, nachdem er ihn gelesen, an Scheurl zurückschicken, die Weitergabe desselben an Luther aus. Daß aber das für Dinstedt bestimmte Exemplar des Dialogs nicht mit demjenigen, welches Scheurl an Luther geschickt hat, identisch ist5 geht mit Sicherheit aus Folgendem hervor. Luther hat schon vor dem Briefe Scheurls an Trutvetter vom 5. Januar 1518 das ihm zugesandte Exemplar an Spalatin Wem Trutvetter das eine Exemplar geben soll, ist nicht gesagt; nach dem Zusammenhang kann es aber nur Dinstedt sein. Reddere kann auch im Klassischen die Bedeutung von »zustellen«, »aushändigen«, »geben« haben. Im folgenden Satz bittet dann Scheurl Dinstedt um die Rücksendung dieses Exemplars (remittas) nach Nürnberg (vgl. folgende Anm.). *) Briefb. II, S. 4 2 : sed homo cum bonitate tarditatem coniunxit; da operam ut lectum ad nos remittas. 2 ) W. A . Briefwechsel I, S. 106, 33 fr.: Caeterum rogo, si potest fieri, eodem tuo iussu mihi iidem libelli mittantur pro floreno, quem illis venditis tibi rependam fideliter. 3 ) Briefb. II, S. 24f.: Vicarii libellos rursum (W. A . Br. I, S. 107, 2 1 : etiam) quindecim traditurus tibi muneri ut primum licuerit per tabéllanos. 4 ) Briefb. II, S. 4 1 : Rogo ut dialogum meum domino cantori transmitías ac ipsi Martino Luder tractatus executionum aeternae iustitiae.

250

weitergegeben, wie es Scheurl in seinem Briefe an Spalatin vom 30. September 1517 gewünscht hatte. Anfang November schreibt Luther an Spalatin, daß er die Absicht gehabt habe, den Dialog nie jemandem mitzuteilen; der Grund dafür sei, daß er so gefällig, mit so viel Bildung und so viel Geist, d. h. so ganz und gar »erasmisch« geschrieben sei, so daß er dazu zwinge, zu lachen und sich zu amüsieren über die Verderbtheit und Notlage der Kirche Christi, über die doch jeder Christ mit tiefstem Seufzen Gott klagen müsse. Aber da Spalatin ihn fordere, solle er ihn haben und lesen und verwenden (d. h. im Sinne Scheurls: ihn dem Kurfürsten vorlesen lassen) 1 ). Luther hat also bereits zwei Monate vor der Aufforderung Scheurls an Trutvetter, daß er den Dialog an Dinstedt schicken möge, sein Exemplar an Spalatin weitergegeben. Das für Dinstedt bestimmte Exemplar ist also sicher nicht dasselbe wie dasjenige, welches Luther erhalten hat. Es ist vielmehr anzunehmen, daß Luther den Dialog durch denselben Boten Scheurls erhalten hat, der den Dialog Trutvetter überbrachte. Scheurl hat am 30. September 1517 sechs Briefe geschrieben, von denen der erste an Trutvetter, der zweite an Dinstedt, der dritte an Luther, der vierte an Spalatin, der fünfte an Johann Doltz (Feltkirchen) und der sechste an Otto Beckmann gerichtet ist 2 ). Alle diese Briefe wird vermutlich derselbe Bote überbracht haben. Mit diesen Briefen sandte Scheurl zwei Exemplare des Dialogs an seinen ihm besonders nahestehenden Freund Trutvetter, wobei das ') W. A . Br. I, S. 118, 3: Dialogum, optime Spalatine, proposueram nulli unquam me communicaturum, non alia ratione videlicet, quam quod tarn iucunde, tarn erudite, tarn denique ingeniöse (id est omnino Erasmice) textus est, ut ridere cogat et nugari in vitiis et miseriis ecclesiae Christi, quae tarnen summis gemitibus omni christiano Deo sunt querendae. Attamen quia expostulas, ecce habes, lege et utere, et tandem redde. 2 ) Briefb. II, S. 22—27.

251

eine Exemplar als Geschenk für Trutvetter bestimmt war, während das andere im Erfurter Freundeskreis zirkulieren sollte.

Zugleich sandte er an Luther, in dem er damals den

bedeutendsten der Wittenberger Theologen sah, auch ein Exemplar, von dem Spalatin Kenntnis nehmen sollte.

Daß

die anderen drei Wittenberger (Dinstedt, Doltz und Beckmann) unberücksichtigt bleiben, kann darin seinen Grund haben, daß Scheurl annahm, Luther werde sie von dem Dialog in Kenntnis setzen, was Luther aber, wie aus dem Brief an Spalatin vom Anfang November 1 5 1 7 hervorgeht, nicht getan hat, — oder auch darin, daß die Verbreitung des Dialogs

»heimlich«

(secreto) geschehen sollte.

Dies

letztere erklärt auch, daß der Dialog nur in dem Briefe an Trutvetter als den vertrautesten Freund Scheurls, aber in keinem der anderen Briefe, auch nicht in dem an Luther genannt wird. Allerdings fällt es dann auf, daß Scheurl am 5. Januar 1 5 1 8 den Dialog auch an Ulrich von Dinstedt senden läßt.

Die

Erklärung hierfür ergibt sich aber aus einem Briefe Scheurls an Johann Doltz vom 3 1 . Oktober 1 5 1 7 .

In demselben

berichtet Scheurl, daß Ulrich von Dinstedt als Gast in Nürnberg bei Scheurl ist

. Es ist möglich, daß sich durch diesen

Besuch das Verhältnis beider Männer intimer gestaltet hat, so daß Scheurl nun auch Dinstedt mit dem »heimlich« verbreiteten Dialog bekannt machte. Immerhin liegt auch jetzt noch eine gewisse Einschränkung darin, daß Dinstedt den Dialog nicht behalten, sondern zurückschicken soll. Zu einer weiteren Erörterung gibt das an Luther übersandte Exemplar insofern Anlaß, als die W. A . im Anschluß an Enders die Vermutung ausspricht, bei den an Trutvetter und Luther übersandten Exemplaren handle es sich nicht Briefb. II, S. 3 3 : Commoratur apud nos vir certe humanus ac egregius d. Udalricus de Dinsthet, summus meus amicus, mel et deliciae meae, collegii vestri gloria haud contemnenda.

252

um ein gedrucktes Buch, sondern um handschriftliche Vervielfältigung. Enders schließt dies aus der Bemerkung Luthers in dem Brief an Spalatin vom Anfang November 1 5 1 7 : er habe die Absicht gehabt, den Dialog niemals jemandem mitzuteilen; »denn welchen Sinn hätte es, durch Zurückhaltung seines gedruckten Exemplars die Bekanntwerdung hindern zu wollen?« 1 ). Die W. A. stimmt dieser Vermutung zu 2 ). Aber diese Erwägung ist keineswegs beweiskräftig. Luther gibt den »Sinn« seiner Zurückhaltung ausdrücklich an: er will nicht dazu helfen, daß die beweinenswerte Lage der Kirche zum Gegenstand des Gelächters wird. Dies Motiv hat nicht bloß einer Handschrift, sondern auch einem gedruckten Buche gegenüber Sinn. Es liegt in der Natur einer derartigen Satire über das Oberhaupt der Kirche, daß sie — auch wenn sie als gedrucktes Buch vorliegt — nur »heimlich« von Hand zu Hand weitergegeben werden kann. Deshalb hat Scheurl in seinem Brief an Trutvetter um g e h e i m e Weitergabe an die Freunde gebeten. Deshalb tragen auch die drei ersten Ausgaben des Dialogs, die von Böcking 3) angegeben werden, nicht den Namen ihrer Verleger. Zu solcher heimlichen Verbreitung des Dialogs will Luther nicht mithelfen, — weil ihm die Dinge, über die der Dialog seinen Spott ausgießt, zu schmerzlich sind, als daß er sie der Spottlust preisgeben möchte. Enders hat später seine Vermutung wieder aufgegeben, weil er nach einem späteren Briefe Luthers an Scheurl (vom 20. Februar 1519) den in dem Briefe an Spalatin vom Anfang November 1517 erwähnten Dialog nicht mehr mit der gegen Julius II. gerichteten Satire gleichsetzen zu dürfen glaubt. Am 20. Februar 1519 schreibt Luther nämlich an Scheurl: *) Enders, Briefwechsel I, S. 123. ) Br. I, S. 1 1 7 . 3 ) Böcking I V , S. 422 f. 2

253

der sehr gelehrte Dialog des Julius und Petrus sei ihm äußerst willkommen. Er könne viel Nutzen bringen, wenn er ernsthaft gelesen werde, wie denn die von ihm geschilderten Zustände l e i d e r längst bekannt sind und nun nur bestätigt werden. Es sei schade, daß der Dialog nicht in Rom allgemein bekannt sei. Fast möchte Luther wünschen, daß er in Rom verbreitet würde, damit den römischen Kirchenfürsten durch die Anprangerung ihres tyrannischen und gottlosen Übermutes zum Bewußtsein gebracht werde, wie sie in der ganzen Welt dem Gelächter preisgegeben werden x ). Enders folgert aus diesen Worten Luthers, daß »Luther jetzt erst den Dialog durch Zusendung Scheurls kennenlernte«, und gibt damit seine Vermutung, daß schon der in dem Brief Luthers an Spalatin vom Anfang November 1517 genannte Dialog der Dialog des Julius sei, auf 2 ). Die W. A. bedauert diesen Rückzug Enders', indem sie ganz einfach behauptet, man könne die Worte Luthers im Brief vom 20. Februar 1519 folgendermaßen übersetzen: »Sehr willkommen war mir der von Dir n u n m e h r im D r u c k ü b e r s a n d t e dialogus und dessen Verbreitungsmöglichkeit« 3 ). Ebenso heißt es in der W. A. in der Überschrift des Briefes vom 20. Februar 1519: »Scheurl h a t Luther den dialogus Iulii et Petri gesandt«, das soll offenbar heißen: kurz vor dem 20. Februar 1519 4). Und zum Text des Briefes bemerkt die W. A.: »Luther kannte den Dialog schon. Scheurl hatte ihn am 30. September 1517 Trutfetter *) W. A. Br. I, S. 346,6: dialogus Iulii et Petri.

Gratissimus mihi fuit eruditissimus ille

Multam sane continet frugem, si serio legatur.

Doleo, eum non fieri in Urbe celebrem; prope ausim optare eius invulgationem, quandoquidem monstra Romanae curiae non tarn revelat ipse primus quam confirmat iam diu ubique heu cognita, ut vel eiusmodi nugis

Romani

proceres

monerentur

suae tyrannidis

et

temeritatis, quas vident traduci per orbem. 2)

Enders, Briefwechsel I, S. 434, Anm. 1.

3) W. A. Br. I, S. 117.

254

') W. A. Br. I, S. 345.

impiissimae

geschickt zur weiteren Bekanntgabe. Wohl durch Trutfetter kam er zur Kenntnis Luthers x) und durch diesen zur Kenntnis Spalatins . . . J e t z t hat ihm Scheurl ein D r u c k e x e m p l a r geschickt 2).« Die von mir gesperrten Worte finden in dem Brief Luthers vom 20. Februar 1519 auch nicht den leisesten Anhalt. Es ist mit keiner Silbe auch nur angedeutet, daß es sich »jetzt« oder »nunmehr« um ein gedrucktes Exemplar im Unterschied von einem am 30. September 1517 übersandten handschriftlichen Exemplar handelt. Ob das am 20. Februar angeblich übersandte Exemplar gedruckt oder mit der Hand geschrieben war, wissen wir ebenso wenig, wie uns darüber im Hinblick auf das am 30. September 1517 an Luther gesandte und von ihm Anfang November 1517 an Spalatin weitergegebene Exemplar irgendwelche Nachricht zu Gebote steht 3 ). Nur soviel ist sicher: war das am 30. September 1 5 1 7 übersandte Exemplar eine Handschrift, dann war auch das im Brief vom 20. Februar 1519 erwähnte Exemplar eine Handschrift, und war das im Brief vom 20. Februar 1519 erwähnte Exemplar ein gedrucktes Buch, so war auch das im September 1517 übersandte Exemplar ein gedrucktes Buch. Diese Alternative Diese Vermutung ist nach dem Obigen (S. 249 f r . ) irrig. ) W . A. Br. I, S. 346, Anm. 1. 3 ) Wenn man die Worte Luthers: prope ausim optare eius invulgationem, so verstehen dürfte, daß Luther die »Drucklegung« des Dialogs wünschte (invulgare kann auch »drucken« heißen, vgl. Scheurl an Spalatin vom 30. September 1 5 1 7 : quae omnia Koberger noster tibi quoque communicanda invulgabit. Briefb. II, S. 25, ebenso II, S. 5 1 : mox invulgandos), so würde damit der handschriftliche Charakter des am 20. Februar 1 5 1 9 erwähnten Exemplars erwiesen sein. Aber Luther wird wohl mit invulgatio die öffentliche Verbreitung in Rom meinen, worauf auch nach Lage der Dinge, d. h. im Hinblick auf die Gefährlichkeit eines derartigen Unternehmens, der Ausdruck ausim optare deutet. O b der Dialog in Rom oder anderswo g e d r u c k t wurde, war gleichgültig; Luthers Wunsch richtete sich nur darauf, daß er in Rom b e k a n n t wurde. 2

255

ergibt sich einfach daraus, daß es sich in beiden Fällen in Wirklichkeit um ein und d a s s e l b e E x e m p l a r handelt. In dem Brief Luthers vom 20. Februar 1519 haben wir die erste Äußerung Luthers an Scheurl über den am 30. September 1517 ihm zugesandten Dialog. Daß Luther erst so spät seinen Dank für den Dialog ausspricht, ist auffallend, erklärt sich aber aus den Zeitverhältnissen ohne Schwierigkeit. Luther hat in der Zwischenzeit zwischen dem Empfang des Dialogs und seinem Brief vom 20. Februar 1519 nur selten, nämlich nur viermal 1 ), an Scheurl geschrieben, wie er sich denn auch in den ersten Worten seines Briefes vom 20. Februar 1519 wegen seines seltenen Schreibens entschuldigt 2 ). Die Ereignisse des Jahres 1518 haben ihn ganz in Anspruch genommen: in den Briefen an Scheurl aus dieser Zeit ist immer nur von den kirchenpolitischen Kämpfen die Rede. Dazu kam die Zwiespältigkeit der Empfindung, mit der Luther anfänglich den Dialog aufnahm: es widerstrebte ihm, an der von Scheurl gewünschten »heimlichen« Verbreitung des Dialogs sich zu beteiligen. Daß er in dieser Stimmung keine Neigung empfand, sich Scheurl gegenüber über den Dialog zu äußern, ist wohl verständlich. Inzwischen hatten in Augsburg die Verhandlungen mit Cajetan stattgefunden. Diese erste Auseinandersetzung mit dem amtlichen Vertreter des Papstes, bei der es sich für Luther um Leben und Tod handelte, hatte Luther aufs tiefste ergriffen. Aus den Briefen, die Luther im Anschluß an diese Verhandlungen schrieb, geht hervor, daß für ihn der Bruch mit der römischen Kirche nunmehr endgültig geworden war. Infolgedessen gewann nun aber auch der Dialog für ihn eine neue Bedeutung. Nun konnte er Scheurl für den Dialog danken. Der Dialog erschien Enders I, Nr. 54, 66, 83, 134. ) Ipse me satis accuso, Doctor optime, quod toties ex te salutatus rarius ad te scribo. Rursum autem excuso, quod tot fere monstris negotiorum distrahor (Enders I, S. 4 3 3 , 5ff.). 2

256

ihm jetzt als eine Waffe im Kampf gegen Rom. Allerdings ist auch jetzt noch seine Stellungnahme gegenüber dem Dialog von derjenigen der Humanisten verschieden: er will, daß man den Dialog nicht mit höhnender Schadenfreude, sondern ernsthaft lesen soll. Er möchte, daß man auch in Rom den Dialog lese, damit er den verantwortlichen Leitern der Kirche die Augen öffne und sie zur Besinnung bringe. Nach den in den Briefen Scheurls und Luthers vorliegenden Nachrichten besteht also keinerlei Anlaß, eine zweimalige Zusendung des Dialogs an Luther anzunehmen. Luther hat den Dialog im September 1517 erhalten und im Februar 1519 für eben dies Exemplar Scheurl seinen Dank ausgesprochen. Dabei ist nicht festzustellen, aber auch völlig gleichgültig, ob es sich um ein handschriftliches oder um ein gedrucktes Exemplar handelte. Wahrscheinlich wird es ein gedrucktes Exemplar gewesen sein, da kaum anzunehmen ist, daß Scheurl die Schrift dreimal in handschriftlicher Wiedergabe verschickt haben wird. Dies Ergebnis scheint nun allerdings dadurch wieder zweifelhaft zu werden, daß der verdienstvolle Herausgeber des Briefwechsels Luthers (in der W. A.) einen überaus glücklichen Fund gemacht hat, von dem aus ein ganz neues Licht auf die geschilderten Vorgänge zu fallen scheint. Otto Clemen hat nämlich auf der Nürnberger Stadtbibliothek ein gedrucktes Exemplar des Dialogus Iulii gefunden, welches mit einer handschriftlichen Widmung Scheurls an seinen Neffen Johannes Tucher versehen ist und das Datum des 31. Januar 1519 trägt 1 ). Hiermit bringt nun Clemen den Brief Luthers vom 20. Februar 1519 in Verbindung. Er meint: »offenbar« sei Luther jetzt der Dialog »in derselben Druckausgabe« zugegangen, nachdem er ihn bereits im September 1517 »wahrscheinlich gleichzeitig« mit Trutvetter erhalten. In der W. A. *) Supplementa Melanchthoniana, V I , 17

S t a n g e , Erasmus

1, S. 49, Anm. 7. 257

wiederholt Clemen diese Vermutung, doch spricht er sie nicht mehr mit der gleichen Zuversicht aus: es heißt nun nur, daß »aller W a h r s c h e i n l i c h k e i t nach« das an Luther angeblich neuerdings übersandte Exemplar ein Exemplar derselben Ausgabe gewesen sei wie dasjenige, welches Johannes Tucher gewidmet worden ist . Dieser Fund des Nürnberger Exemplars durch Clemen ist zweifellos von größter Bedeutung. Man wird in der Widmung an Johannes Tucher vielleicht den unmittelbaren Anlaß dafür sehen dürfen, daß sich Luther in seinem Brief vom 20. Februar 1519 endlich — nach langem Schweigen — über den im September 1517 erhaltenen Dialog Scheurl gegenüber ausspricht. Aber daß Luther ein zweites Exemplar des Dialogs von Scheurl erhalten hat, beweist auch die Widmung des Dialogs an Johannes Tucher nicht. Es ist eine reine Vermutung, wenn Clemen aus der Widmung des Dialogs an Johannes Tucher die Sendung eines gleichen Exemplars an Luther folgert. Wir können aber sogar noch weitergehen: aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Exemplar des Dialogs, welches Luther im September 1517 erhalten hat und von dem er auch in seinem Briefe vom 20. Februar 1519 spricht, n i c h t ein Exemplar der gleichen Druckausgabe wie das Nürnberger Exemplar. Diese Annahme ist keine leere Vermutung, sondern ergibt sich aus einer Vergleichung des Nürnberger Exemplars mit dem, was wir aus den Briefen Scheurls und Luthers über die im September 1517 von Scheurl versandten Exemplare erfahren. Bei den Erörterungen über den Dialog des Julius ist nämlich nicht beachtet worden, daß zwischen der von Böcking an erster Stelle genannten Ausgabe, zu der auch das Nürnberger Exemplar gehört, und allen übrigen Ausgaben schon im Titel wesentliche Unterschiede bestehen 2 ). 2

258

W. A. Br. I, S. 346, Anm. 1. ) Der Einzige, der m. W. auf diesen Unterschied aufmerksam ge-

Der Titel der von Böcking an erster Stelle genannten Ausgabe lautet folgendermaßen: »F. A. F. Poete Regij libellus / de obitu Iulij Pontificis Maximi. Anno do- / mini. M. D. X I I I . /« Böcking bemerkt dazu, daß sich keine Angabe des Ortes oder des Jahres findet. Er sieht also die Jahreszahl 1 5 1 3 nicht als Hinweis auf den Zeitpunkt des Erscheinens der Schrift, sondern als Hinweis auf das Todesjahr des Papstes an. Clemen sieht den B e w e i s hierfür in der Widmung des Nürnberger Exemplars, — obgleich nicht einzusehen ist, wie aus der Eintragung dieser Widmung irgend etwas hinsichtlich des Druckjahres dieser Schrift gefolgert werden kann. Aus dieser Widmung geht nur hervor, daß diese Ausgabe jedenfalls im Januar 1519 vorhanden ist, — aber ob sie erst damals oder schon früher gedruckt worden ist, kann man aus der Widmung Scheurls in keiner Weise erkennen. Der Titel dieser Schrift in Verbindung mit der Widmung Scheurls läßt die Zeit von 1513—Februar 1519 für die Entstehung dieser Ausgabe frei, vorausgesetzt daß die Jahreszahl 1 5 1 3 nicht auf das J a h r der Veröffentlichung, sondern auf das Todesjahr des Papstes hinweisen soll. Aber auch wenn dies Letztere der Fall ist, wenn also der Herausgeber das J a h r der Veröffentlichung verheimlichen wollte, könnte die Ausgabe doch 1 5 1 3 entstanden sein. Erfahren wir also aus dem Titel dieser Ausgabe nichts Sicheres über die Zeit ihres Druckes oder ihrer Veröffentlichung, so ist dagegen die Formulierung des Titels um so aufschlußreicher. Diese Ausgabe unterscheidet sich nämlich von allen übrigen uns bekannten Ausgaben durch zweierlei: 1. dadurch, daß sie eine bestimmte, auch in der Verhüllung deutlich erkennbare Person als Verfasser der Schrift nennt, und 2. durch die Uberschrift, die sie der Schrift gibt. Die Buchstaben F. A. F. sollen auf den in Paris lebenden, macht hat, ist Friedrich Otto Mencken in den Miscellanea Lipsiensia Nova ad incrementum scientiarum, V I , 1, Leipzig 1743, gewesen.

17*

259

aber aus Italien stammenden Humanisten Faustus Andrelinus Foroliviensis hinweisen. Er ist in Forli 1461 geboren und am 25. Februar 1518 in Paris gestorben x ). Erasmus war mit ihm befreundet während seines Aufenthaltes in Paris in den J a h r e n von 1495—I499 2 )Der Name des Andrelinus wird in keiner der anderen Ausgaben genannt. Die Schrift wird vielmehr nach Böcking 3) in zwei weiteren Ausgaben ohne Angabe des Verlegers, des Ortes und der Zeit, in einer dritten Ausgabe, die im September 1518 in Löwen bei Dirk Maertens aus Aalst erschienen ist, und in einer vierten, die 1521 oder 1522 bei Valentin Curio in Basel gedruckt sein soll, bezeichnet als Dialogus viri cuiuspiam eruditissimi, festivus sane ac elegans, worauf dann in wörtlicher Übereinstimmung eine Inhaltsangabe folgt 4 ). Der Verfasser wird also in der einen uns durch Böcking und durch die Widmung Scheurls bekannten Ausgabe durch die Anfangsbuchstaben seines Namens und seinen Titel angedeutet, während es in allen übrigen Ausgaben ganz unbestimmt heißt: cuiuspiam eruditissimi. Und während jene Ausgabe als libellus de obitu Iulii bezeichnet wird, nennen sich alle übrigen: Dialogus . . . festivus sane ac elegans und lassen die ausführliche Inhaltsangabe folgen mit Nennung der drei Personen, welche das Gespräch führen: Iulius, Genius, D. Petrus. Geht man von dieser Beobachtung aus noch einmal auf die Äußerungen Scheurls und Luthers über den Dialog zurück, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß die im September 1517 an Trutvetter und Luther übersandten Exemplare n i c h t zu der Ausgabe gehören, aus der das von Scheurl am 31. J a n u a r mit seiner Widmung versehene Exemplar stammt. *) ) *) noch 3

260

2 L a Grande Encyclopédie. ) Allen I, ep. 84 Einl. Böcking I V , S. 4 2 2 f. Clemen (Zentralblatt für Bibliothekswesen X X I , S. 1 8 1 ) verweist auf eine bei Cratander in Basel erschienene Ausgabe.

D i e im September 1517 durch Scheurl versandten Exemplare gehören zu dem T y p u s der Schrift, den die v o n Böcking unter Nr. 2 — 5 aufgezählten A u s g a b e n darstellen, aber nicht zu d e m T y p u s mit der Signatur F . A . F. (Nr. 1). In den Briefen Scheurls und Luthers wird die Schrift nämlich regelmäßig als dialogus bezeichnet und z w a r wiederholt als dialogus D i v i Petri, Iulii et Genii. Bei Scheurl findet sich auch einmal die Charakterisierung der Schrift als plane festiva wie im T i t e l der Ausgaben Nr. 2 — 5 , während bei Luther das in j e n e n Ausgaben dem Verfasser gespendete L o b (viri cuiuspiam eruditissimi) auf die Schrift (eruditissimus ille dialogus) übertragen wird. Es kehren also in den Briefen Scheurls und Luthers a l l e f ü r den T y p u s von Nr. 2 — 5 charakteristischen Ausdrücke des Titels —

die Bezeichnung als »Dialog«, die

N a m e n der drei Personen, der Hinweis auf den witzigen Charakter und der Hinweis auf die hohe Intelligenz des V e r fassers — wieder.

D a g e g e n ist weder bei Scheurl noch bei

Luther von einem libellus oder gar von einem libellus de obitu Iulii die R e d e . M a n könnte vielleicht noch hinzufügen, d a ß auch die V e r mutung, die beide —

Scheurl und ihm folgend L u t h e r



aussprechen: der D i a l o g deute auf Erasmus hin, nur gegenüber d e m T y p u s der A u s g a b e n Nr. 2 — 5 a u f k o m m e n konnte, aber nicht gegenüber d e m T y p u s der Ausgabe Nr. 1.

So-

lange der Verfasser in die Unbestimmtheit des viri cuiuspiam eruditissimi gehüllt war, konnte m a n im Hinblick auf die Eleganz und den scharfen Spott des Dialogs auf Erasmus raten; aber bei der k a u m verschleierten Durchsichtigkeit des in Nr. 1 angedeuteten Verfassers w a r es schwerlich möglich, an die Verfasserschaft des Erasmus zu denken, es sei denn, d a ß m a n das i m W e g e stehende F. A . F. wegzudeuten vermochte. O b w o h l Böcking ausdrücklich bemerkt, d a ß die A u s g a b e Nr. 1 keine A n g a b e über den O r t und das J a h r ihrer V e r 261

öffentlichung enthält, hält er doch diese Ausgabe für die erste aller Ausgaben.

E r folgert dies aus dem Titel, indem er die

Jahreszahl 1 5 1 3 doch nicht bloß auf den Tod des Papstes, sondern auch auf den Druck bezieht, wie wir das oben (S. 259) bereits als möglich bezeichnet haben.

Und in der Tat liegt

dieser Schluß nahe: die Satire auf den Tod des Papstes ist nur im unmittelbaren Anschluß an den Tod des Papstes sinnvoll. Trotzdem erklärt Clemen diese Annahme Böckings für irrig, aber ohne dafür irgendwelche Gründe anzugeben. Aber wenn man den Titel der Ausgabe Nr. 1 mit dem Titel der Ausgaben Nr. 2—5 vergleicht, wird man sich dem Eindruck nicht verschließen können, daß jedenfalls Nr. 1 das Original ist, während die Ausgaben Nr. 2—5 als Nachdruck anzusehen sind. Die Ausgabe Nr. 1 trägt — wenn auch nur in den Anfangsbuchstaben den Namen des Verfassers und seinen Titel, ohne weiteren lobenden Zusatz, während in den Ausgaben Nr. 2—5 von dem Verfasser in der dritten Person die Rede ist (viri cuiuspiam) und ihm seine Gelehrsamkeit bescheinigt wird (eruditissimi).

In der Ausgabe Nr. 1 wird

der Inhalt der Schrift nur ganz kurz und sachlich angegeben (de obitu Iulii), während in den Ausgaben Nr. 2—5 die Schrift als festivus sane ac elegans gelobt wird und dann zur weiteren Anreizung zur Lektüre der Inhalt der Schrift ausführlich mitgeteilt wird.

In dem Titel von Nr. 1 spricht

nur der Autor, während in dem Titel von Nr. 2—5 über den Autor und die Schrift ein Urteil abgegeben wird. Es ist allerdings — besonders in der humanistischen Literatur — nicht ausgeschlossen, daß ein Autor sich selbst und sein Werk lobt, aber die Art, wie in den Ausgaben von Nr. 2—5 von dem Verfasser (viri cuiuspiam) gesprochen wird, macht es doch wahrscheinlich, daß der Herausgeber des Nr. 2—5 zu Grunde liegenden Textes nicht der Verfasser der Schrift ist x ). x ) So urteilt auch Mencken (vgl. oben S. 258. Anm. 2). Er druckt den Titel der Ausgabe Nr. 1 ab und erklärt diese für die erste Ausgabe

262

Gegen die Priorität der Ausgabe Nr. i könnte man allerdings geltend machen, daß die Zeugnisse für die Existenz dieser Ausgabe — abgesehen von den bisher bekannt gewordenen Exemplaren *) — verhältnismäßig spät sind. Die erste mit Jahreszahl, Ort und Verleger

bezeichnete Aus-

gabe des Typus Nr. 2 — 5 ist, wie bereits bemerkt, im September 1 5 1 8 in Löwen bei Dirk Maertens aus Aalst gedruckt worden (Nr. 4 bei Böcking).

Das älteste Zeugnis für

das Vorhandensein der Ausgabe Nr. 1 ist dagegen erst die Widmung Scheurls vom 3 1 . J a n u a r 1 5 1 9 .

Fast gleichzeitig,

nur etwas später, ist eine Äußerung des Erasmus, in der er Faustus Andrelinus mit dem Dialog in Verbindung bringt. In seinem Briefe vom 1. Mai 1 5 1 9 an den Kardinal Laurentius Campegius erzählt er, daß der ihm vor 5 Jahren bekannt gewordene Dialog ihm später in Deutschland unter verschiedenen Titeln begegnet sei, wobei u. a. auch Faustus Andrelinus als Verfasser genannt worden sei 2 ). Geht man von der im Gegensatz zu der von Vinc. Placcius, Theatrum anonymum et pseudonymum, P. I, S. 372, und Hermann von der Hardt in Autographa Lutheri et coaetanorum III, S. 348, erwähnten Ausgabe des Typus Nr. 2—5 (ohne Jahr und Ort). Für die Priorität von Nr. 1 führt er an, daß sie im Todesjahr des Papstes erschienen ist und daß ihr Titel, der durch seine Schlichtheit auffällt, für ihre Ursprünglichkeit spricht. Vix enim adduci aliquis ad credendum posset, auctorem, quisquis fuerit, libellum suum editurum fuisse cum hac inscriptione: Dialogus viri cuiusdam [sie!] eruditissimi, festivus sane ac elegans. Alteri aut tertiae editioni, quae nescio auetore curatur, talis conveniat titulus, non primae, quae ipsi auetori debetur. Fuisse autem hanc, de qua nunc sermo nobis [Nr. 1], ab ipso auetore adornatam, hoc minus dubitare nobis licet, quod sit modestissime et omni sine verborum ornatu inscripta, nec diu a morte Iulii Pontificis prodierit. Johannes Wolf hat deshalb, wie Mencken meint, mit vollem Recht der von ihm in Lectionum memorabilium II, S. 58 fr. abgedruckten Ausgabe den Titel von Nr. 1 gegeben, und Bayles Vermutung (Diction. hist. et crit. II, S. 1574, N.), Wolf habe diesen Titel erfunden, ist gegenüber der Existenz von Nr. 1 ganz unbegründet. Nach Ferguson (S. 55) soll auch im Britischen Museum ein Exemplar dieser Ausgabe sein. s ) ante quinque annos degustavi verius quam legi. Post repperi in 263

Annahme aus, daß Erasmus der Verfasser des Dialogs sei und daß er — nachdem der Dialog gegen seinen Willen bekannt geworden — alles getan habe, um den Verdacht der Verfasserschaft von sich abzuwälzen, so könnte man auf den Gedanken kommen, daß Erasmus selbst die Ausgabe Nr. i mit der so durchsichtigen Andeutung des Namens des Verfassers veranstaltet habe. Man könnte diese Vermutung noch dadurch verstärken, daß man auf den Tod des Faustus Andrelinus am 25. Februar 1518 x) hinweist. Nachdem der als witziger Spötter bekannte, französisch gesinnte Humanist gestorben, stand für Erasmus nichts im Wege, die unbequeme und gefährliche Schrift ihm anzuhängen und sich selbst dadurch von dem Verdacht der Verfasserschaft zu befreien. Alsdann wäre die Ausgabe Nr. 1 erst kurz vor dem Jahre 1519 veröffentlicht worden 2 ). Aber obgleich damit das Problem der Ausgabe Nr. 1 in sehr einfacher Weise gelöst wäre, so läßt sich doch diese Vermutung — abgesehen von anderen, später zu erörternden Gründen 3) — nicht aufrechterhalten. Böcking hat schon darauf hingewiesen, wie bedenklich es ist, jemandem zuzutrauen, daß er den Namen eines anderen — noch dazu eines Freundes — mit einer Verantwortung belaste, der er sich selbst entziehen möchte 4). Die darin liegende CharakterGermania apud quosdam descriptum, sed variis titulis.

Q u i d a m testa-

bantur Hispani cuiuspiam esse, sed suppresso nomine; rursus alii Fausto poetae tribuebant, alii Hieronymo Balbo (Allen I I I , ep.

9 6 1 , 37fr.).

') S. oben S. 260 zu A n m . 1. 2)

Mencken (1. c. ) erwägt auch diese Möglichkeit, sub nomine Andreiini,

quem

ipse

veterem

congerronem

suum

vocat,

tutius

latere

voluisse

Erasmum, lehnt sie aber ab, da er von der Voraussetzung ausgeht, d a ß Nr. 1 im Jahre 1513 erschienen ist und in diesem Jahre Andrelinus noch lebte, —

unter diesen Umständen könne

temeritatis zutrauen,

man Erasmus nicht tantum

daß er den Andrelinus ohne sein Wissen und gegen

seinen Willen z u m Verfasser einer so schändlichen Satire habe machen wollen. 4)

264

3)

Siehe K a p . 7 .

neque huius loci neque omnino opus est, eorum qui aut Erasmo

losigkeit w ü r d e dadurch nicht abgeschwächt werden, daß es sich u m einen Toten handelte. A b e r w e n n man vielleicht meinen sollte, daß dem C h a r a k ter des Erasmus auch eine derartige Handlungsweise

zu-

getraut werden könne, so geht doch aus demselben Briefe des Erasmus an den K a r d i n a l Campegius hervor, daß es sich nicht so verhalten kann.

Die Bemerkungen, die Erasmus in

diesem Briefe über den Dialog macht, deuten ersichtlich auf den T y p u s der Ausgaben N r . 2 — 5 hin, aber nicht auf die A u s g a b e N r . 1.

Erstens nämlich bezeichnet Erasmus

die

Schrift als dialogus und nicht als libellus, obgleich er unmittelb a r vorher, wo er von anderen Schmähschriften spricht, dieselben als libelli bezeichnet. U n d zweitens sagt er: D e r Dialog sei — mento)

wie schon aus dem I n h a l t s v e r z e i c h n i s

(ex argu-

hervorgeht — in gehässiger Weise gegen den Papst

Roterödamo, aut Hutteno, aut Francisco Dryandro sive de Enzina, aut Hieronymo Balbo libellum adscripserunt, argumenta, quae per se nulla sunt, diligenter refeilere, scilicet si quis cuiusvis inscriptionis nomina numerosque simulandi dissimulandive causa ab auctoribus editoribusque, ut personati ipsi in alios odia periculaque transferrent, positos esse animique sententiae tecte ubique et perverse ac praepostere exprimendae Studium navatum esse sibi sumat (Böcking I V , S. 422). *) Daß das Wort argumentum hier »Inhaltsverzeichnis« bedeutet (entsprechend dem klassischen summarium oder summa, Krebs, Antibarbarus, 1876 6 , S. 164), wird dadurch nahegelegt, daß Erasmus das Buch nur flüchtig gelesen zu haben behauptet (degustavi verius quam legi, Allen I I I , S. 574). Danach kann er sich für die Begründung seines Urteils über das Buch nicht gut auf den Inhalt desselben berufen. Außerdem wäre es naiv, wenn Erasmus sagen würde, das Buch sei in odium Iulii pontificis geschrieben, wie aus dem Inhalt des Buches hervorgehe. Es wäre keine Begründung seines Urteils über das Buch, wenn Erasmus sagen würde: daß das Buch eine Hetzschrift gegen den Papst ist, sieht man daran, daß es gegen den Papst hetzt. In seinem Brief an Wolsey vom 18. Mai 1 5 1 9 kehrt dieselbe Wendung in noch bestimmterer Form wieder: satis arguit ipsum argumentum (Allen I I I , S. 592). Durch den Zusatz ipsum wird hier das argumentum von dem Buch selbst unterschieden. — Im Sinne von »Inhaltsangabe« verwendet Erasmus das Wort argumentum auch in dem Conflictus Thaliae et Barbariei (Colloquia, Stallbaum, S. 377).

