Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Band 40, Heft 1 [Der ganzen Reihe Band 90, Reprint 2022 ed.] 9783112678442, 9783112678435


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German Pages 83 [164] Year 1917

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Table of contents :
Inhalt
I. Zur Bedeutung der cik- Klausel und der Vertragsbestiwmung „Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe"
2. Welcher Zeitpunkt ist im Falle der Doppelversicherung durch eine laufende und durch eine besondere Police für die Priorität der Versicherungen entscheidend?
3. Offene Handelsgesellschaft. Festes Entgelt eines Geschäftsteilhabers ohne Gewinn- und Verlustbeteiligung
4. Fallen die im § 635 BGB. bestimmten Schadensersatzansprüche unter die Vorschrift des § 640 Abs. 2?
5. Rechtsstellung dessen, dem ein Gesellschafter den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben abgetreten hat
6. Offene Handelsgesellschaft. Vertretungsberechtigung des einen Gesellschafters für sich allein, des anderen nur mit diesem zusammen
7. Darf das Berufungsgericht die Beantwortung einer Frage, die das Revisionsgericht bereits abschließend bejaht hat, auf Grund neuer Tatsachen in Zweifel ziehen?
8. Zur Anwendung des §151 Abs. 1 BGB. — Geltendmachung der Verzugsfolgen, wenn die Bestimmung der Leistungszeit dem Schuldner überlassen ift
9. Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft. Berechnung zur Ermittelung des Steuersatzes der Tarifst. 25 zu a Nr. 1 pr. StempStG. vom 30. Juni 1909
10. Verpflichtung eines Arztes, nach Ausscheiden aus einem Anstellungsverhältnis eine Zeitlang keine Konkurrenzpraxis zu betreiben. Verstoß gegen die guten Sitten
11. Zur Frage der Gültigkeit von Verträgen freier Krankenkassenvereinigungen mit Ärzten. Genehmigung des einzelnen Vertrags oder zur Übernahme der im § 407 RVO. bezeichneten Aufgaben?
12. Fall des § 666 Abs. 3 ZPO. Ist über die Berufung des dem Staatsanwalt beitretenden Antragstellers bei dessen Ausbleiben durch Versäumnis- oder kontradiktorisches Urteil zu entscheiden?
13. § 26 GewO, anwendbar bei Beeinträchtigung des Flußanliegerrechts durch Wasserentziehung? — Zeitliche Herrschaft des preuß. Wassergesetzes vom 7. April 1913. § 379 WaffG
14. Beeinträchtigung des Flußanliegerrechts durch Wasserentziehung. Schadensersatz auch für die Entziehung von Vorteilen, welche nur durch eine rechtswidrige Handlung hätten erlangt werden können? — Zeitliche Herrschaft des preuß. Wassergesetzes vom 7. April 1913. § 379 WaffG. — Ist durch Art. 89 Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. der Art. 644 Code civil aufgehoben worden? — Recht des Ufereigentümers zur Ableitung des Wassers (Art. 644 Code civil, preuß. WaffG.). — Können die Rechte des Uferanliegers auch von dem Käufer geltend gemacht werden, dem das Usergrundstück übergeben, aber noch nicht aufgelassen ist
15. Zum Begriffe des für den vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustandes der Mietsache (§ 536 BGB ). Unterlassung eines Widerspruchs des Mieters. — Vertrags- und Deliktshastung. — Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs der Frau durch den Ehemann?
16. Zum Begriffe der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung und der Befriedigung eines Konkursgläubigers (§ 30 Nr. 1 KO)
17. Auskunft einer Oberzolldirektion über die Stempelpflichügkeit einer in Zukunft zu errichtenden Urkunde für den Fiskus bindend? — Zur Auslegung der Befreiungsvorschrift RStempG. Tarifnr. 1A a, b, c Nr. 2.
18. Nachträgliche Beeidigung eines unbeeidigt zu vernehmenden Zeugen
19. In welchem Zeitpunkte entsteht gemäß § 198 BGB. der Rückgriffsanspruch einer Partei gegen ihren Rechtsanwalt, der darauf gestützt ist, daß dieser eine Forderung der Partei gegen einen Dritten hat verjähren lassen?
20. Wird die einjährige Frist der §§ 41 und 42 KO. durch eine an sich wegen eines Mangels der Zustellung unwirksame Klagerhebung dann gewahrt, wenn der Mangel mit rückwirkender Kraft geheilt wird?
21. Verwendung einer Firma in abgekürzter Gestalt znr Warenbezeichnung
22. 'Wann ist eine von dem Erben, insbesondere von dem Borerben eillgegangene Verbindlichkeit als Nachlaßverbindlichkeit anzusehen?
23. Zur Auslegung des Wettbewerbsverbots in Kartellverträgen
24. Zu der Frage, unter welchen Umständen eine nur zeitweilige Behinderung der Leistung zur gänzlichen Befreiung des Schuldners führt
25. Wie verhalten sich die Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB. zueinander?
26. Findet auf eine Urkunde, in welcher die Gültigkeit des Geschäfts von der Genehmigung eines Dritten abhängig gemacht ist, § 3 Abs. 2 oder 8 16 Abs. 3 pr. StempStG. vom 30. Juni 1909 Anwendung?
27. Voraussetzung der Wegunterhaltungspflicht iit § 6 Abs. 2 TelWG. vom 18. Dezbr. 1899. — „Überwiegende Beteiligung" (Darlehensgewährung)
28. Kami im Sinne des § 6 Abs. 2 des Telcgraphenwege-Gesrtzes vom 18. Dezember 1899 (RGBl. S. 705) eine Anlage von elektrischen Vorortbahnen auch dann als einheitlich angesehen werden, wenn die Bahnen nicht ausschließlich ans öffentlichen Wegen, sondern streckenweise ans eigenem Bahnkörper verlaufen?
29. Ist eine Bürgschaftsleistung des Wegeunterhaltungspflichtigen geeignet, eine überwiegende Beteiligung im Sinne des § 6 Abs. 2 des Telegraphenwege-Gesetzes vom 18. Dezember 1899 (RGBl. S. 705) darznstellcn? Entscheidender Zeitpunkt der Beteiligung
30. Darf die aus Verwertung österreichischen Grundbesitzes emstanoene Geldforderung deS inländischen Gemeinschuldners zur inländischen Konkursmasse gezogen werden? Einwendung der deutschen Konkursordnung auf eine ausländische Forderung dieses'Gemeinschuldners, wenn im Jnlande geleistet wird?
31. Auftragwldrige Handlungen des Beauftragten. — Bedeutung allgemeiner Weisungen des Auftraggebers über die Verwendung eingenommener Geldbeträge
32. Handelssitte über Bestätigungsschreiben für die von dem bevollmächtigten Vertreter eines Handlüngshauses auf der Reise abgeschlossenen Geschäfte
33. Sind die Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung auch im Bereiche des Kunstschutzgesetzes anzuwenden? — Auskunftspflicht nach § 260 BGB?
34. Kann die Aufbringung, auch abgesehen von dem Abandonreckte, den Versicherungsanspruch auslösen? Begriff der Aufbringung. Bedrohtsein im Sinne von § 861 Abs. 1 Nr 2 HGB
35. Ist die vom ersten Richter dem beklagten Hypothekenschuldner bewilligte und demnächst auf dessen Berufung verlängerte Zahlungsfrist vom erstinstanzlichen oder Berufungsurteil ab zu rechnen? — Anwendbarkeit der Verordnung vom 8 Juni 1916 auf Höchstbetragshypotheken
36. Kann der Eisenbahnunternehmer für Frachten, die er zur Wiederherstellung der infolge bergbaulicher Einwirkungen gesunkenen Bahngleise hat ansführen müssen, Vergütung nach Maßgabe der Tarifsätze beanspruchen?
37. Wer ist Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 18 des Kraftfahrzeuggesetzes?
38. Zur Schadensersatzforderung des Käufers wegen Lieferungsverzugs. Konkrete Schadensberechuung
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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Band 40, Heft 1 [Der ganzen Reihe Band 90, Reprint 2022 ed.]
 9783112678442, 9783112678435

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Entscheidungen des Reichsgerichts. Herausgegeben von

den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Ueichsanwaltschaft.

Entscheidungen des

Reichsgerichts in

Zivilsachen. Neue Folge.

vierzigster Dand. Vrr ganzen Reihe neunzigster Band.

Erstes Heft.

Leipzig, Berlag von Veit & Comp.

1917 Die „Entscheidungen in Zivilsachen" werde» in Heften, von denen drei einen Band bilden, sowie in vollständigen Bänden, geheftet nnd gebunden, anrgegeben. qä- Halbleinen-Einbanddecken werden zum Preise von 1M 90 ay für die Decke geliesert/Halbfranz-Einbanddccken tonnen erst nach dem Kriege wieder geliefert werde».

Nr.

Seite

1. Zur Bedeutung der Cif-Klausel und der Vertragsbestimmung „Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe" ... 1 2. Doppelversicherung durch eine laufende und eine besondere Police. Priorität. 5 3. Offene Handelsgesellschaft. Festes Entgelt eines Geschäftsteilhabers ohne Gewinn- und Verlustbeteiligung . ......................................................................14 4. Fallen die in § 635 BGB. bestimm 1cn Schadensersatzansprüche unter die Vorschrift des § 640 Abs. 2?.................................. 18 5. Rechtsstellung dessen, dem ein Gesellschafter den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthabett abgetreten hat . . ............................................... 19 6. Offene Handelsgesellschaft. Vertretungsberechtigung des einen Gesell­ schafters für sich allein, des anderen nur mit diesem zusammen . . 21 7. Darf das Berufungsgericht die Beantwortung einer Frage, die das Revisionsgericht bereits abschließend bejaht hat, auf Grund neuer Tatsachen in Zweifel ziehen?........................... 23 8. Zur Anwendung des §151 Abs. 1 BGB. — Geltendmachung der Ver­ zugsfolgen, wenn die Bestimmung der Leistungszeit dem Schuldner über­ lassen ist....................................... 27 9. Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft. Berechnung zur Ermittelung des Steuersatzes der Tarifst. 25 zu a Nr. 1 pr. StempStG. vom 30. Juni 1909 ..................................................................................... 30 10. Verpflichtung eines Arztes, nach Ausscheiden aus einem Anstellungsver­ hältnis eine Zeitlang keine Konkurrenzpraxis zu betreiben. Verstoß gegen die guten Sitten?................................... 35 11. Zur Frage der Gültigkeit von Verträgen freier Krankenkassenvereinigungen mit Ärzten. Genehmigung des einzelnen Vertrags oder zur Übernahme der im § 407 RVO. bezeichneten Aufgaben? ................................................38 12. Fall des § 666 Abs. 3 ZPO. Ist über die Berufung des dem Staats­ anwalt beitretenden Antragstellers bei dessen Ausbleiben durch Versäum­ nis- oder kontradiktorisches Urteil zu entscheiden?......................................... 42 13. § 26 GewO, anwendbar bei Beeinträchtigung des Flußanliegerrechts durch Wasserentziehung? — Zeitliche Herrschaft des preuß. Wasser­ gesetzes vom 7. April 1913. § 379 WaffG.......................................................47 14. Beeinträchtigung des Flußanliegerrechts durch Wasserentziehung. Schadensersatz auch für die Entziehung von Vorteilen, welche nur durch eine rechtswidrige Handlung hätten erlangt werden können? — Zeitliche Herrschaft des preuß. Wassergesetzes vom 7. April 1913. § 379 WaffG. — Ist durch Art. 89 Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. der Art. 644 Code civil aufgehoben worden? — Recht des Ufereigentümers zur Ableitung des Wassers (Art. 644 Code civil, preuß. WaffG.). — Können die Rechte des Uferanliegers auch von dem Käufer geltend gemacht werden, dem das Usergrundstück übergeben, aber noch nicht aufgelassen ist?........................................................................... 52 15. Zum Begriffe des für den vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zu­ standes der Mietsache (§ 536 BGB ). Unterlassung eines Widerspruchs des Mieters. — Vertrags- und Deliktshastung. — Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs der Frau durch den Ehemann? . . . 65 16. Zum Begriffe der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung und der Be­ friedigung eines Konkursgläubigers (§ 30 Nr. 1 KO.).............................. 69 (Fortsetzung auf Seite 3 des Umschlags.)

I. Zur Bedeutung der 6ik- Klausel und der Vertragsbestiwmung „Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe". II. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 13. März 1917 i. S. Sch. & Co. (Bell.) w. H. N. & Co. (Kl.). Rep. II. 484/16. Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin verkaufte der Beklagten etwa 10 Ballen prima Kobe Agar-Agar in Gemäßheit der Usancen für den Handel mit Kolonial­ waren, getrockneten Früchten und Drogen. Laut der Schlußnote vom 17. Juni 1914 war bedungen: Preis: 3,41 Jt für ein Kilo ausgeliefertes Nettogewicht, cif Hamburg; Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe. Juni/Juli Dampfer Abladung von Japan nach Hamburg. Die Ware wurde am 27. Juni 1914 von Kobe mit dem Dampfer Derfflinger nach Hamburg abgeladen. Dieser Dampfer wurde von den Engländern nach Alexandrien aufgebracht und dort durch Urteil des Prisengerichts vom 20. Januar 1915 für gute Prise erklärt. Die Klägerin erhob darauf Klage auf Zahlung des Preises von 4406,so nebst 5% Zinsen seit dem 21. Mai 1915. Sie stellte sich im wesent­ lichen auf den Standpunkt des Urteils RGZ. Bd. 87 S. 134. Die Beklagte machte geltend, daß sie nur bei Eintreffen des Dampfers auf der Elbe zu zahlen habe und deswegen nicht zu zahlen habe, wenn der Dampfer nicht eintreffe. Die Beklagte ist in beiden Borinstanzen verurteilt worden; ihre Revision ist erfolglos geblieben. Gründe: „Zu entscheiden ist die Frage, ob gemäß dem gesamten Inhalte des streitigen Kaufvertrags und insbesondere mit Rücksicht auf die Entsch. in Zivils. R. F. 40 (90).

1

2

1.

Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen deS Dampfers.

Bestimmung „Zahlung bei Eintreffm des Dampfers auf der Elbe" der Käufer verpflichtet ist, die Dokumente einzulösen, nachdem sich herausgestellt hat, daß der Dampfer mit der Ladung in Feindes

Hand gefallen ist, also die Elbe nicht erreichen wird.

Hierfür kommt

es in erster Linie darauf an, ob der Verkäufer seine Lieferpflicht am Abladeplatz oder im Bestimmungshafen zu erfüllen hat; denn hier­

nach entscheidet sich, falls keine abweichenden Vertragsabreden vor­ liegen, wer die Gefahr der Reise trägt.

Es ist der Revision zuzugeben, daß die sogenannte Oik-Klausel

ihrem Inhalte nach über die Frage des Erfüllungsorts nichts be­ stimmt.

Die Abrede „Preis .... M cif Bestimmungshafen" besagt

nur, daß in den genannten Preis Kosten, Versicherung, Fracht bis

zum Bestimmungshafen einbegriffen sind.

Sie kommt nicht nur bei

Abladegeschäften, bei denen der Abladeplatz Erfüllungsort für die Lieferung ist, vor, sondern auch bei I-oco-Verkäufen und gelegentlich bei

solchen Abladegeschäften, bei denen der Verkäufer im Bestimmungshafen (ab Kai) zu liefern hat.

Wird aber in einem Abladegeschäste mittels

der Oik-Klausel besonders ausgesprochen,

daß Kosten, Versicherung

und Fracht bis zum Bestimmungshafen in den Kaufpreis eingeschloffen sind, so ist dies ein starkes Anzeichen dafür, daß der Abladeplatz der Erfüllungsort für den Verkäufer sein soll.

Andernfalls wäre die

Oik-Klausel überflüssig oder doch nur von geringer Bedeutung.

Hat

der Verkäufer im Bestimmungshafen zu liefern, so ist es selbstverständlich

und braucht nicht besonders gesagt zu werden, daß er die Fracht

und sonstigen Unkosten des Transportes bis dahin zu tragen hat. Die

Versicherung

hat in solchem Falle für den Käufer meistens

kein Interesse, weil er die Gefahr der Reise nicht trägt.

Wird in

I^oco-Verkäufe oder in Abladegeschäste, bei denen der Verkäufer im

Bestimmungshafen zu liefern hat, die Oik-Klausel ausgenommen, so hat dies nur die untergeordnete Bedeutung, daß die Auslieferungs­

spesen, Wägekosten u. dgl. dem Käufer zur Last fallen.

Ihre Haupt­

anwendung und wichtigste Bedeutung hat die Olk-Klausel also bei

Abladegeschästen, bei denen der Verkäufer seine Lieferpflicht am Ab­ ladeplatz erfüllt.

Deswegen spricht die in einem Abladegeschäft ent­

haltene Oik-Klausel dafür, daß dieser Erfüllungsort gewollt ist. Der tz 18

der Hamburger Platzusancen (Hamb. Gesetzsamml. 1904, II. S. 377) zeigt, daß dies im allgemeinen die Auffassung der Handelskreise ist.

1.

Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers.

3

ES wird bestätigt durch die' Schrift der vierzehn Hamburger Waren­ vereine über die Einwirkungen des Krieges auf Kaufverträge über

Importwaren, in der auf Seite 12 ausgesprochen ist» daß bei den

Cif» und C. u. F.-Geschäften in der Regel der Abladeort der Er­

füllungsort ist.

In dem hier streitigen Falle kommen in erster Linie

die Usancen für den Handel mit Kolonialwaren, getrockneten Früchten

und Drogen lHamb. Gesetzsamml. 1909, II. S. 79) in Betracht; denn auf Grund dieser Usancen ist der Kauf abgeschlossen. Sie besagen in § 39: Bei C. u. F.» und Cif-Geschäften ist der Abladeort der Erfüllungsort

für die Lieferung. Freilich können solche allgemeinen Anschauungen und die Norm

der Usancen durch den Inhalt des einzelnen Kaufvertrags außer Kraft gesetzt werden.

Aber nach allem Angeführten muß bei überseeischen

Abladegeschästen, welche die Cif-Klausel enthalten, und ganz besonders

bei solchen, die auf Grund der Usancen für den Handel mit Kolonial­ waren usw. abgeschlossen sind, der überseeische Abladeplatz als Er­

füllungsort für die Ablieferung gelten, es sei denn, daß eine aus­ drückliche Bestimmung oder der Zusammenhang des Vertrags etwas anderes ergibt. Auf einen von der Regel abweichenden Willen der Parteien

läßt sich aus dem Inhalte des streitigen Vertrags nicht schließen.

Die Bestimmung des Preises nach ausgeliefertem Gewicht und die Abrede freundschaftlicher Arbitrage sind in dieser Beziehung uner­ heblich; dies hat der Senat schon in dem Urteile RGZ. Bd. 87 S. 135 ausgesprochen.

Bei der Arbitrage kann sehr wohl festgestellt werden,

ob vorgefundene Mängel auf der Reise entstanden, oder schon bei der Abladung der Ware vorhanden gewesen sind.

Hinsichtlich des

ausgelieferten Gewichts enthalten die maßgeblichen Usancen in § 5 die ausdrückliche Vorschrift, daß, wenn infolge Verlustes der Ware ein Landungsgewicht nicht zu ermitteln ist, die Berechnung auf Grund des Abladegewichts abzüglich des erfahrungsmäßigen Gewichtsabganges auf der Reise erfolgen soll.

Beide Vertragsbestimmungen sprechen

also durchaus nicht gegen die Annahme, daß der Käufer die Gefahr

der Befördemng zu tragen und demgemäß auch im Falle des Ver­ lustes der Ware den Kaufpreis zu zahlen hat. Es verbleibt mithin zur Begründung der von der Revision 6er»



tretenen Ansicht, daß nach dem streitigen Vertrage der Verkänfer die

Gefahr der Reise tragen sollte, oder daß jedenfalls der Kauf aufgehoben sei, wenn die Ware nicht mit dem angezeigten Dampfer ankomme, nur die Klausel „Zahlung gegen Dokumente bei Eintreffen des Dampfers

auf der Elbe," auf welche die Revision auch ihren Angriff haupt­ sächlich stützt. Das Berufungsgericht hat aber übereinstimmend mit den Urteilen zweier anderer Senate des Oberlandesgerichts und

des erkennenden Senats des Reichsgerichts diese Klausel nicht als Bedingung, sondern als bloße Zeitbestimmung verstanden.

Wenn

die Revision einwirst, daß man zu dieser Auslegung allein auf Grund

der Entstehungsgeschichte und des wirtschaftlichen Zweckes der Klausel hätte kommen dürfen, so ist daran nur so viel richtig, daß eine ein­

gehendere Untersuchung dieser Punkte möglicherweise Gründe für die Entscheidung hätte liefern können und daß jedenfalls eine nur auf

juristischer Dialektik beruhende Auslegung nicht genügen würde. solche gibt das Berufungsgericht aber auch nicht.

Eine

Es spricht aus,

daß die Klausel nur für den Regelfall der Ankunft des Dampfers gemeint ist und für den Ausnahmefall, daß der Dampfer nicht an­ kommt, nichts bestimmen soll. beruhende Auslegung.

Das ist eine auf tatsächlichem Grunde

Der vorgelegte Spruch des Schiedsgerichts

der Handelskammer vom 8. Oktober 1914 steht mit ihr nicht in Widerspruch; denn er betrifft einen Fall, in dem — wenigstens nach

dem Inhalte der Gründe — die Ankunft des Dampfers noch nicht ausgeschlossen war. Allerdings findet, wie gerichtsbekannt, die von

der Revision vertretene Ansicht ihre Verteidiger in Handelskreisen. Aber ebenso bekannt ist, daß sehr weite Kreise der Kaufmannschaft der von den Gerichten gebilligten Ansicht zustimmen.

Es genügt

hierfür, auf die mehrfach ergangenen Urteile der sachkundigen Kammern

für Handelssachen und auf die schon angeführte Schrift der vierzehn Hamburger Warenvereine (S. 22) zu verweisen.

Wenn nun das Be­

rufungsgericht den mehrfachen Entscheidungen des Hanseatischen Ober­

landesgerichts und den bestätigenden Urteilen des Reichsgerichts folgend sich überzeugt gehalten hat, daß diese Auslegung richtig ist und daß

die streitige Klausel in der Tat für den Ausnahmefall, daß der Dampfer sein Reiseziel nicht erreicht, nichts hat bestimmen sollen, sondern nur hat festsetzen sollen, wann im Regelfälle die Einlösung der Dokumente zn erfolgen hat, so ist darin ein Rechtsirrtum nicht enthalten.

Bei dieser Auslegung passen aber auch sämtliche Bestimmungen des Schlußscheins sehr wohl zueinander. Es ist ein Verkauf über eine irr den Monaten Juni, Juli 1914 von Japan abzuladende Ware geschlossen, den der Verkäufer durch die vertragsmäßige Verschiffung der Ware und die Übergabe des Konnossements nebst Police zu erfüllen

hatte.

Der Kaufpreis schloß

die Transportkosten und die übliche

Versicherung bis Hamburg ein; er sollte im Regelfälle zur Zeit des Eintreffens des Dampfers auf der Elbe gegen die Dokumente gemäß der Faktura bezahlt, aber später nach dem ausgelieferten Gewicht oder

im Falle des Verlustes der Ware (laut § 5 der maßgeblichen Usancen) unter Berücksichtigung des erfahrungsgemäß auf der Reise eintretenden Gewichtsabganges genau berechnet werden.

Für den Fall des Ver-

lustes von Dampfer oder Ware ist über die Zeit der Zahlung nichts

bestimmt. Bei solchem Verständnis ist in der Gesamtheit des Vertrags

nichts enthalten, was daraus hindeutet, daß von den Kontrahenten

hinsichtlich des Erfüllungsorts des Verkäufers und wegen der Tragung der Transportgefahr etwas anderes gewollt ist, als was bei Ablade­ geschäften mit der 6ik-Klausel die Regel bildet.

Es hat also der

Käufer die Gefahr der Reise zu tragen und demzufolge auch nach

Verlust der Ware den Kaufpreis zu zahlen. Da nun im Falle des Verlustes des Dampfers die Bestimmung, daß die Zahlung bei Eintreffen des Dampfers zu leisten ist, nicht mehr anwendbar bleibt, so muß sie erfolgen, sobald der Verlust fest­ steht.

Demnach ist die Beklagte mit Recht der Klage gemäß ver­

urteilt worden."

2.

Welcher Zeitpunkt ist im Falle der Doppelversicherung durch eine

laufende und durch eine besondere Police für die Priorität der Ver­

sicherungen entscheidend?

HGB. §§ 787 bis 792, §§ 894 flg. Allg. SVB. §§ 10 bis 15, §§ 154 flg.

I. Zivilsenat.

Urt. v. 28. Februar

1917 i. S. Deutsche Ver­

sicherungsgesellschaft (Bekl.) w. L. B. (Kl.) sowie Providentia u. Gen.

(Nebeninterv.).

Rep. 1.113/16.

I. II.

Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen.

OberlandeSgericht daselbst.

Die Klägerin hat eine zuerst am 8./20. Juni 1910 vereinbarte, später von Kalenderjahr zu Kalenderjahr, zuletzt am 1. Januar 1914 auf das Jahr 1914 verlängerte laufende Seeversicherung unter Ein­ schluß der Kriegsgefahr nach den Hamburger Allg. Seeversicherungs­ bedingungen von 1867 unter anderem auf Erze und Metallrückstände, die von China nach Europa zu verschiffen waren, mit den Neben­ intervenientinnen und der Beklagten, wobei diese zu 12% % beteiligt war, abgeschlossen. Als sie im Frühjahr 1914 etwa 300 t Erze und 500 t Metallrückstände von China nach Europa zu verschiffen hatte, nahm sie, angeblich, weil übersehen wurde, daß die laufende Versiche­ rung auch die Kriegsgefahr deckte, bei der Beklagten laut Policen vom 9. April 1914 auf etwa 300 t Erze, taxiert zu 38000 Jl, und vom 8. Mai 1914 auf 500 t Metallrückstände, taxiert zu 27000 M, beides April/Mai Abladung auf noch aufzugebenden Dampfer, eben­ falls nach den Allg. Seeversicherungsbedingungen, Versicherung gegen Kriegsgefahr. Diese Waren wurden Ende Mai mit dem Dampfer Denbigshire verladen. Sie sind nach Ausbruch des Krieges von den Engländern beschlagnahmt worden. Der Bersicherungsfall liegt un­ bestritten vor. Die beabsichtigten Abladungen sind auch auf die lau­ fende Police laut Beibuch am 8. Mai 1914 vorschriftsmäßig an­ gemeldet worden. Die Parteien streiten darüber, welche Versicherung die ältere ist. Die Klägerin vertrat den Standpunkt, daß die besondere Versicherung den Vorrang habe, weil sie vom 9. April bzw. 8. Mai datiere, während die laufende Versicherung erst mit der Abladung Ende Mai in Kraft getreten sein würde, wenn sie nicht wegen Doppelversicherung unwirk­ sam gewesen wäre. Die Beklagte dagegen ist der Ansicht, daß die lausende Versicherung bereits vom Abschlüsse des Generalvertrags zu datieren sei, so daß die Spezialpolicen wegen Doppelversicherung un­ gültig seien. Jedenfalls seien letztere aber erst mit der Abladung oder mit der erst später erfolgten Aufgabe des Dampfers Denbigshire wirksam geworden, weil vorher in Ermangelung der Bestimmung des Dampfers ein fertiger Versicherungsvertrag nicht anzuerkennen sei, während anderseits die laufende Versicherung spätestens mit der An­ meldung im Beibuch in Kraft getreten sei. Die Beklagte hat ent-

sprechend ihrer Beteiligung bei der laufenden Versicherung 7500 jH an die Klägerin bezahlt. Diese verlangt den Rest deS taxierten Scha­ dens in Höhe von 57 500 Jl nebst Zinsen. Beide Vorinstanzen nahmen an, daß die laufende Versicherung für die fraglichen Verschiffungen vom 8. Mai 1914 zu datieren sei, während die Spezialverficherung von den Tagen des Abschlusses, dem 9. April und dem 8. Mai 1914 in Kraft sei. Daher sei die laufende Ver­ sicherung wegen der ersten Ladung ungültig, während sie für die zweite Ladung mit der besonderen Versicherung konkurriere (Allg. SVB. § 10 Abs. 2). Nach einer von den Parteien als solcher nicht be­ anstandeten Rechnung verurteilte daher das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung von 44000 M nebst Zinsen. Die hiergegen von beiden Seiten eingelegte Berufung wurde zurückgewiesen. Die nur von der Beklagten eingelegte Revision führte zur gänz­ lichen Abweisung der Klage aus folgenden

Gründen: „Der Revision der Beklagten mußte stattgegeben werden. Aller­ dings steht die angefochtene Entscheidung im Einklänge mit dem Ur­ teile deS VII. Zivilsenats vom 23. Juni 1899 in RGZ. Bd.44 S. 31. Dieses Urteil betrifft den Fall, daß dasselbe Risiko, Feuersgefahr bei Lagerung von Waren im Zollhause von Porto-Alegre, wo sie durch Feuer zerstört wurden, durch zwei laufende Policen gedeckt war. Die ältere Police vom 7. März 1893 war eine Feuerpolice, die jüngere vom 1. Januar 1896 eine Seeversicherungspolice, welche den Allg. Seeversicherungsbedingungen von 1867 unterstand und in der durch besondere Klausel die in Rede stehende Feuersgefahr mit übernommen war. Nach der Feuerpolice sollte der Schade pro rata vergütet werden, falls die betreffenden Güter noch anderswo versichert waren. Das Oberlandesgericht hatte die später genommene Versiche­ rung auf Grund ber §§ 10, 11 Allg. SVB. und Art. 792 HGB. für unwirksam erklärt und die beklagte Feuerversicherungsgesellschaft zur Bezahlung des gesamten Schadens verurteilt. Dagegen hat der VII. Zivilsenat diese Anwendung der bezeichneten seerechtlichen Normen für rechtsirrig erachtet. Er hat folgendes ausgeführt. Bei laufenden Policen erhalte der Vertrag seinen Inhalt von Fall zu Fall dadurch, daß bestimmte

Äüter in das dabei vorausgesetzte tatsächliche Verhältnis gebracht

würden, dessen Eintritt das Risiko Hervorrufe.

Vorher bestehe nur

die allgemeine Verbindlichkeit der Gesellschaften, solcher Güter sich zu­

treffendenfalls als Versicherer anzunehmen.

Zu einer konkreten Lei­

stung verpflichtet würden sie erst später, wenn der allgemeine Rahmen

des Vertragsverhältnisses mit der konkreten Beziehung auf bestimmte Gegenstände ausgefüllt werde.

Dies sei bei der Feuerversicherung

geschehen mit dem Augenblicke, wo die Einlagerung der Güter im

Zollhause zu Porto-Alegre erfolgte, bei der Seeversicherung mit dem Momente, wo die Güter in Hamburg zur Ausreise nach Porto-Alegre vom Landss schieden.

Diese Momente und nicht das Datum der Po­

licenausstellung seien entscheidend für die Frage der Doppelversicherung

und der Priorität.

Vorher habe es noch keine „Versicherung" ge­

geben, sondern nur den Boden des Vertragsverhältnisses, auf dem

in bezug auf die zur Versendung nach Porto-Alegre bestimmten Güter eine Versicherung entstehen konnte.

Danach sei die Seeversicherung

keineswegs die jüngere, die beim Eintritte ihrer Wirksamkeit die Feuer­ versicherung bereits vorfand.

Höchstens lasse sich sagen, daß in be­

zug auf das Landrisiko beide gleichzeitig in Wirksamkeit getreten wären:

nämlich im Augenblicke der Einlagerung im Zollhause zu Porto-

Alegre.

Aber auch dann würden weder die Vorschriften des Handels­

gesetzbuchs noch die §§ 10, 11 Allg. SVB. den Kläger hindern, die

Seeversicherungsgesellschaften auf Entschädigung seines Brandschadens zu belangen.

Im Verhältnis des Klägers zur Beklagten liege der

Fall vor, daß die Gegenstände zur Zeit des Brandes noch anderswo

versichert waren.

Daher müsse die Beklagte den Schaden pro rata,

d. h. zur Hälfte vergüten. Der jetzt erkennende Senat konnte aber dieser Entscheidung und ihrer Begründung nicht beitreten. Die laufende Versicherung ist, wie

allgemein anerkannt wird, ein durchaus perfekter, beide Teile bindender Vertrag (Voigt S.-336 und 341; Ehrenberg S. 415; Gerhard

S. 249, 767; Sieveking § 817 Anm. 5; RG.IV. in RGZ. 93b. 35 S. 274; RG. I, Rep. 219/1911, Urteil vom 15. Mai 1912, in

HansGZ. Nr. 112 S. 238).

Sie stellt einen der beiden Fälle des

§ 64 Allg. SVB. (§817 HGB.) dar, über die schon nach den Ham­ burger Protokollen S. 3197 ohne Widerspruch erklärt wurde:

.,Art. 626 beziehe sich nur auf solche Fälle, in welchen der Ver-

sicherungsvertrag unzweifelhaft perfekt und die Entscheidung, auf welche Güter sich die Versicherung beziehm solle, von dem Willen

des Versicherten gar nicht mehr abhängig sei, in denen also in irgend­ einer Weise, sei es durch Angabe von Mark und Nummern, sei

es durch Angabe der Unternehmung, aus deren Anlaß die Ab­ ladung statt haben, oder der Zeit, innerhalb welcher dieselbe er­

folgen solle,

bestimmt sei und nötigenfalls richterlich entschieden

werden könne, auf welche Güter sich die Versicherung beziehen solle. Art. 626 habe demnach Anwendung zu leiden, wenn (erster Fall) die Versicherung über individuell hinreichend bestimmte Waren ge­

nommen worden, die Schiffe aber, in denen sie verladen werden

sollten, vorerst noch unbekannt geblieben seien, ferner dann, wenn (zweiter Fall, laufende oder offene Police) die Güter nur durch

Angabe der Unternehmung, der Zeit ihrer Abladung bestimmt worden, individuell aber unbestimmt und auch die Schiffe noch un­

benannt seien, in denen die Abladung der einzelnen Kolli usw. er­ folgen solle." Hiernach ist es schon eine unrichtige Auffassung, daß eine Ver­ sicherung künftig in einem bestimmten Zeitraum und an bestimmten Plätzen abzuladender Güter erst bestehe, wenn die Gefahr für den

Versicherer zu laufen begonnen habe, oder gar, sofern mehrere Risiken nebeneinander übernommen sind, wenn das betreffende Risiko ein­

getreten sei.

Die Güter sind vielmehr, natürlich unter der Bedingung,

daß sie wirklich abgeladen werden, von vornherein ebensogut versichert, wie ein Schiff versichert ist, für das der Reeder am 1. Oktober für das nächste Kalenderjahr Versicherung nimmt, obschon es inzwischen

untergehen oder veräußert werden kann.

Die Frage, wann die Ver­

sicherung genommen ist, hat mit der Frage, wann die Gefahr zu laufen beginnt, nichts zu tun. Der Nichteintritt der Gefahr kann gemäß Allg. SVB. §§ 154flg. (§§ 894flg. HGB.) nur zur Folge haben, daß die an sich bestehende Versicherung nachträglich wieder

aufgehoben wird.

Wenn ein Kaufmann einen anderen auf fünf Jahre

an dem Gewinne seines Geschäfts beteiligt, so entsteht das Gesellschafts- oder Beteiligungsverhältnis sofort und nicht erst, wenn der

Gewinn erzielt wird.

Ebenso entsteht, wenn er einem Spediteur

Vollmacht zum Empfange von solchen für ihn irgendwo ankommenden Waren, die noch nicht individuell bestimmbar sind, und Auftrag zur

Weiterbeförderung gibt, das Speditionsverhältnis sofort und nicht

erst mit dem Eintreffen der Ware.

Schwer verständlich ist der Satz:

„Borher besteht nur die allgemeine Verbindlichkeit der Gesellschaften,

solcher Güter

sich

zutreffendenfalls

Ebenso, wenn gesagt wird:

als

Versicherer

anzunehmen/

„Zu einer konkreten Leistung verpflichtet

werden sie erst später, wenn der allgemeine Rahmen des Vertrags­ verhältnisses mit der konkreten Beziehung auf bestimmte Gegenstände

ausgefüllt wird/

Denn zu einer konkreten Leistung wird der Ver­

sicherer erst verpflichtet bei Eintritt des Schadens, was aber nicht

ausschließt, daß die Versicherung mit ihren beiderseitigen Rechten und Pflichten schon vorher besteht.

Schwer verständlich ist es endlich

vom Standpunkte des Urteils selbst, wenn gesagt wird, daß, wenn beide Policen gleichzeitig in Wirksamkeit getreten wären, weder die

Vorschriften des Handelsgesetzbuchs noch die §§ 10, 11 Allg. SVB.

den Kläger hindern könnten,

die Seeversicherungsgesellschaften auf

Entschädigung seines Brandschadens zu belangen.

Dabei scheint die

Vorschrift des § 10 (§787 HGB.) über die Verteilung des Schadens auf die mehreren Versicherer übersehen zu sein.

Das Hauptbedenken gegen das Urteil besteht aber darin, daß es den Zusammenhang und den Zweck der §§ 10 bis 15 Allg. SVB. (§§ 787 bis 792 HGB.) nicht genügend würdigt.

Bestimmungen

bilden

nämlich

Die erwähnten

ein Ganzes und bezwecken in der

Hauptsache, der Möglichkeit von Wettassekuranzen entgegenzutreten und die Versicherung nur zuzulassen, soweit ein versicherbares Inter­ esse vorliegt (vgl. Voigt S. 87; Prot. S. 3016, 3017). § 10 be­

handelt nun unzweifelhaft und wortdeutlich den Fall der „gleichzei­ tigen Abschließung verschiedener Versicherungsverträge", wogegen die §§11 bis 13 den Fall des Abschlusses mehrerer Versicherungsver­

träge nacheinander behandeln, und zwar stets von Verträgen über das­ selbe Interesse. Fälle bezieht.

§ 14 enthält eine Bestimmung, die sich auf beide § 15, der hier weniger in Betracht kommt, regelt den

Fall, daß die Versicherungssumme den Versicherungswert nicht er­

reicht, und bezieht sich auf die drei denkbaren Möglichkeiten, daß nur ein Versicherungsvertrag vorliegt, daß mehrere Verträge gleichzeitig

abgeschlossen sind und daß mehrere nacheinander abgeschlossen sind; eine Doppelversicherung ist dabei nicht gegeben. Der Zusammenhang der §§10 bis 13 läßt keinen Zweifel darüber, daß, wenn § 11 sagt:

„Wird ein Gegenstand, welcher bereits zum vollen Werte versichert

ist, nochmals versichert", damit ebenfalls gemeint ist der Fall beS

Abschlusses mehrerer Versicherungsverträge hintereinander und daß mit den Worten „die spätere Versicherung" gemeint ist: der später abgeschlossene VersichemngSvertrag.

Dies wird bestätigt durch die

Erläuterung des Begriffs „spätere Versicherung" in § 12 unter Nr.l und 3, laut welcher darunter verstanden wird: der

„Abschluß deS

späteren Vertrags" und die „Eingehung der späteren Versicherung",

ferner durch den Gegensatz „zuerst genommene" und „später genom­ mene Versicherung"

und

die Gegenüberstellung der früheren Ver­

sicherung und der „Eingehung der späteren Versicherung" in § 13, endlich durch die Gegenüberstellung der Fälle, daß „mehrere Ver­

sicherungen gleichzeitig oder nacheinander geschlossen worden" sind in § 14.

Schon hieraus ergibt sich mit voller Sicherheit, daß es

im Sinne der §§ lOflg. auf die Zeit des Abschlusses ankommt und daß

die „Versicherung"

besteht,

sobald

der Versichernngsvertrag

bindend abgeschlossen ist, also auch bei der laufendm Versicherung

nicht erst dann, wenn die Gefahr zu laufen beginnt oder wenn der

Gegenstand in anderer Weise individuell bestimmt wird.

§§ 12 und

13 würden ohne diese Voraussetzung geradezu unanwendbar sein. Natürlich ist die individuelle Bestimmbarkeit die Bedingung dafür, daß die Gegenstände von der Versicherung ergriffen werden, aber

dies schließt nicht aus, daß letztere mit der Eingehung des Vertrags besteht und für bestehend erachtet wird, ebensowenig, daß sie für

zukünftige und ungewisse Gefahren besteht. Die Auslegung, wonach stets der Abschluß des Vertrags für die Priorität entscheidet, entspricht auch allein dem gesetzgeberischen

Gedanken.

Der Grund für die Unwirksamkeit der Doppelversicherung

wird erblickt in dem Mangel des versicherbaren Interesses.

Wenn

bei einer zahlungsfähigen Gesellschaft — für andere Fälle ist in

§ 12 Nr. 2 vorgesorgt — Versicherung genommen ist, so wird kein

Interesse für eine nochmalige Versicherung anerkannt.

Dieser Grund

trifft zu für die später genommene, nicht aber für die stüher genom­

mene Versicherung, auch wenn eS sich um laufende Policen handelt.

Denn auch bei der laufenden Police wird der Gegenstand automatisch mit der Abladung, wenn nicht schon vorher mit der Anmeldung oder

der Eintragung inS Beibuch, von der Versicherung ergriffen.

Daher

liegt im Sinne der §§ lOflg. kein versicherbares Interesse für einen

späteren Vertrag vor bei Gegenständen, die unter eine ältere laufende

Police fallen.

Umgekehrt kann man unmöglich bei letzterer das ver­

sicherbare Interesse mit Rücksicht auf den späteren Abschluß einer

anderen Versicherung verneinen.

Ob ein versicherbares Interesse vor­

liegt, sann nur nach der Zeit des Abschlusses bestimmt werden.

Nach

der Auslegung des Urteils RGZ. Bd. 44, S. 31 würde bei mehreren

laufenden Policen auf dieselben Gefahren stets Gleichzeitigkeit vor­

liegen.

Es würde dann weder § 10 noch § 11

anwendbar sein,

wenn die Versicherungen nacheinander genommen find, denn dann

wären nach dem klaren Wortlaute des § 10 dessen Voraussetzungen nicht erfüllt und nach der Auslegung des Urteils auch nicht die des

§ 11.

Nach dieser Auslegung hätte es der Versicherte nach Abschluß

einer laufenden Versicherung in der Hand,

jedesmal durch recht­

zeitigen Abschluß einer Einzelversicherung die laufende Versicherung

unwirksam zu machen.

Dies führt zu der Betrachtung der Wirkungen, die die Aus­ legung auf das wichtige Ristornorecht ausüben würde.

Für die

Versicherungsgesellschaften ist dies von größter Bedeutung, denn für

die große Mehrzahl der Fälle kommt nur ihr Prämienrecht in Betracht,

da kejn Schaden entsteht.

Nach § 155 Allg. SVB. (§ 895 HGB.)

kann bei Doppelversicherung die Prämie bis auf eine Ristornogebühr

zurückgefordert oder einbehalten werden, wenn sich der Versicherte

(Versicherungsnehmer) beim Abschlüsse des Vertrags (oder bei Ertei­ lung des Auftrags) in gutem Glauben befunden hat. Auch diese

Bestimmung paßt nur für die hier vertretene Auslegung der §§ 10, 11.

Denn bei dem ersten Vertragsschlusse muß sich der Versicherte

stets in dem hier in Betracht kommenden guten Glauben befinden,

daß er noch nicht anderweit versichert ist.

Wenn nun diese ältere

(laufende) Versicherung durch einen späteren Abschluß unwirksam ge­

macht werden kann, so würde der frühere Versicherer stets der Ge­ fahr ausgesetzt sein, durch eine Rechtshandlung der Gegenpartei die

Auch wenn man älteren Versicherer demgegenüber bei Abschluß der jüngeren

Prämie bis auf eine Ristornogebühr zu verlieren.

dem

Versicherung in bösem Glauben eine exceptio doli zubilligen wollte, würde die Regelung noch immer gesetzgeberisch widersinnig erscheinen.

Man kann wohl daran denken, den jüngeren Vertrag aus Billig-

keitsgründen bei nachweisbarer bona fides für unwirksam zu erklären,

weil er wegen eines älteren Vertrags des wirtschaftlichen Zweckes entbehrt, nicht aber daran, den älteren Vertrag deswegen aufzuheben, weil durch einen neuen Vertrag dasselbe Ergebnis erzielt wird. Hält

man derartige Billigkeitsrücksichten für ausschlaggebend, so muß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der jüngere Vertrag dem älteren weichen,

und nicht umgekehrt (Prior tempore potior jure). In den Hamburger Protokollen findet sich nirgends die Andeu­

tung, daß für die Priorität bei der Doppelversicherung etwas anderes maßgebend sein könnte als der Abschluß der Verträge, vielmehr wird

die Maßgeblichkeit des Abschlusses an vielen Stellen deutlich erklärt

und vorausgesetzt (s. S. 3018 oben, S. 3020, 3021, 3041, 3043, 3045—3049, 4261

oben).

Auch Voigt, der Hauptautorität auf

diesem Gebiete, liegt offenbar die Anschauung des Urteils RGZ.

Bd. 44 S. 31 völlig fern (s. S. 88, 86, 64 u. S. 341).

Auf S. 87

erwähnt er, daß die Bestimmung des Art. 792 (§ 788) HGB. im Einklang stehe mit Art. 3 Titel 6 der Hamburger Assekuranz- und

Haverei-Ordnung von 1731, der lautet: „Wenn jemand auf einerlei Güter mehrmals hat versichern lassen, so soll es nicht in seiner Wahl stehen, welche Assekuranz er ristor­

nieren will; sondern die Police, welche dem Datum nach zuerst ge­ zeichnet worden, soll in Kraft bleiben, die dem Datum nach jün­

gere Assekuranz aber durch das Ristorno wieder aufgehoben werden." Ehrenberg, S. 374, sagt ausdrücklich:' „Danach kommt es für die Wirkungen der Doppelversicherungen

darauf an, ob sie gleichzeitig oder nicht gleichzeitig abgeschlossen sind." Sieveking, § 817 Anm. 5, äußert lebhafte Bedenken

gegen die

Begründung in RGZ. Bd. 44 S. 31, scheint aber das Ergebnis für die vorliegende Frage anzuerkennen.

Klar sind seine Ausführungen

nicht, denn er erklärt es für irreführend, wenn das Reichsgericht

sage, ehe die Güter vom Lande scheiden, liege noch keine „Versiche­

rung" vor; er will vielmehr daran festhalten, „daß mit Abschluß

der

laufenden Versicherung

alle

policenmäßigen Abladungen von

vornherein und zwar bereits vor ihrer Deklaration versichert sind."

Dies würde der hier vertretenen Auffassung entsprechen.

Gerhard,

S. 249, dagegen schließt sich ohne eigene Begründung dem Urteile

RGZ. Bd. 44 S. 31 an. In dem Urteile de- I. Senats HansGZ. 1912 Nr. 112 S. 238 wird jene Entscheidung mit einem „vgl." angeführt, ohne daß jedoch die hier vorliegende Frage zur Erörterung stand. Auch das Preuß. Allgemeine Landrecht II, 8 § 2004 schrieb vor: „Das Datum der geschehenen Zeichnung bestimmt, welcher Kontrakt der ältere sei, wenn auch die Police ein anderes Datum enthalten sollte" — und eS erklärt bei nicht angezeigter Doppelversiche. rung in den §§ 2003, 2008 nur bett älteren Kontrakt für wirksam. Da der VII. Zivilsenat auf Anfrage erklärt hat, an der in dem Urteile vom 23. Juni 1899 dargelegten Auffassung in dem hier in Betracht kommenden Punkte nicht festzuhalten, so bedurfte eS nicht der Anrufung der Vereinigten Zivilsenate gemäß GVG. § 137, und eS konnte auch unentschieden bleiben, ob die Voraussetzungen dieser Bestimmung angesichts der inzwischen auf dem Gebiete des Versiche­ rungsrechts erlassenen neuen Gesetze gegeben wären. Ebensowenig kommt es darauf an, ob von der hier beanstan­ deten Grundlage aus der Auffassung des Berufungsgerichts, daß nicht die Zeit der Abladung, sondern die der Eintragung ins Bei­ buch maßgebend ist, beizutreten wäre, denn es steht fest, daß der Ab­ schluß der laufenden Versicherung vor dem der beiden Spezialversicherungen erfolgt ist. Letztere waren daher nach § 11 Allg. SVB. (§ 788 HGB.) unwirksam. Mithin haftete die Beklagte nur aus ihrer Beteiligung bei der laufenden Police und, da sie insoweit vor der Klage Zahlung ge­ leistet hat, erweist sich die Klage als unbegründet." ...

3. Schließt eine wonach einer vo« erhält und weder Bestand

über Gewinn »nd Verlust getroffene Regelung, mehreren Geschäftsteilhabern ein festes Entgelt am Gewinne noch am Verluste teilnimmt, den einer offenen Handelsgesellschaft aus?

HGB. § 105. BGB. § 705.

II. Zivilsenat. Urt. v. 9. März 1917 i. S. Paul Sch. (Kl.) w. 1. Arthur Sch., 2. Erich Sch. (Bekl.). Rep. II. 512/16.

3.

Offene Handelsgesellschaft.

I. II.

Nichtbeteiligung am Gewinn und Verluste.

15

Landgericht Chemnitz, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht Dresden.

Der Kläger und der Beklagte zu 1, Arthur Sch., waren seit Jahren unter

der Firma Louis H. Sch. zu

einer

offenen Handelsgesell­

schaft vereinigt, deren Zweck nach dem zwischen ihnen am 1. Mai

1896 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag in der Fabrikation und dem

kaufmännischen Vertriebe von Strumpf- und Trikotwaren bestand.

Tiefgehende Zerwürfnisse unter den Gesellschaftern führten zu ver­

schiedenen Prozessen. Einer davon endigte mit einem Vergleiche, bei dem der als Gesellschaftsvertrag bezeichnete Vertrag der Parteien vom 13. März 1914 zustande kam.

Laut diesem Vertrage trat der Be­

klagte zu 2, Erich Sch., vom 1. April 1914 ab in die offene Handels­

gesellschaft unter der Firma Louis H. Sch. als persönlich haftender Gesellschafter ein.

Als solcher wurde er auch

demnächst in das

Handelsregister zu L. eingetragen.

Der Kläger war der Ansicht, daß der Beklagte zu 2 die Stellung

eines Gesellschafters insbesondere mit Rücksicht darauf, daß er nach dem Vertrage weder am Gewinne noch am Verluste beteiligt sei,

nicht erlangt habe.

klagte zu 2

nicht

Er erhob Klage auf Feststellung, daß der Be­ persönlich

hastender

Gesellschafter

der

Firma

Louis H. Sch. sei. Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen.

Die vom

Kläger eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

... „Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Be­ klagte zu 2 durch den Vertrag vom 13. März 1914 Gesellschafter der unter der Firma Louis H. Sch. in L. bestehenden offenen Handels­ gesellschaft geworden ist. Richtig ist zwar, daß durch einen Vertrag mehrerer Personen,

der lediglich die Haftung für die Schulden eines unter gemeinschaftlicher Firma betriebenen Handelsgewerbes in der Weise regelt, daß alle Vertragschließenden als Gesamtschuldner persönlich haften, eine

offene Handelsgesellschaft nicht begründet wird.

Der Vertrag muß

vielmehr alle Erfordernisse eines Gesellschastsvertrags (§ 705 BGB.)

enthalten.

Diesen Erfordernissen genügt aber der Vertrag der Parteien

vom 13. März 1914.

Der gemeinsame Zweck insbesondere, desien

Erreichung zu fördern die Parteien sich verpflichtet haben, ist, wie

das Berufungsgericht ausführt, die Fortführung

des seit Jahren

unter der Firma Louis H. Sch. bestehenden Geschäfts, das die Fabri­ kation und den kaufmännischen Vertrieb von Strumpf- und Trikot­ waren zum Gegenstand hatte.

Da dieses Geschäft ein Handelsgewerbe

darstellte, war der gemeinsame Zweck der Parteien auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet (§ 105 HGB.).

Der Beitrag des Be­

klagten zu 2 zur Erreichung des gemeinsamen Zweckes bestand nicht nur darin, daß er das Geschäft mit auf seinem Namen als Gesell­

schafter foriführen ließ, sondern auch darin, daß er seine Arbeit, be­ stehend vornehmlich in der selbständigen Bearbeitung gewisser Märkte, zur Förderung des gemeinsamen Zweckes zusagte. Nun bestimmt zwar § 2 des Vertrags, daß der Beklagte zu 2

„als Vergütung für seine Tätigkeit und gleichzeitig als fixierten Ge­

winnanteil" einen ziffermäßig bestimmten Jahresgehalt, für das erste

Jahr 6000 M, erhalte, und zu § 16 des alten Gesellschaftsvertrags

vom 1. Mai 1896 ist bestimmt, daß Gewinn und Verlust „nach wie vor ausschließlich von Paul und Arthur Sch. (dem Kläger und dem Beklagten zu 1) getragen werden" und der Beklagte zu 2 Erich Sch. auf den in § 2 fixierten Betrag beschränkt bleibt.

Danach erhält der Beklagte zu 2 ein festbestimmtes Entgelt gleichzeitig für seine Tätigkeit und als Gewinnanteil unabhängig davon, ob der Geschäfts­

betrieb einen Gewinn oder einen Verlust ergeben hat, und er nimmt

im Jnnenverhältnis der Parteien weder am Gewinne noch am Ver­ luste Teil. Seine Bezüge aus dem Geschäftsbetriebe sind unabhängig von dem Gewinn oder Verlust bringenden Ergebnis dieses Betriebes.

Eine solche Regelung der Geivinn- und Verlustbeteiligung aber, bei der ein Geschäftsteilhaber ein festes Entgelt erhält und im Jnnen­ verhältnis am Gewinne und Verluste keinen Anteil hat, schließt den Bestand

eines Gesellschastsverhältnisses

überhaupt

offenen Handelsgesellschaft insbesondere nicht aus.

und

den einer

An diesem in dem

Urteile vom 13. Juli 1915 II. 99/15 (Jur. Wochenschr. 1915 S. 1470)

ausgesprochenen Satze hält der Senat fest. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der von den Parteien zu fördernde

gemeinsame Zweck, nämlich die Fortführung des bis dahin unter der Firma Louis H. Sch. betriebenen Geschäfts

Regelung nicht vereinbar sein soll.

mit

der

erwähnten

Dieser Zweck könnte ein gemein­

samer bleiben, auch wenn der Beklagte zu 2 während der Vertragsdauer

für das, was er zur Förderung des Zweckes beiträgt, gar nichts er­

hielte und von jeder Anteilnahme am Gewinn und Verlust aus­

geschlossen wäre.

Es würde selbst dann nicht an einem wirtschaft­

lichen Vorteile für den Beklagten zu 2, wodurch seine Tätigkeit für

den gemeinsamen Zweck erklärlich würde, fehlen.

Denn jeder der

drei Beteiligten war berechtigt, nach Ablauf einer gewissen Zeit die Gesellschaft zu kündigen mit der Folge, daß in diesem Falle das Ge­ schäft unter den drei Beteiligten zu versteigern war.

Der Beklagte

zu 2 war daher in der Lage, in nicht zu ferner Zukunft den Allein,

erwerb des Geschäfts für sich durchzusetzen, falls er dafür mehr bot als die beiden anderen Beteiligten.

