Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts: Band 6, Heft 1 [Reprint 2020 ed.] 9783112323021, 9783112323014


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INHALT
ZITIERWEISE
1 Betriebsbedingte Kündigung. Urteil vom 27. Februar 1958 (2 AZR 445/55)
2 Arbeitnehmeranteile zur Krankenversicherung. Urteil vom 3. April 19 58 (2 AZR 469/56)
3 Neufestsetzung des Streitwerts durch Landesarbeitsgerichte. Zuständigkeit für Ansprüche eines Knappschaftsarztes. Urteil vom 26. Februar 1958 (4 AZR. 278/55)
4 Betriebsrat bei Hauptverwaltung eines aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmens. Beschluß vom 9. Mai 1958 (1 ABR 5/57)
5 Provisionsansprudh eines Handlungsgehilfen. Urteil vom 3. Juni 19 58 (2 AZR 638/57)
6 Kurzfassung eines Tarifvertrages. Effektivgarantieklausel. Urteil vom 13. Juni 1958 (1 AZR 591/57)
7 Zur Nachprüfbarkeit der Divergenz bei Revisionszulassung. Urteil vom 5. März 1958 (4 AZR 482/55)
8 1. Öffentlicher Dienst i. S. des § 63 Abs. 1 des Regelungsgesetzes. 2. , Verlust des Arbeitsplatzes aus anderen als tarifrechtlichen Gründen im Sinne der §§ 62, 63 des Regelungsgesetzes. Urteil vom 18. März 1958 (3 AZR 275/55)
9 Nicht einbehaltene Lohnsteuer. Urteil vom 27. März 1958 (2 AZR 221/56)
10 Betriebliche Übung und wiederholte Leistung als Anspruchsgrundlage. Urteil vom 2. April 1958 (4 AZR 443/55)
11 Zum positiven Divergenzbeschluß. Beschluß vom 18. April 1958 — GS 2/57 (1 AZR 468/56)
12 Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten. Urteil vom 22. April 1958 (3 AZR 548/55)
13 Prozeßunfähigkeit — Beweislast. Urteil vom 6. Mai 1958 (2 AZR 551/57)
14 Aktualisierte Überwachungspflicht von leitenden Angestellten. Urteil vom 12. Mai 1958 (2 AZR 539/56)
15 Anwendbarkeit des Schwerbeschädigtengesetzes für die Zeit nach dem Inkrafttreten des TVAL. Urteil vom 20. Mai 1958 (3 AZR 541/55)
16 Nachwirkung eines Tarifvertrages, Urlaubsentgclt von Prozentempfängern. Urteil vom 6. Juni 1958 (l AZR 515/57)
17 Restitutionsverfahren. Urteil vom 20. Juni 1958 (2 AZR 231/55)
18 Begriff des Revierkellners im Truppentarifvertrag. Urteil vom 2 5. Juni 1958 (4 AZR 572/56)
19 Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung. Urteil vom 11. Juli 1958 (1 AZR 366/55)
20 Arbeitszeitverkürzung und Hausarbeitstag (Niedersachsen). Urteil vom 11. Juli 1958 (1 AZR 146/58)
21 Arbeitnehmer bei den Streitkräften. Urteil vom 15. August 1958 (1 AZR 658/57)
22 Beihilfegrundsätze im gemeindlichen Bereich. Urteil vom 22. August 19 58 (1 AZR 20/57)
23 Selbständiger Nebenbetrieb. Urteil vom 5. März 1958 (4 AZR 501/55)
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INHALT Nr.

Seite

1 Betriebsbedingte Kündigung. Urteil vom 27. Februar 1958 (2 AZR 445/55) . .

1

2 Arbeitnehmeranteile (2 AZR 469/56)

7

zur Krankenversicherung.

Urteil vom

3. April 19 58

3 Neufestsetzung des Streitwerts durch Landesarbeitsgerichte. Zuständigkeit für Ansprüche eines Knappschaftsarztes. Urteil vom 26. Februar 1958 (4 AZR. 278/55)

14

4 Betriebsrat bei Hauptverwaltung eines aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmens. Beschluß vom 9. Mai 1958 (1 ABR 5/57)

19

5 Provisionsansprudh eines Handlungsgehilfen. Urteil vom 3. Juni 19 58 (2 AZR 638/57)

23

6 Kurzfassung eines Tarifvertrages. Effektivgarantieklausel. Urteil vom 13. Juni 1958 (1 AZR 591/57)

31

7 Zur Nachprüfbarkeit der Divergenz bei Revisionszulassung. Urteil vom 5. März 1958 (4 AZR 482/55)

36

8 1. Öffentlicher Dienst i. S. des § 63 Abs. 1 des Regelungsgesetzes. 2. , Verlust des Arbeitsplatzes aus anderen als tarifrechtlichen Gründen im Sinne der §§ 62, 63 des Regelungsgesetzes. Urteil vom 18. März 1958 (3 AZR 275/55)

45

9 Nicht einbehaltene Lohnsteuer. Urteil vom 27. März 1958 (2 AZR 221/56) . .

52

10 Betriebliche Übung und wiederholte Leistung als Anspruchsgrundlage. vom 2. April 1958 (4 AZR 443/55)

Urteil 59

11 Zum positiven Divergenzbeschluß. Beschluß vom 18. April 1958 — GS 2/57 (1 AZR 468/56)

65

12 Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten. Urteil vom 22. April 1958 (3 AZR 548/55)

72

Fortsetzung 3. Umschlagselte

Nr.

Seite

13 Prozeßunfähigkeit — Beweislast. Urteil v o m 6. Mai 1958 (2 A Z R 551/57) . .

76

14 Aktualisierte Überwachungspflicht 12. Mai 1958 (2 A Z R 539/56)

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von

leitenden Angestellten.

Urteil v o m

15 A n w e n d b a r k e i t des Schwerbeschädigtengesetzes f ü r die Z e i t nach dem I n k r a f t treten des T V A L . Urteil v o m 20. M a i 1958 (3 A Z R 541/55)

87

16 Nachwirkung eines Tarifvertrages, Urlaubsentgclt v o n P r o z e n t e m p f ä n g e r n . U r teil v o m 6. Juni 1958 (l A Z R 515/57)

90

17 Restitutionsverfahren. Urteil v o m 20. Juni 1958 (2 A Z R 231/55) 18 Begriff des Revierkellners im T r u p p e n t a r i f v e r t r a g . Urteil v o m 2 5. Juni (4 A Z R

95 1958

572/56)

104

19 Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung. Urteil v o m 11. Juli 1958 (1 A Z R 366/55)

109

20 Arbeitszeitverkürzung und Hausarbeitstag (Niedersachsen). Urteil v o m 11. Juli 1958 (1 A Z R 146/58) 21 A r b e i t n e h m e r

bei

116

den Streitkräften.

Urteil

v o m 15. August 1958 (1 A Z R

658/57)

121

22 Beihilfegrundsätze im gemeindlichen Bereich.

Urteil v o m 22. August

(1 A Z R 20/57)

19 58 127

23 Selbständiger Nebenbetrieb.

Urteil v o m 5. M ä r z 1958 (4 A Z R 501/55)

140

ZITIERWEISE Für die Zitierung dieser Sammlung wird die Abkürzung BAG empfohlen, z. B. BAG 1,70 ( =

Band 1 Seite 70).

1 1. Die Wirksamkeit der Kündigung ist von der Angabe der Gründe nicht abhängig. 2 . Die Zustimmung des Landesarbeitsamtes zu einer Massenentlassung nach § 16 KSchC nimmt den gekündigten Arbeitnehmern nicht den Kündigungsschutz des § 1 KSchG. 3. Arbeitsmangel und geplante Rationalisierungsmaßnahmen reichen für eine betriebsbedingte Kündigung nur aus, wenn sie bereits greifbare Formen angenommen haben. 4 . Trifft das zu, so kann eine betriebsbedingte Kündigung aber unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG schon dann ausgesprochen werden, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung die Beurteilung ergibt, daß bis zum Auslaufen der dabei einzuhaltenden Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden muß. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so braucht der Arbeitgeber mit dem Ausspruch der Kündigung auch nicht bis zu dem im Hinblick auf die einzuhaltende Kündigungsfrist letztmöglichen Augenblick zu warten. 5. Bei der Auswahl von Arbeitnehmern, denen aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden soll, kann eine Nichtberücksichtigung sozialer Belange des Arbeitnehmers gegenüber betrieblichen Belangen des Arbeitgebers nur dann in Betracht kommen, wenn sorgfältig und in allen Teilen gegeneinander abgewogen wird, welches Gewicht die betrieblichen Belange des Arbeitgebers gegenüber den sozialen Belangen des Arbeitnehmers jeweils im einzelnen Falle haben. 6 . Auf eine Verletzung von § 1 6 0 Abs. 2 Nr. 3, § 161 Z P O kann eine Revision nur dann gestützt werden, wenn das angefochtene Urteil auf der Verletzung dieser Vorschriften beruht. Auf die Verletzung der § § 3 9 4 , 395 Z P O kann eine Revision überhaupt nicht gestützt werden. BGB § 6 2 0 Abs. 2 ; KSchG § 1 Abs. 2 und Abs. 3, § 15, § 1 6 ; Z P O § 1 6 0 Abs. 2 Nr. 3, § § 161, 394, 395. II. Senat. Urteil vom 27. Februar 1958 i. S. B. u. a. (Kl.) w. Fa. M. K G (Bekl.) 2 A Z R 4 4 5 / 5 5 . I. Arbeitsgericht Siegburg. — II. Landesarbeitsgeridit Düsseldorf.

Die Beklagte betreibt in W . eine Wollweberei vornehmlich für Damenoberbekleidung und auch für Wolldecken. In ihrem Betrieb waren 1 Entscheid, d. B A G . 6

2

1. Unbedingte

Revisionsgründe

im Jahre 1954 rund 5 50 Arbeitnehmer, darunter auch die zwölf Kläger, beschäftigt. Etwa die Hälfte der Belegschaft der Beklagten waren Frauen. Der Kläger zu l ) ist Stuhlsteller, die Kläger zu 2) bis 12) sind Weber. Ihnen wurde von der Beklagten nach Anhörung des Betriebsrats am 17. September 1954 zum 30. Oktober 1954 gekündigt. Der Massenentlassungsausschuß beim Landesarbeitsamt D. setzte nach Anhörung des Betriebsrats den Zeitpunkt der Entlassung auf den 8. November 1954 fest. Die Kläger haben behauptet, bei der Beklagten sei bis zum 30. O k tober 1954 noch in drei Schichten gearbeitet worden, so daß ein Arbeitsmangel bei der Beklagten nicht vorgelegen habe. Ihre Entlassung sei nur erfolgt, um an ihren Arbeitsplätzen weibliche Arbeitnehmer beschäftigen zu können. Die Kläger haben Feststellung begehrt, daß ihre Arbeitsverhältnisse durch die am 17. September 1954 ausgesprochenen Kündigungen nicht aufgelöst sind. Das Landesarbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat aufgehoben und an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Aus den

Gründen:

I. Die Revision hat in verfahrensmäßiger Beziehung Verletzung der Vorschriften der § 160 Abs. 2 Nr. 3, §§ 161, 394, 395 Z P O gerügt. Sollte diese Rüge von der Revision, die dabei von einer „notwendigen" Aufhebung des angefochtenen Urteils spricht, dahin verstanden werden, daß sie damit einen unbedingten Revisionsgrund im Sinne des § 551 Z P O geltend machen will, so trifft das nicht zu. Auf etwaige Verletzungen der bloßen Formvorschriften der §§ 394, 395 Z P O kann eine Revision überhaupt nicht gestützt werden (vgl. R G JW 192S, S. 1857, Nr. 7; SteinJonas, ZPO, 18. Aufl., § 394, Anm. I zu Fußnote 1; § 395, Anm. I; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 24. Aufl., 1957, § 395, Anm. l). Auf etwaige Verletzungen von § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 161 Z P O kann eine Revision nur gestützt werden, wenn das angefochtene Urteil darauf beruht oder es möglich ist, daß es darauf beruht (BAG, AP Nr. 1 zu § 161 ZPO). Demnach ist ein unbedingter Revisionsgrund nicht in Betracht zu ziehen. II. Die Revision meint, sämtliche von der Beklagten gegenüber den Klägern zu l ) bis 12) ausgesprochenen Kündigungen vom 17. September 1954 seien schon deswegen ohne weiteres unwirksam, weil die Beklagte darin keine Kündigungsgründe angegeben hatte. Der Beklagten sei es verwehrt, nachträglich Kündigungsgründe für die Kündigungen vom 17. September 1954 anzuführen.

1. Angabe von Kündigungsgründen

3

Diese Ansicht der Revision ist nicht zutreffend. Für die Berechtigung der Kündigungen vom 17. September 1954 können alle Kündigungsgründe in Betracht gezogen werden, die im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen gegeben waren, auch wenn die Beklagte sich hierauf erst nach Ausspruch der Kündigungen oder im Verlaufe des Rechtsstreites berufen hatte (BAG 2, 245 [251]; 3, 13 [15]; BAG, Zweiter Senat, Urteil vom 19. 12. 1957 — 2 AZR 146/55 - ; Hueck, KSchG, 3. Aufl., 1954, § 1 Anm. 4 3 a ; Herschel-Steinmann, KSchG, 3. Aufl., 1955, § 1 Anm. 34, 35; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 6. Aufl., 1958, S. 499; Nikisch, ArbR, Bd. I, 2. Aufl., 1955, S. 568/569). III. Somit bestimmt sich die Frage, ob die den Klägern von der Beklagten aus betriebsbedingten Gesichtspunkten erklärten Kündigungen wirksam sind, lediglich danach, ob sie den Anforderungen entsprechen, die dafür nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und § 1 Abs. 3 KSchG zu wahren sind. Der Umstand, daß der Massenentlassungsausschuß den Kündigungen zugestimmt hat, macht diese Prüfung nach § 1 Abs. 2 und 3 KSchG nicht entbehrlich, weil die arbeitseinsatzpolitischen Zielen dienenden Kündigungsbeschränkungen der §§ 15 ff. KSchG den Individualkündigungsschutz nach §§ 1 ff. KSchG unberührt lassen (vgl. statt aller: Hueck, KSchG, 3. Aufl., 1954, Vorbem. 3 vor § 15 KSchG; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 6. Aufl., 1958, § 64 XI 3 b, S. 608 zu Fußn. 162; Herschel-Steinmann, KSchG, 3. Aufl., 1955, Vorbem. 2 von § 15 KSchG). 1. Was zunächst die Frage angeht, ob die Beklagte aus Anlaß des nach ihren Behauptungen ab Ende Oktober 1954 gegebenen Auftragsmangels und aus Anlaß der ab Mitte September 1954 von ihr geplanten Rationalisierungsmaßnahmen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG überhaupt eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht ziehen konnte, hat die Revision ausgeführt, derartige von der Beklagten behauptete betriebliche Umstände könnten die am 17. September 1954 ausgesprochenen Kündigungen schon deshalb nicht rechtfertigen, weil, wenn sie vorgelegen hätten, auch sie den Ausspruch der Kündigungen erst zugelassen hätten, wenn sie tatsächlich auch eingetreten gewesen s e i e n . . . Hierin kann der Revision jedoch nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, daß betriebliche Gründe, insbesondere Arbeitsmangel und Rationalisierungsmaßnahmen, für betriebsbedingte Kündigungen als Kündigungsgründe nur ausreichen, wenn sie bereits greifbare Formen angenommen haben. Solche betriebliche Gründe, die möglicherweise erst in weiterer Zukunft eintreten, genügen regelmäßig nicht (vgl. BAG, AP Nr. 19 zu § 1 KSchG mit zustimmender Anm. von A. Hueck). Das bedeutet aber nicht, wie die Revision meint, daß die betrieblichen Gründe,

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1. Betriebsbedingte Kündigung

die einen Arbeitnehmer entbehrlich machen, bereits tatsächlich eingetreten sein müssen, wenn die Kündigung ausgesprochen wird. Es würde eine sachlich durch nichts gerechtfertigte und wirtschaftlich durchaus unvernünftige Überspannung des Schutzes des Arbeitnehmers vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen bedeuten, wenn man annehmen wollte, der Arbeitgeber dürfe aus dringenden betrieblichen Umständen eine Kündigung überhaupt erst aussprechen, wenn diese Umstände, die den Arbeitnehmer entbehrlich machen, auch tatsächlich eingetreten sind. Der Sinn der Anerkennung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung nach näherer Maßgabe des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG ist nicht der, den Arbeitgeber zu zwingen, sehenden Auges in eine wirtschaftlich für ihn untragbare Situation geraten zu müssen. Deshalb kann eine betriebsbedingte Kündigung unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG schon dann ausgesprochen werden, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine vernünftige und betriebswirtschaftliche Betrachtung die Beurteilung ergibt, daß bis zum Auslaufen der dabei eingehaltenen Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden muß (vgl. BAG, AP Nr. 19 zu § 1 KSchG mit zustimmender Anmerkung von A. Hueck; Hueck, KSchG, 3. Aufl., 1954, § 1, Anm. 4 3 ; Hersdiel-Steinmann, KSchG, 3. Aufl., 1955, § 1 Anm. 4 3 ; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 6. Aufl., 1958, S. 58 5 zu Fußn. 54). Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe aber andererseits auch nicht geprüft, ob die Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen vom 17. September 1954 nach wirtschaftlich vernünftiger Prognose der Beklagten am 31. Oktober 1954 entbehrlich sein mußten, ist das ebenfalls unzutreffend. Bezüglich des Auftragsmangels hat das Landesarbeitsgericht nämlich ganz klar ausgeführt, dieser sei im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs, also am 17. September 1954, für die Beklagte für die Zeit nach dem 30. Oktober 1954 voraussehbar gewesen. Hieraus ergibt sich, daß das Landesarbeitsgericht dem soeben gekennzeichneten richtigen rechtlichen Gesichtspunkt Rechnung getragen hat. Ebenso verhält es sich mit dem Gesichtspunkt der Betriebsrationalisierung. Auch hier hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, nach der am 14. September 1954 erfolgten Vergebung des Auftrags zur Betriebsrationalisierung habe die Beklagte für die darauf folgenden vier Monate bis Anfang Januar 1955 mit zehn verschiedenen technischen Maßnahmen an den umzustellenden Stühlen rechnen und sich daher auf die demnach anlaufenden Umstellungen einstellen müssen. Es ist also auch hier zu erkennen, daß das Landesarbeitsgericht davon aus-

1. Betriebsbedingte Kündigung

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gegangen ist, es sei zu prüfen, ob im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs, also am 17. September 1954, die Beklagte bei vernünftiger Prognose damit rechnen mußte, daß die Kläger nach dem 30. Oktober 1954 entbehrt werden müßten. Zu Unrecht rügt die Revision in diesem Zusammenhang dann noch weiter, jedenfalls habe die Beklagte aber nicht schon am 17. September 1954 zum 30. Oktober 1954 kündigen dürfen, weil sie damit den Klägern eine längere Kündigungsfrist eingeräumt habe, als diesen zugestanden habe. Die beiderseitigen Kündigungsfristen hätten nämlich für die meisten Kläger nur 14 Tage, für einzelne Kläger nur einen Monat betragen. Auch diese Auffassung der Revision ist irrig. Wenn betriebliche Umstände greifbare Formen angenommen haben und es bei vernünftiger Prognose sich übersehen läßt, wann sie den Arbeitnehmer entbehrlich machen müssen, sind Arbeitnehmer in aller Regel nicht beschwert, sondern im Gegenteil nur begünstigt, wenn der Arbeitgeber mit dem Ausspruch der Kündigung nicht bis zu dem im Hinblick auf die einzuhaltende Kündigungsfrist letztmöglichen Augenblick wartet. Er kann daher schon vorher die Kündigung mit dem Inhalt aussprechen, daß sie zu dem Zeitpunkt wirken solle, in dem der Arbeitnehmer entbehrt werden muß. Dies gilt um so mehr, als gegebenenfalls die Kläger, wenn sie die von der Beklagten angestrebte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Oktober 1954 aus irgendwelchen Gründen in der Zeit nach dem 17. September 1954 nicht abwarten wollten, ihrerseits mit kürzeren Fristen kündigen konnten. 2. Daß im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen, also am 17. September 1954, für den Zeitpunkt des von der Beklagten gewollten Wirksamwerdens der Kündigungen, also für den 30. Oktober 1954, Auftragsmangel und Anlaufen der Rationalisierungsarbeiten tatsächlich vorhersehbar waren, hat das Landesarbeitsgericht auch festgestellt, und diese tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts können von der Revision auch nicht mit Erfolg angegriffen werden (wird ausgeführt). Was schließlich die Rüge der Revision angeht, eine Dringlichkeit könne deshalb nicht angenommen werden, weil die Beklagte den Klägern auch nach dem 30. Oktober 1954 noch befristete Arbeitsverträge angeboten habe, so ergibt sich die Unbeachtlichkeit dieser Rüge schon daraus, daß eine Kündigung, die mit vernünftiger Prognose im Hinblick auf einen bevorstehenden Auftragsmangel ausgesprochen wird, nicht dadurch unwirksam wird, wenn die Prognose sich nachträglich ändert (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. I 1958, S. 585 zu Fußn. 56). Solche Änderungen können allenfalls dem Arbeitgeber aufgrund seiner

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1. Soziale Auswahlgesichtspunkte

allgemeinen FürsorgepfLidit zur Pflicht machen, der nachträglichen Veränderung der Umstände in zumutbarem Maße Rechnung zu tragen (Hueck-Nipperdey, a . a . O . , S. 585 zu Fußnote 56). Das Angebot der Beklagten an die Kläger, befristete Arbeitsverträge abzuschließen, fand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zudem seinen Anlaß darin, daß noch vorübergehende Stoßaufträge eingegangen waren. 3. Da die Kläger behauptet hatten, bei etwa notwendig gewordenen Entlassungen habe die Beklagte, ehe sie den langjährig betriebszugehörigen älteren und verheirateten Klägern kündigte, 16 befristet eingestellten Arbeitskräften und darüber hinaus jüngeren weiblichen unverheirateten Arbeitskräften kündigen können, war das Landesarbeitsgericht gemäß § 1 Abs. 3 KSchG gehalten, auch zu prüfen, ob die Beklagte bei den aus dringlichen betriebsbedingten Gründen vorgenommenen Entlassungen die Auswahl der zu Entlassenden unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte vorgenommen hatte oder ob betriebliche Gesichtspunkte der Berücksichtigung sozialer Auswahlgesichtspunkte entgegenstanden. Dazu hat das Landesarbeitsgericht aber lediglich ausgeführt, aufgrund der von ihm vorgenommenen Augenscheinseinnahme und nach dem Gutachten des von ihm gehörten Sachverständigen sei an vollautomatischen Webstühlen Frauenarbeit zweckmäßiger als Männerarbeit... Diese Beurteilung des Landesarbeitsgerichts muß das Revisionsgericht daraufhin nachprüfen, ob sie mit Denk- und Erfahrungssätzen vereinbar ist und ob sie unter Berücksichtigung aller vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Einzelumstände getroffen worden ist. Eine solche Überprüfung ergibt aber, daß das Landesarbeitsgericht die Nichtberücksichtigung sozialer Belange der Kläger gegenüber dem Interesse der Beklagten an der Verwendung von angelernten Frauen mit der von ihm gegebenen Begründung allein nicht rechtfertigen konnte. Bereits die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, an vollautomatischen Stühlen seien Frauen besser geeignet als gelernte Weber, unterliegt mit der gegebenen Begründung erfahrungsmäßigen Bedenken. Die Befürchtung des Gutachters, gelernte Weber würden an gestörten Vollautomaten von sich aus Störungsbehebungen versuchen, was nicht erwünscht sei, lassen sich bereits mit dem einfachen Hinweis in Frage stellen, daß man das gegebenenfalls den gelernten Webern einfach verbieten kann. Wenn dann die gelernten Weber die angeblich unerwünschten eigenen Entstörungsmaßnahmen unterlassen, was jedenfalls doch nicht ausgeschlossen ist, ergibt sich aus den Feststellungen des Landesarbeitgerichts nichts Wesentliches, was die nach seinen Feststellungen an den Vollautomaten für Männer

2. Erstattung von Krankenversidierungsbeiträgen

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und Frauen gleich hoch bezahlte Arbeit für Männer ungeeigneter madit als für Frauen. Davon aber auch abgesehen ergibt sich jedenfalls, daß auch nach dem vom Landesarbeitsgeridht angenommenen Vorteil der Frauenarbeit dieser keineswegs so groß sein kann, daß damit jegliche Nichtberücksichtigung der sozialen Belange der Kläger geboten gewesen wäre. Auch von seinem Standpunkt aus, daß Frauenarbeit an den Vollautomaten für die Beklagte vorteilhafter sei als die Arbeit gelernter Weber, hätte daher das Landesarbeitsgericht prüfen müssen, welches Gewicht diese angeblichen Vorteile der Frauenarbeit gegenüber dem Umstand hatten, daß es sich bei den Klägern möglicherweise um langjährige Betriebsangehörige und ältere und verheiratete Männer handelte, deren Arbeitsplatz durch die Kündigung verloren ging. Das Landesarbeitsgericht hat die Interessenabwägung viel zu allgemein unter der abstrakten und stichprozeßartigen Antithese „Frauenarbeit oder Männerarbeit", nicht aber unter dem gebotenen Aspekt gesehen, daß im Rahmen des § 1 Abs. 3 KSdiG sorgfältig und in allen Teilen, nicht dagegen pausdial, für jeden der zwölf Kläger zu prüfen war, was für ihn an sozialen Belangen auf dem Spiel stand und welches Gewidit demgegenüber betriebliche Belange der Beklagten im Einzelfall hatten. Die Unterlassung dieser Abwägung bedeutet eine Verletzung des § 1 Abs. 3 KSchG, auf der das angefochtene Urteil beruht, weil es möglich ist, daß das Landesarbeitsgeridht bei Vornahme der gebotenen Einzelabwägung zu einem anderen als zu dem angenommenen Ergebnis gekommen wäre.

2 1. Für die Klage eines Arbeitgebers gegen einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Krankenversicherung sind die Gerichte für Arbeitssachen, nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. 2. Ein Arbeitgeber kann von seinem Arbeitnehmer die Erstattung rüdeständiger Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Krankenversicherung nur im sog. Lohnabzugsverfahren nach Maßgabe der §§ 394, 395 RVO erlangen. Ist wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Lohnabzugsverfahren nicht mehr möglich, so hat der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer wegen der rückständigen Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Krankenversicherung keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. 3. Wenn ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt oder eine Kündigung seitens des Arbeitgebers veranlaßt mit dem Ziel, dadurch

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2. Sozialversidherungsbeiträge

einem Lohnabzugsverfahren im Rahmen des § 395 Abs. 2 R V O zu entgehen und den Arbeitgeber dadurch zu schädigen, kommt eine selbständige Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers nach § 826 BGB für den Beitragsrückstand in Betracht. 4. Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses können die Parteien die Erstattungspflicht des Arbeitnehmers für Beitragsrüdestände nicht abweichend von §§ 394, 395 R V O vertraglich regeln. Ein solcher Vertrag ist gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 Abs. 2 R V O und § 134 BGB nichtig. R V O §§ 394, 395, 405, 139; SGG §§ 55, 59; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 2; BGB §§ 134, 812, 826. II. Senat. Urteil vom 3. April 1958 i. S. Fa. B. (Bekl.) w. B. (Kl.) 2 AZR 469/56. I. Arbeitsgericht Aadien. — II. Landesarbeitsgeridit Düsseldorf (Köln).

Für den bei der Beklagten in der Zeit vom 15. April 1954 bis zum 10. April 1956 als Buchhalter tätigen Kläger hatte die Beklagte keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Anläßlich einer im März 1956 von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) durchgeführten Prüfung wurde sie zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Kläger in Höhe von 2045,74 DM herangezogen. Wegen dieser Angelegenheit gerieten die Parteien in Streit, worauf die Beklagte dem Kläger fristlos kündigte. Im Rahmen einer deswegen von dem Kläger erhobenen und inzwischen rechtskräftig zu seinen Ungunsten entschiedenen Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung und auf Kündigungsabfindung hat die Beklagte im Wege der Widerklage vom Kläger ihre Freistellung in Höhe der Hälfte der von ihr für den Kläger der A O K geschuldeten rückständigen Sozialversicherungsbeiträge im Betrage von 1022,87 DM verlangt. In den beiden Vorinstanzen ist der Kläger zu einer Freistellung der Beklagten gegenüber der A O K lediglich in Höhe seiner Beitragsanteile für die Monate Februar und März 1956 im Betrage von 93,12 DM verurteilt und im übrigen die Widerklage abgewiesen worden. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Aus den

Gründen:

I. Für die Widerklage ist, was die Vorinstanzen nidit ausdrücklich erörtert haben, der Rechtsweg vor den Arbeitsgerichten gegeben. Soweit § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGG bestimmt, daß Streitigkeiten zwischen

2. Rechtsweg vor den Arbeitsgeriditen

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Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Berechnung und Anrechnung von Beiträgen im Wege der Feststellungsklage ausschließlich ( § 5 9 SGG) vor den Sozialgerichten auszutragen sind, meint das Gesetz damit nur solche Streitigkeiten, in denen über die Berechnung von Beiträgen für die Krankenversicherung in einer bestimmten Art und Höhe sowie über deren Anrechnung auf die Bezüge des Arbeitnehmers nach näherer Maßgabe der §§ 394, 395 R V O gestritten wird. Nur soweit diese öffentlich-rechtlichen Fragen selbst Streitgegenstand sind, sollen sie ausschließlich vor den dafür besonders sachkundigen Sozialgerichten geklärt werden (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, 16. Aufl., 1956, § 405 R V O Anm. 2, S. 819, 820; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar der Sozialgerichtsbarkeit, § 55 SGG, Anm. 2 b S. 170; Kühne, JW 1930 S. 3153). Ein solcher Streitgegenstand ist zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits aber nicht gegeben. Die Annahme, es werde zwischen den Parteien über die Art und Höhe der für den Kläger zu entrichtenden Beiträge gestritten, scheidet ganz klar aus. Das von den Beklagten verfolgte Freistellungsbegehren ist aber auch kein Anrechnungsstreit im Sinne der genannten Bestimmungen des Sozialgerichtsgesetzes. Denn ein Anrechnungsstreit ist nur dann gegeben, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber gestritten wird, in welcher Höhe und in welchen Teilbeträgen der Arbeitgeber Krankenkassenbeiträge von den Bezügen seines Arbeitnehmers nach den Vorschriften der §§ 394, 395 R V O einbehalten darf. Darüber streiten die Parteien aber gerade deshalb nicht, weil das für die Parteien wegen der erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers kein praktisches Interesse mehr hat. Das Klagebegehren der Beklagten ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, daß sie mit der von ihr begehrten Freistellung vom Kläger eine hälftige Beitragserstattung gerade nicht im Anrechnungsverfahren der §§ 394, 395 R V O verlangt und sich für die Berechtigung ihres Verlangens darauf beruft, hierzu sei sie zwar nicht nach den Bestimmungen der R V O , sondern nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften befugt. Damit ist Streitgegenstand ein Anspruch, für den nach § 2 Abs. 1 Ziffer 2 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig sind. II. In der Sache selbst hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, daß ein Arbeitgeber die Beitragsanteile seines Arbeitnehmers zur Krankenversicherung von diesem nur in der Weise wieder erlangen kann, daß er sie von den Bezügen des Arbeitnehmers nach näherer Maßgabe der §§ 394, 395 R V O einbehält, und daß ein anderer Erstattungsweg wegen des zwischenzeitlich erfolgten Ausscheidens des Klägers nicht in Betracht kommt.

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2. Lohnabzugsverfahren für Sozialversicherungsbeiträge

1. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht bereits der W o r t l a u t des § 394 Abs. 1 Satz 2 R V O . Denn die Fassung des § 394 Abs. 1 Satz 2 R V O , wonach die Arbeitgeber die Beitragsteile „ n u r " im Wege der Einbehaltung bei der Lohnzahlung wieder einziehen dürfen, deutet durch die Verwendung des Wortes „nur" darauf hin, daß der Gesetzgeber jede andere Erstattungsmöglichkeit ausschließen wollte. 2. Daß dies aber auch der wirkliche S i n n und Z w e c k des § 394 Abs. 1 Satz 2 R V O ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes: a) Bereits der gesetzliche Vorläufer des § 394 R V O , nämlich § 53 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes betr. die Krankenversicherung der Arbeiter (KrVG) vom 15. Juni 1883 - RGBl. 1883 S. 73 ff. - in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 10. April 1892 — RGBl. 1892 S. 379 ff. — bestimmte ebenso wie jetzt § 394 Abs. 1 Satz 2 R V O , daß die Arbeitgeber die für die Arbeitnehmer zu entrichtenden Beitragsanteile „nur" im Wege des Lohnabzugsverfahrens wieder einziehen dürfen. § 53 Abs. 1 Satz 3 KrVG bestimmte weiterhin, ebenfalls in Übereinstimmung mit dem heutigen § 395 Abs. 1 Satz 1 R V O , daß die Abzüge für die Beiträge gleichmäßig auf die Lohnzeiten zu verteilen sind, auf die sie fallen (Verteilungsgebot). Schließlich stimmte § 53 Abs. 1 Satz 5 KrVG mit dem heutigen § 395 Abs. 2 Halbsatz 1 R V O dahin überein, daß unterbliebene Lohnabzüge nur bei der Lohnzahlung für die nächste Lohnzeit nachgeholt werden dürfen (Nachholverbot). b) Ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 53 KrVG (vgl. Rosin, Das Recht der Arbeiterversicherung, 1893, Bd. 1 S. 550; SchraderSchulte-Brucker, Die Deutsche Krankenversicherung, 1931, Bd. II, § 394 Anm., S. 761) lagen dieser Regelung des KrVG ganz bewußt zwei Prinzipien zugrunde, die man zusammengefaßt als ein S c h u t z prinzip und als ein O r d n u n g s prinzip bewerten kann. c) Das S c h u t z prinzip erstrebte einen weitgehenden Sozialschutz zugunsten des A r b e i t e r s . Es bezweckte, ihn vor einer Aufsammlung der von ihm dem Arbeitgeber zu erstattenden Beitragsanteile durch den Arbeitgeber und vor dessen demnächstigen selbständigen Erstattungsklage zu bewahren. Es sollte also mit anderen Worten die im Interesse des Arbeiters geschaffene Krankenversicherung nicht mit der sozial unerwünschten und den Gesetzeszweck beeinträchtigenden Begleiterscheinung der drückenden Beitragslast und der Beitragsverschuldung des Arbeitnehmers sowie der daraus sich ergebenden Klage-, Vollstreckungs- und sonstigen Druckmöglichkeit des Arbeitgebers verbunden sein. Solchen unerwünschten Nebenerscheinungen sollten die Beschränkung der Erstattungsmöglich-

2. Lohnabzugsverfahren für Sozialversicherungsbeiträge

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keiten auf das Lohnabzugsverfahren ( § 5 3 Abs. 1 Satz 2 KrVG) und dazu das Verteilungsgebot ( § 5 3 Abs. 1 Satz 3 KrVG) und das Nachholverbot (§ 53 Abs. 1 Satz 5 KrVG) entgegenwirken (vgl. Rosin, a . a . O . S. 550). d) Gleichzeitig war mit diesem Schutzprinzip ein Ordnungsprinzip gegen den Arbeitgeber verbunden. Denn durch die Beschränkung der Erstattungsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf das Abzugsverfahren ( § 5 3 Abs. 1 Satz 2 KrVG) und dazu durch das Verteilungsgebot ( § 5 3 Abs. 1 Satz 3 KrVG) und das Nachholverbot (§ 53 Abs. 1 Satz 5 KrVG) wurden dem Arbeitgeber Nachteile zugemutet für den Fall, daß er bei seinen Erstattungsversuchen diese Vorschriften nicht beachtete, weil ihm dann eine andere Erstattungsmöglichkeit verschlossen sein sollte. Damit sollte indirekt erreicht werden, daß der Arbeitgeber von sich aus den sozialen Schutzzweck des Gesetzes unterstützte und nicht gefährdete. 3. Diese in § 53 Abs. 1 KrVG zum Ausdrude kommenden Prinzipien greifen für die heutigen Regelungen der §§ 394, 395 R V O in gleicher Weise schon deshalb durch, weil sich der Sinn und Zweck der mit § 53 K r V G fast wörtlich übereinstimmenden Vorschriften der §§ 394, 395 R V O ersichtlich nicht geändert hat und nicht geändert haben kann. a) §§ 394 Abs. 1 Satz 2, 395 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Halbsatz 1 R V O bringen nämlich ebenso wie früher § 53 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 und Satz 5 KrVG in einer grundsätzlichen Weise als Schutz- und Ordnungsprinzip zum Ausdruck, daß die mit der Krankenversicherung für den Arbeitnehmer verbundene soziale Wohltat nicht mit der Gefahr der Beitragsaufhäufung und der dadurch möglichen Drucksituation belastet werden soll. Das Gesetz beschränkt daher den Arbeitgeber in der Möglichkeit, die Erstattung von Arbeitnehmeranteilen zu verlangen, ebenso wie früher in § 53 Abs. 1 Satz 2 KrVG grundsätzlich auf das Lohnabzugsverfahren. Auch das Lohnabzugsverfahren selbst steht dem Arbeitgeber aber nicht uneingeschränkt für die Durchsetzung seiner Erstattungsansprüche zur Verfügung, sondern ebenfalls wie früher nach § 53 Abs. 1 KrVG nur dann, wenn er dabei die Verteilungsvorschrift des § 395 Absatz 1 Satz 1 R V O und das Nachholverbot des § 395 Abs. 2 Halbsatz 1 R V O beachtet. b) Soweit § 395 Abs. 2 Halbsatz 2 R V O eine besondere Bestimmung für den Fall enthält, daß der Arbeitgeber schuldlos Beiträge verspätet entrichtet hat, besagt das, daß in derartigen Fällen nur das Nachholverbot des § 395 Abs. 2 Halbsatz 1 R V O nicht beachtet zu werden braucht. Das ist aber nicht auch eine Ausnahme von dem Verbot des anderweitigen Erstattungsweges als dem des Lohnabzugsverfahrens und ebenfalls keine Ausnahme von dem Verteilungsgebot des § 395 Abs. 1

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2. L o h n a b z u g s v e r f a h r e n

für Sozial Versicherungsbeiträge

Satz 1 R V O . Diese eingeschränkte Bedeutung des zweiten Halbsatzes von § 395 Abs. 2 R V O muß aus der Stellung dieser Regelung in § 395 Absatz 2 geschlossen werden. Denn § 395 Abs. 2 R V O befaßt sich ausschließlich mit der Nachholung, geht im übrigen aber davon aus, daß eine solche Nachholung nur im Rahmen des vorher in § 394 Abs. 1 Satz 2 R V O geregelten Abzugsverfahrens und auch nur unter Beaditung des Verteilungsgebotes des § 395 Abs. 1 Satz 1 R V O in Betracht kommt. Damit ist erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß selbst schuldlos verspätete Beitragszahlung des Arbeitgebers nur eine schwache Wirkung haben soll, nämlich lediglich, das Nachholverbot des § 395 Abs. 2 Halbsatz 1 R V O zu durchbrechen, daß der Gesetzgeber aber auch in derartigen Fällen den Arbeitnehmer noch für so schutzbedürftig hält, daß er ihn nicht einem anders gearteten Erstattungsverfahren als dem des Lohnabzugsverfahrens aussetzen, und daß er ihm auch das Verteilungsgebot des § 395 Abs. 1 Satz 1 R V O als Schutz erhalten will. c) Wenn aber selbst in dem Falle, in dem der Arbeitgeber die Beiträge schuldlos verspätet gezahlt hat, er die Erstattung der Arbeitnehmeranteile vom Arbeitnehmer nur im Abzugsverfahren des § 394 Abs. 1 Satz 2 R V O und unter Beachtung des Verteilungsgebotes des § 395 Absatz 1 Satz 1 R V O verlangen kann, dann ist die weitere Folge, daß er sie überhaupt nicht mehr erstattet verlangen kann, wenn ein Abzugsverfahren nicht mehr möglich ist, so insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer ausgeschieden ist. Denn andernfalls würde in einem solchen Falle ein Erstattungsverlangen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zu den Drucksituationen führen, die das Gesetz mit der ausschließlichen Beschränkung des Erstattungsverfahrens auf das Lohnabzugsverfahren gerade verhindern wollte. Dem entspricht es, daß auch die überwiegende Ansicht in Literatur und Judikatur im Fall des Ausscheidens eines Arbeitnehmers dem Arbeitgeber ein Recht gegen den Arbeitnehmer auf Erstattung von ihm gezahlter Arbeitnehmeranteile nicht zuerkennt (so: R V O Kommentar der Mitglieder des RVA, Bd. 2, 3. Aufl., 1939, § 394 Anm. 2 S. 250; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.—5. Auflage, Bd. II, S. 371, 372; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, 16. Aufl., 1956, § 394 Anm. 2 S. 800; Rothe, Betrieb 1955, 921 ff.; Dersch, AR-Blattei, Lohnsicherung V C III; Koch-Hartmannv.-Altrock-Fürst, AVG, 2. Aufl., Bd. I, 1956, § 183 A V G Anm. 2 S. 653; O A G Rheinland-Pfalz, AP 1951 Nr. 69 S. 244; LAG Hamburg, ARS 24, LAG 91 ff. mit Anm. von Dersch S. 93 = E. u. M. Bd. 38 S. 276; LAG Mannheim, RdA 1952, S. 198 = AP 1953 Nr. 11, S. 69 mit Anm. von Dersdi = BB 1952 S. 349 mit Anm. der Schriftleitung; LAG Stuttgart,

2. Bereicherungsansprüche; § 826 BGB

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BB 1956, 46 Nr. 77, S. 46; ArbG Rosenheim, ARSt. X V I Nr. 86; ArbG Ulm, ARSt. X V I Nr. 521). d) Es kann der Ansicht derjenigen nicht gefolgt werden, die in einem soldben Fall dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer einen Bereicherungsanspruch in Höhe der dem Arbeitgeber bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers nicht erstatteten Arbeitnehmeranteile dann geben wollen, wenn der Arbeitgeber die Beiträge schuldlos verspätet entrichtet hat (vgl.: Stier-Somlo, R V O , Bd. I, 1915, § 395 Anm. 3; Rewolle, Betrieb 1955, 217 [218]; Kunze, Arbeit und Recht 1953, S. 171 ff. [172]; Kühne, Krankenversicherung, 2. Aufl., 1939, § 395 Anm. 2 S. 4 3 1 ; Hahn, Handbuch der Krankenversicherung, Bd. I, 8./9. Aufl., 1915, § 395 Anm. 2 S. 662). Diese Ansicht verkennt den oben dargelegten Schutz- und Ordnungszweck der §§ 394, 395 R V O und damit auch, daß diese Prinzipien bewußt als Erstattungsweg nur das Lohnabzugsverfahren zulassen. Dasselbe gilt für die Ansicht derjenigen, die einen Erstattungsanspruch außerhalb des Lohnabzugsverfahrens dann geben wollen, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft dazu beigetragen hat, daß der Arbeitgeber die Beiträge schuldlos zu spät entrichtet hat (so Odenthal, Der Betrieb, 1956, 893 für den Fall vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns des Arbeitnehmers). Dieser Fall ist als Lebenstatsache zu naheliegend und häufig, als daß ihn der Gesetzgeber bei der von ihm betonten Beschränkung aller Erstattungsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf das Lohnabzugsverfahren hätte übersehen können und aus diesem Anlaß neben dem Lohnabzugsverfahren noch einen anderen Erstattungsweg hätte zulassen wollen. Lediglich für den Fall, daß ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis gerade zu dem Zweck und mit der sittenwidrigen Schädigungsabsicht kündigt, um mit seinem Ausscheiden einem sonst im Rahmen des § 395 Abs. 2 R V O möglichen Lohnabzugsverfahren zu entgehen, könnte in Betracht gezogen werden, daß ein solches sittenwidriges Verhalten des Arbeitnehmers diesen zum Schadenersatz außerhalb eines Lohnabzugsverfahrens verpflichtet, weil dann die Schutzvorschriften der §§ 394, 395 R V O gegenüber dem die ganze Rechtsordnung beherrschenden Verbot der sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) weichen müßten. Diesen Erwägungen braucht indessen hier nicht näher nachgegangen zu werden, weil im vorliegenden Fall nicht der Kläger, sondern die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt hat und auch von der Beklagten nicht behauptet worden ist, daß der Kläger die Kündigung der Beklagten mit dem Ziel provoziert hat, um einem etwaigen Lohnabzugsverfahren zu entgehen.

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3. Neufestsetzung des Streitwertes

4. Die erörterte Regelung der §§ 394, 395 R V O verbietet somit der Beklagten, vom Kläger die begehrte Freistellung zu verlangen. Ihr Freistellungsverlangen rechtfertigt sich audi nidit aus einer etwaigen Absprache, wie sie die Beklagte mit dem Kläger noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses getroffen haben will, nachdem die A O K die Beklagte für die Beitragsrüdestände in Anspruch genommen hatte und worin sich der Kläger bereit erklärt haben soll, die Beklagte in Höhe der Hälfte der Beitragsrückstände freizustellen. Denn eine solche Absprache ist jedenfalls unwirksam. Das ergibt sich aus § 139 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 R V O , wonach den Arbeitgebern bei Vermeidung der zivilrechtlichen Nichtigkeit ( § 1 3 4 BGB, § 139 Abs. 2 R V O ) verboten ist, die Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung ganz oder teilweise auszuschließen. Das würde der Fall sein, wenn in Abweichung von § 394 Abs. 1 Satz 2 R V O eine andere Erstattungsmöglichkeit als die des Lohnabzugsverfahrens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wird. Daß dieser Schutz des § 139 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 R V O jedenfalls auch Vertragsabreden umfaßt, die, wie es hier nach den Behauptungen der Beklagten allein in Frage kommt, während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses getroffen werden, ergibt sich schon daraus, daß andernfalls der in dieser Beziehung nach dem oben Ausgeführten umfassend gewollte Sozialschutz des Arbeitnehmers vor Beitragsverschuldung und Drudesituationen nicht gewährleistet sein würde.

3 1. Hat das Berufungsgericht den Streitwert neu festgesetzt, weil es angenommen hat, der Streitwert habe sich geändert, so ist diese Annahme nicht vom Revisionsgericht auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen (Bestätigung von AP Nr. 8 und 18 zu § 69 ArbGG). 2. Die von den Knappschaften mit ihren Sprengelärzten geschlossenen Verträge sind bürgerlich-rechtlicher Natur. Streitigkeiten aus solchen Verträgen fallen deshalb nicht unter die Zuständigkeit der Sozialgerichte. ArbGG § 6 9 ; SGG § 51. IV. Senat. Urteil vom 26. Februar 1958 i. S. J. (KL) w. R. (Bekl.) 4 AZR 278/55. I. Arbeitsgericht Bochum. — II. Landesarbeitsgericht

Hamm/Westf.

Im Jahre 1936 übertrug die beklagte Knappschaft dem Ehemann der Klägerin auf vorläufig drei Jahre die Stelle eines Knappschaftsarztes für einen bestimmten Kurbezirk. In dem Schreiben der Beklagten vom 6. Fe-

3. Knappsdiaftsarzt

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bruar 1936, in dem die Bedingungen des Vertragsverhältnisses niedergelegt waren, hieß es: „ . . . Die Übertragung der Verwaltung des Bezirks ist zunächst eine vorläufiige, weil eine vertragliche Anstellung als Knappsdiaftsarzt grundsätzlich frühestens nach einer dreijährigen Verwaltung des Kurbezirks erfolgt. Die drei Jahre der vorläufigen Anstellung können bei einer endgültigen Anstellung auf das Dienstalter angerechnet werden. Ein Anspruch auf endgültige Anstellung entsteht aus der vorläufigen Anstellung nicht." Ein Anwartsdiaftsrecht auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge wurde dem Ehemann der Klägerin nicht eingeräumt. Nach Ablauf von drei Jahren wurde das Vertragsverhältnis fortgesetzt, ohne daß weitere Vereinbarungen getroffen wurden. Im Dezember 1945 wurde dem Ehemann der Klägerin die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit durch Anordnung der Militärregierung untersagt. In den folgenden Jahren wurde die Frage einer Wiederaufnahme der Tätigkeit mehrfach zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Beklagten mündlich und schriftlich erörtert. Die Beklagte lehnte es schließlich 1950 ab, dem Ehemann der Klägerin, der inzwischen im Entnazifizierungsverfahren in die Kategorie IV ohne Berufsbeschränkung eingestuft worden war, seinen früheren Bezirk wieder zu übertragen. Er ist bis zu seinem Tode im Jahre 1953 nicht mehr als Knappschaftsarzt tätig geworden. Die Klägerin verlangt die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr seit dem 5. Juni 195 3 ein Witwengeld zu zahlen. Sie ist der Auffassung, daß durch die stillschweigende Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nach dem Ablauf der dreijährigen Probezeit ein endgültiges Anstellungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten begründet worden sei, wie sie in den bis 1933 von der Beklagten mit Knappschaftsärzten geschlossenen Formularverträgen niedergelegt seien. Sie behauptet, entsprechende Vereinbarungen seien nur deshalb nicht schriftlich niedergelegt worden, weil damals Verhandlungen über die allgemeine Neugestaltung solcher Pensionsverträge geschwebt hätten. Die Beklagte sei daher verpflichtet, der Klägerin eine Witwenpension zu zahlen, wie sie sie bis 1933 den Knappschaftsärzten in den Formularverträgen üblicherweise zugesichert habe. Dieser Anspruch ergebe sich auch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Klage hatte in keiner Instanz Erfolg.