265

Julius gerichtet. Ein Inhaltsverzeichnis haben im Titel nur die Ausgaben Nr. 2—5, aber nicht Nr. 1, und das Inhaltsverzeichnis von Nr. 2—5 nimmt in der Tat die in dem Dialog vollzogene Anprangerung des Papstes schon vorweg. Daraus folgt, daß Erasmus einen Text des Dialogs gekannt hat, der i n seinem T i t e l b l a t t den Ausgaben Nr. 2—5 entspricht. Bestätigt wird diese Schlußfolgerung durch die Ausgabe Nr. 4. Es kann nämlich kaum zweifelhaft sein, daß diese Ausgabe zu Erasmus irgendwie in näherem Verhältnis steht. Der Herausgeber dieser Ausgabe Dirk Maertens aus Aalst hat in den Jahren 1 5 1 7 — 1 5 1 9 verschiedene Schriften des Erasmus herausgegeben. Im August 1517 ist die Apologia gegen Faber bei Maertens gedruckt worden 1 ), im März 1518 Querela pacis und am 1. Januar 1519 der Lucubrationum Erasmi Roterodami Index 4 ). Im März 1519 gibt Erasmus bei Maertens heraus Familiarium colloquiorum formulae 3) und im Mai 1519 De D. Erasmo Roterodamo Epistola von John Turzo 4). In dieser Zeit lebte Erasmus — mit Unterbrechung durch seine Reise nach Basel (vom Mai bis September 1518) — in Löwen. Aus Basel schwer erkrankt zurückgekehrt, wohnt er vom 21. September 1518 an vier Wochen lang bei Maertens und wird von ihm trotz des Pestverdachtes gepflegt 6 ). In das intime Verhältnis des Erasmus zu Maertens gibt außerdem u. a. ein Brief Martin Dorps an Erasmus vom 14.Juli 1518 Einblick 6 ). Und eben in dieser Zeit — im J

2 ) Allen I I I , S. 157. ) Allen I, S. 1. 4 ) Allen I I I , S. 464. ) Allen I I I , S. 346, 48. 5 ) Vgl. den Reisebericht an Beatus Rhenanus vom 15. Oktober 1 5 1 8 (Allen I I I , S. 392ff.). 6 ) Man bekommt einen überaus anschaulichen Eindruck von der feuchtfröhlichen Schwatzhaftigkeit des Theodoricus noster, Bacchi mysta. . . . Et ecce dum fabulamur maxime, Theodoricus potitat maxime partesque agitat suas haud quaquam instrenue, ne ipse quidem interim otiosus a fabulis. Omnibus paene linguis, loquitur dixerim an obturbat? Germanica, Gallica, Italica, Latina: ut in hoc apostolicum quempiam renatum credas; ut vel Hieronymum quamvis multilinguem, si non 3

266

September 1518 wird die Ausgabe Nr. 4 bei Maertens gedruckt. Unter diesen Umständen ist es sehr unwahrscheinlich, daß Erasmus von dieser Ausgabe des Julius nicht gewußt und ihrer Veröffentlichung nicht zugestimmt haben sollte 1 ). Über das Verhältnis dieser Ausgabe zu den übrigen werden wir uns noch weiter zu unterrichten haben. Auf Grund dieser Untersuchungen sind die Angaben der W. A. in folgenden Punkten richtig zu stellen: 1. Die Annahme, daß Luther von Scheurl zwei Exemplare des Dialogs — das eine im September 1517, das andere im Januar 1519 — erhalten habe, ist unbegründet. Luthers Äußerungen über den Dialog vom September 1517 und vom Februar 1519 beziehen sich vielmehr auf ein und dasselbe Exemplar. 2. Die Annahme, daß Luther das im September 1517 gesandte Exemplar auf dem Umwege über Trutvetter und Dinstedt erhalten habe, ist irrig, da Luther das im September 1517 gesandte Exemplar bereits im November 1517 an Spalatin weitergegeben hat, während Trutvetter erst im Oktober 1518 durch Scheurl aufgefordert wird, den Dialog an Dinstedt zu senden. 3. Für die Annahme Clemens, daß das im September an Luther übersandte Exemplar nicht ein Druck, sondern eine Handschrift gewesen sei, gibt es keine Begründung. 4. Wenn Giemen sagt, die Annahme Böckings, daß die Ausgabe Nr. 1 die erste Ausgabe sei, sei irrig, so bringt er dafür keinen Beweis. Es ist vielmehr schon nach dem Titel der verschiedenen Ausgaben anzunehmen, daß in der Tat Nr. 1 die Originalausgabe und alle übrigen Ausgaben spätere Nachdrucke sind. elegantia, numero tarnen linguarum ausit provocare (Allen III, S. 3 4 7 ,

10 ff.).

S. oben Kap. 5, S. 228f.

267

SIEBENTES

KAPITEL

©ie berfdiicbtntn S i t s g a b t n btö S i a l o g ö i. D E R

TEXT

a) D e r T i t e l . Von entscheidender Bedeutung für die Frage nach der Herkunft und dem Verfasser des JuliusDialogs ist das Verhältnis der verschiedenen Ausgaben zueinander . Auszugehen ist dabei von der — bereits durch Erasmus hervorgehobenen 2 ) — Tatsache, daß die verschiedenen Ausgaben des Dialogs im Titel voneinander abweichen. Diese Verschiedenheit des Titels ist ebenso beachtenswert wie der Umstand, daß gerade Erasmus hierauf aufmerksam macht. Dabei kommt allerdings der in der Gegenwart am meisten in Aufnahme gekommene Titel: »Iulius exclusus« nicht in Betracht, da diese Form des Titels erst sehr spät auftaucht. 1

) Schon Ludwig Geiger, Studien zur Geschichte des französischen Humanismus (Vierteljahrsschrift für Kultur und Litteratur der Renaissance, I, 1886, S. i f f . ) ist auf das Verhältnis der verschiedenen Ausgaben zueinander aufmerksam geworden (S. 17 Anm. 1), ist aber der Vergleichung der Texte nicht nachgegangen. Neuerdings hat Henri Hauser erneut die Vergleichung der verschiedenen Ausgaben gefordert, ohne allerdings auch seinerseits zur Lösung dieser Aufgabe etwas beizutragen. Im übrigen ist sein Aufsatz: Le »Iulius« est-il d'Érasme? (Revue de Littérature comparée, V I I , 1927, S. 605—618) eine im allgemeinen durchschlagende Zurückweisung der nicht mehr ernsthaft zu widerlegenden Leichtgläubigkeiten Pineaus in seinem Aufsatz: Érasme est-il l'auteur du »Iulius«? (Revue de Littérature comparée V , 1925, S. 385—415). — Die Vergleichung der Lesarten bei Ferguson ist ganz wertlos. 2 ) S. oben S. 263, Anm. 2.

268

Sie findet sich erst — offenbar als Abkürzung des längeren Titels — in der Ausgabe vom Jahre 1544 . Auch der Text dieser Ausgabe ist für die Frage nach der Herkunft des Dialogs ohne Bedeutung, da es sich — wie bereits Böcking bemerkt — offenbar um einen Abdruck der von Böcking als Nr. 3 bezeichneten, ohne J a h r und Ort erschienenen Ausgabe handelt. Die Lesarten von Nr. 8 stimmen durchweg mit denen von Nr. 2 und Nr. 3 überein, folgen aber, wo diese beiden Ausgaben voneinander abweichen, denen von Nr. 3 2 ). Die Ausgabe Nr. 8 hat — abgesehen von einigen Versehen und Druckfehlern 3 ) — nur einen ihr eigentümlichen Zusatz: als der Papst sich zur Rechtfertigung seines Eidbruchs auf einen Ausspruch Caesars beruft, bringt Nr. 8 dies Wort Caesars in freier Wiedergabe 4). Im übrigen handelt es sich bei dieser Ausgabe um eine unveränderte Wiedergabe von Nr. 3. — Der Text von Nr. 8 liegt auch der Wiedergabe des Dialogs bei Jortin 5 ), in der Ausgabe der Werke Huttens von Münch 6) und — zum Teil auch — bei Retzer 7) zugrunde. Von den übrigen Ausgaben bezeichnen die meisten die Schrift als »Dialog«, wobei der Titel nicht bloß das Lob des Autors und des Buches, sondern zugleich auch eine kurze *) Pasquillorum tomi duo, Eleutheropoljs, 1544, S. 1 2 3 — 1 7 8 (Böcking I V , S. 423: Nr. 8). 2 ) Vgl. Böcking I V , S. 427, 13; 14; 428, 2; 430, 3 1 ; 432, 3; 433, 16; 434. 8; 435. '» 2 1 ; 24; 437, 19; 22; 2 3 ; 438, 2 1 ; 23; 439, 5; 440, 22; 4 4 1 , 5; 14; 18f.; 19; 442, 27; 443, 14; 445, 2; 10; 24; 446, 28; 447, 12; 22; 448, 14; 449, 18; 450, 20; 2 1 ; 452, 10; 25; 28; 453, 4; 5; 6; 8; 1 3 ; 18; 3 ° ; 36; 455. 18; 36; 456, 19; 20; 457, 4f.; 20; 24. ») Vgl. z. B. Böcking I V , S. 439, 28; 442, 15; 26. 4 ) Si leges, inquit, confringere fas est, certe tum máxime est, cum regnare concupieris (Böcking I V , S. 438, 16). Vgl. oben S. 7, Anm. 4. 6 ) Jortin, The life of Erasmus II, S. 600—622. 6 ) Ernst Münch, Ulrichi ab Hutten Equitis Germani Opera V I , 1827, S. 428 fr. ') Joseph von Retzer, Opera Hieronymi Balbi I, 1 7 9 1 , S. 496—538.

269

Inhaltsangabe (argumentum) hinzufügt, wie wir bereits erwähnt haben 1 ). Hierin stimmen von den älteren Ausgaben, die Böcking anführt, Nr. 2, 3, 5 und 9, aber auch Nr. 4 und 7 fast wörtlich überein. Auch Nr. 13 gehört hierher: statt Dialogus heißt es hier allerdings Discursus, aber im übrigen ist der Titel mit dem der genannten Ausgaben ganz gleichlautend, wie denn auch der Text dieser späten Ausgabe den Text von Nr. 5 wiedergibt. Dagegen hat Nr. 1 im Titel den anonymen Hinweis auf den Verfasser: F. A. F. poetae regii und die ganz kurze und von keiner Anpreisung des Verfassers und des Inhaltes begleitete Überschrift: libellus de obitu Iulii pontificis maximi mit der Jahreszahl 1 5 1 3 , wobei es zunächst unentschieden bleibt, ob diese Jahreszahl nur das Todesjahr des Papstes oder auch das Entstehungsjahr des Dialogs angeben soll. Aus dem Inhalt des Dialogs geht aber, wie wir nachgewiesen haben, hervor, daß der Dialog — auch wenn die Jahreszahl a u f dem T i t e l b l a t t nur das Todesjahr des Papstes meint — im Februar und März 1 5 1 3 , d. h. zwischen dem Tode des Julius und der Wahl Leos X . geschrieben sein muß a ). — Von den übrigen Ausgaben hat diesen Titel nur noch der ganz späte Abdruck von Nr. 1, den Johannes Wolf in der von Böcking als Nr. 10 bezeichneten Ausgabe bietet und der sich von seiner ausdrücklich genannten Vorlage Nr. 1 nur durch einige leicht erkennbare Versehen und Druckfehler unterscheidet. Ergibt sich schon aus dieser Vergleichung der Titel, daß die von Böcking als Nr. 1 bezeichnete Ausgabe als die älteste anzusehen ist, so läßt sich der unanfechtbare Beweis hierfür durch eine Vergleichung des Textes der Ausgabe Nr. 1 mit dem der übrigen Ausgaben erbringen. b) D e r T e x t B ö c k i n g s . *) S. oben S. 265, Anm. 1.

270

Für diese Textvergleichung 2

) S. oben S. 89 ff.

kann m a n sich allerdings nicht auf den von Böcking veröffentlichten T e x t stützen. mühsamen

Aufgabe

schiedenen

ihm

Böcking hat sich der überaus

unterzogen,

erreichbaren

die

Ausgaben

Lesarten

der

ver-

des Dialogs

mit-

einander zu vergleichen und ihre A b w e i c h u n g voneinander zu notieren.

Von

den

16 lateinischen Ausgaben,

die er

bibliographisch nachgewiesen hat, sind v o n ihm die Lesarten von

8 Ausgaben

unter

dem

Text

angegeben

worden1);

außerdem sind vereinzelt auch die Lesarten der deutschen A u s g a b e , die nach der A n g a b e Böckings von einem Schüler Melanchthons gegen E n d e der 50er J a h r e des 16. J a h r h u n d e r t s angefertigt worden i s t 2 ) , 4

folgt grundsätzlich )

berücksichtigt worden 3 ).

Böcking

der mit F . A . F . bezeichneten

Aus-

gabe, die er — mit R e c h t — für die Originalausgabe hält. A b e r leider hat er den T e x t dieser A u s g a b e nicht unverändert abgedruckt, sondern ihn vielfach nach den späteren

Aus-

Vgl. S.426, 5 ff. ) Böcking nennt — im Anschluß an Joh. Peter Niceron, Nachrichten von den Begebenheiten und Schriften berühmter Gelehrten, herausg. v. S. J . Baumgarten, I X , 1754, S. 323 — J o a c h i m Curaeus als Übersetzer; nach Melchior Adam, Vitae Germanorum Medicorum, 1620, S. 167f., ist dies ein Irrtum. Wie schon Jortin II, S. 596, bemerkt, wird in der Biographie des Joachim Curaeus von Melchior Adam der Vater G e o r g Curaeus als Übersetzer genannt: Cum enim odisset fraudes et idola pontificia et delectaretur erudito sale venissetque in manus eius Dialogus, qui nominatur Julius, cuius autor putatur Erasmus, aliquot horas diei versioni illius in linguam germanicam tribuit. Ac ostenderunt pagellae, quas reliquit moriens [1548?], et sermonem latinum recte ab ipso intellectum esse et in exprimendis rebus ipsi non defuisse in nostra lingua perspicuitatem et elegantiam. Vermutlich ist die V e r ö f f e n t l i c h u n g dieser Übersetzung durch seinen Sohn Joachim Curaeus erfolgt; dieser war von 1550—1554 als begeisterter Verehrer Melanchthons in Wittenberg. Vgl. auch Münch, V I , S. 428. 3 ) S. 430, 1 (Böcking irrt allerdings, wenn er an dieser Stelle die deutsche Übersetzung zu Gunsten der Lesart von Nr. 2 ff. anführt, da sie vielmehr offenkundig mit Nr. 1 übereinstimmt); 451, 34; 453, 20; 455. 25*) quantum potui (S. 426, 5f.). 2

271

gaben und gelegentlich auch nach eigenen Vermutungen umgestaltet . Die A u s g a b e von Böcking hat folgende Fehler: S. 427, 6: 1, 4, 7 rei st. mali. — 427, 17: hic fehlt nicht in 1, 10, 15. — 428, 5: Semper fehlt a u c h in 1. — 428, 36: Alle T e x t e außer d e n v o n Böcking nicht verglichenen A u s g a b e n Nr. 4 u n d 7 haben a b inferis eruisse. Wie Böcking bemerkt, wird dies a m E n d e von 2 als Fehler notiert u n d als richtige Lesart eripuisse angegeben. Die A u s g a b e M e l a n c h t h o n s von 1557 (Böcking Nr. 9) u n d die zweite O x f o r d e r A u s g a b e v o n 1680, die beide d e n T e x t von Nr. 2 wiedergeben (sie sind beide v o n B ö c k i n g n i c h t b e n u t z t worden), haben die von Böcking als erträglicher bezeichnete K o r r e k t u r : erupisse. Böcking selbst hält die Lesart emissae für richtig. Diese Lesart h a b e n die beiden — B ö c k i n g u n b e k a n n t e n — A u s g a b e n N r . 4 und 7. —• 429, 1: 1 illum st. ullum. — 429, 18: 1 videat. I n d e m v o n Böcking benutzten Straßburger E x e m p l a r ist das v allerdings schlecht ausgedruckt, so d a ß m a n es auch f ü r ein r halten kann. A b e r das N ü r n berger E x e m p l a r hat g a n z deutlich: videat. V o n den mir zugänglichen A u s g a b e n haben nur Nr. 9, O x f o r d I I und die Richeliana (Böcking N r . 13): rideat. — 429, 34: territast, Druckfehler st. territasti (Nr. 13: irritasti). — 430, 2 : 1 . die quaeso iure? 2 die quaeso q u o iure? B ö c k i n g : die quo iure? Diese Lesart haben N r . 8, Nr. g, O x f . 1680 und N r . 3, aber a u c h 4 u n d 7. — 430, 3: 1, 4, 7: privatus es . . . quilibet plebeius, 2 privatus es . . . quilibet privatus. —• 432, 22 A n m . : Pisa Sept. 1 5 1 1 (nicht 1510). — 433, 16: 1 Christi (nicht celi). —• 435, 33: Böcking setzt f ü r 1 certa (2 edita) cerea ein; aber diese textlich unbegründete Ä n d e rung ist a u c h sachlich unberechtigt. D a es sich u m eine formidabilis bulla handelt, kann nur eine p l u m b e a bulla in Frage kommen, vgl. S. 434, 17 und 20. »Bulla ist ein offener Brief, den der Papst in der feierlichsten Form erläßt. Der charakteristische Hauptbestandteil dieser F o r m ist das herabhängende Bleisiegel, v o n w e l c h e m die ganze U r k u n d e d e n N a m e n erhielt. D e r Ausdruck Bulle w a r nämlich die allgemeine Bezeichnung für die Metallsiegel, welche den U r k u n d e n gewöhnlich an Schnüren angehängt w u r d e n . . . D i e G e w o h n h e i t der Päpste, bleierne Bullen zu gebrauchen, ist wohl von den Kaisern entlehnt« (Wetzer u n d Welte I I , 1848, S. 209). — Selbstverständlich ist es nicht das Interesse a n der T e c h n i k der Bullen, wenn sie i m D i a l o g als »bleiern« bezeichnet werden; der Dialog m a c h t sich vielmehr die Zweideutigkeit des Wortes plumbeus zunutze, das a u c h »stumpfsinnig«, »dumm«, »geistlos« bedeuten kann. V g l . M ü n c h , V I , S. 4 1 1 , 9: p l u m b e u m ingenium; ähnlich Luther, Resolutiones 1518 (W. A . I, S. 548, 15): pugio plumbeus, u n d Erasmus, A d a g i a : p l u m b e o iugulare gladio. D a ß Wachssiegel z. B. bei den A b l a ß briefen zur A n w e n d u n g kommen, setzt die E r z ä h l u n g Luthers, Resolutiones 1518, concl. L I I (W. A . I, S. 604, 8ff.), voraus: venisse q u e n d a m

272

Der Text Böckings entspricht also keiner der vorhandenen Ausgaben, sondern stellt eine ganz neue Textform dar. Man kann ihn infolgedessen für die Vergleichung des Stils der verschiedenen Ausgaben nicht in Anspruch nehmen. Es wäre selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden gewesen, wenn Böcking die offenkundigen Versehen und Druckfehler, die sich in Nr. i finden und in den anderen Ausgaben verbessert werden, auch in seinem Text verbessert hätte. Denn aus den in Nr. i vorkommenden Flüchtigkeiten und ihrer Verbesserung in den anderen Ausgaben kann man noch keine Schlüsse auf das zeitliche Verhältnis der Ausgaben zueinander ziehen. Die Fehler in Nr. i konnten ebensogut entstehen, wenn die Vorlage für Nr. i eine der anderen Ausgaben und nicht das Manuskript des ersten Verfassers war, — wie es denn auch in den anderen Ausgaben nicht an Versehen und Druckfehlern fehlt. Aber das Verfahren Böckings wird schon dadurch bedenklich, daß es sich bei den angeblich fehlerhaften Lesarten in Nr. i, denen in den anderen Ausgaben die richtigen Lesarten gegenübergestellt mortuum cum literis indulgentiarum ad infernum per easque petiisse libertatem, tunc occurrisse daemonem, qui legens inter manus (prae fervore ignis) ceram et papyrum consumpsit secumque traxit in profundum. — 436, 7: 1 patrum, 2 praemium, Böcking (ohne textliche Grundlage) presbyterorum. — 437, 23: Böcking meint in dem Straßburger Exemplar von 1 egrote = aegrotae als ursprüngliche Lesart festzustellen, die dann in emotae verändert sei; aber die Korrektur in dem Straßburger Exemplar besteht nur darin, daß der dritte Strich des Buchstabens m mit Tinte nachgezogen ist, so d a ß er sich von den beiden anderen Strichen als besonderer Buchstabe abzuheben scheint. Das Nürnberger Exemplar hat deutlich emotae wie auch alle übrigen Ausgaben außer Nr. 3 (commotae). — 438, 5: orgine (Druckfehler). —• 438, 21: Lodovico und Ludovico werden beide als Lesart 3 angegeben. — 441, 13: 1 negocium ebenso wie 2. — 443, 35f.: 1, 4, 7 manibus, 2 manibus et pedibus. — 443, 39: 1 Horresco referens, Böcking referes (Druckfehler). — 444, 5: 1, 4, 7, 15 possent, cumularent; 8, Oxf. I I possint, cumulant; 13 possint, cumularent. — 446, 7: ope auch in 1, 4, 7. — 449, 26: i , 4, 7, 15 nationem esse. 18

S t a n g e , Erasmus

273

werden, gar nicht immer um Fehler von Nr. i, sondern des öfteren um Mißverständnisse der anderen Ausgaben handelt. Mit einer Reihe von derartigen Fällen werden wir uns noch zu beschäftigen haben. Aber über die Druckfehler und V e r sehen hinaus unterscheiden sich die verschiedenen Ausgaben auch dadurch voneinander, daß der in Nr. i vorliegende Text stilistisch ein anderes Gepräge trägt als die anderen Ausgaben. Bei den Lesarten der anderen Ausgaben handelt es sich zum Teil auch um stilistische Abänderungen und zum Teil um Zusätze inhaltlicher Art. Diese i n h a l t l i c h e n Z u s ä t z e hat Böcking in der Regel kenntlich gemacht, indem er sie in Klammern dem Text von Nr. i eingefügt hat Dagegen sind die

stilistischen

Besonderheiten

.

der

anderen Ausgaben von ihm in den Text von Nr. i aufgenommen worden, ohne daß sie im Text selbst erkennbar werden. Dabei gibt Böcking bald der einen, bald der anderen Textform, bald der Lesart des kürzeren, bald der des längeren Textes den Vorzug, so daß der von ihm hergestellte Text eine willkürliche Mischung zweier verschiedener Stilarten darstellt.

Man bekommt infolgedessen von der stilistischen

Eigenart der verschiedenen Ausgaben durch den Böckingschen Text keinen Eindruck. Dies Verfahren ist um so mehr zu beanstanden, als Böcking —- wie die Tabelle auf S. 3 3 8 zeigt — nur die dem Original am

fernsten

stehenden

Ausgaben der Baseler Redaktion (Nr. 2 und 3 ff.) zur V e r gleichung heranzieht. Die zu dem Text von Nr. 1 in den anderen Ausgaben hinzugefügten Zusätze sind nun aber ebenso wie die stilistischen Abwandlungen des Textes für die Frage nach der Herkunft und dem Verfasser des Dialogs von der größten Bedeutung.

Im Hinblick auf die inhaltlichen Zusätze des

Textes werden wir dies später noch zu erörtern haben.

Von

' ) Mit einer Ausnahme, vgl. S. 441, i8f., wo der Zusatz unter dem. Text vermerkt ist.

274

der Bedeutung der Stilverschiedenheit der verschiedenen Ausgaben bekommt man aber bereits einen Eindruck, wenn man sich daran erinnert, daß die Zeitgenossen des Erasmus und seitdem bis in die Gegenwart hinein die Kritiker des Erasmus ihn in dem Stil des Dialogs zu erkennen meinen. Soll aus dem Stil des Dialogs die Verfasserschaft des Erasmus gefolgert werden, so müßte zunächst einmal festgestellt werden, welches die ursprüngliche Fassung des Dialogs ist, d. h. welche der verschiedenen Ausgaben die älteste ist. Die Ähnlichkeit des Stils kann nur dann die Verfasserschaft des Erasmus beweisen, wenn sie im Hinblick auf den ursprünglichen Text des Dialogs nachgewiesen werden kann. Die von Böcking nicht berücksichtigte Tatsache, daß sich die verschiedenen Ausgaben des Dialogs im Stil wesentlich voneinander unterscheiden, stellt also die von den Zeitgenossen des Erasmus und seinen späteren Kritikern geübte Stilkritik vor eine neue Aufgabe. Es entsteht nun die Frage, ob die angebliche stilistische Verwandtschaft des Dialogs mit Erasmus an dem Text von Nr. i oder an dem Text der übrigen Ausgaben, die sich schon durch ihren erweiterten Titel von Nr. i unterscheiden, festgestellt werden soll. Stimmt der noch nicht stilistisch überarbeitete Text von Nr. i oder aber der stilistisch überarbeitete Text der übrigen Ausgaben mit der Schreibweise des Erasmus überein? Aber das Verhältnis der verschiedenen Ausgaben untereinander ist nicht so einfach, wie es nach der Verschiedenheit des Titels scheint. Nach der Verschiedenheit des Titels sollte man annehmen, daß es zwei verschiedene Typen des Dialogs gibt. Bei der Vergleichung der verschiedenen Ausgaben untereinander kommt man aber zu dem Ergebnis, daß es sich um einen komplizierteren Tatbestand handelt. Die Ausgaben, die den erweiterten Titel führen, weichen wiederum so wesentlich voneinander ab, daß man sie nicht als eine einheitliche Gruppe ansehen kann. 18«

275

c) M i s c h f o r m e n . Dabei scheiden allerdings zunächst einige dieser Ausgaben aus, bei denen es sich um Mischformen des kürzeren und des längeren Textes handelt. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß sie offenkundig sowohl den Text des libellus de obitu als auch den des Dialogus viri cuiuspiam kennen und benutzen. Wir haben es bei ihnen also — ebenso wie bei Böcking — mit einer Verarbeitung und Vermischung beider Textformen zu tun. i. Nr. 15. Am deutlichsten ist dies bei Nr. 15 der Fall, d. h. bei dem von Joseph von Retzer in seiner Ausgabe der Werke des Hieronymus Baibus wiedergegebenen Text . Retzer sagt ausdrücklich, daß er die Ausgabe von 1544 (Nr. 8) benutzt hat 2 ), die, wie wir bereits erwähnt haben 3 ), dem erweiterten Text (Nr. 3) folgt. Er bringt infolgedessen auch alle Zusätze des erweiterten Textes. Aber außerdem weiß er auch — durch die Vermittlung Menckens — von der Existenz der Ausgabe Nr. 1 und hält sie offenbar für die ursprüngliche Form des Dialogs. Und er kennt nicht bloß den T i t e l dieser Ausgabe, sondern auch — durch welche Vermittlung, werden wir sogleich feststellen — den T e x t der kürzeren Form des Dialogs. Das zeigt sich an den gelegentlichen Verbesserungen, die er an dem erweiterten Text nach den Lesarten des kürzeren Textes vornimmt. Der von ihm wiedergegebene Text ist also eine Mischform der verschiedenen Typen des Dialogs und steht damit auf derselben Stufe wie der von Böcking hergestellte Text. In beiden Fällen handelt es sich um eine späte Zusammenarbeitung verschiedener Textformen. Für die Frage nach der ursprünglichen Gestalt des Dialogs kommt deshalb die Ausgabe Nr. 15 nicht in Betracht. Zur Veranschaulichung verweise ich auf einige Stellen, Hieronymi Balbi Opera, Wien 1791, S. 496—538. ) S. 496 Anm. ') S. oben S. 269. 2

276

an denen diese Vermischung der beiden Textgestalten in g e r a d e z u grotesker Weise in die Erscheinung tritt.

A n einer

Stelle des Dialogs redet der Papst von seinem Verhältnis zu den Indern, Afrikanern, Äthiopern und Griechen und sagt: w i r lehnen sie alle ab, wie zunächst die Griechen — Nr. i schreibt: ut proxime Graecos, Nr. 2 setzt d a f ü r : et proxime Graecos, —

d a es schwer ist, hier eine Entscheidung

zu

treffen, verbindet Nr. 15 beide Lesarten und schreibt: ut et Graecos1),

»wie a u c h

die Griechen«! •— was

nicht in den Z u s a m m e n h a n g paßt, d a von den

allerdings Griechen

schon die R e d e war. — A n einer anderen Stelle ist davon die R e d e , d a ß dem Papst zusteht, Fürsten abzusetzen



Nr. 1 schreibt: R o m a n o pontifici, Nr. 2 setzt dafür: R o m a n o sacrifico, — d a beides dasselbe bedeutet und m a n infolgedessen keins von beiden für falsch erklären kann, verbindet Nr. 15 beide

Lesarten

und

schreibt: R o m a n o pontifici

sacrifico2).

Diese beiden Beispiele geben ein völlig eindeutiges Bild.



A b e r noch drastischer ist eine dritte Stelle, an der Nr. 15 der Lesart von Nr. 1 folgt, aber die Lesart des erweiterten Textes durch eine g a n z sinnlos stehengebliebene Verbindungspartikel erkennen läßt.

D e r Papst würde es für ein großes

U n g l ü c k halten, w e n n die Pisaner K a r d i n ä l e sein ganzes Leben

der

Öffentlichkeit

preisgegeben

hätten



Nr. 1

schreibt: si o m n e m v i t a m m e a m prodidissent in vulgus



Nr. 2 erweitert in spielerischer Rhetorik den T e x t : si o m n e m v i t a m m e a m perdidicissent prodidissentque, — d a dieser Zusatz eine keineswegs glückliche Bereicherung ist, läßt Nr. 15 ihn w e g , läßt aber die Verbindungspartikel stehen und schreibt: si o m n e m v i t a m m e a m prodidissentque (ohne perdidicissent)! 3 ) Daneben

finden

sich schließlich

a u c h Stellen, an

denen

Nr. 15 eine neue Lesart entstehen läßt, i n d e m sie teils d e m Böcking I V , S. 446, 32. 2) 3)

Böcking I V , S. 550, 30. Böcking I V , S. 451, 17.

277

kürzeren, teils dem längeren Text folgt: als von den Bündnissen die Rede ist, durch die die Fürsten Europas untereinander verbunden

waren,

schreibt

der kürzere

Text:

fuerant arctissime conciliati, während der längere Text statt dessen: fuerunt exactissime bringt, — Nr. 15 macht daraus: fuerunt arctissime, indem sie aus dem kürzeren Text arctissime, aus dem längeren Text fuerunt übernimmt 1 ). Auf welchem Wege Retzer von der kürzeren Textgestalt Kenntnis bekommen hat, ist aus seinen Angaben leicht zu erkennen.

Neben der Ausgabe von

1544

(Nr. 8) nennt

Retzer als die eigentliche Vorlage seines Textes noch eine Ausgabe, die in dem bekannten Pariser Verlag von Gourmont a) in 4 0 erschienen ist, ohne daß dabei das Erscheinungsjahr angegeben wird 3 ). Der Titel dieser sonst unbekannten Ausgabe stimmt mit dem Titel der Ausgabe Nr. 5 überein. Schon Böcking hat die Beobachtung gemacht, daß der Text der Ausgabe Retzers [zum Teil] aus Nr. 5 stammt 4 ).

Hat

nun Retzer neben der Ausgabe von 1544 nur diese auf Nr. 5 zurückgehende Ausgabe von Gourmont, die auch Böcking unbekannt geblieben ist, benutzt, so muß man annehmen, daß die Berührung des Retzerschen Textes mit der kürzeren Textform des Dialogs durch Nr. 5 vermittelt worden ist. Aber ehe wir dieser Frage weiter nachgehen, müssen wir zunächst noch erwähnen, daß Retzer neben Nr. 8 und der Ausgabe von Gourmont noch zwei weitere Ausgaben n e n n t , die er allerdings beide nur dem Titel nach zu kennen scheint. Von der einen dieser beiden Ausgaben sagt er, daß sie in *) S. 433, 5. 2 ) Gilles de Gourmont lebte von i48o(?)—1533(?). Nach ihm führten den Verlag zwei seiner Brüder und zwei seiner Söhne (La grande Encyclopédie X I X , S. 64). L . Geiger nennt außer Gilles de Gourmont (1. c. S. 16, Anm. 2) ca. 1500 auch R o b e r t Gourmont als Verleger in Paris (1. c. S. 10, Anm. 2). 3 ) S. 496 Anm. und S. L X X X I V . *) S. 424.

278

Paris bei Melchior Mondiere im Jahre 1 6 1 2 in 4 0 erschienen sei, während die andere — ich bezeichne sie mit dem Buchstaben P. — ohne Angabe des Ortes und Jahres ebenfalls in 4 0 erschienen sein soll.

Wenn diese Angaben Retzers

zuverlässig sind, hat er neben der Ausgabe von 1 5 4 4 die Titel von drei weiteren Ausgaben gekannt, die alle in 4 0 und von denen zwei in Paris (bei Mondiere und bei Gourmont) erschienen sind. Sind die von Retzer angegebenen Titel genau, so berührt sich die ohne Ort und Jahreszahl erschienene Ausgabe P. mit Nr. 13.

Sie bringt nämlich, ebenso wie

Nr. 13, im Schlußwort des Titels den Indikativ (speravit) statt des Konjunktivs (sperarit), was sonst keine andere Ausgabe hat. Im übrigen stimmt der Titel dieser Ausgabe ohne Zeit und Ort mit der Ausgabe von Gourmont überein.

Sie

gehört also unter allen Umständen, da sie sich sowohl mit Nr. 13 als auch mit der Ausgabe von Gourmont berührt, zum Typus der Ausgabe Nr. 5. Böcking hat die Vermutung ausgesprochen, daß die bei Mondiere erschienene Ausgabe mit der den Pisaner Akten von 1 6 1 2 beigefügten Ausgabe in 4 0 identisch sei. Da Böcking diese nicht gekannt hat, gründet sich seine Vermutung ausschließlich auf die Gleichheit des Jahres, des Ortes und des Formats.

Aber diese Vermutung ist richtig.

Retzer gibt

allerdings für die Ausgabe von Mondiere einen Titel an, der mit dem Titel der den Pisaner Akten angehängten Ausgabe gar nichts gemein hat.

Aber entweder hat Retzer den Titel

der Mondiereschen Ausgabe nur aus zweiter Hand und in verkürzter Form gekannt, oder der den Pisaner Akten angehängte Text ist nicht bloß als Anhang der Pisaner Akten veröffentlicht worden, sondern daneben zugleich mit einem besonderen, nämlich dem von Retzer angegebenen Titel als selbständige Sonderschrift erschienen.

Die Pisaner Konzils-

akten geben allerdings auf dem Titelblatt den Namen des Verlegers nicht an, aber in der Reihe der in ihnen zusammen279

gefaßten Akten findet sich ein Extraict des Registres de la Cour vom 17. April 1612, durch welches Melchior Mondiere, Marchand Libraire ä Paris, das Königliche Privileg zur Herausgabe der Akten, auec les augmentations qu'il pourra recouurer pendant six ans, erhält x ). Die Ausgabe von Mondiere ist also mit der Ausgabe der Pisaner Akten identisch. Dagegen ist die weitere Vermutung Böckings, daß auch die Ausgabe von Gourmont mit der Ausgabe der Pisaner Akten und also der Ausgabe von Mondiere identisch sei, nicht haltbar. Diese Annahme ist schon dadurch ausgeschlossen, daß ausdrücklich zwei verschiedene Verleger genannt werden. Außerdem geht aber auch aus der Wiedergabe des Textes durch Retzer hervor, daß er die Textform der Pisaner Akten nicht gekannt hat 2 ). Hätte nämlich Retzer die Ausgabe der Pisaner Akten als Vorlage benutzt, so hätte er anmerken müssen, daß diese Ausgabe — ebenso wie die von Böcking als Nr. 11 gezählte Ausgabe von Goldast 8) — eine Lücke hat. Der Text der Pisaner Akten bricht bei Böcking I V , S. 442, 16 mitten im Wort (ante-vertens) ab und fährt mit S. 444, 22 (quam impium) fort 4 ). Nach Böcking 6 ) hat dies bei Goldast darin seinen Grund, daß der Herausgeber S. 14 und 15 der Ausgabe Nr. 3 — ohne es zu merken — überschlagen hat. Dieses Versehen ist aber nicht erst Goldast passiert, sondern bereits dem Herausgeber der Pisaner Akten, und Goldast hat dann den Text aus den Pisaner Akten übernommen, ohne die durch die Auslassung entstandene Verwirrung zu bemerken. Böcking nennt ihn deshalb zornig Apologiae sacri Pisani concilii moderni, S. 147. ) Von der Existenz dieser Ausgabe (Nr. 12) ist bei Retzer in dem aus den Miscellanea Lipsiensia Nova V I , 1, 1743 abgedruckten Iudicium Friedr. Otto Menckens die Rede (II, S. 544). 3 ) Politica Imperialia, Frankfurt 1 6 1 4 S. 1058fr.; vgl. S. 1 0 6 3 . Böcking I V , S. 424, Nr. 11 und S. 442, 16, Anra. 4 ) Acta Pisana, Anhang S. 16 unten. а

б

) S. 424, 5 f.