Indem sie das Geschäft der Firma

Louis H. Sch. fortführen, betreiben die drei Beteiligten auch ein

Handelsgewerbe.

Allerdings erfordert ein solches eine auf däuernden

Erwerb gerichtete Tätigkeit.

Zum Zwecke eines solchen dauernden

Erwerbes, zwecks Erzielung von Gewinn, wird aber auch das Ge­ schäft der Firma Louis H. Sch. nach wie vor betrieben. Gewinn wollen die sämtlichen drei Beteiligten erzielen.

Diesen

Ihre dahin

gehende Ansicht ist sehr wohl damit vereinbar, daß der Beklagte zu 2

von diesem Gewinne nur einen festen Geldbetrag und diesen selbst

für den Fall, daß der Geschäftsbetrieb einen Gewinn nicht ergibt, beziehen soll.

Auch der Beklagte zu 2 wird in dem Geschäftsbetriebe

tätig, um aus ihm einen dauernden Erwerb zu ziehen, wiewohl er

von dem Gewinne nicht einen Bruchteil erhält.

Dies schließt nicht

aus, daß, worauf es entscheidend ankommt, das Geschäft von allen drei Beteiligten zum Zwecke der Erzielung von Gewinn betrieben

wird. Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß eine Regelung der Ge­ winn- und Verlustbeteiligung, wie sie die Parteien in dem Vertrage vom 13. März 1914 vorgenommen haben, an sich einen Umstand

darstellt, der gegen die Annahme einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Gesellschaft überhaupt spricht, so schließt sie doch diese Annahme

nicht aus.

Und im vorliegenden Falle liegen zwingende Gründe für

die Annahme einer offenen Handelsgesellschaft vor.

Es kommen, wie

das Berufungsgericht zutreffend ausführt, in dieser Beziehung in Be­

tracht der Wortlaut des Vertrags, der Zusammenhang seiner einzelnen Bestimmungen und die den Vertragsabschluß begleitenden Umstände; insbesondere daß der Beklagte zu 2 wie die beiden anderen Teilhaber Entlch. in Zivils. N. F. 40 (SO).

2

unbeschränkte Vertretungsmacht hat und auch grundsätzlich in gleicher Weise zur Geschäftsführung berechtigt ist. Nur darf er nicht den

geschäftlichen Maßnahmen des Klägers widersprechen.

Gerade der

Umstand, daß die Parteien es für nötig erachteten, diese letztere Be­ stimmung zu treffen, läßt, wie das Berufungsgericht zutreffend her­ vorhebt, erkennen, daß nach dem Willen der Vertragschließenden der

Beklagte zu 2 die Stellung eines Gesellschafters der offenen Handels­

gesellschaft Louis H. Sch. erhalten sollte." ...

4.

Fallen die im § 635 BGB. bestimmten Schadensersatzansprüche

unter die Vorschrift des § 640 Abs. 2? VII. Zivilsenat. Urt. v. 2. März 1917 i. S. L. (Bekl.) w. K. (Kl.).

Rep. VII. 301/16. I. II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Aus den Gründen: ... „Mit der herrschenden Lehre ist anzunehmen, daß der ganz unzweideutige Wortlaut der in § 640 Abs. 2 gegebenen Vorschrift, die nur „die in den §§ 633 und 634 bestimmten Ansprüche" als solche bezeichnet, die zwecks Aufrechterhaltung bei der Abnahme vorbehalten werden müssen, nicht zuläßt, die Vorschrift auch auf die im § 635 bestimmten

Schadensersatzansprüche

auszudehnen.

Gegenüber

dem

klaren Wortlaute kann weder, wie in Goldmann-Lilienthal, Bürgerl. Gesetzbuch Bd. 1 S. 651 Anm. 33 ausgeführt wird, die Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch, wie Dernburg in seinem Bürgerl. Recht § 320 VI meint, die Berufung auf Treu und Glauben

entscheidend in Betracht kommen, letzteres um so weniger, als es sich, worauf in dem Kommentar der Reichsgerichtsräte Anm. 4 zu 8 640

hingewiesen wird, im Falle des § 635 um Ansprüche handelt, die ein vom Unternehmer zu vertretendes Verschulden oder eine besondere Zusicherung zur Voraussetzung haben.

Mit Recht ist deshalb der Berufungsrichter davon ausgegangen,

daß nur dann, wenn im einzelnen Falle nach den begleitenden Um-

ständen in der trotz Kenntnis der Mangelhaftigkeit erfolgten vor­ behaltlosen Abnahme des Werkes ein Verzichtswille erkennbar zutage getreten ist, auch der Untergang der auS § 635 hergeleiteten Ersatz­ ansprüche eintritt. Ob aber in den zum Nachweis eines solchen Ver­ zichtwillens geltend gemachten Umständen der Ausdruck eines dahin­ gehenden Willens zu finden ist, war Sache der tatsächlichen Würdigung durch den Berufungsrichter." ...

5.

Rechtsstellung dessen, dem ein Gesellschafter den Anspruch auf das AuseinandersetzungSguthaben abgetreten hat.

BGB. § 717. H. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 9. März 1917 i. S. R. (Kl.) w. M. (Bekl.). Rep. II. 516/16.

Landgericht III Berlin. Kammergericht daselbst.

Am 9. Mai 1911 schloß der Beklagte mit dem Unternehmer G. einen Gesellschastsvertrag zur Aufschüttung und Planierung eines Sees bei Berlin. G. legte 28000 Jl, der Beklagte 38042,71 Jl ein; Gewinn und Verlust sollten auf beide gleichmäßig verteilt werden. Nachdem die Gesellschaft im Sommer 1913 beendet war, wurde der Beklagte in einem Vorprozeß auf Klage G.s zur Rechnungslegung verurteilt. Nach der Bilanz, die er darauf vorlegte, waren 14374,42 Jl Buchforderungen und Geräte im Werte von 300 Jl vorhanden; diesen Aktiven standen die Einlagen und 802,47 Jl Buchschulden gegenüber. Gleich bei Beginn der Gesellschaft chatte G. seine An­ sprüche aus dem Vertrag an den jetzigen Kläger abgetreten. Mit der gegenwärtigen Klage macht dieser in HöhAvon 14000 Jl den Auseinandersetzungsanfpruch des Zedenten geltend, indem er die Bi­ lanz bemängelt, höhere Einnahmen und geringere Ausgaben behauptet. Das Landgericht erließ ein Teilurteil, wodurch es den Beklagten zur Zahlung von 10914,72^ verurteilte. Dagegen wies dasKammergericht die Klage, soweit darüber erkannt war, ab. Die Revision

wurde zurückgewiesen aus folgenden

Gründen: »Der Berufungsrichter hat die Klage abgewiesen, weil der An­ spruch auf das Auseinandersetzungsguthaben zwar übertragbar, seine

Geltendmachung aber von der Feststellung des Betrags durch die Gesellschafter abhängig sei. Das stimmt mit der Rechtsprechung des

Reichsgerichts überein.

Dem § 717 BGB. liegt der Gedanke zu­

grunde, daß gesellschaftliche Ansprüche durch Dritte erst geltend gemacht werden dürfen, wenn sie völlig von dem Gesellschaftsverhältnis los­

gelöst sind.

Danach ist auch die Rechtsstellung zu bemessen, die der

Zessionar des Anspruchs auf das Guthaben einnimmt.

Wiederholt

wurde ausgesprochen, daß ihm das Recht auf Rechnungslegung nicht übertragen werden kann.

Aber auch ein Versuch, seinerseits zu be­

weisen, was dem Zedenten zukommt, kann nicht ohne weiteres zum

Ziele führen.

Da das Guthaben erst durch Liquidation von der

Verknüpfung mit dem Gesellschaftsverhältnis freigemacht werden muß,

hat der Zessionar die Abwickelung dieses Verhältnisses durch die Gesellschaster abzuwarten.

Allerdings geht es zu weit, wenn einzelne

Urteile sich so ausdrücken, als ob der Anspruch auf das Guthaben vor Schluß der Liquidation überhaupt nicht übertragbar sei.

An­

gesichts der Möglichkeit, bedingte und sogar zukünftige Ansprüche zu

übertragen, walten Bedenken gegen die Abtretung als solche nicht ob. Dies um so weniger, als das Gesetz schon bei bestehender Gesellschaft eine Pfändung deS Anteils des Gesellschafters zuläßt (vgl. § 725 BGB., § 859 ZPO.). Doch wird der Zessionar durch die Abtretung

allein noch nicht instand gesetzt, auf Zahlung zu klagen.

Hat er

dadurch auch den Vorteil erlangt, daß die Bestimmungen, die der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz über die Art der Auseinander­ setzung aufstellt, nicht mehr zu seinen Ungunsten geändert werden

können, so ist und bleibt diese selber doch Sache der Gesellschafter.

Nur

unter

den Gesellschaftern findet die Auseinandersetzung statt

(§ 730 Abs. 1).

Der Zessionar hat kein Recht auf Beteiligung an

ihr erworben, sondern nur einen Anspruch auf das, was dem Zedenten

Daher kann er in die Liquidation nicht eingreifen. Erleidet er Schaden dadurch, daß sie verzögert oder vorschriftswidrig

dabei zukommt.

vorgenommen wird, so muß er sich wegen des Ersatzes an den Ze­

denten halten. Diese Erwägungen führen auch im vorliegenden Falle zur Ab-

Weisung der Klage.

Freilich kann die Hilfsbegründung des ange­

fochtenen Urteils nicht gebilligt werden, worin gesagt wird, da die Bilanz mit Verlust abschließe, komme ein Guthaben G.s, des Zedenten des Klägers, gar nicht in Frage.

Dabei ist übersehen, daß die Ak­

tiven, wenn auch niedriger als die Passiven (Schulden plus Einlagen), so doch höher als die Schulden sind.

Die 1914,72^, um die die Ein­

lage G.s zu 28000 Jl seinen Verlustanteil (die Hälfte von 52170,56 Jt]

übersteigt, haben als sein bilanzmäßiges Guthaben zu gelten (vgl. Ein Anspruch auf Zahlung ist das Guthaben aber

§ 735 BGB.).

nicht, vielmehr kann G. nach § 733 Abs. 3 BGB. nur verlangen,

daß die Geräte und Buchforderungen behufs Befriedigung des Gut­ habens in Geld umgesetzt werden.

Und auch dieses Verlangen würde

der Kläger, der als Nichtgesellschaster mit der Liquidation nicht be­

faßt ist, nicht geltend machen können. Danach ist es für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit auch unerheblich, daß und wie er die

Was insbesondere die angeblich in Ansatz zu

Bilanz bemängelt.

bringenden Einnahmen aus Eisenbahnzufuhren betrifft, die 18000^

oder, wie in zweiter Instanz gesagt wurde, 75000^ betragen sollen,

so

handelt es sich nach §§ 713, 667 BGB. um eine Forderung

gegen den Beklagten, deren Umsetzung in Geld wiederum den Gesell­ schaftern obliegt.

Der Betrag ist, wenn überhaupt, so an die Ge-

sellschastskasse zu zahlen, nicht an den Kläger.

Sollte G., wie es

den Anschein hat, nicht gewillt sein, gegen den Beklagten vorzugehen,

so

kann

der Kläger dagegen nichts ausrichten.

Er ist auf den

Schadensersatzanspruch gegen seinen Rechtsurheber beschränkt."

6.

Kann im Gesellschaftsvertrage bestimmt werden, daß von mehreren

Gesellschaftern

einer

offenen Handelsgesellschaft der

eine

für sich

allein vertretungsberechtigt ist, der andere nur mit ihm zusammen die Gesellschaft vertreten kaun?

HGB. § 125 Abs. 2.

II. Zivilsenat.

Beschl. v. 9. März 1917 in der Handelsregister­

sache, betr. die Eintragung der dem Gesellschafter Eduard H. erteilten

Vertretungsmacht.

Beschw.-Rep. II. 1/17.

I.

DE.

Amtsgericht Mannheim.

Landgericht daselbst.

Die Frage wurde bejaht aus folgenden Gründen:

„Die offene Handelsgesellschaft „Hofbuchdruckerei MaxH. & Co."

in M. wurde bisher durch einen der Gesellschafter Adolf und Viktor G.

vertreten.

Im Oktober 1916 meldeten die Gesellschafter zur Ein­

tragung in das Handelsregister an, daß in Zukunft auch der Gesell­

schafter Eduard H. die Firma vertreten solle, so jedoch, daß ihm die Vertretung nur zusammen mit einem der beiden anderen Vertreter

zustehe, während von diesen selber nach wie vor jeder allein zur Ver­ tretung berechtigt sei. Das Amtsgericht lehnte die Eintragung als

unzulässig ab; das Landgericht wies die Beschwerde des Eduard H. zurück.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe erachtete die weitere Be­

schwerde für gerechtfertigt, sah sich aber durch einen Beschluß des

Kammergerichts vom 26. Juli 1906 (abgedruckt in D. Jur.-Ztg. S. 1264) behindert, ihr stattzugeben, und legte sie deshalb unter Be­ gründung

seiner Rechtsauffassung dem Reichsgerichte zur Entschei­

dung vor. Das Reichsgericht erkennt § 28 FrGG. gegeben sind.

an, daß die Voraussetzungen des

In der Sache selbst tritt es dem Ober­

landesgerichte Karlsruhe bei.

Nach § 125 Abs.2 HGB. kann im Gesellschastsvertrage bestimmt

werden,

daß

alle oder mehrere Gesellschafter nur in Gemeinschaft

zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt sein sollen.

Streitig ist

die Zulässigkeit einer Verbindung von Einzel- und Gesamtvertretung in der Art, daß von mehreren Gesellschaftern der erste für sich allein

vertretungsberechtigt ist, der zweite nur mit ihm zusammen die Ge­

sellschaft vertreten kann (Literatur über die Frage bei Düringer-

Hachenburg, Handelsgesetzbuch § 125 Anm. 6).

Das Kammergericht

hat sich der verneinenden Ansicht angeschlossen.

Es nimmt an, eine

solche Bestimmung laufe in Wahrheit auf den Ausschluß der Bertretungsmacht des zweiten Gesellschafters hinaus; weil sie dies aber nur in unklarer Verhüllung zum Ausdruck bringe, sei sie zur Ein­

tragung in das Register nicht geeignet.

Indes geht die Ansicht, die

Bestimmung sei gleichbedeutend mit dem Ausschlüsse von der Ver­ tretungsmacht, offenbar fehl.

Das Gegenteil ergibt sich schon daraus.

daß die passive Vertretungsmacht dem zweiten Gesellschafter ohne weiteres zusteht. Satz 3 des § 125 Abs. 2 befähigt ihn, empfangs­ bedürftige Willenserklärungen mit Rechtswirkung für die Gesellschaft entgegenzunehmen. Handelt es sich ferner um Willensmangel oder um die Kenntnis rechtserheblicher Tatsachen (vgl. § 166 Abs. 1 BGB.), so genügt es, wenn diese Umstände auch nur in seiner Person vorliegen. Kann sonach von einem Ausschlüsse von der Vertretungsmacht keine Rede sein, so trifft es auch nicht zu, wenn Lehmann-Ring Nr. 10c die angebliche Unzulässigkeit der Bestimmung aus der Fas­ sung des § 125 Abs. 2 Satz 1 herleiten wollen. Die Worte so zu wählen, daß alle denkbaren Kombinationen zwischen Gesamt- und Einzelvertretung dadurch gedeckt werden, hatte das Gesetz keinen An­ laß. Entscheidend muß sein, daß praktische Bedenken der Eintragung nicht entgegenstehen. Die Verkehrssicherheit läuft keine Gefahr. Man kann es auch nicht einmal für schlechthin unzweckmäßig erklären, wenn die Vertretungsmacht in solcher Weise geregelt wird. Namentlich dann, wenn eine Übergangszeit geschaffen werden soll, um einen nm eintretenden Gesellschafter vor Erteilung der vollen Vertretung zunächst zu erproben, mag die Bestimmung von Wert sein. Jedenfalls beweist die Anzahl der Fälle, in denen die Gerichte damit befaßt wurden, daß ein gewisses Bedürfnis für sie vorhanden ist. Der Antrag auf Eintragung ist daher mit Unrecht abgelehnt worden."

7. Darf das Berufungsgericht die Beantwortung einer Frage, die das Revisionsgericht bereits abschließend bejaht hat, auf Grund neuer Tatsachen in Zweifel ziehen? ZPO. § 565 Abs. 2.

III. Zivilsenat. Urt. v. 13. März 1917 i. S. M. & Co. (Kl.) w. K. G. Konk. (Bekl.). Rep. III. 398/16. I. II.

Landgericht Hamburg. Oberlandesgericht daselbst.

Der Beklagte rechnete gegen einen Anspruch von 169191,35 JH, der nach dem Anträge der Klägerin als Konkursforderung feftgefteH

werden sollte, mit einer Schadensersatzforderung von 482545 JL auf. Zur Begründung dieser Forderung machte er geltend, die Rechts­ vorgängerin der Klägerin habe den zwischen ihr und dem Kaufmann K. G. bestehenden Agenturvertrag schuldhaft verletzt, indem sie namentlich durch ständige Ablehnung angebotener Geschäfte über Holzlieferungen dem G- eine gewinnbringende Agenturtätigkeit unmöglich gemacht habe. Das Berufungsgericht hatte in seinem früheren Urteile die Ersatz­ forderung für unbegründet erklärt und den Anspruch der Klägerin als Konkursforderung festgestellt. Durch Urteil des erkennenden Senats vom 30. Januar 1914 wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Mit Rücksicht auf den Inhalt des Revisionsurteils beschränkte das Berufungsgericht die Verhandlung auf die Höhe des Ersatzanspruchs, wies dann zunächst durch Ver­ säumnisurteil die Klage ab und hielt diese Entscheidung durch Teil­ urteil insoweit aufrecht, als der Klaganspruch in der Höhe von 45000 Jt abgewiesen worden war. Die Klägerin beanstandete die Beschränkung der Berufungsverhandlung auf die Höhe des Ersatz­ anspruchs, da sie neue Tatsachen zum Grunde dieses Anspruchs geltend zu machen habe. Ihre Revision wurde jedoch zurückgewiesen. Gründe: „Das Revisionsurteil vom 30. Januar 1914 kommt in seinen Entscheidungsgründen zu dem Ergebnis, daß der Schadensersatzanspruch des Beklagten dem Grunde nach gerechtfertigt und daß nur noch über seine Höhe zu entscheiden sei. Das Berufungsgericht findet darin eine rechtskräftige Entscheidung über den Grund dieses Anspruchs, ein, wenn auch nur in den Entscheidungsgründen des Revisionsurteils enthaltenes, Zwischenurteil nach § 303 ZPO. und damit eine End­ entscheidung im Sinne des § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO., die eine nochmalige Erörterung des Grundes im Berufungsverfahren aus­ schließe. Diese Begründung ist nicht haltbar. Von Rechtskraft kann nur gesprochen werden, wenn das Revisionsgericht eine Revision zu­ rückweist oder bei Aufhebung desDerufungsurteils eine Endentscheidung in der Sache selbst trifft. Als eine solche Entscheidung ist auch ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO. zu betrachten, da es den durch Klage oder Widerklage geltend gemachten Anspruch dem Grunde nach

zur rechtskräftigen Erledigung bringt (RGZ. Bd. 50 S. 224). Über den Grund einer zur Aufrechnung gestellten Forderung kann aber ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO. nicht ergehen (RGZ. Bd. 12 S. 363, Bd. 49 S. 338). Ein Zwischenurteil über das in der Aufrechnung liegende selbständige Verteidigungsmittel nach § 303 ZPO. läßt sich dem nicht gleichstellen. Ein solches Urteil bildet nur einen vorweg genommenen Bestandteil der Entscheidungsgründe des Endurteils. Es kann daher naturgemäß nur von dem Gericht er­ lassen werden, das zur Erlassung des Endurteils berufen ist, und seine bindende Wirkung hat mit der Frage der Rechtskraft nichts zu tun. Der Senat hätte bei Aufhebung des Berufungsurteils ein Zwischenurteil dieser Art nicht erlassen können und hat es auch nicht erlassen. Es hätte, wie gegenüber den Ausführungen des Berufungs­ gerichts zu bemerken ist, mit der im Revisionsurteile gegebenen Be­ gründung auch vom Berufungsgerichte nicht erlassen werden können. Denn zur Entscheidung durch Zwischenurteil reif ist eine zur Auf­ rechnung gestellte Gegenforderung nur dann, wenn entweder ihr Grund zu verneinen ist, oder neben dem Grunde auch der Betrag feststeht (RGZ. Bd. 12 S. 363; Bd. 49 S. 338; Bd. 50 S. 224; Jur. Wochenschr. 1911 S. 458 Nr. 32 u. a.). Diese Voraussetzungen lagen aber nicht vor. Für die bindende Kraft des Revisionsurteils kommt daher nur § 565 Abs. 2 ZPO. in Betracht. Gerade diese Vorschrift, der das Berufungsgericht eine solche Bedeutung nicht beimessen will, recht­ fertigt aber die von ihm angeordnete Beschränkung. Schließt auch § 565 Abs. 2 die Berücksichtigung neuer Tatsachen nicht grundsätzlich aus (vgl. RGZ. Bd. 76 S. 190), so läßt sich doch nur nach dem Inhalt des Revisionsurteils im einzelnen Falle beurteilen, inwieweit für eine wiederholte Erörterung der tatsächlichen Grundlagen noch Raum ist. Die rechtliche Beurteilung, die nach § 565 Abs. 2 für das Berufungsgericht maßgebend sein soll, umfaßt nicht bloß die Rechtsnormen und Rechtsgrundsätze, sondern auch ihre Anwendung auf den Sachverhalt. Hat also das Revisionsgericht diese Anwendung selbst vorgenommen, so ist dies auch für das Berufungsgericht bindend. Allerdings handelt es sich dabei zunächst um den Sachverhalt, der dem Revisionsgerichte vorlag. Der Gedanke, der dieser Bindung zu­ grunde liegt, ist aber folgender: Das Revisionsgericht sollte eigentlich

den Rechtsstreit, der im Wege der Revision zn seiner Würdigung ge­ langt, selbst erledigen. Tut eS dies nicht, was nach der auf Gründen der Zweckmäßigkeit beruhenden Ordnung des § 565 ZPO. die Regel bildet, dann erledigt das Berufungsgericht die Sache, soweit es einer Erledigung überhaupt noch bedarf, kraft der ihm vom Revisions­ gericht erteilten Anweisung, und es ist deshalb auch an diese An­ weisung gebunden. Hat das Revisionsgericht eine bestimmte Frage auf Grund des ihm vorliegenden Sachverhalts bereits abschließend bejaht, dann steht es dem Berufungsgerichte nicht mehr zu, ihre Be­ antwortung, sei es auch auf Grund neuer Tatsachen, in Zweifel zu ziehen. Die gegenteilige Auffassung würde eine unbeschränkte und unabsehbare Wiederholung der Erörterung bereits völlig und ab­ schließend erledigter Streitpunkte ermöglichen, die nicht bloß der in § 565 Abs. 2 beabsichtigten Begrenzung der Aufgabe des Berufungs­ richters widersprechen würde, sondern überhaupt mit den Anforde­ rungen einer gesunden Prozeßführung unvereinbar wäre und ins­ besondere eine unerträgliche Prozeßverschleppung zur Folge haben müßte.

Um die abschließende Erledigung einer bestimmten Frage aber handelte es sich hier, wenn auf Grund des unstreitigen oder, soweit be­ stritten, festgestellten Sachverhalts im Revisionsurteil ausgeführt wurde: eine schuldhafte Vertragsverletzung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin liege vor und lasse den Schadensersatzanspruch des Beklagten dem Grunde nach als gerechtfertigt erscheinen, über die Höhe werde das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens der Streitteile nach § 287 ZPO. zu entscheiden haben. Die An­ weisung an das Berufungsgericht, die rechtliche Beurteilung im Sinne des § 565 Abs. 2, ging gerade dahin, daß die Frage des Grundes der Gegenforderung erledigt sein und nur noch ihre Höhe geprüft werden sollte. Das Berufungsgericht durfte daher den Grund der Gegenforderung nicht mehr in Zweifel ziehen, und es war deshalb auch gerechtfertigt, daß es durch Beschränkung der Verhandlung auf die Frage der Höhe eine Erörterung des Grundes von vornherein ausschloß." ...

L Zur Anwendung des § 154 Abs. 1 BGB. 2. Unter welchen Voraussetzungen kann der Gläubiger Verzugs­ folgen geltend machen, wenn die Bestimmung der Leistungszeit dem Schuldner überlasten ist? 8.

BGBi §§ 154, 815, 326. II. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 18. März 1917 i. S. E. (Kl.) w. L. (Bell.). Rep.II. 540/16.

Landgericht I Berlin, Kammer für Handelssachen. Kammergericht daselbst.

Im November 1914 kaufte die Beklagte von der Klägerin eine größere Menge von Brotbeuteln, die für Heereszwecke bestimmt waren und Ende Februar 1915 ausgeliefert sein sollten. Nachdem die Be­ klagte einen Teil der Beutel erhalten hatte, trafen die Parteien im Februar 1915 eine Vereinbarung über die weitere Behandlung einer restlichen Menge von 52000 Stück. Die Klägerin bestimmte der Beklagten am 20. März 1915 zur Abnahme und Bezahlung eines Postens von 20000 Stück erfolglos eine Nachfrist. Mit der Klage verlangte sie bezüglich dieser 20000 Stück und der weiter von der nach­ träglichen Vereinbarung betroffenen 32000 Stück Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Das Landgericht wies bezüglich der 32000 Stück die Klage ab und erklärte im übrigen den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Das Berufungsgericht wies die ganze Klage ab. Auf die Revision der Klägerin wurde das Berufungs­ urteil, soweit es die 20000 Stück betrifft, aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Gründe: .. .„Bezüglich des Postens von 32000 Stück nehmen beide Vorinstanzen an, daß die Parteien bei den Verhandlungen vom Fe­ bruar 1915 die endgültige Annullierung des Geschäfts vereinbart haben. Insoweit ist das Berufungsurteil nicht angefochten. Bezüg­ lich der weiteren 20000 Stück gelangt das Berufungsgericht in An­ wendung des § 154 Abs. 1 BGB. zu dem Ergebnis, daß ein die Abnahme- und Zahlungspflicht der Beklagten begründender Vertrags­ abschluß nicht vorliege, weil es bei der maßgebenden Besprechung vom 11. Februar zu einer Einigung über die Zeit der Abnahme

nicht gekommen sei.

Diese Beurteilung wird von der Revision mit

Recht beanstandet.

Nach dem Vorbringen der Parteien ist für die Anwendung der

Vorschrift des § 154 a. a. O. kein Raum.

Die Beklagte hat behauptet,

32000 Stück seien bei der erwähnten Besprechung unbedingt annulliert

worden, wegen der — noch abzunehmenden — übrigen 20000 Stück

habe sie der Klägerin erklärt, daß sie die Ware nach der Türkei, vielleicht auch nach Bulgarien oder Österreich-Ungarn absetzen wolle, sich aber mit Rücksicht auf das damalige Verhalten Rumäniens, das

die Ware nicht durchlasse, an irgendwelche Abrusfristen nicht binden

könne; damit sei die Klägerin einverstanden gewesen.

Zur Zeit der

Nachfristbestimmung vom 20. März 1915 habe deshalb die Klägerin

die Erfüllung

noch nicht verlangen können, die Durchfahrt durch

Rumänien habe nicht stattfinden können, auch sei es noch nicht gelungen gewesen, die Ware in der Türkei oder in Bulgarien unter­

zubringen, solche Abschlüsse und die Sicherstellung der Durchfuhr

durch Rumänien hätten eine viel längere Zeit erfordert.

Demgegen­

über hat die Klägerin vorgetragen, die Parteien seien bei der er­

wähnten Besprechung darüber einig gewesen, daß rascheste Lieferung der noch abzunehmenden 20000 Stück stattzufinden habe.

Die Be­

klagte habe bezüglich der Lieferfristen ausdrücklich auf die für den

ursprünglichen Abschluß maßgebenden Vereinbarungen hingewiesen, bei dem ursprünglichen Abschlüsse habe aber die Beklagte nach den kürzesten Fristen gefragt, in welchen geliefert werden könne. Nach

Treu und Glauben habe sie, die Klägerin, die Erklärung der Be­

klagten, daß sie bezüglich des Abrufs der einzelnen Lieferungen sich freie Hand Vorbehalte, nur dahin verstehen können, daß nur ein Ab­

ruf innerhalb angemessener kurzer Frist in Frage komme. Daß die Ware nach der Türkei oder nach Bulgarien oder Österreich-Ungarn

geliefert werden solle und daß sie sich wegen des Verhaltens Rumä­ niens

nicht

an Abnahmefristen binden könne,

habe die Beklagte

nicht gesagt. Nach diesem Parteivorbringen ist die Vorschrift des § 154 Abs. 1

BGB. nicht anwendbar.

Die Sache liegt nach dem Vorgetragenen

nicht so, daß die Parteien sich über einen Punkt des Vertrags (die Zeit der Abnahme), über den eine Vereinbarnng getroffen werden

sollte, bei jener Besprechung noch nicht geeinigt haben und daß aus

8.

Bertragsschluß.

Zeit der Leistung.

29

diesem Grunde Zweifel darüber bestehen können, ob der Vertrag ge­

schlossen war.

Denn nach

dem Vorbringen beider Teile ist der

Vertrag damals bezüglich der gesamten 52000 Stück unter Regelung aller Punkte zustandegekommen und Streit herrscht nur über den Inhalt des Vereinbarten.

Dieser Streit bewegt sich, soweit er die

hier in Rede stehenden 20000 Stück betrifft, um die Frage, ob die Beklagte früher oder später abzunehmen hatte, ob insbesondere die

Abnahmepflicht schon am 20. März 1915, als die Klägerin die Nach­ frist bestimmte, begründet war.

Es ist aber auch weiter nicht zu billigen, wenn das Berufungs­

gericht, bevor es dazu kommt, auf Grund des § 154 a. a. O. den Anspruch der Klägerin als hinfällig anzusehen, Erwägungen nach der Richtung anstellt, daß die Annahme einer Vereinbarung, wonach

die Beklagte nach billigem Ermessen die Zeit der Abnahme zu be­ stimmen

gehabt hätte, ausgeschlossen

erscheine.

Auch diese Erwä­

gungen leiden an dem Mangel, daß dem Parteivorbringen nicht

Rechnung getragen ist.

Als Grundlage dient ihnen nur, daß es zu

einer bestimmten Vereinbarung der Zeit der Abnahme nicht gekommen

sei. Diese Annahme trifft nach dem Parteivorbringen nur in dem Sinne zu, daß es an einer ausdrücklichen und genauen Zeitangabe fehlt.

Im übrigen waren aber nach dem Vorbringen beider Teile

und namentlich auch nach demjenigen der Klägerin, das in der Re­ visionsinstanz als richtig zu unterstellen ist, die.nötigen Unterlagen dafür vorhanden, daß der Richter ermessen konnte, ob die Nachfrist­

bestimmung

der Klägerin bei einer die Grundsätze von Treu und

Glauben berücksichtigenden Beurteilung

der gesamten Umstände zu

einer Zeit erfolgt ist, in der die Klägerin berechtigt war, die Abnahme zu verlangen. Die Revisionsbeklagten haben unter Hinweis auf das Urteil

RGZ. Bd. 64 S. 114 den Standpunkt vertreten, daß die Nachfrist­ bestimmung der Klägerin schon deshalb wirkungslos gewesen sei,

weil die Leistung der beklagten Gesellschaft, die hinsichtlich der Zeit der Bewirkung in das Belieben der Schuldnerin gestellt gewesen sei, nur dadurch habe fällig werden können, daß durch richterliches Urteil

der

streitig

gewordene Zeitpunkt

der Erfüllung bestimmt wurde.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

In der erwähnten

Entscheidung hat der V. Zivilsenat für einen Fall des § 315 BGB.

allerdings ausgesprochen, der damalige Kläger habe, als die Beklagte

den von ihm mit der Fristsetzung bestimmten Zeitpunkt der Leistung nicht habe gelten lassen, den Richter um die Bestimmung der Lei­ stungszeit anzugehen gehabt, sei es durch Erhebung einer Feststellungs­

klage oder durch Erhebung der Leistungsklage; erst wenn in dieser Weise die nach dem Vertrage dem billigen Ermessen des Schuldners

anheim gestellte Leistungszeit bestimmt gewesen sei, habe die Beklagte der Anwendung des § 326 BGB. ausgesetzt sein können.

Ob dieser

Beurteilung für den damals entschiedenen Fall, in dem es sich um den Abbau eines Tonlagers durch die Beklagte gehandelt hat, beizu­

treten wäre, braucht nicht erörtert zu werden.

Das Ergebnis, zu dem

der V. Zivilsenat damals gekommen ist, paßt jedenfalls nicht bei einem Vertragsverhältnis der hier in Rede stehenden Art. Die Vorschriften des an sich anwendbaren § 315 a. a. O. enthalten dis­

positives Recht und schließen deshalb nicht aus, daß nach der der Natur der Sache zu entnehmenden Absicht der Beteiligten der Eintritt der Fälligkeit einer hinsichtlich des Zeitpunktes der Bewirkung in das billige Ermessen des Schuldners gestellten Leistung und die davon

abhängige Möglichkeit der Verzugsfolgen im Streitfälle nicht bedingt sind durch einen besonderen Ausspruch des Richters, sondern der richterlichen Beurteilung nur insofern unterliegen sollen, als nachzu­ prüfen ist, ob der Schuldner in der richtigen Weise von dem Er­ messen Gebrauch gemacht hat.

Eben diese Auffassung wird aber in

einer Handelssache, wie sie hier vorliegt, regelmäßig als die allein berechtigte anzusehen sein.

Bei solchen Sachen würde es zu einer

mit den Bedürfnissen des Verkehrs unverträglichen Hemmung der

Abwickelung des Geschäfts führen, wenn man die Geltendmachung von Verzugsfolgen und namentlich das Vorgehen nach § 326 BGB.

erst zulassen wollte, nachdem im Prozeßwege die Fälligkeit festgestellt

ist." ...

9.

Inwieweit ist bei Erhöhungen des Grundkapitals einer Aktien­

gesellschaft für die Ermittelung des Steuersatzes der Tarifs! 25 zu a Nr. 1 des preußischen Stcmpelsteuergesetzes vom 30. Juni 1909 das

bei der Erhöhung vorhandene Grundkapital und der Betrag der Er­ höhung zusammenznrechnen?

VII. Zivilsenat. Urt. v. 13. März 1917 i. S. Koblenzer Straßen­ bahn (Kl.) w. preuß. FiSkus (Bekl.). Rep. VII. 402/16. I. II.

Landgericht Cöln.

Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin, die vor dem 1. Juli 1909 ein Grundkapital von 4 Millionen Mark hatte, erhöhte eS durch Beschluß vom 14. März 1911 auf 5 Millionen Mark und durch weiteren Beschluß vom 19. September 1913 auf 7x/2 Millionen Mark. Für die beiden Er­ höhungsbeträge erforderte der Beklagte nach Tarifst. 25 zu a preuß. StStG. in der Fassung vom 30. Juni 1909 einen Stempel von l1/« v. H. Die Klägerin hält sich nur zur Zahlung eines Stempels von 1 v. H. verpflichtet und verlangt mit der Klage die Rückzahlung des Mehrbetrags von 8747 Jt nebst Prozeßzinsen. Das Landgericht wies die Klage ad. Die Berufung blieb erfolglos. Die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Die Parteien streiten darüber, ob die Kapitalerhöhung von 1911 und die Kapitalerhöhung von 1913 einem Landesstempel von 1 v. H. oder von P/4 v. H. des Betrags der Erhöhung des Kapitals unterliegen. Nach Tarifst. 25 zu a Nr. 1 preuß. StStG. in der Fassung vom 30. Juni 1909 ist die Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft einer Abgabe von 1 v. H. dieses Erhöhungs­ betrags unterworfen, wenn das Grundkapital nicht mehr als 5 Mil­ lionen Mark beträgt, aber einem Steuersätze von P/4 v. H. dann, wenn das Grundkapital mehr als 5 Millionen Mark, aber nicht mehr als 10 Millionen Mark beträgt. Im vorliegenden Falle betrug das Grundkapital, mag man den Betrag der Erhöhung hinzurechnen oder von der Hinzurechnung absehen, bei der ersten Kapitalerhöhung von einer Million Mark nicht mehr als 5 Millionen Mark. Diese Er­ höhung war daher mit 1 v. H. des Erhöhungsbetrags, also mit 10000 Jt zu versteuern. Bei der im Jahre 1913 erfolgten Kapital­ erhöhung betrug das Grundkapital vor der Erhöhung nur 5 Millionen Mark und bei Hinzurechnung des Betrags dieser Erhöhung 7x/2 Mil­ lionen Mark. Im ersteren Falle käme der Steuersatz von 1 v. H., int zweiten der Steuersatz von P/4 v. H. zur Anwendung. Die Ent­ scheidung hängt daher bei dieser Erhöhung davon ab, ob man für

die Bestimmung des Steuersatzes das nichterhöhte Grundkapital oder ob man das erhöhte Grundkapital als maßgebend ansieht. Legt man das erhöhte Kapital zugrunde, so wirkt dies auch auf die Stempelpflichtigkeit der ersten Erhöhung insofern zurück, als nunmehr auch für diese nach der Vorschrift im Abs. 2 der Tarifstelle die Anwen­ dung des höheren Steuersatzes von P/4 v. H. sich ergibt. Der Steueranspruch des Beklagten ist hiernach in vollem Umfange be­ gründet, wenn er darin Recht hat, daß der Steuersatz nach dem Grundkapital zu bestimmen ist, das nach der erfolgten Erhöhung vorhanden ist. Im Urteile vom 18. Juni 1912 (RGZ. Bd. 80 S. 9) hatte der erkennende Senat hinsichtlich der Bestimmung des Steuersatzes die Hinzurechnung des Betrags der Erhöhung zu dem bis zur Er­ höhung bestehenden Kapital, die für Gesellschaften m. b. H. in der Spalte 4 Nr. 2 der Tarifst. 25 zu a ausdrücklich angeordnet ist, für die Aktiengesellschaften abgelehnt, soweit es sich um Grund­ kapital handelte, das schon zur Zeit des Inkrafttretens des Stempel­ gesetzes vom 30. Juni 1909 vorhanden war. In dem Urteile vom 26. März/30. April 1915 VII. 454/14 hat sich der Senat ohne nähere Begründung — der Streit der Parteien betraf einen anderen Punkt — auf den entgegengesetzten Standpunkt gestellt, was sich schon daraus ergibt, daß damals die Zurückverweisung des Rechts­ streits in die Vorinstanz in vollem Umfange erfolgt ist, während bei Anwendung der Grundsätze des Urteils vom 18. Juni 1912 die Sache zu einem wesentlichen Teile reif für die Entscheidung zuungunsten des Fiskus gewesen wäre. Bei nochmaliger Prüfung der Streitfrage glaubt der Senat, in Übereinstimmung mit dem Berufungsrichter,

die Grundsätze des Urteils vom 18. Juni 1912 nicht in vollem Um­ fange ausrecht erhalten zu sollen, wenngleich sie mit dem Wortlaute der Tarifstelle nicht unvereinbar sind. Die Zweifel, die für die eine sowohl als auch für die andere Auslegung der Tarifstelle sich auf­ drängen, haben ihre Ursache darin, daß wesentliche Änderungen der

Regierungsvorlage in der Kommission des Abgeordnetenhauses vor­ genommen worden sind und daß dabei die Gesetzesvorschrift nicht einheitlich neu gefaßt, die alte Fassung vielmehr zum größten Teile beibehalten und dadurch der Gesetzesinhalt unübersichtlich ge­ worden ist.

Für die Gesellschaften m. b. H. war schon im Stempelsteuergesetze

vom 31. Juli 1895 und ist auch in der Neufassung von 1909 durch ausdrückliche Vorschrift angeordnet worden, daß die Anwendung des gestaffelten Steuersatzes bei Kapitalerhöhungen sich nach dem Betrage

deS Stammkapitals unter Hinzurechnung des Betrags der Erhöhung regelt.

In der dieser Vorschrift örtlich vorangehenden Vorschrift der

Nr. 1

der Tarifs!. 25 zu a, in der die Versteuerung der Kapital­

erhöhungen für Aktiengesellschaften geordnet ist, fehlt es im Abs. 1 in beiden Gesetzen an einer gleichen oder ähnlichen Bestimmung, ob­ schon durch

die neue Fassung auch für die Versteuerung der Er­

höhung des

Grundkapitals der Aktiengesellschaften eine Staffelung

des Steuersatzes eingeführt worden war und deshalb Anlaß vorlag, auch hier eine Vorschrift darüber zu erlassen, ob eine Hinzurechnung zu erfolgen habe.

Faßt man daher nur den Abs. 1 der Tarifstelle

ins Auge, so muß man zu der Auffassung gelangen, daß für die

Versteuerung der Kapitalerhöhungen der Erhöhungsbetrag bei Ge­ sellschaften m. b. H. dem Stammkapital, nicht aber bei Aktiengesell­

schaften dem Grundkapital hinzuzurechnen ist.

Das ist des näheren

im Urteile vom 18. Juni 1912 Bd. 80 auf Seite 9 bis 13 dargelegt. Die gegen die dortigen Ausführungen vom Berufungsrichter erhobenen

Bedenken sind nicht begründet; insbesondere ist aus der Wahl der

Gegenwartsform

„beträgt"

im Abs. 1 Nr. 1

zugunsten

einer

ab­

weichenden Auslegung nichts zu folgern, zumal dieselbe Gegenwarts­

form auch im Abs. 1 Nr. 2 hinsichtlich der Gesellschaften m. b. H. ge­ braucht ist, obschon hier die Hinzurechnung ausdrücklich angeordnet ist.

Erst in dem durch die Neufassung vom 30. Juni 1909 ein­ gefügten Abs. 2 findet sich ein unzweideutiger Anhalt dafür, daß auch für Aktiengesellschaften eine solche Hinzurechnung vom Gesetze bezweckt ist.

Nach der Regierungsvorlage sollte diese neue Vorschrift nur für

die Erhöhungen bei Gesellschaften m.b.H. gelten, und deshalb war in ihr nur von Hinzurechnung der Erhöhungsbeträge zum Stamm­

kapital, nicht auch zum Grundkapital die Rede.

Erst in der Kom­

mission wurden durch die Annahme des Antrags 43 Nr. 2 vor dem

Worte „Stammkapitals" die Worte „Grund- oder" eingefügt und dadurch der ganze Abs. 2 auch für Aktiengesellschaften anwendbar ge-

macht.

Da der Absatz die Zusammenrechnung ganz allgemein und

ohne Einschränkung vorsieht, wird man ihn nicht nur für den Fall entfd). in Zivils.

F. 40 (90).

3

der Nachversteuerung früherer Verträge und Beschlüsse, betreffend die Errichtung von Aktiengesellschaften und Erhöhungen des Grundkapitals,

obgleich er in erster Reihe gerade für die Nachversteuerungen gegeben war, sondern auch für die Erstversteuerung des letzten Erhöhungsbeschlusses — hier desjenigen vom 19. September 1913— anzuwenden haben.

Ist hiernach eine Aktiengesellschaft nach dem 30. Juni 1969

errichtet, so ist bei einer Kapitalerhöhung die Nachversteuerung unter Anwendung des erhöhten Steuersatzes nicht nur für das ursprüng­

liche Grundkapital und die vorangegangenen Erhöhungen vorzunehmen, sondern auch für die letzte Erhöhung der Steuersatz nach einem Be­

trage zu bestimmen, der sich aus der Zusammenrechnung des Grund­ kapitals und der sämtlichen Erhöhungen, auch Dem

entspricht

es

auch,

wenn

des

inhalts

der letzten, ergibt.

Kommissionsberichts

(Nr. 560A S. 26 der Verh. des Abg.H. 1908/09) ein Mitantrag­

steller des Antrags Nr. 43 erklärt hat, die Einschiebung der Worte

„Grund- oder" verfolge den Zweck, nach Einführung eines gestaffelten

Stempels .für Aktiengesellschaften die nach der Regierungsvorlage nur für die Gesellschaften m. b.H. vorgesehenen Bestimmungen über Zu­ sammenrechnung des ursprünglichen Kapitals und der Erhöhungen

auf die Aktiengesellschaften auszudehnen.

Ein Widerspruch hiergegen

oder sonst eine abweichende Auffassung ist bei der weiteren Beratung

des Gesetzentwurfs nirgends hervorgetreten.

Es fragt sich, ob die vorstehenden Grundsätze auch dann zu

gelten haben, wenn die Verträge und Beschlüsse, betr. die Errichtung der Aktiengesellschaften und die Erhöhung ihres Grundkapitals, ganz oder zum Teil vor dem 1. Juli 1909 liegen.

Hierüber bestimmt

der Abs. 2 im letzten Satze, daß die vor diesem Zeitpunkte beurkun­

deten Verträge oder Beschlüsse von der Vorschrift des Abs. 2 „un­ berührt" bleiben.

Daraus folgt zunächst so viel, daß jedenfalls diese

vor dem 1. Juli 1909 liegenden Verträge und Beschlüsse selbst nicht

zur Nachversteuerung gezogen werden dürfen.

Fraglich kann aber

sein, ob bei der Nachversteuerung auch das durch solche vor dem

1. Juli 1909 liegende Errichtungsverträge geschaffene ursprüngliche Grundkapital sowie die durch solche Erhöhungsbeschlüsse bestimmten

Erhöhungsbeträge auch für die durch den Abs. 2 an sich gebotene Zusammenrechnung auszuscheiden haben, so daß für den Steuersatz ausschließlich

die Kapitalzuführungen zusammenzurechnen sind,

die

seit dem 1. Juli 1909 der Aktiengesellschaft zugewendet worden sind.

Im Urteile vom 18. Juni 1912 (Bd. 80) ist auf S. 14 der Abs. 2 dahin ausgelegt worden, daß jene vor dem 1. Juli 1909 liegenden

Verträge und Beschlüsse für die Anwendung des Abs.2 völlig aus« scheiden, derart, daß eine Zusammenrechnung des Kapitals und des

Betrags späterer Erhöhungen zum Zwecke der Nachversteuerung nur

für die seit dem 1. Juli 1909 beurkundeten Verträge und Beschlüsse zulässig sei. Diese Auffassung ist jedoch als zu weitgehend nicht aufrecht

zu

erhalten.

Bei

Gesellschaften

m. b. H.

war

nach

Abs. 1 Nr. 2 schon seit 1895 auch bei der Erstversteuerung der Er­

höhungsbeschlüsse das zur Zeit der Erhöhung

vorhandene (unver­

mehrt gebliebene oder durch Erhöhungsbeschlüsse schon vermehrte) Grundkapital mit dem Betrage der letzten zu versteuernden Kapitalerhöhung zusammenzurechnen.

Diesen Grundsatz, der nunmehr nicht

nur für die Gesellschaften m.b.H., sondern auch für die jetzt ihnen

in diesem Punkte steuerlich gleichgestellten Aktiengesellschaften zu gelten hat, für die Nachbesteuerung und auch für die Erstversteuerung in­

soweit auszuschließen, als bei der Zusammenrechnung vor dem 1. Juli 1909 liegende Verträge und Beschlüsse in Betracht kommen, dazu bietet der Wortlaut und Sinn des Gesetzes keinen ausreichenden An­

halt.

Es fehlt auch an einem genügenden gesetzgeberischen Grunde

für eine solche Einschränkung. Im vorliegenden Falle waren daher die beiden nach dem Inkrafttreten der Neufassung des Stempelsteuer­ gesetzes erfolgten Kapitalerhöhungen nach dem höheren Steuersätze von lx/4 v. H. zu versteuern, und hieraus ergibt sich, daß die Re­ vision unbegründet ist."

10.

Verstößt es gegen die guten Sitten, wenn sich ein Arzt bei

seiner Anstellung in einer gewerblich betriebenen Privatkrankeuaustalt

der nicht ärztlich vorgebildeten Inhaberin der Anstalt gegenüber ver­ pflichtet, nach seinem Ausscheiden eine Zeitlang keine Konkurrenz­ praxis am Sitze der Anstalt zn betreiben?

BGB. § 138.

III. Zivilsenat.

Urt v. 16. März 1917 i. S. S. (Kl.) w. L. (Bekl.). Rep. III. 395/16.

I. II.

Landgericht Darmstadt. Oberlandesgericht daselbst.

Durch Vertrag vom 6. Januar 1914 stellte die Beklagte den

Kläger

vom

1. Oktober

1914 ab als Abteilungsoberarzt für die

chirurgische Abteilung an der ihr gehörigen Heilanstalt unter Vor­ behalt eines beiden Teilen znstehenden halbjährigen Kündigungsrechts an.

In dem Vertrage verpflichtete sich der Kläger, nach Aufhebnng

des Vertrags, einerlei aus welchm Gründen und von welcher Seite diese erfolgen möge, auf die Dauer von drei Jahren in Darmstadt selbst und in den

Vororten Darmstadts keinerlei Konkurrenzpraxis,

weder selbständig noch als angestellter Arzt, bei Meidung einer Ver­ tragsstrafe von 10000 Jl zu betreiben; diese Bestimmung sollte aber hinfällig sein, wenn die Heilanstalt ihren Charakter aufgeben oder

geschlossen werden sollte.

Am 22. März 1915 kündigte die Beklagte

dem Kläger zum 22. September 1915. Der Kläger begehrt nun die Feststellung der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes.

haben ihn abgewiesen.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Seine Revision hatte Erfolg.

Gründe: „In dem Urteile vom 11. Juni 1907 (RGZ. Bd. 66 S. 143) hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß für Ärzte und Rechts­ anwälte ein vertragsmäßiges Wettbewerbsverbot kraft ihrer Berufs­

stellung an sich schlechthin gegen die guten Sitten sei, und zur Be­ gründung ausgesührt, das eigentümliche und entscheidende Gepräge beider Berufe liege darin, daß sie fundamentale, allgemeine, öffentliche Zwecke, nämlich die der Gesundheitspflege und der Rechtspflege, auf

Grund staatsseitig geforderter und gewährleisteter wissenschaftlicher Vorbildung unter besonderer Verantwortung zu erfüllen haben; sie

seien Träger geistiger Kräfte im Dienste des Gemeinwohls und des­ halb seien Wettbewerbsabkommen zwischen Ärzten wie zwischen Rechts,

anwälten in besonderem Maße anstößig.

Es zieme nach allgemeiner

Anschauung den Vertretern dieser wissenschaftlichen, staatlich geord­

neten, den wichtigsten Gemeininteressen dienenden Berufe nicht, der Berufsausübung irgendeine Beschränkung (nach Ort, nach Zeit oder gegenständlich) aufzuerlegen oder auferlegen zu lassen; diese Berufe

müßten frei sein kraft der ihnen innewohnenden sittlichen Würde im öffentlichen Interesse. Es verletze das öffentliche Interesse unmittelbar,

wenn für die Ausübung dieser Berufe private Monopole irgend­ welcher Art geschaffen und diese der Allgemeinheit gewidmeten Funk­

tionen in privatem Interesse und zu privatem Nutzen irgend gehemmt

und gebunden würden.

Auf Grund dieser Ausführungen, die mit der grundsätzlichen Auffassung des erkennenden Senats in späteren, die Stellung der Ärzte betreffenden Entscheidungen im Einklänge stehen ($. B. RGZ. Bd. 68 S. 186; Jur. Wochenschr. 1915 S. 696, auch Warneyer 8. Jahrg. S. 241 Nr. 162) und deren Richtigkeit der VII. Zivilsenat in seinem

Urteile vom 15. Oktober 1912 (RGZ. Bd. 80 S. 223) nicht etwa bekämpft, sondern nur dahingestellt sein läßt, ist auch in dem vorliegenden Falle die Rechtsgültigkeit des Wettbewerbsabkommens auf Grund des § 138 BGB. zu verneinen.

Die Gründe, aus denen das Landgericht

und das Oberlandesgericht die Anwendbarkeit jener Ausführungen auf den gegebenen Fall verneint haben, sind nicht zu billigen.

Da die sittliche Würde und die öffentlichrechtliche Bedeutung des

ärztlichen Berufs, dar öffentliche Interesse an einer guten Gesundheits­ pflege die freie, ungebundene Ausübung dieses Berufs fordern, ist die Auf­ erlegung einer Beschränkung der Berufs ausübung mit den guten Sitten nicht nur dann unvereinbar, wenn sie durch einen Vertrag zwischen zwei gleichgestellten Ärzten erfolgt, sondern auch wenn sich ein Arzt einer nicht ärztlich vorgebildeten Inhaberin einer gewerblich betriebenen Privatkrankenanstalt zur Unterlassung der Wettbewerbes verpflichtet.

Nicht die Stellung desjenigen, zu dessen Gunsten das Wettbewerbs­ verbot vereinbart ist, entscheidet, sondern die des Verpflichteten; ist dieser ein Arzt, so verstößt die Beschränkung gegen die guten Sitten,

auch wenn damit ein gewerbliches Unternehmen gegen den Wett­ bewerb geschützt werden soll.

Ob die Sittenwidrigkeit zu verneinen

ist, wenn der Arzt sich lediglich verpflichtet, einen gewerblichen An­

staltsbetrieb zu unterlassen, bedarf hier keiner Entscheidung;

denn

dem Kläger ist, wie die Revision mit Recht hervorhebt, in dem Ver­

trage die Verpflichtung auferlegt, keinerlei Konkurrenzpraxis, weder selbständig noch als angestellter Arzt, zu betreiben, sich also jeder

ärztlichen Berufsausübung in Darmstadt und dessen Vororten zu enthalten. Mit der Entscheidung vom 11. Juni 1907 ist weiter auch die

Erwägung unvereinbar, daß ein Wettbewerbsabkommen im Interesse

des Unternehmers einer gewerblichen Anstalt unentbehrlich und nicht sittenwidrig sei, daß es vielmehr umgekehrt sittenwidrig erscheinen

würde, wenn ein an einer solchen Anstalt angestellter Arzt, nachdem

er jahrelang die Vorteile einer gesicherten Stellung genossen und sich die Kenntnis des Patientenkreises verschafft habe, unter Ausnützung

der geschaffenen Beziehungen und der durch seine Anstaltstätigkeit

erlangten Kenntnisse seinen bisherigen Dienstherrn durch ungehinderte Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an demselben Orte schädigen könnte.

Wäre diese Erwägung ausschlaggebend, so hätte sie auch in dem da­ mals entschiedenen Falle zur Verneinung der Sittenwidrigkeit führen

müssen, denn es handelte sich auch dort um einen Vertrag, durch den ein Arzt von einem anderen als Assistent gegen ein festes Ge­

halt

auf Jahre angestellt war.

Gegenüber dem oben erwähnten

Grundsätze, daß das öffentliche Interesse an einer guten Gesundheits­

pflege die Beschränkung der ärztlichen Berufsausübung verbiete, fällt

jene Erwägung nicht ins Gewicht. Endlich schlägt auch die Ausführung der Vorinstanzen nicht

durch, der hier vertretene Standpunkt müsse dahin führen, daß dem Arzte auch

während seiner Anstellung an der Krankenanstalt keine

Schranke hinsichtlich seiner Berufsausübung auferlegt werden dürfe.