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3. Neufestsetzung des Streitwertes

Aus

den

Gründen:

I. Die vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassene Revision ist gemäß § 7 2 Abs. 1 Satz 4 A r b G G nach der Höhe des festgesetzten Streitwerts statthaft. Während der Wert des Streitgegenstandes vom Arbeitsgericht auf 2 0 8 0 — D M festgesetzt worden war, hat ihn das Landesarbeitsgericht neu auf 10 0 0 0 , — D M festgesetzt. Der Klageantrag war zwar auch im zweiten Rechtszuge unverändert auf die Feststellung gerichtet, daß die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin seit dem 5. Juni 1 9 5 3 ein Witwengeld zu zahlen. Das Berufungsgericht hat sich aber, wie in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt ist, zu einer Neufestsetzung des Streitwerts gemäß § 6 9 Abs. 2 A r b G G für befugt gehalten, weil sich der Streitwert im zweiten Rechtszuge geändert habe. Die Höhe der von der Klägerin beanspruchten Rente sei nämlich erst in der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens von den Parteien auf etwa 2 0 0 , — D M monatlich angegeben und früher überhaupt nicht erörtert worden. Daher müsse angenommen werden, daß das Arbeitsgericht bei der Wertfestsetzung von einem anderen Rentenbetrag ausgegangen sei. Der sich aus der Antragsbegründung ergebende Wert des Klageanspruchs habe sich somit durch das neue Parteivorbringen im zweiten Rechtszuge geändert. O b diese Annahme des Landesarbeitsgerichts irrig ist, unterliegt nicht der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Zwar sind die höheren Instanzen an die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts, die für die Statthaftigkeit der Rechtsmittel maßgebend ist, auch dann gebunden, wenn •die Wertfestsetzung unrichtig ist. Durch die Wertfestsetzung soll von vornherein Klarheit über die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln geschaffen werden. Das Berufungsgericht darf daher den Streitwert nicht neu festsetzen, um lediglich eine im erstinstanzlichen Urteil enthaltene falsche Wertfestsetzung zu berichtigen. Es darf das gemäß § 69 Abs. 2 A r b G G nur dann tun, wenn sich der Streitwert geändert hat. Wenn das Berufungsgericht dies aber, wie es hier der Fall ist, angenommen hat, so darf diese Auffassung auf ihre Richtigkeit von der höheren Instanz ebensowenig nachgeprüft werden wie die Wertfestsetzung selbst. Vielmehr ist dann das Revisionsgericht an die vom Berufungsgericht vorgenommene Neufestsetzung des Streitwerts gebunden (ebenso B A G , AP Nr. 8 und 18 zu § 6 9 A r b G G mit Anmerkungen von Pohle; R A G , ARS 30, 2 6 3 ; DietzNikisch, A r b G G , § 6 9 Anm. 19; Dersch-Volkmar, A r b G G , § 69 Anm. 12, 13). II. Die Klägerin leitet ihren Anspruch aus dem Vertragsverhältnis her, das zwischen ihrem verstorbenen Ehemann und der Beklagten be-

3. Knappschaftsarzt

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standen hat. Das Berufungsgericht hat darin einen Dienstvertrag des bürgerlichen Rechts gesehen, bei dem es aber an der für ein Arbeitsverhältnis erforderlichen persönlichen Abhängigkeit des Dienstpflichtigen gefehlt habe. Wenn diese Ansicht richtig ist, so würden für Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis nicht die Arbeitsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zuständig sein. Dies war jedoch schon vom Berufungsgericht nicht mehr von Amts wegen zu prüfen, weil die Beklagte, ohne die Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts zu rügen, im ersten Rechtszuge zur Hauptsache mündlich verhandelt hatte (§ 64 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; § 528 Satz 2 ZPO). Entsprechendes gilt für das Revisionsgericht (§§ 72 Abs. 3 ArbGG, 566, 528 Satz 2 ZPO). III. Von Amts wegen zu prüfen ist jedoch audh vom Revisionsgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs, nämlich die Frage, ob der Klageansprudi etwa vor den Sozialgerichten zu verfolgen ist. Das war zu verneinen. Gegenstand des Vertrages war die ärztliche Betreuung der in einem bestimmten Bezirk (Sprengel) wohnenden Mitglieder der beklagten Knappschaft. Nach § 51 Abs. 1 SGG entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung die Sozialgerichte. Angelegenheiten der Sozialversicherung sind nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG „auch die Angelegenheiten, die auf Grund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen (Kassenarztrecht) im Rechtsweg zu entscheiden sind". Es wird die Ansicht vertreten, daß unter „Kassenarztrecht" im Sinne des § 51 Abs. 2 SGG nur die Beziehungen zwischen Ärzten und Zahnärzten zu den in § 225 R V O genannten Kassen (Orts-, Land-, Betriebsund Innungskrankenkassen) gemeint seien. Damit stimmt überein, daß in dem durch das Gesetz über Kassenarztrecht (GKAR) vom 17. August 1955 (BGBl. S. 513) neu gefaßten § 368 R V O bei dem Begriff „Krankenkassen" auf § 225 R V O verwiesen wird (vgl. hierzu Peters-Sautter-Wolff, Anm. 10 f. zu § 51 SGG). Es kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Bezieht man nämlich § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG allein auf die in § 225 R V O genannten Krankenkassen, so besagt diese Bestimmung nur, daß a u c h die Beziehungen der Ärzte und Zahnärzte zu diesen Kassen Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG sind; sie schließt aber nicht aus, daß auch die Beziehungen von Ärzten zu anderen als den in § 225 R V O genannten Versicherungsträgern Angelegenheiten der Sozialversicherung sein können (ebenso Peters-Sautterr Wolff, a. a. O.). Da unter den Begriff der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG auch die Knappschaftsversicherung fällt, wird man viel2 Entscheid, d. BAG. 6

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3. Knappschaftsarzt

mehr auch Verträge, die die Knappschaften zur Erfüllung von Aufgaben der Knappschaftsversicherung mit Ärzten abschließen, als eine Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne dieser Bestimmung anzusehen haben. Andererseits wäre aber die Zuständigkeit der Sozialgerichte nicht schon aus § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG herzuleiten, wenn man unter Kassenarztredit im Sinne dieser Bestimmung auch die Beziehungen der Knappschaften zu den Ärzten verstehen wollte. Denn § 51 Abs. 1 SGG bestimmt allgemein, daß in Angelegenheiten der Sozialversicherung, also auch in den nach Abs. 2 hierunter fallenden Angelegenheiten des Kassenarztrechtes, die Sozialgerichte nur über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zu entscheiden haben (ebenso Peters-Sautter-Wolff, a. a. O . ; Mellwitz, § § 4 , 16 zu § 51 SGG; Hess-Venter, Das Gesetz über Kassenarztrecht, S. 327 mit weiteren Nachweisen). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte war an dem Vertragsverhältnis mit dem Ehemann der Klägerin nicht als Träger übergeordneter Gewalt, sondern als gleichberechtigter Vertragspartner beteiligt (Subjektstheorie; vgl. Enneccerus-Nipperdey, Lehrbuch, Allg. Teil, § 34 II, 2 ; R G Z 166, 2 2 6 ; BGH 14, 226). Zwar diente der Vertrag der Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben der Beklagten. Diese Aufgaben waren aber nicht in den rechtlichen Beziehungen der Vertragsparteien zueinander begründet. Die Beklagte konnte daher die ärztliche Betreuung ihrer Mitglieder dem Ehemann der Klägerin durch die Begründung eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses übertragen, sofern dem nicht zwingende öffentlichrechtliche Vorschriften entgegenstanden. Das war nicht der Fall. Bei Abschluß des Vertrages (1936) galt das Reichsknappschaftsgesetz (RKnG) in der Fassung vom 1. Juli 1926 (RGBl. I, S. 369). Nach § 204 RKnG wurde das Verhältnis zu den Ärzten von der Reichsknappschaft nach den örtlichen Bedürfnissen der Bezirksknappschaften geregelt. Damit war das aus der geschichtlichen Entwicklung des Knappschaftsrechts übernommene Recht der freien vertraglichen Gestaltung des Verhältnisses zu den Ärzten aufrecht erhalten. Es galt insbesondere für die Knappschaftsärzte nicht die Regelung der §§ 368 bis 369 b R V O über die Zulassung zur Kassenpraxis. Hieran hat sich auch später nichts geändert (Näheres siehe bei Geselle, Anm. 1 zu § 204 RKnG, und Sievers, Das Zulassungsrecht, 1957, S. 15). Zu einem Vertrag zwischen der Reichsknappschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands, in die der frühere Reichs verband Deutscher Knappschaftsärztevereine 1933 aufgenommen war, kam es, wie auch die Prozeßparteien übereinstimmend vorgetragen haben, bis 1945 nicht mehr; in die mit den Ärzten abgeschlossenen Verträge wurde nicht eingegriffen. An Stelle der Reichsknappschaft wurden gemäß § 12 des

4. Hauptverwaltung eines Unternehmens und Betriebsratspflidit

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Knappsdiaftsversicherungsanpassungsgesetzes vom 30. Juli 1949 (WiGBl. S. 202) die Bezirksknappschaften, die früher nur im Auftrage der Reichsknappschaf t gehandelt hatten ( § 2 8 1 RKnG), Träger der Sozialversicherung. Aber weder dieses Gesetz noch später erlassene Zulassungsordnungen haben die Zulassung zur Knappschaftspraxis geregelt. Das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Ehemann der Klägerin, das spätestens mit dessen Tode im Jahre 1953 beendet worden ist, ist daher immer ein privatrechtliches geblieben, so daß die Zuständigkeit der Sozialgerichte nicht gegeben ist (ebenso für die Rechtsbeziehungen der Knappschaften zu ihren Sprengelärzten Hofmann-Sdiroeter, Anm. 9 zu § 51 SGG; Miesbadi-Ankenbrank, SGG, § 51, S. 42 c; SozG Münster, ZfS 1955, 75 mit Anm. von May; anders Peters-Sautter-Wolff, a. a. O.). IV. . . . 4 1. Die Hauptverwaltung eines Unternehmens, dem nur ein Betrieb angehört, stellt keinen eigenen selbständigen Betrieb dar und wählt deshalb keinen eigenen Betriebsrat. 2. Besteht ein Unternehmen aus mehreren Betrieben, die unter der Oberleitung einer für alle diese Betriebe zuständigen Hauptverwaltung stehen, die mit keinem der Betriebe räumlich oder organisatorisch eng zusammenhängt, so bildet die Hauptverwaltung im allgemeinen einen selbständigen Betrieb im Sinne der §§ 1 und 8 BetrVG, und es ist ein eigener Betriebsrat zu wählen. 3. Hängt aber die Hauptverwaltung eines aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmens räumlich oder organisatorisch eng mit einem dieser Betriebe zusammen, und ist dieser mit der Hauptverwaltung verbundene Produktionsbetrieb gegenüber den übrigen zu dem Unternehmen gehörenden Betrieben nach der Zahl der Belegschaft von besonderer Bedeutung, so bildet die Hauptverwaltung keinen selbständigen Betrieb, der einen eigenen Betriebsrat wählen kann. 4. Wenn jedodi die übrigen Betriebe des Unternehmens, von denen keiner in der gekennzeichneten Verbindung mit der Hauptverwaltung steht, zusammen nach der Zahl ihrer Belegschaften den mit der Hauptverwaltung räumlich oder organisatorisch eng verbundenen Betrieb überwiegen, dann ist die Hauptverwaltung ein selbständiger Betrieb, oder sie gilt doch als eigenständiger Betrieb. In diesem Fall muß sie einen eigenen Betriebsrat wählen. BetrVG §§ 1, 3, 8. 2*

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4. Beitriebsratspflicht für eine Hauptverwaltung:

I. Senat. Beschluß vom 9. Mai 1958 i. S. IG B. u. a. (Antragstellerin) w. IG M. u. a. (Antragsgegner) 1 ABR 5/57. I. Arbeitsgericht Wetzlar. — II. Landesarbeitsgericht

Frankfurt/Main.

Die Antragsgegnerin zu 3) ist ein Unternehmen der eisenschaffenden Industrie mit dem Sitz in W. und einer Belegschaft von etwa 2 5 0 0 Mann. Zum Unternehmen gehören vor allem die Hauptverwaltung, neun Erzgruben und zwei Hüttenwerke. Ein Hüttenwerk befindet sich in O . und hat eine Belegschaft von 237 Mann. Die neun Gruben befinden sich in der weiteren Umgebung von W. und haben eine durchschnittliche Belegschaft von 112 Mann. Die Belegschaft bei den einzelnen Gruben schwankt zwischen 26 und 445 Mann. Das Hüttenwerk O. und die neun Erzgruben haben je einen eigenen Betriebsrat. Das zweite Hüttenwerk befindet sich in W. und hat 872 Arbeitnehmer. Bei diesem Werk befinden sich die Reparaturwerkstatt, die Betreuung der elektrischen Anlagen, die metallurgische Abteilung, der Kraftfahrzeugbetrieb, die Knappschaftszahlstelle, die Zentrallagerverwaltung und das Büromaterialienlager. All diese Stellen sind für alle Werke des Unternehmens tätig. Die Hauptverwaltung beschäftigt 2 0 0 Arbeitnehmer in dem neuen Verwaltungsgebäude, während 100 weitere Angestellte, die zur Hauptverwaltung gehören, außerhalb des Verwaltungsgebäudes tätig sind. Bevor das neue Verwaltungsgebäude bezogen wurde — es befindet sich 750—1000 m von dem Werk W. entfernt —, war die Verwaltung gegliedert in eine Bergverwaltung, die ihren Sitz in der Stadt W. hatte und einen eigenen Betriebsrat besaß, und die Hüttenverwaltung, die auf dem Gelände des Werkes W. betrieben wurde und mit diesem einen einheitlichen Betriebsrat gebildet hatte. Als das neue Verwaltungsgebäude im Februar 1957 bezogen wurde und eine Betriebsratswahl stattfinden sollte, wurde vom Wahlvorstand beschlossen, einen einheitlichen Betriebsrat für die gesamte Hauptverwaltung und das Werk W. zu bilden. Hiermit waren die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, nämlich die Deutsche Angestelltengewerkschaft und die Industriegewerkschaft Bergbau, nicht einverstanden. Sie haben deshalb im Beschlußverfahren den Antrag gestellt, festzustellen, daß die Hauptverwaltung der Antragsgegnerin zu 3) ein selbständiger Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sei. Der Vorstand, die ebenfalls im Betrieb vertretene Industriegewerkschaft Metall und der Betriebsrat haben um Zurückweisung dieses Antrags gebeten. Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag erkannt. Auf die Beschwerde des Vorstands, der Industriegewerkschaft Metall und des

4. Hauptverwaltung und Betriebsratspflidit

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Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der DAG und der IG Bergbau führten zur Wiederherstellung des Beschlusses des Arbeitsgerichts aus den folgenden Gründen: Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist der Senat zu der Auffassung gekommen, daß die Hauptverwaltung der Antragsgegnerin zu 3) als selbständiger Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen ist und deshalb einen eigenen Betriebsrat zu bilden hat. Die Frage, ob die Hauptverwaltung eines Unternehmens einen eigenen selbständigen Betrieb im Sinne der §§ 1 und 8 BetrVG bildet, die einen eigenen Betriebsrat zu wählen hat, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Sie ist sicherlich zu verneinen, wenn das Unternehmen nur e i n e n Betrieb hat und die Hauptverwaltung sich in der Führung und Verwaltung dieses einen Betriebes erschöpft. In einem solchen Falle kann die Hauptverwaltung auch nicht als selbständiger Betrieb im Sinne des § 3 BetrVG angesehen werden, weil sie etwa durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig wäre. Anders kann die Rechtslage sein, wenn ein Unternehmen aus mehreren Betrieben besteht, die unter der Oberleitung einer für alle diese mehreren Betriebe zuständigen Hauptverwaltung stehen. Hängt in einem solchen Falle die Hauptverwaltung mit keinem der mehreren Betriebe des Unternehmens räumlich oder organisatorisch eng zusammen, so wird sie im allgemeinen einen selbständigen Betrieb im Sinne der §§ 1 und 8 BetrVG bilden und einen eigenen Betriebsrat zu wählen haben. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, daß die Hauptverwaltung eines Unternehmens mit einem der mehreren Betriebe räumlich oder organisatorisch eng zusammenhängt, insbesondere in der Weise, daß in ihre Leitung gleichzeitig die Leitung des mit der Hauptverwaltung verbundenen Betriebes weitgehend eingebaut ist. In einem solchen Falle kann die Organisation so gestaltet sein, daß der mit der Hauptverwaltung in der dargelegten Weise verbundene Produktionsbetrieb gegenüber den übrigen zu dem Unternehmen gehörenden Betrieben von besonderer Bedeutung ist, so daß die Hauptverwaltung gerade für diesen Betrieb überwiegend in Anspruch genommen ist. Dabei muß im Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes, das es stark auf die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer abstellt, als entscheidendes Merkmal für eine solche besondere Bedeutung die Stärke der Belegchaft angesehen werden. Ist also nach der Zahl der Angehörigen des mit der Hauptverwaltung verbundenen Betriebes dieser gegenüber den übrigen Betrieben von besonderer Bedeutung,

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4. Betriebsratspflicht einer

Hauptverwaltung

so kann die Hauptverwaltung diesem Betrieb gegenüber nicht als selbständiger Betrieb im Sinne der §§ 1 und 8 BetrVG und audi nicht als selbständiger Betriebsteil im Sinne des § 3 BetrVG angesehen werden. Es muß dann vielmehr dabei verbleiben, daß es sich um einen einheitlichen, aus der Hauptverwaltung und diesem Betrieb gebildeten Betrieb handelt, für den nur e i n Betriebsrat zu wählen ist. Eine andere Beurteilung muß aber Platz greifen, wenn die übrigen Betriebe des Unternehmens, von denen keiner in der gekennzeichneten Verbindung mit der Hauptverwaltung steht, zusammen nach der Zahl ihrer Belegschaften eine überwiegende Bedeutung haben. Denn in einem 6olchen Falle hat die Hauptverwaltung einen besonders weitgehenden Aufgabenbereich hinsichtlich dieser übrigen Betriebe, der jedenfalls nicht hinter den Funktionen für den mit der Hauptverwaltung verbundenen Betrieb zurücktritt. Deshalb muß die Hauptverwaltung bei einer solchen Sachlage entweder als selbständiger Betrieb im Sinne der §§ 1 und 8 BetrVG angesehen werden, oder sie muß doch als ein nach Organisation und Aufgabenbereich eigenständiger Betrieb im Sinne des § 3 BetrVG gelten, so daß sie einen eigenen Betriebsrat wählen muß. Denn in diesem Falle liegt der überwiegende arbeitstechnische Zweck der Hauptverwaltung in der Erledigung der Verwaltungsaufgaben für a l l e Betriebe des Unternehmens, nicht nur für den mit der Hauptverwaltung verbundenen Betrieb. Auf dem für den Betriebsbegriff ausschlaggebenden Gebiet der arbeitstechnischen Zielsetzung bestehen dann zwischen der Hauptverwaltung einerseits, dem mit ihr verbundenen Betrieb andererseits so erhebliche Unterschiede, daß von einer arbeitstechnischen Einheit keine Rede mehr sein kann. Deshalb müssen in einem solchen Fall Hauptverwaltung und Betrieb als zwei selbständige Betriebe angesehen werden. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergeben, daß hier ein Fall der letztgenannten Art vorliegt. Danach überwiegen die Belegschaften des Hüttenwerks O. und der neun Gruben der Zahl nach erheblich die des Werkes W. Im Hüttenwerk W. werden 872 Arbeitskräfte beschäftigt, während in den übrigen zehn Betrieben zusammen 1245 Arbeitnehmer tätig sind. Insgesamt ist also die Hauptverwaltung mit der Erledigung der Verwaltungsaufgaben für 2 1 1 7 Arbeitnehmer befaßt, von denen nur 872 zur Belegschaft des Werkes W. gehören. Bei dieser Sachlage muß jedenfalls für die Anwendung des Betriebsvertretungsrechts davon ausgegangen werden, daß der arbeitsrechtlichen Bedeutung nach die auswärtigen Werke dem Hüttenwerk W. gegenüber überwiegen. Daraus folgt, daß der Aufgabenbereich der Hauptverwaltung sich in starkem Maße und überwiegend auf die auswärtigen Belegschaftsmitglieder erstreckt, sich aber nicht vor

5. Provisionsansprudi eines Handlungsgehilfen

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allem in der Betreuung der Belegschaftsmitglieder des Werkes W. erschöpft. Dies hat zur Folge, daß sowohl die Hauptverwaltung wie das Werk W. als je ein selbständiger Betrieb angesehen werden müssen, so daß beide nicht einen gemeinsamen Betriebsrat haben können. Dem steht auch nicht entgegen, daß ein Teil der Angestellten der Hauptverwaltung nicht im Verwaltungsgebäude, sondern auf dem Betriebsgelände des Werkes W. seinen Arbeitsplatz hat. Dadurch wird die Zugehörigkeit dieser Angestellten zur Hauptverwaltung nicht berührt. Zu deren Betriebsrat sind somit nicht nur die Angestellten wahlberechtigt, die im Verwaltungsgebäude selbst beschäftigt werden, sondern auch diejenigen, die zwar auf dem Werksgelände des Betriebes W. tätig sind, deren Aufgabengebiet sich jedoch nicht auf das W. beschränkt, sondern die Betreuung aller Betriebe des Unternehmens zum Gegenstand hat.

5

1.

Der

§ 8 9 b HGB.

Handlungsgehilfe

hat

keinen

Ausgleichsanspruch

nach

2. Der auf Provision angestellte Handlungsgehilfe behält den ProVisionsanspruch über die sechswöchige Dauer einer Arbeitsunfähigkeit hinaus.

HGB §§

6 3 , 6 5 , 8 9 b.

II. Senat. Urteil vom 3. Juni 1958 i. S. S. (Kl.) w. Fa. Gebr. R. (Bekl.) 2 AZR 6 3 8 / 5 7 . I. Arbeitsgericht Stuttgart. — II. Landesarbeitsgeridit

Stuttgart.

Der Kläger betrieb bis zum Jahre 1949 als selbständiger Unternehmer ein Kohlengeschäft in St., zu dem ein nidht unerheblicher Kundenstamm gehörte. Im August 1950 ging er mit der Beklagten ein Arbeitsverhältnis als Handlungsgehilfe ein. Als Vergütung war vereinbart: „ein monatliches Fixum von 250,— DM plus 10 Pfennig Provision je Zentner für alle zu normalen Hausbrandlistenpreisen gelieferten und bezahlten Mengen seiner bisherigen Kunden und neu von ihm geworbenen Verbraucher." Der Kläger nahm die für ihn vorgesehene Tätigkeit auf und leistete diese bis zum 7. Dezember 1954. An diesem Tage erkrankte er an Lungentuberkulose und wurde arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlte ihm bis zum 31. Januar 1955 das vereinbarte Gehalt von 250,— DM und eine

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5. Provisionsansprudi eines Handlungsgehilfen

durchschnittliche Provision von monatlich 200,— DM, stellte dann aber diese Zahlungen an den Kläger ein. Mit der Klage verlangt der Kläger die Bezahlung der vereinbarten Provision von 0,10 DM je Zentner für die in der Zeit vom 1. Februar J 955 bis 31. Dezember 1956 ausgeführten Lieferungen an seine Kunden, die er in das Vertragsverhältnis mit der Beklagten eingebracht hatte, und an die weiteren Kunden, die er während dieses Vertragsverhältnisses für die Beklagte neu geworben hatte. Dabei gibt der Kläger die Lieferungen in der Zeit vom 1. Februar 1955 bis zum 31. Dezember 1956 nicht im einzelnen an, verlangt vielmehr eine aus den Lieferungen der vorhergehenden Jahre errechnete Durchschnitts-Gesamtprovision. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da der Kläger keine Provisionsansprüche geltend machen könne. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 1000,— DM verurteilt, im übrigen aber die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 2 9 6 0 , 6 1 DM; die Beklagte will mit der von ihr eingelegten Anschlußrevision Abweisung der Klage in vollem Umfange erreichen. Die Revision und die Anschlußrevision führten zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht aus folgenden Gründen: Das Landesarbeitsgericht führt in seinen Entscheidungsgründen aus, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe und daß dieses Arbeitsverhältnis durch Kündigung zum 31. Dezember 1956 erloschen sei. Die Beklagte habe deshalb nach der Erkrankung des Klägers am 7. Dezember 1954 Gehalt und Provision auf die Dauer von 6 Wochen zahlen müssen (§ 63 HGB), was sie auch getan habe. Darüber hinaus habe aber für die Beklagte eine Pflicht zur Fortzahlung des Gehalts und der Provision an den Kläger nicht bestanden. Eine solche folge weder aus dem Gesetz noch aus den hier vorliegenden vertraglichen Vereinbarungen. Aus Billigkeitsgründen ergebe sich jedoch ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Betrages von 1000,— DM als einer Ausgleichsleistung. Zwar habe der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht den Ausgleichsanspruch, den § 89 b HGB dem Handelsvertreter zubillige. Dem Arbeitnehmer müsse aber dann ein Ausgleichsanspruch eingeräumt werden, wenn er einen Kundenstamm in das Arbeitsverhältnis eingebracht habe. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs könne in entsprechender Anwendung von der Regel des § 89 b ausgegangen werden. Der monatliche Erlös an Pro-

5. Handlungsgehilfe und

Ausgleichsanspruch

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vision aus Geschäften mit den bereits in das Arbeitsverhältnis eingebrachten Kunden (nur diese, nicht auch die während des Arbeitsverhältnisses neu geworbenen Kunden seien zu berücksichtigen) habe etwa 120,— bis 125,— DM betragen. Das etwa 8fache davon, also 1000,— DM, seien dem Kläger zuzubilligen. Diese Rechtsausführungen des Landesarbeitsgerichts sind nicht frei von Rechtsirrtum. I. Das Landesarbeitsgericht wendet zugunsten des Klägers die Vorschrift des § 89 b aus dem Handelsvertreterrecht des HGB entsprechend an. Eine solche entsprechende Anwendung scheitert im vorliegenden Falle schon daran, daß der Kläger Ansprüche geltend macht, die v o r Beendigung des Anstellungsverhältnisses entstanden sein sollen. Der Kläger verlangt Provision für die Zeit vom 1. Februar 1955 bis zum 31. Dezember 1956. Während dieser Zeit bestand aber das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch; es ist erst zum 31. Dezember 1956 beendet worden. Audi der Handelsvertreter kann nicht nach § 89 b HGB solche Ansprüche geltend machen, die bereits während des Bestehens des Handelsvertreterverhältnisses entstanden sind. Die Geltendmachung solcher Ansprüche regelt sich nicht nach § 89 b HGB, sondern nach den gesetzlichen (insbesondere §§ 87 f. HGB) oder vertraglichen Bestimmungen, die derartige während der Dauer des Vertragsverhältnisses entstehende Ansprüche rechtfertigen. Voraussetzung für die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen des § 89 b ist auch für den Handelsvertreter, daß das Handelsvertreterverhältnis beendet ist. Dies ergibt sich eindeutig aus § 89 b Abs. 1 HGB. Insbesondere hat § 89 b HGB nicht etwa die Bedeutung, daß der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses n u r noch den Ausgleichsanspruch geltend machen kann, also nicht mehr solche Ansprüche, die bereits während des Laufes des Vertragsverhältnisses entstanden sind. Auch diese Ansprüche kann er vielmehr noch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend machen. Darüber hinaus ist aber die Anwendung von § 89 b HGB als einer gerade für das Handelsvertreterverhältnis, und nur für dieses, zugeschnittenen Sonderbestimmung zugunsten von Arbeitnehmern, die als unselbständige Arbeitskräfte in einem Arbeitsverhältnis stehen, nicht möglich. Aus diesem Grunde kann der Kläger auch nicht hilfsweise die Zuerkennung der von ihm eingeklagten Summe als einer Ausgleichsleistung rechtfertigen. Zunächst nimmt § 65 HGB, der sich mit dem Provisionsanspruch der Handlungsgehilfen befaßt, den § 89 b nicht in bezug. Bereits dies spricht

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5. Handlungsgehilfe und

Ausgleidisansprudi

dafür, daß der Handlungsgehilfe den Ausgleidisansprudi nach § 89 b HGB nidit hat. Das Gesetz gibt ihm jedenfalls diesen Anspruch nicht unmittelbar. Audi eine entsprechende Anwendung des Ausgleidisrechts des Handelsvertreters ist bei Arbeitsverhältnissen nicht möglich. Die Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum HGB vom 1. August 1953 (Recht der Handelsvertreter) hat zwar wiederholt anerkannt, daß Grundsätze des damaligen Handlungsagentenrechts auch auf Rechtsverhältnisse zwischen einem Unternehmer und einer Person, die nicht Handlungsagent war, entsprechend anwendbar sein können. So hat das Reichsgericht in der Entscheidung vom 18. Februar 1920 (LZ 1920, S. 827) Handlungsagentenrecht (Recht auf Bezahlung von Bezirksprovisionen) für solche Fälle angewendet, in denen ein Unternehmer einen anderen Unternehmer zum Verkauf im eigenen Namen ermächtigt hatte (Kommissionsagent). Bereits früher hatte das Reichsgericht in der Entscheidung vom 24. Oktober 1908 (RGZ 69, 363) die Kündigungsvorschriften des Handlungsagentenrechts auf Kommissionsagenten angewendet. Die gleiche Ansicht hat das Reichsgericht in der Entscheidung vom 8. Januar 1929 (RG in J W 1929, S. 1291) erneut vertreten und am 9. Mai 1934 in HRR 1934 Nr. 1298 bestätigt. Das Oberlandesgericht Braunsdiweig hat in einer Entscheidung vom 14. Februar 1922 (OLG 42, S. 212) Handlungsagentenrecht auf Alleinverkäufer angewendet, die im eigenen Namen verkauften und dafür eine Provision erhielten. Nadi Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. August 1953 hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 2. April 1957 (BB 57, S. 452) Handelsvertreterrecht auch auf Eigenhändler angewendet. Auch im Schrifttum sind entsprechende Ansichten vertreten worden (vgl. Würdinger in RGR-Kommentar zum HGB, 2. Aufl., 1953, § 84 Anm. 6 ; Baumbach-Duden, HGB, 11. Aufl., § 84 Anm. 3 F. und Anm. 3 G; Schröder, Recht der Handelsvertreter 1956, § 84 Anm. 2 0 ; derselbe in BB 58, S. 252). Die Frage, ob Handelsvertreterrecht, insbesondere das Ausgleichsrecht nach § 8 9 b HGB entsprechend auf A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e angewendet werden kann, ist aber zu verneinen. Das Handelsvertreterrecht der §§ 84 f. HGB scheidet ganz scharf zwischen selbständig Tätigen und nichtselbständig Tätigen. Nach § 84 Absatz 2 HGB gilt derjenige, der ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, als Angestellter dieses Unternehmers, wenn er nicht selbständig im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB ist. Er ist also n i c h t Handels-

5. Handlungsgehilfe und Ausgleichsanspruch

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Vertreter und hat deshalb auch nicht die Rechte eines Handelsvertreters. Für diese unselbständigen Personen wird sonach kraft Gesetzes der zwischen ihnen und dem Auftraggeber abgeschlossene Beschäftigungsvertrag zum Arbeitsvertrag gemacht. Eine Norm, die unmittelbar nur für Handelsvertreter, also für selbständig tätige Unternehmer mit eigenem Unternehmerrisiko gilt, kann nicht entsprechend auf Arbeitnehmer, die nicht selbständige Unternehmer sind und auch kein eigenes Unternehmerrisiko tragen, angewendet werden. Dem stehen die Unterschiede in der rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung des Handelsvertreters einerseits und des Arbeitnehmers andererseits entgegen. § 89 b H G B stellt eine auf die besonderen Verhältnisse des Handelsvertreterverhältnisses abgestellte Sondernorm dar. Wo Rechtsprechung und Schrifttum bisher Normen des Handelsvertreterrechts auf andere Rechtsverhältnisse für entsprechend anwendbar erklärt haben, handelt es sich immer um Rechtsverhältnisse zwischen selbständigen Gewerbetreibenden, selbständigen Unternehmern mit eigenem Unternehmerrisiko, nicht aber um Rechtsverhältnisse, bei denen sich die Parteien als Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis gegenüberstanden. Der Ausgleichsgedanke des § 89 b H G B beruht, wie sich auch aus der amtlichen Begründung zu dem Regierungsentwurf für das Gesetz vom 8. August 1953 (Bundestags-Drucksache Nr. 38 56, 1. Wahlperiode) ergibt, gerade auf der Tatsache, daß der Handelsvertreter selbständiger Gewerbetreibender ist und als solcher seinen Kundenstamm als einen für sein Unternehmen erheblichen Vermögenswert in das Vertragsverhältnis eingebracht oder sich während des Vertragsverhältnisses einen solchen Kundenstamm gleichzeitig auch für sein ausgeübtes Handelsvertretergewerbe erworben hatte. Dieser sein Kundenstamm und die zugunsten des Unternehmers insoweit fortwirkende Leistung (Werbung und Verschaffung dieses Kundenstammes) des Handelsvertreters soll ihm bei einer Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, bei dem der Unternehmer weiter mit dem ihm vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm in Geschäftsverbindung bleibt, unter den Voraussetzungen des § 89 b H G B vergütet werden. Die wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers ist demgegenüber eine völlig andere. Was er an Werbung von Kunden für seinen Arbeitgeber geleistet hat, hat er ausschließlich in Ausführung des ihm erteilten Auftrages für das Gewerbe des Unternehmers erbracht, nicht aber gleichzeitig für ein von ihm daneben geführtes eigenes Handelsgewerbe. Der Arbeitnehmer steht in dem sozialrechtlichen Arbeitsverhältnis unter weitgehender sozialer Sicherung. Ihm kommen z. B. die Vorschriften des Kündigungsschutzrechts und des Sozialversicherungsrechts zugute. All das

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5. Handlungsgehilfe und

Ausgleidisanspruch

gilt nicht für den Handelsvertreter. Es besteht daher wirtschaftlich im Arbeitsverhältnis keine Gesamtsituation, die der des HandelsvertreterVerhältnisses entspricht. Insbesondere ist hervorzuheben, daß der Arbeitnehmer im Gegensatz zum Handelsvertreter ein eigenes Unternehmerrisiko nicht trägt und in Ausführung der ihm gestellten Aufgabe nicht gleichzeitig für ein eigenes Handelsgewerbe in der Form der Vergrößerung von dessen Kundenkreis tätig ist. An dieser Verschiedenheit der rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtsituation des selbständigen Handelsvertreters einerseits und des unselbständigen Arbeitnehmers andererseits scheitert die entsprechende Anwendung des § 89 b HGB zugunsten von unselbständigen Arbeitnehmern. Auch dann, wenn, wie es hier der Fall ist, der Handlungsgehilfe früher selbständig war und während der früheren Selbständigkeit sich einen eigenen Kundenstamm gesammelt hat, kann er bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses — im Gegensatz zur Ansicht des Landesarbeitsgerichts — keine Ausgleichsansprüche unter entsprechender Anwendung des § 89 b HGB geltend machen. Die Aufgabe des eigenen Handelsgewerbes und damit die Aufgabe des eigenen Kundenstammes und dessen Einführung in das nunmehr beginnende Arbeitsverhältnis beruht eben auf der Entscheidung des früher Selbständigen, jetzigen Arbeitnehmers, sich in ein Arbeitsverhältnis zu begeben. Damit verliert er die Rechte und die wirtschaftliche Lage eines selbständigen Unternehmers, er gibt aus eigenem Willensentschluß sein selbständiges Handelsgewerbe auf und unterscheidet sich damit von dem Handelsvertreter, der gerade in Ausführung des von ihm abgeschlossenen Handelsvertretervertrages im Einverständnis mit dem Unternehmer, mit dem er das Handelsvertreterverhältnis eingeht, seinen Gewerbebetrieb fortsetzt und die Aufgaben, die ihm der Handelsvertretervertrag setzt, gleichzeitig auch unter Einsetzung seiner eigenen unternehmerischen Betätigung ausführt, damit auch für sein eigenes fortbestehendes Handelsgewerbe in der Form der Kundengewinnung tätig ist. Der Handelsvertreter setzt während des Handelsvertreterverhältnisses sein Handelsgewerbe fort; der früher Selbständige, der seine Selbständigkeit aufgibt und ein Arbeitsverhältnis eingeht, gibt damit auch das früher von ihm betriebene Gewerbe und die in diesem Gewerbebetrieb liegenden Werte auf. Er gewinnt dafür die sozial- und arbeitsrechtlich geschützte Rechtstellung des Arbeitnehmers. Sonach ist eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB auf Arbeitsverhältnisse nicht möglich. Insbesondere ist eine entsprechende Anwendung dieser nur auf das Handelsvertreterverhältnis abgestimmten

5. Provisionsansprudi des Handlungsgehilfen

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Vorschrift aus reinen Billigkeitsgründen im Gegensatz zur Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht zulässig. Diese Feststellung nötigt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils auf die Anschlußrevision der Beklagten; denn das Urteil beruht allein auf der Erwägung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus Billigkeitsgründen unter entsprechender Anwendung des § 89 b HGB zu. II. Gleichwohl ist aus anderem Rechtsgrund der von dem Kläger verfolgte Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt. Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag sollte der Kläger neben den ihm ausgesetzten festen monatlichen Bezügen in Höhe von 250,— D M 10 Pfennig Provision je Zentner für alle zu normalen Hausbrandlisten gelieferten und bezahlten Mengen seiner bisherigen Kunden und der von ihm neu geworbenen Verbraucher erhalten. Diese Provision sollte monatlich ausgezahlt werden. Für andere als zu den normalen Hausbrandlisten gelieferten und bezahlten Mengen sollte der Kläger ebenfalls Provision erhalten, jedoch sollte diese von Fall zu Fall festgesetzt werden. Nach diesen Vereinbarungen sollte der Kläger also z u n ä c h s t für Geschäfte, die von ihm geschlossen oder vermittelt wurden, Provision erhalten. Auf einen solchen Fall ist die Vorschrift des § 65 HGB anzuwenden, die wiederum zur Anwendung der Vorschrift des § 87 Abs. 1 HGB führt. Danach hat der Kläger Anspruch auf Provision für alle während des Arbeitsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. W e i t e r hat der Kläger nach den mit ihm getroffenen Vereinbarungen und auch nach §§ 65, 87 HGB Provisionsansprüche für solche während des Arbeitsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Kläger bei diesen späteren Geschäften mitgewirkt hat oder auch nur mitwirken konnte. § 65 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 HGB gibt sonach dem Kläger auch einen Anspruch auf Provision für solche Geschäfte, an denen er nicht mitgewirkt hat, die aber mit Kunden abgeschlossen worden sind, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Der Kreis dieser Kunden ist dahin bestimmt, daß als vom Kläger geworbene Kunden nicht nur die Kunden gelten, die er während des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten geworben hat, sondern auch solche Kunden, die er bereits früher zur Zeit seiner Betätigung als selbständiger Unternehmer geworben und die er dann in das Vertragsverhältnis mit der Beklagten eingebracht hat.

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5. Provisionsansprüche im Krankheitsfall

Im Zusammenhang mit § 63 HGB führt diese vertragliche und gesetzliche Regelung zu folgendem Ergebnis: a) Nach § 63 HGB ist der durch unverschuldetes Unglück an der Leistung der Dienste verhindert gewesene Kläger berechtigt, auf die Dauer von 6 Wochen Gehalt einschließlich Provision zu verlangen. Die Höhe des ihm nach § 63 HGB zustehenden Gehalts steht betragsmäßig fest. Als Provision muß er den Betrag erhalten, den er im Durchschnitt der letzten Monate verdient hat. Diese Ansprüche hat die Beklagte durch die von ihr bis zum 1. Februar 1955 geleisteten Zahlungen unstreitig erfüllt. Begrifflich stellt § 63 HGB eine Ausnahme von den Vorschriften der §§ 320 ff. BGB dar. Ohne diese dem sozialen Schutz des Arbeitnehmers dienende Vorschrift würde der erkrankte Arbeitnehmer nach den Regelungen der §§ 3 2 0 ff. BGB deshalb, weil er durch seine Krankheit an seiner Dienstleistung behindert ist, keine Vergütungsansprüche für die Zeit seiner Krankheit, auch nicht für die ersten 6 Wochen, gegen den Arbeitgeber haben. § 63 HGB durchbricht also den Grundsatz, daß der an der Dienstleistung verhinderte Arbeitnehmer keinen Vergütungsanspruch hat, aus sozialen Gründen zugunsten des durch unverschuldete Krankheit dienstunfähigen Arbeitnehmers dahin, daß diesem der Vergütungsanspruch für 6 Wochen erhalten bleibt. Er bleibt ihm erhalten, obwohl er während dieser Zeit die von ihm vertraglich geschuldete Tätigkeit für den Arbeitgeber nicht leistet. b) Neben § 63 HGB ist aber auch die Vorschrift des § 65 HGB in einem solchen Fall anzuwenden. Zu Unrecht macht die Anschlußrevision insoweit geltend, daß die Regelung des § 63 im Einzelfall den Anspruch aus § 65 HGB ausschließe. Für eine solche Auslegung gibt das Gesetz keinen Anhalt. Beide Vorschriften sind vielmehr nebeneinander anzuwenden. Der Anspruch nach § 65 HGB auf Gewährung von Provisionen für Geschäfte mit Kunden, die der Arbeitnehmer geworben hat, ist auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer bei dem einzelnen provisionspflichtigen Geschäft mit den von ihm früher geworbenen Kunden nicht mitgewirkt hat. Dieser Provisionsanspruch ist also von einer Tätigkeit des Arbeitnehmers bei dem Abschluß des einzelnen provisionspflichtigen Geschäftes nidit abhängig. Dies führt im Falle der Erkrankung dazu, daß der Arbeitnehmer den Provisionsanspruch auch dann behält, wenn er wegen seiner Krankheit für den Arbeitgeber nicht mehr tätig sein konnte. Er hätte den Provisionsanspruch auch in gesunden Tagen, wenn er bei dem Geschäft mit den von ihm geworbenen Kunden nicht mitgewirkt hätte. Eine

6. Tarifvertrag —

Effektivgarantieklausel

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Auslegung dahin, daß er wegen und während seiner Krankheit diesen Provisionsanspruch nicht mehr haben sollte, ist denkgesetzlich nicht möglidi. Sie würde bedeuten, daß der Arbeitnehmer nur wegen seiner Krankheit einen Vergütungsansprudi verlöre, den er audi unter Anwendung der Grundsätze der §§ 320 f. BGB hätte. Das kann aber nicht der Sinn der zum Schutz des Arbeitnehmers getroffenen Regelung des § 6 3 HGB sein. Insbesondere ist auch die von der Beklagten in den Vorinstanzen vertretene Ansicht, der Kläger könne deshalb den Anspruch nicht geltend machen, weil durch die Krankheit sein Arbeitsverhältnis zum Ruhen oder zum Erlöschen gekommen sei, rechtlidi verfehlt. Die Krankheit eines Arbeitnehmers als solche führt niemals zum Ruhen oder zum Erlöschen des Arbeitsverhältnisses. Ob sie im vorliegenden Falle der Beklagten einen Anlaß zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses hätte geben können, kann dahingestellt bleiben; denn eine solche Kündigung ist unstreitig erst zum 31. Dezember 1956 ausgesprochen worden. Bis zum 31. Dezember 1956 hat also das zwischen den Parteien zustandegekommene Arbeitsverhältnis angedauert. Für diese Zeit kann der Kläger sonach neben dem Anspruch auf das 6-Wochengehalt nach § 63 HGB auch den Anspruch auf Zahlung der Provisionen aus solchen Geschäften, die die Beklagte mit den von dem Kläger vor Beginn oder während des Laufes des Arbeitsverhältnisses geworbenen Kunden abgeschlossen hat, gemäß §§ 65, 87 HGB geltend machen. 6 1. Gewährt ein Tarifvertrag einen Zuschlag zu den „bestehenden Zeitlöhnen", so stellt das keine wirksame Kurzfassung für die Festlegung der bisher bestehenden Zeitlöhne als Tariflöhne dar. 2. Wird ein Zuschlag zu den bisher bestehenden Löhnen tariflich eingeführt, so wirkt lediglich die Zuschlagsregelung normativ, nicht aber werden damit die bisher gezahlten — tariflichen oder außertariflichen — Löhne zu Tariflöhnen. 3. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages erstreckt sich nur auf solche Arbeitsverhältnisse, die bereits zur Zeit der Geltung des Tarifvertrages begründet waren. T V G §§ 3, 4. I. Senat. Urteil vom 13. Juni 1958 i. S. Sch. (Kl.) w. Fa. H. & D. (Bekl.). 1 AZR 591/57. I. Arbeitsgericht Hamburg. — II. Landesarbeitsgeridit Hamburg.

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6. Tarifvertrag —

Effektivgarantieklausel

Am 9. März 1956 trat die Klägerin als Arbeitnehmerin bei der Beklagten, die eine Glasfabrik betreibt, ein; mit ihr wurde die Zahlung eines Stundenlohnes von 1,08 DM einzelvertraglich vereinbart. Die Klägerin erwarb am 1. April 1956 die Mitgliedschaft bei der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik. Sie verlangt mit der Klage von da an die Zahlung eines Stundenlohnes von 1,16 DM als des ihr gebührenden tariflichen Stundenlohnes. Im Betrieb der Beklagten bestanden in der Zeit nach der Währungsreform Lohnvereinbarungen, deren letzte von der Ortsverwaltung Hamburg der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik zum 30. September 1955 gekündigt worden war. Zwischen dem Fachverband Hohlglasindustrie und der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik wurden folgende tarifliche Lohnvereinbarungen geschlossen: 1. Lohnvereinbarung vom 19. Januar 1949. Danach wurden „die bestehenden Löhne um durchschnittlich 10°/o erhöht". Zugrundegelegt wurden die normalen Effektiv-Verdienste der Lohnempfänger pro Stunde im November 1948. 2. Durch die Lohnvereinbarung vom 12. Oktober 1950 wurden die in den Betrieben bestehenden Zeitlöhne für Frauen über 2 0 Jahre um mindestens 0,08 DM erhöht. 3. Durch eine Lohnvereinbarung vom 27. April 1951 wurden die in den Betrieben bestehenden Zeitlöhne für Frauen über 2 0 Jahre um 0,12 DM erhöht. Durch Schlichtungssprüche vom 19. Juni 1953 und vom 19. November 1954 wurden die in den Betrieben bestehenden Zeitlöhne um 0 , 0 5 DM pro Stunde und um weitere 0,05 DM pro Stunde erhöht. Schließlich wurden durch eine Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 mit Wirkung vom 1. Oktober 1955 die bestehenden Zeitlöhne um 0,12 DM pro Stunde für über 20-jährige Arbeitnehmer erhöht. Die Klägerin hat vorgetragen, vor dem Inkrafttreten der Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 am 1. Oktober 1955 hätten die Frauen im Betrieb der Beklagten einen Tariflohnanspruch von 1,04 DM gehabt ( 0 , 7 5 + 0 , 0 8 + 0,12 + 0,04 + 0,05 DM). Durch die Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 sei dieser Tariflohn auf 1,16 DM erhöht worden. Der Klägerin stehe danach, seitdem sie durch Beitritt zu der Gewerkschaft am 1. April 1956 tarifgebunden sei, der tarifliche Anspruch auf einen Stundenlöhn von 1,16 DM zu.

6. Tarifvertrag —

Effektivgarantieklausel

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Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, daß für ihren Betrieb keine Lohnvereinbarungen mehr beständen, seitdem die auf betrieblicher Ebene getroffenen Regelungen durch die Kündigung zum 30. September 1955 weggefallen seien. Aus der Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 könne die Klägerin keine Rechte herleiten, da sie am 1. Oktober 1955 noch nicht im Arbeitsverhältnis bei der Beklagten gestanden habe. Während das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt hat, hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Aus den G r ü n d e n : Die Klägerin stützt den von ihr geltend gemachten Anspruch auf die Lohn- und Gehaltsvereinbarung, die zwischen dem Fachverband der Hohlglasindustrie und der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik am 2. November 1955 zustande gekommen ist. An diese Lohnund Gehaltsvereinbarung sind unstreitig mit Wirkung vom 1. April 1956 an beide Parteien tarifgebunden. Denn die Beklagte gehört dem Fachverband an, während die Klägerin am 1. April 1956 die Mitgliedschaft zu der Gewerkschaft erworben hat. Damit war auch die Klägerin, die am 9. März 1956 in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten getreten ist, tarifgebunden. I. Der von der Klägerin verfolgte Anspruch würde dann als Tariflohnanspruch gerechtfertigt sein, wenn die Ansicht der Revision zuträfe, daß in der Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 die wirksame Festlegung eines Tariflohnes von 1,16 DM zu erblicken ist. Diese Rechtsansicht der Klägerin geht jedoch fehl. Die Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 bestimmt lediglich, daß mit Wirkung vom 1. Oktober 1955 an „die bestehenden Zeitlöhne" für über 20-jährige Arbeitnehmer um 0,12 DM pro Stunde erhöht werden. In der Wendung „die bestehenden Zeitlöhne" ist eine Kurzfassung des Inhalts, daß damit die in den Betrieben bestehenden Löhne umschrieben und gleichzeitig als n u n m e h r i g e Tariflöhne n o r m a t i v festgelegt seien, nicht zu erblicken. Wenn die Lohn- und Gehaltsvereinbarung die bestehenden Löhne in dieser Weise zu Tariflöhnen hätte machen wollen, hätte es insoweit der Schriftlichkeit bedurft, die für jeden Tarifvertrag gesetzliches Formerfordernis ist (§ 1 Abs. 2 TVG). Es hätten also die Löhne betragsmäßig in der Lohn- und Gehaltsvereinbarung genannt werden müssen. Da es sich bei der Regelung des § 1 Abs. 2 T V G um die gesetzliche Schriftform handelt, ist eine Tarifbestimmung, die diesem Formerfordernis nicht Rechnung trägt, nichtig (§ 125 BGB). Bereits aus 3 Entscheid, d. BAG. 6

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6. Tarifvertrag —

Effektivgarantieklausel

diesem Grund kann in den Worten „die bestehenden Zeitlöhne", die die Lohn- und Gehaltsvereinbarung enthält, nicht eine rechtswirksame Festlegung der bisher bestehenden Löhne als Tariflöhne gesehen werden. Wenn überdies die Vertragsschließenden bei der Lohn- und Gehaltsvereinbarung mit einer solchen Wendung lediglich im Wege der Kurzfassung eine nach Ansicht der Revision gegebene nunmehrige Festlegung der bestehenden — außertariflichen — Löhne als Tariflöhne gewollt hätten, so wäre auch ein solcher Wille nicht mit der im Interesse der Rechtssicherheit gebotenen Klarheit in der tariflichen Regelung zum Ausdruck gekommen. Ein Vertragswille der Tarifvertragsparteien kann bei der Auslegung eines Tarifvertrages nur dann berücksichtigt werden, wenn er mit hinreichender Klarheit in der Tarifnorm selbst zum Ausdruck kommt. Wie die Revisionsklägerin selbst vorträgt, bezog sich die Lohnund Gehaltsvereinbarung auf zahlreiche Betriebe, in denen unterschiedliche Löhne gezahlt wurden. Bei dieser Sachlage könnte in den Worten „die bestehenden Zeitlöhne", die die Lohn-und Gehaltsvereinbarung enthält, nicht eine Festlegung dieser in den einzelnen Betrieben unterschiedlich bestehenden Löhne als Tariflöhne gesehen werden. II. Fehl geht auch die Ansicht der Revision, daß die Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 schon durch die Gewährung eines Zuschlages von 0,12 DM auf die bestehenden, dem Betrage nach aber in der Tarifregelung nicht eindeutig genannten Zeitlöhne diese nunmehr zu Tariflöhnen gemacht habe, auf die dann der Zuschlag von 0,12 DM pro Stunde gewährt werden sollte. Dem steht entgegen, daß es sich insoweit um eine Effektivgarantieklausel handeln würde. Eine derartige Effektivgarantieklausel führt nur dazu daß die Lohnerhöhung allen, auch den übertariflich bezahlten Arbeitnehmern tatsächlich zugute kommt. Sie macht aber die bisher gezählten (übertariflichen oder tariflich nicht geregelten) Löhne nicht zu Tariflöhnen. Wollte sie dies tun, so würde sie nach anerkannten Grundsätzen des Tarifrechts unzulässig und deshalb rechtsunwirksam sein (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 1957, Band 2, S. 423 f.). Durch eine solche Regelung wird n o r m a t i v nur der Anspruch auf den Lohnzuschlag eingeräumt, nicht aber werden damit die bisher gezahlten Löhne zu normativ festgelegten Tariflöhnen (vgl. BAG 2, 297 [299]). III. Bei dieser Rechtslage würde der von der Klägerin als Tariflohn geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Stundenlohnes von 1,16 DM nur dann gerechtfertigt sein, wenn bereits am 1. Oktober 1955, dem Tage, auf den die Lohn- und Gehaltsvereinbarung vom 2. November 1955 zurückwirkt, für Arbeitnehmer, die mit den gleichen Arbeiten

6. Tarifvertrag —

Nachwirkung

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wie die am 9. März 1956 eingestellte Klägerin beschäftigt waren, ein tariflich garantierter Lohnanspruch in Höhe von mindestens 1,04 DM pro Stunde bestanden hätte. 1. Auf betrieblicher Ebene bestand an diesem Tag ein durch für den Betrieb geltende Haustarife garantierter tariflicher Lohnanspruch nicht. Die Klägerin geht zur Rechtfertigung ihres Klagebegehrens insoweit davon aus, daß der in der Betriebsvereinbarung vom 22. September 1948 für Frauen festgelegte Stundenlohn von 0,75 DM durch anschließende — Haustarife darstellende — Lohntarifvereinbarungen (vom 2 . 1 1 . 1950, 2. 5. 1951, 8. 1 2 . 1 9 5 2 und 6 . 1 1 . 1 9 5 4 ) zwischen der Beklagten und der Ortsverwaltung (Verwaltungsstelle) Hamburg der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik bis zum 30. September 1955 auf insgesamt 1,04 DM erhöht worden sei. Diese betrieblichen Regelungen können, wobei ganz dahingestellt bleiben kann, ob die Ortsverwaltung Hamburg tariffähig war,deshalb keinen tariflichen Lohnanspruch auf Zahlung von 1,04 DM noch am 1. Oktober 195 5 zugunsten der Klägerin begründet haben, weil unstreitig die betrieblichen Regelungen durch Aufkündigung zum 30. September 1955 außer Kraft getreten waren, also zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien noch nicht bestand. Diese betrieblichen Regelungen gelten insbesondere für die Klägerin auch nicht mehr im Wege der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 T V G ; denn die Klägerin ist in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten erst am 9. März 1956 getreten. Eine Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 T V G findet aber, wie der Senat bereits in dem Urteil vom 6. Juni 1958 — 1 ARZ 515/57 — (BAG, 6, 90) ausgesprochen hat, für erst nach Außerkrafttreten der Tarifnorm begründete Arbeitsverhältnisse nicht statt. Aus diesem Grunde kann die Klägerin ihren für die Zeit ab 1. April 1956 erhobenen Anspruch auf Zahlung eines Tariflohnes von 1,16 DM nicht auf einen durch Haustarife festgesetzten Tariflohn, der im Betriebe der Beklagten am 1. Oktober 1955 gegolten hätte, stützen. 2. Auch auf überbetrieblicher Ebene bestanden am 1. Oktober 195 5 keine für eine Mehrzahl von Betrieben geltenden Tarifnormen der Hohlglasindustrie, die der Klägerin einen Tariflohnanspruch in Höhe von damals 1,04 DM mit Wirkung vom 1. April 1956 garantieren könnten. (Wird näher ausgeführt.) Bestand sonach am 1. Oktober 1955 weder auf betrieblicher noch auf überbetrieblicher Ebene ein zugunsten der Klägerin in Betracht kommender Tariflohn von mindestens 1,04 DM, so entfällt das Klagebegehren. Die Beklagte war befugt, bei der Einstellung der Klägerin am 9. März 1956 mit dieser einzelvertraglich einen Lohn zu vereinbaren, 3*

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7. Zulassung der Revision

der eine Bezahlung mit 1,08 DM pro Stunde zum Inhalt hatte. Diese Lohnvereinbarung verstieß auch am 1. April 1956, als die Klägerin tarifgebunden wurde, nicht gegen zwingende Tarifnormen.