280

nullius fidei compilator; aber wenn Böcking gewußt hätte, daß Goldast als Vorlage nur die Ausgabe der Pisaner Akten gekannt hat, würde er dies scharfe Urteil nicht haben fällen können, da gegenüber der Ausgabe der Pisaner Akten keine Möglichkeit bestand, die Lücke dieses Textes auszufüllen. In derselben Weise hat auch die französische Ausgabe von 1727, die Böcking die Gallica b nennt, die fehlerhafte Auslassung nicht erkannt, sondern mitgemacht x ), so daß also auch diese Ausgabe auf die Pisaner Akten zurückgeht. Die Gallica b stimmt auch darin mit den Pisaner Akten (S. 5) überein, daß sie an einer Stelle (S. 18) irrtümlicherweise die Rede des Julius 2) dem Genius in den Mund legt. Ebenso wird an einer anderen Stelle 3) die Rede des Petrus in die Rede des Papstes hineingezogen (S. 58), wie es auch in den Pisaner Akten (S. 16) geschieht. Auch diese Versehen finden sich zwar bei Goldast (S. 1059, 1063), aber nicht in der Retzerschen Ausgabe und werden auch nicht in den Anmerkungen Retzers erwähnt. Im übrigen braucht man die Abhängigkeit dieser französischen Ausgabe von der den Pisaner Akten beigefügten Ausgabe Mondieres nicht erst zu beweisen, da in der Vorrede der französischen Ausgabe von 1727 ausdrücklich die Pisaner Akten als Vorlage genannt werden. (Cette pièce) se trouve à la fin d'un recueil des Actes du Concile de Pise imprimé à Paris en l'an 1612 4 ). Die Gallica b ist also ebenso wie die Goldastsche Ausgabe (Nr. 11 ) in text- und literarkritischer Hinsicht eine wertlose Dublette zu dem für die Textvergleichung ebenfalls wertlosen Text der Pisaner Akten (Nr. 12). Alle diese drei Ausgaben — die der Pisaner Akten (Nr. 12), die von Goldast (Nr. 1 1 ) und die französische Ausgabe von 1727 (Gallica b) — 2 S. 60. ) Böcking I V , S. 429, 24. ) Böcking I V , S. 4 4 1 , 24f. 4 ) Dialogue entre St. Pierre et Iules II à la porte du Paradis 1 7 2 7 , Préface, am Anfang. 3

281

gehen auf den Text von Nr. 3 zurück, bringen aber — durch die Schuld des Herausgebers von Nr. 12 — eine Verschlechterung dieses Textes. 2. Nr. 5. Ebenso wie der Text Retzers (Nr. 15) stellt auch der Text der Ausgabe Nr. 5 eine Mischung der beiden Textformen, des längeren und des kürzeren Textes, dar. Wir haben bereits bemerkt, daß die Bekanntschaft Retzers mit der k ü r z e r e n Form des Textes durch Nr. 5 vermittelt ist 1 ). Das ist zunächst auffallend, da Nr. 5 nach seinem Titel mit den Ausgaben des e r w e i t e r t e n Textes zusammenzugehören scheint. Auch in Nr. 5 wird die Schrift als Dialogus bezeichnet, das Lob des Verfassers und der Schrift hinzugefügt und kurz der Inhalt angegeben, wie das auch bei den Ausgaben Nr. 2 und 3 und auch bei Nr. 4 der Fall ist. Danach scheint Nr. 5 zu denjenigen Ausgaben zu gehören, die den erweiterten Text enthalten. Aber schon wenn man die Titel der genannten Ausgaben (Nr. 2—5) sorgfältig miteinander vergleicht, kann man die Beobachtung machen, daß die Titel dieser Ausgaben ganz leise Abweichungen voneinander erkennen lassen und daß in diesen Abweichungen, so geringfügig sie auch sind, das Verhältnis, in dem diese Ausgaben untereinander stehen, doch ganz deutlich zutage tritt und die Lösung des Rätsels, welches die Textgeschichte des Dialogs aufgibt, sich bereits ankündigt. Es zeigt sich dann, daß diese vier Ausgaben keineswegs eine einheitliche Gruppe bilden. Sie ordnen sich vielmehr in zwei Gruppen, von denen die eine durch Nr. 2 und 3 und die andere durch Nr. 4 gebildet wird, während Nr. 5 diesen beiden Gruppen gegenüber eine untergeordnete Stellung einnimmt, da sie beide Gruppen voraussetzt und zum Teil der einen, zum Teil der anderen folgt. Nr. 2 und 3 haben nämlich gegenüber Nr. 4 zwei Zusätze. !) S. oben S. 2 78 f.

282

Sie stellen zunächst den Namen des Papstes an die Spitze: Iulius; das ist in Nr. 4 nicht der Fall. Und sie fügen am Ende die Aufforderung an den Leser hinzu, daß er sein Lachen unterdrücken soll: Lector, risum cohibe; auch diese Ermahnung hat Nr. 4 nicht. Der Sinn dieser beiden Zusätze ist deutlich: durch sie wird der Dialog dem buchhändlerischen Vertrieb angepaßt. Ohne weiteres einleuchtend ist dies bei dem zweiten Zusatz, der sich unmittelbar an die Leser wendet. Würde es sich etwa um eine Abschrift handeln, die jemand nur für seinen eigenen Gebrauch angefertigt hätte, so würde ein solcher Zusatz selbstverständlich überflüssig und sinnlos sein. Aber auch die Voranstellung des Iulius zeigt das Interesse und die Erfahrung des Buchhändlers: die Voranstellung dieses einen Wortes, das wie eine Fanfare klingt, muß die Aufmerksamkeit der Käufer in viel stärkerem Maße auf das Buch lenken, als dies bei dem zunächst ganz allgemeinen und unbestimmten Titel: Dialogus viri cuiuspiam und der dann folgenden langatmigen Inhaltsangabe der Fall ist. Diese marktschreierische Zuspitzung des Titels wird dann in Nr. 8 noch weiter ausgebildet, indem die umständliche Inhaltsangabe in das eine Wort: exclusus zusammengedrängt wird. Die Zweckmäßigkeit dieser Formulierung: Iulius exclusus zeigt sich darin, daß sie die allgemein geläufige Bezeichnung des Dialogs geworden ist *). Daraus scheint zu folgen, daß die Vorlage von Nr. 4 ursprünglich nicht für den Druck bestimmt war, während Nr. 2 und 3 den Zweck der Veröffentlichung an der Stirne tragen. Aber Nr. 4 weicht von den beiden anderen Ausgaben Nr. 2 und 3 auch noch weiterhin in der Gestaltung des Titels ab. In der Formulierung der Inhaltsangabe hat Nr. 4 ein Wort, welches in Nr. 2 und 3 fehlt. Es heißt in Nr. 4, Julius habe gehofft, v e l dominum coeli futurum se esse, daß er s o g a r !) S. oben S. 268.

283

der Herr des Himmels sein werde, während Nr. 2 und 3 übereinstimmend nur schreiben, dominum coeli futurum se esse — mit Weglassung des vel. Aus dieser Weglassung wird man allerdings keine weitgehenden Folgerungen hinsichtlich des Verhältnisses von Nr. 4 zu Nr. 2 und 3 ziehen können, obgleich die Weglassung des vel in der späteren Ausgabe wahrscheinlicher ist als seine Hinzufügung, da im Hinblick auf den ungeheuren Anspruch der Herrschaft im Himmel die in dem vel enthaltene Steigerung im Grunde überflüssig ist. Aber dieser an sich sehr unbedeutende Unterschied ist im Zusammenhang mit den beiden Zusätzen von Nr. 2 und 3 für die Beurteilung der Ausgabe von Nr. 5 immerhin von Bedeutung. Nr. 5 hat nämlich die beiden Zusätze von Nr. 2 und 3 und zugleich auch das vel von Nr. 4. Daraus folgt, daß Nr. 5 die beiden Gruppen von Ausgaben, von denen die eine durch Nr. 4, die andere durch Nr. 2 und 3 gebildet wird, gekannt haben muß. Zu demselben Ergebnis würde man auch gelangen, wenn man auf die — allerdings ganz geringen — Verschiebungen eingehen würde, die sich bei der Angabe der im Dialog auftretenden Personen beobachten lassen. Nr. 4 nimmt nämlich auch hier eine Zwischenstellung zwischen Nr. 1 einerseits und Nr. 2 und 3 andererseits ein. Und zwar zeigt sich dies an zwei Punkten. Erstens: während Nr. 1 die Personenangabe nur auf der ersten Seite des T e x t e s , aber nicht im Zusammenhang des T i t e l s bringt, haben Nr. 2 und 3 die Personenangabe in den Titel selbst mit aufgenommen. Nr. 4 hat beides: die Personenangabe findet sich ebenso wie bei Nr. 1 auf der ersten Seite des Textes und ebenso wie bei Nr. 2 und 3 auf dem Titelblatt; aber zwischen Nr. 4 und Nr. 2 und 3 besteht darin ein Unterschied, daß bei Nr. 2 und 3 die Personenangabe ganz dem Titel eingegliedert wird, während sie in Nr. 4 durch einen Abstand vom Titel getrennt 284

wird. Zweitens: während Nr. i Petrus ganz einfach mit seinem Namen ohne Hinzufügung seines göttlichen Ehrenprädikats (Divus) nennt: Interlocutores Iulius, Genius et Petrus, hat Nr. 4 in der auf dem Titelblatt hinzugefügten Personenangabe ihm sein Ehrenprädikat beigelegt: Interlocutores Iulius. Genius — D. Petrus. Diese zweite Fassung mit dem Ehrenprädikat des Petrus haben die Ausgaben Nr. 2 und 3 übernommen. Aber charakteristischerweise hat Nr. 5 die Hinzufügung der Personenangabe auf dem Titelblatt durch Nr. 4 als Dublette zu der Personenangabe, die sich in Nr. 2 und 3 auf der ersten Seite des Textes findet, empfunden und fortgelassen, womit zugleich das Ehrenprädikat des Petrus wieder verschwindet und der Text von Nr. 5 sich dem von Nr. 1 annähert. Schon aus der Vergleichung der Titel wird es also wahrscheinlich, daß Nr. 5 eine Mischform der beiden Typen des Dialogs durch Vermittlung von Nr. 4 ist. Aber während es sich bei den Abweichungen in der Formulierung des Titels nur um ganz feine, kaum bemerkbare Unterschiede zwischen den Ausgaben Nr. 2—5 handelt, wird das Verhältnis dieser Ausgaben zueinander ganz eindeutig, sobald man sich der Vergleichung der Texte zuwendet. Der Text von Nr. 5 macht es nämlich zur Gewißheit, daß Nr. 5 eine Mischform ist, die sowohl den Text von Nr. 4 als auch den von Nr. 2 und 3 berücksichtigt. Nr. 5 hat beide Textformen — die kürzere, die in Nr. 1 vorliegt, und die erweiterte Gestalt des Textes in Nr. 2 und 3 — gekannt und zwar die kürzere Textform von Nr. 1 durch Vermittelung von Nr. 4. Soweit dies aus dem kritischen Apparat Böckings erkennbar ist und an den von Nr. 5 ausgegangenen späteren Ausgaben nachgeprüft werden kann, bringt Nr. 5 fast restlos alle inhaltlichen Erweiterungen des Textes in Nr. 2 und 3 . Ebenso *) Vgl. Böcking I V , S. 433, 14: toto orbe. 26: Genius: Hoc tametsi durum videtur, molle quiddam est. 435, 33: ad eum honorem. 4 4 1 , i8f.:

285

verbessert Nr. 5 die offenkundigen Druckfehler von Nr. 1 in derselben Weise wie Nr. 2 und 3 es tun x ).

Aber darüber

hinaus folgt Nr. 5 den beiden Ausgaben Nr. 2 und 3 auch in den zahlreichen Verbesserungen des Stils von Nr. 1.

Die

stilistische Überarbeitung des Textes geht in Nr. 5 ebenso wie in Nr. 2 und 3 durch den ganzen Dialog hindurch, wobei Maximilianum (sic enim vocant) ut est unus omnium minime difficilis, tametsi. 444, 4: abbatias, sacerdotia; ne quis unus plures episcopatus complecteretur. 447, 3gf.: nobis non convenit cum Barbaris, proinde cum iam simus tarn. 44g, 22f.: pecuniis, quae apud hominem egentem semper valent plurimum, partim. 24f. : quo vir ille mirum quam semper flagrarit, etiamsi deerat ulciscendi facultas. 450, 19f.: ut sua tueretur (iam enim Patavium deseiverat) et in Burgundia, nempe. 451, 26f. : nec mundanum tantum, sed ethnicum, immo ethnicis sceleratiorem: gloriaris te. 452, 18: nemo tarn ambitiosus, quin se victum agnoscat. 454; 3 0 : t o t triumphis. 36: haec est Christiani hominis professio. 455, 20: pro relictis opibus longe praestantiores. 457, 14: quoque. Die einzigen Stellen, an denen Nr. 5 den Zusatz der erweiterten Textform nicht bringt, finden sich S. 427, 18: fores hic, und S. 457, 9: ad me. S. 427, 11: [opus] quid opus. 429, 13f.: conveniunt [conveniant]. 430,4: consecrandi [consectandi]. 432,22: concilio [Consilio]. 433, 1: habebar [habebat]. 434, 22: si eos quoque voluit excludi [excludere eos], 436, 30: intelligeres [intellgeres]. 437, 21: luculentissimam [iuculentissimam]. 30: Papiensem [Pampiensem]. 438, 10: concilio [Consilio]. 18: indicunt [indueunt], 440, 38: minuant [minuat]. 441,4: discesserit [disserit]. 6: tarnen [cum], 442, 16: concilium [concilum], 18: habebam Iulio [habebant Iulium], 19: ad hunc [hanc] modum. 443, 8: inito . . . indicerem . . adactum [initio . . inducerem . . additum]. 26: frugalitatem [fragilitatem], 444, 10: ab [ob] honore. 14: divitiis [divitii]. 445, 7: conciliabuli [conciliabulis]. 446, 28: non [num]. 447, 27: laborent [laborarent]. 448, 6: sic [sit]. 31 : aliquod [aliquot]. 40: parent [patent]. 449, 19: Ad [At], 450, 3: dicebatur [dicebat]. 17: immensis [immensus], 32: longum fuerit [fuerit]. 451, 14: concilium [consilium]. 21: Consilio [concilio]. 37: videris [videres]. 452, 35: indicimus [incidimus]. 453,17: spectasses [expectasses]. 24: lituorum [omnia tuorum]. 27: Aemilios [Emilos]. 454,22: pericula [—]. 24: retraxerit [retraxerint], 30: ceterae [ceteri]. 455, 15: alienissimam [alienissimum]. 16: immergatur [emergatur]. 17: huius mundi [huius modi]. 29: tum [cum], 3of.: expeditior [expedior], 456, 13: oderunt [odorant], 30: furiosos [furiosis]. In den Klammern sind die fehlerhaften Worte von Nr. 1 angegeben. Verbesserungen zweifelhafter Art sind nicht berücksichtigt worden.

286

alle diese drei Ausgaben im wesentlichen immer die gleichen Redewendungen als Verbesserung bringen.

M a n müßte un-

gefähr den ganzen Dialog vorführen, um dies anschaulich zu machen. stische

Es werden nicht bloß grammatische und stili-

Härten

von

Nr. i beseitigt

und

schwerfällige

Konstruktionen verbessert 2 ), sondern auch ganz belanglose Änderungen in der Wortstellung vorgenommen 3 ), oder einzelne Wörter durch gleichbedeutende andere ersetzt 4 ). V o n den beiden Ausgaben des erweiterten Textes (Nr. 2 und 3) hat Nr. 5 die Ausgabe Nr. 3 benutzt: eine Reihe von charakteristischen Formulierungen der Ausgabe Nr. 3 kehren in Nr. 5 wieder 5 ).

Wo dagegen Nr. 5 mit Nr. 2 überein-

1 ) Besonders charakteristisch sind die Stellen: S. 441, 29: non dicendis modis [per non dicendos modos]. 20: cardinalibus persuasi [cardinales persuasi]. 2 ) S. 441, 27f.: ut apud nonnullos invidia concilii premerer [ut nonnullorum invidia concilio premerer], 3 ) S. 432, 4: ita me [me ita], 436, 25: ecclesiae Romanae [Romanae ecclesiae]. 28: saxeus et aeneus [aeneus et saxeus] usw. 4 ) S. 432, 6: fuisse [esse], 433, 1: ad haec [ad hoc], 434, 16: dum [cum], tantum [tarnen] usw. Sehr merkwürdig ist, daß Nr. 5 mit Nr. 2 und 3 die Neigung teilt, die in Nr. 1 gebrauchten Demonstrativpronomina zu vertauschen: wo Nr. 1 das Pronomen hic gebraucht, wählt Nr. 5 ebenso wie Nr. 2 und 3 das Pronomen is (vgl. z. B. S. 435, 22; 438, 22; 440, 35; 442, 15; 17; 450, 27), und umgekehrt: wo Nr. 1 das Pronomen is gebraucht, wählt Nr. 5 mit Nr. 2 und 3 das Pronomen hic (vgl. z. B. S. 431, 2; 432, 18; 444, 6). Ähnlich verhält es sich mit den Possessivpronomina, wenn sie auf den Papst bezogen sind: wo Nr. 1 das Pronomen noster gebraucht, setzt Nr. 5 mit Nr. 2 und 3 meus ein (S. 435, 5; 437)3°)) während einmal das Umgekehrte der Fall ist (S. 437, 27). Eine derartige Vertauschung ist an und für sich bei einer Abschrift nichts Auffallendes; aber wenn die Ausgaben Nr. 2, 3 , 5 regelmäßig darin übereinstimmen, so beweist dies, daß sie auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen. Gelegentlich beseitigt der Text von Nr. 2 und 3 den pluralis maiestatis, dessen sich der Papst in Nr. 1 bedient, auch beim Zeitwort: dissentiam statt dissentiamus (S. 447, 32), wobei allerdings an dieser Stelle der Grund erkennbar ist: es soll deutlich werden, daß die Trunksucht ein persönliches Laster des Papstes ist, was aber auch ohne diese Änderung aus dem Text von Nr. 1 hervorgeht. 5 ) S. 435, 1: ut palam admoneret [admonerer], 439,5: ut eum qui

287

stimmt u n d v o n N r . 3 abweicht, h a n d e l t es sich u m

Wen-

d u n g e n , in denen N r . 2 mit N r . 1 übereinstimmt, so d a ß in diesen

Fällen

die Ü b e r e i n s t i m m u n g

d u r c h N r . 1 vermittelt sein k a n n

von

Nr. 5

mit N r . 2

.

D a ß dies Letztere tatsächlich d e r F a l l ist u n d N r . 5

in

d e r T a t außer d e m T e x t v o n N r . 3 die in N r . 1 g e g e b e n e T e x t f o r m kennt, zeigt sich aber a u c h darin, d a ß eine R e i h e der in N r . 2 und 3 v o r g e n o m m e n e n Ä n d e r u n g e n des T e x t e s v o n N r . 1 v o n N r . 5 nicht m i t g e m a c h t w e r d e n 2 ) . E s läßt sich aber a u c h mit ziemlicher Sicherheit feststellen, d a ß N r . 5 mit der T e x t f o r m v o n N r . 1 d u r c h

Vermittlung

v o n N r . 4 bekannt g e w o r d e n ist. E s finden sich n ä m l i c h einige L e s a r t e n , die w e d e r in d e m erweiterten T e x t v o n N r . 2 u n d 3 n o c h a u c h in d e m T e x t v o n N r . 1 v o r k o m m e n , die sich vielm e h r nur in N r . 4

finden.

A l s derartiges S o n d e r g u t

aus

[ut is qui], 445, 24: camerinam [camarinam]. 446, 8: nihil tum [nihil non]. 28: profiteris [profitaris], 448, 14: processerit audaciae [processerint audaciae], 450, 27: iis quantumvis mulctas admiserint [adduxerim ut regi tributum numerarent]. Die Klammern geben die Lesarten von Nr. 2 an. Vgl. z. B. S. 450, 25: ea tarnen gens (i, 2, 5), et sie gens (3). S. 4 5 1 , 10: ad pastorem et patrem (1, 2, 5), ad rem et patrem (3). Diese Stelle ist besonders lehrreich, da hier in der Einrahmung 2 und 3 von 1 abweichen, aber 5 mit 1 übereinstimmt: Pertinet ad patrem et pastorem 2, Pertinet hoc ad rem et patrem 3, Haec ergo nihil pertinent ad pastorem et patrem, 1, 5. 453, 5f.: mulos . . ornatos ( 1 , 2 , 5), mulas . . ornatas (3). 8: crepitum (1, 2, 5), strepitum (3). 1 3 : valent (1, 2, 5), valerent (3). 19: loqueris (1, 2, 5), loquaris (3). 30: complector (1, 2, 5), complecterer (3)- 455» l 8 : amplius (1, 2, 5), anxius (3) usw. 2 ) Vgl. z. B. S. 4 5 1 , 22: invexerunt (2, 3), invexerint (1, 5). 34: virum ( 2 , 3 ) , verum ( 1 , 5 ) . 4 5 2 , 2 6 : quendam ( 2 , 3 ) , quondam ( 1 , 5 ) . 453, 12: imperatori Romano (2, 3), imperatori (1, 5). 14: vidisses audissesque (2, 3), audisses vidissesque (1, 5). 454, 15: addis (2, 3), addas (1, 5). 455, igf.: impertit (2, 3), impartit (1, 5). 25: quo (2, 3), quo quis ( i , 5). 29: tum (2, 3), cum (1, 5). 30: sit (2, 3), debet (1, 5). 4 2 8 , 5 : palla quidem ( 2 , 3 ) , palla ( 1 , 5 ) . 436,6: census ( 2 , 3 ) , status ( 1 , 5 ) . 440, 1 3 : dixi ( 2 , 3 ) , dixisti ( 1 , 5 ) . 14: at ( 2 , 3 ) , et ( 1 , 5 ) . 2 1 : potestatem ( 2 , 3 ) , dignitatem ( 1 , 5 ) . 4 4 7 , 1 : eos ( 2 , 3 ) , eis ( 1 , 5 ) . 288

Nr. 4 hat Nr. 5 den Konjunktiv obtineat statt obtinet auf S . 4 5 3 , 1 3 und das Pronomen quis statt quisquis (quisque) auf S. 4 5 5 , 2 5 und non acceptis statt nondum acceptis auf S. 434, 38. Die Untersuchung des Textes von Nr. 5 zeigt also ganz deutlich, daß Nr. 5 eine Mischform ist.

Nr. 5 kennt den

erweiterten Text von Nr. 2 und 3, aber auch den kürzeren T e x t von Nr. 1 und zwar letzteren in der Gestalt, in der er in Nr. 4 vorliegt. Für die Frage nach der Herkunft und dem Verfasser des Dialogs kommt also auch Nr. 5 nicht in Betracht. d) Z w i s c h e n s t u f e n .

Aus dem Bisherigen ergab sich

bereits, daß es mit der Ausgabe Nr. 4 eine besondere Bewandtnis haben muß.

A u f den ersten Blick gliedert sich

Nr. 4 nach seiner Titelangabe denjenigen Ausgaben an, die den erweiterten Text haben: Nr. 2 und 3. Aber bei genauerer Prüfung haben wir gesehen, daß Nr. 4 schon im Titel eine Vorstufe zu der Gruppe von Nr. 2 und 3 darstellt und der Ausgabe Nr. 1 näher steht.

Die Untersuchung des Textes

führte dann zu dem Ergebnis, daß der Zusammenhang, in dem Nr. 5 mit dem kürzeren Text von Nr. 1 steht, durch Nr. 4 vermittelt ist.

M a n kann daraus bereits den Schluß

ziehen, daß N r . 4 eine Zwischenstufe zwischen Nr. 2 und 3 einerseits und Nr. 1 andererseits ist. Und in der T a t ist dies der Fall.

Während Nr. 4 im Titel auf die Gruppe von Nr. 2

und 3 hinweist, gehört sie nach ihrem Text zweifellos mit Nr. 1 zusammen und zwar wesentlich enger als dies bei Nr. 5 der Fall ist. Sie bildet den Ubergang von Nr. 1 zu der Gruppe von N r . 2 und 3 x ). 1

) Damit ist nicht gesagt, daß die Vorlage von Nr. 2 und 3 die gedruckte Ausgabe Nr. 4 gekannt hat, sondern daß die Vorlage von Nr. 2 und 3 eine erweiterte Bearbeitung derselben V o r l a g e ist, die auch Nr. 4 zugrunde liegt. Nr. 4 geht auf eine Abschrift der Originalausgabe Nr. 1 zurück, während die Vorlage von Nr. 2 und 3 eine erweiterte Abschrift der von Nr. 4 verwendeten Abschrift ist. 19

S t a n g e , Erasmus

289

Aber ehe wir den Nachweis hierfür führen, stellen wir zunächst noch fest, daß Nr. 4 in ihrer Sonderstellung mit Nr. 7 zusammengehört. Nr. 7 ist ein einfacher Nachdruck von Nr. 4 ohne jede eigentümliche Zugabe und von Nr. 4 nur durch einige Druckfehler unterschieden. Leider hat Böcking bei seiner Textvergleichung keine dieser beiden Ausgaben herangezogen, so daß in seinem kritischen Apparat ein für die Geschichte des Textes sehr bedeutsamer T a t bestand unberücksichtigt bleibt. Der in Nr. 4 vorliegende Text zeigt seine besondere Eigenart in zwei Merkmalen: I. er weicht in der Beibehaltung des Textes von Nr. 1 von der in Nr. 2 und 3 vorliegenden Textform ab, und II. er bereitet in Abweichung von Nr. 1 die Textform von Nr. 2 und 3 vor. I. Die Abweichung von Nr. 2 und 3 tritt in Nr. 4 in der Beibehaltung des Textes von Nr. 1 nach verschiedenen Seiten hin zutage. a) Zunächst fehlen in Nr. 4 alle diejenigen Zusätze des erweiterten Textes in Nr. 2 und 3, in denen über den Text von Nr. 1 hinaus i n h a l t l i c h e Angaben gemacht werden. Dabei handelt es sich merkwürdigerweise immer um dasselbe Thema, nämlich um die Person des Kaisers Maximilian. Von ihm wird in Nr. 2 und 3 gesagt, daß er außerordentlich leicht zu beeinflussen sei , daß für ihn immer die Geldfrage eine sehr große Rolle spiele 2 ), daß er von einem geradezu pathologischen Haß gegen die Franzosen erfüllt sei, auch wenn ihm die Möglichkeit fehle, seinen Haßgefühlen Befriedigung zu verschaffen 3 ), und daß er nicht bloß seine Interessen in 1)

[Maximilianum]

(sie enim vocant) ut est unus omnium

minime

difficilis (Böcking I V , S. 441, 18). 2)

pecuniis, quae apud hominem egentem Semper valent plurimum

(S. 449, 22f.). 3)

[in Gallos odio], quo vir ille [Maximilian] mirum q u a m Semper

flagrarit,

290

etiamsi deerat ulciscendi facultas (S. 449,

Burgund, sondern auch seine Interessen in Oberitalien — Padua— aufgeopfert habe, um dem Papst zu willen zu sein 1 ). Diese überaus merkwürdigen Angaben, deren Sinn und Bedeutung uns noch weiterhin beschäftigen werden, finden sich in Nr. 4 nicht. Darin stimmt der Text von Nr. 4 mit dem von Nr. 1 überein, während diese Zusätze sich nicht bloß in Nr. 2 und 3, sondern — wie wir bereits festgestellt haben 2 ) — auch in Nr. 5 finden. b) Ebenso fehlen in Nr. 4 eine Reihe von rein stilistischen Zusätzen, durch die in Nr. 2 und 3 lediglich eine Verdeutlichung oder Verstärkung des im Dialog Gesagten bewirkt werden soll. Besonders auffallend ist in dieser Beziehung eine Bemerkung des Genius, durch die eine Anspielung auf die Perversität des Papstes unterstrichen wird 3). An einer anderen Stelle fügt der erweiterte Text in Nr. 2 und 3 bei der Erwähnung der durch den Papst veranlaßten Kriege hinzu, daß sich diese Kriege »über den ganzen Erdkreis« erstrecken 4 ). Einige dieser Zusätze deuten auf eine stilistische Eigentümlichkeit hin, durch die sich der erweiterte Text von dem Text in Nr. 1 unterscheidet. Während sich nämlich Nr. 1 äußerster Kürze und Gedrängtheit im Ausdruck befleißigt, hat der Text in Nr. 2 und 3 die Neigung, den an sich verständlichen Ausdruck in Nr. 1 durch ergänzende Zusätze zu erweitern. 1. Wenn im Eingang des Dialogs der Genius den Papst fragt: »Warum hast du nicht beide Schlüssel mitgebracht?« — so fügt der erweiterte Text ein »hierher« ein 8). 2. Wenn der Papst sagt, er habe durch eine Bulle dafür gesorgt, daß ') ut sua tueretur (iam enim Patavium desciverat), et in Burgundia, nempe . . . (S. 450, igf.). 2 ) S. oben S. 285, Anm. 1. 3 ) Genius: Hoc tametsi durum videtur, molle quiddam est (S. 433, 26). *) toto orbe (S. 4 3 3 , 14). 6 ) cur non utramque huc attulisti (S. 427, gf.). Ebenso S. 434, 20: huc adducunt. 19*

291

sein Nachfolger bei der Erlangung der Papstwürde nicht auf dem Wege der Simonie zum Ziel kommen solle, so ergänzt dies der erweiterte Text, indem er hinzufügt: »zu dieser Ehre« 1 ). 3. In derselben Manier wird der Zusatz »zu mir« und »hierher« gebracht, als der Papst — am Schluß des Dialogs — die Hoffnung ausspricht, daß zu der von ihm beabsichtigten gewaltsamen Erstürmung des Himmels in Kürze 60000 der in den Schlachten gefallenen Krieger ankommen würden 2 ). 4.. Ebenso verhält es sich, wenn der Bearbeiter des erweiterten Textes da, wo Petrus im Hinblick auf die vielen poliüschen Verhandlungen, Bündnisse, Geldgeschäfte 3 ) und Kriege des Papstes es verständlich findet, daß dieser zum Lesen der neutestamentlichen Schriften keine Zeit findet, — ergänzend auf die »vielen Triumphe« des Papstes verweist 4 ). 5. In demselben Zusammenhang fügt der erweiterte Text zu der Schilderung der professio christiana noch die ausdrückliche Bemerkung: »dies ist das Gelöbnis des Christenmenschen« 5 ), und 6. wiederholt noch einmal die von Petrus vollzogene Gegenüberstellung der irdischen und der himmlischen Freuden 6). 7. Am Eingang des Dialogs, als der Papst tobend gegen das Himmelstor schlägt, spricht Petrus seine Befriedigung aus, daß das Tor aus festem Stahl ist — sonst wäre der ihm Unbekannte hindurchgebrochen: zu diesem — für sich vollständig deutlichen und verständlichen — Satz fügt der erweiterte Text hinzu, wodurch er hindurchgebrochen wäre, nämlich durch »die Türen« 7). ne quis simili ratione ad eum honorem penetraret (S. 435, 33). ) quin brevi sint ad me e bellorum stragibus sexaginta hominum milia huc perventura (S. 457, gf.). 3 ) rationes! vgl. Sueton I, 47. 7. 4 ) tot legationibus, tot foederibus, tot rationibus, tot exercitibus, tot triumphis occupato (S. 454, 30). 6 ) haec est Christiani hominis professio (S. 454, 36). ') pro relictis opibus longe praestantiores ( 8 . 4 5 5 , 2 0 ) . ') alioquin fores hic quisquis est perfregisset (S. 427, i8f.). 2

292

Alle diese — etwas pedantisch-schulmeisterlichen — Zusätze, durch die die Vorlage von Nr. 2 und 3 dem Verständnis des Lesers nachzuhelfen sucht, hat Nr. 4 nicht. c) Verwandt mit diesen rein stilistischen Zusätzen ist eine weitere Gruppe von Lesarten, in denen der Text von Nr. 2 und 3 g r a m m a t i s c h e Verbesserungen des Textes in Nr. 1 vornimmt. 1. Eine derartige grammatische Verbesserung liegt vor, wenn Nr. 1 das Zeitwort prohibere mit dem Dativ verbindet, während Nr. 2 und 3 den Akkusativ haben 1 ), und ebenso, wenn Nr. 1 das Zeitwort persuadere mit dem Akkusativ der Person verbindet — was zwar ungewöhnlich, aber nicht unmöglich ist 2) — und Nr. 2 und 3 dafür den Dativ einsetzen 3 ). In demselben Zusammenhang bemerkt der Papst, er habe den Kaiser dem Pisaner Konzil entfremdet per non dicendos modos, wofür Nr. 2 und 3 die dem lateinischen Sprachgebrauch entsprechende Form: non dicendis modis einsetzen 4). Derartige Veränderungen des Satzbaus oder auch einzelner Ausdrücke finden sich sehr oft, wobei aber die von Nr. 2 und 3 gewählten Wendungen — soweit es sich nicht um offenkundige Druckfehler handelt — in den meisten Fällen keine Verbesserung bringen, gelegentlich sogar den nec eis (eos) prohibemus (S. 4 4 7 , 1).

Prohibuit ei findet sich z. B.

auch in den Epistolae obscur. viror, Münch, V I , 1 8 2 7 , S. 1 0 2 , R . 3 v. u. Wenn hier auch das schlechte Latein verspottet werden soll, so zeigt dies doch, daß diese unlateinische Wendung vorkam.

Prohibere hat

nicht bloß die Bedeutung: »hindern«, sondern kann auch »verwehren«, »verbieten« = interdicere bedeuten (Krebs, Antibarbarus 1 8 7 6 5 , S. 9 3 4 ) . V g l . den Erlaß L u d w i g s X I I . vom 25. J u n i 1 5 1 2 zur Anerkennung der durch das Pisaner Konzil am 20. April

1 5 1 2 vollzogenen

Suspension

Julius' II.: prohibons et deffendons ä tous nos subiects, A c t a Pis. A p o l . S. 1 5 3 . 2

) persuadeo cum accusativo rei (rarius personae) et dativo personae

(Forcellini 1868, I V , 3

) Praeterea

(S. 4 4 1 , 2 0 ) .

628).

cardinales 4

(cardinalibus)

aliquot arte

simili

persuasi

) S. 4 4 1 , 19.

293

G e d a n k e n verschieben oder aus einem Mißverständnis entspringen. 2. Eine überflüssige Verbesserung ist es z. B., w e n n Petrus die widerspruchsvolle Erscheinung des Papstes schildert: q u o d cum

superne

sacerdotis

ornatus geras,

idem

intus

armis

cruentatus totus horres crepasque, — u n d Nr. 2 und 3 d a f ü r einsetzen: quod c u m superne sacerdotis ornatum geras, i d e m intus armis cruentatis totus horres crepasque

. O b im V o r d e r -

satz der Singular (ornatum) oder der Plural (ornatus) steht, ist g a n z belanglos, — aber ebenso auch, ob die W a f f e n des Papstes oder er selbst als »blutig« bezeichnet wird.

Man

könnte sagen: das cruentatus p a ß t besser zu d e m totus, das ohne j e n e n Zusatz in der L u f t schweben würde.

In dem

W o r t l a u t von N r . 1 k o m m t die herbe Schwerfälligkeit z u m Ausdruck, die auch sonst dieser Ausgabe eigentümlich ist, w ä h r e n d Nr. 2 und 3 den Stil möglichst zu glätten sich bemühen. A b e r die W e n d u n g : »Du starrst g a n z und g a r — in blutigen Waffen«, ist k a u m eine Verbesserung

gegenüber

der Fassung in Nr. 1: »Du starrst in W a f f e n g a n z und g a r blutig 2 ).« 3. D a s nach R o m einberufene Gegenkonzil hat der Papst von d e m ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt auf eine spätere Zeit verlegt.

D a z u bemerkt der Papst in Nr. 1: er habe sich

dafür G r ü n d e Nr. 2 u n d zeichnen

ausgesonnen utrinque probabiles,

3 diese

3 ).

Gründe

als utcunque

während

probabiles

be-

M a n kann zugeben, d a ß es zu d e m zynischen

C h a r a k t e r des Papstes, wie ihn der D i a l o g schildert, passen würde, w e n n er selbst seine G r ü n d e als nur »kaum haltbar«, 1) S. 429, 2 f. 2)

Dies ist z. B. ein Fall, wo Böcking die Lesart von Nr. 2 und 3 in

seinen T e x t aufnimmt und damit jedenfalls — m a g es sich in Nr. 2 und 3 u m eine Verbesserung handeln oder nicht — die Eigenart des Stils von Nr. 1 verwischt. 3)

294

S. 442, 15: commentus ad id causas utrinque

probabiles.

»von geringer Überzeugungskraft«, bezeichnen würde.

Aber

i m Z u s a m m e n h a n g will der Papst seine diplomatische Ü b e r legenheit ans Licht stellen, und v o n ihr w ü r d e m a n keinen E i n d r u c k bekommen, w e n n der Papst sagen w ü r d e : »die G r ü n d e , die ich mir ausgedacht habe, waren nichts wert, sondern nur dürftig glaubhaft«.

D a ß es sich bei diesen

G r ü n d e n nur u m V o r w ä n d e handelt, wird bereits d u r c h das commentus angedeutet, —

aber a u c h diese V o r w ä n d e sollen

ein Beweis für die Schlauheit des Papstes sein, u n d das sind sie allerdings nur, wenn sie durchaus überzeugend

sind.

D i e Lesart in Nr. i gibt also auch ihrerseits einen guten Sinn: die K u n s t des Papstes zeigt sich darin, d a ß er f ü r die V e r l e g u n g des Konzils G r ü n d e angibt, die auch a u f die G e g n e r Eindruck m a c h e n und d a ß infolgedessen die eigentlichen Absichten und G e d a n k e n des Papstes verdeckt werden. — D e r Bearbeiter der V o r l a g e v o n N r . 2 und 3 hat offenbar das utrinque für einen Druckfehler gehalten.

A b e r das W o r t

utrinque hat in der humanistischen Literatur ebenso wie undique, u n d e q u a q u e und das von den Humanisten außerordentlich gern gebrauchte

Modewort undecunque1)

B e d e u t u n g einer Verstärkung bekommen

2 ).

die

So sagt z. B.

L u t h e r in seiner Defensio contra malignum Iohannis Eccii iudicium v o n 1 5 1 9 3 ): T u vero, lector, illud Augustini utrinque adhibeto . fidelissimum d o c u m e n t u m , Leser, sollst D i c h d u r c h a u s ,

»Du

aber,

mein

u n b e d i n g t , halten an jenes

g a n z zuverlässige Zeugnis Augustins«. (Allen I V , ep.



Ebenso sagt Erasmus

1202, 2 i 4 f . ) : Q u a s i vero veritati non sit

utrinque affinis falsitas, si praetergrediare lineam, —

»als ob

der Wahrheit nicht g a n z n a h e b e n a c h b a r t , durchaus verx) Vgl. S. 448, i2f.; Scheurl I, bei Erasmus u. a. 2) Ebenso ist wohl auch die gravem in dem Briefe Neuenahrs zu verstehen, wenn utrumque hier 3)

Nr. 40, 52, 58 usw.; ebenso auch oft Wendung: En tibi amicum utrumque an Reuchlin (Böcking I, S. 148, 18) nicht ein Druckfehler für utrinque ist.