Daß einem angestellten Arzte während der Dauer seiner Anstellung die Ausübung jeder Berufstätigkeit außerhalb des Anstellungsver-

hältniffes verboten wird, hat regelmäßig seinen Grund darin, daß er seine ganze Arbeitskraft dem Interesse seines Dienstherrn zu wid­

men hat, und verstößt insoweit nicht gegen die sittliche Würde und die öffentlichrechtliche Bedeutung des ärztlichen Berufs.

Ob etwas

anderes anzunehmen ist, wenn ausnahmsweise durch ein solches Ver­

bot einem nicht voll beschäftigten Arzte nur der Wettbewerb untersagt

werden soll, bedarf zurzeit keiner Entscheidung. Demnach ist dem Feststellungsantrage des Klägers zu entsprechen."

1. Zur Frage der Gültigkeit von Verträgen freier Krankenkaffenvereinigungen mit Ärzten. „2. Bedarf einer Genehmigung der einzelne Vertrag oder nur die Übernahme der Aufgabe, gemeinsam Arztverträge vorzubereiten und abzuschließen? 11.

Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (RGBl. S. 509) §§ 406 flg., 414.

III. Zivilsenat.

Urt v. 16. März 1917 i. S. L. (Kl.) w. Allg.

Ortskrankenkasse St. u. Gen. (Bell.). I.

II.

Rep.III. 402/15.

Landgericht Stettin. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger war von den beklagten Stettiner Krankenkassen während ihres Streite- mit den Ärzten durch Vertrag vom 14. No» vember / 29. Dezember 1913 für die Zeit vom 1. Januar 1914 bis

zum 31. Dezember 1923 zum Kassenärzte bestellt, nach der Einigung mit den bisherigen Ärzten im Stettiner Abkommen vom 5. Januar 1914 aber vorbehaltlich seiner Ansprüche von der kassenärztlichen Tätig­

keit entbunden worden.

Seine auf den erwähnten Vertrag gestützten

Ansprüche wurden von der ersten Instanz im wesentlichen anerkannt.

Das Berufungsgericht erklärte den Vertrag für nichtig und wies die Klage ab.

Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.

Gründe: „Die Abweisung der Klage rechtfertigt sich durch die Feststellung, daß die beklagten Kassen sich ohne die nach § 414 Satz 2 RBO. erforderliche Genehmigung zum gemeinsamen Abschlüsse von Verträgen mit Ärzten (§ 407 Nr. 2 RVO.) vereinigt und zur Erfüllung dieser

Aufgabe auch den hier streitigen Vertrag gemeinsam abgeschlossen haben.

Daraus folgt, wie der Senat im Urteile vom 23. April 1915

(RGZ. Bd. 86 S. 371) in Sachen der Elbinger Krankenkassen aus­ gesprochen hat, nicht bloß die Unzulässigkeit des Zusammenschlusses, sondern auch die Verbotswidrigkeit und Nichtigkeit des mit dem Arzte

abgeschlossenen Vertrags (§ 134 BGB.).

Was die Revision dagegen

vorbringt, ist nicht geeignet, die dort aufgestellten Grundsätze zu wider­ legen oder ihre Anwendung auf den vorliegenden Fall auszuschließen.

Die Revision will daraus, daß 8 414 nur von Kassenvereini­ gungen spricht, die den allgemeinen Zwecken der Krankenhilfe dienen, folgern, daß auch das Erfordernis der Genehmigung zur Übernahme

einzelner der im § 407 bezeichneten Aufgaben nur für Kassenvereini­

gungen jener Art gelte, und verweist darauf, daß die Versicherungs­

ordnung freie Kassenvereinigungen allgemein zulasse.

Allein der letztere

Umstand berechtigt nicht zu dem Schlüsse, daß freie Kassenvereinigungen

auch die den Kassenverbänden nach §§ 406 flg. zugewiesenen besonderen Aufgaben unbeschränkt übernehmen dürfen.

Die Auffassung der Re­

vision würde dazu führen, daß neben den Kassenverbänden, denen

im § 407 besondere Aufgaben, darunter die gemeinsame Vorbereitung und Abschließung von Verträgen mit Ärzten, zugewiesen sind, und

neben den Kassenvereinigungen, die nach § 414 zur Übernahme solcher Aufgaben der Genehmigung

der obersten Verwaltungsbehörde be­

dürfen, noch andere Vereinigungen beständen, die in diesem Punkte jeder gesetzlichen Regelung entbehrten, also alle Aufgaben, die den

Kassenverbänden zugewiesen sind, ohne jede Einschränkung übernehmen könnten. Das würde aber den ganzen Aufbau des Kassenverbands­ rechtes in Frage stellen und kann deshalb auch nicht als Sinn des

Gesetzes

erachtet werden.

Daraus,

daß § 414 nur von solchen

Kassenvereinigungen spricht, die den allgemeinen Zwecken der Kranken­ hilfe dienen, ließe sich eher folgern, daß Kassenvereinigungen anderer

Art die in § 407 aufgeführten Aufgaben überhaupt nicht, auch nicht mit Genehmigung der obersten Verwaltungsbehörde, übernehmen dürfen. In jedem Falle aber ist der im Urteile vom 23. April 1915 ge­

zogene Schluß begründet, daß, wennschon Vereinigungen, die den allgemeinen Zwecken der Krankenhilfe dienen, zur Übernahme der fraglichen Aufgaben einer Genehmigung bedürfen, dies erst recht

gelten muß, wenn sich Bereinigungen gerade nur für einen solchen

Zweck bilden. Richtig ist nur, daß es der Genehmigung lediglich für die Über­ nahme der Aufgabe, gemeinsam Arztverträge vorzubereiten und ab­ zuschließen, nicht für den einzelnen Vertrag bedarf.

Die gegenteilige

Annahme des Berufungsgerichts beruht auf einem Mißverständnis des Urteils vom 23. April 1915, das auch sonst (vgl. die Über­ schriften bei Wiedergabe des Urteils in Jur. Wochenschr. 1915 S. 660

Nr. 13 und in „Die Arbeiterversorgung" 1915 S. 471) hervorgetreten,

im Inhalte des Urteils aber nicht begründet ist. Die vom Regierungs­ präsidenten in Stettin in der vom Berufungsgericht eingeholten Äuße­ rung vertretene Auffassung, die im § 414 vorgesehene Genehmigung

beziehe sich nicht auf die einzelnen Verträge, sondern bedeute nur die Ermächtigung zur Übernahme einzelner der im § 407 bezeichneten

Aufgaben, ist also zutreffend.

Sie berührt aber nicht den nach dem

Urteile vom 23. April 1915 entscheidenden Gesichtspunkt, daß nämlich das Fehlen der für die Übernahme der besonderen Aufgabe erforder­ lichen Genehmigung auch den zur Erfüllung der Aufgabe geschlossenen Vertrag verbotswidrig und nichtig macht.

Das den Ausführungen

des Berufungsgerichts zugrunde liegende Mißverständnis ist jedoch für die Entscheidung belanglos. Denn auch eine Genehmigung zur Übernahme der unter § 407 fallenden Aufgabe des Abschlusses von Arztverträgen durch die vereinigten Kassen liegt nach dem vom Berufungs­ gerichte festgestellten Sachverhalt nicht vor. Sie ist namentlich nicht,

wie die Revision will, in der Mitwirkung des Regierungspräsidenten und eines Vertreters des zuständigen Ministers bei dem Stettiner Ab­

kommen zu finden.

Denn das Abkommen befaßte sich zwar, soweit dies

für das Verhältnis der damaligen Vertragsteile, der Krankenkassen und

der bisherigen Kassenärzte, geboten war, auch mit den Verträgen der von auswärts zugezogenen Ärzte, nahm aber zu ihrer Gültigkeit wie

zur Zulässigkeit der Kassenvereinigung keine Stellung, sondern setzte

beides als gegeben voraus.

Daß die zuständigen Behörden gegen

die Vereinigung und die von ihr abgeschlossenen Verträge nichts er­

innerten, erklärt sich durch die irrige Meinung, es bedürfe keiner Ge­ nehmigung zur Übernahme der Aufgabe einer gemeinsamen Abschließung von Arztverträgen durch die beklagten Kassen, und kann nicht als

Ausdruck eines Genehmigungswillens betrachtet werden.

Was das

Berufungsgericht gegen die Annahme einer stillschweigenden Genehmi-

gung der Verträge ausführt, trifft also in gleicher Weise für die Frage zu, ob eine Genehmigung der Übernahme der Aufgabe des gemeinsamen Abschlusses von Arztverträgen stattgefunden hat.

Mit Unrecht bestreitet die Revision ferner, daß eine Kassenvereini­ gung vorliegt.

Daß die beklagten Kaffen sich zum gemeinsamen Ab­

schlüsse von Arztverträgen verbunden hatten und daß zur Erfüllung dieser Aufgabe der streitige Vertrag abgeschlossen wurde, hat das Berufungs­

gericht einwandfrei festgestellt. Die Kaffen haben danach die vor­ bereitenden Verhandlungen mit den Ärzten unter dem Namen „Ver-

einigung Stettiner Orts-, Betriebs- und Jnnungskrankenkassen zum Abschlüsse von Arztverträgen" geführt und die Arztverträge durch die

von ihnen bevollmächtigte Kommission gemeinsam abgeschlossen.

Es

handelt sich dabei nicht, wie die Revision will, um eine Summe von Einzelverträgen, die nur äußerlich in einer Urkunde zusammengefaßt

sind, sondern um einen gemeinschaftlichen Vertrag, der wegen dieser Gemeinschaftlichkeit auch eine gesamtschuldnerische Haftung der be­

teiligten Kassen für das im Vertrage gewährleistete Mindesteinkommen

Insoweit kommt also auch, was die Revision mit Un­

begründete.

recht bestreitet, eine Verfügung über die Mittel der einzelnen Kassen für den gemeinsamen Zweck in Frage.

Die Revision ist daher unbegründet."

12.

Ist über die Berufung des dem beklagten Staatsanwalt gemäß

§ 666 Abs. 3 ZPO. beitrrteuden Antragstellers bei dessen Aus­ bleiben durch Bcrsäumnisurteil oder durch streitiges Endurteil zu

entscheiden, wenn der Staatsanwalt zur Sache verhandelt und die Zurückweisung der Berufung beantragt?

ZPO. § 666 Abs. 3, § 62. IV. Zivilsenat.

Urt. v. 1. März 1917 i. S. Staatsanwalt (Bell.)

u. G. w. Ph. (Kl.). I. II.

Rep. IV. 322/16.

Landgericht II Berlin. Kammergericht daselbst.

Der Kläger ist auf den Antrag seiner Schwester, Frau G., wegen Geisteskrankheit entmündigt worden.

Er hat diesen Beschluß

mittels der gegen den Staatsanwalt erhobenen Klage angefochten. Frau G. trat dem Staatsanwalt mit dem Antrag auf Klagabwei­ sung bei.

Das Landgericht erkannte auf Aufrechterhaltung des an­

gefochtenen Beschlusses mit der Maßgabe, daß die Entmündigung des

Klägers wegen Geistesschwäche erfolgt.

Frau G. legte Berufung ein

und beantragte gänzliche Abweisung der Klage. schaft nahm an dem Verfahren teil.

Die Staatsanwalt­

In dem Verhandlungstermine

vom 29. Juni 1916 entfernten sich die Prozeßbevollmächtigten der Frau G. nach Ablehnung eines Vertagungsantrags, ohne sachliche

Anträge zu stellen.

anwaltschaft

Der Kläger und der Vertreter der Staats­

verhandelten sodann

zur Sache,

wobei der Staats­

anwalt die gesamten Behauptungen, die von Frau G. zur Begrün­ dung ihrer Berufung vorgebracht waren, vortrug und sich zu eigen

machte, sie aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht für geeignet erklärte, eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu rechtfertigen, und deshalb die Zurückweisung der Berufung beantragte. Der Kläger erbat gleichfalls die Zurückweisung der Berufung und zwar in erster Linie durch kontradiktorisches Urteil, in zweiter Linie durch Versäumnisurteil. Das Kammergericht wies die Berufung unter Würdigung des gesamten Prozeßstoffs als sachlich unbegründet zurück. Frau G. legte sowohl Einspruch als auch Revision ein. Sie vertrat den Standpunkt, daß gegen sie nur ein Bersäumnisurteil

habe erlassen werden dürfen. Die Revision wurde als sachlich unbegründet zurückgewiesen. Aus den Gründen: „Die Zulässigkeit der Revision unterliegt keinem Bedenken. Die Begründung des Berufungsurteils ergibt, daß das Kammer­ gericht die Frau G. im Termine vom 29. Juni 1916 als durch den zur Sache verhandelnden Oberstaatsanwalt gemäß § 62 ZPO. ver­ treten angesehen, die Voraussetzungen für den Erlaß eines Versäum­ nisurteils als nicht gegeben erachtet und demgemäß ein streitiges Endurteil hat erlassen wollen. Wäre diese Absicht des Berufungs­ gerichts für die dem Urteile beizumessende Bedeutung maßgebend, so würde sich daraus ohne weiteres ergeben, daß das Berufungsurteil vom 29. Juni 1916 nicht dem Einspruch unterliegt, sondern mit der Revision angefochten werden kann. Das Reichsgericht hat aber be­ reits mehrfach ausgesprochen, daß ein Urteil, das seinem Inhalte nach den Ausschluß einer Partei mit neuem Vorbringen als Säumnisfolge ergibt, auch dann ein Versäumnisurteil sei, wenn die Absicht des Gerichts nicht auf den Erlaß eines Versäumnisurteils gerichtet ge­ wesen ist (RGZ. Bd. 28 S. 393; 35 S. 345; 50 S. 387; Jur. Wochenschr. 1916 S. 751 Nr. 17; Warneyer 1916 Nr. 259). Auch die von diesem Standpunkt aus gebotene Nachprüfung des Berufungs­ urteils führt zu dem Ergebnis, daß es kein Versäumnisurteil ist. Frau G. ist zufolge ihrer Ladung zu dem auf die Klage an­ beraumten Verhandlungstermine dem in der Parteirolle des Beklagten befindlichen Staatsanwalt beigetreten, sie gilt daher gemäß § 666 Abs. 3 ZPO. im Sinne des § 62 als Streitgenosse des Beklagten. Daraus ergibt sich, daß Frau G., wenn sie auch nicht selbst Partei geworden, sondern Nebenintervenient geblieben ist, nicht den im

44

12.

Notwendige Streitgenoffenschaft in Entmündigungssachen.

§ 67 ZPO. bezeichneten Beschränkungen unterliegt, vielmehr für den

Prozeßbetrieb einem Streitgenossen gleichsteht und Prozeßhandlungen

auch im Widerspruche mit denen der Hauptpartei wirksam vornehmen kann (RGZ. Bd. 34 S. 363; 42 S. 392), daß ferner auch im Ver­

hältnis zwischen ihr und dem Staatsanwalt die Vorschrift des § 62 gilt, nach der bei Versäumung eines Termins oder einer Frist durch einen Streitgenossen der Säumige als durch den Nichtsäumigen ver­ treten angesehen wird und in dem späteren Verfahren zuzuziehen ist.

An dieser Rechtsstellung der Frau G. im Prozeß ist auch in der Be­ rufungsinstanz keine Änderung eingetreten. Die Berufung, die von ihr eingelegt ist, nachdem das erstinstanzliche Urteil sowohl ihr selbst als auch dem Staatsanwalt zugestellt war, war dem Staatsanwalt

gegenüber dergestalt wirksam, daß er für die Berufungsinstanz Partei blieb, obwohl er selbst keine Berufung eingelegt hatte, und daß er

auch zu dem Verfahren in der Berufungsinstanz zuzuziehen war (Urteil

vom 20. März 1906, III. 350/05; 10. Januar 1907, IV. 238/06). Der Staatsanwalt ist auch dadurch, daß er den Antrag stellte, die

Berufung zurückzuweisen, nicht Gegner der Frau G. und Streitgenosse

des Klägers geworden.

Das Gesetz weist dem Staatsanwalt, sofern

er nicht selbst als Kläger auftritt, in dem Verfahren auf Anfechtung

des Entmündigungsbeschlusses die Rolle des Beklagten zu (§ 666 Abs. 1 ZPO.); er ist daher mit Notwendigkeit auch Beklagter, wenn

er der Anfechtungsklage des Entmündigten znstimmt und sich, dem Anträge

des Klägers

anschließt (RGZ. Bd. 13 S. 432).

Dem

Antragsteller, der das Entmündigungsverfahren veranlaßt hat, ver­

sagt dagegen das Gesetz im Anfechtungsprozeß eine selbständige Par­

teirolle, es gestattet ihm nur den Beitritt zu einer der beiden Haupt­ parteien mit der Wirkung, daß er als notwendiger Streitgenosse der­

jenigen Hauptpartei gilt, der er beigetreten ist.

Der Antragsteller,

der die Anfechtungsklage bekämpft, wird daher auch dann als Streit­

genosse des Staatsanwalts im Sinne des § 62 ZPO. behandelt,

wenn der Staatsanwalt den Klagantrag unterstützt.

Die Prozeßlage

ist in diesem Falle die gleiche, wie wenn von zwei notwendigen Streitgenossen

einander

widersprechende

Anträge

gestellt

werden,

d. h. keiner der Streitgenossen kann grundsätzlich durch seine Prozeß. Handlungen diejenigen des andern verhindern oder vereiteln.

Dem­

gemäß vermag der Staatsanwalt durch seinen Antrag auf Zurück-

Weisung der Berufung des Antragstellers die Durchführung der Be­

rufung nicht zu verhindern, es muß vielmehr von dem Gericht auf

Grund der gesamten Sach- nnd Rechtslage über die Berufung in

gleicher Weise entschieden werden, als wenn sich der Staatsanwalt

der Berufung angeschlossen hätte.

Aber auch in diesen Fällen gilt

die Vorschrift des § 62 ZPO., daß bei der Versäumung eines Ter­ mins der säumige Streitgenosse durch den nichtsäumigen als vertreten

anzusehen ist. Die Ansicht der Revision, daß diese Vorschrift nur dann zur Anwendung kommen dürfe, wenn der säumige und der nichtsäumige

Streitgenosse eine sich deckende Haltung im Prozeß einnähmen, findet im Gesetze keine Stütze. Der Vertretungsgrundsatz ist im § 62 für alle dort behandelten Fälle der notwendigen Streitgenossenschaft ohne

jede Einschränkung aufgestellt und muß,

da für die notwendigen

Streitgenossen kein gesetzlicher Zwang zu gemeinsamem Handeln be­

steht, auch bei ihrem widerstreitenden Verhalten int Prozeß Anwen­ dung finden.

Die Vorschrift des § 62 ZPO. bezweckt, für einer ein­

heitlichen Entscheidung bedürfende Prozesse den Erlaß widersprechender Entscheidungen zu verhüten.

Das hätte sich allerdings schon durch

das Verbot eines Vcrsäumnisurteils gegen den säumigen Streitgenossen erreichen lassen, aber dadurch wäre diesem die Möglichkeit eröffnet worden, durch fortgesetzte Säumnis die Entscheidung erheblich zu ver­

zögern oder überhaupt zu vereiteln.

Um dieser Gefahr im Interesse so­

wohl des Gegners als auch des nichtsäumigen Streitgenossen zu begegnen,

wurde bestimmt, daß der säumige als durch den nichtsäumigen Streit­

genossen vertreten anzusehen sei.

Wenn dabei auch in erster Linie

die Erwägung bestimmend gewesen sein mag, daß im Regelfälle die Interessen der Streitgenossen gleichlaufende sein und die nichtsäumigen

Streitgenossen

daher

auch

die Interessen der säumigen genügend

wahren würden, so ließ sich doch der erstrebte Zweck, ungeachtet der

Säumnis einzelner Streitgenossen sofort eine einheitliche und end­ gültige Entscheidung zu ermöglichen, nur durch Aufstellung eines für

alle Fälle gleichmäßig geltenden Grundsatzes erreichen.

Da es sich

bei der Vorschrift des § 62 nicht nur um den Schutz der säumigen

Streitgenossen, sondern wesentlich auch um die Wahrung der Inter­ essen der übrigen Prozeßbeteiligten handelt, würde die von der Re­

vision vertretene einschränkende Auslegung nicht als dem Willen des

Gesetzes entsprechend anzusehen sein.

Denn die Gefahr einer mut­

des Rechtsstreits

willigen Verzögerung

durch die Versäumnis der

Termine durch einzelne Streitgenossen, der durch § 62 vorgebeugt werden soll, besteht besonders in den Fällen, in denen zwischen den

Streitgenossen Uneinigkeit über das Verhalten im Prozesse herrscht.

Gerade für diese Fälle lag also Grund zu einer gesetzlichen Maß­ nahme vor, die die Möglichkeit einer alsbaldigen einheitlichen und

endgültigen Entscheidung gewährleistet, und deshalb läßt sich nicht annehmen, daß diese Fälle von der Vorschrift des § 62 trotz des

allgemein gehaltenen Wortlauts nicht haben getroffen werden sollen. Es kann aber ferner auch nicht darauf ankommen, ob der nicht­

den säumigen zu vertreten

säumige Streitgenosse den Willen hat,

und dessen Rechtsstandpunkt zu wahren.

Das Gesetz knüpft die im

§ 62 bestimmte Wirksamkeit der Prozeßhandlungen des nichtsäumigen Streitgenossen für und gegen den säumigen nicht an die Voraus­

setzung, daß sie von dem Handelnden mit dem Vertretungswillen vorgenommen sind,

es schreibt vielmehr schlechthin vor, daß diese

Handlungen zugleich als in Vertretung des säumigen Streitgenossen geschehen zu behandeln sind, und stellt damit eine Fiktion dahin auf,

daß

der

werde.

säumige Streitgenosse durch

den nichtsäumigen vertreten

Bei der notwendigen Streitgenossenschaft muß daher jeder

Streitgenosse, der aus der Art der Prozeßführung des andern Nach­ teile

für sich befürchtet und diese vermeiden will, seine Interessen

wahrnehmen.

Versäumt er eine Frist oder einen Termin, so muß

er die ihm aus der Prozeßführung des andern entstehenden Nachteile

als gesetzliche Folgen seiner Säumnis auf sich nehmen.

Im vor­

liegenden Falle hat aber der Oberstaatsanwalt tatsächlich die Inter­ essen

der Frau G. vertreten.

des Berufungsurteils

Denn er hat nach der Feststellung

den gesamten Prvzeßstoff,

insbesondere das

Beweisergebnis und alle bisher von der Streitgenossin ausgestellten tatsächlichen Anführungen vorgctragen und sich zu eigen gemach'.

Daß er den Sachverhalt anders gewürdigt und zur Rechtfertigung

der Berufung nicht als ausreichend bezeichnet hat, kommt nicht in Betracht.

Denn die Schlußfolgerungen, welche aus dem vorgetra-

gelten Sachverhalt zu ziehen

waren,

unterlagen

der Nachprüfung

des Gerichts, das in dieser Hinsicht an die Beurteilung des Ober­ staatsanwalts nicht gebunden war.

Auch der Umstand,

daß der

Oberstaatsanwalt die Zurückweisung der Berufung beantragt hatte, bildete kein prozessuales Hindernis, daß der Berufung hätte statt­

gegeben werden können.

Zum Vortrage des Sachverhalts gehörte

nach Lage der Sache die Mitteilung der Tatsache, daß die Streit­ genossin Berufung eingelegt, und des Antrags, den sie in der Be­ rufungsinstanz gestellt hatte.

Damit war den prozessualen Voraus­

setzungen für den Erlaß eines der Berufung stattgebenden Urteils genügt.

Eine Zurücknahme der Berufung oder des Berufungsantrags

der Frau G. konnte den Umständen nach in dem Anträge des Ober­ staatsanwalts auf Zurückweisung der Berufung nicht gefunden werden.

Es braucht deshalb nicht erörtert zu werden, ob der Oberstaatsan­ walt zu einer wirksamen Zurücknahme des Rechtsmittels überhaupt

in der Lage gewesen wäre.

Hiernach hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenom­

men, daß Frau G. im Termine vom 29. Juni 1916 gemäß § 62 ZPO. als durch den Oberstaatsanwalt vertreten anzusehen und dem­ gemäß der Erlaß eines Versäumnisurteils gegen sie unzulässig war, vielmehr unter Würdigung des gesamten Prozeßstoffs eine sachliche Endentscheidung erlassen werden mußte.

Das Urteil vom 29. Juni

1916 ist hiernach kein Versäumnisurteil und unterliegt nicht dem

Einsprüche, sondern der Anfechtung im Wege der Revision." ...

13.

1.

Ist 8 26 der Gewerbeordnung anwendbar bei Beeinträch­

tigungen des Flußanliegerrechts des Grundstückseigentümers

durch

Entziehung des an seinem Grundstücke vorbeifließenden Wassers? 2. Zeitliche Herrschaft des preuß. Wassergesetzes vom 7. April 1913 (GS. S. 53). V. Zivilsenat.

Bedeutung des § 379 dieses Gesetzes.

Urt. v. 3. März 1917 i. S. Stadt Tr. (Bekl.) w. A. (Kl.).

L II.

Rep. V. 370/16.

Landgericht Trier. Oberlandesgericht Cöln.

Die Kläger sind Eigentümer der Felsenmühle, welche im Tale der kleinen Dhr. an diesem Bache liegt und aus ihm durch einen

13.

48

Wasserrecht.

Mühlgraben das zum Betriebe dienende Wasser erhielt.

Die Be­

klagte hat auf Grund einer ihr am 22. April 1911 erteilten gewerbe­ polizeilichen Genehmigungsurkunde an der kleinen Dhr. oberhalb der

Felsenmühle eine Stauanlage zum Zwecke des Betriebes ihres Elek­

trizitätswerkes errichtet und in der ersten Hälfte des Jahres 1913 in Betrieb genommen. Die Kläger behaupten, daß ihnen hierdurch das zum Betrieb ihrer Mühle und für ihren Haushalt erforderliche Wasser entzogen worden sei.

Sie machen deshalb einen Anspruch

auf Schadensersatz geltend, und zwar 1. für die ausfallende Betriebs­

kraft, 2. für die Entziehung des zur Versorgung ihrer Haushaltung erforderlichen Wassers.

Das Landgericht erklärte den Klaganspruch

dem Grunde nach für gerechtfertigt. die Berufung der Beklagten zurück.

Das Oberlandesgericht wies

Auch die Revision ist zurück­

gewiesen worden aus folgenden

Gründen: ... „1. Der Berufungsrichter hat den Schadensersatzanspruch der Kläger dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, indem er davon ausgeht,

daß die Stauanlage der Beklagten einer gewerbe­

polizeilichen Konzession bedurft habe, weil sie zum Zwecke des Be­

triebes des als ein Gewerbebetrieb anzusehenden Elektrizitätswerkes

der Beklagten errichtet worden sei.

Gegenüber einem solchen nach

§ 16 GewO, genehmigten Betriebe sei gemäß §26 daselbst ein Klage­

recht auf Unterlassung wegen nachbarrechtlicher Störungen ausge­ schlossen, dagegen werde dem durch den Gewerbebetrieb geschädigten

Grundnachbar ein Anspruch auf Herstellung von Einrichtungen, die

die Beeinträchtigung abstellen, oder wenn solche Einrichtungen un­ tunlich oder mit dem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar

sind, auf Schadloshaltung gewährt, unter der Voraussetzung, daß die bestehenden Gesetze dem Eigentümer oder Besitzer des geschädigten Grundstücks eine Privatklage zuerkennen.

Der Berufungsrichter sieht

ferner als erwiesen an, daß die Herstellung von Einrichtungen, die

dem Wasser der Dhr. den Lauf wieder zur Dhr. geben würden,

untunlich sein würde und daß die Kläger deshalb lediglich Schadens­ ersatz fordern könnten, und zwar ohne Nachweis eines Verschuldens.

Weiter führt er aus, die Kläger seien unstreitig Anlieger der kleinen Dhr., eines Privatflusses im Sinne des- preuß. Gesetzes über die Benutzung der Privatflüsse vom 28. Februar 1843, das in den hier

in Betracht kommenden Landesteilen durch Allerhöchste Verordnung

vom 9. Januar 1845 eingeführt worden sei.

Die Anwendung des

neuen Wassergesetzes auf die hier in Frage kommenden Rechtsver­ hältnisse sei nach § 379 dieses Gesetzes ausgeschlossen.

Die Mühle

der Kläger habe unstreitig schon vor Erlaß des Privatflußgesetzes

bestanden.

Die Beklagte habe in die Gerechtsame, welche den Klägern

auf Grund der §§ 1 und 13 PrivFlG. zuständen, eingegriffen, indem

sie in ihrem Stauwerke das gesamte Wasser der Dhr. auffange, ohne es in das Bett dieses Flusses zurückzuleiten, bevor er den Grund­ besitz der Beklagten verlasse und das Ufer eines fremden Grundstücks

berühre. Sie leite vielmehr das angesammelte Wasser nach einer anderen Richtung ab und nehme dadurch der Mühle der Kläger das Betriebswasser und den Klägern auch das Wasser für ihren Haus­

halt.

Diesen Eingriff könnten die Kläger auch als Uferbesitzer auf

Grund. des § 26 GewO. — nachdem ihr Einspruch gegen die Er­

richtung der Anlage ohne Erfolg geblieben sei — zur Grundlage von Schadensersatzansprüchen machen. Die Revision rügt zunächst unrichtige Anwendung des § 26

Es kann ihr zugegeben werden, daß der Wortlaut dieser Bestimmung nur solche Einrichtungen trifft, die von einem Grund­ GewO.

stück aus auf benachbarte Grundstücke ausgeübt werden, während es sich im vorliegenden Falle um eine Beeinträchtigung des Fluß­ anliegerrechts des Grundstückseigentümers durch Entziehung des an

seinem Grundstücke vorbeifließenden Wassers handelt.

Ob eine solche

Beeinträchtigung nicht auch eine Verletzung des Grundeigentums in

sich schließt (vgl. V. 313/14, Urteil vom 12. Dezember 1914), kann

dahingestellt bleiben.

Denn eine Abwehrklage (actio negatoria) ist

nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts gegen Eingriffe in jedes gesetzlich geschützte Rechtsgut, insbesondere auch gegen Beeinträchtigung von Flußanliegerrechten gegeben; vgl. RGZ. Bd. 60 S. 6; Bd. 61

S. 369; Bd. 62 S. 320 (322); V. 213/16, vember 1916.1

Urteil vom

11. No­

Es kann aber nicht angenommen werden, daß der

§ 26 GewO, eine auf Beseitigung gewerbepolizeilich genehmigter An­ lagen gerichtete Abwehrklage gegenüber Eingriffen in Flußanlieger­

rechte hätten zulassen wollen, während er sie gegenüber Eingriffen 1 S. Bd. 89 S. 216. Entsch. in Zivil!. N. F. 40 (SO).

in das Grundeigentum ausgeschlossen hat

Vielmehr muß aus dem

Sinne und Zwecke der Vorschrift entnommen werden, daß eine Be­ seitigung

genehmigter Anlagen auch auf Grund von Flußanlieger­

rechten, die durch die Anlage beeinträchtigt werden, nicht verlangt

werden kann.

Ist aber die an sich gegebene actio negatoria durch

eine besondere Bestimmung

des öffentlichen Rechtes ausgeschlossen,

so tritt nach einem von dem Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannten Rechtsgrundsatz als Ersatz an ihre Stelle ein Schadens­

ersatzanspruch, der den Nachweis eines Verschuldens nicht erfordert (vgl. RGZ. Bd. 17 S. 104; Bd. 58 S. 133 bis 135; Sb. 70 S. 152). Auch die Annahme des Berufungsrichters, daß den Klägern ein ge­

setzlich geschütztes Flußanliegerrecht zusteht, in welches durch die An­ lage der Beklagten eingegriffen worden ist, stellt sich im Ergebnis

nicht als auf Rechtsirrtum beruhend dar.

Dabei kann dahingestellt

bleiben, ob aus den von ihm allein angeführten §§ 1, 13 PrivFlG.

ein Abwehrrecht der Kläger auch gegen die Entziehung des für ihren Mühlenbetrieb

erforderlichen Wassers herzuleiten sein würde,

was

die Revision unter Bezugnahme auf § 1 Satz 2 dieses Gesetzes, der

in Ansehung der Benutzung des Wassers zu Mühlen die damals be­ stehenden gesetzlichen Vorschriften aufrechterhalten hat, bestreitet.

Denn

auf alle Fälle ergibt sich, soweit das Privatflußgesetz noch zur An­ wendung gelangen kann, ein solches Abwehrrecht aus § 16 dieses

Gesetzes, der den Besitzern der bei dessen Publikation rechtmäßig be­ stehenden Mühlen ein Widerspruchsrecht verleiht gegen Anlagen, durch

welche ihnen das zum Betrieb ihrer Mühlen in dem bisherigen Um­

fang erforderliche Wasser entzogen wird.

Nun kann allerdings

dem Berufungsrichter nicht beigestimmt

werden in der Annahme, daß auf das hier vorliegende Rechtsver­

hältnis ausschließlich daS ältere preußische Wasierrecht Anwendung

zu finden habe.

Soweit Schadensersatz für die nach dem 1. Mai 1914

noch fortgesetzte Wasserentziehung verlangt wird, unterliegt das Rechts­

verhältnis vielmehr an und für sich der zeitlichen Herrschaft des an diesem Tage in Kraft getretenen neuen Wassergesetzes vom 7. April 1913.

Die in § 379 des Gesetzes gegebene Übergangsvorschrift enthält keine allgemeine Regelung der zeitlichen Herrschaft des neuen Gesetzes im

Verhältnis zu dem bisherigen Rechte, sondern bezieht sich nur auf die

einzelnen,

dort

in Abs. 1

Nr. 1 bis 3 aufgeführten Wass-r-

benutzungsrechte, die unter gewissen Voraussetzungen auch weiter auf­

recht erhalten werden.

Zu diesen Rechten gehören nicht diejenigen,

welche den Anliegern von Wasserläufen zweiter oder dritter Ordnung

in ihrer Eigenschaft als Eigentümern des Wasserlaufs auf Grund

der §§8,9 in Verbindung mit den §§ 40 bis 45 des Gesetzes zu­ stehen.

Wieweit sich die Geltung des neuen Gesetzes hinsichtlich des

Eigentums an den Wasserläufen erstreckt, ergibt sich vielmehr bereits

aus den Vorschriften der §§ 7 bis 9 selbst.

Daß §379 sich auf die

Eigentumsverhältnisse an den Wasserläufen nicht bezieht, wird in der Begründung des Entwurfs zu dem Wassergesetze (zu § 349 S. 251)

hervorgehoben und in den bis jetzt erschienenen Kommentaren über­ einstimmend anerkannt.

Vgl. Holtz-Kreutz zu§379 Bem. 1 (S. 414); Hermes, Einleitung S. 48 und zu § 379 S. 299; v. Hippel zu § 379 Anm. 14 (S. 246). Sonach sind mit dem 1. Mai 1914 die Kläger als Uferanlieger

der

kleinen Dhr.

Eigentümer des an ihren Grundstücken vorbei­

fließenden Teiles des Wasserlaufs geworden (§ 8 des Gesetzes), da

ein Eigentum anderer Personen als der Anlieger, das zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes bestanden haben könnte und in diesem

Falle gemäß § 9 bestehen geblieben wäre, nicht in Frage steht, viel­ mehr nach der auch vom Reichsgericht anerkannten Rechtsauffassung

im Gebiete des rheinischen Rechtes die Privatflüsse als Bestandteile des domaine public angesehen wurden, die in niemandes Eigentum standen (vgl. RGZ. Bd. 12 S. 340; Bd. 30 S. 307; Bd. 53 S.45).

Anderseits ist auch die Beklagte seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes als Uferanliegerin Eigentümerin des Wasserlaufs, soweit er an ihrem

Grundstücke vorbeifließt, und bestimmt sich der Inhalt der ihr zu­

stehenden Rechte nach setzes.

Der § 379

den Vorschriften der §§ 40 bis 45 des Ge­

kommt nur insofern in Betracht, als etwaige

weitergehende Rechte, die der Beklagten bereits vorher an dem

Wasserlaufe zugkstanden haben könnten, ohne auf einem besonderen Titel zu beruhen, so lange aufrechterhalten bleiben würden, als ihre

Stauanlage, mit deren Errichtung bereits vor dem 1. Januar 1913

begonnen worden ist, bestehen bleibt.

Solche weitergehenden Rechte

stehen aber nicht in Frage; denn die das Benutzungsrecht der An­

lieger regelnden Vorschriften des neuen Rechtes stimmen in ihrem

sachlichen Inhalte durchweg überein mit den Vorschriften des älteren

Das gilt sowohl von der dem Oberlieger einer schon vor

Rechtes.

dem Inkrafttreten des Privatflußgesetzes vorhandenen Mühle auf» erlegten Beschränkung, kraft deren er der Mühle vas zu ihrem Be­ trieb in dem damaligen Umfang erforderliche Wasser nicht entziehen

darf (88 16 des PrivFlG., 42 WassG), wie auch von der Befugnis

zur Ableitung des Wassers, die im älteren wie im neuen Rechte der Einschränkung unterliegt, daß das Wasser, soweit es nicht verbraucht wird» dem Flußlaufe wieder zugeleitet werden muß (8 13 Abs. 1

Nr. 2 PrivFlG.; RGZ. Bd. 47 S. 291; § 43 WassG.). Erweist sich sonach die Annahme des Berufungsrichters,

daß

den Klägern ein Schadensersatzanspruch wegen der durch die Stau­

anlage der Beklagten bewirkten Wasserentziehung sowohl für die Zeit vor wie nach dem Inkrafttreten des neuen Wassergesetzes zusteht, im

Ergebnis als gerechtfertigt,

so bedarf doch

der den Klaganspruch

dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärende Urteilssatz des Land-

gerichts

einer Einschränkung

nach Maßgabe der erwähnten Vor­

schriften des älteren und neueren Wasserrechts.

Nach diesen kann

Ersatz nicht für die gesamte Betriebskraft verlangt werden, welche

durch die Anlage der Beklagten gegenüber dem bis dahin bestehenden Zustande der Mühle der Kläger entzogen worden ist, sondern nur

für die Entziehung desjenigen Wassers, das zum Betriebe der Mühle in dem zur Zeit des Inkrafttretens des Privatflußgesetzes vom 28. Fe­

bruar 1843 nach Maßgabe ihrer damaligen Betriebseinrichtungen

erreichbaren Umfang erforderlich ist (vgl. RG. V. 429/1912, Urteil

vom 26. Februar 1913).

Ebenso kann für die Entziehung des zum

Haushalte der Kläger erforderlichen Wassers nur insoweit Ersatz ver­

langt werden, als die Beklagte auch solches Wasser, das sie nicht auf ihren an den Dhr.bach angrenzenden und auf ihren dahinterliegenden mit jenen

eine wirtschaftliche Einheit bildenden Grundstücken ver­

braucht, nicht in den Wasserlauf zurückleitet." ...

14. 1. Zeitliche Herrschaft des preuß.Wassergesetzes vom 7. April 1913. 2. Ist durch Art. 89 Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. Art. 644 Code civil auch so weit, als er «och bestand, aufgehoben worden-

3. Recht des Ufereigentümers zur Ableitung des Wassers

a) nach Art. 644 Code civil, b) nach dem preuß. Wassergesetze. 4. Können die Rechte des Uferanliegers auch von demjenigen geltend gemacht werden, dem das Ufergrundstück auf Grund eines Kaufvertrags von dem Eigentümer übergeben, aber noch nicht auf­ gelassen worden ist? 5. Kann Schadensersatz auch beansprucht werden für die Ent­ ziehung von Vorteilen, welche nur durch eine rechtswidrige Hand­ lung hätten erlangt werden können?

Preuß. Wassergesetz vom 7. April 1913 (GS. S. 53) §§ 379, 40,43. Code civil Art. 644. BGB. §§ 249, 252.

V. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 14. April 1917 i. S. Stadt Tr. (Bell.) w. M. (Kl.). Rep. V. 366/16.

Landgericht Trier. Oberlandesgericht Cöln.

Die beklagte Stadtgemeinde hat auf Grund einer ihr am 6. Juni 1910 von dem zuständigen Kreisausschusse gemäß § 16 GewO, erteilten Genehmigung in der kleinen Dhr. eine Stauanlage errichtet, durch die sie das Wasser des genannten Flusses anstaut und zu dem von ihr errichteten Elektrizitätswerke leitet. Diesem dient das Wasser als Triebkraft, wird darauf jedoch nicht in die kleine Dhr. zurückgeleitet, sondern durch einen Tunnel unmittelbar in die Mosel geführt. Der Betrieb des Elektrizitätswerkes ist im Frühjahr 1913 begonnen worden, nachdem der Bau von Anfang 1912 ab gewährt hatte. Der Kläger ist Eigentümer niehrerer Grundstücke, die an der großen Dhr. belegen sind, unterhalb des Einflusses der kleinen Dhr. in die große Dhr. Er hat auf Grund einer ihm am 22. Januar 1910 durch den zuständigen Kreisaus schuß erteilten Konzession von dem Ufergrundstücke 740/239 aus, das damals noch Eigentum eines gewissen Johann Sch. war, seit 26. Oktober 1915 aber als sein Eigentum im Grundbuch ein­ getragen steht, ein Stauwehr in den Dhr.fluß gelegt, mittels dessen er das Flußwasser anstaut und durch einen Obergraben über ver-

schiedene ihm gehörige Grundstücke hinweg nach der Parzelle 739/88 leitet.

Auf dieser Parzelle befindet sich eine Turbinenanlage, die ein

auf demselben Grundstück errichtetes Mühlen- und Sägewerk treibt. Wasser wird, nachdem es die Turbinenanlage gespeist hat, durch einen Untergraben weitergeführt und fließt bei dem im Eigen­

Das

tum des Klägers stehenden Grundstücke Flur 8 Nr. 40 wieder der Dhr. zu.

Der Kläger verlangt Ersatz des ihm durch die Ableitung des

Wassers der kleinen Dhr. von feiten der Beklagten angeblich entstan­

denen Schadens.

Das Landgericht wies die Klage ab.

Auf die Be­

rufung des Klägers erklärte das Oberlandesgericht durch das jetzt mit der Revision angefochtene Urteil den Anspruch dem Grunde nach für

gerechtfertigt.

Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben

und die Sache zurückoerwiesia

Aus den Gründen: 1. Der Berufungsrichter geht davon aus, daß die Beklagte eine Überschreitung der ihr als Flußanliegerin zustehenden Befugnisse

zur Wassernutzung dadurch begangen habe, daß sie in ihrem Stau­

werke das gesamte Wasser der kleinen Dhr. auffange, ohne es in das Bett dieses Flusses zurückzuleiten, bevor der Fluß ihren Grundbesitz

verläßt und das Ufer eines fremden Grundstücks berührt.

Hinsicht­

lich des maßgebenden Rechtes steht der Berufungsrichter auf dem

Standpunkte, daß die Anwendung des am 1. Mai 1914 in Kraft

getretenen preußischen Wassergesetzes vom 7. April 1913

„für die

hier in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse" durch § 379 des Ge­ setzes ausgeschlossen sei.

Diese Auffassung kann, wie der erkennende

Senat in dem Urteile vom 3. März 1917, V 370/161 ausgesprochen hat, nicht gebilligt werden. Die Anstauung und Ableitung des Wassers,

in

welcher

der

Kläger

einen

Eingriff

in

sein

Flußanliegerrecht

findet, ist durch die Beklagte auch nach dem 1. Mai 1914 noch fort­ gesetzt worden und wird von ihr auch jetzt noch fortgesetzt.

Insoweit

unterliegt das Rechtsverhältnis an und für sich der zeitlichen Herr­

schaft des neuen Gesetzes. Dessen Anwendung wird aber auch durch die Übergangsbestimmung des § 379 nicht in der Weise, wie es der

Berufungsrichter annimmt, ausgeschlossen; denn durch diese Vorschrift

Bi'sl. oben Nr. 13.

wird, wie in dem erwähnten Urteil auseinandergesetzt ist, keineswegs die zeitliche Herrschaft des neuen Gesetzes im Verhältnis zu dem bis­

herigen Rechte allgemein geregelt, sondern sie bezieht sich nur auf die Aufrechterhaltung der im Abs. 1 Nr. 1 bis 3 dort einzeln aufgeführten

Wassernutzungsrechte, die anderen als den Eigentümern des Wasserlaufs als solchen zustehen, während die zeitliche Geltung des neuen Gesetzes

hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an den Wasserläufen durch die

§§ 7 bis 9^ des Gesetzes geregelt ist. ... Ist aber danach die An­ wendung des neuen Rechtes auf den erst nach seinem Inkrafttreten

zur Entstehung

gelangten Teil des der Klage zugrunde liegenden

Tatbestandes grundsätzlich geboten, so muß die Rechtslage nach Maß­ gabe des älteren und des neuen Rechtes zunächst getrennt erörtert werden.

a) Der Berufungsrichter führt aus,

daß als anzuwendendes

früheres Recht zunächst das Privatflußgesetz vom 28. Februar 1843

(eingeführt in den hier fraglichen Landesteilen durch Königliche Ver­ ordnung vom 9. Januar 1845) in Frage komme, da die Dhr. ein Privatfluß im Sinne dieses Gesetzes sei. Nach diesem Gesetze habe

es für die Benutzung des Wassers zu Triebwerken bei den bis dahin

bestehenden Vorschriften verbleiben sollen, soweit diese nicht durch das Privatflußgesetz ausdrücklich abgeändert wurden (§ 1 Satz 2 des Ge­

setzes).

Die Vorschriften des Privatflußgesetzes

aber befaßten' sich,

wie der Berufungsrichter näher darlegt, nur mit den Rechten solcher Mühlen und anderer Triebwerke, die bei dem Inkrafttreten des Ge­

setzes bereits bestanden hätten (vgl. namentlich § 16 des Gesetzes); diesen sei ein Widerspruchsrecht gegeben gegen Anlagen, die der Ufer­

besitzer auf Grund der ihm nach den §§ 1 und 13 des Gesetzes zu­ stehenden Rechte errichte, während demjenigen, der künftig ein Trieb­

werk anlege oder erweitere, ohne ein besonders verliehenes Recht zu haben, ein solcher Widerspruch nicht zustehen solle.

Solche älteren

Rechtsbeziehungen bestünden aber im vorliegenden Falle nicht, da es sich beiderseits um Triebwerke handle, die erst in neuester Zeit errichtet

worden seien.

Deshalb müsse auf die Vorschrift des Art. 644 Code

civil zurückgegriffen werden, die zwar ihrem Wortlaute nach nur die

Benutzung des Wassers zu Bewässerungszwecken zum

Gegenstände

habe, nach der erweiternden Auslegung der Rechtslehre und Recht­ sprechung aber auch die Wasserkraftnutzung für gewerbliche Zwecke

regle und demnach insoweit durch das Privatflußgesetz aufrechterhalten

worden sei.

Der Berufungsrichter verkennt nicht, daß durch Art. 89

Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. der Art. 644 Code civil ausdrücklich auf­ gehoben worden ist, und zwar in der (nach der Ansicht des Berufungs­ richters unrichtigen) Voraussetzung, er sei durch das Gesetz über die

Benutzung der Privatflüsse vom 28. Februar 1843 ersetzt worden. Dem „eigenartigen" Ergebnis, daß es für die Benutzungsrechte der Flußanlieger in Ansehung der Wasserkraft für gewerbliche Zwecke seit

dem 1. Januar 1900 überhaupt an einer gesetzlichen Vorschrift gefehlt haben würde, will der Berufungsrichter in erster Linie dadurch ent­ gehen, daß er ausführt, als eine dem Wasserrecht angehörende landes­ gesetzliche Vorschrift sei gemäß Art. 65 EG. z. BGB. auch das Privat­

flußgesetz von 1843 unberührt geblieben; deshalb lasse sich behaupten,

daß mit dem Fortbestände dieses Gesetzes auch diejenigen älteren Vor­ schriften fortbeständen, auf die es zu seiner Ergänzung ausdrücklich verweise, woraus sich ergebe, daß auch Art. 644 Code civil trotz

Art. 89 AG. insoweit fortbestehe,

als eS sich um die Wasserkraft­

nutzung für gewerbliche Zwecke handle.

Der Revision muß zugegeben werden, daß diese Ausführungen

des Berufungsrichters insofern rechtlich bedenklich sind, als aus Art. 65 EG. z. BGB. hergeleitet wird, es sei der Art. 644 Code civil, un­ geachtet der durch Art. 89 Nr. 2 preuß. AG. z. BGB. ausgesprochenen

Aufhebung des Code civil mit alleiniger Ausnahme der dort einzeln

bezeichneten, den Art. 644 indes nicht mitenthaltenden Vorschriften, bestehen geblieben.

Wenn Art. 65 a. a. O. bestimmt, daß die wasser­

rechtlichen Vorschriften der Landesgesetze durch die Einführung des

Bürgerlichen Gesetzbuchs unberührt bleiben, so ist damit nichts darüber gesagt, ob diese Vorschriften nicht etwa durch andere re.ichs- oder

landesgesetzliche Vorschriften, die gleichzeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft traten oder später erlassen wurden, außer Kraft gesetzt worden sind.

Daher ist die Frage, ob Art. 644 Code civil

durch Art. 89 AG. aufgehoben worden ist, lediglich nach dem In­ halte dieser Gesetzbestimmung zu beantworten.

Aber auch auf diesem

Wege gelangt man zu dem gleichen Ergebnis wie der Berufungs­

richter.

Denn es kann nicht angenommen werden, daß das Aus­

führungsgesetz den Art. 644 auch insoweit hat aufheben wollen, als

er zur Ergänzung des Privatflußgesetzes diente, dessen Weiterbesteheu

das Ausführungsgesetz voraussetzte. Die Nichtausführung des Art. 644 unter den von der Aufhebung ausgenommenen Artikeln

des Code civil ist, wie aus der Begründung zu Art. 87 des Ent­ wurfs (S. 215) deutlich hervorgeht, lediglich darauf zurückzuführen, daß unrichtigerweise angenommen wurde,

Art. 644 fei durch das

Privatflußgesetz „ersetzt", habe also auch bisher schon keine Geltung

mehr gehabt.

Daraus ergibt sich, daß dem Aussührungsgesetze der

Wille, den Art. 644 Code civil aufzuheben, vollständig ferngelegen

hat.

Soweit also Art. 644 noch bestand, muß ungeachtet des die

Aufhebung des Code civil summarisch aussprechenden Wortlauts an­

genommen werden, daß er auch weiter in Kraft geblieben ist.

Auch

bei der Auslegung von Gesetzen darf der Richter nicht am Wortlaute

haften, sondern muß den der Vorschrift zugrunde liegenden Rechts­

gedanken erforderlichenfalls durch

Einschränkung

ober Erweiterung

des Wortsinnes zur Geltung bringen, wobei die gesetzgeberischen Vor­ arbeiten in zweckentsprechender Weise als Hilfsmittel zu benutzen sind.

Unerörtert kann bei

dieser Sachlage bleiben,

ob auch der andere

Weg gangbar wäre, den der Berufungsrichter Hilfsweise eingeschlagen

hat, um das Vorhandensein einer Lücke in der Rechtsordnung zu vermeiden, und der ihn dazu geführt hat, das Privatflußgesetz selbst auch auf die Benutzung des Wassers für gewerbliche Zwecke für an­

wendbar zu erachten, falls Art. 644 Code civil als aufgehoben zu gelten hätte. Nach Art. 644 Code civil war aber der Beklagte, wie der Berufungsrichter ohne Rechtsirrtum angenommen hat. zur Ableitung

des Wassers, ohne es überhaupt wieder in den Dhr.bach zurückzuleiten, nicht befugt. Art. 644 Satz 2 gibt demjenigen, durch dessen Grund­ stück ein Wasserlauf fließt, das Recht zur Benutzung des Wassers

auch durch Ableitung, aber mit der Beschränkung, daß er es beim

Austritt aus seinem Grundstücke seinem gewöhnlichen Laufe wieder

zurückgeben muß.

Von der Rechtsprechung und Rechtslehre wird,

mit Rücksicht auf Art. 645, angenommen,

daß ein Verbrauch des

Wassers, der bis zu völliger Erschöpfung geht, unzulässig ist (vgl. Zachariae-Crome, Franz. Zivilrecht § 171 Note 10).

Besttitten

ist, inwieweit die Benutzung des Wassers auch für solche Grundstücke

ausgeübt werden darf, die nicht unmittelbar an den Flußlauf an­ grenzen.

Proudhon, Traite du domaine public t. 4 No. 1426,

und Duranton t. 5 No. 235 vertreten unter Bezugnahme auf 1. 24 Dig. de servitut. praed. rustic. (8, 3) die Ansicht, daß die Wasser­ nutzung nur für diejenigen Parzellen statthaft sei, die das ursprüngliche, von vornherein in der Hand des Uferanliegers befindlich ge­ wesene Ufergrundstück bilden, nicht für spätere Hinzuerwerbungen. Dagegen steht die Rechtsprechung des Kassationshofs und die Mehr­ zahl der.Rechtslehrer auf dem Standpunkte, daß der Uferanlieger das Wasser auch für diejenigen Parzellen benutzen darf, die er zu dem ursprünglichen Ufergrundstücke hinzuerworben und mit diesem zu einer (körperlichen und wirtschaftlichen) Einheit — un seul et m§me t en erneut — verbunden hat. Vgl. namentlich das Urteil des Kassationshofs ch. req. vom 24. Januar 1865 (Sirey, Recueil Bd. 65 I S. 62); ferner Laurent, Principes du droit civil, Bd. 7 Nr. 274; Aubry u. Rau, 5. Ausg. § 246 S. 82 bei Note 10; Zachariae-Puchelt, § 237 Note 5 (Bd. 2 S. 43); Zachariae-Crome, § 171 Note 5 (Bd. 1 S. 501). Die von der Beklagten vorgenommene Wasserableitung ging somit nach französischem Rechte unter allen Umständen über ihre Befugnisse hinaus und enthielt einen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Unterlieger. b) Für denjenigen Teil des Tatbestandes, der sich unter der zeitlichen Herrschaft des neuen Wassergesetzes verwirklicht hat, ist obigen Darlegungen zufolge dieses Gesetz maßgebend. Danach ist — da ein gemäß § 9 des Gesetzes bestehen bleibendes Eigentum an­ derer Personen an dem Wasserlaufe für das Gebiet des früheren rheinischen Rechtes, das ein Privateigentum an den Wasserläufen nicht anerkannte, nicht in Frage kommt — die Beklagte mit dem 1. Mai 1914 Eigentümerin des Wasserlaufs der kleinen Dhr., im Sinne des Gesetzes eines Wasserlaufs zweiter oder dritter Ordnung, insoweit geworden, als sie an ihrem Grundstücke vorüberfließt (§ 8 des Gesetzes). Als solche ist sie daher auch gemäß §§ 40, 43 des Gesetzes befugt, das Wasser abzuleiten, mit der Beschränkung jedoch, daß sie jenes, soweit sie es nicht auf ihrem Ufergrundstück und auf ihren dahinterliegenden, mit jenem eine wirtschaftliche Einheit bildenden Grundstücken verbraucht, in den Wasserlauf zurückleiten muß, bevor dieser auf der Seite, auf welcher die Ableitung erfolgt, ein fremdes

Grundstück berührt.

