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German Pages 242 Year 2006
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1037
Entscheidung in eigener Sache Von
Thilo Streit
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
THILO STREIT
Entscheidung in eigener Sache
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1037
Entscheidung in eigener Sache
Von
Thilo Streit
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 61 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-12140-6 978-3-428-12140-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der juristischen Fakultät der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf im Wintersemester 2005/06 als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater Prof. Dr. Martin Morlok. Als Mitarbeiter am von ihm als Direktor geleiteten Institut für Deutsches und Europäisches Parteienrecht und Parteienforschung (PRuF) und an seinem Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie genoss ich die Gelegenheit, Interdisziplinarität, Theoriebewusstsein und -bildung als Grundlage rechtswissenschaftlichen Arbeitens kennen zu lernen. Insbesondere die von ihm geförderte Mitwirkung bei der Politikberatung, bei der Darstellung wissenschaftlicher Inhalte gegenüber den Medien sowie bei diversen Prozessvertretungen im Rahmen der Aufarbeitung verschiedener politischer Probleme und Skandale ermöglichte mir vertieften Einblick in die Verbindungen zwischen Recht und Politik, aber insbesondere auch in deren Trennendes. Hervorzuheben ist auch die offene, freundschaftliche und kreative Arbeitsatmosphäre am PRuF, die nicht zuletzt auf das große Verständnis von Prof. Dr. Morlok auch für von seiner Meinung abweichende Ansichten zurückzuführen ist. Ein weiterer Dank gilt Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz, LL.M., der die Mühe des Zweitgutachtens auf sich nahm, dem ich aber auch Anregung zum US-amerikanischen Recht verdanke. Einen besonderen Dank richte ich darüber hinaus an den Deutschen Bundestag, der die Publikation großzügig mit einem Druckkostenzuschuss gefördert hat. Ein letzter Dank gilt neben meiner Familie all den Unterstützern, Diskutanten, Kollegen und Freunden, die diese Arbeit erst möglich gemacht haben. Herauszuheben sind hier insbesondere Dr. Michael Hornig, der das Manuskript intensiv fachlich und orthografisch durchgesehen und begleitet hat, sowie Eva Streit, die die orthografische und semantische Endkontrolle vornahm. Düsseldorf, im Juli 2006
Thilo Streit
Inhaltsverzeichnis 1. Teil Hinführung zum Thema
13
2. Teil Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
20
A. Die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Definitionen der „Entscheidung in eigener Sache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Verwendungen der Begrifflichkeit ohne weitergehende Definition . . . . . . 22 1. „Entscheidung in eigener Sache“ als rechtliche Kategorie . . . . . . . . . . 22 2. Ablehnende Ansichten zum Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ als Rechtskategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ in anderen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Recht der Gerichte und Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 c) Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 d) Gesellschaftsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 e) Vergaberecht der Deutschen Bahn AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 f) Allgemeines Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 g) Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 h) Strafvollzugsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Befangenheit im Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 (1) Der Befangenheitsbegriff des zivilen Prozessrechts . . . . . . . . 37 (2) Der Befangenheitsbegriff der StPO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (3) Der Befangenheitsbegriff der Verwaltungsgerichtsordnungen (FGO, VwGO, SGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (4) Der Befangenheitsbegriff des BVerfGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (5) Der Befangenheitsbegriff der WDO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Befangenheit im Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (1) Die Befangenheitsregeln der Verwaltungsverfahrensgesetze. 44 (2) Die Befangenheitsregeln im Kommunalverfassungsrecht . . . 46 c) Befangenheitsregeln im Parlamentsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
8
Inhaltsverzeichnis d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Insichgeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
B. Unter die Begrifflichkeit subsumierte Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Politikfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungen an Abgeordnete, die Fraktionen und das Parlament . . . . . . 2. Leistungen an die Parteien und die Parteistiftungen. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regierungsbesoldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungen des Abgeordnetenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wahlen, Wahlrecht und Wahlprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonstiges Parlamentsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sonstige Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 50 50 52 53 53 54 54 55
C. Stellungnahme zu den subsumierten Sachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Definition Hans-Jochen Vogels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befangenheitsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insichgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 56 60 61 63 68 69 72
3. Teil Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen der „Entscheidung in eigener Sache“ A. Vom Grundgesetz vorgesehene Regelungszuständigkeiten des Parlaments „in eigener Sache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kompetenzen zur Regelung des Abgeordnetenstatus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kompetenzen zur Regelung des Parlamentsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kompetenzen zur Regelung des Wahlrechts und zur Durchführung der Wahlprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kompetenz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der politischen Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfassungsänderungen, Art. 79 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Grundsatzentscheidung der Verfassung für alle Entscheidungen betreffend die eigene Rechtsposition? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsrechtliche Einwände gegen eine Entscheidungszuständigkeit des Parlaments „in eigener Sache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verstoß gegen das Amtsprinzip des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das „Amt“ des Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die konkrete Geltung des Rechtsstaatsprinzips für die Abgeordneten. a) Bindung des Abgeordneten an das Gesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
75 75 76 77 78 78 79 81 82 83 84 85
Inhaltsverzeichnis
3.
4.
5.
6. 7.
8.
b) Bindung des Abgeordneten an das Recht i. S. d. Art. 20 III GG? . . c) Die Bindung der Legislative an die verfassungsrechtliche Ordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinwohlkonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das monistische Grundmodell des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . b) Die pluralistische Gemeinwohlkonzeption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die pluralistische Gemeinwohlkonzeption als Grundlage des Staatswesens der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staat als notwendige Grundlage einer pluralistischen Gesellschaft b) Individualrechte als Voraussetzung des Pluralismus . . . . . . . . . . . . . c) Offenhaltung des Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Demokratisch legitimiertes Parlament als Träger der Regulativmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Repräsentatives Mandat als Optimierung der Pluralismuskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gemeinwohl ex posteriori? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Paradoxon des Pluralismus: Das Pluralismuskonzept ist Gemeinwohl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Gemeinwohl als regulative Idee? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausscheidung monistischer Konzeptionen aus der Gemeinwohlsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonstige Gemeinwohlwidrigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die regulative Idee als Appell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bindung des Abgeordneten ans „materielle Gemeinwohl“ aus Art. 79 III GG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stellung des Abgeordneten als Interessenvertreter. . . . . . . . . . . . . . . b) Interessenvertretung als Bedingung von Repräsentation . . . . . . . . . c) Interessenvertretung und Interessenkonflikt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit: Fehlende Amtswaltereigenschaft des Abgeordneten . . . . . . . Einwände des „Due-Process-Pluralismus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemtheoretische Grundlegung der Unterscheidbarkeit exekutivischer, judikativer sowie legislativer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systemtheoretische Unterscheidbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Implikationen für die systemischen Rahmenbedingungen . . . (2) Unterscheidung programmierendes/programmiertes System. (3) Unterschiedliche Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Unterschiedliche Herrschaftsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Unterschiedliche Systeme – Unterschiedliche Systemadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) „Richtigkeitsgewähr“ in den unterschiedlichen Systemen . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis II. Verstoß gegen den Kontrollgrundsatz des Grundgesetzes. . . . . . . . . . . . . . . 1. Herleitung und Inhalt des Kontrollgrundsatzes des Grundgesetzes . . . a) Verfassungsrechtliche Erwägungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlegungen der Neuen Institutionenökonomik . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtlich und gesetzlich ausgestaltete Kontrollen gegenüber dem Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interorgankontrolle gegenüber dem Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Politische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Einordnung der Kontrollkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Wirkungen von Kontrolle bzw. Kontrollkompetenzen . . . . . . b) Intraorgankontrolle von Parlamentsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . c) Extraorgankontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kontrolldefizite bei „Entscheidungen in eigener Sache“. . . . . . . . . . . . . a) Politikfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abgeordnetenentschädigung und -versorgung . . . . . . . . . . . . . . (a) Interorganisatorische Kontrollkompetenzen . . . . . . . . . . . . (aa) Bundesrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Bundespräsident/Bundeskanzler . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Gerichte, insbesondere Bundesverfassungsgericht . (b) Intraorganisatorische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Extraorganisatorische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fraktionsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Parteienfinanzierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Finanzierung der politischen Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Parlamentsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Regierungsbesoldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parlamentsrecht und Regelungen des Abgeordnetenstatus . . . . . . . . (1) Verfahrensrecht des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestags. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Regelungen des Rechts der Fraktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Regelungen des Rechts der Untersuchungsausschüsse . . . . . . (5) Einsetzen von Untersuchungsausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Regelung der Mitgliederzahl des Bundestages . . . . . . . . . . . . . (7) Regelung des Parlamentssitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Verlängerung der Wahlperiode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) Organisationsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (10) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis c) Parteienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aufgabenzuschreibung und Begriffsbestimmung. . . . . . . . . . . (2) Recht der innerparteilichen Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Recht der Rechenschaftsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Regelungen des Parteiverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Steuerliche Begünstigung von privater Parteienfinanzierung und steuerliche Freistellung der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wahlrecht und Wahlprüfungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wahlprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Entscheidungen über die Aufhebung der Immunität einzelner Abgeordneter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Amnestiegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Teil Die Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit A. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Interorganisatorisches Kontrolldefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende verfassungsmäßige Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Kontrollinitiativmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Extra- und intraorganisatorische Kontrollschwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konkurrenz der Kontrolldefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179 179 179 180 180 181 182
B. Definition der problematischen Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Der Begriff der „Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit“. . . . . . . . . . I. Präzision des Begriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Anknüpfungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Demokratie- und Parlamentsfreundlichkeit des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . .
183 183 184 184
5. Teil Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
186
A. Wirksamkeit von Entscheidungen erst für die nächste Legislaturperiode (27th Amendment) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 B. Beratende und beschließende Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Defizitausgleich durch eine beratende Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Defizitausgleich durch eine beschließende Kommission . . . . . . . . . . . . . . . 195 C. Indexierung staatlicher Leistungen im Rahmen der Politikfinanzierung . . . . . 197 D. Liegefristen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
12
Inhaltsverzeichnis
E. Judicial Activism . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entscheidung vom 9. April 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Entscheidung vom 26. Oktober 2004. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung der Praxis des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . .
203 205 206 207
F. Erweiterung von Klagemöglichkeiten und Intensivierung präsidentieller Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 G. Ergebnis und verfassungspolitischer Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Ausblick
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Verzeichnis der verwendeten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
1. Teil
Hinführung zum Thema Nemo iudex in sua causa. – Niemand kann Richter in eigener Sache sein. Diese bereits in der klassischen Philosophie1 anerkannte Sentenz, die ihren Niederschlag auch im römischen Recht fand,2 steht am Anfang dieser Arbeit. Auch die spätere Philosophie nahm sich ihrer an und betrachtete sie als – grundsätzlich – stets gültige3 Maxime,4 deren Problematik auch in die 1 Der Satz geht bereits auf Aristoteles’ Politik zurück: So heißt es im 3. Buch, _ _ _ kak wò. t˛ 9. Kapitel, 1280a, 13 ff.: _„oÔ dÍ tout’ afairousi t˛ oÆò_ ka˝ krûnousi _ . d’_ aîtion, Õti per˝ aët wn ê krûsiò sxedün d’ oÁ pleistoi fauloi krita˝ peri t wn oùkeûwn.“ „Aber das, für was etwas Recht sein soll, lässt man weg, und so urteilt man falsch; und davon ist der Grund, weil das Urteil den Richter selbst betrifft und fast die meisten in eigener Sache schlechte Richter sind.“ Die vom Supreme Court der USA in Gutierrez de Martinez v. Lamagno, 515 U.S. 417, 429 (1995), angenommene und z. T. in Zitatenschätzen angegebene Herkunft von Publilius Syrus (vom Supreme Court in der historisch unrichtigen Form Publius Syrus benannt) lässt sich nicht verifizieren, vgl. Publilius Syrus, Sententiae. 2 So zitiert bereits Ulpian den ihm etwa 70 Jahre vorausgehenden Salvius Julianus: „[. . .] iniquum est aliquem suae rei iudicem fieri.“, Dig. 5.1.17; s. a. Dig. 5.1.16-17. Vgl. auch die – zu Unrecht für die Herkunft des Grundsatzes zitierte – verrechtlichte Form im Codex Iustinianus, c. 3, 5.1,: „Ne quis in sua causa iudicet vel sibi ius dicat.“ Der verrechtlichte Grundsatz geht auf ältere Strukturen zurück, so ist eine vergleichbare Regelung bereits im Dekret der Imperatoren Valens, Gratianus und Valentinianus II. an den praefectus urbi Gracchus vom 1. Dezember 376 n. Chr. nachweisbar: „Generali lege decernimus neminem sibi esse iudicem vel ius sibi dicere debere. In re enim propria iniquuum admodum est alicui licentiam tribuere sententiae.“ 3 Vgl. nur J. Case, Sphaera Civitatis (1588), Lib. III Cap. VI. 6–7. Weniger deutlich hingegen der bei J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (182), als Beleg genannte Thomas von Aquin, De regimine principum (1256), I. 1, 3: „Si vero non ad bonum commune multitudinis, sed ad bonum privatum regentis reginem ordinetur, erit regimen injustum atque perversum.“, der sich jedoch in ders., Summa Theologica (ca. 1270), II-II Q 67, dahingehend äußert, dass der Richter nicht nach seinem Privatwissen, sondern nach den Auskünften der Zeugen zu urteilen habe. Thomas Hobbes hingegen begründet sein Urteil gegen Richten in eigener Sache damit, dass im Urzustand jeder ein solcher Richter sei, was jedoch letztlich zum Krieg aller gegen alle führe, weshalb solches ausgeschlossen werden müsse. Daraus schließt er die Notwendigkeit der Unparteilichkeit der Richter, vgl. Th. Hobbes, Leviathan (1651), Chapter XV; s. a. Chapter XXIII: „[. . .] no man can be judge in his own cause.“; ders., De Cive (1642), Chapter IV 16. s. a. B. Pascal, Pensées (1660), Sec. 2, 2: „Il n’est pas permis au plus équitable homme du monde d’être juge de sa cause.“
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1. Teil: Hinführung zum Thema
Literatur einging.5 Derart vermittelt fand der Grundsatz Eingang ins Kanonische Recht,6 aber auch in das Naturrecht, besonders in den Ländern des Common Law.7 4 In gewisser Hinsicht vertritt J. Locke, The Second Treatise on Government (1690), Ch. 7 § 90, die Gegenansicht, dass das Richten in eigener Sache natürliches Recht des Einzelnen sei. Die daraus resultierenden Probleme beantwortet er jedoch nicht mit der Monarchie, sondern mit dem Verfassungsstaat, s. insb. Ch. 2 § 13. Ähnlich auch Th. Paine, Rights of Man (1791), S. 53: „A man, by natural right, has a right to judge in his own cause; and so far as the right of the mind is concerned, he never surrenders it.“, welcher wiederum auf E. Burke, Reflections on the Revolution in France (1790), S. 85 (151): „One of the first motives to civil society, and which becomes one of its fundamental roles, is that no man should be judge in his own cause.“ repliziert. Die – zunächst positive – Referenz von Locke und Paine dürfte gedanklich auf die ebensolche bei B. de Spinoza, Tractatus Politicus (1677), C. 2, 12, zurückzuführen sein. 5 Vgl. W. Shakespeare, Measure for Measure (1604), 5. Akt, 1. Szene, Z. 166 ff., wo Shakespeare um der Darstellung außergewöhnlicher Ungerechtigkeit willen dem Herzog Vincentio seinem Cousin Angelo das Recht, im eigenen Falle zu richten, einräumen lässt: „Come, cousin Angelo; In this I’ll be impartial; be you judge Of your own cause.“ Auch Shakespeares jüngerer Zeitgenosse Philip Massinger ließ den Alonso in The Bashful Lover (1636) äußern: „No man’s a faithful judge in his own cause.“, zitiert nach J. M. Robertson, S. 121. 6 Decretum Gratiani (ca. 1140), P. II, C. II, Q. I, C. XVII: „In una enim eademque causa nullus simul potest esse accusator et iudex.“; P. II, C. IV, Q. IV, C. I: „Nullus umquam presumat accusator simul esse et iudex vel testis.“ Hierbei wurde der Satz auch zum Kampfbegriff in den Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst; s. hierzu William of Ockham, Dialogus, Pars I (ca. 1330), lib. VI, C. LII: „nullus esse debet iudex in propria causa.“ Siehe auch das Mandat Fidem Catholicam Kaiser Ludwigs IV. des Bayern (6. August 1338): „nullus in propria causa possit judicare vel jus sibi dicere“; zitiert nach: H.-J. Becker, Deutsches Archiv 26 (1970), S. 454 (493 ff.). Vgl. auch annähernd gleich lautend Johannes Calvinus’ Kommentar zu Psalm 19, 12. 7 Vgl. Chief Justice Hobarts Ausführungen in Day v. Savage (1614): „Because even an Act of Parliament, made against natural equity, as to make a man Judge in his own case, is void in itself, for Jura nature sunt immutabilia, and they are leges legum.“, in: H. Hobart, S. 87. s. a. E. Coke, Reports 8, Dr. Bonham’s Case (1610), S. 113b (118a): „nemo debet esse judex in propria causa sua“; ders., Institutes, 141a: „aliquis non debet esse judex in propria causa quia non potest esse judex at pars“; vgl. auch D. E. C. Yale, Cambr. L. J. 33 (1974), S. 80 ff., der insbesondere die so genannte yearbook period, also die Zeit bis zum frühen 16. Jahrhundert referiert. s. a. J. Madison, The Federalist No. 10, S. 77 (79); Calder v. Bull, 3 U.S. (3 Dall.) 386, 388 (1798); W. Blackstone, S. 91. Für den parlamentarischen Bereich: Th. Jefferson, A Manual for Parliamentary Practice, Sec. XVII: „In a case so contrary not only to the laws of decency, but to the fundamental principle of the social compact, which denies to any man to be a judge in his own cause [. . .]“. Vgl. aber auch Atkins v. U.S., 556 F. 2d 1028 ff., insb. 1053 f. (Ct. Cl., 1977), wo das zuständige Bundesgericht ausdrücklich die Möglichkeit sah, zu entscheiden, ob die Einkünfte der Bundesrichter verfassungsgemäß sind. Vgl. für den naturrechtlichen Ansatz im deutschen Recht H. Coing, S. 29.
1. Teil: Hinführung zum Thema
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Und vielfach endet bereits mit der Sentenz die Auseinandersetzung mit dem in der politischen und rechtswissenschaftlichen Diskussion häufig besprochenen Phänomen der parlamentarischen „Entscheidung in eigener Sache“.8 Aber: Gilt dieser Satz auch für das Parlament?9 Nemo legislator in suis causis? Sind die Parlamentarier den iudices gleichzustellen, ist das Parlament iudex, also Richter? Entscheidet der Abgeordnete, entscheidet das Parlament causae, also Rechtsfälle?10 Die Frage nach der Legitimität von „Entscheidungen in eigener Sache“ ist also mit der klugen lateinischen Sentenz längst nicht beantwortet. Es bedarf zumindest der Erläuterung, warum Parlamentarier und Parlament wie Richter zu behandeln sein sollen und warum die Entscheidungen des Parlaments qualitativ denen eines Gerichts gleichen sollen. Die Rechtswissenschaft hat sich bislang weitgehend um eine Begründung dieser Gleichsetzung gedrückt, einzig diejenigen, die einen wesentlichen Unterschied sehen, argumentieren vereinzelt für eine Differenzierung, ja, halten die „Entscheidung in eigener Sache“ für eine Selbstverständlichkeit.11 Der Begriff hält sich jedenfalls in der rechtswissenschaftlichen, insbesondere auch der populär-rechtswissenschaftlichen Diskussion und wird fast schon ritualisiert bei jeder Diätenentscheidung,12 jeder Parteienfinanzierungsentscheidung des Bundestages wiederholt – meist verbunden mit einem deutlich negativen Innuendo.13 Derartige Entscheidungen werden für 8 Um das Ergebnis der Arbeit ein wenig vorweg zu nehmen – schließlich ist die Einleitung traditionell der zuletzt verfasste Teil einer wissenschaftlichen Arbeit – wird, soweit es um parlamentarische Entscheidungen geht, der Begriff „Entscheidung in eigener Sache“ stets in Anführungszeichen auftauchen, denn in eigenen Sachen zu entscheiden, ist für ein Parlament alltägliche Aufgabe, da jede abstrakt-generelle Regelung im Grundsatz auch alle Parlamentarier erfasst, zumindest erfassen kann. 9 Diese Frage stellt auch J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 ff. Vgl. auch N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (518). 10 Letztlich wurde diese Frage erstmals von J. Madison, The Federalist 10, S. 77 (79), aufgeworfen: „No man is allowed to be a judge in his own cause, because his interest would certainly bias his judgment, and, not improbably corrupt his integrity. With equal, nay with greater reason, a body of men are unfit to be both judges and parties at the same time; yet what are many of the most important acts of legislation but so many judicial determinations, not indeed concerning the rights of large bodies of citizens? And what are the different classes of legislators but advocates and parties to the causes which they determine?“ 11 Allen voran H. H. Klein, ZParl 2000, 401 f. 12 Unklar ist, ob es solche Auseinandersetzungen nicht schon in antiker Zeit gab: Bereits im klassischen Athen wurden um 450 v. Chr. pauschale Tagungs- und Sitzungsgelder für die politische Partizipation gezahlt; vgl. D. Meyer, Jb. f. Wirtschaftswissenschaften 47 (1996), S. 324 (332). 13 Ein typisches Beispiel hierfür ist etwa der Titel „Der Staat als Beute – Wie Politiker in eigener Sache Gesetze machen“ von H. H. v. Arnim.
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1. Teil: Hinführung zum Thema
verfassungswidrig erklärt oder auch zum Anknüpfungspunkt verschiedener Rechtsfolgen gemacht.14 Wie wenig neu die Diskussion ist, zeigen die Verfassungsdebatten des amerikanischen Verfassungskonvents im Jahre 1787, der Zeit bis zur Ratifikation der US-Verfassung und die Debatten des ersten US-Kongresses 1789 über eine Verfassungsänderung zur Besoldung der Kongressabgeordneten.15 Trotz der insofern mindestens zweihundertjährigen Geschichte von parlamentarischen „Entscheidungen in eigener Sache“ waren die Versuche der rechtswissenschaftlichen Klärung der Begrifflichkeit eher spärlich. Definitionsversuche fehlen weitgehend, der Gebrauch des Begriffs ist von nachhaltiger Willkür der Verwender auf verschiedenste Sachverhalte geprägt. Trotz des Fehlens einer Definition werden verfassungsrechtliche Einwände gegen die „Entscheidung in eigener Sache“ als stehendem Begriff erhoben. Sie verletze das Amtsprinzip des Grundgesetzes. Darüber hinaus meint das Bundesverfassungsgericht, dass bei solchen Entscheidungen die innerparlamentarische Gegenmacht fehle,16 was wohl eine mangelhafte Kontrolle solcher Entscheidungen implizieren soll. Die öffentliche Meinung ist diesbezüglich ebenfalls feststehend: „Entscheidungen in eigener Sache“ werden als Selbstbedienung der Abgeordneten angesehen, sei es zu ihren Gunsten, sei es zugunsten der politischen Parteien. Derart qualifizierte Entscheidungen sind ein Grund für die allgemein beklagte „Politikverdrossenheit“ in der Bundesrepublik. Ihre Diskussion ist allgegenwärtig17 und der viel geschmähte „Stammtisch“ nimmt sich solcher Entscheidungen gerne an.18 Umso mehr überrascht die trotz häufiger Verwendung des Begriffs eher stiefmütterliche Behandlung des Phänomens in der Rechtswissenschaft, die sich eben in jenem Fehlen einer Definition und in willkürlicher Verwendung des Begriffs ausdrückt. Wie, fragt man sich, können ganze wissenschaftliche Lebenswerke auf einem Begriff aufgebaut werden, der eine klare Abgrenzung zu anderen, vergleichbaren Phänomenen völlig vermissen lässt? Wie kann es angehen, dass ein Begriff, der vielfach zum Synonym dessen gemacht wird, was im politischen System der Bundesrepublik fehl geht und 14
Vgl. dazu unten 2. Teil A.II.1. Vgl. dazu insb. R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 497, 502 ff.; Chr. M. Kennedy, 26 J. Marshall L. Rev. (1993), 977, 980 f.; und J. D. Spotts, 10 Ga.St.U. L. Rev. (1994), 337, 341 f. 16 BVerfGE 40, 296 (326); 85, 264 (292 f.). 17 Allein die Zugfahrt von Dortmund nach Augsburg an Heiligabend 2004 ließ den diese Zeilen verfassenden Autor zum Zuhörer von vier verschiedenen Diskussionsrunden zum Thema werden. 18 Und so entstand auch die Idee zu dieser Arbeit ursprünglich in einem Thüringer Restaurant beim berühmten Schwarzbier. 15
1. Teil: Hinführung zum Thema
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damit gar dieses System selbst in Frage stellt, rechtswissenschaftlich letztlich völlig konturlos bleibt? Wie kann es sein, dass eine Art parlamentarischer Entscheidung das „Gemeinwohl“ in Frage stellen soll, aber diese Art der Entscheidung recht willkürlich bei so unterschiedlichen Entscheidungen wie der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, ja bei der Wahl des Bundeskanzlers, und den Diätenentscheidungen gegeben sein soll? Hier wird deutlich: Der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ ist in seiner weitgehend willkürlichen Verwendbarkeit ein gefährlicher: Wenn derselbe Begriff auf die allgemein als problematisch angesehenen Diätenentscheidungen angewandt wird, zugleich aber auch auf selbstverständliche Parlamentsentscheidungen, ja Essentialien der parlamentarischen Demokratie, so öffnet der Begriff die Tür, um eben auch diese Essentialien in Frage zu stellen. Die Verschwommenheit des Begriffs kann daher von interessierter Seite durchaus zum Angriff auf das politische System der Bundesrepublik benutzt werden, indem sehr wohl Kritikwürdiges in Gemengelage mit Selbstverständlichem gebracht wird. Es fehlt an einer juristischen Einordnung des Begriffs, es fehlt die Verortung der „Entscheidung in eigener Sache“ auf der rechtswissenschaftlichen Landkarte, da der Begriff expansiv verwendbar ist. Dem will diese Arbeit abhelfen. Ziel der Arbeit ist es daher, die tatsächlich problematischen Sachverhalte zu erfassen und den Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ auf seine Stichhaltigkeit zu überprüfen, ihm – soweit möglich –19 Kontur zu verschaffen. Dabei ist es nicht einfach, mit einem definitionslosen Begriff zu hantieren, der zugleich auch noch von verschiedenen Autoren auf recht unterschiedliche Parlamentsentscheidungen angewandt wird. Ein Herangehen an den Begriff ist mithin sowohl von Tatbestands- als auch von Sachverhaltsseite nur schwer zu bewältigen. Daher wird es zunächst darum gehen, die Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“ überhaupt erst zu klären (2. Teil). Hierzu wird es nötig sein, sich zunächst mit den Definitionen der „Entscheidung in eigener Sache“ auseinanderzusetzen. Auch aus der definitionslosen Verwendung des Begriffs können sich darüber hinaus eventuell Grundlagen einer Definition erschließen lassen, was auch für die Heranziehung des Begriffs in Rechtsgebieten außerhalb des Rechts parlamentarischer Entscheidungen gilt. 19 Es wird sich herausstellen, dass eine solche Einordnung eben nicht möglich ist, die problematischen Sachverhalte unter neuer Fahne jedoch unproblematisch erfassbar sind.
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1. Teil: Hinführung zum Thema
Im nächsten Schritt gilt es dann, die Sachverhalte, die als „Entscheidungen in eigener Sache“ qualifiziert werden, zu erfassen, um sie mit den vorgefundenen Definitionen abzugleichen. Dabei wird sich erweisen, dass keine der Definitionen geeignet ist, eine befriedigende Klarstellung der Begrifflichkeit zu erwirken. Der Grund dafür, dass die Definitionen bislang von einem völlig verkehrten Ansatzpunkt ausgehen, wird sich im Hauptteil der Arbeit (3. Teil) erweisen: Hier wird die verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Lage bei derartigen Entscheidungen erläutert. Dabei werden sich verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Kriterien für die Darstellung der Problematik der als „Entscheidungen in eigener Sache“ betitelten Parlamentsentscheidungen ergeben. Nachdem hier zunächst, gestützt auf die Regelungen des Grundgesetzes, die „Entscheidungen in eigener Sache“ ausdrücklich zulassen, zu erläutern ist, ob das Grundgesetz dem Parlament derartige Entscheidungen nicht grundsätzlich zugesteht, werden im Weiteren die verfassungsrechtlichen Einwände des Amtsprinzips und des Kontrollgrundsatzes des Grundgesetzes gegen solche Entscheidungen geklärt. Bei der Erörterung der Einreden des Amtsprinzips wird sich hierbei die Untauglichkeit des Begriffs „Entscheidung in eigener Sache“ erweisen, die auf einem Fehlverständnis der verfassungsrechtlichen Stellung der Abgeordneten beruht. Dieses Fehlverständnis lässt sich dabei vielfach auf ein nicht unproblematisches Verhältnis zum Begriff des „Gemeinwohls“ und zur pluralistischen Demokratie des Grundgesetzes erklären, was sich aus den demokratie-, insbesondere pluralismustheoretischen und systemtheoretischen Erörterungen ergeben wird. Ebenso liegen dem Fehlverständnisse des Staatsorgans Bundestag zugrunde. Hingegen zeigen die nachfolgenden Ausführungen zum Kontrollgrundsatz des Grundgesetzes auf, inwieweit und welcher Art tatsächlich verfassungstheoretische Probleme bei bestimmten der als „Entscheidungen in eigener Sache“ qualifizierten Entscheidungen bestehen. Ausgehend vom Grundsatz, dass Parlamentsentscheidungen der inter-, intra- und extraorganisatorischen Kontrolle bedürfen, werden hier die als „Entscheidungen in eigener Sache“ genannten Sachverhalte auf die bei ihnen bestehenden Kontrollen hin überprüft. Dabei wird sich erweisen, dass vor allem bei Entscheidungen zur Politikfinanzierung eine besondere, in der Struktur des Grundgesetzes angelegte Kontrolldefizienz besteht. Im nächsten Teil (4. Teil) der Arbeit werden die Ergebnisse der vorhergehenden Erhebung nochmals zusammengefasst und ihnen eine gemeinsame Definition zugrunde gelegt. Die problematischen Entscheidungen leiden unter einem doppelten Kontrolldefizit. Diese Definition macht nochmals deutlich, wie ungeeignet der Begriff der „Entscheidung in eigener
1. Teil: Hinführung zum Thema
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Sache“ zur Darstellung der verfassungsrechtlichen und verfassungstheoretischen Situation ist, da er an völlig falscher Stelle ansetzt. Daher wird den problematischen Parlamentsentscheidungen auch ein mit der Definition kongruierender Name gegeben: Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit. Nachdem die Vorzüge dieses Begriffs auseinander gesetzt werden, ist es Aufgabe des nächsten Teils der Arbeit (5. Teil), verfassungs- und rechtspolitische Möglichkeiten der Eingrenzung bzw. Behebung des Kontrolldefizits aufzuzeigen, wie sie zu guten Teilen bereits für die „Entscheidung in eigener Sache“ vorgeschlagen wurden, damit jedoch eventuell Fälle erfasst hätten, bei denen ein Kontrolldefizit gar nicht vorliegt. Auch kann sehr viel präziser auf das jeweilige Kontrolldefizit eingegangen werden. Zunächst bedarf es jedoch der Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“.
2. Teil
Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“ Auffallend ist an der bisherigen Debatte über „Entscheidungen in eigener Sache“, dass bislang kaum der Versuch unternommen wurde, eine Definition des Begriffes zu gewinnen. Dies überrascht, wenn man bedenkt, dass der Begriff vielfach in der Literatur, ja sogar in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verwandt wird.
A. Die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“ Mangels einer solchen Definition leidet die Einheitlichkeit der Verwendung des Begriffs. Im folgenden wird daher zu klären sein, welche Autoren sich an einer solchen Definition versuchen (I.) und welche Autoren den Begriff ohne zugrundeliegende Definition verwenden (II.). Bei den auf eine Definition verzichtenden Verwendern wird darüber hinaus zu klären sein, wie und mit welchem Inhalt sie die Begrifflichkeit gebrauchen, um hieraus eine mögliche Definition zu gewinnen (III.). Im weiteren wird es gelten, sich mit den Definitionen auseinanderzusetzen und ihre Brauchbarkeit für die zu behandelnden Rechtsfragen zu klären.
I. Definitionen der „Entscheidung in eigener Sache“ Zu erörtern ist, welche Autoren sich bislang an eine Definition der Parlamentsentscheidung „in eigener Sache“ herangewagt haben. Der prominenteste Versuch einer Definition der Begrifflichkeit von „Entscheidungen in eigener Sache“, bezogen auf solche des Parlaments, stammt von Hans-Jochen Vogel.1 Er meint, dass das Parlament in eigener Sache entscheide, „wenn es von der Entscheidung nur – oder primär – selber in seiner Eigenschaft als Verfassungsorgan betroffen ist.“2 Eine solche Ent1 2
H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (293 f.). H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (293).
A. Die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“
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scheidung gehe dann in aller Regel mit einer kollektiven Organbetroffenheit seiner Mitglieder, also der Abgeordneten, einher. Andererseits sei eine „Entscheidung in eigener Sache“ auch dann gegeben, wenn die Entscheidung alle Abgeordneten gerade eben in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete betrifft.3 Da Vogel im Weiteren erkennt, dass ihm die Definition des Begriffs anhand formaler Kriterien doch etwas weit geraten ist, weil unter sie diverse Fälle subsumierbar sind, die allgemein als unproblematisch angesehen werden, verengt er seine Definition in der Folge mit Hilfe eines materiellen Kriteriums: Die unter der Begrifflichkeit zu fassende Regelung müsse materielle, genauer finanzielle Wirkung entfalten, sich also auf das Einkommen derjenigen, die entscheiden, auswirken.4 In die gleiche Richtung wie Vogel zielt Christian Pestalozza. Er verwendet den Begriff „Entscheidung in eigener Sache“ nur als Zitat des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.4a Da er das Faktum „Entscheidung in eigener Sache“ für problematisch hält, scheint er daran auch Rechtsfolgen knüpfen bzw. jedenfalls seine Existenz beseitigen zu wollen, weshalb er für eine Verfassungsänderung plädiert.5 Für ihn ist eine solche Entscheidung dann gegeben, wenn der Empfänger von materiellen Werten aus einer Norm deren Inhalt selbst bestimmt, wenn also die Gesetzesunterworfenen zugleich Gesetzgeber sind. Darüber hinaus meint er an anderer Stelle im Zusammenhang mit einem Amnestiegesetz, das auch Bundestagsabgeordnete betroffen hätte, dass grundsätzlich derjenige, der einen Vor- oder Nachteil aus einer Entscheidung hat, an dieser nicht mitwirken dürfe.6 Auch Georg Christoph Schneider versucht sich an einer Definition.7 Er meint, dass begrifflich nur von einer „Entscheidung in eigener Sache“ gesprochen werden kann, wenn das Parlament als Verfassungsorgan oder die beschließenden Abgeordneten in ihrer Funktion als Parlamentsmitglieder von der Entscheidung betroffen sind. Letztlich ist er aber der Ansicht, dass allein aus der Zugehörigkeit zur Fallgruppe von „Entscheidungen in eigener Sache“ keine kritische Betrachtungsweise resultieren müsse.8
3
H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (293). H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (295). Dem schließt sich auch A. Fischer, S. 17, an. Ähnlich auch Chr. Pestalozza, NJW 1987, 818 (820 f.). Für eine Bedeutsamkeit der finanziellen „Entscheidung in eigener Sache“ auch M. Morlok, JZ 1989, 1035 (1045). 4a BVerfGE 40, 296 (327). 5 Chr. Pestalozza, NJW 1987, 818 (820 f.). 6 Chr. Pestalozza, JZ 1984, 559 (561). 7 G. Chr. Schneider, S. 83. 8 G. Chr. Schneider, S. 84. 4
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
II. Verwendungen der Begrifflichkeit ohne weitergehende Definition Unter den Verwendern der Begrifflichkeit der „Entscheidung in eigener Sache“ lassen sich zwei Gruppen unterscheiden, deren eine den Begriff mehr oder minder deutlich als rechtliche Kategorie ansieht (1.), während die andere Gruppe den Begriff als Rechtskategorie ablehnt oder ihn bestenfalls als Grundlage einer ethischen Verpflichtung ansieht (2.).9 In letzterer Gruppe werden auch Stimmen zu nennen sein, die gänzlich auf die Auseinandersetzung mit der Frage verzichten, ob in der „Entscheidung in eigener Sache“ eine rechtliche Besonderheit gegenüber sonstigen Parlamentsentscheidungen liegt.10 1. „Entscheidung in eigener Sache“ als rechtliche Kategorie Wie eingangs erwähnt, gibt es eine Gruppe von Autoren bzw. gerichtliche Äußerungen, die eine rechtliche Bedeutsamkeit des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“ annimmt, jedenfalls anzunehmen scheint, obgleich sie dem Begriff keine abschließende Definition unterlegt. Dabei sind im einzelnen vier verschiedene Richtungen zu unterscheiden, die sich teilweise überschneiden. Schon Julius Hatschek, der den Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ nicht verwendet, stellt die Frage, ob das Parlament für sich selbst entscheiden dürfe.11 Und auch Theodor Eschenburg kennt einen verwandten Begriff: den der „Entscheidung in eigener Angelegenheit“.12 Eine Definition scheint ihm indes nicht geboten. Thilo Ramm verzichtet ebenfalls auf jedwede Definition, was allerdings an der Populärwissenschaftlichkeit seiner Publikation liegen mag, obgleich er Rechtssetzung „in eigener Sache“ grundsätzlich für verfassungswidrig hält.13 Letztlich sieht wohl auch Hans 9 Letzteres insbesondere bei J. Isensee, ZParl 2000, 402 (409); ders., in: Diskussion der Beiträge von Hans Hugo Klein, Josef Isensee, Siegfried Broß und Wolfgang Rudzio, ZParl 2000, 441 (462). s. a. ders., FS Schiedermair, S. 181 (189). 10 Die Zuordnung zu den beiden Gruppen ist bei manchen Autoren nicht abschließend einzuhalten, da einzelne Vertreter der beiden Richtungen ihre Einstellung im Laufe der Zeit geändert haben mögen, bei manchen Autoren indes die Äußerungen etwas vage sind, was eine Zuordnung erschwert. 11 J. Hatschek, Parlamentsrecht, S. 627 f. 12 Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 85. Zwar spricht er davon, dass die Abgeordneten bei der Erhöhung der Diäten „befangen“ seien, jedoch ergibt sich aus dem Kontext, dass er damit nicht „Befangenheit“ im Rechtssinne meint, sondern vielmehr, dass sie sich „genieren“, ihre Diäten anzuheben. 13 Th. Ramm, FOCUS 2000, 80 (80).
A. Die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“
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Heinrich Rupp in den „Entscheidungen in eigener Sache“ eine rechtliche Kategorie.14 Allerdings verzichtet er gänzlich auf eine Umschreibung des Phänomens und nennt nur Beispiele. Ähnlich verfährt Lothar Determann.15 Rudolf Streinz verwendet den Begriff ebenfalls und will daraus eine die Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts zum Anlegen eines hohen Kontrollmaßstabs ableiten.16 Hans-Heinrich Trute will ebenfalls bei „Entscheidung in eigener Sache“ höhere Kontrollmaßstäbe zulassen, verzichtet aber ebenso auf eine Begriffsklärung.17 Martin Morlok ist ein weiterer Verwender des Begriffs, der auf eine Definition verzichtet.18 Auch Helmuth SchulzeFielitz gebraucht den Begriff ohne weitere Klarstellung, knüpft aber daran ein verschärftes Gesetzgebungsverfahren.19 Selbst Peter Conradi verwendet den Begriff undefiniert und benutzt alternativ den Begriff von „Entscheidungen in eigenen Angelegenheiten“.20 Auch Dieter Umbach verzichtet auf jedwede Definition des Begriffes.21 Nichts anderes gilt für Siegfried Magiera.22 Auch Markus Schmidt bezieht sich auf „Entscheidungen in eigener Sache“, ohne zu äußern, was der Begriff beinhaltet.23 Diesem Weg folgen auch Edzart Schmidt-Jortzig und Frank Hansen.24 Desgleichen geht Hans Meyer vor.25 Gleiches gilt für Thomas Drysch26 und Horst Sendler.27 Erich Eyermann scheint, allerdings leicht ironisch, den Begriff mit „Selbstbedienung“ gleichzusetzen28 und zitiert dabei wohl den ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann.29 Der Begriff der Selbstbedienung 14
H. H. Rupp, ZG 1992, 285 (289). L. Determann, BayVBl. 1997, 385 (385). 16 R. Streinz, in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 21 Abs. 1 Rn. 180. 17 H.-H. Trute, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 48 Rn. 28 f. 18 M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 21 Rn. 114; Art. 38 Rn. 143; ders., NVwZ 2005, 157 (157); ders., in: D. Th. Tsatsos, 30 Jahre Parteiengesetz, S. 53 (61 f.; 66 ff.), ders., in: H. H. v. Arnim, Reform der Parteiendemokratie, S. 155 (171 f.); ders., in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (100 ff.); ders., NJW 1995, 29 (31); ders., JZ 1989, 1035 (1044). Insbesondere in der letztgenannten Fundstelle wird deutlich, dass Morlok die Situation der „Entscheidung in eigener Sache“ mit besonderen Kontrollkompetenzen des Bundesverfassungsgerichts und besonderen Anforderungen ans Gesetzgebungsverfahren versehen will. 19 H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 48 Rn. 31 f. 20 P. Conradi, ZParl 1976, 112 (112, 119). 21 D. Umbach, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 48 Rn. 34. 22 S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 48 Rn. 27. 23 M. Schmidt, MIP 9 (1999), 76 (77). 24 E. Schmidt-Jortzig/F. Hansen, NVwZ 1994, 1145 (1148). 25 H. Meyer, FS Mahrenholz, S. 319 (319). 26 Th. Drysch, NVwZ 1994, 218 (222). 27 H. Sendler, NJW 1994, 365 (366). 28 E. Eyermann, ZRP 1992, 201 (201). 15
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
wiederholt sich bei Hans-Peter Vierhaus, hier allerdings durchaus ernst gemeint.30 An anderer Stelle verzichtet er allerdings auf eine solche Qualifizierung und jedwede Definition.31 Zu guter Letzt verzichtet auch die Verfassungsgerichtsbarkeit als eine der prominentesten Verwenderinnen des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“ auf jedwede Definition. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 5. November 1975 – der sicherlich herausragendsten Nennung der Begrifflichkeit – von jedweder Definition abgesehen.32 Die Linie des Bundesverfassungsgerichts wird dabei auch vom nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof nachvollzogen, der ebenfalls besondere Anforderungen an das Gesetzgebungsverfahren „in eigener Sache“ stellt.33 Dem schloss sich auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof an.34 Für die Gruppe der Verwender der Begrifflichkeit „Entscheidung in eigener Sache“, die auf eine Definition verzichten, ist davon auszugehen, dass sie der nächsten zu nennenden Gruppe inhaltlich nahe steht, da der Begriff auch in anderen Rechtsgebieten verwandt wird, wo er einen Teilbereich von Befangenheit ausmacht bzw. mit dieser identifiziert wird.35 Und eben in Zusammenhang mit dem Begriff der Befangenheit sieht die nächste Gruppe das zugrunde liegende Phänomen. Mit Befangenheit identifizieren namentlich Heike Merten36 und Christine Knebel-Pfuhl37 die Lage bei „Entscheidungen in eigener Sache“. Ebenfalls auf den Begriff der Befangenheit bezieht sicht Armin Feit.38 Auch bei Dirk Meyer39 findet sich dieser Ansatz, dem auch Walter Roidl40 folgt, wieder. Am Begriff der Befangenheit bzw. der Selbstbetroffenheit macht auch Hans-Peter Schneider die Begrifflichkeit fest, wenn er als Grundlage des Unbehagens über „Parlamentsentscheidungen in eigener Sache“ den im Corpus Iuris anklingenden Satz 29
Vgl. G. Wewer, in: ders., Parteienfinanzierung, S. 420 (422). H.-P. Vierhaus, ZRP 1991, 468 (469). 31 H.-P. Vierhaus, NVwZ 1993, 36 (41). 32 BVerfGE 40, 296 (327); allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in neueren Entscheidungen auf die Begrifflichkeit verzichtet, vgl. insb. BVerfGE 85, 264 (291 f.). Es spricht nurmehr vom Fehlen des korrigierenden Elements gegenläufiger Interessen. 33 NWVerfGH NJW 1996, 164 (165). 34 ThürVerfGH NVwZ-RR 1999, 282 (284). 35 Vgl. dazu unten C.1. 36 H. Merten, S. 96. 37 Chr. Knebel-Pfuhl, S. 59 ff. 38 A. Veit, Geleitwort, in: H. H. v. Arnim, Die neue Parteienfinanzierung, 1989, S. 3. 39 D. Meyer, Jb. f. Wirtschaftswissenschaften 47 (1996), 324 (325, 340). 40 W. Roidl, NVwZ 1988, 905 (905). 30
A. Die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“
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„nemo iudex in causa sua“ sieht.41 Auch spielt bei ihm Interessenübereinstimmung, also Interessenkonflikt, eine Rolle.42 Ohne stehende Definition arbeitet auch Hans Herbert von Arnim, der sich in seinem Werk den Phänomenen der „Entscheidung in eigener Sache“ weitgehend gewidmet hat, jedoch den Begriff letztlich als stehenden, der Ausfüllung nicht bedürfenden, verwendet.43 Am nächsten kommt einer Definition noch die Formulierung, dass eine solche Entscheidung gegeben sei, wenn die Entscheidenden ein eigenes Interesse an der Entscheidung haben.44 Solche Entscheidungen seien vom „Virus des Selbstinteresses“ befallen.45 Eine Festsetzung von Leistungen für sich im eigenen Namen sei bei solchen Entscheidungen gegeben.46 Neuerdings erweitert er diese Formulierung dahingehend, dass sich bei derartigen Entscheidungen Entscheidende und Begünstigte entsprechen oder doch sehr nahe stehen.47 Auch bei ihm findet sich der 41 H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), S. 327, S. 327 (327, 331 ff.). s. a. ders., in: AK-GG, Art. 48 (2002) Rn. 13. Für eine rechtliche Bedeutsamkeit der Selbstbetroffenheit der Abgeordneten auch W.-R. Schenke, NJW 1979, 1321 (1326). 42 H.-P. Schneider, in: AK-GG, Art. 48 (2002) Rn. 16. 43 H. H. v. Arnim, NJW 2004, 1422 (1425); ders., ZRP 2003, 235 (236); ders., NVwZ 2003, 1076 (1077); ders., ZRP 2002, 223 (226); ders., Politik Macht Geld, S. 100; ders., Vom schönen Schein der Demokratie, S. 36; ders., Das neue Abgeordnetengesetz, S. 24 ff.; ders., Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 25, 31 ff., 134, 137, 178, 199 f., 350, 360, 373, 376 f., 405 f.; ders., NJW 1996, 1233 (insb. 1237 ff.); ders., Staat ohne Diener, S. 108; ders., Der Staat sind wir!, S. 109; ders., ZRP 1995, 340 (343); ders., Der Staat als Beute, S. 26, 342 ff.; ders., ApuZ 1993, 14 (19 ff.); ders., Finanzierung der Fraktionen, S. 29 ff., 68 f.; ders., JZ 1990, 1014 (1014); ders., ZRP 1989, 257 ff.; ders., in: Schneider/Zeh, § 16 Rn. 22, 28 ff.; ders., Macht macht erfinderisch, S. 138; ders., DVBl. 1987, 1241 (1245 ff.); ders., Die neue Parteienfinanzierung, S. 139, 158 f.; ders., ZRP 1988, 83 (85 f.); ders., Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle?, 1987, S. 23 f.; 26 ff., 60 f.; ders., Staatslehre, S. 266 f., 270 f., 274 ff., 430, 482 f.; ders., DVBl. 1983, 712 ff.; ders., Aktuelle Probleme der Parteienfinanzierung, S. 7; ders., Parteienfinanzierung, S. 46 ff., 139 ff.; ders., in: BK, Art. 48 (1980), Rn. 85; ders., Reform der Abgeordnetenentschädigung, S. 44 ff.; ders., Die Abgeordnetendiäten, S. 41 f, 49; 51 f.; ders., Parlamentsreform, S. 41, 48. 44 H. H. v. Arnim, ZRP 1988, 83 (85 f.). s. a. ders.; Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle?, S. 23; ders., Parteienfinanzierung, S. 47; ders., in: BK, Art. 48 (1980) Rn. 85; ders., Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 52, 192, 388 ff.; ders., Die Abgeordnetendiäten, S. 41. 45 H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 346; ders., Staatslehre, S. 482. 46 H. H. v. Arnim, Reform der Abgeordnetenentschädigung, S. 44; ders., Die Abgeordnetendiäten, S. 41. 47 H. H. v. Arnim, Das neue Abgeordnetengesetz, S. 26; ders., Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 178; ders., Der Staat als Beute, S. 342; ders., Finanzierung der Fraktionen, S. 30; ders., Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle, S. 23 f.; ders., Aktuelle Probleme der Parteienfinanzierung, S. 7; ders., Die Abgeordnetendiäten, S. 41.