E. A. v. a. II, S. 474 (W. A. II, S. 626, 33).

295

wandt sei die Verkehrtheit, sobald m a n über ein bestimmtes M a ß hinausgeht«.

In diesem Sinne ist utrinque also das

gerade Gegenteil von utcunque. Der Verfasser des erweiterten Textes beweist, indem er das utrinque durch utcunque ersetzt, d a ß er den humanistischen Gebrauch von utrinque nicht kennt, während bezeichnenderweise utrinque keinen Anstoß genommen hat.

Nr. 4 an

dem

Durch die V e r -

wandlung des utrinque in utcunque kommt es dann aber dazu, daß der T e x t von Nr. 2 und 3 das Gegenteil von dem in Nr. 1 Gemeinten sagt. 4. Z u einer Verschiebung des Sinnes kommt es weiterhin an einer anderen Stelle, an der Nr. 2 und 3 wiederum die schwerfällige Konstruktion in Nr. 1 geschmeidiger zu machen suchen. D e r Papst berichtet über sein Verhältnis zum K o n z i l und sagt: videbam futurum ut nonnullorum invidia concilio premerer; Nr. 2 und 3 nehmen an dem doppelten Ablativ Anstoß und schreiben: ut apud nonnullos invidia concilii premerer x ).

A n dieser Stelle ist die Überarbeitung des

Textes von Nr. 1 durch den T e x t von Nr. 2 und 3 handgreiflich: es ist ganz ausgeschlossen, d a ß der schwerfällige T e x t von Nr. 1 aus dem glatten T e x t von Nr. 2 und 3 durch ein Versehen oder in der Absicht der Verbesserung entstanden sein könnte, während andererseits für die Entstehung des Textes von Nr. 2 und 3 aus dem T e x t in Nr. 1 das stilistische Motiv —

Vermeidung des doppelten Ablativs —

deutlich

erkennbar ist. A b e r durch die in Nr. 2 und 3 vorgenommene Änderung wird der Gedanke etwas verschoben: nach der Lesart von Nr. 1 ist von der Mißgunst der nonnulli, nach der Lesart von Nr. 2 und 3 von der Mißgunst des K o n z i l s die Rede.

N a c h dem T e x t von Nr. 1 fürchtet der Papst, durch

das Konzil mit der Mißgunst der nonnulli belastet zu werden, während er nach dem T e x t von Nr. 2 und 3 fürchtet, die ») S. 441, 2 7 f. 296

Mißgunst des Konzils könne ihm zu einer Belastung bei einigen werden x ). Diese Verschiebung des Gedankens paßt in den Zusammenhang schlecht hinein, da in demselben Satz von dem außerordentlichen E n t g e g e n k o m m e n der Pisaner Kardinäle gegenüber dem Papst die Rede ist. Infolgedessen kann der Papst nicht im gleichen Atemzuge von einer »Mißgunst« des Konzils reden. Der Zusammenhang läßt also ebenfalls diese Abänderung als sekundär erscheinen. 5. In ganz besonders eindrucksvoller Weise verrät der Text von Nr. 2 und 3 seine spätere Entstehung durch ein Mißverständnis, das sich in demselben Zusammenhang findet. Der Papst hat das Pisaner Konzil dadurch unwirksam zu machen versucht, daß er im Gegensatz zu ihm seinerseits ein Konzil angekündigt hat. Nr. 1 drückt dies folgendermaßen aus: ipse vicissim Pisis ad concilium provocavi 2 ). An diesem Wortlaut nimmt der Text von Nr. 2 und 3 Anstoß. Er versteht diese Worte so, als ob sie bedeuteten: »ich habe meinerseits zu einem Konzil in Pisa eingeladen«. Das ist selbstverständlich sinnlos. Der Text von Nr. 2 und 3 läßt infolgedessen Pisis fort. Der Papst hätte Rom, aber nicht Pisa nennen müssen. Aber daß es sich bei dieser Weglassung um eine Änderung des ursprünglichen Textes handelt, geht daraus hervor, daß nun der Zusammenhang in Unordnung gerät. Im folgenden Satz gibt der Papst nämlich als Grund dieser Maßnahme an, daß die Zeit und der Ort, den die Kardinäle für ihr Konzil gewählt haben, nicht recht geeignet sei: causans nec tempus nec locum satis esse idoneum, quem quidem illi praestituissent 3 ). Diese Begründung hat aber nur dann einen Sinn, wenn es sich um eine örtliche V e r 1 ) In diesem Sinne schreibt die Gallica b: que la jalousie du concile pouroit m'embarasser (S. 58). A b e r invidia ist im humanistischen S p r a c h gebrauch nicht: Eifersucht, sondern: Mißgunst.

') S. 442, 1.

3)

S. 442, 2.

297

l e g u n g des Konzils handelt. Für die Einberufung eines Konzils überhaupt hätte der Papst diesen Grund nicht angeben können, — er hätte dafür überhaupt keinen Grund anzugeben brauchen, da ihm dies Recht von niemandem bestritten wurde, im Gegenteil die Kardinäle ihn mit allen Mitteln zur Abhaltung eines Konzils zu bestimmen suchten. Gibt der Papst aber die Begründung für die Verlegung des Konzils, so muß in dem vorhergehenden Satz der von den Kardinälen gewählte Ort erwähnt worden sein, zumal sonst in dem ganzen Dialog der Name Pisas nicht genannt wird, und der Leser erst an dieser Stelle und nur an ihr erfährt, daß das Konzil in Pisa seinen Ort hat. Dazu kommt, daß der Papst dann fortfährt: et Romae subito concilium indixi (S. 442, 3). Nachdem er soeben gesagt: »ich habe meinerseits zum Konzil eingeladen«, heißt es nun: »und ich habe plötzlich in Rom ein Konzil angekündigt«. Daß diese Wiederholung störend ist, zeigt die französische Übersetzung von 1727, indem sie den Text durch Zusammenziehung zu vereinfachen sucht: J e les invitai moi même au Concile que j'indiquai à Rome comme étant un lieu plus decent et plus convenable (S. 58). Hier wird also das Urteil über die Beschaffenheit des Ortes auf Rom bezogen — in dem richtigen Gefühl, daß von der Ungunst Pisas nur dann die Rede sein kann, wenn dieser Ort genannt wäre, und es wird außerdem die Wendung ad concilium provocavi mit der Wendung concilium indixi zusammengezogen, als ob beide dasselbe sagen. Aber diese Umgestaltung des Textes in der Gallica b ist ein Beweis dafür, daß die Streichung von Pisis in der Vorlage von Nr. 2 und 3 die Schwierigkeit nicht löst. Die Erwähnung von Pisa ist im Zusammenhang unentbehrlich. Um die Schwierigkeit des Ausdrucks in Nr. 1 zu beseitigen, könnte man annehmen, daß der Verfasser von Nr. 1 das Adverb vicissim als Präposition im Sinne von invicem, das 298

gelegentlich auch als Praeposition vorkommen kann x ), gebraucht habe: »ich habe meinerseits a n d e r S t e l l e v o n P i s a zu einem Konzil eingeladen«. Daß dies ein ungewöhnliches Latein ist, läßt sich nicht bestreiten, und eine Parallele für diese Verwendung von vicissim wird es wohl kaum geben. Aber man braucht auch diese grammatische Ungewöhnlichkeit nicht in Anspruch zu nehmen. Wie der Papst unmittelbar vorher bemerkt, handelt es sich um einen »Kniff«, den der Papst gegenüber der schwierigen Lage, in die ihn das »Konzil« gebracht hat, zur Anwendung bringt, — um einen »Kniff«, den er von seinen Vorgängern gelernt hat: vide quam iam technam repererim, superiorum secutus exemplum 2 ). Dieser »Kniff« besteht darin, daß er sich halbwegs auf den Boden der Tatsachen stellt, indem er auf die von Maximilian und Ludwig X I I . geforderte und durch die Pisaner Kardinäle in die Wege geleitete Abhaltung eines Konzils grundsätzlich eingeht und nur die von den Kardinälen getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf Ort und Zeit beanstandet. Auf die kirchenrechtliche Frage, ob Maximilian und Ludwig X I I . mit Hilfe der Kardinäle und unter Ausschaltung seiner Person ein Konzil zustande bringen können, geht er nicht ein. Daß der Kaiser und die Kardinäle kirchenrechtlich an der Einberufung eines Konzils Anteil haben und unter Umständen auch ohne den Papst ein Konzil zustande bringen können, haben die großen Reformkonzilien von Konstanz und Basel bewiesen. Das Vorgehen des Kaisers und der Kardinäle in Pisa ist also kirchenrechtlich nicht unmöglich, zumal es sich als ein Notbehelf gegenüber dem rechtswidrigen Verhalten des Papstes darstellt, wie denn auch die Kardinäle geflissentlich in jeder Hinsicht die kirchenrechtliche Ordnung zu respektieren suchen und auch in Pisa noch den Papst um die Leitung des Konzils bitten. *) Krebs 1876, S. 1200, 625.

2

) S. 441, 2gf.

299

Die Kardinäle wollen nur das Versagen des Papstes in der E i n b e r u f u n g des Konzils ausgleichen; aber an dem von ihnen einberufenen Konzil soll er in der ihm zukommenden kirchenrechtlichen Stellung teilnehmen. Eben durch diese — auch im Dialog wiederholt betonte — Rücksichtnahme auf die kirchenrechtliche Ordnung setzen die Kardinäle den Papst ins Unrecht und bringen ihn in eine ungünstige Lage. Demgegenüber hilft sich der Papst, indem er zwar nach wie vor das Vorgehen der Kardinäle beanstandet, aber den dadurch herbeigeführten tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragend die durch die Kardinäle von ihm erbetene Mitwirkung an der Veranstaltung des Konzils einschaltet. U n d zwar geschieht dies, indem der Papst auf die Ungeschicktheit der Kardinäle in der Auswahl des Ortes und der Zeit hinweist. Die Kardinäle haben mit der Auswahl eines ganz ungeeigneten Ortes und mit der Ansetzung einer viel zu kurzen Zeit für den Beginn des Konzils offenkundig bewiesen, d a ß ihnen die für die Einberufung eines Konzils erforderliche Einsicht und Umsicht fehlt, — ein Zeichen, daß dies nicht ihre, sondern allein des Papstes Sache ist. Diesen Fehler m u ß der Papst wieder gutmachen, und er tut das, indem er das Konzil nach Rom und für einen späteren Zeitpunkt einberuft. In seinen Bullen gegenüber dem Pisaner Konzil nimmt der Papst infolgedessen — bewußt und absichtlich -— eine schwebende Haltung gegenüber der Rechtsfrage ein. Allerdings wird das Unternehmen der Kardinäle als ein Verbrechen beurteilt und mit dem Bannfluch belegt; aber daneben wird der Eindruck erweckt, als ob es sich für den Papst nur um eine Korrektur der von den Kardinälen gemachten technischen Fehler handle. Der Papst will ebenso wie die Kardinäle, d a ß das Konzil zustande kommen soll; aber es müssen dabei die Bedingungen erfüllt sein, die eine erfolgreiche Veranstaltung des Konzils verbürgen. Es wird 300

also d u r c h die päpstliche Ansage des Konzils in R o m nicht ein Schisma herbeigeführt, sondern nur der von den K a r d i nälen eingeschlagene I r r w e g verlassen. In diesem Sinne heißt es z. B. in der Bulle v o m 27. Juli 1511:

Nos igitur, q u i d u d u m

concilii indictionem

huius-

modi . . . revocavimus ac . . . oecumenicum generale concilium indiximus . . .

Es ist also nicht das K o n z i l überhaupt



das a m 27. J u l i 1511 noch überhaupt nicht getagt hat — , sondern nur d i e s e

Art

der Papst beanstandet.

von Einberufung (huiusmodi), was

U n d der Papst übt gegenüber dieser

E i n b e r u f u n g des Konzils durch die K a r d i n ä l e seine höhere Befugnis aus, indem er diese indictio revocat 2). Dementsprechend heißt es a u c h i m D i a l o g : ipse vicissim Pisis ad concilium provocavi.

M a n kann gegen diesen Satz

nicht einwenden, d a ß der Papst nicht sagen kann, er habe zu einem K o n z i l i n Pisa eingeladen.

D a ß dies nicht die

M e i n u n g dieser Worte ist, geht schon daraus hervor, d a ß es d a n n Pisas und nicht Pisis heißen müßte. Pisa ist nicht der O r t , w o h i n das K o n z i l zusammenkommen soll, sondern der O r t , an d e m der Papst das provocare geübt hat. U n d provocare ist nicht gleichbedeutend mit invocare u n d heißt nicht: »einladen«.

Provocare ist vielmehr ein juristischer Kunst-

ausdruck u n d bedeutet: »eine Rechtsverwahrung einlegen«. W o r i n die R e c h t s v e r w a h r u n g besteht, die der Papst i n beim

Konzil

eingelegt

hat,

Pisa

wird sofort gesagt: sie be-

steht in d e m Hinweis auf die Ungunst des Ortes und der Zeit. D e r Satz des Dialogs besagt also genau dasselbe wie die Bulle v o m 27. J u l i 1 5 1 1 : trotz der Verurteilung der Pisaner K a r d i n ä l e hält der Papst auch gegenüber d e m v o n

den

K a r d i n ä l e n in die W e g e geleiteten Zustandekommen

des

Konzils an seinen rechtlichen Befugnissen fest.

die

2)

Wie

Annales Eccl. Raynaldus X I , S. 584 A. Vgl. auch die Bulle vom 17. Juli 1511, I.e. S. 575 B.

301

Pisaner Kardinäle trotz ihrer Opposition die Fiktion aufrecht erhalten und immer wieder zum Ausdruck bringen, daß auf dem von ihnen einberufenen Konzil die Würde und Vollmacht des Papstes anerkannt werden soll, so macht nun auch der Papst von dieser Fiktion Gebrauch, indem er nicht gegen die Abhaltung eines Konzils überhaupt, sondern nur gegen Ort und Zeit desselben Einwendungen erhebt. Die Weglassung des Wortes Pisis in der Vorlage von Nr. 2 und 3 ist also sachlich unberechtigt und erklärt sich aus dem mangelnden Verständnis der Worte des Papstes. Aber auch wenn dies nicht der Fall wäre, würde die Weglassung des Wortes Pisis in Nr. 2 und 3 zweifellos ein Beweis sein, daß die Vorlage von Nr. 2 und 3 später ist als der Text von Nr. 1: für die nachträgliche Einfügung des Wortes Pisis wird man jedenfalls keinen Grund ausfindig machen können. In allen diesen Fällen — und sie ließen sich noch erheblich vermehren — stimmt der Text von Nr. 4 mit dem Text von Nr. 1 überein. Daraus ergibt sich, daß der Text von Nr. 4 nicht mit den Ausgaben Nr. 2 und 3 zusammengehört, sondern ihnen gegenüber eine Textform vertritt, die der Fassung von Nr. 1 folgt. II. Aber trotzdem ist Nr. 4 nicht ein einfacher Abdruck von Nr. 1. Der Text von Nr. 4 berührt sich vielmehr auch mit dem Text von Nr. 2 und 3. Und zwar sind diese Berührungen von der Art, daß Nr. 4 als der Anfang einer Entwicklung erscheint, die in Nr. 2 und 3 weitergeführt wird. a) V e r b e s s e r u n g v o n D r u c k f e h l e r n . Das eigentümliche Verhältnis, in dem Nr. 4 zu dem erweiterten Text von Nr. 2 und 3 steht, kennzeichnet sich zunächst dadurch, daß Nr. 4 eine Reihe von Versehen verbessert, die auch von Nr. 2 und 3 verbessert, und zwar in genau derselben 302

Weise verbessert werden, — während andererseits Nr. 4 eine Reihe von Verbesserungen, die der T e x t von Nr. 2 und 3 an dem T e x t von Nr. 1 vornimmt, nicht mitmacht. a) Gemeinsam mit Nr. 2 und 3 hat Nr. 4 zunächst die Verbesserung aller offenkundigen Druckfehler. — 1. So z. B. erzählt der Papst, daß er sich infolge des Schreckens, den ihm die Schlacht von Ravenna bereitet, drei Tage lang in einem todesähnlichen Zustand befunden habe.

Nr. 4 hat hier mit

Nr. 2 und 3 gemeinsam: triduum ferme pro mortuo habebar, während Nr. 1 habebat s c h r e i b t , sehen ist. —

was offenkundig ein Ver-

2. V o m Herzog von Ferrara sagt der Papst,

d a ß ihm Alexander V I . seine Tochter zur Frau gegeben und ihm als Brautgabe ein »herrliches Gebiet« — luculentissimam ditionem —

geschenkt habe; diese Lesart haben

sowohl Nr. 2 und 3, als auch Nr. 4, während Nr. 1 den offenkundigen

Druckfehler:

iuculentissimam h a t 2 ) .



3.

Der

Kardinal Alidosi wird nur von Nr. 1 (und Nr. 10) — verkehrterweise —

Pampiensis genannt, während Nr. 4 ebenso

wie Nr. 2 und 3 dies in Papiensis berichtigen 3 ). — 4. Statt concilio schreibt Nr. 1 gelegentlich consilio 4 ), wie umgekehrt statt consilio auch concilio 5 );

den ersten Fehler verbessert

Nr. 4 in Übereinstimmung mit Nr. 2 und 3, während Nr. 4 den zweiten Fehler — im Unterschied von Nr. 2 und 3 •— beibehält. — Konzils

5. Nr. x gebraucht für die Einberufung des

durch

den

Papst

zweimal

das Wort

während sich daneben auch das richtige indicere

inducere6), findet7);

Nr. 4 setzt — ebenso wie Nr. 2 und 3 — überall indicere. —

6. Bei der Einberufung seines päpstlichen Konzils hat

Julius es so eingerichtet, d a ß nur ihm ergebene Kirchenfürsten kommen können, —

sollten trotzdem einige ihm

nicht wohlgesinnte Bischöfe kommen, so würden sie doch ^ S . 433,1. *) S. 438, 10; 451, 14. 7) S. 443, 22.

2) 8.437,2!. S. 451, 21

6)

=>) S. 437,30. S. 438, 18; 443, 8.

6)

303

wissen, daß niemand

dem in Waffen und

Kriegsmann-

schaft starrenden Papst Widerstand leisten könne: tarnen illud certum habebant Iutium neminem refragaturum, tantis armis et satellitibus stipato.

Nr. i

hat hier den Druck-

fehler: Iulium, der zu dem stipato nicht paßt, —

Nr. 4

beseitigt diesen Druckfehler ebenso wie Nr. 2 und 3.

Aber

diese drei Ausgaben haben dann auch noch eine weitere Abänderung dieser Stelle gemeinsam, indem sie das habebant in habebam verwandeln, was allerdings nicht unbedingt nötig ist, — weshalb denn auch Böcking die Lesart von Nr. 1 in seinen Text aufnimmt 1 ).

Daß diese jeden-

falls anfechtbare Abänderung nicht bloß von Nr. 4, sondern auch von

Nr. 2 und 3

vorgenommen

wird,

zeigt, daß

zwischen Nr. 4 und Nr. 2 und 3 ein Zusammenhang besteht. — 7. Zweifelhaft kann man sein, ob es als Druckfehler anzusehen ist, wenn in Nr. 1 im Gegensatz zu dem Reichtum

der päpstlichen

Kirche

der Zustand

sprünglichen Kirche als misera fragilitas

der ur-

bezeichnet wird;

aber Nr. 4 und ebenso Nr. 2 und 3 haben dies als Druckfehler

angesehen

und

setzen

dafür

misera

frugalitas

2

ein ). — 8. Ebenso braucht es kein Druckfehler zu sein, wenn Nr. 1 schreibt: tantisper illis urebar amicis, dum opus esset illorum ministerio 3 ).

Nr. 4 hat dies als einen Druck-

fehler angesehen und setzt dafür — ebenso wie Nr. 2 und 3 — utebar.

Aber uri kann auch »entbrannt sein«, »verliebt

sein« bedeuten, — was in den Zusammenhang gut paßt. Der Papst will sagen, daß er früher, als er die Franzosen brauchen konnte, sich nicht genug tun konnte in seiner Freundlichkeit

gegen sie 4 ), — in dem starken Ausdruck

urebar wird seine Heuchelei nachdrücklich l

unterstrichen.

a 3 ) S. 442, i8f. ) S. 443, 40. ) S. 446, 6ff. ) In der Zeit von 1494—1503 war Julius infolge seiner Feindschaft mit Alexander V I . in der Umgebung des französischen Königs und bediente sich seiner im Kampf gegen Alexander V I . (Moritz Brosch, 4

304

D a z u kommt, d a ß im folgenden dies sein V e r h a l t e n noch ausdrücklich

begründet wird:

er ist deshalb so

liebevoll

gegen die Franzosen,

weil er ihren Dienst braucht,

mal

zur

ihre

Hilfe i h m

tonte Freundschaft derlich,

quandoquidem

rorum.

Zeit

nützen konnte.

gegenüber den Franzosen hactenus

utendum

Die war

be-

erfor-

opera

barba-

Das uti wird also als Begründung des uri genannt.

Es wäre eine recht gehäufte Wiederholung i m wenn

sinte-

der

Papst

sagen

würde:

»ich

Ausdruck,

gebrauchte

die

Franzosen solange als Freunde, als ihr Dienst nötig war, d a ich zur Zeit ihre Hilfe brauchte«. angegebenen verbunden;

Sinne aber

allerdings

dies könnte

U r i wird in d e m

nicht

mit

man dem

dem

Ablativ

auch sonst an-

fechtbaren Latein von Nr. i zugute halten. — 9. D a g e g e n ist

es wiederum

von

den

daß

ein

Pisaner

offenkundiger

werde,

Druckfehler,

wenn

K a r d i n ä l e n gesagt wird, sie verlangten,

offenkundig

entkleidet schreibt:

ein

verbrecherischer

und

ob honore

Nr. 1

statt

depellere 1 ),

Papst

ab



seiner

honore

ebenso

Ehre

depellere

wenn

es

im

gleichen Z u s a m m e n h a n g in Nr. 1 heißt, es sei die A b s i c h t der Kardinäle, d a ß sie den Papst divitii et imperio spoliarent statt divitiis et imperio spoliarent 2 ) statt

schreibt3),

parent





dicebat

w e n n Nr. 1 patent statt

dicebatur4),

immensus devictus statt immensis devinctus B), — videris 6), —

iam vero fuerit statt iarn vero longum fuerit7),

magnis minis

incidimus statt



videres statt

magnum minis indicimus8),

— —

si omnia t u o r u m statt si lituorum 9 ). ß)

In allen diesen Fällen —

und es handelt sich dabei

Papst Julius II. und die Gründung des Kirchenstaates, Vgl.

1878,

S.

56fr.).

Böcking S. 445, 34f.: praesertim cum illorum praesidiis fatearis

et vixisse te. x)

20

s. 444,

10.

2)

«) S. 450, 3.

6

') S. 450, 32.

8)

Stange,

Erasmus

S. 444, 14.

) S . 450, 17. S. 452, 35.

3) 6

S. 448,

10.

) S . 451,37.

•) S. 453, 24.

305

n u r u m eine A u s w a h l —

besteht in der Verbesserung des

T e x t e s von Nr. i zwischen N r . 4 und Nr. 2 und 3 eine a u f fallende Übereinstimmung.

A b e r andererseits weicht Nr. 4

in der Verbesserung von N r . 1 auch in einer ganzen R e i h e v o n Fällen v o n Nr. 2 u n d 3 ab.

D a s Bestreben, den T e x t

v o n Nr. 1 zu verbessern u n d zu reinigen, wird in Nr. 2 u n d 3 in viel größerem U m f a n g durchgeführt, —

wobei es sich

allerdings mehrfach u m überflüssige Ä n d e r u n g e n oder g a r u m Mißverständnisse handelt. 1. Eine solche verkehrte A b ä n d e r u n g liegt z. B. vor, w e n n Petrus gegenüber d e m Bannfluch, den i h m der Papst a n droht, sagt: Si quos olim istis fumis territasti, nihil ad h u n c l o c u m : hic vires agas oportet, — und Nr. 2 und 3 statt dessen sagen: hic veris agas o p o r t e t 1 ) . N r . 1 bei.

N r . 4 behält die Lesart v o n

U n d in der T a t liegt auch kein A n l a ß vor, sie

abzuändern.

Petrus will sagen: »Wenn du früher mit d e r -

artigen leeren D r o h u n g e n (fumis) geschreckt hast, so sind diese hier nicht a m Platze: hier m u ß t du K r ä f t e , G a b e n , T u g e n d e n vorführen.« zu den fumi.

D i e vires sind ein klarer Gegensatz

Die deutsche Übersetzung v o n Curaeus hat

den T e x t ebenfalls in diesem Sinne verstanden: »daß d u tugent übest, ist hier Böcking meint,

not«, und es ist ein Irrtum, w e n n

Curaeus

schlösse

sich

der Lesart von 2

und 3 a n 2 ) . M i t dieser Lesart von N r . 2 und 3 ist aber g a r nichts a n zufangen; denn was soll es heißen: hic veris agas oportet



hier bedarf es des W a h r e n ? D i e Redensart veris agere k o m m t allerdings auch sonst vor in der Bedeutung: »Die Wahrheit sagen 3)«.

A u s der Bekanntschaft mit dieser Formel m a g es

sich erklären, d a ß der T e x t von Nr. 2 und 3 d e n T e x t von 2) S. 430, 1, Anm. ') S. 429, 34f. Epistola de Magistris Nostris Lovaniensibus (Münch, Ulrichi ab

3)

Hutten Opera V I , 1827), S. 414: hoc offendit eos in Lutherio . . . quod vellicat venias, quas nec ipsi probant, cum inter sese veris

306

agunt.

N r . i für fehlerhaft hielt; aber diese Formel ist hier nicht a m Platze.

Schon d a ß das Adjektiv veris d e m Subjektiv

fumis gegenübergestellt wird, ist schief.

A u ß e r d e m ist für

die fumi, die päpstlichen Bannflüche, nicht charakteristisch, d a ß sie etwas U n w a h r e s , sondern d a ß sie etwas Nichtiges, Kraftloses sind.

M a n könnte sich deshalb viel eher die in

Nr. 10 vollzogene Ä n d e r u n g gefallen lassen, die auch von N r . 15 der Lesart veris vorgezogen wird: hic vi res agas oportet.

A b e r auch diese Lesart ist eine Verschlechterung

der Lesart von Nr. 1: n a c h d e m der Dialog nachdrücklich die Gewalttätigkeit des Papstes gebrandmarkt hat, kann Petrus ihn hier unmöglich zur G e w a l t ü b u n g auffordern.

Diese

Ü b e r l e g u n g hat offenbar auch der Herausgeber von Nr. 8 angestellt, der die Lesart von Nr. 3 in das Gegenteil u m w a n d e l t von dem, was Nr. 10 aus der Lesart von Nr. 1 gem a c h t hat: non hic v i res agas oportet.

Merkwürdigerweise

erklärt Böcking diese zweifellos verkehrteste von allen Lesarten für richtig und nimmt sie in seinen T e x t auf! Aus d e m Z u s a m m e n h a n g ergibt sich aber, d a ß nur die Lesart vires richtig ist.

Die vires sind nicht bloß ein wirklicher Gegen-

satz zu den fumi des Papstes, sondern sie werden auch i m Folgenden sogleich näher gekennzeichnet: benefactis, non maledictis haec arx expugnatur

.

Hier kehrt der Gegen-

satz der fumi und der vires in d e m Gegensatz der maledicta und benefacta wieder.

D i e vires des Papstes erweisen sich

in der Prüfung seiner merita, die Petrus vergeblich festzustellen s u c h t 2 ) .

Es sind die dotes apostolicae 3 ), durch die

sich der Papst legitimieren soll. 2. Bei einer R e i h e von A b ä n d e r u n g e n , die sich in N r . 2 u n d 3, aber nicht in N r . 4 finden, kann m a n zweifelhaft sein, 1 ) Hier könnte eine Anspielung auf die Eroberung Mirandolas beabsichtigt sein; s. oben S. 102, Anm. 2. 2 ) S.430, 12 ff. 3 ) S. 430, 25f.

20*

307

ob sie als Verbesserungen gemeint oder als Versehen a n z u sehen sind. So z. B. sagt Petrus, als gelegentlich die

Franziskaner

erwähnt werden: E q u i d e m Franciscum vidi quendam v i r u m inter laicos Optimum; diese Lesart von Nr. i wird in N r . 2 und 3 durch V e r w a n d l u n g des q u e n d a m in q u o n d a m a b geändert

. M a n k a n n annehmen, d a ß hier eine Verbesserung

beabsichtigt w a r ; denn im Hinblick a u f die Rolle, die d e r Franziskanerorden zur Zeit des Dialogs spielt, erscheint es verwunderlich, d a ß Petrus von dem G r ü n d e r dieses O r d e n s als von einem »gewissen« M a n n e spricht — so, als o b es sich u m eine nicht weiter bekannte Person handelte.

Aber wenn

die A b ä n d e r u n g in Nr. 2 und 3 so entstanden ist, hat d e r Bearbeiter dieser T e x t f o r m die Ironie dieser Ä u ß e r u n g des Petrus nicht erkannt: i n d e m der D i a l o g Petrus so reden l ä ß t , sollen die Franziskaner einen Hieb bekommen. zwar den frommen M a n n Franziskus,

Petrus kennt

aber er w e i ß

von

seinem O r d e n nichts: v o n den Franziskanern ist also keiner in den H i m m e l gekommen, — satz zwischen der

Armut

wobei zugleich der G e g e n -

und Entsagung des

Franziskus

und dem hochfahrenden Ü b e r m u t der Ordensbrüder

ge-

geißelt wird. 3. Ebenso ist es w o h l als Verbesserung gemeint, w e n n i m Hinblick auf die E r o b e r u n g Bolognas die Lesart von N r . 1, die von der Flucht m e h r e r e r Bentivogli (profligaiw BentivoIis) spricht, d a h i n abgeändert wird, d a ß nur v o n e i n e m Bentivoglio die R e d e ist (profligato Bentivo/o) 2 ). D e r G r u n d dafür ist wohl darin zu sehen, d a ß kurz vorher 3) in Nr. 1 nur von der Herrschaft e i n e s Bentivoglio in Bologna gesprochen wird: Fortasse Bentivo/o male administrante m a r c e b a t res publica.

D e r Bearbeiter des Textes von Nr. 2 und 3 w e i ß

also nicht, d a ß es zwar nur e i n e n ') S. 435, 15. 308

2)

S. 436, 24.

regierenden 3)

S. 436, 13-

Fürsten

Bentivoglio in Bologna gab, daß aber an der Flucht aus Bologna in der Tat m e h r e r e Angehörige der Familie teilgenommen haben *). Der Verfasser von Nr. i ist offenbar über die Verhältnisse in Bologna besser unterrichtet als der Bearbeiter der Vorlage von Nr. 2 und 3. 4. Zweifelhaft kann man sein, ob es eine Verbesserung ist, wenn Julius beim Ruhm seines Reichtums sagt, er habe eine so große Geldsumme zusammengebracht, wie sie kaum Crassus selbst besessen habe, und wenn dann der Text von Nr. 2 und 3 den Zusatz von Nr. 1: praesertim totam in praesentem totam verwandelt 2 ). Der Sinn beider Lesarten ist derselbe: Crassus hat eine so große Geldsumme nicht besessen, jedenfalls nicht auf einmal, zu gleicher Zeit. Dieser Gedanke kommt schon in dem Text von Nr. 1 deutlich zum Ausdruck. Indem aber der Text von Nr. 2 und 3 dies durch Verwandlung des praesertim in praesentem deutlicher zu machen sucht, stoßen sich die beiden Worte praesentem und totam, die hier beide dasselbe bedeuten. Der erweiterte Text würde besser getan haben, dann das Wort totam zu streichen. Außerdem wird durch die Lesart von Nr. 2 und 3 die Aussage in Nr. 1 (Crassus hat eine so große Summe nicht besessen) und die Einschränkung dieser Aussage (jedenfalls nicht auf einmal) zusammengezogen, so daß nur die Einschränkung den Sinn der Aussage bestimmt. 5. Als Petrus seine Verwunderung darüber ausspricht, daß überhaupt jemand nach dem Amt eines Kirchenfürsten begehren könne, da es mit so vielen Geschäften belastet und so schwer zu erkämpfen sei — zu seiner Zeit hätte man kaum jemanden zur Übernahme des Amtes auch nur eines Presbyters oder eines Diakonen bewegen können —, antwortet J u 1

) Das Haupt der Familie war Johannes II.; Scheurl nennt neben ihm noch Alexander, Hannibal und Hermes, Briefbuch I, S. 37. 2 ) quandoquidem tarn ingentem pecuniam vix Crassus ipse praesertim [praesentem] totam numerasset (S. 432, 2f.).

309

lius, d a ß damals das A m t des Kirchenfürsten nur M ü h e , Entb e h r u n g und Leiden gewesen sei, w ä h r e n d es jetzt Herrschaft und G e w a l t sei.

D a b e i w e r d e n die Kirchenfürsten

episcopi und patres genannt — das sind die Autoritäten d e r alten K i r c h e —

.

D e r T e x t v o n N r . 2 u n d 3 nimmt aber

falls es sich nicht u m ein bloßes Versehen handelt!



A n s t o ß an den patres und schreibt statt status episcoporum et patrum: die

census episcoporum et praemium.

patres beseitigt.

Stellung,

der

Damit

Zugleich wird das W o r t status

Lebensstand)

d u r c h das W o r t

Census

sind (die (das

V e r m ö g e n , das Einkommen) ersetzt, was zu d e m p r a e m i u m p a ß t , aber in d e m T e x t von Nr. 1 keinerlei Rechtfertigung findet. A n der Lesart p a t r u m hat a u c h Böcking Anstoß g e n o m men. Er folgt aber nicht d e m T e x t von Nr. 2 u n d 3, sondern bringt aus eigener V e r m u t u n g eine ganz neue Lesart, i n d e m er presbyterorum statt p a t r u m

einsetzt.

Diese gänzlich

un-

begründete V e r m u t u n g steht aber im Widerspruch zu d e m Z u s a m m e n h a n g ; d e n n es soll j a v o n den K i r c h e n f ü r s t e n , a b e r nicht von den P r e s b y t e r n die R e d e sein.

Böcking

h a t sich zu seiner T e x t ä n d e r u n g d a d u r c h verleiten lassen, daß

Petrus unmittelbar

vorher v o n den Presbytern

und

Diakonen geredet h a t ; aber auch in der R e d e des Petrus stehen die Presbyter und Diakonen den Kirchenfürsten gegenüber, und von diesen beiden G r u p p e n k o m m e n in der R e d e des Julius nur die Kirchenfürsten in Betracht. — In sachlicher Hinsicht ist es allerdings g a n z gleichgültig, o b man patrum oder presbyterorum liest; aber u m so weniger sollte m a n den T e x t d a d u r c h unsicher machen, d a ß m a n eine gut bezeugte u n d sachlich einwandfreie Lesart durch eine

Vermutung

ersetzt. 6. G a n z belanglos ist es, w e n n der Papst bei der Schildes. 436, afr. 310

Tung des gehässigen Verhaltens der Venetianer gegen ihn sagt, sie hätten ihn fast z u m Narren g e h a b t : me p r o p e m o d u m pro deliramento habebant, und der T e x t von N r . 2 und 3 sagt: me p r o p e m o d u m pro delectamento h a b e b a n t 1 ) .

In der fran-

zösischen Ausgabe von 1727 wird dies folgendermaßen wiederg e g e b e n : C'étoient de mauvais plaisans qui ne faisoient que rire à mes dépens et me brocarder en toute occasion 2 ). Sachlich kommt beides auf dasselbe hinaus: die Venetianer h a l t e n den Papst für albern, nicht ernst zu nehmen. d e m deliramentum

In

wird diese Albernheit als Eigenschaft

des Papstes bezeichnet, w ä h r e n d in d e m

delectamentum

von

die

ihrer

Wirkung

auf

die

Venetianer

Rede

ist.

G r a m m a t i s c h sind beide Formen gleich gut möglich und einwandfrei. 7. Bei der A u f z ä h l u n g der Laster des Papstes fragt Petrus, o b sie — alle zusammengefaßt — kein G r u n d fiir die A b setzung des Papstes seien: simul in u n a m ceu lacunam conflata



»sie alle gleichsam

geweht« 3 ).

zu

einer Pfütze

zusammen-

D e r T e x t von Nr. 2 u n d 3 schreibt statt dessen :

in u n a m ceu lernam conflata.

W a r u m hier gerade der grie-

chische S u m p f genannt werden soll, ist nicht einzusehen, es sei denn, d a ß die V o r l a g e von Nr. 2 und 3 das Bild der Pfütze in das Bild der Schlange hinüberleiten will.

Mög-

licherweise könnte die Lesart v o n Nr. 2 u n d 3 aber a u c h d u r c h die kurz vorher erfolgte E r w ä h n u n g der lerna veranlaßt sein 4 ). 8. Bei der E r ö f f n u n g seines römischen Gegenkonzils hat der Papst in der ersten Sitzung die althergebrachten R i t e n vollziehen und die Messe de sancta cruce u n d die Messe de sancto spiritu feiern lassen, etsi nihil ad rem pertinent.

Diese

Zeremonien bezeichnet Nr. 1 als ex antiquitate relictae, quas S. 436, 36f. •) S. 42. ') S. 439, 1 : spurciorem lerna.

S. 440, 4.

311

o b antiguitatem utcunque placet conservare,

während N r . 2

u n d 3 die Worte antiquitate u n d antiquitatem durch autoritate u n d autoritatem ersetzen *). Sachlich hat diese Ä n d e r u n g nichts zu bedeuten.

Möglicherweise handelt es sich auch lediglich

u m ein Versehen.

Jedenfalls p a ß t die zeitliche Bestimmung

ex antiquitate relictae besser in den Z u s a m m e n h a n g , d a der Papst j a seine Geringschätzung dieser Zeremonien aussprechen will, — sie sind nur beibehalten worden, weil es i m m e r so gewesen ist, aber sie h a b e n nichts zu bedeuten (etsi nihil ad rem pertinent).