7 1. Das Revisionsgericht hat grundsätzlich nicht nachzuprüfen, ob und in welchem Umfang die vom Berufungsgericht für die Revisionszulassung angenommene Divergenz wirklich gegeben ist. Die Statthaftigkeit der Revision beruht nämlich nicht auf dem Vorhandensein einer Divergenz, sondern auf der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht (BAG 3, 46). 2. Zwischen „selbständigen Leistungen" im Sinne der VergCr. VI b TO.A und „selbständiger Tätigkeit" nach VergGr. V b T O . A besteht kein Unterschied (BAG 5, 2 7 ; 5, 38). 3. Die Dienstverhältnisse der Angestellten des Landes Niedersachsen unterliegen weder der GDO-Reich, noch der GDO-Preußen oder der GDO-Gemeinden. 4 . Nach Aufhebung des A O G Ö durch das KRG Nr. 56 konnte im Lande Niedersachsen weder die GDO-Reich noch die GDO-Preußen hinsichtlich des Erfordernisses einer Verwaltungsprüfung durch Verwaltungserlaß mit Dienstordnungswirkung eingeführt werden. ArbGG § 69 Abs. 3 Satz 2, § 72 Abs. 1 Satz 1; T O . A Anlage Nr. 1, VergGr. V I b ; V b ; K R G Nr. 56; GDO-Reich, GDO-Preußen, G D O Gemeinden (Prüfungserfordernis). IV. Senat. Urteil vom 5. März 1958 i. S.L. (Kl.) w. Land N. (Bekl.) 4 AZR 4 8 2 / 5 5 . I. Arbeitsgericht Braunschweig. — II. Landesarbeitsgeridit Hannover.

Der Kläger wurde 1946 als Angestellter bei der Landesversicherungsanstalt B. eingestellt. Im April 1951 wurde er mit den Bezügen seiner bisherigen VergGr. V I b T O . A in das wieder errichtete Versorgungsamt B. übernommen und bis Juli 1953 als Sachbearbeiter des Beschwerdeausschusses beschäftigt. Vom 1. August bis 31. Dezember 1953 war er als Sonderabschnittsführer für die Bearbeitung von Berufungen tätig. Seit dem 1. Januar 1954 ist er als Sachbearbeiter in der Sonderstelle für Vorverfahren eingesetzt. Eine Verwaltungsprüfung hat der Kläger nicht abgelegt.

7. Revisionszulassung

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Der Kläger hat behauptet, seine Tätigkeit habe seit April 1951 den Merkmalen der VergGr. V b T O . A entsprochen. Das beklagte Land hat das für die Tätigkeit des Klägers als Sonderabschnittsführer für Berufungen als richtig anerkannt und hat ihm nachträglich für die Zeit von August bis Dezember 1953 die Bezüge der VergGr. V b T O . A zugebilligt; im übrigen hat es bestritten, daß der Kläger die Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllt habe. Der Kläger 'hat den Gehaltsunterschied zwischen den VergGr. VI b und V b T O . A für die Monate Januar bis März 1952 sowie für die entsprechenden Monate des Jahres 1954 geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b T O . A in dem Zeitabschnitt vor dem 1. August 1953, nicht aber in der Zeit seit dem I.Januar 1954 für erfüllt angesehen. Demgemäß hat es den Klageanspruch für die Monate Januar bis März 1954 abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Revision führte insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils aus folgenden Gründen: I. Das Berufungsgericht hat die nach der Höhe des Streitwerts nicht statthafte Revision zugelassen, weil es in der Frage, ob eine durch Dienstordnung vorgeschriebene Verwaltungsprüfung Voraussetzung für den Anspruch auf Entlohnung nach bestimmten Vergütungsgruppen der T O . A sei, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 1, 250) abgewichen 'sei. Das beklagte Land hält die Zulassung für unwirksam und die Revision für unzulässig, weil es auf diese Rechtsfrage nicht ankomme; soweit der Kläger durch Klageabweisung beschwert sei, sei das Berufungsurteil allein darauf gestützt, daß der Kläger die Tätigkeitsmerkmale der beanspruchten Vergütungsgruppe nicht erfüllt habe; soweit aber der Klage stattgegeben sei und das Berufungsgericht die Ablegung der Prüfung für nicht erforderlich gehalten habe, komme es in Wirklichkeit auf die Ablegung der Prüfung ebenfalls nicht an, weil für den in Betracht kommenden Zeitabschnitt das Prüfungserfordernis durch Tarifvertrag beseitigt gewesen sei. Solche Erwägungen können indessen nicht dazu führen, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision als unzulässig zu behandeln. Hat das Landesarbeitsgericht die Revision gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG zugelassen, weil es nach seiner Auffassung von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abweicht, so darf das Revisionsgericht grundsätzlich nicht nachprüfen, ob die vom Berufungsgericht angenommene Divergenz wirklich gegeben ist. Die Statthaftigkeit der Revision beruht hier — anders als bei der Divergenzrevision — nicht auf dem Vorhandensein

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7. Umfang der Revisionszulassung

einer Divergenz, sondern auf dem A k t der Zulassung durch das Berufungsgericht. Nur dann ist das Revisionsgericht an die Zulassung der Revision nicht gebunden, wenn sie offensichtlich gesetzwidrig ist, d. h. wenn sich ohne sachliche Nachprüfung ohne weiteres ergibt, daß eine Divergenz im Sinne des Gesetzes nicht vorliegt. Im einzelnen kann hierzu auf den Beschluß des Großen Senats vom 6. Juni 1956 (BAG 3, 46) verwiesen werden. Das Berufungsurteil kann auch nicht etwa dahin ausgelegt werden, daß die Revision nur insoweit zugelassen werden sollte, als der Anspruch auf das höhere Gehalt für die Zeit von Januar bis März 1953 zuerkannt ist, nicht dagegen insoweit, als der entsprechende Anspruch für die Zeit von Januar bis März 1954 abgewiesen worden ist. Für eine solche Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut, der die Revision „gegen dieses Urteil" unbeschränkt zuläßt, bieten die Entscheidungsgründe keinen Anhalt. Sie behandeln vorweg in einem gesonderten Abschnitt das Prüfungserfordernis als Rechtsproblem allgemein und in seinen Auswirkungen auf die gesamte Forderung des Klägers, ohne zwischen den einzelnen Zeitabschnitten zu unterscheiden. Dabei wird ausgeführt, das Berufungsgericht könne der in dem erwähnten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vertretenen Rechtsauffassung nicht folgen; es habe deshalb über die tatsächlichen Behauptungen Beweis erhoben und wegen der Abweichung in der Rechtsauffassung die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Weiter wird ausgeführt, es sei für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ohne Einfluß, ob das beklagte Land die Prüfung in Zukunft vom Kläger fordere. In zwei weiteren Abschnitten wird dann die Tätigkeit des Klägers gesondert nach den beiden Zeitabschnitten auf die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale untersucht, ohne daß die Frage des Prüfungserfordernisses noch einmal berührt wird. Hiernach ist den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen, daß das Berufungsgericht eine Divergenz nur für einen Teil seiner Entscheidung als gegeben angesehen hat. Im übrigen könnte auch, wenn eine solche Auffassung des Berufungsgerichts erkennbar wäre, daraus noch nicht geschlossen werden, daß es entgegen dem Wortlaut der Urteilsformel die Zulassung der Revision auf diesen Teil der Entscheidung habe beschränken wollen. Bleibt also für eine solche Auslegung kein Raum, so erübrigt sich eine Erörterung darüber, ob bei Anspruchshäufung die Zulassung der Revision auf die Entscheidung über einen einzelnen Anspruch, bei der allein eine Divergenz vorliegt, beschränkt werden darf oder muß. Denn jedenfalls hat das Revisionsgericht, wenn die Revision wegen Divergenz unbeschränkt zugelassen ist, außer im Falle einer offensichtlich gesetzwidrigen Zulassung

7. Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b TO.A

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nicht nachzuprüfen, ob eine Divergenz wirklich vorliegt; es hat daher auch nicht nachzuprüfen, in welchem Umfange das der Fall ist. II. . . . III. In der Sache selbst mußte die Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz führen. Die Revision richtet sich dagegen, daß das Berufungsgericht für die Zeit von Januar bis März 1954 den Anspruch des Klägers auf die Bezüge der VergGr. V b TO.A aberkannt hat. Die Tätigkeitsmerkmale dieser Gruppe verlangen bei den Angestellten im Büro- und sonstigen Innendienst eine selbständige Tätigkeit in einer Stelle von besonderer Bedeutung. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Richtigkeit der Einreihung in die Vergütungsgruppen der T O . A von den Gerichten nachzuprüfen ist. Die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie sie die genannten Tätigkeitsmerkmale darstellen, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht dagegen nur daraufhin, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt ist, ob bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind, oder ob die Bewertung, insbesondere wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände, offensichtlich fehlerhaft ist; im übrigen liegt die Bewertung im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz (BAG 4, 152 und AP Nr. 19 zu § 3 TO.A). O b der Kläger eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, ist im angefochtenen Urteil nicht erörtert. Das ergibt sich aber aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils ohne weiteres. Denn wenn er nach eigener Prüfung der Fälle die Widerspruchsbescheide und die Schriftsätze für die beim Sozialgericht anhängigen Klagen entwirft, so muß er, gestützt auf die hierfür erforderlichen Fachkenntnisse, eine Gedankenarbeit leisten, die hinsichtlich des einzuschlagenden Weges wie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert (vgl. BAG 5, 27). Im übrigen ist die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auch als unstreitig anzunehmen. Denn das beklagte Land gesteht zu, daß der Kläger die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. VI b TO.A erfüllt, daß er also selbständige Leistungen erbringt, und zwischen dem Begriff der selbständigen Leistungen im Sinne dieser Tätigkeitsmerkmale und der für die VergGr. V b TO.A geforderten selbständigen Tätigkeit besteht kein Unterschied (BAG 5, 27; 5, 38). Soweit dagegen das angefochtene Urteil verneint, daß der Kläger 1954 in einer Stelle von besonderer Bedeutung tätig gewesen sei, ist die

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7. Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b TO.A

Rechtsanwendung nicht frei von Fehlern der oben bezeichneten Art. Die VergGr. V b TO.A erfordert eine Stelle, die sich durch besondere Bedeutung aus den Aufgabengebieten der VergGr. V I b heraushebt. Diese besondere Bedeutung kann, wie der erkennende Senat bereits in einer früheren Entscheidung (BAG 5, 38) ausgeführt hat, im Aufbau der Verwaltung selbst in Erscheinung treten, beispielsweise durch Zuweisung von Aufsichtsfunktionen oder besonders schwierigen Aufgaben, oder auch nach außen, nämlich in der besonderen Einwirkung der Tätigkeit auf die Lebensverhältnisse Dritter. Eine „besonders verantwortliche Stellung" ist aber bereits Merkmal der VergGr. IV TO.A. Das hat das Berufungsgericht möglicherweise verkannt, wenn es ausführt, daß die Tätigkeit des Klägers, soweit er die Widerspruchsbescheide entwerfe, nicht mit besonderer Verantwortung ausgekleidet sei. Das Berufungsgericht geht richtig davon aus, daß die Eingruppierung nach der überwiegenden Tätigkeit des Angestellten zu erfolgen hat. Hierzu führt es aus, nach dem eigenen Vortrag des Klägers seien etwa ein Drittel der ihm zugewiesenen Fälle sehr schwierig, ein Drittel etwa mittelschwer und ein Drittel leicht zu bearbeiten; damit stehe fest, daß diese schwierigere und besonders verantwortungsvolle Tätigkeit des Klägers nicht die überwiegende sei. Hierbei übersieht das Berufungsgericht, daß sich diese Angaben des Klägers allein auf das Entwerfen von Widerspruchsbescheiden beziehen. Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils hat aber der Kläger als Sachbearbeiter in der Sonderstelle für Vorverfahren seit dem 1. Januar 1954 außerdem auch „einen Teil der Berufungsfälle in der gleichen Art erledigt wie während seiner Tätigkeit im Sonderabschnitt für Berufungen". Weiter heißt es im Tatbestand: „Die Tätigkeit des Klägers innerhalb der Vorverfahren besteht darin, die beim Sozialgericht anhängigen Sachen zu bearbeiten, insbesondere die Schriftsätze zu entwerfen." Diese Feststellungen sind nicht recht klar. Innerhalb des Vorverfahrens können keine beim Sozialgericht anhängigen Sachen bearbeitet werden, weil das Vorverfahren ein der Klage vor dem Sozialgericht vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren und Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage ist. Offenbar handelt es sich auch bei den erwähnten Berufungsfällen um Sachen, die mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes am 1. Januar 1954 gemäß § 215 SGG vom Oberversicherungsamt auf das Sozialgericht übergegangen waren und dort als Klagen weiterliefen. Auf die Parteischriftsätze oder das erstinstanzliche Urteil konnte der Senat zur Klarstellung der tatsächlichen Feststellungen nicht zurückgreifen, da das angefochtene Urteil nur auf die Niederschriften über die in beiden Rechtszügen durchgeführte Beweisaufnahme Bezug

7. Tätigkeitsmerkmale

der VergGr.

V b

TO.A

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nimmt. Jedenfalls hat das angefochtene Urteil diese im Tatbestand festgestellte Tätigkeit des Klägers weder bewertet noch überhaupt näher erörtert. Nach dem Tatbestand war diese Tätigkeit derjenigen gleichwertig, die der Kläger von August bis Dezember 1953 als Sonderabsdinittsführer für die Bearbeitung von Berufungen ausgeübt hatte und die unstreitig den Merkmalen der VergGr. V b T O . A entsprach. Nach den im angefochtenen Urteil in bezug genommenen Zeugenaussagen nahm dieser Teil der Tätigkeit des Klägers bis zu einem Drittel seiner Arbeitskraft in Anspruch. Feststellungen hierüber hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Die Berücksichtigung dieser Tätigkeit kann aber zu einer anderen, dem Kläger günstigeren GesamtbeWertung seiner Stelle führen. Was die Bewertung der Entwürfe für die Widerspruchsbescheide angeht, so sind zunächst die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils unzureichend. Die nähere Darlegung der Art der Beschäftigung und der für sie erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse ist aber erforderlich, weil das Revisionsgericht sonst nicht nachprüfen kann, ob die vorgenommene Bewertung auf einer Rechtsverletzung beruht (vgl. BAG, AP Nr. 2 zu § 3 T O . A ) ; das gilt auch, soweit diese Nachprüfung sich bei den unbestimmten Rechtsbegriffen auf die oben genannten Rechtsverletzungen beschränkt. Das angefochtene Urteil stellt nun zwaf fest, der Kläger müsse Kenntnisse aus dem Bundesversorgungsgesetz, der Reichsversicherungsordnung und dem Knappschaftsgesetz haben; er habe auch, wie die vorgelegten Akten ergeben hätten, gewisse Rechtsfragen geprüft, so z. B. ob ein Antragsteller im Dienst der Sicherheitspolizei militärische Tätigkeiten ausgeübt habe. Daraus ist aber über Art, Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit des Klägers Hinreichendes nicht zu entnehmen. Insbesondere durfte sich das Berufungsgericht nicht damit begnügen, daß nach dem eigenen Vortrag des Klägers ein Drittel der Fälle sehr schwierig, ein Drittel etwa mittelschwer und ein Drittel leicht zu bearbeiten sei. Mit solchen relativen Begriffen ist nichts gewonnen, wenn sie nicht zu anderen Größen in Beziehung gesetzt werden. Andererseits verlangt das Berufungsgericht zu viel, wenn es ausführt, die Stelle des Klägers könnte dann von besonderer Bedeutung sein, wenn der Kläger überwiegend schwierigere Rechtsfragen zu untersuchen hätte, um seinen Referenten in der Arbeit weitgehend zu entlasten; da der Referent des Klägers, wie seine Zeugenaussage ergibt, Akademiker mit abgeschlossener Hochschulbildung ist und wahrscheinlich auch eine entsprechende Tätigkeit ausübt, liefe das gegebenenfalls schon auf Leistungen hinaus, die denen eines Akademikers gleichwertig wären. Zu fordern

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7. Tätigkeitsmerkmale

der VergGr. V b

TO.A

ist schließlich auch nicht, daß die Tätigkeit eine ständige Neudurchdringung des Stoffes notwendig mache. Es muß vielmehr genügen, wenn ein der Vergütungsgruppe entsprechendes Wissensgebiet beherrscht wird; die häufige Ähnlichkeit der zu bearbeitenden Fälle macht allein die Tätigkeit noch nicht zu einer schematischen (vgl. hierzu für die Tätigkeit des Akademikers BAG, AP Nr. 19 zu § 3 TO.A). Gänzlich unberücksichtigt gelassen hat das Berufungsgericht, welchen Platz das Aufgabengebiet des Klägers im Aufbau der Verwaltung einnimmt, bei der er beschäftigt ist. Das Vorverfahren nach §§ 77 ff. SGG als ein der Klage vor dem Sozialgericht vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren bezweckt eine Beschränkung der Inanspruchnahme der Gerichte. Zu diesem Zweck soll der bereits erlassene Verwaltungsakt auf den Widerspruch hin noch einmal im Verwaltungswege überprüft werben. Um den Widerspruchsbescheid entwerfen zu können, muß der Kläger diese Prüfung vornehmen. Er muß also den erlassenen Verwaltungsakt in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung nachprüfen. Damit ist er in eine Kontrollfunktion gegenüber derjenigen Stelle eingeschaltet, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Es liegt nahe, daß derjenigen Stelle, die eine solche Kontrollfunktion ausübt, eine größere Bedeutung beizumessen ist als derjenigen, deren Arbeitsergebnis überprüft wird. In der Regel wird man von dem Prüfenden ein besseres Wissen und zuverlässigeres Können verlangen als von dem Überprüften, wenn eine solche Prüfung sinnvoll sein soll. Es kann sich hier auch nicht etwa nur um die ergänzende Prüfung neuen Vorbringens handeln; denn die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat, hat sich zunächst zu entschließen, ob sie dem Verwaltungsakt abhelfen will. Wenn der dem Kläger übergeordnete Referent den Entwurf des Klägers überprüft und zeichnet und damit die Verantwortung nach außen übernimmt, so kann das den Wert der Leistung des Klägers jedenfalls dann nicht schmälern, wenn von ihm ein richtiger Entwurf und nicht nur eine Vorarbeit verlangt wird, so daß in aller Regel wesentliche Veränderungen seiner Entwürfe nicht erforderlich sind. Das angefochtene Urteil läßt mangels näherer Feststellungen nur vermuten, wie die Tätigkeit des Klägers gestaltet ist. Auch hier können die nicht in bezug genommenen Parteischriftsätze nicht verwertet werden; ebensowenig kann der Senat aus den Beweisprotokollen eigene Feststellungen treffen. Das Berufungsgericht wird daher auf Grund weiterer Feststellungen erneut zu prüfen haben, ob sich die Stelle des Klägers aus den Aufgabengebieten der VergGr. V I b TO.A durch besondere Bedeutung heraushebt.

7. Verwaltungsprüfungen

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Im übrigen steht die Bewertung des Berufungsgerichts audi in einem gewissen Widerspruch zu der Bewertung der Tätigkeit des Klägers in den Beschwerdeausschüssen. Dort hat es die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b als erfüllt angesehen, und das beklagte Land hat diese Entscheidung nicht angegriffen, sondern in der Revisionsbeantwortung erklärt, daß es sie gelten lassen wolle. Nun entspricht das Verfahren in den früheren Beschwerdeausschüssen etwa dem jetzigen Vorverfahren; die beim Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes bei den Beschwerdeausschüssen der Kriegsopferversorgung anhängigen Sachen gingen gemäß § 215 Abs. 1 SGG auf die für das Vorverfahren zuständigen Stellen über. In den Beschwerdeausschüssen ist der Kläger nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils als Sachbearbeiter und Schriftführer tätig gewesen. Dieser Tätigkeit hat das Berufungsgericht deshalb eine besondere Bedeutung beigemessen, weil der Kläger in eigener Verantwortung alles ihm richtig erscheinende Aktenmaterial habe zur Hand haben müssen, um dem Ausschuß die erforderlichen Auskünfte über den Akteninhalt geben zu können, und weil er den vom Ausschuß gefaßten Beschluß, auf den er aber keinen Einfluß nahm, schriftlich mit Gründen abgefaßt habe; wenn in vielen Fällen die Begründung die gleiche gewesen sei und die Vorsitzenden der Ausschüsse manche Entscheidungen verändert, verbessert und manchmal sogar ganz abgeändert hätten, so ändere das nichts daran, daß der Kläger über seine Aufgaben als Sachbearbeiter und Schriftführer hinaus im Rahmen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten wie ein wissenschaftlicher Hilfsarbeiter tätig geworden sei. Demgegenüber wird der eigene und selbständige Entwurf einer Entscheidung, wie sie beim Widerspruchsbescheid zu treffen ist, in aller Regel eine höhere geistige Leistung darstellen als die schriftliche Niederlegung und Begründung des Ergebnisses einer Ausschußberatung, an der der Verfasser des Entwurfs nur zuhörend teilgenommen hat. IV. Die Revision des Klägers wäre gemäß § 563 Z P O zurückzuweisen gewesen, wenn seinem Anspruch auch bei Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale deshalb nicht stattgegeben werden könnte, weil er eine Verwaltungsprüfung nicht abgelegt hat. Dieser Umstand steht jedoch seinem Anspruch nicht entgegen. Nach § 3 Abs. 2 T O . A konnte die Ablegung von Prüfungen durch Dienstordnungen vorgeschrieben werden. Solche gemäß § 16 A O G Ö erlassenen Dienstordnungen sind durch die Aufhebung des A O G Ö nicht weggefallen (BAG 1, 250). In der GDO-Reich, der GDO-Preußen und der GDO-Gemeinden ist bestimmt, daß Angestellte im Verwaltungs-, Kassen- oder Sparkassendienst in die Vergütungsgruppen VII bis IV nur

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7. Verwaltungsprüfungen

eingestellt werden oder aufrücken sollen, wenn sie sowohl den Anforderungen 'hinsichtlich der Tätigkeitsmerkmale genügen, als audi die für den Verwaltungszweig in Betracht kommende Prüfung erfolgreich abgelegt haben. Keine dieser drei Gemeinsamen Dienstordnungen kann aber auif das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden. Der Kläger ist bei einem Versorgungsamt, also bei einer Verwaltung des beklagten Landes Niedersachsen beschäftigt (vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951, BGBl. S. 169). Somit fällt das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht unter den Geltungsbereich der GDO-Gemeinden. Aber auch die GDO-Reich, die das Berufungsgericht anwenden will, erfaßt die Arbeitsverhältnisse der Angestellten der Länder nicht; sie war erlassen für die Verwaltungen und Betriebe des Reichs und findet heute auf die im Dienst des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts stehenden Arbeitnehmer Anwendung (§ 6 BPG). Schließlich kommt auch die GDO-Preußen nicht in Betracht, deren Geltungsbereich sich auf die staatlichen Verwaltungen und Betriebe Preußens erstreckte. Denn die heutigen Länder sind mit dem früheren Lande Preußen nicht identisch, auch liegt eine Staatensukzession hinsichtlich der in die neu erstandenen Länder aufgegangenen Gebietsteile Preußens nicht vor (vgl. BGHZ 16, 186). Eine Funktions- oder Betriebsnachfolge, die für den Übergang bestehender Verbindlichkeiten von Bedeutung sein kann, hat nicht eine Ausdehnung des Geltungsbereichs einer Dienstordnung als solcher zur Folge. Im übrigen liegt hier ein solches Nachfolgeverhältnis zwischen Preußen und dem beklagten Lande Niedersachsen nicht einmal vor, weil es sich bei der Beschäftigungsbehörde des Klägers um eine neu errichtete Verwaltung in einem Gebietsteil handelt, der nicht zu Preußen gehört hat. Hiernach kommt es für die Entscheidung auf die vom angefochtenen Urteil erörterte Streitfrage, ob die genannten Dienstordnungen die Ablegung einer Verwaltungsprüfung zur Voraussetzung für den Vergütungsanspruch machen, nicht an. Es kann daher auch unerörtert bleiben, ob ein durch Dienstordnung bestimmtes Prüfungserfordernis jedenfalls durch den zwischen der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder, der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft geschlossenen Tarifvertrag vom 28. Februar 1951 auch für die Zeit nach dem Ablauf dieses Tarifvertrages beseitigt wäre. Weiter kann es dahingestellt bleiben, ob die Versagung der den Tätigkeitsmerkmalen entsprechenden Vergütung wegen des Fehlens

8. Öffentlicher Dienst i. S. des RegelungsG

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einer Prüfung unter den gegebenen Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen würde (vgl. BAG, AP Nr. 21 zu § 3 TO.A). Das beklagte Land kann sich schließlich auch nicht auf den Erlaß seines Ministerpräsidenten vom 19. Februar 1951 berufen. Dort ist angeordnet, daß im Bereich der niedersächsischen Landesverwaltung wieder nach den die Ablegung der Verwaltungsprüfung betreffenden Bestimmungen der GDO-Reich und der GDO-Preußen verfahren werden solle. Eine Dienstordnung konnte nach der Aufhebung des A O G Ö neu nicht mehr erlassen werden; so ist der Erlaß auch nicht aufzufassen. Wohl konnte das beklagte Land durch Verwaltungsanordnung bestimmen, daß künftig bei Neueinstellungen oder im Wege des Aufrückens eine Beschäftigung mit den Tätigkeitsmerkmalen bestimmter Vergütungsgruppen nur solchen Angestellten übertragen werden solle, die eine Verwaltungsprüfung abgelegt haben; der Erlaß scheint audh die Bestimmungen der Gemeinsamen Dienstordnungen nur in diesem Sinne aufzufassen. Der Erlaß ändert also nichts daran, daß eine einmal übertragene Tätigkeit nach den tariflichen Merkmalen zu vergüten ist.

8 1. Öffentlicher Dienst im Sinne des § 63 Abs. 1 des Regelungsgesetzes liegt immer dann vor, wenn ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr vorhanden ist. 2. Ein Verlust des Arbeitsplatzes aus anderen als tarifrechtlichen Gründen im Sinne der §§ 62, 63 des Regelungsgesetzes liegt auch dann vor, wenn Gründe tatsächlicher Art, die unmittelbar auf dem Zusammenbruch von 1945 beruhen, zu dem Ausscheiden des Arbeitnehmers geführt haben. 3. Zur Anwendung des § 62 Abs. 3 des Regelungsgesetzes ist nicht erforderlich, daß der Angehörige des öffentlichen Dienstes wegen zu Unrecht erfolgter politischer Maßregelung seinen Arbeitsplatz verloren hat. Regelungsgesetz §§ 62 Abs. 3, 63 Abs. 1; GG Art. 131. III. Senat. Urteil vom 18. März 1958 i. S. D. B. Vers. (Bekl.) w. L. (Kl.) 3 AZR 275/55. I. Arbeitsgericht Berlin. —

II. Landesarbeitsgericht Berlin.

Der Kläger war bei der Beklagten als Angestellter seit dem 1. November 1929 tätig. Im Jahre 1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Am 31. Mai 1945 kündigte die Beklagte in einer Betriebsversammlung

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8. Öffentlicher Dienst i. S. des RegelungsG

allen Betriebsangehörigen wegen Beschäftigungsmangels fristlos und heftete die Kündigungserklärung an die Anschlagstafel in ihrem Betrieb. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft meldete sich der Kläger im September 1945 bei der Beklagten. Diese wies ihn darauf hin, daß er, wie alle ihre Arbeitnehmer, am 31. Mai 1945 entlassen worden sei. In der Folgezeit bemühte sich der Kläger, der politisch unbelastet ist, bei der Beklagten wiederholt ohne Erfolg um eine Beschäftigung. Der Kläger meint, sein Dienstverhältnis sei auf Grund des Regelungsgesetzes vom 1. Dezember 1952 ab als fortbestehend anzusehen, zumindest stehe ihm eine Übergangsvergütung zu. Mit der Klage macht er einen Teilbetrag rückständiger Bezüge in Höhe von 600,— DM nebst 4°/« Zinsen seit dem 19. August 1953 geltend. Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger falle nicht unter das Regelungsgesetz, da er bei ihr nicht in einem öffentlichen Dienst gestanden habe. Ihr Unternehmen unterscheide sich nicht von anderen Versicherungsunternehmen des privaten Rechts, und ihre Angestellten seien tariflich von jeher wie die Angestellten des privaten Versicherungsgewerbes behandelt worden. Ihre öffentlich-rechtliche Rechtsform habe im wesentlichen nur noch historische Bedeutung. Ferner sei der Kläger nicht aus anderen als tarifrechtlichen Gründen aus ihren Diensten ausgeschieden; denn ihm sei wegen Beschäftigungsmangels gekündigt worden. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte Widerklage erhoben mit dem Antrage, festzustellen, daß dem Kläger über die Klageforderung hinaus keine weiteren Ansprüche aus dem Dienstvertrag vom 1. November 1929 und nach dem Regelungsgesetz zustehen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Ungunsten der Beklagten entschieden. Die Revision der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Aus den

Gründen:

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Kläger gemäß § § 6 3 Abs. 1, 62 Abs. 3 des Regelungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Dezember 1952 so behandelt werden muß, wie wenn er nicht aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden wäre. 1. Der Kläger war in der im Westsektor Berlins gelegenen Hauptverwaltung der Beklagten tätig gewesen. Die Beklagte hat ihr Versicherungsunternehmen nach dem Kriege fortgeführt. Allerdings hat sich der Umfang des Unternehmens, jedenfalls in der ersten Zeit nach dem Kriege, erheblich verkleinert. Dieser Umstand kann jedoch nicht dem Wegfall einer

8. Öffentlicher Dienst i. S. des RegelungsG

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Dienststelle, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 a Regelungsgesetz beurteilt werden müßte, gleichgestellt werden. Denn das Regelungsgesetz knüpft nur an die Tatsache an, daß entweder eine Dienststelle — wenn auch in geringerem Umfange — bestehengeblieben ist oder daß sie weggefallen ist, und zwar in vollem Umfange. Die Einschränkung einer Dienststelle kann bei der Beurteilung der Frage, ob jemand im Rahmen des Regelungsgesetzes als „Einheimischer" (§ 63) oder als „Verdrängter" (§ 1 ff.) anzusehen ist, nach dem insoweit klaren Wortlaut des Gesetzes nicht berücksichtigt werden. Da hiernach die Dienststelle des Klägers im Sinne der §§ 1, 2 des Regelungsgesetzes nicht weggefallen ist, kann der Kläger, der infolge der fristlosen Entlassung der Beklagten seinen Arbeitsplatz verloren hat, nur unter den Personenkreis des § 63 des Regelungsgesetzes fallen. 2. Nach dieser Bestimmung können Angestellte und Arbeiter der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Bundesgebiet, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen und nicht entsprechend ihrer früheren Rechtsstellung wiederverwendet sind, unter gewissen weiteren Voraussetzungen Ansprüche aus dem Regelungsgesetz herleiten, wenn sie am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen. Die Beklagte ist der Auffassung, daß der Kläger, wenn er auch Angestellter einer Nichtgebietskörperschaft des öffentlichen Rechts im Bundesgebiet gewesen sei, dennoch nicht im öffentlichen Dienst gestanden habe und daher nicht unter § 63 des Regelungsgesetzes falle. Damit gehöre er überhaupt nicht zu dem Kreis der aus dem Regelungsgesetz Berechtigten. Der Begriff des öffentlichen Dienstes sei nämlich so abzugrenzen, wie dies früher im § 1 A O G Ö geschehen sei, wonach Betriebe, die wirtschaftliche Zwecke verfolgen, auch wenn sie von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts getragen würden, nur dann als öffentliche Betriebe anzusehen seien, wenn die Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse, der sie dienen, durch Gesetz oder tatsächliche Übung der öffentlichen Hand ganz oder überwiegend vorbehalten sei. Das sei bei Bankbetrieben nicht der Fall. Diese Ausführungen verkennen den Begriff des öffentlichen Dienstes im Sinne des Art. 131 GG und des Regelungsgesetzes. Wie der Senat in dem gleichzeitig verkündeten Urteil 3 AZR 69/55 (BAG 5, 264) entschieden hat, fallen alle Arbeitnehmer der nach § 2 Abs. 1 des Regelungsgesetzes in der Anlage A aufgeführten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unter das Kapitel I des Regelungsgesetzes und rechnen zum öffentlichen Dienst im Sinne dieses Gesetzes

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8. Öffentlicher Dienst i. S. des RegelungsG

und des Art. 131 GG. In dem angezogenen Urteil ist ausgeführt, daß •diese Annahme sich aus der Wortfassung des § 2 des Regelungsgesetzes i. V. mit der Anlage A zwingend ergibt, und daß diese Auffassung nicht gegen Art. 131 GG und den darin dem Gesetzgeber erteilten Auftrag verstößt. Der Gesetzgeber hat daher die bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn beschäftigten Personen allein wegen der öffentlich-rechtlichen Person des Dienstherrn zum öffentlichen Dienst im Sinne der §§ 1 und 2 des Regelungsgesetzes gerechnet. § 63 ist eine den §§ 1 und 2 insoweit entsprechende Bestimmung, als sie ergänzend zum Kapitel I des Regelungsgesetzes die im Bundesgebiet noch bestehenden Gebietskörperschaften und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts erfaßt. Es ist daher kein Grund dafür ersichtlich, daß der Begriff des öffentlichen Dienstes im Sinne der §§ 1 und 2 von dem des § 63 des Regelungsgesetzes verschieden ist. Auch hier handelt es sich um die von einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn Beschäftigten, worauf es bei der Abfassung des § 2 des Regelungsgesetzes (jedenfalls in seiner ursprünglichen Passung) abgestellt ist. Der Unterschied, daß nach § 63 des Regelungsgesetzes alle Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts erfaßt werden, während nach § 2 des Regelungsgesetzes nur die in der Anlage A aufgeführten Nichtgebietskörperscha'ften berücksichtigt werden sollen, findet seine Erklärung darin, daß hinsichtlich der im Bundesgebiet noch fortbestehenden Nichtgebietskörperschaften, die § 63 des Regelungsgesetzes im Auge hat, eine Ausschaltung nationalsozialistischer Organisationen nicht mehr nötig ist, im Gegensatz zu den weggefallenen oder aufgelösten Nichtgebietskörperschaften des § 2 des Regelungsgesetzes. Öffentlicher Dienst im Sinne des § 63 des Regelungsgesetzes liegt daher jedenfalls immer dann vor, wenn ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr vorhanden ist. Wollte man anders entscheiden, so würde das zu widerspruchsvollen Ergebnissen führen. Es würde u. U. derselbe Dienst, bei einem gleichartigen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn geleistet, als öffentlicher Dienst zu beurteilen sein oder nicht, je nachdem ob dieser Dienst zur Zeit der Kapitulation in der jetzigen Ostzone oder im Bundesgebiet geleistet worden wäre. Daher kann insbesondere auch nicht angenommen werden, daß zum öffentlichen Dienst im Sinne des Art. 131 GG und des Regelungsgesetzes nur gehört, was unter die Regelung des § 1 A O G Ö fällt. In dem bereits genannten Urteil BAG 5, 264 ist im einzelnen dargelegt, daß diese Auffassung die Bedeutung der Wortfassung „anderer als t a r i f r e c h t l i c h e r Gründe" verkennt. Die Annahme, daß öffentlicher Dienst im Sinne des § 63 des Regelungs-

8. Verlust des Arbeitsplatzes aus anderen als tarifreditlidien

Gründen

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gesetzes jedenfalls immer dann vorliegt, wenn ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr vorhanden ist, steht auch nicht zu der Entscheidung des Senats vom 23. Oktober 1956 (BAG 3, 124) in Widerspruch, denn diese stellt es darauf ab, daß die kommunalen Versorgungsbetriebe mit eigener privatrechtlicher Rechtspersönlichkeit als Wirtschaftsbetriebe der Gemeinden oder Gemeindeverbände selbst, mithin also als Betriebe öffentlich-rechtlicher Dienstherrn zu gelten hätten. 3. Wenn nach den vorstehenden Ausführungen mit Recht davon auszugehen ist, daß der Kläger bei der Beklagten am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst i. S. des Regelungsgesetzes stand, so ist den Vorinstanzen auch darin zuzustimmen, daß er seinen Arbeitsplatz aus anderen als tarifrechtlichen Gründen im Sinne des § 63 Abs. 1 Nr. 1 a des Regelungsgesetzes verloren hat. Nach den Feststellungen ist der Kläger bei der Beklagten wegen einer Einschränkung des Betriebs ausgeschieden, die nicht auf einer normalen wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auf den unmittelbaren Auswirkungen des Krieges, insbesondere auf der Spaltung Deutschlands und dem Verlust der Ostgebiete beruhte. Diese Gründe für den Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers sind andere als tarifrechtliche im Sinne des § 6 3 des Regelungsgesetzes. Die Ansicht, zur Anwendung des § 63 des Regelungsgesetzes sei erforderlich, daß der Angehörige des öffentlichen Dienstes aus politischen Gründen ausgeschieden sei (vgl. Anders, Gesetz zu Art. 131 GG, 3. Aufl. § 62 Anm. 4, § 63 Anm. l ) , trifft zwar den Regelfall, erschöpft den Begriff „aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen" jedoch nicht ausreichend. Das Regelungsgesetz will die Rechtsverhältnisse aller infolge des Zusammenbruches des Deutschen Reiches aus dem öffentlichen Dienst ausgeschiedener Personen regeln. Die Bediensteten, deren Dienststelle weggefallen ist oder außerhalb des Bundesgebietes lag, werden von den Bestimmungen der §§ 1 und 2 des Regelungsgesetzes erfaßt. Bei ihnen können politische Gesichtspunkte für den Verlust des Arbeitsplatzes keine entscheidende Rolle gespielt haben, denn diese Bediensteten konnten wegen des Schicksals ihres Dienstherrn, auch wenn sie politisch unbelastet waren, ihr ursprüngliches Dienstverhältnis nicht fortsetzen. Bei den Angehörigen von Dienststellen, die außerhalb der Bundesrepublik lagen, verlangt § 1 Abs. 1 Nr. 1 b des Regelungsgesetzes ausdrücklich, daß ihre Dienstaufgabe auf anderen als tarifrechtlichen Gründen beruhen müsse. Dies kann nur in dem Sinn gemeint sein, daß die „anderen als tarifrechtlichen Gründe" gleichzusetzen sind mit den unmittelbaren Katastrophenfolgen des Krieges. Den gleichlautenden Begriff „aus anderen 4 Entscheid, d. B A G . 6

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8. Politisch Unbelasteter i. S. d. RegelungsG

als tarifrechtlichen Gründen" verwendet der Gesetzgeber in den §§ 62 und 63 des Regelungsgesetzes, durdi die die aus dem öffentlichen Dienst ausgeschiedenen Beamten, Angestellten und Arbeiter, deren Dienststellen im Bundesgebiet bestehen geblieben sind, den Bestimmungen des Regelungsgesetzes unterstellt werden. Schon der Wortlaut des Gesetzes spricht daher eindeutig gegen die Ansicht, die Bestimmungen der §§ 62, 63 des Regelungsgesetzes nur auf ein Ausscheiden aus politischen Gründen zu beschränken. Eine soldie Auffassung würde zu unbilligen Ergebnissen führen: Ein Angestellter, dessen Dienststelle durch die Kriegs- und Nachkriegsfolgen untergegangen ist, fällt auch dann unter das Regelungsgesetz, wenn er nicht aus politischen Gründen aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden ist. Dagegen würde ein Angestellter, der wie der Kläger wegen unmittelbarer Auswirkungen des Krieges, nämlich wegen einer nur durch den Kriegsausgang bedingten Einschränkung des Unternehmens der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, seine Stelle verloren hat, dessen Dienstherr jedoch noch besteht, keine Ansprüche aus dem Regelungsgesetz herleiten können. Ferner müßten im Rahmen des § 63 des Regelungsgesetzes Angehörige des gleichen Betriebes, die zu den gleichen Bedingungen angestellt waren, verschieden behandelt werden, wenn sie teils aus politischen Gründen und teils wegen unmittelbarer Kriegsfolgen, wie im vorliegenden Fall, entlassen worden sind, und zwar würden nur die politisch Belasteten Rechte aus dem Regelungsgesetz herleiten können. Es muß daher angenommen werden, daß ein Verlust des Arbeitsplatzes aus anderen als tarifreditlichen Gründen im Sinne der §§ 62, 63 des Regelungsgesetzes auch dann vorliegt, wenn Gründe tatsächlicher Art, die auf dem unmittelbaren Ausgang des Krieges beruhen, zu dem Ausscheiden des Arbeitnehmers geführt haben. Auch bei ihnen handelt es sich in Wirklichkeit nicht um normale arbeitsrechtliche Gründe der Lösung eines Dienstverhältnisses. 4. Der Kläger ist als politisch Unbelasteter vom 1. Dezember 1952 ab so zu behandeln, als sei er aus den Diensten der Beklagten nicht ausgeschieden. Das ergibt sich aus § 62 Abs. 3 des Regelungsgesetzes, der in Berlin für die von § 63 Abs. 1 erfaßten Angehörigen des öffentlichen Dienstes gemäß §§ 5, 7 des Berliner Durchführungsgesetzes zum Regelungsgesetz vom 13. Dezember 1951 (GVB1. für Berlin S. 1162) in Verb, mit § 196 des Berliner Beamtengesetzes vom 24. Juli 1951 (GVB1. für Berlin S. 603) mit der Maßgabe gilt, daß Personen, die in Berlin den Entnazifizierungsbestimmungen nicht unterlagen, vom 1. Dezember 1952 ab so zu behandeln sind, als hätten sie ihren Arbeitsplatz nicht verloren. Zur Anwendung des § 62 Abs. 3 des Regelungsgesetzes ist ebenfalls nicht

8. Politisch Unbelasteter i. S. d. RegelungsG

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erforderlich, daß der Angehörige des öffentlichen Dienstes aus politischen Gründen, wegen zu Unrecht erfolgter politischer Maßregelung, seinen Arbeitsplatz verloren hat. Weder aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 3 des Regelungsgesetzes noch aus dem Sinn dieser Vorschrift läßt sich eine solch enge Auslegung rechtfertigen. Nach dem Wortlaut ist nur erforderlich, daß ein politisch unbelasteter Angehöriger des öffentlichen Dienstes, der zu dem Kreis der von den §§ 62 und 63 des Regelungsgesetzes erfaßten Personen gehört, von seinem Arbeitsplatz entfernt worden ist. Die Ausdehnung des Personenkreises der §§ 62 und 63 des Regelungsgesetzes dahin, daß zu ihm auch solche Arbeitnehmer gehören, die aus anderen als politischen, nämlich aus unmittelbar auf dem Kriegsausgang beruhenden Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben (vgl. oben Ziff. 3), erfordert systematisch folgerichtig auch die Anwendung des § 62 Abs. 3 des Regelungsgesetzes auch auf diese Personen. Die entgegengesetzte Auffassung würde wiederum zu ersichtlich unbilligen Ergebnissen führen. Es würde in vielen Fällen sich der Dienstherr zwar darauf berufen, aber heute kaum noch festgestellt werden können, ob eine zu Unrecht politisch verfolgte Person nicht auch dann wegen der unmittelbaren Folgen der Kriegskatastrophe entlassen worden wäre, wenn der Dienstherr die politische Unbescholtenheit seines Angestellten gekannt hätte. In all diesen Fällen würde ferner die Frage, ob eine Entlassung letztlich auf einer zu Unrecht erfolgten politischen Maßregelung beruht, von den nach so langer Zeit oft zufälligen Ergebnissen der Beweisaufnahmen abhängen. Ferner könnte es sich auf Grund der Ansicht der Beklagten ergeben, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes, die wegen ihrer formellen Zugehörigkeit zu einer NS-Organisation, wie der NSV, ihren Arbeitsplatz verloren, also Personen, die trotz ihrer formellen Zugehörigkeit zu einer untergeordneten NS-Organisation nicht den Berliner Entnazifizierungsbestimmungen unterlagen, besser gestellt würden als die Bediensteten der gleichen Dienststelle, die politisch völlig unbelastet waren und nur wegen der allgemeinen Auswirkungen des Krieges aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden mußten. Soweit aus der beiläufigen Bemerkung des Senats in seinem Urteil vom 2. Juli 1957 - 3 AZR 312/55 - AP Nr. 17 zu § 52 RegelungsG, auf der die dortige Entscheidung jedoch nicht beruht, etwas Gegenteiliges entnommen werden sollte, wird diese Ansicht aufgegeben. Hiernach ist der Klageanspruch begründet, die Widerklage der Beklagten jedoch unbegründet.

4*

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9.