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
Begriff der Befangenheit.48 Z. T. arbeitet er auch nur mit Beispielen.49 Darüber hinaus greift er den Begriff des Insichgeschäfts auf.50 Mit dem Insichgeschäft identifiziert eine weitere Gruppe die „Entscheidung in eigener Sache“. Der Gedanke findet sich zunächst bei Peter Häberle, der aber auch die Befangenheit benennt.51 Einen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt an die „Entscheidung in eigener Sache“, von ihm als In-Sich-Geschäft der Parteien bezeichnet, sieht im Ergebnis wohl auch Philipp Kunig.52 Und auch Anette Fischer, die an sich Vogels Definition folgt, kann sich dem Gesichtspunkt des Insichgeschäfts nicht entziehen,53 das sich für den Bereich der Politikfinanzierung allgemein ohne Verweis auf den Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ auch bei Volker Schütte findet.54 Sowohl dem Begriff der Befangenheit als auch dem des Insichgeschäfts liegt die Sicht eines Interessenkonfliktes zugrunde, und als solcher wird die „Entscheidung in eigener Sache“ qualifiziert. Hildegard Krüger knüpft an das Vorliegen von Gesetzgebung „in eigener Sache“ diverse Rechtsfolgen und geht mithin von der rechtlichen Bedeutsamkeit des Vorliegens des Tatbestandes von Gesetzgebung „in eigener Sache“ aus. Sie sieht Fälle von „Entscheidungen in eigener Sache“ eben bei Interessenkollisionen als gegeben an.55 Ihr schließt sich Hans J. Wolff an.56 Uwe Volkmann stützt sich ebenfalls auf den Begriff der Interessenkollision.57 Wilhelm Henke, im Ergebnis einer der harschesten Kritiker der „Entscheidungen in eigener Sache“, der sie gar als der Verfassung widersprechend ansehen will, erläutert hauptsächlich die Fragen, die er an solchen Entscheidungen für problematisch hält, ohne diese Probleme als Definition zu unterlegen. Letztlich stellt er auf die Identität von Entscheidenden und von der Entscheidung Betroffenen ab, wenn er formuliert, dass praktisch die Parteien selbst über die Parteienfinanzierung entscheiden. Auch macht er deut48 H. H. v. Arnim, ZRP 1995, 340 (348); ders., Die Partei; der Abgeordnete und das Geld, S. 25; ders., Der Staat als Beute, S. 342; ders., Finanzierung der Fraktionen, S. 30, 68 f.; ders., DVBl. 1987, 1241 (1246); ders., Staatslehre, S. 430, 482; ders., Parlamentsreform, S. 41. 49 H. H. v. Arnim, Staatslehre, S. 430. 50 H. H. v. Arnim, Staatslehre, S. 274; ders., Parteienfinanzierung, S. 47; ders., Die Abgeordnetendiäten, S. 41; ders., Parlamentsreform, S. 41. 51 P. Häberle, Freiheit, NJW 1976, 537 (542 f.). 52 Ph. Kunig, Parteien, in: HStR III3, § 40 Rn. 116. 53 A. Fischer, S. 17. 54 V. Schütte, KritJ 1993, 87 (91). 55 H. Krüger, DVBl. 1964, 220 (220). 56 H. J. Wolff, Verwaltungsrecht III, S. 281. 57 U. Volkmann, S. 323.
A. Die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“
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lich, dass er letztlich den Vertretern eines Interessenkonflikts anhängt, wenn er formuliert, dass das Interesse an der Finanzierung seiner Partei für jedes Parlamentsmitglied unmittelbar und dringlich gegeben sei.58 Somit lässt sich als Zwischenergebnis festhalten, dass drei verschiedene Herangehensweisen an den Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ bei den Autoren, die von rechtlicher Relevanz ausgehen, bestehen. Einerseits wird die Parallele zur Befangenheit gezogen, andererseits eine ebensolche zum Insichgeschäft, eine weitere Gruppe geht von einem Interessenkonflikt aus. Inwiefern diese Parallelen tatsächlich einer Definition des Phänomens „Entscheidung in eigener Sache“ dienen können, wird später zu überprüfen sein. 2. Ablehnende Ansichten zum Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ als Rechtskategorie Im Gegensatz zu den vorgenannten gehen einige Stimmen davon aus, dass das Vorliegen einer „Entscheidung in eigener Sache“ keinerlei rechtliche Relevanz hat. Nichtsdestoweniger können auch bei diesen Autoren Ansatzpunkte für eine Definition existieren. Vielfach folgen auch diejenigen Autoren, die eine rechtliche Relevanz bestreiten, einer der vier genannten Gruppen. Sven Hölscheidt lehnt sich dabei an die Definition Hans-Jochen Vogels an, knüpft aber zugleich auch an den Befangenheitsbegriff und das Insichgeschäft an.59 Rechtliche Konsequenzen lehnt er indes ab. Hans Hugo Klein geht davon aus, dass alle Gesetze solche „in eigener Sache“ sind, da alle Mitglieder des Parlaments von den Gesetzen potentiell betroffen sind.60 Jedoch meint er, dass der Begriff an den der Befangenheit anknüpfe.61 Eine rechtliche Bedeutung lehnt er indes ab.62 Nicht anders taucht der Begriff auch bei Siegfried Broß auf, der auf die Selbstbetroffenheit der Entscheidenden abstellt, also des Parlaments und seiner Mitglieder.63 Wohl nicht als Rechtsbegriff verwenden auch Jessica Kertels und Stefan Brink die Formulierung „Entscheidung in eigener Sache“, benennen sie aber als eine Entscheidung der unmittelbar Betroffenen.64 Auch 58
W. Henke, in: BK, Art. 21 (1991) Rn. 321 f. S. Hölscheidt, S. 579 ff. 60 H. H. Klein, ZParl 2000, 401 (401). 61 Vgl. auch H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 21 (2001), Rn. 424 f.; und insb. ders., in: Maunz/Dürig, Art. 48 (1998), Rn. 148 ff., insb. 149. 62 H. H. Klein, ZParl 2000, 401 (401); ders., FS Blümel, S. 225 (245 f.). 63 S. Broß, ZParl 2000, 424 (425). 64 J. Kertels/St. Brink, NVwZ 2003, 435 (437). 59
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
J. Christian von Waldthausen knüpft, obwohl er im Ergebnis bei derartigen Entscheidungen wohl nicht grundsätzlich von rechtlicher Bedeutsamkeit ausgeht, an den Begriff der Betroffenheit an. Er spricht von kollektiver Organwalterbetroffenheit.65 Felix Welti negiert die Bedeutsamkeit des Begriffes, indem er den Begriff der Befangenheit für Parlamente und ihre Mitglieder grundsätzlich ablehnt.66 Ähnlich scheint sich auch Paul Kirchhof67 zu äußern. Wie Hans-Peter Schneider68 verfährt hingegen Josef Isensee. Auch er sieht im Begriff Anklänge an die aus Verwaltung und Jurisdiktion bekannte Befangenheitsbegrifflichkeit und stellt insoweit ebenfalls auf den „nemo iudex in causa sua“-Satz ab.69 Allerdings lehnt er den Begriff als Anküpfungspunkt für rechtliche Folgen ab.70 Dennoch spricht auch er vom Insichgeschäft.71 Hartmut Klatt verzichtet auf eine Definition, schließt sich dennoch Hildegard Krügers Nezug auf Interessenkollisionen an, lehnt solche aber letztlich als unmöglich ab.72 Auch Norbert Achterberg und Martin Schulte, die weitgehend Klatts Argumentation folgen, sprechen von der Gefahr einer Interessenkollision.73 Hans-Detlef Horn bringt die Kategorie des Insichgeschäfts ins Spiel, obgleich er rechtliche Folgen ablehnt.74 Walter Schmitt Glaeser, der eigentlich auf Häberle repliziert,75 äußert scharfe Kritik an der Anknüpfung am Insichgeschäft und sieht an der „Entscheidung in eigener Sache“ letztlich keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt.76 Ingo von Münch hält Fälle der „Entscheidung in eigener Sache“ für solche der Rechtskultur, macht jedoch keine tatsächliche rechtliche Kategorie an ihr fest.77 Er verzichtet ebenso auf eine Definition oder Näherung wie 65
J. Chr. v. Waldthausen, S. 113 f. F. Welti, S. 184 ff., 381 f. 67 P. Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1333). 68 Vgl. Fn. 41. 69 J. Isensee, ZParl 2000, 402 (403 f.); ders., FS Schiedermair, S. 181 ff. 70 Undeutlicher hingegen J. Isensee, FS Fromme, S. 41 (61 f.), und anders wohl noch in ders., NJW 1993, 2583 (2586), wo gar von einem „rechtsstaatlichen Skandalon“ gesprochen wird. 71 J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (181). 72 H. Klatt, ZParl 1973, 407 (417). 73 N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (521 ff.). s. a. ders./M. Schulte, in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 38 Abs. 1 Rn. 59 ff., Art. 48 Rn. 50. 74 H.-D. Horn, in: Diskussion der Beiträge von Hans Hugo Klein, Josef Isensee, Siegfried Broß und Wolfgang Rudzio, ZParl 2000, 441 (458). 75 Vgl. Fn. 51. 76 W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1083 ff., insb. 1194. 77 I. v. Münch, NJW 1993, 1673 (1675). 66
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der Bayerische Verfassungsgerichtshof, der die juristische Bedeutsamkeit des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“ ebenfalls zu leugnen scheint, wenn er ausführt, dass an Gesetze, die diesem Schlagwort unterfallen, keine besonderen Anforderungen zu stellen sind.78 Auch Klaus Stern geht vom Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ aus, wenn er ihn auch nur als „quasi“ gegeben ansieht, und das Odium dieses Begriffes abgewandt wissen will.79 Franz-Joseph Peine sieht bei Entscheidungen des Parlaments in eigenen Angelegenheiten keine Missbrauchsgefahr des Mandats und scheint mithin keine rechtlichen Folgen an solche Entscheidungen knüpfen zu wollen.80 Nicht abschließend klar ist, wie Rudolf Wassermann, der den Begriff ohne Anknüpfung verwendet,81 die rechtliche Bedeutsamkeit einordnet, was auch für Florian Edinger gilt.82 Als Zwischenergebnis lässt sich somit hier festhalten, dass auch die Stimmen, die eine rechtliche Relevanz der „Entscheidung in eigener Sache“ ablehnen, bei der Begrifflichkeit die selben Bezugspunkte sehen, wie die Stimmen, die eine rechtliche Bedeutsamkeit annehmen. 3. Der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ in anderen Rechtsgebieten Der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ ist in der deutschsprachigen Literatur außer im Bereich des Staats- und Verfassungsrechts in verschiedenen Gebieten des Rechts gebräuchlich. Möglicherweise kann aus den hier der „Entscheidung in eigener Sache“ unterlegten Bedeutungen und Definitionen eine Annäherung auch an den verfassungsrechtlichen Begriff, soweit ein solcher existiert, gewonnen werden. Daher bedarf es einer Untersuchung, in welchen Bereichen der Begriff üblich ist und welche Inhalte ihm gegeben werden. a) Verwaltungsrecht Z. T. wird die Begrifflichkeit im Verwaltungsrecht verwandt, dann allerdings gleichbedeutend meist mit dem Begriff der Befangenheit.83 Das Bun78
BayVerfGH DVBl. 1983, 705 (708). K. Stern, Staatsrecht I, 1984, § 24 II 2, S. 1066. 80 F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (916, 921). 81 R. Wassermann, NJW 2000, 2560 (2560). 82 F. Edinger, ZParl 1999, 206 (303). 83 H. J. Bonk/W. Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 72 Rn. 108, § 74 Rn. 8 Fn. 7; C. R. Eggers/B. Malmendier, NJW 2003, 780 (83). s. a. H. J. Bonk, NVwZ 2001, 636 (640), unter Berufung auf BVerwGE 69, 255 (264); BVerwGE 75, 214 (228); BVerwG, NVwZ 1988, 527, bzw. OLG Brandenburg, 79
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desverfassungsgericht verwendet den Begriff gleichbedeutend mit Interessenkollision.84 Einen besonderen Ansatzpunkt wählt Detlef Merten, der wegen der Beteiligung der Behörde am Verwaltungsverfahren für jeden Verwaltungsakt von einer „Entscheidung in eigener Sache“ seitens der erlassenden Behörde ausgeht.85 Dem ist auch das Bundesverwaltungsgericht gefolgt,86 jedoch differenziert es offensichtlich an anderer Stelle zwischen rechtsstaatlich hinnehmbaren „Entscheidungen in eigener Sache“ und solchen, die es nicht sind.87 Auch an anderer Stelle, wenn es um die Kostenerstattung für den Widerspruchsführer analog § 161 II VwGO bei Erledigung des Verwaltungsakts im Vorverfahren geht, hält das Bundesverwaltungsgericht ein Entscheiden der Behörde für ein solches „in eigener Sache“ und mithin für unzulässig.88 Anders äußert sich das Kammergericht, wenn es deutlich macht, dass „Entscheidungen in eigener Sache“ zwar notwendig sein können, aber behördliche Entscheidungen doch stets frei von eigenen Interessen der Behörde abzulaufen hätten.89 Das KG spricht insoweit von Entscheidungen unter „institutioneller Parteilichkeit“. Es wird diesbezüglich zwischen Fällen unterschieden, in denen ein persönliches Interesse des Entscheidenden besteht und solchen, in denen das Interesse kein persönliches, sondern eines der öffentlichen Einrichtung ist, der der Entscheider angehört. Zum Teil wird das gesamte Widerspruchsverfahren nach §§ 68 ff. VwGO als „Entscheiden in eigener Sache“ angesprochen.90 Auch die Entscheidung über die sofortige Vollziehbarkeit wird z. T. so benannt.91 Ebenso soll die Verwaltungsvollstreckung eine solche „in eigener Sache“ sein.92 NVwZ 1999, 1142, wo allerdings der Begriff durchgehend nicht auftaucht. Für das Kommunalrecht vgl. OVG Koblenz, NVwZ-RR 1996, 218 (219). 84 BVerfG NJW 2004, 1648 (1648), allerdings wird der Begriff ausdrücklich in Anführungszeichen gesetzt. Vgl. auch BVerfG NVwZ 1988, 523 (523). 85 D. Merten, NJW 1983, 1993 (1995). Ähnlich H. Ostendorf/J. Brüning, JuS 2001, 1063 (1066); J. Pietzger, NZBau 2004, 530 (533). 86 BVerwG VIZ 1996, 447 (447). 87 BVerwG NVwZ 1998, 737 (737). Im konkreten Falle der Identität einer Kommune als Bauherrin und Genehmigungsbehörde sah das Bundesverwaltungsgericht keine nachhaltigen Probleme. Vgl. auch H. Schlarmann/B. Hildebrandt, NVwZ 1999, 350 (352). 88 BVerwGE 40, 313 (318 f.). Dem stellt sich H. Dreier, NVwZ 1987, 474 (475 f.) mit dem Argument entgegen, dass der Verwaltung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens als ordentlichem Rechtsbehelfsverfahren ohnehin eine Selbstprüfung, mithin wohl also eine „Entscheidung in eigener Sache“, zugemutet und zugetraut werde. 89 KG NJW-RR 1991, 1069 (1070). 90 H. Dreier, NVwZ 1987, 474 (475 f.), Vgl. auch C. Heydemann, NVwZ 1993, 419 (419). 91 Differenzierend H. Jäde, NVwZ 1986, 101 (102). 92 G. Lüke, NJW 1990, 2665 (2666).
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Einen weiteren Bereich von „Entscheidungen in eigener Sache“ können Entscheidungen von Umweltgutachtern im Rahmen des Umwelt-Audit ausmachen, da sie einerseits als Berater zur Verfügung stehen sollen, andererseits das von ihnen mit geschaffene System beurteilen sollen.93 b) Recht der Gerichte und Prozessrecht Der Rechtsbereich, in dem besonders häufig von „Entscheidungen in eigener Sache“ die Rede ist, ist freilich das Recht der Gerichte und das Prozessrecht. Der Rechtsgrundsatz „nemo iudex in causa sua“ findet sich auch im Recht der deutschen Gerichte wieder.94 Er ist einer der Fundamentalgrundsätze für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nach Art. 97 GG.95 Im Prozessrecht wird der Begriff meist gleichbedeutend mit oder jedenfalls als Teilbereich der Unparteilichkeit und Unbefangenheit verwandt,96 etwa auch für die Bestimmung von Dienstzeiten für Richter durch die Gerichte selbst97 oder die faktische Bestimmung des Bundesverfassungsgerichts über den Inhalt des BVerfGG.98 Eine Einzelstimme hält auch die Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts über die Mitwirkungsfähigkeit von Richtern, deren Amtszeit abgelaufen ist, für ein Richten „in eigener Sache“, da die Richter damit auch über ihre eigene Beteiligungsfähigkeit im Falle des Ablaufs ihrer Wahlperiode mitentscheiden.99 Im Rahmen des schiedsgerichtlichen Verfahrens soll die Entscheidung über das Honorar des Schiedsgerichts eine „Entscheidung in eigener Sache“ darstellen, die dem ordre public widerspreche.100 Eine ausdrückliche Abkehr vom Grundsatz, dass der Richter nicht in eigener Sache entscheiden dürfe, findet sich für die Frage der Abstimmung über die Befangenheit im Recht der Schieds93
W. Strobel, DStR 1995, 1715 (1720). Vgl. etwa BVerfG NJW 1991, 217 (218). 95 E. Benda, NJW 2000, 3620 (3621). 96 Vgl. BGH NStZ 1984, 419 (420), LG Darmstadt, NJW-RR 1999, 289 (289); K. Doehring, NJW 1987, 3232 (3233). Vgl. etwa auch W. Voit, in: Musielak, ZPO, § 1057, Rn. 1; § 1059 Rn. 26 Fn. 75; § 1066 Rn. 10. 97 H. Sendler, NJW 2001, 1256 (1257). 98 R. Zuck, NJW 1998, 3028 (3030). 99 K. Doehring, NJW 1987, 3232 (3233); BVerfGE 82, 286 (292). s. a. B. Rüthers, NJW 1996, 1867 (1869) zur Verlängerung der Amtsperiode zweier Bundesverfassungsrichter durch das Gericht. 100 BGHZ 142, 204 (206 f.); 94, 92; H. H. Bischof, SchiedsVZ 2004, 252 (253); St. Kröll, SchiedsVZ 2004, 113 (119); ders., NJW 2001, 1173 (1183); D. Hantke, SchiedsVZ 2003, 269 (273), unter Berufung auf BGHZ 94, 92. Vgl. auch Empfehlung der Bundesnotarkammer für eine Schiedsvereinbarung mit Verfahrens- und Vergütungsvereinbarung, BNotZ 2000, 401 (413); W. Jagenburg, NJW 1986, 3179 (3187); Chr. Söderlund, SchiedsVZ 2004, 130 (137). 94
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gerichtsbarkeit.101 Auch soll die Entscheidung eines Kollegialgerichts über die Befangenheit eines seiner Mitglieder eine zulässige Entscheidung in eigener Sache sein.102 Ebenso findet sich eine Ausnahme in § 26a II StPO, wonach bei unzulässigen und missbräuchlichen Ablehnungsanträgen gegen einen Richter dieser selbst über die Ablehnung mitentscheiden darf. Dies wird damit begründet, dass der abgelehnte Richter in diesem Fall in eine Sachprüfung nicht eintritt, sondern sich nur mit der Zulässigkeit des Antrags befasst.103 Schließlich soll auch das Verhängen von Ordnungsstrafen im Gerichtssaal ein „Entscheiden in eigener Sache“ darstellen.104 Günter Spendel meint darüber hinaus, dass auch die Entscheidungen von Gerichten zum Thema Rechtsbeugung anderer Gerichte in gewisser Hinsicht solche „in eigener Sache“ seien.105 Einen Sonderfall stellen dabei auch hier die Probleme der institutionellen Parteilichkeit dar.106 Eine Besonderheit hiervon ist wiederum dabei die (rechtlich ausgeschlossene) Möglichkeit der Stellungt von Parlamentsmitgliedern als Mitglieder eines Verfassungsgerichts.107 Insbesondere erkannte das Bundesverfassungsgericht dem Hessischen Wahlprüfungsgericht nicht das Prädikat eines Gerichts zu, da in ihm Abgeordnete als Richter in eigener Sache tätig seien.108 Darüber hinaus soll niemand zum gerichtlichen Gutachter in eigener Sache bestellt werden, wie der BGH am Beispiel des Europäischen Patentamts deutlich macht, wenn es um die Wirksamkeit von Patenten geht.109 Ein Zu-Gericht-Sitzen über sich selbst nimmt etwa auch Konrad Löw in jedem Falle an, wenn der Staat oder eine seiner Institutionen Partei in einem Gerichtsverfahren ist. Dies werde allerdings durch die Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit konterkariert.110 101
Vgl. OLG Saarbrücken, SchiedsVZ 2003, 94 (95); J. Münch, in: MüKo ZPO III, § 1037 Rn. 2. 102 Vgl. für das Bundesverfassungsgericht: R. Lamprecht, NJW 1999, 2791 (2791); ders., NJW 1993, 2222 (2222). 103 H. Günther, NJW 1986, 281 (289 f., insb. Fn. 108) m. w. N. aus der Rechtsprechung; A. Pentz, NJW 1999, 2000 (2002). 104 Vgl. W. Hassemer, NJW 1985, 1921 (1927). 105 G. Spendel, NJW 1996, 809 (809). 106 Siehe dazu auch soeben unter a. Vgl. auch K. Tiedemann/U. Sieber, NJW 1984, 753 (757), für den Fall des Beschlagnahmeantrages eines Strafrichters gegenüber behördlich sichergestellten Gegenständen. 107 P. Schechinger, NVwZ 1993, 446 (447 Fn. 23, 449). 108 Vgl. BVerfG NJW 2001, 1048 (1053); HessStGH NJW 2000, 2891 (2892 f.). Siehe hierzu auch W. Schmidt, JuS 2001, 545 ff.; ders., NJW 2001, 1035 (1035). 109 F. Gauye Wolhaendler/D. Stauder/U. Joos/G. Kolle, GRURInt 1996, 1134 (1140).
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Nicht unumstritten ist das sog. „Schreiben in eigener Sache“; d.h. die ein gerichtliches Verfahren begleitende bzw. im Nachhinein besprechende Publikation durch Personen, die am Urteil mitgewirkt haben.111 c) Kartellrecht Im Kartellrecht findet sich ebenfalls vereinzelt der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“. Sie liege dann vor, wenn die Landeskartellbehörden als bei den Wirtschaftsministerien eingerichtete Behörden, etwa bei der Verwaltung von Eigenbetrieben kartellrechtliche Entscheidungen treffen.112 d) Gesellschaftsrecht Im gesellschaftsrechtlichen Bereich wird der Begriff ebenfalls verwandt, namentlich für die Erstellung der Bilanz durch den Komplementär einer Kommanditgesellschaft.113 Auch im Aktienrecht wird der Grundsatz genannt, dass niemand nach § 136 I und § 142 I AktG Richter „in eigener Sache“ sein dürfe, weshalb Aufsichtsratsmitglieder bei Interessenkollisionen nicht stimmberechtigt seien.114 Im Recht der Gesellschaften mit beschränkter Haftung soll § 47 IV GmbHG dieser Gedanke unterliegen.115 Dieser 110
K. Löw, S. 31. Vgl. zur Kritik des Schreibens in eigener Sache K. Redeker, NJW 1983, 1034 ff.; anders aber W. Habscheid, NJW 1999, 2230 ff.; H. Sendler, NJW 1997, 918 (918 f.); ders., FG Gesellschaft für Rechtspolitik, S. 413 ff.; W. Thieme, NJW 1983, 2015 ff.; P. Ulmer, NJW 1983, 2923 f. 112 KG NJW-RR 1991, 1069 (1070). Vgl. auch R. Werner, in: Wiedemann, Handbuch Kartellrecht, § 53 Rn. 3, der die „eigene Sache“ allerdings ausdrücklich in Anführungszeichen setzt und somit wohl von mangelnder rechtlicher Tauglichkeit des Begriffs ausgeht. 113 G. Hoch, DStR 1998, 134 (134); W.-D. Hoffmann/W. Sauter, DStR 1996, 967 (972). 114 BayObLG NZG 2003, 691 (692 f.); OLG Karlsruhe NZG 2001, 30 (31); LG Köln NJW-RR 1998, 966 (967); T. Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1022 f.); Th. Behnke, NZG 2000, 665 (671); F. Fischer, NZG 1999, 192 (192 f.); K. Schmidt, NJW 1986, 2018 (2019) m. w. N.; J. Semler/A. Stengel, NZG 2003, 1 (3); M. Stadler/K. Berner, NZG 2003, 49 (50); P. Ulmer, NJW 1982, 2288 (2288); C. Wohlwend, NJW 2001, 3170 (3171). Vgl. zum Gesamten V. Matthießen, passim; F. Wardenbach, passim. 115 BGH NJW-RR 2003, 895 (896), BGH NJW 1986, 2051 (2052 f.); OLG Düsseldorf NZG 2001, 991 (993); OLG Köln NZG 1999, 1112 (1115) m. Anmerkung M. Schüppen, der insoweit zustimmt; OLG München NZG 1999, 839 (840); T. Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1022); W. Goette, DStR 2001, 533 (538); S. Keusch/K. Rotter, NZG 2003, 671 (672); K. Langenbucher, JuS 2004, 581 (583); M. Lohr, NZG 2002, 551 ff.; F. v. Look, NJW 1991, 152 (152); F. Oppenländer, 111
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Grundsatz wird ebenso für den Hausverwalter, der von Miteigentümern zur Ausübung des Stimmrechts der Miteigentümerversammlung bei seiner Entlastung ermächtigt wird, nutzbar gemacht.116 Auch im Vereinsrechts soll nach § 34 BGB für Vorstandsmitglieder ein Stimmrechtsausschluss „in eigener Sache“ gelten.117 Nichts anderes gilt nach § 42 VI GenG.118 e) Vergaberecht der Deutschen Bahn AG Die Sperrentscheidungen der Deutschen Bahn AG nach Abschnitt 2 und Abschnitt 5 der Richtlinie zur Sperrung von Auftragnehmern und Lieferanten sowie deren Überprüfung und Revision im Rahmen des Vergaberechts werden ebenfalls als „Richten in eigener Sache“ angesehen.119 f) Allgemeines Zivilrecht Im Zivilrecht wird der Begriff z. T. als Entsprechung des In-Sich-Geschäfts gebraucht.120 Aber auch sonst wird der Begriff für eine bestimmte Form von Interessenkonflikt verwandt.121 g) Arbeitsrecht Im Kollektivarbeitsrecht wird zum Teil die Entscheidung über die gewillkürte Betriebsverfassung durch die Tarifvertragsparteien anstelle der Betriebsparteien als „Entscheidung in eigener Sache“ verstanden, da diese eigene Interessen verfolgten – hier wird also auf den Begriff einer InteresDStR 1996, 922 (924); K. Schmidt, NJW 1986, 2018 (2019); J. Semler/Th. Asmus, NZG 2004, 881 (882); A. Sigle, DStR 1992, 469 (470); M. Stadler/K. Berner, NZG 2003, 49 (50). Vgl. auch OLG München NZG 2004, 422 (423). Kein Richten in diesem Sinne liegt allerdings in der Selbstwahl zum Geschäftsführer, KG NZG 2004, 664 (665). 116 KG NJW-RR 1989, 144 (144 f.). 117 W. J. Friedrich, DStR 1994, 100 (101); A. C. Linker/G. Zinger, NZG 2002, 497 (499); F. v. Look, NJW 1991, 152 (152); D. Reuter, in: MüKo BGB I, § 34 Rn. 5 m. w. N., wobei hier die Entscheidung in eigener Sache mit Interessenkonflikt umschrieben wird; K. Schmidt, NJW 1986, 2018 (2019); J. Semler/A. Stenge, NZG 2003, 1 (3). 118 F. v. Look, NJW 1991, 152 (152); K. Schmidt, NJW 1986, 2018 (2019). 119 U. Battis/J. Kersten, NZBau 2004, 303 ff. A. A. J. Pietzger, NZBau 2004, 530 (532 ff.). 120 Vgl. etwa BGH NJW-RR 1993, 1285; C. Dörr/B. Hansen, NJW 1994, 2799 (2800). 121 Vgl. etwa BGH NJW-RR 1989, 110 (111); OLG München NJW-RR 1993, 1507 (1512) für Testamentsvollstrecker. Vgl. auch J. Mayer, ZEV 2000, 1 (5).
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senkollision abgestellt.122 Auch bei Entscheidungen von Betriebsräten, die von der Entscheidung selbst betroffen sind, wird der Begriff benutzt.123 Hier wird der Begriff der Interessenkollision gleichbedeutend angebracht, das Betriebsratsmitglied von der Entscheidung ausgeschlossen. Auch im Rahmen einer möglichen Selbstbeurlaubung des Arbeitnehmers wird von Richten in eigener Sache gesprochen.124 h) Strafvollzugsrecht Im Strafvollzugsrecht wird dem Anstaltsleiter die Disziplinargewalt in den Fällen nach § 105 II StVollzG genommen, in denen er als Richter „in eigener Sache“ handeln würde.125 Das KG verwendet hier den Begriff ebenfalls synonym für Befangenheit.
III. Auswertung Wie bereits am Anfang angesprochen, war das wissenschaftliche Bemühen um eine Definition bzw. eine wirksame Benennung der Grenzen der Begrifflichkeit der „Entscheidung in eigener Sache“ eher begrenzt denn sehr ausgeprägt. Um so mehr verwundert die allgemeine Geläufigkeit der Begrifflichkeit, die heute in keinem Grundgesetzkommentar mehr fehlt und die stets von interessierter Seite im Rahmen von Diätenfestsetzungen, Parteienfinanzierungsentscheidungen und ähnlichem durch die Parlamente in Stellung gebracht wird. Nichtsdestoweniger verbietet sich zu diesem Zeitpunkt noch eine Bewertung der Begrifflichkeit. Schließlich ist es in der Tat möglich, dass der Begriff für sich selbst spricht bzw. dass die meist rudimentäre Darlegung der Begrifflichkeit durchaus ausreicht. Letztlich lassen sich aber doch dreierlei dem Begriff unterlegte Bedeutungen als herausragend nachzeichnen, die in engem Zusammenhang miteinander stehen. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Grundüberlegungen der genannten Autoren unterscheiden, wobei sich die eine eher am Prozessrecht orientiert, die andere an einem zivilrechtlichen Begriff. Die erste Gruppe bezieht sich auf den Begriff der Befangenheit. Dazu gehören sämtliche Autorenmeinungen, die auf den Begriff selbst bzw. auf Begrifflichkeiten wie Interessenkollision reflektieren. Dies macht die weitaus 122
E. Picker, RdA 2001, 259 (282). St. Rspr. Vgl. BAG, NZA 2000, 440 ff.; BAG NJW 1982, 1175. s. a. G. Etzel, NJW 1982, 2347 (2352); H. Oetker, ZfA 1984, 409 ff. 124 A. Gerauer, NZA 1988, 154 (156). 125 KG NStZ 2000, 111 (112). s. a. die Anmerkung hierzu von J. Walter, NStZ 2000, 447 f. Vgl. auch A. Böhm, in: Schwind/Böhm, StVollzG, § 105 Rn. 3. 123
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größte Gruppe derjenigen Autoren aus, die sich für eine rechtliche Bedeutsamkeit des Begriffes der „Entscheidung in eigener Sache“ aussprechen. Auch die große Mehrheit der Autoren, die die rechtliche Bedeutsamkeit ablehnen, hält sich an diese Linie. Eine weitere und von der ersten Gruppe nicht unbedingt personell zu separierende Gruppe126 stellt hingegen auf den Begriff des Insichgeschäfts ab, der in Anlehnung an § 181 BGB entwickelt wird. Aus dem Rahmen fällt letztlich nur Vogels Definition, die sich um eine wesentliche Einengung des Begriffes der „Entscheidung in eigener Sache“ – jedenfalls als rechtlich relevantem – bemüht. Während Vogels Definition, die durchaus an den Begriff der Befangenheit angelehnt und als solche bereits anknüpfungsfähig ist, sind im Weiteren die Begriffe der Befangenheit bzw. des Insichgeschäfts aufzuklären, um eine Basis für die Überprüfung bestimmter Entscheidungen als zur Gruppe der „Entscheidungen in eigener Sache zugehörig“ zu ermöglichen. 1. Befangenheit Zu klären ist daher nunmehr, was unter dem Begriff der Befangenheit zu verstehen ist. Schon seine Definition ist nicht unproblematisch. Dabei unterscheiden sich die bei den Gerichten bestehenden Standards nur rudimentär von den im Rahmen der Verwaltung üblichen. Darüber hinaus gibt es auch für den parlamentarischen Bereich vereinzelt Befangenheitsregeln. a) Befangenheit im Prozessrecht Das Recht der Befangenheit ist in den verschiedenen Prozessordnungen z. T. ausdrücklich, z. T. unter Verweisung auf die Ausführungen der ZPO geregelt. In der ZPO finden sich die einschlägigen Regelungen in den §§ 41 ff., wobei für die hier interessierende Frage der Befangenheitsdefinition allein die §§ 41, 42 II ZPO von Interesse sind. In den § 1036 f. ZPO finden sich Befangenheitsregeln für die Schiedsgerichtsbarkeit. Die Regelung des § 6 FGG ist derjenigen des § 41 ZPO stark angenähert. § 10 RPflG verweist ausdrücklich auf die Regelungen der ZPO. Auch die Regelungen der §§ 22, 23 und 24 II StPO ähneln den Vorschriften der ZPO stark. Die VwGO verweist in § 54 auf die ZPO-Regeln und fügt dem noch eine Erläuterung hinzu. § 51 FGO enthält ebenfalls einen Verweis auf die ZPO-Vorschriften, jedoch werden darüber hinaus einzelne Besonderheiten 126 Vgl. insbesondere H. H. v. Arnim, Staatslehre S. 274; ders., Parteienfinanzierung, S. 47; ders., Die Abgeordnetendiäten, S. 41; ders., Parlamentsreform, S. 41.
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der Finanzgerichtsbarkeit geregelt; dasselbe gilt im Rahmen der Sozialgerichtsbarkeit nach § 60 SGG. Das ArbGG besitzt eine entsprechende Verweisung in § 46 II 1 ArbGG. Der konkrete Ausschluss wegen Befangenheit findet dann aber nach § 49 ArbGG statt. Eine Sonderregelung findet sich insbesondere in den §§ 18 f. BVerfGG. Nunmehr ist zu klären, welche Besonderheiten sich im jeweiligen Rechtsgebiet ergeben, um am Ende zu versuchen, in einer Art Synopse wesentliche Grundlagen des Befangenheitsbegriffs zu klären. Dies dient der möglichen Antwort auf die Frage, inwiefern das Parlament bzw. seine Mitglieder bestimmte Entscheidungen, die als solche „in eigener Sache“ bezeichnet werden, befangen treffen. (1) Der Befangenheitsbegriff des zivilen Prozessrechts Wie die meisten anderen Prozessordnungen unterscheidet die ZPO zunächst zwischen Regelungen des gesetzlich verpflichtenden Ausschlusses einer Gerichtsperson und dem fakultativen, nur bei Geltendmachen durch die Parteien des Rechtsstreits zu beachtenden, Ausschlussgrund der Besorgnis der Befangenheit. Zunächst erfassen die Regelungen über den Ausschluss und die Besorgnis der Befangenheit nicht nur die haupt-, neben- oder ehrenamtlichen Richter, sondern über § 49 ZPO auch die Urkundsbeamten. Für Sachverständige findet sich eine entsprechende Regelung in § 406 I ZPO, bei denen allerdings nur eine Ablehnung, nicht jedoch ein automatischer Ausschluss gegeben ist. Auch Dolmetscher werden über § 191 GVG von dieser Regelung erfasst. § 41 ZPO unterscheidet in seinem abschließenden Katalog127 zwingender Ausschlussgründe verschiedene Inkompatibilitätsregelungen. Nr. 1 enthält dabei die klassische Regelung des „Nemo iudex in causa sua“, die Nrn. 2 und 3 enthalten die Inkompatibilität für Rechtssachen Angehöriger, die Nrn. 4 bis 6 die Fälle, in denen der Richter in gleicher Sache eine andere Prozessrolle inne hat bzw. hatte. So darf der Richter nach Nr. 1 nicht selbst Prozesspartei bzw. Mitberechtigter, Mitverpflichteter oder Regressverpflichteter einer Prozesspartei sein. Nicht erfasst sollen von diesen Ausschlussgründen aber Richter sein, die Mitglieder eines als Prozesspartei am Verfahren beteiligten rechtsfähigen Vereins, einer Aktiengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder 127 Zur Unstreitigkeit der vollständigen Enumeration vgl. Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 41 Rn. 1; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41Rn. 5; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 41 Rn. 2; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 41 Rn. 1; alle m. w. N.
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einer sonstigen Körperschaft sind.128 Ein nichtrechtsfähiger Verein ist zumindest insoweit ebenfalls nicht erfasst, wenn die Haftung des Richters auf den Anteil am Vereinsvermögen begrenzt ist.129 Darin liegt auch die Begründung des fehlenden Ausschlusses in den erstgenannten Fällen: Der Richter kann hier keinen unmittelbaren wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteil erlangen. Ein mittelbarer Vorteil kann daher nur die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 II ZPO im Einzelfall begründen.130 Dieselben Regeln gelten nach § 41 Nrn. 2, 2a und 3 ZPO für die Fälle, in denen der Ehegatte, der Lebenspartner oder ein naher Verwandter eine entsprechende prozessuale Rolle einnehmen. Eine Inkompatibilität nach Nrn. 3 bis 6 ist hingegen dann gegeben, wenn der Richter im selben Verfahren bzw. in einem Verfahren mit identischem Streitgegenstand als Vertreter oder Beistand einer der Prozessparteien tätig ist oder war,131 als Zeuge oder Sachverständiger zum selben Sachverhalt, wobei ein prozessrechtlicher Zusammenhang bestehen muss, vernommen wurde,132 oder wenn der Richter in einem früheren Rechtszug bzw. im schiedsrichterlichen Verfahren die nunmehr angefochtene Entscheidung (mit-)erlassen hat.133 An sich sind mithin Fälle, die vom Wortlaut her als „Richten in eigener Sache“ gelten können, von § 41 ZPO erfasst. § 41 ZPO regelt somit einen Kernbereich, in denen der Gesetzgeber bestimmte Fälle der Befangenheit bzw. der Besorgnis der Befangenheit typisiert und in diesen Fällen eine Inkompatibilitätsregelung ausspricht. Allerdings wurde bereits aufgezeigt, dass auch im Rahmen der Besorgnis der Befangenheit ähnliche Fragestellungen, etwa bei Vereinsmitgliedschaften des Richters bei einer Prozesspartei, diskutiert werden. 128
Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 41 Rn. 16; P. Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41 Rn. 8; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 41 Rn. 8; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 41 Rn. 4; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 41 Rn. 6. 129 Vgl. Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 41 Rn. 8; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 41 Rn. 7. 130 Vgl. Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 41 Rn. 8; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 41 Rn. 7; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 41 Rn. 8; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 41 Rn. 4. 131 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 41 Rn. 20; P. Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41 Rn. 12; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 41 Rn. 11; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 41 Rn. 7 ff. 132 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 41 Rn. 21 ff.; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41 Rn. 13; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 41 Rn. 12; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 41 Rn. 11. 133 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 41 Rn. 24 ff; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 41 Rn. 14; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 41 Rn. 13; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 41 Rn. 12 ff.
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Für eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO ist es dabei vonnöten, dass objektivierte Gründe vom Standpunkt des Ablehnenden her bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter sei voreingenommen und parteiisch.134 Eine tatsächliche Befangenheit ist hingegen nicht erforderlich. Als Fallgruppen, in denen sich im Einzelfall eine solche Besorgnis ergeben kann, werden die mittelbare Beteiligung des Richters und ein eigenes Interesse am Rechtsstreit,135 nahe persönliche Beziehungen zu einer Prozesspartei136 bzw. zu deren Prozessvertreter,137 die Interessenwahrnehmung für eine Partei138 sowie die Vorbefassung mit dem Fall139 genannt. Darüber hinaus kann sich die Besorgnis aus der konkreten Prozessleitung durch den Richter ergeben.140 Wichtig ist, dass sich wegen des gesellschaftlichen Standorts eines Richters, sei es seiner Mitgliedschaft in einer Partei, einer religiösen Vereinigung oder einer Gewerkschaft in der Regel keine solche Besorgnis ergeben kann,141 ebenso wenig wie durch das Kundtun eigener Rechtsansichten durch Publikationen.142 Nichtsdestoweniger ist eine solche Besorgnis im Einzelfall möglich. Auch die Regelungen zur Schiedsgerichtsbarkeit setzen sich in § 1036 ZPO mit der Frage von Unparteilichkeit und Unabhängigkeit auseinander. 134 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 42 Rn. 4; P. Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 42 Rn. 10; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 42 Rn. 4; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 42 Rn. 4; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 9 m. w. N. 135 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 42 Rn. 13; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 11. 136 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 42 Rn. 8 ff.; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 42 Rn. 14; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 42 Rn. 15 f.; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 12. 137 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 42 Rn. 8; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 42 Rn. 14; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 42 Rn. 17 ff.; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 13. 138 Vgl. M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 14. 139 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 42 Rn. 23 ff.; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 42 Rn. 13; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 42 Rn. 13; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 15. 140 Vgl. Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 42 Rn. 10 ff.; O. Niemann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 42 Rn. 6 ff.; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 20–25. 141 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 42 Rn. 9, aber auch 23; P. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 42 Rn. 35; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 42 Rn. 15; O. Niemann, in Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 42 Rn. 19; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 30–32. 142 Vgl. O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 42 Rn. 21; Chr. Heinrich, in: Musielak, ZPO, § 42 Rn. 16; O. Niemann, in Wieczorek/Schütze, ZPO I 1, § 42 Rn. 20; M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 33.
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Obgleich es keine gesetzlichen Ausschlussgründe gibt, ist doch eine Ablehnung des Schiedsrichters wegen Besorgnis der Befangenheit möglich. Da hier jedoch kein unverzichtbares öffentliches Interesse an der Unabhängigkeit bestehen soll,143 wird z. T. auch auf den Kompensationseffekt beiderseitiger Parteilichkeit hingewiesen, wenn bei einem Dreierschiedsgericht die Parteien jeweils ein Mitglied benennen können.144 Dies soll gar einer verbesserten Rechtsfindung dienen.145 Wohl aus vergleichbarem Grund kennt auch das ArbGG die Besetzung der Arbeitsgerichte mit ehrenamtlichen Richtern sowohl von Arbeitnehmer-, als auch von Arbeitgeberseite. Ansonsten enthält das ArbGG mit Ausnahme der Verweisungen der §§ 46 II, 80 II, 87 II, 92 II ArbGG keine weitergehenden Regelungen des Befangenheitsrechts. Eine Besonderheit stellt die Mitteilungsverpflichtung des Gerichts gegenüber den Prozessparteien dar, offen legen zu müssen, wenn es eventuelle Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit gibt. Diese Regelung wirkt sich analog auch für das zivilprozessuale Verfahren und sämtliche gerichtliche Verfahren aus, die Ablehnungsregeln kennen, insbesondere auch im Rahmen des FGG.146 § 6 FGG hingegen kennt nur die zwingenden Ausschlussgründe des § 41 Nrn. 1–4 ZPO. Für die sonstigen Befangenheitsfälle sieht § 6 II FGG hingegen nur eine – in pflichtgemäßem Ermessen des Richters stehende – Selbstablehnung vor. Nichtsdestoweniger kommen die §§ 41 ff. ZPO wegen der Verfassungswidrigkeit des § 6 II FGG a. F. zur Anwendung.147 Das Rechtspflegergesetz hingegen verweist in § 10 RPflG auf die Vorschriften der ZPO. Insofern lässt sich feststellen, dass nach (i. w. S.) zivilprozessualen Vorschriften Befangenheit vorliegt, wenn der Richter konkret-individuell und unmittelbar von seiner Entscheidung betroffen wäre. Die Besorgnis der Befangenheit kann sich ergeben, wenn der Richter von seiner Entscheidung mittelbar betroffen ist.
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R. Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1036 Rn. 1 m. w. N. R. Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1036 Rn. 7 m. w. N. 145 Vgl. zum Problem insb. W. Habscheid, NJW 1962, 5 (9). 146 M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 48 Rn. 1. 147 O. Feiber, in: MüKo ZPO I, § 41 Rn. 5; W. Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/ Winkler, FG, § 6 Rn. 39 m. w. N. 144
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(2) Der Befangenheitsbegriff der StPO Die Strafprozessordnung enthält mit den §§ 22–24 StPO Regelungen, die denen der ZPO weitgehend ähneln. Auch hier existiert in § 22 StPO ein enumerativer Katalog von Inkompatibilitätsregeln, der dem des § 41 Nrn. 1–5 ZPO insoweit entspricht, als hier nicht von Parteieigenschaft, sondern von Verletzten oder Beschuldigteneigenschaft die Rede ist.148 § 23 StPO hingegen ist wie § 41 Nr. 6 ZPO gestaltet. § 24 II StPO ist wortlautidentisch mit § 42 II ZPO. Insoweit ergeben sich hier keine wesentlichen Unterschiede zur Bedeutung der entsprechenden Vorschriften der ZPO.149 (3) Der Befangenheitsbegriff der Verwaltungsgerichtsordnungen (FGO, VwGO, SGG) § 54 I VwGO verweist zunächst auf die Regelungen der ZPO, erweitert aber § 41 Nr. 6 ZPO auch für den Fall, dass der Richter an der gerichtlichen Entscheidung vorausgehenden Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Auch hier soll der Richter dadurch dem Einwand entzogen sein, er habe sich in der Sache bereits festgelegt und könne seine Entscheidung nicht mehr mit der gebotenen Objektivität treffen.150 Eine Sonderregelung für die Besorgnis der Befangenheit wird in § 54 III VwGO typisiert. Zwar wird hier derjenige Richter, der der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen vom Verfahren berührt sind, stets der begründeten Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt. Wird diese jedoch nicht geltend gemacht, kann der Richter am Verfahren mitwirken. Allerdings wird dies wohl nicht häufig der Fall sein, da der Richter gegen sich selbst – wie im zivilprozessualen Verfahren – nach § 48 ZPO ein Ablehnungsverfahren einleiten kann. Insoweit ist er ausdrücklich zu einer Verfahrenshandlung „in eigener Sache“ ermächtigt. Das SGG enthält in § 60 die § 54 VwGO entsprechenden Regelungen.151 Auch hier findet sich der Ausschluss bei Teilnahme am vorangegangenen Verwaltungsverfahren und der typisierte Grund der Besorgnis der Befangenheit bei Mitgliedschaft in der Vertretung einer Körperschaft, deren Interessen berührt sind. Dasselbe gilt für die Regelung des § 51 FGO. 148 Hier sei angemerkt, dass sich interessanterweise kein geschriebener zwingender Ausschlussgrund für den Fall findet, dass der Richter selbst der Beschuldigte ist. 149 Vgl. auch zu einer Sonderform institutioneller Befangenheit von Strafrichtern nach dem Ende des sog. Dritten Reichs: M. v. Miquel, in: Frei, Karrieren im Zwielicht, S. 181 ff. 150 VGH München BayVBl. 1985, 311 (311). 151 Vgl. auch U. Wenner, NZS 1999, 172 (178).