W ü r d e der Papst sagen, d a ß er sie o b

autoritatem beibehalten habe, so würde er d a m i t der Ä u ß e r u n g , d a ß sie bedeutungslos seien, widersprechen. 9. Ebenfalls ein bloßes Versehen scheint es zu sein, wenn v o n der Regierungszeit des Julius gesagt w i r d : nulla fuisse tempora inquinatiora, und Nr. 2 und 3 dafür sagen: nulla fuisse tempora inquietiora 2 ). D a im Z u s a m m e n h a n g v o n den »Krankheiten« der K i r c h e die R e d e ist, ist der Hinweis auf den »unruhigen« C h a r a k t e r der Zeit weniger angebracht als die K e n n z e i c h n u n g der Zeit als »schändlich«. 10. G a n z belanglos ist es, w e n n Petrus an die päpstliche »Würde« appelliert: die mihi per pontificiam dignitatem, und der T e x t von Nr. 2 und 3 daraus einen A p p e l l an die päpstliche »Gewalt« m a c h t : die mihi per pontificiampotestatem 3), — ebenso wenn der Papst über die verminderten Einkünfte klagt u n d Nr. 1 dabei von d e m paucior quaestus, Nr. 2 und 3 von d e m parcior quaestus reden 4 ), —

ebenso, w e n n von

dem

V e r h a l t e n Christi gegenüber den verschiedenen Völkern die R e d e ist und Nr. 1 dabei sagt: Christus habe sie alle nicht im Stich gelassen — quos non deseruit ipse Christus, während es in Nr. 2 und 3 —

offenbar infolge eines Lesefehlers



heißt: er habe zwischen ihnen allen keinen Unterschied ge! ) S . 444, 18. 4) S. 448, 13. 312

2)

S. 443, 5.

3)S.

440, 21.

macht —

quos non discrevit ipse C h r i s t u s 1 ) ,

wenn in Nr. i

der Papst sagt,

Reformbestrebungen

der

er

Pisaner

habe



ebenso

sich gegen

Kardinäle

die

»mit

den

Händen« gewehrt: manibus obstitissem, und der T e x t von Nr. 2 und 3 obstitissem

diese Redensart ergänzt:

manibus et pedibus

2 ).

Gegenüber diesen vielen Verbesserungsversuchen, die der T e x t von Nr. 2 und 3 über die in Nr. 4 vorgenommenen Verbesserungen hinaus macht und die sich entweder

als

überflüssig oder als anfechtbar erweisen, m a c h t es einen u m so stärkeren Eindruck, d a ß der T e x t v o n Nr. 2 und 3 nur in einem einzigen Fall über den T e x t v o n Nr. 4 hinaus eine A b ä n d e r u n g bringt, bei der es sich wirklich u m die V e r besserung eines Versehens handelt. Julius bemerkt, es habe noch kein K o n z i l gegeben, durch das das Ansehen des Papstes nicht irgendwie gemindert und aus d e m er nicht mit irgend welcher Beeinträchtigung seiner Stellung hervorgegangen sei. Nr. 1 hat hier den offenkundigen Druckfehler:

minusque

summus disserit, während Nr. 2 und 3 dies in discesserit verbessern 3 ), Nr. 4 aber die Lesart von Nr. 1 beibehalten hat. Während also die Verbesserungen von Nr. 4 restlos von Nr. 2 und 3 übernommen werden und sich als wirkliche

Ver-

besserungen erweisen, bringen Nr. 2 und 3 über Nr. 4 hinaus eine große R e i h e von A b w e i c h u n g e n , die aber fast alle



mit einer einzigen A u s n a h m e — sich nicht bewähren oder jedenfalls nicht als notwendig anerkannt werden können. b) V e r b e s s e r u n g d e s S t i l s . N e b e n dieser Verbesserung wirklicher und vermeintlicher Druckfehler findet sich eine Übereinstimmung zwischen N r . 4 einerseits und dem T e x t von Nr. 2 und 3 andrerseits in der G l ä t t u n g des Stils.

Zum

T e i l sind diese stilistischen A b ä n d e r u n g e n w o h l ohne Absicht und unwillkürlich vollzogen worden. S.446,28.

2)

S. 443, 35 f.

M a n bekommt den 3) S. 441, 4.

313

Eindruck, daß diejenigen, die den Text von Nr. 4 und von Nr. 2 und 3 geschrieben haben, eine bessere Kenntnis der lateinischen Sprache und ein feineres Stilgefühl haben als derjenige, der den Text von Nr. 1 geschrieben hat.

Infolge-

dessen hat sich beim Abschreiben unwillkürlich die ihnen gewohnte leichtere und flüssigere Form der Rede eingestellt. Zum Teil sind aber auch die Verbesserungen des Stils zweifellos beabsichtigt.

Nach humanistischer Auffassung ist

es kein Unrecht, wenn der Herausgeber eines nicht von ihm selbst verfaßten Textes demselben durch die Kunst der eigenen Feder größeren Glanz und damit größere Wirkung zu verschaffen sucht.

Besonders wenn es sich um Schriften

polemischer und agitatorischer Art handelt, ist solche Beihilfe eines späteren Herausgebers nur eine Förderung des vom Verfasser erstrebten Erfolges. a) Eine Reihe derartiger rein stilistischer Abänderungen finden sich bereits in Nr. 4.

Es werden Worte im Satz um-

gestellt, ohne daß dadurch der Sinn irgendwie beeinflußt würde 1 ).

Oder es werden Worte eingefügt, die die Sprache

voller und betonter machen 2 ).

Oder es wird die Satzkon-

struktion durch Ergänzung oder Änderung deutlicher gestaltet 3 ).

In Nr. 4 halten sich diese Abwandlungen des

Textes noch in engen Grenzen.

Sie gehen nicht über das

Maß hinaus, das bei jedem Abschreiber, der zugleich Schriftsteller von selbständiger Eigenart ist, sich geltend machen 1

) Böcking I V , S. 4 2 8 , 2: quas olim mihi verus ille pastor ecclesiae

tradidit 1, quas olim verus ille pastor ecclesiae mihi tradidit 4. istis adulatoribus 1, — adulatoribus istis 4.

428, 2 5 :

4 2 8 , 3 2 : quid enim sibi vult

novus iste comitatus 1, — quid enim novus sibi vult comitatus iste 4 ; usw. 2

) S. 4 2 8 , 5 : palla 1, —• palla quidem 4 ; 4 3 0 , 3 1 : fuerim 1, —

ali-

quando fuerim 4. 3

) S. 449, 2 5 : I a m Anglis sciebam genuino odio esse Gallorum gentem

1, — I a m Anglos sciebam genuino odio esse in Gallorum gentem 4 ; 4 2 7 , 1 3 : nisi 1, — at nisi 4 ; nisi quod interim excludimur 1, — nisi quid invenerimus, excludimur 4 ; usw.

314

wird. Man kann aus dieser Veränderung der Textgestalt nur den Schluß ziehen, daß die Nr. 4 zu Grunde liegende Niederschrift nicht von einem einfachen, mechanisch arbeitenden Schreiber, sondern von einem Gelehrten angefertigt worden ist. ß) In den Ausgaben Nr. 2 und 3 hat dagegen die stilistische Bearbeitung des Textes einen erheblich größeren Raum gewonnen. Sie ist zur Absicht, zur Manier geworden. Die Wortumstellung im Satz findet sich häufiger 1 ), ebenso die Einschaltung einzelner Wörter zur Verdeutlichung des Sinnes 2) und die Erleichterung der Satzkonstruktion 3 ). Die freiere Behandlung des Textes in Nr. 2 und 3 zeigt sich auch in den mehrfachen Zusätzen, von denen bereits die Rede war 4 ) und in den mancherlei Änderungen, durch die der Text verschlechtert wird 5 ). Die den beiden Drucken in Nr. 2 und 3 zu Grunde liegende Niederschrift deutet trotz der Glättung des Stils auf einen seiner Aufgabe nicht ganz gewachsenen Bearbeiter hin. y) Dabei gestaltet sich das Verhältnis der beiden Ausgaben Nr. 2 und Nr. 3 untereinander so, daß beide zweifellos eine r

) S. 427. 20: adesse oportet 1, — oportet adesse 2, 3; 428, 28: modo vivere 1, — vivere modo 2, 3; 429, 8: habitus corporis 1, — corporis habitus 2, 3; 432, 4f.: me ita 1, — ita me 2, 3; 433, 28: tarnen meo fretus ingenio 1, — tarnen animo meo fretus 2, 3; 434, 24: bullam afferunt 1, — afferunt bullam 2, 3 usw. 2 ) S. 430, 30: tecum esse; 431, 19: non absque; 433, 1: per; 4 3 3 , 4 : omnibus; 434, 19: ne; 434, 20: huc; usw. 3 ) S. 427, 23: quem si tuo fungi voluisses officio, obviam oportuit venisse 1, — q u i . . . 2, 3; 428, 10: literas non didicisti 1, — literas nullas didicisti 2, 3; 428, 1 1 : significant, opinor 1, —• significare opinor 2, 3; 429, 8; denique 1, — utique 2, 3; 433, 10: qui perpendet 1, — qui perpenderit 2, 3; usw. 4 ) S. oben S. 291 f. 5 ) S. 430, 1: hic vires 1, — hic veris 2, 3; 443, 6: essent 1, — erant 2, 3; 443, 5: inquinatiora 1, — inquietiora 2, 3; 444, 8: munerum i , — nummorum 2, 3; 436, 7: patrum i , — praemium 2, 3; 435, 23: prognatum 1, — propugnatum 2, 3; usw.

315

und dieselbe Vorlage benutzt haben. Alle bisher angeführten Eigentümlichkeiten des erweiterten Textes sind sowohl in Nr. 2 als auch in Nr. 3 vorhanden. Diese Gleichartigkeit des Textes hat aber nicht darin ihren Grund, daß die eine Ausgabe von der anderen abhängig ist. Trotz der fast durchgängigen Übereinstimmung beider Ausgaben miteinander finden sich nämlich doch einige Verschiedenheiten, die die Abhängigkeit der einen von der andern ausschließen. Besonders eindrucksvoll ist in dieser Hinsicht ein Fehler in Nr. 2 : an zwei unmittelbar aufeinander folgenden Stellen hat diese Ausgabe die Abbreviatur für sed durch scilicet aufgelöst 1 ). Dies beweist, daß jedenfalls Nr. 3 nicht von Nr. 2 abhängig sein kann. Ebenso hat Nr. 2 an einer Stelle eine sonst von keiner anderen Ausgabe vertretene Lesart. Der Papst wundert sich darüber, daß die Engländer, die sonst in Steuerfragen sehr schwierig sind, die großen Steuerlasten, die ihnen infolge des englisch-französischen Krieges auferlegt werden, willig tragen und daß auch die englischen Priester, die doch vom Papst gelernt haben, sich der Besteuerung zu entziehen, diese außerordentlichen Auflagen zugelassen haben: has quantumvis muletas admiserint. Diese Worte ersetzt Nr. 2 durch den ganz sinnlosen Satz: adduxerim ut regi tributum numerarent 2 ). Hätte dieser Text Nr. 3 vorgelegen, so hätte diese Ausgabe daraus unter keinen Umständen den mit Nr. 1 übereinstimmenden Wortlaut herstellen können s ). Eher könnte man meinen, daß Nr. 2 von Nr. 3 abhängig sei. Aber auch dies ist ausgeschlossen, da Nr. 3 eine Reihe S . 4 3 5 , a i : Pulchre sed; 2 4 : Libere, sed.

Dies Versehen liegt sehr

nahe: vgl. Luther, W . A . Briefwechsel I, S. 149, A n m . 1 5 , w o sich dieselbe falsche Auflösung der Abkürzung

findet.

2

) S. 450, 27. 3 ) Die Gallica b hat diese Stelle ganz mißverstanden; sie schreibt: E t c'est une espece de miracle que les Prêtres gui chassent le gibier pour nous, ayent pu tirer tant de rétribution qu'ils ont voulu de ces gens là (S. 8 2 ) .

316

von Lesarten aufweist, in denen diese Ausgabe von Nr. i abweicht, während Nr. 2 an den entsprechenden Stellen den Wortlaut von Nr. 1 hat. Es ist dies in mehrfachen Fällen nachzuweisen. Zum Teil handelt es sich dabei um geringfügige Abweichungen, die auf Versehen von Nr. 3 zurückzuführen sind, so daß man annehmen könnte, die Übereinstimmung von Nr. 2 mit dem ursprünglichen Text erkläre sich daraus, daß Nr. 2 das Versehen von Nr. 3 erkannt und verbessert hat. Aber daneben finden sich Stellen, an denen die Sonderlesart von Nr. 3 diese Erklärung unmöglich macht. Wenn z. B. davon die Rede ist, daß die Kriegsknechte, die Christus gekreuzigt hatten, den ungenähten Rock Christi nicht zerteilt haben, so liegt kein Anlaß dazu vor, daß das von Nr. 3 gebrauchte Plusquamperfektum (crucifixerant) als Versehen empfunden und durch das Perfektum (crucifixerunt) ersetzt wird; aber trotzdem bringt Nr. 2 hier diese mit Nr. 1 übereinstimmende L e s a r t E b e n s o wenn Nr. 3 statt des ursprünglichen emotae (Nr. 1) die gleichbedeutende Form commotae gebraucht 2 ), so ist nicht einzusehen, wie Nr. 2 dazu gekommen sein sollte, diese Form als Fehler anzusehen und in die in Nr. 1 vorliegende Form umzuwandeln. Derartige Beispiele lassen sich mehrfach nachweisen. Sie beweisen, daß Nr. 2 nicht den gedruckten Text von Nr. 3 gekannt haben kann, daß vielmehr die auffallende Übereinstimmung beider Ausgaben nur in der Benutzung der gleichen handschriftlichen Vorlage ihren Grund hat. Die Verschiedenheiten beider Ausgaben erklären sich möglicherweise daraus, daß die beiden Ausgaben zu Grunde liegende Abschrift des erasmischen Manuskripts für die Herstellung beider Ausgaben in doppelter Ausfertigung verwendet wurde. 8) An einzelnen Stellen könnte man den Eindruck be1) S. 4 3 8 , 2 3 . 2

) S. 437, 23.

317

kommen, als ob die Vorlage von Nr. 2 und 3 der Ausgabe Nr. 1 näher stünde als der Text von Nr. 4. Es finden sich nämlich eine Reihe von Stellen, in denen die Lesart von Nr. 2 und 3 mit der Lesart von Nr. 1 übereinstimmt, während Nr. 4 einen von Nr. 1 abweichenden Text zeigt x ). — Aber an allen diesen Stellen handelt es sich nur um ganz geringfügige, stilistische Abweichungen. Sie zeigen nur, daß auch bei der Drucklegung von Nr. 4 der Text des erasmischen Manuskripts Abänderungen erfahren hat — teils durch Versehen des Setzers, teils durch bewußte Verbesserung. 1. Ein Versehen des Setzers liegt z. B. vor, wenn Nr. 4 auf S. 428,36 (Böcking) iam fortläßt. Daß es sich dabei nur um ein Versehen handelt, geht in anschaulicher Weise daraus hervor, daß die Ausgabe Nr. 7, die offenkundig nur ein unselbständiger Nachdruck von Nr. 4 ist und von den Ausgaben Nr. 1 und Nr. 2 und 3 nichts weiß, dies iam bringt, da der Zusammenhang es aufdrängt. — 2. Eine bei der Drucklegung von Nr. 4 vollzogene Textverbesserung liegt vor, wenn Nr. 4 auf S. 428,36 (Böcking) das Wort eruisse durch emissae ersetzt (vgl. oben S. 272, Anm. 1). Eruisse steht nicht bloß im Druck von Nr. 1, sondern muß auch im Manuskript des Erasmus gestanden haben, da Nr. 2 und Nr. 3 ebenfalls dies Wort abdrucken. Aber die nachträgliche Korrektur in Nr. 2 zeigt, daß auch beim Druck von Nr. 2 das eruisse als störend empfunden worden ist, wie j a auch Böcking diese Störung ebenfalls empfunden und in derselben Weise wie Nr. 4, obgleich ohne Kenntnis dieser Ausgabe, auszugleichen versucht hat. Das emissae in Nr. 4 (und 7) ist deshalb nicht auf Rechnung des Erasmischen Manuskripts, sondern auf die Überlegung dessen, der den ') Böcking

IV,

S. 4 2 7 , 8 :

ne tu

non

attuleris clavem,

quem

non

oportet (1, 2, 3), ne attuleris quem non oportet (4); 427, 13: nisi q u o d interim excludimur

(1, 2, 3),

nisi quid

invenerimus

427, 26: ipse non (1, 2, 3), non ipse (4); usw.

318

excludimur

(4);

Druck von Nr. 4 besorgt hat, zu setzen 1 ). — Durch Vergleichung der Lesarten von Nr. 4 (7) und Nr. 2 (3) könnte man also den ursprünglichen Text der Abschrift des Erasmus zum Teil wiederherstellen. 2. D I E Z E I T L I C H E

AUFEINANDERFOLGE

Aus der Vergleichung der verschiedenen Ausgaben miteinander ergibt sich zweifelsfrei und mit Sicherheit das zeitliche Verhältnis, in dem sie untereinander stehen. Abgesehen von den späten Ausgaben, die sich als unselbständiger Nachdruck (Nr. 10, 7, 13, 8, Jortin, 16, 12, 1 1 , 9, Oxf. I und II) oder als Verarbeitung mehrerer älterer Ausgaben (5, 15, Böcking) erweisen, haben wir es mit zwei Grundformen zu tun, von denen die eine in Nr. 1, die andere in Nr. 2 und Nr. 3 gegeben ist. Zwischen diesen beiden Haupttypen steht als Zwischenstufe Nr. 4. Damit ist die Rangordnung dieser drei Gruppen gegeben: Nr. 1 gibt uns die ursprünglichste Gestalt des Textes, — darauf folgt Nr. 4, •— und an letzter Stelle steht die durch Nr. 2 und Nr. 3 vertretene Gruppe. Daß Nr. 1 die älteste Gestalt des Textes darbietet, ergibt sich schon daraus, daß diese Ausgabe den kürzesten Text hat. Es ist schwerlich anzunehmen, daß der Schreiber von Nr. 1 aus Flüchtigkeit alle die vielen Zutaten der anderen Ausgaben sollte fortgelassen haben. Noch viel weniger ist es möglich, daß er diese Fortlassung mit Bewußtsein und absichtlich vorgenommen haben sollte. Zeichnet sich außerdem der erweiterte Text durch geglätteten Stil aus, so kann der Verfasser von Nr. 1 unmöglich sich bemüht haben, die gefälligere Redeweise durch einen unbeholfenen, schwerfälligen Daß der Herausgeber von Nr. 2 zwar das eruisse beanstandet, aber im Text stehen läßt, während Nr. 4 das eruisse beseitigt, zeigt in charakteristischer Weise die Einwirkung der Herausgeber auf die Wiedergabe des Manuskripts.

319

und eckigen Stil zu ersetzen. Text

Eine R e i h e der im erweiterten

ausgemerzten Wendungen

von

Nr. i

sind

offenbar

G a l l i k a n i s m e n x ) ; d a ß diese nachträglich eingetragen sein sollten, ist ganz ausgeschlossen. U n t e r den Veränderungen und Einschüben des erweiterten Textes sind besonders lehrreich diejenigen, bei denen die beabsichtigte Verbesserung ungeschickterweise zu einer V e r schlechterung des Textes geführt hat.

D a v o n ist bereits die

R e d e gewesen. i . A m Eingang des Dialogs sagt Petrus beim ungestümen Anpochen

des Papstes in Nr. i : Bene est, quod

portam

habemus adamantinam; alioqui quisquis est perfregisset N r . 2 fügt hinzu: alioqui fores hic quisquis est



perfregisset 2 ).

D e r T e x t in Nr. i ist auch ohne diesen Zusatz deutlich, da das

Objekt

zu

perfregisset

unmittelbar

vorher

(portam

adamantinam) genannt worden ist und das Subjekt (hic) in den Worten: quisquis est, bereits bezeichnet ist.

Man

kann es k a u m als eine Verbesserung ansehen, wenn Nr. 2 sagt: »Gut, daß wir eine T ü r aus Stahl haben; sonst hätte dieser —

wer es auch sei —

die T ü r e n zerbrochen.«

Es

braucht nicht gesagt zu werden, daß das, was er zerbrochen hätte, die T ü r ist —- wobei übrigens Nr. 2 den Ausdruck fores aus dem unmittelbarvorhergehenden T e x t e n t n i m m t 3 ) — , sondern es kommt vielmehr darauf an, d a ß jener Unbekannte, wenn die T ü r nicht aus Stahl gewesen wäre, mit G e w a l t eingedrungen wäre.

Die V o r l a g e von Nr. 2 und 3 hat offen-

bar

genommen,

daran

Anstoß

daß

Nr. 1

das

Zeitwort

perfringere = durchbrechen i m intransitiven Sinne =

»hin-

d u r c h b r e c h e n « gebraucht hat, und nimmt es statt dessen im transitiven Sinne =

»zerbrechen«.

S. oben S. 293, Anm. 1 (eis prohibemus), Anm. 3 (cardinales persuasi), Anm. 4 (per non dicendos modos). 2) Böcking IV, S. 427, 18. 3)

320

S. 427, 14.

2. Die Pisaner Kardinäle haben beschlossen, daß die Kardinäle nicht an mehreren Stellen Bistümer innehaben sollen 1 ): ne passim cardinales absorberent episcopatus 2 ). Dieser Satz ist an und für sich und im Zusammenhang des Textes wohl verständlich; aber der Text von Nr. 2 und 3 fügt hinzu: abbatias, sacerdotia, ne quis unus plures episcopatus complecteretur. Daß dies eine spätere Zutat ist, ist eindeutig. Der Verfasser des erweiterten Textes hält offenbar das passim für mißverständlich; man könnte es j a auch — statt auf die Bistümer — auf die Kardinäle beziehen: »daß nicht hier und da — d. h. in einzelnen Fällen — Kardinäle ihre Bistümer verzehren«. Das wäre natürlich sinnlos. Deshalb gibt der zu Erläuterungen stets bereite Abschreiber seine Erklärung. Aber diese Erklärung bewegt sich in zwei verschiedenen Richtungen. Zuerst wird gesagt, die Kardinäle sollen nicht neben ihren Bistümern Abteien und Pfarreien haben. Aber damit ist nur die Unvereinbarkeit verschiedener Ämterstufen ausgesprochen, und das ist im Zusammenhang nicht der springende Punkt. Die Kardinäle könnten dann, wenn sie auch keine Abteien und Pfarrämter hätten, immer noch mehrere Bistümer in ihrer Hand vereinen. Deshalb fügt der verbessernde Abschreiber noch die weitere Bemerkung hinzu: es solle nicht ein Kardinal mehrere Bistümer haben. 3. Eine ähnliche Verschlechterung des Textes von Nr. 1 bringt eine andere Zutat der Vorlage von Nr. 2 und 3, die ebenfalls als Verbesserung gemeint ist. Zur Begründung seines Gegensatzes gegen die Barbaren, d. h. die Franzosen, weist der Papst auf die verschiedene Sinnesart der Italiener und der Franzosen hin. Nach Aufzählung einer Reihe derartiger Verschiedenheiten heißt es abschließend in Nr. 1: atque huiusmodi permulta sunt alia, in quibus, dissimili vitae 1

) S. oben S. 192. ) Böcking, S. 444, 4.

2

21

S t a n g e , Erasmus

321

instituto, procul arcendi sunt a nostris mysteriis *).

Diese

für Nr. i charakteristische K ü r z e und Gedrängtheit des Ausdrucks erscheint der Vorlage von Nr. 2 und 3 als verbesserungsbedürftig, — sie erweitert deshalb den Satz und schreibt: in quibus nobis non convenit cum Barbaris proinde cum iam simus tarn dissimili vitae instituto, procul arcendi sunt a nostris mysteriis. Die Worte nobis non convenit cum Barbaris sind auch hier 2 ) nach der kurz vorhergehenden Wendung: n a m cum Hispanis non pessime nobis convenit 3 ), gebildet. Durch den Einschub wird aber die Konstruktion verdorben.

Es

heißt nun: die Barbaren sind wegen der anderen Sinnesart der I t a l i e n e r von den Mysterien, d. h.von den der Sinnesart der Italiener entsprechenden Einrichtungen der fernzuhalten.

Demgegenüber

Italiener

ist der Wortlaut in Nr. 1

wesentlich klarer: das dissimile vitae institutum d e r B a r b a r e n p a ß t mit den mysteria der Römischen nicht zusammen und die Barbaren sind wegen i h r e r von den Römischen verschiedenen Sinnesart von den Praktiken der Römischen fernzuhalten. 4. G a n z ähnlich verhält es sich an einer anderen Stelle, an der der erweiterte T e x t eine recht heikle und deshalb verhüllte Anspielung dem Leser verständlich zu machen sucht. Bei der Schilderung seines Aufstiegs zur Macht rühmt sich der Papst, daß er seine Erfolge ausschließlich seiner Schlauheit und dem Gelde zu verdanken habe, ohne d a ß er der Hilfsmittel bedurft hätte, durch die andere zur Macht gekommen sind: vornehme Geburt, äußere Erscheinung, Bildung, jugendliche Gesinnung.

K r a f t , Beliebtheit beim Volke,

gütige

V o n der letzteren (der dementia) habe er so

wenig gewußt, daß er selbst gegen die grausam gewesen sei, denen andere alles zuzugestehen pflegen. Böcking IV, S. 447, 39. 2)

Vgl. oben S. 320, Anm. 3.

3)

S. 447, 14.

322

Bei dieser Be-

merkung unterbricht Petrus den Papst mit der Frage: Quid hoc rei est? In Nr. i erfolgt auf diese Frage keine Antwort, sondern der Papst fährt in seinem Selbstlob fort. Dagegen lassen Nr. 2 und 3 den Genius die Frage des Petrus beantworten: Hoc tametsi durum videtur, molle quiddam est 1 ). Daß es sich bei dem, was der Papst andeutet, um etwas Perverses handelt, ist allerdings auch ohne diese Erklärung des Genius deutlich. Die Zwischenfrage des Petrus hat ebensowenig wie seine kurz vorher eingeschaltete Frage: Quod tu ingenium narras ? 2) die Bedeutung einer Frage, die beantwortet werden soll, — sondern die Bedeutung eines Zwischenrufs, der nur das Unerhörte des vom Papst Gesagten unterstreichen und hervorheben soll. Die Rede des Papstes geht deshalb auch in ununterbrochener Konstruktion weiter, wie bei den voraufgegangenen Zwischenrufen des Petrus. Unbedingt nötig ist die Antwort des Genius also nicht; man darf vielleicht sogar sagen: die verhüllte, nur durch das Ausrufungszeichen der Petrusfrage betonte Anspielung in Nr. 1 wirkt stilistisch feiner und eindrucksvoller als die ausdrückliche Benennung der Sache mit ihrem Namen 3 ). 1) S. 4 3 3 , 25f2

) S. 431, 21. ) Dieser Zusatz des erweiterten Textes erinnert an eine Stelle im Enkomium Moriae des Erasmus. Dort heißt es bei der Schilderung der stultitia papae: paene mollius quiddam addideram, sed vereor ne durius sit auribus, — vorher ist von den lenones die Rede! Aber der Gegensatz von mollis und durus kommt in vielfacher Verwendung vor, z. B. bei Hutten (Böcking I, S . 146, Vers 5 2 5 fr.): mollem deducere vitam und als Gegensatz dazu Semper dura pati, — oder bei Augustin (sup. loh.): Uti enim caro mollibus, sie anima duris nutritur. A u f den senilis amor bezogen, gebraucht Horaz diese Worte: . . . desine, dulcium Mater saeva cupidinum, Circa Iustra decem flectere mollibus Iam durum imperiis (Carm. I V , 1, 4f.). Nimmt man aber eine Anlehnung dieser Stelle des Dialogs an das E n 3

21*

323

Aus der Vergleichung der verschiedenen Ausgaben ergibt sich also, daß Nr. i die älteste Ausgabe ist, während Nr. 4 eine wenig veränderte Wiedergabe von Nr. 1 ist, aber in ihrem neu gebildeten Titel und in ihren Korrekturen den Übergang zu dem erheblich stärker überarbeiteten Text von Nr. 2 und Nr. 3 bildet.

3. D I E

H E R K U N F T

DER

T E X T E

Ist dies das zeitliche Verhältnis dieser drei Gruppen von Ausgaben, so liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln, daß die Ausgabe Nr. 1 von Faustus Andrelinus verfaßt ist 1 ). Erasmus hat gelegentlich den Stil des Andrelinus kritisiert und als unbeholfen bezeichnet. Dies Urteil zeigt, daß Erasmus das Gefühl hatte, über den Freund, der ihn dereinst im Dienst der bonae literae gefördert hatte, hinausgewachsen zu sein. Einen anschaulichen Eindruck von den Mängeln des Stils des Andrelinus hatte Erasmus beim Abschreiben des Dialogs bekommen. In der leisen und unwillkürlichen Abwandlung des Textes, die sich in dieser Abschrift des Erasmus vollzog, wirkte sich die Abneigung seines literarischen Geschmacks gegen die Unbeholfenheit seines Pariser Freundes aus. Daß der durch Andrelinus schon 1513 verfaßte Dialog dann doch in der Zeit vor 1516, d. h. in der Zeit vor der Lupset-Affäre, keine Spuren seiner Existenz aufweist, erklärt sich aus den politischen Verhältnissen zur Zeit der Entkomium Moriae an, so ist zu beachten, daß diese Berührung mit Erasmus sich noch nicht in Nr. 1, aber auch nicht in der Erasmus nahestehenden Ausgabe Nr. 4, sondern erst in Nr. 2 und 3 1)

findet.

Ausführliche Mitteilungen über ihn bei L u d w i g Geiger,

zur Geschichte des französischen Humanismus K u l t u r und Literatur der Renaissance I,

Studien

(Vierteljahrsschrift für

1886, S. i f f . ) .

D a z u Henri

Häuser, Le Julius est-il d'Érasme? (Revue de littérature comparée V I I , 1927, S. 6 0 8 — 6 1 1 ) .

324

s t e h u n g des D i a l o g s sehr e i n f a c h . muß

der

Julius-Dialog

in

der

W i e w i r festgestellt h a b e n , Zeit

zwischen

dem

Tode

J u l i u s ' I I . u n d der W a h l L e o s e n t s t a n d e n sein. D u r c h die d a n n e r f o l g e n d e W a h l L e o s ä n d e r t e sich f ü r L u d w i g X I I . die p o l i tische L a g e v ö l l i g . wurde

zugleich

begrüßt.

L e o X . g a l t als f r a n z o s e n f r e u n d l i c h u n d

allgemein

als der ersehnte

Friedensbringer

U n t e r diesen U m s t ä n d e n h a t t e die S c h m ä h s c h r i f t

g e g e n J u l i u s I I . n i c h t b l o ß k e i n e n S i n n m e h r , sondern k o n n t e n u r u n g ü n s t i g w i r k e n u n d die A n b a h n u n g einer A u s s ö h n u n g m i t d e m P a p s t stören.

Es l i e g t d e s h a l b n a h e ,

anzunehmen,

d a ß es i m J a h r e 1 5 1 3 z w a r z u m D r u c k , a b e r n i c h t z u r V e r breitung

des D i a l o g s

gekommen

ist, d a ß

vielmehr

die

im

A u f t r a g des K ö n i g s v e r f a ß t e S c h r i f t d u r c h i h n z u r ü c k g e h a l t e n u n d bis a u f g a n z w e n i g e E x e m p l a r e v e r n i c h t e t w o r d e n Durch Erasmus

den

Pariser

gelegentlich

Bischof der

Stephan

Gesandtschaft

Poncher des

hat

Bischofs

E n g l a n d i m J a h r e 1 5 1 4 v o n der S c h r i f t K e n n t n i s

ist.

dann nach

erhalten1).

2 ) Hauser (Revue de littérature comparée V I I , S. 608) verlegt die i m Briefe Mores erwähnte Gesandtschaft Ponchers an das E n d e 151 7 oder an den A n f a n g 1518. W o r a u f er sich dabei stützt, gibt er nicht an. A u s d e m Briefe Mores scheint aber hervorzugehen, d a ß Erasmus b e i diesem Besuche Ponchers in E n g l a n d mit diesem persönlich zusammengetroffen und durch Ponchers V e r m i t t l u n g in den Besitz einer Abschrift der Schrift des Andrelinus g e k o m m e n ist. M o r e sagt nämlich, d a ß Poncher den D i a l o g d e m Andrelinus zugeschrieben h a b e (librum vendicasse Fausto), und folgert d a n n : da Andrelinus d e m Erasmus »nicht unbekannt« war, konnte Erasmus im Besitz des Dialogs sein, a u c h bevor er gedruckt vorlag. Gesetzt den Fall aber, Erasmus hätte unmittelbar durch seinen alten Freund Andrelinus die Abschrift des Dialogs erhalten, so hätte das Zeugnis Ponchers, dieser d e m Erasmus durch Andrelinus unmittelbar zugestellte D i a l o g sei von Andrelinus verfaßt, keinen Sinn. Erasmus und seine englischen Freunde würden dann g e w u ß t haben, d a ß Andrelinus der Verfasser sei; aber der Ausdruck vendicasse besagt, d a ß m a n dies erst durch Poncher erfahren hat. Die Ä u ß e r u n g Mores ist n u r d a n n verständlich, w e n n Poncher das anonyme Manuskript des Dialogs bei seinem Besuch in England mitgebracht u n d d e m Erasmus übermittelt hat, indem er dabei die Verfasserschaft des Andrelinus bezeugte. Verhält es sich aber so, so kann die Gesandtschaft Ponchers nicht in die J a h r e

325

Die

von

ihm

selbst

angefertigte

Abschrift

hat

er — um das Geheimnis des Ursprungs zu wahren — m i t dem

von

ihm

gebildeten

neuen

Titel

versehen:

Dialogus viri cuiuspiam eruditissimi festivus sane ac elegans mit dem dann folgenden argumentum

des Dialogs. Wenn

man sich vergegenwärtigt, daß die seit dem Jahre 1 5 1 7 erschienenen Ausgaben des Dialogs insgesamt den gleichen Titel tragen, so gewinnt die Äußerung des Erasmus in seinem Brief an Campegio vom 1. Mai 1 5 1 9 , daß er — Erasmus — den Dialog unter verschiedenen Überschriften kennengelernt habe 2 ), eine besondere Bedeutung. Sie beweist, daß Erasmus noch einen anderen Titel der Schrift kennt als die große Masse der Zeitgenossen, und was sollte wohl dies für ein Titel gewesen sein, wenn es nicht der einzige Titel war, den es neben dem von Erasmus selbst gebildeten gab, der Titel der Ausgabe von 1 5 1 3 ?

Zugleich liegt in diesem Interesse

des Erasmus an dem Titel des Dialogs ein leiser Hinweis auf den persönlichen Anteil, den Erasmus immerhin durch die Änderung des Titels an dem Dialog hatte. Erasmus hat nicht die Absicht gehabt, den Dialog zu veröffentlichen, — schon deshalb nicht, weil er damit gegenüber Andrelinus einen Vertrauensbruch begangen haben würde, aber außerdem auch, weil er von der Verbreitung desselben üble Folgen für die bonae literae befürchtete.

In Rom

mußte man den Dialog als eine Herausforderung seitens der humanistischen

Kreise

empfinden.

Wenn

trotzdem

im

1 5 1 7 und 1 5 1 8 fallen, da Erasmus damals nicht mehr in England war. Man wird vielmehr annehmen dürfen, daß die Gesandtschaft Ponchers im Zusammenhang mit dem Friedensvertrag zwischen Ludwig X I I . und Heinrich V I I I . vom August 1 5 1 4 und der im Oktober 1 5 1 4 vollzogenen Vermählung Ludwigs X I I . mit der Schwester Heinrichs V I I I , Maria (Wilhelm Roscoe, Leben und Regierung Leo des Zehnten, I I , 1807, S. 169, 175), also im Sommer 1 5 1 4 , stattgefunden hat. S. oben S. 265, Anm. 1. 2 ) S. oben S. 263, Anm. 2.

326

September 1518 die Abschrift des Erasmus durch Dirk Maertens dem Druck übergeben wird, so können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob dies mit oder ohne Zustimmung des zu dieser Zeit im Hause des Dirk Maertens krank darniederliegenden Erasmus geschehen ist. Es ist aber wahrscheinlich, daß Erasmus um diese Veröffentlichung gewußt hat. Bei der Erwägung dieser Möglichkeit ist zunächst zu beachten, daß Andrelinus am 25. Mai 1518 gestorben war, so daß seine Schrift gewissermaßen herrenlos geworden war und ihre Veröffentlichung jedenfalls ihrem Verfasser nicht mehr schaden konnte. Dazu kam, daß im Jahre 1518 die Anfeindungen, denen Erasmus seitens seiner antihumanistischen Gegner ausgesetzt war, sich außerordentlich verschärften, so daß ihm in seinem Kampfe mit den Vertretern des alten Systems der Dialog ein erwünschter Bundesgenosse war, während Erasmus andererseits — seit seiner Begegnung mit Pucci im Sommer 1518 — damit rechnen durfte, daß seine persönlichen Beziehungen zur Kurie ein Eintreten des Papstes zu seinen Gunsten herbeiführen würden, daß er also gegenüber den Verleumdungen seiner Gegner von Rom her nichts zu befürchten habe. Es könnte auch sein, daß Erasmus an den inzwischen in Basel erschienenen Ausgaben (Nr. 2 und 3) die Abänderungen des Textes bemerkt hätte und ihnen gegenüber den ursprünglicheren Text der von ihm selbst angefertigten Abschrift zur Geltung bringen wollte. Daß die Löwener Ausgabe gedruckt wurde, als schon die Baseler Ausgaben bekannt waren, und d a ß d a n n d o c h d i e L ö w e n e r A u s g a b e eine o f f e n k u n d i g ä l t e r e T e x t f o r m w i e d e r g a b , ist in höchstem Maße merkwürdig. Man kann diese Tatsache nur so erklären, daß der Herausgeber der Löwener Ausgabe wußte, für seinen — anscheinend unvollständigen oder gar verstümmelten — Text eine ausschlaggebende Autorität Allen III S. 379f. 327

hinter sich zu haben. 14. 7. 1518

a)

Aus d e m Brief v o n M a r t i n D o r p v o m

geht hervor, d a ß m a n damals schon in L ö w e n

den Dialog kannte.