Das frühere Recht würde für den hier in Frage

stehenden Teil des Tatbestandes nur insofern in Betracht kommen,

als etwaige, über die jetzt der Beklagten als Eigentümerin des Wasser­

laufs zustehenden Befugnisse hinausgehende Wassernutzungsrechte, die

bei Inkrafttreten des Gesetzes lediglich auf der früheren Gesetzgebung, nicht aber auf einem besonderen Rechtstitel beruhten, so lange auf­ recht erhalten geblieben sein und bleiben würden, als die Stauanlage

der Beklagten besteht, mit deren Errichtung vor dem 1. Januar 1913

begonnen worden ist (§ 379 Abs. 2 des Gesetzes).

Solche Rechte

waren aber nicht vorhanden, da das aus Art. 644 Code civil sich

ergebende Ableitungsrecht nach den unter a gegebenen Darlegungen, auch wenn man der am weitesten gehenden Ansicht folgt, keinesfalls

über dasjenige hinausgeht, was der Beklagten jetzt aus Grund des

neuen Gesetzes zusteht.

Sonach stellt sich die Annahme des Beru-

fungsrichters, daß die Beklagte durch ihre Stauanlage ihre Befug­

nisse überschritten hat, auch für den hier in Frage stehenden Teil des Tatbestandes als frei von Rechtsirrtum dar.

2. Die weitere Annahme, daß die Beklagte durch die ihre Wasser­ nutzungsrechte überschreitende Anlage ihres Stauwerks einen Eingriff

in die Gerechtsame des Klägers begangen habe, dem dieser mit einer Abwehrklage entgegenzutreten an sich befugt gewesen wäre, begründet der Berufungsrichter mit der Ausführung, daß der Kläger als Eigen­ tümer des durch die Parzellen 740/239,

724/238,

723/238 und

722/237 gebildeten Ufergeländes Uferanlieger der großen Dhr. sei, welche die kleine Dhr. inzwischen in sich ausgenommen habe, und daß

der Kläger sein Stauwehr von dem Grundstücke 740/239 aus in

den Fluß gelegt und das Wasser durch einen auf diesem Grundstücke beginnenden Obergraben abgeleitet habe, der dann über die anderen

ihm gehörigen Grundstücke hinüberführt.

Eigentümer dieser letzteren

Grundstücke ist der Kläger nach den Feststellungen des Berufungs­ richters seit dem 4. Februar 1910, während er als Eigentümer des

Grundstücks 740/239 allerdings erst seit dem 26. Oktober 1915 auf Grund der Auflassung vom 24. Oktober 1915, also nach Erhebung

der Klage im gegenwärtigen Rechtsstreit, eingetragen worden ist.

Der

Berufungsrichter stellt aber fest, daß der Kläger dieses Grundstück

bereits durch notariellen Vertrag vom 15. Januar 1910 gekauft und

daß der Vorbesitzer Johann Sch. ihm bereits am 13. Januar 1910

den Besitz des Grundstücks eingeräumt und ihm gestattet hatte, die jetzige Parzelle 740/239, welche damals einen Teil der Parzelle

725/239 bildete, mit einem Flächeninhalte von 43 qm „zur Errichtung

einer Turbinenanlage" zu benutzen.

Der Berufungsrichter führt aus,

daß sowohl nach Art. 644 Code civil wie nach dem Privatflußgesetze der Uferbesitzer berechtigt sei, die ihm in dieser Eigenschaft zustehenden

Befugnisse zur Wassernutzung einem Dritten insoweit zu übertragen, als ihre Ausübung mit dem Besitze des Ufergrundstücks verknüpft

bleibe und nicht etwa zugunsten anderer Grundstücke ausgenutzt werde;

wie dem Pächter eines Ufergrundstücks die Wassernutzung überlassen werden könne, so auch dem Käufer bis zur endgültigen Eigentums­

übertragung. Deswegen sei der Kläger als Unterlieger am Dhr.flusse mit dem durch die genannten Parzellen gebildeten Ufergelände

schon seit Anfang 1910 befugt gewesen, einem Eingriff auf seine ge­ setzlichen Rechte auf Nutzung der Wasserkraft entgegenzutreten. Die Revision rügt gegenüber diesen Ausführungen, der Beru­

fungsrichter habe die „Aktivlegitimation" des Klägers für die Zeit bis zu seiner Eintragung als Eigentümer auf der Parzelle 740 zu

Unrecht als gegeben angesehen.

Angriffe gehen indessen fehl.

Ihre in dieser Richtung erhobenen

Es handelt sich nicht um eine Abtretung

des Wassernutzungsrechts in der Weise, daß dieses dadurch von dem Ufergrundstücke getrennt und für ein anderes Grundstück verwertet werden sollte, also nicht um einen Fall, wie er in dem von der

Revision angeführten, sich übrigens nur auf Bewässerungsanlagen

beziehenden § 25 Nr. 5 PrivFlG. vorgesehen ist und in der von der Revision

in

Bezug

genommenen Abhandlung

von Biesantz

(Archiv für Zivil- und Strafr. der Rheinprov. Bd. 109 S. 48flg., bes. S. 65, 66) erörtert wird. Vielmehr ist hier zugleich mit dem

Wassernutzungsrecht auch der Besitz an dem Ufergrundstücke mit der Befugnis, dieses wie ein Eigentümer zu benutzen, im Hinblick auf die demnächstige Übertragung des Eigentums selbst (die sich nur wegen

der

erforderlichen Vermessungsarbeiten

übertragen worden.

verzögerte) auf

den Kläger

Dadurch ist das Rechtsverhältnis dem Rahmen

eines bloßen Schuldverhältnisses zwischen dem Kläger und dem nur noch formell als Eigentümer eingetragenen Vorbesitzer entwachsen und ein von jedermann zu achtendes (absolutes) Recht des Klägers auf die Wasserbenutzung entstanden,

das durch

eine quasinegato-

rische Klage in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB. ge­

schützt ist. Vgl. RGZ. Bd. 59 S. 328, ferner das obenerwähnte Urteil des er!. Senats vom 3. März 1917 und die dort angeführten weiteren

Urteile des Reichsgerichts. 3. Der Berufungsrichter erörtert sodann die Frage,

ob der

Kläger berechtigt sei, wegen des festgestellten Eingriffs der Beklagten in seine Gerechtsame als Flußanlieger ohne weiteres Schadensersatz zu verlangen. Er bejaht diese Frage mit der Begründung, daß der Beklagten für ihre Stauanlage im Juni 1910 die gewerbepolizeiliche

Genehmigung erteilt und der vom Kläger dagegen erhobene Rekurs verworfen worden sei.

Infolgedessen stehe die Anlage, die die Ab­

leitung des Dhr.wassers bis zur Mosel hin umfasse, unter dem

Schutze des § 26 GewO.

Da auch die Herstellung von Einrichtungen,

welche dem Dhr.wasser nach der Ansammlung im Stauweiher den

Lauf wieder zur Dhr.

geben würden, unzweifelhaft untunlich sei,

so könne der Kläger von der Beklagten lediglich Schadloshaltung,

diese aber ohne den Nachweis eines Verschuldens, verlangen. Gegen diese Auffassung, welche den § 26 GewO, auf Eingriffe in das Wassernutzungsrecht des Flußanliegers anwendet, sind Angriffe von

der Revision in dieser Sache nicht erhoben worden; sie läßt auch einen von Amts wegen zu beachtenden Rechtsirrtum nicht erkennen,

entspricht vielmehr der Auffassung, die der erkennende Senat in dem

Urteile vom 3. März 1917 gegenüber den von der damaligen Re­

vision gegen die Anwendbarkeit des § 26 erhobenen Bedenken ver­ treten hat (vgl. auch RGZ. Bd. 49 S. 86). 4. Bei Erörterung der weiteren Frage, ob der Kläger Scha­

densersatz gerade in der Richtung verlangen kann, in der er mit der vorliegenden Klage Ansprüche erhoben hat, läßt der Berufungsrichter

dahingestellt, ob das Ufergelände, von welchem aus der Kläger ba& Wasser entnimmt (Parzelle 740/239), mit demjenigen Gelände, über

welches der das Wasser zu dem Triebwerke des Klägers führende Graben gelegt ist, und mit dem Grundstück, auf welchem das Trieb­

werk selbst, für das die Wasserkraft ausgenutzt wird, sich befindet, eine wirtschaftliche und räumliche Einheit bildet, und ob deshalb

der Kläger an sich befugt sein würde, das abgeleitete Wasser auf

dem Verbrauchsgelände zu nutzen.

Er sieht als feststehend an, daß.

jedenfalls

die

„zwischenliegenden"

Uferbesitzer kraft der ihnen zu­

stehenden Gerechtsame an sich berechtigt sein würden, der Verwendung

des Wassers auf dem Verbrauchsgelände zu widersprechen und zu verlangen, daß das bei der Parzelle 740 abgeleitete Wasser dem

Flusse wieder zugeführt werde, bevor der Flußlauf bei 722/237 den Uferbesitz des Klägers zunächst verläßt. wägt ferner,

Der Berufungsrichter er­

ob die Beklagte hieraus einen Einwand gegen den

Schadensersatzanspruch des Klägers herleiten könne, und er verneint

diese Frage für den Fall, daß sich die Eigentümer der zwischen Ent­ nahme- und Verbrauchsgelände belegenen Ufergrundstücke mit der Art, wie der Kläger das Wasser benutzt, einverstanden erklärt haben

würden, wofür er sich auf RGZ. Bd. 49 S. 85flg. (91) beruft.

Er unterstellt aber sodann, daß die Beklagte, wie sie behaupte, als Eigentümerin

des

Grundstücks

720/235

selber

zu

den

zwischen­

liegenden Uferbesitzern gehöre und als solche jedenfalls die Ansprüche

des Klägers auf Ersatz desjenigen Schadens, dessen Entstehung in die Zeit nach dem Erwerb ihres genannten Grundstücks fällt, an und für sich würde abwehren können, und zwar auch dann, wenn

ihre Vorbesitzerin dem Kläger gegenüber auf ihre Rechte als Ufer­

anliegerin verzichtet haben sollte, da ein solcher Verzicht nicht ohne Der Berufungsrichter meint

weiteres für die Beklagte bindend wäre.

aber, daß alle diese Fragen unentschieden bleiben können, weil die Zivischenlieger, sowohl die Beklagte wie die sonstigen Eigentümer,

der Ausnutzung der Wasserkraft auf dem Verbrauchsgelände (dem

Triebwerksgrundstücke) durch den Kläger seit dem 22. Januar 1910 überhaupt nicht mehr widersprechen könnten. diesem Tage erteilten Genehmigung

stehe

Denn infolge der an

die gesamte Stau- und

Turbinenanlage des Klägers, einschließlich des Ober- und Unterwasser­

grabens, unter dem Schutze des § 26 GewO. (RGZ. Bd. 49 S. 87flg.).

Müßte aber der Klüger das auf dem Enlnahmegrundstück abgeleitete Wasser dem Flusse wieder zusühren, bevor dieser ein fremdes Grund­

stück berühre, so würde das gleichbedeutend mit der Einstellung seines Gewerbebetriebes (des Betriebes seiner Wasserkraftanlage) sein, und

es ließen sich auch Einrichtungen nicht Herstellen, welche die benach­ teiligende Wirkung

der dem

Kläger genehmigten Anlage auf die

Wassernutzungsrechte der Zwischenlieger ausschlössen.

Deshalb seien

die Zwischenlieger nunmehr auf die Erhebung von Ansprüchen auf

Schadloshaltung angewiesen, der Kläger aber in der Benutzung der

Wasserkraft auf dem Verbrauchsgelände gesichert.

Diese Sicherung

beruhe letzten Endes darauf, daß die Zwischenlieger die Erhebung von

Einwendungen gemäß § 17 GewO, unterlassen und sich dadurch still­ schweigend

mit der der Behörde zur Genehmigung unterbreiteten

Stauanlage des Klägers einverstanden erklärt hätten.

Auf diese durch

die Genehmigung ihm gewährte Sicherheit könne der Kläger sich zur

Begründung seiner Schadensersatzansprüche berufen.

wegs in Widerspruch damit,

Das stehe keines­

daß die gewerbepolizeiliche Erlaubnis

als solche die Schadensersatzansprüche des Klägers nicht zu recht­

fertigen vermöge.

Es handle sich hier nur um die Frage, ob dem

Kläger seine Ufergerechtsame, in welche die Beklagte rechtswidrig ein­

gegriffen habe, im vorliegenden Falle tatsächlich die Möglichkeit geivührt habe, das Flußwasser auf dem Betriebsgelände auszunutzen;

um diese Möglichkeit darzulegen, könne der Kläger von der Sachlage ausgehen, wie sie sich durch die Genehmigung seiner Anlage und

ihre privatrechtlichen Folgen zu seinen Gunsten gestaltet habe.

Für

die besondere Art seiner tatsächlichen Schadensbegründung könne jeder

Ersatzberechtigte die Gesamtheit der tatsächlichen Vorteile ins Feld

führen, die für seine Vermögenslage vor dem schädigenden Eingriffe

des Gegners in Betracht kamen.

Freilich sei der Kläger den Scha­

densersatzansprüchen der Zwischenlieger ausgesetzt geblieben und die Beklagte würde sich unter Umständen darauf haben berufen können,

daß die vom Kläger behaupteten Betriebsvorteile ganz oder zum Teil durch seine Schadensersatzpflicht gegenüber den Zwischenliegern aufgehoben würden. Das aber habe sie nicht getan und auch nicht den ihr als Eigentümerin des Ufergrundstücks 720/235 erwachsenen Schaden

gegenüber

der Forderung

des Klägers zur Aufrechnung

gestellt.

Diese Ausführungen sind, wie die Revision mit Grund rügt, nicht frei von Rechtsirrtum. Wenn, wie der Berufungsrichter unter­ stellt, die Art, wie der Kläger das Wasser ableitet und benutzt, in

die Gerechtsame der Zwischenlieger eingreift und diese sich damit nicht einverstanden erklärt haben, so ist seine Handlungsweise eine rechts­ widrige und hat diesen Charakter ungeachtet der erteilten gewerbe­ polizeilichen Genehmigung behalten.

§ 26 GewO, schützt denjenigen,

dem eine derartige Erlaubnis erteilt ist, zwar gegen solche Ansprüche,

64

14. Wasserrecht.

die eine Beseitigung der genehmigten Anlage zur Folge haben würden, und setzt an ihre Stelle einen Anspruch auf Schadloshaltung, greift aber im übrigen nicht in die privatrechtlichen Verhältnisse ein. Solche tatsächlichen Vorteile aber, die jemand nur durch eine rechtswidrige Handlung zu erlangen in der Lage gewesen sein würde, kann er einem Ersatzpflichtigen gegenüber nicht zur Begründung von Schadensersatz­ ansprüchen geltend machen. Der entgangene Gewinn, der nach § 252 BGB. den zu ersetzenden Schaden mitumfaßt, ist nur der in erlaubter Weise zu erzielende Vorteil. Aus rechtswidrigen Handlungen soll niemand Vorteil ziehen dürfen; daher kann die Entziehung eines solchen Vorteils auch keinen Schadensersatzanspruch begründen. Vgl. Urt. des RG.'s vom 24. Oktober 1902, II. 190/02 (Jur. Wochenschr. 1902 Beil. S. 283 Nr. 237); Komm. d. RGRäte zu § 252 Bem. 2. Das muß um so mehr gelten, wenn, wie der Berufungsrichter weiter unterstellt, die Beklagte selbst Eigentümerin eines zwischen dem Ent­ nahme- und dem Verbrauchsgelände liegenden Ufergrundsstücks ist. In diesem Falle verletzt die Handlungsweise des Klägers nicht nur die Rechte dritter Personen, sondern enthält einen Eingriff in das Recht der Beklagten selbst. Dem Versuch, aus der Entziehung eines dadurch dem Kläger erwachsenen Vorteils einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte herzuleiten, würde diese, wie die Revision mit Recht geltend macht, die Einrede der Arglist (exc. doli generalis) ent­ gegenzusetzen berechtigt sein. Es ist deshalb rechtsirrig, wenn der Berufungsrichter annimmt, die Beklagte müßte, um den Schadens­ ersatzanspruch des Klägers zurückzuweisen, dartun, daß der von ihm an die Zwischenlieger zu zahlende Schadensbetrag den Betrag des ihm erwachsenen Schadens erreiche, oder sie müßte mit ihrer eigenen Schadensersatzforderung gegen den Schadensersatzanspruch des Klägers aufrechnen. Anders würde, wie der Berufungsrichter mit Recht annimmt, die Sache liegen, wenn der Kläger durch eine Vereinbarung mit den Zwischenliegern das Recht erworben hätte, das abgeleitete Wasser für sein Triebwerk zu benutzen und erst unterhalb ihrer Grundstücke wieder dem Flusse zuzuleiten. In solchem Falle würde hinsichtlich der Zulässigkeit der Wasserbenutzung das Ufergelände des Klägers mit demjenigen der Zwischenlieger als ein einziges Grundstück anzu-

sehen und der Kläger deshalb berechtigt sein, das Wasser auf sein Triebwerksgrundstück abzuleiten, dort zu benutzen und es erst wieder

da dem Flusse zuzuleiten, wo der Fluß seinen Grundbesitz und den der Zwischenlieger, mit denen die Vereinbarung getroffen ist, verläßt.

Vgl. die übereinstimmenden Vorschriften der §§ 13 Abs. 2 PrivFlG., 44 WaffG., die sachlich auch so weit, als das rheinisch-französische Recht maßgebend ist, zutreffen.

Eine solche Vereinbarung ist indessen vom Berufungsrichter nicht

festgestellt. ... Der Berufungsrichter durfte sonach den Schadensersatzanspruch

des Klägers nicht für dem Grunde nach gerechtfertigt erklären, ohne fest­ zustellen, daß der Kläger zu der Art der Wasserbenutzung, die ihm durch die Stauanlage der Beklagten entzogen worden ist, berechtigt war, und zwar einerseits in der Richtung, daß das Verbrauchsgrnnd-

stück mit dem Entnahmegrundstück eine räumliche und wirtschaftliche Einheit bildete, anderseits in der Richtung, daß die Ufereigentümer,

deren Grundstücke zwischen der Entnahme- und der Wiederzuleitungs­ stelle liegen, mit der Anlage einverstanden waren." ...

15.

1.

Zum Begriffe des für den vertragsmäßigen Gebrauch ge­

eigneten Zustandes der Mietsache im Sinne des § 536 BGB. —

Unterlassung eines Widerspruchs des

Mieters gegen die Hinaus­

schiebung der Mängelbcseitigung.

"2.

Bedarf es, um neben der vertraglichen Haftung des Ver­

mieters eine solche aus unerlaubter Handlung zu begründen, einer Verkehrseröffnung an der Unfallstelle? 3.

Kann

der Ehemann einen Schmerzensgeldanspruch

seiner

Frau in eigenem Namen geltend machen?

BGB. §§ 536, 538, 823, 847, 1363, 1365, 1380.

III. Zivilsenat. Urt. v. 20. März 1917 i. S. B. (Bekl.) w.F. (Kl.). Rep. III. 452/16. I. II.

Landgericht Würzburg. Oberlandesgecicht Bamberg.

Der Kläger und seine Ehefrau hatten im Hause des Beklagten eine Wohnung gemietet, zu welcher ein Raum in dem letzten der Entsch. in Zivils. N. F. 40 (90).

5

66

15.

Mängel der Mietsache.

Vertrags- und Deliktshaftung.

drei unter dem Dache übereinander liegenden Böden gehörte. Die zwölfstufige Treppe, welche den zweiten Boden mit dem dritten ver­ bindet, hatte auf der rechten Seite — von oben gesehen — keine Stützvorrichtung, auf der linken lehnte sie sich an einen Lattenverschlag an. Unmittelbar vor ihr, d. h. da, wo sie an den dritten Boden anstieß, waren auf diesem zur Verdeckung schadhafter Stellen zwei nach Länge und Breite verschiedene Bretter aufgenagelt, welche die Dielen um einige Zentimeter überragten und Zwischenräume von 1 bis 2 cm, an einer Stelle sogar von 4J/2 cm aufwiesen. Die Frau des Klägers, welche mit ihm im gesetzlich«n Güter­ stande der Verwaltung und Nutznießung lebt, stolperte, als sie den Boden mit einer Holzlast verließ, über das eine der beiden auf­ genagelten Bretter und fiel auf die Treppe und von ihr auf den zweiten Boden hinab. Dadurch zog sie sich ein Leiden zü, welches ihre Geh- und Arbeitsfähigkeit in hohem Grade beeinträchtigte. Für die Folgen des Unfalls macht der Kläger den Beklagten verant­ wortlich, weil er den gefährlichen Zugang zur Treppe und ihre Geländerlostgkeit schuldhaft geduldet und nicht rechtzeitig beseitigt habe. Mit der Klage verlangte er ein seiner Frau gebührendes Schmerzens­ geld und Ersatz für die durch ihre Erkrankung verursachte Erhöhung der Wirtschafts- und Verpflegungskosten. Der Beklagte bestritt, daß der geschilderte Zustand der Treppe ein ordnungswidriger sei, und maß die Schuld an dem Unfall allein der Frau des Klägers bei. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht er­ klärte jedoch die Ansprüche des Klägers dem Grunde nach für be­ rechtigt. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: (Zunächst wird dargelegt, daß die Feststellung des Oberlandes­ gerichts, die Treppe gefährde wegen der beiden vor ihrer ersten Stufe aufgenagelten Bretter und wegen der Geländerlosigkeit auf der einen Seite in erheblicher Weise alle diejenigen, welche sie zum Abstieg be­ nutzen, nicht zu beanstanden sei. Ferner wird dargelegt, daß den Beklagten deshalb ein Verschulden treffe, weil er es auch dann noch unterlassen habe, den Boden und die Treppe auf ihre Verkehrs­ sicherheit hin zu prüfen, als der Kläger ihn bei der ersten Mietzahlung am 1. Juli 1911 auf den ordnungswidrigen und gefährlichen Zu­ stand der Treppe hinwies. Darauf wird fortgefahren:)

15.

Mängel der Mietsache.

Vertrags- unb Teliktshaftung.

67

„Der Revision ist zuzugeben, daß der Begriff „des für den ver­ tragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustandes" im Sinne des § 536 BGB. nicht immer der gleiche sein und im Einzelfalle je nach der Ortssitte, der Größe, dem Zwecke und dem Preise der gemieteten

Räume eine verschiedene Beurteilung erfahren wird.

Fordern kann

aber jeder Mieter, auch der einer kleinen Dorfwohnung, daß durch

die vertragsmäßige Benutzung der Hausteile, die er zwecks Ausübung

seines Mietrechts betreten muß, sein Körper und seine Gesundheit nicht gefährdet werden.

Ortsgebräuche, welche eine die Sicherheit

des Mieters in Frage stellende Treppe und ebensolche Ausbesserungen

schadhafter Bodendielen für erlaubt halten, können diesem durch § 536

BGB. gewährleisteten Rechte keinen Abbruch tun. Sie beruhen auf einer

dem gesunden Rechtsgefühl und dem Gesetze widerstreitenden Auffassung der Pflichten eines Hauseigentümers und Vermieters und auf einer mißbräuchlichen Ausnutzung seiner Stellung dem häufig wirtschaftlich

schwächeren Mieter gegenüber.

Mit Recht hat fi* das Oberlandes­

gericht daher für unbeachtlich erklärt. Zutreffend verneint es auch, daß aus dem Verhalten der Mieter auf eine Billigung des damaligen Zustandes der Treppe oder gar auf

die Anerkennung ihrer Vertragsmäßigkeit zu schließen sei.

Sie hatten

mit dem Hinweis auf den „lumpeten Aufgang" am 1. Juli 1911

ihre entgegengesetzte Auffassung zu erkennen gegeben.

sie ihre Schuldigkeit getan.

Damit hatten

Sache des Beklagten war es nun, Ab­

Eine solche hat ihnen die Ehefrau des Beklagten auch noch am 1. November 1911 durch die Zusage, „es würde alles

hilfe zu schaffen.

im Hause gemacht werden", ausdrücklich versprochen.

Ohne Rechts­

irrtum geht das Oberlandesgericht davon aus, daß die Mieter diese

Zusicherung mit Rücksicht auf ihre Beschwerde vom 1. Juli 1911

verständigerweise auf die Bodentreppe mitbeziehen konnten und mit­ bezogen haben. Die Unterlassung eines Widerspruchs gegen die Hinausschiebung der Änderung der als gefährlich bezeichneten Treppe kann, wie der Senat bereits in dem zum Abdruck bestimmten Urteile

vom 6. Februar 1917 (III. 306/16)1 ausgesprochen hat, nicht als ein einstweiliger Verzicht der Mieter auf ihre aus der ordnungs­

widrigen Beschaffenheit der Treppe sich

S. Bd. 89 S. 384.

ergebenden Vertragsrechte

aufgefaßt werden.

Sie läßt sich auch von dem Gesichtspunkte des

Handelns auf eigene Gefahr gegen den Kläger und seine Ehefrau nicht verwerten.

Ebensowenig ist unter den geschilderten Umständen

ein Verschulden ihrerseits darin zu finden, daß sie nicht sofort zu dem ersten zulässigen Termine kündigten. ... (Nachdem ausgeführt ist,

daß der Frau des Klägers ein mitwirkendes Verschulden nicht zur

Last zu legen sei, wird fortgefahren:)

Die rechtliche Folgerung, daß der Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalte der Frau des Klägers sowohl aus dem Mietvertrag als

aus unerlaubter Handlung schadensersatzpflichtig ist, läßt sich

auch

gleichfalls nicht beanstanden.

Vergeblich sucht die Revision die Haf­

tung aus § 823 BGB. mit dem Hinweis auf den beschränkten Ver­

kehr, dem die Treppe zu dienen bestimmt war, zu bekämpfen.

Der

Senat hat schon wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß es zu ihrer Begründung in einem Falle wie dem vorliegenden einer Verkehrs­ eröffnung überhaupt nicht bedürfe (vgl. Urteile vom 13. Oktober 1916, III. 145/16 und vom 6. Februar 1917, III. 306/16).1

Ein jeder, der die Einwirkung seiner Sache auf den Körper eines anderen ge­ stattet, hat die Pflicht, die von ihr diesem drohenden Gefahren, soweit er sie kennt oder bei Anwendung der verkehrsgebotenen Sorgfalt kennen

muß,

mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln möglichst hinten­

anzuhalten.

Tut er das nicht, macht er sich aus § 823 BGB. ver­

antwortlich.

Ist er dem anderen zu der gleichen Maßnahme auf Grund

eines Vertrags noch besonders verbunden, so wird dadurch jene all­ gemeine Rechtspflicht dem Vertragsgegner gegenüber nicht berührt. Sie besteht jedenfalls neben der Vertragsflicht des Schuldners und

unabhängig von ihr fort, und die Verletzung beider löst neben den

vertraglichen Folgen die Rechtsnachteile aus § 823 BGB. aus.

Der Kläger kann daher den ihm aus dem Unfälle seiner Ehe­ frau erwachsenen Schaden sowohl aus der Verletzung seines sich auch

auf seine Angehörigen erstreckenden Mietrechts (vgl. RGZ. Bd. 81 S. 214flg.) als auch aus § 845 BGB., den der Verunglückten selbst aber nach § 1380 BGB. in eigenem Namen geltend machen.

Diese

letztere Befugnis bezieht sich auch auf den Schmerzensgeldanspruch seiner Frau. 1

Er hat zwar

nicht den

Ersatz

S. Bd. 88 S. 433 und Bd. 89 S. 384.

eines

Vermögensschadens

zum Gegenstände, ist aber, weil die Entschädigung in Geld zu leisten ist, ein vermögensrechtlicher Anspruch. Da er in den §§ 1366 bis 1370 BGB., welche die Bestandteile des Vorbehaltsguts erschöpfend aufzählen, nicht mitaufgesührt ist, gehört er notwendigerweise zum eingebrachten Vermögen der Ehefrau (§§ 1363, 1365 BGB.). Gegen diese Eigenschaft und gegen die Anwendung des § 1380 BGB. läßt sich auch aus der Vorschrift des zweiten Satzes des § 847 Abs. 1 a. a. O. nichts herleiten. Danach darf der vertraglich nicht aner­ kannte und noch nicht rechtshängige Anspruch auf Schmerzensgeld nicht übertragen und daher auch nicht mit einem Nießbrauchs be­ lastet werden (§ 1069 Abs. 2 BGB.). Aber die Nutznießungsbefugnis des Ehemanns ist rechtlich kein Nießbrauch. Sie hat nur ähnliche Rechtswirkungen wie dieser. Der Mann erwirbt die Früchte des eingebrachten Frauenguts wie ein Nießbraucher (§ 1383 BGB.). Die Nutznießung ist keine Dienstbarkeit im Sinne des 5. Abschnitts des 3. Buches des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern hat ihre Wurzel lediglich in dem Wesen der Ehe, in den gegenseitigen nahen Be­ ziehungen der Ehegatten zueinander und bildet eine entsprechende Aus­ gleichung der Pflicht des Ehemanns zur Bestreitung des ehelichen Auf­ wandes (§ 1389 BGB.). Freilich verlangt der Kläger Zahlung nicht an die Verletzte, sondern an sich selbst. Aber auch dagegen sind Bedenken nicht zu erheben, da seine nach dem Tatbestände des landgerichtlichen Urteils vorgetragene Behauptung, seine Ehefrau sei mit der Einklagung und Vereinnahmung ihrer Schmerzensgeldforde­ rung durch ihn einverstanden, von dem Beklagten nicht bestritten worden ist."

16. Zum Begriffe der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung im Sinne des ersten Halbsatzes und der Befriedigung eines Konkurs­ gläubigers im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 30 Nr. 1 KO.

VII. Zivilsenat.

Urt. v. 20. März 1917 i. S. C. L. (Kl.) w. Ge­

meinde H. (Bekl.). I. II.

Rep. VII. 399/16.

Landgericht III Berlin. Kammergerichl daselbst.

Die W. Bank verpfändete am 23. Dezember 1912 der beklagten Gemeinde für alle dieser aus ihrer beiderseitigen Geschäftsverbindung

zustehenden und noch

erwachsenden Forderungen Hypotheken, löste

aber im Oktober 1913 drei dieser Hypotheken durch Barzahlungen

ein.

Am 12. Januar 1914 wurde über das Vermögen -der Bank

das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter ernannt.

Der Konkursverwalter focht die erwähnten Zahlungen auf

Grund des § 30 Nr. 1 KO. an.

Die Klage wurde abgewiesen, die Berufung des Klägers zurück­ gewiesen.

Auch die Revision blieb ohne Erfolg.

Gründe: „Die W. Bank hätte von dreien ihrer Geschäftskunden, B., T. u. Sch., zur Sicherheit für Darlehnsforderungen Hypotheken abgetreten erhalten und vertragswidrig der gutgläubigen Beklagten für die dieser

gegen sie erwachsenden Ansprüche verpfändet.

Die genannten drei

Schuldner der Bank forderten, nachdem sie ihre Darlehnsschulden berichtigt hatten, von der Bank Herausgabe der Hypotheken.

Um

diesem Verlangen nachzukommen und lediglich zu diesem Zwecke ver­

langte nun die Bank von der Beklagten, deren Forderung inzwischen fällig

geworden war,

gemäß § 1223 Abs. 1

verpfändeten Hypotheken

Beklagte

BGB. Rückgabe der

gegen Befriedigung der Beklagten.

Die

leistete diesem Verlangen Folge und gab die Hypotheken

gegen Empfang der Zahlung an die Bank zurück, obwohl die Bank, wie der Beklagten bekannt war,

hatte.

bereits ihre Zahlungen eingestellt

Hiergegen richtet sich die auf § 30 Nr. 1 KO. gestützte An­

fechtungsklage des Konkursverwalters. Beide Vorinstanzen sind zur Abweisung der Klage gelangt. Der Berufungsrichter sieht zwar für erwiesen an, daß durch die an­

gefochtene Rechtshandlung die Konkursgläubiger benachteiligt worden sind.

Er hält aber diese Benachteiligung lediglich für eine mittelbare,

nicht für eine unmittelbar durch die Eingehung des Rechtsgeschäfts

hervorgerufene im Sinne des ersten Halbsatzes des § 30 Nr. 1 KO, dessen Voraussetzungen er im übrigen für gegeben erachtet.

gründet dies damit, daß

Er be­

durch die Herausgabe der verpfändeten

Hypotheken an die Bank Zug um Zug gegen Zahlungsleistung in deren Vermögen ein gleichwertiger Gegenstand zurückgelangt und hierdurch eine

unmittelbare Benachteiligung" der

Gläubiger der Bank aus

geschlossen worden sei, diese Benachteiligung vielmehr erst dadurch hervorgerufen worden sei, daß später andere, nämlich die drei ge­

nannten Personen, die Hypotheken für sich in Anspruch nahmen.

Anwendung des zweiten Halbsatzes des § 30 Nr. 1

Die

KO. hält der

Berufungsrichter aus dem Grunde für ausgeschlossen, weil die Bank gemäß § 1223 Abs. 2 BGB. einen auf dem Pfandvertrage beruhenden

erzwingbaren Anspruch

auf Rückgabe der verpfändeten Hypotheken

gehabt, die Beklagte aber mit der Rückgabe der Hypotheken gegen Empfangnahme

habe und

der Zahlung

lediglich ihre Vertragspflicht erfüllt

durch Verwertung der Hypotheken im Wege des Pfandverkaufs volle Deckung ihrer Forderung erhalten haben würde. auch

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind nicht be­

gründet.

Die Revision führt aus, für die Anfechtbarkeit der Zahlung

nach dem zweiten Halbsatze des § 30 Nr. 1 KO. mache es keinen

Unterschied, ob der Rückerwerb der Hypotheken die Hauptsache für die Bank gewesen sei.

Deshalb sei auch die Annahme des Berufungs­

richters rechtsirrig, daß nur der erste Halbsatz des § 30 Nr. 1 in

Frage kommen könne.

Endlich könne die Annahme,

daß

es

sich

nicht um eine unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger handle, nicht darauf gestützt werden, daß die drei Berechtigten erst später die

Hypotheken für sich in Anspruch genommen hätten, denn die Hypo­ theken hätten, da schon im Augenblick ihres Rückerwerbs die Ver­ pflichtung der Bank zu ihrer Zurückgabe an die Berechtigten bestanden

habe, kein Aktivum der Bank gebildet, es könne mithin für die Frage,

ob eine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung der Gläubiger vorliege, nicht der Zeitpunkt entscheidend sein, zu dem die Rückgabe von den Berechtigten verlangt und ihnen gewährt wurde.

Den Gründen des Berufungsrichters ist jedoch zunächst darin

zuzustimmen, daß unter den gegebenen Voraussetzungen die Zahlungs­

leistung an die Beklagte nicht als Befriedigung eines Konkursgläu­ bigers im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 30 Nr. 1 KO. an­

gesehen

werden kann.

Hat die Bank, wie der Berufungsrichter

feststellt, von dem ihr als Verpfänderin der Hypotheken nach § 1223

Abs. 2 BGB. zustehenden Einlösungsrechte Gebrauch gemacht, so lag in der zu diesem Zwecke von ihr an die Beklagte geleisteten Zahlung

ihrer fälligen Schuld nicht eine einfache Befriedigung eines Konkurs­ gläubigers im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 30 Nr. 1 KO.,

16.

Gläubigeranfechtung.

Gläubigerbenachteilig/ung.

sondern es handelte sich dann um ein auf pfandrechtlichem Gebiete liegendes Rechtsgeschäft, bei dem die Bank als Verpfänderin und die Beklagte als Pfandgläubigerin, mithin als absonderungsberechtigte Gläubigerin beteiligt war. Der Fall lag dann rechtlich nicht anders, als wenn die Bank lediglich Verpfänderin der Hypotheken und nicht zugleich persönliche Schuldnerin der Beklagten gewesen wäre und ihr Einlösungsrecht geltend gemacht hätte. Daß die Bank tatsächlich zu­ gleich die persönliche Schuldnerin der Beklagten war, schloß die An­ wendung des § 1223 Abs. 2 BGB. nicht aus (Jur. Wochenschr. 1910 S. 391, Recht 1911 Nr. 3190, RechtsprOLG. Bd. 26 Nr. 203). Aus diesem Grunde muß die Anfechtung, soweit sie auf den zweiten Halbsatz des § 30 Nr. 1 KO. gestützt ist, versagen. Was sodann die Frage der Anwendbarkeit des ersten Halbsatzes dieser Vorschrift betrifft, so erscheint es zunächst zum mindesten zwei­ felhaft, ob die angefochtene Rechtshandlung sich als ein Rechts­ geschäft im Sinne des Gesetzes ansehen läßt. Ein Rechtsgeschäft stellt begrifflich eine die Beteiligung mehrerer Personen erfordernde und durch ihr Zusammenwirken zustande kommende Rechtshandlung dar im Gegensatze zu der einfachen, von einer einzelnen Person aus­ gehenden Rechtshandlung, wie z. B. Mahnung, Kündigung, Widerruf. Auch eine Geldzahlung ist ein Rechtsgeschäft im gewöhnlichen Sinne des Wortes, da sie, ebenso wie die Übergabe, die Mitwirkung zweier

Personen, die Hingabe des Geldes von der einen und dessen An­ nahme von der anderen Seite erfordert. Es handelt sich aber darum was in dem ersten Halbsatze des § 30 Nr. 1 unter Rechtsgeschäft zu verstehen ist. Daß darunter auch Zahlungen an Gläubiger zu verstehen seien, ist im Hinblick darauf, daß solche im § 30 Nr. 1 und 2 KO. eine gesonderte Regelung erfahren haben, wenig wahrschein­ lich (vgl. Jaeger, Konkursordn. 5. Ausl., § 30 Anm. 24). Im vor­ liegenden Falle liegt zudem, wie schon oben erwähnt wurde, nicht eine einfache Zahlung vor, sondern die Bank machte von ihrem Ein­ lösungsrechte Gebrauch und nötigte dadurch die Beklagte, die Hypo­ theken gegen Empfangnahme der Zahlung herauszugeben. Die Hand­ lung in ihrer Gesamtheit stellt sich mithin rechtlich als ein Ausfluß einer ausschließlich von der Bank kraft der ihr zustehenden freien Entschließung vorgenommenen Rechtshandlung dar, nämlich der Gel­ tendmachung ihres Einlösungsrechts; der an und für sich rechts-

geschäftliche Charakter der Zahlungsleistung tritt hierbei, da sie zur Erreichung des von der Bank erstrebten Zweckes diente, wesentlich in den Hintergrund. Hiervon aber abgesehen, so ist dem Berufungsrichter unbedenk­ lich darin beizupflichten, daß eine unmittelbare, durch die Eingehung des fraglichen Rechtsgeschäfts bewirkte Gläubigerbenachteiligung, wie sie der erste Halbsatz des § 30 Nr. 1 erfordert, nicht vorliegt. Denn der Beklagten gegenüber stellte die Einlösung der Hypotheken durch die Bank ein Rechtsgeschäft dar, bei welchem auf der einen Seite eine Barzahlung geleistet und dafür auf der anderen Seite eine mindestens gleichwertige Leistung, nämlich die Herausgabe der, wie beim Mangel einer gegenteiligen Behauptung und Feststellung anzu­ nehmen ist, vollwertigen Hypotheken bewirkt wurde. Die die Kon­ kursgläubiger benachteiligenden Wirkungen dieses Rechtsgeschäfts hatten ihre Ursache nicht in dessen Eingehung, sondern in anderen Umständen, die mit dem Rechtsgeschäfte selbst und dessen Eingehung nicht un­ mittelbar in Zusammenhang standen und die der Beklagten gegen­ über deshalb auch nicht zu deren Nachteil berücksichtigt werden dürfen. Auch sonst läßt die Begründung des angefochtenen Urteils einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Die Revision war hiernach zurück­ zuweisen."

17. 1. Ist die von einer Oberzolldirektion auf Anfrage eines Be­ teiligten erteilte Auskunft über die Stempelpflichtigkeit einer in Zu­ kunft zu errichtenden Urkunde für den Fiskus bindend? 2. Zur Auslegung der Befreiungsvorschrift Nr. 2 der Tarifnr. 1A a, b, c des Reichsstempelgesetzes vom 3. Jnli 1913.

VIl. Zivilsenat. Urt. v. 20. März 1917 i. S. preuß. Fiskus (Bekl.) w. A.-E.-G.-Gesellschaft (Kl.). Rep. VIL 416/16. I II.

Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

Die Klägerin schloß am 18. März 1912 mit der Stadtgemeinde Berlin einen Vertrag, durch den sich die Klägerin verpflichtete, eine

Aktiengesellschaft zur Herstellung und zum Betrieb einer elektrischen Hoch- und Untergrundbahn von Gesundbrunnen nach dem Hermann­ platz in Neukölln zu gründen. Die Stadtgemeinde Berlin übernahm im § 1 die Verpflichtung, dieser zu bildenden Gesellschaft die Be­ nutzung der Straßen und sonstigen der Stadtgemeinde gehörigen Ge­ ländes sowie deren Untergrundes zur Herstellung und zum Betriebe der Schnellbahn zu gestatten. Ferner verpflichtete sich die Stadtgemeinde unter anderem zu einer gewissen Zinsgarantie und unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Beitrage von höchstens 5900000 Jl zu den Herstellungskosten. Dagegen wurde der Stadtgemeinde auch eine bestimmte Gewinnbeteiligung eingeräumt. Am 17. Februar 1914 ist dann die AEG.-Schnellbahnaktiengesellschaft zur Ausführung des Ver­ trags vom 18. März 1912 errichtet worden und ist in die durch diesen letzteren Vertrag für die Klägerin begründeten Rechte und Pflichten eingetreten. Für den Errichtungsvertrag hat die Klägerin auf Erfordern des Beklagten die Abgabe aus der Tarifnr. 1 Aa des Reichsstempelgesetzes vom 3. Juli 1913 mit 1915296,25 M gezahlt und fordert mit der Klage diesen Betrag zurück. Die Vorinstanzen erkannten nach dem Klagantrage. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Nach der Tarifnr. 1 Aa des am 1. Oktober 1913 in Kraft getretenen, also auf den Errichtungsvertrag vom 17. Februar 1914 anzuwendenden Reichsstempelgesetzes vom 3. Juli 1913 unterliegen dem Reichsstempel unter anderem die Beurkundungen von Gesellschafts­ verträgen, wenn sie die Errichtung von Aktiengesellschaften betreffen. Die Klägerin ist der Meinung, der genannte Vertrag unterliege aus einem doppelten Grunde dieser Stempelpflicht nicht; einmal, weil die zuständige Oberzolldirektion in dem Schreiben vom 29. November 1913 ihr gegenüber anerkannt habe, daß die zu errichtende Aktien­ gesellschaft von der Reichsstempelabgabe befreit sei, dann, weil schon die Befreiungsvorschrift Nr. 2 der Tarifnr. 1 A hier die Stempel­ pflicht ausschließe. Unter Billigung des zweiten Grundes hält der Berufungsrichter den ersten nicht für durchschlagend, und nach beiden Richtungen hin war ihm beizutreten. Der Berufungsrichter führt aus, die Erklärung der Oberzoll­ direktion, mit der im Widerspruche später auf Anordnung des Finanz-

Ministers der.jetzt streitige Stempel erhoben worden ist, sei für den Beklagten nicht bindend. Sie sei ihrer rechtlichen Natur nach keine rechtsgeschäftliche Erklärung im Sinne der Verordnung vom 15. Ja­ nuar 1908, sondern eine amtliche Antwort auf die an die Behörde gestellte Anfrage der Klägerin. Soweit durch diese Ausführung der Berufungsrichter die tatsächliche Feststellung trifft, daß ein Wille der Oberzolldirektion, sich rechtsgeschäftlich zu binden, bei ihr nicht vor­ handen gewesen sei und sich auch aus der Erklärung selbst nicht er­ gebe, ist sie in der Revisionsinstanz nicht zu beanstanden. Ein Rechts­ irrtum fällt dem Berufungsrichter bei dieser Auslegung der Erklärung nicht zur Last. Mit deren Wortlaut und Sinn ist sie völlig ver­ einbar. Sie stellte, wie ihr Inhalt ergibt, eine amtliche Auskunft auf eine Anfrage dar, die an sie von der Klägerin darüber gerichtet worden war, ob ein Gesellschaftsvertrag, der noch nicht errichtet, dessen Errichtung vielmehr erst in Aussicht genommen war, stempelfrei sein würde. Zu einer rechtsgeschäftlichen Erklärung lag kein Anlaß vor; denn es fehlte noch völlig an dem Tatbestände, der eine Stempel­ pflicht an sich hätte zur Entstehung bringen können, und es war noch ungewiß, ob in Ausführung der Vereinbarung vom 18. März 1912 ein Gründungsvertrag errichtet werden und welchen Inhalt er haben würde. Diese Ungewißheit bestand trotz der von der Klä­ gerin übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtung, die Schnellbahn­ gesellschaft zu gründen. Ein Vertragsangebot war der Oberzolldirek­ tion nicht gemacht worden, und es sind auch weder von ihr noch von der Klägerin gegenseitige Pflichten übernommen worden. Die Ober­ zolldirektion hat daher in der Erklärung nur in unverbindlicher Weise ihre Rechtsansicht dahin ausgesprochen, daß die Befreiung Platz greifen würde. Eine Absicht, etwa trotz der Annahme, daß die Stempel­ pflicht an sich begründet sei, die Abgabe zu erlassen — wozu der Be­ hörde die Befugnis gefehlt hätte —, ist aus der Erklärung in keiner Weise zu entnehmen. An die ausgesprochene Rechtsansicht der Ober­ zolldirektion war der Finanzminister nicht gebunden, da nach § 1 der Verwaltungsordnung für die preußischen Zollbehörden vom 15. Ja­ nuar 1908 die Verwaltung der Reichsstempelsteuer durch die Ober­ zolldirektion unter der oberen Leitung des Finanzministers erfolgt. Daran wird auch durch den § 14 Abs. 2 der Ausführungsbestim­ mungen des Bundesrats zum Reichsstempelgesetze nichts geändert;

dort ist nicht bestimmt, daß die Verwaltungsentscheidungen der Ober­

zolldirektionen endgültige seien. Ist hiernach die Erklärung der Oberzolldirektion ohne Einfluß

auf die Entscheidung, so ist doch der Steueranspruch des Beklagten auf Grund der Befreiungsvorschrift Nr. 2 zurückzuweisen.

Sie be­

stimmt, daß von der Stempelabgabe zu a, b, c der Tarifnr. 1 A be­ freit sind inländische Gesellschaften und Genossenschaften, wenn sie die Herstellung oder den Betrieb von inländischen Eisenbahnen „unter

Beteiligung oder Zinsbürgschaft" des Reichs, der Bundesstaaten, der

Provinzen, Gemeinden oder Kreise zum Zweck haben.

Im zweiten,

erst durch die Fassung des Gesetzes vom 3. Juli 1913 hinzugefügten

Satze der Vorschrift ist dann bestimmt:

„Die Beteiligung muß eine

Voraussetzung für das Zustandekommen des Eisenbahnunternehmens gebildet haben und für die beteiligte öffentliche Körperschaft entweder

ein im Verhältnis zur Bedeutung oder zu den Kosten des Eisenbahn­ unternehmens erhebliches finanzielles oder sonstiges Opfer oder ein

entsprechendes erhebliches geschäftliches Risiko darstellen."

Der Be­

rufungsrichter vertritt in erster Reihe die Meinung, die Befreiung

greife hier schon deshalb Platz, weil die Stadtgemeinde Berlin im § 3 des Vertrags vom 18. März 1912 überhaupt eine Zinsbürgschaft

übernommen habe, indem sie sich verpflichtet habe, die Zinsen der Obligationen, durch welche die Hälfte der Herstellungskosten beschafft

werden sollte, zu zahlen, wenn sie nicht aus den Jahresüberschüssen

gedeckt werden könnten. Einer Erörterung darüber, ob die einschränken­ den Vorschriften des zweiten Satzes der Befreiungsvorschrift hier der

Befreiung entgegenständen, bedürfe es nicht, da sich dieser zweite Satz nicht auf den Fall der Zinsbürgschaft, sondern ausschließlich auf den

Fall der „Beteiligung" beziehe, der im ersten Satze in Gegensatz zu dem Falle der Zinsbürgschaft gestellt sei.

Diese durch den Wortlaut

des Gesetzes unterstützte Auslegung der Befreiungsvorschrift muß je­ doch als eine zu enge erachtet werden. Schon im Urteile vom 19. Oktober 1915 (VII. 131/15) hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß das in der Befreiungs­

vorschrift gebrauchte Wort „Beteiligung"

weiterer Deutung zugänglich sei.

sowohl engerer als auch

Es hat keinen bestimmten juristisch -

technischen Inhalt, wird vielmehr in der Rechtssprache in verschiede­

nem Sinne gebraucht, nicht nur dann, wenn — wie beim Gesellschaft^-

Verhältnis — die Rechte und Verpflichtungen der Gesellschaft den

Teilnehmer unmittelbar treffen,

sondern auch bei den sogenannten

partiarischen Geschäften, also dann, wenn jemand zwar wirtschaftlich, rechtlich aber nur auf Grund schuldrechtlicher Beziehungen, also mittel­

bar, am Gewinn oder Verlust eines Unternehmens teilnimmt.

Eine

solche mittelbare Beteiligung liegt hier vor, da die Stadtgemeinde nur der Klägerin gegenüber sich schuldrechtlich verpflichtet hat, die

fehlenden Zinsbeträge

zuzuschießen; den

eine Zinsbürgschaft nicht übernommen.

Gläubigern gegenüber ist In welchem Sinne im ein­

zelnen Falle das Wort Beteiligung gebraucht ist, muß aus dem Zu­ sammenhang entnommen werden.

Es ist also auch bei Zugrunde­

legung des Wortlauts der Befreiungsvorschrift an sich nicht zulässig, hier dem Worte Beteiligung in dem Satze 2 einen anderen, und zwar

weiteren, die Zinsbürgschaft mitumfassenden Sinn beizulegcn als im

ersten Satze, in dem die „Beteiligung" zur „Zinsbürgschaft" in Gegen­ satz gestellt ist.

Die auffallende Unstimmigkeit läßt sich freilich nur

dadurch erklären, daß der erste Satz schon aus den Reichsstempel-

gesetzen vom 3. Juni 1906 und 15. Juli 1909 in das jetzige Stempel­ gesetz übernommen worden ist, während der zweite Satz erst bei der

Neufassung des Gesetzes im Jahre 1913 eingefügt und dabei der äußere und innere Zusammenhang der beiden Sätze nicht genügend

beachtet worden ist.

Ein gesetzgeberischer Grund dafür, die Befreiungs­

vorschrift, die offenbar den Schutz wichtiger wirtschaftlicher Interessen

öffentlicher Körperschaften bezweckt, auszuschließen, wenn das Interesse nur wirtschaftlich besteht und nicht Dritten gegenüber unmittelbar rechtlich in die Erscheinung tritt, ist nicht erkennbar.

Man wird

daher auch — entgegen der Meinung des Berufungsrichters, der als „beteiligt an einer Gesellschaft" nur denjenigen angesehen wissen will, dem „ein Anteil an der Gesellschaft" selbst zusteht und „der dem­

gemäß am Gewinn und Verlust teilnimmt" — unter jeder erheb­ lichen wirtschaftlichen Beteiligung solcher Körperschaften (worauf auch die im zweiten Satze gebrauchten Worte „Opfer" und „Risiko" Hin­ weisen) eine Beteiligung im Sinne dieses Satzes zu verstehen und an­

zunehmen haben, daß dieser Begriff die Zinsbürgschaft mitumfaßt,

diese also auch den in diesem Satze ausgedrückten einschränkenden Vorschriften unterliegt.

Nähme man mit dem Berufungsrichter an,

daß diese Vorschriften außer Anwendung bleiben müßten, soweit es

sich um die bloße Übernahme der nach dem ersten Satze zur Befreiung

schon ausreichenden Zinsbürgschaft handelt, so könnte, worauf der Beklagte mit Recht hinweist, schon jede zufällige oder ganz gering­ fügige und unwesentliche, vielleicht nur zum Zwecke der Erzielung der Steuerfreiheit übernommene Zinsbürgschaft die Abgabenbefreiung der Gesellschaft zur Folge haben. Ist hiernach das Wort Beteiligung im zweiten Satze im weitesten Sinne gemeint, so genügt doch selbst­ verständlich nicht ein nur tatsächlich vorhandenes, mittelbares wirt­ schaftliches Interesse am Gedeihen des Unternehmens, es müssen vielmehr zur Sicherung dieses Interesses Rechtsansprüche oder Rechts­ pflichten, wenn auch nur schuldrechtlicher Art, begründet sein. Das ist im Streitfall geschehen. Versteht hiernach der zweite Satz unter „Beteiligung" auch die Zinsbürgschaft, so fragt sich nur noch, ob hier für die Stadtgemeinde Berlin durch den Vertrag vom 18. März 1912 Rechte und Pflichten begründet sind, die den Erfordernissen des zweiten Satzes entsprechen. Der Berufungsrichter läßt es dahingestellt, ob die Stadtgemeinde durch den Abschluß des Vertrags „ein erhebliches finanzielles oder sonstiges Opfer" gebracht hat. Er begnügt sich mit der Feststellung, daß sie jedenfalls durch die §§ 3, 4 ein im Verhältnis zu der Be­ deutung oder den Kosten des Unternehmens erhebliches geschäftliches Risiko übernommen hat. Diese Feststellung reicht auch, da sie einen Rechtsirrtum nicht erkennen läßt, als Stütze des Urteils aus. Sie gründet ftd) darauf, daß nach den §§ 3, 4 die Stadtgemeinde sich, wie schon bemerkt ist, verpflichtet hat, zur Verzinsung und planmä­ ßigen Tilgung der Obligationsschuld, die zur Beschaffung der Hälfte des zur Herstellung der Schnellbahn erforderlichen Geldaufwandes ausgenommen ist, soweit sie den Betrag von 42 J/2 Millionen Mark nicht übersteigt, unter bestimmten Bedingungen den erforderlichen Zu­ schuß zu leisten, der sich nach der Feststellung des Berufungsrichters unter Umständen auf jährlich 1 700000 belaufen kann. Ein solcher Betrag ist, auch im Verhältnis zur Bedeutung und den Kosten des geplanten Schnellbahnunternehmens, als ein erheblicher anzusehen. Dasselbe gilt von dem Höchstbetrage von 5,9 Millionen Mark, den die Stadtgemeinde nach dem § 4 des Vertrags zuzuschießen hat, in­ soweit die Ausführung des gesamten Unternehmens einen Geldauf­ wand von mehr als 78 Millionen Mark erforderlich macht. Auch

hinsichtlich dieses Zuschusses ist an der Erheblichkeit des geschäftlichen Risikos nicht zu zweifeln. Überdies würde die vom Berufungsrichter

getroffene Feststellung dieser Erheblichkeit, da sie im wesentlichen auf der Würdigung tatsächlicher Verhältnisse beruht, in der Revisions-

instanz nicht nachzuprüfen sein, außer wenn sie, was aber hier nicht zutrifft, durch einen Rechtsirrtum beeinflußt wäre.

Die Gefahr eines Verlustes dieser erforderlichenfalls zuzuschießen­ den Beträge oder

doch eines erheblichen Teiles davon wird auch

nicht dadurch beseitigt, daß sie von der Gesellschaft mit 4 v. H. zu verzinsen und unter gewissen Voraussetzungen zurückzuerstatten sind.