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Für die Ablehnung von Sachverständigen und Dolmetschern finden sich entsprechende Verweisungsnormen in den Prozessordnungen. (4) Der Befangenheitsbegriff des BVerfGG Eine völlig eigenständige Regelung hat das Befangenheitsrecht außer in der StPO und der ZPO nur im BVerfGG erlangt. Dabei entspricht § 18 I Nr. 1 BVerfGG der Vorschrift des § 41 Nr. 1–3 ZPO, allerdings spricht das BVerfGG hier nur von einer Beteiligung des Richters. § 18 I Nr. 2 BVerfGG erklärt darüber hinaus den Ausschluss für gegeben, wenn der Richter in derselben Sache schon von Berufs oder Amts wegen beteiligt war. Davon sind jedenfalls die Fälle des § 41 Nrn. 4, 5 ZPO erfasst. Jedoch werden die Ausschlussgründe des § 18 I BVerfGG hier durch die Abs. 2 und 3 der Regelung eingegrenzt. So besteht nach § 18 II BVerfGG kein Ausschlussgrund, wenn der Richter aufgrund seines Familienstandes, Berufs, seiner Abstammung, seiner Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder aus ähnlichen allgemeinen Gesichtspunkten ein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat. Die Maßstäbe des BVerfGG sind insofern anspruchsvoller als die der anderen Prozessordnungen. Grund für diese Einschränkung ist, dass die weitreichenden Verfahrensgegenstände des Bundesverfassungsgericht meist einen viel weiteren Personenkreis betreffen als Urteile der ordentlichen und der Spezialgerichte und insofern oft auch die Richter selbst.152 Darüber hinaus ist der als Verfassungsrichter gewünschte Personenkreis weit häufiger in Gefahr, sich zu einer der ihm vorliegenden Sachen bereits öffentlich geäußert oder sich damit befasst zu haben. Die Regelungen des § 18 III BVerfGG schließen daher auch die Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren und die vorherige wissenschaftliche Äußerung zum Thema als Befangenheitsgründe aus. § 19 BVerfGG nennt im Gegensatz zu den anderen Prozessordnungen keine Gründe für das Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit; sie werden wohl im Ergebnis als bekannt vorausgesetzt.153 Jedoch geht das Bundesverfassungsgericht – in eigener Sache – seit 1972 davon aus, dass sich die Regelungen des § 18 II, III BVerfGG auch bei der Besorgnis der Befangenheit auswirken müssen.154 Die allgemeinen Gesichtspunkte des § 18 II BVerfGG können allein daher noch keine Besorgnis der Befangenheit begründen, 152 F. Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 18 Rn. 7 f.; vgl. auch M. J. Stadler, S. 26; W. Sarstedt, JZ 1966, 314 ff.; R. Zuck, in: Lechner/ Zuck, BVerfGG, § 18 Rn. 9. 153 So auch BVerfGE 20, 1 (5); 20, 9 (14). 154 Vgl. BVerfGE 32, 288 (291), insb. 35, 171 (173); bestätigend BVerfGE 43, 126 (127 f.); 47, 105 (107); 73, 330 (335 ff.).
A. Die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“
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vielmehr müssen hier noch weitere besondere Umstände zu Tage treten. Es muss also ein besonderes Interesse des Richters am Verfahrensausgang gegeben sein, z. B. wenn sich der Richter im Rahmen der genannten Verhältnisse besonders für die dem Gericht vorliegende Sache eingesetzt hat.155 Noch strenger handhabt das Bundesverfassungsgericht Ablehnungsanträge wegen Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren, wie von § 18 III Nr. 1 BVerfGG benannt. Solche seien schlicht unzulässig.156 Dies wird z. T. kritisiert,157 z. T. im Ergebnis aber auch bestätigt.158 Dem gegenüber hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Anwendung von § 18 III Nr. 2 BVerfGG den gleichen Weg beschritten wie bei der Anwendung des § 18 II BVerfGG: Auch hier müssen besondere Umstände hinzutreten.159 (5) Der Befangenheitsbegriff der WDO Zwar handelt es sich bei den Rechtsprechungsorganen der Truppendienstgerichte der Bundeswehr nicht um Organe der rechtsprechenden Gewalt i. S. d. Art. 92 GG, da die richterliche Unabhängigkeit i. S. d. Art. 97 GG nicht im üblichen Ausmaß gewahrt ist. Nichtsdestoweniger ist das Verfahren vor ihnen gerichtsförmig. § 77 WDO sieht daher ebenfalls Ausschlussregelungen für Richter der Truppendienstgerichte vor. So werden zunächst die Ausschlussgründe der §§ 22 f. StPO von § 77 I Nr. 1 WDO inkorporiert. Darüber hinaus schließt § 77 I Nr. 2 WDO Tatbeteiligte ebenso als Richter aus wie diejenigen, die in einer sachgleichen Bußgeld- oder Strafsache bzw. einem sachgleichen Beschwerde- oder Aufhebungsverfahren gegenüber einer Disziplinarmaßnahme über den Soldaten bereits beteiligt waren. Als ehrenamtliche Richter werden darüber hinaus nach § 77 II WDO neben dem Disziplinarvorgesetzten des Soldaten alle Disziplinarvorgesetzten ausgeschlossen, die in gleicher Sache diese Befugnis ausgeübt oder als Vertrauensperson am Disziplinarverfahren mitgewirkt haben. Ebenso verhält es sich mit Angehörigen des Bataillons bzw. des entsprechenden Truppenteils und der Dienststelle des Soldaten. Neben den üblichen Ausschlussgründen der Selbstbetroffenheit werden also weitreichende Ausschlussgründe für diejenigen geschaffen, die in bestimmter Form bereits ins Verfahren eingeschaltet waren. Einen besonderen 155
F. Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 19 Rn. 7. BVerfGE 1, 66 (68); 2, 296 (297); 2, 298 (299); 2, 299 (300). 157 F. Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 19 Rn. 8; M. J. Stadler, S. 53, 75. 158 K.-H. Schütz, S. 53 f. 159 Vgl. BVerfGE 10, 1 (7 f.); 20, 9 (16 f.); 35, 171 (174); F. Klein, in: Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 19 Rn. 9. 156
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
Grund stellt § 77 II Nr. 3 WDO dar, der den engeren Kollegenkreis des vom Verfahren Betroffenen ausschließt. Grund dafür dürfte einerseits die Gefahr zu großer persönlicher Nähe, andererseits die Gefährdung des Kameradschaftsverhältnisses sein. b) Befangenheit im Verwaltungsrecht Die Grundsätze der Befangenheit bzw. der Besorgnis der Befangenheit finden sich für das Verwaltungsrecht im Allgemeinen in den §§ 20 f. der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder. Auch die §§ 16 f. SGB X und §§ 82 ff. AO enthalten entsprechende Regelungen. Darüber hinaus finden sich besondere Grundsätze für die gewählten Vertreter in kommunalen Selbstverwaltungen in den Kommunalverfassungen der Länder. (1) Die Befangenheitsregeln der Verwaltungsverfahrensgesetze Die Vorschriften der §§ 20 f., 71 III VwVfG, 16 f. SGB X und 82 ff. AO sind den bekannten Vorschriften der Prozessordnungen stark angenähert. Die §§ 20 f. VwVfG und §§ 16 f. SGB X sind dabei nahezu wortlautidentisch. Einzig die Sonderregelung für die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen in § 16 II 2 SGB X sowie die Verweisungen in § 17 II SGB X und § 21 II VwVfG unterscheiden sich, letztere schon sachlogisch. Darüber hinaus entspricht § 82 I AO den Regelungen der §§ 20 I VwVfG, 16 I SGB X; § 82 II AO entspricht §§ 20 III VwVfG, 16 III SGB X; § 82 III AO wiederum den §§ 20 IV, 16 IV SGB X. § 83 AO ist ebenfalls – mit Ausnahme der schon sachlogisch anders lautenden Verweisung des Abs. 2 – wortlautidentisch mit den §§ 21 VwVfG, 17 SGB X. § 84 AO entspricht hingegen § 71 III VwVfG. Insoweit kann man davon ausgehen, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze i. w. S. allesamt einen gemeinsamen Befangenheitsbegriff verwenden. § 20 I 1 Nrn. 1 bis 4 VwVfG erklärt denjenigen zwingend für befangen, der für eine Behörde tätig wird, wenn er oder einer seiner Angehörigen beteiligt ist oder er einen Beteiligten vertritt bzw. Angehöriger des Vertretenden ist. § 20 I 1 Nr. 5 VwVfG sieht Befangenheit dann als gegeben an, wenn der Entscheidungsträger bei Beteiligten in Lohn und Brot steht bzw. dessen Organen angehört mit Ausnahme der Fälle, in denen die Behörde selbst Beteiligte ist.160 Auch ist gemäß § 20 I 1 Nr. 6 VwVfG derjenige erfasst, der in der gleichen Sache als Gutachter oder anders tätig wurde. 160 s. zum letzteren etwa H. J. Bonk/H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 37 f.; W. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn. 17; G. Engel-
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Das Erlangen eines unmittelbaren Vor- bzw. Nachteils durch die zu treffende Entscheidung macht den Entscheidenden hingegen nach § 20 I 2 VwVfG befangen. Dabei ist der Begriff der Unmittelbarkeit nicht völlig geklärt. Z. T. wird auf die Verkehrsauffassung des gerecht und billig denkenden Durchschnittsbürgers verwiesen, ob die Unparteilichkeit noch gegeben ist.161 Es sei jedenfalls auf den Einzelfall abzustellen, wobei eine allzu restriktive Interpretation der Unmittelbarkeit nicht angebracht sei.162 Unmittelbarkeit soll dann gegeben sein, wenn ein individuelles Sonderinteresse des Entscheidenden berührt wird.163 Z. T. wird für einen recht strengen Maßstab plädiert.164 Umstritten ist darüber hinaus, ob es ausreicht, dass der Vorbzw. Nachteil erst über Dritte oder weitere Verwaltungsentscheidungen erfolgt.165 Ausgeschlossen ist darüber hinaus nicht nur derjenige, bei dem ein Vorteil tatsächlich entstünde; die bloße Möglichkeit reicht aus.166 Eine wichtige Einschränkung dieses Grundsatzes enthält § 20 I 3 VwVfG, wonach derjenige nicht ausgeschlossen ist, dessen Vor- bzw. Nachteil darauf beruht, dass er einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen von der Angelegenheit berührt werden. Diese Regelung bezieht sich nicht auf die in § 20 I 1 Nrn. 1–6 VwVfG genannten Personen.167 Insoweit muss ein Individualsonderinteresse des Entscheidenden bestehen, um nach § 20 I 2 VwVfG ausgeschlossen zu sein.168 Diese Regelung kann auch die Mitglieder eines Vereins betreffen, soweit nicht die Interessen der einzelnen Vereinsmitglieder betroffen sind.169 Die Abgrenzung ist insoweit nicht ganz einfach zu treffen, maßgebliches Abgrenzungskriterium ist letztlich die Verkehrsauffasssung, ob ein Individual- oder ein hardt, in: Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 64; F. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 25 f. 161 W. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn. 19; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 36 m. w. N. Vgl. auch G. Engelhardt, in: Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 79. 162 H. J. Bonk/H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 44 m. w. N. 163 G. Engelhardt, in: Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 78. 164 W. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn. 19. 165 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rn. 44; W. Clausen, in: Knack, VwVfG, § 20 Rn. 19; G. Engelhardt, in: Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 81; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 38; C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 Rn. 14. 166 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 45. 167 G. Engelhardt, in: Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 87; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 35. 168 H. J. Bonk/H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 46; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 32. 169 H. J. Bonk/H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 46; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 35.
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Gruppenvorteil entsteht.170 Grund dieser Ausnahmeregelung soll die Handlungsfähigkeit der Verwaltung sein.171 Grundsätzlich wird vertreten, dass Befangenheit dann gegeben sei, wenn ein Amtsträger oder seine nächsten Angehörigen persönlich am Inhalt des Verwaltungsakts interessiert sind; auch dürfe kein Handeln unter Einfluss von Zwang, Drohung, arglistiger Täuschung oder Bestechung vorliegen.172 Sonderregelungen enthält § 20 II, III VwVfG für Wahlen zu ehrenamtlichen Tätigkeiten und bei Gefahr im Verzug. Ersteres wird dabei gewohnheitsrechtlich begründet.173 Eine Abweichung zu den Gerichtsordnungen besteht hier darin, dass es kein Ablehnungsrecht der Beteiligten gegenüber ausgeschlossenen Entscheidungsträgern bzw. solchen, bei denen eine Besorgnis der Befangenheit nach § 21 VwVfG besteht, gibt. Eine solche ist nach § 71 III VwVfG nur im Rahmen des förmlichen Verwaltungsverfahrens gegenüber Mitgliedern des entscheidenden Ausschusses möglich. § 21 VwVfG bietet eine Legaldefinition der Besorgnis der Befangenheit als gerechtfertigtes Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung. Insoweit wird man für das VwVfG von einem Befangenheitsbegriff ausgehen dürfen, der parteiische Amtsausübung meint.174 Wegen der meist bestehenden Identität der Vorschriften des SGB X und der AO wird man Gleiches auch für diese Verwaltungsverfahrensgesetze sagen können. (2) Die Befangenheitsregeln im Kommunalverfassungsrecht Die Kommunalverfassungen der Länder enthalten Befangenheitsregelungen, die weitgehend § 20 I 2 VwVfG entsprechen.175 Auch gilt hier die gleiche Ausnahmeregelung für Kollektivbetroffenheit, die aus den Kommunalverfassungen ins VwVfG aufgenommen wurde.176
170
F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 34. G. Engelhardt, in: Obermayer, VwVfG, § 20 Rn. 86; F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 33. 172 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, § 48 Rn. 20. 173 H. J. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 48. 174 Vgl. zum Ganzen N. Kazele, passim. 175 Vgl. Art. 49 BayGO, § 28 BraGO, § 25 HessGO, § 24 MeckKommVerf, § 31 GO NW. s. a. A. Geyer, passim; H. Linden, passim. 176 F. O. Kopp/U. Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 33. 171
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c) Befangenheitsregeln im Parlamentsrecht Neben den bei Gerichten und Verwaltungen üblichen Befangenheitsregeln existieren in den Bundesländern vereinzelt ähnliche Regeln auch für die Abgeordneten der Volksvertretung. Hier ist insbesondere Art. 84 BremV zu nennen, der die Regelungen der Kommunalverfassungen aufnimmt. Ein Abgeordneter soll demnach im Falle unmittelbarer Vor- bzw. Nachteile von der Abstimmung ausgeschlossen sein. Eine vergleichbare Regelung kennt auch § 135 I GO des Bayerischen Landtags, wonach ein Abgeordneter dann ausgeschlossen sein soll, wenn eine Angelegenheit ihn allein und unmittelbar betrifft.177 Als Grund für die Bremische Regelung wird insbesondere die Ähnlichkeit der Bürgerschaft mit den kommunalen Vertretungen vorgebracht.178 d) Ergebnis Allen Prozessordnungen liegt ein gemeinsamer Begriff der Befangenheit zugrunde. Befangen ist demnach derjenige, der parteilich oder voreingenommen ist179. Sämtliche Prozessordnungen lassen im Ergebnis auch den Ausschluss dessen von der Entscheidungskompetenz zu, bei dem eine Parteilichkeit und Voreingenommenheit möglich erscheint. Entsprechend definieren auch § 21 I VwVfG und die ihm folgenden Regelungen des Sozial- und Abgabenrechts den Begriff der Befangenheit. Die Verwaltungsverfahrensordnungen und die Kommunalverfassungen sehen insbesondere denjenigen als befangen an, der ein unmittelbares Interesse an der Entscheidung hat bzw. bei dem ein solches Interesse möglich erscheint. Die Verwaltungsverfahrensordnungen und die Kommunalverfassungen lassen dem gegenüber jedoch Ausnahmen zu. So wird derjenige nicht ausgeschlossen, der kein individualisiertes Interesse hat, sondern nur als Mitglied einer bestimmten, von der zu treffenden Maßnahmen betroffenen Gruppe. Als Grund hierfür wird angegeben, dass der Befangenheitsbegriff sonst zu allzu weitgehenden Ausschlüssen führte und mithin eine ordnungsgemäße Verwaltungstätigkeit gefährdet erschiene. Als Grund für das Fehlen solcher Regelungen in den Prozessordnungen darf man annehmen, dass Urteile und sonstige gerichtliche Handlungen nur 177 Die Wirksamkeit der letztgenannten Regelung steht durchaus in Frage, da sie dem Abgeordneten sein Stimmrecht entzieht, die Bayerische Verfassung aber einen derartigen Ausschluss nicht vorsieht. Allerdings ist ein derartiges Einzelfallgesetz ohnehin schwer vorstellbar. 178 Vgl. BremStGH NJW 1977, 2307 (2308); N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (509). 179 M. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 42 Rn. 8.
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inter partes wirken, während Verwaltungsentscheidungen, insbesondere solche, die als Allgemeinverfügung ergehen oder sonst einen größeren Personenkreis betreffen, eben nicht nur den Einzelnen im Auge haben. Nichtsdestoweniger finden sich auch in der Auslegung der Prozessordnungen entsprechende Einschränkungen, etwa für den Richter, der (Klein-)Aktionär einer der Parteien bzw. deren einfaches Mitglied ist, da auch dann nur eine kollektive Betroffenheit eintritt. Besonders deutlich wird diese Einschränkung aber im BVerfGG, wo ausdrücklich wegen der häufig möglichen Kollektivbetroffenheit der Richter bestimmte Ausschlussgründe stark eingeschränkt sind. Insofern lässt sich besonders hervorheben, dass die rechtlichen Folgen der Befangenheit abnehmen, je eher es sich um Entscheidungen handelt, die einen größeren Personenkreis betreffen. Oder – um in Entscheidungskategorien zu sprechen: Die Wirkmächtigkeit der Befangenheit lässt nach, je weniger die zu treffende Entscheidung konkret-individuelle Verhältnisse betrifft und umso mehr sie generell-abstrakt regelt. Dies hat einerseits freilich mit der nur in dieser Art und Weise möglichen Praktikabilität von Befangenheitsregelungen zu tun. Andererseits dürfte dahinter der Gedanke stehen, dass das persönliche Interesse des Entscheidungsträgers umso größer ist, je eher er als Individuum von der Entscheidung betroffen ist, dass das persönliche Interesse jedoch bei gemeinsamer Betroffenheit, die sich nicht komplett individualisieren lässt, abnimmt. 2. Insichgeschäft Wie bereits dargelegt, wird von einigen Autoren der Begriff der Parlamentsentscheidung „in eigener Sache“ mit dem Insichgeschäft identifiziert, wie es in § 181 BGB seinen Niederschlag gefunden hat. Nach § 181 BGB ist ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, bei dem ein Vertreter auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts steht – sei es in eigener Person oder durch einen Untervertreter – nach allgemeiner Ansicht entsprechend § 177 BGB schwebend unwirksam, aber nicht nichtig.180 Ziel der Norm ist dabei die Vermeidung von Interessenkollisionen,181 wenngleich nicht jeder Interessenkolli180 Vgl. BGHZ 65, 123 (125); BGH NJW-RR 1994, 291 ff.; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 181 Rn. 15; H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 21; E. Schilken, in: Staudinger, BGB, § 181 Rn. 45; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 41. 181 Vgl. U. Leptien, in: Soergel, BGB II, § 181 Rn. 3 f.; H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 2; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 2. Differenzierend und z. T. a. A. E. Steffen, in: RGRK I, § 181 Rn. 2.
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sion,182 sondern nur solcher, in denen Fälle des Selbstkontrahierens bzw. der Doppelvertretung gegeben sind. § 181 BGB gilt dabei für jede Art von Vertretern einschließlich den Organen juristischer Personen des Privatrechts183 und des Öffentlichen Rechts.184 Er ist anwendbar im gesamten Privatrecht, soweit nicht Sondervorschriften eingreifen.185 § 181 BGB kennt jedoch einige Ausnahmen von den jeweiligen Rechtsfolgen. Bringt das Rechtsgeschäft dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil, so ist ein Interessenwiderstreit ausgeschlossen, weshalb die Rechtsfolge nicht eintritt.186 Ebenso findet § 181 BGB keine Anwendung auf Maßnahmen der Geschäftsführung im Rahmen eines Gesellschaftsvertrages, anders jedoch für die Änderung des Gesellschaftsvertrages selbst.187 Darüber hinaus sind Insichgeschäfte nicht von § 181 BGB betroffen, wenn sie gesetzlich erlaubt oder vom Geschäftsherrn gestattet wurden.188 § 181 BGB selbst schließt schon die Rechtsgeschäfte aus seinem Tatbestand aus, die nur in Erfüllung einer Verbindlichkeit vorgenommen werden. Eine Wirksamkeit des Insichgeschäfts kommt aber nur dann in Betracht, wenn es nach außen erkennbar vorgenommen wird.189
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S. K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 35. BGHZ 33, 189 (190); 56, 97 (101 f.). 184 Vgl. LG Arnsberg, RPfleger 1983, 63 (63); U. Leptien, in: Soergel, BGB II, § 181 Rn. 24; E. Schilken, in: Staudinger, BGB, § 181 Rn. 29, der jedenfalls den Verwaltungsakt von der Anwendbarkeit des § 181 ausnimmt. Vgl. auch H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 5; E. Steffen, in: RGRK I, § 181 Rn. 14. 185 Vgl. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 181 Rn. 4; H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 3; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 39. 186 s. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 181 Rn. 9; U. Leptien, in: Soergel, BGB II, § 181 Rn. 27; H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 10; E. Schilken, in: Staudinger, BGB, § 181 Rn. 32; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 15; E. Steffen, in: RGRK I, § 181 Rn. 13. 187 Vgl. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 181 Rn. 11, 11a; U. Leptien, in: Soergel, BGB II, § 181 Rn. 20; H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 12 f.; E. Schilken, in: Staudinger, BGB, § 181 Rn. 22; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 19. 188 Vgl. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 181 Rn. 16 ff.; H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 21, 23 f.; E. Schilken, in: Staudinger, BGB, § 181 Rn. 49 ff.; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 41, 45 f.; E. Steffen, in: RGRK I, § 181 Rn. 15 f. 189 s. BGH NJW 1991, 1730 (1730); BGH NJW 1962, 587 (589); OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 851 (853); U. Leptien, in: Soergel, BGB II, § 181 Rn. 36 ff.; H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 29; E. Schilken, in: Staudinger, BGB, § 181 Rn. 64 f.; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 60 f. 183
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B. Unter die Begrifflichkeit subsumierte Sachverhalte Nunmehr ist zu klären, welche Sachverhalte unter den Begriff der Parlamentsentscheidung „in eigener Sache“ subsumiert werden, um in einem nachfolgenden Schritt prüfen zu können, inwiefern die der „Entscheidung in eigener Sache“ unterlegten Bedeutungen und Definitionen eine derartige Subsumtion tatsächlich tragen. Dabei ist festzuhalten, dass wie erwähnt keine endgültige Klarheit über die Sachverhalte herrscht, die unter den Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ zu subsumieren sein sollen.
I. Politikfinanzierung Weitgehende Einigkeit besteht noch insofern, als Parlamentsentscheidungen im Bereich der Politikfinanzierung vom Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ erfasst sein sollen.190 1. Leistungen an Abgeordnete, die Fraktionen und das Parlament Dazu gehört zunächst die wohl allgemein als typische „Parlamentsentscheidung in eigener Sache“ angesehene gesetzliche Regelung der Abgeordnetendiäten.191 Jedoch wurde bereits früh Kritik an dieser Identifikation 190 Vgl. H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 342; ders., ZRP 1995, 340 (343); ders., APuZ 1992, 14 (19); ders., ZRP 1989, 257 ff.; H. Merten, S. 97 Fn. 300. 191 s. BVerfGE 40, 296 (327); BayVerfGH BayVBl. 1983, 706 (708); NWVerfGH NVwZ 1996, 164 (165); ThürVerfGH, NVwZ-RR 1999, 282 (284). Vgl. auch N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (521); ders./M. Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG II, Art. 48 Rn. 50; H. H. v. Arnim, ZRP 2003, 236; ders., ZRP 2002, 226; ders., Das neue Abgeordnetengesetz, S. 24; ders., Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 25; ders., NJW 1996, 1233 ff.; ders., APuZ 1992, 14 (20); ders., Finanzierung der Fraktionen, S. 32; ders., Der Staat als Beute, S. 342; ders., Macht macht erfinderisch, S. 138; ders., DVBl. 1987, 1241 (1245 f.); ders., Staatslehre, S. 482; ders., DVBl. 1983, 713; ders., in: BK, Art. 48 (1980) Rn. 85; ders., Reform der Abgeordnetenentschädigung, S. 44; ders., Die Abgeordnetendiäten, S. 41; ders., Parlamentsreform, S. 41; S. Broß, ZParl 2000, 424 (425 f.); P. Conradi, ZParl 1976, 112 (113); L. Determann, BayVBl. 1997, 385 (385); F. Edinger, ZParl 1999, 206 (303); E. Eyermann, ZRP 1992, 201 (201); A. Fischer, S. 17; P. Häberle, NJW 1976, 537 (542 f.); J. Hatschek, Parlamentsrecht, S. 627 f.; H.-D. Horn, ZParl 2000, 441 (458); S. Hölscheidt, S. 579; J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (188 ff.); ders., ZParl 2000, 402 (408 ff.); ders., FS Fromme, S. 41 (61); ders., NJW 1993, 2583 (2586); P. Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1333); H. Klatt, ZParl 1973, 407 (407);
B. Unter die Begrifflichkeit subsumierte Sachverhalte
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– jedenfalls für den Bund – geäußert: Immerhin steht dem Bundesrat ein Einspruchsrecht gegen die Entschließungen des Parlaments zu, darüber hinaus handelt es sich um Ausgabenerhöhungen, insofern besteht ein Vetorecht192 der Bundesregierung nach Art. 113 GG.193 Zu den eigentlichen Diäten werden meist auch die z. T. gesondert genannten Entscheidungen über die Kostenpauschalen,194 die Versorgung der Abgeordneten,195 und sonstige staatliche Leistungen an die Abgeordneten, wie etwa die Ausstattung der einzelnen Abgeordneten mit Mitarbeitern und deren Bezahlung genannt.196 Das Bundesverfassungsgericht spricht diesbezüglich schlicht von der Ausgestaltung der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen finanziellen Regelungen.197 Auch die finanzielle Ausstattung der Fraktionen wird traditionell zum Bereich der „Entscheidung in eigener Sache“ gerechnet.198 Im Bereich der Politikfinanzierung wird auch der Parlamentshaushalt genannt.199 ders., Altersversorgung, S. 122 ff.; H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 48 (1998) Rn. 149; H. Krüger, DVBl. 1964, 220 (220 f.); S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 48, Rn. 27; D. Meyer, Jb. f. Wirtschaftswissenschaften 47 (1996), 324 (340); M. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 143; I. v. Münch, NJW 1993, 1675; F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (916); Chr. Pestalozza, NJW 1987, 818 ff.; Th. Ramm, FOCUS 20/2000, S. 80; W. Roidl, NVwZ 1988, 905 (905); H. H. Rupp, ZG 1992, 285 (285); M. Schmidt, MIP 9 (1999), 76 (77); W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1184); H.-P. Schneider, in: AK-GG, Art. 48 (2002) Rn. 13; ders., JbfRsRt 13 (1988), 327 (327, 339); H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 48 Rn. 31; K. Stern, Staatsrecht I, S. 1066; H.-H. Trute, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 48 Rn. 28; D. Umbach, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 48 Rn. 34; H.-P. Vierhaus, NVwZ 1993, 36 (41); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294); J. Chr. v. Waldthausen, S. 111 f.; R. Wassermann, NJW 2000, 2560 (2560). Vgl. auch F. Welti, S. 184. Für die Europäische Ebene: H. H. v. Arnim, NJW 2004, 1422 (1425). 192 Zur Bedeutungslosigkeit dieses Vetorechts s. aber unten 3. Teil B.II.2.a)(1)(b). 193 Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 85; s. a. schon für die Rechtslage bis 1918 J. Hatschek, Parlamentsrecht, S. 628. Zur Geschichte der Abgeordnetendiäten unter der Geltung der Reichsverfassungen von 1871 und 1919 vgl. die ausführliche Behandlung bei N. Urban, Die Diätenfrage. s. a. H. Butzer, Diäten und Freifahrt im Deutschen Reichstag. 194 Vgl. NWVerfGH NVwZ 1996, 164 (165); P. Conradi, ZParl 1976, 112 (123). 195 H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (343); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). 196 H. H. v. Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 134. 197 BVerfGE 40, 296 (327); zum Sonderproblem der Mandatsträgerabgaben an die Parteien vgl. G. Wewer, in: ders., Parteienfinanzierung, S. 420 ff.; Chr. Landfried, ZParl 1992, 439 (446 f.); H. Stubbe-da Luz/M. E. Wegner, ZParl 1993, 189 (192). 198 H. H. v. Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 25, 134; ders., Die Finanzierung der Fraktionen, S. 29, 68; ders., Der Staat als Beute, S. 342; ders., Die neue Parteienfinanzierung, S. 158; ders., ZRP 1988, 83 (85); ders., DVBl. 1987, 1241 (1246); ders., Staatliche Fraktionsfinanzierung ohne Kontrolle?, S. 23; A. Fischer, S. 17; S. Hölscheidt, S. 579; M. Morlok, NJW 1995, 29 (31); ders., JZ 1989,
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
2. Leistungen an die Parteien und die Parteistiftungen Konnte Hans Herbert von Arnim noch 1982 anmerken, dass im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung der Gesichtspunkt der „Entscheidung in eigener Sache“ erstaunlicherweise meist unausgesprochen geblieben sei,200 so wird die staatlich geregelte Parteienfinanzierung, insbesondere aber die staatliche Bezuschussung der Parteien heute meist als Standardfall eben solcher Entscheidungen angesehen.201 Dies ist nicht völlig unumstritten oder wird jedenfalls als nicht gänzlich unproblematisch empfunden. Als Grund wird angegeben, dass Parteien und Parlament auf verschiedenen verfassungsrechtlichen Ebenen verortet seien: die Parteien im Rahmen der Grundrechte, das Parlament in der Staatsorganisation.202 Dennoch sehen auch Kritiker der Verortung der diesbezüglichen Entscheidungen die Notwendigkeit, diese hinzuzuziehen, etwa weil die Vollzugskompetenzen beim Bundestagspräsidenten und mithin beim Parlament liegen.203 Vereinzelt werden auch Entscheidungen über das Parteienrecht im Allgemeinen als „Entscheidungen in eigener Sache“ gedeutet.204 1035 (1044 f.); E. Schmidt-Jortzig/F. Hansen, NVwZ 1994, 1145 (1148); H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (343); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). Vgl. auch J. Jekewitz, ZParl 1982, 314 (336). Vgl. dazu auch – bei Ablehnung der juristischen Bedeutsamkeit des Begriffs: G. Chr. Schneider, Parlamentsfraktionen, S. 84 f. s. a. J. Jekewitz, ZRP 1993, 344 (347). 199 S. Hölscheidt, S. 580; H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (343); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). 200 H. H. v. Arnim, Parteienfinanzierung, S. 46. 201 Vgl. H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1077); ders., ZRP 2003, 235 (236), ders., ZRP 2002, 223 (226); ders., Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 25, 134; ders., Die neue Parteienfinanzierung, S. 135 ff., 158; ders., ApuZ 1992, 14 (19); ders., DVBl. 1987, 1241 (1246); ders., Staatslehre, S. 266, 430, 482; ders., Aktuelle Probleme der Parteienfinanzierung, S. 7; ders., Parteienfinanzierung, S. 46, 139; St. Detjens, Einigung in eigener Sache: Novellierung des Parteiengesetzes, ZRP 2002, 277 (277); Th. Drysch, NVwZ 1994, 218 (222); W. Henke, in: BK, Art. 21 (1991), Rn. 321; H.-D. Horn, ZParl 2000, 441 (458); S. Hölscheidt, S. 579; P. Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1333); H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 21 (2001), Rn. 24; M. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 114, Art. 38 Rn. 143; ders., NVwZ 2005, 157 (157); Th. Ramm, FOCUS 20/2000, S. 80 (80); W. Roidl, NVwZ 1988, 905 (905); H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (327, 339); H. Sendler, NJW 1994, 365 (366); R. Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 21 Abs. 1 Rn. 180; A. Veit, Geleitwort, in: H. H. v. Arnim, Die neue Parteienfinanzierung, S. 3; U. Volkmann, S. 323. Vgl. auch H.-P. Vierhaus, ZRP 1991, 468 (469); ders., NVwZ 1993, 36 (41). 202 Vgl. J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (198); ders., ZParl 2000, 402 (415 f.). 203 Vgl. J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (198); ders., ZParl 2000, 402 (415).
B. Unter die Begrifflichkeit subsumierte Sachverhalte
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Die gesetzliche bzw. haushaltsgesetzliche Bezuschussung der Parteistiftungen wird ebenfalls als „Entscheidung in eigener Sache“ genannt.205 3. Regierungsbesoldung Teilweise wird auch die Besoldung der Mitglieder der Regierung als Entscheidung des Parlaments „in eigener Sache“ verstanden.206
II. Regelungen des Abgeordnetenstatus Deutlich zeigt sich die Problematik des Fehlens einer Definition der „Entscheidung in eigener Sache“ bei Regelungen des Abgeordnetenstatus, die keine finanziellen Regelungen enthalten. Es bleibt unklar, inwiefern die Mehrheit der Autoren diesbezüglich getroffene Entscheidungen des Parlaments als solche „in eigener Sache“ ansieht oder nicht. Meist fehlt es an diesbezüglichen Äußerungen. Z. T. wird das Aufstellen von Verhaltensregeln für Abgeordnete dem Begriff zugeordnet;207 dabei wird namentlich auf die Problematik sog. Beraterverträge verwiesen.208 Speziell Regelungen der Rechtsverhältnisse der Abgeordneten als solche werden zu den „Entscheidungen in eigener Sache“ gerechnet.209 Aber auch die Nichtregelung bestimmter Fragen des Abgeordnetenstatus, namentlich der Abgeordnetenbestechung wird als „Entscheidung in eigener Sache“ genannt.210
204 Vgl. H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1077); ders., Staat ohne Diener, S. 108; ders., Parteienfinanzierung, S. 46; St. Detjens, ZRP 2002, 277; S. Hölscheidt, S. 590; W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1194). s. a. M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 21 Rn. 114; ders., NJW 1995, 29 (31). 205 H. H. v. Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 25, 134, 178; ders., Der Staat als Beute, S. 342; ders., Die neue Parteienfinanzierung, S. 158; ders., DVBl. 1987, 1241 (1246); S. Hölscheidt, S. 580; H. Merten, S. 97; H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). 206 H. H. v. Arnim, ZRP 2002, 223 (226); ders., Politik Macht Geld, S. 100; ders., APuZ 1992, 14 (20 f.); H.-P. Vierhaus, NVwZ 1993, 36 (41); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (295). 207 Vgl. J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (191 ff.); ders., ZParl 2000, 402 (410 ff.). 208 H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (327). 209 Vgl. H. H. v. Arnim, Staatslehre, S. 430; ders., DVBl. 1983, 712 (713); S. Hölscheidt, S. 580; S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 48, Rn. 27; H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (342); D. Umbach, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 48 Rn. 34; H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). 210 H. H. v. Arnim, JZ 1990, 1014 (1014). Vgl. auch H. Meyer, FS Mahrenholz, S. 319 (320 Fn. 3).
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
III. Wahlen, Wahlrecht und Wahlprüfung Die Entscheidung über das Wahlrecht soll eine Entscheidung des Parlaments „in eigener Sache“ sein.211 Insbesondere soll dazu auch jedwede Regelung des Verfahrens der Kandidatenauslese gehören.212 Auch die Wahlprüfung durch den Bundestag bzw. die Landtage wird z. T. als „Entscheidung in eigener Sache“ bezeichnet.213 Erfasst soll auch die Prüfung der Wählbarkeitsvoraussetzungen durch das Parlament selbst sein, wie etwa in Thüringen, wo das Parlament seine Mitglieder auf ehemalige Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR überprüft, weil dies in Thüringen dem passiven Wahlrecht entgegen steht.214 Insbesondere sollen nach einer Einzelansicht auch parlamentarische Wahlen erfasst sein, etwa ins Präsidium oder zum Bundeskanzler.215
IV. Sonstiges Parlamentsrecht Z. T. werden sämtliche Entscheidungen über das Binnenrecht des Parlaments als solche „in eigener Sache“ gedeutet.216 Entscheidungen über die Geschäftsordnung sollen dabei erfasst sein.217 Namentlich wird die Regelung des Rechts der Fraktionen hervorgehoben.218 Auch wird z. T. das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen genannt219, die Durchführung der Untersuchung,220 wie auch die Gesetzgebung zu Untersuchungsausschüssen.221 Insbesondere wird die Regelung der Anzahl der Mitglieder eines Parlaments als „Entscheidung in eigener Sache“ angesehen.222 Eine solche 211 S. Hölscheidt, S. 580; Chr. Knebel-Pfuhl, S. 59; F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (916); H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (342); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). Vgl. auch H. H. v. Arnim, Vom schönen Schein der Demokratie, S. 36. 212 W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1194); H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (342). 213 VerfGH NRW NVwZ 1991, 1175 (1178); Th. Pfeiffer, ZRP 2000, 378 (386); S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 51 Rn. 15; H.-D. Horn, ZParl 2000, 441 (458); J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (205 ff.); ders., ZParl 2000, 402 (420 ff.); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). 214 D. Stöffler, LKV 1992, 354 (355). 215 H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (341). 216 S. Broß, ZParl 2000, 424 (428); unklar M. Morlok, NJW 1995, 29 (31). 217 S. Hölscheidt, S. 580; M. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 143; H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (342); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). 218 Vgl. H. H. v. Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 137; H. Meyer, FS Mahrenholz, S. 319 (319); W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1194). 219 Vgl. J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (203 f.); ders., ZParl 2000, 402 (418 ff.); H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (343). 220 St. Detjen, ZRP 2003, 29 (29); ders., ZRP 2001, 187 (187).
B. Unter die Begrifflichkeit subsumierte Sachverhalte
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Art der Entscheidung sollen auch Organisationsgesetze darstellen, die das Verhältnis von Parlament und Regierung bzw. den Status parlamentarischer Einrichtungen wie des Wehrbeauftragten oder eines parlamentarischen Staatssekretärs betreffen.223 Insbesondere gehören in diesen Bereich aber auch Entscheidungen des Parlaments zur Selbstermächtigung wie etwa die eigenmächtige Verlängerung der Wahlperiode.224 Ebenfalls erfasst sein soll die Entscheidung über den Sitz des Parlaments.225 Da die Immunität kein individuelles Privileg,226 sondern die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sichern soll, sollen auch Entscheidungen hierüber die Voraussetzungen der Begrifflichkeit erfüllen.227 Bisweilen wird auch die Durchsetzung von Parteien- bzw. Parlamentsrecht und die Kontrolle derselben in den Bereich von „Entscheidungen in eigener Sache“ mit einbezogen.228
V. Sonstige Gesetze Im Bereich der allgemeinen Gesetze ist grundsätzlich eher selten von „Entscheidung in eigener Sache“ die Rede. Z. T. wird aber vertreten, dass sämtliche Parlamentsgesetze solche „in eigener Sache“ sind, weil alle Mitglieder des jeweiligen Parlaments potentiell von diesen Gesetzen betroffen sind.229 Im Einzelfall wird der Begriff wegen besonderer Umstände für bestimmte Gesetze gebraucht. In Betracht kommen hier v. a. Amnestiegesetze, die einen überschaubaren Kreis von Abgeordneten betreffen.230 221
Vgl. J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (204); ders., ZParl 2000, 402 (420). Zum Untersuchungsausschussgesetz s. insb. D. Wiefelspütz, Das Untersuchungsausschussgesetz, passim; ders., ZParl 2002, 551 ff. 222 Th. Ramm, FOCUS 20/2000, 80 (80). 223 H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (343). 224 Chr. Knebel-Pfuhl, S. 59 f.; H. Krüger, DVBl. 1964, 220 (220); F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (916); H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (342); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294); J. Chr. v. Waldthausen, S. 116 f. Vgl. zum Problem bereits H. Gmelin, AöR 58 (1930), 270 (insb. 277 ff.). 225 Zum vergleichbaren Fall der Bestimmung des Sitzes des Bundesverfassungsgerichts durch das Bundesverfassungsgericht selbst s. G. Roellecke, NJW 2001, 946 (946). 226 Vgl. dazu aber jetzt F. Lange, in: Olzen/Schwarz, S. 142 ff. 227 S. Hölscheidt, S. 580; H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (341); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294). 228 Th. Ramm, FOCUS 20/2000, 80 (80); vgl auch ähnlich J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (200 ff.); ders., ZParl 2000, 402 (416 ff). 229 H. H. Klein, ZParl 2000, 401. 230 W. Roidl, NVwZ 1988, 905 (905); H.-P. Schneider JbfRsRt 13 (1988), 327 (327); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (294 f.). Vgl. auch N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (509); F.-J. Peine, JZ 1985, S. 914 (914 ff.); Chr. Pestalozza, JZ 1984, 559 ff.
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
Positiv wird darüber hinaus teilweise die Volksgesetzgebung als „Entscheidung in eigener Sache“ besprochen.231
C. Stellungnahme zu den subsumierten Sachverhalten Die aufgezeigten Sachverhalte, die z. T. weitgehend, teilweise aber auch nur von ganz vereinzelten Autoren als „Entscheidungen in eigener Sache“ gedeutet werden, vergegenwärtigen, dass offensichtlich ein sehr weites Feld von der Begrifflichkeit erfasst sein kann. Sie macht aber noch ein Weiteres deutlich: Offensichtlich besteht bezüglich der unter die Begrifflichkeit zu subsumierenden Sachverhalte keine Einigkeit, was von vornherein für ein stark divergierendes Verständnis des Begriffes spricht. Auch wird eine unterschiedliche Bewertung der Begrifflichkeit deutlich, wenn etwa weitgehend als unproblematisch angesehene Sachverhalte, wie die Beschlussfassung über die Geschäftsordnung des Bundestages oder über den Sitz des Parlaments, unter dem selben Terminus erfasst werden wie die allgemein als problematisch angesehene Entscheidungen des Parlaments über die Diäten seiner Mitglieder oder die Parteienfinanzierung. Daher wird im Weiteren zu klären sein, ob sich unter Verwendung der gefundenen Definitionen ein einheitlicheres Bild der „Entscheidung in eigener Sache“ finden lässt bzw. ob sich unproblematische Sachverhalte mit Hilfe der aufgezeigten Definitionsvorschläge von problematischen unterscheiden lassen.
I. Die Definition Hans-Jochen Vogels Wie oben dargelegt, sieht Hans-Jochen Vogel eine parlamentarische „Entscheidung in eigener Sache“ als gegeben an, wenn das Parlament ausschließlich oder primär in seiner Eigenschaft als Verfassungsorgan betroffen ist oder wenn eine Entscheidung alle Abgeordneten gerade eben in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete betrifft und die Entscheidung materielle, insbesondere finanzielle Wirkung entfaltet. Diese Definition hört sich zunächst so an, als sei sie direkt auf die Entscheidungen über die Diäten und die Versorgung der Abgeordneten gestützt. Zweifelsohne sind von den Diäten- und Versorgungsentscheidungen des Bundestages alle Abgeordneten als solche betroffen. Zudem haben diese Entscheidungen finanzielle Auswirkungen. Gleiches gilt für die sonstige Ausstattung der Abgeordneten. Ebenfalls ist das Parlament in seiner Ent231
J. Kertels/St. Brink, NVwZ 2003, 435 (437).
C. Stellungnahme zu den subsumierten Sachverhalten
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scheidung als Verfassungsorgan mit finanzieller Auswirkung von Entscheidungen über die Fraktionsfinanzierung betroffen. Das Parlament ist insbesondere auch von der Entscheidung über den Parlamentshaushalt in seiner Eigenschaft als Verfassungsorgan bei finanzieller Auswirkung einer Entscheidung betroffen. Problematisch wird die Definition, wenn die Frage nach dem Parlamentssitz und der Mitgliederanzahl des Parlaments aufgeworfen wird. Ohne Zweifel betreffen beide Entscheidungen das Parlament als Verfassungsorgan. Auch zeitigen solche Entscheidungen finanzielle Wirkung. Jedoch sind diese Entscheidungen nicht primär finanzieller Natur. Insofern stellt sich eine erste Ungenauigkeit der Vogel’schen Definition heraus: Sind nur Entscheidungen erfasst, die sich unmittelbar persönlich materiell auswirken, oder auch solche, die erst mittelbar materielle Wirkung entfalten? Gerade die beiden letztgenannten Entscheidungen werden selten als „Entscheidungen in eigener Sache“ im Sinne problematischer Entscheidungen angesehen. Insoweit spricht vieles dafür, hier eine unmittelbare persönliche finanzielle Auswirkung der Entscheidung als Bestandteil der Definition zu verlangen. Unterlässt man diese Eingrenzung, so würden selbst die allgemein als unproblematisch angesehenen Entscheidungen über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, die stets eine zusätzliche finanzielle Belastung mit sich bringen, erfasst werden. Auch können im Einzelfall mit Entscheidungen über die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags finanzielle Folgen einhergehen, etwa durch die Schaffung neuer Ausschüsse in der GO-BT oder ähnliches. Solches ist im Einzelfall bei gesetzlichen Regelungen des Abgeordnetenstatus und sonstigen Regelungen des Parlamentsrechts ebenfalls möglich. Zweifelsohne nicht erfasst, soweit nicht eine Gesamtneuwahl des Bundestags beschlossen wird, ist das Wahlprüfungsverfahren vor dem Bundestag, da sich hieraus keine finanziellen Folgen ergeben. Dasselbe gilt von Entscheidungen im Rahmen der Aufhebung der Immunität einzelner Abgeordneter. Ebenfalls mangels materieller Auswirkung nicht erfasst ist von Vogels Definition die Regelung des Parteienrechts, soweit es sich nicht um die Parteienfinanzierung, sondern etwa um den Bereich der innerparteilichen Demokratie oder das Parteiverbot handelt. Die Regelung des Wahlrechts hingegen betrifft die Abgeordneten nicht in ihrem verfassungsrechtlichen Status, da sie erst für die nächste Wahlperiode wirken kann. Zwar mag eine solche Regelung sich finanziell auswirken. Mangels Betroffenheit aller Abgeordneten als solcher liegt jedoch nach Vogels Definition hierin keine „Entscheidung in eigener Sache“. Sicherlich nicht erfasst ist auch die Exekution von Parteien- und Abgeordnetenrecht durch den Bundestagspräsidenten; allein schon deshalb, weil hier nicht das Parlament als solches, sondern der Bundestagspräsident als mittelverwaltende Behörde tätig wird.