D o r p schreibt: passim legunt omnes —

es kann sich also nur u m ein gedrucktes E x e m p l a r h a n d e l n , und D o r p ist d a v o n überzeugt, d a ß Erasmus nicht der V e r fasser ist.

W i e konnte Dirk Maertens, von dessen intimem

Verhältnis auch zu D o r p dieser Brief zeugt, unter

diesen

Umständen d a z u kommen, einen T e x t zu drucken, der v o n d e m bereits allgemein bekannten so auffallend a b w i c h ? D a ß inzwischen (1517) in Basel der erweiterte T e x t in den Ausgaben

Nr. 2 und Nr. 3 veröffentlicht war,

sich aus d e m Vertrauensbruch

erklärt

Lupsets.

Die aus d e m A u g u s t 1516 stammenden, von Bruno und Bonifacius A m e r b a c h angefertigten Abschriften des Dialogs tragen den T y p u s des erweiterten Textes. Johannes W e n d l a n d in Basel hat

H e r r Professor

auf meine Bitte die in

Basel vorhandenen Handschriften eingesehen und an Stichproben festzustellen gesucht, auf welchen T y p u s der A u s gaben diese Handschriften hinweisen.

D a s Ergebnis seiner

Untersuchung teilt er mir in folgenden W o r t e n mit: »Die Handschrift unserer Bibliothek M . S. A . I X 64 . . . enthält den D i a l o g zwischen Julius und Petrus.

D i e erste R e d e des

Petrus beginnt: Bene habet, quod portam habemus a d a m a n tinam.

A l i o q u i fores hic quisquis est perfregisset.

D i e dritte

R e d e des Julius beginnt: A t ni plane caecus es, cognoscis opinor clavem hanc, si q u e r c u m auream ignoras.

Ebenso

liest eine zweite Handschrift, die hier M . S. A . I X , 64a angegeben ist. Vielleicht ist diese zweite die von Bruno A m e r bach, die erste die v o n Bonifacius A m e r b a c h geschriebene.« Die Handschriften haben also statt: Bene est, die Lesart: Bene habet, bringen den Zusatz: fores hic und lassen die Worte: siquidem argenteam aus. 2)

328

Allen III, S. 346 fr.

D a s sind alles charakte-

ristische Merkmale der Ausgabe Nr. 2 und 3. Es kann also kein Zweifel sein, daß diese Baseler Handschriften bereits den erweiterten Text des Dialogs vertreten. Diese Handschriften gehen ihrerseits auf eine Abschrift zurück, die vermutlich Lupset einem der Baseler Freunde des Erasmus — vielleicht Froben — vermittelt h a t . Daraus folgt, daß die erweiterte Textform des Dialogs zwar auch ihrerseits auf die Abschrift des Erasmus zurückgeht, aber von einem derjenigen herstammen muß, die zwischen der Entwendung des Manuskripts durch Lupset und der Anfertigung der Amerbachschen Abschriften stehen, d. h. es können für die Erweiterung des Textes nur entweder Lupset oder der Baseler Freund des Erasmus, dem Lupset das Manuskript des Erasmus zur Abschrift überließ, in Frage kommen. Soweit es sich um die stilistischen Abänderungen des Textes handelt, könnte man sehr wohl an Lupset denken, da er über eine ausreichende humanistische Bildung verfügte, um auch seinerseits den Stil des Andrelinus, soweit er in der Abschrift des Erasmus noch zutage trat, für verbesserungsbedürftig zu halten. Dagegen können die inhaltlichen Zusätze, um die der Text von Nr. 2 und Nr. 3 den Text von Nr. 1 bereichert hat, unmöglich von Lupset stammen. Auffallenderweise beschäftigen sich nämlich diese Zusätze, wie bereits erwähnt, fast ausschließlich mit der Person des Kaisers Maximilian, und zwar in einer Weise, daß man unbedingt an einen deutschen Bearbeiter denken muß 2 ). !) Allen I I , S. 4 1 9 . 2

) Daß die Varianten bei Böcking »manchmal geradezu tendenziös

in deutschem Sinne« sind, hat bereits Geiger (1. c. S. 1 7 , A n m . ) bemerkt. O b dafür allerdings der Beschluß des Pisaner Konzils: ne quis unus plures episcopatus complecteretur, angeführt werden kann?

Die H ä u -

fung der Kirchenämter in einer H a n d w a r gewiß in Italien noch schlimmer als in Deutschland. 5

N a c h Scheurl besaß Hippolit von Este z. B.

(Erz-)Bistümer, taceo reliqua sacerdotia (Briefbuch I, S . 1 1 2 ) ,

und

nach Roscoe (I, S. 21, A n m . 10) hatte L e o X . als Kardinal im J a h r e 1 5 1 0 ungefähr 26 Benefizien.

329

1. V o n der Person des Kaisers M a x i m i l i a n heißt es zuerst, d a ß er sei unus o m n i u m minime difficilis 1 ) .

Sehr merk-

w ü r d i g ist, d a ß der N a m e des Kaisers so genannt w i r d , als o b er d e m Petrus noch unbekannt sei, obgleich er kurz vorher2)

schon erwähnt worden ist.

I n N r . 2 heißt es:

M a x i m i l i a n u m (sie enim vocant), ut est unus o m n i u m minime difficilis. . . .

Daraus

scheint

hervorzugehen,

daß

dieser

Z u s a t z nicht von d e m Verfasser des Dialogs herrührt.

Es

könnte aber auch diese Hervorhebung seines Namens mit d e m A n k l a n g an das Wort maximus einen Gegensatz zu d e m minime difficilis bilden sollen, — was allerdings einigermaßen gekünstelt sein würde.

Jedenfalls wird in diesen Worten

eine Seite an d e m Charakter des Kaisers hervorgehoben, die mit den sonstigen Aussagen des Dialogs über ihn nicht recht zusammenstimmt.

I n den sonstigen Aussagen des Dialogs

wird über die Machtlosigkeit des Kaisers gespottet und i h m die Schuld an dem Geldrischen K r i e g e vorgeworfen.

Das

entspricht der französischen H a l t u n g gegenüber d e m Kaiser in der kritischen Zeit des Frühlings 1513.

M a n rechnet in

Frankreich mit d e m — insgeheim bereits erfolgten — Bruch des Bündnisses d u r c h ihn, ohne doch den V e r s u c h aufzugeben, ihn bei d e m Bündnis festzuhalten.

In diese

aus

Gereiztheit und Unsicherheit gemischte S t i m m u n g paßt der Hinweis a u f die überaus leichte Beeinflußbarkeit des Kaisers wenig.

M a n wird eher an die schwankende und nachgiebige

H a l t u n g des Kaisers bei den V e r h a n d l u n g e n mit den Ständen des Reiches auf den Reichstagen erinnert.

D a n a c h würde

die Q u e l l e dieses Zusatzes in einem Kreise zu suchen sein, d e r an den innerdeutschen Auseinandersetzungen zwischen d e m Kaiser und den Reichsständen interessiert ist. 2. Einen ähnlichen Eindruck bekommt m a n *) Böcking IV, S. 441, 18, Anm. 2) S. 438, 19. 330

aus einer

zweiten Äußerung über den Kaiser, in der auf seine beständige Geldverlegenheit hingewiesen wird x ).

In Nr. i erzählt der

Papst, daß er durch Briefe und Botschafter den Kaiser zur Abwendung von den Franzosen gebracht habe, indem er den alten Haß des Kaisers gegen die Franzosen wieder angefacht habe.

Zu dieser Bemerkung bringt der Text in Nr. 2 und

Nr. 3 zwei Zusätze.

Zuerst heißt es, daß der Papst den

Kaiser durch Geld, wofür er im Hinblick auf seinen Geldmangel immer außerordentlich empfänglich sei, für sich gewonnen habe 2 ).

Außerdem fügt der erweiterte Text hinzu,

daß der Haß des Kaisers gegen die Franzosen außergewöhnlich leidenschaftlich gewesen sei, auch wenn ihm die Macht, sich zu rächen, gefehlt habe 3 ). Der Hinweis auf den beständigen Geldmangel des Kaisers ist im Zusammenhang des Dialogs wenig begründet, da die Zahlung von Subsidien in dem Ränkespiel der damals ganz allgemein eine große Rolle spielte.

Mächte

Der U m -

stand, daß der Papst seinerseits von Frankreich und Venedig, England und Spanien Subsidien erhielt und umgekehrt, macht es unwahrscheinlich, daß man ihm den Spott über die Empfänglichkeit des Kaisers für Geldgeschenke in den Mund legen konnte. Auch hier wird man wiederum viel eher an die für den Kaiser demütigenden Verhandlungen mit den Reichsständen denken können.

Dagegen scheint es ganz

ausgeschlossen zu sein, daß der im französischen Dienste schreibende Verfasser des Dialogs über die Geldnöte des Kaisers spotten konnte — in dem Augenblicke, in dem die Franzosen durch Geldzahlungen seinen endgültigen Abfall von seinem Bündnis mit ihnen zu verhindern sich bemühten. ') S. 449, a i . a ) partim pecuniis, quae apud hominem egentem semper valent plurimum. 8 ) in Gallos odio, quo vir ille mirum quam Semper flagravit, etiamsi deerat ulciscendi facultas.

331

Nicht minder unzweckmäßig vom Standpunkt der französischen Politik aus ist die Unterstreichung des Franzosenhasses Maximilians. In der Geldrischen Angelegenheit bemüht sich der Verfasser des Dialogs 1 ), den Anteil des französischen Königs abzuleugnen, indem er dem Kaiser selbst die Schuld an den Geldrischen Unruhen zuschiebt; hier dagegen ist von der Ohnmacht des Kaisers, sich zu r ä c h e n , die Rede, womit offenbar auf ein ihm von französischer Seite zugefügtes Unrecht angespielt wird. Von solcher Ohnmacht des Kaisers, sich zu rächen, konnte man im Hinblick auf die Geldrische Angelegenheit kaum sprechen, zumal der Ausgang dieser Angelegenheit damals noch nicht entschieden war. Man wird das dem Kaiser von französischer Seite zugefügte Unrecht, das seinen brennenden Haß verursachte und ihn mit dem Verlangen nach Rache erfüllte, in einem früheren Ereignis suchen müssen. So könnte man vielleicht an die ihm durch Karl V I I I . zugefügten Beleidigungen denken. Dieser hatte die Tochter Maximilians, mit der er sich auf Grund eines Friedensschlusses vermählen sollte, zurückgeschickt und die Prinzessin und Erbin von Bretagne, mit der Maximilian verlobt war, in seine Gewalt gebracht und ihr seine eigene Hand aufgenötigt 2 ). Daß der Kaiser die ihm angetane Schmach unbedingt durch einen Krieg sühnen wollte und trotz des Abratens der Stände einen hoffnungsund ruhmlosen Feldzug (1498) unternahm 3 ), würde den Hinweis aufsein Unvermögen, sich zu rächen, rechtfertigen. Der französischen Politik konnte es nichts nützen, wenn in dieser Weise an die alte Wunde gerührt wurde; wohl aber konnte die Erinnerung an den unglücklichen Rachekrieg gegen Frankreich die Stimmung wiedergeben, die bei den S. oben S. 86 ff. ) Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, I 5 , 1873, S. 72. 3 ) Ranke, S. 86, g i f . 2

332

Reichsständen gegenüber der allzu sehr von persönlichen Empfindungen beherrschten Kriegspolitik des Kaisers bestand. 3. A n einer dritten Stelle 1 ) ist wiederum von der Beeinflussung des Kaisers durch den Papst im Sinne von dessen franzosenfeindlicher Politik die Rede.

D e r Papst bringt es

fertig, den Kaiser dazu zu bestimmen, d a ß er trotz seines Bündnisses mit den Franzosen und trotz der von den Franzosen erfahrenen großen Hilfe bei der Wiedergewinnung seiner italienischen Städte sich gegen die Franzosen gebrauchen läßt, obgleich er darüber, d. h. über der Vertreibung der Franzosen aus Italien, seine eigenen Angelegenheiten, nämlich die Niederwerfung der Geldrier, vernachlässigen muß. In dieser Fassung des Textes von Nr. 1 ist jedes Wort sorgfältig abgewogen, um dem Kaiser die Torheit und das U n recht seiner A b w e n d u n g von den Franzosen zum Bewußtsein zu bringen. druck.

Der erweiterte T e x t aber zerstört diesen Ein-

Der erweiterte T e x t fügt nämlich einen Hinweis auf

die Interessen des Kaisers in Italien hinzu, indem er neben dem Krieg gegen Geldern den Abfall Paduas erwähnt. Was dieser Hinweis auf den Abfall Paduas soll, ist schlechterdings unverständlich.

Schon die Zeitbestimmung: tarn enim Pa-

tavium desciverat, ist ein Anachronismus, da Padua bereits im Jahre 1509 von den Venetianern besetzt w o r d e n 2 ) und seitdem trotz der Belagerung durch den Kaiser und die mit ihm verbündeten Franzosen in der H a n d der Venetianer geblieben war.

I m Dialog ist aber von den Ereignissen des

Jahres 1512 die Rede 3 ). D a z u kommt, d a ß die Erinnerung S. 450, 19. 2)

Annales ecclesiastici

(Raynaldus)

XI,

S. 535 B

(1509):

Maximi-

iianus . . . auxilia coegit ad Patavium recuperandum,

quod populari in

Venetum

odio

senatum

studio

et servitutis

Germanicae

a

Caesareo

imperio defecerat: . . . ingruentis hiemis incommodis territus in Germaniam abiit. 3)

Der Anschluß des Kaisers an die Heilige L i g a erfolgte öffentlich

erst a m 3. Dezember 1512 (Annales ecclesiastici, Raynaldus X I , S. 637 A ) .

333

an Padua das soeben den Franzosen für ihre Hilfe erteilte Lob abschwächt.

Denn wenn es unmittelbar vorher hieß,

der Kaiser habe durch das Geld und die Macht der Franzosen seine italienischen

Städte wieder erhalten

(quod

horum

sumptu operaque suas in Italia civitates recepisset), so zeigt die Nennung Paduas, daß die Hilfe der Franzosen dies tatsächlich nicht erreicht hat.

Bei den Verhandlungen des

Kaisers mit dem Papst ist vielmehr gerade der Wunsch, durch die Vermittelung des Papstes eine Anerkennung der kaiserlichen Rechte in Italien seitens der Venetianer zu erlangen, ein wesentlicher Beweggrund gewesen.

Der Kaiser

hat keineswegs, um den Wünschen des Papstes zu dienen, seine italienischen Interessen aufgegeben, sondern im Gegenteil: weil er nach dem Zusammenbruch der französischen Macht in Italien von französischer Hilfe die Erfüllung seiner italienischen Wünsche nicht mehr erhoffen konnte, sich auf Kompromiß-Verhandlungen mit den Venetianern eingelassen und sich dabei der Hilfe des Papstes bedient. Die Erwähnung Paduas paßt also in keiner Weise in den Zusammenhang: sie entspricht weder dem im Dialog zum Ausdruck kommenden Bestreben, dem Kaiser den Wert der französischen Freundschaft eindrücklich zu machen, noch kann im Hinblick auf Padua von einer dem Papste zu Gefallen vollzogenen Preisgabe der Interessen des Kaisers die Rede sein. Die in dem Dialog erkennbaren Motive der französischen Politik lassen die Nennung Paduas als nicht ratsam erscheinen. Der Zusatz in Nr. 2 und 3 scheint vielmehr der deutschen Auffassung der politischen Lage zu entsprechen.

Denn vom

deutschen Standpunkte aus bedeuteten allerdings die erfolglosen Bemühungen des Kaisers um die Wiedergewinnung Paduas für das Ansehen des Kaisers unendlich viel mehr als die Schwierigkeiten, die ihm die Geldrische Angelegenheit 334

bereitete 1 ). Wenn auf die Schädigung der kaiserlichen Interessen durch den Bruch mit Frankreich hingewiesen wurde, mußte man in Deutschland zuerst an die Folgen denken, die ein mit Frankreich zu führender Krieg für die ohnehin äußerst bedenkliche Stellung des Kaisers in Italien haben würde. Die drei Zusätze in Nr. 2 und Nr. 3, in denen von Maximilian die Rede ist, tragen also alle den gleichen Charakter: sie drücken die in Deutschland dem Kaiser gegenüber herrschende Stimmung aus. Schon der Umstand, daß sich die einzigen Zugaben, in denen Nr. 2 und Nr. 3 über Nr. 1 hinaus zu den geschichtlichen Ereignissen der Zeit Stellung nehmen, insgesamt auf die Person Maximilians beziehen, deutet auf eine deutsche Quelle der Bearbeitung in Nr. 2 und Nr. 3 hin. In der Schilderung der politischen Verhältnisse, wie sie Nr. 1 darbietet, treten die großen Linien der europäischen Gesamtpolitik deutlich hervor, während der erweiterte Text von Nr. 2 und Nr. 3 über der Kritik der persönlichen Eigenschaften des Kaisers den Blick für die großen Zusammenhänge des politischen Lebens verliert. Das ist typisch für die Verschiedenartigkeit der französischen und der deutschen politischen Bildung der damaligen Zeit. In Übereinstimmung damit ist auch trotz des Hinweises auf Padua die Kenntnis, die der erweiterte Text von den italienischen Verhältnissen hat, ganz unbestimmt, während Nr. 1 über die Vorgänge in Italien bis in die geheimsten Intrigen hinein unterrichtet ist. Man wird danach annehmen dürfen, daß die in dem er1 ) Man vergleiche die auf den Krieg mit Venedig bezüglichen E p i gramme Huttens u. a. (Böcking III), in denen die Bedeutung der italienischen Kämpfe aufs nachdrücklichste unterstrichen wird und auch von der Schmach Paduas die Rede ist (S. 127, 20: A h pudor est Patavum non adiisse nephas; vgl. S. 130, 141 ff.), während der Geldrische Aufstand als erledigt angesehen wird (S. 147, 545f.).

335

weiterten Text vorliegende Bearbeitung des Dialogs in einer deutschen Stadt entstanden ist. Die humanistische Stilisierung und die Haltung gegenüber dem Kaiser könnten beide auf Basel hindeuten, wie wir denn auch aus den Abschriften der beiden Amerbachs und dem Brief Bucers wissen, daß die Freunde in Basel die Abschrift des Erasmus im Original gesehen haben, und außerdem auch die ersten Veröffentlichungen des Dialogs in Basel erfolgt sind. So führt die Vergleichung der verschiedenen Ausgaben des Dialogs zur Bestätigung der Ergebnisse, die sich aus dem Inhalt des Dialogs ergeben. Die Tatsache, daß die verschiedenen Ausgaben des Dialogs eine — von Nr. i über Nr. 4 zu Nr. 2 und 3 hin — fortschreitende Erweiterung und Umgestaltung des Textes erkennen lassen, ist ein unbedingt sicherer Beweis dafür, daß Nr. 1 mit ihrem schwerfälligen und verbesserungsbedürftigen Stil die erste und ursprungliche Ausgabe ist. Man kann es verstehen, daß Erasmus beim Abschreiben des ihm durch Bischof Poncher vermittelten Textes einen anschaulichen Eindruck von den stilistischen Mängeln seines Pariser Freundes bekommen hat. Dazu kommt die — bezeichnenderweise von Erasmus hervorgehobene — Verschiedenheit des Titels der Ausgaben. Daß die sämtlichen Ausgaben seit 1517 auf das — durch Lupset entwendete — Manuskript des Erasmus zurückgehen, ist unbestreitbar. In der Fassung des Titels stimmt die Baseler Überarbeitung (in Nr. 2 und 3) mit der Löwener Ausgabe (in Nr. 4) überein, obgleich die letztere durch ihren Text beweist, daß sie trotz ihrer späteren Veröffentlichung gegenüber der Baseler Überarbeitung eine ältere Textform vertritt. Daß Erasmus die leicht durchschaubare Anonymität des Originals durch einen neuen Titel sichert, in dem zugleich der Verfasser und das Werk gelobt wird, erklärt sich aus seinem Wunsche, das ihm anvertraute Geheimnis zu wahren, wie er denn auch dieser Verpflichtung bis zum 336

Tode des Andrelinus entsprochen hat. Der veränderte Titel der Baseler und der Löwener Ausgabe unterscheidet sich außerdem von dem Titel der Originalausgabe dadurch, daß er ein kurzes argumentum des Dialogs enthält, und wiederum hat Erasmus auf dies argumentum des Dialogs hingewiesen, aus dem man schon die Tendenz des Dialogs und damit seine Herkunft erschließen könne. Daraus geht hervor, daß der ihm bekannte Text mit dem der Baseler und der Löwener Ausgabe eigentümlichen Titel versehen gewesen sein muß. Der literarische Anteil des Erasmus am Julius-Dialog beschränkt sich also auf die Überschrift der Ausgaben seit 1 5 1 7 und auf die Korrekturen der Löwener Ausgabe von 1518. Da diese Korrekturen der Löwener Ausgabe auch in den Ausgaben des Baseler Typus wiederkehren, müssen sie der von Erasmus angefertigten Abschrift angehört haben, da diese das Bindeglied zwischen der Löwener und der Baseler Ausgabe ist. Das Verhältnis der Ausgaben untereinander entspricht also auch den beiläufigen Andeutungen, die sich bei Erasmus im Hinblick auf die Geschichte des Textes des Dialogs finden.

22

Staage. Erasmus

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ACHTES

KAPITEL

23er C e x t b t s

Sialogö

i. L E S A R T E N

Die Bezeichnung der Ausgaben entspricht im Folgenden dem Verzeichnis beiBöcking I V , S. 422 ff. Für die Entwicklung der Textgestaltung sind von Bedeutung nur die Originalausgabe (Nr. 1), das Manuskript des Erasmus (Nr. 4) und die Baseler Überarbeitung (Nr. 3 und 2). Alle übrigen Ausgaben sind für die Untersuchung des Textes wertlos, da sie entweder einfache Nachdrucke der genannten Ausgaben sind oder die älteren Textformen willkürlich mischen. In der folgenden Zusammenstellung der Lesarten sind deshalb in der Regel nur die genannten drei Textformen berücksichtigt worden, damit die Entwicklung des Textes von Nr. 1 über das Manuskript des Erasmus zu Nr. 4 und zu Nr. 3 und 2 möglichst anschaulich werde. Dabei gilt im allgemeinen, daß die Lesart von Nr. 1 auch die von Nr. 10, die Lesart von Nr. 4 auch die von Nr. 7, die Lesart von Nr. 3 auch die von Nr. 8ff. und 12ff., die Lesart von Nr. 2 auch die von Nr. 9 und Oxford I und II ist. Die angeführten Ausgaben sind als Vertreter einer Gruppe anzusehen, wobei aus der Stammtafel auf S. 338 die zu jeder Gruppe gehörigen Auflagen abgelesen werden können. Die Lesarten der späteren Ausgaben werden nur ausnahmsweise angegeben, soweit es sich um irgendwie charakteristische Abänderungen des Textes handelt; dagegen werden offenbare Druckfehler und Versehen dieser späteren Ausgaben nicht berücksichtigt, um die Textvergleichung nicht unnötig zu belasten. Die Mischformen Nr. 5 (13) 22* 339

und 15 werden nur soweit herangezogen, als ihre Lesarten geeignet sind, ihre Zwischenstellung zwischen dem Löwener Druck (Nr. 4) und der Baseler Bearbeitung (Nr. 3) anschaulich zu machen. Die orthographischen Verschiedenheiten (e für ae, c für t usw.) sind ebenfalls unbeachtet geblieben, da für die Schreibweise nicht die Herausgeber, sondern die Setzer verantwortlich sind und außerdem die Schreibweise einer und derselben Druckerei nicht immer einheitlich ist. Die Lesarten Böckings (B) sind regelmäßig angegeben worden, um sein Schwanken zwischen den beiden ihm bekannten Grundformen (Nr. 1 und Nr. 3 und 2) und die dadurch bewirkte Verhüllung der stilistischen Eigenart der verschiedenen Ausgaben zu zeigen. 2. D E R U R S P R Ü N G L I C H E

TEXT

Der Text ist von dem Nürnberger Exemplar der Ausgabe Nr. 1 genommen, wobei die Lettern etwas vergrößert worden sind.

Neben der Reihenzählung dieser Ausgabe am Innen-

rande sind am Außenrande die Reihenzahlen der Böckingschen Ausgabe angegeben.

1. D I E L E S A R T E N S. II: 2 rei (1, 4); mali (2, 3, 5, 15, B). — 4f. ne tu non attuleris clavem quam oportet (1, 2, 3, 5, 15, B); ne attuleris quam non oportet (4). — 6 utraque (1) ; utramque (4, 2, 3, 5, 15, B). — attulisti (1, 4, B); hue attulisti (2, 3, 5, 15). — 8 nulla mihi (1, 4, 5, B); mihi praeter (2, 3, [ 1 5 ] ) . — opus quid opus (1); quid opus (4, 2, 3, 5, 15, B). — 9 nisi quod interim excludimur (1, 2, 3, 5, 15, B); at nisi (3); At nisi quid invenerimus, excludimur (4). — 11 aperite hoc actutum (1, 2, 3, 5, 15, B); aperite actutum (4). — nemo (1, 4, B); 340

nemon (2, 3, 5); nemone (15). [Das angehängte ne ist Fragepartikel.] — 12 stertit opinor adprobe (1, 2, 3, 5, 15, B); stertit adprobe (4). — 13 hic (1, 4, 2, 3, 5, 15, B) [dieAnm. B ist unzutreffend]. — Bene est (1, 4, B); Bene habet (2, 3); Bene (5, 15). — 14 alioqui(n) quisquis est perfregisset (1, 4, 5, 15); alioquin fores hic quisquis est perfregisset (2, 3, B). — 15 adesse oportet (1, 4, 5, B); oportet adesse (2, 3, 15). •— sed ne hinc (1); sed hinc (10, 4, B); sed hic (2, 3, 5, 15). — 19 quem si tuo (1, 4, B); qui si tuo (2, 3, 5, 15). — 22 ipse non (1, 2, 3, 5, 15, B); non ipse (4). — 25 hanc siquidem argenteam, si (1, 4, B); hanc, si (2, 3, 5, 15). — 29 olim mihi (1, 5, 15, B); ecclesiae mihi (4, 2); olim mihi . . . ecclesiae mihi (3). — 32 palla ista ( 1 , 5 , 15, B); palla quidem ista (4, 2, 3). — 33 calcarim (1, 5, 15); semper calcarim (4, 2, 3, B). S. I l l : 4 Christi praesidio (1, 2, 3, 5, 15, B); praesidio Christi (4). — 5 ego si nescis (1, 2, 3, 5, 15, B); si nescis (4). — 6 non (1, 4, 5, 15, B); nullas (2, 3). — 7 Significant opinor (1,5, B); Significare puto (4); Significare opinor (2, 3); Significarent opinor (15). •— Ha ha he (1, B); ha, ha, ha (4, 2, 3, 5, 15). — 10 Trismegistus (1, 4, 2, 5, 15, B); Trimegistus (3). [Die ganze Reihe fehlt in 10.] — 12 cuncteris (1, 4, 3, 5, 15, B); cunctaris (2). — 16 immo iam ( 1 , 7 , 2 , 3 , 5 » !5> B); i m m o ( 4 ) ; i m m o t a m ( I 0 )- — I 7 q u i c quid mihi (1, 2, 3, 5, 15, B); quicquid (4). — vel (1, 4, 5, 15, B); etiam (2, 3). — 18 istis adulatoribus (1, 2, 3, 5, 15, B); adulatoribus istis (4). •— 19 qui (1, 4); qui te (2, 3, 5> 15» B ) . — 2 1 m o d o v i v e r e i1» 4> 5> r5> B); m o d o (7); vivere modo (2, 3); vincere modo (8). — 23 alioquin iamdudum (1, 4); alioqui ego te iamdudum (2, 3, 5, 15, B). — 24 multam (1, 4, 2, 3, 5, B); multa (8, 15). — 25sibivult novus iste comitatus (1, 2, 3, 5, 15, B); novus sibi vult comitatus iste (4). — 26 adducis (1, 2, 3, 5, 15, B); videris adducere (4). — 30 eruisse (1, 2, 3, 5, 15); eripuisse (nachträgl. Korrektur in 2); erupisse (9, Oxf. II); emissae (4, B). — 32 341

illum (i); ullum (2, 3, 5, 15 B); [—] (4). — 33 ornatus . . . cruentatus (1, 4); ornatus . . . cruentatis (10); ornatum . . . cruentatis (2, 3, 5, 15, B). S. IV: 5 mihi quidem (1, 2, 3, 5, 15, B); quidem mihi (4). — 6 evomuisse (1, 4, B); vomuisse (2, 3, 5, 15). — Denique (1, 4, 2, 3, 5, 15, B); utique (8). — habitus corporis (1, B); corporis habitus (4, 2, 3> 5> !5)- — 7 quietus (1); vietus (4, 2, 3, B); victus (Jortin, 5, 15). — 8 suis pinxit coloribus (1, B); suis depinxit coloribus (2, 3, 5, 15); depinxit coloribus suis (4). — 11 videat (1, 4, 8, 15); rideat (2, 3, 5, B). — 12 conveniant (1); conveniunt (4, 2, 3, 5, 15, B). — Madisi (1, 5); Ma di si (4, 2, 3); Ma desi (8); Madesi (15); Madasi (13), [Böcking erklärt diese in 1 als ein Wort erscheinenden Laute als Verkürzung entweder von Mater dei, si oder von uct Aia si, so daß es sich um eine in die Form des Fluches gekleidete Verstärkung des italienischen si handeln und der Sinn sein würde: »bei Gott, ja!« — Ob es für diese Deutung Belege oder Anhaltspunkte gibt, teilt Böcking nicht mit. Aber im Zusammenhang kann es sich jedenfalls nicht um eine verstärkte Bejahung, sondern nur um einen leidenschaftlichen Ausbruch des Zornes handeln. Vielleicht liegt es näher, an eine italienische Verstümmelung des Fluches mediusfidius zu denken.] — 14 sanctissimum (1, 4, R); sanctissimi (2, 3, 5, 15). — 15 videre probe (i, 2, 3, 5, 15 B); probe videre (4). — 21 sis (1, 7, 2, 3, 5, 15, B); scis (4). — insciens (1, 4, 5, 15, B); inscius (2, 3). — 22 iam satis: ni propere pares, excommunicationis (1, 2, 3, 5, 15, B). Diese Worte fehlen in 4 und 7: ein sicherer Beweis, daß 7 ein unselbständiger Nachdruck von 4 ist. — 23 fulmen vel in te (1, 2, 3, 5, 15, B); vel in te fulmen (4). — 26 territasti (1, 4, 2, 3, 15); territast (B); irritasti (5). — huc (1); hunc (4, 2, 3, 5, 15, B). — hic vires agas oportet (1, 7); vires agas oportet (4); hic vi res agas oportet (8, 15); non hic vi res agas oportet (10, B); hic veris agas oportet (2, 3. 5)- — 3° d i c quaeso iure? (1); die quo iure (4, 3, 9, 5, 15, B); 342

die quaeso quo iure (2, 10). — 31 quilibet plebeius ( 1 , 4 , 5 , 15, 13, B); quilibet privatus (2, 3) [die Anm. Böckings S. 430, 3 ist ein Versehen]. — ut consectandi (1); ut consecrandi (io, 5, 15, 2, 3, B); vel consecrandi (4); et consecrandi (Jortin). — 32 Nempe quidem (1, 4, B); N e m p e quia (2, 3, 5, 15, B). — At ista (1, 2, 3, 5, 15, B); ac ista (4). -h S. V : vitae somnia (1, 2, 3, 5, 15, B); somnia (4). — 4 agis (1, 2, 3, 5, 15» B ) ; agens (4). — 6 quid hoc (1, 2, 3, 5, 15, B); quid (4). — 10 Iejuniis vigiliisque macerasti corpus (1, 4, 5, 15, B); Iejuniis quoque vigiliisque corpus emacerasti (2, 3). — 12 is magis apostólicas noverit (1, 4, B); is habet magis apostólicas (2, 3, 5, 15). — 17 esse (1, 4, 5, 15, B); tecum esse (2, 3). — naviculator (1, 4, 2, 5, 15, B); ianiculator (3). — 18 fuerim (1, B); aliquando fuerim (4, 2, 3, 5, 15). — 19 is (1, 4, B); hic (2, 3, 5, 15). — 27 hoc (1, 4, B); haec (2, 3> 5. !5)- — 34 triplici olim (1,4); olim triplici (2, 3, 5 , 1 5 , B) [Anm. Böcking S. 431, 16 irrig], -4- S. V I : 2 omnem (1, 4, B); omnium (2, 3, 5, 15). — 4 multo (1, 4, 15, B); non absque multo (2, 3, 5). — tarnen meo (1, 4, B); tarnen (2, 3, 5, l 5)- — 5 tu ingenium ( i , 4, B); ingenium (2, 3, 5, 15). — 6 arte (1, 4, 5, 15, B); ex arte (2,3). — aliquando quidem (1, B); quandoquidem (4, 2, 3, 5, 15). — 7 praesertim (1, 4); praesentem (2, 3, 5, 15, B). — 8 haec (1, 4, 2, 5, 15, B); hoc (3). — nec (1, 4, 5, 15, B); ne quidem (2); ne (3); q u u m me omnes intelligant mensarii (8). — 9 me ita (1, 4, B); ita me (7, 5, 15, 2, 3). — 11 esse (i, 4, B); fuisse (2, 3, 5, 15). — 19 episcatus (4). — stati (4). — 21 Q u i n (1, 4, B); T u m (2, 3, 5, 15). — 23 iis (1, 4, B); his (2, 3, 5, 15). — 28 contraconsilio (1, 4); contraconcilio (10, 2, 3, 5, 15, B). -fS. V I I : 2 ad hoc triduum (1, 4, B); ad haec per triduum (2, 3); ad haec triduum (5, 15). — 3 habebat (1); habebar (10, 4, 2, 3, 5, 15, B). — 6 foederibus (1, 4, B); foederibus Omnibus (2, 3, 5, 15). — 7 fuerant aretissime (1, 4, B); fuerunt exaetissime (2, 3); fuerunt aretissime (5, 15). — 343

17 per me (i, 4); per me toto orbe (2, 3, 5, 15, B). — 19 Nunc sie de Christo, sie de (1, 4, B); Nunc et sie de Christo (sie) de (2,3,5,15). — 2 0 Christi fores i1* 4» 3» 5> I 5); caeli (2, B). — 21 mirabitur (1, 4, B); admirabitur (2, 3, 5, 15). — perpendet me hoc solum (1, 4, B); perpenderit me haec sola (2, 3, 5, 15)- — 23 nee ipse patrem noverim (1, 4); ne ipse patrem norim (2, 3, 5, 15); ne ipse patrem noverim (B). — 25 horruerint (1, 4, B); exhorruerint (2, 3, 5, 15). — 26 tale quidem (1, 4, B); tale (2, 3, 5, 15). — contigit (1, 4, 2, 3, 5, 15, B); contingit (8). — 30 Quid hoc rei est? — Iulius (1,4); Quid hoc rei est? — Genius. Hoc tametsi durum videtur, molle quiddam est. — Iulius. (2, 3, 5, 15, B). — 31 meo fretus ingenio (1, 4, B); animo fretus meo (2, 3, 5, 15). — tarn (1, 4, B); tanta (2, 3, 5); [—] (15). — 34 quis (x, 4, 2, 5> J5> B ) ; q u i d (3)- — Solebant (1, 4, 5, 15, B); solent (2, 3). S. V I I I : 6 qui (1, 4, 3, 5, 15, B); quid (2). — 8 expugnanda (1, B); in expugnanda (4, 2, 3, 5, 15). — 9 ex pacto indulgentiarum (1, 4, B); ex pacto (2, 3, 5, 15). — 14 cum (1, 4, B); dum (2, 3, 5, 15). — tarnen (1, 4, B); tantum (2, 3, 5, 15). — 16 Ego ne unum (1, 4, B); egone: ne unum (2, 3, 5, 15). — istius (1, 4); istius sane (2, 3, 5, 15, B). — non ita (1, 4, B); Nam ita (2, 3, 5, 15). — 17 aperiundas his (1, 4, B); aperiendas non his (2, 3, 5, 15). — addueunt (1, 4, B); huc (hic) addueunt (2, 3, 5, 15). — 20 excludere eos (1); excludere (B); excludi (4, 2, 3, 5, 15). — prophetarunt . . . eiecerunt . . . fecerunt (1, 4, B); prophetarint . . . eiecerint . . . fecerint (2, 3, 5, 15). — 22 huc bullam afferunt (1, 4, B) ; huc afferunt bullam (2, 3); bullam huc afferunt (5, 15). — 23 Si quis (1, 4, B); Intelligo, si quis (2, 3, 5, 15). — nuntiasset (1, 4, 2, 3, B); renuntiasset (5, 15). — 28 gladio credo amputasti (1, 4, B); gladio amputasti credo (2, 3, 5., 15). — 31 tunc (1,4, B); Et (2, 3, 5, 15).— nondum acceptis (1, 2, 3, B); non acceptis (4, 5, 15). — 33 et palam admonitus (1, 4, B); ut palam admonerer (2); ut palam 344

admoneret (3, 5, 15). — 34 Cur te tam accurate (1, 4, B); Cur tam accurate te (2, 3, 5, 15). -r S. I X : 3 nostram (1, 4, B); meam (2, 3, 5, 15). — 7 numine (1, 4, 5, 15, B); nomen (2, 3). — 10 [cur] (4). — 12 quendam (1, 4, B); quondam (2, 3> 5) 15)- — r 5 Quantum (1, 4, 5, 15, B); Tu quantum (2, 3)- — quempiam (1, 4, B); quenquam (2, 3, 5, 15). — 16 tamen . . . sunt (1, 4, B); cum . . . sint (2, 3, 5, 15). — 17 Pulchre sed (1, 4, 3, 5, 15, B); Pulchre scilicet (2). — 18 hoc feci (1, 4, B); id facio (2, 3, 5, 15). — nempe (1, 4, B); nimirum (2, 3, 5, 15). — obturem (1, 4, 2, 3, B); obdurem (5, 15). — 19 prognatum (1, 4, 5, 15, 8, B); propugnatum (2, 3). — Libere sed (1, 4, 5, 15, 3, B); Libere scilicet (2). — num et vere (1, 4, 2, 3, B ) ; sed quid num vere (5); vere (15). — 21 videtur (1, 4, B ) ; mihi videtur (2, 3, 5, 15). — 22 quod (1, 4, 3, 5, 15) ; qui quod (2). — Sed per ( 1, 4, B) ; Sed obtestor per (2, 3> 5> I 5)- — 23 iam ista (1, B); ista iam (4, 2, 3, 5, 15). — 25 saecula (1, 4, B); saeculis (2, 3, 5, 15). — 27 certa (1, 4); edita (2, 3, 5, 15); cerea (B). — 28 ratione penetraret (1, 4); ratione ad eum honorem penetraret (2, 3, 5 , 1 5 , [B]). — 32 sit obnoxium (1, 4, B); sit (ut audio) obnoxium (2, 3, 5> !5)- — 34 status (1, 4, 5, 15, B); census (2, 3). S. X : 1 patrum (1, 4, 5, 15); praemium (2, 3); presbyterorum ( B ) . — 5 at civitas ea multis (1, 4, B); ea (ilia) civitas multis (2, 3, 5, 15). — 11 universi ferme (1, 4, B); fere universi (2, 3); ferme universi (5, 15). — 12 a civitate (1, 4, B); e civibus (2, 3, 5. JS)- — collegerat (1, 4, 5, 15, B); colligebat (2, 3). — 13 illius ( 1 , 4 , B ) ; milia (2, 3, 5, 15). — 14 turn ( 1 , 4 , 5, 15, B); tunc temporis (2, 3). — 15 profligatis Bentivolis (1, 4, B); profligato Bentivolo (2, 3, 5, 15). — 17 Romanae ecclesiae (1, 4, B); ecclesiae Romanae (2, 3, 5, 15). — 18 dignitas illis (1, 4, B); dignitas ante penes ilium (2, 3, 5, 15). — 19 ideo (1, 4); iam (2, 3, 5, 15, B). — 20 Iulius aeneus stat et saxeus (1, 4, B); et Iulius saxeus stat et aeneus (2, 3, 5, 15). — 21 sum (1, 4, B); sim (2, 3, 5, 15). — 22 intellgeres (1); intelligeres 345