Die Verzinsung und die Rückerstattung kann nur erfolgen, wenn die

Gesellschaft bereite Mittel dazu zur Verfügung hat.

Die finanzielle

Entwickelung eines Schnellbahnunternehmens läßt sich aber auch bei

Berücksichtigung der Verkehrserforderniffe einer Weltstadt nicht mit Sicherheit voraussehen.

Es lassen sich die verschiedenartigsten Ur­

sachen denken, aus denen die Ertragsfähigkeit und der Wert eines solchen Unternehmens aufs ungünstigste beeinflußt werden kann.

In

dieser Beziehung genügt es hier schon, auf die Möglichkeit der schäd­

lichen Einwirkungen eines Krieges oder von Naturereignissen hin­

zuweisen.

Auch kommt in Betracht, daß die Gesellschaft nach § 12

Nr. 4 des Vertrags nicht berechtigt ist, gegen den Bau und Betrieb von Wettbewerbslinien oder Konkurrenzunternehmungen irgendwelcher

Art Widerspruch zu erheben.

Nimmt man nun selbst an, daß die

Stadtgemeinde jedesmal die Möglichkeit hätte, derartige Unterneh­ mungen zu hindern, so kann sie doch in die Lage kommen, mit Rück­ sicht auf zwingende höhere öffentliche Interessen solche Unternehmungen

gestatten zu müssen und dadurch die Ertragsfähigkeit der Gesellschaft herabzudrücken.

Alle diese Möglichkeiten können nicht durch den Hin­

weis des Beklagten auf die wirtschaftliche Tüchtigkeit der (wechselnden) Leiter der Klägerin, die ein Kapital von 42,5 Millionen Mark in

ein unsicheres Unternehmen nicht gesteckt haben würden, als beseitigt gelten. Das fernere Erfordernis des Satzes 2 der Befreiungsvorschrift, daß die Beteiligung der Stadtgemeinde eine Voraussetzung für das

Zustandekommen des Eisenbahnunternehmens gebildet haben muß, ist

unstreitig hier gegeben, übrigens auch vom Berufungsrichter noch als

vorhanden festgestellt, und diese Feststellung von der Revision nicht

angefochten.

Deshalb läßt sich dem Berufungsrichter nicht entgegen­

treten, wenn er die Befreiung zuläßt.

Auch im einzelnen versagen die Rügen der Revision.

Klägerin und auch

Daß die

die Schnellbahngesellschaft reine Erwerbsgesell­

schaften sind, steht der Befreiung nicht entgegen, denn das Gesetz be­ freit Eisenbahngesellschaften von der Steuer im öffentlichen Interesse

lediglich mit Rücksicht darauf, daß Dritte, nämlich öffentlichrechtliche Körperschaften, bei dem Unternehmen beteiligt sind.

Ein Erfordernis,

die öffentlichen Interessen müßten bei den Gesellschaften, die auf die Befreiung Anspruch machen, gegenüber den geschäftlichen Interessen der Gesellschaft überwiegen,

unmittelbar zu entnehmen.

ist aus der Befreiungsvorschrift nicht

Für die frühere Fassung der Vorschrift,

die über die Art und den Umfang der Beteiligung der öffentlich-

rechtlichen Körperschaften nichts enthält, nahm man mit Rücksicht auf

den aus der Entstehungsgeschichte gefolgerten Zweck der Vorschrift an, daß ein solches Überwiegen dargetan sein müsse. Die jetzige neue Fassung der Vorschrift bestimmt aber genau die Art und den

Umfang der Beteiligung, und es muß deshalb für die Zulassung der Befreiung jedenfalls genügen, wenn diese Voraussetzungen als vor­ handen festgestellt werden.

Es würde übrigens im Streitfälle nicht

angenommen werden können — was zu entscheiden freilich die Auf­

gabe des Tatsachenrichters sein würde —, daß das von der Stadt­

gemeinde zu vertretende öffentliche Verkehrsinteresse an dem Betriebe der

Schnellbahn

bei

dem Unternehmen

Interesse der Klägerin zurücktrete.

hinter

dem geschäftlichen

Das zeigt sich, auch abgesehen von

der den städtischen Behörden obliegenden öffentlichrechtlichen Pflicht, den innerstädtischen Verkehr möglichst zu erleichtern und zu fördern,

und von dem oben dargelegten erheblichen Umfang ihrer „Beteiligung" am Unternehmen, darin, daß die Stadtgemeinde ihre Straßen und

Plätze — freilich gegen Gewinnbeteiligung — für das Unternehmen

hergibt (§ 1 des Vertrags), daß sie sich hinsichtlich der Bestimmung

des erforderlichen Geldaufwandes (§ 5), der Herstellung und Betriebs­ pflicht (§ 6), des Bauplans und der Bauausführung (§§ 7, 8), der Unterhaltung und Benutzung der Anlage (§ 10), der Art des Be­

triebes, der Bestimmung des Fahrplans und der Fahrpreise (§ 13), der Verträge mit den Bahnangestellten (§ 15), der Übernahme des Unter­

nehmens bei Beendigung des Vertragsverhältnisses (§§ 19, 20) usw.

weitgehende Befugnisse, insbesondere Genehmigungs-, Aufsichtsund Bewachungsrechte, Vorbehalten hat. Aber auch insoweit, als die Stadtgemeinde durch die für sie vereinbarte Gewinnbeteiligung finanzielle Vorteile aus dem Eisenbahnunternehmen zu erzielen sucht, kann dies Bestreben als dem öffentlichen Interesse fremd nicht er­ achtet werden. Fließen der Stadtgemeinde solche Einnahmen zu, so vermindert sich in demselben Maße das bisherige Bedürfnis, die Ge. meindemitglieder mit Steuern zu belasten, so daß ein Teil der städti­ schen Steuerkraft für die Deckung anderweit nötig gewordener Aus­ gaben frei wird. Die Entscheidung des Berufungsrichters mußte hiernach aufrechterhalten werden."

18.

Nachträgliche Beeidigung eines unbeeidigt zu vernehmenden Zeugen. ZPO. 88 391, 393, 383, 384. BGB. § 1591 Abs. 2.

IV. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 22. März 1917 i. S. R. (Kl.) w. R. (Bekl.). Rep. IV. 399/16.

Landgericht Stuttgart. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger hat die Ehelichkeit des von seiner Ehefrau am 8. De­ zember 1914 geborenen Beklagten angefochten. Das Berufungsgericht wies die Klage ab, die Revision wurde zurückgewiesen, aus folgenden Gründen: „Um die Ehelichkeit des Beklagten wirksam anzufechten, hat der Kläger die Vermutung des § 1591 Abs. 2 BGB. zu widerlegen, daß er seiner Frau während der Empfängniszeit beigewohnt habe. Das Berufungsgericht erklärt den durch das Zeugnis seiner Frau erhobenen Beweis des Klägers für mißlungen, da sie uneidlich ausgesagt habe, mit dem Kläger im März 1914 geschlechtlich verkehrt zu haben. Der Antrag des Klägers, die Zeugin nachträglich zu beeidigen, wurde abgelehnt und dazu bemerkt, ihre bisherigen Aussagen könnten dem Kläger nichts nützen, der Eid aber dürfe nicht dazu dienen, eine Entsch. in Zivils. R. F. 40 (90).

6

----------------------------------------------------------- f------------Zeugin, deren Angaben Mißtrauen entgegengebracht wird, zu einer Änderung ihrer Aussage zu bestimmen. Der Revision, die diese Be­ gründung für rechtsirrig hält, ist... zuzugeben, daß der von Schrift­ stellern und mitunter auch in der Rechtsprechung vertretene Stand­ punkt, wonach die nachträgliche Beeidigung nach § 393 Abs. 2 ZPO. nur dazu dienen dürfe, das Gewicht einer für glaubwürdig erachteten Aussage zu verstärken, der Bedeutung des Eides nur einseitig gerecht wird. Denn wenn der Eid überhaupt die Wahrheit der Zeugen­ aussagen nach Möglichkeit gewährleisten soll, so muß dieser Grund­ gedanke auch bei der Anordnung der nachträglichen Beeidigung nach § 393 Abs. 2 ZPO. gelten, also auch für den Fall, daß das Ge­ richt von der nachträglichen Beeidigung erwartet, es werde der Zeuge seine möglicherweise unwahre Aussage berichtigen. Ob der Zeuge, der das Zeugnis sogleich hätte verweigern können, auch den nach­ träglich erforderten Eid verweigern kann, kommt bei der Anordnung der Beeidigung selber nicht in Frage. Daß aber das Berufungs­ gericht sich zu der Ablehnung der nachträglichen Beeidigung der Zeugin durch eine rechtswidrige Verkennung seiner Befugnisse hätte bestimmen lassen, kann nicht angenommen werden. Es hat die Glaubwürdigkeit der Zeugin, die als Frau des Klägers und als Mutter des Beklagten nach § 383 Abs. 1 Nr. 2, 3 ZPO. uneidlich vernommen ist und deren Beeidigung auch nach § 384 Nr. 2 ZPO. gesetzlich nicht ge­ boten war, nicht bezweifelt. Es hat ferner ihre Aussage, so wie sie die Umstände näher dargelegt hat, als wahrheitsgemäß aufgefaßt. Daraufhin konnte das Berufungsgericht nach seinem freien sachlichen Ermessen trotz des etwaigen Mißtrauens des Klägers gegen die Aus­ sage seiner Frau deren nachträgliche Beeidigung ohne Prozeßverstoß ablehnen."

19. In welchem Zeitpunkte entsteht gemäß § 198 BGB. der Rückgriffsanspruch einer Partei gegen ihren Rechtsanwalt, der darauf gestützt ist, daß dieser eine Forderung der Partei gegen einen Dritten hat verjähren lassen? BGB. 88 198, 249. Rechtsanwaltsordnung 8 32 a.

III. Zivilsenat.

Uri. v. 23. März 1917 i. S. RechtsanwaltK.(Bekl.)

w. M. (Kl.). I. II.

Rep. III 463/16.

Landgericht Guben. Kammergericht Berlin.

Der Kläger, ein früherer Gerichtsvollzieher, der am 24. April 1907 von dem bei dem Tiefbauunternehmer B. angestellten Buch­

halter E. mit dem Rade überfahren und auf den 1. Mai 1908 pen­ sioniert worden ist, hat in einem Vorprozesse seine Schadensersatz­

ansprüche

aus

dem Unfall gegen die beiden

genannten Personen

geltend gemacht, und zwar mit der Klage zunächst wegen seiner Aus­ lagen und seines Erwerbsverlustes bis zur Pensionierung in Höhe von 2105,07 JH, sodann nach Rechtskraft der ihm günstigen Entschei­ dung über den Grund des Anspruchs am 30. November 1910 unter

Erweiterung des Klagantrags in Höhe des Schmerzensgeldes von

2000 Jl

und des

Einkommenausfalls

seit

seiner

Pensionierung.

Während ihm der ursprüngliche Klaganspruch zuerkannt wurde, ist

der erweiterte Anspruch rechtskräftig wegen Verjährung abgewiesen

worden. Im gegenwärtigen Verfahren verlangte er vom Beklagten, der

ihn im Vorprozeß als

landgerichtlicher Prozeßbevollmächtigter ver­

treten hatte, Schadensersatz wegen verspäteter Einklagung der ab­ gewiesenen Ansprüche.

Das Landgericht wies die Klage wegen der

auch hier erhobenen Verjährungseinrede ab.

Das Berufungsgericht

erachtete diese Einrede nicht für begründet und erklärte den Anspruch

dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Auf die Revision des Beklagten

wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung des Klägers

gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

„Der gegen den Beklagten als den früheren Prozeßbevollmäch­

tigten des Klägers erhobene Rückgriffsanspruch ist verjährt.

Er ist

darauf gestützt, daß der Beklagte in Verletzung seiner Anwaltspflichten

die dem Kläger aus einem Unfall gegenüber Dritten erwachsenen Schadensansprüche nicht rechtzeitig im Vorprozeß eingeklagt und so die Verjährung

dieser Ansprüche

nicht

verhindert

habe.

Gemäß

§ 32a RAO-, der am 1. Juni 1910 in Kraft getreten ist, verjährt 6*

der Anspruch der Partei auf Schadensersatz aus dem zwischen ihr und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in fünf Jahren.

Auf diese Verjährungsvorschrift finden, wie der Senat bereits in der

Entscheidung RGZ. Bd. 88 S. 223 ausgesprochen hat, die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung.

Nach § 198

das. beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs, ohne

daß es auf eine Kenntnis des Gläubigers vom Bestehen des Anspruchs ankommt (Jur. Wochenschr. 1912 S. 70).

Die Entstehung des nun­

mehr geltend gemachten Rückgriffsanspruchs fällt zusammen mit der Vollendung der Verjährung des klägerischen Unfallanspruchs, die nach

der Feststellung Ende August 1910 erfolgte.

Die fünfjährige Ver­

jährungsfrist war also zur Zeit der Klagerhebung — anfangs No­

vember 1915 — bereits abgelaufen.

Abzulehnen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Lauf der Verjährung des Rückgriffsanspruchs erst mit der Erhebung der Verjährungseinrede gegen den Unfallanspruch durch die Unfallschuld­

ner — am 30. November 1910 — begonnen habe.

Der Rückgriffs­

anspruch ist eine Schadensersatzforderung, die sich auf eine Pflicht­

verletzung des Anwalts und auf einen hierdurch entstandenen Schaden gründet.

Mit dem Eintritt dieser Voraussetzungen, insbesondere mit

dem Einttitt eines ursächlichen Schadens, ist der Rückgriffsanspruch entstanden.

Der Eintritt eines Schadens ist dann zu bejahen, wenn

die Vermögenslage des Geschädigten infolge des schädigenden Ereig­

nisses im Vergleich mit dem früheren Vermögensstande eine schlechtere

geworden ist.

Mit der Vollendung der Verjährung ist eine sehr er­

hebliche Veränderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Gestaltung

des Anspruchs vor sich gegangen. Der Anspruch ist zwar nicht unter­ gegangen, aber der Verpflichtete hat das Recht der Leistungsverweige­ rung erlangt (§ 222 BGB.).

Wenn auch das zur Befriedigung des

verjährten Anspruchs Geleistete nicht mehr zurückgefordert werden kann, so kann doch der Schuldner gegen seinen Willen zur Leistung

nicht mehr gezwungen werden, und dem Gläubiger fehlt die Rechts­ macht zur gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruchs.

Der Umstand,

daß im Prozesse die Verjährungstatsache nicht von Amts wegen zu beachten, vielmehr vom Schuldner einredeweise geltend zu machen ist,

hindert keineswegs die Annahme, daß der aus der Vollendung der Verjährung für den Gläubiger sich ergebende Schade bereits mit dem

Ablaufe der Verjährungsfrist eingetreten ist.

wird der Anspruch,

In diesem Zeitpunkte

der bis dahin ein rechtlich mangelfreier war,

mit einer zerstörlichen Einrede, also einem rechtlichen Mangel behaftet. Diese mit dem Verjährungseintritt verursachte erhebliche Veränderung

in den rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Anspruchs schließt es in sich, daß mit der Vollendung der Verjährung bereits

ein Schade entstanden ist und nicht erst, wie das Berufungsgericht Die nach der eigenen Darlegung des Berufungs­

annimmt, droht.

gerichts fernliegende Möglichkeit, daß die Vorschützung der Verjährungs­ einrede unterlassen werde, rechtfertigt nicht die Verneinung des Schadens­

eintritts; eine solche Unterlassung würde nur die Folge haben, daß

der eingetretene Schade nicht zu einem bleibenden würde, sondern späterhin wieder aufgehoben würde.

Der Schadensersatzschuldner ist

in solchen Fällen durch die Vorschrift des § 255 BGB., die ihm einen Anspruch auf Abtretung der Rechte des Ersatzberechtigten gegen

Dritte gewährt, gedeckt. Die dargelegte Auffassung des Schadensbegriffes steht im Ein­ klänge mit der bisherigen Rechtsprechung

des Reichsgerichts.

So

ist z. B. in RGZ. Bd. 62 S. 321 der Schade eines Gläubigers

schon deshalb bejaht worden, weil er an Stelle einer unbestrittenen Forderung eine bestrittene, erst im Prozeßwege durchzusetzende Forde­ rung erlangt habe.

RGZ. Bd. 76 S. 146 hat ausgeführt, daß der

Gläubiger, der alsbaldige Schadenserstattung verlangen könne, sich

nicht auf zukünftige, die Beschädigung möglicherweise wiederaufhebende

Maßnahmen verweisen zu lassen brauche.

Auch das Schrifttum steht

auf demselben Standpunkte (vgl. insbes. Planck § 249 Anm. 2; Oertmann Vordem. 2 von § 249; Fischer, „Der Schaden nach dem

BGB." in Abhandl. für Privatr. und Zivilpr. US. 6). Ist aber, wie dargelegt, der Rückgriffsanspruch mit der Voll­ endung der

Verjährung des Unfallanspruchs schon entstanden, so

war auch der Kläger an dessen Geltendmachung nicht gehindert.

Die

Auffassung des Berufungsgerichts würde auch zu unhaltbaren Folge­ rungen führen.

Der Beginn der Verjährung des Rückgriffsanspruchs

wäre vollständig in das Ungewisse gesetzt; er wäre vom Belieben

beider Parteien des Unfallanspruchs abhängig; denn er würde früher oder später eintreten je nach der Zeit,

zu der der Unfallanspruch­

berechtigte den Anspruch erheben oder dessen Gegner die Verjährungs-

einrede vorschützen würde. Der gesetzgeberische Grund der Verjährungs­ vorschriften, baldmöglichste Rechtssicherheit zu schaffen, wäre dabei erheblich in Frage gestellt." ...

20. Wird die einjährige Frist der §§ 41 und 42 KO. durch eine an sich wegen eines Mangels der Zustellung unwirksame Klagerhebung dann gewahrt, wenn der Mangel mit rückwirkender Kraft geheilt wird?

VII. Zivilsenat. Urt. v. 23. März 1917 i. S. H. (Bekl.) w. W.sche Konk.-Verw. (Kl.). Rep. VII. 394/16. I. II.

Landgericht Elberfeld. Oberlandesgericht Düsseldorf.

Aus den Gründen: „Die Revision greift das Berufungsurteil lediglich insoweit an, als der Berufungsrichter die einjährige Anfechtungsfrist als gewahrt angesehen hat. Es kann dahingestellt bleiben» ob, wie der Berufungs­ richter annimmt, der § 42 KO. oder ob nicht vielmehr der § 41 daselbst Anwendung zu finden hat, denn in beiden Fällen hängt die Wahrung der Frist davon ab, ob die Anfechtung bereits mit der im März 1914 geschehenen Klagerhebung als erfolgt zu erachten ist oder nicht. Der Berufungsrichter hat das erstere angenommen und dem ist beizutreten. Nach feststehender Rechtsprechung hat die Anfechtung innerhalb der einjährigen Frist durch Erhebung der Klage zu erfolgen und ist diese Frist eine Ausschlußfrist, deren Wahrung das Gericht un­ abhängig von einem etwaigen Zugeständnis des Anfechtungsbeklagten von Amts wegen festzustellen hat. Die Frage aber, ob im einzelnen Falle eine rechtswirksame Erhebung der Klage vorliegt, ist lediglich nach dem Prozeßrechte zu entscheiden. Hat eine an irgend einem Mangel leidende und deshalb an sich der Wirksamkeit entbehrende Klagerhebung auf Grund prozeßrechtlicher Vorschriften nachträglich mit rückwirkender Kraft die gleiche Wirksamkeit erlangt, als sei sie niemals mit dem Mangel behaftet gewesen, so muß einer solchen

Klagerhebung auch die bürgerlichrechtliche Wirkung einer rechts­ wirksamen Klagerhebung beigemessen werden. Zutreffend hat es der II. Zivilsenat des Reichsgerichts in seinem Urteile vom 8. Juni 1915 — RGZ. Bd. 86 S. 245 — für ausgeschlossen erklärt, daß eine Klagerhebung prozessual wirksam sein, aber der materiellrechtlichen Wirkung entbehren könnte. Die Eigenschaft der Anfechtungsfrist als einer Ausschlußfrist rechtfertigt nicht eine abweichende Auffassung. Im vorliegenden Falle hat die zu Unrecht an die Mutter und Vor­ münderin der Revisionsklägerin erfolgte Zustellung der Klage das Er­ gebnis gehabt, daß der von der Mutter bestellte Prozeßbevollmächtigte, Rechtsanwalt L., von Anfang an nicht nur in allen Schriftsätzen, sondern auch in allen Terminen zugleich auch für die Revisions­ klägerin aufgetreten ist und verhandelt hat. Dadurch, daß sodann der schon zur Zeit der Klagezustellung zur Wahrnehmung oller Ver­ mögensangelegenheiten der Revisionsklägerin bestellte Pfleger durch den nun auch von ihm zum Prozeßbevollmächtigten ernannten Rechts­ anwalt L. im Verhandlungstermine vom 8. Juni 1915 die bisherige Prozeßführung genehmigte, verlor er das Recht, wegen des der Zu­ stellung der Klage anhaftenden Mangels deren Abweisung zu ver­ langen, mußte vielmehr nunmehr die sachliche Entscheidung über die erhobene Klage entgegennehmen. Für den somit durchzuführenden Rechtsstreit kann als Zeitpunkt des Rechtshängigwerdens des geltend­ gemachten Anfechtungsanspruchs nur der in Betracht kommen, in dem, wenn auch zu Unrecht, die Klage für die Revisionsklägerin an ihre Vormünderin statt an ihren Pfleger tatsächlich zugestellt worden ist. Mit Recht wird aus der Vorschrift des § 579 Nr. 4 ZPO. gefolgert, daß auch der Mangel der gesetzlichen Vertretungsbefugnis mit rück­ wirkender Kraft durch Genehmigung des gesetzlichen Vertreters geheilt werden kann (vgl. Hellwig im Recht Jahrg. 9 S. 301 unter II. 2). Zu Unrecht glaubt die Revision sich auf das Urteil des er­ kennenden Senats vom 6. Juni 1916 (RGZ. Bd. 88 S. 294) be­ rufen zu können. Dort hat der Senat das entscheidende Gewicht darauf gelegt, daß es zur Wahrung der Frist der Natur der Sache nach erforderlich ist, daß sich die Klage als geeignet erweist, zu einer sachlichen Entscheidung über den geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu führen, daß aber bei Abweisung der Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts nur ein wirkungsloser und deshalb für die Fristwahrung

unerheblicher Versuch der Ausübung des Anfechtungsrechts vorliege. Von einem solchen wirkungslosen Versuche kann im vorliegenden Falle keine Rede sein, da der Pfleger unter Eintritt in den anhängigen Prozeß alle vorhergegangenen — sei es namens der Revisionsklägerin, sei es ihr gegenüber seitens des Klägers vorgenommenen — Prozeß» Handlungen ausdrücklich gutgeheißen hat und diese deshalb als wirk­ sam erfolgt gelten lassen muß." ...

21. Gesetz

Verwendung einer Firma in abgekürzter Gestalt znr Waren­ bezeichnung.

zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 (RGBl. S. 441) § 13.

II. Zivilsenat.

Urt. v. 23. März 1917 i. S. Firma H. K. (Bekl.)

w. Firma B. K. (Kl.). I. II.

Rep. II. 53/16.

Landgericht Altenburg. Oberlandesgericht Jena.

Die Klägerin, die Firma Bernhard Köhler Nähmaschinenfabrik in Chemnitz, fertigt und vertreibt seit 1865 Spezialmaschinen für die Industrie, insbesondere für Handschuh- und Trikotagefabriken. Sie verwendet für ihre Maschinen auf diesen selbst wie in ihren Geschäfts­ papieren das Wort „Köhler", teils allein stehend, teils in Zusammen­ setzungen wie „Köhlermaschinen", „Köhlernähmaschinen". Es ist auch in die Zeichenrolle des Patentamts für sie auf ihre Anmeldung vom Juli 1896 das Wortzeichen „Köhler" und im Januar 1897 ein Bildzeichen enthaltend u. a. das Wort „Köhler-Nähmaschinen" — Leides „für Nähmaschinen jeder Art, sowie Nähmaschinenteile ein­ schließlich Nadeln" — eingetragen. Die Beklagte, die Firma Hermann Köhler Nähmaschinenfabrik in Altenburg S.-A., ist aus einer im Jahre 1871 gegründeten Firma hervorgegangen, deren Mitinhaber der im Laufe des Rechtsstreits verstorbene alleinige Inhaber der Beklagten, der Geheime Kommerzien­ rat Hermann Köhler, gewesen ist. Die Beklagte (und ihre Rechts-

Vorgängerin) fertigte und fertigt in der Hauptsache noch jetzt Haus­ haltungsnähmaschinen an. Sie stellt jetzt aber auch Spezialmaschinen her. Sie verwendet in ihren Preislisten, Zeitungsanzeigen, Plakaten und auf den Erzeugnissen selbst ebenfalls das Wort „Köhler", auch teils alleinstehend, teils in Zusammensetzungen wie „Köhler-Näh­ maschinen" usw. Auf die von der Klägerin erhobene, vom ersten Richter ab­ gewiesene Unterlassungsklage hat der Berufungsrichter die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Wort „Köhler" zur Warenbezeich­ nung von anderen Nähmaschinen als Haushaltungsnähmaschinen ohne einen Zusatz, der ihre Erzeugnisse von denen der Klägerin deutlich unterscheidet, zu verwenden. Die Revision der Beklagten ist — nur unter einer etwas anderen Formulierung des ergangenen Verbots — zurückgewiesen worden. Gründe: „Nach den vom Berufungsrichter getroffenen tatsächlichen Fest­ stellungen hat die Beklagte bereits vor der Anmeldung der Zeichen der Klägerin zur Zeichenrolle, d. i. vor Juli 1896, das Wort „Köhler" zur Bezeichnung der von ihr hergestellten Haushaltungsnäh­ maschinen verwendet, und es hat dieses Wort schon damals in den beteiligten Abnehmerkreisen, den Händlern mit Haushaltungsnäh­ maschinen und dem kaufenden Publikum, als Bezeichnung der Haus­ haltungsnähmaschinen aus der Fabrik der Beklagten gegolten, derart, daß die Bezeichnung Köhler bereits damals dem Publikum als Ab­ kürzung für die Altenburger Firma Hermann Köhler, als abgekürzter Firmenname der Beklagten, geläufig und bekannt war. Es hat nach den weiteren Feststellungen des Berufungsrichters auch die Klägerin die von ihr hergestellten Spezialnähmaschinen unter der Bezeich­ nung Köhler (Köhlermaschinen) vertrieben; damit ist aber die Kennt­ nis der Herkunft dieser Maschinen von der Klägerin nicht in weitere Kreise des Publikums, sondern nur in die Kreise derjenigen Fabrikanten und Gewerbetreibenden gedrungen, die mit den Spezialmaschinen der Klägerin arbeiteten. Für Haushaltungsnähmaschinen ist die Klägerin nicht als Erzeugerin bekannt geworden, und es hat, als sie im Jahre 1896 das Warenzeichen „Köhler" anmeldete, die Bezeichnung Köhler an und für Haushaltungsnähmaschinen bei den Händlern und im Publikum als Hinweis auf die Firma der Beklagten gegolten.

Auf Grund dieser Feststellungen hat der Berufungsrichter die Beklagte, die jetzt auch Spezialnähmaschinen herstellt und auch diese als Köhler-Nähmaschinen, anbietet, zwar für berechtigt erachtet, nach

wie vor für die von ihr hergestellten Haushaltungsnähmaschinen das

Wort „Köhler" zu verwenden, aber nicht für berechtigt gehalten, dieses Wort (ohne einen deutlichen, ihre Erzeugnisse von denen der Klägerin unterscheidenden Zusatz) zur Warenbezeichnung anderer Nähmaschinen als Haushaltungsnähmaschinen zu verwenden.

Der Berufungsrichter

hat diese Beschränkung der Berechtigung der Beklagten in der Ver­ wendung des Wortes „Köhler" auf § 13 WarBezG. gestützt.

Das

ist allerdings, wie der Revision zuzugeben ist, nicht zutreffend.

Das Wort „Köhler" war als Abkürzung der Firma der Be­ klagten bei den Abnehmerkreisen schon vor der Entstehung der Waren­ zeichenrechte der Klägerin eingeführt; die Beklagte war daher durch

die Eintragung der klägerischen Warenzeichen nicht gehindert, ihre Firma auch in abgekürzter Gestalt im Geschäftsverkehr zu gebrauchen

(§ 13 WarBezG., RGZ. Bd. 56 S. 417flg.; Bd. 64 S. 63flg., RGSt. Bd. 40 S. 398 flg. a. a.).

Der Berufungsrichter sagt im

Laufe seiner Erörterungen auch selbst, die Beklagte sei zur Anwendung

des Wortes Köhler als ihres abgekürzten Handelsnamens befugt ge­ wesen.

Diese Befugnis hat sie allgemein, und es liegt rechtsgrund­

sätzlich keine Veranlassung vor, ihre aus dem ihr zukommenden Per­

sönlichkeitsrecht entfließende Befugnis zum Gebrauch ihres Namens, auch in abgekürzter Gestalt, auf solche von ihr als Nähmaschinen­

fabrik hergestellte Waren zu beschränken, von denen das Bekanntsein

des Wortes Köhler als Abkürzung der Firma der Beklagten seinen Ausgang genommen har.

Wer sich für eine Ware ein Wort als

Warenzeichen eintragen läßt, welches ein anderer schon zuvor als

Abkürzung seines Namens oder seiner Firma für gleiche oder gleich­ artige Waren im Verkehr bekannt gemacht und in diesen eingeführt

hatte, kann auf Grund seines (später entstandenen) Warenzeichenrechts nicht verlangen, daß der andere seinen Namen oder seine Firma —

sei es auch in der abgekürzten, jedoch auch in dieser kenntlichen Ge­ stalt — immer nur gerade für die ursprünglich von ihm erzeugten

oder vertriebenen, nicht aber wenigstens auch für gleichartige Waren

ferner gebraucht.

In diesem Sinne hat sich der Senat auch bereits

in der Sache II. 332/07 in seinem Urteile vom 28. Februar 1908

(Markensch. u. Wettbew., 8. Jahrg. S. 84) ausgesprochen. Das Warenzeichenrecht ist nicht stärker als das Namens- oder ältere Firmenrecht. Der Rechtsirrtum des Berufungsrichters kann aber der Revision nicht zum Erfolge verhelfen." (Es wird das auf Grund des § 16 1123®. näher ausgeführt.)

22. 'Wann ist eine von dem Erben, insbesondere von dem Bor­ erben eillgegangene Verbindlichkeit als Nachlaßverbindlichkeit anzu­ sehen? BGB. §§ 1967, 1978, 1979, 2115, 2144, 2145, 2383. ZPO. § 773. KO. § 224.

IV. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 26. März 1917 i. S. L. (Kl.) w. Geschw. 23. (Bekl.). Rep. IV. 398/16.

Landgericht II Berlin. Kammergericht daselbst.

Der am 17. August 1902 verstorbene Kaufmann 23. zu Berlin hat in seinem Testamente vom 13. August 1902 seine Ehefrau zu 1/i und seine beiden Kinder, die Beklagten, zu % als Erben mit der Bestimmung eingesetzt, daß die Ehefrau an dem Erbteile der Kinder für ihre Lebenszeit bis zu ihrer etwaigen Wiederverheiratung Nieß­ brauch und freie Verwaltung haben und hierbei von allen Einschrän­ kungen, soweit gesetzlich zulässig, befreit sein solle. Aus den Mitteln des ungeteilten Nachlasses erwarb Frau 23. im Jahre 1907 das Mit­ eigentum zu s/5 an den Grundstücken Südendstraße 4 und Albrecht­ straße 123. Demnächst ließ sie gemeinschaftlich mit ihrem damaligen Miteigentümer auf Grund der vollstreckbaren notariellen Urkunde vom 30. September 1907 auf das erstere Grundstück für den Kläger als ein ihnen von diesem gegebenes Darlehen 20000 JK, hypothekarisch eintragen. Später, bei Erwerb des restlichen Miteigentums, über­ nahm sie diese Schuld allein. Am 29. März 1912 schloß sie mit ihren beiden Kindern einen Auseinandersetzungsvertrag, durch den sie

diesen außer anderen Werten das Grundstück Albrechtstraße 123 über­

trug , während sie selbst das Grundstück Südendstraße 4 übernahm. Der Kläger hat jetzt wegen seiner Hypothekenforderung, da er

von Frau W. keine Befriedigung erlangen konnte, die beiden Be­

klagten auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das auf ihren Namen eingetragenen Grundstück Albrechtstraße 123 in Anspruch genommen.

Er stützt die Klage unter anderem darauf, daß es sich bei seiner For­ derung um eine Nachlaßverbindlichkeit handle.

wiesen die Klage ab.

Die Vorinstanzen

Auch die Revision blieb erfolglos.

Aus den Gründen;

... „Hauptsächlich richtet sich der Angriff der Revision dagegen, daß die von der Frau W. eingegangene Darlehnsschuld nicht als eine die Beklagten haftbar machende Nachlaßverbindlichkeit beurteilt ist. Über den Begriff der Nachlaßverbindlichkeiten bestimmt § 1967 Abs.2

BGB., daß zu ihnen außer den vom Erblasser herrührenden Schulden auch die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, ins­ besondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen

und Auflagen gehören.

Nicht mit Klarheit spricht sich das Gesetz

darüber aus, ob und inwieweit zu den den Erben als solchen treffen­

den Verbindlichkeiten

Schulden

aus Rechtshandlungen des Erben

in Verwaltung des Nachlasses gerechnet werden dürfen. ist daher in der Rechtslehre eine sehr bestrittene.

Die Frage

Streitig ist auch

die weitere Frage, ob das Vorhandensein einer Nachlaßverbindlich­ keit durch die Eingehung einer persönlichen Verpflichtung des Erben

ausgeschlossen wird.

In

letzterer Beziehung

wird verschiedentlich

der Standpunkt vertreten, daß grundsätzlich eine Nachlaßverbindlich­ keit

nicht zugleich

könne.

eine persönliche Verbindlichkeit des Erben sein

Von diesem Standpunkt aus nimmt Bindzr (Rechtsstellung

des Erben Bd. 2 S. 39flg., Bd. 3 S. 70flg.) an, daß der Erbe, der in Verwaltung des Nachlasses, wenn schon im eigenen Namen,

Rechtsgeschäfte abschließt, nicht sich persönlich belaste, sondern immer nur eine Nachlaßverbindlichkeit begründe. (Gruchots Beitr. Bd. 51

durch

Umgekehrt vertritt Eccius

S. 566 flg.) die Ansicht, daß der Erbe

rechtsgeschäftliches Handeln

in Verwaltung

des Nachlasses,

da er in eigener Angelegenheit, nicht in Vertretung des kein be­ sonderes Rechtssubjekt bildenden Nachlasses handle, weder im Innen­

verhältnis noch nach

außen eine Nachlaßschuld begründe, sondern

eine persönliche Verbindlichkeit eingehe (ähnlich Borcherdt im Arch.

f. zivil. Prax. Bd. 94 S. 197 flg. für den gaH, daß das Rechts­ geschäft von dem Alleinerben geschlossen wird).

Diese Auffassung, daß immer nur entweder eine Nachlaßverbind­ lichkeit oder eine persönliche Verbindlichkeit des Erben vorhanden sein könne, kann nicht als berechtigt anerkannt werden.

Nach den gesetz­

lichen Vorschriften steht nichts entgegen, daß der Erbe bei Eingehung einer Nachlaßverbindlichkeit sich zugleich persönlich haftbar macht und

daß auf diese Weise eine Art Gesamtschuld begründet wird (Leon­

hard, Erbrecht Anm. VB3 zu § 1967 BGB.). Zweifellos ist es dem Erben (vgl. Motive Bd. 5 S. 603) bei Verwaltung des Nach­ lasses gestattet, durch Vereinbarung mit dem Gläubiger, indem er die

Haftung auf den Nachlaß beschränkt, seine persönliche Haftung aus­ zuschließen, was auch dadurch geschehen kann, daß er erklärt, im Namen oder in Vertretung des Nachlasses zu handeln.

Eine solche

Abmachung wird allerdings nicht häufig vorkommen, weil durch Ab­ lehnung der persönlichen Haftung seitens des Erben Zweifel an der

Zulänglichkeit des Nachlasses in dem anderen Teile hervorgerufen werden müssen. Deshalb ist die Frage praktisch von großer Be­ deutung, auch für die Entscheidung des gegenwärtigen Rechtsstreits,

ob auch ohne solche Vereinbarung eine Nachlaßverbindlichkeit schon dann anzunehmen ist, wenn der Erbe tatsächlich in Verwaltung des Nachlasses gehandelt hat.

Für den Fall des Nachlaßkonkurses werden im § 224 Nr. 3 und 4 KO. die Kosten der Eröffnung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen, der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses, einer

Nachlaßpflegschaft, des Aufgebots der Nachlaßgläubiger und der Jn-

ventarerrichtung, desgleichen die Kosten der Todeserklärung des Erb­ lassers, soweit sie zur zweckentsprechenden Durchführung des Verfahrens

erforderlich sind (§ 971 ZPO.), für Masseschulden erklärt.

Es ist damit zugleich zum Ausdruck gebracht, daß diese Verbindlichkeiten als

Nachlaßverbindlichkeiten anzusehen sind.

Sie belasten den Nachlaß,

auch wenn den Erben, wie z. B. bei Beauftragung eines Notars mit

der Jnventarerrichtung, außerdem eine persönliche Verpflichtung trifft. Der Begriff der Nachlaßverbindlichkeiten ist aber nicht, wie an­

scheinend Dernburg (Bürger!. Recht Bd. 5 § 125) will, auf der­ artige Verpflichtungen aus den die Erbschaft betreffenden allgemeinen

Verwaltungshandlungen, die schon ihrer äußeren Natur nach sich als Nachlaßverbindlichkeiten darstellen, zu beschränken. Eine Erweiterung

des Begriffs ergibt sich mit Notwendigkeit aus den in §§ 1978, 1979 BGB. getroffenen Bestimmungen.

Nachlaßverwaltung

Ist es zur Anordnung der

oder zur Eröffnung des

Nachlaßkonkurses ge­

kommen, so ist der Erbe von der Zeit der Annahme der Erbschaft

an den Nachlaßgläubigern für die Verwaltung des Nachlasses so ver­

antwortlich, wie wenn er die Verwaltung als Beauftragter zu führen gehabt hätte. Aufwendungen sind ihm aus dem Nachlasse zu erstatten, soweit er nach den Vorschriften über den Auftrag Ersatz verlangen

könnte.

Die Nachlaßgläubiger müssen hierbei, was für den Fall des

Nachlaßkonkurses von Wichtigkeit ist, die Berichtigung einer Nachlaß­ verbindlichkeit durch den Erben als für Rechuung des Nachlasses er­ folgt gelten lassen, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durste, daß der Nachlaß zur Berichtigung aller Nachlaßverbindlich­ keiten ausreiche.

Das Rechtsverhältnis des Erben zu dem Nachlasse

bestimmt sich somit in dem auf vollständige Sonderung des Nach­

lasses von dem sonstigen Vermögen des Erben gerichteten Verfahren

der Nachlaßverwaltung und des Nachlaßkonkurses nach den Grund­ sätzen des Auftrags.

Ebenso wie ein Beauftragter hat er, wenn er

zur ordnungsmäßigen Verwendung des Nachlasses Aufwendungen ge­ macht hat, die er zu diesem Zwecke für erforderlich halten durfte (§ 670 BGB.), Anspruch auf Ersatz, welchem Anspruch im § 224 Nr. 1 KO. sogar der Charakter einer Masseschuld beigelegt ist.

Dieser

Ersatzanspruch erstreckt sich auch auf die von dem Erben innerhalb

des Rahmens ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses eingegan­ genen neuen Verbindlichkeiten, für welche er, wenn eine andere Ver­

einbarung nicht getroffen ist, mit seinem persönlichen Vermögen haftet. Der Erbe soll durch eine derartige auftragsmäßige Verwaltung keinen Schaden erleiden.

Hieraus folgt, daß den aus solcher Verwaltung

erwachsenen Verbindlichkeiten die Eigenschaft von Nachlaßverbindlich­ keiten nicht abgesprochen werden darf.

Wären sie dies nicht, wären

sie als bloße Privatschulden des Erben anzusehen, so würde, wie namentlich aus ß 1979 hervorgeht, ein Anspruch auf Ersatz überhaupt nicht gegeben sein.

Der Erbe würde im Gegenteil das zur Tilgung

dieser Verbindlichkeiten aus Nachlaßmitteln Aufgewendete dem Nach­

laß zu erstatten haben.

Soweit aber der Erbe ersatzberechtigt ist.

hat er für den Fall, daß die Verbindlichkeit von ihm noch nicht be­ richtigt ist, nach § 257 BGB. ein Recht auf Befreiung von der

Verbindlichkeit.

Er kann zu diesem Zwecke, wenn nicht die Schuld

nachträglich von ihm getilgt und hierdurch ein Ersatzanspruch von

ihm erworben wird, die Berichtigung der Verbindlichkeit im Verfahren der Nachlaßverwaltung oder des Nachlaßkonkurses verlangen, und es ist nur folgerichtig und als im Sinne der gesetzlichen Vorschriften

liegend anzuerkennen, daß in diesem Verfahren auch der Gläubiger selbst ein Recht auf Berichtigung hat.

Das amtliche Verfahren der

Nachlaßverwaltung und des Nachlaßkonkurses ist dazu bestimmt, eine Berichtigung der sämtlichen Nachlaßverbindlichkeiten und eine Klar­ stellung, inwieweit es sich um eine Nachlaßschuld oder um eine bloße

Privatschuld

des Erben handelt, für die Nachlaßmittel nicht auf­

gewendet werden dürfen, herbeizuführen. Maßgebend ist danach für die Annahme einer Nachlaßverbind­ lichkeit der Umstand, ob die Verbindlichkeit vom Standpunkt eines

sorgfältigen Verwalters in ordnungsmäßiger Verwaltung des Nach­

lasses eingegangen ist, ohne daß es entscheidend darauf ankommt, ob die Verbindlichkeit ausdrücklich für den Nachlaß übernommen ist oder die Beziehung zum Nachlaß dem Geschäftsgegner erkennbar gemacht

ist (vgl. RGZ. Bd. 62 S. 38flg., insbesondere S. 42, Urteil des er­

kennenden Senats

vom 9. November 1916 IV 208/16;

Jaeger,

Anm. 7 zu §§ 226flg. KO.; vgl. auch Strohal, Das deutsche Erb­ recht § 70 S. 176flg.; Planck, Anm. 6a und 6b zu § 1967 BGB.; Scheye in Gruchots Beitr. Bd. 52 S. 806flg.; Zahn, Die Haf­ tung aus Rechtsgeschäften des Erben; Leonhard, Erbrecht Anm. VB 3

zu

§ 1967,

wessen

der

jedoch

hauptsächlich darauf

Namen das Geschäft abgeschlossen ist).

Gewicht Nur

legt, von

auf

diesem

Standpunkt aus, daß nicht auf den Willen des Erben, sondern auf

die objektive Sachlage Rücksicht genommen wird, ist zu einer befrie­

digenden Lösung zu gelangen, die auch den Interessen der Nachlaß­ gläubiger gerecht wird. Wesentlich in gleichem Sinne ist der Begriff der Nachlaßverbind­

lichkeit in den sonstigen erbrechtlichen Bestimmungen, insbesondere in

den von der Nacherbfolge handelnden Vorschriften der §§ 2115, 2144, 2145 BGB. zu verstehen. Gerade für die Nacherbfolge ist ein diese Auffassung bestärkendes Moment daraus zu gewinnen, daß

in den §§ 2120,

auf die ordnungsmäßige Ver­ Die Befugnis des Vorerben, über den

2130 ausdrücklich

waltung hingewiesen wird.

Nachlaß mit Wirkung gegenüber dem Nacherben zu verfügen, ist im

§ 2120 dahin erweitert, daß er, sofern eine Verfügung zur ordnungs­ mäßigen Verwaltung erforderlich ist, die Erteilung der Einwilligung von dem Nacherben verlangen kann.

Der gleiche.Grundsatz muß

entsprechende Anwendung finden, wenn es sich nicht um eine Verfü­

gung, sondern eine schuldrechtliche Verpflichtung handelt.

Der Nach­

erbe kann, wenn die Eingehung des Rechtsgeschäfts zur ordnungs­ mäßigen Verwaltung

erforderlich

war,

die hieraus entspringende

Verbindlichkeit als den Nachlaß belastend ebensowenig von sich ab­ lehnen, als er, wenn diese Verbindlichkeit bereits vor Eintritt der

Nacherbfolge aus Nachlaßmitteln berichtigt ist, Erstattung des Ge­ leisteten nach § 2134 vom Vorerben fordern könnte.

Die Verbind­

lichkeit geht nach § 2144 in derselben Weise wie jede andere Nach­

laßverbindlichkeit auf ihn über. Einer Zwangsvollstreckung in den Nachlaß, die der Gläubiger wegen einer solchen Verbindlichkeit vor Eintritt der Nacherbfolge vornehmen läßt, kann der Nacherbe nach § 2115 BGB., §§ 773, 771 ZPO., weil die Verbindlichkeit eine

Nachlaßverbindlichkeit ist, nicht widersprechen. In erster Linie ist allerdings bei der Untersuchung, ob die Ver­ bindlichkeit als Nachlaßverbindlichkeit anzusehen, die mit dem Gläu­

biger getroffene Vereinbarung in Betracht zu ziehen. Ist der Erbe Verbindlichkeit auf seinen persönlichen Kredit eingegangen, so

die

kann hierin unter Umständen der Wille zu finden sein,

daß der Gläubiger unter Ausschließung der Haftung des Nachlasses lediglich

auf die persönliche Haftung des Erben angewiesen sein soll.

solcher Wille kann namentlich

Ein dann anzunehmen sein, wenn der

Vorerbe in Verwaltung des Nachlasses eine Verbindlichkeit übernimmt. Im Unterschiede zu dem durch eine Nacherbfolge nicht beschränkten Erben wird der Vorerbe, der bei der von ihm geführten Verwaltung die Zeit der Nacherbfolge im Auge behalten wird, über die Ver­ schiedenheit einer ihn bloß persönlich bindenden Verpflichtung und

der

Nachlaßhaftung regelmäßig nicht im unklaren sein.

Ist diese

Rechtslage auch von dem Gläubiger erkannt, so kann nach Lage der Sache der Übernahme einer eigenen Verbindlichkeit durch den Vorerben die

Bedeutung beizumessen sein, daß eine Nachlaßverbindlichkeit nicht be-

gründet werden soll (vgl. die ähnlichen Ausführungen von Stau­ dinger, Anm. IVa zu §§ 2112flg.; Planck, Anm. 1 zu § 2144, ferner Strohal, Das deutsche Erbrecht Bd. 2 § 70 ©. 185, der immer nur die Liberierungsverbindlichkeit des Nacherben gegenüber dem Borerben als Nachlaßverbindlichkeit ansehen will). Ob für den vorliegenden Fall, wo die Vorerbin Witwe W. zu­ sammen mit dem Miteigentümer in der vollstreckbaren Urkunde vom 30. August 1907 anerkannt hat, ein bares Darlehen von 20000 Jt von dem Kläger empfangen zu haben, und dem Kläger mit dem Grundstücke Südendstraße 4 eine Hypothek bestellt hat, schon aus diesem Grunde das Vorhandensein einer Nachlaßverbindlichkeit zu verneinen ist, weil der Kläger mit der Haftung des Grundstücks und der persönlichen Haftung der Darlehnsempfänger sich begnügt habe, kann dahingestellt bleiben. Zur Abweisung des Klägers muß schon der Umstand führen, daß die aus diesem Rechtsgeschäfte sich ergebende Verbindlichkeit keineswegs als eine solche zu erachten ist, die in ord­ nungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses eingegangen ist. Nach der das Revisionsgericht bindenden Feststellung des Berufungsrichters hat die Witwe W. das Grundstück Südendstraße 4 nur zu Spekulations­ zwecken erworben, um aus der Vermietung und späteren Weiterveräuße­ rung für sich selbst einen höheren Nutzen zu erzielen. Sie hat bei diesem Grundstückserwerb und bei der Aufnahme des Darlehens, das zur Verwendung für dieses Grundstück, zur Ablösung kleinerer Hypotheken und Bebauung des Grundstücks bestimmt war und hierfür verwendet ist, lediglich im eigenen Interesse, nicht zur Erhaltung oder Verbesserung des Nachlasses gehandelt, und es konnte deshalb dies Spekulations­ unternehmen, das über die ordnungsmäßige Verwaltung weit hinausgeht, nicht die Grundlage für die Entstehung einer Nachlaßverbindlichkeit bilden. Ohne Einfluß ist hierauf, daß das Grundstück Südendstraße 4, weil aus Mitteln der Erbschaft erworben, gemäß § 2111 BGB. zu dem entsprechenden Teile (vgl. Beschl. des RG's. vom 28. Oktober 1916 V. B 2/16, RGZ. Bd. 89 S. 53) trotz Eintragung des Eigen­ tums auf den Namen der Frau W. Bestandteil des der Nacherbfolge unterliegenden Nachlaßvermögens geworden ist. Damit sind die schuldrechtlichen Verbindlichkeiten aus dem an das Nachlaßgrundstück sich anknüpfenden Spekulationsunternehmen noch nicht zu Nachlaß­ verbindlichkeiten geworden. Der Entscheidung des Kammergerichts Tntlch. tn Zivils. N. F. 40 (90).

7

war daher in dieser Frage im Ergebnis beizutreten, wennschon der

im Berufungsurteil aufgestellte allgemeine Satz, zur Begründung einer Nachlaßverbindlichkeit müsse der Erbe deutlich erkennbar machen, daß

er das Geschäft nicht für sich, sondern in seiner Eigenschaft als Ver­

walter

des Nachlasses

abschließe,

nach den vorhergehenden Aus­

führungen keine Billigung verdient. Für den gegenwärtigen Rechtsstreit kommt noch in Betracht,

daß die Witwe W. in dem notariellen Vertrage vom 29. März 1912 die ihr als Borerbin auf ihre Lebenszeit bis zu ihrer etwaigen Wiederverheiratung zugewandte Erbschaft vorzeitig vor Eintritt des

Falles der Nacherbfolge an die Beklagten unter gleichzeitiger Aus­

einandersetzung mit ihnen, indem sie zu 1/i Miterbin war, heraus­

gegeben hat.

Es kann deshalb die Frage entstehen, ob und inwie­

weit in einem solchen Falle, was die Rechtsstellung gegenüber den Nachlaßgläubigern, den Übergang der Erbschaft und das Rechts­

verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber betrifft, die Grundsätze

der Nacherbfolge oder des Erbschastskaufs Platz greifen.

Auf diese

Frage braucht indes nicht näher eingegangen zu werden, weil, auch wenn mit dem Berufungsgerichte die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Erbschaftskauf anzunehmen wäre, dies in dem hier ent­ scheidenden Punkte, der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten, keinen Unterschied macht.

Der Begriff der Nachlaßverbindlichkeit,

für welche der Erbschaftskäufer nach § 2383 BGB. haftet, ist ganz

der gleiche wie der in § 2144 hinsichtlich der Haftung des Nach­

erben bestimmte."

23.

Zur Auslegung des Wettbewerbsverbots iu Kartellverträgen.

II. Zivilsenat.

Urt. v. 27. März 1917 i. S. Deutsche Erdölwerke

u. Gen. (Kl.) w.

1. R. & N., 2. Z. & G. (Bell.).

I. II.

Die

Rep. II. 318/16.

Landgericht München, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht daselbst.

neun Kläger

und die Beklagte Z. & G., die sämtlich

Mineralschmieröl herstellen, vereinigten sich am 9. November 1907 zu einem Kartell, indem sie den Ölbedarf der deutschen Eisenbahnen,

soweit ihnen die Lieferung zufallen würde, unter sich verteilten. Nach jedem Zuschläge sollten die Mitglieder dem Vorsitzenden die über­ tragene Menge und den bewilligten Preis anzeigen. Für jede 100 kg Öl, „die entgegen diesen Abmachungen angeboten, verkauft oder ge­

liefert werden", wurde eine Vertragsstrafe von 10 JC angedroht. Das Kartell sollte bis Ende August 1910 dauern, aber jedesmal um ein Jahr verlängert werden, falls keines der Mitglieder bis Ende Mai kündigen würde. Mit der Beklagten R. & N., einer Händlerfirma, schloß das Kartell auf die Dauer seines Bestandes einen Vertrag, wonach sich die Firma gegen Provision verpflichtete, die Interessen des Kartells bei der bayerischen Staatsbahn zu vertreten, weder direkt noch in­ direkt Offerten für andere Firmen abzugeben und alle von anderer Seite an sie gelangenden Offerten dem Kartell zur Kenntnis zu bringen. Im Frühjahr 1909 wurde das Kartell auf Ende August 1910 gekündigt. Es hat sich dann ein neues Kartell gebildet, dem die Beklagtm jedoch ferngeblieben sind. Schon ehe das alte Kartell abgelaufen war, im Sommer 1910, hatte R. & N. mit dem bayerischen Verkehrsministerium über eine Vergebung des Ölbedarfs für die zehn Etatsjahre von 1912 bis 1921 verhandelt. Inwiefern Z. & G. an diesen Verhandlungen beteiligt war, ist streitig. Die Besprechungen führten schließlich zu einem Ab­ kommen vom 12./21. September 1910, wodurch der bezeichnete Be­ darf den beiden Beklagten zusammen übertragen wurde. Die Kläger, die hierin Vertragsverletzungen erblicken, nahmen die Beklagten auf Zahlung von Vertragsstrafe und Schadensersatz in Anspruch. Ihrer Behauptung nach hätten sich die Beklagten, solange das alte Kartell bestand, einer Vorbereitung des bayerischen Vertrags enthalten müssen, denn Gegenstand des Kartells seien alle Aufträge gewesen, die innerhalb der Kartellzeit eingingen, auch wenn die Ausführung erst später erfolgen würde. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision der Kläger blieb erfolglos. Gründe: .. .„Das angefochtene Urteil gibt eine Reihe von Gründen und Hilfserwägungen, auf die es nicht ankommt, da der Hauptgrund die 7*

Entscheidung trägt.

Dieser Hauptgrund aber geht dahin, daß die

Beklagten, selbst wenn sie den bayerischen Vertrag schon im Juni

1910 fest abgeschlossen hätten, ihre Verpflichtungen gegenüber dem

Kartell nicht verletzt haben würden. Der Berufungsrichter führt aus, die letzte Zeit der Kartelldauer bringe eine gewisse Lockerung der Bindung mit sich.

Sobald ein­

mal, sei es auf Grund eines festen Termins oder nach zulässiger Kündigung, das Ende bevorstehe, komme neben dem Zwecke der Be­

schränkung des Wettbewerbs das Interesse der Kartellgenossen, ihr Gewerbe nach Ablauf der Frist uneingeschränkt auszuüben, zur Geltung.

Es müsse damit gerechnet werden, daß ein neues Kartell nicht zustandekomme oder daß der eine oder andere Genosse ihm nicht bei­

treten wolle.