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
Schon mangels primärer Betroffenheit als Verfassungsorgan bzw. der Abgeordneten als solche sind nicht sämtliche Gesetze von der Begrifflichkeit erfasst. Auch direktdemokratische Entscheidungen sind mangels Entscheidung durch das Parlament per se nicht erfasst. Auch die parlamentarische Untersuchung als solche kann hier nur schwerlich als „Entscheidung in eigener Sache“ verstanden werden, da es ihr an materieller Auswirkung fehlt. Insoweit gelingt es Vogels Definition wenigstens partiell, bestimmte, eher unproblematische Fälle auszuscheiden. Mangels materieller Auswirkung nicht erfasst ist jedoch auch der allgemein als problematisch angesehene Fall der Selbstamnestie von Parlamentsmitgliedern. Hier ist nur in seltensten Fällen eine tatsächliche Kollektivbetroffenheit aller Abgeordneten gegeben. Eine Betroffenheit ließe sich zwar eventuell dadurch konstruieren, dass man von einer solchen des Kollegialorgans Parlament ausgeht, dessen Zusammensetzung sich im Einzelfall bei Nichtamnestierung ändern kann, wenn etwa einzelne Abgeordnete das passive Wahlrecht während der Legislaturperiode verlören. Jedoch wäre insbesondere im Rahmen der so genannten Flick-Affäre, in deren Anschluss über ein solches Gesetz nachgedacht wurde, nach der vorliegenden Definition eine Primärbetroffenheit des Parlaments bzw. seiner Abgeordneten auch deshalb zweifelhaft gewesen, weil ein ebenso großer Kreis der Amnestierten – die Parteispender bzw. auch die nicht zwingend dem Bundestag angehörenden Spendenempfänger – nicht Mitglieder des Parlaments waren. Insoweit versagt Vogels Definition vor diesem allgemein als problematisch erkannten Fall. Mit seiner Definition wäre die Selbstamnestierung also nicht als „Entscheidung in eigener Sache“ anzusehen. Ebenso problematisch sind die Fälle der Selbstermächtigung: Sie haben bestenfalls insoweit materielle Auswirkungen, als keine neue Bundestagswahl durchzuführen ist. Daher sind auch solche, generell als höchst problematisch und verfassungswidrig erkannten Fälle von der Definition nicht erfasst. Gleiches gilt für die Selbstentmachtung: Auch Entscheidungen des Parlaments über die Einführung von Volksentscheiden oder anderen Formen direkter Demokratie ziehen mittelbar finanzielle Folgen nach sich und könnten von Vogels Definition bei einem weiten Verständnis erfasst sein. Nicht minder schwierig ist eine Einordnung der Entscheidungen über die Besoldung der Regierungsmitglieder unter die Definition: Das Parlament als Verfassungsorgan ist nicht betroffen, ebenso wenig die Gesamtheit der einzelnen Abgeordneten. Zwar hat jeder von ihnen die Chance, Regierungsmitglied zu werden; auch mag diese Chance größer sein als beim einzelnen Bürger. Jedenfallsr ist hier die Konstruktion einer Betroffenheit äußerst schwierig, obgleich sich die Entscheidung finanziell auswirkt. Somit stellt sich selbst im Bereich der Politikfinanzierung, der stets unter den Begriff
C. Stellungnahme zu den subsumierten Sachverhalten
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der „Entscheidung in eigener Sache“ subsumiert wird, ein Problem mit der Vogel’schen Definition. Diese Problematik wiederholt sich bei Entscheidungen über die Parteienfinanzierung und noch mehr bei solchen über die Finanzierung der politischen Stiftungen. Von diesen Entscheidungen ist das Parlament als Verfassungsorgan zweifelsohne nur sehr mittelbar betroffen, von primärer Betroffenheit kann keine Rede sein. Dies gilt für die Parteienfinanzierung, da die Parteien als solche nicht im Verfassungsorgan Bundestag existieren – im Gegensatz zu den Fraktionen. Dies gilt aber auch für die Abgeordneten: Zwar sind – fast!232 – alle Abgeordneten Mitglieder von Parteien. Jedoch sind darüber hinaus einige Millionen Bürger Mitglieder der Parteien. Auch werden Parteien gefördert, die keine Mitglieder in den Bundestag entsenden. Selbstverständlich mag man sich darüber streiten, ob diese Parteien im Rahmen der Entscheidungen über die Parteienfinanzierung benachteiligt werden, aber eine primäre Betroffenheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages lässt sich hieraus nicht konstruieren. Dies gilt umso mehr für Entscheidungen über die Finanzierung der politischen Stiftungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von den Parteien strikt getrennt zu halten sind.233 Zwar wird fast jedes Bundestagsmitglied schon an Veranstaltungen politischer Stiftungen teilgenommen haben; dies gilt aber ebenso für viele weitere Bürger – seien sie nun Parteimitglieder oder nicht. Die politischen Stiftungen wirken darüber hinaus selbst im Ausland. Eine primäre Betroffenheit der Abgeordneten ist mithin nicht gegeben. Daraus ergibt sich, dass die Definition Hans-Jochen Vogels zum Erfassen der mit den als „Entscheidung in eigener Sache“ charakterisierten Parlamentsentscheidungen ungeeignet ist. Sie erfasst ganze Bereiche der stets den „Entscheidungen in eigener Sache“ zugerechneten Entscheidungen über die Politikfinanzierung ebenso wenig wie die Selbstamnestie. Fasst man den Definitionsteil, der eine materielle, d.h. insbesondere finanzielle Auswirkung verlangt, so weit auf, dass auch mittelbare finanzielle Auswirkungen berücksichtigt sind, so werden generell als unproblematisch angesehene Fälle wie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eingeschlossen und die Definition erweist sich als partiell überinklusiv. Nimmt man daher Fälle der mittelbaren finanziellen Auswirkung aus der Definition, so ist sie, was im Bereich der Besoldung von Regierungsmitgliedern ohnehin der Fall ist, überexklusiv. Sie ist es umso mehr für den Bereich der Selbstamnestie und der Selbstermächtigung des Bundestages. Auch lässt Hans-Jochen Vo232
Es gab in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder parteilose Abgeordnete, selbst der Alterspräsident des 13. Deutschen Bundestags, der Schriftsteller Stefan Heym, war nicht Parteimitglied. 233 BVerfGE 40, 1 ff.
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
gel völlig offen, wie er zu seiner Definition fand. Es bleibt im Dunkeln, weshalb nun gerade Entscheidungen, die sich materiell, also nach der Definition im weitesten Sinne finanziell auswirken, anders zu behandeln sind als Entscheidungen, denen diese finanzielle Komponente fehlt. Man mag annehmen, dass hier auf die verfassungsrechtlich abgesicherten Haushaltsgrundsätze reflektiert wird, deutlich wird dies jedoch in keiner Weise. Da die Reflektion auf diese Grundsätze jedoch zu einem Ausschluss wesentlicher als problematisch erkannter Fälle wie der Selbstamnestie oder der Selbstermächtigung führt, leidet die Definition insbesondere an Überexklusivität. Insgesamt wirkt sie, wie oben kurz angesprochen, wie eine ad hoc gefundene Einzeldefinition für das Diätenphänomen. Die Definition Hans-Jochen Vogels kann daher als ungeeignet zur Klärung des Phänomens der „Entscheidung in eigener Sache“ verworfen werden.
II. Befangenheit Als weitere Definition der „Entscheidung in eigener Sache“ des Parlaments wird, wie aufgezeigt, der Begriff der Befangenheit in Ansatz gebracht. Die Anwendung der Begrifflichkeit auf das Parlament und die Parlamentarier bietet dabei allerdings nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Einer der Gründe hierfür liegt darin, dass es für diese Bearbeitung nicht auf die Frage der Befangenheit einzelner Abgeordneter ankommen kann,234 da sich die Arbeit nicht mit der Frage auseinander zu setzen hat, ob es im Fall der „Befangenheit“ eines einzelnen Abgeordneten zu dessen Ausschluss kommen kann, da es vorliegend nicht um eventuelle Entscheidungen einzelner Abgeordneter „in eigener Sache“ geht, sondern um Fälle, in denen alle Abgeordneten kollektiv befangen sein sollen. Es geht also um die Frage des befangenen Parlaments und nicht um die des befangenen Abgeordneten. Da jedoch bei Gerichten und Verwaltungen stets nur ein Ausschluss einzelner Gerichtspersonen bzw. Amtsträger möglich ist, kommt bei diesen Institutionen nur dann kollektive Befangenheit bzw. Besorgnis der Befangenheit einer Richterbank bzw. einer Behörde in Betracht, wenn bezüglich aller erfassten Einzelpersonen individuelle Befangenheit bzw. deren Besorgnis be234 Der Befangenheitsbegriff und seine Anwendbarkeit auf Parlamentarier bilden den Schwerpunkt der Arbeiten N. Achterberg, Die Abstimmungsbefugnis des Abgeordneten bei Betroffenheit in eigener Sache, in: AöR 109 (1984), 505–531; und Chr. Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier, Diss. Berlin 1978. Die hier im Weiteren entwickelte Argumentation spricht jedoch klar für die Ansicht N. Achterbergs, der einen Ausschluss von Abgeordneten wegen Befangenheit ablehnt. So muss sich Chr. Knebel-Pfuhl, S. 138 ff., u. a. auf einen „besonderen Rechtsgrundsatz überverfassungsrechtlichen Ranges“ stützen, um zu ihrem Ergebnis, dem Ausschluss eines „befangenen“ Abgeordneten zu gelangen.
C. Stellungnahme zu den subsumierten Sachverhalten
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steht. Zu klären sind daher zunächst die für das Gesamtparlament in Frage kommenden Befangenheitsmaßstäbe. 1. Befangenheitsmaßstäbe Dass der Begriff der Befangenheit dem Parlament zunächst nicht völlig fremd ist, ergibt sich aus den Vorschriften des WahlprüfungsG. Das Wahlprüfungsverfahren kennt tatsächlich eine eigene Befangenheitsregelung für Abgeordnete. § 17 I WahlprüfungsG schließt den Abgeordneten, dessen Wahl zur Prüfung steht, von der Beratung und Entscheidung von der Teilnahme am Wahlprüfungsverfahren aus. Diese Befangenheitsregel stellt aber einen Fremdkörper im Parlamentsrecht dar, da ansonsten keinerlei entsprechende Normen für Abgeordnete existieren. Die Sonderregelung im Wahlprüfungsverfahren lässt sich einerseits historisch erklären: Der Reichstag bildete gemäß Art. 21 WRV aus seiner Mitte noch ein Wahlprüfungsgericht, eine vergleichbare Einrichtung findet sich heute noch in Hessen gemäß Art. 78 HessV. Andererseits ist das Wahlprüfungsverfahren als einzige Entscheidungsform des Bundestages der Gerichtsförmigkeit genähert,235 bzw. gar ein Akt materieller Justiz.236 § 17 II WahlprüfungsG schränkt die Befangenheitsregelung aber dahingehend ein, dass § 17 I WahlprüfungsG nicht zur Anwendung kommt, sobald zehn Abgeordnete in einem einzelnen Verfahren betroffen sind. Grund hierfür ist zweifelsohne die Arbeitsfähigkeit des Parlaments.237 Jedoch zeigt sich auch hier, dass die Individualbetroffenheit eine umso geringere Rolle spielt, je eher auch eine Kollektivbetroffenheit gegeben ist. Gerade diese Regelung spricht insoweit gegen auf kollektive Betroffenheit des Bundestages ausgerichtete besondere Rechtsfolgen. Als Definition der Befangenheit wurde nach obiger Analyse Parteilichkeit und Voreingenommenheit festgestellt. Inwiefern diese Begriffe im Rahmen eines Parlaments überhaupt eine Rolle spielen, wird im Rahmen der Arbeit später noch zu beantworten sein. Grundsätzlich stellt sich aber dennoch zunächst die Frage, inwiefern der Begriff der Befangenheit bzw. der Besorgnis der Befangenheit in den genannten Fällen der „Entscheidung in eigener Sache“ überhaupt eine Rolle spielen kann.238 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht für das Ver235
Vgl. Chr. Knebel-Pfuhl, S. 114. Vgl. BVerfGE 103, 111 (136 ff.); A. Geyer, S. 26. 237 M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 41 Rn. 7. 238 Pr. Dagtoglou, FS Forsthoff, S. 65 (80), will den Begriff der Befangenheit dann auch für den Bereich der Politik ausschließen, namentlich für Parlaments- und Gemeindewahlen. 236
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
fassungsorgan Bundestag zumindest ähnliche Einschränkungen des Befangenheitsbegriffs gelten müssen wie für das Bundesverfassungsgericht, jedenfalls aber solche wie für die kommunalen Bürgervertretungen. Da auch der Bundestag als oberstes Verfassungsorgan im Rahmen seiner legislativen Kompetenz sehr häufig ebenso weitreichende Verfahrensgegenstände für einen sehr weiten Personenkreis regelt wie das Bundesverfassungsgericht, wird man zumindest die anspruchsvolleren Maßstäbe für das Bundesverfassungsgericht als Grundlage einer Befangenheitsdiskussion bezüglich des Parlaments heranzuziehen haben. Dies umso mehr, als dem Parlament das Einzelfallgesetz als Gegensatz zum allgemeinen Gesetz wegen Art. 19 I GG aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips verboten ist.239 Schon konzeptionell wird also von Entscheidungen des Bundestags stets ein weiter Personenkreis erfasst sein. Insoweit kann Befangenheit bzw. deren Besorgnis nur bei Vorliegen eines individuellen Sonderinteresses bei allen Abgeordneten bestehen. Fraglich ist außerdem, ob man reine Binnenrechtsregelungen aus der Begrifflichkeit ausschließen kann, also Entscheidungen, die sich tatsächlich weder unmittelbar noch mittelbar im Außenbereich des Parlaments auswirken. Dies würde etwa den weitgehend als unproblematisch angesehenen Fall der Geschäftsordnung des Parlaments erfassen und die Anwendung der Befangenheitsregeln zur Klärung der Problemfälle wesentlich erleichtern. Allerdings handelt es sich gerade hier um Fälle, in denen am deutlichsten bei wortlautgetreuer Auslegung „Entscheidungen in eigener Sache“ vorliegen. Ausgerechnet diese Fälle aus der „Entscheidung in eigener Sache“ unter Berufung auf den (angeblich) dahinter stehenden Begriff der Befangenheit auszuschließen, würde den Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ als Widerspruch zu sich selbst erscheinen lassen. Auch dürfte es schwierig sein, völlig außenrechtsbezugfreies Binnenrecht zu finden. So haben doch etwa die Regelungen über die drei Lesungen von Gesetzentwürfen oder über die Verweisung in Ausschüsse Publizitätsbezug und mithin jedenfalls deutlichen mittelbaren Außenbezug. Ein Ausschluss des reinen Binnenrechts ist somit nicht nur kaum praktikabel, sondern stellte auch einen Widerspruch zum Begriff „Entscheidung in eigener Sache“ dar. 239 H. Krüger, DVBl. 1955, 791 (796) sieht hierin einen „Eckstein des Rechtsstaats“. Zur Rechtsprechung des BVerfG zu Maßnahme- und Anlassgesetzen s. insb. BVerfGE 25, 371 ff.; 99, 367 ff. Art. 19 I ist nichtsdestoweniger weitgehend ohne Bedeutung geblieben, vgl. R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 1 (Stand 1981), Rn. 26; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 330; P. M. Huber, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG I, Art. 19 Rn. 5; H. Krüger/M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 24; Chr.-Fr. Menger, in: BK, Art. 19 Abs. 1 S. 1 (Stand 1979), Rn. 25; G. Roellecke, in: Umbach/Clemens, GG I, Art. 19 Rn. 28. Zum Bezug des Art. 19 I 1 GG auf die Gewaltenteilung s. Chr.-Fr. Menger, in: BK, Art. 19 Abs. 1 S. 1 (Stand 1979), Rn. 35 ff.; ders., GS Klein, S. 321 (324 f.).
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Als Maßstab für eine Befangenheit des Parlaments lässt sich somit nur festhalten, dass sie bzw. ihre Besorgnis, soweit man den Begriff für das Parlament im Rahmen seiner normierenden Tätigkeit zulässt,240 dann vorliegt, wenn bei sämtlichen Abgeordneten ein individuelles Sonderinteresse an der Entscheidung vorliegt bzw. unterstellt werden kann. 2. Einzelfälle Im Rahmen der Politikfinanzierungsentscheidungen mag der Begriff der Befangenheit noch am deutlichsten für die Diäten- nebst Versorgungsentscheidungen sowie sonstigen Ausstattungsentscheidungen zugunsten der Abgeordneten gelten. Man wird hier – zu Recht oder zu Unrecht – ein Individualsonderinteresse aller Abgeordneten annehmen dürfen, möglichst gut entlohnt und versorgt zu werden. Ein solches Interesse ist in jedem Falle nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Andererseits kann hier von einer völligen Identität von Entscheidenden und Betroffenen nicht die Rede sein. Von den entsprechenden Entscheidungen sind immer auch ehemalige Abgeordnete, nachrückende Abgeordnete, Angehörige von Abgeordneten und Hinterbliebene ehemaliger Abgeordneter betroffen. Darüber hinaus sind im konkreten Fall der Bundestagsabgeordneten von deren Entscheidung auch die deutschen Parlamentarier des Europäischen Parlaments betroffen.241 Wegen der breiteren Wirkung der Entscheidung ist daher bereits im Rahmen der Diätenentscheidung keine Entscheidung gegeben, die ausschließlich die Entscheidenden betrifft. Insofern ist das Bestehen von Befangenheit bzw. deren Besorgnis im Rahmen der dargestellten Maßstäbe nicht unproblematisch. Die Abgeordneten sind hier als Mitglieder der Berufsgruppe „Parlamentarier“ von einer abstrakt-generellen Regelung betroffen. Insofern spricht hier wegen der Abstraktheit und Generalität der Entscheidung einiges dafür, die Befangenheit bzw. die Besorgnis derselben auszuschließen. Letztlich wird man wegen des Individualinteresses der Abgeordneten den Begriff der Befangenheit aber auf diese Entscheidungen noch anwenden können. Um einiges problematischer wird dies jedoch schon bei Entscheidungen über die Parteienfinanzierung. Zwar sind nahezu alle Abgeordneten Mitglied einer politischen Partei oder stehen einer Partei zumindest nahe. Andererseits gehen bereits die Prozessordnungen und die Verwaltungsverfahrensgesetze i. w. S. wie oben aufgezeigt davon aus, dass die Parteimitgliedschaft als solche noch nicht befangen macht, selbst in Entscheidungen über 240
Vgl. dazu insb. unten 3. Teil, B.I.5. Vgl. auch H. H. v. Arnim, NJW 2004, 1422 (1422); H. H. Klein, Maunz-Dürig, GG, Art. 48 (1998), Rn. 150 Fn. 352; J. Chr. v. Waldthausen, S. 114, Fn. 286. 241
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Ansprüche der jeweiligen Parteien. Es muss ein besonderes persönliches Interesse deutlich werden, das dann angenommen wird, wenn der Entscheidungsträger etwa dem Vorstand der Partei angehört. Allerdings gehören nicht alle Abgeordneten dem Parteivorstand der Bundes- und Landesebene an, um die es jedoch bei der Parteienfinanzierungsentscheidung geht. Hier wird man sich noch damit behelfen können, dass eine Besorgnis der Befangenheit dadurch gegeben ist, dass die Abgeordneten für ihre Partei im Bundestag sitzen und mithin Repräsentantenfunktionen auch für die Partei übernehmen. Dem lässt sich allerdings wieder dadurch begegnen, dass auch die Richter des Bundesverfassungsgerichts wegen ihrer Parteimitgliedschaft, die häufig an prominenter Stelle ausgeübt wurde, nicht als befangen gelten, ja sogar die Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen ist. In dieselbe Richtung zielt wiederum auch, dass Mitglieder kommunaler Vertretungsorgane nicht wegen Befangenheit ausgeschlossen sind, wenn sie von Regelungen allgemeiner Art nur wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe betroffen sind. Ein individuelles Sonderinteresse wird man bei den Abgeordneten mithin nur darüber konstruieren können, dass sie in den politischen Prozess auch durch die Fraktionsdisziplin242 eingebunden sind, was für die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht gilt. Den Abgeordneten mag also eventuell politischer Druck von Seiten der Fraktion ihrer Partei entgegen treten, wenn sie nicht im Interesse ihrer Partei handeln. Man kann hier also noch eine Befangenheit bzw. deren Besorgnis annehmen. Diese Annahme wird aber wiederum dadurch geschwächt, dass von den Parteienfinanzierungsentscheidungen auch nicht im Parlament vertretene Parteien – und durchaus nicht immer nur negativ – betroffen sind und wiederum ein sehr weiter Personenkreis erfasst ist. Noch schwieriger wird die Konstruktion einer Befangenheit bzw. der Besorgnis der Befangenheit im Falle der Finanzierung der politischen Stiftungen. Zwar stehen diese in Zusammenarbeit und Zusammenhang mit den politischen Parteien. Nicht zuletzt wegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind sie jedoch von den Parteien rechtlich völlig verselbständigt. Eine tatsächliche Betroffenheit bzw. den Verdacht einer solchen gegenüber den Abgeordneten nur aus der politischen Nähe von Stiftung und Partei zu entwickeln, erscheint sehr konstruiert: Eine individuelle Betroffenheit wird sich hier noch weniger feststellen lassen als bei der Par242 Vgl. N. Achterberg/M. Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 38 Rn. 41; P. Badura, in: BK, Art. 38 (Stand 1966), Rn. 78; G. Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 38 Rn. 81; S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 50; H.-P. Schneider, in: AK-GG, Art. 38 (Stand 2002), Rn. 52; W. Schreiber, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 38 (Stand 2000), Rn. 110 f.; Th. Trachternach, DVBl. 1975, 85 ff.; H.-H. Trute, in: von Münch/Kunig, GG II, Art. 38 Rn. 89; alle mit weiteren Nachweisen.
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teienfinanzierung selbst. Zwar mag jeder Abgeordnete schon an Veranstaltungen der politischen Stiftungen teilgenommen haben, dennoch ist nur eine Minderzahl von ihnen in die Strukturen der parteinahen Stiftungen eingebunden, geschweige denn in Vorstandspositionen tätig. Bestenfalls lässt sich hier die Besorgnis der Befangenheit daraus konstruieren, dass die Abgeordneten als Fraktionsmitglieder in die Fraktionsdisziplin eingebunden sind und deshalb das Interesse der Partei auf sie einwirkt. Doch wird hier der Befangenheitsbegriff, der stets auch eine individuelle Betroffenheit verlangt, äußerst vage. Hier eine nachhaltigere Betroffenheit anzunehmen als beim Bundesverfassungsrichter, der über die parteinahen Stiftungen zu entscheiden hat, scheint zu weitgehend. Unproblematisch wird man dagegen eine Kollektiv- und Individualbetroffenheit bei der Fraktionsfinanzierung annehmen dürfen. Da diese letztlich der Erleichterung der Arbeit der Abgeordneten dienen soll, ist die Annahme der Befangenheit bzw. ihrer Besorgnis hier nicht zu weit hergeholt. Eventuell können aber wieder die Einschränkungen, wie sie das BVerfGG kennt, greifen. Nichts anderes gilt eben auch für den Fall des Parlamentshaushalts. Auch die hier vorgesehenen Mittel dienen maßgeblich der Arbeitserleichterung der Abgeordneten bzw. ihrer Organisationsfähigkeit überhaupt, liegen also auch in deren Individualinteresse.243 Anders verhält es sich wiederum mit der Besoldung von Regierungsmitgliedern. Hier gibt es Abgeordnete, die Regierungsmitglied sind. Bei ihnen lässt sich ein Individualinteresse zweifelsohne feststellen. Ein solches Interesse wird man beim „einfachen“ Abgeordneten nur dann annehmen, wenn man unterstellt, dass er auf ein Regierungsamt spekuliert. Ein generelles Interesse dieser Art wird man wieder nur annehmen dürfen, wenn man einen eventuell bestehenden Druck auf den Abgeordneten von Seiten der Fraktion und der Partei unterstellt. Anders ausgedrückt: Die Zugehörigkeit zu dem, was landläufig als „politische Klasse“244 bezeichnet wird, mag dem Einzelnen als Befangenheitsgrund oder Grund der Besorgnis genügen, er geht jedoch über die Grenzen dessen hinaus, was bei einem Bundesverfassungsrichter als Befangenheit bzw. deren Besorgnis gilt. Eine Individualbetroffenheit der Abgeordneten ist zweifelsohne bei Entscheidungen über den Abgeordnetenstatus gegeben, etwa über die Verhaltensregeln für Abgeordnete. 243 Dem mag man hier entgegen halten, dass der Parlamentshaushalt in viel weiterem Maße der Kontrolle des Bundesrechnungshofes unterliegt als etwa die Parteienfinanzierung. Dies ist jedoch eine grundsätzlich andere Fragestellung. Hier geht es nicht um Kontrolle, sondern um Befangenheit. 244 s. hierzu K. v. Beyme, passim, insb. S. 99 ff.
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Hier ist auch nochmals das Wahlprüfungsverfahren vor dem Bundestag anzusprechen. Das Parlament ist als Ganzes von einer solchen Entscheidung stets institutionell betroffen, seine Mitglieder sind daher institutionell befangen. Auch mag es hier wie in den oben genannten Entscheidungen fraktionellen Druck auf die Abgeordneten geben. Große persönliche Nähe wird es oft zwischen den Abgeordneten der gleichen Partei und dem vom Prüfungsverfahren betroffenen Abgeordneten geben. Insofern besteht zumindest auch bei diesen Abgeordneten eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne der Prozessordnungen. Sie für alle Abgeordneten festzustellen, dürfte aber schwierig sein. Als Einzelfallentscheidung kann sich hier eine Befangenheit eher ergeben als bei generell-abstrakten Regelungen. Dennoch sind dafür keine weitergehenden Befangenheitsregeln als die von § 17 WahlprüfungsG vorgesehen. Auch bei Entscheidungen über die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten sind das Parlament und seine Mitglieder institutionell befangen, da die Immunität der Arbeitsfähigkeit des Parlaments dient.245 Darüber hinaus kann hier beim einzelnen Abgeordneten wegen persönlicher Nähe zum von der Aufhebung betroffenen Abgeordneten individuelle Betroffenheit i. S. einer Besorgnis der Befangenheit auftreten. Andererseits ist es hier wieder schwierig, ein individuelles Sonderinteresse aller Abgeordneter festzustellen. Nicht unproblematisch ist die Frage der Befangenheit für die Regelung des Wahlrechts. Zwar werden zunächst alle Abgeordneten als Wähler betroffen sein, was für eine Befangenheit spricht, jedoch sind sie dies in ihrer Eigenschaft als Gruppenzugehörige. Eine Besorgnis der Befangenheit kann hier dergestalt bestehen, als sich die Abgeordneten einen Startvorteil für die nächste Wahl schaffen könnten. Die (Nicht-)Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kann ebenso im persönlichen Interesse der einzelnen Abgeordneten liegen. Denkt man an den so genannten Flick-Untersuchungsausschuss,246 hatten sogar weite Teile des Parlaments ein Interesse, wenn man ein solches denn auch für die Parteienfinanzierung annimmt. Auch hier kann man also von einer Besorgnis der Befangenheit bei Einzelnen ausgehen. Ein individuelles Sonderinteresse 245 Vgl. BVerfGE 104, 310 (331). s. a. N. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 246 ff.; N. Achterberg/M. Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 46 Rn. 31; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 607; G. Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 46 Rn. 13, S. Magiera, in: BK, Art. 46 (Stand 1981), Rn. 16; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 46 (Stand 1960), Rn. 26; H. Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 46 Rn. 22; H.-H. Trute, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 46 Rn. 1 m. w. N. s. a. H.-P. Schneider, in: AK-GG, Art. 46 (Stand 2002), Rn. 10; D. Wiefelspütz, NVwZ 2003, 38 (39); ders., DVBl. 2003, 1229 ff. 246 Vgl. auch BVerfGE 67, 100 ff.
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bei allen Abgeordneten festzustellen oder zu unterstellen, wird allerdings wieder schwierig sein. Nicht anders verhält es sich mit Regelungen über den Parlamentssitz. Hier besteht sicherlich ein institutionelles Interesse. Ein persönliches Sonderinteresse der einzelnen Abgeordneten kann hier wegen der Anreisezeiten sicherlich unterstellt werden. Gleiches gilt für die Ermächtigung des Parlaments, etwa durch Verlängerung der Wahlperiode, da auch hier kollektives und Individualsonderinteresse auftreten. Das gilt auch für die Erweiterung des Parlaments um Abgeordnete, wie sie etwa im Rahmen der Wiedervereinigung beschlossen wurde. Die Regelungen des Verhältnisses der Institution Parlament zu anderen Staatsorganen liegen hingegen mehr im institutionellen Interesse des Bundestages als im individuellen Sonderinteresse der Abgeordneten. Insbesondere haben die Abgeordneten ein kollektives, aber eben auch individuelles Interesse an der Ausgestaltung der Geschäftsordnung, da sie die konkreten Rechtsverhältnisse innerhalb des Parlaments regelt. Mangels Entscheidungsträgerschaft kommt eine Befangenheit des Parlaments bzw. seiner Abgeordneten bei der Exekution von Parteien- und Abgeordnetenrecht durch den Bundestagspräsidenten jedoch nicht in Betracht. Für das Parteienrecht als solches kann selbstverständlich ein Sonderinteresse der Abgeordneten bestehen, wenn man ein solches für die Parteienfinanzierung annimmt. Die Abgeordneten haben hier die Möglichkeit, ihre eigene Position in der Partei zu regeln und festzuschreiben. Insofern kann hier durchaus auch ein persönliches Interesse der Parlamentarier bei Regelungen des Parteienrechts gegeben sein, eine Besorgnis der Befangenheit wegen besonderer Nähe, die bei der Finanzierungsentscheidung in diesem Ausmaß nicht auftreten muss, ist nach den prozessualen Regeln sogar noch eher anzunehmen. Auch bei der Untersuchung im Rahmen von Untersuchungsausschüssen können persönliche bzw. vermittelte Parteiinteressen eine Rolle spielen. Dafür ist natürlich der konkrete Untersuchungsgegenstand entscheidend. Auch hier ist Befangenheit bzw. deren Besorgnis möglich und oft gegeben. Sie für alle Abgeordneten anzunehmen, dürfte aber schwierig sein. Nichts anderes gilt für den Fall der Amnestiegesetze für Abgeordnete, die tatsächlich in den Genuss der Amnestie kommen. Bei anderen Abgeordneten mag im Einzelfall die persönliche Nähe eine Rolle spielen oder auch die Fraktionsdisziplin. Andererseits sind die betroffenen Abgeordneten hier,
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jedenfalls im seinerzeit diskutierten Fall im Rahmen der Flick-Affäre,247 wiederum nur Teil einer größeren Bevölkerungsgruppe, die von einem solchen Gesetz erfasst wird. Insoweit treten für die Befangenheit und die Besorgnis derselben die gleichen Probleme bei der Feststellung auf wie etwa bei der Finanzierung der politischen Stiftungen. Ein besonderes Problem beim Begriff der Befangenheit tritt im Rahmen der Beschlussfassung über allgemeine Gesetze auf. Auch hier wird der Abgeordnete wegen der abstrakt-generellen Regelung oft persönlich betroffen sein. Regelungen des Erbrechts etwa betreffen nahezu jeden Abgeordneten, weil er entweder Eltern oder Abkömmlinge hat. Auch sind alle Abgeordneten z. B. vom Einkommenssteuergesetz betroffen. Freilich, sie sind hier stets als Teil einer größeren Bevölkerungsgruppe betroffen, doch gilt dies, wie aufgezeigt, auch für viele Entscheidungen, die im Rahmen der so genannten „Entscheidung in eigener Sache“ als problematisch angesehen werden. Auch wird in diesen allgemeinen Entscheidungen die Fraktionsdisziplin oft eine Rolle spielen. Insofern macht eine Differenzierung zwischen „Entscheidungen in ausschließlich eigener Sache“ und „Entscheidungen auch in eigener Sache“ wenig Sinn. Bei Regelungen der Geschäftsordnung besteht das Individualinteresse aller Abgeordneten ebenso wie beim Einkommenssteuergesetz und bei Entscheidungen über die Diäten. Am wenigsten ist der Abgeordnete gerade bei Entscheidungen über die Geschäftsordnung in ein auch aus dem Parlament hinausragendes Kollektiv eingebunden – selbst bei den Diäten liegt keine Entscheidung nur zugunsten der Abgeordneten vor. 3. Ergebnis Auch unter Anwendung der Befangenheitsregeln verbleiben weitreichende Zweifelsfälle, da eine an rechtliche Gesichtspunkte anknüpfende Differenzierung zwischen Entscheidungen, in denen die Abgeordneten befangen sein sollen, und solchen Fällen, in denen sie es nicht sind, kaum zu handhaben ist. Werden die bundesverfassungsgerichtlichen Maßstäbe herangezogen, so verbleiben bei der Finanzierung der Parteistiftungen, der Parteien selbst und der Diäten Zweifel. Vom Befangenheitsstandpunkt aus betrachtet ergeben sich hier schwerlich Maßstäbe, die andere generell-abstrakte Regelungen weniger vom Begriff der Befangenheit erfasst ansehen lassen, als etwa die Finanzierung der parteinahen Stiftungen. Auch gibt es nur wenige Regelun247
Vgl. BVerfGE 67, 100 ff.; Chr. Pestalozza, JZ 1984, 559 ff.
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gen, auf die der Befangenheitsbegriff so deutlich passt wie auf das eher als unproblematisch angesehene Parlamentsbinnenrecht. Insofern gilt auch für den ohnehin nicht eindeutigen Begriff der Befangenheit, der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit beinhaltet, dass er einerseits überinklusiv ist, da er Entscheidungen erfasst, die gemeinhin als unproblematisch gelten, wie die Regelung des Parlamentsbinnenrechts, insbesondere aber auch die allgemeinen Gesetze. Andererseits erweist er sich als überexklusiv, da insbesondere als problematisch erkannte Entscheidungen, wie die über die Finanzierung der parteinahen Stiftungen, kaum zu erfassen sind. Mithin erweist sich auch die Definition der „Entscheidung in eigener Sache“ als „befangene Entscheidung“ oder als „Entscheidung bei der die Besorgnis der Befangenheit der Entscheidungsträger besteht“ jedenfalls als problematisch.248 Darüber hinaus ergeben sich gegen den Begriff auch grundsätzliche verfassungsimmanente Einwände, über die noch im Rahmen der Maßstäbe des Rechtsstaatsprinzips für Parlamentsentscheidungen zu sprechen sein wird.
III. Insichgeschäft Der Begriff des Insichgeschäfts249 als Definition der „Entscheidungen in eigener Sache“ scheint schon von seinem Ausgangspunkt her problematisch. Obgleich § 181 BGB auch im Öffentlichen Recht Anwendung finden soll und insofern grundsätzlich in Betracht kommt,250 stellt sich hier bereits die Frage, inwiefern die referierten Sachverhalte Rechtsgeschäfte i. S. d. Bürgerlichen Rechts beinhalten. Daran wird man grundsätzlich zweifeln müssen, da sich schon in den genannten Feldern die Privatautonomie des Einzelnen nicht verwirklicht und das Rechtsgeschäft das Werkzeug der Privatautonomie ist.251 Darüber hinaus kommen Rechtsgeschäfte durch Willenserklärungen zustande. Willenserklärungen sind Äußerungen eines auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens. Durch sie muss ein Rechtsfolgenwille zum Ausdruck kommen, also ein Wille, der auf 248
Vgl., wenngleich mit anderer Begründung, W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1195). 249 Vgl. hierzu U. Hübner, passim. 250 Vgl. U. Leptien, in: Soergel, BGB II, § 181 Rn. 24; E. Schilken, in: Staudinger, BGB, § 181 Rn. 29, der jedenfalls den Verwaltungsakt von der Anwendbarkeit des § 181 ausnimmt. Vgl. auch H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 5; E. Steffen, in: RGRK I, § 181 Rn. 14. 251 s. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überbl. v. § 104 Rn. 1; L. Michalski/H. Palm, in: Erman, BGB I, § 104 Rn. 1.
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die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses zielt.252 Hier kommen jedoch die Begründung, Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses in keinem der genannten Fälle in Betracht. Man könnte bestenfalls an eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 181 BGB auf die Begründung, Änderung oder Beendigung öffentlichrechtlicher Rechtsverhältnisse durch das Parlament denken. Daher stellt sich die Frage, ob in den genannten Fällen tatsächlich eine vergleichbare Lage besteht wie die in § 181 BGB geregelte. Dazu müssten sämtliche Abgeordnete sowohl auf der einen Seite des öffentlichen „Rechtsgeschäfts“ als Vertreter stehen und zugleich auf der anderen Seite als Erklärungsempfänger für sich selbst oder als Vertreter eines Dritten wirken. Hier ist schon das Wirken der Abgeordneten als Vertreter zweifelhaft: Zwar sind sie nach Art. 38 I 2 GG Vertreter des ganzen Volkes. Jedoch erscheint es problematisch, den hier niedergelegten Grundsatz der Repräsentation im Sinne einer Vertretungsmacht im rechtsgeschäftlichen Sinne zu interpretieren.253 Im Folgenden soll dieser problematische Schritt jedoch zunächst unternommen werden, um zu überprüfen, inwiefern ein solches Vorgehen überhaupt geeignet ist, die Phänomene der „Entscheidung in eigener Sache“ zu erfassen. Im Rahmen der Diäten-, Versorgungs- und Ausstattungsentscheidungen sind die Abgeordneten als Volksvertreter tätig. Sie sind insoweit auch die Betroffenen, d.h. „Empfänger“ ihrer „Willenserklärung“, also der gesetzlichen Regelungen, welche die genauen Bedingungen der genannten Leistungen regeln. Durch diese gesetzlichen Regelungen kommt ein „Rechtsgeschäft“ zustande. Dass die Abgeordneten, wie aufgezeigt, nicht die einzigen Empfänger sind, ist insoweit unbedenklich, als es auch beim Insichgeschäft keine Rolle spielt, ob weitere Begünstigte des Rechtsgeschäfts existieren.254 Da das „Geschäft“ für die Vertretenen, das Staatsvolk, nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, könnte der Rechtsgedanke des § 181 BGB 252 Vgl. W. Hefermehl, in: Soergel, BGB II, § 116 Rn. 1; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einf. v. § 116 Rn. 1. 253 Vgl. W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1194 f.); K. Stern, Staatsrecht I, S. 961; nichtsdestoweniger kann die Stellung der Abgeordneten als „Vertreter“ des Volkes im Rahmen einen Betrachtung aus Sicht der Neuen Institutionenökonomie – zum Begriff vgl. R. Richter/E. Furubotn, S. 457 – unter dem Gesichtspunkt der Prinzipal-Vertreter-Theorie gewinnbringend für die Betrachtung sein. Vgl. aber hierzu noch unten 3. Teil, B.II.1.b). 254 Vgl. H. Palm, in: Erman, BGB I, § 181 Rn. 8; K.-H. Schramm, in: MüKo BGB I, § 181 Rn. 14.
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hier tatsächlich eine Rolle spielen. Auch besteht das „Geschäft“ nicht lediglich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit: Zwar haben die Abgeordneten aus Art. 48 III 1 GG Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Die konkrete Festsetzung derselben geht jedoch über die bloße Erfüllung dieser Verbindlichkeit hinaus, da sie die verfassungsrechtliche Verpflichtung konkretisiert. Insofern mag man für Diäten-, Versorgungs- und sonstige Leistungsentscheidungen zugunsten der Abgeordneten von einem Insichgeschäft sprechen. Dasselbe gilt dann natürlich auch für die Fraktionsfinanzierung – hier existiert tatsächlich eine Identität von Entscheidern und Empfängern – und den Parlamentshaushalt. Dies wird jedoch wieder problematisch bei Fragen der Parteien- und Stiftungsfinanzierung. Zwar mögen die Abgeordneten auch hier als Volksvertreter in einem dem Rechtsgeschäftsbegriff angenäherten Sinne wirken. Jedoch sind die Parteien bzw. die parteinahen Stiftungen die Empfänger. Nun werden viele Abgeordnete, jedoch sind es bei weitem nicht alle, im Vorstand der Partei als deren Vertreter im rechtsgeschäftlichen Sinne wirken, so dass der Rechtsgedanke des § 181 BGB nicht sämtliche Abgeordnete zu erfassen vermag. Die komplette Einbeziehung aller Abgeordneten wäre hier nur möglich, wenn wegen der Nähe der Abgeordneten zu ihrer Partei letztlich alle Abgeordnete als Repräsentanten ihrer Partei behandelt würden. Dann verschwimmt aber die doch sehr konkrete Fassung des Rechtsgedankens des § 181 BGB. Das gilt umso mehr für die Entscheidungen über die Finanzierung der politischen Stiftungen, bei denen eine Repräsentation durch alle Abgeordneten noch schwerer festzustellen ist. Von einer Regelung des Parteienrechts als solches können jedoch wieder alle Abgeordneten als Individuen betroffen sein. Sie sind insoweit, als etwa ihre Rechte geregelt werden, sowohl Erklärende als auch Empfänger. Auch bei der Regierungsbesoldung sind nicht alle Abgeordneten Empfänger, also Betroffene der rechtlichen Regelung. Alle Abgeordneten als Vertreter auch der Regierung zu apostrophieren, erscheint nicht zu verwirklichen. Bei Regelungen des Abgeordnetenstatus besteht zunächst wiederum eine Identität von Entscheidern und Empfängern. Nichts anderes gilt für die Regelungen der Geschäftsordnung. Hier könnte man eventuell von der rechtlichen Neutralität solcher Entscheidungen für das „vertretene“ Volk sprechen. Dies wird aber im Einzelfall wieder problematisch. Ist es für das Volk lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn erstmals über Verhaltensregeln für Abgeordnete entschieden wird? Stellen diese eventuell gar eine Einschränkung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Rechtszustandes der Forderung nach Transparenz, also einen rechtlichen Nachteil des Volkes dar? Sind die Regelungen über Anhörungen im Parlamentsausschuss nur vorteilhaft? Es
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2. Teil: Inhalte des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“
stellen sich daher in diesem Bereich dieselben Probleme, wie sie schon für den Befangenheitsbegriff im Rahmen des Binnenrechts festgestellt wurden. Weniger problematisch ist die Einordnung der Wahlprüfung, da hier sicherlich nicht sämtliche Abgeordnete Erklärungsempfänger sind, es sei denn, die Wahl des gesamten Parlaments wäre angefochten. Insofern scheidet eine Anwendung des Begriffs des Insichgeschäfts aller Abgeordneten im Normalfall aus. Dieselben Gründe schließen den Begriff auch für die Aufhebung der Immunität aus. Auch bei der Regelung des Wahlrechts sind Empfänger nicht nur die Abgeordneten, sondern alle Bürger und alle Parteien – aber: zumindest sind auch alle Abgeordneten Empfänger. Da es auf sonstige Empfänger nicht ankommt, wäre hier der Begriff des Insichgeschäfts anzuwenden. Dies gilt auch für die Regelung des Parlamentssitzes. Letztlich besteht beim Insichgeschäft aber das gleiche Problem wie schon bei der Befangenheit: Auch hier werden sämtliche allgemeinen Gesetze erfasst, da jedes dieser Gesetze, sei es im Erb- oder Steuerrecht, den einzelnen Abgeordneten ebenfalls zum Gesetzesverpflichteten, also Empfänger macht. Auch der Begriff des Insichgeschäft kann daher – bei allen schon grundsätzlich bestehenden Bedenken gegen seine Anwendung im Rahmen gesetzlicher Regelungen – keinen Rahmen für den Begriff der „Entscheidungen in eigener Sache“ bieten. Auch diese Definition wirkt sich überinklusiv bezüglich der allgemeinen Gesetze und überexklusiv bezüglich bestimmter Bereiche der Politikfinanzierung aus. Auch dieser Begriff ist zur Definition der „Entscheidung in eigener Sache“ ungeeignet, mangels möglicher Unterscheidung zwischen Gruppen- und Individualbetroffenheit sogar noch ungeeigneter als der Begriff der Befangenheit.
IV. Ergebnis Wie nachgewiesen wurde, weisen sämtliche vorgebrachten Definitionen bzw. Definitionsfragmente des Begriffs der „Entscheidungen in eigener Sache“ erhebliche Defizite auf. Sie erweisen sich sämtlich als überinklusiv und überexklusiv.255 Alle Definitionsversuche kreisen jedoch um die schon im Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ angelegte Interessenkollision. Im Rahmen der weiteren Ausführungen wird daher zu klären sein, ob die allgemein wahrgenommene Problematik der als „Entscheidungen in eigener Sache“ umschriebenen Sachverhalte tatsächlich in der Interessenkolli255
Vgl. auch W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1194).
C. Stellungnahme zu den subsumierten Sachverhalten
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sion oder andernorts zu lokalisieren ist. Dazu gilt es, im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung mit dem verfassungsrechtlichen Status der Abgeordneten und der Qualität ihrer Entscheidungen einen verfassungsrechtlich verankerten Maßstab für problematische Entscheidungen zu finden, um im Weiteren Wege beschreiten zu können, die das Problem aufzulösen vermögen.
3. Teil
Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen der „Entscheidung in eigener Sache“ In der Literatur, aber auch in der Rechtsprechung kommt unter dem Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ meist ein gewisser Vorbehalt gegen solche Entscheidungen zum Ausdruck. Dies wird schon dadurch deutlich, dass vielfach auf die ebenfalls negativ besetzten Begriffe der Befangenheit oder des Insichgeschäfts reflektiert wird.1 Am deutlichsten wird diese Ablehnung solcher Entscheidungen bzw. der Vorbehalt gegen sie bei Wilhelm Henke. Er hält die „Entscheidung in eigener Sache“ gar für „verfassungswidrig“.2 Unklar bleibt in seinen Ausführungen, ob dies nur die Entscheidungen zur staatlichen Parteienfinanzierung betreffen soll oder grundsätzlich für alle Arten derartiger Entscheidungen. Für letzteres spricht, dass er auf den Terminus „Entscheidung in eigener Sache“ reflektiert und sich diesbezüglich auf das Amtsprinzip der Fremdnützigkeit stützt.3 Eine gewisse Eingrenzung des Terminus scheint er aber dahingehend zu sehen, dass die Bedeutung des Amtsprinzips nur für die Vergabe staatlicher Mittel gelten solle, wenn er im Weiteren auf die Begrenzung parlamentarischer Entscheidungshoheit im Finanzbereich verweist, etwa bei der Bundesbank oder durch das Einspruchsrecht der Bundesregierung.4 Einige der Bereiche, die als klassische Fälle der „Entscheidung in eigener Sache“ genannt werden, haben allerdings im Grundgesetz ausdrückliche Re1
Für das amerikanische Recht vgl. etwa B. C. Kalt, 106 Yale L. J. (1996), 779 (795), mit dem Begriff des „structural distaste for self-dealing“. 2 W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 322. 3 W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 322. 4 W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 322, insb. Fn. 35. Allerdings spricht gegen eine umfassende Übertragung des Gedankens auf Finanzierungsentscheidungen des Parlaments dessen grundsätzliche Haushaltshoheit. Die Regelungen zu den Aufgaben der deutschen Bundesbank, nunmehr der Europäischen Zentralbank, regulieren einen Sonderbereich des Rechts – den der Zielstellung der Geldwertstabilität; P. Kirchhof, NJW 2001, 1332 (1333); vgl. dazu insbesondere auch Chr. Waigel, passim. Die unter dem Terminus „Entscheidungen in eigener Sache“ genannten Sachverhalte sind jedoch in keiner Weise mit diesem Sonderzweck in Zusammenhang zu bringen.