(4,2,3,5> 15» B)- — 2 5 audio (1,4, B); intelligo (2,3, 5, 15).— orare quod nos (1, 4, B); quod orare nos (2, 3, 15); quod nos orare (5). — 27 deliramento (i, 4, 15, B); delectamento (2, 3, 5). — 31 Nullas iam mercabantur (1, 4, 5, 15, B); nullas commercabantur (2, 3). — 34 occuparant (1, 4, 5, 15, B); occuparent (2, 3). -f- S. X I : 6 Verum (1, 4, B); Verum erant (2, 3» 5» 15)- — 8 quoique (1, 4, B); quot (2, 3); quod (5, 15). — sufficiebant (1, 4, 5, 15, B); sufficiunt (2, 3). — 10 hominum omnium (1, 4, B); omnium hominum (2, 3, 5, 15). — huic (1, 4, 2, 5, 15, B); hunc (3). — 12 iuculentissimam (1); luculentissimam (4, 2, 3, 5, 15, B). — 13 ignobili (1, 4, B); ignavo (2, 3, 5, 15). — 14 simoniacum (1, 4, 2, 5, 15, B); simoniam (3). — emotae (1, 4, 2, 5, 15); commotae (3); motae(9); aegrotae (B) [s. o. S. 273, Anm.]. — 15 vendicabat (1, 4, 5, B); vindicabat (2, 3, 15). — 16 haud quaquam (1, 7, 2, 3, 5, 15, B); haud quanquam 4. — 18 hoc (i> 4> 5> i5> B ) ; e t h o c (2, 3)- — h a e c O» 4> B ) ; h o c (2, 3> 5» 15)- — mei (1, 4, B); nostrae (2, 3, 5, 15). — 20 cognato meo (1, 4, 15, B); meo cognato (2, 3, 5). — 22 pampiensem (1, 10); Papiensem (4, 2, 3, 5, 15, B). — nostram (1, 4, B); meam (2, 3, 5, 15). — 23 et (1, 4, 15, B); ac (2, 3, 5). — 24 Uxores quidem (1, 4, B); Suas quidem uxores (2, 3, 5 15). — 25 eos habere (1, 4, 5, 15, B); habere (2, 3). — qui viri sunt (i, 4, B); cum sint viri (2, 3, 5. r 5)- — 26 coegerat (1, 4,B); excitarat (2, 3, 5, 15). — 30inquinata (1, 4, 5, 15, B); undique inquinata (2, 3). — 31 et (1, 4, B); ac (2, 3, 5, 15). — omnibus modis (1, 4, B); modis omnibus (2, 3, 5, 15). — 32 Ghristianae reipublicae (1, 4, B); reipublicae Christianae (2, 3, 5, 15). — 33 Consilio (1); concilio (4, 2, 3, 5, 15, B). — incurrendum (1); succurrendum (4> 2, 3, 5, 15, B). S. X I I : 2 et factum (1, 4, 5, 15, B); factum (2, 3). — 5 Iulius dixit alter (1, 4, 5, B); dixit Iulius alter (2, 3, 15); 8 [s. o. S. 269, Anm. 4). — 6 novem Cardinales (1, 4, B); Cardinales novem (2, 3, 5, 15). — 8 inducunt 346

( i ) ; indicunt (4, 2, 3, 5, 15, B). — 10 Lodouico (i, 4, B); Ludouico (2, 3, 5, 15). — 12 hi (1, 4, 15, B); ii (2, 3, 5). — 13 Christum crucifixerunt (1, 4, 2, 5, 15, B); crucifixerant (3). — Eras huiusmodi [hmoi] qualem illi praedicabant? (1, 4, B); Eras homini, qualem illi praedicabant, similis? (10); Sed eras istiusmodi? (2, 3); Sed eras huiusmodi? (5, 15). — 14 Summum etiam pontificem finge vel (1, 4, B); Summus eram pontifex, finge me vel (2, 3, 5, 15). — 15 indoctiorem (1, 4, B); vel indoctiorem (2, 3, 5, 15). — 18 quin (1, 4, B); quare (2, 3, 5, 15). — 19 est, ut (1, 4, B); ut (2, 3, 5» !5)- — i s q u i (r> 4» 2> r 5 ) ; e u m qui (3, 5)- — agens (1, 4, B) ; agit ( 2 , 3 , 5 , 1 5 ) . — 23 male ( 1, 4, 5, 15, B) ; mala ( 2 , 3 ) . — 25 Unum (1, 4, B); Unum hoc (2, 3, 5, 15). — 32 summoveri (1, 4, B); amoveri (2, 3, 5, 15). — 34 id ipsum (1, 4, 5, 15, B); istud ipsum (2, 3). — debebat (1, 4, 2, 3, B); debeat (5); debebit (15). — summus est (1, 4, B); summus (2, 3, 5, 15). -T- S. X I I I : 1 humanae (1, 4, 5, 15, B); mundanae (2, 3). — imperatorem (1, 4, 2, 3, 15, B); imperatorum (5). — 5 At qui (1, 4, B); At (2, 3, 5, 15). — 6 concilium cogi non potest (1, 4, 5, 15, B); nullum concilium cogi potest (2, 3). — quod sit maxime (8). — 11 Num (1); Non (4, 2, 3, 5, 15, B). — 12 non (1, 4, B); nec (2, 3, 5, 15). — hei (1, 4, B); imo (2, 3, 5, 15). — iucestum (1). — 15 non ob (1, 4, B); non vel ob (2, 3, 5) !5)- — 1 6 lacunam (i, 4, B); lernam (2, 3, 5, 15). — 17 ab isto (r, 4, B); ob ista (2, 3, 5, 15). — 18 Novam (1, 4, B); Novam vero (2, 3, 5, 15). — 19 quin (1, 4, B); turn (2, 3> 5. !5)- — 22 Quidam ob (1, 4, 2, 3, 15, B); Ob (5). — unum (1, 4, 5, 15, B); unum quiddam (2, 3). — dicunt (1, 4, 15, B); posse dicunt (2, 3, 5). — 24 dixisti (1, 4, 5, 15, B); dixi (2, 3). — et (1, 4, 5, 15 B); at (2, 3). — 26 illi in manu (1, 4, 15, B); in manu (2, 3, 5). — 31 dignitatem 4> 5, i5> B ) ; potestatem (2, 3). — 32 condidit (1, 4, 2, 5, 15, B); condit (3). — 34 constringere (1, 4, B); astringere s- XIV: 3. 5> !5)6 ut plebs (1, 4, 2, 3, B); plebs 347

(5, 15)- — 7 publicam orbis pestem (i, 4, B); publicam orbis pestem publicitus (2, 3); publicitus orbis pestem (5, 15). — e medio tollat (1, 4, B); tollat e medio (2, 3, 5, 15). — 8 cur (1, 4, B); quid est causae cur (2, 3, 5, 15). — horreat (1, 4, 5, B); horreas (2, 3, 1 5 ) . — 11 his (1, 4); iis (2, 3, 5, 15, B ) . — reddunt (1, 4, B); a d d u n t (2, 3, 5, 15); adducunt (12). — bona (1, 4, 15, B); boni (2, 3, 5). — 13 et inter (1, 4, 5, 15, B); inter (2, 3). — 14 minuat (1); minuant (4, 2, 3, 5, 15, B), — 15 Praeterea (1, 4, B); Denique (2, 3, 5, 15). — 18 quin . . non (1, 4, B); ut . . non (2, 3, 5, 15). — 19 disserit (1, 4); discesserit (7, 2, 3, 5, 15, B). — 20 poteris (1, 4); potes (2, 3 , 5 , 1 5 , B). — quantumcunque (1,4, 5, 15, B); quanq u a m t u m (2); q u a n q u a m tarnen (3). — 21 agebatur leviculis (1, 4, B); leviculis agebatur (2, 3, 5, 15). — censibus, cum (1, 4); censibus ut nunc, tarnen (2, 3, 5, 15); censibus, tarnen (B). — 22 addere (1, 4, B); adiicere (2, 3, 5, 15). — cum tu (1, 4, 2, 3, B); cum (5, 15). — 23 liberares (1, 4, B); liberasses (2, 3, 5, 15). — 25 hodie (1, 4, B); hodieque (2, 3); hodie quoque (5, 15). — 26 U n u m igitur (1, 4, B); U n u m igitur illud (2, 3); Igitur illud (5, 15). — 28 rei (1, 4, B); reipublicae (2, 3, 5, 15). — 29 negotium spectat (1, 4, B); commodum spectat (2, 3, 5, 15). — 30 non (1, 4, 5, 15, B); nec (2); ne (3). -f S. X V : 1 Maximilianum cum per ( 1 , 4 , B); Maximilianum (sie enim vocant) ut est unus omnium minime difficilis tametsi [tarnen (3)] per (2, 3, 5, 15). — per non dicendos modos (1, 4, B); tarnen non dicendis modis (2» 3> 5> !5)- — 2 subduxi (1, 4, 3, B); seduxi (2, 5, 15). — Cardinales (1, 4, B); Cardinalibus (2, 3, 5, 15). — 4 rursum accitis (1, 4, 2, 3, B); accitis (5, 15). — et testibus (1, 4, B); ac testibus (2, 3, 5, 15). — negarent (1, 4, 8, B); negarint (2, 15); negarunt (3, 5, 12). — 6 iusiurandum (1, 4); iusiurand u m iusiurandum (2, 3, 5, 15, B). •— 7 erat id paulo quidem (1, 4, B); erat id quidem paulo (2, 3, 15); id erat paulo quidem (5). — 9 nonnullorum invidia concilio (1, 4, B); 348

apud nonnullos invidia concilii (2, 3, 5, 15). — 11 vicissim Pisis (1, 4, 15, B); vicissim (2, 3, 5). — 13 quem quidem (1, 4, B); quem (2, 3, 5, 15). — et Romae (1, 4, 5, 15, B); Romae (2, 3). — 15 obsequundaturum (1, 4, B); obsecundaturum (2, 3, 5); obsequium daturum (10, 15). — enim multis (1, 4> 5> r5> B); enimeos multis (2, 3). — 16 ac (1, 4, 2, 3, B); at (5» I 5)- — 2 6 utrinque (1, 4); utcunque (2, 3, 5, 15, B). — his (1, 4, B); iis (2, 3, 5, 15). — 27 rursum (1, 4, B); rursus (2, 3, 5, 15); rursus antequam impium (12) [unter Weglassung des Abschnittes S. XV, 16 vertens— S. XVIII, 2 plus quam]. Ebenso 11: rursus tanquam impium. — 28 his (1, 4, B); »s (2, 3, 5, 15). — 29 fuerant (1, 4, 5, 15, B); futuri essent (2); fuerent (3); fuerunt (8). — habebant (i,B); habebam (4. 2, 3, 5, 15)- — 30 lulium (1); Iulio (4, 2, 3, 5, 15, B). — tantis (1,4, B); tanto (2, 3, 5, 15). — stipato (1,4, B); superiori (2, 3, 5, 15)- — 3 1 ad hanc (i, 4); ad hunc (7, 2, 3, 5, 15, B). -fS. XVI: 6 tum (1, 4, B, 2, 5, 15); tamen (3). — 9 theologus homo (1, 4, B); homo theologus (2, 3, 5, 15). — 10 aiebat (1, 4, B); aiebat enim (2, 3, 5, 15). — n inquinatiora (1, 4, B); inquietiora (2, 3, 5, 15). — essent (1, 4, B); erant (2, 3, 5, 15). — 13 Me (1) [statt: Petrus]. — 14 ab initio (1, 15); ab inito (4, 2, 3, 5, B). — inducerem (1); indicerem (4> 2, 3, 5, 15, B). — 15 additum (1); addictum (4); adactum (2, 3> 5> !5> B )- — n e c (!> 4> 5> 15. B ) ; n e (2, 3)- — consensu (1,4); consessu (2, 3, 5, 15, B). — 16 saepe (1, 4, B); saepius (2, 3, 5» 15)- — admonitum et (1, 4, B); admonitum (2, 3, 5> 15)- — 17 potius (1, 4); potius quam (2, 3, 5, 15, B). — 18 admisisse (1, 4, 2, 3, B); admisi (5, 15). — apparet (1, 4); apparerei (2, 3, 5, 15, B). — 20 detrectare (1, 4, 5, 15, B); detrectante (2, 3, 10 [!]). — 21 ceteris (1, 4, 2, 5, 15, B); ceterum (3). — 24 interim (1, 4, 5, 15, B); igitur (2, 3). — 25 hic plus (1, 4, B); plus hic (2, 3, 5, 15). — 29 essent (1); essem (4, 2, 3, 5, 15, B). — 33 fragiitatem (1); frugalitatem (4> 2, 3, 5, 15, B). -ì- S. XVII: 6 obominanda (1, 4); abomi349

nanda (2, 3, 5, 15, B). — 7 Obsecro, nefanda? (1, 4, B); Obsecro tarn nefanda? (2, 3, 5, 15). — 8 manibus (1, 4); manibus et pedibus (2, 3, 5, 15, B). — 10 Horresco referens (1, 4); Ah horresco referens (2, 3, 15); Abhorresco referens (5); Horresco referes (B). — 16 episcopatus, istos (1, 4); episcopatus, abbatias, sacerdotia; ne quis unus plures episcopatus complecteretur, istos (2, 3, 5, 15 [B]). — 17 possent (1, 4, 15, B); possint (2, 3, 5). — cumularent (1, 4, 5, 15); cumulant (2, 3, B). — coercendos (1, 4, 5, 15, B); coercerent (2, 3). — 18 iis (1, 4, B); his (2, 3, 5, 15). — 20 munerum (1, 4» 5> J5» B ) ; numorum (2, 3). — 23 ob (1); ab (4, 2, 3, 5, 15, B). — 26 ut (1, 4, 5, 15, B); uti (2, 3). — 27 divitii (1); divitiis (4, 2, 3, 5, 15, B). — Quid (1, 4, B); Quid igitur (2> 3> 5) 15)- — 29 videris mihi oblitus quod (1, B); videris mihi oblitus id quod (4); mihi videris oblitus id quod (2, 3, 5, 15). — me (1, 4, 2, 5, 15, B); imo (3). — 31 consumptus (1» 4> I5> B); consumptis (2, 3, 5). — antiquitate (1, 4, 5, 15, B); autoritate (2, 3). — 32 antiquitatem (1, 4, B); antiquitatem adhuc (5, 15); autoritatem adhuc (2, 3). — etsi (1, 4, B); etiamsi (2, 3, 5, 15). -7- S. X V I I I : 4 iam (1, 4, B); aut iam (2, 3, 5, 15). — 7 ipsos (1, 4, 2, 3, 5, B); eos (15). — 8 prodita (1, 4, 2, 3, 5, 15); praedita (B). — 10 propensiores (1, 4, 5, 15, B); esse propensiores (2, 3). — 11 valent (1, B); valebunt (4, 2, 3, 5, 15). — 12 inceptis (1); in ceptis (4); in coeptis (2, 3, 5, 15, B). — cardinalitii (1, 4, B); cardinalitia (2, 3> 5> 15)- — l 3 spoliavi (1, 4, 15, B); spoliari (5); privavi (2, 3). — 14 ipsos (1, 4, 2, 5, 15, B); ipsi (3). — igni (1, 4, 5, 15, B); ignibus (2, 3). — 15 manus (1); in manus (4, 2, 3, 5, 15, B). — 17 adhuc nihil (1, 4, B); nihil adhuc (2, 3, 5, 15). — 19 autor illius (1, 4, B); autor istius (5); illius autor (2, 3, 15). — conciliabulis (1); conciliabuli (4, 2, 3, 5> !5> B). — 21 loquaris (1, 4, 3, 5, 15, B); loqueris (2). — 23 ut adhuc (1, 2, 3, 5, 15, B); adhuc (4). — 23 veterem (1, 4, 5, 15); veterem illum (2, 3, B). — 24 spirat (1, 4, 2, 5, 15, B); 350

spiras (3). — 25 evasurum sit (1, 4, 5, 15, B); evasurum (2, 3)- — 2 6 equidem (1, 4, B); et quidem (2, 3, 5, 15). — 27 tu (1, 4, 5, 15, B); tu quidem (2, 3). — 28 Potius trecenta (1, 4, B); Vel trecenta schismata potius (2, 3, 5, 15). — 30 movere (1, 4, 5, 15, B); moveri (2); commoveri (3). — camarinam (1, 4, 2, B); camerinam (3, 5, 15). S, X I X : 1 vertuntur ( i , 4); vertentur (2, 3, 5, 15, B). — 4 pecuniis (1, 4, B); pecuniis ne haec fiant (2, 3, 5, 15). — 9 tot tarn (1, 4, 2, 3, B); totam (5, 15). — 16 Herculem agis (5). — 17 urebar (x); utebar (4, 2, 3, 5, 15, B). — 18 utendum (1, 4, B); utendum est (2, 3, 5, 15). — ope (1, 4, 5, 15); opera (2, 3, B). — 20 denique (1, 4, B); denique nihil non (2); denique nihil tum (3, 5); denique nihil non tum (15). — passus sum et feci (1, 4, B); et feci et passus sum (2, 3, 5, 15)- — P r o P e (l> 4> 5) 15, B ) ; propemodum (2, 3). — 22 Italiam (1); Italia (4, 2, 3, 5, 15, B). — 25 sed absque legibus (x, 4, 5, 15, B); sed (2, 3). — 27 florent illi (1, 4, 2, B); florent (3j 5> 15). — 33 contumeliosus (1); contumeliosius (4,2, 3, 5, 15, B). -T- S. X X : 2 profitereris (1, 4, B); profitearis (2); profiteris (3, 5, 15). — eodem complectebaris (1, 4, B); complectebaris eodem (2, 3, 5, 15). — 3 num (1); non (4, 2, 3> 5> !5> B )- — deseruit (1, 4, B); discrevit (2, 3, 5, 15). — 5 recidimus digne (1, 4, 15, B); recidimus (2, 3, 5). — ut proxime (1, 4, B); et proxime (2, 3, 5); ut et proxime (15). — 8 vero id videtur ( i , 4, 15, B); vero (2, 3, 5). — 11 audio nihil (1, 4, B); nihil audio (2, 3, 5, 15). — trahas (1, B); trahis (4, 2, 3, 5, 15). — 12 eis (1, 4, 5, 15, B); eos (2, 3). — ne (1, 4, B); ne quid (2, 3, 5, 15). — 13 Quid igitur? Cur (1, 4, 2, 3, B). Quid? cur (5, 15). — 15 referunt (1, 4, B); referunt singuli (2, 3, 5, 15). — acceperunt (1, 4, B); ab illis acceperint (2, 3, 5, 15). — 16 unquam (1, B); usquam (4, 2, 3, 5, 15). — 18 dispensationem (1, 4, B); dispensamus (2, 3> 5> !5)- — 22 talia (1, 2); Italia (4, 3, 5, 15, B). — 23 superstitiosum (1, 4, 5, 15, B); superstitiosius (2, 3). — 351

26 liceret (i, 4, B); nobis liceret (2, 3, 5, 15). — 32 at res (1, 4> 5. I 5 . B ) ; r e s (2> 3)- — u t n e (!> 4, B); ne (2, 3,5. 1 5)- — 33 christiands (1). — 34 laborarent (1, 4); laborent (2, 3, 5, 15, B). S. X X I : 3 esse Christianum existimant (1, 4, B); Christianum esse existimant (2, 3, 5, 15). — 5 dissentiamus (1, 4, B); dissentiam (2, 3, 5, 15). — 10 sententia diversa (1, 4, B); diversa sententia (2, 3, 5, 15). — n simonia (1, 4, 5, B); simonie (2, 3); simoniam (15). — 12 antiquatas (1, 4, 2, B); antiquitas (3, 5); antiquitus (15). — 14 quibus dissimili (1, 4); quibus nobis non convenit cum barbaris. proinde cum iam [iam fehlt in 5, 15] simus t a m dissimili (2, 3, 5, 15, [B]). — 18 clamitant (1, 4, 2, 3, B); clamant (5, 15). — 20 sit (1,4); sic (2, 3, B) ; sim (5, 15). — vivens num pro (1,4, 5, 15); vivens pro (2, 3, B). — 21 at (1); atque (4, 2, 3, 5, 15, B). — minuerant (1, 4); minuunt (2, 3, 5, 15, B). — 22 ac de nobis nihil (1); ante de nobis nihil (4, B); ante (antea) nihil de nobis (2, 3, 15); nihil ante de nobis (5). — 23 adeo parem (1, 4, B); adeo parem Deo (2, 3, 5, 15). — 24 e rebus (1, 4, B); rebus (2, 3, 5, 15). — 27 paucior (1, 4, B); parcior (2, 3, 5, 15). — 29 processerit audacia (1, 4, B); processerit audaciae (3, 5, 15); processerint audaciae (2). — 32 nostrisque (1, 4); nosque (2, 3, 5, 15, B). — 34 nobiscum (1, 4, 5, 15, B); vobiscum (2, 3). -=- S. X X I I : 8 superstitiosi (r> 4, 3, 5, !5> 9, O, B); superstitiose (2). — 10 aliquot ( 1 , 4 ) ; aliquod (2, 3, 5, 15, B). — 24 patent (1, 4); parent (2, 3, 5, 15, B). — 27 pueros (1, 4, B); et pueros (2, 3, 5, 15). — 30 Atqui (1, 4, B); Atque (2, 3, 5, 15). — 33 praecipue (1, 4, B); ac praecipue (2, 3, 5, 15). — pernoscere (1, 4, 5, 15, B); pernosse (2, 3). -=- S. X X I I I : 6 non erat (1, 4, 5, 15, B); alioqui non erat (2, 3). — 7 enim (1, 4, 5, 15, B); autem (2, 3). — 11 fidei non a d m o d u m (1, 4, 5, 15); non fidei (2,3); fidei non (B). — 13 t u m (1,4, 2, 15, B); tamen (3, 5). — At (1); Ad (4, 2, 3, 5, 15, B). — 17 partim Uteris ( i, 4) ; partim pecuniis, quae apud hominem egentem semper 352

valent plurimum, partim Uteris (2, 3, 5, 15, [B]). — partim nuntiis (1, 4); et nuntiis (2, 3, 5, 15, B). — 18 odio. I a m (1,4); odio quo vir ille mirum q u a m semper flagrarit, etiamsi deerat ulciscendi facultas. I a m (2, 3, 5, 15, [B]). — Anglos (1, 4, 2, 3, 5, 15); Anglis (10 [!], B). — 19 esse Gallorum ( i , B ) ; esse in Gallorum (4, 2, 3, 5, 15). — his (1, 4, B); in his (15); in iis (2,3); [—] (5). — 20 nationemesse (1.4,5,15); nationem (2, 3, B). — 25 quod (1, 4, B); quodque (2, 3, 5, 15). — 26 nuper (1, 4., B); et nuper ( 2 , 3 , 5 , 1 5 ) . — et (1,4, 2 , 3 , 5 , 1 5 ) ; sed et (B). — 29 dicebat (1); dicebatur (2, 3, 4, 5, 15, B). — 34 H u n g a r o r u m (1, 4, 3, 5, 15, B); H u n g a r u m (2); Hungariae (9). -h S. X X I V : 3 ac (1, 4, 5, 15, B); et (2, 3). — 5 acceperant (1, 4, 5, 15, B); acceperunt (2, 3). — 11 immensus devictus (1); immensis devinctus (4, 2, 5, 15, B); et immensis devinctus (3). — 13 huic (x, 4, 5, 15, B); hie (2, 3). — nempe ut Geldros (1, 4); nempe ut sua tueretur (iam enim Patavium desciverat) et in Burgundia, nempe ut Geldros (2,3,5, r5> [B])* — Geldros (1, 4, 5, B); Geldrios (2, 3, 15). — 15 et tarnen effeci (1, 4, 2, 5, 15, B); et sic feci (3). — 16 ageret (1, 4, 5, 15, B); agerent (2, 3). — C u m nulla gens sit (1, 4, 5, 15, B); T u m nulla gens est (2, 3). — 17 id quod protinus (1, 4, 2, 3, B); id protinus (5, 15). — 19 ea tamen (1, 4, 2, 5, 15, B); et sic (3). — 20 est se propemodum (1, 4, B); est propemodum se (2, 3, 5, 15). — q u a m sacerdotes quoque a nobis consueverint, quicquid possunt subtrahere, his quantumvis muletas admiserint (1, 4); q u a m sacerdotes quoque qui nobis consueverant quicquid possunt subtrahere iis quantumvis muletas admiserint (3, 5, 15); quomodo sacerdotes quoque, quamvis a nobis consueverint quicquid possunt subtrahere, has q u a n tumvis muletas admiserint (B); quomodo sacerdotes quoque qui nobis consueverant quicquid possunt subtrahere, adduxerim, ut regi tributum numerarent (2); die Verwirrung ist dadurch entstanden, d a ß in 1 das Relativum qui (vgl. 2, 3) ausgefallen u n d infolgedessen consueverint statt consueverant 23

S t a n g e , Erasmus

353

(2, 3) geschrieben worden ist. — 21 his (1, 4); iis (2, 3, 5, 15); has (B). — 25 liceat (1, 4, B); liceat postea (2, 3, 5, 15). — Romano pontifici (1, 4, B); Romano sacrifico (2, 3, 5); Romano pontifici sacrifico (15). — 26 maiore (1, 4, 5, 15, B); maiori (2, 3). — 28 vero fuerit (1); vero longum fuerit (4, 2, 3, 5); vero longum nimis fuerit (15). -f- S. X X V : 1 velint (1, 4, 5, 15, B); libet (2, 3). — 2 Haec ergo nihil pertinent ad pastorem et patrem (i, 4, 5, 15, B); Pertinet hoc ad pastorem et patrem (2); Pertinet hoc ad rem et patrem (3). — 5 consilium (1); concilium (4, 2, 3, 5, 15, B). — 8 prodidissent ( 1,4, B) ; perdidicissent (perdidissent 5) prodidissentque (2> 3» 5); prodidissentque (15). — 10 honori (1, 4, 2, 3, 5, 15); honore (B). — bellis malis (1, 4, B); malis (2, 3, 5, 15). —• tueri dignitatem (1, 4, 5, B); dignitatem tueri (2, 3, 15). — 12 sed et (1, 4, 5); sed (2, 3, 15, B). — 13 concilio (1, 4, 5); Consilio (2, 3, 15, B). — 14 invexerint (1, 4, 5, 15, B); invexerunt (2, 3). — 15 coronam (1, 4, B); coronam meam (2, 3, 5, 15). — 17 verum hactenus (1, 2, B); verum hactenus quidem (4, 5, 15); phreneticum sed m u n d a n u m (3). -— 18 mundanum, plurimum (1, 4); mundanum, nec mundanum tantum sed ethnicum, imo ethnicis sceleratiorem. Gloriaris te plurimum (2, 3, 5, 15, [B]). — 19 infiammandum bella (1, 4); inflammanda bella (2, 3, 5, 15, B). — 20 fecit (1, 4, 5); facit (2, 3, 15, B). — 21 proximum (1, 4, B); proxime (2> 3) 5) r 5)- — 2 2 et summa (1, 4, B); est summa (2, 3, 5, 15). — 26 ubi ubi verum (1, 4, B); ubi verum (5); ubi virum (2> 3> 15)- — 2 9 videres (1); videris (4, 2, 3, 5, 15, B). — 30 excitaris (1, 4, B); concitaris (2, 3, 5, 15). — quo (1, 4, 2, 3, B); quod (5, 15). — 32 secundum (1, 4, 5, 15); secundum caput (2, 3, B). — 34 tantum ( i, 4, B) ; tandem ( 2 , 3 , 5 , 1 5 ) . S. X X V I : 1 omnium et (1, 4, B); et (2, 3, 5, 15). •— 6 famulatu (1, 4, 5, 15, B); famulitio (2, 3). — 10 conferatur (1, 4); conferatur, Nemo tarn ambitiosus quin se victus agnoscat (2, 3, 5> [ ß ] ) - — quondam (1, 4, 5, 15, B); quendam (2, 3). — 354

ig satellitum (i, 3); satellitium (4, 2, 5, 15, B). — 21 munificentiae (1, B); istius munificentiae (4, 2, 3, 5, 15). — 24 libet (1, B); valde libet (4, 2, 3, 5, 15). — omnibus (1, 4, B); curiosis (2, 3, 5, 15). — 25 magnis (1, B); magnum (4, 2, 3, 5, 15). — incidimus (1); indicimus (4, 2, 3, 15, B); interdicimus (5). — 28 episcopum (1, 4, B); pontificem (2, 3, 5, !5)- — 3 1 nunc si (1, 4, B); si nunc (2, 3, 5, 15). — 34 si Romae nunc (1, 4, B); si nunc Romae (2, 5, 15); si Romae (3). ^ S. X X V I I : 2 mulos (1, 4, 2, 5, 15, B); mulas (3). — 3 ornatos (1, 4, 2, 5, 15, B); ornatas (3). — soleis (1, 4, B); soleis etiam (2, 3, 5, 15). — 5 militum (i, 7, 2, 3, 5, 15, B); tum (4). — 6 crepitum (1, 4, 2, 5, 15, B); strepitum (3).— 10 imperatori (1, 4, 5, 15, B); imperatori Romano (2, 3). — 11 valent (1, 4, 2, 5, 15, B); valerent (3). — scripta (i, 4); iura scripta (2, 3> 5) !5> B ) . — obtinet (i, 2, 3, B); obtineat (4, 5, 15). — 12 audisses vidissesque (1, 4, 5, B); vidisses audissesque (2, 3> I 5 )- — J 5 expectasses (1); spectasses (4., 2, 3, 5, I 5> B ) . — 1 6 v e l q u o (!> 4> 2, 3, B); quo (5, 15). — 17 refugiens (1); fugiens (4, 2, 3, 5, B); profugiens (15). — 23 si omnia tuorum (1); silituorum (4, 2, 3, 5, 15, B).— 26 Scipiones (1, 4, B); tum Scipiones (2, 3, 5, 15). — 27 satis iam (1, 4, B); satis (2,3,5, I 5)-—28complector (1, 4, 2, 5, 15, B); complecterer (3). — 29 in Christo sanctissimus (1, 4, B); sanctissimus in Christo (2, 3, 5, 15). — 30 nec unam animam (1, 4, B); ne unam animulam (2, 3); nec unam animulam (5, 15). — 32 seipsum (1, 4, B); semetipsum (2, 3, 5, 15). — 34 loqueris (!, 4, 2> 5, !5> B ) ; loquaris (3). — invideris (1, 4, 3, B); invideas (2, 5, 15). S. X X V I I I : 3 esse verum (1, 4); optimum esse verumque (2, 3, 5, 15, B). — 4 tradidit (1, 4, B); dedit (2, 3, 5, 15). — 5 approbavit (1, 4, 2, 3, B); comprobavit (5, 15). — 11 revocabam (1, 4, B); revocavi (2, 3, 5, I 5)- — quocunque (1, 4); quacunque (2, 3, 5, 15, B). — 12 tui simile (1, 4, B); simile tui (2, 3, 5, 15). — 16 quid non (1, 4, B); et quod non (2, 3, 5, 15). — 17 catalogum (1, 4, 355

5, 15, B); catalogo (2, 3). — addas (1, 4, 5, 15, B); addis (2, 3). — 25 insidias (1,4); pericula insidias (2, 3, 5, 15, B). — verus et apostolicus (1, 4, B); vere apostolicus (2, 3, 5, 15). — 27 retraxerint (1, 4); retraxerit (2, 3, 5, 15, B). — 28 Christo (1, 4, B); cum Christo (2, 3, 5, 15). — 31 quomodo tibi (1, 4, B); qui tibi (2, 3, 5, 15). — 33 occupato (1, 4); tot triumphis occupato (2, 3, 5, 15, [B]). — ceteri (1); ceterae (4> 2> 3, 5s I5> B). 4- S. X X I X : 4 voluptates ceu (1, B); voluptates omnes ceu (4, 2, 3, 5, 15). — 5 ducere. Haec (1, 4); ducere: haec est Christiani hominis professio. Haec (2, 3, 5> !5> [B]). — 6 Haec (1, 4, B); Haec quoniam (2, 3, 5, 15). — his (1, 4, B); iis (2, 3, 5, 15). — non Christi spiritu (1, 4, B, 8); Christi spiritu non (2, 3, 5, 15). — 7 fictitio (1, B); factitio (4, 2, 3, 5, 15). — 8 boni mihi (1, 4, B); mihi boni (2, 3, 5, 15). — 1 o honore ( 1,4, B) ; foenore ( 2 , 3 , 5 , 1 5 ) . — 13 siti (1, 4, B); in (2, 3, 5, 15). — 14 fortassis (1, 4, B); fortasse (2, 3, 5, 15). — Laudent, qui imitentur (1, 4, B); laudet, qui imitetur (2, 3, 5, 15). — 18 mundi (1, 4, B); huius mundi (2, 3, 5, 15). — purgatos (1, 4, B); repurgatos (2, 3, 5, 15). — 20 alienissimum (1, 4); alienissimam (2, 3, 5, 15, B). — quomodo (1, 4, B); qui (2, 3, 5, 15). — 21 emergatur (1); immergatur (4, 2, 3, 5, 15, B). — 22 huiusmodi (1, 4); huius mundi (2, 3, 5, 15, B). — 23 amplius (1, 4, 2, 5, 15, B); anxius (3). — 25 impartit (1, 4, 5, B); impertit (2, 3, 15). — Iulius (1, 4); pro relictis opibus longe praestantiores. Iulius (2, 3, 5, 15, [B]). — 26 An (1, 4, B); Ni (2, 3, 5, 15). — 28 vitam agere (1, 4, B); agere vitam (2, 3, 5, 15). — 29 ha ha (1, 4, 5, 15, B); Ita (2, 3) — quisquis (1); quis (4, 5); quisque (7, 2, 3, 15, B). — 30 hoc est in (1, 7, B); haec est in (4); hoc in (2, 3, 5, 15). — 32 hoc mundo (1, B); mundo (4, 2, 3, 5, 15). — 33 cum (1, 5); tum (4, 2, 3, 5, 15, B). S. X X X : 1 debet (1, 4, 5, 15, B); sit (2, 3). — expedior (1); expeditior (4, 2, 3, 5, 15, B). — 2 exornatior esse (1, 4); exoneratior esse (5, B); exoneratior 356