Lohnsteuererstattung

9 1. Dei Arbeitgeber, der vom Finanzamt wegen nicht einbehaltener Lohnsteuer seines Arbeitnehmers in Anspruch genommen wird, kann vom Arbeitnehmer volle Erstattung der für diesen bezahlten Steuern verlangen. 2. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers schließt an sich die Pflicht ein, die Lohnsteuer richtig zu berechnen. Eine schuldhaft falsche Berechnung der Lohnsteuer verpflichtet den Arbeitgeber daher zum Ersätze des dem Arbeitnehmer daraus entstehenden Schadens. Ein Schaden kann aber nicht schon darin bestehen, daß der Arbeitnehmer die Lohnsteuer später bezahlen muß, als er sie eigentlich hätte bezahlen müssen. Nur soweit aus dieser verspäteten Zahlung der Lohnsteuer dem Arbeitnehmer ein besonderer Nachteil entsteht, entfällt der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers. Einen solchen besonderen Nachteil aber muß der Arbeitnehmer dartun. 3. Tarifliche Ausschlußfristen sind eng auszulegen. EStG 1953, § 38; LStDV 1954, § 4 6 ; Steueranpassungsgesetz § 7; BGB §§ 242, 249, 276, 4 2 6 , 611, 662, 670, 677, 679, 683, 8 1 2 ; T V G § 4 Abs. 4 ; Melkertarif für Niedersachsen vom 31. 3 . 1 9 5 4 , § 11 Abs. 2. II. Senat. Urteil vom 27.März 1958 i. S . K . (Kl.) w. T. (Bekl.) 2 AZR 221/56. I. Arbeitsgericht Hildesheim. —

II. Landesarbeitsgericht Hannover.

Der Kläger ist Landwirt und beschäftigte den Beklagten in der Zeit von Oktober 1952 bis zum 30. September 1954 als Melkermeister. Während dieser Zeit hielt der Kläger dem Beklagten von seinen Bezügen insgesamt 515,13 DM zu wenig an Lohnsteuer, Kirchensteuer und Notopfer Berlin ein, und dementsprechend führte er auch zu wenig an das Finanzamt ab. Auf einen entsprechenden Haftungsbescheid des zuständigen Finanzamts zahlte er die betreffenden Beträge. Mit seiner Klage hat er von dem Beklagten Erstattung des an das Finanzamt abgeführten Betrages von 515,13 DM verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen; das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und das Urteil des Arbeitsgerichts wiederhergestellt worden. Aus den

Gründen:

i . Das Landesarbeitsgericht hat die Berechtigung des Erstattungsbegehrens des Klägers allein unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob er mit

9. Lohnsteuererstattung

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der Nachentrichtung der Steuern im Sinne der §§ 677, 679 BGB für den Beklagten als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig gewesen sei und deshalb nach § 683 BGB Ersatz seiner Aufwendungen verlangen könne. Es hat dies mit der Begründung verneint, die Nachentrichtung der Steuern durch den Kläger falle nicht in den Interessenkreis des Beklagten, und deshalb liege keine Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne der §§ 677, 679 BGB vor, so daß der Kläger auch keinen Aufwendungsersatzanspruch im Sinne des § 683 BGB für sich in Anspruch nehmen könne. 2. Diese Ansicht des Landesarbeitsgerichts gestattet aber die von ihm ausgesprochene Klageabweisung schon deshalb nidht, weil andere, von ihm nicht in Betracht gezogene Anspruchsgrundlagen das Klagebegehren trotzdem rechtfertigen. Von deren Prüfung war das Landesarbeitsgericht nicht dadurch entbunden, daß der Kläger die Rechtsansicht vertreten hatte, sein Klagebegehren rechtfertige sich aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag. Denn das Gericht hat von sich aus und selbständig unter allen in Frage kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, ob sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge aus den von ihm behaupteten Tatsachen ergibt (RGZ 80, 363 [365]; 85, 163 [167, 168]; Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., § 253 Anm. III 2 ß und Vorbem. II 4 vor § 128 mit Nachweisen zu Fußnote 8; Wieczorek, ZPO, § 128 Anm. B III b 2 und Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., 1956, § 13014 S. 615 mit weiteren Nachweisen). a) Im Anschluß an die Entscheidung des früheren Reichsarbeitsgerichts in ARS 14, 345 [346] wird vielfach die Ansicht vertreten, als Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers seien in derartigen Fällen die Vorschriften der §§ 68 3, 679, 426 Abs. 1 und 2 BGB in Betracht zu ziehen (vgl. Nikisch, Lehrbuch, 2. Aufl., 1955, S. 310; Hartz, Betrieb 1952, 1065 [1066] und 1957, 878 [879]; Rewolle, Betrieb 1955, 217 [218]; Runninger, Betrieb 1957, 413 [414]; Kunze, Arbeit und Recht 1953, 171 [172]; Gros in Anm. zu LAG Düsseldorf vom 2. 2. 1956 — 2 a Sa 154/55 — ARBlattei (D), Lohnsteuer, Entscheidungen l/2, Ziffer 1). b) Es ist aber fehlerhaft, für den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers überhaupt die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht zu ziehen. Das charakteristische Wesen der Geschäftsführung ohne Auftrag besteht gerade darin, daß jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne dazu von ihm beauftragt oder ihm sonst gegenüber dazu berechtigt zu sein (§ 677 BGB), und für die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist daher begrifflich kein Raum,

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9. Lohnsteuererstattungsanspruch

wenn jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, zu dessen Besorgung er von dem anderen beauftragt oder sonst berechtigt ist. Eine solche die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließende Berechtigung liegt aber vor, wenn ein Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer die von diesem geschuldeten Steuerbeträge von dessen Bezügen nicht einbehalten hat, die Abgabenschuld seines Arbeitnehmers mit eigenen Mitteln durch Zahlung an das Finanzamt erfüllt. c) Das ergibt sich aus einer näheren Betrachtung des Inhaltes und des Sinnes der steuerrechtlichen Vorschriften, die überhaupt erst dazu führen, daß der Arbeitgeber in derartigen Fällen die Abgabenschuld seines Arbeitnehmers aus eigenen Mitteln an das Finanzamt zahlt. Für die Lohnsteuer bestimmen für den hier in Betracht kommenden Zeitraum § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG 1953 (BGBl. I, 1355) und § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Halbsatz 1 LStDV 1954 (BGBl. 1953 1 1524 ff.) ausdrücklich, daß Steuer S c h u l d n e r der Arbeit n e h m e r ist. § 3 8 Abs. 3 Satz 2 EStG 1953 und § 46 Abs. 1 Satz 2 LStDV 1954 besagen weiter, daß der Arbeit g e b e r für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer „ h a f t e t " . Gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl. J, 925) bedeutet das, daß Arbeitnehmer und Arbeitgeber Gesamtschuldner sind, wobei aber in Verbindung mit § 7 Abs. 6 Steueranpassungsgesetz § 38 Abs. 3 Ziffer 1—3 EStG 1953 und § 46 Abs. 2 Ziffer 1—4 LStDV wiederum bestimmen, daß trotzdem die Finanzverwaltung den Arbeitnehmer nur in den dort näher bezeichneten Fällen, im übrigen grundsätzlich den Arbeitgeber in Anspruch nimmt. Für das „ N o t o p f e r B e r l i n " gilt die in § 38 EStG enthaltene Regelung entsprechend, wie sich für den hier in Betracht kommenden Zeitraum von Oktober 1952 bis zum 30. September 1954 aus § 5 Abs. 3 Halbsatz 1 N O G 1952 (i. d. Fassung vom 10. März 1952 — BGBl. I S. 132) und § 5 Abs. 3 Halbsatz 1 N O G 1953/1954 (i. d. Fassung vom 26. Oktober 1953 — BGB1.I S. 1479 ff.) ergibt. Entsprechendes gilt für K i r c h e n s t e u e r gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 des niedersächsischen Gesetzes zur Änderung kirchensteuerrechtlicher Bestimmungen in der Fassung vom 20. März 1952 — NS GVOB1. 1952 S. 19 Der S i n n dieser Regelung ist folgender: Durch die Kennzeichnung des A r b e i t n e h m e r s als „ S t e u e r s c h u l d n e r " ist klargestellt, daß i h n im Endergebnis die Steuerlast treffen soll und n i c h t den Arbeitg e b e r. Dadurch, daß der Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abführung der Abgaben des Arbeitnehmers neben diesem gesamtschuldnerisch

9. Lohnsteuererstattung

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„ h a f t e t " , ist klargestellt, daß er für eine f r e m d e Schuld in der oben mitgeteilten Weise einzustehen hat (Blümich-Falk, EStG, 7. Aufl., 1955, § 3 8 Anm. 5 a S. 1179; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 5. Aufl., 1956, § 38 Bern. 3 und Bern. 8 ff., S. 1086, 1087). Diese Regelung erklärt sich aus dem Bestreben des Gesetzgebers, zur Vereinfachung der Verwaltung und aus Gründen der Arbeits- und Kostenersparnis dem Arbeitgeber eine Aufgabe aufzubürden, die andernfalls vornehmlich Aufgabe der Finanzverwaltung selbst sein müßte, zum Teil aber auch den Arbeitnehmern als den Steuerschuldnern zur Last fallen könnte. Die Erfüllung dieser dem Arbeitgeber aufgetragenen Funktionen erzwingt der Gesetzgeber dadurch, daß er die Nichterfüllung der dem Arbeitgeber zugemuteten Einbehaltungs- und Abführungspflichten unter die Sanktion der gesamtschuldnerischen Haftung des Arbeitgebers stellt. Mit dieser Pflichten- und Garantenstellung des Arbeitgebers für fremde Abgabenschulden erschöpft sich aber die Stellung des Arbeitgebers keineswegs. Gerade weil er damit auch den Arbeitnehmern als den wahren Steuerschuldnern Arbeit abnimmt, findet sie ihre Ergänzung in R e c h t e n , die dem Arbeitgeber zur Verwirklichung des ihm aufgetragenen Pflichtenkreises vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellt sind. Damit, daß ihm im Interesse der Finanzverwaltung und der Steuerschuldner zur Pflicht gemacht worden ist, die vom Arbeitnehmer geschuldeten Abgabenbeträge von dessen Bezügen einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, hat er vom Gesetzgeber auch die B e r e c h t i g u n g erhalten, in seinem Verhältnis zum Arbeitnehmer so zu verfahren, wie es die ihm zugedachte Pflichten- und Garantenstellung erfordert. Das ist eindeutig, soweit der Arbeitgeber von den Bezügen seines Arbeitnehmers dessen Abgabenschuldbeträge einbehält und an das Finanzamt abführt. Insoweit hat er vom Gesetzgeber das Recht erhalten, auch in seinem Verhältnis zum Arbeitnehmer so zu verfahren, wie es das Gesetz vom Arbeitgeber verlangt. Damit stellt das Gesetz im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein — auftragsähnliches — gesetzliches Schuldverhältnis her, das den Arbeitgeber berechtigt und verpflichtet, dessen Abgabeschuld mit dessen Mitteln zu erfüllen. Ein solches gesetzliches — auftragsähnliches — Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist aber auch anzunehmen, soweit der Arbeitgeber von den Bezügen seines Arbeitnehmers dessen Abgabenschuldbeträge nicht entsprechend der ihm aufgetragenen Pflicht einbehält und abführt. Wenn in einem solchen Fall im Verhältnis zwischen Finanzverwaltung und Arbeitgeber dessen Garantenstellung in der — oben erörterten — gesamtschuldnerischen Haftung des Arbeitgebers zum Tragen kommt, so kann das nichts an dem Recht des

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9. Lohnsteuererstattung

Arbeitgebers ändern, die von ihm erfüllte fremde Steuerschuld im Endergebnis nach wie vor mit fremden Mitteln, nämlich mit Mitteln und zu Lasten des Steuerschuldners und damit des Arbeitnehmers zu erfüllen. Denn von einer solchen Vorstellung geht die oben mitgeteilte Steuergesetzgebung gerade deswegen aus, weil es ihr im Endergebnis auf die Belastung des Steuer S c h u l d n e r s ankommen muß, und es ihr nicht gleichgültig ist, wer die Steuern bezahlt. Sie kennt auch deswegen keine Sperrvorschriften, die den Arbeitgeber in seinem Verhältnis zum Arbeitnehmer in seinen Erstattungsmöglichkeiten einschränken, wie das z. B. in der Sozialversicherungsgesetzgebung in §§ 394, 395 R V O der Fall ist (vgl. dazu Urteil des Zweiten Senates des Bundesarbeitsgerichts vom 3. April 1958 - 2 AZR 469/56 - B A G 6, 7 ff.; LAG Leipzig, ARS 38 L 64 [67/69]). Bei einer solchen Ausgestaltung der Pflichten- und Garantenstellung des Arbeitgebers im Außenverhältnis gegenüber der Finanzverwaltung und seiner Pflichten und Berechtigungen im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer ergibt sich somit, daß zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer insoweit ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis besteht, welches entsprechend dem in § 670 BGB niedergelegten allgemeinen Rechtsgedanken den Arbeitgeber berechtigt, vom Arbeitnehmer zu verlangen, daß dieser ihm das ersetzt, was der Arbeitgeber in Erfüllung der ihm gesetzlich aufgetragenen Pflichten- und Garantenstellung zur Tilgung der Abgabenschuld des Arbeitnehmers aus eigenen Mitteln aufgewendet hat. d) Damit ergibt sich aber, daß der Arbeitgeber auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer berechtigt ist, aus eigenen Mitteln dessen Abgabenschuld zu tilgen und dafür vom Arbeitnehmer Ersatz des dafür Aufgewendeten zu verlangen. Diese Berechtigung des Arbeitgebers im Verhältnis zum Arbeitnehmer schließt die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) und damit insbesondere auch § 683 BGB als Anspruchsgrundlage für sein Erstattungsbegehren aus, weil eine Geschäftsführung ohne Auftrag begrifflich ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitgeber so verfährt, wie er im Verhältnis zum Arbeitnehmer kraft der ihm eingeräumten Rechtsstellung verfahren darf. e) Ist aber davon auszugehen, daß ein zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehendes gesetzliches Schuldverhältnis ersteren berechtigt, vom Arbeitnehmer Ersatz der für den Arbeitnehmer verauslagten Abgabenbeträge zu verlangen, so ist es auch abzulehnen, für das Erstattungsbegehren des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer in derartigen Fällen als Anspruchsgrundlage die Vorschriften über die un-

9. Lohnsteuer und Fürsorgepflicht

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gerechtfertigte Bereicherung ( § 8 1 2 BGB) in Betracht zu ziehen, wie das in der Rechtsprechung und Rechtslehre mehrfach angenommen worden ist (so: Gros, AR-Blattei (D), Lohnsteuer I, Übersicht C H I ; LAG Düsseldorf vom 2. 2 . 1 9 5 6 — 2 a Sa 1 5 4 / 5 5 — AR-Blattei (D), Lohnsteuer, Entscheidungen 1/2, Ziffer 1 ; LAG Berlin vom 3 1 . 3 . 1 9 5 3 — 5 L A G 7 6 3 / 5 2 - BB 1 9 5 3 , 4 4 3 Nr. 1 0 7 4 ; LAG Leipzig, ARS 3 8 L 6 4 ff. Nr. 1 7 [ 6 8 ] ) . Denn das gesetzlich begründete auftragsähnliche Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bildet den Rechtsgrund für die von dem Arbeitgeber für den Arbeitnehmer gemachten Aufwendungen, die somit nicht rechtsgrundlos sind, wie das nach § 812 BGB erforderlich ist. f) Da somit der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer kraft des zwischen beiden bestehenden auftragsähnlichen Legalschuldverhältnisses in entsprechender Anwendung von § 6 7 0 BGB volle Erstattung der für den Arbeitnehmer entrichteten Abgaben verlangen kann, insoweit also im Innenverhältnis zwischen den beiden Gesamtschuldnern nicht nur hälftige (§ 4 2 6 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB), sondern volle Ausgleichspflicht zum Vorteil des Arbeitgebers und zu Lasten des Arbeitnehmers stattfindet (§ 4 2 6 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB), greift in diesem Umfang auch der in § 4 2 6 Abs. 2 Satz 1 BGB näher geregelte gesetzliche Forderungsübergang durch (wie hier im Ergebnis und mit ähnlicher Begründung: L A G Hamm vom 9 . 7 . 1 9 5 7 - 2 Sa 1 6 1 / 5 7 - AP Nr. 3 zu § 4 2 6 BGB mit zust. Anm. von Wertenbruch; Bender, Steuer und Wirtschaft, Teil I, 1938, Sp. 6 7 f f . [75]; LAG Düsseldorf (Köln) vom 7. 8. 1 9 5 6 — 2 b Sa 1 4 0 / 5 6 = BB 1 9 5 6 , S. 9 6 1 , Nr. 1 8 6 2 ; LAG Mannheim vom 2 0 . 2 . 1 9 5 3 - Sa 8 4 / 5 2 - BB 1 9 5 3 , 4 4 3 , Nr. 1 0 7 4 ; in etwa auch B A G in AP Nr. 5 zu § 5 5 0 Z P O , obwohl darin auf die etwas anderslautende und oben bereits zitierte Entscheidung des LAG ARS 14, 345 Nr. 76 verwiesen wird). 3. Somit hatte der Beklagte dem Kläger die von diesem verauslagten und hier streitigen Beträge zu erstatten. Soweit sich der Beklagte demgegenüber darauf beruft, mit der vom Kläger unterlassenen Einbehaltung und Abführung der Abzüge habe dieser seine dem Beklagten gegenüber bestehende arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht verletzt, kann er daraus nichts gegen den Erstattungsanspruch des Klägers herleiten. a) Man kann durchaus in Betracht ziehen, daß die richtige Einbehaltung und Abführung der Arbeitnehmersteuern durch den Arbeitgeber nicht nur eine Pflicht des Arbeitgebers aus dem durch das Steuerrecht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründeten auftragsähnlichen Legälschuldverhältnis, sondern zugleich auch eine solche aus dem Arbeits-

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9. L o h n s t e u e r u n d Fürsorgepflicht

Verhältnis ist, ähnlich wie es dem Arbeitgeber aus dem Arbeitsvertrag obliegt, den Lohn seines Arbeitnehmers bei Vermeidung von Verzugsfolgen und der Verletzung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht richtig zu berechnen (vgl. statt aller: Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. I, § 48 III 4 S. 376 mit Nachweisen). b) Wie jede positive Vertragsverletzung führt auch eine Fürsorgepflichtverletzung dann, wenn sie schuldhaft geschieht, zur Schadenersatzpflicht (Hueck-Nipperdey, a . a . O . , § 48 III 1, S. 372). Das bedeutet für den Fall des unterlassenen oder fälschlich durchgeführten Steuerabzuges aber nicht, daß jeder Steuerabzug oder jede falsche Anwendung der Steuervorschriften ein Verschulden des Arbeitgebers darstellt. O b ein solches Verschulden anzunehmen ist, läßt sich nicht generell beurteilen. Bei der Kompliziertheit unseres Steuersystems lassen sich sehr wohl Fälle denken, in denen ein Verschulden nicht ohne weiteres angenommen werden kann. c) Aber auch bei schuldhafter falscher Anwendung der Steuervorschriften kann der Arbeitnehmer gegenüber dem Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nur dann etwas herleiten, wenn ihm daraus ein S c h a d e n entstanden ist, mit dem er dann gegenüber dem Erstattungsanspruch aufrechnen kann. Ein solcher Schaden ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer den zunächst zuviel erhaltenen Lohnteil für Zwecke ausgegeben hat, für die er ihn nicht hätte ausgeben können, wenn ihm die Steuern ordnungsgemäß abgehalten worden wären. Die gegenteilige Ansicht des Landesarbeitsgerichts Frankfurt in dem Urteil vom 6. Oktober 1955 — III LA 165/55 — Betrieb 1956, 403 verkennt das Wesen des Schadensbegriffes. Denn Schaden ist die Vermögenseinbuße, die sich daraus ergibt, wenn man vergleicht, was der Arbeitnehmer bei ordnungsmäßiger Steuerabführung erhalten hätte und was er ohne ordnungsmäßigen Steuerabzug erhalten hat. Rechnerisch kann aber dann keine Vermögenseinbuße vorliegen, weil sich der zunächst zuviel erhaltene Betrag mit dem später einbehaltenen Betrag ausgleicht. Soweit in Rede steht, daß in solchen Fällen eine unterschiedliche Verwendungsmöglichkeit der Bezüge für den Arbeitnehmer gegeben sein kann, so gleicht sich auch das aus, wenn er zunächst mehr ausgibt, als er bei richtiger Steuerberechnung ausgegeben hätte, und sich dann einschränken muß. Es liegt dann eine Saldierung von erhöhtem und vermindertem Lebensgenuß vor, die ebenfalls keinen Schaden des Arbeitnehmers darstellt, wenn nicht besondere, vom Arbeitnehmer darzulegende, Umstände gegeben sind (z. B. die spätere Einschränkung der Lebenshaltung des Ar-

10. Vergütung ärztlicher Gutachten

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beitnehmers führt zu Gesundheitsschädigungen, Verlust der Wohnung, weil er die Miete nicht bezahlen kann u. ä.). 4. Der Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht durdh § 11 Abs. 2 des auf das Arbeitsverhältnis des Beklagten anwendbaren Melkertarifs für Niedersadisen vom 31. März 1954 ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift werden „Ansprüche auf Lohnteile irgendwelcher A r t " ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Für alle übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gilt eine Ausschlußfrist von 3 Monaten. Bei dem hier in Rede stehenden Erstattungsanspruch des Klägers handelt es sich nicht „um Ansprüche auf Lohnteile" und auch nicht um einen solchen „aus dem Arbeitsverhältnis". Er findet seinen rechtlichen Grund vielmehr in dem besonderen gesetzlich begründeten Ausgleichsverhältnis, das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Fällen der hier in Rede stehenden Art entsteht. Da Ausschlußklauseln grundsätzlich eng auszulegen sind (RAG 17, 229 [232] = ARS 28, 56 [59]; BAG in AP Nr. 1 zu § 14 TO.B und Urteil des Zweiten Senates vom 10. Oktober 1957 — 2 AZR 48/55 — in AP Nr. 12 zu § 1 T V G Auslegung), genügt der Umstand, daß derartige besondere Erstattungsansprüche eines Arbeitgebers regelmäßig in einem inneren Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehen, ohne aber selbst in ihm den rechtlichen Grund zu finden, nicht, um sie in den Geltungsbereich des § 11 Abs. 2 des Melkertarifs einzubeziehen.

10 1. Sind beide Partner eines Arbeitsvertrages der Auffassung, daß dem Arbeitnehmer für eine bestimmte Leistung auf Grund einer Rechtsnorm (hier: Tarifordnung, Dienstordnung) eine besondere Vergütung zustehe, ist diese Auffassung aber rechtsirrig, so wird allein durch die wiederholte Gewährung der Vergütung eine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers, diese Vergütung auch in Zukunft zu gewähren, nicht begründet. 2. Gutachten und Untersuchungen, die einem angestellten Arzt dienstlich übertragen werden, sind nur dann gemäß A D O Buchst, b zu § 3 Kr.T besonders zu vergüten, wenn der Dienstberechtigte von der anderen Stelle, die das Gutachten oder die Untersuchung veranlaßt und bezahlt, ein wirkliches Entgelt, d.h. eine Vermögenszuwendung erhält. Das ist dann nicht der Fall, wenn die andere Stelle und der Dienstberech-

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10. V e r g ü t u n g ärztlicher Gutachten

tigte dieselbe Rechtspersönlichkeit sind, so daß die Bezahlung seitens der anderen Stelle an die Krankenhausverwaltung keine Vermögensverschiebung, sondern nur einen haushaltsmäßigen Ordnungsvorgang darstellt. BGB §§ 133, 157; A D O zu § 3 Kr.T. IV. Senat. Urteil vom 2. April 1958 i. S. Stadtgemeinde B. (Bekl.) w. Dr. St. (Kl.) 4 AZR 443/5 5. I. Arbeitsgericht Bremen. — II. Landesarbeitsgericht Bremen.

Der Kläger ist an den Städtischen Krankenanstalten der beklagten Stadtgemeinde B. als Arzt im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Seit dem Jahre 1945 läßt die Verkehrspolizei in B. Untersuchungen des Blutes von Verkehrsteilnehmern zur Blutalkoholbestimmung in der chirurgischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten vornehmen. Für jede dieser Untersuchungen zahlt das Stadt- und Polizeiamt der Beklagten an die Verwaltung der Städtischen Krankenanstalten einen bestimmten Betrag. Bis Ende 1951 wurden diese Beträge unter Abzug von 15 bis 20 v. H. für die Benutzung der Einrichtungen und die Verwendung des Materials der Klinik an die Ärzte ausgezahlt, die jeweils die Untersuchung vorgenommen hatten. In dieser Weise wurde seit Frühjahr 1951 auch der Kläger an den Blutuntersuchungen beteiligt. Seit Anfang 1952 wurde den Ärzten eine besondere Vergütung für die Blutuntersuchungen nicht mehr gezahlt. Der Kläger hat auch im Jahre 1952 eine größere Anzahl solcher Untersuchungen vorgenommen, für die die Verwaltung der Städtischen Krankenanstalten dem Stadt- und Polizeiamt insgesamt 782,— DM berechnet und auch bezahlt erhalten hat. Der Kläger ist der Auffassung, daß ihm für diese Untersuchungen eine Vergütung nach der A D O Buchstabe b zu § 3 der Krankenhaustarifordnung (Kr.T) zustehe. Er hat mit der Klage unter Abzug eines Satzes von 15 v. H. für die Aufwendungen der Krankenanstalten Zahlung von 664,70 DM gefordert. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten wurde die Klage abgewiesen aus folgenden Gründen : Der Kläger hatte seinen Anspruch in beiden Vorinstanzen allein auf die A D O zur Kr.T gestützt. Das Berufungsgericht geht zwar davon aus, daß diese A D O auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finde, verneint es aber, daß sie eine Rechtsgrundlage für den Klageanspruch biete. Es hat jedoch der Klage stattgegeben, weil der Kläger auf die geforderte Vergütung einen vertraglichen Anspruch habe; dadurch nämlich,

10. Irrtümliche G e w ä h r u n g als Anspruchsgrundlage

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daß die Beklagte von 1945 bis Ende 1951 an alle von ihr zu den Blutuntersuchungen herangezogenen Ärzte, seit Frühjahr 1951 auch an den Kläger, die Vergütung stets gezahlt habe, sei eine entsprechende Verpflichtung über die Regelung der ADO hinaus zum Inhalt des Vertragsverhältnisses geworden, von der sich die Beklagte nicht einseitig lossagen könne. Diese Begründung vermag die angefochtene Entscheidung nicht zu tragen. Zwar ist es richtig, daß eine einem Arbeitnehmer ständig gewährte Leistung auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zum Vertragsinhalt werden kann. Auch kann eine betriebliche Übung, ohne daß sie eine normative Wirkung auf die Einzelarbeitsverhältnisse äußert (BAG 5, 46), zum Inhalt der in dem Betriebe bestehenden und auch neu begründeter Arbeitsverhältnisse werden. Voraussetzung für das Zustandekommen einer solchen stillschweigenden Vereinbarung, die die Verpflichtung zur Gewährung von übertariflichen bzw. nicht ausdrücklich vereinbarten Leistungen auch für die Zukunft umfassen soll, ist aber ein Verhalten des Arbeitsgebers, das der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben dahin auffassen muß, der Arbeitgeber wolle eine das Vertragsverhältnis gestaltende Bindung überhaupt und insbesondere auch für die Zukunft eingehen (vgl. Hueck, Festschrift für Heinrich Lehmann, S. 638). Das kann aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils jedoch nicht entnommen werden. Die Beklagte hat nämlich nicht eine Vergütung gezahlt, die in den das Arbeitsverhältnis beherrschenden Normen überhaupt nicht vorgesehen ist (insofern liegt der Sachverhalt hier anders als in der bereits erwähnten Entscheidung BAG 5, 46). Vielmehr ist in einer für das Arbeitsverhältnis des Klägers geltenden Bestimmung der ADO zur Kr.T genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange für dienstlich übertragene Gutachten und Untersuchungen eine besondere Vergütung zu zahlen ist. Zahlte aber die beklagte Stadtgemeinde solche Vergütungen, so war daraus bei unbefangener Betrachtung zunächst nur zu schließen, daß sie eine zwar nach der ADO bestehende, nicht aber eine aus dem Vertrag selbst entspringende Verpflichtung erfüllen wollte. Das muß jedenfalls dann gelten, wenn wie hier kein Anhalt dafür besteht, daß die Beklagte über ihre durch Tarifordnung und Allgemeine Dienstordnung bestimmten Verpflichtungen hinaus eine Vergütung auch in gewissen, nicht von diesen Bestimmungen erfaßten Fällen zahlen, oder daß sie die besondere Leistungsvergütung trotz Zweifelhaftigkeit der Rechtslage gewähren wollte. Auch der Kläger selbst hat nicht angenommen, die Beklagte habe über den in der ADO bestimmten Umfang hinaus eine Vergütung gewähren wollen. Denn er hat dies nicht nur selbst nicht

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10. Vergütung ärztlicher Gutachten

behauptet, sondern hat in beiden Vorinstanzen lediglich die Auffassung verfochten, daß ihm eine Vergütung für Blutuntersuchungen so, wie sie die Beklagte früher gewährt habe, nach den (nicht zum Inhalt des Einzelvertrages gehörenden) N o n n e n der A D O zustehe. Beide Parteien gingen also davon aus, daß eine nicht zum Vertragsinhalt gelhörende, das Vertragsverhältnis aber beherrschende Norm die Beklagte verpflichte, eine besondere Vergütung für die Blutuntersudiungen des Klägers an diesen zu zahlen. Dann aber kann aus der Zahlung solcher Vergütungen seitens der Beklagten an den Kläger allein nicht geschlossen werden, die Beklagte wolle sich auch und gerade dann hierzu v e r t r a g l i c h verpflichten, wenn sie nach den n o r m a t i v e n Bestimmungen der A D O zur Kr.T zur Zahlung gar nicht verpflichtet sein sollte. Es ist daher fehlerhaft, wenn das Berufungsgericht allein aus der Tatsache der Zahlung der Vergütung durch die Beklagte den Schluß zieht, daß dadurch eine entsprechende einzelvertragliche Verpflichtung der Beklagten begründet worden sei. Denn es fehlt an einer auf die Begründung einer solchen Verpflichtung gerichteten Willenskundgebung der Beklagten. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, daß der Kläger in seinem Vertrauen auf ein Verhalten der Beklagten, das als Ausdruck eines rechtsgeschäftlichen, den Vertragsinhalt betreffenden Willens zu deuten sei, geschützt werden müsse; denn ein solches Verhalten liegt objektiv nicht vor und ist auch vom Kläger nicht angenommen worden. Steht somit dem Kläger ein vertraglicher Anspruch auf die geforderte Vergütung nicht zu, so wäre die Revision der Beklagten gleichwohl unbegründet, wenn der Kläger entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Vergütung auf Grund der A D O zur Kr.T verlangen k ö n n t e und sich deshalb die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellte (§ 563 Z P O ) . Indessen ist insoweit der Auffassung des Berufungsgerichts beizupflichten. Das Landesarbeitsgericht geht ohne Rechtsirrtum davon aus, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers der Tarifordnung für Angestellte in den Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten des Reichs, der Länder, der Gemeinden usw. in der Fassung vom 18. Juni 1944 (Kr.T —RAB1. S. I V 1 7 4 ) unterliegt. Nach der Allgemeinen Dienstordnung vom 12. Juli 1941 ( A D O - RGBl. I, S. 387) Buchstabe a zu § 3 Kr.T gelten Gutachten und Untersuchungen, mit denen der ärztliche Angestellte dienstlich beauftragt wird, als Diensthandlungen, die ohne besondere Entschädigung auszuführen sind. Eine besondere Vergütung für derartige dienstlich geforderte Leistungen kann also grundsätzlich auch dann nicht verlangt werden, wenn eine solche Leistung mit den eigentlichen Aufgaben der Kranken-

10. Vergütung ärztlicher Gutachten

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anstalt in keinem Zusammenhang steht. Als Ausnahme v o n dieser grundsätzlichen Regelung ist in der A D O zu § 3 K r . T unter b) bestimmt: Werden Gutaditen, gutachtliche Äußerungen, Untersuchungen u n d wissenschaftliche Ausarbeitungen, die v o n anderen Stellen veranlaßt und v o n diesen bezahlt werden, dem ärztlichen Gefolgschaftsmitglied dienstlich übertragen, so hat es sie unter Verantwortung des leitenden Arztes bzw. des v o n diesem beauftragten Arztes anzufertigen und einen Anspruch auf die Vergütung nach Maßgabe seiner Beteiligung. Werden für derartige Gutachten, gutachtliche Äußerungen, Untersuchungen und wissenschaftliche Ausarbeitungen Einrichtungen (Instrumente, Apparate, Maschinen usw.), Personal oder Material der Anstalt in Anspruch genommen, ohne daß d a f ü r v o m leitenden Arzt eine Entschädigung geleistet wird, so sind der A n stalt die U n k o s t e n v o n den ärztlichen Gefolgschaftsmitgliedern zu erstatten, soweit sie den Zahlungspflichtigen nicht besonders v o n der Anstalt in Rechnung gestellt werden. Durch den Dienstvertrag können Pauschalregelungen vereinbart werden. Wegen der Weitergeltung dieser Bestimmung wird auf die Ausführungen in dem Urteil des erkennenden Senats v o m 29. Januar 1958 — 4 A Z R 1 0 5 / 5 5 — (AP Nr. 8 zu § 611 B G B Ärzte, Gehaltsansprüche) verwiesen. D a s Landesarbeitsgericht hat diese Bestimmung dahin ausgelegt, daß unter einer anderen Stelle ein Dritter im Sinne einer v o m Arbeitgeber verschiedenen Rechtspersönlichkeit zu verstehen sei. D e m ist beizutreten. Die Frage ist, ob der Begriff „andere Stelle" a u f d e n B e t r i e b , in dem der Arzt beschäftigt ist, oder a u f d i e P e r s o n d e s D i e n s t b e r e c h t i g t e n zu beziehen ist. Der Ausdruck „ S t e l l e " wird im Sprachgebraudi vielfach in organisatorischem Sinne benutzt (z. B. Dienststelle). Das paßt hier aber schon insofern nicht recht, als gerade die „ a n d e r e n Stellen" keine Behördenstellen zu sein brauchen; denn unter die anderen Stellen, die ein G u t a d i t e n oder eine Untersuchung veranlassen und bezahlen, fällt auch jede natürliche Person; insofern haben die Worte „ v o n anderen Stellen" etwa dieselbe Bedeutung wie die Worte „ v o n anderer Seite". M a g aber auch der Wortlaut nicht eindeutig sein, so würde es, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt hat, jedenfalls dem Sinn der Bestimmung zuwiderlaufen, wollte man unter einer anderen Stelle nicht nur einen v o m dienstberechtigten Krankenhausträger verschiedenen Dritten, sondern auch eine andere Dienststelle oder Verwaltung des Dienstherrn verstehen. Die besondere Vergütung wird nämlich nur gewährt, wenn die Leistung des Arztes v o n einer anderen Stelle s o w o h l veranlaßt wie auch bezahlt wird. Unter Bezahlung kann hier, wie

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10. V e r g ü t u n g ärztlicher Gutachten

allgemein, nur ein edites Entgelt, also eine Vermögenszuwendung verstanden werden. Von einer Vermögensübertragung kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn die andere Stelle, die die gewünschte Leistung „bezahlt", nur einen anderen Teil der Verwaltung desselben Rechtssubjekts darstellt, dem auch die Krankenanstalt untersteht. Erfolgt hier eine „Bezahlung" der Leistung seitens der anderen Verwaltungsstelle an die Krankenanstalt, so handelt es sich nur um eine interne Verrechnung, also nicht um eine Vermögensverschiebung, sondern nur um einen Vorgang, der der Ordnung desselben Vermögens dient. Dann fehlt es aber an dem inneren Grund, aus dem der angestellte Arzt eine besondere Vergütung für eine dienstlich übertragene und geschuldete Leistung erhalten soll: nämlidi an einer Einnahme, die der Dienstberechtigte von dem die Leistung veranlassenden Dritten erlangt, und an der er den Arzt teilhaben lassen soll. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht nach dem festgestellten Sachverhalt ohne Rechtsirrtum als nicht gegeben angesehen. Das Stadt- und Polizeiamt, das die von der Polizei veranlaßten Blutuntersuchungen an die Verwaltung der Städtischen Krankenanstalten bezahlt hat, ist eine Verwaltung der beklagten Stadtgemeinde B. Nach § 1 des bremischen Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Polizei vom 2. August 1947 (Brem. GBl. S. 128) ist die Polizei im Lande Bremen eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven. Jede dieser beiden Stadtgemeinden übt in ihrem Stadtgebiet die Aufgaben der Polizei aus und unterhält die erforderlichen Polizeikräfte. Die besondere Regelung für die staatliche Bereitschaftspolizei kommt hier nicht in Betracht. Hiernach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß die Blutuntersuchungen nicht von einer anderen Stelle im Sinne der ADO Buchstabe b zu § 3 Kr.T veranlaßt und bezahlt worden sind. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter ausgeführt, daß auch der Verkehrssünder nicht als andere Stelle im Sinne der ADO angesehen werden kann, auch dann nicht, wenn er letzten Endes die Kosten der Untersuchung zu tragen hat. Zunächst dürfen von dem Verkehrssünder die Kosten der Blutuntersuchung nur eingezogen werden, wenn er in einem Strafverfahren rechtskräftig zur Tragung der Kosten dieses Verfahrens verurteilt worden ist (vgl. Schwarz, Anm. 1 B zu § 465 StPO); er hat in diesem Falle die entstandenen Kosten an die L a n d e s k a s s e zu zahlen. In keinem Falle ist der Verkehrssünder derjenige, der die Untersuchung oder das Gutachten veranlaßt, d.h. erfordert hat. Das gilt auch dann, wenn die Justizverwaltung der kommunalen Polizei die Kosten der Blutuntersuchung erstattet. Denn veranlaßt

11. Divergenzrevision

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ist die Blutuntersuchung von der Polizei, die, audi soweit sie gemäß § 81 a StPO nur durch die zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft bestimmten Personen eingreifen darf, bei Verkehrsunfällen kraft eigener Entschließung und zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben tätig wird. Da sie in Bremen eine kommunale Einrichtung ist, ist sie gegenüber den Städtischen Krankenanstalten keine andere Stelle im Sinne der A D O zu § 3 Kr.T. Eine solche wäre nur gegeben, wenn es sidi um ein von der beklagten Stadtgemeinde verschiedenes Reditssubjekt handelte. O b die Beklagte ihre Aufwendungen, die sie zur Erfüllung eigener Aufgaben machen muß, letztlich von anderer Seite erstattet bekommt, ist für den Anspruch des angestellten Arztes auf eine besondere Vergütung für eine ihm dienstlich übertragene Tätigkeit nach der Bestimmung der A D O ohne Belang. 11 Im Falle einer Divergenzrevision kann die Zulässigkeit der Revision nicht durdi Beschluß festgestellt werden. Z P O § 5 54 a; ArbGG § 74. Großer Senat. Beschluß vom 18. April 1958 i. S. Th. (Kl.) w. Land H. (Bekl.) GS 2/57 (1 A Z R 468/56) Landesarbeitsgericht Frankfurt/Main.

Gründe: I. Dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts liegt der Rechtsstreit I AZR 468/56 zur Entscheidung vor. In dieser Sache beträgt der Wert des Streitgegenstandes 800,— DM. Die Revision ist vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen worden. Der Kläger hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Revision eingelegt und deren Statthaftigkeit damit begründet, daß eine Abweichung des angefochtenen Urteils von mehreren vom Kläger namhaft gemachten Urteilen des Bundesarbeitsgerichts, die vor Erlaß des angefochtenen Urteils ergangen sind, vorliege. Unter Berufung auf die Entscheidungen des Zweiten Senats BAG 2, 296 und AP Nr. 39 zu § 72 ArbGG hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts, dem seinerzeit die Sache zugeteilt war, durch Beschluß vom 20. November 1956 die Zulässigkeit der Revision wegen Vorliegens einer Divergenz im Sinne »des § 72 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bejaht. In der Folgezeit hat der Dritte Senat die Sache infolge Änderung des Geschäftsverteilungsplanes an den Ersten Senat abgegeben. Dieser ist auf Grund der Verhandlung v o m 5 Entscheid, d. BAG. 6

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11. Voraussetzungen des Vorlagebeschlusses

29. November 1957 zu der Auffassung gekommen, daß eine Divergenz im Sinne des § 72 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nidit vorliege, daß vielmehr die Frage der Statthaftigkeit der Revision zu verneinen und deshalb die Revision als unzulässig zu verwerfen sei. Er hat weiter die Ansicht vertreten, daß er an die Entscheidung, wie sie durch den Beschluß des Dritten Senats vom 20. November 1956 getroffen ist, nidit gebunden sei, da ein solcher Beschluß nach den Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes nicht habe ergehen dürfen, vor allem nicht, wie geschehen, ohne Hinzuziehung der Bundesarbeitsrichter. Der erste Senat hat jedoch geglaubt, die Frage der Bindung an den Beschluß des Dritten Senats nidit selbst entscheiden zu können, da bereits ein Urteil des Dritten Senats (BAG 3, 193) vorliegt, in dem eine solche Bindung bejaht wird. Mit Rücksicht auf diese beabsichtigte Abweichung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hat der erste Senat die Sache dem Großen Senat vorgelegt. Mit der Vorlage hat der Erste Senat die Entscheidung folgender Rechtsfragen erbeten: 1. Kann im Falle einer Divergenzrevision auch die Zulässigkeit der Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß festgestellt werden? 2. Bindet ein solcher Beschluß den Senat, der diesen Beschluß gefaßt hat, und einen anderen Senat, an den die Sache abgegeben worden ist? 3. Kann ein solcher Beschluß ohne Mitwirkung der Bundesarbeitsrichter ergehen? 4. Bindet ein solcher ohne Mitwirkung der Bundesarbeitsrichter ergangener Beschluß den Senat, der diesen Beschluß gefaßt hat, sowie den Senat, an den die Sache abgegeben worden ist? II. Soweit die Vorlage an den Großen Senat erfolgt ist, weil der Erste Senat beabsichtigt, von der Rechtsansicht des Zweiten und Dritten Senats abzuweichen, liegen die Voraussetzungen für eine solche Vorlage allerdings nicht vor. Der Erste Senat hat es unterlassen, gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Bundesarbeitsgerichts zunächst bei dem Zweiten und Dritten Senat anzufragen, ob diese bei ihrer früheren Rechtsansicht verbleiben wollen oder bereit sind, davon abzurücken. Nadi der Geschäftsordnung bedarf es zunächst einer solchen Anfrage. Dagegen ist die Vorlage nach dem Tenor und nach den Gründen des Vorlagebeschlusses auch auf § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG gestützt. Der Auffassung des vorlegenden Senats, daß es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, ist beizutreten; denn die in Rede stehende Streitfrage kann bei allen Senaten des Bundesarbeitsgerichts

11. Statthaftigkeit und Zulässigkeit der Revision

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auftreten, nicht nur bei dem vorlegenden Senat und bei den Senaten, v o n deren Entscheidungen der vorlegende Senat abweichen will. Im Fall des § 4 5 Abs. 2 Satz 2 ArbGG bedarf es auch nach der Geschäftsordnung nicht der Einholung der Rechtsauffassungen der übrigen Senate. Die Vorlage ist somit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 ArbGG zulässig. III. Die unter Ziffer l ) des Vorlagebeschlusses gestellte Frage, ob im Falle einer Divergenzrevision auch die Zulässigkeit der Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß festgestellt werden kann, läßt erkennen, daß an einen Beschluß gedacht ist, der sich nicht nur auf die Statthaftigkeit wegen Vorliegens der in der Revisionsbegründung behaupteten Divergenz bezieht, sondern in dem gleichzeitig über die Z u lässigkeit überhaupt, also auch hinsichtlich der Einhaltung von Form und Frist, entschieden wird. Dies folgt auch daraus, daß der vom Ersten Senat beanstandete Beschluß des Dritten Senats die Revision im vorliegenden Fall nicht nur für statthaft, sondern auch für zulässig erklärt hatte. Nach Ansicht des Großen Senats wäre ein Beschluß, der sich lediglich mit der Frage der Statthaftigkeit der Divergenzrevision, nicht aber mit der der Zulässigkeit des Rechtsmittels überhaupt beschäftigt, ein Teilbeschluß. Ein solcher Teilbeschluß aber wäre schon deshalb unzulässig, weil es im Rahmen des § 554 a Z P O eine teilbare Entscheidung nicht gibt. Nach § 554 a Z P O kann über die Frage der Zulässigkeit nur einheitlich entschieden werden. Eine Teilung der Entscheidung in eine solche über die Statthaftigkeit einerseits, über die Einhaltung von Form und Frist andererseits ist gesetzlich nicht vorgesehen. Etwas anderes gilt nur für den Fall der Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hier liegt der Fall insoweit besonders, als die Spezialvorschrift des § 238 Abs. 1 Satz 2 Z P O eingreift, nach der das Verfahren im Falle eines Wiedereinsetzungsantrags zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über diesen Antrag beschränkt werden kann. Außerhalb des Gebiets der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehlt es aber an einer solchen Spezialvorschrift, so daß in anderen Fällen ein Teilbeschluß nicht möglich ist. Die Frage, ob ein Beschluß erlassen werden kann, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels — Zulässigkeit also die Statthaftigkeit und die Einhaltung von Form und Frist umfassend — feststellt, wird von der Rechtslehre allgemein bejaht (vgl. Baumbach-Lauterbach, Z P O , 25. Aufl., § 519 b Anm. 2 B; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Z P O , 18. Aufl., § 519 b Anm. IIIB 1 c; Rosenberg, Zivilprozeß, 7. Aufl., § 137 I 2 a; Wieczorek, Z P O , § 5 1 9 b Anm. B I I b ; Sydow-Busch, Z P O , 21. Aufl., § 5 5 4 a A n 5«

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11. Beschluß über die Zulässigkeit der Revision

merk. 3; Seuffert-Walsmann, Z P O , 12. Aufl., § 519 b Anm. 3). Allerdings wird hierzu eine eigene Begründung nicht gegeben. In der Rechtsprechung haben vor allem das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof daraus, daß § 5 54 a Z P O die Verwerfung der Revision in einem besonderen zweiten Absatz regelt, den Schluß gezogen, daß auch ein die Zulässigkeit der Revision bejahender Beschluß erlassen werden kann. Zwar bezichen sich alle diese Entscheidungen (HRR 3 4 , 1 3 3 ; 3 8 , 1 6 3 6 ; J W 2 5 , 1370 3 ; 30, 3312 8 ; 31, 1759 5 ; 34, 2 6 1 7 7 ; R G Z 125, 68 ff.; BGHZ 9, 22 ff.) auf den Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Es ist aber nicht zu verkennen, daß sidi in den Begründungen des Reichsgerichts und des Bundesgeriditshofs Argumente dafür finden lassen, daß der Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lediglich als Unterfall der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels erwähnt ist. Daraus könnte geschlossen werden, daß das Reichsgericht (vgl. insbesondere J W 25, 1370; R G Z 125, 68 ff.) und der Bundesgerichtshof (vgl. insbesondere BGHZ 9, 22 ff.) auch außerhalb des Gebiets der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einen die Zulässigkeit der Revision bejahenden Beschluß für möglich halten. Nach Auffassung des Großen Senats ist es jedoch schon im ordentlichen Zivilprozeß — von dem Gebiet des Wiedereinsetzungsverfahrens, auf dem nach der positiven Regelung des § 238 Abs. 1 Satz 2 Z P O eine Zwischenentscheidung zulässig ist, einmal abgesehen — zweifelhaft, ob ein die Zulässigkeit der Revision bejahender Beschluß nach dem Gesetz ergehen kann. Diese Zweifel ergeben sich, da die Vorschrift des § 554 a Z P O nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der auf sie folgenden Vorschrift des § 555 Z P O betrachtet werden darf. Zwar schreibt § 554 a Abs. 1 Satz 1 die Prüfung der Frage vor, ob die Revision zulässig ist oder nicht. Ist sie nicht zulässig, so erfolgt ihre Verwerfung nach § 554 a Abs. 1 Satz 2. Ist sie jedoch zulässig, so liegt weder ein Fall des § 554 a Abs. 1 Satz 2 noch des § 554 a Abs. 2, sondern der Fall des § 555 Z P O vor. Daraus sollte entnommen werden, daß nunmehr Termin anzuberaumen wäre, ohne daß für einen Beschluß, der die Zulässigkeit der Revision bejaht, überhaupt noch Raum wäre. Aber auch dann, wenn diese Bedenken als nicht durchschlagend anzusehen wären, ist von Bedeutung, daß ein Beschluß, der die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bejaht, in seiner Wirkung einem Zwischenurteil gleichstünde. Würde man ihn zulassen, so würde das der Tendenz des Gesetzes widersprechen, das Zwisdienentscheidungen nur da zulassen will, wo sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind. Diese Tendenz des Gesetzes trägt dem Gesichtspunkt Rechnung, daß die Verantwortung

11. Zulässigkeit von Zwischenentsdieidungen

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des den Prozeß entscheidenden Richters eine einheitliche sein soll und daß da, wo es sich um einen einheitlichen Fall handelt, nicht mehrere Entscheidungen desselben Gerichts, möglicherweise noch in verschiedener Besetzung, ergehen sollen, es sei denn, daß das Gesetz selbst ausdrücklich Ausnahmen zuläßt. Die Entwicklung des deutschen Zivilprozeßrechts beweist, daß der Gesetzgeber diese Tendenz in fortschreitendem Maße verfolgt hat. So ist, nachdem bereits das gemeinrechtliche Beweis-Interlokut nicht übernommen worden war, durch die Novelle 1924 die Möglichkeit, selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel durch Zwischenentscheidungen zu erledigen, beseitigt worden. Auch durch die Neuregelung des Prozeßrechts im Jahre 1933 ist ein weiterer Abbau von Zwischenentscheidungen erfolgt, wie sich aus der Abschaffung des bedingten Endurteils ergibt. Hieraus ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber die ungeteilte Verantwortung für die Entscheidung, von gesetzlich geregelten Ausnahmefällen abgesehen, dem und nur dem Richter auferlegen wollte, der die endgültige Entscheidung zu treffen hat. Dieser Richter soll — jedenfalls in sachlicher Hinsicht — nicht durch Zwischenentscheidungen gebunden sein. Andernfalls wäre seine ungeteilte Verantwortung beeinträchtigt. Für das Arbeitsgerichtsverfahren ergibt sich eine weitere Einschränkung der Zwischenentscheidungen aus § 61 Abs. 5 ArbGG insoweit, als ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil nicht selbständig anfechtbar ist. Dadurch wird die Bedeutung des Grundurteils gegenüber dem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten weiter eingeschränkt, wenn damit auch der Erlaß eines Grundurteils nicht ausgeschlossen ist. Da dieses jedoch nicht für sich durch Rechtsmittel anfechtbar ist, verliert es somit zu einem Teil seine praktische Bedeutung. Auch daraus ist zu schließen, daß insbesondere im Arbeitsgerichtsprozeß ein Abbau der Zwischenentscheidungen vom Gesetzgeber gewollt war. Nun gilt diese das Grundurteil betreffende Regelung allerdings nicht im ordentlichen Zivilprozeß. In diesem ist der Abbau von Zwischenentscheidungen jedoch, wie gezeigt, ebenfalls in einem solchen Maße durchgeführt, daß daraus die Tendenz des Gesetzgebers gefolgert werden kann, Zwischenentscheidungen nur noch da zuzulassen, wo sie im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind. Aus diesen Gründen muß die Ansicht, daß im ordentlichen Zivilprozeß ein die Zulässigkeit eines Rechtsmittels bejahender Beschluß ergehen könnte, Bedenken erwecken. Der Große Senat braucht diese Frage jedoch nicht abschließend zu entscheiden; denn die Fragestellung des vorlegenden Senats beschränkt sich auf den Fall der Divergenzrevision. Ein solcher Fall lag weder den

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1.1. Divergenzbeschluß

Entscheidungen des Reichsgerichts noch denen des Bundesgerichtshofs zugrunde. Die Divergenzrevision ist, von den Verfahren nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen abgesehen, eine dem Arbeitsgerichtsprozeß eigentümliche Besonderheit. Sie ist im Arbeitsgerichtsgesetz abschließend geregelt. Das Arbeitsgerichtsgesetz aber sieht lediglich einen die Frage der Divergenz verneinenden und aus diesem Grund die Revision verwerfenden Beschluß vor, nidit aber einen Beschluß, durch den das Vorliegen einer rechtserheblichen Divergenz bejaht wird. Demgegenüber schlägt die Erwägung nicht durch, das Revisionsgericht könne einen (negativen) Beschluß nach § 74 Abs. 3 ArbGG erlassen und damit einen Prozeß endgültig zur Erledigung bringen; um so mehr müsse es dann aber berechtigt sein, einen weniger weittragenden Beschluß zu erlassen, der nur die Vorfrage der Divergenz zu Gunsten des Revisionsklägers klärt, ohne den Rechtsstreit abschließend zu entscheiden. Dem steht gerade der Gesichtspunkt entgegen, daß durch einen Beschluß nach § 74 Abs. 3 ArbGG eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Damit ist der Prozeß beendet. So erklärt sich diese gesetzliche Sonderregelung. Der Gesetzgeber hat es im Interesse der Entlastung des Gerichts für zweckmäßig gehalten, in solchen Fällen im Wege eines beschleunigten Verfahrens die Behandlung einer Sache abzuschließen. Dagegen fehlt es an einer gesetzlichen Vorschrift, die einen positiven Divergenzbeschluß zuläßt. Eine solche Vorschrift könnte weder zur Beschleunigung des Prozesses noch zur Entlastung des Gerichts führen. Mit Recht hat deshalb der Gesetzgeber davon abgesehen, eine solche Vorschrift zu erlassen. Es besteht für sie auch kein echtes Bedürfnis. Vielmehr überwiegen die gegen eine solche Regelung sprechenden Gesichtspunkte derart, daß diese nach Auffassung des Großen Senats dazu führen müssen, einen positiven Divergenzbeschluß als unzulässig anzusehen. Für diese Ansicht spricht auch, daß gerade bei der Divergenzrevision Fragen zur Beurteilung stehen, die von der Sachentscheidung nicht zu trennen sind. Es handelt sich hier abweichend von dem Fall der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur um Fragen des formellen Prozeßrechts; bei der Prüfung, ob eine rechtserhebliche Divergenz vorliegt, ist vielmehr der mit der Sache befaßte Senat gezwungen, in die Prüfung materiell-rechtlicher Fragen einzutreten. Ein das Vorliegen einer Divergenz bejahender Beschluß würde also einem Zwischenurteil gleichstehen, das sich nicht nur auf die Entscheidung über einen Zwischenstreit beschränkt, sondern Punkte der Sachentscheidung berührt. Über solche Punkte der Sachentscheidung kann aber ein Zwischenurteil nicht ergehen.