A. Regelungszuständigkeiten des Parlaments „in eigener Sache“
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gelungen erfahren, durch die gerade die Kompetenz des Parlaments zu den betreffenden Entscheidungen begründet bzw. deklaratorisch festgestellt wird.5 Dies könnte dafür sprechen, dass das Grundgesetz von seiner Konzeption her von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Entscheidung in den genannten Fällen ausgeht. Andererseits ist es natürlich auch möglich, dass der Verfassungsgeber hier nur in einzelnen Bereichen Regelungen durch den Gesetzgeber bzw. die Abgeordneten zulässt, die wieder auf diese zurückwirken. Daher sind im Folgenden zunächst die Regelungen des Grundgesetzes, die solche, das Parlament und seine Abgeordneten selbst betreffenden Regelungszuständigkeiten formulieren, in Augenschein zu nehmen.6
A. Vom Grundgesetz vorgesehene Regelungszuständigkeiten des Parlaments „in eigener Sache“ Das Grundgesetz kennt eine Vielzahl von Bereichen, wo der Gesetzgeber, d.h. das Parlament bzw. dessen Mitglieder zur Regelung sie selbst betreffender Fragen berufen sind. Dabei bestehen einerseits Regeln, die dem Bundestag ganz spezifisch die Aufgabe zur Regelung eigener Angelegenheiten übertragen, andererseits auch Vorschriften, denen diese Spezifik nicht zukommt.
I. Kompetenzen zur Regelung des Abgeordnetenstatus Art. 38 III GG ermöglicht den Abgeordneten und verpflichtet sie, gesetzliche Regelungen zu erlassen, die den Abgeordnetenstatus konkretisieren, also die Vorgaben des Art. 38 I GG näher zu normieren. Inwiefern der Bundestag und seine Abgeordneten in einem solchen Falle besondere Regeln und sonstiges Verfassungsrecht zu beachten haben, steht hier nicht zur Frage. Zunächst muss schlicht konstatiert werden, dass die Abgeordneten in der Lage sind, ihre Rechtsverhältnisse, wie sie von Art. 38 I GG vorgegeben werden, selbst zu normieren und konkretisieren. Zugleich ist Art. 38 III die Rechtsgrundlage zum Erlass eines Fraktionsgesetzes. Da die Abgeord5 N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (521 ff.) sieht wegen der auch in den Bereichen der Verwaltung und der Gerichte bestehenden rechtlichen Zulässigkeit von „Entscheidung in eigener Sache“ einen allgemein Rechtsgrundsatz, dass diese stets zulässig sein soll, wenn sie nicht untersagt ist. Die Befangenheitsregeln seien nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips, weshalb diese nicht deklaratorisch, sondern konstitutiv seien. 6 Vgl. hierzu allgemein N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (518).
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
neten in der Regel solchen Fraktionen angehören, regeln sie Rechtsverhältnisse von Rechtspersönlichkeiten, denen sie angehören. In Art. 38 III GG findet sich also bereits eine Regelung, die „Entscheidungen in eigener Sache“ zulässt, die nur die Abgeordneten bzw. eine breite Mehrheit von ihnen betreffen,. Eine Spezialvorschrift für diese Regelungsbefugnis des eigenen Status findet sich darüber hinaus in Art. 48 III GG. Dieser kreiert eine der klassischen Kompetenzen des Bundestages betreffend die Rechtsverhältnisse seiner Mitglieder, indem hier ausdrücklich festgeschrieben ist, dass die Abgeordneten über ihre Entschädigungen und insofern auch deren Höhe ein Bundesgesetz zu beschließen haben, wobei sich Abs. 3 S. 2 nach allgemeiner Ansicht auch auf Abs. 1 und 2 bezieht, also auf die Rechte der Abgeordneten bei der Ausübung ihres Mandates gegenüber eventuellen Arbeitgebern. Insoweit besteht eine umfassende, verfassungsrechtlich abgesicherte Kompetenz des Parlaments und der Abgeordneten, ihren Status selbst zu regeln.
II. Kompetenzen zur Regelung des Parlamentsrechts Art. 40 I GG enthält die zentrale Norm der Selbstentscheidung des Parlaments und der Abgeordneten zu den Rechtsverhältnissen im Parlament. Neben der Kompetenz zur Bestellung von Präsident, Stellvertretern und Schriftführern wird dem Parlament – und nur dem Parlament – ausdrücklich die Schaffung einer das Parlament und seine Abgeordneten selbst bindenden Geschäftsordnung aufgegeben. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Regelungen des Abgeordnetenstatus, besteht hier auch keinerlei Möglichkeit anderer Bundesorgane, auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen.7 Es besteht somit für das Parlament auch hier eine Entscheidungsmöglichkeit betreffend nur die eigene Stellung der Abgeordneten und ihrer Selbstorganisation im Parlament. Für Teilbereiche der Selbstorganisation finden sich in den Art. 44 bis 45c GG weitergehende Regelungen. Nach Art. 39 III 1 GG entscheidet der Bundestag – und nur dieser – auch über Schluss und Wiederbeginn seiner Beratungen. Hier besteht somit die deutliche Möglichkeit einer Entscheidung, die neben den Mitgliedern des Bundestages bestenfalls noch die Bundesregierung betrifft. Diese Rege7 Eine gewisse Ausnahme stellt hierbei die Möglichkeit des Bundesverfassungsgerichts dar, bestimmte Teile der Geschäftsordnung für verfassungswidrig zu erklären – dies allerdings grundsätzlich nur auf Initiative von Mitgliedern des Bundestages, da etwa eine abstrakte Normenkontrolle gegen die Normen der Geschäftsordnung nicht möglich ist. Nur wenn ausnahmsweise die Kompetenzen anderer Bundesorgane betroffen sind, haben auch diese im Rahmen des Organstreitverfahrens Zugang zum Bundesverfassungsgericht.
A. Regelungszuständigkeiten des Parlaments „in eigener Sache“
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lung findet zwar in S. 2 und 3 eine Begrenzung, nichtsdestoweniger besteht die Möglichkeit bzw. der Zwang zur Entscheidung. Auch die Entscheidung über die Aufhebung der Immunität einzelner Abgeordneter obliegt gemäß Art. 46 II GG dem Bundestag und nur diesem, der insofern wiederum über die Rechtsverhältnisse einzelner seiner Mitglieder zu entscheiden hat. Somit findet sich hier, wie auch in den Regelungen der Absätze 3 und 4, welche die sonstige Beschränkung der persönlichen Freiheit von Abgeordneten sowie die Durchführung jedweden Strafverfahrens oder von Verfahren nach Art. 18 GG vom Willen des Bundestages abhängen lassen, eine Entscheidungskompetenz des Bundestags, die die eigenen Rechtsverhältnisse des Bundestages bzw. seiner Mitglieder betrifft. Für die Regelung des konkreten Parlamentsrechts besteht mithin eine noch weitergehende Kompetenz zur Konkretisierung der eigenen Rechtsverhältnisse als bei der Ausgestaltung des Abgeordnetenstatus.
III. Kompetenzen zur Regelung des Wahlrechts und zur Durchführung der Wahlprüfung Art. 38 III GG verpflichtet und ermächtigt die Abgeordneten, neben ihrem Status auch das Wahlrecht des Bundes zu regeln. Beim Beschluss desselben stimmen die Abgeordneten über ein Gesetz ab, das – wie bereits angesprochen – viele der ihren selbst betreffen wird, da doch eine relativ breite Mehrheit der Abgeordneten versucht, wieder gewählt zu werden.8 Weiter wird in Art. 41 I GG festgeschrieben, dass der Bundestag über seine eigenen Rechtsverhältnisse, in diesem Falle die Gültigkeit der Wahl seiner Mitglieder bzw. der Rechtsverhältnisse einzelner seiner Mitglieder, entscheidet.9 Wiederum handelt es sich hier um eine vom Grundgesetz festgeschriebene Entscheidungskompetenz der Abgeordneten betreffend ihre eigenen Rechtsverhältnisse. Darüber hinaus ist in Abs. 3 die Möglichkeit bzw. die Pflicht des Bundestages zur Schaffung eines Wahlprüfungsgesetzes vorgesehen, welches zwar im Ergebnis nicht die Mitglieder des aktuellen Bundestages betreffen wird, wohl aber eine Mehrheit seiner Mitglieder, die auch im nächsten Bundestag vertreten sein werden.
8 Vgl. zur Verweildauer im Parlament: Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag, S. 280. 9 Dabei spielt es zunächst keine Rolle, dass das Parlament hier einer leichter zugänglichen Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 41 II GG unterliegt. Zunächst besteht eine Kompetenz des Parlaments zur Selbstprüfung, ergo: zur Entscheidung, die das Parlament bzw. einzelne seiner Abgeordneten selbst betrifft. Siehe zur Kontrolle aber noch unten B.II.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
IV. Kompetenz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der politischen Parteien Weniger spezifisch selbstbezogen besteht nach Art. 21 III GG die Möglichkeit der Abgeordneten, ihre Rechtsverhältnisse bzw. die der Parteien, denen sie (alle) angehören, zu regeln. Insofern ist auch hier eine Kompetenz der Abgeordneten zur Regelung von Rechtsverhältnissen, die sie selbst bzw. Organisationen betreffen, denen sie mitgliedschaftlich verbunden sind, normiert und verfassungsmäßig abgesichert.
V. Verfassungsänderungen, Art. 79 II GG Gemäß Art. 79 II GG hat der Bundestag die Kompetenz der verfassungsändernden Gesetzgebung. Diese erfasst auch die Verfassungsänderungsbefugnis betreffend der Rechte bzw. Kompetenzen und Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie des Bundestages selbst. Auch diese Kompetenz ist weniger spezifisch ausgestaltet, als dies bei den Kompetenzen zur Regelung von Abgeordnetenstatus und Parlamentsrecht der Fall ist, da den Abgeordneten hier nicht ausdrücklich die Kompetenz zur Regelung eigener Rechtsverhältnisse eingeräumt ist. Inwiefern der Bundestag dabei in der Lage ist, mit Wirkung für die laufende Legislaturperiode zu entscheiden, hängt erheblich vom Entscheidungsgegenstand ab. Während eine Erweiterung der Kompetenzen zumindest des gesamten Bundestages als solchem nur für die nächste Legislaturperiode möglich ist, gilt dies nicht, wenn nur die Rechtsstellung der Abgeordneten verbessert oder verschlechtert wird, während die Rechtsposition des Bundestages als solchem dieselbe bleibt. Zweifelhaft ist die Gesetzgebungsbefugnis für die laufende Legislaturperiode bei einer Verschlechterung der Rechtsposition des Bundestages. Während man diese zum Vorteil der anderen Gewalten u. U. noch zulassen können mag, ist dies sicherlich ausgeschlossen, wenn es um die Verkürzung der Wahlperiode während der laufenden Legislatur geht. Der Bundestag hat wegen Art. 39 GG nicht die Kompetenz, aus eigenem Recht eine vorzeitige Auflösung herbeizuführen. Allerdings sind die Entscheidungsmöglichkeiten des Bundestages gemäß Art. 79 III GG in Verbindung mit Art. 20 II 2 GG, wenn er sich seiner Kompetenzen zugunsten anderer Gewalten begibt, stark eingeschränkt. Jedoch kann der Bundestag seine eigene Rechtsposition im Wege der Übertragung der Gesetzgebungsbefugnisse auf internationale Zusammenschlüsse wie die EU verfassungsgemäß mit Zweidrittelmehrheit gemäß Art. 23 I 3 GG schwächen, sogar mit Wirkung für die laufende Legislaturperiode. Allerdings wird man ihm wohl auch die Kompetenz einräumen
A. Regelungszuständigkeiten des Parlaments „in eigener Sache“
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müssen, die zu diesem Zwecke geschlossenen internationalen Kontrakte wieder aufzukündigen. Insofern bleibt der Bundestag dennoch im Vollbesitz seiner Kompetenzen, die Übertragung wirkt ähnlich wie die Verordnungsermächtigung der Regierung gemäß Art. 80 I GG, wenngleich bei dieser Übertragung ein ständiges Rückholrecht des Parlaments besteht, während eine solche Einzelfallrückholung im Rahmen internationaler Verträge nicht möglich ist, sondern nur deren komplette Aufkündigung.
VI. Grundsatzentscheidung der Verfassung für alle Entscheidungen betreffend die eigene Rechtsposition? Die Fülle der festgestellten Entscheidungsmöglichkeiten betreffend die eigene Rechtsposition könnte nun dafür sprechen, dass sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes für die grundsätzliche Zulässigkeit der „Entscheidung in eigener Sache“ entschieden haben. Allerdings ließe sich genauso gut der Schluss e contrario ziehen: dass die Abgeordneten nur in den im Grundgesetz genannten Ausnahmefällen die Möglichkeit zur Entscheidung betreffend die eigenen Rechtsverhältnisse haben sollen. Für Letzteres spricht, dass der Verfassungsgeber ja ansonsten nicht diese Menge an speziellen Gesetzgebungsbefugnissen hätte schaffen müssen. Allerdings ist festzustellen, dass der Verfassungsgeber mit Sicherheit davon ausging, dass die Abgeordneten solche Entscheidungen treffen dürfen, die sie alle, wie jeden anderen Bürger betreffen, wie z. B. die Entscheidungen über Steuersätze, die Einführung einer Mehrwertsteuer und ein Namensrecht. Darüber hinaus bestehen auch historische Gründe für die Zuweisung der Entscheidungskompetenz an die Abgeordneten über sie in ihrer Funktion als solche betreffende Fragen. Für das Parlamentsrecht, namentlich insbesondere die Kompetenz zur Regelung des Parlamentsbinnenrechts in der Geschäftsordnung nach Art. 40 II GG und zur Entscheidung über Schluss und Wiederbeginn der Beratungen, sind diese historischen Gründe in der Durchsetzung des Parlaments gegenüber dem Monarchen zu suchen.10 In dieser Auseinandersetzung um die Parlamentsautonomie wurde die Kompetenz zum Beschluss der Geschäftsordnung in Deutschland dem Parlament erstmals in der Paulskirchenverfassung von 1849 zugestanden.11 Sie findet sich auch in den Verfassungsurkunden für den Preußischen Staat von 184812 10
Vgl. zu den Auseinandersetzungen in England und Frankreich H. Rösch, S. 7 ff., 15 ff.; und K. Haagen, S. 5 ff. 11 Vgl. §§ 116 I 1, 110, 114 Paulskirchenverfassung; hierzu auch J. D. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985, S. 57 f.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
und 185013 sowie in der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1866,14 von wo aus sie in die Reichsverfassung von 1871 einging.15 Vergleichbares gilt auch für die Kompetenz, den Schluss und Wiederbeginn der Verhandlungen selbst zu bestimmen. Die Einflussmöglichkeiten anderer Gewalten, insbesondere des Monarchen auf das Innenleben des Parlaments sowie seinen Bestand, sollten durch derartige Regelungen zurückgedrängt werden. Dieses Bedürfnis, das Parlament als einziges direkt legitimiertes Staatsorgan von Entscheidungen anderer Gewalten unabhängig zu halten, besteht indes bis heute. Ähnlich verhält es sich auch mit der Zuweisung der Entscheidungskompetenz über den Abgeordnetenstatus: Um die Unabhängigkeit der Abgeordneten, ihre Bindung nur an ihr Gewissen nach Art. 38 I 2 GG zu gewährleisten, sind auch hier Einflussnahmen anderer Gewalten zu unterbinden. Dies gilt grundsätzlich auch für die Regelung der Ausgestaltung der Einkommen der Abgeordneten – ihnen soll nicht mittels Geldverknappung (Erpressung) oder Einkommensausweitung (Bestechung) durch andere Gewalten ein bestimmtes Abstimmungsverhalten aufgezwängt werden. So kam es bereits in den Beratungen zur US-Verfassung von 1789 zu Auseinandersetzungen, wer die Entscheidungskompetenz über die Einkünfte der Kongressmitglieder haben sollte.16 Dabei wurde eine Zuweisung an andere Bundesgewalten erst gar nicht erwogen, einzig die Möglichkeit, den Staatenparlamenten die Möglichkeit der Regelung der Einkünfte der aus dem jeweiligen Staat stammenden Kongressabgeordneten einzuräumen, wurde bedacht. Jedoch opponierten insbesondere Alexander Hamilton und James Madison gegen die letzt genannte Regelung, weil sie die Abgeordneten in allzu große Abhängigkeit von den Einzelstaaten versetzt hätte.17 Diese Ansicht konnte sich dann auch durchsetzen. Insoweit bestehen für die Kompetenzzuweisungen der genannten Entscheidungen ans Parlament historische, wenngleich heute noch wirksame Gründe: Das Parlament und seine Abgeordneten sollen von der Entscheidung anderer Gewalten in diesen Bereichen freigestellt sein, um die Unabhängigkeit und Autonomie des Parlaments und seiner Abgeordneten von den anderen Gewalten zu gewährleisten. 12
Art. 77 I 2 Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 5.12.1848. Art. 78 I 2 Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31.1.1850. 14 Art. 27 S. 2 Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 17.4.1867. 15 Art. 27 S. 2 Verfassung des Deutschen Reiches vom 16.4.1871. Vgl. zum Zugeständnischarakter des Einräumens der Selbstentscheidung an das Parlament G. Kretschmer, in: Schneider/Zeh, ParlR, § 9 Rn. 31 f. 16 R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 497 (502 ff.). 17 R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 497 (505). 13
B. Verfassungsrechtliche Einwände
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Jedoch ließe sich hieraus ex negativo folgern, dass die selbstbetreffende Entscheidung ansonsten grundsätzlich unzulässig sein solle. Dies müsste sich dann allerdings wieder aus einer entsprechenden Norm des Grundgesetzes bzw. einem seiner grundsätzlichen Prinzipien entgegenstehen. Hierbei ist allerdings zunächst zu beachten, dass es von vorneherein nicht gelingen kann, den Abgeordneten prinzipiell alle „Entscheidungen auch in eigener Sache“ zu versagen, denn dann wäre dem Parlament die Entscheidung über Gesetze entzogen, die tatsächlich jeden Abgeordneten betreffen, wie die Parteiengesetzgebung oder – um ein weniger verdächtiges Beispiel zu nennen – die Einkommensbesteuerung. Vielfach wäre das Parlament wegen der Befangenheit einzelner Abgeordneter, wollte man sie ausschließen, wenn sie betroffen sind, kaum arbeitsfähig, wie bei der Ehegesetzgebung oder der Gesetzgebung im Vereinsrecht. Dann wäre jedoch ein Parlament als Entscheidungsträger grundsätzlich unmöglich. Aber es wurde ja bereits oben aufgezeigt, dass es u. U. bestimmte selbstbetreffende Entscheidungen geben kann, die sich von den anderen durch ihre spezifische Problematik unterscheiden. Die Abgrenzungskriterien sind allerdings, falls es solche gibt, eben wieder der Verfassung zu entnehmen. Zunächst darf als erstes Ergebnis dieser Problematik festgehalten werden, dass es eine grundsätzliche Kompetenz des Parlamentes gibt, in bestimmten selbstbetreffenden Bereichen auch selbst Regelungen zu treffen.
B. Verfassungsrechtliche Einwände gegen eine Entscheidungszuständigkeit des Parlaments „in eigener Sache“ Der schärfste Einwand gegen die Entscheidungszuständigkeit des Parlaments und der Abgeordneten „in eigener Sache“ wird, wie aufgezeigt, von Wilhelm Henke geführt.18 Er bringt das Amtsprinzip gegen die Kompetenz des Parlaments, pro domo zu entscheiden, in Stellung. Die von den meisten Autoren, die von einer rechtlichen Bedeutsamkeit und Anknüpfungsfähigkeit des Begriffs „Entscheidung in eigener Sache“ ausgehen, genannte Lage der „Befangenheit“ des Parlaments und seiner Abgeordneten zielt im Ergebnis in die gleiche Richtung. Hier wird ein klassischer Amtsgrundsatz – jener der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit – genannt. Selbst der Begriff des Insichgeschäfts vermittelt über den dahinter 18 W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 321 f.; ders., Der Staat 31 (1992), 98 (102, 108). Vgl. auch H. Freund, S. 71 ff., für die Frage der Befangenheit von Abgeordneten.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
stehenden Begriff der Interessenkollision beim Amtsträger den Zugang zur Begrifflichkeit des Amtsprinzips. Im weiteren wird daher zu hinterfragen sein, inwieweit das Amtsprinzip auf die Abgeordneten eines Parlaments, namentlich des Bundestages, Anwendung finden kann.
I. Verstoß gegen das Amtsprinzip des Grundgesetzes Ein großer Teil der juristischen Literatur spricht im Zusammenhang mit der Stellung des Abgeordneten von einem Amt,19 einem öffentlichen Amt,20 von einem Staatsamt.21 Als Beleg dafür wird insbesondere Art. 48 II 1 GG herangezogen, in dem ausdrücklich vom Amt des Abgeordneten die Rede ist. Dies impliziert, dass die Abgeordneten einem – wie auch immer ausgestalteten – Amtsprinzip unterliegen. Die Begründung der Geltung des Amtsprinzips für die Abgeordneten folgt dabei zwei verschiedenen Herangehensweisen: Einerseits wird vorgebracht, der Abgeordnete sei Amtsträger, daher habe das Amtsprinzip insbesondere mit seiner Komponente der Uneigennützigkeit bzw. Fremdnützigkeit zu gelten.22 19 Vgl. BVerfGE 40, 296 (316); E. W. Böckenförde, in: HStR III3, § 34 Rn. 30; Th. Bruha/P. Möllers, JA 1985, 13 (16); W. Henke, DVBl. 1973, 553 (insb. 558 ff.); P. Graf Kielmannsegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (30); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 (Stand 1991), Rn. 15; G. Roth, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 38 Rn. 103; W. Wiese, AöR 101 (1976), 548 (549). Differenzierend: J. Isensee, in: Matz, Herausforderungen, S. 43 (47). 20 P. Düwel, S. 64; W. Geiger, ZParl 1978, 522 (523); P. Häberle, NJW 1976, 537 (539); H. H. Klein, in: HStR III3, § 51 Rn. 1; Chr. Knebel-Pfuhl, S. 147; A. Köttgen, GS W. Jellinek, S. 195 (201); ders., FG Smend, S. 119 (125); G. Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 38 Rn. 59; C. O. Lenz, in: Guggenberger e.a., Parteienstaat, S. 53 (54); S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 52; M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38 Rn. 133; F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (915); D. Pohl, ZParl 1995, 385 (385); H.-A. Roll, ZRP 1984, 9 (9); H.-P. Schneider, in: AK-GG, Art. 38 (Stand 2002), Rn. 22; H. Wagner, S. 139. 21 K. Abmeier, S. 37 ff.; W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 321 f.; ders., Der Staat 31 (1992), 98 (102 f.); H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 38 Rn. 25; H. H. Klein, FS Fromme, S. 112 (121 f.); S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 52 ff.; W. Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 95 (96); H. Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 69 ff. Vgl. auch J. Isensee, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 241 (254 f.); ders., FS Fromme, S. 41 (57 f., 65). Ablehnend zum gesamten Amtsbegriff: N. Achterberg/M. Schulte, in: v. Mangoldt/Klein,/Starck, GG II, Art. 38 Rn. 72. 22 W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 322; J. Isensee, FS Fromme, S. 41 (51, 57 f.).
B. Verfassungsrechtliche Einwände
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Andererseits wird aus der repräsentativen Stellung des Abgeordneten der Grundsatz der Fremdnützigkeit abgeleitet und daraus wiederum die Geltung des Amtsprinzips.23 Die erste Ansicht ist dabei zirkelschlüssig, denn für das „Amt“24 des Abgeordneten können besondere Regeln gelten, die dann Auswirkungen auf die konkrete Geltung eines Amtsprinzips haben können. Insofern ist zunächst der Begriff des „Amtes“ des Abgeordneten zu klären, wobei besonderer Augenmerk darauf zu legen sein wird, ob die Komponenten des Amtsprinzips sich in deren Status tatsächlich wiederfinden. Erst dann kann festgehalten werden, dass es sich beim „Amt“ des Abgeordneten tatsächlich um ein Amt i. S. d. üblichen Verwendung des Begriffes handelt. 1. Das „Amt“ des Abgeordneten Der Begriff des Amtes25 definiert sich grundsätzlich zunächst durch das Bestehen bestimmter Rechte und Pflichten.26 Amt ist der durch Rechtsvorschriften einer natürlichen Person zur pflichtgemäßen Wahrnehmung zugewiesene Wirkungskreis.27 Das Amt umfasst insbesondere die Regelungsbefugnis bestimmter Lebenssachverhalte nach bestimmten vorgegebenen Normen.28 Diese muss jedoch eine vom jeweiligen Inhaber der Rechte und Pflichten unabhängige Wahrnehmungszuständigkeit bestehen.29 Hier findet sich daher eine Verknüpfung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG, da dieses Hoheitsträger an eben die vorgegebenen Normen bindet, indem es Judikative und Exekutive an Gesetz und Recht bindet, die Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung. Da die Abgeordneten als Teil der Legislative durch Art. 20 III GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden sind, haben sie, in Zusammenhang 23 E. W. Böckenförde, HStR III3, § 34 Rn. 30; P. Graf Kielmannsegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (21 ff.); W. Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 95 (96). 24 Ausdrücklich in Anführungszeichen auch bei H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 38 Rn. 25. 25 Der Begriff stammt vom althochdeutschen ambaht, welcher sich vermutlich wiederum vom keltischen ambiaktos für Diener, Bote ableitet. Er umschrieb ursprünglich die abhängige, niedrige, fremdbestimmte Tätigkeit; vgl. R. Dreier, Staatslexikon I, Amt, Sp. 128 (128). 26 Vgl. aber M. Schröder, S. 288. 27 Vgl. P. Badura, in: Schneider/Zeh, ParlR, § 15 Rn. 58; R. Dreier, Staatslexikon I, Amt, Sp. 128 (128); P. Graf Kielmansegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (22); W. Wiese, AöR 101 (1976), 548 (549 Fn. 6). 28 R. Dreier, Staatslexikon I, Amt, Sp. 128 (129). 29 Vgl. R. Dreier, Staatslexikon I, Amt, Sp. 128 (128, 129); M. Schröder, S. 288.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
mit den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes aus den Art. 21 III, 38 III, 71 bis 75 und 79 GG, die Regelungsbefugnis für die dort genannten Sachverhalte. Insoweit kann die Stellung des Abgeordneten durchaus als Amt angesehen werden. Eine weitere Kategorie des Amtes ist, dass dieses wegen des Grundsatzes der Volkssouveränität aus Art. 20 I GG, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, stets in der Ausübung delegierter Macht besteht.30 Auch der Abgeordnete bezieht seine Legitimation durch den Wahlakt des Staatsvolkes und übt daher delegierte Machtbefugnisse aus. Auch dies spricht für den Amtscharakter der Abgeordneteneigenschaft. Der entscheidende Punkt für eine Annahme eines Amtes31 ist jedoch darüber hinaus die tatsächliche Geltung der Bindungen eines Amtes, wie sie sich aus der Volkssouveränität und dem Rechtsstaatsprinzip ergeben. Fraglich ist allerdings, inwiefern die Bindungen aus der Volkssouveränität, die im Rechtsstaatsprinzip mit einer Bindung staatlicher Gewalt weiter konkretisiert werden, für die Abgeordneten die gleichen Ergebnisse zeitigen, wie dies für sonstige Amtsträger der Fall ist. In der Literatur findet sich nun eine Vielzahl von Stimmen, die den Status der Abgeordneten amtsrechtlich ausgerichtet sehen, das Amt als gemeinwohlgebunden und wertbestimmt auffassen.32 2. Die konkrete Geltung des Rechtsstaatsprinzips für die Abgeordneten Daher stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Geltung der rechtsstaatlichen Bindung der Abgeordneten an Recht und Gesetze bzw. die Verfassungsordnung. Aus der Bindung an Recht und Gesetz im Rahmen 30
R. Dreier, Staatslexikon I, Amt, Sp. 128 (130). Auch angenommen bei A. Dittmann, ZRP 1978, 52 (54 f.). 32 E. W. Böckenförde, HStR III3, § 34 Rn. 30; F. K. Fromme, S. 54; W. Hennis, FG Smend, S. 51 (56 ff.); ders., Die missverstandene Demokratie, S. 9, 19; W. Henke, BK, Art. 21 (1991) Rn. 321 f.; ders., Der Staat 31 (1992), 98 (102 f.); ders., Das Recht der politischen Parteien, S. 120 ff.; H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 38 Rn. 25; P. Graf Kielmannsegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (22, 30 f.); H. H. Klein, ZRP 1976, 81 (82); A. Köttgen, FG Smend, S. 119 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 763 ff.; C. O. Lenz, in: Guggenberger e.a., Parteienstaat, S. 53 (54); W. Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 95 (96); J. Spalckhaver, S. 76. Besonders strikt Chr. Knebel-Pfuhl, S. 156, 192 ff. Vgl. auch K. Abmeier, S. 38 ff.; H. H. Klein, FS Fromme, S. 112 (122). Zur Kritik vgl. im Weiteren sowie N. Achterberg, JA 1983, 303 (303); P. Badura, in: Schneider/Zeh, ParlR, § 15 Rn. 59; ders., BK, Art. 38 (Stand 1966), Rn. 50; W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1196); M. Schröder, S. 142 ff., 280 ff. 31
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der delegierten Machtausübung soll sich die Gemeinwohlbindung des Amtswalters ergeben.33 Es stellt sich also im Weiteren die Frage, inwiefern dies auch für den Abgeordneten gilt.34 Die Bindung der Legislative und der sie konstituierenden Abgeordneten an das Rechtsstaatsprinzip enthält gegenüber Amtsträgern der beiden anderen Gewalten eine wesentliche Besonderheit, da die Legislative von Art. 20 III GG nur an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden wird, welche wiederum nach Art. 1 III GG die Grundrechte mitumfasst, nicht jedoch an Recht und Gesetz wie die anderen Gewalten. Insofern gilt bereits hieraus ein veränderter Inhalt des Rechtsstaatsprinzips für die Legislative, i. e. die Abgeordneten. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit die Abgeordneten an das Gesetz i. S. d. Art. 20 III GG gebunden sind. a) Bindung des Abgeordneten an das Gesetz? Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass zumindest die Legislative als Ganzes sicherlich nicht an Recht und Gesetz gebunden ist, zumindest nicht in ihrer Tätigkeit als Legislative. Wie sollte eine Legislative, die berufen ist, Gesetze zu schaffen und zu ändern, auch an das bestehende Gesetzesrecht gebunden sein. Jedoch hat dasselbe auch für ihre Teile zu gelten. Natürlich unterliegen die Abgeordneten als Staatsbürger den Gesetzen und auch für sie stellt Landesverrat nach § 94 StGB ein Verbrechen dar. Auch sind sie an die formellen Vorgaben der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gebunden und unterliegen den Vorschriften des Abgeordneten- und des Parteiengesetzes. Jedoch wäre es für den einzelnen Abgeordneten bei einer Bindung an das bestehende Gesetz und seine materiellen Inhalte ebenfalls, wie für die Legislative als Ganzes, ausgeschlossen, Änderungsinitiativen in die Fraktion oder das Parlament als Ganzes mit anderen einzubringen, geschweige denn darüber abzustimmen, wollte man die Gesetzesbindung für ihn bei seiner Legislativtätigkeit gelten lassen. Das heißt, dass der Abgeordnete gerade bei dem, was den Inhalt seines „Amtes“ ausmachen soll, bei der gesetzgebenden Tätigkeit, vom einfachen Gesetz keine materiellen Vorgaben erfährt. Freilich, er kann vom bestehenden Gesetzesrecht nur wieder in der Form des Gesetzes abweichen, jedoch bedeutet dies im Gegensatz zu den Amtsträgern der anderen Gewalten mit Ausnahme des 33
H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1076); J. Isensee, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 241 (249 f.); Chr. Link, VVdStRL 48 (1990), 7 (19 ff.) m. w. N.; G. F. Schuppert, Staatswissenschaft, S. 115 ff. 34 Dies meint jedenfalls H. Freund, S. 71 ff. Vgl. aber P. Graf Kielmannsegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (24), der deutlich macht, dass der Amtsbegriff sehr unterschiedlich aufgefüllt werden kann.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
Bundesverfassungsgerichts, dass ein Abweichen vom Gesetzesrecht durch die Schaffung neuen Gesetzesrechts möglich ist. Selbst das Bundesverfassungsgericht ist insoweit in seiner Abweichung vom Gesetzesrecht beschränkt, dass es zwar bestehendes Recht für nichtig erklären kann. Neue Gesetze kann das Bundesverfassungsgericht jedoch wieder nur in Vermittlung durch den Gesetzgeber, der sich an die gerichtlichen Vorgaben hält, schaffen.35 Die Tätigkeit der Abgeordneten mag formal u. U. vom einfachen Recht, also dem Gesetz i. S. d. Art. 20 III GG geleitet sein, inhaltlich ist das einfache Gesetz aber nicht geeignet, Vorgaben für die Regelung von Rechtsverhältnissen durch den Abgeordneten und die Legislative als Ganzes zu konstituieren. Das unterscheidet den Abgeordneten elementar vom Richter und vom sonstigen Amtsträger, der gerade bei seiner rechtsprechenden bzw. exekutiven Tätigkeit berufen ist, die vom einfachen Recht konstituierten materiellen Vorgaben zur Geltung zu bringen. Daher ist festzuhalten, dass die rechtsstaatliche Bindung an das Gesetz nur für Richter und Verwaltung, nicht jedoch für legislativ Tätige bei der legislativen Arbeit gültig ist. b) Bindung des Abgeordneten an das Recht i. S. d. Art. 20 III GG? Auch eine Bindung der Abgeordneten an das Recht i.S d. Art. 20 III GG erscheint zweifelhaft. Vor allem spricht der eindeutige Wortlaut des Art. 20 III GG dagegen, der als ans Recht gebunden nur Verwaltung und Gerichte nennt. Allerdings kann gegen eine Bindung der Legislative die Sachlogik, die zur Ablehnung der Gesetzesbindung der Legislative geführt hat, nur aus positivistischer Sichtweise eingewandt werden. Insofern scheint eine Rechtsbindung zumindest sachlogisch möglich. Allerdings stellt sich dann die Frage, was unter Recht i. S. d. Art. 20 III GG tatsächlich zu verstehen ist. Nach wohl h. M. handelt es sich bei dem Hinweis aufs Recht um eine Tautologie: Überpositive Gerechtigkeitsvorstellungen dürften nicht unter Berufung auf die Bindung ans Recht an die Stelle des positiven Rechts treten, das GG biete ausreichende Sicherungen für eine materiell verstandene Gerechtigkeit.36 Dem ist zuzustimmen. 35
Eine gewisse Ausnahme von diesem Grundsatz stellt die Möglichkeit des Bundesverfassungsgerichts dar, im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 BVerfGG bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtszustandes durch ein Urteil, Regelungen mit Gesetzeskraft zu schaffen. 36 Vgl. H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 38 m. w. N.; K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rn. 266 ff.; ähnlich auch R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI (Stand 1980), Rn. 49 ff., insb. 54. Der von E. Benda, Der Soziale Rechtsstaat, in: HbVerfR, § 17 Rn. 25 ff.; M. Sachs, in: Sachs,
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Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die Abgeordneten bei ihrer legislativen Tätigkeit, also bei der Ausübung dessen, was Inhalt ihres „Amtes“ ist, nicht ans materielle Recht gebunden sind, nein, es ja gerade erst gestalten. Das Rechtsstaatsprinzip kann daher für die Abgeordneten nur insofern gelten, als sie an einer Bindung an die Verfassung teilhaben bzw. in ihrer Tätigkeit an deren Formalia gebunden sind, also ans formelle, wiederum dem Grundgesetz zu entnehmende Recht. c) Die Bindung der Legislative an die verfassungsrechtliche Ordnung Somit bleibt als Ergebnis einzig und allein die Bindung der Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung. Nach allgemeiner Ansicht ist unter verfassungsmäßiger Ordnung i. S. d. Art. 20 III GG der komplette formelle Verfassungsbestand der Bundesrepublik Deutschland zu verstehen, also die Art. 1 mit 146 GG unter Einschluss der Präambel.37 Allerdings ist damit noch nicht ausgesagt, dass die Bindung der Legislative sich auch auf den einzelnen Abgeordneten bezieht, ob also die Verfassungsnormen des Grundgesetzes in der Lage sind, den einzelnen Abgeordneten in seiner legislativen Tätigkeit materiell zu binden. Dazu ist zu klären, was eigentlich unter der Bindung der Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung zu verstehen ist. Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung bedeutet, dass ein Gesetz, das den Vorschriften des Grundgesetzes zuwider läuft, keinen Bestand haben kann und somit nichtig ist. Natürlich ist Zweck dieser Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, den Gesetzgeber und auch seine Träger, die AbgeordGG, Art. 20 Rn. 104; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 85, angenommenen Einbeziehung überpositiver Gerechtigkeitsvorstellungen in den Begriff des Rechts führt hingegen zu einer unter der Geltung des Grundgesetzes überflüssigen Relativierung des positiven Rechts, G. Frankenberg, in: AK-GG, Art. 20 Abs. 1–3 IV (Stand 2001) Rn. 25; Chr. Gusy, JuS 1983, 189 (193); F. E. Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG II, Art. 20 Rn. 43; da das Grundgesetz ausreichend Sicherungen für eine materiell verstandene Gerechtigkeit enthält, R. Herzog, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 20 VI (Stand 1980) Rn. 54. 37 s. R. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VI (Stand 1980), Rn. 9; M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 101; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 76; K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rn. 265. Inwiefern es verfassungswidriges Verfassungsrecht geben kann, ist hier nicht von Bedeutung. Jedoch kann sicherlich Verfassungsrecht, das am 23.5.1949 in Kraft trat, nicht verfassungswidrig sein. Einzig und allein postkonstitutionelles Verfassungsrecht kann wegen Verstoßes gegen die Ewigkeitsklausel aus Art. 79 III GG verfassungswidrig und somit nichtig sein. Ein solcher Verstoß wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht bisher noch nie festgestellt.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
neten, vom Initiieren, aber auch Beschließen verfassungswidriger Gesetze abzuhalten. Insofern ist es richtig, die Abgeordneten an der Bindung der Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung teilhaben zu lassen. Allerdings steht diese Bindung unter einem Vorbehalt: dass der Gesetzgeber nicht ausdrücklich verfassungsändernder Gesetzgeber ist.38 Tritt der Gesetzgeber als solcher auf, so gilt weder seine Bindung aus Art. 1 III GG noch die aus Art. 20 III GG in vollem Umfang. Beide Vorschriften sind dann nurmehr in der Reichweite des Art. 79 III GG gültig. Art. 1 III GG inkorporiert im Falle des verfassungsändernden Gesetzes nicht die Grundrechte der Art. 2 bis 19 GG. Der verfassungsändernde Gesetzgeber ist somit nach Art. 79 III i. V. m. Art. 1 GG einzig an die Menschenwürde39 und die aus ihr hervorgehende Schutzpflicht des Abs. 1 und die Menschenrechte des Abs. 2 gebunden. Keinen Einfluss kann Art. 19 II GG auf die verfassungsändernde Gesetzgebung haben. Er steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Art. 19 I GG, der Grundrechtseinschränkungen durch einfaches Gesetz behandelt. Auch Art. 19 II GG kann daher nur Geltung für das einfache grundrechtseinoder -beschränkende Gesetz haben, nicht für die ausdrückliche Verfassungsänderung in Bezug auf die Grundrechte.40 Die Verfassungsbindung der Legislative und mithin ihrer Mitglieder aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG führt daher beim einfachen Gesetzgeber zu einer Bindung an den gesamten Verfassungsbestand. Beim verfassungsändernden Gesetzgeber reicht sie hingegen gemäß Art. 79 III GG nur zu einer Bindung an die unabwendbaren Regelungen von Art. 1 GG, 38 Vgl. auch E. V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (49). Man beachte zu diesem Thema auch die in der Bundesrepublik nicht gegebene Möglichkeit des verfassungsausschaltenden Gesetzgebers, wie es ihn beispielsweise in Österreich gibt. Hier kann durch einfaches, mit Zweidrittelmehrheit beschlossenes Gesetz die Verfassung gemäß Art. 44 ÖVerf überspielt werden. Zur vergleichbaren Rechtslage in der Weimarer Republik C. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 16 f. m. w. N. 39 Aus der Bindung an die Achtung der Menschenwürde wird z. T. eine Bindung an die Achtung des Wesensgehalts der Grundrechte, die den Menschenwürdekern der einzelnen Grundrechte ausmachen sollen, angeschlossen. Vgl. etwa BVerfGE 80, 367 (373 f.); s. a. H. Krüger/M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 43; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 873 f. m. w. N.; a. A. etwa Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. II (Stand 1977), Rn. 29; W. Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 19 Rn. 24 f.; P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, passim. 40 H. Dreier, in: Dreier, GG I, Art. 19 II Rn. 10; P. M. Huber, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG I, Art. 19 Rn. 119; H. Krüger/M. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 35; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. II (Stand 1977), Rn. 26; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 882 f. Anders aber E. Fraenkel, Deutschland, S. 189. Z. T. a. A. E. Denninger, in: AK-GG, Art. 19 Abs. 2 (Stand 2001) Rn. 3; W. Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG I, Art. 19 Rn. 20.
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wobei hier Abs. 2 und 3 grundsätzlich nur die Existenz von Grundrechten, nicht jedoch deren konkreten Umfang garantieren.41 Darüber hinaus sind erfasst: die Bindung an das Republik-,42 das Demokratie-43 und Sozialstaatsprinzip44 aus Art. 20 I GG, die Volkssouveränität aus Art. 20 II GG,45 die Gewaltenteilung aus Art. 20 II, III GG46 und das Rechtsstaatsprinzip, also die Bindung der Exekutive und Judikative an das bestehende Gesetzesrecht,47 die Bindung des einfachen Gesetzgebers an den Verfassungsbestand48 und die Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers an eben diesen Mindestbestand.49 Auch die bundesstaatliche Gliederung und die 41 Vgl. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 25 ff.; K.-E. Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 79 Rn. 67 ff.; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 30 ff.; R. Rubel, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 79 Rn. 41; C. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 54 ff. Zu Art. 1 II GG s. a. BVerfGE 84, 90 (121); 94, 49 (102 f.). Für eine Bindung an den Menschenwürdekern: Th. Maunz/G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Abs. III (Stand 1960), Rn. 42. 42 s. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 29; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 37; Th. Maunz/G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Abs. III (Stand 1960), Rn. 45; R. Rubel, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 79 Rn. 36; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 79 Rn. 52; C. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 57. 43 Vgl. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 30 ff.; K.-E. Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 79 Rn. 75 ff.; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 39; Th. Maunz/G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Abs. III (Stand 1960), Rn. 47; R. Rubel, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 79 Rn. 37; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 79 Rn. 56 ff.; C. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 57. 44 s. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 38; K.-E. Hain, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG III, Art. 79 Rn. 72 ff.; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 38; Th. Maunz/G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Abs. III (Stand 1960), Rn. 49; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 79 Rn. 61; C. Vismann, in: AKGG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 58. 45 Vgl. J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 40; C. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 57. 46 Vgl. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 41; K.-E. Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 79 Rn. 91 ff.; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 42. 47 Vgl. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 43; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 46; Th. Maunz/G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Abs. III (Stand 1960), Rn. 48; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 79 Rn. 62; C. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 60. 48 Vgl. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 42; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 46; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 79 Rn. 62. 49 Nicht in Bezug genommen wird von Art. 79 III GG das Widerstandsrecht des Art. 20 IV GG, vgl. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 45; H.-U. Evers, in: BK, Art. 79 Abs. 3 (Stand 1982), Rn. 148; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 47; dazu H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 12; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 79 Rn. 51.
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Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung sind für den verfassungsändernden Gesetzgeber unantastbar.50 Diese für den verfassungsändernden Gesetzgeber geltende „Ewigkeitsgarantie“ erfasst freilich auch die Regelung des Art. 79 III GG selbst.51 Die Kompetenz der Abgeordneten, eine Verfassungsänderung zu initiieren bzw. gesetzlich umzusetzen, kann dabei nicht als Ausnahmekompetenz verstanden werden. Die ihnen zustehende Kompetenz ist eine ebenso dauerhaft bestehende Kompetenz zur Rechtsänderung wie die Kompetenzen aus den Art. 71 bis 75 GG. Die Verfassungsbindung der Abgeordneten besteht somit nur im genannten Ausmaß. Dieses Ausmaß der Bindung unterscheidet sich ganz wesentlich von der Bindung an die Gesetze und das Recht, dem die Gerichte und die Verwaltungen unterliegen, welche gegenüber der Legislative erheblich ausgeweitete Bindungsqualität aufweist. Die – allgemein anerkannte – Bindung von Amtsträgern i. S. v. Verwaltungsbeamten i. w. S. und Richtern an das Gemeinwohl weist noch einen weiteren wesentlichen Unterschied zu einer eventuellen Gemeinwohlbindung der Abgeordneten aus dem Rechtsstaatsprinzip auf: Die Gesetzesunterworfenheit von Judikative und Exekutive bedeutet, dass sie vornehmlich mit der Anwendung und Umsetzung von aus dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren hervorgegangenen Gesetzen betraut sind. Dieses Verfahren wird aber im Allgemeinen als „Gemeinwohlverfahren“52 verstanden, also als ein Verfahren, das dem Zwecke dient, Gemeinwohl erst zu finden und zu definieren.53 Unter diesem Gesichtspunkt kann unter dem Rechtsstaatsprinzip die Gesetzesbindung mit der „Gemeinwohlbindung“ gleichgesetzt werden. Das für Judikative und Exekutive bindende Gemeinwohl ist somit den Gesetzen gleichzusetzen, es ist tatsächlich vorgefundenes „Gemeinwohl“.54 50
Vgl. H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III Rn. 16 ff.; K.-E. Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 79 Rn. 119 ff.; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 26 ff.; Th. Maunz/G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Abs. III (Stand 1960), Rn. 32 ff.; H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8 f.; R. Rubel, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 79 Rn. 32 ff.; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 79 Rn. 53 ff.; C. Vismann, in: AK-GG, Art. 79 (Stand 2002), Rn. 51 ff., 59. 51 H. Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 79 III, Rn. 47; H.-U. Evers, in: BK, Art. 79 Abs. 3 (Stand 1982), Rn. 133 ff.; K.-E. Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 79 Rn. 41 f.; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 707; Th. Maunz/G. Dürig, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 79 Abs. III (Stand 1960), Rn. 50; H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 14. 52 Vgl. H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 48 ff.; P. Häberle, Öffentliches Interesse, S. 251; M. Morlok, VVdStRL 62, 37 (61 ff.). 53 Vgl. hierzu auch noch unten 4. und 5.