(2, 3, I 5)- — 3 omnibus (i, 4, 5, 15); omnium (2, 3, B). — dimersum (i, 4); immersum (2, 3, 5, 15, B). — 4 interim quid (1, 4, B); quid interim (2, 3, 5, 15). — 5 postea cum (1, 4, 2, 3, B); cum (5, 15). — 6 abutere ad t u a m (1, 4, B); ad t u a m abuteris (2, 3, 5, 15). — 7 exigis (1, 4, 2, 5, 15, B); agis (3). — 14 animae (1, 4, 5, 15, B); animi (2, 3). — 16 perventurus (1, 4, B); venturus (2, 3, 5, 15). — 18 esset (1, 4); erat (2, 3, 5, 15, B). — 20 odorant (1); adorant (4, 10); o d e r u n t (2, 3, 7, 5, 15, B) [die Lesart von 4 und 10 ist richtig]. — 26 esset miranda (1, 4, B); esset admiranda (3, 5, 15, 9); esse miranda (2). — 27 a n g u s t u m ( i , 4, 2, 5, 15, B); angustissima (3)- — 31 opibus regiis (1, 4, 5, 15); opibus (2, 3, B). — 32 m u n d a n a (1, 4, 5, 15, B); h u m a n a (2, 3). — 33 et (1, 4, B); ac s ( 2 , 3> 5> !5)- X X X I : 3 bracteatis (1, 4, 5, 15, B); bracteatis titulis (2, 3). — 5 furiosis (1); furiosos (4, 2, 3, 5, 15, B). — 6 ante (1, 4, B); antehac (2, 3, 5, 15). — 7 nil (1, 4, B); quidem nihil (2, 3, 5, 15). — 8 Iovem (1, 4, B); Iovem fulmine (2, 3, 5, 15). — 9 et alia (1, 4); aliaque (2, 3, 5, 15, B). — numen quoddam (1, 4, B); q u o d d a m numen (2, 3, 5, 15). —• 13 omnes quidem (1, 4, B); quidem omnes (2, 3, 5, 15). — 15 novam aliquam (1, 4, 5, B); novum aliq u a m (2); novum aliquem (3, 15, 9). — 18 dignius (1, 4, B); d i g n u m (2, 3, 5, 15).— i g i n meam ( i , 4 , B ) ; i n (2, 3 , 5 , 1 5 ) . — veniatis (1, 4, 5, B); venietis (2, 3, 15). — 20 sint (1, 4, 5, 15); sint ad me (2, 3, B). — 21 perventura (1, 3, B); huc perventura (4, 2, 5, 15). — 23 ceteri (1, 4); ceteri quoque (2, 3, 5, !5> [B])- — 24 est huius (1, B); huius est (4, 2, 3, 5, 15). — antesignanus est (1, 4, B); antesignanus (2, 5, 15, 8); ansignanu s (3)- — 27 quod (1, 4, B); si (2, 3, 5, 15). — 29 vulgus (1, 4> 2, 5, B); vulgum (3, 15). — 33 Finis (1, 4, 5, B). —

24

Stange, Erasmus

357

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[B 427,4 — 428,6] 427,5

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30 428,1

5

3nftrIomiott0$uUit6.£?tnfu0 ffU>cfrus. %*§ £ > I 1 M £ . £ P . «Quid l ? o c r d d f c non ape» »riunrurfoiesiopinottjuf m u t a M m : aurcerre turba* f a m f e r a m . l S £HÌyìHSi.lQuinporiuevidcnem non « f r u i r n e claué q u a opotrcr ; tuq} em cadcnt apcritur l?oc oltifrquaarca numjrta:arq5 adeo:cur n o n v r r a q j arruli« IfcnS ilfo quidcm p orerieclaute eftmó r d & i e . ^ T b l . ' ^ m m o prercr bac nulla milpi vnq? fuir.ncqj video o p u e q u i d o p 9 fitilla:quiibecadfir. i D i - I T l e c ego lane: nifi qó (nrerim e t / d u d i m u r . ^ ^ . ^ f F ^ u e f c t r mil?ibilie:puirabofotee.^eu9 fceueaperircbocacrurumaliquieo(Uù:quid boeradtene mo,pdirrqd ita ceifar l?ic tanfrotfftcrrfr opinot adprobe p ò tue.0.Hìt bic eie (1e ftnrirur o c e . p S . © c n e eli 9 qó posta babem adamanrina:alióquiquifot» r o c o l o n i irta ram fuperbamrqui quefo poifirn agnofeerei q u 2 nec barbarne v n q u à X v r à n u e aufue ed geftaremcdii te q u i bue a d m i r r i p o l h i l e t . i n a m p a l l a irta n i b i l me m o ' tt«:qui g e m i a t e et g u r u penitele m u d e r à c a l a r i t u a r *

Hi]

[B. 428,6 — 429,3] ? r ? p f m m : f j cjd J?otfWcJeo pafftm n in datti t in coi$x * in palla n o t t e federati itimi cauponie 1 im pollone: mei detti prcnomimstfed nó indiruri Snmom&cquéego quoti d a m £t?nlh pie(idiot»cuci.$uit. ÉDirrenugae illae Tifa' juptnam ego fi ncfcietfum s u l i u e i l l e U i g u r ? agnofeia n i fallo* t m a e lifi.rap.iP.iD.nifi omino lirreraenót>idicilh. I p . S n g m f t e à r opino»: pertem É D a jtima.&5e. I D a |?a l?e? vtbictnuinafot rem acu terigir. $ u l i . 3 m m o IPonrificcrti ÉDaumù.ìC>e.'ne nomino::iinmo ia inferirà rie noiebcnorabar: nó feri: vrqcqd mil?i UbuifTef.10. ^ c l r c m u l é r o . ^ u . ^ d ferita rem icriiiriinifcnrjjulij NcewftciiTe. ]J>.iQuin r u i g i f a b ili 10 a* dulatoiib? celò polhilaro:q ferirti mù fecerfir:? tjdem tribù anrfdicirarc:quitodcrurferiraté. O u a q u à vfqpadco nii^il inrirefTecffceNcarie fetue an f i e . ^ u . ^jrrirotifi m o d o v i ' uere licuifferrcgo ribi illa nec feti rare inuiderc: nec fi licitare; lPe.O.v0fcfcrilfimemcrieindicelrultu6 fir cl?tifti* «nu0:rideorercrnm4l?oimcolluui£:nil?ilpftrfo:niee6: re metti :acpuluerc bombardici! oUnriu. E r r o n e e . mtno ntaluetopínoMS.IQualífcüíB fum: pulían 9 fum u.íQuin tu nugae illas miíTae facie:acforee aperie?m> 25 f i mauíe effríngi:qd muirte opus elkvídee cuiufmodí bu. cam conuree? i£>e. S a n e vídeo larronee ejeerctrattíTímoe: verü nefie infeíene: l?e fojee cibi funt alqe armie expugna de.flu.'&lerbo? mquá íam faríe:ni£>ere paree:ej£cómuní ebearc¡nrú inil?i.£3.'&lr'£l?iaíbnéagir belua. io Érpecro qzfumeuadae.Iul.'íná m u Iris offietja'fie cut vocár;nouiercprÍ0:nó mcdiocrircr aupí tifeù ponrifictum. X u m r ò n e i n inumi:v r cifra íunonieviriü eparusemercnl? TTltmirum pfhrurü ella maioiil» mcie:rrcuicórigcrírepa rue:iet>eponar officiti: id ira f u m inrerprafue D e p o n e t e fuberte:ar nò t^eponif tj6 non l?abee:emendum igifqó t>c/ 15 ponae:l?acarrc iìngulteparue iena Ila firn auf feprena ¿aros millia adfcrebár-prcr tila q e): moie j> bulli» efrro:qtt r u r . Ò u i n et noua monera(qua fora ejcplcut *^ralíá)nó eje' í g u u m emolumfrum cofia u i n e c v Ha ccíTauí p a r » in accu • n u l á d i s pecuntje.iriimí£ ínrellígcns a b f q j ije nibil recre gerírnecpfacttineqj^fanum.Érrrad maíota r e n i á : ® o n o 20 níain a JBenruiolíe occuparam iRo.fcdí r d i i f u i : l l e n e r o s •nremuicros omíto:gDarrecórudí:/crraríe{wc¿t>iu m a le vetarú b e l l o t e modu t n l R i í l a m íllcicerá:pctlíabulufn fa'finaricú fimularo prra píilio feltcirer clufi : n c l a u u m ( q 6 bicifoler)clauo pepuli Jpolìremo (Salios rúeo:bíformi«» dabílepvníuerfo:er uniuerfa 3 u l » a toturbauúrerurbaru. 25 rae r i D í f p a n o s (namfouciba m jniít me tara rerrie iripuif* í e n f - a t q j feíccg q u i tnuicrumpllircrímaím: vide:íDallid fuctoubiiarcbíascírcúfpecfarefipucaná aiebam b a r b i : « f o ^ e m o d u m ín bífperaríoíK Adducneitmu rcp«H« n i [VI]

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[B. 432,28 — 434,1]

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rfu* affcrfur iiurcup-orud IPaufnnff alufrfòaUov.mflffa mifldara:ibt m i i t ì r 3 u l i 9 : a d t o c t r i d u u m ferme ,p mct« ruo babebar cria mibitarcp btcqj rurfum preroimarq; 90 deo m e i erta fpem rcui|n:rarum igif ralermea rei aurboti MQveUfturtJ vr lpodienemofifregumiTI?zilhanoiu: qu£ no ad jrmacóafauerim:rupri6^ifafTi6tMTculÌi8 f e d m t » qutb? infer fc fueràr arcrifTime cociliari. ì£>:op:imo qj federe ( q ó cameract in ter me 1 i S a l l o ? 1 TRo. regi aliofcp courac p r i n c i p e s c a abolire: vr ei 9 ne meno qdem rnqua firmerà £ 3 u p b « o i a : c i ì rm alucrim ercrrirum trorfpUdidtifimoa triumpboèa^:narim:rore|tl?ibucriniludo£?:rorlortp e difie.iuertm.Xn mozies reliqut qnquagiee cenrena milita bucaro£:maio:a gefluru 8:: fi tu de 9 l'Ile lODediene :qui M'u mibtrira arre fua^rogararampltus^rerrcporuilTer. 3 r < qj vrina nuncqj ¿ P a g u s a l i q s me in vira rcfhruan quo & gregije ceprie mete colopi^one licear imponere: ramerfi td m o n é e f e d u l o curamene bella p meconrirara cóponetenfc t e d i c i opera:rr pecunie in eum burararvfum effenr incoi lume6:bccerariupma v o c a i a m ej;balarii*.inucfici>ecbti fto-ficfreecclefia meriro pórificitgrauarecbnfhfoiee a p e t i / reiBrqjbfcmagismtrabifrqpcrpédermel?ocfolu a n i m i virrurcperperra(fe:nulli6 aliieadiurù admimculi6:c$bue ferefotcnr.inó naralib?:cu nec ipeparrcnouerun: q 6 4 d e m a d gloria ineàtuterimtnó foima : c u m lama lem fari! ofriee b o t r u m n t m ó Itrerierqe nuqua arugrnó c o i g i e rirl b u e : q ó nubi rate quidé conrtgir :qle fuperiue t>efcripfi:n5 erarie fauoie fenej; 1?« geflunó popularirarewam némo n o oderarmò ctemenria:q adeo fuenm inejco:abihe : vi in « o c ij® •r

. Jfcgofanecu ifl¿ fen eré locñtnullü nouígladi&nifi gladíüfpüe qó eílv erbíí bei.I.Br nó ídem pdicar flDalcb9 cut9 auricula abfcp gla dio credo ampuraftí.lp>.£DemínÍ7agnofco:f5 rüqj mgro ebro pugnaba:nó^> mc.,p vita Diurno ,p nútnie:aurturíóe feculart rüc pugnaba nódü pónfe¡c:ipmífTíei>ürajrarclaui/ bus nó acccptfrnódum accepro Ipuícrót« rñ iuflfua fum re/ íódere-i pala admonir9 boc pugne genus nó puenire facer dpnb;immo nedpulftaníe qdein:remtnj?ec«üa&. ¿ u n e [VIH]

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(B. 435,3-436,6]

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mm accurate llfgurc dTe f>cTicae:qfi tfcqui if oc a d d i l l i r i carium gtinear.qg&e fir ouundusiltL^mmo fumma cp' iftimo pierarégetitétifarn oobilirarc^pinde ritulu l?ucnu/ mtfmari0:llaruio:foiniab7:ac parietib? oil» infcribo.]£>e. lErgo patria nouit q patri ne nouir&lr ego mirto putabi ret>eceldh"lDtert'rn credérium parria U>4:becp illius vnico £ncipe:cui9 oprirtillfcnficari.^ocefttlluftran numte.iSy ad die Si|crie)c fotote neporequé qdem f?oiemfcemirorno qua bticac&fftlfepfertitn cu i fumiti 9 fuerir ponrifep? ribi raro &uacogMi?.iQuaret>uobfecro qd bornie fuinfacer* doe neiju. jpmmo miles egregi9 : rume)rimie religióternc' pc/r5clfcanc.p.iC£quid.lPulcbte:f5 ad rem rediro fceiBijcrine pofe-XuU. £ófulto bocfecùnempcvtobrurcos illie: q me tx ilio ^«nafù arfirmarmimiu libere. "|£>e.U.ibere,fj num et vere.Iu.3tq né elt iltud epótifiaa bigniraretcui9 vbtftf ba beda di ratio.]£>.Sr ipa fui ronem ira Demi reerifTimevide tur babirura:ft nibil ad mirra rqó iure polfit ofprobrari: f j 12 pórificiam maidiaré-Mc mijjibona fide: eft ne ia irta via vulgarie:ac Colerne ad f ummu pórificium gueniendi: q u i mó t>epingebae£ Iu.Sliqt ia fecula baud fuiralia: nifi fox/ trq mibkfucceflur9 eft: alia creabif via."ffla ipe fummù affé quut 9 pórificiùftarim certa foimidabili bulla caui : rimili réne penetrare! '«3 bulla 1 pauloanre motte rencua* uùqntumfu valimra.viderintalij.ij>. lOpinotneminére' criue id malti beferibere poruifTerfj illud miro:: quéqua in ucmri:q mun 9 j?oc velit fufcipe:picrrim cu rot occupation bue firobno)fiu:t raro negorioad id fir elucradumina me pórifice vijt qfqua vi poterar adigi: vr pfttyteri aut Diaconi ÌUfrigccbonwc. X-THccu mini adeoma illie qnb? fta^cpo [IX]

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[B. 436,7 — 437,7]

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rümTpafrü:m!?ílalíud['craftquIlabow0! vígi'Uet íeíunía; fcoctrína.fepenüero mots.inüc regnú cll ac ryránie:* q regno ft fpcs íít no t>irmarip.£>5 aga«jd 36ononia:num atidebdauerat:pcfamrfedíromáe relhruédaí lu. 23ona verbamótyocagebaÉ.p.Jfotraffe©ctiuolo male a ámíni/ tirante marcebatrefpu. Tf.^ntmo majcú flotebar: arcúúí ra© ca mu Iris edifíctje aucta ef! i ílltiftrara:? ob eá rcm íitt p ¿fíus instaba. ]£>.$nrellÍ3o:p(er íue ioifínuaferarí Tul. "Blel?oc4dctn:ejcpacto polTidebar/iP.íCiuee crgo no fere* bit eum|3ucípem finítimo moidu?tllñ rcnebáruneauer fabanf wíuerfí fertne.ip.fíuíd igifcaufe? I. Hlépeq6 ílle fíe admíftrabat: vt ep ímtncfa pecunia quí a cíuírare colle' gerar: vip paucula ílli9 ad nrm redírcr fifarm. ]|>iererea fíe eicpedíebar ad íd:qó tumagirabáaío: ítaqj 0allie opera nauanríb?."2 rtonulltó meo fulmínecerrítfe:cra> uío? ac £>ct'píonü mupl?O0:? íntellgeres menó abfqj cau fa tamltrenue^> ©ononía bímícafle: vereep fpecralíes eodí fCe:c militante i rríumpl?anté eccleíiá.p. ¿rgo re regnait Kqntumatrdío?rígtrillud:orareqó nos iulTerat cl?u(P. Sdueniairegnüruu.pavero^üenetiqdadmíferanrílu. IPtímügrecifíabát:? me¿pemodü,p Oelírameto l?abebár. nfoíl nó puiríop iti me iacíérea "jp.'elero? an fallo? ¿luL £¿uid referrfaerilegiü di t>e roma.pótiñce: vel mu tire: nifí ín laudé.Denícp facerdotia fuo pferebár arbirraru: nulla» Urce l?uc rranffcrn pariebaof. 11 Tullas íá mercaban? oifpc íarioee.iQuíd muiría op 9 eltünrolérabilí lacrura romana ffde atflígebarqjpe qno ejcíguam infug parrímonq ruí e * ron occuparant.pxDeí pfmoníj 3 0 6 obf«ro mifci nar< [X]

[B 437,7 — 438,11]

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rad patrimo niu:q rclim'eofl» nudu cattili nudus rum fe quurueiI.Sltqrinqua ojpida fediroma.bebita:ficempe< culiaréiUampoiTefÌionù fuapgrem.fcriirimièparrib? pia* cult appellare. ì(>.£Pea qdem i n f a m i a t e vris lucris co» fulirie.lDanc igit afpellaa iacrura inrolerabilcIuLiQuid niiìP.^ileru cotrupri mojee:refri|terat pietas, l u . H p a g e t e nugis agieummo fcerral^ebaninoB infittita tmcatotuj millia:qr.£r>a> gna fane lacrura feneraroti.Br jferrearien.ille qd rande fcefi gnaratrl.iQuid illc l?ó ipotm oitn ingrariflim9:l?uic l?ono rem eu babuerat ilte diritti vicari 9 Blejcader: vr altera ft lui illt&arer vpwé:addiditt»orie nouiuculcriiitmant turione: l?omtni alioq ignobilùrii immemot rare l?iianita'rie:fe obi ù) rrabar mifri fimoniacu pederalfen: ac emote meri !?oiem ticrirane:? in lug vecrigalia nónulla viligeri paiìoilSSe. ^ m n t o negociaroii.Xu.Bd I?ecq6 veri 9 ad remgrwenejtpe diebarl?ocadidq6 gabam:l?ec imperi mei fcftioi copula ri;^prerfiru0o(po:runirarc < pmdecona( 9 fum bocOerur/ baro: bifioné earn cognato meo pferre: viro ftrenuo et quid uiej> t>ignitateecclefieaufuro:vrq nug fuapre marni car« dinalé papiéfem in nràm gratia cófoderir.Hlam ftlie mari tue Tua folte ? ten rue ett."£).iQuid audioiv fotes 1 lib eroe frrir fummi pótificee. X- t*l|tow» qdem no l?fir: lib ero 8 aùt to» habere qd molto ert:q viri funrmó eunud?i£ '0. S> j q rande res coegerar fcifmaricum ?ciliabulum.Xu.l£>erloft£ aumfuerir rem a (ima repefereo:igie:&ica fummarimnant qfdam tedere ceperar romane curie-Siebàr turpi qlhi^dt» gioite ac nefandte Iibidinito:veneficq6:facrilegtj9:cedito: fimontadd nundinte.-inqnara effeoia:metpm aiebat rima niacu: remutfrum: fpurcum: mudano turgidi fpu: et otb? modte eum:q locum illù indign 9 : cum fumma dptiftiane reipub.pmcie ocaipartiraqj gnali pfilio incurrendum eiTe fdo cam afflwris.Hddebftnt adiurarii m e re polì acceptu b [XI]

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30 438,1 5

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[B 438,12 — 439,21] fconot* ínfra b í i h í u m gilaU^alttimmotro repbendí nó pot roma.p5rtfwmec a con cilio g f í a l i . p e . ' & n u fcío:4 d?uftí vteé íuranet in rerrie: be* berequñ por ilU íímíllímü effeatcpíra vira o¿m gagere: ne q d i n e o poffírrepbendúríeueqfquí mérito be tilo male lo 15 q u i quear ¿ D a l e vero cu pórínob? ogfóft v r b í be fe loq ti* rur l?oíee: minie ejcrotquft poft'ue:quábñufacrie impefrár: q s nift mcriédo laudare nó pofTie:quort fumma gloría fíe b o í m mal* fennerium coacrüfiUhum.'elem i l l u d m ü ? i r á «fonuUarÓn* pór íummouerí federofite acpelKl¿0 p o n r i ' 20 feje i Xu.X^í4ícttlü:aq amoueref«} fumín 9 eífc £>e,Hrq ob i d í&m. nwjcfe&ebebar anwuerfcqt furomue e d U l a m q u o

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(B. 439,22 — 440,25] mm'oi.fo em'riofíot.5?í fumane leste ímpafotf makrem admírtranrcnó folü abdicar: verumetiá capítC aflficíür fup plícío:qfiartieflrarnmfeUcccdjdíepbírio:vc ro. pórtffcem oía fubuerrenrc ferre cogafcnec vilo pacto pofiit publicam 25 5 pellefc>epeUeje£]íu.Sr4Ti «urtgend?eflro.pófifejc:g pctltS combar o porree potro pcilíutn cogí nó por ínuíro pò tifi ce-alioq pcilíabulú fit: nó pciliu.lQÓ fi ruadme cogai: ntc (tatui ¿Jcquí pót refragár« pórífícc.Denicp rellar ejerremuj pfídíum:ab[bluta pris:q ÍÓgetam fuptor eli vnue pórífejc 30 10 vniuerís>prítío.£en$ fummoueri facerdorio non pót : ob qóuie critndip.'fllit ob bomiddtúíIu.iri5 ob parrirídiú ¿>.mó ob fornica rioni í Í J 0 - ® 0 0 3 verba: Reírte ob íuceñú. 35 quibc.p.inó ob fímoniacá impierar&Iu. Vlon ob íe\rcen tas.'jQ.inó obvenefiew^11-''^0*5 (acrílegm qbcjp.HI» 4401 15 ob blafpl?ei?tíáil.'lfló inquI.^p.Híó ob beeoía fimul: in vná cea Ucuná ? fiara . be fíjíbet feccéraflagirio£no* 5 miarais c§ fedioiamó pót tñtoma.phtif«xab ilio fummo uerí loco.lpinouí mífpiro.póríficis bianirarc pdicas: ftq dem f?uíc foli licer impune peflimúrife.¿2 uin mctgís rtoul 20 infelicità^ eccUífcft tale poitentü nulla via queat escutere: tal«8 coaaf adotare pórifiefc cutufmodt nemo tolerara ila 10 •bularía, i.áiuídáob vnü bütataramoueríbicür.'p.Ob qó obfecro bñfacrum£qñquid¿ob malefatta nó pót: fi ob |?ecq bípiflínó pór.Xu.iDb crimé l?erefeoe: rirabemum (t 25 pub lice fir ?uictu0;ve£ id qj friuolù eli. 1Tle9:ab l?ec fi foitepmaf pcílío-.fadlte eft palinodia fi inficiari nó líceat: 30 poliremo mille funtcuniculúquib? facile poífirdabi: ni ,prfue Hipee fit nó bó. j p . S j bic mil?í gj>onrífíaá bígní* 20 tatáqs legee illas ti pelaras ídítí, 1. Guie a li? nifi fó& legüoím ro.pórífejc.Srrererea ardíales 20 alíqrarrefíttulí gfuaffcvcqó publicaría iä ínftrumlns lia/ ruerát:rurfum accirís noraríjs 1 teftft» negar¿r."0.Sn íltó lícerrgu. £>uíd ni Ucear afptobáre (umo ponrífíceííQuíd: igífíí voleríufíurldü no elt:rr a q paflun qs rule liberar. 25 3 u . ® 5 rü vrtngcnuet>ícá:erar id paulo quídé ímpudm9, rem nó pareb arria cómodíoi:beínde efi vídebá fucú?: re nónullo? ínuídía pcííío p mcren majcíe fíe elíeftndícrum vtnó eiccludererrfj fufplútfinutrarcr rogarerqj ßftdere: vi 442,1 cílTim lCnfts ad ?dlííí,puocauí:cauíans:nccrpu0:nec lodt farís «fie ídoncum:qué quídé illi pftíruílíenr 1 romefubíto pcílium indíjri:qnemtné venru£ arbírrabar .IJulío nó amf cum:aurcerr¿nó obfequfidarua.Sncemmlrís ejeeplisto 5 cuerá.Bcjjtínue ínfcmerfum complures ¿ardíales creauf meíe ínfftrurís accómodos.^e.lDoceftfacínorofííTifttoe: ^u.TRurfum J?oc pcílium mífi índípíTetn palíomnó futí/ Kt'.i m l?aud quaquá ejtpedíebar reto más ranfam * abbarúrurbál?ucpfluerc:ínrcrq0(ierín0pótqnalíqr(pbi 10 ptjcfc fucríntfururí.^taqj monuí vt íumprib} parcerér. í c fúigulenegióesvnü auf airea bíl tajear mírrew. iDeíndeca boequídtfatís rutü víderlécpaucoe eje ror jiuíruíjd a d magnü rediruros numera. ÍDenuo íllísíáad iteracríncrí» benuríauí ne veníréruCócílíumín alíudrp0/progandú.iC5 mérue ad id cautas vrrínqj^babílee arqj bis arríb? ejcclit 15 fíe rruuerfís.TKurfutn anreuerrés aué pfcrtpferá &íem.TRo mepcílum ínftimicütyie bürajrar qs ad id parauerá. ter^s etíáfiquifuerátrquífcíflentíréca m e t í íllud cerraba bebáf.^ulíú nemíné refragaru£:tanrís armis 1 farellíríto (hparo.^á ad l?$nc modu íñgenré ínuídíá mouíiSallíca' 20 no ílli coalío. ¡DimMis quoq verfutn Iris: in quito be n f » facrcfcró ?cílio faaebá mérionem.pcílium íllo£ epecrans: pucnrícula falcan» paUabulum,&íabolí:fdfmarícá pfpU búq [XV]

[B. 442,22-443,27] ration«: f u b í n d e n o f a n s / D . O p o í f e t l c e k r a r í f f í m o s fuíffe cardíalee autbozee ac pncipee p d l í j . íDe morífco nílpíl ¿rofcfjcaputala 9 negorfj fuit cardinali^ lRorj?omageñ. q nefrío qua fcrímonia fg l?uc fpecrauir v t ecdeftá redderer emcdaríoic f e c i r l o d e alíqt.lDñc m o i s erípuír m i b í r u m rem facies o í m graríífímá.S>uccei1iít buie cardíalie tí* 443,1 ruto fcrecruríslDífpan 9 .^iteqdemínculpare:f3 rigid u a fenejcacrfrcologuB.lQó qdemgtn 9 l?oím ferme foUteffeirt feltû romanis pórificib? . ] p . S r q rt?eologue l?ó níl?íl babe 5 bat qófuo facto ^habiliter obtejceretc^u l O e r m u l t a j a ú ' bar nulla fuifletga in^naríota q u á r u m elíenr.HÍúquá ec/ clefíe mozboe m a g i s inrolerandoe.^Jracp g ñ a l i ? cilio f u e cu rréd u. £ D e: cñ ad f u m m ú pórifíou admirterenfacramí' ríe adacrü: vr fecüdo ab initio póríficatu anno p d l i u m i n / duceremo ira additû: vt nec a card inalili pfenfu poflem a b i o foluLìD einde fepe a frarrib? cardialib? mete admonirû: et rogarit.^nterpellarü a {tadptb?:qduis p o n ? Ipoc m-aurej admififfeata r t p a l á afparer.^ulio víuo nûquà furuç. ? d l i u m . £ i r a b á r ejrepla f u p i o ? ? d l i o z u m £ i r a b « r leges ali* quor pórífídas.£>uíb? oñdebár: me di m a s berrecrare có* d l i ü . H d fe úie indiccdit>euo lu rü. Ceteris iré (tadpíto pui^ 15 uenrib?:indiccdi m u n 9 ad imparozêroma.q o l í m f o l u e i n dicebat.iÊrad g a l l o s regê^pcipuue dTet:prinere.]p>. i H ü interim in re nefanda ïnctu f c r i b e b á r ^ u L | m m o rardferi b i e p l u e fapiebár q u a volebá.TRem odíofifíimá m i r a m o s defha tractabát. JÊtnô folû rêperabâr a maledirne: fed m e 20 nüquá nifi cü bonozis pfaríóe noíabanr. iRogáres 1 obfee tognirace ecclct'ie cl?:í i o ftúrte Í > . X á r o magia execro: q fine illa - 3 u.ÍDotrefco re* fercs/§d agebár fceLeíli: r t ecclefíá roroptb>:acrárabiríoríc 40 floten té: ad v eterea íllae fotdee:ac miferá frugaliraré reuo* carét.'íilt cardíales q nüc vire firepiru qluie antecellunr tf 444,1 ranos ad paugraccreditferenfcrtepi multo prracriue víue 15 renrjmin 9 farelUm:mín*aUré(eqtJo£:Deírcucrán nepaf* firn cardia lee abfotberéteparoe. 3rtoa q p faeCrr atebár) 5 nefafcp fe)ccenra:fi pofíent: cumulará facerd oda: coerccdoé cenfebár:vr tje díent prenci cenfito:q frugali facerdori fa riè díent. "ffle qfq 5 creare? f u m m 9 pónfer.-aurepus : aur laccr' 20 d o e inreruéru mune?:aurrefpecru fauousraur turpte o b / fequtj:f? baratar eprire mentis. 226 Ti cópcrrum efferítfco íubtnouereí: vr Ucerer.romanü pónfíce pala facinotcíum 10 ob Monote fcepeUeretvf epi feotrarotes ac remulcrí pituaré? fur adminíftrarióe.^3 r facerdores palá facínoiofi : no folfi 25 íacerdotío:r«rttm¿b:o corpi8 munlarenfitUacp id genup ^multa-Diá oía referrepigetrq p:o:fue eo redebár: rr nots onerar« Cerimonia: Mu irq t impío fpolíar¿r.X>.!Qutd c c / 15 era l?ecitaruebafin ilio facrofctó pciüo romano í p u . J a n t viderie mifcioblìi 9 q6bi|ci: mení|?íl aliud agere volutile 30 pcUíf preprurnifírrclauúclauo peUeré: l P t í m y í Ilep u en t* ^(utnprue foUnil» qbufdá ctremonqe eje an ríqrare relúK: q e o b anríquúarmdiq} placer obíeruare: 1 fi nitrii ad rem. £twent:gactafacra 5up:alre? beferácruce:alrerüDe facto 20 f p & t á q u i ^ u í ? afilan» rrt>agtríiE\uid* r i a r a a w ó p t # [XVII]

[B. 444,21 - 445,28]

25

M Uudu mea^K^toicimo c5fd1u;quira vi potili tetti fubf mot in rdTmarico0 ilio© cardinalee.plua q* impili : più* (*crilegù:pUi9 q? I?erericu:^nimae:4cqd illud efler : q6 tom ItamifTennaur ftaruereparar«.iCerrio còteTu eodétal mine rerrui f a l l i i nudinie a Hugduno rradans: i qbuT* damiSallie partii» noiarìm eccepite q magie alienare a rt i plebteaioe:? aliqua inrer ipos Tedinone erarare. ec fratiniaera:quo plus baberér autbotiraris bullispdi ta:ad oca mifi {5 napeetjp ferrini ad Ipoerqs videbà in nfatn facrionéjpenfiowe.ÌQ.Ht prerea nilpil a c r % 3 u l L 3 d acro ellqd volebà: vici: fimo nxa valenrbecrera. C r c e t'ilos car/ dinales qui plttrerur incep rie cardinalirqfcignirare publi* róeerattonqe Tpoliauuiacerdoriof certfus alga córuli ne facile poflenf remfui.3lpo0 fradidi Tardane: libenri9 rn igni Tradimi*:fi man 9 meae inadifTenr.'p.Srrn fi vera narrai nò palilo fancriota videnftlli9 TciTmatici pciliabult becreta qua rutfacrofcric5ctiq.7yriadl?ucnil?il video .pdrjfle nifi minaa ryranicae:e|cecrarióe6vr albi mitra crudelitatc S i fecl^anas Tuie autlpo: iili 9 cóciliabulie^ius videi ad tipi tìum accedere: qua fpua illeneTcio qe:qui mó vFm modera tue eft p d l i u m . T u . 0 u i n tu qd loqris eri» arq? m i vide. Wlamomib) bullie m a s e/xcrac9 Tum oce qcu c$ illi eòali abuloquocueo religiofos |3nripes nunc l?aber mu due: taraem fpib?:l?o0 infefttflimos police pariebainur.Iu {Quantumad viti artinetmö fünf ad mo d u m fu p(tinofit ckwlftantirioe plane premnunr nugamcris iphc: nifi tyaliqrepl?ieinfirmiousnönilpil meruunr terrifuuj illub io fulmen ejccóicariótò.Uìcc \}i rü pinde re atopinióc còrno 30 umt©une q noftrae opes velfpantvel mcmunccocp no tubilnoltofceferunt autbotirarilQuibufdä pfuafurn: iti' gend a liqt infortunium man ere fpoeq facerdotib? qlibuf' curtaricriflima:pa ercplum indujcerinc aduerfu» 30 idpoe.TTlcpe ve lueaclRo.pórifici regno mouercquéode' 25 rìr fJnapem. t£t ree adulefcene m a lore eciam moru rem ag/ gre(ÌU6ell:q5 voleba:aurq5Ìuffera;rainerfimaleba in fyu 451,1 peccar» prein.^am vero fitehr esplicare figlila rim^b? arti bue eoe jJncipee ad cam piculofum bellu ejccirarim i d?»' ftnnoe:cfc nullue vnqjpórifepvel in Zurcae poruirepd' 30 rare. jt>.Sc fieri pócrcbeUop incenditi g refufeirarum rni 5 itetfutn ben up m u n d ù cotipiar.lu iCoiripiat fane : m o d o ì R o m a fedee Dignitari* poliefliòee tueaf fuae. Gameti! cwiai* i u m oànbcUimolcnuab ital» in barbaro» refi«/

{

[XXIV)

[B. 451,8 — 452,5) rebfmfcfrfUi qnfiS vrfmfrnoe fpectabtm' a fotfaffletifo rumfruemurínfanía.]£>.1Decergo níl?íl grineníad paito io rem i parré fcriifimu * ciuffi yícariüíIulí.iCur ejccíranr fcif m a f j Q . S r q peti nónunqjferédafune: fiplue malozù eit a mcdela.lDeinde fi ru pfílui admífíífes.-no erar locus fcífV marùIu.Bona verba.igo felcéta bella malìm : q? pcilià: 15 qd fi me fubmouílfent a pòrificío relucí fímoníacü 1 nego/ ciaroiépóriftd} nó pórífícem:lQuíd:fí ocm viri meam^dí díííent in vulgu9:"¿). £tíí lii ver9 pónfeic eflee: mfarí 9 erar fconou cedere: q^ranrís otB d?:iftíaní bellie malia fuá rué/ ribígnirarem.^imodoftignira0eft::cparu0 indigno c 5 ' 20 mi(Tu0:acnecómífíu0 qdemfj ? emprue:? arreprue. Tílñ. ílludmíbiobirervenirinmenré:tepdlioquodam Muíno £5olli0 epririffe pelli : alartje regalib? : eqe et muf 15 lie pulcl?erriims:fainularufreqnriiritnorcopq'sinltrucriffi mieifatelliriie e^fitie.lSe. S c o r n o fojmofiilimierlenoni' bu8obreqnriiTimi6.Iu.3uro:purpura:vccttgalib?:vtnul 20 lue regu no l?uilie acpaug videanfi cu roma pórìfiae opi bue ftrepifuqj ? fera f. IH emo rain lautue qn fua pdemnec frugalitatémemo tanummat^necfeneratofcqn nrieinui* dearopib?:l?ecinq? ornamenta -ztutatue fu.ìtiaui«. Q e . £5>&tcico mil?i: qe oim |Jmue ilKe otnamérìe: 1 inquina* uit 1 onerauit ecdiam:quà d?tue purifTima giter 1 ejcpedi^ 25 tiffimà effe voluirrlu.(Quid iflud ad rem artinet £Certe q6 clt caput:tenem 9 :poflìdem 9 :fruimur:quaqua aiur Cottati tmu:qudam vniuerfam imperi) fui maieltafé in S>yluell£ roma.pÓriffcé cràfFud ifle: pb alerae: eqe curr 9 :galeam:baù rbeum:paludamenrù:fareUimm:enfee:cotonae aureae:* auriqdem puriirimi:e|ceratue:macl?iae bellicae:vrbee:re 30 gna.]Q.f£t ejerat munificétie certa monunuraiIuli.iriuUa ter paleam vnaftecrerieadmi|tta.lQJfabula forraffie ed. u. 3 d vet eie meipo conijrìo.iQuie em fan 9 tam magnifi/ cum imperili cederecvelpfi:f5 t i valet:libet credere: *oib> 35 b'éc refellere conantib? filentiu magnie minte incidim 9 .©. Htq nil?il adl?uc audiomifi mundu.Iu.3Cu fortaHe veceri tllameccfóunadbucfomniae:inq'rucuui famelicie aliqc epie frigidu fané ep ni agebas:paugrari:fudou:giculie: ac mille obnoiri9 incómodts.Jam etae in meliue cómufauu 40 oia.Blia lóge ree nunc eli ro.pònfeic: tu noieritu lo qj tmta« 453,1 jeat erae pótifejt.£2utd nunc: fi videree tot facrae edee: regi le ejttructae opib?:tot vbicfc facerdom mtllia: plero fqj céui ampliflìmo:totepoe armiecopito fummie paree regifco: tot fplcdidiiTima facerdom palarìa:pcipue viro : fi t^ome

S

[XXVI]

[B. 453,4 — 453,36] nuncvuJea6:fotpurpurato^cardtaUe:legiomb? f a m u l o * r u m ftipatoe.-toteqs p l u s q ; regios'.rormuloe byflo: a u * ro:gémÌ6 o:rtaro0:aliqr folei» aureie i argéteie calcearoe. 3 a m f i f u m m u pórificem pfpiceree fublimé in aurea fella militu bumeri vcl?i:ad m a n ù ptora pallini oée adotares : fi crepitìi 9udiree b o m b a r d a g l i clangotc tubaru:fi b o m * b o e clafitco^' fi fulmia mad?tnaru videree : fi f p t i a t p l a u * (ne: fi acclamarióes: fi oia tedia colluciia:fi f u m m o e eriam jSncipe© ad bró^ofcula pcdù vijt a d m i r t i . S n fpectafles ro ma-illù facerdoré pede cotona aurea imponente imgatozi: q rejc ed regtt oimCfi q ó m ó valenr fcjJra)quanq5 nil?il ob ri near nifi magni noie vmbza.1Decinqua fi audifles vidif* fefqj qd rande bicere8i]Q.Xyrannu£lu0 q j mudanu vide re me:coirti l?olteeccl'ie peftem.Iu.£>e