Den Nichtbeitretenden müsse die Möglichkeit gegeben

werden, nach Ablauf des Kartells ihr Gewerbe ohne Bindung weiter­

zubetreiben.

Neben den Interessen derer, die den Wunsch nach einer

Verlängerung hegten, sei auch die Lage der andern Genossen zu be­ rücksichtigen, die der Bindung wieder ledig sein wollten. in der Regel anzunehmen,

Daher sei

daß die Genossen während einer an­

gemessenen Zeit vor dem Ende des Kartells Geschäfte, die ihre Wir­ kung erst in der Folgezeit äußerten, besprechen und auch abschließen Der Kartellvertrag vom 9. Novembar 1907 ergebe nichts,

dürften.

was eine Abweichung von dieser Regel begründen könnte.

Geradezu

bestätigt werde sie durch § 8 des neuen Kartellvertrags vom 26. August

1910,

demzufolge

des Kartells

während

der letzten

vier Monate vor Ablauf

„jeder Kontrahent hinsichtlich

der Erlangung solcher

Aufträge frei ist, auf welche die Lieferungen erst nach dem Ablaufe

des Vertrags beginnen sollen."

Diese Auslegung des der Klage zugrunde liegenden Vertrags enthält keinen Rechtsirrtum; die §§ 133,157 BGB. sind nicht ver­

letzt.

Bei einer Gesellschaft m. b. H. mit Wettbewerbsverbot hat

das Reichsgericht schon früher die Auffassung gebilligt, wonach sich das Verbot nicht auf Geschäfte bezieht, durch die ein Gesellschafter gegen Ende der Gesellschaftsdauer seinen künftig frei werdenden Ge­ werbebetrieb vorbereitet (vgl. Rep. I. 26/02, Urt. vom 10. Mai 1902).

Der gleichen Auslegung ist es auch in sonstigen Fällen der Konkurrenzklausel gefolgt (vgl. Jur. Wochenschr.

S. 142).

1911

S. 991, 1914

Für Kartelle kann nichts wesentlich anderes gelten.

So

gewiß es grundsätzlich ^den Kartellpflichten widerspricht, wenn ein Ge­ nosse während der BertragSzeit Abschlüsse auf deren Ende macht, so ändert sich doch die Rechtslage, sobald das Ende herannaht. Wollte man ihm auch jetzt noch verbieten, mit Wirkung für die Folgezeit Verträge zugunsten des eigenen Betriebes zu schließen, so würde man ihn zwecklos schädigen. Das bestehende Kartell hätte keinen Nutzen davon. Einem von den Mitgliedern neu geschlossenen Kartell freilich könnte das Verbot zugutekommen, aber darin liegt keine Rechtfertigung für einen Zwang gegen den, der an dem neuen nicht teilnehmen will. Mit Unrecht wendet die Revision ein, es sei Schuld der Beklagten, daß sie ihr Verhältnis zu den Klägern gelöst hätten, sie hätten dem neuen Kartell beitreten sollen und würden dann Übelstände nicht em­ pfunden haben. Auf solche Weise wird der Zweck der Kartelle, das Gewerbe zu schützen, in fein Gegenteil verkehrt. Es ist das gute Recht jedes Kartellmitglieds, einer Erneuerung des Verbandes fern­ zubleiben. Treu und Glauben so wenig wie die Verkehrssitte fordern eine einseitige Begünstigung der Kartellfreunde auf Kosten derer, die der Verlängerung abgeneigt sind, vielmehr stehen bei Auflösung des Kartells alle Mitglieder einander gleich. Bestimmt daher der Vertrag nicht ausdrücklich das Gegenteil, so muß jedes Mitglied, soweit es die Wiederaufnahme des eigenen Betriebes noch Erlöschen des Kartells verlangt, schon während einer angemessenen Zeit vorher freie Hand haben. Die Dauer dieser Zeit­ spanne auszumessen, ist Sache des einzelnen Falles; wo nicht ein fester Endtermin gesetzt, sondern Kündigung vorgeschrieben ist, wird sie sich häufig mit der Kündigungsfrist decken. Im vorliegenden Falle walten gegen die Bemessung auf die Kündigungsfrist, also auf die drei Monate von Ende Mai 1910 an, Bedenken nicht ob. Und ebenso unbedenklich ist es, wenn das Berufungsgericht dem Kartellvertrage vom 9. November 1907 eine gegenteilige Bestimmung nicht entnimmt. Die Vertragsurkunde enthält davon nichts, und eine Nebenabrede ist nicht einmal behauptet worden. Wenn es aber in dem Vertrage des Kartells mit den Norddeutschen Mineralölwerken vom 17. Februar 1909 heißt, die Mitglieder dürften, „selbst wenn eine Aufkündigung des Kartells vorher erfolgen sollte", bis Ende August 1910 einander keine Konkurrenz machen, so hat das Berufungs­ gericht mit Recht kein Gewicht hierauf gelegt. Es handelt sich um

eine Mitteilung an einen Dritten, der rechtsgeschäftliche Bedeutung nicht zukommt, und um eine Mitteilung fünf Vierteljahre nach Ab­ schluß des Kartellvertrags. Das Gegenteil hätte bei dessen Abschluß vereinbart werden müssen."

24. Zu der Frage, unter welchen Umständen eine nur zeitweilige Behinderung der Leistung zur gänzlichen Befreiung des Schuldners führt. II. Zivilsenat. Urt. v. 27. März 1917 i.S. Fr. & Co. G. m. b. H. (Bell.) w. G. & Co. (Kl.). Rep. II. 619/16. I. II.

Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht daselbst.

Die Klägerin verkaufte der Beklagten am 6. Juni 1914 3000 Zentner rohen Chilesalpeter zum Preise von 10 jft für den Zentner auf Lieferung in Hamburg im Febmar, März 1915. Der Vertrag enthielt die Abrede: „Falls während der sechs Monate, welche dem Beginn der Liefer­ zeit vorangehen, oder während der Lieferzeit höhere Gewalt — wozu u. a. Erdbeben, Streik, Aussperrung, Krieg, Verfügung von hoher Hand, Blockade zu rechnen ist — die Abladung oder Beförderung von Salpeter behindert, so haben die Verkäufer das Recht, die Lieferzeit als um die nachweisliche Dauer der Behinderung ver­ längert zu erklären. — In solchem Falle ist der Käufer, wenn er innerhalb 6 Tagen die Verkäufer in den Besitz der entsprechenden Erklärung setzt, berechtigt, zu verlangen, daß für dm Fall, daß die Behinderung länger als 4 Wochen andauern sollte, die ursprüng­ lich vereinbarte Lieferzeit gegen einen zu vereinbarenden, monatlich zu zahlenden Preisaufschlag um ein Jahr hinausgeschoben wird." Am 28. und 29. Oktober 1914 teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß durch Ausbruch des Krieges die Abladung und Beförderung von Salpeter behindert sei, weshalb sie die Lieferzeit auf Grund obiger Abrede für verlängert erkläre. Die Erklärung bezog sich nicht nur auf die hier fraglichen 3000 Ztt., sondern auf im ganzen 29000 Ztr.

Salpeter, die die Beklagte unter gleichen Bedingungen auf Lieferung

im Februar, März und April 1915 von der Klägerin gekauft hatte. Am 1. April 1916 schrieb die Klägerin der Beklagten, daß sie alle diese Verträge für endgültig aufgehoben erkläre, weil infolge der

langen Dauer des Krieges die gesamten wirtschaftlichen Grundlagen,

auf denen die Verträge geschlossen und die Verlängerung erklärt wäre, völlig geändert seien.

Sie rechtfertigte dies in einem weiteren Schrift­

stücke vom 5. April 1916, in dem eingehend dargelegt wurde, daß ihre bei Ausbruch des Krieges schwimmenden Zufuhren verloren, die für spätere Zeit abgeschlossenen Käufe und

ebenso die auf Jahre

hinaus geschlossenen Frachtverträge von den Verkäufern und Ver-

frachtern endgültig aufgehoben seien. Aufhebung der Verträge.

Die Beklagte widersprach der

Darauf hat die Klägerin mit der vom

11. April datierten Klage beantragt, festzustellen, daß sie von der

Pflicht zur Lieferung der in dem Vertrage vom 6. Juni 1914 an die Beklagte verkauften 3000 Ztr. Salpeter frei ist.

Die Beklagte macht hiergegen geltend, die Klägerin habe erst nach Ende des Krieges zu liefern; ob die Lieferung dann unmöglich

sein werde, lasse sich nicht voraussehen.

Wegen der während des

Krieges eingetretenen Verhältnisse könne die Klägerin den Vertrag

deswegen nicht aufheben. Was hierüber vorgetragen sei, werde bestritten. Gesetzt aber, die Klägerin wäre berechtigt gewesen, wegen der nach Ausbruch des Krieges und nach ihrer Erklärung vom 28. Oktober eingetretenen Änderung der Verhältnisse den Vertrag aufzuheben, so

habe sie dies viel zu spät getan.

Alle die Umstände, auf die sie sich

berufe, seien schon vor Frühjahr 1915 eingetreten und bekannt geworden.

Spätestens im Frühjahr 1915 hätte die Klägerin sich erklären können. Dadurch, daß sie dann noch ein Jahr gewartet habe, habe sie auf

das angebliche Recht zum Rücktritt verzichtet. Der erste Richter erkannte der Klage gemäß.

Das Oberlandes­

gericht wies die Berufung der Beklagten zurück, nachdem es den In­ haber der Klägerin über die tatsächlichen Verhältnisse, mit denen er die Aufhebung des Vertrags rechtfertigt, persönlich vernommen hatte.

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: „Die Klägerin hat durch ihr Schreiben vom 28. Oktober 1914

auf Grund der im Tatbestände wiedergegebenen Vertragsabrede die

Abladung und Beförderung von Salpeter durch den Ausbruch des Krieges für behindert erklärt. Dadurch war also die Lieferzeit um die Dauer des Krieges verlängert; die zweimonatige Lieferzeit begann folglich sechs Monate nach dem Ende der kriegerischen Be­ hinderung. Indem die Klägerin dieses im Vertrage vorbehaltene Recht der Verschiebung der Lieferzeit ausübte, gab sie keineswegs das aus dem Gesetze sich ergebende Recht auf, die Lieferung gänzlich zu verweigern, wenn die infolge der kriegerischen Ereignisse notwendige Verschiebung das Wesen der Leistung in dem Maße änderte, daß die nachträgliche Lieferung nicht mehr als eine sinngemäße Erfüllung des ursprünglichen Vertrags gelten könnte. Aus dem Vertrag ist durch­ aus nicht zu entnehmen, daß die vorbehaltene Verschiebung der Liefer­ zeit das Recht, die Leistung später ganz zu verweigern, ausschließen sollte. Die Tatsache, daß die Parteien bei Vereinbarung der Klausel äußersten Falles mit einem Aufschübe von einem Jahre gerechnet haben — wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum ausspricht — läßt vielmehr auf eine entgegengesetzte Absicht schließen. Tatsächlich ist die Lieferung weit länger als ein Jahr behindert gewesen, und es haben sich in der Zwischenzeit nach der Feststellung des Berufungsgerichts alle in Betracht kommenden Verhältnisse so völlig geändert, daß eine Lieferung, die nach dem noch nicht ab­ sehbaren Ende des Krieges nachgeholt werden würde, für keine Partei die beim Vertragsschluß erwartete und gewollte Leistung sein würde. Bei diesem Ausspruch ist das Berufungsgericht ersichtlich der eingehenden Darstellung der Klägerin gefolgt, die die mit sachkundigen Handelsrichtern besetzte erste Instanz für im wesentlichen richtig er­ klärt, und die der Inhaber des Geschäfts noch in persönlicher Ver­ nehmung bestätigt hatte. Ein Verstoß gegen die Regeln des Prozeß­ rechts ist hierin nicht enthalten. Das Berufungsgericht war sehr wohl in der Lage, seine Überzeugung auf die Sachkunde der Handels­

richter und auf die persönliche Darstellung des Inhabers der Klägerin zu gründen, zumal vieles davon gerichtskundig ist, und die Beklagte dm Einzelheiten nur ein unsubstantiiertes Bestreiten entgegengesetzt hatte. Wie diese Darstellung ergibt, bestand für die Klägerin im Oktober 1914 noch die Hoffnung, daß, wenn der Krieg in einigen Monaten endete, die in neutralen Häfen festliegenden Ladungen ihr zugehen, die mit auswärtigen Verkäufern geschlossenen Verträge er-

füllt werden,

ebenso die auf lange Zeit hinaus mit Nachholungs­

klausel geschlossenen Frachtverträge von den Reedereien ausgeführt werden würden.

In der Folgezeit sind diese Möglichkeiten geschwun­

Die schwimmenden Ladungen sind in Feindes Hand gefallen

den.

oder der Klägerin durch das Eingreifen der Bankiers, die die Kon­ nossemente in Händen hatten, entzogen werden; die Kaufverträge sind

aufgehoben; endlich haben auch die deutschen Reedereien im Anfänge des Jahres 1916 ihre Frachtverträge für hinfällig erklärt und sind laut den beigebrachten Schiedssprüchen im April und Juni 1916 damit durchgedrungen.

Danach sind offenbar alle Vorbereitungen,

die die Klägerin für Erfüllung ihrer Lieferpflicht getroffen hatte, ver­

Müßte sie nach dem Ende des Krieges dennoch erfüllen, so

eitelt.

müßte sie die Ware unter jetzt noch ungewissen, jedenfalls aber im

Vergleich zur vertraglichen Lieferzeit völlig veränderten Verhältnissen

beschaffen.

Die Leistung wäre für sie infolge des notwendig ge­

wordenen Aufschubs eine ganz andere. Das gleiche gilt für die Be­ klagte. Sie würde die Ware für den Handelsbedarf, für den sie ge­

kauft hatte, nicht mehr verwenden können. Wenn sie auch mit gutem Grunde glauben mag, daß sie ihren Vorteil dabei finden würde, so

müßte sie doch

die Ware unter völlig veränderten wirtschaftlichen

Verhältnissen verwerten.

Gesetzt, die Ware würde sechs Monate nach

dem noch nicht absehbaren Ende des Krieges geliefert, so könnte dies also mit Rücksicht auf die Käuferin wie auf die Verkäuferin nicht mehr als eine Erfüllung des im Juni 1914

gelten.

geschlossenen Kaufes

Daß die Veränderung der Verhältnisse, die eine sinngemäße

Vertragserfüllung unmöglich macht, erst nach der Erklärung vom 28. Oktober 1914 eingetreten ist, liegt auf der Hand.

Die Klägerin

behauptet daher mit Recht von der Verbindlichkeit befreit zu sein. Auch der Einwand der Beklagten, daß die Klägerin sich hierauf nicht mehr berufen könne, weil sie mindestens um ein Jahr zu spät

das Abgehen vom Vertrag erklärt habe, ist unbegründet. Denn das Berufungsgericht hat, dem Vorbringen der Klägerin folgend, ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß die Änderung der Verhältnisse, die eine nachträgliche Vertragserfüllung ausschließt, erst ganz allmählich ein» getreten ist, indem nach und nach die schwimmenden Ladungen von

den Bankiers, die sie bevorschußt hatten, verkauft wurden oder in Feindes Hand fielen, indem ferner die noch schwebenden Verträge

annulliert wurden und schließlich im Frühjahr des Jahres 1916 die

deutschen Reedereien ihre langsichtigen Frachtverträge aufsagten, wo­ durch der Klägerin die Möglichkeit verloren ging, Ware zu den

Frachten, mit denen sie bei Abschluß ihrer Verkäufe gerechnet hatte, nach Deutschland zu bringen.

Es ist klar, daß erst die Gesamtheit

dieser Umstände die Klägerin nötigte und berechtigte, sich von ihren

Verkäufen loszusagen.

Da diese Gesamtheit der Umstände erst im

Anfänge des Jahres 1916 vorhanden gewesen ist, so kann nicht die Rede davon sein, daß die Klägerin ihre Erklärung schuldhaft verzögert hätte; denn auf einen Zeitunterschied von 2 bis 3 Monaten kann es, wie das Berufungsgericht richtig ausspricht, mit Rücksicht

auf die Länge der in Betracht kommenden Zeiträume und die Wich­ tigkeit der Entschließung nicht ankommen.

Die Lossagung der Klägerin vom Vertrag ist demnach sowohl sachlich begründet, wie auch rechtzeitig kundgegeben."

25. Wie verhalten sich die Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB. zueinander? VI. Zivilsenat.

Urt. v. 29. März 1917 i. S. E. (Kl.) w. K. (Bekl.). Rep. VI. 138/16.

I. II.

Landgericht Cöln. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger hat dem Anstreichermeister H. gegen zweite, auf

dessen in Mühlheim am Rhein belegenes Haus nach einem Spar­ kassendarlehen von 35000 jt eingetragene Hypothek im August 1910 ein Darlehen von 8000 M gewährt.

Der Wert des Hauses war in einer von dem vereidigten Taxator He. in Mühlheim a. Rh. gefertigten

Taxe vom 28. Mai 1909 auf 71000 Jl geschätzt worden.

Unter diese

Taxe hatte der Beklagte am 15. Juni 1909 folgenden Vermerk gesetzt:

„Die

vorstehende

Wertschätzung.... wurde

in

ihren Gnzel-

sätzen auf Grund örtlicher Besichtigung geprüft und mit den be­ stehenden Wertverhältnissen übereinstimmend gefunden;

auch ich

schätze demgemäß den Wert des Hauses auf 71000 JL“ Vor der Beleihung des Hauses durch den Kläger hatte sich H. eine

Abschrift der Taxe geben laffert, deren Richtigkeit unter dem 10. August

1910 von dem Beklagten bescheinigt worden ist. Am 19. Dezember 1912 wurde das H.sche HauS zwangsweise versteigert, wobei nicht einmal die erste Hypothek vollständig aus­ Der Kläger, der behauptet, er habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Taxe dem H. das Darlehen gewährt, macht

geboten wurde.

den Beklagten auf Grund des § 826 BGB. für den ihm durch den Ausfall entstandenen Schaden verantwortlich, indem er weiter be­ hauptet, der Beklagte habe die Richtigkeit der Taxe bestätigt, ohne

den Sachverhalt selbst geprüft zu haben.

Der Beklagte, der behauptet,

das hier fragliche Haus habe zur Zeit der Abschätzung den in der

Taxe angegebenen Wert gehabt, beantragt die Abweisung der Klage.

Diesem Anträge haben die Vorinstanzen entsprochen.

Die Revi­

sion des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen: „Der Revision war der Erfolg nicht zu versagen, da die Rüge einer Verletzung des § 826 BGB. begründet erscheint.

Das Berufungsurteil läßt es dahingestellt, ob die Handlungs­ weise des Beklagten, nämlich die von ihm vorgenommene Schätzung

und die Bestätigung der Richtigkeit der Taxe von He., für den dem

Kläger entstandenen Schaden ursächlich war.

Es läßt auch die Frage

offen, ob der Beklagte durch seine Handlungsweise gegen die guten Sitten verstoßen hat, und gelangt zur Zurückweisung der gegen das

klagabweisende erste Urteil gerichteten Berufung des Klägers lediglich auf Grund der Erwägung, es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte „vorsätzlich" habe.

im Sinne des § 826 BGB. gehandelt

In dieser Hinsicht legt es dar, daß zu einem derartigen „Vor­

satz" auch der sog. dolus eventualis genüge, d. h. das Bewußtsein

des Handelnden, daß der schädigende Erfolg eintreten könne, sofern er diese Möglichkeit nur in seinen Willen ausgenommen und damit gebilligt habe.

Das Reichsgericht habe allerdings auch ausgesprochen,

daß in besonders gearteten Fällen eine besonders gesteigerte Fahr­ lässigkeit, die sich als äußerste Leichtfertigkeit, als Gewissenlosigkeit darstelle, genüge, um Vorsatz anzunehmen. ...

Dabei sei aber der

Nachweis besonderer Umstände erforderlich, die eine Arglist erkennen

ließen.

Besondere Umstände in dieser Richtung seien nicht dargetan.

Denn wenn der Beklagte ohne eigene Prüfung die Taxe des He.

als richtig bestätigt, der Sachkunde und Gewissenhaftigkeit des orts­

kundigen He. blindlings vertraut habe, so beweise dies nur große

Leichtfertigkeit; für eine „Arglist" sei aber aus einem solchen Ver­ halten nichts zu entnehmen.

Diese Darlegungen geben schon deshalb zu erheblichen rechtlichen

Bedenken Anlaß, weil das Berufungsgericht die einzelnen Tatbestands­ merkmale, die der § 826 BGB. aufstellt, nicht scharf auseinander­

gehalten hat.

In dieser Hinsicht ist nämlich von folgenden rechtlichen

Gesichtspunkten auszugehen.

Der § 826 BGB. verlangt einmal das

Vorliegen einer Handlungsweise, die gegen die guten Sitten verstößt,

also die Feststellung eines objektiven Tatbestandes, der ein sitten­ widriges Handeln darstellt.

Aber nicht eine jede sittenwidrige Hand­

lung erzeugt einen Schadensersatzanspruch auf Grund des § 826 BGB.

Vielmehr

erfordert

diese Vorschrift weiter,

daß die sittenwidrige

Handlungsweise mit dem Vorsatze der Schadenszufügung verbunden ist: es muß also einmal durch die sittenwidrige Handlung einem

andern ein Schade entstanden sein, 'unb sodann ist es erforderlich,

daß der Vorsatz des Handelnden auf die Schadenszufügung gerichtet war.

Als ein derartiger Vorsatz genügt auch schon das bloße Be­

wußtsein des Täters, daß seine Handlungsweise geeignet ist, einem

andern Schaden zuzufügen, und

daß er diese Möglichkeit in seinen

Willen ausgenommen und gebilligt hat.

Diese scharf zu scheidenden Tatbestandsmerkmale werden von

dem Berufungsgericht insofern nicht auseinandergehalten, als es zu­

nächst ganz zutreffend davon ausgeht,

die Schadenszufügung müsse

vorsätzlich oder doch mindestens mit dem Bewußtsein erfolgt sein, daß der schädigende Erfolg eintreten könne, dann jedoch unter Hinweis

auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts darzulegen sucht, daß in

dieser Hinsicht in besonders gearteten Fällen auch eine gesteigerte

Fahrlässigkeit genüge, die sich als Gewissenlosigkeit oder als Arglist

charakterisiere.

Diejenigen Entscheidungen des Reichsgerichts, die das

Berufungsgericht in dieser Hinsicht anführt, beziehen sich aber gar nicht auf die Frage, ob im gegebenen Falle der Täter den Schaden vor-

sätzlich zugefügt hat, sondern lediglich darauf, ob seine Handlungs­

weise als ein „Verstoß gegen die guten Sitten" anzusehen sei.

Wenn

demnach das Berufungsgericht im Eingänge seiner Entscheidungsgründ?

ausdrücklich erklärt hat, es könne dahingestellt bleiben, ob der Be-

klagte gegen die guten Sitten verstoßen habe, so stehen seine weiteren

Darlegungen, die lediglich die Frage erörtern, ob der Beklagte „gewissenlos oder arglistig- gehandelt, damit in einem unvereinbaren Widerspruche.

Denn die Frage der gewissenlosen oder arglistigen

Handlungsweise ist nur dann und insoweit aufzuwerfen, als es sich

darum handelt, zu prüfen,

ob die Handlungsweise des Beklagten

gegen die guten Sitten verstößt.

Wird dagegen untersucht, ob eine

Schadenszufügung vorsätzlich erfolgt sei, so ist lediglich zu prüfen, ob

der Beklagte den Schaden mit Vorsatz oder mindestens mit dem Bewußtsein zugefügt hat, daß seine Handlungsweise den Schaden

zur Folge haben konnte. Das Berufungsgericht hat nun in dieser Hinsicht lediglich die

Behauptung des Klägers, der Beklagte habe ohne eigene Prüfung

die Taxe des He. als richtig bestätigt und der Sachkunde und Ge­ wissenhaftigkeit des ortskundigen He. blindlings verttaut, als nicht

ausreichend erachtet, um aus einem solchen Verhalten eine „Arglist" des Beklagten zu entnehmen. Daraus hat es die Schlußfolgerung gezogen, daß „mangels Nachweises einer vorsätzlichen Schadens­ zufügung im Sinne des § 826 BGB." die Klage mit Recht abge­

wiesen worden sei.

Jene von ihm geprüfte Behauptung des Klägers

bezog sich aber lediglich auf die Frage, ob der Beklagte sittenwidrig gehandelt habe, so daß also irgendwelche Tatsachen, die sich auf die

Frage beziehen, ob der Beklagte sich einer vorsätzlichen Schadens­

zufügung im Sinne des § 826 BGB. schuldig gemacht hat, von dem Berufungsgericht in Wirklichkeit gar nicht geprüft worden sind. Dabei mag übrigens noch hervorgehoben werden, daß in vielen Fällen die

Frage, ob die Schadenszufügung vorsätzlich erfolgt ist, von der Be­

antwortung der andern Frage, ob die Handlungsweise des Beklagten gegen die guten Sitten verstoßen hat, sich nicht trennen lassen wird. Es erscheint deshalb in der Regel auch nicht unbedenklich, die Frage unerörtert zu lassen, ob das Verhalten des Beklagten gegen die guten

Sitten verstößt, und lediglich zu untersuchen, ob die Schadens­ zufügung eine vorsätzliche war oder nicht, wie dies das Berufungs­ gericht beabsichtigt hat.

Denn aus der Art und Weise, in der sich

das sittenwidrige Verhalten kundgibt, wird nicht selten auch zu folgern

sein, ob der Beklagte mit dem Vorsatze der Schadenszufügung ge­

handelt hat.

Nur in diesem Sinne wird man einzelne Wendungen

in dem vom Berufungsgericht angezogenen Urteile des erkennenden

Senats vom 8. Mai 1916, VI. 24/16 (Warn. 1916 Nr.254 insbes. S. 415) zu verstehen haben. Daß

aber grundsätzlich die vorsätzliche Schadenszufügung von

dem Verstoße gegen die guten Sitten scharf zu scheiden ist, wird in

mehreren Entscheidungen des Reichsgerichts besonders betont. heißt es in RGZ. Bd. 72 S. 175 insbes. 176:

So

„Jene Gesetzes­

bestimmung erfordert vorsätzliche Schadenszufügung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise.... Ein doloses» arglistiges Verhalten wird zur Annahme eines Verstoßes wider die guten Sitten

nicht erfordert; auch die Außerachtlassung der im Verkehr erforder­ lichen Sorgfalt kann in besonders gearteten Fällen einen solchen Verstoß enthalten, und auch hierbei kann sich der Handelnde ebenso­

gut der Möglichkeit einer Vermögensbeschädigung bewußt sein wie im Falle arglistigen Handelns."

Ebenso hebt die Entscheidung des

Reichsgerichts vom 20. Oktober 1913, VI. 228/13 (Warn. 1914 Nr. 122)

ausdrücklich hervor, daß die mit Bewußtsein vom Nichtwissen oder mit Bewußtsein ohne Überzeugung aufgestellte Behauptung bestimmter Tatsachen als eine arglistige und deshalb sittenwidrige Handlung im

Sinne des § 826 BGB. anzusehen ist. —

Hiernach unterliegt das angefochtene Urteil wegen Verletzung des § 826 BGB. der Aufhebung". ...

26.

Findet auf eine der

preußischen Stempelsteuer unterliegende

Urkunde, in welcher die Gültigkeit des beurkundeten Geschäfts von der Genehmigung eines Dritten abhängig gemacht ist, der § 3 Abs. 2 oder der § 16 Abs. 3 des preußischen Stempelsteuergesetzes

vom

30. Juni 1909 Anwendung? VII. Zivilsenat.

Urt. v. 30. März 1917 i. S. preuß. Fiskus (Bekl.)

w. M. G. (Kl.). I. II.

Rep. VII. 411/16.

Landgericht Cassel. Oberlandesgericht daselbst.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 9. Juni 1910 ver­ kauften die Eheleute M. ihr Bauerngut an den Kläger. Die Urkunde

„Die Gültigkeit dieses Vertrags hängt von

enthält die Erklärung:

der Genehmigung des N. Gr. in B. ab.

Gr. hat bis zum 1. Juli

die Genehmigung zu erteilen oder zu versagen."

ist unterblieben.

stempel

Die Genehmigung

Zu der Bertragsurkunde waren nur 3 Jt Landes­

verwendet

Die Steuerbehörde

worden.

Landesstempel nach.

forderte 236 Jl

Dieser Betrag wurde zwangsweise bei dem

Kläger beigetrieben, der ihn mit der Klage zurückverlangte.

Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung der 236 JC. Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen.

Das

Die

Auch seine Revision

blieb erfolglos aus folgenden

Gründen:

„Die Revision verteidigt die Ansicht, § 16 Abs. 3 preuß. StempStG.

sei nur anwendbar, wenn das Rechtsgeschäft nach gesetzlicher Vor­ schrift die Zustimmung eines Dritten erfordere, und müsse ausscheiden,

da es sich hier nicht um einen solchen Fall handle, sucht aber auch geltend zu machen, daß sich der Gutskaufvertrag vom 9. Juni 1910

als ein für die Vertragschließenden unter einer vereinbarten Bedin­

gung in technischem Sinne gültig und bindend zustande gekommenes

Geschäft auffassen lasse, welches nicht dem § 16 Abs. 3, sondern den

Bestimmungen des § 3 und der Tarifnr. 32 preuß. StempStG. unter­ liege.

Zuzugeben ist', daß jener Vertrag ein bedingtes Rechtsgeschäft

darstellt.

Indem die Beteiligten die Gültigkeit des Vertrags von

der bis zum 1. Juli zu erteilenden oder zu versagenden Genehmigung

des N. Gr. abhängig machten,

stellten sie zufolge freier Willens­

entschließung ihre gesamten übrigen Vereinbarungen, die, an sich be­

trachtet, zur Begründung endgültiger bedingungsloser kaufrechtlicher Beziehungen

zwischen

den

Vertragschließenden

geeignet

gewesen

wären, unter eine eigentliche rechtsgeschästliche aufschiebende Bedingung,

von deren ungewissem Eintritt es abhing, ob der verabredete Guts­ kauf wirksam werden würde. nehmen,

daß

Nach dem erwähnten § 3 wäre anzu­

die dem Vertrage hinzugefügte Bedingung für die

Stempelpflichtigkeit ohne Bedeutung sei.

Es fragt sich jedoch, ob

nicht auch § 16 Abs. 3 des Gesetzes anwendbar ist und dies zu einem anderen Ergebnis führt.

Allerdings handelt der erste Abschnitt des Stempelsteuergesetzes, zu dem der § 3 gehört, „von der Pflicht zur Entrichtung der Stem­

pelsteuer", der zweite Abschnitt, dem der § 16 zugehört, „von der

Erfüllung der Stempelpflicht und den Folgen der Nichterfüllung", und insbesondere trägt 8 16 die Überschrift „Zeit der Stempelverwen­

dung bei Verhandlungen der Privatpersonen."

Daraus könnte man

zunächst schließen wollen, § 16 Abs. 3 komme nur für die Versteue­ rungsfrist in Betracht.

Allein es steht in der Rechtsprechung fest,

daß die Bedeutung des § 16 sich nicht darauf beschränkt, Zeitbestim­ mungen für die Stempelverwendung zu setzen, sondern sich auch auf

die Frage des Bestandes einer Stempelschuld erstreckt. namentlich auf

die eingehenden

Erörterungen

Es mag

des Urteils RGZ.

Bd. 46 S. 273flg. verwiesen werden, wo besonders zum § 16flg. nachgewiesen ist, daß dort gewisse, neben dem § 2 des Gesetzes be­

achtliche Erfordernisse des stempelpflichtigen Tatbestandes aufgestellt

sind, die nicht bloß die Erfüllung der Stempelpflicht befristen, sondern auch deren Bestand bedingen.

Kann die zweiwöchentliche Versteue­

rungsfrist nach den Umständen des Einzelfalles überhaupt nie be­

ginnen, nie in Lauf kommen und somit auch nie ablaufen, so kann auch von dem Bestehen der Stempelpflicht oder Stempelschuld nicht

die Rede sein.

Dies trifft hier zu, da feststeht, daß Gr. in der dafür

gesetzten Frist die Genehmigung nicht erteilt hat. Der § 16 kann hier auch nicht etwa aus dem Grunde ausgeschieden werden, weil er „Verhandlungen der Privatpersonen" betrifft.

Hier liegt freilich,

wiewohl der Vertrag selbst in einer dem Notar überreichten privat­ schriftlichen Urkunde enthalten ist, ein in notarieller Form beurkun­

detes Geschäft vor (vgl. FrGG. § 176 Abs. 2), und bei solchen Ver­ handlungen kommt in erster Linie § 15, nicht § 16, des Gesetzes für „die Zeit der Stempelverwendung" in Betracht.

Indes herrscht im

Schrifttum, soweit ersichtlich, Einverständnis darüber, daß die Schei­

dung zwischen den von Behörden und Beamten aufgenommenen Ver­ handlungen und den Verhandlungen der Privatpersonen nicht streng

durchgeführt und eine entsprechende Anwendung

des § 16 Abs. 3

auf die von Notaren beurkundeten Geschäfte in Ansehung des Ge­

schäftsstempels zulässig ist.

Diese Ansicht, gegen die auch im vor­

liegenden Rechtsstreite Bedenken nicht erhoben sind, erscheint berech­ tigt, da es an jedem inneren Grunde fehlen würde, Rechtsgeschäfte in dem durch Abs. 3 des § 16 geregelten Punkte je nach der Form

der Beurkundung wesentlich verschieden zu behandeln. Der Beklagte widerspricht aber der Heranziehung des § 16

Abs. 3 mit der Begründung, die Bestimmung sei nur auf Fälle zu be­

ziehen, wo nach gesetzlicher Vorschrift zur Rechtswirksamkeit des beur­ kundeten Geschäfts die Genehmigung eines Dritten, z. B. einer Behörde erforderlich sei.

Einzuräumen mag sein, daß diese Meinung das

Anwendungsgebiet des § 16 Abs. 3 von dem des § 3 Abs. 2 restlos abgrenzt, mithin zu einem einfachen Ergebnis führt. gesetzlich

zur Wirksamkeit

eines Geschäfts

Denn sofern

die Zustimmung

eines

Dritten notwendig ist, steht nicht eine eigentliche, rechtsgeschäftlich gesetzte Bedingung, von der § 3 Abs. 2 handelt, in Frage.

des Beklagten ist jedoch abzulehnen.

Die Meinung

Sie trägt in die Vorschrift

des § 16 Abs. 3 eine Unterscheidung hinein, welche das Gesetz selbst nach seinem klaren Wortlaute nicht macht. Der Gesetzgeber hat nicht die Gründe der Genehmigungsbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts

im einzelnen ins Auge gefaßt und zwischen ihnen unterschieden, er

hat vielmehr und zwar einheitlich deren Folge geregelt, wonach das Geschäft erst durch die Genehmigung, sei es einer Behörde, sei es

eines anderen Dritten, Rechtswirksamkeit erlangt, und in den Rahmen dieses gesetzlichen Tatbestandes gehört auch

der Fall, wenn durch

eine von den Vertragschließenden verabredete Bedingung die Wirk­ samkeit des Vertrags von der Genehmigung eines Dritten abhängig gemacht ist. Dabei bietet die Frage keine Schwierigkeit, wie § 16 Abs. 3 mit dem § 3 Abs. 2 zu vereinigen sei.

Jener schränkt im Gebiete seiner Anwendung auf bedingte Geschäfte die letztere Vorschrift derart

ein, daß, sofern in dem Geschäft als aufschiebende Bedingung für seine Wirksamkeit die Genehmigungseines Dritten vorgesehen ist, die

Geschäftsstempelschuld nicht vor der Erteilung der Genehmigung des Dritten zur Entstehung

gelangt.

Unterstützung findet die hier in

Einklänge mit den Vorinstanzen vertretene Ansicht in folgendem. Bei Vorlegung des Entwurfs des Stempelsteuergesetzes vom Jahre

1895 wollte man mit der Bestimmung des § 16 Abs. 3 — die der heute geltenden Fassung mit den unwesentlichen Abweichungen ent­ sprach, daß statt der Ausdrücke des Gesetzes „Urkunden über Rechts­

geschäfte" und

weiterhin „Rechtswirksamkeit" die Worte „Verhand­

lungen" und „Stempelpflichtigkeit" gebraucht waren — Lücken des

älteren Rechtes durch Vorschriften darüber ausfüllen, zu welchem Zeit­ punkte die Frist zur Beibringung des Stempels beginnt und wer Entsch. in Zivils. N. F. 40 (90).

8

zur Entrichtung des Stempels verbunden ist (Begründung des Ent­ wurfs S. 20). Vor Einführung des Stempelsteuergesetzes von 1895 ging aber die Rechtsanschauung, und zwar auch des Reichsgerichts, dahin, daß schriftliche unter Vorbehalt der Genehmigung eines Dritten geschlossene Verträge nicht schon ohne weiteres und vor Erteilung der Genehmigung dem Vcrtragsstenipel unterlägen (vgl. Hoyer-Gaupp, Die Preußische Stempelgesetzgebung, 5. Aust., namentlich S. 811). In der schon unter der Herrschaft des Stempelsteuergesetzes vom 31. Juli 1895 erlassenen allg. Verfügung vom 29. Dezember 1899 (Preuß. Just.Min.Bl. 1900 S. 3) hat der Justizminister im Ein­ verständnis mit dem Finanzminister angeordnet, daß in den Fällen des § 16 Abs. 3 der die Urkunde ausnehmende Notar zunächst nur den Stempel aus Tarifst. 45 zu verwenden und die Verwendung des Geschäftsstempels bis zum Nachweise der erfolgten Genehmigung zu unterlassen habe. Hierbei ist nicht unterschieden worden, ob die Genehmigung vertraglich vorbehalten oder gesetzlich erforderlich ist. Zutreffend werden endlich schon im Berufungsurteile Bemerkungen aus den Kommentaren zum Stempelsteuergesetze von Hummel und Specht und von Heinitz herangezogen. Daß etwa bei förmlichen Vertrags­ abschlüssen der Versuch unternommen werden sollte, mittels eines Vorbehalts der Genehmigung eines Dritten die Stempelpflicht zu umgehen, ist nicht zu besorgen. Solange die Genehmigung noch möglich ist, aber aussteht, befindet sich das vertraglich behandelte Rechtsverhältnis in der Schwebe. Wird die Genehmigung versagt, so sind die Mühen und häufig auch Kosten des Abschlusses nutzlos aufgewendet." .. .

27. 1. Die Voraussetzung der Wegeunterhaltuiigspflicht in § 6 Abs. 2 des Telegraphenwege-Gesetzes vom 18. Dezember 1899 (RGBl. S. 705). 2. Überwiegende Beteiligung des Wegennterhaltnngspflichtigen am Unternehmen durch Darlehensgewährung im Sinne dieser Vorschrift.

VI. Zivilsenat. Urt. v. 2. April 1917 i. S. Stadtgemeinde G. (Bekl.) w. den Reichspostfiskus (Kl.). Rep. VI. 462/16.

I. II.

Landgericht Cöln. Oberlandesgericht daselbst.

Die Stadtgemeinde G. veranlaßte durch die Herstellung einer elektrischen Bahn, die teilweise auf der Provinzialstraße, teilweise auf

eigenem Bahnkörper verläuft, auch städtische Straßen kreuzt, die Ver­

legung und Sicherung von Leitungen der Reichstelegraphenverwaltung und verlangte auf Grund des § 6 Abs. 2 des Telegraphenwege-Ge­

setzes vom 18. Dezember 1899, daß deren Kosten der Reichspostfiskus trage.

Nachdem der Regierungspräsident diesem Anträge stattgegeben

hatte, erhob der Reichspostfiskus Klage mit dem Anträge, die Ent­ scheidung des Regierungspräsidenten aufzuheben und den Anspruch

der Stadtgemeinde abzuweisen.

Dem haben die Vorinstanzen will­

fahrt. Dieses Berufungsurteil wurde aufgehoben und die Sache zurück­

verwiesen.

Aus den Gründen: „1. Soweit die Bahn die Provinzstraße benutzt, bezeichnet sich die

Stadtgemeinde bei ihrer Berufung auf § 6 Abs. 2 TelWG. als wege­ unterhaltungspflichtig in dem Sinne, weil sie' als politisches Mitglied

des Kreises zu den durch die Provinz aufzubringenden Mitteln für die Unterhaltung der Provinzstraßen beitrage.

Da man, wie ins­

besondere in der Revisionsinstanz ausgeführt wird, annehmen könne,

daß der von dem einzelnen Kommunalverband in dieser Weise be­ wirkte Beitrag zu den von ihr verursachten Wegeunterhaltungskosten in entsprechendem Verhältnis stehe, treffe materiell, worauf es allein

ankomme, die Wegeunterhaltungslast die Stadtgemeinde.

Mit Recht haben bereits die Vorinstanzen diese Betrachtungs­ weise abgelehnt.

Wie schon in RGZ. Bd. 65 S. 307 ausgeführt,

ist die Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 TelWG. solchen Unternehmern

gemeinnütziger besonderer Anlagen zugedacht, die neben dem an der Anlage bestehenden öffentlichen Interesse auch noch das Recht aus

dem Eigentum an dem von der Telegraphenverwaltung benutzten

Verkehrswege für sich haben und deren Interesse deshalb im Streite der beiderseitigen und beiderseits öffentlichen Interessen als das stärkere

anzusehen sei; mit Rücksicht darauf, daß in den deutschen Einzclrechtsgebieten zwar meist, aber doch nicht immer, das Eigentum am Wege mit der Wegeunterhaltungspflicht zusammenfällt, hat man bei Fassung der Gesetzesbestimmungen vorgezogen, auf die Wegeunterhaltungs-

8*

pflicht, nicht auf das Wegeeigentum abzustellen. Dem zur Wege­ unterhaltung Verpflichteten als dem damit auch zur Herrschaft und Verfügung über den Verkehrsweg Berechtigten soll die Errichtung gemeinnütziger besonderer Anlagen bei Konkurrenz mit einer Tele­ graphenanlage tunlichst ermöglicht und erleichtert werden (vgl. dazu des. den Bericht der RTKomm., 10. Leg.-Per. I. Sess. 1898/1900, Drucks. Bd. 7 Nr. 498). Die gesetzliche Voraussetzung der Weqeunterhaltungspflicht ist hiernach ein klar bestimmtes, lediglich nach dem Wegerechte zu er­ fassendes Erfordernis und einer Umdeutung in mittelbar wirksame Kostenbeitragspflicht unzugänglich. Im vorliegenden Falle ist un­ streitig, übrigens auch festgefiellt, daß für die in Betracht kommenden Straßenstrecken unterhaltungspflichtig die Provinz ist, nicht die Stadt­ gemeinde. Es muß daher bei der Vorentscheidung lediglich bewenden. In der von der Revision angeführten Entscheidung RGZ. Bd. 78 S. 223 wird der, wie auch die Revision nicht verkennt, umgekehrte Fall behandelt, nämlich die Beteiligung der Gemeinde am Unter­ nehmen in der Gestalt/daß der Kreis, zu dem die wegeunterhaltungs­ pflichtigen Gemeinden gehören, sich finanziell beteiligt. Als mittelbar begründet wurde dort nicht die WegeunterhaltungsPflicht behandelt, sondem die finanzielle Beteiligung, —wie die Begründung (S. 225/226) ergibt, ans Grund einer ganz konkret erfaßten Sachlage, die für die Beurteilung der Wegeunterhaltungspflicht allenthalben nicht in Betracht gezogen werden kann. 2. Die Stadtgemeinde hat weiter geltend gemacht, der Provinzial­ verband habe sich an dem Unternehmen überwiegend beteiligt im Sinne des § 6 Abs. 2 TelWG. durch die Hingabe eines Darlehens von 940000 Jt (zu den 1308000 Jt betragenden Gesamtkosten) unter besonders günstigen Bedingungen und durch weitere in einem Ver­ trage zwischen dem Provinzialverband und der Stadtgemeinde vom 15./23. Dezember 1913 dieser gewährte Vorteile. Das Berufungs­ gericht nimmt an, daß insoweit in der Tat eine Beteiligung vorliege, hält sie aber nicht für eine „überwiegende" im Sinne des Gesetzes. Die Stadtgemeinde trage als alleinige Unternehmerin die Verlust­ gefahr des Unternehmens überhaupt — auf einen irgendwie in Frage kommenden Gewinn sei dabei nicht zu rechnen —, habe das Dar­ lehen von 940000 JH zu verzinsen und zu tilgen wie auch die

weiteren 368 000 Jl des Anlagekapitals aufzubringen. Demgegenüber habe der Provinzialverband auf ein halbes Prozent Zins verzichtet, die Tilgungsrate auf 11/2, gegen sonst 2 °/0 herabgesetzt und den Beginn der Tilgung hinausgeschoben, bezüglich der Wege endlich der Stadtgemeinde besondere Vorteile eingeräumt. Aber auch wenn man die Leistungen der Provinz auf Grund des Vertrags vom 1 S./23. De­ zember 1913 noch so hoch einschätze, so werde man dennoch nicht zu einer Summe kommen, die auch nur entfernt die Aufwendungen der Beklagten erreiche. Daß der Provinzialverband durch seine Lei­ stungen das Unternehmen erst ermöglicht habe, sei anzunehmen, ebenso daß er es durch sein Verhalten fördere und daß die Lasten, die er dadurch für das Unternehmen auf sich genommen habe, gewiß nicht unerhebliche seien; aber allein die von der Stadtgemeinde jährlich zu zahlenden Zins- und Tilgungsraten, auch wenn man sie nicht für das ganze Anlagekapital berechne, überstiegen die Leistungen des Provinzialverbandes um mehr als ein Vielfaches. Das Tatbestandsmerkmal des Überwiegens (der Beteiligung) ist naturgemäß im wesentlichen tatsächlicher Art (vgl. RGZ. Bd. 78 S. 227). Ein Rechtsirrtum kann aber in der Beurteilung insoweit zutage treten» als bei der Frage des Übergewichts der Begriff der

Beteiligung überhaupt verkannt, insbesondere zu eng gefaßt wird. Die Urteilsbegründung ergibt, daß das Berufungsgericht... eine Beteiligung nur in den Zins- und Tilgungsvergünstigungen sowie in der Gestattung der Wegebenutzung für die Anlage findet. Den Kapitalwert des Darlehens als solchen dagegen hat das Berufungs­ gericht bei diesen Ausführungen völlig beiseite gelassen; anscheinend glaubt es in der — verzinslichen — Darlehensgewährung als solcher überhaupt keine „Beteiligung" im Sinne des Gesetzes finden zu können. Diese Betrachtungsweise muß Bedenken erregen. In der Geschäftssprache des Alltags wird der Ausdruck „Be­ teiligung an einem Unternehmen" zumeist auf die Teilnahme an dessen Gewinn und Verlust Hinweisen, insoweit daher zu einem Darlehen oft geradezu im Gegensatze stehen. Dieses ist in seiner Regelgestalt seinem Rechtsinhalte nach, wenn auch nicht wirtschaftlich, schlechthin unabhängig vom Gedeihen und den Erfolgen des Unternehmens, zu dem es gegeben wird; das Entgelt für die Darlehensgewährung bilden lediglich die Zinsen, die Gefahr des Dargeliehenen geht durch.

die Darlehensleistung

auf

den Darlehensnehmer über.

In einem

anderen, wirtschaftlichen Sinne kann aber von Beteiligung an einem Unternehmen auch in Gestalt der Darlehensgewährung insbesondere

dann gesprochen werden, wenn diese ein wesentliches Moment zum

Juslebentreten des Unternehmens ist, ein wesentlicher Umstand unter den verschiedenen für seine Gründung und Förderung bedeutsamen

Bedingungen. In diesem Sinne kann am Unternehmen beteiligt er­ scheinen auch der, welcher lediglich gegen geschäftsüblichen Zins Geld

dargeliehen hat, weil er sein Interesse an jenem eben durch die In­ Nach einem solchen Wort­

vestierung seiner Geldmittel betätigt hat.

sinn erschiene die Provinz „beteiligt" nicht nur insoweit, als sie Auf­ wendungen gemacht, sich eine Vermögenseinbuße auferlegt hat, sondern

schon dadurch, daß sie 940000 Jl von den benötigten 1308000 JC gerade für die Zwecke dieses Unternehmens, nicht anderwärts an­

gelegt hat. Die Fassung der Gesetzesworte entstammt der Reichstagskom-

Mission, die damit nach ihrem Berichte (vgl. a.a. O. S. 18flg., 21flg., 24) hat zum Ausdruck bringen wollen, daß der Unterhaltungspflichtige

. .. ein Interesse an der Ausführung der besonderen Anlagen durch Aufwendung betätigen müsse (vgl. auch RGZ. Bd. 65 S. 310, 311). Die Rechtsprechung des Senats hat bereits (RGZ. Bd. 78 S. 221, 225) darauf hingewiesen, daß keine bestimmte Rechtsform der Be­ teiligung erforderlich ist, insbesondere kein Gesellschaftsverhältnis des Wegeunterhaltungspflichtigen zum Unternehmer: es genügt, daß jener (S. 221) überhaupt wirtschaftliche Aufwendungen irgendwelcher Art

für das Unternehmen macht, z. B. es finanziell unterstützt oder durch Ge­ währung von Naturalleistungen fördert. Auch die Übernahme von Schuldverschreibungen wird unter besonders dargelegten Umständen

(RGZ. Bd. 78 S. 222) für ausreichend erachtet. Daß auch Verbürgung

des Wegeunterhaltungspflichtigen zugunsten des Unternehmers genügen kann, hat der Senat in der gleichzeitig entschiedenen Sache VI. 433/16 ausgesprochen. Das Überwiegen ist nach RGZ. Bd. 78 S. 227

durch Vergleichung der Leistungen des Wegeuuterhaltungspflichtigen

gegenüber den sonstigen Aufwendungen für das Unternehmen zu er­ mitteln und dann anzunehmen, wenn jenen eine überwiegende Bedeu­ tung zukommt.

Das wesentliche der im ß 6 Abs. 2 TelWG. gedachten

Beteiligung des Wegeunterhaltungspflichtigen an dem Unternehmen

eines privatkapitalistischen Unternehmers liegt mithin, wie es RGZ. Bd. 78 S. 222 ausgedrückt wird, in der Teilnahme an der plan­ mäßigen Finanziierung des Unternehmens, an der Schaffung seiner finanziellen Grundlagen: solches kann aber auch durch Darlehens­ gewährung geschehen und geschieht nicht selten auf diesem Wege. Daß das Darlehen nur Gläubiger-, keine Mitgliedschaftsrechte gewährt, schließt nach dem Ausgeführten (vgl. bes. auch RGZ. Bd. 78 S. 222) die Annahme einer Beteiligung im Sinne des § 6 Abs. 2 TelWG. an sich nicht aus. Hiernach kann es nicht als rechtlich ausgeschlossen gelten, in der Darlehnsgewährung schon an und für sich, neben und abgesehen von den Zins- und Tilgungserleichterungen eine Beteiligung des Provinzialverbandes am Unternehmen der Stadtgemeinde zu erblicken. Und dies um so mehr, als es sich bei der Gewährung dieses Dar­ lehens offenbar nicht um großkapitalistische Anlagezwecke, sondern um die öffentlichen Interessen und Aufgaben des Provinzialverbandes handelt, die denen der Stadtgemeinde im Wesen verwandt sind und sich vielfach nach derselben Richtung bewegen. Hat jener in der Tat nahezu drei Viertel der zur Schaffung des Bau- und Betriebs­ kapitals benötigten Gelder hergegeben, so kann diese Beteiligung, auch wenn der andere Teil dieses Darlehen verzinsen und das weitere Viertel selbst aufbringen muß, je nach Umständen als eine überwiegende bezeichnet werden. Welche Umstände für diese Ab­ wägung nach Sachlage noch ins Auge zu fassen sind, muß zunächst der Vorinstanz Vorbehalten bleiben. Die bisher dargelegten Er­ wägungen können nach dem Ausgeführten als eine erschöpfende Prüfung der Frage nicht angesehen werden." ...

28. Kami im Sinne des § 6 Abs. 2 des Telcgraphenwege-Gesrtzes vom 18. Dezember 1899 (RGBl. S. 705) eine Anlage von elek­ trischen Vorortbahnen auch dann als einheitlich angesehen werden, wenn die Bahnen nicht ausschließlich ans öffentlichen Wegen, sondern streckenweise ans eigenem Bahnkörper verlaufen?

VI. Zivilsenat. Urt. v. 2. April 1917 i. S. Reichspostfiskus (Bell.) w. Stadtgemeinde Cöln (Kl.). Rep. VI. 11/17.

Landgericht Cöln. Oberlandesgericht daselbst.

I. II.

Die Vorortbahnen der Stadt C., elektrisch betrieben, führen zu­ nächst über öffentliche Wege, für die die Stadt unterhaltungspflichtig ist, dann längere Strecken über selbständigen Bahnkörper und danach

zum Teile wieder über öffentliche Wege, für die andere Gemeinden oder sonstige Verbände unterhaltungspflichtig sind.

Die Bahnstrecken

benützen zum Teile dieselben Wege wie bereits vorhandene Telegraphen­ linien, teils kreuzen sie solche.

Die Herstellungen, bezüglich deren

die Kostentragungspflicht streitig ist, sind insgesamt vorgenommen

an Stellen,

wo entweder die auf eigenem Bahnkörper geführten

Bahnen öffentliche, mit Telegraphenanlagen besetzte Wege auf ebenem Boden kreuzen, oder wo die Bahnen wieder auf öffentlichen Wegen

verlaufen, also die Telegraphenanlagen und die späteren Anlagen

(die Bahnen) gleichermaßen auf öffentlichen Wegen sich befinden und da zusammentreffen. Für die Kosten dieser Herstellungen ist der Beklagte als er­ stattungspflichtig im Sinne des § 6 Abs. 2 des TelegraphenwegeGesetzes angesehen worden unter dem Gesichtspunkte der Einheitlich­

keit der Anlage (RGZ. Bd. 65 S. 311, Bd. 78 S. 228; IV. 430. 431/16).

Die streitig gewordene Frage ist die, ob der Annahme

der Einheitlichkeit

der unstreitige Umstand entgegensteht,

daß die

fraglichen Bahnen nicht zusammenhängend, d. h. ausschließlich auf öffentlichen Wegen laufen, sondern streckenweise auf eigenem Bahn­

körper.

Die Frage war mit dem Berufungsgerichte zu verneinen.

Aus den Gründen: „Die Einheitlichkeit der Anlage ist im wesentlichen nach tat­ sächlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.

Unter solchen kommt das

Berufungsgericht dazu, die Einheitlichkeit schon um deswillen anzu­ nehmen,

weil

die Linienführung der Bahn

eine einheitliche und

dadurch — wenn auch teilweise auf eigenem Bahnkörper — der

tatsächliche Zusammenhang auch in Ansehung der im übrigen be­ nützten Wege hergestellt sei. Für rechtsirrig ist diese Betrachtungsweise nicht zu erachten, sie

ist vielmehr mit dem nach Wortlaut und Zweck zu ermittelnden In­

halte des Gesetzes zu vereinigen.