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Legt man denselben Maßstab für die Legislative an, so verbleibt als vorgefundenes Gemeinwohl der Bestand der nach Art. 79 III GG unveränderlichen Verfassungsgrundsätze.55 Diese Grundlegung ist jedoch nicht unproblematisch, da z. T. noch recht deutlich von einem erheblich weiteren vorgefundenen Begriff des Gemeinwohls ausgegangen wird56 bzw. die Gemeinwohlbezogenheit des parlamentarischen Verfahrens in Frage gestellt wird.57 Aus dieser weiteren Gemeinwohlkonzeption wird gefolgert, dass das eigene Interesse von Abgeordneten nicht in deren Entscheidungen eingehen dürfe.58 Zu klären ist mithin, ob sich aus einer diesen Grundsätzen zu entnehmenden Gemeinwohlbindung bzw. aus einem ansonsten vorweggenommenen Gemeinwohl gleichermaßen wie für Exekutive und Judikative eine grundsätzliche Verpflichtung zur Uneigennützigkeit, Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit ergibt. Die Diskussion, inwiefern Abgeordnete einer Gemeinwohlbindung unterliegen, wurde wiederholt im politikwissenschaftlichen wie im juristischen Bereich aufgeworfen.59 Diese Frage lässt sich nun von zwei Seiten angehen. So stellt sich zunächst die Frage, an welches Gemeinwohl der Angeordnete gebunden werden soll, wie dieses also zu fassen ist, und sodann die Frage, ob der Abgeordnete tatsächlich an ein solches Gemeinwohl gebunden sein kann. 3. Gemeinwohlkonzeptionen Zu klären ist mithin, wie unter der Geltung des Grundgesetzes das Gemeinwohl, auf das der Abgeordnete verpflichtet sein soll, zu bestimmen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zunächst festzustellen, dass der Ge54
Zur Problematik des Gemeinwohlbegriffs allgemein: G. F. Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19 (19 ff.); D. Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 87 ff. Vgl. noch im Weiteren 3.–6. 55 E. Fraenkel, Deutschland, S. 189, bezeichnet dies als das Postulat der Geltung eines genuinen Gemeinwillens, der auf der generellen Anerkennung eines allgemeinen Wertekodex beruht. 56 Vgl. etwa W. Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 95 (96, 100); ähnlich wohl auch P. Graf Kielmansegg, Die Quadratur des Zirkels, S. 22. 57 H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977, S. 148 ff. 58 So etwa W. Schmitt Glaeser, ZRP 2000, 95 (96, 100); im Ergebnis auch W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 322; J. Isensee, in: HStR II3, § 15 Rn. 130 f., der das völlige Zurücktreten der Eigeninteressen der Abgeordneten aus deren Gemeinwohlverpflichtetheit schließt; desgl. Böckenförde, HStR III3, § 34 Rn. 30; im Ergebnis wohl auch P. Graf Kielmansegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (31). s. dazu insbesondere noch unten 5. 59 Vgl. Fn. 32.
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meinwohlsbegriff hochgradig und weitgehend umstritten ist. Vielfach wird die Frage aufgeworfen, inwiefern dieser überhaupt operationabel ist. So finden sich in der Literatur Stimmen, die ihn aufgrund seiner schwer zu bestimmenden Inhalte für nutzlos,60 ja gefährlich halten.61 Nichtsdestoweniger erlebt der Geimeinwohlbegriff in den vergangen Jahren nachgerade eine Renaissance, wie sich auch an diversen Veröffentlichungen zum Thema zeigt.62 Inwiefern jedoch diesen Ansichten Folge zu leisten ist, soll nachfolgend veranschaulicht werden. Um diese Frage zu beantworten, müssen zunächst die Inhalte bzw. die Methode der Feststellung der Inhalte verdeutlicht werden. Dazu stehen primär zwei Grundlinien des Gemeinwohlverständnisses in der Diskussion: ein monistisches und ein pluralistisches.63 a) Das monistische Grundmodell des Gemeinwohls Monistische bzw. substanzialistische Gemeinwohlmodelle gehen zunächst grundsätzlich von der Bestimmbarkeit eines absolut richtigen Inhalts des Begriffs Gemeinwohl aus. Es kann sich zwar aus einem Verfahren ergeben – so geht auch Jean-Jaques Rousseau, der Vordenker der Idee einer einheitlichen, richtigen volontée generale, von einem demokratischen Verfahren bei der Bestimmung derselben aus; jedoch kann das Gemeinwohl nur dann gefunden werden, wenn die Abstimmenden jedwedes Eigeninteresse aus ihren Entscheidungen ausschließen.64 Dies war jedoch bereits seiner Ansicht nach nur in einem kleinstaatlichen Bereich möglich, letztendlich hielt er die Durchsetzung seiner Idee für ausgeschlossen.65 Ernst Fraenkel hält Rousseau wegen der Idee einer eindeutig feststellbaren, alle Bürger umfassenden volontée generale für den Vordenker, den „Apostel“ der totalitären Idee schlechthin, also für die Idee einer staatlich verfassten Gesellschaft, die in dem Einsatz für Individualinteressen eine Schwächung des vorgestellten 60
D. Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 81 (104 f.) Vgl. etwa C. B. Blankart, S. 3. 62 Vgl. nur Robert Uerpmann, Das öffentliche Interesse, Tübingen 1999; Ulrich von Alemann/Rolf G. Heinze/Ulrich Wehrhöfer (Hrsg.), Bürgergersellschaft und Gemeinwohl, Opladen 1999; Herfried Münkler/Karsten Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Berlin 2002; und Gunnar Folke Schuppert/Friedhelm Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002. 63 G. F. Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19 (28), unterscheidet insoweit zwischen substanzialistischen Gemeinwohlkonzepten, solchen mit materialen Gehalten und prozeduralen Konzepten. 64 J. J. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Buch 3 Kap. 4, S. 112 ff. 65 Vgl. hierzu den bei E. Fraenkel, Deutschland, S. 219, zitierten Brief Rousseaus an Mirabeau von 1767. 61
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Gesamtinteresses und somit der gesellschaftlichen und staatlichen Gemeinschaft sieht.66 Im Gegensatz zu Rousseau hielt Carl Schmitt die Findung eines eindeutigen Gemeinwohls auch unter den Bedingungen der Massendemokratie für realisierbar. Die aus Großbritannien stammende Idee des Pluralismus – das dortige Parlament hatte sich stets als ein die verschiedenen gesellschaftlichen Interessen in ihren Einzelströmen vertretendes verstanden – lehnte er grundsätzlich ab. Dies beruhte vor allem auf seiner Rezeption der Idee Harold J. Laskis,67 dass die einzelnen Interessen durch ihre Geltendmachung Souveränität auf Kosten der staatlichen erlangen würden.68 Schmitt sah im (pluralistischen) Staat seiner Zeit mitsamt seiner Verfassung das Kompromissobjekt der sozialen Größen.69 Daraus ergebe sich wiederum ein pluralistisches Verständnis der Legalität, was zur Zerstörung des Respekts vor der Verfassung führe.70 Dem stellte Schmitt das Konzept des totalen Staates entgegen. Dabei griff er im Ergebnis die Rousseau’sche Idee der Gewinnung eines bonum commune unter Ausschaltung der heterogenen Individualinteressen auf: „Zur Demokratie gehört als notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung alles Heterogenen.“71 Die monistische Gemeinwohlkonzeption geht also im Ergebnis von der Bestimmbarkeit oder Vorherbestimmtheit eines jedenfalls richtigen Gemeinwohls aus.72 Verschiedene Individual- oder Gruppeninteressen sollen bei der Bestimmung des Gemeinwohls keinen Raum finden, ja das Einwirken dieser in den Staat ist dem monistischen Denken ein Schaden für’s Ganze.73
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E. Fraenkel, Deutschland, S. 205 ff. Vgl. auch H. Kremendahl, S. 99 ff. H. J. Laski, in: Nuscheler/Steffani, Pluralismus, S. 62 ff. 68 C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 89 f. Vgl. zu diesem Diskurs H. Kremendahl, S. 94 ff., 107 ff. 69 C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 63. Bereits hier macht Schmitt unter Abgrenzung zu Kelsen deutlich, dass er den Kompromiss und insbesondere das Verständnis des Staates als solchen als im Ergebnis undemokratisch ansieht, vgl. dort Fn. 1. 70 C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 90. 71 C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 14. 72 Deutlich noch in diese Richtung R. Hofmann, ZfP 1978, 32 (44), der aber dann doch ein vorgegebnes Gemeinwohl wieder ablehnt, S. 48. 73 Als eine modernere Version des Gemeinwohlmonismus scheint heute die These von der mangelnden Durchsetzbarkeit allgemeiner Interessen bzw. gemeinwohlorientierter Interessen zu sein, vgl. dazu noch unten 6. s. a. I. Spiecker gen. Döhmann, S. 14. 67
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b) Die pluralistische Gemeinwohlkonzeption Dem monistischen Konzept stellen die Vertreter eines pluralistischen Konzepts die Idee entgegen, dass es kein abschließendes, endgültig zu bestimmendes, über alle Zeiten wirkendes Gemeinwohl gibt.74 Vielmehr ist das Anstreben eines vorgegebenen Gemeinwillens nicht das soziale Ziel, sondern die Verfälschung sozialer Realitäten.75 Ein Gemeinwohl könne sich nur durch eine gewisse Zusammenschau der Individualinteressen ergeben.76 Die Existenz verschiedener Interessen (wobei hier nicht nach Langzeit- und Kurzzeitinteressen differenziert werden kann) wird festgestellt, hingenommen und akzeptiert. Im Ergebnis werden die Menschen also in ihrer Unterschiedlichkeit akzeptiert und diese Unterschiedlichkeit begrüßt. Bei der Durchsetzung der Interessen ist, da oftmals die Interessen einer Vielheit von Bürgern gleichlaufen werden, die Effektivierung der Einsatzkraft des einzelnen durch den Zusammenschluss zu gesellschaftlichen Gruppen sinnvoll, förderlich und im Ergebnis zur Kanalisierung von Interessen auch erforderlich.77 Die gesellschaftliche Gruppe dient der Umsetzung der Interessen, des Willens der in ihr organisierten Individuen. Bereits in diesen Gruppen findet jedoch ein gewisser Meinungsselektionsprozess statt, bereits hier werden bei der Einzelfrage Kompromisse geschlossen werden müssen, werden sich Einzelinteressen gegen andere partiell durchsetzen und von Minderheiten akzeptiert werden, weil im Ergebnis gewisse Kompromisse zum Erhalt der Einsatzkraft des Ganzen erforderlich sind.78 Die Existenz verschiedener Interessen und ihrer Organisationen wird als etwas Natürliches akzeptiert und hingenommen. Die Bundesrepublik wird im Allgemeinen als pluralistisches Staatswesen angesehen.79 Insoweit spricht Vieles für eine pluralistische und prozedurale 74 Vgl. D. Grimm, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl, S. 125 (125 f.); H. Hofmann, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl, S. 25 (30); H.-D. Horn, Die Verwaltung 1993, 545 (548 f.); H. H. Klein, FS Fromme, S. 112 (115); H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (331 f.); G. F. Schuppert, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl, S. 67 (73 f.); W. Zeh, FS Morsey, S. 1009 (1026 f.); W. Henke, DVBl. 1973, 553 (559), der diesen Grundsatz aber m. E. in seinen Ausführungen zur Parteienfinanzierung, ders., BK, Art. 21 (1991), Rn. 321 ff., nicht durchhält. Das gleiche gilt von R. Hofmann, ZfP 1978, 32 (44, 48), der sich auf Henke stützt. 75 E. Fraenkel, Deutschland, S. 192 f. 76 Vgl. auch E. Denninger, in: Randelzhofer/Süß, Konsens und Konflikt, S. 200 (204), der ein neutrales „Gemeinwohl“ ebenfalls nicht für möglich hält. 77 Vgl. H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 130; U. Scheuner, DÖV 1965, 577 (577 f.). 78 Vgl. H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 132. s. a. Chr. Wefelmeier, S. 169.
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Gemeinwohlskonzeption ihrer verfassungsrechtlichen Ordnung. Inwieweit diese Wahrnehmung berechtigt ist, wird nun zu klären sein. 4. Die pluralistische Gemeinwohlkonzeption als Grundlage des Staatswesens der Bundesrepublik Art. 1 I GG macht der Bundesrepublik die Würde des Menschen zum ersten Staatsgrundsatz; er macht den Einzelnen zum Zentrum des Staates, erkennt ihn als Individuum mit seinen individuellen Wünschen, Hoffnungen, Bedürfnissen, Sehnsüchten, Stärken, Schwächen und Interessen an.80 Art. 1 I GG ist „Grund der Grundrechte“.81 Er konstituiert die Bundesrepublik anthropozentrisch.82 Durch die Anerkennung des Individuums in seiner Würde, und damit in der Unterschiedlichkeit seiner Interessen, erfüllt die Bundesrepublik die Primärvoraussetzung eines pluralistisch verfassten Staates, der auf einer pluralistischen Gesellschaft fußt.83 Dies wird noch deutlicher durch die Verankerung der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 I GG. Auch der pluralistische Staat bedarf jedoch, soll sich nicht einfach nur das Recht des Stärkeren durchsetzen, also Anarchie herrschen, der Einhaltung gewisser Spielregeln bei der Umsetzung des Pluralismuskonzepts. a) Staat als notwendige Grundlage einer pluralistischen Gesellschaft Es bedarf des Zusammenschlusses der Individuen zu einem Verband, der die in verschiedene Richtungen laufenden Interessen kanalisiert, Schwerpunkte setzt und eine Gesellschaft letztendlich mit den Normen versieht, die gelten sollen. Es bedarf also des Staates als „Schiedsrichter“ zwischen den verschiedenen vom Staate anerkannten, divergierenden gesellschaftlichen Interessen und kollektiven Zielen.84 Seine Entscheidungen haben Frie79 Vgl. etwa E. Fraenkel, Deutschland, S. 201; J. H. Kaiser, S. 364; K. Sontheimer, in: Nuscheler/Steffani, Pluralismus, S. 199 (206, 208); K. Loewenstein, in: Nuscheler/Steffani, Pluralismus, S. 183 (183, 185); Chr. Wefelmeier, S. 126 ff. 80 Vgl. BVerfGE 39, 1 (67); H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 13. 81 Vgl. dazu E.-W. Böckenförde, JZ 2003, 809 (810). 82 Vgl. H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 13; R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 141 f., 363. 83 Derselben Ansicht sind auch E. Fraenkel, Deutschland, S. 201; J. H. Kaiser, S. 364; K. Sontheimer, in: Nuscheler/Steffani, Pluralismus, S. 199 (206, 208); K. Loewenstein, in: Nuscheler/Steffani, Pluralismus, S. 183 (183, 185); Chr. Wefelmeier, S. 130. 84 Vgl. H. Kremendahl, S. 92 f.
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densfunktion, sollen also zwischen den verschiedenen Interessen ausgleichen. Um diese Friedensfunktion zu gewährleisten, müssen dem Staat daher auch die notwendigen Sanktionsmöglichkeiten zur Durchsetzung seiner Entscheidungen zur Verfügung stehen.85 Der Staat tritt daher als Regulativ der Individual- und Verbändeanarchie auf.86 Auch dies ist in der Bundesrepublik allein schon dadurch in der Verfassung verankert, dass dem Gebilde Bundesrepublik nach Art. 20 Abs. 1 GG Staatsqualität zukommt. b) Individualrechte als Voraussetzung des Pluralismus Damit überhaupt Interessen im Staatsgebilde der Bundesrepublik manifest, vertreten und effektiviert werden können, bedarf der pluralistische Staat auch einer Begrenzung seiner Befugnisse: Er muss seinen Bürgern, seinen Staatsangehörigen, d.h. den Menschen, die unter seiner Herrschaft stehen, die Möglichkeit geben, ihre Interessen zu entwickeln, diese zu vertreten und zu effektivieren.87 In Art. 4 I, II GG haben die Väter und Mütter des Grundgesetzes die Möglichkeit des Individuums geschaffen, sich einen Glauben und ein Gewissen zu schaffen, ihren Glauben zu vertreten, für ihn zu werben und ihn bzw. ihr Gewissen zu leben. Die Bundesrepublik erkennt somit die verschiedenen transzendenten Interessen ihrer Bürger mit ihren verschiedenen weltlichen Ausflüssen an. Auch die Verankerung der Meinungs-, Presse-, Rundfunk-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 GG sichert das Individuum in der Entwicklung und im Vertreten von Interessen. Durch die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG, die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit aus Art. 9 GG, die religiöse Vereinigungsfreiheit aus Art. 4 I, II, 140 GG sichert der Staat die kollektive Geltendmachung der Interessen, er erkennt den Zusammenschluss seiner Bürger als nützlich an. Und um einzelne Interessen nicht von vorneherein auszublenden, muss es auch eine Gleichbehandlung dieser Interessen beim Zugang zum Interessenwettbewerb geben,88 was durch den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 I GG und sei85
s. etwa H. Heller, Staat, Nation und Sozialdemokratie, S. 527 (532 f.). Vgl. auch St. Eisel, S. 83 f. 86 Deshalb erscheint auch die Einteilung H. H. v. Arnims, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 148 ff., der Pluralismuskonzeptionen nach Laissez-Faire-Pluralismus und Due-Process-Pluralismus differenzieren will, nicht als abschließend überzeugend. Ein Laisser-fair-Pluralismus wäre im Ergebnis anarchisch geprägt, zu unterscheiden wäre also eher zwischen due- und undue-process-Pluralismus. Durch die Abwesenheit der Anarchie existiert der von der Pluralismuskonzeption geforderte Schiedsrichter, der Staat. Vgl. auch R. P. Wolff, in: Wolff/Moore/Marcuse, S. 9 ff. 87 Vgl. etwa H. Kremendahl, S. 93. 88 Unter dem Aspekt des Einspeisens von Interessen in den Prozess der staatlichen Willensbildung hat aus diesem Grunde das Petitionsrecht hervorragende Be-
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ne spezielleren Ausprägungen geschehen ist. Das Pluralismuskonzept verlangt per se, soll der Pluralismus in einen „due process“ eingebunden werden, Freiheits- und Gleichheitsrechte der Bürger und ihrer Organisationen und Zusammenschlüsse. Diese sind in der Bundesrepublik gewährleistet. c) Offenhaltung des Prozesses Pluralismus bedarf darüber hinaus, da er zunächst alle Interessen akzeptiert, der Offenhaltung der unter seinem Regiment stehenden Entscheidungsprozesse. Interessen müssen sich bilden, organisieren und artikulieren dürfen. Undue im Rahmen des Pluralismus ist daher jedes Konzept, das den einmal akzeptierten Pluralismus wieder beseitigt, also jede Form der Einzeloder Gruppenherrschaft, die sich auf ein absolutes Prinzip stützt, sei es nun das Recht der Geburt, die Auserwähltheit eines Volkes oder die Mission des historischen Materialismus.89 Pluralismus verlangt eine Herrschaftsform, der immanent ist und deren Träger sich bewusst sind, dass sie keine letzten Wahrheiten produzieren, sondern bestenfalls optimieren können. Pluralismus fordert daher, dass es keine für immer gültigen Entscheidungen gibt, mit Ausnahme der für die Existenz des Pluralismus notwendigen Grundlagen. Dazu gehört eben auch die genannte Offenhaltung des Prozesses und die Sicherung dieser Offenhaltung. Dies lässt sich insbesondere dadurch verwirklichen, dass die Herrschaft der jeweils Herrschenden zeitlich begrenzt ist. Die dadurch ständig bestehende Drohung der Entmachtung zwingt die Herrschenden, die Interessen der sie Stützenden zur Kenntnis zu nehmen und sich für neu artikulierte Interessen zu öffnen. Dadurch wird zwar die Effektivität des jeweiligen Systems begrenzt, d.h. der Verwirklichung eines bestimmten Konzeptes der Zuordnung von Interessen bei der Normierung, jedoch wird die Vermehrung bzw. Veränderung der in die Staatswillensbildung einfließenden Interessen effektiviert. Im pluralistischen Staat kann daher nicht die Effektivität der Durchsetzung eines bestimmten Interesses als staatliche Effektivität gelten, sondern die jeweils den Machtverhältnissen angepasste Durchsetzung von Interessen. Ein weiteres Postulat des Pluralismus ist insofern die temporäre, d.h. periodische Begrenzung der Herrschaft im Staat, die in der Bundesrepublik durch Art. 39 I GG und Art. 69 II GG ebenfalls erreicht ist.
deutung, vgl. dazu insgesamt M. Hornig, Die Petitionsfreiheit als Element der Staatskommunikation, Baden-Baden 2001. 89 Zum damit verbundenen Konzept der streitbaren Demokratie siehe M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 21 Rn. 136 m. w. N.
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d) Demokratisch legitimiertes Parlament als Träger der Regulativmacht Es kommt im pluralistischen Staat nicht darauf an, Einzelinteressen besonders effektiv durchzusetzen, sondern darauf, die verschiedenen Interessen einander zuzuordnen, zu selektieren und Kompromisse zwischen den Interessen zu finden. Verschiedene Interessen bedürfen verschiedener Vertreter.90 Zwar mag ein Einzelner in der Lage sein, eine Vielzahl von Interessen aufzunehmen und gegeneinander abzuwägen. Letztendlich fördert aber die Existenz einer Gruppe von Herrschenden, je größer sie ist, eine umso größere Einfluss- und Geltungsmöglichkeit wegen der dann weitergehend bestehenden Möglichkeit der Selbstvertretung von Interessen.91 Eine völlige Vertretung sämtlicher Interessen könnte letztlich nur die Identität von Herrschenden und Beherrschten garantieren.92 Dies würde jedoch entweder bedeuten, dass die heterogenen Kräfte dem freien Spiel ihrer selbst überlassen werden, was im Ergebnis dazu führt, dass der Pluralismus sich selbst auf den Kopf stellt. Alternativ bietet sich ein rein direktdemokratisches System an, das den Trägern des Pluralismus auch die Entscheidung über die Zuordnung der verschiedenen Interessen überlässt. Gegen ein solches Überlassen der Entscheidung sprechen jedoch verschiedene Gesichtspunkte: namentlich die üblicherweise gegen direkte Demokratie vorgebrachten Argumente eines Effektivitätsdefizits, da sie dazu tendiert, Entscheidungskompetenzen zu blockieren, nicht aber, sie zu organisieren.93 Auch wird der bei Verschiedenartigkeit von Interessen notwendige Kompromiss unmöglich gemacht.94 Ebenfalls wird der mangelnde Gesamtüberblick des einzelnen Bürgers in einer hochkomplexen, interessenverwobenen Gesellschaft in den Bezügen eines Territorialstaates genannt.95 Im Rahmen der hier aufgeworfenen Pluralismusproblematik ist aber insbesondere die Frage entscheidend, wem es überlassen bleiben soll, den Bürgern die zur Entscheidung vorzulegenden Entscheidungsalternativen, soweit sol90
Vgl. Chr. Wefelmeier, S. 167 ff. Vgl. J. Madison, The Federalist 10, 77 (82 f.). s. a. P. Graf Kielmanssegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (16). Dies spricht dafür, Art. 38 I 2 GG, die Gewissensbindung des Abgeordneten, nicht mit einer Gemeinwohlbindung zu überladen. 92 Vgl. aber auch P. Graf Kielmansegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (25), der verdeutlicht, dass selbst und gerade das Einstimmigkeitsprinzip einer Durchsetzung aller Interessen im Wege steht, da dem Einzelnen eine Vetoposition gegen die Interessen der vielen anderen eingeräumt wird. 93 Vgl. etwa Chr. Müller, S. 213. 94 Vgl. H. Fliegauf, LKV 1993, 181 (184 f.); Chr. Müller, S. 213. s. a. Chr. Wefelmeier, S. 167 ff. 95 Vgl. etwa M. Morlok, FS BVerfG II, S. 559 (578 f.). Ablehnend aber H. Fliegauf, LKV 1993, 181 (185). 91
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che überhaupt vonnöten sind, zu formulieren. Hierzu jedenfalls wäre auch in einer direkten Demokratie ein gewisses Maß an „Repräsentation“ notwendig.96 Dies etwa Verbänden zu überlassen bedeutete, nicht verbandsmäßig organisierte Interessen aus dem Prozess staatlicher Willensbildung auszugrenzen. Aus der Pluralismuskonzeption ergibt sich aber gerade wegen der Notwendigkeit der Einbeziehung auch schlecht organisierbarer Interessen die Notwendigkeit einer von der Legitimation durch organisierte Interessengruppen unabhängigen Repräsentation im Staate. Sie verlangt ein nicht standesmäßig organisiertes Interessenzuordnungsorgan im Staate, ein Parlament, zu dem die verschiedenen Interessen gleichermaßen Zugang haben. Da bereits dargestellt wurde, dass unter der Geltung eines Pluralismuskonzeptes die Entscheidung über die Zuordnung von Interessen letztendlich auf die ursprünglichen Träger zurückgeführt werden muss, um derentwillen die Konzeption ja nur existiert, ist eine demokratische Legitimation dieses Parlamentes und seiner Mitglieder vonnöten. e) Repräsentatives Mandat als Optimierung der Pluralismuskonzeption Eine rechtliche Rückbindung der Entscheidung der Parlamentsmitglieder – sprich: ein gebundenes Mandat – verbietet sich jedoch: Eine Kompromissfindung, also eine Entscheidung, die die verschiedenen Interessen zuordnet, wäre ausgeschlossen.97 Entscheidend ist daher die Gewährleistung des grundsätzlich freien, gleichen Zuganges der Interessen zu diesem staatlichen Willensbildungsprozess. Dazu muss der Repräsentant die Kompetenz und Möglichkeit haben, jedwedes beliebige Interesse in seine Meinungsbildung und somit letztendlich in die Staatswillensbildung einfließen zu lassen. Er darf also durchaus bestimmten Interessen sogar rechtlich verbunden sein, soweit ihm die Möglichkeit bleibt, dieses Interesse auch – wenn er dies wünscht – fallen zu lassen, und ihm die grundsätzliche Freiheit bleibt, als Abgeordneter jedwedes Interesse zu vertreten. Die Freiheit der Abgeordneten sichert somit die Chancenleichheit des Zugangs von Interessen zum staatlichen Willensbildungsprozess, ist also die Freiheit, sich nach eigener Wahl beeinflussen zu lassen.98 96
Vgl. etwa P. Krause, DÖV 1974, 325 (328, 330); M. Morlok, FS BVerfG II, S. 579 (581, 586 f.). 97 s. P. Graf Kielmannsegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (16); Chr. Müller, S. 213.
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Inwiefern die Parteien, die ja auch Interessengruppen sind, hier eine Optimierung der Unabhängigkeit garantieren können, erscheint bei einer Einordnung als bloße Interessengruppen zunächst sehr fraglich.99 Letztendlich bieten insbesondere die so genannten Volksparteien eine bestimmte Zuordnung der verschiedenen Interessen an, also Lösungskompromisse für Konflikte.100 Jedoch finden auch in den Verbänden bereits Kompromisse statt. Verbände und Parteien unterscheiden sich insbesondere dadurch, dass letztere dem Gleichheitssatz intern und extern unterworfen sind.101 Darüber hinaus sind die Parteien bereit, Verantwortung für die Zuordnung zu übernehmen und sich dafür der Entscheidung des Souveräns, der Gesamtbürgerschaft, in der Wahl zu unterwerfen, während sich die Verbände dieser Entscheidung nicht unterwerfen wollen. Wegen der Abhängigkeit vom Souverän müssen die Parteien, um die Möglichkeit der Zuordnung zu erlangen, die Interessen möglichst vieler Bürger aufnehmen und eine den Bürgern genehme Zuordnung anbieten. Um eine gewisse Unabhängigkeit der Abgeordneten von Einzel- und Verbandsinteressen zu gewährleisten, ist die Rückbindung der Abgeordneten auch während der Wahlperiode durch ein bestimmtes Maß an Abhängigkeit von den Parteien und ihren Zuordnungskompromissen durchaus nützlich. Die Rückbindung optimiert so die Freiheit der Abgeordneten für die konkret im Gesetzgebungsverfahren stattfindende Zuordnung. Dennoch sind die Parteien in gewisser Weise Interessengruppierungen, weshalb eine abschließende Bindung des Abgeordneten an Entscheidungen seiner Partei, der dann der abschließende Zuordnungsprozess ohne Kompromissfähigkeit mit anderen Parteien zukäme, zu vermeiden ist. Da insbesondere die breit angelegten Parteien, weil sie Wahlen gewinnen wollen und eine größere Anzahl an Mitgliedern in sich vereinigen, über die Vertretung von Einzelinteressen hinausgehen (müssen) und bereits eine Interessenzuordnung leisten, sind sie nachgerade eine Sperre für eine allzu einseitige Zuordnung von Einzelinteressen.102 Man kann geradezu von Lobbybremsen sprechen.103 98 Vgl. auch M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38, Rn. 127. Unklar ist, ob E. V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (52), und P. Krause, DÖV 1974, 325 (327), diese Freiheit des Abgeordneten, sich nach seiner Wahl beeinflussen zu lassen, meinen, wenn sie vom Abgeordneten „Unvoreingenommenheit“ verlangen. 99 Diesbezüglich eher pessimistisch: I. Spiecker gen. Döhmann, S. 16. 100 s. zur insoweit bestehenden Repräsentationsfunktion der Parteien U. Scheuner, DÖV 1965, 577 (580). 101 Zum Status der Gleichheit der Parteien vgl. insb. P. Häberle, JuS 1967, 64 (72 f.); M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (85). 102 Vgl. auch N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 163. 103 Vgl. ähnlich H. Kremendahl, S. 454. Er macht in diesem Zusammenhang auch die positiven Folgen der Fraktionsdisziplin deutlich. s. a. bereits U. Scheuner, in: Rausch, Theorie, S. 386 (416 f.).
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Als Zwischenergebnis lässt sich also festhalten, dass die Pluralismuskonzeption einen die Konflikte der widerstreitenden Interessen befriedenden Verband – einen Staat – verlangt, dessen viele Herrscher auf Zeit104 demokratisch legitimiert sein müssen, dessen Herrschaft aber von vorneherein beschränkt ist durch die Regeln der Aufrechterhaltung des pluralistischen Zustandes, der wiederum besteht, um den Menschen, die diesem pluralistischen Gemeinwesen unterworfen sind bzw. sich diesem unterwerfen, die möglichst weitgehende Um- und Durchsetzung ihrer Interessen durch Zuordnung, Gruppierung und Selektion zu ermöglichen. Des weiteren fordert Pluralismus natürlich die entsprechenden Regeln zur Gewährleistung eines regelmäßigen Entscheidungsganges. f) Gemeinwohl ex posteriori? Die im Rahmen einer pluralistischen Ordnung getroffenen Entscheidungen haben gegenüber solchen, die sich aus einem vermeintlich vorgegebenen Gemeinwohl ergeben, den Vorteil, dass beim Treffen der jeweiligen Entscheidung die entgegenstehenden Interessen weitgehend bedacht wurden und dass diejenigen, die die Entscheidung mit Mehrheit treffen, möglichst weitgehend die für eine Entscheidung relevanten Interessen beachten, um hinfort auch die Macht zur Steuerung durch Erneuerung ihrer Legitimation behalten zu können. Die Bildung von Mehrheiten setzt Kompromissfindung voraus. Jedoch kann von einer so getroffenen Entscheidung – systemimmanent – niemals behauptet werden, dass sie absolut wahr und richtig ist. Der pluralistische Staat sucht Konfliktlösungen und besitzt keine absoluten Wahrheiten.105 Insofern erscheint es auch nicht richtig, davon zu sprechen, dass sich durch die Entscheidung im pluralistischen Gemeinwesen ein bonum commune, ein Gemeinwohl ex posteriori ergebe.106 Der Begriff des Gemeinwohls ist ein absoluter, jedoch kann sich durch veränderte Mehrheiten im Parlament, durch eine „Verschiebung der Akzentsetzung“, durch eine veränderte Umwelt, durch Misserfolg eines Experiments, das mit der Ent104 Ich spreche hier bewusst von Herrscher, da sich ja eine Anbindung an den Wählerwillen aus obengenannten Gründen verbietet. Demokratie ist Herrschaftsordnung, vgl. P. Graf Kielmannsegg, in: Matz, Herausforderungen, S. 9 (25). Vgl. auch J. Isensee, FS Fromme, S. 41 (44). Ob diese Herrscher dann einer Herrschaft durch die Parteien o. ä. unterliegen, ist die Frage, ob der Hausmeier oder der König herrschen soll und an dieser Stelle letztlich noch nicht zu beantworten. 105 Vgl. ähnlich H. Oberreuther, in: Randelzhofer/Süß, Konsens und Konflikt, S. 214 (225). 106 Vgl. aber E. Fraenkel, Deutschland, S. 199 ff.; D. Pohl, ZParl 1995, 385 (386); W. Henke, DVBl. 1973, 553 (559). Wie hier H. Kremendahl, S. 450 f.
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scheidung begonnen wurde, eine andere, u. U. sogar eine gegenteilige Entscheidung ergeben. Ex posteriori würde also ein bisher bestehendes Gemeinwohl wiederum verändert. Daher ist Fraenkel und seiner These vom „Gemeinwohl ex posteriori“107 ebenso wie der Konstruktion „salus publica ex processu“108, selbst wenn man sie wie Morlok um die Worte „sine vitio“109 ergänzt, entgegenzutreten. Es gibt im pluralistischen Staat kein aus der Entscheidung ableitbares, für die Entscheidenden abschließendes Gemeinwohl,110 keine salus publica,111 kein bonum commune.112 Man mag in der politischen Diskussion den Begriff des Gemeinwohls verwenden und das Erreichen des gemeinen Wohls anstreben. Man mag sich dazu auch des Mittels des Rechts bedienen, als Ergebnis wird sich jedoch aus diesem Prozess niemals abschließend ein materielles Gemeinwohl ergeben können, da niemand dazu in der Lage ist, es als solches zu erkennen. Nun könnte man einen Begriff des formellen Gemeinwohls schaffen, der sich zum Begriff des materiellen Gemeinwohls so verhält wie das formelle Recht zur materiellen Gerechtigkeit. Dann jedoch verbleibt als formelles Gemeinwohl stets das, was als Ergebnis des pluralistischen Prozesses am Ende steht. Dies mag von politischer Seite als materiell gemeinwohlwidrig bezeichnet werden – wodurch letztlich nur eine interessengesteuerte Wertung zum Ausdruck kommt. Der rechtswissenschaftlichen Diskussion hingegen bleibt nur die Frage, ob das Ergebnis verfahrenskonform zustande gekommen ist, also dem formellen Gemeinwohl entspricht. Das heißt aber, dass der Begriff des formell Gemeinwohlmäßigen dem des Verfassungsgemäßen entspricht – rechtlich mithin überflüssig ist bzw. Entscheidungen mit dem Prädikat „gemeinwohlkonform“ versieht und sie damit grundlos erhöht. Daher sollte in der rechtlichen Auseinandersetzung – insbesondere in der verfassungsrechtlichen Diskussion – auf die Begrifflichkeit verzichtet werden. Das Fehlen 107
E. Fraenkel, Deutschland, S. 197 ff., insb. 200. P. Häberle, Öffentliches Interesse, 1970, S. 87 ff.; wiederholt in ders., in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl, S. 99 (101 ff.). Ähnlich auch D. Grimm, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl, S. 125 (125 f.); J. Isensee, in: Matz, Herausforderungen, S. 43 (47); M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (83). 109 M. Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, S. 74. An anderer Stelle, in der er sich allerdings im Gegensatz zur letztgenannten Stelle nicht auf die Exekutive, sondern die Legislative bezieht, scheint er dem Begriff des Gemeinwohls distanzierter gegenüber zu stehen, vgl. ders., in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (83). 110 Anders aber R. Hofmann, ZfP 1978, 32 (43), der selbst den Bürger als Wähler der Gemeinwohlverpflichtung unterwerfen will. 111 So aber P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 349 ff., 499 ff. 112 Vgl. H. Kremendahl, S. 450 f. Dennoch gilt die getroffene Entscheidung, wenn sie dem vorgeschriebenen demokratischen Prozess gerecht wird. Vgl. auch P. Häberle, AöR 103 (1978), 607 (611). 108
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eines materiellen verfassungsrechtlichen Gemeinwohlsbegriffs, der über den der Verfassungskonformität hinausgeht, mag profan erscheinen, andererseits ist der Gedanke, ein Interesse nicht endgültig abschreiben zu müssen, nur weil es sich bei einer Normierung durch die Entscheidungsträger einmal nicht durchsetzen konnte, tröstlich. g) Paradoxon des Pluralismus: Das Pluralismuskonzept ist Gemeinwohl Jedoch beinhaltet der Pluralismus ein entscheidendes, bereits angesprochenes Paradoxon: Er kennt keine Wahrheit, außer der, dass es keine solche gibt. Diese Wahrheit bedarf wiederum der Sicherung. Es gibt daher einen einzigen Punkt, der im Rahmen des pluralistischen Koordinatensystems als wahr und endgültig gilt: das Koordinatensystem selbst.113 Insofern ist auch der Pluralismus ein totales Konzept; die Existenz des Pluralismus und seiner aufgezeigten Voraussetzungen ist dem Pluralismus die einzige Wahrheit, die wegen ihrer Absolutheit auch als „Gemeinwohl“ bezeichnet werden kann. Insofern ist auch das Bekenntnis des Pluralismus zur Nichtakzeptanz abschließender Wahrheit als Wahrheit Ideologie. Der Pluralismus ist ohne Anerkennung eines gewissen Monismus nicht als dauerhaft existent denkbar, auch der Pluralismus kommt ohne eine monistische Grundlage nicht aus. Dadurch allerdings, dass der Pluralismus sich selbst keine historische Funktion zuschreibt, keinen Zwang zum Erreichen irgendwelcher Ziele, vermag er wohl114 das Individuum im Gegensatz zu seinen Alternativen am weitestgehenden als solches zu akzeptieren. Als die Legislative bindendes „Gemeinwohl“ innerhalb eines pluralistisch ausgerichteten Staatswesens sind daher das Koordinatensystem und darüber hinaus die zum Erhalt des Koordinatensystems erforderlichen Normierungen anzusehen. Wie Fraenkel schreibt, bedarf auch eine pluralistische Gesellschaft eines Bereiches gesellschaftlichen Konsenses.115 Dazu müssen der Konsens über das pluralistische Modell sowie die eben genannten notwendigen Voraussetzungen einer existenzfähigen pluralistischen Gesellschaft gehören. Darüber hinaus dürften als Zielvorstellungen nur die, die allen Individuen gemein sind, akzeptiert werden, die jedoch völlig abstrakt bleiben und wiederum einer pluralistischen Auffüllung bedürfen wie Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, Wohlstand.116 113 Dieses Koordinatensystem kann dabei weitgehend mit dem Wertkodex, wie er bei E. Fraenkel, Deutschland, S. 184 ff. genannt wird, gleichgesetzt werden. 114 Ähnlich wohl auch Chr. Wefelmeier, S. 130 m. w. N. 115 E. Fraenkel, Deutschland, S. 184 ff.
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h) Gemeinwohl als regulative Idee? Fraglich ist jedoch, inwiefern ein über dieses Grundmodell hinausragendes Gemeinwohl als regulative Idee dienen soll.117 Es ist über das Koordinatensystem des Pluralismus und seiner Postulate hinaus – wie eben aufgezeigt – nicht feststellbar. Dennoch soll es als berichtigende Hilfe bei der Ausscheidung offensichtlich gemeinwohlwidriger Ideen helfen.118 Was jedoch ist offensichtlich gemeinwohlwidrig? Als offensichtlich gemeinwohlwidrig wird man zunächst jedwede Bestrebung auch im pluralistischen Denken ansehen dürfen, die sich gegen das Koordinatensystem richtet, die also nicht bereit ist, sich auf den Konsens, der vom Pluralismus zwingend vorgegeben wird, einzulassen. (1) Ausscheidung monistischer Konzeptionen aus der Gemeinwohlsuche Als „gemeinwohl“-widrig hat zunächst jedweder Versuch zu gelten, das pluralistische System durch ein monistisches System zu ersetzen, selbst wenn es auf den vom Pluralismus vorgegebenen Wegen durchgesetzt werden soll.119 Der Pluralismus ist kein Modell zum Ersetzen seiner selbst, er ist, wie aufgezeigt, selbst Ideologie, alleinseligmachendes (zumindest seligermachendes) Modell. Derartige Bestrebungen dürfen aus dem pluralistischen Prozess ausgeschieden werden, wenngleich die Feststellung dem Pluralismus entgegenstehender Bestrebungen im Pluralismus schwierig ist. Da aber bezüglich des Koordinatensystems Konsens herrscht, kann er zum Ausscheiden der pluralismusfeindlichen Bestrebungen herangezogen werden.120 116 Vgl. Chr. Wefelmeier, S. 129; s. a. H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 22 ff. Beim Wohlstandsbegriff allerdings ist es schwieriger, einen allgemeinen Konsens über diesen Wert sicherzustellen, man denke nur etwa an Armutsgelübde oder die Debatte über qualitatives und quantitatives Wachstum. 117 So etwa P. Häberle, Öffentliches Interesse, S. 30, 588 f. 118 Vgl. K. Abmeier, S. 59 f.; H. Erdmann, S. 83; R. Hofmann, ZfP 1978, 32 (44 Fn. 78). 119 Vgl. etwa H. Ryffel, in: HS Verwaltungswissenschaften, Wohl der Allgemeinheit, S. 16 ff. 120 Da dieser als unveränderliche Grundlage gelten muss, kann zur Feststellung der Pluralismusgegnerschaft kein pluralistisches, also parlamentarisches Verfahren herangezogen werden. Gemeinwohlwidrig ist also eine Entscheidung, bei deren Herstellung die prozessualen Vorgaben verletzt werden. Dies festzustellen bedarf es, da dies dem Pluralismus monistisch vorgegeben ist, eines monistischen Verfahrens, i. e. eines an den pluralistischen Konsens gebundenen Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens. Daher ist es nur als systemimmanent zu bezeichnen, wenn die Ausscheidung solcher Bestrebungen und Interessen aus dem Interessenzuordnungsprozess in der
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(2) Sonstige Gemeinwohlwidrigkeit? Fraglich ist, ob es darüber hinaus noch offensichtlich Gemeinwohlwidriges gibt,121 wobei es hier nur um Interessen gehen kann, die in den Prozess der nie zu einem hundertprozentig sicheren Ergebnis führenden Gemeinwohlsuche einbezogen werden. Es geht nicht um die Frage, ob Verstöße gegen im Optimierungsverfahren bereits festgelegte Normierungen geahndet werden können, sondern um die Ausscheidung von bestimmten Interessen, die sich innerhalb des Koordinatensystems bewegen, dieses auch nicht direkt in Frage stellen und sich auch bei der Durchsetzung innerhalb des Koordinatensystems bewegen.122 Eine solche Gemeinwohlwidrigkeit könnte sich bei Verstoß eines Interesses gegen die konsentierten Werte Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, Wohlstand ergeben. Die ersten drei Werte gehören mit begrenzter Reichweite ja bereits zum Koordinatensystem. Pluralismus ist ohne Freiheitsrechte und auch ohne Gerechtigkeit, soweit es um die Zulassung von Interessen in den Prozess der Entscheidungsfindung geht, nicht denkbar. Pluralismus verlangt zu seiner Selbsterhaltung auch Schutzpflichten zugunsten dieser beiden ersten Werte, also ein Maß an Sicherheit. Fraglich ist, inwieweit der Wert Wohlstand konsentiert ist, da ihm u. U. Werte wie Umweltschutz und Enthaltsamkeit, die zum Willensbildungsprozes zuzulassen sind, entgegenstehen. Lässt man diesen Wert zu, so muss man ihn sehr weitläufig verstehen, insbesondere sagt er noch nichts über die Verteilung des Wohlstandes aus, so dass speziell dieser Wert weitestgehend einer Auseinandersetzung der verschiedenen Interessen ausgesetzt sein wird und daher ein Verstoß eines Interesses gegen diesen Wert bei keinem Interesse festzustellen sein wird, insbesondere, wenn mit anderen Werten abgewogen wird. Folglich kann kein Interesse aus dem Prozess der unendlichen Gemeinwohlsuche a priori ausgeschieden werden, das sich nicht in Inhalt oder Umsetzung gegen den Rahmen des Pluralismus und seines vorgegebenen, monistischen Koordinatensystems richtet. Da jedes der hierdurch nicht ausgeschlossenen Interessen im Rahmen der unendlichen Gemeinwohlsuche legitim ist, ja seine Träger es zur Verwirklichung des Gemeinwohls geradezu für unerlässlich halten werden, muss es zur formellen Suche nach dem Gemeinwohl jedenfalls zugelassen werden. Bundesrepublik nach Art. 18, 21 III GG dem Bundesverfassungsgericht bzw. nach Art. 9 II GG i. V. m. § 3 II VereinsG dem Bundesinnenminister bzw. den Landesbehörden zugewiesen ist. 121 So etwa P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 30, 46, 588 f.; vgl. auch A. Köttgen, GS W. Jellinek, S. 195 (219). 122 Dass die Umsetzung gewisser Interessen mittelbar zur Unzufriedenheit mit dem pluralistischen System führt, kann zunächst nicht zur Ausscheidung dieser Interessen aus dem Entscheidungsprozess führen.