11. Divergenzbeschluß

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ein solches wäre ohne Wirkung (vgl. Stein-Jonas-Sdiönke-Pohle, a. a. O., § 303 Anm. III2; Baumbach-Lauterbach, a . a . O . , § 303 Anm. 3, beide mit Zitaten aus der Rechtsprechung). Als weiteres Argument für die Unzulässigkeit eines das Vorliegen einer Divergenz bejahenden Beschlusses kommt hinzu, daß im Zivilprozeß und damit auch im Arbeitsgerichtsprozeß die Entscheidungen grundsätzlich auf Grund mündlicher Verhandlung gefällt werden. Das Gericht kann sich bei der Beantwortung der Frage, ob eine rechtserhebliche Divergenz vorliegt oder nicht, wie betont, nicht auf die Prüfung rein prozeßrechtlicher Vorschriften beschränken. Falls nicht das Nichtvorliegen einer rechtserheblichen Divergenz klar zutage liegt, so daß die Verwerfung der Revision durch Beschluß gemäß § 74 Abs. 3 ArbGG in Frage kommt, sind die mit der Divergenz zusammenhängenden Fragen keineswegs so einfach, daß über sie, von den Fällen des § 128 Abs. 2 ZPO abgesehen, ohne mündliche Verhandlung entschieden werden sollte. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß der Revisionsbeklagte nicht hinreichend Gelegenheit erhalten würde, seinerseits zur Frage des Vorliegens einer rechtserheblichen Divergenz Stellung zu nehmen, daß er sich also in seinem rechtlichen Gehör beschränkt fühlen könnte. Diese Gefahr taucht im Falle eines Beschlusses nach § 74 Abs. 3 ArbGG dagegen nicht auf, da der Revisionsbeklagte durch die Verwerfung der Revision in seinen Rechten nicht beeinträchtigt wird. Es ist zwar richtig, daß durch einen das Vorliegen einer Divergenz bejahenden Beschluß eine gewisse Klarheit herbeigeführt würde, indem ein Streitpunkt — jedenfalls bei Annahme einer bindenden Wirkung eines solchen Beschlusses — aus der weiteren Diskussion ausgeschieden würde. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch nicht von so großer Bedeutung, daß er die gegen die Zulässigkeit eines solchen Beschlusses sprechenden Argumente entkräften könnte; denn die Klarheit, die durch einen solchen Beschluß herbeigeführt würde, wäre stets nur eine relative. Denn das Hauptinteresse der Prozeßpartei richtet sich verständlicherweise auf die endgültige Entscheidung, nicht auf eine Zwischenentscheidung, in der nur eine Vorfrage entschieden wird, ohne daß damit hinsichtlich des endgültigen Ausgangs des Prozesses schon etwas Bindendes gesagt ist. Audi P o h l e , der in der Anmerkung zu AP Nr. 37 zu § 72 ArbGG die Zulässigkeit eines positiven Divergenzbeschlusses bejaht, gibt zu, daß hinsichtlich der Zweckmäßigkeit eines solchen Beschlusses im Einzelfall Zweifel bestehen können. Dagegen könnte die Zulassung eines positiven Divergenzbeschlusses zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten führen: Wollte man eine die

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12. Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähige Zeiten

Divergenz bejahende Zwischenentscheidung zulassen, so müßte diese für das Revisionsgericht auch bindend sein. Das folgt allein sdion aus dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, der es nicht duldet, daß ein und dasselbe Gericht in demselben Verfahren eine Rechtsfrage in verschiedener Weise beantwortet. Aber gerade diese Bindungswirkung könnte zu unerwünschten Ergebnissen führen. Sie müßte sich auch auf die Richter erstrecken, die an dem Divergenzbesdiluß nicht beteiligt gewesen sind, und auch auf einen Senat, der — etwa infolge einer Änderung der Geschäftsverteilung — mit der Sache erst befaßt worden ist, nachdem ein anderer Senat einen Beschluß erlassen hatte, in dem das Vorliegen einer rechtserheblichen Divergenz bejaht worden ist. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen der alsdann mit der Sache befaßte Senat, der an die Divergenzentscheidung des abgebenden Senats gebunden ist, mit dieser sich bei Prüfung der materiell-rechtlichen Seite des Falles in Widerspruch setzen muß, wenn er bei dieser Prüfung nämlich zu der Auffassung kommt, daß eine Abweichung des angefochtenen Urteils von dem angezogenen Urteil in Wirklichkeit nicht vorlag. Diese Schwierigkeiten werden vermieden, wenn, falls nicht eine Verwerfung der Revision nach § 74 Abs. 2 ArbGG erfolgt ist, die Prüfung der Frage des Vorliegens einer rechtserheblichen Divergenz dem Endurteil vorbehalten wird. Da hiernach ein positiver Divergenzbeschluß nicht zulässig ist, erübrigt sich eine Beantwortung der unter Ziffer 2) bis 4) des Vorlagebeschlusses vom vorlegenden Senat gestellten Fragen. Ein gleichwohl erlassener positiver Divergenzbeschluß kann, da unzulässig, eine Bindungswirkung nicht hervorrufen. Er ist vielmehr ebenso unbeachtlich, wie es Zwischenurteile sind, die sich nicht auf die Erledigung eines echten Zwischenstreits beschränken. 12 Die Bestimmung des § 2 Ziffer 5 Abs. 3 Satz 2 der 3. D V O zum Regelungsgesetz i. d. F. vom 10. Juni 1955, daß nur die bei demselben Dienstherrn oder seinem Reditsvorgänger abgeleisteten Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähige Zeiten berücksichtigt werden können, ist reditswirksam. Regelungsgesetz § 52; § 2 Ziffer 5 Abs. 3 Satz 2 der 3. D V O zum Regelungsgesetz i. d. F. vom 10. Juni 1955; § 115 BBG. III. Senat. Urteil vom 22. April 1958 i. S. J. (Kl.) w. Land N. (Bekl.) 3 AZR 548/55 I. Arbeitsgericht Berlin. — II. Landesarbeitsgericht Hannover.

12. Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähige Zeiten

Der am 2. Dezember 1901 geborene Kläger war von 1916 bis zum 15. Februar 1924 bei der Reichsbahn als Schlosser beschäftigt. Nachdem er dort wegen Arbeitsmangels entlassen worden war, trat er am 10. Mai 1924 in den Dienst der Stadt Breslau. Bei dem neuen Dienstherrn erwarb er eine vertragliche Anwartschaft auf Ruhelohn nach dem Gemeindebesdiluß der Stadt Breslau über Ruhelohn und Hinterbliebenenversorgung für städtische Arbeiter vom 20. Februar 1920. Der Beklagte gewährt dem Kläger Übergangslohn nach den Bestimmungen des Regelungsgesetzes. Zunächst setzte er den Übergangslohn auf 179,58 DM im Monat fest. Vom 1. Juli 1955 ab kürzte der Beklagte die Bezüge um 27,62 DM monatlich auf 151,96 DM. Er vertrat nunmehr die Auffassung, die vom Kläger bei der Reichsbahn zugebrachte Dienstzeit könne bei der Berechnung des Übergangslohnes nicht berücksichtigt werden. Der Kläger beruft sich darauf, daß der zunächst in Höhe von 179,58 DM gezahlte Übergangslohn richtig berechnet worden sei. Er hat beantragt: 1. den Beklagten zur Zahlung von 27,62 DM für den Monat Juli 1955 zu verurteilen; 2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab 1. August 1955 Versorgungsbezüge in Höhe von 179,58 DM monatlich zu zahlen; 3. festzustellen, daß der Beklagte kein Rückforderungsrecht von 615,38 DM gegen ihn hat. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgeridit hat die mit dem Antrag zu Ziffer 3 begehrte Feststellung getroffen und die Klage im übrigen abgewiesen. Gegen die Abweisung der Klage hat der Kläger Revision eingelegt. Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Antrag zu Ziffer 2 für die Zeit nach dem 31. August 1957 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Aus den

Gründen:

I. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag des Klägers zu Ziffer 3, festzustellen, daß der Beklagte kein Rückforderungsrecht in Höhe von 615,38 DM gegen den Kläger hat, haben die Parteien keine Revision eingelegt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist daher insoweit rechtskräftig. Einer Nachprüfung bedurfte das Urteil nur hinsichtlich der Entscheidung über die Anträge zu Ziffer 1 und 2, soweit sich der Rechtsstreit durch die übereinstimmende Erklärung der Parteien nicht erledigt hat.

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12. Vordienstzeiten

als ruhegehaltsfähige

Zeiten

In diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht untersucht, ob die vom Kläger bei der Reichsbahn abgeleistete Dienstzeit bei der Berechnung des Übergangslohnes zu berücksiditigen ist. Es hat diese Frage verneint und ausgeführt: Nach § 2 Ziffer 5 Abs. 3 Satz 2 der 3. D V O zum Regelungsgesetz i. d. F. vom 10. Juni 1955 (BGBl. I S. 283) stünden die vor der Anstellung unter Zusicherung der Anwartschaft auf Versorgung abgeleisteten Dienstzeiten einer Dienstzeit nach § 115 Bundesbeamtengesetz nur dann gleich, wenn sie bei dem gleichen Dienstherrn oder seinem Rechtsvorgänger verbracht worden seien, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe. Gegen die Wirksamkeit dieser Vorschrift bestünden keine Bedenken, weil sie im Rahmen der im § 52 Regelungsgesetz erteilten Ermächtigung ergangen sei. § 52 Regelungsgesetz schreibe nicht die gleichmäßige, sondern nur die entsprechende Anwendung der für die Beamten geltenden Bestimmungen auf Angestellte und Arbeiter vor. Die Durchführungsverordnung habe daher berücksichtigen können, daß sich die Rechtsstellung der Beamten von den Arbeitnehmern durch die erweiterte Fürsorgepflicht und insbesondere durch Laufbahnbestimmungen unterscheide. Sie habe infolgedessen von der für die Beamten getroffenen Regelung abweichen und die Anwendung des § 115 BBG auf Angestellte und Arbeiter besonders ausgestalten können. II. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist beizutreten. Die Auslegung, die es dem § 2 Ziffer 5 Abs. 3 Satz 2 der 3. D V O zum Regelungsgesetz gegeben hat, ist zutreffend. Sie stimmt überein mit der Auslegung, die der erkennende Senat der „bei dem Dienstherrn abgeleisteten Dienstzeit" (mit Ausnahme der Wehrdienstzeit) im Sinne des § 2 Ziffer 1 a . a . O . gegeben hat (Urteil vom 30.April 1957 — AP Nr. 14 zu § 52 RegelungsG). Zu Unrecht meint der Kläger, § 2 Ziffer 5 Abs, 3 Satz 2 der 3. D V O zum Regelungsgesetz sei unwirksam. Diese Bestimmung ist auf Grund der im § 52 Satz 2 Regelungsgesetz enthaltenen Ermächtigung von den Bundesministern des Innern und der Finanzen erlassen worden, wonach diese Minister die Ausführung des Satzes 1 des § 52 Regelungsgesetz durch Rechtsverordnung regeln. Die Ermächtigung selbst ist rechtswirksam. Sie entspricht dem Art. 80 Abs. 1 GG. Zwar ist im § 52 Regelungsgesetz die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß nicht ausdrücklich festgelegt worden. Inhalt, Zweck und Ausmaß ergeben sich jedoch mit Deutlichkeit aus dieser Vorschrift, weil danach die Bundesminister sich im Rahmen der entsprechend anwendbaren Abschnitte II und IV des Regelungsgesetzes halten mußten und deshalb vorausgesehen werden konnte, mit welcher

12. Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähige

Zeiten

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Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden würde (BAG 4, 168 [175]). § 2 Ziffer 5 Abs. 3 Satz 2 der 3 . D V O zum Regelungsgesetz hält sich auch inhaltlich im Rahmen der durch § 52 Satz 2 Regelungsgesetz erteilten Ermächtigung. Das Beamtenrecht unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem Recht der Angestellten und Arbeiter. Dieser Verschiedenheit trägt die Bestimmung des § 52 Satz 1 Regelungsgesetz •dadurch Rechnung, daß sie nur die entsprechende Anwendung der Abschnitte II und IV vorschreibt. Sie will damit verhindern, daß die für die Beamten erfolgte Regelung unbesehen auf ruhelohnberechtigte Angestellte und Arbeiter angewandt wird. Eine ins einzelne gehende Regelung hat allerdings das Gesetz selbst nicht getroffen. Es hat vielmehr die Bundesminister des Innern und der Finanzen ermächtigt, eine genauere Bestimmung der entsprechenden Anwendung der für Beamte geltenden Regelung auf Arbeiter und Angestellte im Wege der Rechtsverordnung zu regeln. Die von diesen Ministern erlassenen Vorschriften der 3. D V O sind nidit zu beanstanden, wenn sie einer sachlich begründeten Verschiedenheit Rechnung tragen. Allerdings kann man diese nicht mit dem Landesarbeitsgericht darin sehen, daß die Rechtsstellung der Angestellten und Arbeiter einerseits und die der Beamten andererseits sich allgemein voneinander unterscheiden. Denn die allgemeine Verschiedenheit der Rechtsstellung dieser Berufsgruppen rechtfertigt nicht jede konkrete unterschiedliche Behandlung, weil in manchen Punkten eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden ist. Die sachliche Rechtfertigung für die besonders ausgestaltete Anwendung des § 115 BBG auf Angestellte und Arbeiter ist aber dadurch begründet, daß die Anrechnung von Dienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeiten bei Angestellten und Arbeitern in der Regel nach anderen Grundsätzen erfolgt als bei Beamten. Im Beamtenrecht ist die im § 115 BBG vorgeschriebene Anrechnung von Vordienstzeiten seit langem anerkannt. § 1 1 5 BBG geht auf § 85 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 39) und dieser wiederum auf § 52 des Gesetzes betr. die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten vom 31. März 1873 (RGBl. I S. 61) zurück. Im Recht der Angestellten und Arbeiter fehlt dagegen eine dem Beamtenrecht entsprechende Bestimmung. Zwar kennt § 7 A T O die Anrechnung von Dienstzeiten auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherren. Diese Bestimmung hat aber keine Bedeutung für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit, weil die Gewährung von Ruhegeld nicht in den Tarifordnungen des öffentlichen Dienstes vorgesehen ist (vgl. das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Januar

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13. Mangel der Prozeßfähigkeit

1958 - 4 AZR 191/56 - AP Nr. 1 zu § RuhegeldG Hamburg). Ruhegeld wird den Angestellten und Arbeitern, insbesondere bei den Gemeinden, im allgemeinen auf Grund hiervon unabhängiger Ruhegeldordnungen gewährt. Diese erkennen aber, wie bekannt ist, in der Regel nur die bei dem Dienstherrn oder dessen Reditsvorgänger abgeleisteten Dienstzeiten an, weil der eine solche Ruhegeldordnung erlassende Dienstherr nur ein Interesse daran hat, die bei ihm abgeleisteten Dienstzeiten zu belohnen. Die im § 2 Ziffer 5 Abs. 3 Satz 2 der 3. D V O zum Regelungsgesetz getroffene Bestimmung über die Anrechnung von Dienstzeiten als ruhegeldfähige Dienstzeiten entspricht demnach einer allgemein bekannten vom Beamtenrecht abweichenden Gepflogenheit im Versorgungsrecht der Angestellten und Arbeiter. Die Abweichung von der für die Beamten geltenden Regelung in § 29 Regelungsgesetz ist daher sachlich gerechtfertigt. Bedenken gegen die Gültigkeit der 3. D V O zum Regelungsgesetz können auch daraus nicht hergeleitet werden, daß der durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. September 1957 (BGBl. I S. 1275) geänderte § 52 nunmehr in seinem Abs. 3 die Anwendung des § 115 Abs. 1 BBG schlechthin vorschreibt. Daraus daß diese Änderung nach Art. IX Ziffer 10 erst am 1. September 1957 in Kraft getreten ist, ist im Gegenteil zu erkennen, daß es bis zu diesem Zeitpunkt bei der Regelung der 3. D V O zum Regelungsgesetz verbleiben soll. Die Revision des Klägers war demnach, soweit sich der Rechtsstreit durch die Erklärung der Parteien nicht erledigt hat, zurückzuweisen.

13 1. Die in § 56 Abs. 1 ZPO vorgeschriebene Berücksichtigung des Mangels der Prozeßfähigkeit von Amts wegen bedeutet nur, daß die Frage, ob das Gericht von der Prozeßfähigkeit einer Partei überzeugt ist, der Parteidisposition verschlossen ist. Sie bedeutet aber nicht, daß die Parteiinitiative für die Herbeiführung der entsprechenden Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen und durch ein Offizialverfahren ersetzt wird. Es bleibt daher Aufgabe der Parteien, entsprechende Tatsachen und Beweiserbieten für das Vorliegen oder NichtVorliegen der Prozeßfähigkeit in den Prozeß einzuführen. 2. Sprechen jedenfalls erhebliche Indizien gegen die Prozeßfähigkeit eines Klägers, so trägt er die Beweislast für das Vorliegen der Prozeß-

13. Mangel der Prozeßfähigkeit

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fähigkeit. Bei Beweisfälligkeit des Klägers für das Vorliegen einer von Anfang an gegebenen und während des Prozesses bestehenden Prozeßfähigkeit kann ein Sachurteil nicht ergehen. Wird ein Kläger hinsichtlich seiner Prozeßfähigkeit in der Revisionsinstanz für beweisfällig befunden, so müssen in den Vorinstanzen ergangene Sachurteile samt den zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben werden, und es muß die Klage auf Kosten des Klägers als unzulässig abgewiesen werden. Z P O § 56 Abs. I ; BGB § 104 Ziffer 2. II. Senat. Urteil vom 6. Mai 1958 i. S. K. (Kl.) w. Fa. K. GmbH (Bekl.) 2 AZR 551/57. I. Arbeitsgericht Kempten. — II. Landesarbeitsgericht Bayern.

Dem bei der Beklagten in der Zeit von Mitte 1949 bis zum 31. März 1955 als Angestellten tätigen Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 31. März 1955 vorsorglich zum nädistzulässigen Termin gekündigt. Am 1. April 1955 schlössen die Parteien eine Vereinbarung, worin die Beklagte sich verpflichtete, dem Kläger für die Monate April bis September 1955 das Gehalt als Abfindung zu zahlen und der Kläger erklärte, daß damit alle Forderungen irgendwelcher Art gegen die Beklagte erledigt seien. Den aus dieser Vereinbarung sich ergebenden Betrag hat die Beklagte an den Kläger gezahlt. Der Kläger, der in der Zeit vom 3. Mai 1955 bis zum 30. August 1955 im Psychiatrischen Landeskrankenhaus W. war, hat mit der Ende 1956 erhobenen Klage geltend gemacht, die Vereinbarung vom 1. April 1955 sei ihm abgenötigt worden. Er hat Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sowie als Entschädigung eine Abfindung von 12 Monatsgehältern verlangt. Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag behauptet, der Kläger sei prozeßunfähig, wofür sie Beweis durch ein amtsärztliches Gutachten erbiete. In der Sache selbst hat sie geltend gemacht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei durch die von ihm nicht angefochtene Vereinbarung vom 1. April 1955 im Wege des gegenseitigen Einverständnisses aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, durch die rechtsgültige Vereinbarung vom 1. April 1955 sei das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst worden, und die vom Kläger begehrte Abfindung habe durch diese Vereinbarung ihre Erledigung gefunden. In der hiergegen erhobenen Berufung hat der Kläger behauptet, im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 1. April 1955 sei er wegen

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13. Mangel der Prozeßfähigkeit

einer geistigen Störung nicht in der Lage gewesen, eine Willenserklärung rechtsverbindlich abzugeben. Das Landesarbeitsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Berufung des Klägers zurückgewiesen mit der B e gründung, der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis dafür, daß er am 1. April 1955 geschäftsunfähig gewesen sei, mangels entsprechenden Beweiserbietens nicht erbracht. Somit sei das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch die Vereinbarung vom I . A p r i l 195 5 gültig aufgelöst und er jedenfalls darin auch für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gültig abgefunden. Die hiergegen erhobene Revision des Klägers führte zur Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Urteile und Verfahren und zur Klageabweisung als unzulässig. Aus

den

Gründen:

1. Gemäß § 56 Abs. 1 Z P O hat das Gericht den Mangel der Prozeßfähigkeit einer Partei von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies gilt auch in der Revisionsinstanz (RGZ 86, 15 [16] und 63 [64]; R G Warn R 1921 Nr. 78 [S. 95]; R G Warn R 1929 Nr. 25 [ S . 4 0 ] ; R G Warn R 1931 Nr. 11 [S. 25]; R G Warn R 1938 Nr. 4 0 [S. 95]; R A G Warn R 1931 Nr. 2 1 4 [S. 4 3 4 ] ; Stein-Jonas, Z P O , 18. Aufl., § 56 Anm.II; § 56 A n m . I V 4 ; § 559 A n m . I V 2 a zu Fußnote 19; Wieczorek, Z P O , § 56 Anm. A l l ; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., 1 9 5 6 , § 43 III 3, Fußnote 3, S. 1 8 2 ; Baumbach-Lauterbach, Z P O , 25. Aufl., 1 9 5 8 , § 5 6 Anm. 1 A). Die in § 56 Abs. 1 Z P O vorgeschriebene Berücksichtigung eines Mangels der Prozeßfähigkeit bedeutet nicht, daß schematisch und in jedem Fall auch dort ein Nachweis der Prozeßfähigkeit zu fordern ist, wo das Gericht gegen die Prozeßfähigkeit einer Partei keine Bedenken hat. Die Vorschrift des § 56 Abs. 1 Z P O ist vielmehr so zu verstehen, daß das Gericht auftauchende sachliche Bedenken gegen die Prozeßfähigkeit einer Partei von Amts wegen berücksichtigen muß (vgl. Stein-Jonas, a. a. O., § 56 Anm. II; Wieczorek, a. a. O., § 56 Anm. A III a; BaumbachLauterbach, a. a. 0 . , § 56 Anm. 1 A). Dem im Gesetz vorgesehenen Grundsatz des Amtsprinzips entspricht es dabei, daß allerdings auch schon das Vorliegen objektiv gegebener Bedenken eine bestimmte Prüfung und gegebenenfalls Wertung des Gerichtes erforderlich macht. 2. Im vorliegenden Fall bestehen gegen die Prozeßfähigkeit des Klägers sehr erhebliche Bedenken. Er hat in allen Instanzen dieses Rechtsstreites Schriftsätze zu den Akten eingereicht, in denen er ohne jeden verständlichen Grund Personen und Institutionen, die am Prozeß nicht

13. Prozeßfähigkeit und Parteidisposition

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beteiligt sind und auch ganz offensichtlich nicht mittelbar oder entfernt daran beteiligt sein können, maßlos und unsinnig beschimpft und verdächtigt. (Wird näher ausgeführt.) Zieht man unter diesen Umständen in Betracht, daß sich der Kläger in der Zeit vom 3. Mai 1955 bis zum 30. August 1955 wegen ziemlich akuter Schizophrenie vorwiegend paranoider Prägung in einer psychiatrischen Heilanstalt befunden hat und ausweislich eines Schreibens dieser Anstalt im Zeitpunkt seiner Anstaltsentlassung als nicht prozeßfähig bewertet worden ist, so liegt angesichts seines oben mitgeteilten Verhaltens im Laufe dieses Rechtsstreites die Annahme nahe, daß sich seit seiner Anstaltsentlassung sein geistiger Zustand nicht verbessert hat und er weder zu Beginn noch während dieses Prozesses prozeßfähig, sondern geistig gestört im Sinne von § 104 Ziffer 2 BGB war. Diese starken Bedenken gegen die Prozeßfähigkeit des Klägers sind nicht erhoben worden. Im erstinstanzlichen Verfahren hat sich das Arbeitsgericht für die Ausräumung der von der Beklagten ausdrücklich behaupteten Prozeßunifähigkeit des Klägers damit begnügt, aus einem vom Kläger vorgelegten Attest des Facharztes für Nervenkrankheiten Dr. St. aus Berlin-Tempelhof vom 11. Februar 1957 zu entnehmen, er sei prozeßfähig. Der knappe Inhalt dieses Attestes, das jedes Eingehen auf die früheren geistigen Ausfallerscheinungen des Klägers vermissen läßt und das nach der Art und Höhe der ärztlichen Liquidation offensichtlich nur auf einer ganz oberflächlichen Untersuchung des Klägers fußt, reicht angesichts der oben dargelegten sonstigen Umstände nidit aus, um die erheblichen Bedenken gegen die Prozeßfähigkeit des Klägers auszuräumen. Das Landesarbeitsgericht ist den Bedenken gegen die Prozeßfähigkeit des Klägers überhaupt nicht nachgegangen, wozu schon nach den erörterten Umständen aber Anlaß bestanden hätte. Das würde noch um so mehr gelten, wenn es zutreffen sollte, wie der Kläger selbst in der Revisionsbegründung ausgeführt hat, daß der Vorsitzende der erkennenden Kammer des Landesarbeitsgerichts sogar erklärt habe, er sei von der Geisteskrankheit des Klägers überzeugt, weil er sonst gegen diesen längst mit einer Beleidigungsklage vorgegangen wäre. Somit ergibt sich zusammengefaßt, daß von Anfang dieses Rechtsstreites an gegen die Prozeßfähigkeit des Klägers Bedenken bestanden haben und bis heute bestehen. 3. Die in § 56 Abs. 1 ZPO vorgeschriebene Berücksichtigung des Mangels der Prozeßfähigkeit von Amts wegen bedeutet nur, daß die Frage, ob das Gericht von der Prozeßfähigkeit einer Partei überzeugt ist oder nicht, der Parteidisposition verschlossen ist, die Parteien also eine

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13. Prozeßfähigkeit —

Freibeweise

solche Überzeugung des Gerichts weder durch übereinstimmende Erklärung noch durch Säumnis oder Geständnis einer Partei erzwingen können. § 56 Abs. 1 Z P O bedeutet aber nicht, daß die Parteiinitiative für xiie Herbeiführung der Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen oder NichtVorliegen der Prozeßfähigkeit ausgeschlossen und durch ein Amts•ermittlungsverfahren ersetzt werde. Deshalb können zwar auch andere als in der Zivilprozeßordnung vorgesehene Mittel — sog. „Freibeweise" — sowie offenkundige Tatsachen für die Überzeugungsbildung des Gerichts über das Vorliegen oder Niditvorliegen der Prozeßfähigkeit •dienen. Es bleibt aber trotz des § 56 Abs. 1 Z P O Sache der Parteien, Beweise im weitesten Sinne und nichtoffenkundige Tatsachen für eine entsprechende Überzeugungsbildung des Gerichts in den Prozeß einzuführen und damit dem Gericht anzubieten (Stein-Jonas, a . a . O . , § 56 Anm. II 3; Vorbem. III 4 c vor § 128; § 282 A n m . V ; V o r b e m . I I I l , Fußnote 5 vor § 3 55; Wieczorek, a . a . O . , § 56 Anm. C; Rosenberg, a . a . O . , § 43 IV 3 S. 182 und § 6 3 I V 2 S. 288, 289; Schönke-SchröderNiese, Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., 1956, § 62 II, S. 275; Nikisch, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1952, § 51 IV 2 S. 197; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 56 Anm. 1 B). Wollte man hinsichtlich der Aufklärung eines Mangels der Prozeßfähigkeit die Offizialmaxime walten lassen, so würde das Gericht im Ergebnis im Interesse der einen oder der anderen Partei tätig werden und damit dem die Zivilprozeßordnung beherrschenden Grundsatz zuwiderhandeln, daß jede Partei im Prozeß ihre Belange selbst wahren muß. Der Grundsatz der Unparteiischkeit eines Gerichts im Zivilprozeß ist so wesentlich, daß ihm gegenüber der mit § 56 Abs. 1 Z P O verfolgte Zweck zurückzutreten hat. Denn § 56 Abs. 1 Z P O beschränkt sich in seiner Zielsetzung darauf, nicht ordnungsgemäß vertretene Prozeßunfähige, die ihre Interessen in einem Prozeß nicht ordnungsgemäß wahrnehmen können, vor einer unsachgemäßen Prozeßführung und damit vor sich selbst zu schützen. Gleichzeitig dient § 56 Abs. 1 Z P O auch dem Gegner eines solchen Prozeßunfähigen. Dieser läuft bei einem Prozeß, den er gegen einen nicht ordnungsgemäß vertretenen Prozeßunfähigen mit Mühen und Kosten erfolgreich durchgeführt hat, ohne daß die Prozeßunfähigkeit dabei erkannt wird, noch lange Zeit nach Beendigung des Prozesses Gefahr, mit einer Nichtigkeitsklage überzogen zu werden (§§ 579 Abs. 1 Ziffer 4, 586 Abs. 3 ZPO). Schließlich ist auch die Befassung des Gerichts mit Prozessen, an denen nicht ordnungsgemäß vertretene Prozeßunfähige beteiligt sind, wenig sinnvoll. Damit kennzeichnet sich die Regelung des § 56 Abs. 1 Z P O in ihrem Kern als die eines Individualschutzes und auch als die Verwirklichung des Gedankens, das

13. P r o z e ß f ä h i g k e i t —

Beweislast

S1

von der staatlichen Autorität getragene Verfahren des Zivilprozesses nicht durch das Handeln eines Prozeßunfähigen berühren zu lassen. Diese Prinzipien müssen aber vor dem generelleren und höherwertigeren Prinzip der Unparteiischkeit eines Gerichts weichen, das die Anwendung des Offizialverfahrens bei der Herbeisdiaffung der Beweismittel für die Aufklärung der Zweifel um die Prozeßfähigkeit einer Partei verbietet. 4. Die bestehenden Zweifel an der Prozeßfähigkeit des Klägers sind mangels Einführens entsprechender Tatsachen und Beweiserbieten durch das Revisionsgericht nicht weiter aufklärbar. Von einer Anregung gemäß § 1 3 9 ZPO, geeignete Tatsachen und Beweismittel beizutragen, verspricht sich der Senat angesichts des bisherigen Gesamtverhaltens des Klägers keinen Erfolg. Der Umstand, daß die Prozeßfähigkeit des Klägers nicht feststeht, aber erhebliche Indizien gegen seine Prozeßfähigkeit sprechen, muß dazu führen, daß die Beweislast für das Vorliegen der Prozeßfähigkeit den Kläger trifft. Das hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. September 1955 — V ZR 162/54 — BGHZ 18, 184 [188, 190] ausführlich in überzeugender Auseinandersetzung mit vereinzelten gegenteiligen Ansichten ausgeführt. Dieser Ansicht des Bundesgerichtshofs schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall unter Verweisung auf die Begründung des Bundesgerichtshofes an, mit der zusätzlichen Erwägung, daß andernfalls das oben zu Ziffer 3 dieser Entscheidungsgründe bereits erörterte, in § 56 Abs. 1 Z P O enthaltene Schutzprinzip seinen Sinn verlöre und regelrecht aufgehoben würde, wenn durch starke Indizien begründete Zweifel an der Prozeßfähigkeit eines Klägers nicht dazu führen würden, ihm die Beweislast für seine Prozeßfähigkeit aufzuerlegen. 5. Ergibt sich somit, daß der Kläger beweisfällig dafür geblieben ist, daß er von Prozeßbeginn an bis heute überhaupt prozeßfähig war, so folgt daraus nach anerkannter Lehre in Rechtsprechung und Schrifttum die Notwendigkeit, unter Aufhebung der in den beiden Vorinstanzen ergangenen Urteile sowie unter Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Verfahren die Klage als unzulässig abzuweisen (Stein-Jonas, a. a. O.. § 56 Anm. IV 4, Fußnote 34; Wieczorek, a . a . O . , § 56 Anm. C; C l ; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 56 Anm. 1 E c, jeweils mit Nachweisen). Die Kosten des Verfahrens treffen auch in einem solchen Falle gemäß § 91 Z P O den Kläger (vgl. R G Z 53, 65 [67]; Wieczorek, a . a . O . , § 56 Anm. C I V B ) .

6 Entscheid, d. BAG. 6

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14. Leitender Angestellter

14 1. Audi ohne ausdrückliche vertragliche Regelung kann ein leitender Angestellter seinem Arbeitgeber gegenüber aus dem Gesichtspunkt der arbeitsvertraglichen Treuepflicht verpflichtet sein, aus gegebenem Anlaß und im gebotenen Umfang die Tätigkeiten anderer Arbeitnehmer zu überwachen und zu kontrollieren (aktualisierte Überwachungspflicht). 2. Der Umstand, daß einem leitenden Angestellten die Gegenzeichnung von Kassenbelegen, Bank- und Kontoauszügen obliegt, spricht nach allgemeiner Erfahrung für eine irgendwie geartete Überwachungs- und Kontrollpflicht des Gegenzeichners in bezug auf die Tätigkeit des Erstzeichners. BGB §§ 157, 242, 611. II. Senat. Urteil vom 12. Mai 1958 i. S. Fa. V. GmbH. (Kl.) w. K. (Bekl.) 2 AZR 539/56. I. Arbeitsgericht Düsseldorf. — II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in N., die durchschnittlich sieben Angestellte und zwei Arbeiter beschäftigte. Der Beklagte stand von 1936 bis zum 1. Oktober 1949 im Dienste der Muttergesellschaft der Klägerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in B., wo er 1936 als Lehrling angefangen und wo er ab 1947 Handlungsvollmacht erhalten hatte. Die Geschäftsführer der Muttergesellschaft waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Ab 1949 trat der Beklagte als Prokurist in den Dienst der Klägerin, aus dem er am 15. Mai 1955 ausschied. Den Beklagten hat die Klägerin auf Zahlung eines Betrages von 12 711,79 DM in Gesamtschuldnerschaft mit dem früheren Buchhalter der Klägerin, L., mit der Begründung in Anspruch genommen, L. habe diesen Betrag in der Zeit von Anfang 1953 bis Anfang 1955 veruntreut und das sei nur dadurch möglich gewesen, daß der Beklagte der ihm obliegenden Kontroll- und Überwachungspflicht bezüglich der Tätigkeit des L. nicht genügt habe. L. ist zu der entsprechenden Zahlung inzwischen rechtskräftig verurteilt worden. Für ihren Vorwurf, der Beklagte habe L. nicht in dem erforderlichen Umfang überwacht und kontrolliert, hat sich die Klägerin auf die Bestimmungen der Anstellungsverträge von 1949 und 1952 berufen, die sich über den Aufgabenbereich des Beklagten bei der Klägerin verhalten. In den beiden Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Das Bundesarbeitsgericht hat aufgehoben und zurückverwiesen.

14. Aktualisierte Überwadiungspflicht

Aus den

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Gründen:

1. Da dem Beklagten von der Klägerin nicht vorgeworfen wird, er habe durch aktives Handeln zu dem von L. verursachten Schaden mit beigetragen, ist das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte nur dann für den durch die Veruntreuungen L.'s entstandenen Schaden als Gesamtschuldner neben L. haftet, wenn er durch pflichtwidriges und schuldhaftes Unterlassen von Maßnahmen, zu deren Vornahme er verpflichtet war, den Schaden mitverursacht hat. In einem solchen Fall haftet er aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung und u. U. auch nach Deliktsrecht (§ 823 BGB), wobei die Gesamtschuldnerschaft des Beklagten im ersteren Falle aus dem im einzelnen dann noch näher darzustellenden Gesichtspunkt der Zweckgemeinschaft (vgl. dazu: P a l a n d t , BGB, 17. Aufl., 1958, § 421 Anm. 1; E n n e c c e r u s - L e h m a n n , Recht der Schuldverhältnisse, 14. Aufl., 1954, § 421 Anm. 2; E r m a n , BGB, 2. Aufl., 1958; § 421 Anm. 2), im letzteren Falle aus § 840 Abs. 1 BGB in Frage käme. 2. a) Das Landesarbeitsgericht hat die Anstellungsverträge von 1949 und 1952 dahin ausgelegt, dem Beklagten habe nur der Ein- und Verkauf obgelegen, und es lasse sich nicht feststellen, daß er auch die Pflicht gehabt habe, die Buchhaltung und Kasse und damit L. zu überwachen und zu kontrollieren. b) Bereits diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts enthält einen Verstoß gegen § 157 BGB, weil der Auslegungsstoff nicht erschöpfend gewürdigt ist. Das Landesarbeitsgericht hat die Vertragsbeziehungen der Parteien lediglich unter den beiden Alternativen gewürdigt, ob es überhaupt Sache des Beklagten war, L. zu überwachen und zu kontrollieren, oder ob dem Beklagten überhaupt keine Überwachungs- und Kontrollpflicht in bezug auf die Tätigkeit L's oblag. Damit hat sich das Landesarbeitsgericht aber von vornherein die Möglichkeit der nach § 157 BGB gebotenen erschöpfenden Vertragsauslegung genommen. Denn zwischen den von ihm in Betracht gezogenen beiden Auslegungsmöglichkeiten des Überwachenmüssens und Nichtüberwachenmüssens gibt es die weitere Möglichkeit der aktualisierten Überwachungspflicht, d. h. einer Überwachungspflicht in bestimmten Fällen aus gegebenem Anlaß. Eine derartige aktualisierte Überwachungs- und Kontrollpflicht braucht nicht auf einer ausdrücklichen Vertragsabsprache zu beruhen; sie kann sich vielmehr bereits aus dem Grundsatz der Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ergeben und ein Handeln aus der konkreten Situation heraus in einem mehr oder weniger großen Umfang, der ebenfalls von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt, dem Arbeiten

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14. Aktualisierte Überwachungspflidit

nehmer zur Pflicht machen. Das Landesarbeitsgeridit durfte daher nicht nur prüfen, ob eine Überwachungs- und damit eine Handlungspflicht des Beklagten überhaupt oder überhaupt nicht bestand. Es mußte vielmehr des weiteren in Betracht ziehen, ob nicht eine Überwachungspflicht des Beklagten bestand, die sich zwar nicht auf alles und jedes aus dem Arbeitsbereich L's erstreckt, deren Inhalt es aber war, L's Tätigkeit in großen Zügen zu beobachten und sozusagen aus „gegebenem Anlaß" einzugreifen. Zu einer solchen sich nidit nur im antithetischen „ob überhaupt" oder „ob überhaupt nicht" sich bewegenden Fragestellung und Auslegungserwägung bestand auch nach Lage der hier in Betracht kommenden Gesamtumstände besonderer Anlaß. Denn der Umstand, daß der Beklagte nach dem Vertrag von 1952 und nach dem Ausscheiden des Zeugen Dr. die Aufgaben der Geschäftsführung wahrzunehmen und die ranghöchste Stellung im Betrieb der Klägerin inne hatte, daß ihm Einzelprokura mit umfassenden Geschäftsführungsbefugnissen erteilt und der Betrieb in N. mit seinen wenigen Angestellten überschaubar war, daß er Kassenbelege, Konten- und Bankauszüge gegenzeichnete, die Hauptbewegungsvorgänge im Kassen- und Buchhaltungswesen in der Hauptsache aus seiner eigenen Ein- und Verkaufstätigkeit herrührten, er somit im wesentlichen auch einen Überblick über das gesamte Geschäftsgeschehen der Klägerin hatte, erforderten in jedem Fall eine Auslegungserwägung in der Richtung, ob der Beklagte angesichts dieser Stellung nicht gehalten war, L., wenn auch nicht in allem und in bestimmter Beziehung und in bestimmten technischen Formen, so doch dann zu überwachen und zu kontrollieren, wenn es der Sache und dem Anlaß nach und somit aus konkreten Situationen heraus geboten erschien. Denn wenn ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gegenüber unter Umständen schon aus dem Grundsatz der Treuepflicht heraus verpflichtet sein kann, ihm bekannt gewordene Unredlichkeiten eines Arbeitskollegen zu verhindern, muß als Pflicht eines Angestellten im Range und mit dem Aufgabenkreis des Beklagten in Betracht gezogen werden, daß er auch ohne ausdrücklichen Auftrag aus sachlich gebotenem Anlaß im Interesse seines Arbeitgebers überwachend und kontrollierend in bezug auf andere Arbeitnehmer tätig wird. c) Da das Revisionsgericht diese erschöpfende Auslegung mangels geeigneter tatsächlicher Feststellungen selbst nicht vornehmen kann, ist schon wegen dieser Verletzung des § 157 BGB gemäß §§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 und Abs. 3 Ziff. 1 Z P O die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht notwendig.

14. Bedeutung der Gegenzeichnung

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d) Bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang eine aktualisierte Überwachungspflicht des Beklagten in dem erörterten Sinne in Betracht kommt, wird das Landesarbeitsgericht zweckmäßig folgendes überlegen müssen: Handlungspflichten des Beklagten interessieren für den vorliegenden Rechtsstreit gar nicht in ihrer abstrakten Allgemeinheit. Die Klägerin kann, da ein aktiver Beitrag des Beklagten zu den Unredlichkeiten L.'s von ihr nicht behauptet wird, von dem Beklagten sowohl aus dem Gesichtspunkt der schuldhaften positiven Vertragsverletzung wie aus dem der unerlaubten Handlung nur dann Schadenersatz verlangen, wenn ein solches Unterlassen des Beklagten festgestellt wird, das den Schadenseintritt verhindert hätte, wäre es vorgenommen worden, wenn also ein schadenskausales und im übrigen auch schuldhafes Unterlassen des Beklagten festgestellt ist. In ihrer Klageschrift hatte die Klägerin im einzelnen angegeben, der von ihr mit der Klage verfolgte Schaden sei aus insgesamt 27 Einzelmaßnahmen L.'s entstanden. Sie hatte weiter im einzelnen dargelegt, aus welchem Anlaß und in welcher Weise L. die ihm vorgeworfenen Unredlichkeiten technisch bewerkstelligt hatte und welches Handeln des Beklagten die Veruntreuungen L.'s hätte verhindern können. Unter diesen Umständen wird das Landesarbeitsgericht nicht umhin können, für jede der L. vorgeworfenen Unredlichkeiten im einzelnen genau zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Beklagte hätte handeln müssen und ob ein etwa von ihm zu erwartendes Handeln den von L. verursachten Schaden hätte verhindern können. Sollte das Landesarbeitsgericht schuldhafte sdiadenskausale Unterlassungen des Beklagten feststellen, so wird es im Hinblick auf § 254 Abs. 1 BGB prüfen müssen, inwieweit die Klägerin an der Schadensentstehung ein Mitverschulden trifft. 3. LInabhängig von dem soeben festgestellten Rechtsverstoß gegen § 1 5 7 BGB wegen nicht erschöpf ender Auslegung der Vertragsbeziehungen leidet die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung auch noch daran, daß es einen allgemeinen Erfahrungssatz nicht beachtet und dadurch ebenfalls § 157 BGB verletzt hat. a) Bei seinen Überlegungen, ob dem Beklagten eine Überwachungsund Kontrollpflicht in bezug auf die Tätigkeit L.'s obgelegen habe, hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die dem Beklagten obliegende Gegenzeichnung von Kassenbelegen, Bank- und Kontoauszügen brauche nicht eine Überwachung der Kasse und Buchhaltung durch den Beklagten bezweckt zu haben, sondern könne auch lediglich der Unterrichtung des Beklagten gedient haben, die schon deshalb notwendig gewesen sei, weil der Beklagte mit Rücksicht auf den ihm obliegenden Ein- und Ver-

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14. Bedeutung der Gegenzeichnung

kauf auch über die eingehenden Zahlungen habe in Kenntnis gesetzt werden müssen. b) Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts verstößt gegen einen Erfahrungssatz und damit gegen § 157 BGB; denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung hat eine Gegenzeichnung in derartigen Fällen regelmäßig den Zweck, den Arbeitgeber vor den Maßnahmen eines einzelnen zu s i c h e r n . Der Gegenzeichner soll die besonderen Vorgänge, für die seine Gegenzeichnung notwendig ist, nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern gerade wegen der als notwendig erachteten Gegenzeichnung für die von ihm gegengezeichneten Vorgänge die V e r a n t w o r t u n g m i t t r a g e n . Das ist der allgemeine Sinn der Gegenzeichnung, der in einem klaren und typischen Gegensatz zu einer nachträglichen Kenntnisnahme im Sinne einer bloßen Unterrichtung ohne Kontrolle von einem Geschehen steht, das ein anderer allein und alleinverantwortlich veranlaßt hat. Die Gegenzeichnungspflicht des Beklagten bei Kassenbelegen, Konto- und Bankauszügen deutet deshalb typisch auf eine irgendwie geartete Kontrollpflicht des Beklagten in bezug auf die Maßnahmen des Erstzeichners L. hin. Wieweit die Kontrollpflidit des Beklagten im einzelnen ging, läßt sich nicht generell sagen. Eine Gegenzeichnung kann auf eine umfassende Kontroll- und Überwachungspflicht des Gegenzeichners in bezug auf die Tätigkeit des Erstzeichners ebenso hinweisen wie auf eine nur gelegentliche Kontroll- und Überwachungspflicht des Gegenzeichners oder auch auf eine solche nur in bezug auf die Vorgänge, die der Gegenzeichnung selbst bedürfen. Auch in welcher Weise die Überwachung zu geschehen hat, ob sie z.B. persönlich oder unter Zuhilfenahme von Personal durchgeführt werden kann, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. c) Demnach konnte das Landesarbeitsgericht nicht ohne Verstoß gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz ohne weiteres annehmen, die Gegenzeichnung des Beklagten habe nur seiner Unterrichtung, nicht dagegen einer ihm obliegenden Kontrolle und Überwachung zum mindesten der von ihm gegengezeichneten Vorgänge gedient. Der Umstand, daß der Beklagte bestimmte in den Arbeitsbereich L.'s fallende Vorgänge gegenzuzeichnen hatte, mußte dem Landesarbeitsgericht Anlaß geben, den Inhalt der Vertragsbeziehungen der Parteien darauf zu prüfen, ob dem Beklagten eine seiner Gegenzeichnungspflicht sachlich entsprechende und daher beschränkte Überwadiungs- und Kontrollpflicht in bezug auf L. oblag. d) Es muß auch insoweit als möglich erscheinen, daß das Landesarbeitsgericht bei Beachtung dieses Erfahrungssatzes über die Bedeutung

15. Kündigung eines Schwerbesch, b. d. Alliierten Streitkräften n. d. 28. 1. 1955

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der Gegenzeichnung nicht zu einer Verneinung, sondern zu einer irgendwie gearteten Überwachungs- und Kontrollpflicht des Beklagten hätte kommen können, daß es mit anderen Worten dann angenommen hätte, der Beklagte habe sidi zwar vielleicht nicht um alles und jedes aus dem Arbeitsbereich des L., aber doch um bestimmte Vorgänge aus seinem Bereidi überwachend und kontrollierend kümmern müssen. Würde eine solche Auslegung zutreffen, dann ließe sich die vom Landesarbeitsgericht bestätigte Klageabweisung aber nicht mehr mit der von ihm gegebenen Begründung halten, der Beklagte habe keine pflichtwidrige Unterlassung begangen, weil er überhaupt nicht zu entsprechendem Handeln verpflichtet gewesen sei, sondern es müßte ebenfalls für jede der hier in Rede stehenden Veruntreuungen L.'s geklärt werden, ob eine Kontroll- und Überwachungspflicht des Beklagten dabei in Betracht kam und schuldhaft verletzt worden ist. Damit erweist sidi aber auch dieser Auslegungsverstoß als eine kausale Rechtsverletzung im Sinne von § 549 Abs. 1 ZPO, der ebenfalls zur Aufhebung und Zurückverweisung nötigt. 15 1. Erst nach Aufhebung des Gesetzes Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission vom 25. November 1949 gegebene Auslegungsanweisungen haben keine bindende Wirkung. 2. Eine nach Inkrafttreten des Tarifvertrages für die bei Dienst' stellen, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen der Alliierten Behörden und der Alliierten Streitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik beschäftigten Arbeitnehmer vom 28. Januar 1955 ausgesprochene Kündigung eines Schwerbeschädigten durch eine Dienststelle der Alliierten Streitkräfte bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission (AHK) vom 25. November 1949 in der Fassung des Gesetzes Nr. 58 der AHK von 12. Juli 1951; Gesetz Nr. A-37 der AHK vom 5. Mai 1955; Truppenvertrag Art. 44; Tarifvertrag für die bei Dienststellen, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen der Alliierten Behörden und der Alliierten Streitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik beschäftigten Arbeitnehmer ( T V A L ) vom 28. Januar 1955; § 14 des Schwerbeschädigtengesetzes vom 16. Juni 1953. III. Senat. Urteil vom 20. Mai 1958 i. S. W. (Kl.) w. Land N. (Bekl.) 3 AZR 541/55. I. Arbeitsgericht Lüneburg. — II. Landesarbeitsgericht Hannover.

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15. Kündigung eines Schwerbeschädigten bei den Alliierten Streitkräften

Der Kläger, ein Schwerbeschädigter, war seit 1. Januar 1953 als technischer Angestellter bei den britischen Streitkräften beschäftigt. Als er am 10. Februar 1955 erkrankte, kündigte ihm seine Dienststelle mit Schreiben vom 16. Februar 1955 zum 31. März 1955. Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu dieser Kündigung wurde nicht eingeholt. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Er ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam, weil die nach § 14 des Schwerbeschädigtengesetzes vom 16. Juni 1953 (SchwBeschG) erforderliche Zustimmung der Hauptfürsorgestelle fehle. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat unter Aufhebung der Urteile der Yorinstanzen festgestellt, daß die Kündigung vom 16. Februar 1955 rechtsunwirksam ist. Aus den

Gründen:

I. Die britische Dienststelle hat auf eine Anfrage des Regierungspräsidenten in Lüneburg am 19. Mai 1955 einen Bescheid auf Grund des Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 13 der Alliierten Hohen Kommission (AHK) vom 25. November 1949 (Amtsblatt der AHK Seite 54) in der Fassung des Gesetzes Nr. 58 der AHK vom 12. Juli 1951 (Amtsblatt der AHK Seite 989) mit dem Inhalt erlassen, daß die Kündigung des Klägers ordnungsgemäß sei. Das Landesarbeitsgericht hat sich an diesen Bescheid für gebunden erklärt und die Klage abgewiesen. Entgegen deT Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch eine Bindung an die Anweisung der britischen Dienststelle schon deswegen nicht eingetreten, weil sie erst erging, als das Gesetz Nr. 13 der AHK, das allein die Grundlage für eine Bindung hätte abgeben können, durch das Gesetz Nr. A-37 der AHK vom 5. Mai 1955 (Amtsblatt der AHK Seite 3267) aufgehoben war (vgl. BAG AP Nr. 1 zu Art. 3 AHK Ges. Nr. 13; BGH MDR 1956 Seite 413). II. Besteht demnach keine Bindung an den Bescheid der britischen Dienststelle vom 19. Mai 1955, so war unabhängig davon zu prüfen, ob zur Zeit der Kündigung auf die Arbeitnehmer bei den Alliierten Streitkräften das SchwBeschG anzuwenden war. Für die Zeit vor dem am 1. Februar 1955 in Kraft getretenen Tarifvertrag für die bei Dienststellen, Unternehmungen und sonstigen Einrichtungen der Alliierten Behörden und der Alliierten Streitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer (TV AL) vom 28. Januar 1955 (Min.Bl. des Bund.Min. der Finanzen Seite 38) und auch für die Zeit vor dem am 8. Mai 1955 in Kraft getretenen Art. 44 des Truppenvertrages (BGBl. 1955 II Seite 367 und Seite 628) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG 2, 198; vgl. auch BAG 2,

15. Kündigung eines Schwerbeschädigten bei den Alliierten Streitkräften

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134) die Anwendung des Schwerbeschädigtengesetzes verneint. Es hat jedoch diese Frage für die Zeit nach Inkrafttreten des TV AL und des Truppenvertrages ausdrücklich offen gelassen. Nach Inkrafttreten des Truppenvertrages ergibt sich die Anwendung des SchwBeschG auf die Arbeitnehmer bei den Alliierten Streitkräften nunmehr aus dessen Art. 44 Abs. 3. Danach gelten für die Beschäftigung bei den Streitkräften die für die deutschen Bundesbehörden maßgebenden arbeitsrechtlichen Vorschriften. Damit ist auch die Geltung des SchwBeschG für Kündigungen ausgesprochen worden, sofern es sich jedenfalls nicht um eine Kündigung aus Sicherheitsgründen handelt und solange die in Abs. 8 des Art. 44 vorgesehene Entscheidung der gemischten Kommission nicht ergangen ist (zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes vergleiche nunmehr das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 1958 — 1 AZR 305/57 - BAG 5, 285). Für die Zwischenzeit, d. h. für die Zeit nach Inkrafttreten des TV AL und vor Inkrafttreten des Truppenvertrages, in die die hier streitige Kündigung fällt, folgt die Anwendung des SchwBeschG aus der Note der AHK vom 28. Januar 1955 (Min.Bl. des Bund.Min. der Finanzen Seite 77). Unter Buchstabe a) wird die grundsätzliche Anwendung des deutschen Arbeitsrechts als erwünscht bezeichnet. Unter Buchstabe b) heißt es, daß dieser Grundsatz, soweit unter den bestehenden Verhältnissen mit den alliierten Belangen vereinbar, während der Zeit bis zum Inkrafttreten des Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes angewandt wird. Damit ist zugleich die grundsätzliche Geltung des SchwBeschG ausgesprochen worden. Zwar werden unter Ziffer 1 und 2 der Note der AHK gewisse Vorbehalte gemacht. Die Vorbehalte beziehen sich jedoch nicht auf die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts, soweit diese mit den alliierten Belangen vereinbar ist. Andernfalls wäre die N o t e der AHK nur eine Bestätigung des bisherigen Rechtszustandes und die unter Buchstaben a) und b) vorgeschriebene Anwendung des deutschen Arbeitsrechts ein inhaltloser Ausspruch. Bestätigt wird diese Auffassung durch das veröffentlichte Schreiben des Bundesministers der Finanzen an die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder sowie den Kreispräsidenten des Kreises Lindau vom 31. Januar 1955 (Min.Bl. des Bund.Min. der Finanzen Seite 38), das für die Auslegung der Note der AHK deswegen von besonderer Bedeutung ist, weil der Finanzminister an den vorhergehenden Verhandlungen, Besprechungen und Vereinbarungen durch seine Referenten persönlich beteiligt war. Dort heißt es, daß vom Tage des Inkraftretens des TV AL ab für die bei den alliierten Dienst-

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16. Nachwirkung eines Tarifvertrages

stellen in den drei Besatzungszonen beschäftigten Arbeitnehmer das deutsche Arbeitsrecht anzuwenden ist. Hiernach kommt es darauf an, ob die Anwendung des § 14 SdiwBesdiG auf die vorliegende Kündigung mit den alliierten Belangen vereinbar war. Das ist zu bejahen; denn das Dienstverhältnis des Klägers ist nicht aus Gründen der Sicherheit der Alliierten Streitkräfte gekündigt worden, sondern allein deswegen, weil der Kläger einige Zeit krank war. Die Kündigung, der die Hauptfürsorgestelle nicht zugestimmt hat, ist daher entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unwirksam. Auf die Revision des Klägers mußten infolgedessen die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und der Beklagte antragsgemäß verurteilt werden.