Auch die bisherige Rechtsprechung

ergibt dagegen kein Bedenken; insbesondere ist in RGZ. Bd. 65

S. 311 von zusammenhängenden Wegen nur deshalb die Rede, weil

solche nach dem Sachverhalte vorausgesetzt wurden; dagegen besteht

kein Anhalt dafür, daß der Entscheidung damit eine inhaltliche Be­ schränkung habe gegeben werden sollen.

Entsprechendes gilt von den

Vorarbeiten des Gesetzes, insbesondere von dem Berichte der Reichs­

tagskommission zu § 6 des Regierungsentwurfs (Reichstag 10. Leg-Per. I. Sess. 1898/1900, Drucks. Bd. 7 Nr. 498),

wo, wie schon das

Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, gleichfalls kein An­ halt für die vom Beklagten vertretene Einschränkung erhellt.

Endlich

ist auch kein innerer Grund dafür ersichtlich, den Wegeunierhaltungs­

pflichtigen die Vergünstigung aus § 6 Abs. 2 des Gesetzes dann nicht

zu gewähren, wenn durch eine streckenweise bestehende Abseitsführung

der Anlage vom öffentlichen Wege für den Beklagten die Möglichkeit einer Störung der Telegraphenanlage verringert, damit die ihn ge­

gebenenfalls treffende Herstellungs- und Kostenpflicht nicht vergrößert,

sondern verringert wird." ...

29.

Ist eine Bürgschaftsleistung des Wegeunterhaltungspflichtigen

geeignet, eine überwiegende Beteiligung im Sinne des § 6 Abs. 2

des Telegraphenwege-Gesetzes vom S. 705) darznstellcn?

VI. Zivilsenat.

18. Dezember

(RGBl.

Urt. v. 2. April 1917 i. S. Elektr. Überland­

zentrale W. (Bekl.) w. den Reichspostfiskus (Kl.). I. II.

1899

Entscheidender Zeitpunkt der Beteiligung.

Rp. VI. 433/16.

Landgericht Stendal. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Die Beklagte hat durch die Errichtung von Starkstromlinien es notwendig gemacht, daß innerhalb des von ihr versorgten Gebiets

Telegraphenlinien verlegt oder verändert oder auch Schutzvorkehrungen getroffen werden mußten. Die dafür aufgewandten Kosten erstattete die Beklagte dem Kläger, forderte sie aber in der Folge von ihm

unter Berufung auf § 6 Abs. 2 des Telegraphenwege- Gesetzes vom 18. Dezember 1899 zurück.

Die Vorinstanzen entsprachen der Klage,

die Revision wurde zurückgewiesen.

Aus den Gründen: „Die Parteien streiten darüber, ob die Starkstromanlage der beklagten Überlandzentrale, wie in § 6 Abs. 2 TelWG. vorausgesetzt, unter überwiegender Beteiligung eines oder mehrerer Wegeunter­ haltungspflichtiger ausgeführt ist. Die Beklagte glaubt dies bejahen zu dürfen, weil ihr seitens der als Genossen beigetretenen wegebau­ pflichtigen Gemeinden Straßen und Wege zur Ausführung der An­ lage kostenlos überlassen worden seien, und weiter deshalb, weil für ein ihr zu Zwecken des Unternehmens von einem Privaten gewährtes Darlehen die beteiligten Kreise die Bürgschaft übernommen haben. In der zweiten Richtung wurde ausgeführt: Unstreitig ist der hier angeforderte Kostenbeitrag vom Kläger der Beklagten bereits am 29. April 1910 mitgeteilt worden; die Herstellungen waren damals bereits vorgenommen, die Bürgschaftserklärungen aber sind erst im Juni und Juli 1911 abgegeben worden, während vorher auf feiten der Kreise keine bindende Verpflichtung, auf feiten der Beklagten nur eine wenig sichere Hoffnung bestand, daß es zur Verbürgung der Kreise kommen werde. Das Berufungsgericht hält die Bürgschaftsleistung an sich für geeignet, eine Beteiligung im Sinne des § 6 Abs. 2 TelWG. darzustellen; da jene aber zu der Zeit, wo die Anlage ausgeführt werden sollte, noch nicht erfolgt war, könne auch eine Beteiligung der Kreise an dem Unternehmen nicht als vorliegend angesehen werden. Die Revi­ sion hält dafür, zur Anwendung des § 6 Abs. 2 TelWG. müsse es ge­ nügen, wenn, wie dies hier zutreffe, die bei dem Beginn der Bau­ ausführung erwartete Beteiligung nachher auch wirklich gewährt und zur Zeit der Erhebung des Anspruchs gegen den Postfiskus vorhanden sei. Die Beklagte habe nach den Verhandlungen, die zur Gründung des Unternehmens geführt hätten, auf Grund der ihr von den Kreisen und den staatlichen Behörden gewordenen Zusicherungen bestimmt auf die nötige wirtschaftliche Unterstützung, also auf eine überwiegende Be­ teiligung der Wegeunterhaltungspflichtigen rechnen können; andernfalls wäre die Inangriffnahme des Unternehmens mit kurzfristigem Bank­ kredit ein Unding gewesen. In Fällen solcher Art müsse es bei dem naturgemäß langsamen Gange der behördlichen Geschäfte, bis es zur Unterzeichnung solcher Verpflichtungsurkunden komme, länger dauern, als der Unternehmer mit dem Beginn der Bauausführung zuwarten könne.

Auch diese Ausführungen konnten zur Aufhebung des Urteils nicht führen.

Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht seine

Entscheidung auf die Feststellung gegründet: die Anlage ist ausgeführt

mit Mitteln, die die nicht wegebaupflichtige Beklagte von der nicht­

wegebaupflichtigen Genossenschaftsbank in Halle entliehen hatte.

In

der entscheidenden Frage, zu welchem Zeitpunkte die „überwiegende Beteiligung" eines oder mehrerer Wegebaupflichtiger an dem Unter­ nehmen vorliegen müsse, um die Anwendung des § 6 Abs. 2 TelWG.

zu gestatten, braucht auf die von der Revision vertretene Auffassung, der Zeitpunkt der Erhebung des Anspruchs gegen den Poflfiskus sei

maßgebend, im allgemeinen nicht näher eingegangen zu werden.

Denn

jedenfalls ist ihr nach dem im vorliegenden Falle festgestellten Sach­ verhalte nicht beizutreten.

In Ermangelung einer entgegenstehenden

Bestimmung ist davon auszugehen, daß die Postverwaltung den An­ spruch auf Erstattung der Kosten ihrer Herstellungen mit dem Zeit­ punkt erwirbt, wo diese Herstellungen vorgenommen sind.

Nach § 12

des Reichsgesetzes über das Telegraphenwesen vom 6. April 1892 i. d. F. vom 7. März 1908

gilt als Regel ein Prioritätsprinzip,

demgegenüber die Vorschrift des § 6 Abs. 2 TelWG. eine Ausnahme

darstellt:

die nach § 12 TelG. gebotenen Herstellungen sind auf

Kosten des Unternehmers der späteren Anlage auszuführen, die Post­ verwaltung handelt insoweit auch als sein Geschäftsführer (§ 677 BGB.) und hat Erstattung ihrer Kosten, wenn überhaupt, zu fordern,

sobald sie ihr erwachsen, also die Herstellungen fertig sind (vgl. § 683). Der so entstandene Anspruch wird nicht nachträglich zunichte dadurch,

daß ein Wegeunterhaltungspflichtiger beitritt, das Unternehmen dadurch

im Sinne des § 6 Abs. 2 TelWG. bevorzugt wird.

Der durch das

Gesetz gewährten Vergünstigung würde anderenfalls eine Rückwirkung beigelegt,

von der das Gesetz nichts sagt und für die allgemeine

Rechtsgrundsätze nicht sprechen.

Die Herstellungen, die die Post­

verwaltung vor dem Beitritt der Kreise als Bürgen vorgenommen

hat, geschahen für einen Privatunternehmer, nämlich die beklagte Ge­ nossenschaft.

Diese wurde dadurch zur Kostenerstattung verpflichtet,

blieb es insoweit auch nach dem Beitritt der Kreise als Bürgen, und

erst von da an lag die Beteiligung von Wegeunterhaltungspflichtigen vor.

Rückwirkung kommt Rechtstatsachen grundsätzlich nur zu, wenn

und soweit es das Gesetz vorschreibt." ...

30. Darf die aus Verwertung österreichischen Grundbesitzes ent­ standene Geldforderuug des inländischen Gemeinschuldners zur inlän­ dischen Konkursmasse gezogen werden? Finden die Vorschriften der deutschen Konkursordnung auf eine ausländische Forderung des in­ ländischen Gemeinschuldners Anwendung, wenn die Leistung im Jnlandgebirte zur Ausführung gebracht wird? KO. 88 1, 8, 118, 238. IV. Zivilsenat. Urt. v. 2. April 1917 i. S. T. (Bekl.) w. G. Kon­ kursverwalter (Kl.). Rep. IV. 7/17. I. II.

Landgericht Bielefeld. OberlandeSgericht Hamm.

Über das Vermögen des Gutsbesitzers A. T. ist am 19. De­

zember 1910 das Konkursverfahren von dem Amtsgerichte Detmold eröffnet worden. Zu seinem Vermögen gehörte das aus dem Nach­ lasse seines Vaters auf ihn als Miterben nach gemeinen Rechte ver­ erbte Miteigentum zu */« an drei Wiener Häusern, von denen das eine Haus bereits am 20. September 1910, die beiden andern Häuser während des Konkurses von dem im Testamente des Erblassers zum Verwalter des Nachlasses ernannten Beklagten verkauft worden sind. Der Konkursverwalter erhob bezüglich dieses Wiener Grundbesitzes gegen den Beklagten, der nach Entmündigung des Gemeinschuldners wegen Geisteskrankheit auch dessen Vormund geworden war, Klage auf Rechnungslegung und auf Auszahlung des von den Erträgen und dem Erlöse des Grundbesitzes auf den Gemeinschuldner entfallenen Anteils. Nachdem der Beklagte zunächst zur Rechnungslegung rechts­ kräftig verurteilt worden war und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ine Abrechnung über die Einnahmen und Ausgaben aus den Wiener Häusern für 1910 bis 1917 eingereicht hatte, verlangt Kläger jetzt die Zahlung verschiedener in der Abrechnung aufgeführter Einnahme­ beträge von zusammen 26672,19 Jl nebst Zinsen, weil die Zahlung dieser Beträge an den Gemeinschuldner unter Übersendung des Geldes in das Inland der Konkursverwaltung gegenüber ohne Wirkung sei. Das Landgericht verurteilte den Beklagten gemäß dem Klage­ anträge. Die Berufung wurde durch Teilurteil in Höhe von

16100,65 Jt nachstehenden

zurückgewiesen.

Die Revision

blieb

erfolglos aus

Gründen: „Durch den in Deutschland von dem Fürstlich Lippeschen Amts­ gerichte Detmold eröffneten Konkurs wurde nach § 61 der österreichi­ schen Konkursordnung vom 25. Dezember 1868, wie bereits in dem früheren Urteile des Revisionsgerichts in dieser Prozeßsache vom 23. April 1914 (Gruchots Beitr. Bd. 58 S. 1119) ausgeführt ist, das in Österreich belegene unbewegliche Vermögen des Gemeinschuldners

nicht berührt. Die infolge der Konkursbeschlagnahme eingetretene Verfügungsbeschränkung des Gemeinschuldners war hinsichtlich des Wiener Grundbesitzes ohne Wirkung. Das Verwaltung?- und Ver­ fügungsrecht hierüber stand nicht dem Konkursverwalter, sondern dem Gemeinschuldner zu. An diesem Grundsätze wird auch nichts geändert durck § 67 der jetzt geltenden österreichischen Konkursordnung vom 10. Dezember 1914, der lediglich die Einwirkung des ausländischen Konkurses auf das im Jnlande (Österreich) befindliche bewegliche Ver­

mögen behandelt (vgl. Lehmann, Kommentar zur österreich. Kon­ kurs-Ausgleichs- und Anfechtungsordnung Bd. 1 S. 457). Die hier­ nach dem unbeweglichen Vermögen zukommende Ausnahmestellung gilt aber nur so lange, als das Vermögen die Eigenschaft des un­ beweglichen hat. Ist durch Veräußerung des Grundstücks, durch Einziehung der Grundstückseinkünfte usw. die Verwertung des Grund­ besitzes durchgeführt und an Stelle des Miteigentums am Grundstück eine einfache Geldfordernng des Gemeinschuldners getreten, ist sogar, wie dies nach den Anführungen des Beklagten der Fall, das Geld für den Gemeinschuldner bei einer Bank angelegt, so finden auf diese Forde­ rung die Grundsätze Anwendung, die für das in Österreich befindliche bewegliche Vermögen gelten. Daß das unbewegliche Vermögen in Österreich der Einwirkung des ausländischen Konkurses entzogen ist, hat seinen Grund in der Rücksichtnahme auf die dortigen Gläubiger. Zur Wahrung der Interessen dieser Gläubiger ist im 8 61 der Kon­ kursordnung vom 25. Dezember 1868 den österreichischen Gerichten wenn der Gemeinschuldner dort Grundstücksvermögen besitzt, die aus­ schließliche Zuständigkeit Vorbehalten, das Konkursverfahren hierüber nach österreichischen Gesetzen zu eröffnen und nach diesen Gesetzen zur Durchführung zu bringen. Für ein solches Konkursverfahren ist

aber kein Raum, wenn die Liquidation des Grundbesitzes beendet ist und es sich nur um den bei der Liquidation verbliebenen Überschuß handelt.

Die Revision erhebt denn auch nach dieser Richtung haupt­ sächlich nur den Einwand, daß nach § 1 der deutschen Konkursord­ nung, wonach das Konkursverfahren nur das zur Zeit der Konkurs­ eröffnung dem Gemeinschuldner gehörige Vermögen umfaßt, der An­ spruch des Gemeinschuldners auf Auszahlung des Anteils an dem bei Versilberung des Wiener Grundbesitzes erzielten Barerlös über­ haupt nicht in die Konkursmasse falle. Neben dem Miteigentum an den Grundstücken habe zur Zeit der Konkurseröffnung ein Anspruch auf Auszahlung des Erlöses, der einen selbständigen Vermögens­ bestandteil darstelle, nicht bestanden. Er sei zu dieser Zeit auch nicht als ein bedingter Anspruch vorhanden gewesen. Diese Ausführungen erscheinen nicht begründet. Der Anspruch auf Auszahlung des Anteis hat seinen Rechtsgrund in dem bereits vor der Konkurseröffnung vorhandenen Miteigentum, aus welchem sich dieser Anspruch infolge Verwertung des Grundbesitzes entwickelt hat, und ist in dem Mit­ eigentum als ein schon zur Zeit der Konkurseröffnung bestehendes Recht (vgl. Gruchots Beitr. Bd. 45 S. 621) mit enthalten gewesen. Die Konkurszugehörigkeit ergibt sich aber auch, wenn man den Grund der Vorschrift des § 1 KO. ins Auge faßt. Die hier ausgesprochene Beschränkung der Konkursmasse auf das zur Zeit der Konkurseröff­ nung dem Gemeinschuldner gehörige Vermögen hat nur die Bedeu­ tung, daß der nach dieser Zeit von dem Gemeinschuldner gemachte Neuerwerb, um ihm das wirtschaftliche Fortkommen nicht zu sehr zu erschweren, vom Konkurse frei bleiben soll (Motive II S. 19flg., Protok. S. Iflg., 145; Jaeger, Anm. 53 zu 8 1 KO.). Ein solcher Neuerwerb steht aber hier, wo nicht von dem Gemeinschuldner neue Mittel hinzuerworben sind, sondern das zur Zeit der Konkurseröff­ nung in Form von Grundeigentum vorhandene Vermögen nur eine andere Rechtsform angenommen hat, nicht in Frage. Bedenken gegen die Zugehörigkeit des Anspruchs zur Konkursmasse sind auch nicht etwa aus dem Gesichtspunkte zu erheben, daß es dem Konkurs­ verwalter zur Zeit der Konkurseröffnung bezüglich des Wiener Grund­ besitzes nicht möglich war, der ihm im § 1 KO. (vgl. auch § 238) gestellten Aufgabe der Herbeischaffung des gesamten ausländischen Vermögens zu genügen, daß die nach ausländischem Rechte aus § 61

der österreichischen Konkursordnung sich ergebende Schranke erst im Laufe des Konkursverfahrens weggefallen ist. Es ist nicht zu be­ zweifeln, daß schon im Zeitpunkte der Konkurseröffnung der Wiener Grundbesitz, obschon damals die Zwangsvollstreckung im Bereiche des österreichischen Rechtes noch nicht durchführbar war, vom Stand­ punkte des § 1 der deutschen Konkursordnung aus der Zwangsvoll­ streckung unterlag. Unerörtert kann bleiben, welche Grenzen der Einwirkung des deutschen Konkurses auf das in Österreich befindliche bewegliche Ver­ mögen zu ziehen sind. Anerkanntermaßen ist die Rechtsgültigkeit einer Zwangsvollstreckung in das dortige bewegliche Vermögen vor Eingang des Ersuchens der deutschen Konkursbehörde um Ausant­ wortung lediglich nach österreichischem Rechte ohne Berücksichtigung der Verfügungsbeschränkung des ausländischen Gemeinschuldners zu beurteilen (RGZ. Bd. 54 S. 193, § 67 österr. KO. vom 10. De­ zember 1914, Lehmann, Kommentar hierzu Bd. 1 S. 462, Fried­ länder, Anm. 3 und 5 zu § 61 österr. KO. vom 25. Dezember 1868). Fraglich ist aber, in welchem Maße diese Verfügungsbeschrän­ kung sonst für die Zeit vor Stellung des Ersuchens Geltung hat, ob insbesondere der Beklagte durch die ohne Zustimmnng des Kon­ kursverwalters erfolgte Hinterlegung des dem Gemeinschuldner zu­ stehenden Anteils bei dem Wiener Bankverein von seiner Verbind­ lichkeit befreit worden ist. Auf diese Fragen braucht für den vor­ liegenden Rechtsfall nicht weiter eingegangen zu werden. Entscheidend ist, daß der Schuldner, der die dem inländischen Gemeinschuldner zu machende Leistung im Jnlande bewirkt, die nach inländischem Rechte bestehende Verfügungsbeschränkung des Gemeinschuldners, worin dem Berufungsgerichte nur beigetreten werden kann, zu beachten hat. Durch den mit der Konkurseröffnung verbundenen offenen Arrest wird allen Personen die Verpflichtung auferlegt, das dem Gemeinschuldner zu Leistende nicht an diesen, sondern zur Konkurs­ masse an den Verwalter abzuführen (§ 118 und § 8 KO.). Dieser Vorschrift ist auch der ausländische Schuldner insoweit unterworfen, als die Leistung innerhalb der Grenzen des deutschen Staatsgebietes im Bereiche der inländischen Zwangsvollstreckungsgewalt zur Aus­ führung kommt, ohne daß es darauf ankommt, ob der Erfüllungs­ ort im Inland oder im Auslande belegen ist, ob die Forderung

des inländischen Gemeinschuldners zu dem inländischen Vermögen oder zu dem ausländischen Vermögen zu rechnen ist (vgl. über letz­

tere Frage RGZ. Bd. 13 S. 280; Jur. Wochenschr. 1900 S. 588 Nr. 3; anderseits Meili, Lehrbuch des intern. Konkursrechts § 26 unter II 3 S. 89, Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts § 112 bei

Sinnt. 4). Hat der Leistende in Kenntnis der Eröffnung des Kon­ kursverfahrens die Leistung im Jnlaude dem Gemeinschuldner zugeführt, so wird er der Konkursmasse gegenüber, soweit das Geleistete nicht

in deren Besitz gekommen ist, von seiner Verbindlichkeit nicht befreit, sondern ist zur nochmaligen Leistung verpflichtet.

Im vorliegenden Falle hat der Beklagte, wie festgestellt, über

das

aus der Verwertung des Wiener Grundbesitzes herrührende,

nach seiner Angabe bei dem Wiener Bankverein auf das Konto des Gemeinschuldners angelegte Guthaben in der Weise verfügt, daß er (anscheinend

durch Anweisung der Bank) die im Berufungsurteile

näher bezeichneten, von ihm als verausgabt in Rechnung gestellten

Zahlungen im Gesammtbetrage von 16100,65 Jt an und für den Gemeinschuldner im Jnlande hat leisten lassen. Er hat hierdurch, mag er nun als Verwalter oder als späterer Vormund des Gemein­ schuldners gehandelt haben,

das in diesen Geldbeträgen bestehende

Vermögen in das Inland übergeführt und die kraft seiner Ver­ waltungspflicht (nach Herausnahme des Geldes aus der Bank) dem

Gemeinschuldner zu machende Leistung nicht, wie es nach den Vor­ schriften der deutschen Konkursordnung geboten war, an die Kon­

kursmasse abgeführt, sondern dem Gemeinschuldner zukommen lassen. Daß hinsichtlich

dieser im Jnlande vorgenommenen Leistungen die

Vorschriften der deutschen Konkursordnung für den Beklagten ver­ bindlich waren, kann hier um so weniger einem Zweifel unterliegen, als er im Deutschen Reiche seinen Wohnsitz hat und, was für seine

etwaige Tätigkeit als Vormund in Betracht kommen würde, ein von einem deutschen Amtsgerichte bestellter Vormund war.

Mit Recht

hat demgemäß das Berufungsgericht angenommen, daß der Beklagte, weil er trotz Kenntnis der Konkurseröffnung unter Nichtbeachtung

des vom Konkursverwalter gestellten Verlangens den Vorschriften der deutschen Konkursordnung zuwiderhandelte, sich persönlich haftbar gemacht hat und deshalb zum Ersätze der 16100,65 Jt verpflichtet ist.

Die Revision erweist sich hiernach nicht als begründet."

1. Auftragwidrige Handlungen des Beauftragten. 2. Bedeutung allgemeiner Weisungen über die Verwendung eingenommener Geldbeträge, die im Austragsverhältnis der Auftrag­ geber dem Beauftragten erteilt. Befreien sie diesen von den Ver­ pflichtungen der Rechenschaft und der Herausgabe? 31.

BGB. 88 662, 666, 667.

VI. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 2. April 1917 i. S. W. (Kl.) w. P. (Bell.). Rep. VI. 450/16.

Landgericht Königsberg. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger war Eigentümer des Gutes Königstann; er geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und erteilte am 6. März 1909 dem Beklagten, dem Bruder seiner Ehefrau, eine Generalvollmacht mit dem Auftrage, seine Vermögensverhältnisse in Ordnung zu bringen und zu diesem Zwecke das Gut Königstann zu verkaufen. Mittels Kaufvertrags vom 9. August 1909 verkaufte darauf der Beklagte das Gut für den Preis von 305 000 M gegen eine Anzahlung t>on45000 Jl, Übernahme der eingetragenen Hypotheken von 210000 M und hypothekarische Ein­ tragung des Restkaufpreises von 5000(H Diese Kaufpreisrestforde­ rung trat der Beklagte sogleich in dem Kaufvertrag an die Ehefrau des Klägers ab und beantragte die Eintragung von drei Briefhypotheken für die Genannte mit 20000 Jl, 10000M und wieder 20000 Jt. Die erste Post von 20000 wurde am 14. Oktober 1909 wieder gelöscht. Die beiden anderen Hypotheken trat die Ehefrau des Klägers am 29. Januar 1910 zurück an den Beklagten ab; erstere Post ver­ pfändete der Beklagte am gleichen Tage für eigene Schulden einem Rentner L. und trat sie später am 10. Februar 1913 an einen Rentner B. ab; auch die andere verpfändete er einem anderen Gläu­ biger für eigene Schulden und übertrug sie dann am 13. Juli 1912 wiederum an die Ehefrau des Klägers, die zu dieser Zeit sich im Scheidungsprozesse mit ihrem Ehemanne befand. Das Urteil erster Instanz auf Scheidung war schon ergangen und wurde am 3. Ok­ tober 1912 vom Oberlandesgerichte bestätigt. Unter der Behauptung, daß der Beklagte die Geschäfte des Klägers auftragswidrig und zum Schaden des Klägers geführt, auch Entsch. in Zivils. N. F. 40 (90).

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Gelder aus dem Verkaufe des Gutes für sich verwendet habe, hat der Kläger gegen den Beklagten zunächst auf Rechnungslegung und auf Herauszahlung

des aus der Rechnung zu seinen Gunsten sich

ergebenden Betrags, nachdem im Laufe der ersten Instanz der Be­

klagte eine Rechnungsaufstellung vorgelegt hatte, aber auf Zahlung

von 5000 M und auf Rückübertragung der beiden Hypotheken von 10000 Jl und 20000 Jt an ihn Klage erhoben.

erkannte gegen den Beklagten.

Das Landgericht

Auf seine Berufung legte das Ober­

landesgericht abändernd dem Beklagten einen Schiedscid dahin auf,

daß zwischen ihm und dem Kläger eine Rückübertragung der Hypo­ theken auf diesen nicht vereinbart worden sei, und machte von der

Leistung oder Nichtleistung dieses Eides die Entscheidung abhängig.

Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des Oberlandes­ gerichts aufgehoben aus folgenden

Gründen: „Im Gegensatz zum Landgerichte, das auf Grund des Auftrags­

verhältnisses, dessen Verpflichtungen er zuwidergehandelt habe, den Beklagten zur Rückübertragung und Wiederbeschaffung der beiden dem Kläger als dem Machtgeber entfremdeten Hypotheken verurteilte

und durch Zwischenurteil nach § 304 ZPO. den Leistungsanspruch

auf Zahlung von 5000 Jl dem Grunde nach für gerechtfertigt er­ klärte, ist das Berufungsgericht zur bedingten Abweisung der Klage

gelangt, weil der Kläger der Abtretung der Hypotheken seitens seiner Ehefrau an den Beklagten vom 29. Januar 1910 zugestimmt und

zur Erklärung dieser Handlungsweise Stichhaltiges nicht vorgebracht habe.

Diese Zustimmung, meint das Berufungsgericht, wäre uner­

klärlich, wenn der Kläger selbst das Recht gehabt hätte, über den Kaufgelderlös des Gutes zu verfügen, also die Abtretung an sich sie sei nur verständlich bei der Annahme, er auf seine Rechte an dem Erlöse zugunsten seiner Familie

hätte verlangen können; daß

verzichtet habe, wie dies der Behauptung des Beklagten entspreche, die deshalb nunmehr der Kläger

widerlegen müsse.

Der Kläger

habe nun behauptet, daß am 29. Januar 1910 zwischen den Parteien die Wiederumschreibung der Hypotheken auf seinen Namen nach der

Rechnungslegung vereinbart worden sei. wahrscheinlich,"

Die Behauptung sei „wenig

indessen „nicht geradezu ausgeschlossen", so daß es

auf den darüber dem Beklagten zugeschobenen Eid ankomme, auf den

zu erkennen gewesen sei; nur, wenn dieser Eid vom Beklagten ge­

weigert werde, erscheine der Klaganspruch begründet. Die gegen diese Entscheidung vom Kläger eingelegte Revision war

für begründet zu erachten.

Das Berufungsgericht übersieht

durchaus, daß die Beziehungen der Parteien zueinander von dem Anstragsverhältnis beherrscht sind, das den Beklagten als Beauf­

tragten von dem Kläger als Machtgeber abhängig macht, und daß von diesem Auftragsverhältnis aus auch alle Einzelhandlungen der

Parteien in Ansehung des Gegenstandes des Auftrags zu beurteilen sind.

Der Beauftragte hat nach den Weisungen des Auftraggebers

zu handeln; von beabsichtigten Abweichungen hat er dem Auftraggeber

Mitteilung zu machen und dessen Entschließung abzuwarten. Er hat in allem nach dem Willen und beim Mangel bestimmter Weisungen

nach dem Interesse des Machtgebers zu verfahren (§§ 662,665 BGB.;

Jur. Wochenschr. 1905 S. 43 Nr. 5).

Er ist dem Auftraggeber über

die Ausführung des Auftrags Rechenschaft schuldig (§ 666 BGB.)

und hat ihm, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, heraus­

zugeben (§ 667 BGB.). in Ausführung

Der Beklagte hat mithin bei den von ihm

des ihm erteilten Auftrags vorgenommenen Hand­

lungen, die von vornherein als Abweichungen von der geraden Richt­ schnur des Auftrags erscheinen, darzutun, daß sie mit dem Willen,

und wo dieser etwa nicht zu ermitteln ist, mit dem Interesse des Klägers übereinstimmen.

Als erste dieser Handlungen stellt sich die gleichzeitig mit dem

Gutsverkauf erfolgte Zuweisung der Kaufgelderhypotheken von 20000 Jt und 10000 Jl an die Ehefrau des Klägers und Schwester des Be­ klagten, anstatt an den Kläger selbst, dar.

Es erhellt nicht, ob der

Beklagte dazu die Einwilligung des Klägers eingeholt hat.

Daraus,

daß der Kläger nachträglich, nachdem einmal diese Zuweisung in dem

vom Beklagten mit dem Käufer geschlossenen Vertrage festgelegt war, bei den Grundbuchverhandlungen zur Ausführung auch hinsichtlich der

fraglichen Hypothekenübertragung mitwirkte, ergibt sich nicht, daß er sich mit der Handlungsweise des Beklagten zur Ausführung des diesem er­ teilten Auftrags ihm gegenüber einverstanden erklärte.

Die Rücküber­

tragung der Hypotheken an den Beklagten am 29.Januar 1910, die unter Zustimmung des Klägers erfolgt ist, spricht gegen diese Einwilligung und findet ihrr natürliche Erklärung gerade nur so, wie der Kläger ihre Be-

9*

deutung dargestellt hat, daß nämlich jene Zuweisung der Kaufgelder an die Ehefrau des Klägers rückgängig gemacht werden und der Beklagte,

der das Vermögen des Klägers verwaltete, in dieser Stellung auch

die fraglichen Hypotheken bis zur Erledigung des Auftragsverhält­ nisses überhaupt oder bis zu einer endgültigen Verfügung des Klägers über ihre Verwendung als Treuhänder des Klägers in seine Ver­

waltung übernehmen sollte. darüber wortlich.

dem Kläger

Er blieb jedenfalls in der Verfügung

als seinem Auftraggeber schlechthin verant­

Die Umschreibung der Hypotheken auf den Beklagten er­

scheint lediglich als eine Maßregel innerhalb des Auftragsverhält­

nisses, um die endgültige Verfügung über den Vermögensgegenstand

vorzubereiten. Der Beklagte hat nun behauptet, der Kläger habe mit ihm ver­ einbart, der Überschuß, der von dem Kauferlöse nach Zahlung der

Schulden des Klägers verbleibe, solle für Frau und Kinder des Klägers verwendet werden; er selbst wolle für sich nichts haben.

Selbst wenn aber diese Behauptung, die das Berufungsgericht wegen

der Zustimmung des Klägers zu der Abtretung vom 29. Januar 1910 dergestalt seiner Entscheidung zugrunde legen zu können glaubt, daß

es dem Kläger nun überlassen bleiben müsse, sie durch Gegenbeweis aus der Welt zu schaffen, wenn er noch Ansprüche an den Beklagten erheben wolle, richtig und erwiesen wäre, würde sie an dem Ver­

hältnis der Parteien zueinander nichts Wesentliches ändern.

Denn

diese Vereinbarung würde sich wiederum nur als eine Weisung, und zwar allgemeiner Natur, an den Beauftragten über die Art und Weise

der Ausführung des Auftrags darstellen.

Der Beklagte war weder

Vertreter der Ehefrau des Klägers noch der Kinder des Klägers; von einer Zuwendung, die seitens des Klägers zu Händen des Be­

klagten an die Genannten gemacht worden wäre, kann deshalb keine Rede sein. Daß aber der Beklagte berechtigt werden sollte, über die fraglichen Überschüsse, die er als Beauftragter des Klägers in seine Hand bekommen hatte, vollständig frei, nach seiner Willkür und

seinem Gutdünken, ohne Verantwortung gegenüber irgend jemandem als über sein Eigentum zu verfügen, lediglich mit der allgemeinen,

ihn nicht verpflichtenden Erwartung, er werde sie für die Ehefrau und die Kinder des Klägers verwenden, liegt weit ab von dem zwischen den Parteien bestehenden Verhältnis und ist in dieser Weise

jedenfalls weder festgestellt noch auch nur behauptet worden. Auch die von dem Beklagten vorgetragene angebliche Äußerung des Klägers, die sich auf die Rückübertragung der Hypotheken an den Beklagten

vom 29. Januar 1910 bezieht, der Beklagte werde noch besser für die Kinder zu sorgen in der Lage sein, als die Eheftau des Klägers,

bestätigt nur eine Auftragsweisung,

enthält aber nicht eine solche

Verfügung, die einen Verzicht auf die eigenen Rechte aus dem Auf­ tragsverhältnis oder einen Erlaß der Auftragsschuld des Beklagten

auf Herausgabe des durch die Geschäftsbesorgung Erlangten (§ 397 BGB.) darstellen würde.

Ein Verzicht des Klägers auf seine Rechte

an dem Erlöse zugunsten seiner Ehefrau und seiner Kinder in dem

Sinne, wie ihn das Berufungsgericht annimmt, stellt keinen Erlaß der Auftragsschuld gegenüber dem Beklagten dar, sondern gibt nur

den von diesem nachzuweisenden Verwendungen zu dem angegebenen Zwecke — wobei aber im Sinne de« Auftrags jedenfalls nach der dem Beklagten bekannt gewordenen Einleitung der Ehescheidung die Ehefrau auszuscheiden hatte — den Charakter der Auftragserfüllung und befreit ihn insoweit von der Herausgabepflicht des §667 BGB.; was weisungsgemäß verwendet, was nach dem Willen des Auftrag­ gebers verausgabt worden ist,

braucht nicht mehr herausgegeben

zu werden.

Der dem Beklagten erteilte Vermögensverwaltungsauftrag war mit dem Verkaufe des Gutes noch nicht schlechthin erledigt, sondern

erst mit der Rechnungslegung und der auftraggemäßen Verfügung über die vereinnahmten Gelder und Vermögenswerte, also mit der Ausantwortung an den Auftraggeber nach § 667 BGB. oder nach dessen Weisungen an Dritte, Weisungen, die gleich dem Auftrage selbst (§ 671 BGB.) jederzeit widerrufen werden konnten.

Immer

blieb der Beklagte als Beauftragter dem Kläger als dem Auftrag­

Der Kläger blieb berechtigt, nicht nur gemäß

geber verantwortlich.

§ 666 BGB. Rechenschaftsablage, sondern auch nach ß 667 BGB.

Herausgabe

alles

in

die Verwaltung des Beklagten gekommenen

Gutes zu verlangen, dessen auftragsmäßige Verwendung ihm noch nicht

er

nachgewiesen

ist;

der

Beklagte

hat

dann

darzutun,

den Weisungen des Auftraggebers entsprechend und

Interesse darüber verfügt hat.

daß

in dessen

Es ist abwegig, wenn das Berufungs­

gericht dem Kläger nur als Vertreter seiner Kinder, zu deren Gunsten

er verzichtet habe, Ansprüche gegen den Beklagten zuerkennen will. Gerade das Auftragsverhältnis macht den Kläger als den Macht­

geber zum Herrn über die Verfügungen des Beklagten; als solcher

nimmt er diesen in Anspruch. Die Allgemeinheit der Weisung und Zweckbestimmung für die

Verwendung des Kaufgelderüberschusses zugunsten der Ehefrau und der Kinder überhob den Beklagten auch nicht der Verpflichtung des

Beauftragten, hinsichtlich

der einzelnen Verfügungshandlungen

im

Zweifelsfalle die Weisungen des Klägers einzuholen und jedenfalls

in allem dessen Interesse wahrzunehmen.

Das muß um so mehr gelten,

nachdem, wie dem Beklagten wohl bekannt geworden sein muß, Miß­

helligkeiten zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau entstanden waren. Als der Beklagte die Hypothek der 20000 Jl am 13. Juli 1912

zum zweiten Male der Ehefrau des Klägers übertrug, war die Ehe des Klägers mit dieser in erster Instanz bereits geschieden; der Prozeß schwebte vor dem Oberlandesgerichte.

Diese Verfügung des Beklagten

stellt sich hiernach von vornherein und ohne eingehende Darlegung der Berechtigung seitens des Beklagten als schlechthin auftragwidrig dar. Hat der Beklagte ferner die Weisung erhalten, für Frau und Kinder des Klägers die Überschüsse der Kaufgelder zu verwenden, so ist jeder Versuch eines Nachweises zu vermissen, in welcher Weise der

Beklagte für die Kinder des Klägers gesorgt haben will.

Nach seiner

eigenen Darlegung im Schriftsätze vom 3. November 1915 soll ja gerade die Rückübertragung vom 29. Januar 1910 auf Wunsch des

Klägers erfolgt sein, weil der Beklagte besser für die Kinder sorgen werde, als die Ehefrau.

Austragwidrig und unerlaubt waren die

Verpfändungen der Hypotheken durch den Beklagten für seine eigenen

Schulden an seine Gläubiger; kommen diese Verletzungen der Ver­ tragspflicht auch gegenwärtig insofern nicht in Betracht, als der Be­ klagte die verpfändeten Werte wieder eingelöst hat, so zeigen sie doch,

wie wenig genau der Beklagte es mit seinen Verpflichtungen nahm. Die Abtretung der Hypothek von 10000 Jt, an einen Dritten im

Jahre 1913 ist völlig unaufgeklärt und nicht minder auftragwidrig

wie jene Verpfändungen, sofern nicht der Gegenwert der Abtretung zur Verwaltungsmasse abgeführt und auftraggemäß verwendet worden ist.

Dem Kläger als Auftraggeber liegt mithin keineswegs der Nach­

weis ob, wie er dazu komme, Herausgabe der durch die Geschäfts-

besorgung des Auftrags an den Beklagten gelangten Vermögenswerte zu verlangen; vielmehr hat der Beklagte gegenüber der an sich wohl­

begründeten Klage darzutun, wie er. seinerseits dem Auftrage nach­ gekommen ist. Die Zustimmung des Klägers zu dem Übertragungs­

akte vom 29. Januar 1910 ändert an dem Auftragsverhältnis nichts und

kehrt die Beweislast nicht um, die bei dem Beklagten bleibt,

auch nachdem er bewiesen haben wird, daß jene Vereinbarung, wonach die

überschießenden Kaufgelder der Ehefrau und den Kindern des

Klägers

sei.

zugute kommen

sollten,

in Wirklichkeit getroffen worden

Der Beklagte hat dann nachzuweisen, inwiefern seine einzelnen

Verfügungshandlungen zu den Zeiten, da sie vorgenommen wurden, im Rahmen der Vereinbarung dem Auftrage, weil dem Willen und dem Interesse des Klägers entsprachen.

Verfügungen, die in unstatt­

hafter Abweichung von seinen Weisungen oder gegen seinen Willen

vom Beklagten getroffen sind, braucht der Kläger nicht anzuerkennen;

erscheinen sie als vorsätzliche oder fahrlässige Verletzungen der Ver­ tragspflicht

des Beklagten,

Schadensersatz

und

Schadensersatzanspruch

lassen

so

verpflichten

alsdann

begründet

den

erkennen.

sie diesen ferner zum Klaganspruch

auch

als

Daß ein Verschulden

ihm nicht zur Last fällt, hat aber nach den Grundsätzen des Ver­ tragsrechts der Beklagte, wenn er gegenständlich vertragswidrig ge­

handelt hat, zu beweisen. Der Kläger fordert neben der Wiederbeschaffung der zwei Hypo­

theken von 20000 und 10000 Jt auch einen Geldbetrag, der sich nach seiner Behauptung aus den Einwendungen gegen die vom Be­ klagten in erster Instanz beigebrachte Rechnungsaufstellung ergibt;

das Landgericht hat diesen Anspruch dem Grunde nach für gerecht­ fertigt erklärt.

Das Berufungsgericht hat sich darüber nicht aus­

gesprochen und offenbar auch ihn durch die Zustimmung des Klägers zu der Abtretung vom 29. Januar 1910 als erledigt angesehen,

sofern nicht der Kläger den unter Eideszuschiebung gestellten Gegen­ beweis führt, der der Gegenstand des Urteilseides ist.

Es handelt

sich hier aber um Geldwerte, die außerhalb jener Hypotheken liegen; auch hier trifft den Beklagten die Beweislast der auftragsmäßigen

Verwendung der Gelder und die Pflicht der Herauszahlung, sofern

er diesen Nachweis nicht führt." ...

32.

Ist ein

von einem bevollmächtigten Vertreter ans der Reise

abgeschlossener Berkans durch diesen selbst dem Käufer zu bestätigen, oder entspricht es der Handelssitte, daß die Bestätigung von dem

verkaufenden Handlungshaus unmittelbar dem Käufer zugesandt wird?

HGB. § 346.

II. Zivilsenat,

litt v. 3.April 1917 i. S. I.H.(Kl.) w.E.H. (Bekl.).

Rep.II. 528/16. I. II.

Landgericht Saarbrücken. Oberlandesgericht Cöln.

Ein gewisser K. hatte auf der Reise Namens der zu Saarbrücken ansässigen Beklagten

100 Kisten Eier an

die Klägerin

verkauft.

Unmittelbar nach dem Abschlüsse telegraphierte er von Stuttgart, dem Wohnsitze der Klägerin, an die Beklagte:

I. H. hier akzeptiert 100 Kisten 113; bestätigt direkt brieflich. Die Beklagte hat die Abschlußvollmacht des K. bestritten. Das Landgericht erklärte die auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ge­ richtete Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Das Oberlandes­

gericht wies sie ab, indem es festgestellle, daß K. nicht zum Ab­ schlüsse bevollmächtigt gewesen sei.

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

— „Das Berufungsgericht stellt ferner zur Bekräftigung des gewonnenen Ergebnisses fest, daß K. bei Aussetzung seines Telegramms vom 14. September „I. H. hier akzeptiert 100 Kisten 113; bestätigt

direkt brieflich" sich nicht für zum Abschlüsse berechtigt gehalten habe, weil er sonst den Abschluß selbst hätte bestätigen können.

Grund beruht auf Verletzung des § 346 HGB.

Dieser

Wird ein Verkauf

von einem bevollmächtigten Vertreter eines Handlungshauses, z. B. einem Agenten oder Reisenden, auswärts fest abgeschlossen, so ent­

spricht es

durchaus der Handelssitte, daß das

Hause unmittelbar bestätigt wird.

Geschäft von dem

Freilich wird auch für den brief­

lichen Abschluß von Handelsgeschäften nicht selten die Form des Be­

stätigungsbriefs gewählt; aber ebenso häufig und ihrem Namen wie

ihrem ursprünglichen Zwecke nach

dienen solche Bestätigungsbriefe

zur urkundlichen Feststellung bereits geschlossener Verträge. Das Telegramm K.s spricht daher durchaus nicht dagegen, daß er sich zum bindenden Abschlüsse des streitigen Verkaufs befugt erachtet hat." ...

33. 1. Sind die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die ungerechtfertigte Bereicherung auch im Bereiche des Kunstschutzgesetzes vom 9. Januar 1907 anzuwenden? 2. Besteht im Falle der Bereicherung ein Anspruch auf Aus­ kunfterteilung nach 8 260 BGB.? BGB. §§ 812, 260.

I. Zivilsenat.

I. II.

Urt. v. 4. April 1917 i. S. C. & Co. (Kl.) to. U. & Co. (Bekl.). Rep. I. 185/16. Landgericht I Berlin. Kammergericht daselbst.

In der in RGZ. Bd. 84 S. 146 bezeichneten, in die Berufungs­ instanz zurückverwiesenen Sache wies das Berufungsgericht die Unter­ lassungsklage ab, verurteilte die Beklagte zur Vorlegung eines Ver­ zeichnisses über die von ihr hergestellten und vertriebenen Stücke des Erikamusters und wies die Sache zur Entscheidung über die sich aus der Vorlegung des Verzeichnisses ergebende Bereicherung an das Landgericht zurück. Die Revision der Klägerin wie die Anschlußrevision der Be­ klagten, welche die gänzliche Abweisung der Klage forderte, wurden zu­ rückgewiesen.

Aus den Gründen: ... „Die mangels Vorhandenseins der Revisivnssumme nur als Anschlußrevision zulässige Revision der Beklagten war ebenfalls er­ folglos. Bei der vom Kammergericht ausgesprochenen Verneinung der Klageänderung, die nach Ansicht der Beklagten in der Erhebung des Bereicherungsanspruchs an Stelle des Schadensersatzanspruchs liegen sollte, verbleibt es prozeßrechtlich auch für die Revisioiisinstanz (§270 ZPO.). Dies schließt die Prüfung nicht aus, ob das Kunsturheber-

gesetz vom 9. Januar 1907 — die Grundlage der Klage — einen solchen Anspruch anerkennt. Das Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, vom 11. Juni 1870 (§ 18), ließ den Veranstalter

des Nachdrucks, wenn ihn kein Verschulden traf, dem Urheber für den entstandenen Schaden bis zur Höhe seiner Bereicherung haften.

Diese Bestimmung übernahmen das Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, vom 9. Januar 1876 (§ 16) und das

Gesetz, betr. den Schutz der Photographien, vom 10. Januar 1876 (§ 9) für ihre Rechtsgebiete.

Eine entsprechende Vorschrift enthält

zwar weder das Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken der Litera­ tur, vom 19. Juni 1901 noch das Kunsturhebergesetz vom 9. Januar

1907; die Begründung ihrer Entwürfe (S. 38 u. 33) bemerken aber übereinstimmend:

„Der Entwurf hat nicht die Aufgabe, die zivil­

rechtlichen Folgen von Eingriffen schöpfend zu regeln.

in das Recht des Urhebers er­

Soweit sich aus den allgemeinen Vorschriften

des bürgerlichen Rechtes sonstige Ansprüche begründen lassen, bleiben diese unberührt."

Auch die Reichstagskommission zu Beratung des Entwurfs des Kuysturhebergesetzes lehnte den Antrag, in das Gesetz die Bestimmung einzuschalten:

„Erfolgt die Rechtsverletzung weder

vorsätzlich noch fahrlässig, so ist der Täter dem

Berechtigten zur

Herausgabe der Bereicherung nach den Vorschriften des Bürgerlichen

Gesetzbuchs über die ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet" — int Hinblick auf die Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs als überflüssig ab (Bericht S. 28 Nr. 448 der RTVerhandl. II. Session 1905/06). Nach dieser Entstehungsgeschichte des Kunsturhebergesetzes kann der Mangel einer ausdrücklichen Vorschrift über den Bereicherungs­ anspruch jedenfalls nicht als seine Verneinung ausgelegt

werden.

Um sie annehmbar zu machen, müßten zwingende Gründe hinzukommen. Da diese fehlen, so ist mit der herrschenden Lehre davon auszugehen,

daß der Anwendung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die ungerechtfertigte Bereicherung int Bereiche des Kunsturheber­ gesetzes grundsätzlich nichts im Wege steht.

Das Kammergericht leitet aus der Zulassung des Bereicherungs­ anspruchs die Zulässigkeit des Anspruchs auf Vorlegung eines Be­

standsverzeichnisses nach § 260 BGB. ab, weil die Beklagte die ge­ zogenen Nutzungen, einen Inbegriff von Gegenständen, herauszugeben habe.

Die Beklagte rügt die Verletzung dieser Vorschrift mit der

Ausführung, das Kammcrgericht habe verkannt, daß sie nicht eine

allgemeine Auskunftspflicht, sondern eine Auskunftspflicht für bestimmte Rechtsverhältnisse feststelle. Die Rüge ist nicht stichhaltig. Nach § 260 Abs. 1 BGB. hat derjenige, welcher verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Be­

stand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestandes vorzulegen.

Das Bestehen der Ver­

pflichtung zur Herausgabe eines Inbegriffs von Gegenständen oder

zur Auskunfterteilung über dessen Bestand für die Verzeichnispflicht.

bildet die Voraussetzung

Der § 260 führt daher nicht eine allgemeine

Rechtspflicht des Schuldners zur Auskunfterteilung ein, sondern ent­

hält eine Sondervorschrift für Fälle, wo bereits eine Herausgabe- oder Auskunftpflicht besteht,

in der Beschränkung auf den Bestand eines

Inbegriffs und kann, sofern diese Voraussetzungen vorliegen, auch in

Fällen der ungerechtfertigten Bereicherung in Betracht kommen.

Nun

verpflichtet der § 812 BGB. den, der durch die Leistung eines andern oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, zur Herausgabe.

Handelt es sich um die Herausgabe eines

Inbegriffs von Gegenständen, so würde bei Anwendung des § 260 BGB. durch Vorlegung des Bestandsverzeichnisses mittelbar zugleich

Auskunft über den Bestand erteilt werden.

Unter einem Inbegriff

von Gegenständen im Sinne dieses Paragraphen ist jede Mehrheit von Vermögensgegenständen, Sachen wie Rechten oder Forderungen

zu verstehen, bei der der Berechtigte nach dem obwaltenden Verpflichtungsgrunde nicht in der Lage ist, die einzelnen Vermögensgegen­

stände zu bezeichnen, und bei der die Einheitlichkeit dieses Rechts­

grundes, der zur Herausgabe oder Auskunfterteilung verpflichtet, das Band bildet, welches jene Mehrheit zum Inbegriff vereinigt. Alles trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Die Beklagte hat

Vorteile durch den Vertrieb des Erikamusters der Klägerin erlangt,

und zwar ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Klägerin, weil sie zur Verwertung des Musters nicht berechtigt war und durch diese

Verwertung die Möglichkeit, das Muster abzusetzen, zum Nachteile der Klägerin beeinflußte.

BGB.

gabe verpflichtet.

nämlich

Das genügt zur Anwendung des § 812

Die Beklagte ist daher gemäß dieser Vorschrift zur Heraus­ Die Klägerin fordert die Herausgabe der Vorteile,

des Gewinns,

den die Beklagte erzielt hat, in Höhe der

Bereicherung.

Der Gewinn besteht in einer Mehrheit von Ver­

mögenswerten, deren auf der Zahl der vertriebenen Stücke des Musters und dessen Größe beruhende Zusammensetzung die Klägerin nach

Lage der Sache im einzelnen nicht bezeichnen kann, die aber durch

denselben Rechtsgrund, aus dem die Herausgabepflicht entspringt, ein­ heitlich miteinander verbunden sind.

Da hiermit ein Inbegriff von

Gegenständen im Sinne des § 260 BGB. gegeben ist, so ist die mit der Klage verfolgte und von dem Kammergerichte zugesprochene For­ derung auf Vorlegung eines Verzeichnisses über die Anzahl der von

der Beklagten hergestellten und vertriebenen Stücke des Musters be­ rechtigt; denn das Verzeichnis gibt zugleich Aufschluß über den Be­ stand des Gewinns der Beklagten und vermittelt dessen Herausgabe."...

34.

Kann die Aufbringung, auch abgesehen von dem Abandonrechte,

auslösen?

Begriff der Ausbringung im

Gegensatze zur An- oder Festhaltung.

Wann und wie lange ist der

den Bersicherungsanspruch

Gegenstand der Versicherung im Sinne des § 861 Abs. 1 Nr. 2

HGB. infolge einer Aufbringung bedroht? HGB. §§ 861, 867.

Bremer SeeVersBed. von 1875 §§ 1, 21, 65.

I. Zivilsenat. Urt. v.4. April 1917 i.S. Oberrh. Vers.-Ges. u. Gen. (Bekl.) w. Bremen-Besigheimer Ölfabriken (Kl.). Rep. I. 181/16. I. II.

Landgericht Bremen, Kammer für Handelssachen. Oberlandesgericht Hamburg.

Die Klägerin hat gemäß der Police vom 28. Juli 1914 bei den Beklagten 100 tons Sesamsaat im Werte von 41000 Jt, die

mit dem deutschen Dampfer Aenne Rickmers von einem chinesischen

Hafen nach Bremen zu befördern waren, unter Bezugnahme auf die

Bremer Seeversicherungsbedingungen von 1875 gegen die „durch die Klausel »bloß für Seegefahr« ausgeschlossenen Gefahren" und weiter nach Maßgabe der angehängten Kriegsklausel versichert. Kriegsklausel heißt es:

In der

„Der Versicherer haftet nicht:

1 2. für Kosten, welche entstehen aus der Anhaltung, der Blockade

des Aufenthaltshafens, der Zurückweisung von einem blockierten Hafen, der Entlöschung, Lagerung und Weiterbeförderung der

Güter wegen Kriegsgefahr; 3.

.....

Verderb und Verminderung der Güter infolge durch Kriegsgefahr

veranlaßten Aufenthalts sind gleichfalls nicht zu Lasten des Ver­ sicherers.

Die Vorschriften des § 39 werden aufgehoben.

Wenn der versicherte Gegenstand dadurch bedroht ist, daß er von einer kriegführenden Macht aufgebracht wurde und während einer Frist von zwei Monaten nicht freigegeben ist, ist der Ver­

sicherte befugt, die Zahlung der Versicherungssumme zum vollen Betrage gegen Abtretung der in betreff des versicherten Gegen­ standes ihm zustehenden Rechte zu verlangen.

Die Frist wird

von dem Tage an gerechnet, an welchem dem Versicherten die freie Verfügung über den versicherten Gegenstand entzogen ist."