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Als Ergebnis lässt sich damit zunächst feststellen: Es gibt in der Bundesrepublik als einem den Grundsätzen des Pluralismus verpflichteten Staat vorgegebenes Gemeinwohl: das pluralistische Koordinatensystem und dessen Erhalt.123 Eine weitergehende Gemeinwohlidee als Regulativ existiert nicht,124 da alle legitimen Interessen – das sind all jene, die nicht direkt gegen das pluralistische System gerichtet sind – grundsätzlich gleichwertig sind. Der Mindestrahmen eines pluralistischen Staatswesens ist jedoch gerade durch die Bindungen der Legislative an die Mindestmaßstäbe Art. 79 III GG verwirklicht.125 Nur die den Mindestwahrheiten der Pluralismuskonzeption entsprechenden Vorgaben des Art. 79 III GG sind daher vorweggenommenes „Gemeinwohl“.126 (3) Die regulative Idee als Appell Einzig ein Verständnis des Gemeinwohls als regulative Idee im Sinne eines moralischen Appells hat darüber hinaus ihre Berechtigung127 – dieser Appell ist jedoch keine rechtliche bzw. zu verrechtlichende Kategorie. Ihre Verrechtlichung bedeutete nämlich nichts anderes, als ein doch wieder über den verrechtlichten „Gemeinwohl“-findungsrahmen hinausreichendes, monistisch vorgegebenes Gemeinwohl als rechtliche Kategorie zu akzeptieren. Der Pluralismus darf aber nicht durch den moralischen Appell und die Gemeinschaftsideologie überwunden werden.128 Freilich, das System der Bundesrepublik kennt gewisse strukturelle und institutionelle Bedingungen, die die Verwirklichung von einseitigen Partikularinteressen einschränken können und sollen, sei es die Notwendigkeit des Erringens parlamentarischer Mehrheiten und die damit einhergehende Notwendigkeit politischer Parteien, die bereits auf die Kompromissfindung zwischen bestimmten Interessen angewiesen sind. Gerade weil diese Institutionen existieren, besteht aber keine erzwungene Festlegung von Interessenvertretern auf ein „Gemeinwohl“. Vielmehr sind es die institutionellen 123
Man mag dies als „Gemeinwohlordnung“ bezeichnen. Vgl. P. Krause, DÖV 1974, 325 (327), und insb. M. Schröder, S. 297 Fn. 138. 125 Vgl. St. Eisel, S. 163; H. Erdmann, S. 82, der hier vom „abstrakten Gemeinwohl“ spricht; E. Fraenkel, Deutschland, S. 189. 126 Vgl. auch H. Erdmann, S. 83. s. a. R. Uerpmann, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 179 (180 ff.), der allerdings nicht die Frage der Bindung des grundsätzlich auch zur Verfassungsänderung befugten Parlaments anspricht, sondern den einfachen Gesetzgeber und daher den Gesamtbestand der Grundrechte in die Gemeinwohlordnung mit einbezieht. 127 Vgl. H. Kremendahl, S. 451 ff., insb. 454. s. a. J. Isensee, in: Matz, Herausforderungen, S. 43 (47). 128 H. Kremendahl, S. 454. 124
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Strukturen, die eine Berücksichtigung möglichst vieler Interessen wahrscheinlich und möglich machen. Wie Hans Kremendahl schreibt, sind die aus der regulativen Idee des Gemeinwohls zu ziehenden Konsequenzen im politischen System „nüchtern und institutionell“, und laufen im wesentlichen auf Kompetenzabgrenzungen hinaus.129 Insoweit kann die regulative Idee des Gemeinwohls richtig verstanden keine rechtliche Kategorie der Abgrenzung zwischen gemeinwohlkonformem und gemeinwohlwidrigem Verhalten darstellen, wie dies von einzelnen Autoren postuliert wird.130 5. Die Bindung des Abgeordneten ans „materielle Gemeinwohl“ aus Art. 79 III GG Wie einerseits aus verfassungsrechtlicher, andererseits aus pluralismustheoretischer Sicht dargelegt, sind die Abgeordneten als Teil der Legislative durch Art. 79 III GG i. V. m. Art. 1 I, II und Art. 20 I bis III GG auf die in diesen Artikeln zum Ausdruck kommenden Grundlagen des pluralistischen Staatswesens festgelegt. Zu diesen Grundsätzen gehört auch – wie oben nachgewiesen – die Aufgabe der Abgeordneten, für alle im pluralistischen Prozess zugelassenen Interessen offen zu sein, kurz, sie in seinem freien Mandat nach Art. 38 I 2 GG repräsentieren zu können. Das heißt, dass dem durch die Wahl legitimierten Abgeordneten bzw. im parteienstaatlichen System den Abgeordneten, die seiner Partei angehören, von ihrer Wählerschaft, also einem Teil des Souveräns, zugetraut und zugemutet wird, ihre Interessen am effektivsten zu vertreten und sie in der durch das Parlament vorzunehmenden Integration anderen Interessen am effektivsten zuzuordnen: also ihre Wähler und deren Interessen am effektivsten zu repräsentieren. Der Abgeordnete wird somit zum Interessenvertreter von Teilen des Souveräns, also des Volkes. Seine Aufgabe ist es, im pluralistischen Interessenwettstreit in seinem freien, nach Art. 38 I 2 GG nur seinem Gewissen unterworfenen Mandat, die an ihn herangetragenen Interessen zu integrieren, zu selektieren und diese Interessen zuzuordnen, um sie dann in seinen wiederum für den Souverän verbindlichen Entscheidungsakt einfließen zu lassen. Da die Selektion und Zuordnung ihm und seinem Gewissen überlassen bleibt, ist er Interessenvertreter derjenigen Interessen aus dem Volk, die ihm am sinnvollsten erscheinen. Der einzelne Abgeordnete bestimmt mithin die Art und Weise der Erfüllung seiner Verfassungstreue selbst.131 Die 129
H. Kremendahl, S. 452. Vgl. K. Abmeier, S. 59 f.; H. Erdmann, S. 83; R. Hofmann, ZfP 1978, 32 (44 Fn. 78). 131 M. Schröder, S. 295. 130
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Wahrnehmung seiner Aufgaben ist mithin subjektiviert.132 Aufgrund der Zuordnung wird er dabei meist eine mediatisierte Interessenvertretung verschiedener von ihm integrierter und zugeordneter Interessen vornehmen. Es ist ihm jedoch möglich, auch ein beliebiges Einzel- und Sonderinteresse, das ihm als besonders wichtig erscheint, zu vertreten.133 Darüber hinaus ist auch das mediatisierte Interesse ein Interesse. a) Stellung des Abgeordneten als Interessenvertreter Der Abgeordnete ist daher, wie jeder Bürger auch, Vertreter bestimmter Interessen.134 Aufgrund seines Werdeganges, seiner Bildung, seines beruflichen Weges werden jedem Abgeordneten bestimmte Interessen wichtiger erscheinen als andere, er wird sie anders selektieren und zuordnen als andere Abgeordnete. Das drückt sich auch in seiner Partei- und Fraktionszugehörigkeit aus, da diese Organisationen Zusammenschlüsse von Bürgern bzw. Abgeordneten darstellen, die ähnliche Interessen haben, ähnliche Selektionen und Zuordnungsprozesse vornehmen, Interessen auf ähnliche Weise mediatisieren. 132
M. Schröder, S. 299. Zur Selbstverständlichkeit dieses Satzes siehe bereits J. Madison, The Federalist 10, 77 (79, 82 f.). Vgl. auch H.-A. Roll, ZRP 1984, 9 (13); vgl. dazu auch P. Badura, BK, Art. 38 (1966) Rn. 58, 60; W. Demmler, S. 97 ff.; N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 165; S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 47; K. M. Meessen, FS Scheuner, S. 431 (433 ff.); I. v. Münch, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 68; H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (331, 334); H. Sendler, NJW 1985, 1435 (1431 f.); J. Chr. v. Waldthausen, S. 136 ff.; Chr. Wefelmeier, S. 167 ff. Gegen das Recht auf Vertretung von „Partikularinteressen“ E. V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (42); R. Hofmann, ZfP 1978, 32 (53); D. Rauschning, VVdStRL 33 (1975), S. 165 (165). Zur Kritik der letztgenannten Ansicht auch E. Fraenkel, Deutschland, S. 201. Unklar sind die sich widersprechenden Aussagen bei K. Abmeier, S. 97, der die Vertretung von Sonderinteressen einerseits kritisiert, S. 59, andererseits ihre Vertretung im Parlament als notwendig erachtet. Unklar auch H.-H. Kasten, S. 105, der dem Abgeordneten die Filterung zum Gemeinwohl zuschreibt, sich jedoch nicht explizit zu Fragen der Interessenvertretung äußert. Interessant ist der von W. Zeh, FS Morsey, S. 1009 (1023), gebildete Zusammenhang zwischen „Entscheidung in eigener Sache“ und der fehlenden Akzeptanz von Interessenvertretung im Parlament: Wer glaubt, dass sich in der politischen Auseinandersetzung ein – nicht vorstellbares – interessenfreies Argument durchsetzen solle und könne, wird nicht bereit sein, die Kosten der politischen Auseinandersetzung zu tragen. Chr. Knebel-Pfuhl, S. 158 ff., erkennt zwar die Möglichkeit der Vertretung partikularer Interessen an, jedoch bemüht sie sich im Weiteren um die Gewinnung von Maßstäben, wann dies dennoch verfassungswidrig sein soll. 134 s. hierzu bereits M. Weber, Politik als Beruf, S. 27 ff., der auch auf die dadurch bedingte Bedeutung von „Advokaten“ im Parlament hinweist, da diese von Berufs wegen stets Interessen wahrzunehmen hätten. 133
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Dem Organ der Legislative, dem Parlament, verbleibt die letzte Stufe der Mediatisierung verschiedener von den Abgeordneten bzw. deren Organisationen, den Fraktionen und Gruppen, eingebrachter Interessen135 – die Herstellung einer verbindlichen Entscheidung. Pluralismus bedarf des Einbringens möglichst vieler Individualinteressen, um eine möglichst repräsentative, d.h. auf den Souverän rückführbaren Entscheidung zu treffen. Da den Begründern des Grundgesetzes klar war, dass die Kapazität des einzelnen Abgeordneten zur Interessenverarbeitung begrenzt ist, ebenso wie das Vorhandensein gewisser Interessenpräferenzen beim einzelnen Abgeordneten, institutionalisierten sie im Grundgesetz ein Parlament mit mehr als einem Abgeordneten, um wiederum möglichst vielen Individualinteressen den Zugang zur parlamentarischen Mediatisierung zu eröffnen. Zu diesem Zwecke schrieben sie auch die Bedeutung der politischen Parteien als wesentliche Mediatisierungsorganisationen in Art. 21 I GG fest. Darüber hinaus eröffneten sie den Bürgern mit Art. 9 GG die Begründung weiterer Interessen- und Mediatisierungsorganisationen. Die Verfassung sieht die unterschiedlichen Interessenpräferenzen der Abgeordneten und akzeptiert sie.136 Aus diesem Grunde verankert das Grundgesetz für die Zusammensetzung der Legislative eine Vielheit von Repräsentanten. Das Grundgesetz erkennt an, dass der einzelne Abgeordnete aus Kapazitäts- und Vorprägungsgründen gar nicht in der Lage sein kann, alle vertretenen Interessen aufzunehmen, zuzuordnen und zu mediatisieren. Daher ist auch die Frage entschieden, inwiefern der einzelne Abgeordnete das ganze Volk, den ganzen Souverän repräsentieren kann.137 Das Grundgesetz verneint die Möglichkeit und erwartet eine solche Gesamtrepräsentation des einzelnen Abgeordneten nicht.138 Daher kann nur die Gesamtheit der Abge135
Vgl. auch N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 163. Vgl. zur Kritik an einem Verständnis der Abgeordneten als „interessenlose Ordensbrüder“, die für BVerfGE 40, 296 ff., festgestellt wird U. Thaysen, ZParl 1976, 3 (12 ff.). Insbesondere wird auf die nachhaltigen Folgen eines solchen Verständnisses auch unter Hinzuziehen der historischen Parallele des Erzberger-Prozesses 1920 hingewiesen. 137 D. Pohl, ZParl 1995, 385 (386), benennt zwar auch den einzelnen Abgeordneten als „Vertreter des ganzen Volkes“, macht jedoch deutlich, dass die Staatsgewalt insbesondere vom gesamten Parlament ausgeübt wird, weshalb ein überparteilicher Status und somit eine Vertretung der Gesamtheit nicht möglich sei. Wohl aber bestehe eine Verantwortlichkeit gegenüber dem ganzen Volk. 138 Vgl. auch BVerfGE 44, 308 (315 f.); 56, 394 (405); 70, 324 (367); 84, 304 (321); s. a. H. Meyer, VVdStRL 33, 69 (93), der in der Vertretungsbefugnis darüber hinaus nur den Sinn sehen will, dass das gesamte Volk an die Entscheidungen des Parlaments gebunden ist; M. Morlok, FS BVerfG II, 559 (582); ders., in: Dreier, GG II, Art. 38 Rn. 123; S. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 45; H.-P. Schneider, AK-GG, Art. 38 (Stand 2002) Rn. 19; W. Schreiber, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 38 136
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ordneten das ganze Volk i. S. d. Art. 38 II GG vertreten,139 der einzelne Abgeordnete ist dazu weder in der Lage noch wird es von ihm erwartet. Ja, er soll durchaus auch die ihm am wichtigsten erscheinenden Interessen des Souveräns bzw. seiner Interessengruppen vertreten, da nur dann die Mediatisierung im Bundestag erfolgreich sein kann.140 Dieses Ergebnis wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass die Handlungen des Abgeordneten im Gegensatz zu Verwaltungshandlungen, aber auch Gerichtsentscheidungen unvertretbar sind.141 Ist ein Verwaltungsbeamter i. w. S. bei einer Handlung verhindert, sei es aus Abwesenheits- oder Befangenheitsgründen, so kann diese von einem anderen Beamten vorgenommen werden. Ist ein Richter dauerhaft verhindert, sei es aus Abwesenheits- oder Befangenheitsgründen, so wird ein anderer Richter zum gesetzlichen Richter. Einzig die Abstimmung des Abgeordneten ist völlig unvertretbar. Im Gegensatz zu Exekutive und Judikative, die an die aus dem „Gemeinwohl“-Verfahren hervorgegangenen Gesetze gebunden sind, ist der Abge(Stand 2000) Rn. 100. Der Abgeordnete vertritt das Volk nur zusammen mit allen seinen Kollegen. Nicht der einzelne Abgeordnete ist Träger der Repräsentation, sondern nur das Parlament in seiner Gesamtheit. Eine Wahlmonarchie, die dem Monarchen die Legislativgewalt gibt, wäre andernfalls sehr viel sinnvoller. A. A. aber W. Demmler, S. 84 ff.; E. V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (42); J.-D. Kühne, Die Abgeordnetenbestechung, S. 44; A. Köttgen, GS W. Jellinek, S. 195 (211); O. R. Kissel, FS Zeuner, S. 79 (81); H. H. Klein, FS Fromme, S. 112 (122); F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (920); D. Spoerhase, S. 29; G. P. Strunk, DVBl. 1977, 615 (616); D. Th. Tsatsos, S. 145 f.; W. Wiese, AöR 101 (1976), 548 (560 f.), bei denen allerdings meist eine gewisse Tendenz zu sehen ist, die Abgeordneten in ihrer Gesamtheit und damit den einzelnen wieder auf ein imaginäres, vorgegebenes Gemeinwohl verpflichten wollen. Kritisch hierzu: U. Scheuner, DÖV 1965, 577 (580). Unklar, aber wohl wie die letzteren: G. Roth, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 38 Rn. 103. Zur Kompensationsmöglichkeit einseitiger Interessenvertretung bei einem breiten Kreis von Entscheidenden s. a. R. Hofmann, ZfP 1978, 32 (53). Vgl. hierzu auch bereits J. Madison, The Federalist 10, 77 (82 f.). s. a. die Auslegung des Art. 21 WRV, die vielfach glaubte, nur durch die Individualrepräsentation das imperative Mandat abwenden zu können: F. Morstein Marx, AöR 50 (1926), 430 (434 f.); E. TatarinTarnheyden, HdbDStR I, S. 413 (414). 139 Vgl. auch W. Demmler, S. 92 ff.; St. Grüll, ZRP 1992, 371 (372); J. Isensee, in: Matz, Herausforderungen, S. 43 (47); J. Chr. v. Waldthausen, S. 148. 140 Vgl. W. Zeh, FS Morsey, S. 1009 (1025 f.). 141 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Chr. Knebel-Pfuhl, S. 142 f. s. a. G. Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 38 Rn. 59. Dem räumt allerdings N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (519), nur untergeordnete Bedeutung ein. Aus dem selben Grund ist auch ein Ausschluss des Abgeordneten bei Abstimmungen im Falle von Ordnungsverstößen wegen des Eingriffs in den Kernbereich des Abgeordnetenstatus abzulehnen, K. Abmeier, S. 240 f.; M. Brandt/D. Gosewinkel, ZRP 1986, 33 (37 f.). In diese Richtung für eine Begrenzung der Ausschlussmöglichkeiten auch in der Debatte W. Härth, ZRP 1984, 313 ff.
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ordnete in seiner Entscheidung daher frei in der Wahl der Interessen, denen er folgen möchte. Während die Verwaltungsträger und die Richter sich nur an das „Interesse“ der Gesetze halten dürfen, sind Abgeordnete in der Wahl der Interessen nur ihrem Gewissen und Art. 79 III GG unterworfen: Die Abgeordneten sind Interessenvertreter.142 b) Interessenvertretung als Bedingung von Repräsentation Die Stellung des Abgeordneten als Interessenvertreter ist Bedingung tatsächlicher Repräsentation. Wie dargelegt, ist es dem einzelnen Abgeordneten gar nicht möglich, sämtliche Interessen in persona aufzunehmen und zu mediatisieren. Unter der Geltung der Volkssouveränität im pluralistischen Staat ist dies – insbesondere vom Souverän selbst – gar nicht erwünscht. Die Bürger wählen die jeweiligen Parteilisten und Wahlkreisabgeordneten, weil sie damit rechnen, dass die jeweils Gewählten ihre, also der Bürger subjektive Interessen effektiver vertreten als die Alternativen. Wer sozialdemokratisch wählt, bringt dadurch ebenso gewisse Interessenpräferenzen zum Ausdruck wie derjenige, der christdemokratisch wählt. Wer als Taubenzüchter im Wahlkreis den ebenfalls im Taubenzüchterverband organisierten Kandidaten wählt, hegt die Erwartung, dass die Interessen der Taubenzüchter auch aus einem Eigeninteresse heraus vom gewählten Abgeordneten effektiver vertreten werden als von den Alternativkandidaten. Der in Einzelinteressenvertreter partikularisierte Souverän erwartet Interessenvertretung durch die Abgeordneten und hat es durch seine Wahlentscheidung auch in der Hand, die enttäuschte Erwartung zu bestrafen. Im Gegensatz zur Erwartungshaltung gegenüber Verwaltung und Gerichten, von denen wegen der dort bestehenden monistischen, i. e. vom Gesetz vorgegebenen Interessenlage Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit erwartet wird, erwartet man von Abgeordneten Parteilichkeit und Voreingenommenheit.143 Deswegen werden ja gerade Parteimitglieder gewählt. Die Bürger wollen Menschen mit ihren Vorurteilen und Präferenzen wählen und wissen, dass sie das tun.144 Es entspricht also gerade dem Gedanken der Repräsentation, die Abgeordneten als Interessenvertreter anzusehen. Die Bindung der 142
D. Pohl, ZParl 1995, 385 (386). Ähnlich wohl J. Chr. v. Waldthausen, S. 149, anders aber S. 168 Fn. 629: Das Parlament dürfe nicht zu einem Platz der Interessenvertreter werden. 143 Daher führt es auch schnell zum Ruf „Wahlbetrug!“, wenn sich die gewählten Abgeordneten nicht an die Regeln der Parteilichkeit halten. Vgl. auch H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (332). Anders aber E. V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (52), der Unvoreingenommenheit für notwendig hält – wenn er damit die Offenhaltung des Abgeordneten für alle Interessen meint, ist ihm zuzustimmen. Eine generelle Unvoreingenommenheit ist aber eben aus Repräsentationsgründen abzulehnen. Für Unvoreingenommenheit auch P. Krause, DÖV 1974, 325 (327).
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Abgeordneten an ein vorweggenommenes Gemeinwohl, das über die Grenzen des Art. 79 III GG hinaus geht, würde insofern Repräsentation gerade unmöglich machen. c) Interessenvertretung und Interessenkonflikt Wie aufgezeigt wurde, soll der Abgeordnete nach dem Grundgesetz, aber auch nach dem Willen des Souveräns Interessenvertreter sein, um Repräsentation im pluralistischen Staatswesen erst zu ermöglichen. Ein Interessenvertreter kann jedoch per se nicht einem Reglement von Befangenheit unterliegen, da Befangenheit stets auch Voraussetzung seiner Tätigkeit sein wird. Hieraus ergibt sich mithin auch der Grund, warum die Regeln der Befangenheit, wie oben nachgewiesen, auf die Tätigkeit des Abgeordneten ebenso wenig passen wollen wie die Struktur des Insichgeschäfts. Abgeordnete können schwerlich, wenn sie sich ein Interesse zu eigen machen, in einen „Interessenkonflikt“ geraten.145 Sie sollen vielmehr die an sie herangetragenen Interessen bewerten und in den Mediatisierungsprozess einspeisen. Aus diesem Grund ist es auch abzulehnen, dass sich einzelne Abgeordnete in Fällen, die sie konkret und individuell betreffen, der Stimme enthalten sollen.146 Ihr persönliches Interesse ist, wenn tatsächlich alle Interessen die Chance des Zugangs zur Legislative erhalten sollen, ebenso „wertvoll“ wie jedwedes andere. Denn – auch die Abgeordneten sind Teil des Souveräns, des Volkes. Es wäre gänzlich unangemessen, ihren Interessen und deren Vertretung den Zugang zum Parlament zu versagen.147 144 Vgl. auch H. Meyer, VVdStRL 33, 69 (93). Damit einher geht etwa auch die Schwierigkeit der Fassung von Normen, die die Annahme von Geschenken durch Abgeordnete nach § 108e StGB bzw. von Spenden durch Parteien nach § 25 II Nr. 7 PartG pönalisieren, da der Nachweis kaum zu erbringen ist, dass eine solche Schenkung im Hinblick auf eine bestimmte Stimmabgabe bzw. ein bestimmtes Handeln des Abgeordneten bzw. seiner Partei hin erfolgte. Insbesondere ist dies problematisch, wenn sich ein Abgeordneter bzw. eine Partei ohnehin schon immer für ein bestimmtes, für sie eventuell konstitutives Interesse eingesetzt hat und daraufhin von natürlichen oder juristischen Personen „belohnt“ werden. Vgl. zur Problematik St. Grüll, ZRP 1992, 371 f.; Chr. Knebel-Pfuhl, S. 106; J.-D. Kühne, passim; B. Schulze, JR 1973, 485 ff. 145 Vgl. H. Klatt, ZParl 1973, 407 (417). 146 Vgl. hierzu schon J. Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, S. 100. s. a. Chr. Knebel-Pfuhl, S. 173 ff.; F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (918 f.). 147 Vgl. H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (332); U. Thaysen, ZParl 1976, 3 (13 f.); W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1195 f.). Auch N. Achterberg, AöR 109 (1984), 505 (514), sieht in Abstimmungsverhalten nur im subjektiven Interesse keinen Verstoß gegen die Gewissensgebundenheit des Abgeordneten. A. A. H. H. v. Arnim, ZRP 1988, 83 (85 f.); H. Freund, S. 71 ff.; E. V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (42); ähnlich auch Chr. Knebel-Pfuhl, S. 169 f.; P. Krause, DÖV 1974,
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Dasselbe gilt dann natürlich auch für alle Interessen, die sämtlichen Abgeordneten gemein sind (sein mögen).148 Als Teil des Souveräns haben die Interessen der Abgeordneten ebenso Zugang zur Volksvertretung wie andere Interessen. Darüber hinaus ist es nicht ausgemacht, dass diese Interessen nicht mit Interessen außerhalb der Volksvertretung übereinstimmen können: Eine üppige Ausstattung politischer Parteien liegt jedenfalls auch im Interesse von nicht in Legislativen sitzenden Parteimitgliedern, mag darüber hinaus auch dem Nichtparteimitglied als sinnvoll erscheinen. Auch eine üppige Versorgung der Abgeordneten wird von vielen Bürgern mitgewollt sein. Folglich lässt sich in solchen Entscheidungen kein tatsächlicher Unterschied der Entscheidungsqualität zu anderen populären oder unpopulären Entscheidungen des Parlaments feststellen. Auch an einer familienrechtlichen Entscheidung werden fast alle Abgeordneten ein individuelles Interesse haben, was noch viel mehr für Entscheidungen im Einkommensteuerbereich gelten wird. Stets wird es gegenläufige Interessen beim Souverän und in der Volksvertretung geben. Ein Interessenkonflikt – ob real oder angenommen – ist bei einem aus Interessenvertretern zusammengesetzten Organ immer gegeben – er kann daher nicht dieselbe Bedeutung haben wie bei Gerichten und Verwaltungen, denen Interessenvertretung eben nicht zukommt.149 325 (328, 331). Auch J. Isensee, FS Fromme, S. 41 (44), meint, dass Herrschaft – gemeint ist die der Abgeordneten – „Hingabe an die allgemeine Sache und Verzicht auf eigene, besondere Interessen“ verlange. Die von F.-J. Peine, JZ 1985, 914 (918 f.), und J. Chr. v. Waldthausen, S. 145 ff., in diesem Zusammenhang vorgenommene Unterscheidung zwischen rein eigennütziger, gemeinwohlvereitelnder Interessenwahrnehmung und einer Wahrnehmung eigener Interessen, die das Gemeinwohl im Auge behält, die aber nicht justiziabel sei, vermag indes nicht zu überzeugen: Der politische Prozess in Partei, Fraktion und Parlament hält Sicherungen – Kontrollen – gegen die Durchsetzung derartiger Interessen vor. Mithin ist auch die rein eigennützige, „gemeinwohlverhindernde“ (was immer das sein soll, wenn man nicht von einem monistisch zu bestimmenden Gemeinwohl ausgeht) Entscheidung des Abgeordneten im Prozess zulässig. J. Chr. v. Waldthausen selbst hält sie wegen der Unmöglichkeit einer Motivationskontrolle ebenfalls für unmöglich. 148 Es steht z. B. durchaus nicht fest, dass alle Abgeordneten ein Interesse an einer üppigen Versorgung oder ausgeweiteten Parteinfinanzierung haben. Der begüterte Abgeordnete mag diese ablehnen, weil er seiner Position dadurch ein stärkeres Gewicht im Parlament, insbesondere aber auch in der Partei, vermittelt etwa durch eine Großspende, versprechen mag. Der Abgeordnete einer reichen Partei mag gerade, um die Chancen ärmerer Parteien zu begrenzen, gegen eine stattliche Förderung solcher Parteien eintreten etc. 149 Für eine Bedeutsamkeit von Interessenkonflikten aber H.-A. Roll, ZRP 1984, 9 (9). Zwar ist der Ansicht zu folgen, dass Abgeordnete, die sich einem bestimmten Interesse verpflichtet haben, dies vor den Augen der Öffentlichkeit tun sollen, eben um dem Bürger die Möglichkeit zu geben, selbst abzuschätzen, ob sein Interesse beim jeweiligen Abgeordneten überhaupt eine Chance hat bzw. der Bürger ihn ab-
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Eine Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdnützigkeit ist für das Parlament wegen der generell-abstrakten Qualität seiner Entscheidungen kaum zu erzielen. Darüber hinaus ist sie auch unangemessen, da die Abgeordneten Teil des Souveräns sind und ihre Interessen gleichermaßen Zugang zum Parlament haben müssen wie andere Interessen.150 d) Fazit: Fehlende Amtswaltereigenschaft des Abgeordneten Also kann festgehalten werden, dass der Abgeordnete zwar einem „Amtsprinzip“ unterworfen ist, der Bindung an das vorweggenommene „Gemeinwohl“ des Art. 79 III GG. Das für den Abgeordneten geltende „Amtsprinzip“ berechtigt und verpflichtet ihn jedoch, auch eigene Interessen in seinen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess aufzunehmen, der Teil des parlamentarischen Mediatisierungsprozesses ist. Man kann daher an der Begrifflichkeit der „Geltung des Amtsprinzips“ für den Abgeordneten festhalten. Wegen des grundsätzlich anderen Inhalts dieses Prinzips für die Abgeordneten in Relation zu Exekutive und Legislative erscheint es jedoch aus Klarheitsgründen geboten, den Begriff des Amtsprinzips für den Abgeordneten abzulehnen. Auch der Begriff des „Amtes“ des Abgeordneten scheint wegen der grundsätzlichen Unterschiede zwar möglich,151 sollte jedoch aus Klarstellungsgründen aufgegeben werden,152 die Nennung des „Amtes des Abgeordneten“ in Art. 48 II 1 GG sollte entweder als Redaktionsversehen angesehen werden,153 oder man sollte von einem „Amt im weiteren Sinne“ sprechen.154 Anstelle von „Amtsprinzip“ sollte von der Verfassungsbindung der Abgeordneten, an Stelle vom „Amt des Abgeordneten“ vom „Mandat des Abgeordneten“ die Rede sein.155
wählen soll, nichtsdestoweniger kann ein solcher Konflikt nicht zum Entzug der Abstimmungsbefugnis führen. 150 Über die Frage, inwiefern hier einem eventuell privilegierten Zugang der Interessen der Abgeordneten entgegenzuwirken ist, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Vielmehr geht es nur darum, ob Abgeordnete auch ihre eigenen Interessen wahrnehmen dürfen. Auf die Frage, inwiefern der privilegierte Zugang bestimmter Kontrollinstanzen bedarf, vgl. unten 4. Teil. 151 Vgl. ähnlich H.-H. Kasten, S. 98 f. 152 Ebenso N. Achterberg/M. Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 38 Rn. 72. 153 Vgl. hierzu M. Schröder, S. 284 f.; J. Chr. v. Waldthausen, S. 131. 154 Vgl. W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1196). 155 Anders aber J. Isensee, in: Matz, Herausforderungen, S. 43 (48), der trotz Anerkennung der fehlenden Determiniertheit der Abgeordneten den Begriff des Amtes für sachgerecht hält.
B. Verfassungsrechtliche Einwände
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6. Einwände des „Due-Process-Pluralismus“ Nun werden in den vergangen Jahren stets Einwände gegen die als Laissez-Faire-Pluralismus bezeichnete „Lehre vom pluralistischen Gleichgewicht“ vorgetragen. Insbesondere Hans Herbert von Arnim bringt in seiner Habilitationsschrift deutlich Vorbehalte gegen die „pluralistische Harmonielehre“ vor.156 Seine Kritik geht dabei vorrangig dahin, dass die Harmonielehre defizitär sei, weil sie nicht beachte, dass bestimmte, insbesondere allgemeine, Interessen gegenüber Einzelinteressen sehr viel schwieriger zu organisieren seien.157 Als Grund gibt er zunächst an, dass indirekte allgemeine Interessen wie Umweltschutz,158 niedrige Steuern und stabile Preise wegen der Kosten der dazu nötigen Informationsgewinnung für den Einzelnen weniger Vertretung durch den Einzelnen fänden als direkte Interessen, wie höheres Einkommen, Absicherung durch Staatsleistungen und das unkompliziertere Vorgehen bei individueller Umweltverschmutzung.159 Dies werde noch verstärkt dadurch, dass der Einzelne nicht bereit sei, auf diese Vorteile zu verzichten, wenn es die anderen nicht täten.160 Darüber hinaus sei die Einkommenssphäre attraktiver als die Ausgabensphäre, weil das Einkommen einen hohen Prestigewert aufweise.161 Auch seien allgemeine Interessen schwieriger zu organisieren als direkte, was sich an der nur sehr dünnen Organisation etwa des Bundes der Steuerzahler, der Verbraucherverbände und der Umweltschutzverbände zeige.162 Auch könnten bedürftige Randgruppen nur schwierig organisiert werden, u. a. wegen mangelnder Chancengleichheit von Organisationen – es gebe eine Art „upperclass-bias“.
156 H. H. v. Arnim, Staat ohne Diener, S. 275 ff.; ders., Gemeinwohl und Gruppeninteressen, passim, insb. S. 151 ff. m. w. N. Zustimmend H. Karehnke, DVBl. 1978, 225. Vgl. auch R. P. Wolff, in: Wolff/Moore/Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, S. 7 ff. (insb. 45 ff.). Zu Recht weist aber H. Kremendahl, S. 445, darauf hin, dass die deutsche Pluralismustheorie nie mit der Gleichgewichts- und Harmonieannahme operiert hat. Er macht vielmehr deutlich, dass Harmonie nicht einmal Ziel einer pluralistischen Theorie sein kann. 157 H. H. v. Arnim, ZRP 1995, 340 (342); ders., Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 151 ff.; Chr. Knebel-Pfuhl, S. 195. Vgl. auch U. Scheuner, DÖV 1965, 577 (580). 158 Vgl. auch R. Wassermann, Zuschauerdemokratie, S. 110; F. Chr. Starke, Krise, S. 132 f. 159 Vgl. etwa auch E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 26, 119 ff. 160 H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 153 ff. 161 H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 158 f. 162 H. H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 159 ff. Vgl. M. Olson, S. 53 ff.; I. Spiecker gen. Döhmann, S. 14.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
Gegen die Pluralismustheorie wird außerdem der non-decision-Ansatz vorgebracht,163 wonach es stark organisierte Gruppen in der Hand haben, Entscheidungen ganz zu verhindern. Diese Argumente sind nicht völlig von der Hand zu weisen, auch nicht für die hier behandelten Fragen der „Entscheidung in eigener Sache“. Jedoch können von Arnims Ausführungen sowie die der von ihm aufgeführten Kritiker des Pluralismus gerade unter dem Blickwinkel des staatsrechtlich verfassten Pluralismus nicht abschließend überzeugen. Gerade der – in von Arnims Ausführungen gegenüber den ihn besonders interessierenden Fragen der Steuerlast doch etwas stiefmütterlich behandelte – Umweltschutz hat in den Jahren seit seiner Habilitation durch das Aufkommen der Partei der Grünen, die seit 1983 stets im Bundestag vertreten war,164 eine sehr deutliche Interessenvertretung gefunden. Auch das wohl kaum zu bestreitende Anwachsen der Größe und des Einflusses von NGOs im Allgemeinen, aber insbesondere auch im Umweltbereich, spricht gegen von Arnims Annahme.165 Darüber hinaus vermag in einem Land, in dem insgesamt nur etwa zwei bis zweieinhalb Millionen Menschen in politischen Parteien – den klassischen Organisationen allgemeiner und indirekter Interessen – Mitglied sind, die von ihm genannte Zahl der Mitgliedschaft im Bund der Steuerzahler als sehr hoch zu überraschen.166 Dass die steuerlastbezogenen Interessen mit dem Bundesrechnungshof eine staatliche Kontrollinstitution gefunden haben, spricht ebenso wenig eine Sprache mangelnder Interessenvermittlung und zugrundeliegender -organisation wie die Einrichtung eines Verbraucherschutzministeriums bei der Bundesregierung. Gerade die von von Arnim genannten Beispiele zeigen im Ergebnis nur, dass die Organisation bestimmter allgemeiner Interessen länger dauern mag als bei anderen Interessen. Darüber hinaus sprechen von Arnims Ausführungen167 für eine bei ihm bestehende Interessenpräferenz und eine gewisse mangelnde Einsicht, dass 163 Vgl. etwa F. Hase, ZRP 1984, 86 (89); R. G. Heinze, in: v. Alemann, Neokorporatismus, S. 137 (142). 164 Ausnahme sind die Jahre von 1990 bis 1994, in denen allerdings die mit der ostdeutschen Bürgerbewegung vereinigte neue Partei Bündnis ’90/Die Grünen ebenfalls im Bundestag, wenngleich nur in Gruppenstärke, vertreten war. 165 Dies räumt sogar H. H. v. Arnim, ZRP 1995, 340 (342 Fn. 26) selbst ein. 166 Vgl. zur fehlenden Interessenidentität bei sämtlichen Steuerzahlern auch H. Freund, S. 21. Darüber hinaus gibt der Bund der Steuerzahler seine Mitgliederzahl nunmehr mit 400.000 an, was auch hier für ein deutliches Anwachsen spricht. Siehe zur Identität des Bundes der Steuerzahler als schlichter Interessenverband auch K. v. Beyme, S. 197. 167 Ähnlich wie H. H. v. Arnim argumentiert auch I. Spiecker gen. Döhmann, S. 14 ff.
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es sich bei diesen „allgemeinen Interessen“ eben auch nur um Interessen handelt, die im Wettstreit der Interessen grundsätzlich keinen höheren Rang einnehmen als die von ihm herausgegriffenen direkten Einzelinteressen.168 Er will den Umweg der vermeintlich missrepräsentierten indirekten Allgemeininteressen, das, was er – m. E. subjektiv169 – für das Gemeinwohl für unabdingbar bzw. für das Gemeinwohl selbst hält, privilegiert in den Gemeinwohlfindungsprozess einspeisen.170 Auch verkennt er die Rolle der politischen Parteien bei der Vermittlung von indirekten allgemeinen Interessen.171 Seiner Argumentation kann, ebenso wie den weiteren Kritikern des von ihnen so bezeichneten Laissez-Faire-Pluralismus, entgegen gehalten werden, dass sie im Ergebnis doch von einem gewissen, über Art. 79 III GG hinaus gehenden, vorweggenommenen „objektiven“ Gemeinwohl ausgehen.172 Nun gibt es, wie aufgezeigt, auch im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland den als „Gemeinwohl“ anzusehenden Rahmen des Art. 79 III GG. Dieser sieht auch eine Diskriminierung gegen außerhalb dieses Rahmens liegende Interessen vor, er kennt jedoch keine Privilegierung innerhalb dieses Rahmens liegender Interessen als besonders hervorragend. Dies mag man aus politischer, eventuell verfassungspolitischer Sicht kritisieren. Hier geht es jedoch um die Frage, inwiefern sich das Grundgesetz gegen die von den Abgeordneten des Parlaments vorgenommenen Interes168
Es stellt sich hier insbesondere auch die Frage nach der Feststellung solcher „allgemeiner Interessen“. Zwar mag ein solches Interesse – etwa an niedrigen Steuern – existieren. Wenn die Bürger dieses jedoch zugunsten anderer Interessen zurückstellen, mag dies politisch zu kritisieren sein: Es erscheint jedoch vermessen und unter demokratischen Vorzeichen bedenklich, wenn Juristen als einer Art doctores gentium oder praeceptores mundi meinen, den Bürgern die Verpflichtung auf bestimmte allgemeine Interessen, die die Bürger vernachlässigen, durch besondere Institutionen vorgeben zu müssen. Derartige Ansätze, wie sie auch bei Chr. KnebelPfuhl, S. 192 ff., aufscheinen, entsprechen exakt der von E. Fraenkel, Deutschland, S. 201; kritisierten „Interessenverbandsprüderie“ bzw. der von U. Thaysen, ZParl 1976, 3 (12 ff.), beschriebenen „Interessenprüderie“. 169 Ähnlich, wenn auch ohne Bezug auf H. H. v. Arnim, für jedwede Art der Vorzeichnung legitimer Entscheidungen P. Krause, DÖV 1974, 325 (326). Vgl. auch W. Zeh, FS Morsey, S. 1009 (1026). 170 St. Eisel, S. 163 ff., wendet sich gegen eine Ausweitung des „Unabstimmbaren“ über Art. 79 III GG hinaus, also letztlich eine Ausweitung des rechtlich als Gemeinwohl vorgegebenen, als pluralismusfeindlich, undemokratisch und eine friedliche Konfliktlösung erschwerend. Zur selben Lage bezüglich gegen die Mehrheitsregeln gerichteter Wahrheitsansprüche ders., S. 169 ff. 171 Deren besondere Relevanz als Vermittler von „Allgemeinwohl-orientierten Interessen“ bestreitet I. Spiecker gen. Döhmann, S. 14 ff. 172 Für die Ansicht, dass auf höherer Einsicht beruhende objektive Gemeinwohlerkenntnisse letztlich demokratiefeindlich sind, vgl. bereits C. J. Friedrich, S. 298 ff.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
senvertretungen, -zuordnungen, und -mediatisierungen richtet. Dies kann im Einzelfall der Fall sein, wenn verfassungsrechtliche Positionen verletzt werden, was dann durch die verfassungsrechtlich vorgesehenen Kontrollorgane sanktionierbar ist. Dabei gilt für einfachgesetzliche Regelungen der Maßstab des gesamten Grundgesetzes, für verfassungsändernde Gesetze der grundsätzliche Rahmen der parlamentarischen Interessenvertretung aus Art. 79 III GG. Den Abgeordneten deshalb ihre Stellung als Interessenvertreter abzuerkennen, schießt jedoch übers Ziel weit hinaus. Nun sind, aufgrund der Organisation des Parlaments durch Abgeordnete, deren Interessen zweifelsohne besonders intensiv in der Volksvertretung repräsentiert, jedoch sind sie dies nicht nur im Bereich der so genannten „Entscheidungen in eigener Sache“, sondern in allen Bereichen der Legislativtätigkeit, da die Abgeordneten den Letztzugriff auf die Interessenzuordnung und Mediatisierung haben. Eine Sonderrolle der vornehmlich173 Abgeordnete, Parteien, Fraktionen, das Parlament betreffenden Legislativentscheidungen wird dadurch nicht notwendig, soweit es um die Bindung der Abgeordneten an bestimmte Geimeinwohlgrundsätze geht.174 7. Systemtheoretische Grundlegung der Unterscheidbarkeit exekutivischer, judikativer sowie legislativer Entscheidungen Wie aufgezeigt, gelten für die Entscheidungsträger der verschiedenen staatlichen Gewalten verschiedene Maßstäbe. Kann man einerseits bei Entscheidungsträgern in Verwaltung und bei Gericht eine sehr viel engere Bindung an bestimmte rechtliche Maßstäbe aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem durch die Volkssouveränität vermittelten Amtsprinzip feststellen, gibt es eine solch enge Bindung für die Entscheidungsträger der Legislative nicht. Wird von Amtsträgern in Exekutive und Judikative Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit erwartet, so wird bei den Mandatsträgern der Legislative ein Mindestmaß an Parteilichkeit vorausgesetzt und erwartet und völlige Uneigennützigkeit fast immer schon durch die Allgemeinheit des Gesetzes ausgeschlossen sein. Andererseits kann wegen des Grundsatzes der Unbefangenheit eine Selbstschädigung von Amtsträgern stets ausgeschlossen werden, während vom Mandatsträger auch selbstschädigende Entscheidungen, etwa bei einer Steuererhöhung, die den Mandatsträger wie jedermann betrifft, oder im Familienrecht erwartet werden. 173
Bereits oben wurde auf die Problematik der Differenzierung zu sonstigen Entscheidungen hingewiesen. 174 Zur dennoch bestehenden, aber sich deutlich anders darstellenden Sonderrolle bestimmter dieser Entscheidungen vgl. aber unten II.3.
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Es stellt sich daher die Frage nach der theoretischen Grundlegung dieser Unterschiede in der verfassungsrechtlichen und ebenfalls gesellschaftlich verankerten Erwartungshaltung gegenüber verbindlichen Entscheidungen des Staates. a) Grundlage Nach der in Deutschland insbesondere von Niklas Luhmann vertretenen und weiterentwickelten Systemtheorie175 gliedert sich die Gesellschaft als Summe aller Kommunikationen in bestimmte Funktionssysteme auf, die arbeitsteilig, außen- und selbstreflexiv bestimmte gesellschaftliche Aufgaben erledigen bzw. auf die Gesellschaft ausgerichtet sind.176 Dem staatlichen System ist dabei die Aufgabe zugewachsen, verbindliche Entscheidungen zu erwirken. Dabei bedient sich jedoch wiederum das System Staat verschiedener Subsysteme zur Herstellung solcher verbindlicher Entscheidungen. Nach Luhmann bedienen sich die verschiedenen Systeme zur Reduktion von gesellschaftlicher Komplexität177 gewisser binärer Codes,178 anhand derer die unterschiedlichen Systeme unterscheidbar sind, sich aus der Gesellschaft bzw. dem jeweils übergeordneten System ausdifferenzieren. So folge etwa das ökonomische System dem Begriffspaar Eigentum/Nichteigentum179 bzw. Zahlung/Nichtzahlung,180 das politische System dem Begriffspaar Machtüberlegenheit/Machtunterlegenheit,181 das Rechtssystem dem Begriffspaar Recht/Unrecht.182 Die verschiedenen Systeme sind dabei nicht auf das staatliche System begrenzt, sondern wirken gesamtgesellschaftlich. Die Systeme stellen mithin bestimmte Formen von Kommunikation in der Gesellschaft dar. Der Staat als zur Herstellung verbindlicher Entscheidungen notwendiges System bedient sich dabei zur Herstellung dieser Entscheidungen bestimmter (Sub-)Systeme und institutionalisiert sie, indem er etwa die Judikative zur Herstellung verbindlicher Entscheidungen bei Auseinandersetzungen einrichtet, die Exekutive zur Herstellung verbindlicher Entscheidungen im 175
s. insb. N. Luhmann, Soziale Systeme. Vgl. P. Fuchs, S. 73 ff. 177 Für politisches und Rechtssystem vgl. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 147 f. 178 N. Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 84 f.; Die Kunst der Gesellschaft, S. 226; ders., Soziale Systeme, S. 197 f.; 602 f. s. a. P. Fuchs, S. 91. 179 N. Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 85 f., 188 f., 210 f. 180 N. Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, S. 224, 243 ff., 249, 346. 181 Vgl. N. Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, S. 88 ff. 182 Vgl. N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 215; G. Teubner, S. 128. 176
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Interesse des Systems Staat im Einzelfall, und die Legislative zur Herstellung für alle verbindlicher – also kollektiv bindender – Entscheidungen.183 Hier zeigt sich der erste, nicht unwesentliche Unterschied in den staatlich institutionalisierten Subsystemen: Obgleich die institutionalisierten Subsysteme sämtlich dem System Staat zuzuordnen sind, dienen Judikative und Exekutive der Herstellung verbindlicher Entscheidungen im Einzelfall, während die Legislative der Herstellung für alle verbindlicher Entscheidungen verpflichtet ist. Nach der Terminologie Luhmanns folgen die benannten Subsysteme auch unterschiedlichen Codes: Folgen die Kommunikationen in Exekutive184 und Judikative dem Begriffspaar Recht/Unrecht, unterliegen die Kommunikationen in der Legislative dem Begriffspaar Machtüberlegenheit/Machtunterlegenheit,185 der sich als Präferenzcode auch als Machtgewinn bzw. -erhalt/ Machtverlust darstellen lässt.186 Insoweit können Judikative und Exekutive zunächst als vom System Staat institutionalisierte Subsysteme des Rechtssystems gelten, während die Legislative institutionalisiertes Subsystem des politischen Systems ist. b) Systemtheoretische Unterscheidbarkeit (1) Implikationen für die systemischen Rahmenbedingungen Das staatliche System stellt durch die Institutionalisierung des Richteramtes bzw. des Amtes in der Verwaltung mit den Implikationen der Unabhängigkeit von direktlegitimatorischen Akten Judikative und Exekutive weitestgehend187 von der Kommunikation über Machtgewinn und Machtverlust, also – systemkonform – vom politischen System, das damit für das institutionalisierte Rechtssystem zur Umwelt wird, frei. Es bindet allerdings die innerhalb des institutionalisierten Rechtssystems zulässigen Kommunikationen an das subsystemintern präexistent gedachte Recht – mithin an das formelle Recht, das von der materiellen Gerechtigkeit zu unterscheiden ist.188 183 N. Luhmann, Ausdifferenzierung, S. 45, 171; ders., Das Recht der Gesellschaft, S. 421. 184 Vgl. aber N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 181, 183, der die Verwaltung als Teilsystem des politischen Systems ansieht. 185 N. Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, S. 88 ff. 186 Vgl. dazu auch N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 166 Fn. 16. 187 Eine Besonderheit gilt für demokratisch zu legitimierende Verwaltungsträger wie etwa die Mitglieder kommunaler Vertretungen oder direkt vom Parlament abhängiger Exektutivorgane wie der Regierung. 188 Siehe dazu schon M. Weber, Rechtssoziologie, insb. S. 217 ff., 275 ff. s. hierzu auch D. M. Trubek, Law & Society Review 1986, 573 (587 ff.).
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Anderes gilt jedoch für das staatlich institutionalisierte politische System. Die Kommunikation über Machtgewinn und Machtverlust wird im staatlichen System – jedenfalls in dem der Bundesrepublik – direktlegitimatorschen Akten unterworfen, den Wahlen. Machtgewinn bzw. -erhalt und Machtverlust hängen somit von der Akzeptanz der getroffenen, für Alle verbindlichen Entscheidungen ab. Kommunikation anhand des Codes Machterhalt/-verlust bedarf aber eines sehr viel weiteren Rahmens als die über Recht/Unrecht. Der staatlich institutionalisierte Code Machterhalt/-verlust kann daher auch umschrieben werden als Akzeptanz/Nichtakzeptanz. Wenn es jedoch um die Frage gesellschaftlicher Akzeptanz/Nichtakzeptanz getroffener, für alle verbindlicher Entscheidungen geht, so bedeutet dies, dass unter der Voraussetzung des direktlegitimatorischen Aktes gleichzeitig die Interessen möglichst vieler von der Entscheidung gewahrt sein müssen, wenn das Ziel Akzeptanz ist. Der politische Code lässt sich daher weiterverfolgen als Berücksichtigung/Nichtberücksichtigung von Interessen. Die Interessenberücksichtigung bzw. deren Fehlen wird dabei vom Bürger in der politischen Kommunikation wahrgenommen als materielle Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit. Somit bedingt aufgrund der Akzeptanznotwendigkeit für die Kommunikation Machtgewinn/Machtverlust die inhaltliche Kommunikation über materielle Gerechtigkeit/materielle Ungerechtigkeit. Das Begriffspaar Machterhalt/Machtverlust zeitigt daher notwendigerweise die Kommunikation „gerecht/ungerecht“ im staatlich institutionalisierten politischen System. Wiederum zeigt sich hier ein deutlicher Unterschied zum Rechtssystem: Diesem ist das Begriffspaar formell rechtmäßig/formell unrechtmäßig zugeordnet, dem politischen System das Begriffspaar materiell gerecht/materiell ungerecht. Während also das staatlich institutionalisierte Rechtssystem weitgehend von Akzeptanzfragen freigestellt ist, deshalb aber an einen engen Rahmen zulässiger Kommunikationen gebunden ist, wird das staatlich institutionalisierte politische System an Akzeptanz gebunden, erhält aber einen sehr viel großzügigeren Kommunikationsbereich. Dabei sind beide Systeme, obgleich selbstreflexiv,189 als Subsysteme des Systems Staat aufeinander bezogen. So gibt das institutionalisierte politische System durch seine für Alle verbindlichen Entscheidungen den Rahmen Recht/Unrecht des institutionalisierten Rechtssystems vor, während dieses die Grenzen zulässiger Kommunikationen und insbesondere Kommunikationsformen im institutionalisierten politischen System mit der Verfassung vorgibt und überwacht. Das institutionalisierte Rechtssystem wirkt folglich aufgrund des wiederum vom politischen System geschaffenen Akzeptanzrahmens auf das politische System ein.190 189
s. nur N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 51 ff.; G. Teubner, passim.