16 1. Die Nachwirkung der Rechtsnormen eines Tarifvertrages erstreckt sich nur auf solche Arbeitsverhältnisse, die bereits zur Zeit der Geltung des Tarifvertrages begründet waren. 2. Die Regelung eines außer Kraft getretenen Tarifvertrages ist nicht schon dann als betriebsüblich anzuwenden, wenn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach Ablauf des Tarifvertrages mit dem neu eingestellten Arbeitnehmer nichts anderes vereinbart ist. T V G § 4 Abs. 5. I. Senat. Urteil vom 6. Juni 1958 i. S. S. (Kl.) w. Sch. (Bekl.) 1 AZR 515/57. I. Arbeitsgericht Iserlohn. — II. Landesarbeitsgericht Hamm.

Der Kläger war vom 1. November bis 30. November 1955 ständig, vom 1. Dezember 1955 bis zum 30. April 1956 an einzelnen Tagen aushilfsweise und vom 1. Mai 1956 bis zum 5. November 1956 wieder ständig als Kellner in der Gaststätte des Beklagten beschäftigt. In der Zeit vom 1. Mai bis 5 November 1956 betrug sein monatlicher Durchschnittsverdienst 796,— DM. Zwischen der Gewerkschaft, der der Kläger angehört, und dem Arbeitgeberverband, dessen Mitglied der Beklagte ist, bestand bis zum 31. Oktober 1955 ein Manteltarifvertrag vom 28. Dezember 1951 in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 2. August 1955. Nach § 6 Abs. 7 dieses Manteltarifvertrages hat der Betriebsinhaber für jeden Urlaubstag an Prozentempfänger V 2 6 des Garantielohnes in bar vor dem Urlaub auszuzahlen.

16. Nachwirkung eines Tarifvertrages

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Für sechs Urlaubstage, die in die Beschäftigungszeit vom 1. Mai 1956 bis zum 5. November 1956 fallen, und zwei durch Urlaub abzugeltende Feiertage in dieser Zeit hat der Beklagte dem Kläger je V 26 dieses Garantielohnes gezahlt, insgesamt 96,— DM. In dieser Zeit hat ein neuer Tarifvertrag anstelle des zum 31. Oktober 1955 beendeten Tarifvertrages das Arbeitsverhältnis nicht beherrscht. Der Kläger verlangt noch eine weitere Urlaubsentschädigung in Höhe von 121,44 DM. Er hält die Berechnung des ihm gebührenden Urlaubsgeldes nach dem Garantielohn für unrichtig, weil der Tarifvertrag, der eine solche Berechnung vorsehe, bereits vor der Begründung des Arbeitsverhältnisses der Parteien außer Kraft getreten sei und schon deshalb auf dieses Arbeitsverhältnis nicht mehr angewendet werden könne. Auch sei eine tarifliche Regelung, die den Arbeitnehmer für die Zeit seines Urlaubs auf geringere Bezüge als für die Zeit der tatsächlich geleisteten Arbeit beschränke, mit den tragenden Grundsätzen des Urlaubsrechts unvereinbar. Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, daß auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Tarifvertrag vom 28. Dezember 1951 noch anzuwenden sei. Auch sei dieser Tarifvertrag rechtswirksam. Jedenfalls aber könne der Kläger nicht mehr als das ihm unter Zugrundelegung des Garantielohnes gezahlte Urlaubsgeld verlangen, da die Berechnung des Urlaubsentgeltes nach dem Garantielohn im Betrieb des Beklagten üblich sei. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger weitere 17,30 DM zugebilligt, ist aber entgegen der Auffassung des Klägers der Ansicht, daß das Urlaubsgeld sich nach dem nachwirkenden Tarifvertrag bestimme, also nach dem Garantielohn zu berechnen sei. Das Landesarbeitsgericht hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen und dementsprechend erkannt. Auf die Revision des Klägers ist unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen der Beklagte zur Zahlung von 121,44 DM verurteilt worden. Aus den G r ü n d e n : Nadi § 6 Abs. 7 des Manteltarifvertrages für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. Dezember 1951 in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 2. August 1952, der nach der Feststellung des Berufungsgerichts zum 31. Oktober 1955 gekündigt

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16. Nachwirkung eines Tarifvertrages

worden ist, hatte der Betriebsinhaber an „Prozentempfänger", zu denen auch der Kläger gehörte, für jeden Urlaubstag V 2 6 des Garantielohnes in bar auszuzahlen. Diese tarifliche Regelung führt in aller Regel dazu, daß die Prozentempfänger während des auch ihnen zustehenden Urlaubs nicht auf die Einnahmen kommen, die sie im Falle der Arbeitsleistung aus ihrer auf Grund des Arbeitsverhältnisses erbrachten Tätigkeit erzielt hätten oder die sie in der vorangegangenen Zeit tatsächlich erzielt haben. Auch im Falle des Klägers bleibt der Garantielohn, nach dem der Beklagte unter Anwendung des am 31. Oktober 1955 abgelaufenen Manteltarifvertrages die Bezahlung des Klägers während der Urlaubstage errechnet und gewährt hat, erheblich hinter dem Arbeitsverdienst zurück, den der Kläger nach seiner unwidersprochenen Darstellung in der Zeit vom 1. Mai bis S.November 1956 mit durchschnittlich monatlich 796,— D M bezogen hat. Der Senat hat daher Zweifel, ob diese tarifliche Bestimmung mit dem allgemein anerkannten Grundsatz des Urlaubsrechts zu vereinbaren ist, nach dem der Arbeitnehmer während seines Urlaubs das Entgelt erhalten soll, das er verdient hätte, wenn er gearbeitet hätte (vgl. hierzu — BAG 3, 23; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 1957, Band 1, S. 393 ff.). Der Arbeitnehmer soll sich grundsätzlich im Urlaub nicht finanziell schlechter stehen, als wenn er ohne Urlaub sich im Arbeitsverhältnis befände (vgl. Dersch, Urlaubsgesetze 1954, S. 208, Bern. 348), er soll in die Lage versetzt sein, die Urlaubsfreizeit in gewohntem Lebenszuschnitt zu bringen (BAG 3, 52). Diese Frage kann jedoch hier dahingestellt bleiben, da der Tarifvertrag in der Zeit, für die der Kläger das Urlaubsentgelt fordert (1. Mai 1956 bis 5. November 1956), nicht mehr bestand; er war vielmehr bereits mit dem 31. Oktober 1955 außer Kraft getreten. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 5 T V G zu einer Weitergeltung der Rechtsnormen des Tarifvertrags auch für das erst am 1. Mai 1956 begründete Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten führe, hält der Senat in Übereinstimmung mit der in Schrifttum und Rechtsprechung überwiegend vertretenen Ansicht für rechtsirrtümlich (vgl. Bobrowski, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 574; Hueck in ArbR-Blattei Tarifvertrag IV, Geltungsbereich III 4; Maus, T V G 1950, § 4 Anm. 88; Nikisch, Arbeitsrecht 1951, S. 321; L A G Bremen 29. Juni 1950, ARSt. I Nr. 4 0 5 ; vgl. weiter Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 1957, Band 2, S. 372, 379 ff. und Hueck- NipperdeyTophoven, T V G , § 4 Anm. 19, 32).

16. Nachwirkung eines Tarifvertrages

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Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf eines Tarifvertrages seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Es mag zugegeben werden, daß der Wortlaut der Vorschrift die vom Vorderrichter vertretene Ansicht nicht ausschließt, weiter auch, daß eine Auslegung des Gesetzes „nur aus sich selbst heraus" zu jenem Ergebnis führen könnte. Es handelt sich aber gerade bei § 4 Abs. 5 TVG um einen Fall, bei dem die sogenannte objektive Theorie der Gesetzesauslegung (vgl. dazu Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil, § 54) ihre geringe Brauchbarkeit erweist. Die Auslegung der Vorschrift darf nicht am Wortlaut haften, sie muß den Sinn und Zweck der Norm ermitteln. Für diese Sinnesinterpretation ist aber maßgebend der im Gesetz zum Ausdruck gelangte W i l l e d e s G e s e t z g e b e r s , also der Sinn, den der Gesetzgeber mit seinen Worten verbunden hat, vorausgesetzt, daß er in den Worten auch einen (wenngleich unvollkommenen) Ausdruck gefunden hat (vgl. auch Art. 6 österr. ABGB). Der Wille des Gesetzgebers, der Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit seiner Norm erreichen wollte, ergibt sich hier mit voller Klarheit aus der Entstehungsgeschichte, genauer aus der historischen Entwicklung des Problems. Die Frage der sogenannten Nachwirkung der Tarifnorm nach dem Ablauf des Tarifvertrags war unter der Geltung der Tarifvertrags VO vom 23. Dezember 1918 und später für die Tarifordnung nach dem Arbeitsordnungsgesetz lebhaft umstritten (vgl. hierzu Hueck-Nipperdey, 6. Aufl., Bd. 2, S. 378, weiter vor allem 3./5. Aufl., Bd. 2, S. 238 ff. und Hueck-Nipperdey-Dietz, AOG, 4. Aufl., § 32, Bern. 170). Nach der einen Ansicht sollten die Tarifnormen in die Arbeitsverhältnisse der tarifbeteiligten Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingehen, damit zum Inhalt der Arbeitsverhältnisse werden und alsdann nach Beendigung des Tarifvertrags als arbeitsvertragliche Regeln mit der Möglichkeit der Abdingung weitergelten. Die andere Auffassung verneinte ein solches Eingehen der tariflichen Regelungen in das Arbeitsverhältnis; sie nahm vielmehr an, daß die Tarifnormen wie alle echten Rechtsnormen auf die Arbeitsverhältnisse beherrschend einwirken. Diese Normenwirkung höre aber mit der Beendigung des Tarifvertrags auf. Der Inhalt der Arbeitsverhältnisse solle sich dann nicht mehr nach dem Tarifvertrag, sondern nach allgemeinen Grundsätzen, insbesondere nach den §§612, 315,317 BGB, und etwaigen neuen Vereinbarungen bestimmen. Gegen diese letztere Meinung wurde vor allem der Einwand erhoben, daß sie zu einer erheblichen Unklarheit und Rechtsunsicherheit führen könne, da dann die Arbeitsverhältnisse u.U. mehr oder weniger inhaltlos daständen (RGZ 114, 195).

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16. Nachwirkung eines Tarifvertrages

Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Gesetzgeber des Tarifvertragsgesetzes in Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen mit der Vorschrift des § 4 Abs. 5, ohne zu der theoretischen Konstruktionsfrage selbst Stellung zu nehmen, nichts anderes wollte, als den Streit um die Nachwirkung zu beenden und eine klare Lösung zu geben. Nur deshalb hat er die Weitergeltung der Tarifnormen angeordnet. Es sollte im praktischen Ergebnis das von der sogenannten Nachwirkungslehre gewollte Ziel erreicht werden, also sichergestellt werden, daß die bisher tariflich geregelten Arbeitsverhältnisse mit dem Außerkrafttreten des Tarifvertrages nicht zu nur lückenhaft geregelten Arbeitsverhälnissen würden. Dagegen war es nicht die Absicht des Gesetzgebers, neue Arbeitsverhältnisse, die unter der Geltung des Tarifvertrags noch gar nicht bestanden hatten und damit von dessen Normenwirkung nicht erfaßt waren, an irgendeine Tarifwirkung, wenn auch nur im Sinne nachgiebigen Rechts, zu binden. Eine solche Wirkung ist auch früher von den maßgebenden Vertretern der Nachwirkungslehre und von der Praxis nicht angenommen worden. Die wirkliche Absicht des Gesetzgebers ist auch mit der Fassung des § 4 Abs. 5 TVG vereinbar. Der Begriff des „Weitergeltens" ist als F o r t b e s t e h e n d e r Geltung aufzufassen, die den Tarifnormen bereits vor dem Außerkrafttreten des Tarifvertrages zukam, also der Geltung für die Arbeitsverhältnisse, die zu dieser Zeit begründet waren. Der Begriff der Weitergeltung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG ist daher nicht in einem abstrakten Sinn als Geltung an sich, nicht als eine auf alle — auch die später begründeten — Arbeitsverhältnisse gerichtete Geltung zu verstehen. Vielmehr ist nur an die konkrete Weitergeltung für die Arbeitsverhältnisse gedacht, die in der Laufzeit des Tarifvertrags bestanden haben und ihm unterlagen. Eine W e i t e r geltung der Tarif norm besteht sonach nur für die Arbeitsverhältnisse, für die die Normen des in Kraft befindlichen Tarifvertrages bereits als R e c h t s n o r m e n g e g o l t e n h a b e n , nicht aber audi für solche Arbeitsverhältnisse, für die sie niemals normativ gegolten haben, damit nicht für Arbeitsverhältnisse, die erst nach dem Außerkrafttreten des Tarifvertrages begründet worden sind. Dies gilt also für die später begründeten Arbeitsverhältnisse, die dann, wenn sie zur Zeit der Geltung des Tarifvertrages eingegangen worden wären, unter dessen persönlichen, räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich gefallen wären. Es kann auch im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, daß die tariflichen Bestimmungen über das Urlaubsgeld im vorliegenden Fall als betriebsüblich stillschweigend

17. Restitutionsverfahren

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zwischen den Parteien vereinbart seien. Eine solche Annahme würde praktisch der Ausdehnung der Nachwirkung auch auf neue Arbeitsverträge gleichkommen. Sie würde insbesondere verkennen, daß diese tariflichen Bestimmungen eben nur deshalb in den Betrieben angewendet worden sind, weil sie in dem — inzwischen aber außer Kraft getretenen — Manteltarifvertrag enthalten waren. Ebenso wie unter der Geltung eines Tarifvertrages Außenseiter tarifliche Rechte nicht mit der Begründung für sich in Anspruch nehmen können, die Zubilligung dieser Rechte sei, da die Tarifgebundenen in ihren Genuß kämen und die Zahl der tarifgebundenen Arbeitnehmer weitaus überwiege, betriebsüblich, so können auch nicht nach Außerkrafttreten eines Tarifvertrages die neu eingestellten Arbeitnehmer die Rechte, die auf Grund der Nachwirkung für die bereits vor dem Außerkrafttreten des Tarifvertrages eingestellten Arbeitnehmer begründet sind, geltend machen. Entsprechendes gilt andererseits für den Arbeitgeber. Auch er kann nicht unter Berufung auf für neu eingestellte Arbeitnehmer nicht geltende tarifliche Normen diese Regelungen als „betriebsüblich" bezeichnen. Vor allem aber kann im vorliegenden Fall das Zustandekommen einer solchen stillschweigenden Vereinbarung schon deshalb nicht angenommen werden, weil damit von dem eingangs erwähnten tragenden Grundsatz des Urlaubsrechts abgewichen würde, nach dem der Arbeitnehmer während des Urlaubs das Entgelt erhalten soll, das er bei Arbeitsleistung verdient hätte. Sollte in bestimmten Grenzen eine vertragliche Abweichung von diesem Grundsatz überhaupt zulässig sein, so könnte sie nur durch eine klare ausdrückliche Vereinbarung getroffen werden. Daß eine solche Vereinbarung hier zustande gekommen ist, behauptet der Beklagte selbst nicht. Das Urteil des Berufungsgerichts war daher aufzuheben. Da der Klaganspruch im übrigen seiner Höhe nach nunmehr unbestritten ist, war der Klage in Höhe des Revisionsantrags stattzugeben.

17 1. Im Restitutionsverfahren steht der Revision nicht entgegen, daß in dem vom Restitutionsverfahren angegangenen Vorprozeß eine Revision nicht möglich war. 2. Eine Revision, die anfänglich unzulässig ist, weil der Beschwerdegegenstand die Revisionsgrenze nicht erreicht, kann dadurch zulässig werden, daß im Rahmen der bisherigen Revisionsbegründung die Revisionsanträge nachträglich entsprechend erweitert werden.

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17. Restitutionsverfahren

3. Die Notfrist des § 586 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO für die Erhebung der Restitutionsklage wird auch durch Klageerhebung vor einem sachlidt unzuständigen Gericht jedenfalls dann gewahrt, wenn nach § 528 Satz 2 Halbsatz 2 Z P O die Einrede der Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts nicht mehr geltend gemacht werden kann. 4. Die nachträglich aufgefundene Urschrift einer Urkunde, deren Inhalt im Vorprozeß bekannt und unstreitig war, begründet nidit die Restitutionsklage nach § 5 8 0 Ziffer 7 Buchstabe b ZPO. Z P O §§ 580 Ziffer 7 b, 276, 528 Satz 2, 554 Abs. 6, 560, 578, 586 Abs. 1 und Abs. 2, 589 Abs. 1, 591. II. Senat. Urteil vom 20. Juni 1958 i. S. M. (Rest.-Kl. u. Rev.-Kl.) w. Verlag G. & Co. (Bekl.) 2 AZR 231/5 5 I. Arbeitsgericht Bonn. —

II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf (2. Kammer Köln).

Der Kläger stand in der Zeit vom 15. August 1951 bis zum 31. Dezember 1951 als Redakteur im Dienste der Beklagten, die damals im Auftrag der Bundesregierung eine Zeitung herausgab. Zum 31. Dezember 1951 wurde ihm gekündigt. Hiergegen hat er sich mit einer im November 1951 beim Arbeitsgericht Bonn — l C a l 5 8 3 / 5 1 — erhobenen Klage gewandt, in der er geltend machte, mit der Beklagten sei vereinbart worden, daß das Vertragsverhältnis der Parteien für die Dauer der Legislaturperiode des 1. Deutschen Bundestages befristet und bis dahin unkündbar sei. Unter Berufung darauf, daß ihm daher zum 31. Dezember 1951 nicht habe gekündigt werden können, hat der Kläger Zahlung seines Gehaltes in Höhe von je 2000,— DM für die Monate Januar bis März 1952 verlangt. Seine Klage ist vom Arbeitsgericht Bonn durch Urteil vom 13. Dezember 1951 — 1 Ca 1583/51 — abgewiesen, seine hiergegen erhobene Berufung durch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf durch rechtskräftiges Urteil vom 22. Juli 1952 — 2 Sa 158/52 — zurückgewiesen worden. Beide Instanzen haben den Standpunkt eingenommen, der Kläger habe nicht bewiesen, daß die Unkündbarkeit des Dienstverhältnisses für die Dauer der Legislaturperiode des Bundestages vereinbart worden sei. Das Landesarbeitsgericht hat dazu noch ausgeführt, das Dienstverhältnis sei auf unbestimmte Zeit eingegangen worden, weshalb es gemäß § 6 2 2 BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsschluß habe beendet werden können. Die Beklagte habe die Kündigung „unter Einhaltung der vorgeschriebenen Frist mit Schreiben vom 9. November 1951 zum 31. Dezember 1951 ausgesprochen", so daß die beiderseitigen Beziehungen mit dem 31. Dezember 1951 beendet gewesen seien.

17. Restitutionsverfahren

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Nach dem Tatbestand der beiden Urteile des Vorprozesses war unstreitig, daß dem Kläger mit Schreiben vom 31. Oktober 1951, dessen Inhalt ebenfalls unstreitig war, von der Beklagten gekündigt worden ist und daß die Beklagte, nachdem der Kläger mit Schreiben vom I.November 1951 der Kündigung widersprochen hatte, mit einem vom Kläger als Anlage zu seiner Klageschrift in Abschrift beigefügten Schreiben vom 9. November die Auffassung des Klägers zurückgewiesen und vorsorglich die Kündigung zum 31. Dezember 1951 erneut ausgesprochen hatte. Wegen des Inhaltes dieses Schreibens vom 9. November 1951 ist in dem Urteil der ersten Instanz des Vorprozesses auf die vom Kläger zu den Akten gereichte Abschrift Bezug genommen worden. Audi die Beklagte hat im erstinstanzlichen Rechtszuge des Vorprozesses auf die vom Kläger zu den Akten gereichte Abschrift des Schreibens vom 9. November 1951 Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben vom 9. November 1951 in dem Tatbestand seines Urteils nicht wörtlich mitgeteilt, sondern nach der wörtlichen Mitteilung des Schreibens der Beklagten vom 31. Oktober 1951 ausgeführt: „Der Kläger widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 1. November 1951, wobei er darauf hinwies, daß er von der Beklagten für die Dauer der Legislaturperiode des Bundestages angestellt sei und infolgedessen vorzeitig nicht entlassen werden könne. Nach Ablehnung dieser Auffassung sprach die Beklagte in ihrem Schreiben vom 9. November 1951 erneut vorsorglich die Kündigung zum 31. Dezember 1951 aus und . . . " Mit einem am 12. November 1953 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Restitutionsklage erhoben. Er hat behauptet, die Urschrift des Briefes der Beklagten vom 9. November 1951 sei ihm vor der am 13. Dezember 1951 erfolgten Verkündung des Urteils des Arbeitsgerichts abhanden gekommen. Am Abend des 27. November 1951 habe er sie seiner Handakte entnommen, um sie in seine Arbeitsmappe zu den am 28. November zu bearbeitenden Sachen zu legen. Am 28. November 1951 habe er bemerkt, daß der Brief fehle; er habe ihn trotz gründlichsten Suchens nicht mehr finden können. Er habe ihn später (am 8. November 1953) in einer dem Gericht übergebenen Mappe mit journalistischen Arbeiten wiedergefunden. Durch Vorlage der Urschrift dieses Schreibens in dem Vorprozeß hätte aber eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt werden können, die unterblieben sei, weil er in Anbetracht des Bestreitens der Beklagten durch Nichtvorlage des Originals des Schreibens vom 9. November 1951 für seine Behauptungen beweisfällig geblieben sei. 7 Entscheid, d. BAG. 6

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17. Zulässigkeit der Revision im Restitutionsverfahren

Er hat beantragt, das Urteil des Arbeitsgeridits Bonn vom 13. Dezember 1951 — 1 Ca 1583/51 — aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von 2000,— DM zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Inhalt des Schreibens vom 9. November 1951 sei zwischen den Parteien nicht streitig und die Nichtvorlage der Urschrift sei für den Kläger im Vorprozeß unschädlich gewesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochenen Urteils und unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgeridits die Beklagte zur Zahlung von 6100,— DM nebst 4 % Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen mit der Begründung, selbst wenn man annehme, der Kläger habe eine andere Urkunde im Sinne von § 580 Ziffer 7 b Z P O aufgefunden, würde deren Inhalt eine für den Kläger günstigere Entscheidung des Vorprozesses nicht herbeigeführt haben. Das Landesarbeitsgeridit hat den Streitwert auf 6100,— DM neu festgesetzt. Der Kläger hat Revision eingelegt, und zwar zunächst mit dem in der Revisionsbegründungsschrift enthaltenen Antrag, unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgeridits Bonn vom 13. Dezember 1951 — l C a l 5 8 3 / 5 1 — und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Juli 1952 — 2 Sa 158/52 — die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6000,— DM nebst 4 % Zinsen vom Fälligkeitstage des jeweiligen Teilbetrages an zu zahlen. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat er den Antrag auf Verurteilung der Beklagten in Höhe von 6100,— DM nebst entsprechenden Zinsen gestellt. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Aus den

Gründen:

I. Die Revision ist zulässig. 1. In dem durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Juli 1952 rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozeß war eine Revision nicht möglich, weil es damals in der Arbeitsgerichtsbarkeit — von den Besonderheiten für das Land Rheinland-Pfalz und für das ehemalige Land Württemberg-Hohenzollern abgesehen — keine Revisionsinstanz gab (BAG 1, 2 [3, 4]). Dieser Umstand steht der Statthaftigkeit der jetzigen Revision im Restitutionsverfahren nicht entgegen. Das Restitutionsverfahren ist vom Gesetzgeber als besonderer Prozeß ausgestaltet worden, bei dem sich somit gemäß § 79 ArbGG, § 591 Z P O aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Rechtsgenossen die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln nicht danach richtet, welche Rechtsmittel in dem vom Restitu-

17. Nachträgliche Erhöhung v o n Revisionsanträgen

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tionsverfahren angegangenen Vorprozeß statthaft waren, sondern danach, welche Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Gerichte statthaft sind, die sich mit dem Restitutionsverfähren selbst befaßt haben. Deshalb ist auch für die Frage der Statthaftigkeit der jetzigen Revision nicht von dem Rechtszustand zur Zeit des Vorprozesses, sondern von dem Rechtszustand im Zeitpunkt des im Restitutionsverfahren ergangenen Urteils des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auszugehen (OGH brZ. HEZ 3, 81 [83]; Stein-Jonas, Z P O , 18. Aufl., § 591 Anm. I). 2. Da im vorliegenden Restitutionsverfahren das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 24. Februar 1955 ergangen ist, ist hiergegen gemäß § 591 Z P O die Revision nach näherer Maßgabe des § 72 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 ArbGG statthaft, wenn für die vom Kläger verfolgte Zahlungsklage der Besch werde wert mehr als 6000,— DM beträgt (vgl. AP Nr. 61 zu § 72 ArbGG 1953). Auch das trifft zu. Es ergibt sich das Vorliegen einer Beschwer in der erforderlichen Höhe nämlich daraus, daß der Kläger den in der Revisionsbegründungsschrift nur mit 6000,— DM angekündigten Zahlungsantrag später auf 6100,— DM, also bis zum Betrag des vom Landesarbeitsgericht festgesetzten Streitwertes, erhöht hat. Die Zulässigkeit einer solchen nachträglichen Erhöhung seines Zahlungsantrages mit der Wirkung, daß eine anfänglich unzulässige Revision nunmehr zulässig wird, ist allgemein anerkannt (vgl. BGHZ 12, 52 [67]; RGZ 130, 229 [230]; Stein-Jonas, a . a . O . , § 554 Anm. V 2 und § 560 Anm.) und ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte von § 554 Abs. 6 Z P O , in dem gerade, um eine solche nachträgliche Erhöhung zu gestatten, die ursprünglich in Abs. 6 gleichfalls erfolgende Erwähnung der Revisionsanträge fallen gelassen worden ist (vgl. die Nachweise bei Stein-Jonas, a. a. O., § 554 Anm. V 2 zu Fußnote 3 5). Andernfalls würde auch die nur vorläufige Vollstreckbarkeit der nicht mit den Revisionsanträgen angefochtenen Teile des angegriffenen Urteils gemäß § 560 Z P O nicht verständlich sein. Die nachträgliche Erhöhung des Revisionsantrages des Klägers hält sich jedenfalls auch im Rahmen der bis dahin geltend gemachten Revisionsgründe, so daß es keiner Erörterung der Frage bedarf, ob dieser Umstand bei einer solchen Erhöhung auch hinsichtlich materiell-rechtlicher Rügen gegeben sein muß (bejahend: RG JW 1938, 467 [468]; BGHZ 12, 52 [68]; verneinend: Stein-Jonas, a . a . O . , § 554 Anm. V 2 zu Fußnote 37). 3. Da auch die für die Revisionseinlegung erforderlichen Fristen und Formen im übrigen beachtet worden sind, ist somit die Revision des Klägers zulässig. T

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17. Zulässigkeit der Restitutionsklage

II. Auch die Restitutionsklage ist zulässig. 1. Gemäß § 79 ArbGG, § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Restitutionsklage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben und damit zulässig ist. Diese Voraussetzungen sind auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen. Die in § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgeschriebene Prüfung der Zulässigkeit der Restitutionsklage von Amts wegen ist, wegen der Verwandtschaft des Restitutionsverfahrens mit den echten Rechtsmittelverfahren, den Vorschriften der §§ 341 Satz 1, 519 b Abs. 1 Satz 1, 554 a Abs. 1 Satz 1, 574 Satz 1 ZPO nachgebildet. Wie die Revisionsinstanz die Zulässigkeit der in der Vorinstanz eingelegten Rechtsmittel von Amts wegen nachzuprüfen hat (vgl. RGZ 99, 168 [170]; 151, 45 [46]; Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., § 559 IV 2 a, Fußnote 22; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 24. Aufl., 1956, § 554 a Anm. l), hat sie daher in gleicher Weise auch hinsichtlich einer Restitutionsklage tätig zu werden. Wenn die Zulässigkeit der Restitutionsklage von Amts wegen geprüft werden soll, so wird diese Prüfung schlechthin als wesentlich für das Verfahren angesehen. a) An sich statthaft im Sinne des § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist eine Restitutionsklage dann, wenn sie sich gegen ein rechtskräftiges Endurteil richtet (§ 578 Abs. 1 ZPO). Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils richtet sich die Restitutionsklage gegen das „Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 13. Dezember 1951 — 1 Ca 1583/51 —". Ein Antrag des Klägers, den Tatbestand dahin zu berichtigen, daß der Antrag auf Aufhebung sowohl des arbeitsgerichtlichen wie des landesarbeitsgerichtlichen Urteils des Vorprozesses gerichtet gewesen sei, ist von der Vorinstanz mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß keine Berichtigung in der Wiedergabe des Tatbestandes, sondern eine Auslegung des wiedergegebenen Tatbestandes begehrt werde. Wäre mit dem Antrag nun nur das a r b e i t s gerichtliche Urteil gemeint, wäre die Restitutionsklage unzulässig. Bei der Restitutionsklage stehen stets Vorgänge in Rede, die sich auf das Urteil eines vorhergehenden Verfahrens irgendwie ausgewirkt haben, und deshalb muß in Restitutionsverfahren ein Urteil angefochten werden. Ein Angriff auf ein Urteil ist aber nur sinnvoll gegenüber einem solchen Urteil, das in der Sache selbst und endgültig entschieden hat, d.h. also dann das letztinstanzliche Urteil, wenn mehrere Instanzen in der Sache entschieden haben (vgl. RGZ 75, 53 [60]; OLG Stettin, JW 1925, 2273 [2274]; Stein-Jonas, a . a . O . , § 584 Anm. III 1 zu Fußnote 2; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 584 Anm. 2 B). Da das Landesarbeitsgericht durch Urteil

17. Zulässigkeit der Restitutionsklage

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vom 22. Juli 1952 in der Sache selbst erkannt hat, ist das arbeitsgerichtliche Urteil durch das landesarbeitsgerichtliche Urteil voll ersetzt. Es kann von einem Restitutionsgrund nicht mehr betroffen werden, und eine Restitutionsklage gegen das arbeitsgerichtliche Urteil scheidet aus (RGZ 75, 53 [60]). Dafür aber, ob der Antrag des Klägers nur in diesem Sinne zu verstehen ist, ist gemäß § 561 Abs. 1 Satz 1 Z P O für das Revisionsgericht neben dem Tatbestand des angefochtenen Urteils auch dasjenige Parteivorbringen maßgeblich, das aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. In der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vom 24. Februar 1955 hat der Kläger in seinem Antrag selbst allein das Urteil des Arbeitsgerichts vom 18. März 1954 genannt, also das erstinstanzliche Urteil dieses Restitutionsverfahrens und überhaupt kein Urteil des Vorprozesses, gegen das sich die Restitutionsklage richten mußte. Dieser Antrag des Klägers ist aber seinerseits auslegungsfähig. Denn in der vorangegangenen mündlichen Verhandlung vom 24. September 1954 hat er seinen Antrag dahin gestellt, das „Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 13. Dezember 1 9 5 1 - 1 Ca 1583/51 - bzw. 2 Sa 158/52 - aufzuheben". Das von ihm angeführte Aktenzeichen des zweitinstanzlichen Urteils ergibt nun einen hinlänglichen Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger jedenfalls auch das landesarbeitsgerichtliche Urteil des Vorprozesss vom 22. Juli 1952 mitgemeint hat. Er hat offensichtlich zum Ausdruck bringen wollen, er richte seine Restitutionsklage gegen das vom Landesarbeitsgericht bestätigte Urteil des Arbeitsgerichts, womit er dann aber, wenn auch unter falscher Bezeichnung, erkennbar die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in seinen Antrag einbezog. Somit liegt eine Restitutionsklage gegen ein rechtskräftiges Endurteil vor. b) Gemäß § 586 Abs. 1 und 2 Z P O muß die Restitutionsklage binnen einer Notfrist von einem Monat erhoben werden, wobei die Frist mit dem Tage beginnt, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Der vom Kläger als Anfechtungsgrund angeführter Umstand ist das Wiederauffinden des Briefes vom 9. November 1951 am 8. November 1953. Die Restitutionsklage ist am 12. November 1953 beim Arbeitsgericht eingegangen. Gegen die Wahrung der Einmonatsfrist des § 586 Abs. 1 Z P O erhebt sich aber das Bedenken, daß sie beim Arbeitsgericht, nicht aber, wie gemäß § 584 Abs. 1 Z P O geboten und soeben erörtert, gemäß § 584 Abs. 1 Z P O beim Landesarbeitsgericht erhoben worden ist.

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17. Frist für Restitutionsklage

Wenn auch die Nichtbeachtung der ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit des Landesarbeitsgerichts für die Erhebung der Restitutionsklage in der Revisionsinstanz als solche von vornherein nicht mehr zu beachten ist (§ 528 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO), so bleibt doch zu erörtern, ob durch die Klageerhebung vor dem sachlich unzuständigen Gericht die Notfrist des § 5 86 ZPO gewahrt ist. In Rechtsprechung und Schrifttum wird diese Frage unterschiedlich beantwortet: Während Baumbach, a . a . O . , § 584 Anm. 1 und § 586 Anm. 1 unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Stettin JW 1925, 2273 [2274] die Ansicht vertritt, eine Klageerhebung vor dem sachlich unzuständigen Gericht wahre die Frist des § 586 ZPO nur, wenn das unzuständige Gericht gemäß § 276 Z P O an das zuständige Gericht verweise, vertritt Frankenburger in der Anm. zu OLG Stettin in JW 1925, 2273 [2274] die Ansicht, im Falle einer Verweisung nach § 276 Z P O müsse die Verweisung selbst innerhalb der Notfrist des § 586 Z P O geschehen sein. Stein-Jonas, a . a . O . , § 276 Anm. IV 2, Fußnote 16 und § 586 Anm. I 3, Fußnote 6 dagegen nehmen an, auch die Klageerhebung vor einem unzuständigen Gericht wahre die Frist des § 586 Abs. 1 ZPO, da nur fristgemäße Klageerhebung, nicht auch eine solche vor einem sachlich zuständigen Gericht in § 586 Abs. 1 Z P O gefordert sei. Im Ergebnis ist der letzten Ansicht jedenfalls bei den Umständen des hier zu entscheidenden Falles beizupflichten. Der Sinn des § 528 Satz 2 Halbsatz 2 Z P O geht aus prozeßökonomischen Gründen dahin, unter den dort genannten und hier gegebenen Voraussetzungen das an sich unzuständige Gericht im Ergebnis wie ein zuständiges Gericht zu behandeln. Dem würde es aber widersprechen, wenn bei der Frage der Fristwahrung wiederum von einer Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts ausgegangen werden müßte. Es kann nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die mit § 528 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO aus prozeßökonomischen Gesichtspunkten gewährte Wohltat mit einer derartigen im Ergebnis unmittelbar doch sinnwidrigen Einschränkung verbinden wollte. c) Zur Zulässigkeit der Restitutionsklage gehört schließlich, daß der Restitutionskläger behauptet, einer der gesetzlich zugelassenen Resti' tutionsgründe des § 580 ZPO liege vor (vgl. R G Z 75, 52 [56]; SteinJonas, a. a. O., Vorbem. III 1 vor § 578). Das will sagen, daß er die „Rechtsbehauptung" geltend machen muß, ihm sei ein solcher Grund erwachsen, der den Anforderungen des § 580 ZPO entspreche, nicht dagegen wird in diesem Zusammenhang verlangt, daß letzteres auch sachlich zutrifft (RGZ 75, 56). Jenem Zulässigkeitserfordernis wird die Klage

17. Restitutionsgrund i. S.von § 580 Ziffer 7 b ZPO

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dadurch gerecht, daß der Kläger sich auf § 580 Ziffer 7 b Z P O berufen hat. III. Für die Begründetheit der Restitutionsklage ist Voraussetzung, daß der Restitutionsgrund des § 580 Ziffer 7 b gegeben ist. Das ist nicht der Fall. 1. Der Restitutionsgrund des § 580 Ziffer 7 b Z P O setzt voraus, daß eine Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung des Vorprozesses herbeigeführt haben würde. Der Sinn dieser Vorschrift geht dahin, einen nachträglichen Angriff auf rechtskräftige Urteile im Wege der Restitutionsklage dann zu ermöglichen, wenn zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses Urkunden vorhanden waren, die für den Restitutionskläger eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten, wenn er sie damals schon hätte benutzen können und wenn er an der früheren Benutzung dadurch gehindert war, daß die Urkunde ihm nicht zugänglich war oder er von der Existenz der Urkunde nichts wußte. Das setzt aber voraus, daß das, was die nachträglich aufgefundene oder nachträglich zugänglich gewordene Urkunde enthält, im früheren Prozeß entweder dem Restitutionskläger unbekannt war oder dem Restitutionskläger zwar bekannt war, aber von ihm mangels Wissens um die Urkunde oder mangels Zugänglichkeit der Urkunde nicht bewiesen werden konnte (vgl. Stein-Jonas, a . a . O . , § 580 A n m . V 2 c ; Wieczorek, Z P O , § 580 Anm. E III; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 155 I I c , S. 7 4 5 ; Baumbach-Lauterbach, a . a . O . , § 580 Anmerk. 4 F). Denn nur dann eignet der Urkunde überhaupt die Fähigkeit, das Ergebnis des Urteils des Vorprozesses zu ändern. 2. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier aber. a) Das, was das Schreiben vom 9. November 1951 enthielt, war dem Kläger im Vorprozeß bekannt. Denn das Schreiben war gerade der Anlaß, weshalb er Klage erhoben hat, und er hat es sogar selbst in Abschrift, deren Übereinstimmung mit dem Original niemals in Zweifel gezogen worden ist, dem Gericht vorgelegt. Demnach kann § 580 Ziffer 7 b Z P O insoweit nicht zum Zuge kommen, als diese Vorschrift einen Restitutionsgrund dafür vorsehen will, daß ein bestehender Urkundeninhalt im Prozeß unbekannt war. b) Der Inhalt des Schreibens vom 9. November 1951 war zwischen den Parteien des Vorprozesses aber auch unstreitig. Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 13. Dezember 1951 hat das Schreiben im Tatbestand als unstreitig dargestellt und noch darauf hingewiesen, an welcher Stelle der Akten es verbracht wird. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom

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18. Revierkellner (TV AL)

22. Juli 1952 führt im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen wiederum dieses Schreiben vom 9. November 1951 als unstreitig an, teilt zwar den genauen Wortlaut nidit mit, verweist aber im übrigen auf den gesamten Akteninhalt. Also war audi vor dem Landesarbeitsgericht der Inhalt des Schreibens unstreitig. Demnach kommt § 580 Ziffer 7 b ZPO auch insoweit nicht zur Anwendung, als ein Restitutionsgrund für den Fall geschaffen werden soll, daß eine Partei im Vorprozeß einer ihr obliegenden Beweislast hätte genügen können, wenn ihr die Urkunde während des Vorprozesses schon zur Verfügung gestanden hätte. 3. Der Umstand, daß im Vorprozeß der Inhalt des Schreibens vom 9. November 1951 bekannt und unstreitig war, macht die Restitutionsklage unbegründet; denn damit steht fest, daß der Kläger keine Urkunde der in § 580 Ziffer 7 b ZPO gekennzeichneten Art zu benutzen instandgesetzt worden ist. 18 Der „Revierkellner ohne Gehilfen" im Sinne der Tarifposition HIV 1 f des TV AL ist ein Arbeitnehmer, der in einer der in den Sonderbestimmungen H zum TVAL genannten Einrichtungen in einem örtlich bestimmten Tätigkeitsbereich eigenverantwortlich und selbständig die Gäste zu bedienen hat, indem er von ihnen Bestellungen auf Speisen und (oder) Getränke entgegennimmt und die Bestellungen regelmäßig selbst ausführt, insbesondere die Speisen und (oder) Getränke den Gästen serviert. Inkasso ist kein notwendiges Merkmal für die Tätigkeit des Revierkellners. Eine abgeschlossene Berufsausbildung oder bestimmte Berufserfahrung setzt der TV AL bei dem Revierkellner nicht voraus. TVAL —Anhang H (Revierkellner); Truppen vertrag Art. 44; ZPO § 2 8 6 IV. Senat. Urteil vom 25. Juni 1958 i. S. B. R. (Bekl.) w. H. (Kl.) 4 AZR 572/56 I. Arbeitsgericht Iserlohn. — II. Landesarbeitsgericht Hamm/W.

Der Kläger ist bei den alliierten Streitkräften als Kellner beschäftigt. Er hat keine abgeschlossene Lehre aufzuweisen, hat aber 1934 an einem Fachkursus für Kellner teilgenommen. Seit 1952 ist er in der Sergeantenmesse einer Kaserne tätig. Er serviert dort selbständig Speisen und Getränke für etwa 30 Personen; das Essen ist in der Regel einheitlich und besteht aus mehreren Gängen. Nach dem Inkrafttreten des Tarifvertrages vom 28. Januar 1955 für die bei Dienststellen, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen der

18. Revierkellner (TV AL)

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alliierten Behörden und der alliierten Streitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer (TVAL — MinBIFin. 1955 S. 38) wurde der Kläger in die Lohngruppe H 4 des Anhangs H zu diesem Tarifvertrag eingestuft und erhielt danach einen Monatslohn von 320,— DM. Er ist der Auffassung, daß er nach seiner Tätigkeit als Revierkellner ohne Gehilfen im Sinne der Tarifposition H I V 1 f anzusehen und deshalb in die für diese Tätigkeit im Tarif vorgesehene Lohngruppe H 5 einzustufen sei. Mit der Klage verlangt er eine entsprechende Feststellung und Lohnnachzahlung. Die Beklagte hat bestritten, daß der Kläger als Revierkellner anzusehen sei. Er habe nämlich nicht die Gäste zu beraten und eine Vielzahl von Speisen und Getränken zu servieren, weil der Speisenplan feststehe und den Messegästen nur in geringem Umfange eine Auswahlmöglichkeit biete; auch würden besondere Leistungen wie das Tranchieren und Vorlegen von Fleisch und Hummern vom Kläger nicht gefordert. Bei den etwa einmal im Monat stattfindenden großen Abendessen ständen dem Kläger Soldaten als Hilfskräfte zur Verfügung. Der Kläger habe nicht zu kassieren und abzurechnen. Ihm fehle auch eine abgeschlossene fachliche Ausbildung. All das unterscheide den Kläger von einem in einer Gaststätte tätigen Revierkellner. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Aus den

Gründen:

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß sich die Ansprüche des Klägers aus seiner Beschäftigung bei den alliierten Streitkräften gemäß Art. 44 des Truppenvertrages vom 23. Oktober 1954 gegen die beklagte Bundesrepublik richten und der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit unterliegen. Ohne Rechtsirrtum sieht es den Tarifvertrag vom 28. Januar 1955 (TVAL) trotz des Umstandes, daß er nicht von den Behörden der alliierten Streitkräfte als den Arbeitgebern, sondern gemäß Art. 44 Abs. 5 des Truppenvertrages von der Bundesrepublik abgeschlossen ist, als einen Tarifvertrag an, der im übrigen der Regelung des deutschen Tarifvertragsgesetzes unterliegt, insbesondere hinsichtlich der normativen Wirkung seiner Bestimmungen auf die von ihm erfaßten Arbeitsverhältnisse (BAG 5, 130). Die Tarifgebundenheit des Klägers ergibt sich aus dem im Berufungsurteil in Bezug genommenen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils. Das Berufungsgericht legt an Hand eines von einer staatlichen Fachschule für das Hotel- und Gaststättengewerbe eingeholten Gutachtens

106

18. Revierkellner (TV AL)

das Tätigkeitsmerkmal „Revierkellner ohne Gehilfen" im Sinne der Tarifposition IV 1 f des Anhangs H zum TV AL dahin aus, daß darunter jeder Kellner zu verstehen sei, der ohne Gehilfen einen bestimmten Gaststättenabschnitt alleinverantwortlich bediene. Es stellt hierzu fest, daß der Kläger diese Voraussetzungen unstreitig erfülle. Nicht zu beanstanden ist zunächst, daß das Berufungsgeridit es darauf abstellt, was die beteiligten Berufskreise unter einem Revierkellner verstehen, und daß es, da im TVAL eine abweichende Auffassung nicht zum Ausdruck kommt, dabei die Verhältnisse im deutschen Gaststättengewerbe berücksichtigt. Denn die Sonderbestimmungen H des TVAL gelten nach Ziffer 1 a für Personal, das bei den alliierten Behörden und Streitkräften in Hotels, Restaurants, Sanatorien, Pensionen, Erholungsund sonstigen Heimen, Cafes, Bars, Kasinos, Klubs, Kantinen, Messen, Speiseräumen und Speisehallen, Vergnügungsbetrieben und in vergleichbaren Einrichtungen beschäftigt ist; der Tarif will also Gaststätten und Speisebetriebe aller Art erfassen, so daß es für die Auslegung der Tarifnorm darauf ankommt, was allgemein im Gaststättengewerbe unter einem Revierkellner verstanden wild. Auf Grund des Gutachtens stellt nun das Landesarbeitsgericht fest, daß über die mit der Tätigkeit eines Revierkellners verbundenen Aufgaben in den Fachkreisen keine einheitlichen Vorstellungen herrschen, daß aber in der Praxis ein Revierkellner — wie der Name sagt — für ein bestimmtes Revier verantwortlich ist und nicht nur die Bestellungen entgegennimmt und weitergibt, sondern auch selbst serviert, wobei die Art der organisatorischen Eingliederung in den Gesamtbetrieb und die mit der Stelle verbundene Aufgabenstellung je nach Art des Beschäftigungsbetriebes durchaus verschieden sein können. Das widerspricht weder dem Aufbau des Tarifs noch allgemeiner Erfahrung. Der Tarif berücksichtigt nämlich ersichtlich beide Typen der gebräuchlichen Reviersysteme: das französische Chef-Commis-System und das in Deutschland vorherrschende Revierkellnersystem. Während im Chef-Commis-System Abteilungskellner mit Gehilfen (Commis) tätig sind, versieht der Revierkellner die Bedienung der Gäste in seinem Revier selbständig und regelmäßig allein. Daß diese Art des Bedienens bei der Tarifposition IV 1 f gemeint ist, ergibt sich daraus, daß zu der Bezeichnung „Revierkellner" ausdrücklich der Zusatz „ohne Gehilfen" gemacht ist und der Abteilungskellner (Chef de rang) und der Gehilfe (Commis) in besonderen Tarifpositionen aufgeführt sind. Es ist daher zutreffend, wenn das Berufungsgericht es für wesentlich ansieht, ob der Kläger, wie es als unstreitig feststellt, in einem räumlich bestimmten Bezirk für die Bedienung der Gäste

18. Revierkellner (TV AL)

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allein verantwortlich ist. Wenn die Revision darauf hinweist, daß dem Kläger bei den etwa einmal im Monat stattfindenden großen Essen Soldaten als Hilfskräfte zur Verfügung ständen, so könnte die Unterstellung von Hilfskräften die Tätigkeit des Klägers in ihrem Werte eher noch heben; es kommt aber darauf nicht an, weil es sich hier nur um selten vorkommende Vorgänge handelt, die für die Tätigkeit des Klägers nicht kennzeichnend sind. Es entspricht auch der Erfahrung, daß die Anforderungen an einen Kellner je nach der Art des Betriebes durchaus verschieden sein können. Während in der einen Gaststätte der Kellner Fleisch tranchieren und vorlegen muß, hat er in der Mehrzahl der Gaststättenbetriebe zu solchen besonderen Leistungen gar keine Gelegenheit. Ebenso trifft es nicht nur auf Kantinen und Messen zu, daß die Möglichkeit der Auswahl unter den angebotenen Speisen gering ist; es gibt auch Pensionen, Sanatorien und Heime, in denen eine feste Speisenfolge üblich ist, so daß eine Beratung der Gäste bei der Auswahl der Speisen entfällt oder zum mindesten stark in den Hintergrund tritt. Es erscheint daher nicht fehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten entgegen der Auffassung der Revision die Einbringung solcher besonderer Leistungen für den Begriff des Revierkellners im Sinne des TVAL nicht für wesentlich ansieht. Eine Abstufung des Lohnes nach der Art des Betriebes und insofern auch nach den an die fachlichen Leistungen gestellten Anforderungen enthält der TVAL im Gegensatz zu einzelnen Tarifen des deutschen Gaststättengewerbes nicht. So unterscheidet z. B. der Berliner Tarif zwischen Weinrestaurants und Luxusbetrieben, Bierrestaurants und Cafés, Saalund Ausflugslokalen sowie zwischen Betrieben mit einer größeren oder geringeren Zahl von Arbeitnehmern. Der TV AL dagegen kennt eine Abstufung des Lohnes nach solchen Gesichtspunkten nur bei den Oberkellnern (Brigade- oder Mittelbetriebe), den Meßgehilfen sowie bei den „sonstigen Kellnern", für die je nach ihrer Verantwortung sowie nach der Art und Größe des Betriebes die Lohngruppe H 4 oder H 5 vorgesehen ist. Eine andere Beurteilung müßte allerdings Platz greifen, wenn etwa die Tätigkeit des Klägers überhaupt nicht als die eines Kellners angesprochen werden könnte. Nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils hat aber die Beklagte selbst vorgetragen, die eigentliche und überwiegende Tätigkeit des Klägers bestehe darin, Speisen und Getränke mittags und abends fachgerecht zu servieren; das ist jedoch gerade die für einen Kellner typische Tätigkeit.