Mit der im Dezember 1915 erhobenen Klage hat die Klägerin

behauptet, daß der Dampfer Aenne Rickmers mit den darauf befind­ lichen

100 Ions

Sesamsaat im Herbst 1914 von einem britischen

Kriegsschiff aufgebracht und nach Alexandrien geschleppt worden sei, ohne daß bisher eine Freigabe der versicherten Ware stattgefunden habe. ^Sie verlangt daher gemäß der Kriegsklausel unter Vorbehalt

weiterer Ansprüche von jeder der Beklagten 10% ihres Anteils an der Versicherungssumme, zusammen 4100 M nebst Zinsen.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung, indem sie bestreiten, daß eine Aufbringung des Dampfers stattgefunden und daß sich die

versicherte Ware zur Zeit der angeblichen Aufbringung noch dem Schiffe befunden habe.

auf

Nach ihrer Darstellung lag der Dampfer

bei Ausbruch des Krieges in Port Said und ist auf Grund einer

Absprache zwischen dem ägyptischen Gouvernement und der britischen Marineverwaltung vondort nach Alexandrien gebracht worden. Der englische Oberbefehlshaber habe nämlich dem Schiffer verboten, in

den Kanal einzufahren, ihm dagegen freigestellt, bis zu einem be­ stimmten Termin in der Richtung nach dem Mittelmeere zu fahren

und die Ladung zu entlöschen oder sie in andere Schiffe überzuladen. Der Schiffer habe auch einen Teil der Ladung, darunter die hier versicherte Ware entlöscht, sei aber mit dem Schiffe in Port Said verblieben. Der im Dienste des ägyptischen Gouvernements stehende Hafenkapitän habe ihm dann gesagt, daß das Schiff unter englischer Führung in See gehen müsse. Die deutsche Mannschaft sei ent­ lassen, und der englische Schiffsführer von dem Hafenkapitän an­ gewiesen worden, einen bestimmten Kurs zu nehmen, auf dem er gemäß Vereinbarung mit der britischen Marineverwaltung ein eng­ lisches Kriegsschiff antreffen und weitere Instruktion erhalten werde. Demgemäß sei verfahren worden; der Dampfer sei von dem hierzu beorderten Kriegsschiff in Empfang genommen und nach Alexandrien begleitet worden. Das Landgericht verurteilte die Beklagten nach der Klage. Ihre Berufung wurde zurückgewiesen. Der Revision wurde statt­ gegeben aus folgenden Gründen: „Vorweg ist zu bemerken, daß der gegenwärtige Fall auch ab­ gesehen von der Verschiedenheit der Versicherungsbedingungen wesent­ lich anders liegt, als der durch Urteil dieses Senats vom 25. Ok­ tober 1916 entschiedene (RGZ. Bd. 89 S. 34). Denn in letzterem Falle herrschte Einverständnis darüber, daß der Dampfer Aenne Rickmers aufgebracht war zum Zwecke der prisengerichtlichen Abur­ teilung; streitig war nur, ob damit die policenmäßige Bedingung der Nehmung erfüllt sei, was bejaht wurde. Ferner war unstreitig, daß sich die versicherte deutsche Ware zur Zeit der Aufbringung an Bord befunden hat. Im gegenwärtigen Falle ist bestritten, daß eine Aufbringung stattgefunden hat, und geltend gemacht, daß es sich nur um Anhaltung (detention) handle. Sodann wird behauptet, daß die versicherte Ware schon vor.der angeblichen Aufbringung oder Anhaltung des Dampfers durch ein englisches Kriegsschiff von dem deutschen Schiffer in Port Said gelöscht worden ist. Im allgemeinen sind maßgebend die Bremer Bedingungen von 1875; die Versicherung deckt mit gewissen Beschränkungen die durch die Klausel „bloß für Seegefahr" ausgeschlossenen Gefahren. Sieht man zunächst von den Beschränkungen ab, so würden gedeckt sein (vgl. § 21 der Brem.SVB.): Beraubung, Beschädigung oder Ver-

nichtung des versicherten Gegenstandes durch Kriegsschiffe oder Kaper: Kosten, welche entstehen aus der Anhaltung und Reklamierung, aus

der Blockade des Aufenthaltshafens oder der Zurückweisung von einem

blockierten Hafen oder aus dem freiwilligen Aufenthalte wegen Kriegs­ gefahr; sonstige unmittelbare Folgen einer feindseligen Behandlung; Schaden, welcher aus der Kondemnation des Schiffes für die frei­

gegebenen Güter durch deren Verkauf oder Beförderung zum Be­

stimmungsplatz

mag.

entstehen

Stillschweigend

und

gemäß

Grundsätze des § 1

der Brem.SVB. ist auch

selbst eingeschlossen.

Nach den Beschränkungen sind hiervon

dem

die Kondemnation

aber

wieder ausgeschlossen: die Kosten, welche entstehen aus freiwilligem

Aufenthalte

wegen

Kriegsgefahr

sowie

aus

der

Anhaltung,

der

Blockade des Aufenthaltshafens, der Zurückweisung von einem blok-

kierten Hafen, der Entlöschung, Lagerung und Weiterbeförderung der Güter

wegen Kriegsgefahr.

Auch sollen Verderb

und

Ver­

minderung der Güter infolge eines durch Kriegsgefahr veranlaßten

Aufenthalts nicht zu Lasten des Versicherers sein. Da nun weder Kondemnation behauptet wird, noch auch geltend gemacht wird, daß durch die Aufbringung oder Anhaltung der ver­ sicherten Ware unmittelbar ein Schade zugefügt ist, so würde die

Versicherung

versagen,

wenn man zunächst von der Erweiterung

absieht, welche sie in den letzten Sätzen der Police durch das dort dem Versicherten zugestandene Abandonrecht erhalten hat.

Denn das

Abandonrecht im Falle der Kriegsgefahr ist den Bremer Bedingungen nach § 65 an sich fremd.

system die Aufbringung

Daher löst nach diesem Versicherungs­

als solche den Versicherungsanspruch nicht

aus, sondern kann Ansprüche nur erzeugen, wenn sie zur Kondem­ nation, d. h. zum Totalverluste führt, oder in anderer Weise unmittel­ baren Verlust oder Beschädigung mit sich bringt. Die gegenwärtige nur gestützt worden auf jene letzten Sätze der Police, d. h. auf Abandonrecht

Klage kann daher nur gestützt werden und ist auch

unter der Behauptung: daß der versicherte Gegenstand dadurch be­ droht ist, daß er von einer kriegführenden Macht aufgebracht wurde

und während einer Frist von zwei Monaten, vom Tage der Ver­

fügungsentziehung an gerechnet, nicht freigegeben ist. Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Aufbringung gegeben ist; im Ergebnis ist ihm darin wegen des Schiffes und, falls die

144

34.

Abandon.

Seeversicherung.

Aufbringung.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1------------------

Ware an Bord gewesen ist, auch für diese beizutreten, wenngleich die Begründung nicht einwandfrei ist.

Aufbringung, Nehmung und Beschlagnahme in diesem Sinne sind im wesentlichen gleichbedeutend,

Ausdrücke vorzugsweise in bezug auf Güter angewandt.

nach

Wesen

ist

nur werden die beiden ersten

auf Schiffe,

der letzte in bezug

Richtig sagt das Berufungsgericht:

die Aufbringung

gunsten des Nehmerstaats."

„Ihrem

gewaltsame Besitzergreifung zu­

Dies setzt aber die Beschlagnahme als

Prise voraus, d. h. mit der Absicht, den Eigentümer seines Eigentums

zugunsten des Nehmerstaats zu berauben (Arnould, Marine Insurance S. 829).

Scharf davon zu unterscheiden ist die Anhaltung im weiteren

Sinne, bei der die Absicht obwaltet, das Schiff dem Eigentümer zu belassen oder zurückzugeben oder ihn doch wenigstens dafür zu ent­

Die Anhaltung kann eine bloß vorübergehende sein, z. B. zum Zwecke der Durchsuchung, sie kann sich auch auf längere Zeit, schädigen.

z. B. die Dauer des Krieges, erstrecken.

Im letzteren Sinne spricht

das 6. Haager Abkommen von Beschlagnahme unter der Verpflichtung

der Rückgabe nach dem Kriege.

Dies ist aber keine Beschlagnahme,

die der Aufbringung gleichsteht. Geht man hiervon aus, so reichen die eigenen Feststellungen

des Oberlandesgerichts nicht aus, um eine Aufbringung auch nur des Schiffes für gegeben zu erachten.

Die Maßnahmen in Port Said

können allerdings in der Absicht erfolgt sein, das Schiff einem bri­ tischen Kreuzer in die Hände zu spielen und eine Aufbringung auf

See herbeizuführen; ebenso kann die Empfangnahme durch den bri­ tischen Kreuzer und die Überführung nach Alexandrien als Auf­

bringung gemeint gewesen sein.

nicht.

Notwendig ist beides aber an sich

Nimmt man hinzu, daß anscheinend nach dem Spruche des

Prisengerichts (f. Nr. 9) das in Port Said „festgehaltene" (detained)

Schiff für weiter festgehalten erklärt wurde mit Rückgabe bei Kriegs­ schluß — „vessel detained with restoration at the close of the war“ —, so würde man eher auf gegenteilige Absicht schließen dürfen. Indessen muß nach der eigenen, insoweit vom Berufungsgerichte nicht

berücksichtigten Darstellung der Beklagten angenommen werden, daß

die Handlung des Kreuzers doch eine Aufbringung darstellte.

Die

Beklagten erklären nämlich, es sei in diesem Falle ebenso verfahren

worden, wie im Falle des Dampfers Gutenfels, und hier habe das

Prisengericht die seitens der Krone Beantragte Kondemniernng dieses Schiffes abgelehnt, indem es die Behauptung, es läge eine „capture on the high sea“ vor, für eine Sophisterei erklärte. Hieraus ergibt sich klar, daß die britische Regierung bei dem Verfahren der Überführung des Dampfers nach Alexandrien von der Absicht geleitet war, die Einziehung zugunsten des britischen Staates zu betreiben und somit eine Aufbringung zu vollziehen. Auf diese Stellungnahme der Regierung kommt es aber allein bei dieser Frage an und nicht darauf, ob die Aufbringung vom Priesengerichte für gerechtfertigt erachtet ist. Soweit sich zu dieser Zeit die versicherte Ware an Bord des Dampfers befand, ist auch diese ohne weiteres als feindliches Eigentum auf feindlichem Schiffe als mitaufgebracht oder beschlag­ nahmt zu erachten. Damit ist aber der Rechtsstreit nach Lage des Falles, selbst unter der erwähnten Voraussetzung, daß sich die Ware noch an Bord befand, noch nicht zugunsten der Klägerin entschieden. Denn es kommt neben der Aufbringung noch eine weitere policen­ mäßige Bedingung der Zulässigkeit des vertragsmäßigen Abandons in Betracht. Die Kriegsklausel sagt nämlich: „Wenn der versicherte Gegenstand dadurch bedroht ist, daß er von einer kriegführenden Macht aufgebracht wurde und während einer Frist von zwei Monaten nicht freigegeben ist, ist der Ver­ sicherte befugt usw." Diese Raffung läßt deutlich erkennen, daß das Bedrohtsein zur Zeit der Aufbringung nicht genügt, sondern daß es fortbestehen muß, wenn nach Ablauf der zwei Monate der Abandon erklärt wird. Ist es bei letzterer Erklärung wieder beseitigt, so ist die Erklärung wirkungslos. Diese Auslegung entspricht auch dem § 867 HGB., der auf diesen Fall eines vertraglich modifizierten Abandons um so mehr analog anzuwenden ist, als seine Vorschrift nur eine Billigkeitsregel enthält. Ist z. B. die Bedrohung durch ein freisprechendes Erkenntnis des Prisengerichts völlig hinfällig geworden, ohne daß vorher der Abandon erklärt wurde, so hat es keinen Sinn mehr, den Versicherer zu zwingen, die unbeschädigte und ungefährdete versicherte Sache gegen volle Zahlung zu übernehmen. Als unbeschädigt und ungefährdet muß aber die versicherte Sache dann gelten, wenn diejenige Gefahr,

gegen die im Falle der Aufbringung versichert war, aufgehört hat, Tntsch. in BieUf. R. F. 40 (90). 10

ohne daß ein Schaden, für den der Versicherer einzustehen hat, durch die Aufbringung entstanden ist. Beides würde im vorliegenden Falle zutreffen, wenn das Prisengerichtsurteil, das den Dampfer (vermutlich mit der Ladung) als lediglich bis zum Ende des Kriege? zurückzuhalten erklärte, in Rechtskraft erwachsen ist, ohne daß vorher der Abandon erklärt war. Denn unter der Bedrohung durch Auf­ bringung kann im vorliegenden Falle nur die Gefahr der Kondem­ nation verstanden werden, da die Beklagten die Haftung für Kosten der Anhaltung und für Verderb und Verminderung der Güter in­ folge eines durch Kriegsgefahr veranlaßten Aufenthalts ausdrücklich abgelehnt haben. Es kommt daher unter der mehrfach erwähnten Voraussetzung, daß sich die Ware noch an Bord befunden hat, darauf an, wann die Klägerin den Abandon erklärt hat und ob das behauptete fteisprechende Prisengerichtsurteil vorher rechtskräftig geworden ist. Über den Zeit­ punkt der Abandonerklärung steht bisher nichts fest. In der Klage ist nur behauptet, die Beklagten seien vor dem 1. November 1914 vergeblich gemahnt worden. Damals konnte aber nach den in Nr. 9 angegebenen Daten der Abandon noch gar nicht erklärt werden. Schon aus diesen Gründen unterliegt das Urteil der Aufhebung. Mit Recht beschwert sich aber die Revision auch über die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die versicherte Ware aufgebracht worden ist. Das Berufungsgericht selbst rechnet mit der Möglichkeit, daß die Ware sich zur Zeit, als der Dampfer Port Said verließ, nicht mehr an Bord befunden hat. Es meint aber, wenn sie vorher ent­ löscht sei, so könne dies nur unter englischem Zwange geschehen fein, der sich als Aufbringung kennzeichne. Die Vernehmung des Schiffers B. als Zeugen über die Behauptung, daß er freiwillig die Ware in Port Said entlöscht habe, lehnt das Berufungsgericht ab, weil dies ganz unglaubwürdig sei. Diese Begründung ist offenbar von dem vorher dargelegten Rechtsirrtum über das Wesen der Aufbringung als einer Maßnahme zur Eigentumsentziehung beeinflußt und entbehrt außerdem der Schlüssigkeit. An anderer Stelle nimmt das Be­ rufungsgericht selbst an, daß die britische Regierung vielleicht Be­ denken trug, in dem neutralen Port Said feindliche Waren zu beschlag­ nahmen. Es ist auch gar nicht einzusehen, weshalb die Darstellung der Beklagten in ihrem Schriftsätze... von vornherein unglaubhaft

sein soll. Danach soll dem Schiffer freigestellt worden fein, bis zu einem bestimmten Termine Port Said in der Richtung nach dem Mittelmeere zu verlassen und vorher über die Ladung zu verfügen, insbesondere sie zu entlöschen oder in andere Schiffe überzuladen.

Es ist sowohl denkbar, daß die Engländer im Interesse des Kanal­ verkehrs nicht wünschten, daß das deutsche Schiff dauernd in Port Said liegen blieb, als auch, daß sie es, und zwar leer, in Alexandrien

zu haben wünschten, um es selbst für Transporte zu benutzen.

Indem der Schiffer den Termin zum Verlassen des Hafens verstreichen ließ,

kann er sehr wohl, weil er mit einem Zwange bezüglich des Schiffes

zu rechnen hatte, die Ware freiwillig entlöscht haben, um sie zu seiner Verfügung zu behalten; sollte aber auch in dieser Hinsicht

gleichfalls Zwang ausgeübt sein, so braucht darin noch keineswegs eine Beschlagnahme zum Zwecke demnächstiger Einziehung zu liegen.

Jedenfalls konnte die beantragte Zeugenvernehmung des Schiffers

nicht mit dieser Begründung abgelehnt werden."

35.

1. Ist die vom ersten Richter dem beklagten Hypothekenschuldner

bewilligte und demnächst auf die Berufung des Beklagten verlängerte Zahlungsfrist nunmehr von der Verkündung des erstinstanzlichen oder der des BernfungSurteils ab zu rechnen?

2.

Anwendbarkeit der Verordnung vom 8. Juni 1916

Höchstbetragshypotheken.

auf Ist dabei hinsichtlich des Höchstmaßes der

zulässigen Zahlungsfrist

zwischen Kapitalschuld und Zinsschuld zu unterscheiden?

Verordnung über die Geltendmachung von Hypotheken, Grund­ schulden und Rentenschulden vom 8. Juni 1916 (RGBl. S. 454).

V. Zivilsenat.

Urt. v. 14. April 1917 i. S. Bank für Handel u.

Industrie (Kl.) w. Portlandzementwerk (Bekl.). I. II.

Auf

Rep. V. 377/16.

Landgericht Weimar. Oberlandesgericht Jena.

dem Grundbesitze

der Beklagten sind für die Klägerin

wegen aller ihrer Forderungen aus dem Geschäftsverkehr mit der io*

Beklagten Sicherungshypotheken bis zum Höchstbetrage von 550000 jK. eingetragen. Die Klägerin hat das Kreditverhältnis, das viertel­ jährlich kündbar war, am 28. September 1915 für den 31. Dezember 1915 gekündigt. Mit der dinglichen Klage beantragte sie, die Be­ klagte zu verurteilen, 438007,io M bei Vermeidung der Zwangs­ verwaltung ihres Grundbesitzes zu zahlen. Die Beklagte beantragte unter Geltendmachung sachlicher Einwendungen Abweisung der Klage und im Falle der Verurteilung Bewilligung einer Zahlungsfrist von 6 Monaten. Der erste Richter erkannte durch Urteil vom 18. Mai 1916 unter Verwerfung der Einwendungen nach dem Klagantrage, räumte aber der Beklagten eine Zahlungsfrist von 6 Monaten ein. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein, mit dem Antrag, ihr statt einer Zahlungsfrist von 6 Monaten eine solche von einem Jahre zu bestimmen. Der Berufungsrichter änderte durch Urteil vom 8. November 1916 das erstinstanzliche Urteil dahin ab, daß er der Beklagten eine Zahlungsftist bis zum 18. Mai 1917 gewährte. Beide Parteien legten Revision ein. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin wurde das Be­ rufungsurteil in Höhe von 50809,56 Jl aufgehoben und insoweit die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Im übrigen wurde auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Aus den Gründen: .. .„Der erste Richter hatte auf Grund der zur Zeit der Er­ lassung seines Urteils geltenden Verordnung, betreffend die Bewilli­ gung von Zahlungsfristen bei Hypotheken und Grundschulden, vom 20. Mai 1915 die nach § 1 VO. für die Kapitalschuld aus einer Hypothek höchst zulässige Zahlungsfrist von 6 Monaten der Be­ klagten eingeräumt. Mit der Berufung hiergegen hatte die Beklagte begehrt, ihr statt einer Zahlungsfrist von 6 Monaten eine solche von einem Jahre zu bestimmen. Der Berufungsrichter hat auf Grund der inzwischen in Kraft getretenen Verordnung über die Geltendmachuug von Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden vom 8. Juni 1916 durch sein am 8. November 1916 verkündetes Urteil der Beklagten eine Zahlungsfrist bis zum 18. Mai 1917 be­ willigt. Danach hat der Berufungsrichter, da das erstinstanzliche Urteil am 18. Mai 1916 verkündet worden ist, die für angemessen erachtete, nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der zuletzt genannten Verordnung

bei Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf das Kapital einer Hypo­

thek höchst zulässige Frist von einem Jahre vom Tage der Ver­

kündung des erstinstanzlichen Urteils

ab gerechnet.

Die Revision

der Beklagten will mit dem Anträge, die bewilligte Zahlungsfrist bis zum 8. November 1917 zu erstrecken, die höchst zulässige Frist

von einem Jahre vom Tage der Verkündung des Berufungsurteils ab gerechnet wissen.

Sie meint, das höhere Gericht habe die für

die Fristbewilligung in Betracht kommenden Verhältnisse, wie sie bei

der vor ihm stattfindenden Schlußverhandlung lägen, maßgebend zu beurteilen und könne deshalb nicht an eine von der Verkündung

des erstinstanzlichen Urteils laufende Frist gebunden sein.

Dieser

Meinung kann nicht beigetreten werden. Nach § 2 Abs. 2 VO. beginnt die Zahlungsfrist, wenn sie vom Prozeßgerichte-(8 1 Abs. 1) bewilligt wird, mit der „Verkündung des

Urteils".

zum

Unter diesem Urteile mag allerdings, wenn der Beklagte

erstenmal

in

der

Berufungsinstanz

die

Bestimmung

einer

Zahlungsfrist beantragt und der Berufungsrichter in seinem Urteile dem Anträge stattgibt, das Berufungsurteil zu verstehen sein mit Rücksicht darauf, daß erst durch dieses vom Berufungsrichter erlassene

Urteil eine Frist bewilligt wird und auch das in der höheren In­

stanz entscheidende Gericht als Prozeßgericht im Sinne des § 1 Abs. 1

zu erachten ist.

vor

Wenn aber bereits der erste Richter auf den schon

ihm vom Beklagten gestellten Antrag eine Zahlungsfrist in

seinem Urteile bestimmt, der Beklagte mit der Berufung gegen dieses

Urteil die Verlängerung der Frist begehrt hat und vom Berufungs­ gerichte die Frist verlängert wird, so muß die verlängerte Frist als bereits mit der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils begonnen gelten. Denn in einem solchen Falle hat das Berufungsgericht über die Zahlungsfrist innerhalb der durch den Berufungsantrag gezogenen

Schranke so zu entscheiden, wie wenn der Antrag auf Fristgewährung vor ihm als Prozeßgericht erster Instanz gestellt worden wäre (vgl. §§ 525, 536, 537 ZPO.), und es tritt seine Entscheidung, soweit sie die Frist verlängert, an die Stelle der des erstinstanzlichen Urteils.

Im vorliegenden Falle hatte der erste Richter sogar die für Hypotheken-Kapitalschulden nach § 1 VO. vom 20. Mai 1915 höchst zu­ lässige Zahlungsfrist von 6 Monaten der Beklagten bereits bewilligt.

Eine weitere Erstreckung der Frist durch Einlegung der Berufung

zu verfolgen, war für die Beklagte eine Möglichkeit nur dadurch ge­ boten worden, daß durch § 2 Abs. 1 Satz 1 der inzwischen in Kraft getretenen Verordnung vom 8. Juni 1916 das Höchstmaß der zu­ lässigen Frist von 6 Monaten auf ein Jahr erweitert worden war. Wurde auf die Berufung der Beklagten diese erweiterte Frist bis zum Höchstmaße vom Berufungsrichter bewilligt, so war für sie, ebenso wie nach § 1 VO. vom 20. Mai 1915 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 VO. über die gerichtliche Bewilligung von Zahlungsfristen vom 7. August 1914 für die vom ersten Richter bewilligte kürzere Frist, gemäß § 2 Abs. 2 VO. vom 8. Juni 1916 die Verkündung des erst­ instanzlichen Urteils, dessen Entscheidung über die Zahlungsfrist durch die des Berufungsurteils nur ersetzt wurde, der Zeitpunkt des Beginns. Eine einjährige Frist mit der Bestimmung zu bewilligen, daß sie erst mit der Verkündung des Berufungsurteils beginnen solle, war der BerufungSrichter gar nicht befugt. Danach ist die Revision der Beklagten unbegründet. Die Revision der Klägerin stellt zunächst zur Nachprüfung, ob Höchstbetragshypotheken unter die Verordnung vom 8. Juni 1916 fallen. Mit Recht aber hat der BerufungSrichter dies bejaht. Die Verordnung läßt im § 1 allgemein in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über „Ansprüche aus einer Hypothek" die Bewilligung einer Zah­ lungsfrist unter den dort bestimmten Voraussetzungen zu und enthält keine Beschränkung auf eine der mehreren Hypothekenarten oder eine ihre Anwendbarkeit auf die eine oder die andere Hypothekenart aus­ schließende Bestimmung. Es wäre auch nicht ersichtlich, weshalb hin­ sichtlich der Zulassung der Gewährung einer Zahlungsfrist ein Unter­ schied zwischen der Verkehrshypothek (§ 1113), der Sicherungshypothek (§ 1184) und der Höchstbetragshypothek (§ 1190 BGB.) gemacht werden sollte. Alle diese Hypotheken sind Grundstücksbelastungen in der Weise, daß eine Geldsumme zur Befriedigung wegen einer dem Berechtigten zustehenden Forderung aus dem Grundstücke zu zahlen ist, und hinsichtlich der Forderung, von deren Bestehen die Geltendmachung des Rechtes des Gläubigers aus den Hypotheken abhängig ist, besteht nur der Unterschied, daß für die Verkehrs­ hypothek nach § 1138 BGB. der öffentliche Glaube des Grundbuchs auch in Ansehung der Forderung gilt, während bei der Sicherungs­ hypothek der Gläubiger sich zum Beweise der Forderung nicht auf

die Eintragung berufen kann und bei der Höchstbetragssicherungs­ hypothek weiter nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück

haften soll,

bestimmt, im übrigen die Feststellung der Forderung

vorbehalten ist.

Der dingliche Anspruch aus jeder der Hypotheken­

arten ist sonach auf Befriedigung wegen einer bestehenden Forderung

aus dem Grundstücke gerichtet, die nach § 1147 BGB. im Wege der daher trifft auch der Zweck der

Zwangsvollstreckung erfolgt, und Verordnung,

dem Grundbesitz

in

dem

bestimmten Maße Schutz

gegen Zwangsvollstreckungen zu gewähren, auf jede der Hypotheken­ arten in gleicher Weise zu. ...

Weiter wendet die Revision der Klägerin sich dagegen, daß der Berufungsrichter die einjährige Zahlungsfrist für die ganzen durch

die Sicherungshypotheken zum Höchstbetrage von 550000 Jl gesicherten

438OO7,io Jt bewilligt hat.

Nach § 2 Abs. 1

Satz 1 VO. vom

8. Juni 1916 kann die Zahlungsfrist für Zinsen und andere Neben­

leistungen nur bis zu 6 Monaten bemessen werden.

Die Revision

macht geltend, es müsse danach, wenn man auch die Verordnung aus die Höchstbetragshypothek für anwendbar erachtete, doch jedenfalls auch

bei ihr zwischen Kapital und Zinsen geschieden werden; andernfalls würde der Gläubiger bei der Höchstbetragshypothek schlechter gestellt sein, als bei der gewöhnlichen Hypothek.

Zum mindesten müßten

diejenigen Zinsen als solche anerkannt und behandelt werden, welche

seit dem Ablaufe des letzten Vierteljahrs aufgelaufen seien, in dem die letzte Kreditgewährung erfolgt sei, hier also die Zinsen seit

1. Januar 1915.

Seit diesem Zeitpunkte handle es sich wirtschaftlich wie

rechtlich um reine Zinsen, wenn sie auch infolge der vierteljährlichen Saldofeststellung buchmäßig zum Kapital geschlagen worden seien. Der Berufungsrichter

erklärt,

bei der Höchstbetragshypothek

seien die Zinsen zum Kapital der Hypothek zu rechnen.

Im § 1190

Abs. 2 BGB. werde für die Höchstbctragshypothek die Einrechnung der Zinsen in den Höchstbetrag ausdrücklich ausgesprochen. Der Höchstbetrag begreife die Forderung samt Nebenleistungen in sich, diese würden in Ansehung der dinglichen Haftung zur Kapitalforde­ rung gerechnet.

Das Gesetz erkenne ein Kapital an, das sich durch

Zinsenzuwachs vergrößern, durch Abzahlungen abnehmen, durch neue

Kreditgewährung und Zinsen wieder wachsen könne usw.

An dieser

Grundauffassung sei auch bei einer dinglichen Klage im Rahmen der

Verordnung vom 8. Juni 1916 festzuhalten. Der Gläubiger einer Höchstbetragshypothek müsse sich auch in Ansehung der Frist­ bewilligung die Zurechnung der Zinsen zur Kapitalforderung ge­ fallen lassen. Dieser Ansicht ist nicht beizutreten. Der eingetragene Höchst­ betrag, bis zu dem das Grundstück haften soll, hat für den ding­ lichen Anspruch aus der Höchstbetragshypothek nur insofern Be­ deutung, als durch ihn der Höchstumfang bestimmt wird, bis zu dem der Anspruch gegeben sein kann. Inwieweit innerhalb dieses mög­ lichen Höchstumfanges tatsächlich ein Anspruch aus der Hypothek be­ steht, bestimmt sich nach der Höhe der Forderung, die durch die Hy­ pothek gesichert wird. Nach § 1115 Abs. 1 BGB. müssen bei der Eintragung der Hypothek der Geldbetrag der Forderung und, wenn die Forderung verzinslich ist, der Zinssatz im Grundbuch angegeben werden, damit aus dem Grundbuche selbst der Umfang der Haftung des Grundstücks für Forderung und Zinsen ersichtlich ist. Der Geldbetrag der Forderung bildet das Kapital der Hypothek, die Zinsen der Forderung sind zugleich Zinsen der Hypothek. Auf die Höchstbetragshypothek findet die Vorschrift keine Anwendung, weil es nach § 1190 Abs. 1 BGB. zu ihrem Wesen gehört, daß nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück haften soll, bestimmt, im übrigen die Feststellung der Forderung Vorbehalten wird. Aber auch bei der Höchstbetragshypothek wird, wie sich aus § 1190 Abs. 2 ergibt, zwischen der Forderung und den Zinsen von der Forderung unterschieden. Die Forderung, die demnächst als bestehend und unter die Sicherung durch die Hypothek fallend festgestellt wird, bildet auch hier das Kapital der zu Recht bestehenden Hypothek, gleichviel ob der Betrag der Forderung den Haftungs-Höchstbetrag erreicht oder unter diesem bleibt, und, wenn die Forderung verzinslich ist, sind auch hier die Zinsen zugleich Zinsen der Hypothek. Dadurch, daß nach § 1190 Abs. 2 BGB. die Zinsen der Forderung in den Höchstbetrag einzurechnen sind, ist ihnen nicht vom Gesetz in Ansehung der Höchst­ betragshypothek die Eigenschaft der Hauptforderung beigelegt, viel­ mehr sind sie trotz der Vorschrift Zinsen, Nebenleistungen» wie auch die Vorschrift selbst sie als Zinsen bezeichnet. In den Motiven zum I. Entw. (Bd. III. S. 767) wird als Grund für die Vorschrift an­ gegeben: „Wollte man den Vorbehalt der Feststellung auf das Ka-

pital der Forderung beschränken und daneben das Grundstück noch für Zinsen hasten lassen, so würde die Haftung des Grundstücks für die Forderung bezüglich deren Höhe der Bestimmtheit ermangeln und folglich die Eintragung des Höchstbetrags ihren Zweck nur unvoll­ kommen erreichen". Demnach sind auch bei einer Höchstbetragshypothek Zinsen der festgestellten Forderung nicht ein Teil des Kapi­ tals der Hypothek, sondern Zinsen der Hypothek. Deshalb kann in Rechtsstreiligkeiten über Zinsansprüche aus einer Höchstbetragshypo­ thek, die neben dem aus der Hauptforderung sich ergebenden Kapital der Hypothek geltend gemacht werden, nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VO. vom 8. Juni 1916 die Zahlungsfrist nicht, wie für das Kapital, bis zu einem Jahre, sondern nur bis zu 6 Monaten bemessen werden. Im vorliegenden Falle hat aber die Klägerin in der Berufungs­ instanz behauptet, in dem Betrage, den ihr die Beklagte aus dem Kreditverhältnis schulde, seien 50809,56 M an Zinsen enthalten, und sie hat gegenüber der Berufung der Beklagten, deren völlige Zurück­ weisung sie in erster Linie beantragte, in zweiter Linie ausgeführt, für diesen Betrag sei eine Fristbewilligung über 6 Monate keinesfalls zulässig. Der Berufungsrichter hätte daher in Erörterung ziehen müssen, inwieweit die Klagesumme Hauptforderungen und inwieweit sie Zinsansprüche der Klägerin umfaßte. Nur in Höhe der Haupt­ forderungen war die Bewilligung einer Zahlungsfrist von einem Jahre zulässig. Daß die Sonderung der Zinsen von den Forde­ rungen Schwierigkeiten bereiten kann, vermag nicht, wie der Berufungs­ richter meint, zu der Annahme zu führen, daß im Sinne der Verordnung vom 8. Juni 1916 bei der Höchstbetragshypothek die Zinsen zum Kapital der Hypothek zu rechnen sind. Wenn die Verordnung hin­ sichtlich des Höchstmaßes der zulässigen Frist zwischen Kapital der Hypothek und Zinsen der Hypothek allgemein unterscheidet, so muß angenommen werden, daß sie auch bei der Höchstbetragshypothek mit den Worten „Kapital der Hypothek" und „Zinsen" den aus dem Gesetze sich ergebenden Begriff verbindet. Der Berufungsrichter be­ merkt zwar, die schuldumwandelnde Kraft der Saldoanerkennung habe die Zurechnung der Zinsen zum Kapital innerhalb kürzerer Fristen zur Folge. Aber nicht durch jede Saldoanerkennung werden die in dem Saldo enthaltenen Zinsen zu Kapitalforderungen um­ gewandelt. Daß ein Kontokurrentverhältnis im Sinne des § 355

HGB. zwischen den Parteien bestanden habe, daß insbesondere aus der Geschäftsverbindung beiderseitige Ansprüche entsprungen und die Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in regelmäßigen Zeitabschnitten

durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen worden seien

(vgl. Jur. Wochenschr. 1902 S. 97

Nr. 34,

1904 S. 151 Nr. 27), ist nicht dargelegt.

1903 Beil. S. 35,

Anscheinend hat nur die

Klägerin über ihre Ansprüche ans Kreditgewährungen und über die

Tilgungsleistungen

der

Beklagten

fortlaufende

Rechnungen

auf­

gestellt." ... 36.

Kann der Eisenbahnunternehmer für Frachten, die er zur Wieder­

herstellung der infolge bergbaulicher Einwirkungen gesunkenen Bahn­

gleise hat ansführen müssen, Vergütung nach

Maßgabe der Tarif­

sätze beanspruchen? Allgemeines Berggesetz für die Preuß. Staaten vom 24. Juni 1865

(GS. S. 705) § 148. BGB. § 249.

V. Zivilsenat.

Urt. v. 14. April 1917 i. S. Gewerkschaft Zollverein

(Bekl.) w. Eisenbahnfiskus (Kl.). Rep. V. 26/17. I. II.

Auf

Landgericht Esten. Oberlandesgericht Hamm.

der Bahnstrecke Altenessen-Gelsenkirchen

senkungen festgestellt.

wurden Boden­

Der Kläger ließ den Bahnkörper wieder her­

stellen und verlangte dann aus § 249 BGB. Kostenersatz.

Die Be­

klagte erkannte ihre Ersatzpflicht an sich an, bemängelte aber die Höhe

der in Rechnung gestellten Transportkosten.

Das Berufungsurteil,

das der Klage stattgegeben hatte, ist aufgehoben worden aus folgenden Gründen: „Für den durch ihren Bergwerksbetrieb verursachten Schaden

hat die Beklagte nach § 148 BergG. vollständige Entschädigung zu leisten. Über die Art und den Umfang der Entschädigung findet mangels besonderer berggesetzlicher Vorschriften der § 249 BGB.

Anwendung, der bestimmt: Wer Schadensersatz zu leisten hat, ist den Zustand herzustellen verpflichtet, der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende

Umstand nicht eingetreten wäre.

Ist Schadensersatz wegen Be­

schädigung ... einer Sache zu leisten, so kann der Gläubiger statt

der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Die zur Herstellung erforderlichen Transporte hat der Kläger durch seine Angestellten und Arbeiter unter Gestellung der nötigen Maschinen, Wagen und Gerätschaften ausführen lassen, und den Ersatz hierfür

beansprucht

er

in der vollen Höhe der tarifmäßigen Frachtsätze.

Richtig ist nun, daß der § 249 BGB., wenn er von dem Ersätze

des zur Herstellung „erforderlichen" Geldbetrags spricht, damit einen

objektiven Maßstab anlegt.

Besondere Umstände,

die gerade dem

Beschädigten die Herstellung auf dem gewöhnlichen Wege erleichtern oder erschweren können, haben auszuscheiden.

Dem Gläubiger sind

nicht die tatsächlich verauslagten Kosten zu ersetzen, sondern die zur Herstellung erforderlichen Kosten, und dies ist der Geldbetrag, der

für die Herstellungsarbeiten im Verkehr

regelmäßig gefordert und

bewilligt wird. Daß in diesem Sinne der § 249 Satz 2 zu ver­ stehen ist, entspricht -der in der Rechtslehre herrschenden Ansicht und auch — RGZ. Bd. 71 S. 215 — der Rechtsprechung des Reichs­

gerichts.

Indessen reichen die getroffenen Feststellungen

auch bei

dieser dem Kläger günstigen Gesetzesauslegung nicht aus, den Klag­

anspruch als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Wenn es sich darum handelt, den gesunkenen Bahnkörper wieder zu heben, wird der Fachmann regelmäßig der Eisenbahnunternehmer

selbst sein, er wird vor allem auch über das erforderliche Personal

und Material verfügen, und er wird, schon um Betriebsstörungen und Betriebsgefahren fernzuhalten, stets in der Lage bleiben müssen,

nach Zeit und Ort über die Ausführung der Arbeiten nach eigenem Ermessen zu befinden.

Jedenfalls ist für die Revisionsinstanz nicht

zu unterstellen, daß Arbeiten wie die Hebung von Eisenbahnanlagen

regelmäßig an fremde Unternehmer, die sich dann der Eisenbahn als Frachtführers bedienen müssen, verdungen zu werden pflegen, vielviehr

ist

mangels entgegenstehender Feststellungen davon aus­

zugehen, der sachgemäße und auch der verkehrsübliche Weg werde

sein, daß die Eisenbahn selbst die Arbeiten aussühren läßt. Dann aber müssen auch bei Anwendung der objektiven Berechnungsart die

Tarifsätze für die Kostenberechnung außer Betracht bleiben.

Der

Eisenbahnunternehmer, der selbst die Ausbesserung besorgt und damit

wegen seiner Herstellungsanspruchs sich selbst befriedigt (RGZ. a. a. £>.), besorgt auch die Transporte für sich, und die tarifmäßigen Fracht­ sätze, die nach der getroffenen Feststellung im vorliegenden Falle die

Selbstkosten um 40 vom Hundert übersteigen, erwachsen

Kosten nicht.

ihm als

Der zu ersetzende Herstellungspreis würde nicht der

im Verkehr übliche Preis sein, wenn er auf der Grundlage von Verhältnissen bemessen würde,

unter denen tatsächlich int Verkehr

die Herstellung sich nicht zu vollziehen pflegt.

Ist es die Regel,

daß der Eisenbahnunternehmer selbst die beschädigten Anlagen her­ stellt, so haben als übliche Frachtkosten nur die Selbstkosten zu gelten,

in der Höhe, wie sie unter den gegebenen Verhältnissen jeder Inhaber

eines

solchen Unternehmens

hätte aufwenden müssen.

Zu dieser

Rechtsauffassung stellt sich das Berufungsgericht durchweg in Gegen­ satz, und deshalb

war die Aufhebung des Urteils geboten.

Der

geltend gemachte Anspruch ist nicht der Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 250 Satz 2, 251, 253, sondern der Herstellungsanspruch in der Form einer Geldzahlung zum Ersätze der Kosten, die dem Gläubiger dadurch, daß er sich selbst befriedigt hat, erwachsen sind. In Frage steht auch nicht, wie anscheinend das Berufungsgericht

annimmt,

die Gewährung einer angemessenen Vergütung für die

Leistung „organisierter Arbeit"; unter diesem Gesichtspunkte hat auch der Kläger selbst seinen Anspruch gar nicht zu begründen versucht. Das Berufungsgericht wird über den Klaganspruch seinem ganzen

Umfange nach erneut zu befinden haben.

Den Anspruch der Höhe

nach festzustellen, unterliegt nach § 287 ZPO. dem freien richter­ lichen Ermessen; entsprechend der bereits in dem Urteile des er­

kennenden

Senats

16. September

in

1914

der

Sache

Fiskus

wider

Dorstfeld

vom

— V. 128/14 — zum Ausdruck gelangten

Rechtsauffassung wird aber daran festzuhalten sein, daß der Anspruch aus § 249 Satz 2 BGB. nicht auch den Anspruch auf einen sog.

Unternehmergewinn umfaßt.

Anderseits werden die Herstellungskosten

entsprechend höher zu bemessen sein, soweit sich ergeben sollte, daß

die Herstellung regelmäßig auch für den Eisenbahnunternehmer im

Interesse der vollständigen Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes und zur Vermeidung von Einnahmeausfällen mit gesteigerten Schwierigkeiten

und Hemmungen verbunden ist."

37. Wer ist Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 18 des Kraftfahrzeuggesetzes? VI. Zivilsenat. Urt. v. 16. April 1917 i. S. D. (Kl.) w. A.-K. Eisenbahngesellschaft (Bekl.). Rep. VI. 41/17. I. II.

Landgericht Altona. Oberlandesgericht Kiel.

Am Abend des 6. Januar 1915 stieß eine dem Kraftdroschken­ besitzer L. gehörige Kraftdroschke, auf der sich der Kläger befand, in E. an einer Kreuzung der A... .-P. Landstraße mit der Bahn­ linie der Beklagten gegen die Bahnschranke und sodann gegen einen die Kreuzung durchfahrenden Eisenbahnzug. Die Kraftdroschke wurde zertrümmert, der Kläger, der eigentlich als von L. bestellter Kraft­ wagenführer die Droschke zu leiten hatte, kurz vor dem Unfall aber die Lenkung des Wagens an den ebenfalls in L.s Diensten stehenden Kraftwagenführer W. auf dessen Ersuchen abgegeben und neben diesem auf dem Führersitze Platz genommen hatte, wurde schwer verletzt. Er nimmt auf Ersatz seines Schadens aus dem Unfälle die Beklagte in Anspruch, die er zur Zahlung von Erwerbs Verlust für die Ver­ gangenheit und einer Rente für die Zukunft sowie von Schmerzens­ geld zu verurteilen beantragt hat. Das Landgericht wies die Klage ab, die Berufung des Klägers wurde vom Oberlandesgerichte zurückgewiesen. Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurück­ verwiesen aus folgenden Gründen: „ Während das Landgericht zur Abweisung der Klage ge­ langte, weil es gegenüber der von der Beklagten nach § 1 RHaftpflG. zu vertretenden Betriebsgefahr der Eisenbahn ein diese weit über­ wiegendes Verschulden des Klägers D. annahm, das seinen Anspruch hinfällig mache, wendet das Berufungsgericht auf den Klaganspruch die §§17 und 18 KFG. an, indem es den Kläger D. sowohl wie den Kraftwagenführer W. als Führer des Kraftfahrzeugs erachtet, dessen Betriebsgefahr vorwiegend den Unfall verursacht habe. ... Die Revision, die sich auf die Abweisung der vom Kläger aus dem Reichshaftpflichtgesetz erhobenen Ansprüche beschränkt, war für

begründet zu erachten....

Zu Unrecht hat nach der festgestellten

Sachlage das Berufungsgericht den Kläger als den Führer des Kraft­

wagens, dessen Zusammenstoß mit dem Eisenbahnzuge den Unfall herdeiführte, erachtet und deshalb den § 18 Abs. 3 in Verbindung mit § 17 KFG. seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

Wer nach § 18 Abs. 3 KFG.

ist,

anzusehen

zeugs

stimmung.

einem

Dritten

Unfälle

ergibt

aus

sich

des

Kraftfahr­

Sinn und Zweck der Be­

dem Verletzten sowie anderen bei

gegenüber,

Beteiligten,

Führer

als

kommt

es

nicht

an,

darauf

welche

Person zum Führer des Kraftwagens, durch dessen Betrieb ein Unfall

verursacht wurde, bestellt war und den Wagen hätte leiten sollen. Nicht die mit der Führung betraute Person, die aber tatsächlich bei

der Unfallsfahrt

diese Tätigkeit nicht ausgeübt hat,

sondern die

Person, die in Wirklichkeit die Maschine des Kraftwagens gehandhabt

und den Wagen gelenkt hat, ist als Führer anzusprechen und den Personen verantwortlich,

kommen sind.

die durch die Führung zu Schaden

ge­

Der Kläger mag seinem Dienstherrn L. gegenüber

für den Unfall einzustehen haben, wenn er dem erhaltenen Dienst­

auftrage zuwider einem anderen die Führung des Kraftwagens über­ lassen und dieser

jenen Unfall

des

Kraftwagens

den

Betrieb

verursacht hat; für einen durch Dritten zugefügten Schaden und

für das Verhältnis der mehreren im Sinne des § 17

der Herbeiführung

KFG. bei

eines Kraftfahrzeugunfalls beteiligten Personen

und Unternehmer ist Führer nur der, der im Zeitpunkte des Un­ falls die Führung des

Kraftfahrzeugs

gehandhabt

hat,

im

ge­

gebenen Falle also nicht der Kläger D., sondern der Kraftwagen­

führer W.

Es bedarf im gegebenen Falle nicht der Entscheidung,

ob unter allen Umständen nur eine Person als Führer eines Kraft­

fahrzeugs angesprochen werden kann, wie in den wissenschaftlichen Erläuterungen zu dem in Rede stehenden Gesetz ausgeführt worden ist. Denn von einer Mehrheit von Führern könnte nur daun die Rede sein, wenn eine Teilung der Lenkungstätigkeiten stattgehabt hat; eine solche Teilung ist praktisch kaum ausführbar und jedenfalls ist

sie für den gegebenen Fall nicht festgestellt. Das Berufungsgericht erkennt an, daß regelmäßig Führer des

Kraftwagens derjenige sei, der das Fahrzeug lenkt und dessen maschi­

nelle Einrichtungen

bedient.

Es

ist

dem Berufungsgericht

auch

darin beizutreten, daß ausnahmsweise ein anderer als diese Person als Führer anzusehen ist, dann nämlich, wenn jemand im Fahren

von Kraftfahrzeugen ausgebildet wird und unter der Aufsicht der Lehrperson die maschinellen Einrichtungen handhabt; hier ist in der

Tat die letztere der Kraftwagenführer, weil ihr tatsächlich die Ver­

fügung über die Maschine und ebenso die Herrschaftsgewalt über den Lernenden zusteht, der ihren Weisungen zu gehorchen hat und lediglich als ihr Werkzeug handelt. Ob die Abzweigung der Bedienung der Hupe von der Handhabung der sonstigen Betriebseinrich­ tungen des Fahrzeugs genügen kann, um neben dem Lenker, der Steuer und Bremse führt, die Person, die die Hupenzeichen ertönen

läßt, als Führer erscheinen zu lassen, mag dahingestellt bleiben;

denn dieser Fall liegt nicht vor.

Die Aussage des Klägers D.,

wonach er sich als verantwortlich für die Wagenführung angesehen hat, vermag die Annahme, daß er als Kraftwagenführer den Wagen

gelenkt habe, nicht zu stützen.

Denn diese Aussage ergibt gerade,

daß er sich als den Führer nicht angesehen hat, indem er sagt, er habe sich verantwortlich gefühlt und aufgepaßt, als ob er selbst ge­ fahren hätte.

Verantwortlich war ja der Kläger auch für die Fahrt,

nämlich seinem Dienstherrn L. gegenüber; ob auch seinen Fahrgästen gegenüber, wie das Berufungsgericht annimmt, muß mit Grund be­

zweifelt werden, denn den Beförderungsvertrag mit diesen schloß der Kläger nicht für sich, sondern im Namen und für Rechnung seines W., der zur Zeit des Unfalls tatsächlich das

Dienstherrn L. ab.

Fahrzeug lenkte und die Betriebseinrichtungen handhabte, war nun

geprüfter Kraftwagenführer gleich dem Kläger und ebenso wie dieser als Kraftwagenführer im Dienste des L. angestellt. Eine Herrschafts­ stellung ihm gegenüber, wie sie in dem vom Berufungsgericht ange-

zogenen Beispiele der Lehrfahrer gegenüber dem Fahrschüler ausübt, war

deshalb

durch

seine Stellung

ausgeschlossen;

er

war nicht

lediglich Werkzeug des Klägers D., wie denn auch das Berufungs­ gericht ihn als Führer der Kraftwagens neben dem Kläger ansieht.

Mochte sich auch der Kläger innerlich vorbehalten haben, erforder­ lichenfalls einzugreifen und die Führung wieder an sich zu nehmen,

wie das Berufungsgericht weiter annimmt, so war doch, solange er nicht diesem Vorbehalt entsprechend handelte, in Wirklichkeit nur W., nicht

aber

auch

daneben

der

Kläger

der Führer

des

Unfalls-

fahrzeugs.

Eines besonderen Übertragungsaktes hinsichtlich der Herr­

schaft über daSFahrzeug aber bedurfte eS nicht; "verließ der Kläger demW. die Führungstätigkeiten, so hat er damit, solange diese Überlassung an­

dauerte, die tatsächliche Herrschaft über das Fahrzeug übertragen.

Die

Annahme des Berufungsgerichts ist deshalb rechtlich nicht haltbar. Der Kläger D. hatte nur diejenige Stellung neben SS., wie sie auch dem auf dem Kraftfahrzeuge mitfahrenden Kraftwagenbesitzrr zugeschrieben wird, der neben dem Führer verantwortlich sein kann, wenn er die Gefahr und die fehlerhafte Handlungsweise des Führers erkennt und in der Lage ist, einzugreifen und die Gefahr abzuwenden (vgl. Warneyer Rechtspr. 1909 Nr. 355, 1913 Nr. 209, 1911 Nr. 30, 1915 Nr. 19). Die für ihn daraus sich ergebmde Verpflichtung kann aber nur als eigenes Verschulden nach § 1 RHaftpflG. in Verbindung mit § 254 BGB. bewertet werden. Diese Bestimmungen sind im vorliegenden Falle allein maßgebend; die §§ 17, 18 KFG., die die beiderseitigen Betriebsgefahren der Eisenbahn und des Kraft­ fahrzeugs in ihrem Verursachungsverhältnis zum Unfall auch schon gegenständlich zur Grundlage der Festsetzung der Schadensersatzver­ pflichtung und ihres Umfanges machen, haben außer Anwendung zu bleiben." ...

38.

Zur Schadensersatzforderung des Käufers wegen Lieferungs­

verzugs.

Konkrete Schadensberechuung.

II. Zivilsenat. Urt. v. 17. April 1917 t S. H. u. Gen. (Bekl.) w. Stadtgemeinde G. (Kl.). Rep. II. 564/16. I. II

Landgericht III Berlin. Kammergericht daselbst.

Im März 1915 kaufte die Stadtgemeinde G. von den Beklagten 200 Zentner prima garantiert reines Schweineschmalz zum Preise von 120 Jt für den Zentner, lieferbar in dm Monaten Mai und Juni 1915. Da die Beklagten zur bedungenm Zeit nicht lieferten und eine ordnungs­ mäßig gesetzte Nachfrist verstreichen ließen, deckte die Käuferin sich bei der Zentral-EinkaufS-Gesellschaft in Berlin em. Die ihr dadurch erwachsenm Mehrkosten von 10396,45 JH verlangt sie mit der Klage ersetzt.

Nr.

Seite

17. Auskunft einer Oberzolldirektion über die Stempelpflichügkeit einer in Zukunft zu errichtenden Urkunde für den Fiskus bindend? — Zur Aus­ legung der Befreiungsvorschrift RStempG. Tarifnr. 1A a, b, c Nr. 2. 73 18. Nachträgliche Beeidigung eines unbeeidigt zu vernehmenden Zeugen . 81 19. Wann entsteht der Rückgriffsanspruch einer Partei gegen ihren Rechts­ anwalt, der eine Forderung verjähren ließ?.....................................................82 20. Wahrung der einjährigen Frist der §§ 41 und 42 KO. durch eine wegen eines Mangels der Zustellung an sich unwirksame, aber mit rückwirkender Kraft geheilte Klageerhebung?.....................................................86 21. Verwendung einer Firma in abgekürzter Gestalt zur Warenbezeichnung. 88 22. Wann ist eine von dem Erben, insbesondere von dem Borerben ein­ gegangene Verbindlichkeit als Nachlaßverbindlichkeit anzusehen? . . 91 23. Zur Auslegung des Wettbewerbsverbots in Kartellverträgen ... 98 24. Zu der Frage, unter welchen Umständen eine nur zeitweilige Behin­ derung der Leistung zur gänzlichen Befreiung des Schuldners führt . 102 25. Wie verhalten sich die Talbestandsmerkmale des § 826 BGB. zuein­ ander? ...................................................................................................................... 106 26. Findet auf eine Urkunde, in welcher die Gültigkeit des Geschäfts von der Genehmigung eines Dritten abhängig gemacht ist, § 3 Abs. 2 oder 8 16 Abs. 3 pr. StempStG. vom 30. Juni 1909 Anwendung? . . 110 27. Voraussetzung der Wegunterhaltungspflicht iit § 6 Abs. 2 TelWG. vom 18. Dezbr. 1899. — „Überwiegende Beteiligung" (Darlehens­ gewährung) ......................................................................... 114 28. Telegraphenwege - Gesetz. Einheitlichkeit der Anlage von elektrischen Vorortbahnen, wenn die Bahnen streckenweise auf eigenem Bahnkörper verlaufen . .................................................................... ... 119 29. „Überwiegende Beteiligung" i. S. von § 6 Abs. 2 TelWG. in der Form einer Bürgschaftsleistung? Entscheidender Zeitpunkt der Beteiligung . 121 80. Darf die aus Verwertung österreichischen Grundbesitzes emstanoene Geldforderung deS inländischen Gemeinschuldners zur inländischen Kon­ kursmasse gezogen werden? Einwendung der deutschen Konkursordnung auf eine ausländische Forderung dieses'Gemeinschuldners, wenn im Jnlande geleistet wird?. . ...............................................................................124 31. Auftragwldrige Handlungen des Beauftragten. — Bedeutung allge­ meiner Weisungen des Auftraggebers über die Verwendung einge­ nommener Geldbeträge . . .'.........................................................................129 32. Handelssitte über Bestätigungsschreiben für die von dem bevollmäch­ tigten Vertreter eines Handlüngshauses auf der Reise abgeschlossenen Geschäfte.......................................................................................... . . 136 33. Sind die Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung auch im Bereiche des Kunstschutzgesetzes anzuwenden? — Auskunftspflicht nach § 260 BGB.?..................................................................................................... 137 34. Kann die Aufbringung, auch abgesehen von dem Abandonreckte, den Versicherungsanspruch auslösen? Begriff der Aufbringung. Bedroht­ sein im Sinne von § 861 Abs. 1 Nr 2 HGB............................................... 140 35. Ist die vom ersten Richter dem beklagten Hypothekenschuldner bewilligte und demnächst auf dessen Berufung verlängerte Zahlungsfrist vom erstinstanzlichen oder Berufungsurteil ab zu rechnen? — Anwendbar­ keit der Verordnung vom 8 Juni 1916 auf Höchstbetragshypotheken. 147 36. Kann in Preußen der Eisenbahnunternehmer für Frachten, die er zur Wiederherstellung der infolge bergbaulicher Einwirkungen gesunkenen Bahngleise hat aussühren müssen, Vergütung nach Maßgabe der Tarif­ sätze beanspruchen?............................................................................................... 154 37. Wer ist Führer des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 18 des Krastsahrzeuggesetzes? . . .................................................................................... 157 38. Zur Schadensersatzforderung des Käufers wegen Lieferungsverzugs. Konkrete Schadensberechnung...............................................................................160

Dir Drchtsprechmz der WerlMrsgttichtr auf dem Gebiete des Zivilrechts. Herausgegeben von

V. Mugdan,

fK. Fstkmann,

und

Seuatsprasident am Kammergericht.

Kammergerichtsrat a. D.,

Wöchentlich erscheint eine Nummer.

Preis des Halbjahrs 7 Jb 50

„Rechtsprechung der Lberlandesgerichte" bringt Urteile O' ltiib Beschlüsse aus dem gesamten Gebiete des Zivilrechts, nicht bloß aus dem bürgerlicher: Recht, sondern auch aus dem

Prozeßrecht, der freiwilligen Gerichtsbarkeit, einschließlich der

GerichtSkostcn, der Anwalts- und Rotariatsgebühren usw.

Die

Entscheidungen werden, namentlich in wichtigeren Sachen, mög­ lichst rasch und nicht etwa in Spruchform, sondern nach Voran­

schickung eines kurzen Tatbestandes mit den Entscheidungsgründen veröffentlicht.

In den Urteilen aller Instanzen, sowie in den Kommentaren wird

beständig

auf die

„Rechtsprechung"

Bezug

genommen.

Ihre Bedeutung wird durch die Erhöhung der Zuständigkeit der Amtsgerichte noch gewinnen und zur Einheitlichkeit ihrer

Rechtsprechung wesentlich beitragen.

Sie

ist selbst auf denjenigen Gebieten für Praxis

und

Wissenschaft von größter Wichtigkeit, wo die Lberlandesgerichte nicht die letzte Instanz bilden, weil der Kreis der von diesen

entschiedenen Streitfragen weit ausgedehnter ist, als derjenige des Reichsgerichts.

Sie ist dadurch für den Praktiker aller

Instanzen ein unentbehrliches Nachschlagewerk.

Leipzig.

Veit & Cornp. 1

Truck von Metzger & Wittig in Leipzig.