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18. Revierkellner (TV AL)

Während das Gutachten der Fachschule dahin geht, daß zu den Aufgaben des Revierkellners in der Regel das Inkasso gehöre, hält das Berufungsgericht das Kassieren, das dem Kläger nicht obliegt, nur für eine Nebenaufgabe, die kein wesentliches Begriffsmerkmal des Revierkellners sei. Diese Auffassung wird von der Revision zu Unrecht bekämpft. Es gibt viele Arten von Betrieben (z. B. Pensionen, Kurhäuser, Erholungsheime), in denen die Verpflegung nicht jeweils nach dem Verzehren, sondern pauschal oder am Ende des Aufenthalts auf Rechnung beglichen wird. Audi ist teilweise das Inkasso nicht den Revierkellnern, sondern einem Oberkellner übertragen. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß das Kassieren, sofern es dem Kellner übertragen ist, eine zwar verantwortliche, aber doch eine Nebenaufgabe ist, die hinter dem der Tätigkeit des Revierkellners das Gepräge gebenden selbständigen und alleinverantwortlichen Servieren an Bedeutung zurücktritt und deren Fehlen nicht dazu führen kann, einen mit der verantwortlichen Bedienung der Gäste eines Reviers betrauten Kellner nicht mehr als Revierkellner anzusehen. Schließlich ist ein Rechtsirrtum auch nicht in der Auffassung des Berufungsgerichts zu erblicken, der TV AL erfordere für den Revierkellner keine bestimmte Berufsausbildung oder Berufserfahrung. Zwar ist der Kellnerberuf in Deutschland ein Lehrberuf, und nach dem Gutachten der Fachschule geht der übliche Ausbildungsweg zum Revierkellner durch eine dreijährige Kellnerlehre und eine möglichst mehrjährige Tätigkeit als Kellnergehilfe. Der TV AL verlangt aber vom Revierkellner keine bestimmte Ausbildung oder Erfahrung, während bei anderen Tätigkeiten (vgl. z. B. die Facharbeiter der Lohngruppe 5 in der Lohngruppeneinteilung Anhang A und B) eine abgeschlossene Fachausbildung oder gleichwertige, durch langjährige Erfahrung erworbene Kenntnisse ausdrücklich gefordert werden. Bei der bereits erwähnten Unterschiedlichkeit der Anforderungen an die Leistungen eines Revierkellners nach der Art des Betriebes erscheint es auch nicht selbstverständlich, vom Revierkellner eine abgeschlossene Lehre oder bestimmte Berufserfahrung zu fordern. Ein solches Erfordernis hätte daher im Tarif zum Ausdruck gebracht werden müssen. Das entspricht hier offenbar auch der Auffassung der Arbeitgeberseite. Denn die Behörden der alliierten Streitkräfte wollen nach den von ihnen herausgegebenen Arbeitsplatzbeschreibungen selbst eine einjährige Erfahrung in der nächstniedrigeren Lohngruppe genügen lassen. Allerdings sind diese Arbeitsplatzbeschreibungen, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht Inhalt des Tarifvertrages und auch nicht etwa eine authentische Interpretation, sondern nur Erkenntnis-

19. Beschränkung des Redits zur fristlosen Kündigung

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quelle für die Auffassung der Arbeitgeberseite über die Auslegung des Tarifvertrages. Es ist der Lohngruppeneinteilung des TV AL auch nicht zu entnehmen, daß etwa unter den „sonstigen Kellnern" die Kellner ohne abgeschlossene Fachausbildung zu verstehen seien und für die besser bezahlten Gruppen eine abgeschlossene Ausbildung vorausgesetzt werde. Die Lohngruppeneinteilung gliedert sich nidit nach der Ausbildung, sondern nach der Tätigkeit, wie sich z. B. daran zeigt, daß der einem Abteilungskellner beigegebene Commis, der in der Regel ein Jungkellner mit abgeschlossener Lehre sein wird, geringer bezahlt wird als die „sonstigen Kellner". Es ist auch nicht so, daß ein Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Revierkellner und der Tarifgruppe der sonstigen Kellner allein in dem Vorhandensein einer abgeschlossenen Berufsausbildung gefunden werden könnte. Denn ein Kellner kann auch in der Weise eingesetzt werden, daß seine Tätigkeit über eine Gehilfentätigkeit hinausgeht, aber der für den Revierkellner typischen Selbständigkeit und Alleinverantwortlichkeit ermangelt. Zusammenfassend kann somit der Begriff des „Revierkellners ohne Gehilfen" im Sinne der Tarifposition H I V 1 f des TV AL dahin umrissen werden: ein Arbeitnehmer, der in einer der in den Sonderbestimmungen H zum TV AL genannten Einrichtungen in einem örtlich bestimmten Tätigkeitsbereich eigenverantwortlich und selbständig die Gäste zu bedienen hat, indem er von ihnen Bestellungen auf Speisen und (oder) Getränke entgegennimmt und die Bestellungen regelmäßig selbst ausführt, insbesondere die Speisen und (oder) Getränke den Gästen serviert; Inkasso ist kein notwendiges Merkmal für die Tätigkeit des Revierkellners.

19 1. Die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgeridit ist für das Revisionsgericht bindend, wenn zwar Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Zulassung bestehen, diese jedoch nicht offensichtlich gesetzwidrig ist. 2. Das in der DDO, Anlage zum RTV Berlin, vorgesehene Schiedsverfahren über die Zustimmungspflicht des Betriebsrats im Falle einer außerordentlichen Kündigung verstößt gegen § 101 ArbGG 53. Diese Vorschriften der DDO sind nichtig. 3. Durch Betriebsvereinbarung kann nidit wirksam vereinbart werden, daß der Arbeitgeber der Zustimmung des Betriebsrats zum Aus-

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19. Beschränkung des Redits zur fristlosen Kündigung

Spruch einer außerordentlichen Kündigung bedarf. Unzulässig ist auch eine Betriebsvereinbarung, nach der die eine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung bildende Zustimmung des Betriebsrats nur durch den Spruch einer Schiedsstelle ersetzt werden kann,, wenn der Arbeitgeber sich diesem Spruch von vornherein unterwerfen muß, andernfalls die Kündigung ohne weiteres unwirksam wird. ArbGG §§ 69, 101; BGB § 626; Anlage 1 zum Rahmentarifvertrag für die im öffentlichen Dienst des Landes und der Stadt Berlin stehenden Beschäftigten (DDO); Kontrollratsgesetz Nr. 35. I. Senat. Urteil vom 11.Juli 1958 i. S. S. (Kl.) w. T . U . B . (Bekl.) 1 AZR 366/55 I. Arbeitsgericht Berlin. — II. Landesarbeitsgeridit Berlin.

Der Kläger war seit dem Jahre 1947 bei der Beklagten mit den Aufgaben eines wissenschaftlichen Assistenten im Beleuchtungstechnischen Institut beschäftigt. Er gehörte dem Betriebsrat an und war zeitweise dessen Vorsitzender. Ende 1953, Anfang 1954 tauchten bei der Beklagten Zweifel auf, ob der Kläger in der Vergangenheit ihre wirtschaftlichen Interessen richtig wahrgenommen habe; außerdem wurde der Beklagten berichtet, daß der Kläger von Kollegen wucherische Zinsen bei Darlehnsgewährungen genommen habe. Sie beantragte beim Betriebsrat, die Zustimmung zur fristgemäßen, später zur fristlosen Kündigung des Klägers zu erteilen. Der Betriebsrat lehnte beide Anträge ab. Ein von der Beklagten beim Disziplinarausschuß gestellter Antrag, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen, führte zur Aussetzung des Disziplinarverfahrens mit Rücksicht auf das inzwischen anhängig gewordene Strafverfahren gegen den Kläger. Ein Antrag der Beklagten, dem Kläger durch einstweilige Verfügung die Amtsausübung als Betriebsratsvorsitzender zu untersagen, hatte keinen Erfolg. Der Kläger wurde jedoch von der Beklagten von seinen Diensten suspendiert. Am 26. November 1954 erging in einem Prozeß zwischen der Beklagten und einem ihrer Angestellten ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, in dem das Gericht die Ansicht vertrat, die Beklagte bedürfe zur Kündigung gegenüber ihren wissenschaftlichen Assistenten nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Am 30. November 1954 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats die fristlose Kündigung aus. Der Kläger wies diese wegen eines Formfehlers zurück. Die Beklagte wiederholte die Kündigung am 6. Dezember 1954. Gegen beide Kündigungen hat der Kläger am 4. Dezember bzw. 21. De-

19. Bindung an die Zulassung der Revision

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zember 1954 Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß die Kündigungen unwirksam seien und das Arbeitsverhältnis unverändert fortbestehe. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Erlaß der Entscheidung des Arbeitsgerichts wurde der Kläger durch Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 1955, das rechtskräftig geworden ist, des Betruges und der Untreue für schuldig befunden; mit Rücksicht auf das Straffreiheitsgesetz 1954 stellte die Strafkammer, die eine Strafe von 3 Monaten Gefängnis ausgesetzt hatte, das Verfahren ein. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Es hat die Revision „im Hinblick auf die Auslegung des § 626 BGB im Verhältnis zu einem durdi Kollektivvereinbarungen geregelten betrieblichen Mitbestimmungsrecht" zugelassen. Die Revision des Klägers ist zurückgewiesen worden. Aus den

Gründen:

1. Die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht erweckt Bedenken. Daß die Zulassung erfolgt wäre, weil das Landesarbeitsgericht der zu entscheidenden Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hätte, wird im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich gesagt. Dort ist die Zulassung vielmehr erfolgt im Hinblick auf die Auslegung des § 626 BGB im Verhältnis zu einem durch Kollektivvereinbarungen geregelten betrieblichen Mitbestimmungsrecht. Die Frage, ob die von Berlin abgeschlossenen kollektiv-rechtlichen Vereinbarungen gegen § 626 BGB verstoßen, hat das Landesarbeitsgericht jedoch zugunsten des Klägers entschieden; denn es hat einen solchen Verstoß verneint, jedoch dem Kläger die Berufung auf die Vorschriften dieser kollektiven Vereinbarungen versagt, weil es jene als sittenwidrig angesehen hat. Wenn es gleichwohl die Revision zugelassen hat, so konnte sich das nur zugunsten des Klägers auswirken, da nur dieser in zweiter Instanz unterlegen war. Die Zulassung der Revision mit der angegebenen Begründung entbehrt deshalb der inneren Logik. Gleichwohl hat sich der Senat an diese Zulassung gebunden gefühlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, insbesondere nach dem Beschluß des Großen Senats vom 3. Juni 1956 — BAG 3, 46 —, ist die Zulassung der Revision für das Revisionsgericht immer dann bindend, wenn sie nicht offensichtlich entgegen dem Gesetz erfolgt ist. Bestehen nur Zweifel an der Berechtigung der Zulassung, verstößt

112

19. Wirksamkeit v o n Schiedsgerichts Vereinbarungen

diese aber nicht offensichtlich gegen das Gesetz, so kann diese Zulassung durch das Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden. So liegt der Fall hier. Zwar ist es zweifelhaft, ob die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gerechtfertigt ist. Sie ist jedoch nicht offensichtlich gesetzwidrig; auch die Parteien bzw. ihre Prozeßbevollmächtigten konnten bei dieser Sachlage von der Ordnungsmäßigkeit der Zulassung ausgehen. 2.

...

3. Das Landesarbeitsgericht hat die Vorschriften der Dienst- und Disziplinarordnung, Anlage 1 zum Rahmentarifvertrag für die im öffentlichen Dienst des Landes und der Stadt Berlin stehenden Beschäftigten (DDO), auf das Rechtsverhältnis der Parteien zueinander für anwendbar erklärt. Es hat die in der DDO getroffene Schiedsgerichtsvereinbarung in eine nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 35 zulässige Schlichtungsvereinbarung umgedeutet. Aus diesen Erwägungen ist das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gekommen, g r u n d s ä t z l i c h hätte der Betriebsrat bei der dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Kündigung mitbestimmen müssen. Entgegen dieser Auffassung ist der Senat der Ansicht, daß die DDO durch Inkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes 1953 in Berlin ihre Wirksamkeit jedenfalls insoweit verloren hat, wie es sich um das Zustimmungserfordernis des Betriebsrats zu der Dienststrafe der Entlassung nach fristloser Kündigung und um das in der DDO vorgesehene Verfahren zur Ersetzung dieser Zustimmung handelt. Die in der DDO zur Entscheidung bei Streitigkeiten zwischen Verwaltung und Betriebsrat vorgesehenen Stellen sind Schiedsgerichte im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes 1953 und damit unzulässig. Das hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits im Urteil vom 6. November 1 9 5 6 — 3 AZR 4 2 / 5 5 — BAG 3 , 1 6 8 , ausgesprochen. Der Begründung dieses Urteils tritt der erkennende Senat bei. Ob es möglich ist, in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen Einigungsstellen mit der Maßgabe vorzusehen, daß diese auf eine außergerichtliche Erledigung der streitig gewordenen Fragen hinwirken können, mag für den Fall dahingestellt bleiben, daß sich die Parteien einer solchen Einigungsstelle freiwillig unterwerfen und ihnen gleichwohl der Weg zum Arbeitsgericht in keiner Weise abgeschnitten wird. Ist aber, wie es in der DDO vorgesehen ist, der Spruch der Einigungsstelle für den Arbeitgeber bindend und muß der Arbeitgeber sich an die Einigungsstelle wenden, wenn nicht die von ihm beabsichtigte Maßnahme von vornherein reditsunwirksam sein soll, so liegt in einem solchen Verfahren ein unzulässiger und durch § 1 0 1 ArbGG verbotener Eingriff in die ausschließliche Zuständigkeit der

19. Wirksamkeit v o n

Schiedsgerichtsvereinbarungen

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Gerichte für Arbeitssachen. Denn durch eine solche Regelung wird der Arbeitgeber gezwungen, sich der Entscheidung der Einigungsstelle zu unterwerfen und sie als bindend hinzunehmen. Ihm wird es unmöglich gemacht, eine Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen über die Berechtigung der von ihm ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung herbeizuführen. Da aber dieses Verfahren in unlösbarem Zusammenhang mit der gesamten in der D D O geregelten Mitbestimmung des Betriebsrats für den Fall einer außerordentlichen Kündigung steht, ist im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Einigungsstelle das gesamte Verfahren, so wie es in der D D O geregelt ist, unzulässig und braucht damit von dem Arbeitgeber nicht eingehalten zu werden. Es spricht nichts dafür, daß die Tarifvertragsparteien auch für den Fall, daß der Entscheidung der Einigungsstelle keine endgültige, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ausschließende Bedeutung zukommt, gleichwohl das Mitbestimmungsverfahren wie geschehen geregelt hätten. Sind hiernach die Vorschriften der D D O nicht anwendbar, so gilt grundsätzlich die Betriebs Vereinbarung vom 1. Dezember 1954, die an diesem Tage, also vor Zugang der Kündigungen, in Kraft getreten ist. . . . Aber auch auf diese Betriebsvereinbarung kann sich der Kläger nicht berufen. Auch sie enthält eine unzulässige Vereinbarung einer Schiedsgerichtsbarkeit, die nach Inkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes 1953 in Berlin nicht mehr getroffen werden konnte. Zwar werden die in ihr vorgesehenen Schiedsstellen in § 19 Abs. 2 als Schiedseinrichtungen im Sinne des Art. I des Kontrollratsgesetzes Nr. 3 5 bezeichnet. In Wahrheit sind sie aber mehr. Nach § 13 der Betriebsvereinbarung ist u. a. die Kündigung von Angestellten von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig. Nach § 18 entscheidet, wenn hierüber keine Einigung zwischen der Verwaltung und dem Betriebsrat erzielt wird, nach vorheriger Verhandlung mit dem Hauptbetriebsrat die vorgesetzte Dienststelle. Gegen diese Entscheidung kann der Hauptbetriebsrat auf schriftlichen Antrag des Betroffenen binnen 14 Tagen nach Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen. Das Schiedsverfahren vor der Einigungsstelle hat zur Voraussetzung, daß die Parteien vor dem Eintritt in die mündliche Verhandlung erklären, daß sie sich dem Spruch der Einigungsstelle unterwerfen und ihn als bindend anerkennen (§ 22). Gibt der Arbeitgeber diese Erklärung nicht ab, so ist die streitige, der Zustimmung des Betriebsrats bedürfende Maßnahme nach § 27 Abs. 1 rechtsunwirksam. Der Arbeitgeber hat also nur die Möglichkeit, sich entweder dem Spruch der Einigungsstelle zu unterwerfen und ihn als bindend anzuerkennen oder es in Kauf zu nehmen, daß seine Maßnahme rechtsunwirk8 Entscheid, d. BAG. 6

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19. Beschränkung des Kündigungsredits

sam wird. Das bedeutet, daß es sich bei der Einigungsstelle in Wirklichkeit um ein Schiedsgericht im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes 1926 handelt; denn dem Arbeitgeber wird in jedem Fall der Weg zu den Gerichten für Arbeitssachen verschlossen. Ein solches Schiedsgericht ist aber nach den Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes 1953 nicht mehr zulässig. Die Betriebsvereinbarung verstößt somit hinsichtlich der hiermit engstens zusammenhängenden Zustimmung des Betriebsrats gegen das Gesetz und ist deshalb nach § 134 BGB nichtig. Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu dem oben erwähnten Urteil des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 1956. Die Entscheidung des Dritten Senats hat sich — jedenfalls in ihren tragenden Erwägungen — nicht mit der hier in Frage kommenden Betriebsvereinbarung befaßt, sondern mit der Betriebsvereinbarung der VAB, die in ihrem Wortlaut wesentliche Unterschiede zu der Betriebsvereinbarung Berlin vom 1. Dezember 1954 aufweist. So fehlt es in jener Vereinbarung u. a. an der Bestimmung des § 22 über die Unterwerfung, die Voraussetzung des Verfahrens ist. Auch fehlt es in der Betriebsvereinbarung der VAB an der ausdrücklichen Vorschrift des § 27 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung vom 1. Dezember 1954, wonach die Maßnahme des Arbeitgebers unwirksam wird, wenn er sich nicht unterwirft. Es kann dahingestellt bleiben, ob den Ausführungen des Dritten Senats zu dem Charakter der in der Betriebsvereinbarung der VAB vorgesehenen Einigungsstelle zu folgen ist. Jedenfalls ist die hier in Frage kommende Einigungsstelle, wie sie in der Betriebsvereinbarung von Berlin vorgesehen ist, ein echtes Schiedsgericht. Es bedarf weiter nicht der abschließenden Entscheidung, ob den Ausführungen des Dritten Senats über die Vereinbarkeit der dort maßgeblichen Betriebsvereinbarung der VAB mit § 626 BGB zu folgen ist. Auf diese Entscheidung kommt es hier deshalb nicht an, weil durch den Wegfall der in der Betriebsvereinbarung vom 1. Dezember 1954 vorgesehenen Schiedsstelle eine unparteiische Stelle, die die Zustimmung des Betriebsrats ersetzen könnte, nicht vorhanden ist. Das Vorhandensein einer solchen Stelle hat aber auch der Dritte Senat für notwendig erklärt, wenn eine solche Betriebsvereinbarung nicht im Widerspruch zu § 626 BGB stehen soll. Da der erkennende Senat im Ergebnis dieser Auffassung beitritt, bedarf es keiner Vorlage des Rechtsstreits an den Großen Senat gemäß § 45 ArbGG. Die hier gefundene Lösung steht auch nidit im Widerspruch zu dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. Februar 1958, 1 AZR 242/55, AP Nr. 3 zu § 184 BGB. Dort ist die Frage, ob bei einer fristgemäßen

19. Beschränkung des Kündigungsrechts

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Kündigung eine Vereinbarung getroffen werden kann, nach der zu jener die Zustimmung des Betriebsrats oder einer Schiedsstelle erforderlich ist, behandelt worden. Eine solche Schiedsstelle ist aber in keinem Fall ein Schiedsgericht, sondern lediglich ein Gremium, das die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung ersetzen kann. Dieses Gremium tritt deshalb lediglich, falls der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, an dessen Stelle. Die Entscheidung vom 21. Februar 1958 beschäftigt sich ausschließlich mit dem Fall der fristgemäßen Kündigung. Dieser ist wesensverschieden von dem der außerordentlichen Kündigung, bei der nach ständiger Rechtsprechung ein Ausschluß oder eine wesentliche Erschwerung der Ausübung der Befugnis zur außerordentlichen Kündigung unzulässig ist, weil sie gegen die zwingende, unabdingbare Vorschrift des § 626 BGB verstößt. 4. Steht hiernach auch die Betriebsvereinbarung vom 1. Dezember 1954 der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, so kann sich der Kläger weiter nicht darauf berufen, daß für diese Kündigung ein ausreichender wichtiger Grund gefehlt habe . . . (wird ausgeführt). 5. Der Kläger kann sich weiter nicht darauf berufen, daß die Beklagte ihr Recht zur fristlosen Kündigung verwirkt habe. Dem Kläger war auf Grund des Vorgehens der Beklagten seit Ende 1953 bekannt, daß diese sich von ihm so schnell wie möglich trennen wollte. So hat die Beklagte bereits nach Bekanntwerden der Darlehnsgeschäfte des Klägers mit seinen Mitarbeitern versucht, die Zustimmung des Betriebsrats zur fristgemäßen Kündigung zu erhalten. Nach Bekanntwerden der Vorgänge, die zur Einleitung des Strafverfahrens gegen den Kläger geführt haben, hat die Beklagte die Einwilligung des Betriebsrats zur fristlosen Kündigung herbeizuführen versucht. Als auch diese verweigert wurde, hat die Beklagte das Verfahren nach der DDO in Gang gebracht, die sie damals, wenn auch rechtsirrtümlich, für anwendbar hielt. Als die Beklagte durch das Gerichtsurteil in einem anderen Prozeß zu der Auffassung gelangt war, daß die Vorschriften der DDO auf die von ihr mit ihren Assistenten abgeschlossenen Arbeitsverträge nicht anwendbar seien, hat sie unverzüglich die fristlose Kündigung ausgesprochen. Der Kläger, der bereits Monate vorher vom Dienst suspendiert, als Betriebsratsvorsitzender über alle diese Vorgänge jedoch unterrichtet war, konnte zu keinem Zeitpunkt der Auffassung sein, daß die Beklagte gewillt gewesen wäre, aus seinem Verhalten nicht die Konsequenz zu ziehen, sich von ihm so schnell wie möglich zu trennen. Es kann aber auch aus der Tatsache der Suspendierung des Klägers nicht gefolgert werden, daß die Beklagte nunmehr zunächst den Ausgang 8'

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20. Hausarbeitstagsgesetz Niedersachsen

des Strafverfahrens habe abwarten wollen, bevor sie zur fristlosen Kündigung schritt. Die Tatsache der Suspendierung erklärt sidi nur daraus, daß die Beklagte seinerzeit der Ansicht war, sie könne dem Kläger nicht fristlos kündigen, da der Betriebsrat seine Zustimmung verweigerte. Eine Zusage, bis zur Erledigung des Strafverfahrens mit weiteren Maßnahmen zu warten, kann deshalb aus der Suspendierung des Klägers nicht entnommen werden. Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob, wie das Landesarbeitsgericht meint, dem Kläger eine Berufung auf die Verletzung von Vorschriften der D D O mit Rücksicht auf Treu und Glauben und die guten Sitten abgeschnitten ist. Weiter kann dahingestellt bleiben, ob das Landesarbeitsgericht dem Kläger mit Recht den Vorwurf gemacht hat, er habe auf die Stellungnahme des Betriebsrats in unzulässiger Weise eingewirkt, und ob diese Stellungnahme des Betriebsrats überhaupt so befremdlich ist, wie es das Landesarbeitsgericht meint. All das ist deshalb nicht entscheidend, weil eine wirksame Einschränkung des freien Kündigungsrechts der Beklagten weder nach der D D O noch nach der Betriebsvereinbarung vom 1. Dezember 1954 anzunehmen ist. Die Beklagte war vielmehr in der Ausübung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung weder auf die Zustimmung des Betriebsrats noch einer dritten Stelle angewiesen, und sie brauchte auch schon mit Rücksicht auf § 88 Abs. 1 BetrVG den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht nach § 66 Abs. 1 BetrVG anzuhören. Das Personalvertretungsgesetz für Berlin vom 21. März 1957, GuVBl. S. 296, findet ebenfalls keine Anwendung, da es erst nach Ausspruch der hier streitigen Kündigung, nämlich am 28. April 1957 (§ 81), in Kraft getreten ist.

20 1. An der in AP Nr. 5 zu § 1 Hausarbeitstagsgesetz Niedersachsen .vertretenen Auffassung über die Auslegung des Begriffs „arbeitsfrei" in .§ 1 Abs. 1 Satz 2 am Ende des Hausarbeitstagsgesetzes Niedersachsen wird festgehalten. Jedoch gilt diese Auslegung nicht, wenn die monatliche Arbeitszeit durch Arbeitszeitverkürzung um 8 oder mehr Stunden herabgesetzt wird. 2. Daher entfällt der Anspruch auf einen Hausarbeitstag nach dem niedersächsischen Hausarbeitstagsgesetz, wenn infolge Arbeitszeitverküi' zung in der Woche durchschnittlich nicht mehr als 46 Stunden gearbeitet

2 0 . Hausarbeitstagsgesetz Niedersadisen

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werden und gleichzeitig durch Arbeitszeitverlegung zwei oder mehr Sonn' abende im Monat von der Berufsarbeit freigestellt werden. HATG Niedersachsen §§ 1 ff. I. Senat. Urteil vom 11. Juli 1958 in S. R. (Kl.) w. Fa. B. (Bekl.) 1 AZR 146/58. I. Arbeitsgericht Hannover. — II. Landesarbeitsgericht Hannover.

Die Klägerin, die einen selbständigen Haushalt führt, steht im Arbeitsvertragsverhältnis zur Beklagten. Diese hatte ihr bisher einen Hausarbeitstag gewährt. Seit 1955 gilt für das Arbeitsvertragsverhältnis der Prozeßparteien der Manteltarifvertrag für das graphische Gewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Hierin ist die Arbeitszeit neu geregelt. § 3 Ziff. 1 lautet: „Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 45 Stunden. Die Arbeitszeit kann unterbrochen oder durchgehend sein und ist auf 6 Tage zu verteilen. Um zu einem früheren Arbeitsschluß am Wochenende zu kommen, kann die regelmäßige' Arbeitszeit an den übrigen Tagen verlängert werden." Ab Oktober 1956 teilte die Beklagte die Arbeitszeit so ein, daß jeder zweite Sonnabend arbeitsfrei blieb. Seitdem gewährt sie den Hausarbeitstag nicht mehr. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurlen, an sie einen bezahlten Hausarbeitstag für den Monat Oktober 1957 zu gewähren. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Aus den G r ü n d e n : Das Landesarbeitsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, daß die Beklagte auf Grund der Vorschriften der Arbeitszeitordnung berechtigt gewesen sei, die Arbeitszeit wie geschehen zu verteilen. Es führt aus, eine solche Arbeitszeitverteilung sei, wenn durch sie ein Arbeitstag im Anspruchszeitraum arbeitsfrei werde, geeignet, den Anspruch auf Gewährung eines Hausarbeitstags nicht entstehen zu lassen. Es fehle in einem Falle dieser Art an der gesetzlichen Voraussetzung des Anspruchs, da dann die Frau nicht mehr „an keinem Werktag arbeitsfrei" sei (§ 1 Abs. 1 Satz 2 HausarbtagsG Niedersachsen). Das Landesarbeitsgericht glaubt insbesondere, der Auslegung nicht beitreten zu können, die der Senat im Urteil vom 14. Juni 1957, 1 AZR 537/56 = AP Nr. 5 zu § J HausarbtagsG Niedersachsen, dem Begriff „arbeitsrei" gegeben hat. Es führt

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20. Hausarbeitstag und Arbeitszeitverlegung

unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien aus, daß der Gesetzgeber den Hausarbeitstag nidit habe gewähren wollen, wenn bei 4 8 stündiger oder kürzerer Arbeitszeit in der Woche durch Arbeitszeitverlegung ein Werktag im Monat, insbesondere der Sonnabend, von Arbeit freigestellt sei. Der Senat hat sich demgegenüber in dem erwähnten Urteil vom 14. Juni 1957 auf den Standpunkt gestellt, der Begriff „arbeitsfrei" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 des niedersächsischen Hausarbeitstagsgesetzes sei nicht in allen Fällen erfüllt, in denen ein Werktag dadurch von Arbeit freigestellt sei, daß die an sich auf diesen Tag fallende Arbeit vorgeleistet oder nachgeholt werde. Er hat diese Ansicht jedoch lediglich in einem Fall ausgesprochen, in dem es sich um die 4 8 stündige Arbeitszeit handelte. Deshalb hat der Senat in jener Entscheidung ausdrücklich betont, daß seine Ansicht Geltung habe für die Fälle, in denen es sich um eine volle Beschäftigung der Belegschaft handelt. Unter einer solchen vollen Beschäftigung hat der Senat die 4 8 stündige Arbeitswoche verstanden. Die 4 8-Stundenwoche ist der Begriff, von dem nicht nur der Gesetzgeber in der Arbeitszeitordnung ausgeht, sondern der auch in der allgemeinen Anschauung noch als die normale Arbeitszeit verwurzelt ist. Wenn bei dieser Arbeitszeit von 48 Wochenstunden, die also eine volle Beschäftigung darstellt, ein Tag durch Voroder Nacharbeit herausgespart wird, ist die hausarbeitstagsberechtigte Frau gezwungen, die Hausarbeit an d e m Tag zu verrichten, an dem sie nur deshalb nicht ihrer Berufsarbeit nachzugehen braucht, weil sie diese bereits in der Vergangenheit geleistet hat oder in der Zukunft leisten wird. Da sie jedoch diese Zeit infolge der vorausgegangenen oder nachfolgenden zusätzlichen Arbeit zu ihrer Erholung braucht, da weiter durch die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit an den anderen fünf Wochentagen der Frau die Gelegenheit genommen war, die laufende sogenannte kleine Hausarbeit zu verrichten, und da sich diese deshalb ebenfalls auf den von der Berufsarbeit freigestellten sechsten Werktag zusammendrängt, entspricht es nach der Auffassung des Senats, die in dem Urteil vom 14. Juni 1957 ihren Niederschlag gefunden hat, nicht dem Sinn und Zweck des Geestzes, daß durch diesen von der Berufsarbeit freigestellten sechsten Werktag der Hausarbeitstagsanspruch entfällt. Diese Auffassung des Senats wird auch durch die Hinweise des angefochtenen Urteils und der Revisionsbeantwortung auf die Entstehungsgeschichte des niedersächsischen Hausarbeitstagsgesetzes nicht widerlegt. Einmal beziehen sich die Äußerungen, die in den Verhandlungen des Landtags gefallen sind und auf die sich das Berufungsgericht beruft, offen-

20. Hausarbeitstag und Arbeitszeitverlegung

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bar nur auf den Fall, daß eine 5-Tagewodie allgemein eingeführt ist, so daß an allen vier Samstagen im Monat keine Arbeit geleistet wird. Dagegen war in dem Fall, der dem Urteil vom 14. Juni 1957 zugrundelag, nur jeder zweite Samstag von der Berufsarbeit freigestellt. Hinzu kommt, daß die Gesetzesmaterialien in ihrer Gesamtheit keinesfalls so eindeutig für die Auffassung der Beklagten sprechen, wie das Landesarbeitsgeridit annimmt. So hat die Beriditerstatterin nach dem Protokoll über die 57. Sitzung des Landtags (Spalte 3086) unwidersprochen die Ansicht vertreten, die hausarbeitstagsberechtigte Frau müsse nach dem Gesetz „einen vollen Arbeitstag als zusätzliche bezahlte Freizeit erhalten". Lassen sich hiernach auch in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes Argumente für die vom Senat im Urteil vom 14. Juni 1957 vertretene Auffassung finden, so kann dieser Entstehungsgeschichte im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Gesetzes ausschlaggebende Bedeutung nicht zukommen. Sonach ist entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts an der grundsätzlichen Entscheidung des Senats vom 14. Juni 1957 festzuhalten, die im Ergebnis auch die Zustimmung von Monjau, Rundschau für GmbH 58, 40, Neumann-Duesberg, AP Nr. 5 zu § 1 HausarbtagsG Niedersachsen und SAE 58, 1, sowie Neumann, Arbeit und Recht 58, 141, gefunden hat (a. A. Dietz, Recht der Arbeit 57, 4 4 1 ; Butz, Beilage 13 zu Betrieb 1957; Bulla, Betriebsberater 57, 1076). Die Revision übersieht jedoch, daß sich die Entscheidung des Senats, von der das Landesarbeitsgericht abgewichen ist, auf die 4 8 stündige Arbeitswoche bezieht. Das hat der Senat auch in seiner Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Hausarbeitstagsgesetz vom 17. Januar 1958 (BAG 5, 187 ff.) noch einmal hervorgehoben. In dieser Arbeitszeit von 48 Stunden tritt die bereits erwähnte Schwierigkeit auf, daß sich die hausarbeitstagsbegünstigte Frau in eben der Zeit ihrer Hausarbeit hingeben muß, in der sie infolge der vorausgegangenen oder nachfolgenden Anstrengungen erholungsbedürftig ist. Das ist mit dem Willen des Gesetzgebers, dieser Frau zu helfen, wie er eindeutig in den Materialien des Gesetzes (vgl. auch Spalte 3557, Frau Sehlmeyer) zum Ausdruck gekommen ist, nicht zu vereinbaren. Deshalb ist der Senat damals davon ausgegangen, daß der Gesetzgeber diesen Fall einer nur anderweiten Verteilung der 4 8 stündigen Arbeitszeit nicht bedacht hat, daß er aber, wenn er ihn bedacht hätte, eine den Anspruch auch für diesen Fall begründende Regelung getroffen haben würde. Anders liegt jedoch der Fall nach der Auffassung des Senats, wenn durch eine Arbeitszeitverkürzung, nicht also lediglich durch eine Arbeitszeitverlegung, Freizeit geschaffen wird, die der hausarbeitstagsbegün-

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2 0 . Hausarbeitstag und Arbeitszeitverkürzung

stigten Frau zur Verfügung steht und von der sie beliebig Gebrauch machen kann. In diesem Fall tritt das gerade nicht ein, was nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers verhindert werden sollte: Diese Arbeitnehmerin ist nicht gezwungen, die Hausarbeit in der Zeit zu verrichten, in der sie sich von der zusätzlichen Arbeit erholen muß. Vielmehr stehen ihr die durch die Arbeitszeitverkürzung von Berufsarbeit freigestellten Stunden zu Zwecken einer solchen Erholung zur Verfügung. Beträgt nun die Summe dieser Stunden, um die die Arbeitszeit unter die normale Arbeitszeit von 48 Stunden in der Woche verkürzt ist, eine so lange Zeit, wie sie nach dem Gesetz und der allgemeinen Anschauung einem vollen Arbeitstag entspricht, d.h. also mindestens 8 Stunden im Anspruchszeitraum (Monat), so werden durch eine solche Arbeitszeitverkürzung und Arbeitszeitverlegung Sinn und Zweck des Hausarbeitstagsgesetzes nicht umgangen. In einem solchen Fall kann nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Frau in unzumutbarer Weise gezwungen sei, Zeit für die Erledigung der Hausarbeit aufzuwenden, die sie eigentlich zu ihrer Erholung benötigt. Auch wird in einem solchen Fall die tägliche Arbeitszeit nicht in einem derartigen Umfang überschritten, wie das bei bloßer Arbeitszeitverlegung innerhalb der 48-Stundenwodie der Fall ist. Es bleibt also auch nicht in einem solchen Umfang die sogenannte kleine Hausarbeit liegen, daß die Arbeitnehmerin mit Rücksicht hierauf verhindert wäre, die durch die Arbeitszeitverkürzung und -Verlegung von Berufsarbeit freigestellten Samstage zur Erledigung der großen Hausarbeit zu verwenden. Beträgt also die durch Arbeitszeitverkürzung frei gewordene Arbeitszeit 8 Stunden im Monat oder mehr, so steht nichts im Wege, den Begriff „arbeitsfrei" so auszulegen, wie es das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall getan hat. Im vorliegenden Fall werden in der Woche 45 Stunden gearbeitet. Es ist nicht rechtserheblich, ob diese Stunden so verteilt worden sind, daß jeder Sonnabend frei bleibt oder nur jeder zweite Sonnabend. Wesentlich ist vielmehr die Zeit der effektiven Arbeitszeitverkürzung. Da diese effektive Arbeitszeitverkürzung im Streitfall mehr als 8 Stunden im Monat beträgt, entfällt der Anspruch auf einen Hausarbeitstag. Der Senat kann auch der Ansicht der Revision nicht folgen, daß die Samstage völlig ungeeignet für Hausarbeitstage seien. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß der Samstag nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Ladenschlußzeiten als Hausarbeitstag nicht sonderlich geeignet ist (vgl. BAG 5, 187 [196]). Aber man kann nicht sagen, daß der Samstag als Hausarbeitstag schlechthin überhaupt nicht in Frage komme. Zum mindesten gilt das für Niedersachsen. Denn in Niedersachsen hat, wie die

21. Betriebsräte bei den alliierten Streitkräften

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Gesetzesmaterialien klar ergeben, der Gesetzgeber sehr wohl auch den — übrigens bei Vorliegen der Fünftagewoche durchaus üblichen — Fall in Betracht gezogen, daß durch Arbeitszeitverlegung gerade die Samstage freigestellt werden. In einem solchen Fall hat er, wie die Ablehnung eines von der kommunistischen Partei eingebrachten Antrags ergibt, die Auffassung vertreten, daß der freie Samstag als Hausarbeitstag nicht grundsätzlich ungeeignet sei. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, daß der Anspruch auf den Hausarbeitstag nicht entfällt, wenn der ohnehin bereits freie Tag ein Samstag ist. Dem ist jedenfalls dann beizutreten, wenn — wie hier — durch Arbeitszeitverlegung und -Verkürzung nicht nur ein einziger Samstag im Anspruchszeitraum von der Berufsarbeit freigestellt ist. Nach alledem konnte unentschieden bleiben, ob dem gestellten Antrag in der vorliegenden Form überhaupt hätte entsprochen werden oder ob er hätte umgedeutet werden können; denn die Revision war schon aus den vorstehenden Gründen zurückzuweisen.

21 1. Das deutsche Betriebsverfassungsrecht und das deutsche Personal' Vertretungsrecht sind auf die bei den Streitkräften gemäß Art, 4 4 Abs. 9 des Truppenvertrages gebildeten Betriebsräte nicht anwendbar. 2. Die Mitglieder der Betriebsräte bei den Streitkräften haben keinen gesetzlichen Kündigungsschutz nach § 13 KSchG. 3. Den Arbeitnehmern der Streitkräfte kommt seit dem Inkrafttreten des T V AL und insbesondere seit dem Inkrafttreten des Truppenvertrages der Kündigungsschutz nach § § 1 bis 12 KSchG zugute. Truppenvertrag Art. 4 4 ; KSchG § § 13, 1 I. Senat. Urteil vom 15. August 1958 i. S. F. (Kl.) w. Bundesrepublik D. (Bekl.) 1 AZR 6 5 8 / 5 7 . 1. Arbeitsgericht Oldenburg. — II. Landesarbeitsgeri&t Hannover.

Der Kläger war seit dem 1. November 1 9 5 2 als Angestellter bei der brit. Besatzungsmacht, später bei den brit. Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Am 15. Februar 1 9 5 6 wurde ihm wegen einer anderweiten Bewertung seines Arbeitsplatzes mit dem Ziel seiner Überführung aus dem Gehaltsempfängerverhältnis in das Lohnempfängerverhältnis zum 31, März 1956 fristgemäß gekündigt. Auch nach dem 31. März 1956 verblieb der Kläger zunächst als Lohnempfänger in den Diensten der brit.

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2 1 . Betriebsräte bei den alliierten

Streitkräften

Stationierungsstreitkräfte. Er erhielt einen Stundenlohn von 1,64 DM. Am 1. Juli 1956 schied er auf eigenen Wunsch aus der Tätigkeit bei den Stationierungsstreitkräften aus. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war der Kläger Mitglied des Betriebsrats bei seiner Einheit. Der Kläger hält die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung für nach § 13 KSchG unzulässig und verlangt mit der am 21. Juli 1956 eingereichten Klage Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen seinem früheren Monatsgehalt von 427,— DM und dem ihm gezahlten Lohn für die Monate April 1956 bis Juni 1956 in Höhe von 311,64 DM. Die Beklagte bittet um Klageabweisung. Während das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt hat, hat das Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, daß dem Kläger in seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied bei den brit. Stationierungsstreitkräften der besondere Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder nach § 13 KSchG. nicht zugute komme. Auch sonstige Rechtsnormen ständen der Wirksamkeit der dem Kläger gegenüber ausgesprochenen Änderungskündigung nicht entgegen. Die Revision des Klägers ist zurückgewiesen worden. Aus den

Gründen:

Das Landesarbeitsgericht ist in seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger als Mitglied des Betriebsrats bei den brit. Stationierungsstreitkräften der besondere Kündigungsschutz, der durch § 13 KSchG den Betriebsratsmitgliedern eingeräumt ist, nicht zur Seite steht. Die gegen diese Rechtsansicht erhobenen Bedenken des Klägers greifen nicht durch. Die Kündigung ist dem Kläger gegenüber am 15. Februar 1956 zum 31. März 1956 ausgesprochen worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem bereits der Tarifvertrag für die bei Dienststellen, Unternehmen und sonstigen Einrichtungen der alliierten Behörden und der alliierten Streitkräfte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer vom 28. Januar 1955 ( T V AL) und der Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland (Truppenvertrag) in Kraft waren. Seit dem Inkrafttreten des Truppenvertrages am 5. Mai 1955 gelten zwar für die Beschäftigung deutscher Arbeitnehmer bei den Streitkräften grundsätzlich die für die deutschen Bundesbehörden maßgebenden arbeitsrechtlichen Vorschriften mit Ausnahme der tariflichen Bestimmungen (Art. 4 4 Abs. 3 des Truppenvertrages). Der Truppenvertrag selbst stellt, wie der Senat

21. Betriebsräte bei den alliierten Streitkräften

123

bereits mit dem Urteil vom 20. Dezember 1957 — 1 AZR 87/57 — BAG 5, 130 fl 36] — entschieden hat, verbindliches deutsches Gesetzesrecht dar. Danach gilt also kraft Gesetzes grundsätzlich deutsches Arbeitsrecht für die Beschäftigung bei den Streitkräften. Von dem Grundsatz der Anwendung des deutschen Arbeitsrechts auf diese Beschäftigungsverhältnisse nach Art. 44 Abs. 3 des Truppenvertrages sind aber insofern Ausnahmen gegeben, als deutsches Arbeitsrecht dann auf diese Beschäftigungsverhältnisse nicht anzuwenden ist, wenn der Art. 44 selbst etwas anderes bestimmt. Eine eigene Bestimmung über die Bildung von Betriebsräten enthält Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages. Danach können die bei den Streitkräften Beschäftigten zur Wahrnehmung ihrer Interessen Betriebsräte bilden. Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages stellt inhaltlich eine besondere gesetzliche Regelung über die Bildung von Betriebsräten durch die bei den Streitkräften Beschäftigten dar. Daraus, daß durch diese besondere gesetzliche Regelung in Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages den bei den Streitkräften Beschäftigten das Recht zur Bildung von Betriebsräten eingeräumt worden ist, folgt, wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 25. April 1958 - 1 AZR 305/57 — BAG 5, 284 [287] ausgeführt hat, daß das — im übrigen auch auf die Betriebe und Verwaltungen des Bundes nicht anwendbare — deutsdie Betriebsverfassungsgesetz und das deutsche Personalvertretungsgesetz als Bestandteil des allgemeinen deutschen Arbeitsrechts auf die Beschäftigung bei den Streitkräften weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar sind. Im Sinne des Art. 44 Abs. 3 stellt Art. 44 Abs. 9 eine andere Bestimmung dar, die innerhalb ihres Geltungsbereichs die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts einschl. des Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrechts ausschließt. Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages tritt hinsichtlich des Rechts zur Bildung von Betriebsräten an die Stelle des für deutsche Betriebe und Verwaltungen geltenden Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrechts. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat insoweit auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 25. April 1958. Daß auf die Betriebsräte bei den Stationierungsstreitkräften das deutsche Betriebsverfassungsgesetz und das deutsche Personalvertretungsgesetz keine Anwendung finden, folgt auch daraus, daß die bei den Streitkräften gebildeten Betriebsräte andere Aufgaben haben als die Betriebsräte und die Personalräte, die bei deutschen Betrieben und deutschen Behörden gebildet worden sind. Während das Betriebsverfassungsgesetz und das Personalvertretungsgesetz eine eingehende Regelung der Befugnisse der Betriebsräte und der Personalräte enthalten, bestimmt

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21. Aufgaben des Betriebsrates bei den S t r e i t k r ä f t e n

Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages lediglich, daß es Aufgabe der Betriebsräte bei den Streitkräften ist, Vorschläge zu machen und Anliegen oder Beschwerden bei den zuständigen Behörden der Streitkräfte vorzubringen; weiterhin ist den Betriebsräten bei den Streitkräften-der Anspruch eingeräumt worden, von den zuständigen Behörden der Streitkräfte gehört zu werden. Den bei den Streitkräften gebildeten Betriebsräten sind also nicht die Befugnisse eingeräumt worden, die das Betriebsverfassungsgesetz und das Personalvertretungsgesetz den Betriebsräten und den Personalräten nach diesen Gesetzen gewähren. Insbesondere ist das Zusammenspiel zwisdhen Betriebsräten und Personalräten einerseits und dem Arbeitgeber oder Dienstherrn andererseits, wie es das deutsche Betriebsverfassungsgesetz und das deutsche Personalvertretungsgesetz regeln, für die bei den Streitkräften gebildeten Betriebsräte nicht vorgesehen. Die Aufgaben und die Zuständigkeiten der bei den Streitkräften gebildeten Betriebsräte erschöpfen sich vielmehr lediglich in den Aufgaben und Zuständigkeiten, die ihnen durch Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages ausdrücklich übertragen sind. Sonach ist daraus, daß Art. 44 Abs. 3 des Truppenvertrages das deutsche Arbeitsrecht für die Beschäftigung bei den Streitkräften bei Vorliegen einer besonderen Regelung in Art. 44 ausschließt, und daraus, daß der eine solche besondere Regelung darstellende Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages Sonderbestimmungen für die Bildung von Betriebsräten durch die bei den Streitkräften Beschäftigten und für die Aufgaben und Befugnisse dieser Betriebsräte enthält, zu entnehmen, daß das Betriebsverfassungsgesetz und das Personalvertretungsgesetz auf die Betriebsräte bei den Streitkräften und auf ihre Befugnisse und Zuständigkeiten nicht angewendet werden können. Daraus folgt weiter, daß die Mitglieder dieser bei den Streitkräften gebildeten Betriebsräte weder die Rechte noch die Pflichten von Betriebsrats- und Personalratsmitgliedern nach dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Personalvertretungsgesetz haben. Der Kündigungsschutz, den der Kläger als Mitglied des Betriebsrats bei den Streitkräften für sich in Anspruch nimmt, wird von ihm aus § 13 KSchG hergeleitet, also aus einer Norm, die nicht unmittelbar im Betriebsverfassungsgesetz oder im Personalvertretungsgesetz enthalten ist. Zwar kommt bereits für die Zeit nach Inkrafttreten des TV AL und insbesondere für die Zeit nach Inkrafttreten des Truppenvertrages der allgemeine Kündigungsschutz der §§ 1—12 KSchG auch den Arbeitnehmern bei den Streitkräften zugute. Bei diesem Kündigungsschutz nach §§ 1—12 KSchG handelt es sich aber um einen auf die Person des Arbeitnehmers und auf dessen soziale Stellung abgestellten allgemeinen Kündigungs-

21. Kündigungsschutz des Betriebsrates bei den alliierten Streitkräften

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schütz. Dieser unter den Voraussetzungen des § 1 KSchG eingeräumte Kündigungsschutz kommt allen Arbeitnehmern zugute, auf deren Beschäftigungsverhältnis überhaupt deutsches Arbeitsrecht anwendbar ist. Da insoweit Art. 44 des Truppenvertrages keine andere Bestimmung im Sinne des Art. 44 Abs. 3 enthält, besteht dieser allgemeine Kündigungsschutz auch zugunsten der bei den Streitkräften beschäftigten Arbeitnehmer. Demgegenüber handelt es sich bei dem besonderen Kündigungsschutz, der durch § 13 KSchG den Mitgliedern der Betriebsräte eingeräumt worden ist, um einen Kündigungsschutz, der ihnen gerade deshalb gewährt worden ist, weil sie dem Betriebsrat angehören. Sinn dieses Kündigungsschutzgesetzes ist es nicht, eine Kündigung im Hinblick auf die sozialen Folgen für den Arbeitnehmer zu erschweren, vielmehr will der durch § 13 KSchG begründete Kündigungsschutz den Mitgliedern der Betriebsräte eine uneingeschränkte und verantwortungsvolle Wahrnehmung ihrer Aufgaben ermöglichen, ohne sie andererseits einer Gefahr der Kündigung durch den Arbeitgeber auszusetzen. Es handelt sich also bei diesem Kündigungsschutz nach § 13 KSchG um einen Schutz, der seine innere Rechtfertigung in den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes und in denen des Personalvertretungsgesetzes — auch den Mitgliedern der Personalräte steht dieser Kündigungsschutz zu — findet. Daraus folgt, daß der Kündigungsschutz nach § 13 KSchG nur den Betriebsräten zugute kommt, die nach dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz gebildet worden sind, sowie den Personalräten nach dem deutschen Personalvertretungsgesetz, für die die §§ 59, 74 des Personalvertretungsgesetzes die Anwendung des § 13 KSchG vorsehen. Dem steht nicht entgegen, daß die Normen über den Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder in das Kündigungsschutzgesetz und nicht in das Betriebsverfassungsgesetz oder das Personalvertretungsgesetz aufgenommen worden sind. Dies erklärt sich daraus, daß das Kündigungsschutzgesetz zeitlich vor dem Betriebsverfassungsgesetz und vor dem Personalvertretungsgesetz verabschiedet worden ist; der Gesetzgeber legte aber Wert darauf, einen Kündigungsschutz für Mitglieder des Betriebsrats möglichst bald zu gewährleisten. Die Tatsache, daß diese Kündigungsschutzregeln in das Kündigungsschutzgesetz aufgenommen worden sind, ändert nichts daran, daß sie als Normen des Betriebsverfassungsrechtes zu werten sind (vgl. Hueck, KSchG, 1954, § 13 Anm. 3). Ihre Anwendung scheidet also dann aus, wenn das deutsche Betriebsverfassungsgesetz oder das deutsche Personalvertretungsgesetz auf den

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21. Kündigungsschutz nach dem Truppenvertrag

Betriebsrat, dem der Arbeitnehmer angehört, und seine Mitglieder nicht anwendbar ist. Da es sidi bei den Betriebsräten, die bei den Streitkräften gebildet sind, nicht um Betriebsräte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes oder um Personalräte im Sinne des Personalvertretungsgesetzes handelt, kommt ihren Mitgliedern der besondere Kündigungsschutz nach § 13 KSchG sonach nicht zugute. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, daß nach Nr. 14 des Musters einer Betriebsvereinbarung für Betriebe der Streitkräfte vom 28. Januar 1955 (Anlage zum Schreiben der Alliierten Hohen Kommission an den Bundesminister der Finanzen vom 28. 1. 1955 — AGSEC (55) 29 Labour —) ein besonderer, dem des § 13 KSchG entsprechender Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder bei den Streitkräften durch eine besondere Betriebsvereinbarung eingeführt werden kann. Daraus, daß eine solche besondere Betriebsvereinbarung für die Begründung des Kündigungsschutzes vorgesehen ist, also für erforderlich gehalten wurde, folgt, daß ohne eine solche Betriebsvereinbarung der Kündigungsschutz nach § 13 KSchG den Mitgliedern der Betriebsräte bei den Streitkräften nicht zustehen sollte. Zwar ist dieses Muster einer Betriebsvereinbarung vor dem Inkrafttreten des Truppenvertrages entworfen worden. Daß der bereits abgeschlossene Truppenvertrag alsbald in Kraft treten würde und damit nach dessen bereits bekannten Regelungen grundsätzlich deutsches Arbeitsrecht für die Beschäftigten anwendbar werden würde, war aber sowohl der Alliierten Hohen Kommission als auch dem Bundesminister der Finanzen bekannt. Wenn angesichts dieser Regelungen des bereits abgeschlossenen Truppenvertrages eine besondere Betriebsvereinbarung zur Begründung eines Kündigungsschutzes für Mitglieder der Betriebsräte bei den Streitkräften auch für die Zeit nach Inkrafttreten des Truppenvertrages für erforderlich gehalten wurde, so folgt daraus, daß nach dem Truppenvertrag selbst ein solcher Kündigungsschutz nicht unmittelbar kraft Gesetzes besteht. Eine besondere Betriebsvereinbarung, die einen Kündigungsschutz für den Kläger begründen könnte, ist nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abgeschlossen. Sonach ist die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung nicht deshalb nach § 13 KSchG unwirksam, weil er im Zeitpunkt des Ausspruchs dieser Kündigung dem Betriebsrat angehörte. Auf den allgemeinen Kündigungsschutz der §§ 1—12 KSchG kann sich der Kläger deshalb nicht berufen, weil er die Klage erst am 21. Juli

2 2 . Beihilfegrundsätze für Gemeinden

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1956 eingereicht hat, die Kündigung aber bereits am 15. Februar 1956 ausgesprochen war (§ 3 KSchG). Die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung ist aber auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Kontrollratsgesetz Nr. 22 unwirksam. Das Landesarbeitsgeridit hat es insoweit dahingestellt sein lassen, ob auf das Dienstverhältnis des Kläger dieses Gesetz überhaupt noch Anwendung findet. Zu einer abschließenden Entscheidung insoweit sieht sich der Senat ebenfalls nicht veranlaßt. Er weist jedoch darauf hin, daß die Anwendung des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 nach Inkrafttreten des Truppenvertrages und der dort in Art. 4 4 Abs. 9 enthaltenen besonderen Regelung über die Bildung von Betriebsräten bei den Streitkräften und die Aufgaben dieser Betriebsräte zweifelhaft erscheint. Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es aber deshalb nicht, weil nicht ersichtlich ist, daß die dem Kläger gegenüber ausgesprochene Kündigung gegen das Kontrollratsgesetz Nr. 22 verstoßen könnte. Der Kläger selbst hat nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vorgetragen, daß die Kündigung zu einer Störung der Tätigkeit des Betriebsrats oder zu einer Benachteiligung der Mitglieder des Betriebsrats geführt hätte oder nach dem Willen der Beschäftigungsdienststelle hätte führen sollen. Einer solchen Annahme steht insbesondere entgegen, daß es sich um eine Änderungskündigung handelt, die nicht zu dem Ausscheiden des Klägers aus den Diensten der Streitkräfte und damit aus dem Betriebsrat führen sollte und geführt hat. Der Kläger ist auch nach Ausspruch der Kündigung, allerdings als Lohnempfänger, weiterbeschäftigt worden. Er konnte deshalb die ihm obliegenden Aufgaben im Betriebsrat weiter erfüllen. Zutreffend weist das Arbeitsgericht auch darauf hin, daß der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits in Kraft befindliche T V AL einen besonderen Kündigungsschutz für die Mitglieder der bei den Streitkräften gebildeten Betriebsräte nicht enthält. Audi auf Bestimmungen des T V AL kann sonach der Kläger die von ihm erhobene Klage nicht stützen. 22 1. Der Erlaß vom 12. 11. 1943 über die Einführung der in den Bei' hilfegrundsätzen festgelegten Fürsorge in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen im gemeindlichen Bereich stellt eine Dienstordnung dar. 2. Dienstordnungen aus der Zeit des aufgehobenen A O G Ö können durch Kündigung seitens des Arbeitgebers oder der Personalvertretung

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2 2 . Beihilfegrundsätze für Gemeinden

sowie durch Abschluß einer sie ersetzenden Betriebsvereinbarung seitigt werden.

be-

3. Als Folge des Außerkrafttretens von Tarifordnungen nach § 9 TVG treten solche Dienstordnungen außer Kraft, die mit der außer Kraft tretenden Tarifordnung ihrem Wesen nach untrennbar verbunden sind. 4 . Die Tarifvertragsparteien sind nicht befugt, gemäß § 9 TVG Dienstordnungen außer Kraft zu setzen. Erlaß vom 12. 11. 1943 über die Einführung der Beihilfegrundsätze im gemeindlichen Bereich; T V G § 9; B M T G § 63 I. Senat. Urteil vom 22. August 1958 i. S. B. (Kl.) w. Stadtgemeinde W. (Bekl.) 1 AZR 20/57 I. Arbeitsgericht Weiden. —

II. Landesarbeitsgeridit Bayern (Nürnberg).

Am 17. Februar 1955 verstarb die Ehefrau des Klägers, der bei der beklagten Stadtgemeinde als städtischer Arbeiter beschäftigt ist. Die Bestattungskosten betrugen 472,— DM. Der Kläger erhielt von der gesetzlichen Krankenversicherung, der er als Pflichtversicherter angehörte, ein Sterbegeld von 180,— DM sowie aus einer von ihm abgeschlossenen Privatversicherung ein weiteres Sterbegeld von 186,— DM, zusammen 366,— DM. Er beantragte bei der beklagten Stadtgemeinde die Gewährung einer Beihilfe nach Maßgabe von Nr. 3 Abs. 2 der Beihilfegrundsätze nach dem Runderlaß des früheren Reichsministers der Finanzen vom 25. Juni 1942 (BGr.). Eine Beihilfe wurde dem Kläger von der beklagten Stadtgemeinde gewährt, jedoch wurden die Leistungen der Versicherungen angerechnet und dementsprechend die Beihilfe auf 52,— DM festgesetzt. Gegen , die Anrechnung wendet sich der Kläger. Er ist der Auffassung, daß die Anrechnung dieser Leistungen nach den BGr. nicht zulässig sei. Die BGr. seien im gemeindlichen Bereich auch noch nach dem Inkrafttreten des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMTG vom 22. 5. 1953) in Kraft geblieben. Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt, 1. festzustellen, daß die beim Ableben der Ehefrau des Klägers gewährte Beihilfe vorschriftswidrig festgesetzt ist, 2. festzustellen, daß bei der Berechnung der Beihilfen nach den Beihilfegrundsätzen das Sterbegeld weder aus der Krankenversicherung noch aus der Privatversicherung angerechnet werden darf. Die Beklagte hat gebeten, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, daß die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe nach dem Inkrafttreten des BMTG Beihilfen nur noch nach

22. Beihilfegrundsätze für Gemeinden

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Maßgabe des § 39 dieses Tarifes verlangen könnten. Ein Rechtsanspruch auf Beihilfegewährung bestehe nicht mehr. Die Gemeinden könnten nur bei Vorliegen eines nachgewiesenen Notstandes nach ihrem Ermessen Beihilfen gewähren. Durch Urteil vom 8. Mai 1956 hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß bei der Berechnung der Beihilfen nach den BGr. das Sterbegeld weder aus der Krankenversicherung noch aus einer Privatversicherung angerechnet werden darf. Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Landesarbeitsgericht, nachdem der Kläger Aufrechterhaltung des Urteils des Arbeitsgerichts beantragt hatte, dieses Urteil aufgehoben und die Klage unter Zulassung der Revision abgewiesen. Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen worden. Aus den G r ü n d e n : Mit der Revision begehrt der Kläger die Aufhebung des klageabweisenden Urteils des Landesarbeitsgerichts und die Zurückweisung der von der Beklagten eingelegten Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts. Damit macht sich der Kläger den erkennenden Teil des Urteils des Arbeitsgerichts zu eigen. Er begehrt, nachdem das Arbeitsgericht der Klage in der Form stattgegeben hatte, daß es festgetsellt hat, bei der Berechnung der Beihilfen nach den BGr. dürfe das Sterbegeld weder aus der Krankenversicherung noch aus einer Privatversicherung angerechnet werden, die Aufrechterhaltung dieses Urteils und damit nunmehr d i e s e Feststellung. Insoweit liegt also eine Änderung der Anträge des Klägers gegenüber seinen zunächst gestellten Anträgen vor. Diese bereits in der Berufungsinstanz vorgenommene Antragsänderung ist zulässig. Dagegen, daß der Kläger überhaupt in der Form des Feststellungsbegehrens klagt, bestehen keine Bedenken. Die Beklagte, eine Stadtgemeinde, wird auf Grund eines zugunsten des Klägers ergehenden Feststellungsurteils die nach dessen Inhalt zu errechnende Leistung auch ohne Erwirkung eines auf Zahlung lautenden Urteils an den Kläger erbringen. Es ist sonach unschädlich, daß der Kläger nicht in der Form des Leistungsbegehrens, sondern in der des Feststellungsbegehrens klagt. Hingegen hätte das Arbeitsgericht auch von seinem Standpunkt aus die Entscheidung a u s d r ü c k 1 i ch auf den Fall des Klägers beschränken müssen. Es durfte also nicht dahin erkennen, daß bei der Berechnung der „Beihilfen" nach den BGr. das Sterbegeld weder aus der Krankenversicherung noch aus einer Privatversidierung angerechnet werden dürfe. Es hätte vielmehr seine Ent9 Entscheid, d. BAG. 6

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22. Beihilfegrundsätze für Gemeinden

Scheidung dahin beschränken müssen, daß bei der Berechnung der Beihilfe aus Anlaß des Sterbefalles der Ehefrau des Klägers weder aus der Krankenversicherung noch aus einer Privatversicherung gewährte Leistungen angerechnet werden dürfen. Grundlage des vom Kläger verfolgten Anspruchs sind der Erlaß des früheren Reichsministers des Innern vom 12. November 1943 und die BGr. des früheren Reichsministers der Finanzen vom 25. Juni 1942. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt sonach davon ab, ob die BGr. im gemeindlichen Bereich auch noch nach dem Inkrafttreten des BMTG anwendbar sind. Daß der Kläger dann, wenn die BGr. auch für sein Arbeitsverhältnis anwendbar sind, einen klagbaren Rechtsanspruch auf die Gewährung einer Beihilfe anläßlich des Sterbefalles seiner Ehefrau nach Maßgabe der BGr. hat, begegnet keinem Zweifel. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, daß dem durch die Beihilfegrundsätze begünstigten Personenkreis ein subjektives, klagbares Recht auf die in den Beihilfegrundsätzen vorgesehenen Regelleistungen zusteht (vgl. BGHZ 10, 295). Durch den Erlaß des Reichsministers des Innern vom 12. November 1943 (MinBl. i . V . S. 1791) ist bestimmt worden, daß die in den Beihilfegrundsätzen festgelegte Fürsorge in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen u. a. auch den Angestellten und Lohnempfänger im gemeindlichen Bereich gewährt wird, und zwar entweder durch Einführung der Beihilfegrundsätze selbst oder durch eine entsprechende Versicherung. Dementsprechend hat nach der tatsächlichen Feststellung der Vorinstanzen auch die beklagte Stadtgemeinde die Fürsorge zunächst in der Weise gewährt, daß sie die BGr. in ihrem Bereich ständig angewandt und damit bei sich eingeführt hat. Dieser Erlaß des Reichsministers des Innern vom 12. November 1943 stellt sachlich eine Dienstordnung im Sinne des § 16 Abs. 2 des damals geltenden A O G Ö dar. Alle Gemeinden in allen deutschen Ländern unterstanden nach dem Staatsaufbau, der zur Zeit des Erlasses vom 12. November 1943 gegeben war, der gemeinsamen Dienstaufsicht des Reichsministers des Innern, der insoweit oberste Dienstaufsichtsbehörde war; damit war dieser Reichsminister als der Träger dieser obersten Dienstaufsicht auch befugt, für alle diese seiner Dienstaufsicht unterstehenden Gemeinden eine Gemeinsame Dienstordnung zu erlassen. Die über die Einführung der Beihilfegrundsätze in dem Erlaß vom 12. November 1943 getroffene Regelung stellt auch eine solche dar, auf die sich nach § 16 des damals geltenden A O G Ö eine Dienstordnung beziehen konnte. Durch die Einführung der Beihilfegrundsätze und deren An-

2 2 . Beihilfegrundsätze für Gemeinden

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Wendung im gemeindlichen Bereich sollte die Rechtsstellung der Gemeindebediensteten der der Reichs- und Länderbediensteten hinsichtlich des Beihilfewesens angeglichen werden. Für die Angestellten und Lohnempfänger der Gemeinden handelte es sich bei dieser Regelung um eine solche über „sonstige Arbeitsbedingungen". Die Beihilfegrundsätze und der sie für den gemeindlichen Bereich einführende Erlaß vom 12. November 1943 enthalten sonach Normen, die in einer Dienstordnung für Arbeiter und Angestellte gesetzt werden können. Für die Auslegung des Erlasses vom 12. November 1943 als Dienstordnung spricht insbesondere, daß in ihm andere Dienstordnungen über das Beihilfewesen aufgehoben worden sind (vgl. IV 4). Gegen die Auslegung des Erlasses vom 12. November 1943 als Dienstordnung spricht nicht, daß der Erlaß auf der Ermächtigung in Nr. 1 Abs. 4 Satz 3 BGr. beruht. Nach dieser Ermächtigung bestimmt die für die Besoldung oder Lohnregelung allgemein zuständige Stelle, sofern nicht die oberste Aufsichtsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle diese Regelung selbst vornimmt, inwieweit im übrigen im öffentliche Dienst die Beihilfegrundsätze anzuwenden sind. Es trifft zwar zu, daß der Erlaß vom 12. November 1943 n i c h t a u s d r ü c k l i c h auf § 16 A O G Ö gestützt ist. Das steht aber nicht der Annahme entgegen, daß es sich um einen materiellen, auf § 16 a. a. O . stützbaren und gestützten Erlaß handelt. Wenn dies aber der Fall ist und der Erlaß Regelungen enthält, die in einer Dienstordnung getroffen werden können, so steht die Tatsache, daß er nicht ausdrücklich auf § 16 A O G Ö gestützt ist, der Annahme nicht entgegen, daß es sich um eine Dienstordnung im Sinne des A O G Ö handelt. Der Erlaß ist allerdings nicht ausdrücklich als Dienstordnung bezeichnet worden. Auch das steht aber seiner Wirksamkeit als Dienstordnung nicht entgegen (vgl. dazu Hueck-Nipperdey-Dietz, A O G , 3. Aufl. 1939, § 16 Anm. 5). Der Erlaß und auch die Beihilfegrundsätze selbst sind bekanntgemacht worden, und zwar in den Ministerialblättern. Diese Form der Bekanntmachung reicht aus, um auch das Erfordernis der Bekanntmachung einer Dienstordnung an die betroffenen Arbeitnehmer, die Wirksamkeitsvoraussetzung ist, als erfüllt anzusehen. Es trifft nun zwar zu, daß der Erlaß vom 12. November 1943 sich zunächst an die Gemeinden selbst richtete, insoweit also eine Maßnahme der inneren Behördenverwaltung und damit eine Maßnahme der Verwaltung selbst war. Der Charakterisierung des Erlasses als einer Gemeinsamen Dienstordnung würde es allerdings entgegenstehen, wenn der Erlaß tatsächlich n u r Bedeutung für den inneren Behördendienst haben 9«

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22.

Beihilfegrundsätze für Gemeinden

sollte und damit lediglich ein interner Verwaltungsakt wäre, also keine unmittelbare Wirkung auch für die betroffenen Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes haben sollte. Der Erlaß entfaltet aber eine solche unmittelbare Wirkung. Dies ergibt sich schon aus der Wortfassung der Nr. 1 des Erlasses selbst; wenn es dort heißt, daß die in den BGr. festgelegte Fürsorge „gewährt wird", so ergibt sich daraus, daß die Arbeitnehmer (Angestellte und Lohnempfänger) der Gemeinden Rechte aus dem Erlaß erwerben sollten, der Erlaß also auf ihre Rechtsstellung unmittelbar einwirken sollte. Daraus erhellt, daß der Erlaß nicht nur eine interne Maßnahme der Verwaltung, sondern gleichzeitig auch ein Akt der Normensetzung ist. Der Annahme, daß der Erlaß eine Gemeinsame Dienstordnung für Angestellte und Lohnempfänger im gemeindlichen Bereich ist, steht schließlich nicht entgegen, daß von den Regelungen nicht nur die Angestellten und Lohnempfänger der Gemeinden begünstigt sind, sondern auch die Gemeindebeamten. Für die Gemeindebeamten können zwar keine Gemeinsamen Dienstordnungen erlassen werden, so daß insoweit, als auch für die Gemeindebeamten Regelungen getroffen sind, der Erlaß nicht als eine wirksame Dienstordnung für die g e m e i n d l i c h e n B e a m t e n angesehen werden kann. Es ist jedoch auf den inneren Gehalt der getroffenen Regelung abzustellen. Soweit es sich um Regelungen handelt, die einem bestimmten Personenkreis gegenüber durch Dienstordnung getroffen werden können, handelt es sich hinsichtlich dieser Personen um eine Dienstordnung, die als solche eben nur auf die Rechtsstellung dieser betroffenen Personen von Einfluß ist. Sonach ist der Erlaß vom 12. November 1943, der die Gewährung der Fürsorge in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen auch hinsichtlich der Gemeindeangestellten und der Gemeindearbeiter in der Form des Abschlusses einer Versicherung oder in der Form der Einführung der Beihilfegrundsätze regelte, für die Arbeiter und Angestellten der gemeindlichen Verwaltungen eine gemäß § 16 A O G Ö wirksam erlassene Dienstordnung. Der Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Januar 1953, AP 54 Nr. 21 an. Bei dieser Rechtslage hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Dienstordnung vom 12. November 1943 den geltend gemachten Anspruch noch heute rechtfertigt. Hierbei ist davon auszugehen, daß nicht bereits die Aufhebung des A O G Ö zum Wegfall der auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Dienstordnungen geführt hat. Vielmehr sind diese Dienstordnungen auch über den Wegfall des A O G Ö hinaus von Bestand geblieben. Sie können aber

22. Beseitigung einer Dienstordnung

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nunmehr beseitigt werden, und zwar dadurch, daß der Arbeitgeber diese Dienstordnungen durch eine der Personalvertretung gegenüber zu erklärende Kündigung beseitigt. Ein solches Kündigungsrecht steht auch der Personalvertretung dem Arbeitgeber gegenüber zu. Die fortgeltenden Dienstordnungen können weiter dadurch beseitigt werden, daß sie durch Betriebs-(Dienst-)vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der zuständigen Personalvertretung beseitigt, geändert oder eingeschränkt werden (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 1957, Bd. 2, S. 794 und S. 416 Anm. 36). Daß insbesondere durch Kündigung auch eine Dienstordnung beseitigt werden kann, folgt daraus, daß ein solches einseitiges Kündigungsrecht auch bei Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen gegeben ist (BAG 19. Juli 1957 — 1 AZR 420/54 - BAG 4, S. 232). Besteht aber insoweit ein Kündigungsrecht, so ist kein Grund dafür ersichtlich, die einseitige Kündigung von fortgeltenden und durch Betriebsvereinbarungen (Dienstvereinbarungen) ersetzbaren Dienstordnungen für unzulässig anzusehen. Im Gegenteil muß auch insoweit dieses Kündigungsrecht zugebilligt werden; denn sonst käme den Betriebs- und Dienstordnungen aus der Zeit des aufgehobenen AOG und A O G Ö eine stärkere Wirkung als den Betriebs- und Dienstvereinbarungen nach neuem Recht zu. Daß eine solche vom Arbeitgeber oder der zuständigen Personalvertretung einseitig ausgesprochene Kündigung oder eine Beseitigung der Dienstordnung durch Betriebsvereinbarung (Dienstvereinbarung) im vorliegenden Fall bereits vor Eintritt des Beihilfefalles (Tod der Ehefrau des Klägers) vorgenommen ist, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Ein soldier Vortrag liegt insbesondere nicht in der Behauptung der Beklagten, sie habe die Beihilfegrundsätze nach 1945 nicht mehr allgemein und nicht mehr vollinhaltlich angewandt. Die Kündigung einer Dienstordnung stellt eine gestaltende Willenserklärung dar, die als solche eindeutig dem zuständigen Erklärungsempfänger mitgeteilt werden muß. Hätte die Beklagte sich von der fortgeltenden Dienstordnung lösen wollen, so hätte sie der Personalvertretung gegenüber eine eindeutig als Kündigung zu wertende Erklärung abgeben müssen. Die den einzelnen Bediensteten gegenüber abgegebene Erklärung, sie wende die Beihilfegrundsätze nicht mehr oder nidit mehr vollinhaltlich an, kann als Kündigung der Personalvertretung gegenüber nicht gewertet werden. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist also davon auszugehen, daß durch Kündigung seitens der Beklagten die Dienstordnung bisher nicht beseitigt ist.

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22.

Verdrängung einer Dienstordnung

In der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 2. März 1956 — 1 AZR 107/55 — AP Nr. 1 zu § 9 T V G ) ist aber auch anerkannt, daß als Folge der Verdrängung einer Tarifordnung nach § 9 T V G solche Dienstordnungen außer Kraft treten können, die mit der außer Kraft tretenden Tarifordnung ihrem Wesen nach untrennbar verbunden sind. Der Senat hatte danach zu prüfen, ob die Tatsache, daß der Manteltarifvertrag für die Arbeiter der kommunalen Verwaltungen und Betriebe in Bayern vom 11. April 1949 und der B M T G für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe für ihren Geltungsbereich die T O . B ersetzt haben, zu einem Außerkrafttreten auch der Dienstordnung vom 12. November 1943 und damit der Beihilfegrundsätze für den Personenkreis, auf den der BMTG Anwendung findet, also auch für das dem BMTG unterliegende Arbeitsverhältnis des Klägers, geführt hat. Dies ist nicht der Fall. Zunächst ist davon auszugehen, daß die beklagte Stadtgemeinde zur Zeit des Beihilfefalles eine Einwohnerzahl von unter 10 0 0 0 gehabt hat. Bereits im Hinblick hierauf gilt nach § 1 Abs. 3 T O . B diese Tarifordnung nicht unmittelbar und kraft Tarifes für die beklagte Stadtgemeinde. Sie könnte für die Stadtgemeinde W. nur Geltung haben, wenn sie durch Dienstordnung bei ihr eingeführt worden wäre. O b dies der Fall ist, kann dahingestellt bleiben. Denn auch dann, wenn die T O . B kraft Dienstordnung für die Stadtgemeinde W. galt, hat die Verdrängung der T O . B durch den Manteltarifvertrag und den BMTG nicht zu einem Außerkrafttreten der Dienstordnung vom 12. November 1943 und damit der Beihilfegrundsätze für den Bereich der Stadtgemeinde W. geführt. Die Dienstordnung vom 12. Dezember 1943 und die Beihilfegrundsätze stehen nicht in einem ihrem Wesen nach so untrennbarem Zusammenhang mit der T O . B , daß durch die Verdrängung der T O . B allein die Dienstordnung und mit ihr die Beihilfegrundsätze für die Anwendung im Bereich der Gemeinde W. ausscheiden. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Erlaß des Reichsministers des Innern vom 12. November 1943 über die Einführung der Beihilfegrundsätze im gemeindlichen Bereich sich auf a l l e Gemeinden erstredete ohne Rücksicht darauf, ob die Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitern der T O . B unterstanden oder nicht. Bereits dieser verschiedene Geltungsbereich spricht dagegen, daß die T O . B und die Beihilfegrundsätze in einem so unlösbaren und untrennbaren inneren Zusammenhang stehen, daß mit dem Wegfall der T O . B auch die Beihilfegrundsätze für Gemeindearbeiter zwangsläufig außer Kraft traten. Denn bereits unter der Geltung der TO.B waren die kleineren Gemeinden von dem Geltungsbereich der

22. Beihilfegrundsätze und T O . B

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TO.B ausgenommen; für sie galt aber gleichwohl die Dienstordnung vom 12. November 1943, und damit galten für sie auch die Beihilfegrundsätze. Daß die Dienstordnung über die Einführung der Beihilfegrundsätze und die Beihilfegrundsätze selbst nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit der TO.B stehen, ergibt sich audi aus der ADO zu § 15 TO.B. Bereits nach dieser Regelung konnten die Beihilfegrundsätze unter bestimmten Voraussetzungen auch auf die Arbeiter im gemeindlichen Bereich zur Anwendung kommen. Daraus folgt, daß die Beihilfegrundsätze neben der TO.B angewendet werden konnten, also nicht untrennbarer Bestandteil der TO.B selbst hinsichtlich der Rechtsstellung der gemeindlichen Arbeiter waren. Ein Wegfall der Beihilfegrundsätze zu Lasten der Gemeindearbeiter für den Bereich der Stadtgemeinde W. ergibt sich insbesondere nicht aus § 12 des Manteltarifvertrages vom 11. April 1949 und aus § 63 BMTG. In § 24 des Manteltarifvertrages vom 11. April 1949 ist zwar bestimmt, daß mit dem Inkrafttreten dieses Manteltarifvertrages für die von ihm erfaßten Arbeitgeber und Arbeitnehmer die TO.B mit allen zu ihr erlassenen Ergänzimgsvorsdiriften außer Kraft tritt. Nach § 63 BMTG treten mit dem Inkrafttreten des BMTG die für seinen Geltungsbereich erlassenen Dienstordnungen einschließlich der sie ergänzenden Tarifordnungen, Allgemeinen, Gemeinsamen und Besonderen einschließlich örtlicher Dienstordnungen, Betriebsordnungen, Richtlinien, Sonderbestimmungen usw. sowie die Erlasse und Anordnungen der ehemaligen Reichsminister und der ehemaligen Treuhänder außer Kraft. Es ist der Beklagten zuzugeben, daß die Tarifpartner des Manteltarifvertrages vom 11. April 1949 und des BMTG damit offenbar eine weitgehende Bereinigung des überkommenen Rechts erstrebten. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß für den Geltungsbereich des BMTG die Dienstordnung vom 12. November 1943 und die Anwendung der BGr. im gemeindlichen Bereich rechtswirksam beseitigt sind. Zunächst ist auch insoweit darauf hinzuweisen, daß es durchaus zweifelhaft erscheint, ob die Dienstordnung vom 12. November 1943 und die Einführung der Beihilfegrundsätze überhaupt eine gerade die TO.B ergänzende gemeinsame Dienstordnung darstellten. Denn, wie bereits erwähnt, galt die TO.B nicht kraft Tarifwirkung für Gemeinden mit weniger als lOOOO Einwohnern, während der als Dienstordnung zu wertende Erlaß des früheren Reichsministers des Innern vom 12. November 1943 auch für diese kleinen Gemeinden galt. Es erscheint daher zweifelhaft, ob § 63 BMTG überhaupt die Anwendung dieser Dienstordnung ausschließen wollte.

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22. Dienstordnung und Tarifvertrag

Entscheidend ist insbesondere, daß die Tarifvertragsparteien nidit in der Lage sind, Dienstordnungen durch einen Tarifvertrag unmittelbar rechtswirksam aufzuheben. § 9 TVG bestimmt lediglich, daß mit dem Inkrafttreten eines Tarifvertrages Tarifordnungen außer Kraft treten. Die Tarifvertragsparteien können sonadi durch den Abschluß von Tarifverträgen lediglich das Außerkrafttreten von Tarifordnungen bewirken, nicht aber auch das Außerkrafttreten von Dienstordnungen. Solche Dienstordnungen würden, wie bereits ausgeführt, durch den Abschluß eines Tarifvertrages als mittelbare Folge dieses Abschlusses nur dann wegfallen, wenn sie mit der beseitigten Tarifordnung in einem untrennbaren inneren Zusammenhang stehen. Das ist aber für das Verhältnis der TO.B zu der Dienstordnung vom 12. November 1943 nicht der Fall. Hinsichtlich der Dienstordnung vom 12. November 1943 bleibt es sonach bei dem allgemeinen Grundsatz, daß diese nach Außerkrafttreten des AOGÖ nur durch Kündigung gegenüber der Personalvertretung bzw. dem Betriebsrat oder aber durch Abschluß einer anderweiten Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung beseitigt werden konnte. Zu einer Aufhebung durch Tarifvertrag fehlt den Tarifpartnern die Befugnis. Falls sonach die Tarifvertragspartner auch die Dienstordnung über die Einführung der Beihilfegrundsätze im gemeindlichen Bereich beseitigen wollten, vermag diese Absicht deshalb nicht zum Wegfall der Dienstordnung vom 12. November 1943 zu führen, weil die Tarifpartner nach § 9 TVG eine solche Maßnahme nicht rechtswirksam durchführen konnten. Audi § 12 Nr. 4 des MTV vom 11. April 1949 und § 39 BMTG stehen der Weitergeltung und Weiteranwendung der Dienstordnung über die Einführung der Beihilfegrundsätze im gemeindlichen Bereich nicht entgegen. Diese tariflichen Vorschriften enthalten keine günstigere Regelung für die Arbeiter der Gemeinden, als sie die Dienstordnung über die Einführung der Beihilfegrundsätze im gemeindlichen Bereich darstellt. Dies ergibt sich schon aus der Auslegung, die die Beklagte selbst dem § 39 BMTG gibt. Denn sie vertritt die Ansicht, daß die Rechte der Gemeindearbeiter hinsichtlich der Beihilfegewährung nach § 39 BMTG weniger weitgehend seien als nach den durch die Dienstordnung vom 12. November 1943 im gemeindlichen Bereich eingeführten BGr. Stellen aber § 12 MTV vom 11. April 1949 und § 39 BMTG keine günstigeren Regelungen dar, die dann kraft des Günstigkeitsprinzips den Vorrang vor der Dienstordnung vom 12. November 1943 und den durch sie eingeführten Beihilfegrundsätzen hätten, so lassen diese Vorschriften die Dienstordnung vom 12. November 1943 und die Beihilfegrundsätze unberührt. Im übrigen sieht § 39 BMTG selbst vor, daß ein Arbeiter

2 2 . Beihilfe und Anrechnung

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„nach den beim Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen" Beihilfen erhalten könne. Damit läßt § 39 BMTG Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und damit auch fortbestehende Dienstordnungen über die Regelung des Beihilfewesens im gemeindlichen Bereich unberührt. Schließlich greift auch die Ansicht der Beklagten nicht durch, daß die Anwendung der Beihilfegrundsätze nach der Dienstordnung vom 12. November 1943 im gemeindlichen Bereich deshalb bereits entfalle, weil im Hinblick auf den seit 1945 geänderten Staatsaufbau und die Wiederherstellung der gemeindlichen Selbstverwaltung die Erlasse des früheren Reichsministers des Innern von den Gemeinden nicht mehr beachtet zu werden brauchten. Es trifft zu, daß die zur Zeit des A O G Ö gegebene oberste Dienstaufsicht über die Gemeinden nicht mehr besteht und daß die Selbstverwaltung der Gemeinden wieder hergestellt ist. Aus dem Neuaufbau der gemeindlichen Selbstverwaltung ergibt sich jedoch lediglich, daß eine einzelne Gemeinde nunmehr berechtigt ist, auch eine gemeinsame und damit für eine Vielzahl von Gemeinden geltende Dienstordnung für den Bereich dieser Gemeinde zu kündigen. Die Fortgeltung einer auf Grund des § 16 A O G Ö erlassenen gemeinsamen Dienstordnung auch für die Zeit nach 1945 trotz der bestehenden Selbstverwaltung der Gemeinden ergibt sich daraus, daß es sich bei diesen Dienstordnungen um Gesetze im materiellen Sinne handelt, die die von den Gemeinden eingegangenen Arbeitsverhältnisse beherrschen und gestalten. Diese normative Regelung gilt fort, und zwar trotz der nunmehr veränderten Rechtsstellung der Gemeinden, bis sie auf dem zulässigen Wege beseitigt ist. Bei dieser Rechtslage ist sonach festzustellen, daß auch auf den Beihilfefall des Klägers die Beihilfegrundsätze nach wie vor anzuwenden sind. Der Kläger hat danach nach Maßgabe der Nr. 3 Abs. 2 BGr. einen Beihilfeanspruch auch anläßlich des Todesfalles seiner Ehefrau. Über die Anrechnung von Erträgnissen aus „Sterbekasse, Lebensversicherungen usw." bestimmt der als Bestandteil der Beihilfegrundsätze zu wertende Erlaß des Reichsministers für Finanzen vom 16. Dezember 1942, daß diese Erträgnisse nicht mehr zu berücksichtigen sind. Aus diesem Erlaß folgt sonach, daß jedenfalls die 186,— DM, die der Kläger aus der von ihm abgeschlossenen Privatversicherung als Sterbegeld erhalten hat, nicht angerechnet werden dürfen. Ob die 180,— DM, die der Kläger aus der gesetzlichen Krankenversicherung, bei der er pflichtversichert war, erhalten hat, anzurechnen sind, kann ohne weitere Sachaufklärung durch das Landesarbeitsgericht nicht entschieden werden.

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22. Beihilfe und Anrechnung

Zwar schließt die Tatsache allein, daß der Antragsberechtigte (Nr. 2 Abs. 1 der Beihilfegrundsätze) kraft gesetzlicher Verpflichtung einer Krankenversicherung angehört, auch dann sein Recht auf Inanspruchnahme einer Beihilfe nach Maßgabe der Beihilfegrundsätze grundsätzlich nicht aus, wenn er die Beiträge zu dieser Versicherung unter Beteiligung des Dienstberechtigten getragen hat, wie es bei der auf gesetzlicher Verpflichtung beruhenden Krankenversicherung der Arbeitnehmer der Fall ist. Dies ergibt sich für Beihilfen bei Krankheits- und Geburtsfällen aus Nr. 3 Abs. 4 der Beihilfegrundsätze. Danach darf dann, wenn bei Krankheits- und Geburtsfällen die Aufwendungen zum Teil von einer Versicherung getragen werden, die Beihilfe (die also auch in diesem Fall zu zahlen ist) zusammen mit den Leistungen den Betrag der tatsächlichen angemessenen Aufwendungen nicht übersteigen. In Krankheits- und Geburtsfällen kann also der nach den Beihilfegrundsätzen Antragsberechtigte, der Leistungen von einer Krankenversicherung, auch einer solchen, die auf gesetzlicher Verpflichtung beruht, erhalten hat, trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit der Beihilfegrundsäze für diesen Krankheits- oder Geburtsfall nur eine Beihilfe in solcher Höhe erhalten, daß der Unterschied zwischen den tatsächlich entstandenen angemessenen Aufwendungen und den Leistungen der Krankenversicherung gedeckt wird. Die Leistungen der Krankenversicherung führen also in diesem Fall zu einer Verminderung der von dem Dienstberechtigten zu zahlenden Beihilfe. Für Sterbefälle enthält weder Nr. 3 Abs. 4 noch Nr. 12 der Beihilfegrundsätze eine Regelung der Frage, ob und wie die Tatsache, daß aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Krankenversicherung, deren Beiträge mit Beteiligung des Dienstberechtigten von dem Antragsberechtigten getragen worden sind, aus Anlaß des Sterbefalles an den Antragsberechtigten ein Sterbegeld gezahlt worden ist, bei der Gewährung und Berechnung der Beihilfe nach den Beihilfegrundsätzen zu berücksichtigen ist. Audi in diesem Fall ist jedoch davon auszugehen, daß der Dienstberechtigte, der zu seinem Teil die Beiträge zu der auf gesetzlicher Verpflichtungen beruhenden Versicherung, aus der das Sterbegeld anläßlich des nach den Beihilfegrundsätzen gegebenen Beihilfefalles gezahlt worden ist, mitgetragen hat, in der Weise sich auf die Gewährung dieses Sterbegeldes berufen kann, daß er eine Beihilfe nur in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Sterbegeld und den tatsächlichen angemessenen Aufwendungen aus Anlaß des Sterbefalles zu zahlen hat. Es ist also da-

22. Beihilfe und Anrechnung von Sterbegeld

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von auszugehen, daß in dieser Weise die Leistungen der Krankenversicherung aus Anlaß des Sterbefalles zu berücksichtigen sind. Dem steht auch der Erlaß des früheren Reichsministers der Finanzen vom 16. Dezember 1942 nicht entgegen. Denn die auf gesetzlicher Verpflichtung beruhende Krankenversicherung, deren Beiträge der nach den Beihilfegrundsätzen Antragsberechtigte nur unter Beteiligung des Dienstberechtigten getragen hat, kann nicht als „Sterbekasse, Lebensversicherung usw." im Sinne dieses Erlasses angesehen werden. Ist sonach grundsätzlich das von der Krankenversicherung gezahlte Sterbegeld in der Weise anzurechnen, daß die Beihilfe zusammen mit diesem Sterbegeld den Betrag der tatsächlichen angemessenen Aufwendungen, die dem Antragsberechtigten aus Anlaß des Sterbefalles erwachsen sind, nicht übersteigen darf, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß die Beklagte im Beihilfefall des Klägers eine solche Anrechnung unterlassen muß. Dies würde dann gelten, wenn die Beklagte in früheren vergleichbaren Beihilfefällen den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 16. Dezember 1942 in der Weise ausgelegt hat, daß sie auch eine solche Anrechnung der aus der gesetzlichen Krankenversicherung gezahlten Sterbegelder unterlassen hat. Hatte die Beklagte ihren Arbeitern gegenüber eine solche Übung eingeführt und ständig angewandt, so kann sie sich im Beihilfefall des Klägers nicht einseitig von einer solchen Übung lossagen; sie muß den Kläger vielmehr ebenso behandeln, wie sie andere Arbeiter in gleicher Lage behandelt hat. Das Landesarbeitsgericht wird sonach zu prüfen haben, wie die Beklagte in anderen vergleichbaren Beihilfefällen verfahren ist. Bei der erneuten Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht auch auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken haben. Die Beklagte wird der Tatsache Rechnung zu tragen haben, daß eine Anrechnung der Leistungen, die die vom Kläger eingegangene private Versicherung in Höhe von 186,— DM erbracht hat, auf die nach den Beihilfegrundsätzen zu gewährende Beihilfe im Hinblick auf den Erlaß des früheren Reichsministers der Finanzen vom 16. Dezember 1942 nicht zulässig ist. Es ist also nur noch streitig, ob das Sterbegeld der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 180,— DM in der Weise angerechnet werden kann, daß die Beihilfe höchstens 292 — DM ( = 472,— DM — 180,— DM) beträgt. Die Entscheidung hierüber hängt davon ab, wie die Beklagte bei der Anwendung der Beihilfegrundsätze und des Erlasses des früheren Reichsministers der Finanzen vom 16. Dezember 1942 in anderen vergleichbaren Fällen vor dem Beihilfefall des Klägers verfahren ist.

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23. Betrieb und Nebenbetrieb

23 1. Ein selbständiger Nebenbetrieb i. S. des § 1 Abs. 2 Buchst, d KrT liegt vor, wenn die in Frage stehende Arbeitseinheit eine selbständige und voll ausgebildete arbeitstechnische Betriebsorganisation besitzt, d. h. für sich betrachtet sämtliche Begriffsmerkmale eines Betriebs aufweist, der mit ihr verfolgte Zweck aber die Aufgabe einer Hilfeleistung für den mit dem Hauptbetrieb erstrebten Betriebszweck hat. 2. Betriebe und Nebenbetriebe gemäß § 3 Abs. 1 Buchst, c BMTG sind s e l b s t ä n d i g e Betriebe, bzw. s e l b s t ä n d i g e Nebenbetriebe. Diese Tarifvorschrift stellt nicht etwa auf die Art der beispielsweise land' wirtschaftlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers, sondern auf die ausschließ' liehe Beschäftigung in den dort genannten Betrieben ab. T O für das Krankenpflegepersonal der Krankenanstalten vom 2. Dezember 1939 i. d. F. vom 18. Juni 1944, § 1 Abs. 2 Buchst, d; Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe, § 3 Abs. 1 Buchst, c. IV. Senat. Urteil vom 5. März 1958 in S.K.L. (Bekl.) w. W. (Kl.) 4 AZR 501/55. I. Arbeitsgericht Detmold. — II. Landesarbeitsgericht Hamm i. W.

Der Beklagte unterhält das Kreiskrankenhaus „W.'sche Stiftung" in L. Zu diesem gehört ein unmittelbar daran anschließendes landwirtschaftliches Anwesen von insgesamt 9,16 ha. Seine Erzeugnisse dienen der teilweisen Deckung des Lebensmittelbedarfs des Krankenhauses. Eine eigene Organisation oder Verwaltung besteht für das Anwesen nicht. Es ist dem Leiter der Krankenhausverwaltung unterstellt, der auch dem dort beschäftigten Personal die Weisungen erteilt. Der Kläger wird auf dem Anwesen ausschließlich mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Seine Entlohnung erfolgt in Anlehnung an den Lohntarif für die Landarbeiter in Westfalen und Lippe. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Der Beklagte gehört der Arbeitsrechtlichen Vereinigung der Gemeinden und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen an, die ihrerseits der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) angeschlossen ist. Der Kläger ist der Ansicht, seine Vergütung habe ab 1. April 1953 nach dem zur TO.B abgeschlossenen Lohntarifvertrag für NordrheinWestfalen vom 31. März 1953 und seit Inkrafttreten des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom

23. Antragsauslegung

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22. Mai 1953 (BMT-G) nach diesem sowie ab 1. Dezember 1953 nach den dazu bestehenden Bezirkszusatztarifverträgen-G für Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1953 und 14. September 1954 zu erfolgen. Er begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn nach diesen Tarifen zu entlohnen. Der Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, die Anwendung des BMT-G auf den Kläger sei nach § 3 Abs. 1 Buchst, c dieses Tarifvertrags ausgeschlossen. Denn diese Vorschrift greife schon dann ein, wenn ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb von einem öffentlichen Arbeitgeber unterhalten werde, ohne daß es darauf ankomme, ob eine solche Stelle einer anderen Dienststelle angegliedert oder als selbständige Dienststelle eingerichtet sei. Maßgebend für die Unanwendbarkeit des BMT-G sei die ausschließliche Beschäftigung eines Arbeiters mit landwirtschaftlichen Arbeiten. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Aus den

Gründen:

. . . Wenn der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten beantragt, ihn ab 1. April 1953 nach dem zur TO.B abgeschlossenen Lohntarifvertrag für Nordrhein-Westfalen vom 31. März 1953, seit dem Inkrafttreten des BMT-G nach diesem und ab 1. Dezember 1953 nach den Bezirkszusatztarifverträgen-G für Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1953 und 14. September 1954 zu entlohnen, so ist das Ziel dieses vom Landesarbeitsgericht auf Sinn und Inhalt nicht näher geprüften Begehrens nicht ohne weiteres eindeutig. Denn einen eigenen Lohntarifvertrag zur TO.B für Nordrhein-Westfalen vom 31. März 1953, der hier in Betracht käme, gibt es nicht. Auch enthalten der BMT-G und der Bezirkszusatztarifvertrag für Nordrhein-Westfalen zum BMT-G vom 12. Oktober 1953 selbst keine Lohnregelung. Indessen ist Zweck des Klagebegehrens, wie eine Auslegung des Antrags anhand des Vorbringens des Klägers in Verbindung mit den Ausführungen der Urteile des ersten und zweiten Reditszuges ergibt, erkennbar die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien ab 1. April 1953 der KrT und TO.B und ab Inkrafttreten des BMT-G diesem sowie den jeweils zu den genannten Tarifen gehörenden Lohnregelungen unterliege. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien bestehen auch nur insoweit, als es sich um die Frage nach dem anzuwendenden Manteltarifvertrag handelt. Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Feststellungsklage gemäß § 256 Z P O sind nicht gegeben. Denn sachlich streiten die Parteien allein um die Grundlage von Leistungsansprüchen des Klägers. Da der Beklagte

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23. Nebenbetrieb und Betriebsabteilung

ein Kommunalverband ist, ist im übrigen auch die Erwartung gerechtfertigt, daß er auf eine dem Begehren des Klägers entsprechende rechtskräftige Feststellung ohne weiteres leisten wird (vgl. Stein-JonasSchönke, Z P O , 18. Aufl., § 256 Anm. III 5 b ß ) . In der Sache selbst hat das Landesarbeitsgericht, das den Klageanspruch lediglich anhand der Regelung des BMT-G prüft, allerdings übersehen, daß dieser nach seinem § 64 in Verbindung mit dem Zusatztarifvertrag vom 29. September 1953 erst am 1. Dezember 1953 in Kraft getreten ist. Für den Zeitraum vom 1. April bis 30. November 1953 ist daher das damals geltende Tarifrecht der Beurteilung zugrundezulegen. Da der Kläger nach den unstreitigen Feststellungen des Berufungsurteils auf einem landwirtschaftlichen Anwesen tätig ist, das zu einem von einem Gemeindeverband unterhaltenen Krankenhaus gehört, kommt hier vor der TO.B die Tarifordnung für Belegschaftsmitglieder in den Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten des Reichs, der Länder, der Gemeinden (Gemeindeverbände) und der Träger der Reichsversicherung vom 2. Dezember 1939 i. d. F. vom 18. Juni 1944 (RAB1. 1940, S. IV 73, 1944 S. IV 174 — KrT) in Betracht. Nur dann war diese Tarifordnung, die nach ihrem § 1 Abs. 1 für das Kreiskrankenhaus galt, auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht anzuwenden, wenn das landwirtschaftliche Anwesen als ein selbständiger Nebenbetrieb der Anstalt i. S. des § 1 Abs. 2 Buchst, d) KrT anzusehen wäre. Das ist nicht der Fall. Denn Voraussetzung für die Annahme eines Nebenbetriebes ist, daß die zu beurteilende Arbeitseinheit eine selbständige und voll ausgebildete arbeitstechnische Betriebsorganisation besitzt, d. h. für sich betrachtet, sämtliche Begriffsmerkmale eines Betriebs aufweist, der mit ihr verfolgte Zweck aber die Aufgabe einer Hilfeleistung für den mit dem Hauptbetrieb erstrebten Betriebszweck hat (vgl. R A G , ARS 34, 171 [174]; 37, 307; Hueck-Nipperdey-Dietz, A O G , 4. Aufl., § 4 Anm. 15; Fitting-Kraegeloh, BetrVG, 3. Aufl., § 3, 4 ; Dietz, BetrVG, § 3 Anm. 4 ; Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. II S. 701). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besitzt das landwirtschaftliche Anwesen des Kreiskrankenhauses aber keine eigene Betriebsorganisation, sondern es untersteht unmittelbar dem Leiter der Anstaltsverwaltung, der dem Kläger und den anderen mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigten Arbeitnehmern die nötigen Anordnungen erteilt. Der Etat der Anstalt weist keine Trennung zwischen den Aufwendungen für den eigentlichen Krankenhausbetrieb und solchen für das mit diesem verbundene landwirtschaftliche Anwesen auf. Die Erzeugnisse des letzteren dienen ausschließlich der Deckung eines Teiles des Lebens-

23. Arbeiter in einem Kreiskrankenhaus

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mittelbedarfs des Krankenhauses. Danach ist das landwirtschaftliche Anwesen ein in sich abgegrenzter, aber völlig der Organisation des Krankenhauses eingegliederter Betriebsteil (Betriebsabteilung), dessen Zweck demjenigen des Krankenhauses völlig ein- und untergeordnet ist (vgl. dazu Hueck-Nipperdey-Dietz, a . a . O . , Anm. 16; Fitting-Kraegeloh, a. a. O., Anm. 5; Dietz, a. a. O., Anm. 7; Hueck-Nipperdey, a. a. O.). War demnach der Träger nicht in einem Nebenbetrieb i. S. des § 1 Abs. 2 Buchst, d) KrT beschäftigt, so richtete sich sein invalidenversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bis zum Inkrafttreten des BMT-G nach der KrT in Verbindung mit der nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 a. a. O . anzuwendenden TO.B. Angesichts dieser positiven Bestimmung der KrT, die als Sonderregelung der TO.B vorgeht, braucht nicht mehr erörtert zu werden, ob etwa die unmittelbare Anwendung der TO.B auf den Kläger durch deren § 1 Abs. 4 Buchst, f) ausgeschlossen war. Die Entlohnung der Arbeiter regelt die KrT nicht selbständig. In dieser Beziehung waren daher die Vergütungsvorschriften der TO.B und deren Änderungen durch Tarifvertrag maßgebend. Für den Kläger kommt ab I . A p r i l 1953, da sich die Tarifgebundenheit der Parteien aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergibt, der am 31. März 1953 zwischen der VKA und der Gewerkschaft Ö T V abgeschlossene Bundeslohntarifvertrag Nr. 3 und die hierzu für das Gebiet der VKA NordrheinWestfalen erstellte Lohntafel in Betracht. Hinsichtlich der vom Kläger f ü r zutreffend gehaltenen Lohngruppe A I V , Lohngebiet 3 besteht zwischen den Parteien kein Streit. Auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des BMT-G am I.Dezember 1953 ist die Klage demnach begründet. Der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe hat gemäß § 9 T V G die KrT und TO.B u. a. für die in Diensten der Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten der Gemeinden und Gemeindeverbände stehenden Arbeiter ersetzt (vgl. § 63 Abs. 1 BMT-G), wie sich im übrigen auch aus seinem § 2 Buchst, e) eindeutig ergibt. Wenn darin von den in Kranken- usw. Anstalten beschäftigten Arbeitern die Rede ist, so ist das nicht räumlich oder so aufzufassen, als ob sie für die eigentlichen Aufgaben des Krankenhauses unmittelbar tätig sein müßten. Es genügt grundsätzlich, daß sie in einer mit diesem verbundenen oder ihm angegliederten und seinen Zwecken dienenden Einrichtung oder Anlage verwendet werden. Da die Parteien tarifgebunden sind, wie schon bemerkt, unterliegt das Arbeitsverhältnis des Klägers also nach § 1 Abs. 1 dem BMT-G, wenn nicht die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 1 Buchst, c eingreift. Das hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum verneint.

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23. Betrieb und Nebenbetrieb

Nach dieser Bestimmung sind diejenigen Arbeiter von dem Geltungsbereich des BMT-G ausgenommen, „die ausschließlich in forst- und landwirtschaftlichen Betrieben, Weinbaubetrieben und deren Nebenbetrieben beschäftigt sind". Die Revision irrt, wenn sie meint, es komme für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht auf die Betriebsform, sondern darauf an, daß der Arbeiter ausschließlich zu landwirtschaftlichen usw. Arbeiten verwendet werde. § 3 Abs. 1 Buchst, c) BMT-G stellt ausdrücklich nicht auf die Art der Tätigkeit, sondern auf die Beschäftigung in bestimmten Betrieben ab. Daß die Tarifvertragsparteien hier unter dem Begriff des „Betriebs" und des „Nebenbetriebs" etwas anderes verstanden hätten, als was allgemein im Arbeitsrecht darunter verstanden wird, ist nicht erkennbar, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt. In § 62 BMT-G haben sie einen Katalog von Begriffsbestimmungen aufgestellt. Es hätte nichts näher gelegen, als auch die hier in Rede stehenden Begriffe zu erläutern, wenn sie einen anderen Inhalt hätten haben sollen als sonst im Arbeitsrecht. Das ist aber nicht geschehen. § 3 Abs. 1 Buchst, c) BMT-G ist daher nach Auffassung des Senats nur auf selbständige Betriebe bzw. Nebenbetriebe in dem oben erörterten Sinne anwendbar. Das ergibt sich im übrigen bei richtigem Verständnis auch aus Wortlaut und Sinn der Vorschrift. Denn wenn ein Betrieb einen Nebenbetrieb haben kann, er also — zumindest als möglicher — Hauptbetrieb gedacht ist, so wird damit für ihn das Vorhandensein einer eigenständigen, in sich abgeschlossenen betrieblichen Organisation zur Erreichung eines selbständigen arbeitstechnischen Zwecks, die gerade einem selbständigen Betrieb wesenseigentümlich ist, vorausgesetzt. Daß § 3 Abs. 2 BMT-G gegen diese Ansicht spreche, kann der Revision nicht zugegeben werden. Wenn danach Arbeiter in Gärtnereien, gemeindlichen Anlagen sowie anlagemäßig oder parkartig bewirtschafteten Gemeindewäldern nicht als Arbeiter in forst- oder landwirtschaftlichen Betrieben gelten sollen, so ist diese Regelung als Ausnahme von § 3 Abs. 1 Buchst, c) BMT-G zu verstehen. Sie bedeutet nur, daß diese Arbeiter, auch wenn sie im Rahmen ihrer Verwendung nach Abs. 2 a. a. O. in selbständigen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt werden, gleichwohl dem BMT-G unterstehen. Schließlich besteht kein Anhalt dafür, daß die erörterten Begriffe inhaltlich gleichbedeutend sein sollten mit den in § 1 Abs. 4 Buchst, f. TO.B genannten „Betriebsstellen, die land- oder forstwirtschaftliche Aufgaben zu erfüllen haben", wie die Revision weiter geltend macht. Selbst wenn eine solche Gleichstellung im Willen der Tarifvertragsparteien ge-