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In der Bundesrepublik hat das institutionalisierte politische System mit Art. 79 III GG einen letzten Akzeptanzrahmen geschaffen, mit dem es sich selbst die Möglichkeit bestimmter Kommunikationen und dem gesamten politischen System bestimmte Kommunikationsformen entzieht. (2) Unterscheidung programmierendes/programmiertes System Wie aufgezeigt, sind die im institutionalisierten politischen System zulässigen Kommunikationen sehr viel weniger bestimmt als die des institutionalisierten Rechtssystems.191 Insofern kann als wesentlicher Unterschied zwischen institutionalisiertem Rechtssystem und institutionalisiertem politischen System festgehalten werden, dass ersteres gegenüber letzterem ein programmiertes System darstellt, letzteres gegenüber ersterem ein programmierendes System.192 Denn auch der letzte Kommunikationsrahmen des programmierenden Systems Politik wird dem Rechtssystem – wenngleich für’s programmierende System selbst unantastbar – vom programmierenden System vorgegeben. In ein programmierendes System müssen jedoch viel weitreichendere Informationen einfließen als ins programmierte System.193 Dies belegt wiederum einen wesentlichen Unterschied für die Entscheidungsfindung in den verschiedenen Systemen.194 Rechts- und Politisches System müssen daher unterschiedlicher Systemadäquanz folgen. Während das programmierte System anhand der Programmierungen kommunizieren darf und deshalb dem Rechtsstaatsprinzip, also den Gesetzen unterworfen ist,195 gilt für das programmierende, Akzeptanzkriterien verinnerlichende System, dass alle innerhalb des Sys190
s. dazu sogleich. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 180, spricht von Gesetzesentscheidungen als von „unprogrammierten Entscheidungen“. 192 N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 139 f., 180 f.; vgl. a. H. Steiger, Studium Generale 23 (1970), 710 (727); R. Zippelius, FS Larenz, S. 293 (302). Zur Durchbrechung des Grundsatzes beim Bundesverfassungsgericht D. Grimm, JZ 1976, 697 (700). Zu Recht weist N. Luhmann, Ausdifferenzierung, S. 155 ff., insb. 166 ff., darauf hin, dass ein Verständnis des Rechtssystems als rein programmiertes System zu einer entdifferenzierenden Sichtweise führt, die insbesondere unter dem Verständnis des Staates als Rechtsstaat üblich ist. Nichtsdestoweniger geht auch er, S. 167 f., davon aus, dass das politische System dem Rechtssystem Asymmetrisierungen liefert, nämlich Prämissen des Entscheidens in der Form positiv gesetzten Rechts. Dies ist mit der hier so genannten Programmierung zu identifizieren. 193 Siehe zum unterschiedlichen Determinierungsgrad politischer Positionen und diesen untergeordneter Positionen M. Morlok, DVBl. 1979, 837 (842). 194 Vgl. hierzu auch J. R. Allison, 32 Am. Bus. L. J. (1995), 481 (504 ff.). 195 Zur Bedeutsamkeit der Unabhängigkeit des Richters für die Ausdifferenzierung des Rechtssystems N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 64 f. 191
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temrahmens existierenden Interessen kommuniziert werden können und sollen. Das programmierende System ist wegen des Akzeptanzkriteriums gerade darauf geeicht, Interessen zu verarbeiten. Da das programmierende System, das Parlament, auf Interessenwahrnehmung geeicht ist, müssen seine Träger, die Abgeordneten, Interessenvermittler und als Träger von Interessen auch Interessenvertreter sein. (3) Unterschiedliche Entscheidungsprozesse Aus diesen systemischen Unterschieden ergeben sich auch wesentliche Unterschiede für den idealtypisch gedachten Entscheidungsprozess in politischem und Rechtssystem: Dem Rechtssystem entspricht wegen seiner Bindung ans vorgegebene Programm ein monistischer Entscheidungsprozess anhand des Programms, dem politischen System aufgrund des Akzeptanzstrebens ein pluralistischer Prozess. Dies zeigt sich in der konkreten Struktur der jeweiligen Systeme dann idealtypisch in der Alleinentscheidung des Richters bzw. des zuständigen Verwaltungsträgers196 und der großen Menge197 von Entscheidungsträgern im politischen System. Ein System, das eine letztlich qualitativ und quantitativ unbestimmte Menge von Kommunikationen, konkret Interessen, verarbeiten soll, bedarf einer wesentlich größeren Menge kommunizierender Systeme als ein System, in dem die Menge zulässiger Kommunikation begrenzt ist, wie etwa im Rechtssystem durch das festgeschriebene Recht. Wenn die Kommunikation im politischen System aber interessenorientiert ist, so muss die Kommunikation von Systemen, die wiederum Interessen kommunizieren, getragen werden. Ein solches „System“198 stellt der Abgeordnete dar. Da der Abgeordnete zugleich zu den Interessenträgern gehört, hat er innerhalb des legislativen Subsystems des Staates, weil bei ihm, als interes196 Selbstverständlich sind heute viele Gerichte nicht mit einem Einzelrichter besetzt. Auch existieren in der Exekutive entscheidende Kollegialorgane. Im Verwaltungsbereich geht es dabei aber fast ausschließlich um Fälle, in denen eben auch wieder verschiedene Interessen, etwa im Planfeststellungsverfahren oder der Bauleitplanung, zum Ausgleich gebracht werden sollen. Im gerichtlichen Bereich hingegen ist die Besetzung von Richterbänken mit mehr als einem Richter zwar an sich systemfremd, jedoch wird durch die Besetzung mit einer Vielzahl von Richtern die Kommunikation ausgeweitet, was die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit erhöhen kann. Dabei spielen neben unterschiedlicher sozialer Herkunft insbesondere die unterschiedlichen Generationenerfahrungen eine wesentliche Rolle. Dadurch gehen verschiedene programmierte Rechts-Interessen, insbesondere bei unbestimmteren Normen wie dem Grundgesetz, in der Kommunikation auf. Hieraus jedoch einen pluralistischen Prozess konstruieren zu wollen, ginge zu weit. 197 Vgl. in diesem Sinne auch J. Madison, The Federalist 10, 77 (82 f.). s. hierzu auch D. F. Epstein, The Political Theory of the Federalist, S. 99 ff.
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senkommunizierendes System199 „Bürger“200, ebenfalls die Kommunikation anhand des Codes akzeptabel/nicht akzeptabel vor sich geht, gleiche Kommunikationsteilhabe wie die anderen psychischen Systeme. Dem entspricht es, dass auch seine Interessen im politischen System, insbesondere auch im staatlichen Subsystem der Legislative, im pluralistischen Prozess kommuniziert werden. (4) Unterschiedliche Herrschaftsprinzipien Eine weitere damit zusammenhängende Unterscheidung machen die den verschiedenen Gewalten, i. e. staatlichen Subsystemen, zugrundeliegenden Herrschaftsprinzipien aus. Der Exekutive entspricht – schon herkunftsgeschichtlich – auch in der parlamentarischen Demokratie grundsätzlich das monarchische (bzw. hierarchische) Prinzip. Zwar ist in der parlamentarischen Demokratie auch die Exekutive durch das Parlament, also den legislativen Zweig, legitimiert und zu legitimieren. Nichtsdestoweniger ist der hierarchische Aufbau der Exekutive,201 in dem Legitimation stets durch die Verwaltungsspitze vermittelt wird, dem monarchischen Prinzip zugeordnet. Dem entspricht im deutschen Verfassungsrecht die Legitimation nur der Exekutivspitze, des Bundeskanzlers, durch das Parlament nach Art. 63 I GG ebenso wie die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nach Art. 65 S. 1 GG. Zugleich fehlt es an direktem Einfluss des Souveräns auf die Zusammensetzung der Exekutive. Demgegenüber entspricht die Judikative mit ihrem Fehlen eines tatsächlichen hierarchischen Systems (wenngleich hier durch den Instanzenzug eine gewisse Hierarchisierung gegeben ist)202 am ehesten dem aristokratischen Prinzip: Über die Zusammensetzung der Judikative entscheidet z. T. wiederum das Parlament, z. T. die Exekutive, jedoch ist sie, einmal konstituiert, von deren Vertrauen weitgehend unabhängig gestellt.203 Für die Zusammensetzung ist jedoch eine besondere Qualifikation ausschlaggebend, 198 Da der Abgeordnete eine „Rolle“ der Interessenmediatisierung übernimmt, ist für diese Rolle die Luhmann’sche Begrifflichkeit des „psychischen Systems“ für das Individuum zunächst nicht vonnöten. 199 Hier ist jetzt das interessenkommunizierende System „Bürger“ als abgesondert vom „System Abgeordneter“ zu begreifen. 200 Der Begriff des „Bürgers“ kann also im politischen Gesamtsystem als Interessen anhand des Codes akzeptabel/nicht akzeptabel kommunizierendes System verstanden werden. 201 Vgl. hierzu N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 152, 197 f., der gerade auch in der Ablösung der Hierarchie als statischer Primärstruktur des politischen Systems dessen Ausdifferenzierung verortet. 202 Vgl. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 197 f. 203 Der Fall der Richteranklage kann hier vernachlässigt werden.
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insoweit ist es nicht unrichtig, im Rahmen des Rechtssystems für die Richter den Begriff der ÷ristoû zu verwenden. Die Legislative hingegen folgt dem demokratischen Prinzip: Die Mitglieder der Volksvertretung sind direkt legitimiert. Sämtliche ihrer Mitglieder genießen formale Gleichheit i. S. d. Art. 38 I 2 GG. Es fehlt an einer tatsächlichen und durchsetzbaren hierarchischen Struktur des Parlaments. Ebenso wenig sind besondere Qualifikationen für die Parlamentsmitglieder vonnöten. Die Mitglieder der Legislative sind mithin abhängig von der direkten Legitimation. Sie sind durch das Grundgesetz, insbesondere aber Art. 79 III GG, eingebettet in einen Rahmen dessen, was als grundsätzlich akzeptabel gelten kann. Ansonsten sind sie vom Souverän abhängig. Der Schwerpunkt ihrer Legitimation liegt somit in formaler Legitimation, da die Vorgaben des Grundgesetzes sehr weit sind, mithin eine materielle Rückbindung nur sehr schwach ausgeprägt ist. Die vom Parlament und der Exekutive nach dem Legitimationsakt unabhängige Richterschaft verfügt demgegenüber über ein deutliches Minus an formaler Legitimation: Einerseits ist die Legitimation eine indirekte, darüber hinaus bedarf sie wegen der richterlichen Unabhängigkeit nicht der Wiederholung bzw. Bestätigung, wie dies bei der Legislative der Fall ist. Um die Entscheidungen der Judikative dennoch legitimatorisch an den Souverän zurückzubinden, bedarf die Judikative materieller Legitimation: der Bindung durch die vom direkt legitimierten Parlament erlassenen Gesetze. Nichts anderes gilt von der Exekutive: Obgleich ihre Spitze periodischer (Re-)Legitimation durch das direkt legitimierte Parlament bedarf, ist die Legitimation der Exekutive stets nur eine indirekte. Wegen ihrer größeren Nähe zur direkt legitimierten Legislative und ihrer Abhängigkeit von dieser werden der Exekutive – im Vergleich zu den Gerichten – auch mehr Spielräume, etwa im Rahmen behördlichen Ermessens eingeräumt. Nichtsdestoweniger ist mit Ausnahme der Exekutivspitze eine formale Legitimation durch das Parlament nicht gegeben, auch die einzelnen Mitglieder der Verwaltung hängen nicht unmittelbar vom Parlament ab und bedürfen nicht dessen regelmäßiger Bestätigung. Somit besteht auch hier gegenüber dem Parlament ein Mangel an formaler Legitimation, der wiederum durch eine Bindung an die Entscheidungen der Legislative als Plus an materieller Legitimation auszugleichen ist. Die Bindung an das Rechtsstaatsprinzip mittelt somit den anderen Gewalten materiell die Legitimation, die die Legislative durch Wahlakt formal erhalten hat.
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(5) Unterschiedliche Systeme – Unterschiedliche Systemadäquanz Als Ergebnis dieser Diskussion lassen sich damit wesentliche Systemunterschiede zwischen den dem Rechtssystem angehörenden Gewalten der Exekutive und der Judikative und der dem politischen System zugehörigen Legislative feststellen. Während in den dem Rechtssystem zugeordneten Gewalten daher Kommunikationen nur anhand der vorgegebenen Parameter der Gesetze – selbstverständlich auch derer mit Verfassungsrang – zulässig und persönliche Interessen im System somit auszuschließen sind, ist die dem politischen System zugeordnete Legislative der Ort der Kommunikation gerade über Interessen. Die den Abgeordneten eigenen Interessen sind dabei in diesem Kommunikationsprozess grundsätzlich gleichrangig anderen Interessen und somit der Kommunikation in der Legislative zugänglich, soweit sie nicht den vorgegebenen weiten Rahmen von Art. 79 III GG überschreiten. Bei den einfachgesetzlichen Regelungen ist allerdings der engere Rahmen des gesamten Grundgesetzes bei der Kommunikation zu achten. Daher lässt sich für Exekutive und Judikative eine unterschiedliche Systemadäquanz im Vergleich zur Legislative feststellen. Exekutive und Judikative schließen Eigeninteressen aus, die Legislative lässt sie gerade zu. (6) „Richtigkeitsgewähr“ in den unterschiedlichen Systemen Entscheidungen von Exekutive und Judikative als programmierte Systeme erhalten die Vermutung ihrer Richtigkeit, ihrer Legitimität aus der materiell vermittelten Legitimation, ergo Legalität. Die Legislative verfügt nicht über ein derart verbreitertes Ausmaß materieller Legitimation, dafür über ein gesteigertes Maß formaler Legitimation. Sie verfügt mithin über weniger Anhaltspunkte von Richtigkeit. Die materielle Legitimation ergibt sich hier also aus der Mediatisierung möglichst vieler gleichgerichteter und widerstreitender Interessen, deren Wahrnehmung von Seiten der Abgeordneten durch die Notwendigkeit formaler Legitimation zumindest begünstigt, wenn nicht erzwungen wird. Sie wird dabei erleichtert und erst ermöglicht durch die große Anzahl derjenigen, die an der Kommunikation beteiligt werden. Erst die große Anzahl gleichgerichteter und widerstreitender Interessen und deren Wahrnehmung durch eine große Anzahl von Repräsentanten führt hier zur Legitimität, zur „Richtigkeitsgewähr“.204 204 Gegen den Begriff der Richtigkeit für Parlamentsentscheidungen zu Recht H. Freund, S. 21 f.; Chr. Gusy, AöR 106 (1981), 329 (341). J. R. Allison, 32 Am. Bus. L. J. (1995), 481 (506 ff.) macht deutlich, dass die Bedeutung von „process values“, insbesondere die des „unbiased decision-makers“ zurückgeht, je mehr eine Entscheidung dem legislativen Bereich zuzuordnen ist.
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8. Ergebnis Als Ergebnis lässt sich mithin feststellen, dass sich für die Abgeordneten keine dem Amtsprinzip in Judikative und Exekutive entsprechende Bindung an materielle Vorgaben findet, dass der Abgeordnete vielmehr mit der Wahrnehmung und Mediatisierung von Interessen betraut ist, zu denen auch Eigeninteressen zu Recht gehören dürfen. Insofern ist es unrichtig, das „Amt“ des Abgeordneten staatlichen Ämtern der anderen Gewalten gleichzustellen. Sinnvoll wäre es daher, erst gar nicht vom Amt des Abgeordneten zu sprechen. Das Rechtsstaatsprinzip und die Volkssouveränität als Grundlagen des Amtsprinzips stehen für die Legislative folglich nicht gegen die Vertretung von Interessen. Während das Rechtsstaatsprinzip für Abgeordnete keine Anwendung finden kann, streitet die Volkssouveränität gerade für die Wahrnehmung von Interessen, auch eigener Interessen der Abgeordneten, denen ansonsten als einziger Bevölkerungsgruppe kein Zugang zum Interessenprozess in der Legislative zu Teil würde. Abgeordnete entscheiden unter dem Amtsprinzip zu Recht „in eigener Sache“.
II. Verstoß gegen den Kontrollgrundsatz des Grundgesetzes Möglicherweise liegt jedoch in der Struktur der so genannten „Entscheidungen in eigener Sache“ ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass unter der Geltung des Grundgesetzes jede verbindliche Entscheidung des Staates eines bestimmten Ausmaßes an Kontrolle bedarf.205 Eine insbesondere auf Karl Loewenstein206, Georg Brunner207, Ulrich Scheuner208, Karl-Ulrich Meyn209 und Walter Krebs210 zurückgehende Lehre sieht in der Verfassung der Bundesrepublik diesen Grundsatz – wenngleich unter verschiedener Herangehensweise und in verschiedenen Nuancen – verankert. Danach ist das optimale Rechtssetzungsverfahren in der Demokratie ein „procedere, dessen Einhaltung überschau- und kontrollierbar ist.“211 205
K.-U. Meyn, passim, spricht insoweit von „Kontrolle als Verfassungsprinzip“. Vgl. K. Loewenstein, Verfassungslehre, 3. Aufl. 1975 (unv. Nachdruck d. 2. Aufl. 1969). 207 Vgl. G. Brunner, Kontrolle in Deutschland, 1972. 208 Vgl. U. Scheuner, Die Kontrolle der Staatsmacht im demokratischen Staat, 1977; ders., Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Festschrift für Gebhard Müller, 1970, S. 379 ff. 209 Vgl. K.-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982. 210 Vgl. W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984. Dieser macht jedoch insbesondere deutlich, dass Kontrolle bereits notwendiger Bestandteil jedweden rationalen Entscheidungsprozesses ist, ebd., S. 34. 206
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1. Herleitung und Inhalt des Kontrollgrundsatzes des Grundgesetzes Für die Herleitung des Grundsatzes der Kontrolle und seine daraus abzuleitenden Inhalte sind zunächst verfassungsrechtliche Gesichtspunkte anzubringen. Neben dieser eher „klassischen“ Herleitung aus dem Verfassungsrecht soll im Weiteren auch noch auf die verfassungstheoretischen Erwägungen der Neuen Institutionenökonomie, die sich diesbezüglich hauptsächlich auf die Prinzipal-Agenten-Theorie stützt, eingegangen werden. a) Verfassungsrechtliche Erwägungen Unter Kontrolle versteht sich zunächst grundsätzlich der Abgleich eines Ist- mit einem Sollzustand.212 Verantwortung und Kontrolle bilden aber Grundelemente einer demokratischen Verfassungsordnung.213 Mit diesem Satz Ulrich Scheuners werden bereits wesentliche Grundlagen der Verankerung von Kontrolle im Verfassungsrecht der Bundesrepublik deutlich. Die Notwendigkeit von Kontrolle ergibt sich einerseits bereits aus der Verfasstheit von Staat selbst, also der Bindung an seine verfassungsrechtlichen Grundlagen, wie sie etwa in Art. 20 III GG deutlich zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus liegt in jedem, eine Entscheidung vorbereiteten Entscheidungsvorgang, bereits ein Akt der Kontrolle.214 Kontrolle dient dabei der Minimalisierung des dezisionistischen Entscheidungselements und somit der Rationalisierung des gesamten Entscheidungsprozesses.215 Insofern ist es richtig, wenn gesagt wird, dass Kontrolle der Begrenzung staatlicher Macht dient.216 Darüber hinaus leitet sich die verfassungsrechtliche Notwendigkeit von Kontrolle vom demokratischen Grundsatz her, aufgrund dessen Macht immer nur auf Zeit vergeben wird. Dies macht auch deutlich, dass Machtausübung stets auf die Wahlentscheidung durch den Souverän zurückgebunden ist.217 211 H.-J. Mengel, ZRP 1984, 153 (155). Vgl. auch H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (336 f.). 212 P. Kirchhof, HStR III2, § 59 Rn. 188; W. Krebs, S. 17, insb. Fn. 83 m. w. N. insbesondere im Rahmen der Verwaltungswissenschaft. 213 U. Scheuner, Kontrolle, S. 22; ders., FS Müller, S. 379 (384). 214 W. Krebs, S. 31 ff. 215 W. Krebs, S. 36 f. 216 Vgl. U. Scheuner, Kontrolle, S. 8, 15. 217 Das von ihm so genannte Kontrollprinzip des Grundgesetzes hat insbesondere K.-U. Meyn im Demokratieprinzip verankert, sieht er die Kontrolle doch als Ersatz
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Hier werden aber auch die zwei grundlegenden Zielrichtungen von Kontrollen staatlichen Handelns deutlich: Einerseits bedarf es der rechtlichen Kontrolle, also ob das Verfahren staatlichen Entscheidens und der Inhalt staatlicher Entscheidungen, der Ist-Zustand, mit der Verfassungsgemäßheit, dem Soll-Zustand, übereinstimmen. Dies ist daher rechtliche Kontrolle.218 Darüber hinaus bedarf es wegen der bestehenden Rückbindung an den Souverän auch der politischen Kontrolle.219 Sie ist der Abgleich der getroffenen staatlichen Entscheidungen (Ist-Zustand) mit den vom Souverän, den Bürgern, gewünschten Entscheidungen (Soll-Zustand).220 Diese geschieht grundsätzlich zunächst durch den Wahlakt. Kontrolle wurde in der Vergangenheit, insbesondere aus der Idee des Konstitutionalismus heraus, meist als Kontrolle der Regierung durch das Parlament verstanden,221 jedoch griffe ein solches Verständnis, wie bereits aus den ausgeführten Grundsätzen deutlich wird, zu kurz. Auch die Machtausübung durch das Parlament bedarf der Kontrolle, sollen nicht die Ziele von Verfasstheit von Staat und Volkssouveränität verfehlt werden.222 Die Funktion der politischen Kontrolle liegt dabei im Geltendmachen und im Erzwingen politischer Verantwortlichkeit.223 Politische Kontrolle ist in der Bundsrepublik jedoch schon formal nicht nur an den Wahlakt gebunden – durch das sich in der Mitwirkungsmöglichkeit des Bundesrats manifestierende Bundesstaatsprinzip besteht eine weitere Institution politischer Kontrolle gegenüber dem Parlament.224 Insgesamt kann das verfassungsrechtlich verankerte Kontrollprinzip also aus der Volkssouveränität des Art. 20 II GG und dem ihr folgenden Demokratieprinzip des Art. 20 I GG, dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 I GG und der Verfassungsbindung aus Art. 20 III GG abgeleitet werden. Der Inhalt dieses Kontrollgrundsatzes ergibt sich freilich aus seiner verfassungsrechtlichen Herleitung: Jede staatliche Machtausübung hat sich der Kontrolle zu unterwerfen, es darf unter dem Grundgesetz keine kontrollfreien Räume staatlicher Macht geben, da diese Macht stets an Souverän und Grundgesetz rückgebunden ist.225 für das „utopische Ideal der Selbstentscheidung“ durch die Bürger und schreibt ihr demokratiesurrogierende Funktion zu (vgl. ebd., S. 201). 218 Vgl. etwa U. Scheuner, Kontrolle, S. 26. 219 K. Loewenstein, Verfassungslehre, S. 31 f.; P. Kirchhof, HStR III2, § 59 Rn. 191. s. bereits H. Gmelin, AöR 58 (1930), 270 (282). 220 Vgl. U. Scheuner, Kontrolle, S. 26. 221 Vgl. hierzu W. Krebs, S. 120 ff.; U. Scheuner, Kontrolle, S. 26 f. 222 Vgl. U. Scheuner, Kontrolle, S. 27. 223 Dies entspricht insoweit dem Ansatz U. Scheuners, FS Müller, S. 379 ff. 224 K. Loewenstein, S. 295 ff., insb. 319.
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b) Grundlegungen der Neuen Institutionenökonomik Neben den verfassungsrechtlichen Erwägungen können auch die verfassungstheoretischen Anmerkungen der Neuen Institutionenökonomik,226 die z. T. auch als Neue Organisationsökonomik227 bezeichnet wird, für das zugrundeliegende Problem fruchtbar gemacht werden. Sie begreift den Staat als ein auf selbstdurchsetzenden, stillschweigenden oder ausdrücklichen Vereinbarungen228 beruhendes System.229 Dabei wird die Selbstdurchsetzung anhand konkreter Organisationsstrukturen beschrieben. Das repräsentativ-demokratische System wird verstanden als marktähnlich: Einerseits tauschen Volksvertreter mit Staatsangehörigen Versprechen gegen Wählerstimmen, andererseits besteht ein Konkurrenzkampf um politische Ämter, der analog der Konkurrenz des Wirtschaftslebens als Wettbewerb230 zwischen Politikern und Parteien an der Wahlurne gedeutet wird.231 Entsprechend wenden die Vertreter der Neuen Institutionenökonomik die von ihnen für den ökonomischen Bereich entwickelte Theorie vom Prinzipal-Agenten-Vertrag auch auf das politische System des demokratischen, repräsentativen Rechtsstaates an. Die Staatsangehörigen als Prinzipale werden verstanden als ursprüngliche „Eigentümer“ der höchsten Autorität, der Souveränität. Durch den Wahlakt beauftragen sie ihre Repräsentanten, als ihre Agenten die Souveränität, also die staatliche Macht auszuüben, wodurch diese in der Lage sind, den Prinzipalen Anweisungen zu erteilen.232 Die Annahme eines solchen Prinzipal-Agenten-Vertrages zieht jedoch eine Reihe von Folgeproblemen nach sich. Mit der Annahme eines ökonomischen Modells des Staates geht einher, dass die Agenten, ebenso wie die Prinzipale, als Maximanden verstanden und folglich versuchen werden, ihren individuellen Nutzen zu maximieren, also auch der Politiker seine eigenen Interessen in den Grenzen verfolgt, die ihm von der Struktur der Or225 Insoweit ist nicht nachvollziehbar, wie H. H. v. Arnim, ZRP 1995, 340 (343), es als „Verkehrung“ bezeichnen kann, dass das Parlament selbst der Kontrolle bedarf. Bedürfte es keiner Kontrolle, wären etwa die bereits vom Grundgesetz vorgesehenen Verfahren der abstrakten und konkreten Normenkontrollen durch das Bundesverfassungsgericht schlicht überflüssig. 226 Vgl. zur Verwendung des Begriffs für das staatliche System R. Richter/E. Furubotn, S. 453 ff. 227 T. M. Moe, American Journal of Political Science 28 (1993), S. 739 ff. 228 Hier besteht eine deutliche Parallele zur Lehre vom Gesellschaftsvertrag, wie sie sich bei Hobbes und Rousseau findet. 229 R. Richter/E. Furubotn, S. 301, 453. 230 Vgl. hierzu auch M. Morlok, FS Tsatsos, S. 408 ff. 231 R. Richter/E. Furubotn, S. 454. 232 R. Richter/E. Furubotn, S. 457.
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ganisation, in der er handelt, gesetzt sind.233 Im Gegensatz zur (neo-)klassischen ökonomischen Theorie gehen allerdings die Vertreter der Neuen Institutionenökonomik davon aus, dass die Vertragsparteien dabei keiner vollkommenen individuellen Rationalität folgen, sondern die Präferenzen der Individuen unvollständig und über die Zeit veränderlich sind.234 Als Gründe hierfür werden etwa die zu hohen Kosten permanenter Wissensanreicherung bzw. deren Unmöglichkeit bezüglich in der Zukunft liegender Informationen genannt. Dadurch wird die Abfassung vollständiger Verträge unmöglich – mithin auch die vollständigen Steuerung der Abgeordneten als Agenten durch die Bürger als Prinzipale mit Hilfe der zugrundeliegenden Vereinbarungen, insbesondere auch der als formale Institution begriffenen Verfassung.235 Dabei kann aber wegen der nur eingeschränkten – unvollkommen individuellen – Rationalität ein Zustand asymmetrischer Informationen zwischen Prinzipal und Agent be- oder entstehen.236 Darüber hinaus besteht ohnehin keine Gewissheit über die Zukunft. Dies ermöglicht es Individuen, sich „opportunistisch“ zu verhalten, macht also eine Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List möglich. Die vorherige Unterscheidung zwischen opportunistischen Akteuren und solchen, die es nicht sind, ist aber immens kostspielig.237 Insofern ist also gerade bei Entscheidungen, an denen die Agenten ein Interesse haben, die Gefahr solchen opportunistischen Verhaltens gegeben. Da – wie aufgezeigt – fast sämtliche Entscheidungen der Abgeordneten wegen der Allgemeinheit des Gesetzes alle bzw. eine Vielzahl von Abgeordneten auch betreffen, bedarf das Staatswesen bestimmter Vorkehrungen, um opportunistischem Verhalten vorzubeugen bzw. es abzuwenden. Dazu sind Institutionen zur Stützung der Vereinbarung zwischen Staatsangehörigen und ihren Vertretern vonnöten.238 Als solche kommt die Einrichtung von Kontrollinstitutionen, aber auch von Anreizschemata239 in Betracht, die den Agenten, hier den Abgeord233
R. Richter/E. Furubotn, S. 3. R. Richter/E. Furubotn, S. 4, 10. 235 R. Richter/E. Furubotn, S. 17. 236 R. Richter/E. Furubotn, S. 36. 237 R. Richter/E. Furubotn, S. 5. 238 R. Richter/E. Furubotn, S. 457. 239 Vgl. allerdings für den nur schwach ausgeprägten Zusammenhang der erfolgsabhängigen Bezahlung von Führungskräften in Kapitalgesellschaften und Erfolg des Unternehmens R. Richter/E. Furubotn, S. 216; M. C. Jensen/K. J. Murphy, Journal of Political Economy 98, 225 ff. Dies begründet gewisse Zweifel an der Erfolgsaussicht solcher Anreizmodelle. 234
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neten, ein den Interessen der Prinzipale eher entsprechendes Entscheidungsverhalten nahe legt.240 Insbesondere der Grundsatz der Gewaltenteilung und das Rechtsstaatsprinzip werden als solche Kontrollinstitutionen verstanden.241 Die Einrichtung von Kontrollinstitutionen macht dabei ökonomisch gegenüber einer ständigen Kontrolle durch alle Prinzipale, welche sehr kostspielig wäre, ebenso wie im Bereich von Unternehmen, Sinn.242 Insgesamt ist daher festzuhalten, dass sich die Notwendigkeit der Kontrolle in Prinzipal-Agenten-Verhältnissen, wie sie die Repräsentation des Volkes durch die Abgeordneten darstellt, auch aus einer ökonomischen Herangehensweise an das Gemeinwesen nachweisen lässt. Wesentliche Kontrollinstrumente sind dabei durch Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit in der Bundesrepublik verwirklicht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Kontrollinstitutionen im Bereich der als „Entscheidung in eigener Sache“ beschriebenen Sachverhalte tatsächlich den Anforderungen genügen. 2. Verfassungsrechtlich und gesetzlich ausgestaltete Kontrollen gegenüber dem Parlament Wie dargelegt, beruht die rechtsstaatliche, gewaltengeteilte Demokratie des Grundgesetzes auf einem Kontrollprinzip. Dabei sind drei wesentliche Grundtypen der Kontrolle zu unterscheiden: die Interorgankontrolle und die Intraorgankontrolle.243 Darüber hinaus existiert wegen der Einbindung der Bürger, des Souveräns, in die Kontrollfunktion noch extraorganisatorische Kontrolle. Für die hier interessierende Frage der Parlamentsentscheidungen genügt es, sich auf die Kontrolle gegenüber dem bzw. im Parlament zu konzentrieren. a) Interorgankontrolle gegenüber dem Parlament Das Parlament sieht sich, wie aufgezeigt, der Kontrolle durch die anderen Staatsorgane ausgesetzt. Deren Kontrollmöglichkeiten finden sich in den Vorschriften des Grundgesetzes. Institutionell zu unterscheiden sind dabei die Kontrolle durch die Exekutive, namentlich die Bundesregierung und den Bundespräsidenten, diejenige durch den anderen legislativen Zweig, den Bundesrat,244 und die Kontrolle durch die Gerichte, insbesondere das Bundesverfassungsgericht. 240 241 242 243
R. Richter/E. Furubotn, S. 55, 284 Nr. 6. R. Richter/E. Furubotn, S. 457. Vgl. R. Richter/E. Furubotn, S. 169. Zu den Begriffen vgl. K. Loewenstein, S. 167 ff.
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Im Rahmen dieser Kontrollorgane lassen sich die unterschieden, die eine reine Rechtskontrolle vornehmen und andere, die auch eine Zweckmäßigkeits- bzw. politische Kontrolle ausüben können. (1) Rechtliche Kontrolle Die Gerichte245 und der Bundespräsident, soweit man letzterem überhaupt eine Kontrollbefugnis gegenüber Gesetzesentscheidungen einräumt,246 sind auf reine Rechtskontrolle begrenzt.247 Die Kontrollkompetenzen der Gerichte gehen dabei in jedem Falle weiter, da dem Bundespräsidenten jedenfalls keine Kontrollkompetenz gegenüber Geschäftsordnungsregeln, Einsetzungsbeschlüssen, einfachen Beschlüssen des Bundestags und Wahlen durch den Bundestag zukommt, sämtlich Kompetenzen, die den Gerichten im Einzelfall zustehen. Andererseits sind die Gerichte zur Ausübung der Kontrolle auf entsprechende Antragsteller angewiesen, der Bundespräsident, eventuell der Bundeskanzler,248 kann selbst initiativ die Kontrolle aufnehmen. Darüber hinaus können auch die Möglichkeiten der Initiative der gerichtlichen Kontrolle als Kontrollkompetenz verstanden werden. Hier ist zu unterscheiden zwischen abstrakten Initiativkompetenzen und konkreten Initiativkompetenzen. Eine umfassende abstrakte Initiativkompetenz zur Überprüfung von Gesetzesentscheidungen des Parlaments kommt unter der Geltung des Grundgesetzes nach Art. 93 I Nr. 2 GG nur der Bundesregierung, den Landesregierungen sowie – intraorganisatorisch – einem 244 Da nach der Abschaffung des Bayerischen Senats nunmehr in keinem Bundesland mehr eine zweite Kammer des Parlaments existiert, besteht in den 16 Bundesländern keine legislative Interorgankontrolle. 245 s. Chr. Pestalozza, NJW 1981, 2081 (2085). Vgl. zum Verständnis des Bundesverfassungsgerichts als durchaus auch politischen Machtfaktor U. Scheuner, Kontrolle, S. 25; F. Klein, Bundesverfassungsgericht und richterliche Beurteilung politischer Fragen, 1966, passim. 246 Vgl. zum Streitstand H. Bauer, in: Dreier, GG II, Art. 82 Rn. 12 ff.; M. Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 82 Rn. 20 ff.; J. Lücke, in: Sachs, GG, Art. 82 Rn. 3 ff.; U. Ramsauer, in: AK-GG, Art. 82 (Stand 2001), Rn. 16 ff.; R. Rubel, in: Clemens/Umbach, GG II, Art. 82 Rn. 12 ff.; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 82 Rn. 15 ff. Wird die Kontrollkompetenz des Bundespräsidenten auf Art. 1 III GG bzw. Art. 20 III GG gestützt, so wird man wegen Art. 58 S. 1, 82 I GG dem Bundeskanzler als Gegenzeichnenden eine ebensolche Kontrollkompetenz gegenüber Gesetzen einräumen müssen. 247 Chr. Pestalozza, NJW 1981, 2081 (2086). W. Krebs, S. 140, macht deutlich, dass die rechtliche Kontrolle im Gegensatz zur politischen Kontrolle nur einen Teil der zur Verfügung stehenden Kontrollmaßstäbe anwenden darf, während die politische Kontrolle eine „totale“ ist. 248 Vgl. Fn. 246.
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Drittel der Mitglieder des Bundestages gegen Parlamentsgesetze zu. Eine begrenzte abstrakte Initiativkompetenz haben darüber hinaus für Fälle eines unterstellten Verstoßes gegen Art. 72 II GG der Bundesrat, die Landesregierungen und die Landesparlamente. Eine ebenso von einer Rechtsverletzung abgelöste Initiativkompetenz haben die staatlichen Gerichte im Rahmen der Richtervorlage nach Art. 100 GG. Auch sie müssen, wie die Antragsberechtigten der abstrakten Normenkontrollen, keine Verletzung subjektiver Rechte bzw. von Kompetenzen geltend machen. Jedoch können Gerichte gegenüber Gesetzesentscheidungen des Bundestages die initiative Kontrollkompetenz nur ausüben, wenn das der Vorlage zugrunde liegende Gerichtsverfahren durch eine wiederum auf subjektiv-rechtlichen bzw. kompetenziellen Rechtsverletzungsbehauptung Dritter initiiert wurde. Alle weiteren Initiativen der gerichtlichen Kontrolle gegenüber Parlamentsentscheidungen, seien es nun Gesetzes- oder sonstige Entscheidungen, können hingegen nur bei Behauptung einer konkreten Rechts- oder Kompetenzverletzung ergriffen werden. Soweit es sich bei den Initiatoren einer solchen gerichtlichen Kontrolle nicht um die Träger von Staatsfunktionen handelt, kann man auch von Extraorgankontrolle sprechen. (2) Politische Kontrolle Zur politischen Kontrolle sind insbesondere die anderen „politischen“ Staatsorgane berufen. Die politische Kontrolle ist dabei nicht auf eine tatsächlich rein politische begrenzt, sondern kann vielmehr auch rechtliche Gesichtspunkte der Kontrollausübung zugrunde legen. Sie ist wegen der Verfassungsbindung aus Art. 20 III GG sogar dazu verpflichtet.249 Der Bundesregierung sind dabei formal nur enge Kontrollkompetenzen gegenüber dem Parlament zugewiesen. Art. 113 GG räumt ihr eine Vetoposition gegenüber ausgabenerhöhenden und -mindernden Gesetzen ein, wobei allgemein die weitgehende Bedeutungslosigkeit der Vorschrift angemerkt wird.250 Eine umfassende politische Kontrollkompetenz steht hingegen dem Bundesrat nach Art. 77 II bis IV GG gegenüber Gesetzesentscheidungen des 249 Vgl. W. Krebs, S. 140 ff. Zur politischen Kontrolle allgemein s. a. Chr. Gusy, AöR 106 (1981), 329 (345 ff.). 250 Vgl. H. D. Jarass/B. Pieroth, GG, Art. 113 Rn. 1; G. F. Schuppert, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 113 Rn. 11; W. Heun, in: Dreier, GG III, Art. 113 Rn. 4; G Kisker, in: HStR IV2, § 89 Rn. 49 f.; E. G. Mahrenholz, in: AK-GG, Art. 113 (Stand 2002) Rn. 2a; K.-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG III, Art. 113 Rn. 3.
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Bundestages zu. Zwar kann sein Veto bei Einspruchsgesetzen nach Art. 77 IV GG vom Bundestag wieder überwunden werden, nichtsdestoweniger ist Voraussetzung auch hierfür die Durchführung des Vermittlungsverfahrens nach Art. 77 II GG, in dem der Bundesrat im Gemeinsamen Ausschuss Einwirkungsmöglichkeiten hat. Im Falle von Zustimmungsgesetzen hat der Bundesrat eine echte Vetoposition. (3) Einordnung der Kontrollkompetenzen Unterschieden werden können daher Kompetenzen – der der Parlamentsentscheidung vorausgehenden politischen Kontrolle (Bundesregierung nach Art. 113 I 3 GG); – der der Parlamentsentscheidung vorausgehenden rechtlichen Kontrolle (Gerichte im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes, Bundesregierung nach Art. 113 GG); – der der Parlamentsentscheidung nachgeschalteten politischen Kontrolle (Bundesrat);251 – der der Parlamentsentscheidung nachgeschalteten rechtlichen Kontrolle (Bundesrat252, Bundesregierung nach Art. 113 GG, Gerichte, Bundespräsident, evtl. Bundeskanzler). Unterschieden werden kann darüber hinaus die Reichweite der Kontrollkompetenzen in drei verschiedenen Kategorien: – Gesetze mit finanzieller Auswirkung (Bundesregierung, Bundesrat, Bundespräsident, evtl. Bundeskanzler, Gerichte); – Sämtliche Gesetze (Bundesrat, Bundespräsident, evtl. Bundeskanzler, Gerichte); – Sämtliche Parlamentsentscheidungen (Gerichte). 251 W. Krebs, S. 27 ff., 41 ff., macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass mit der Parlamentsentscheidung die staatliche Entscheidung noch keineswegs getroffen ist, dass vielmehr diese nur einen Teil des staatlichen Entscheidungsprozesses darstellt und eine endgültige staatliche Entscheidung erst mit der Entscheidung der entsprechenden Kontrollorgane einschließlich des Bundesverfassungsgerichts tatsächlich getroffen ist, die Kontrolle mithin entsprechend seiner Herangehensweise Teil der Entscheidung ist. 252 Die rechtliche Kontrollkompetenz des Bundesrates ist keine solche, die abschließend die Rechtmäßigkeit einer Parlamentsentscheidung regeln könnte. Vielmehr sind rechtliche Argumente auch im Rahmen der politischen, also interessenzuordnenden und -mediatisierenden Kontrolle, die der Bundesrat als Teil der Legislative vornimmt, zulässig. Das Gleiche gilt auch für die Kontrollkompetenz der Bundesregierung nach Art. 113 GG. Siehe dazu auch unten B.II.2.b).
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Eine weitere Unterscheidung ist möglich anhand der Kontrollinitiative: – Selbstinitiative (Bundesregierung, Bundespräsident, evtl. Bundeskanzler, Bundesrat); – Fremdinitiative (Gerichte). (4) Wirkungen von Kontrolle bzw. Kontrollkompetenzen Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, verstünde man einzig das Ausüben von Vetopositionen als politische Kontrolle. Nicht der Gegensatz zwischen den Staatsorganen macht die Kontrolle aus. Vielmehr besteht Kontrolle gerade auch in der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Staatsorgane bei Entscheidungen, bei der kein Machtträger dem anderen seinen Willen aufzwingen kann, jedoch das Treffen einer Entscheidung ohne das andere Staatsorgan nicht möglich ist.253 Die Zuordnung der Kontrollkompetenzen zielt vielmehr auf ein Zusammenwirken, das auf gegenseitigem Beobachten, Bewerten, Lenken und Bestimmen beruht.254 Gerade dadurch wird bereits eine Hemmung staatlicher Macht bewirkt. Man kann insoweit – in Anlehnung an die Rechtsprechung des Supreme Court der Vereinigten Staaten zu Fragen der Meinungsfreiheit, von einem chilling effect255 sprechen, der allein schon durch das Bestehen von Kontrollpositionen entsteht. Auch das Nichtausüben einer Kontrollkompetenz kann mithin Kontrolle sein: Das bloße Bestehen der Kontrollkompetenz eines anderen Staatsorgans und die Möglichkeit zum Ausüben führt zur Disziplinierung der Entscheidungstätigkeit. Wie aufgezeigt sind die meisten der genannten Kontrollkompetenzen solche formal der Parlamentsentscheidung nachgeschalteter Kontrolle. Auch diesbezüglich griffe ein rein formales Verständnis dieser Kontrollkompetenzen zu kurz. Die Möglichkeit des Ergreifens solcher Kontrollmaßnahmen stellt gegenüber dem Parlament ein „Droh“-Potenzial dar. Je nach Intensität und Ausmaß der Kontrollkompetenzen bzw. Initiativrechte wirken diese sich bereits im Rahmen der parlamentarischen Entscheidung aus, werden also zum Faktor auch der Intraorgankontrolle, in der sich wiederum der Respekt gegenüber dem kontrollierenden Verfassungsorgan ausdrückt.256 Nichts anderes gilt auch für die rechtlichen Kontrollkompetenzen bzw. Kontrollinitiativrechte und -kompetenzen. Die tatsächliche Möglichkeit P. Kirchhof, HStR III2, § 59 Rn. 191. 254 Vgl. W. Krebs, S. 134; U. Scheuner, Kontrolle, S. 29, 31 f. 255 So erstmals Justice Arthur J. Goldberg in seiner concurring opinion in New York Times v. Sullivan, 376 U.S. 254, 301 (1964). s. a. Hustler Magazine v. Falwell, 485 U.S. 46, 52 (1988). 256 s. zur Interorgantreue R. A. Lorz, passim, insb. etwa S. 563 ff. 253
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rechtlicher Kontrolle diszipliniert das Parlament dahingehend, auch rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Gesichtspunkte in seine Entscheidung mit einzubeziehen. Die bloße Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist mithin Element der Verfassungsbindung des Parlaments aus Art. 20 III GG. Bezüglich dieser Wirkung der Kontrollkompetenzen kann man von informeller Kontrolle sprechen, während man die tatsächliche Ausübung der Kontrolle als formelle Kontrollausübung qualifizieren kann. Insofern existieren politische und rechtliche Kontrolle vor, während und nach der Entscheidung des Parlaments. b) Intraorgankontrolle von Parlamentsentscheidungen Die Intraorgankontrolle257 des Parlaments kennt ebenso wie die Interorgankontrolle verschiedene Möglichkeiten. Dabei zeigen sich wesentliche Unterschiede zur Interorgankontrolle. Meist findet Kontrolle im Entscheidungsverfahren selbst258 durch die Zuordnung und Mediatisierung verschiedener, meist widerstreitender Interessen statt. Der Parlamentsentscheidung gehen insoweit bereits eine Vielzahl von Vorentscheidungen – sei es des einzelnen Abgeordneten, der Fraktionen, der Ausschüsse – voraus, die bereits kontrollierend wirken.259 Dabei ist jedoch der Widerstreit durch die pluralistische Konzeption der legislativen Volksvertretung als der Normalfall vorausgesetzt, und daher auch stetige und ständige Kontrolle sämtlicher Parlamentsentscheidungen. Diese Kontrolle wird sichergestellt durch die Unabhängigkeit der Abgeordneten, die gerade durch die Unabhängigkeit die Möglichkeit haben, sich jedes beliebigen Interesses, das bei den Bürgern, i. e. dem Souverän, existiert, anzunehmen und es dem parlamentarischen Prozess – auch als Kontrollmaßstab260 – zuzuführen. Diese Art der Kontrolle ist der Parlamentsentscheidung vorgelagert. Sie ist aber fast immer, soweit sich das Parlament der zur Entscheidung stehenden Frage jemals zugewandt hat, durch die Veränderung eines bisherigen Zustandes auch nachträgliche Kontrolle. Sie erfolgt als rein politische Kontrolle,261 d.h. eben als Maßstabsbildung durch Zuordnung und Mediatisierung von Interessen. Wie bereits angespro257 Zur Selbstkontrolle des Parlaments s. a. Chr. Pestalozza, NJW 1981, 2081 (2085 f.). 258 Vgl. W. Krebs, S. 166. 259 Vgl. W. Krebs, S. 128 ff. 260 Zur Freiheit des Abgeordneten bzw. der politischen Kontrolle als solche zur Bestimmung des Kontrollmaßstabs selbst s. W. Krebs, S. 140 ff. 261 Vgl. W. Krebs, S. 140 f.
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chen bedeutet dies nicht, dass nicht auch rechtliche Fragen als Interessen wahrgenommen werden. Auch die „drohende“ Wahrnehmung der Kontrolle durch andere Kontrollberechtigte kann ein solches Interesse darstellen. Sie wird somit im Rahmen der intraorganisatorischen Kontrolle ebenfalls zugeordnet und mediatisiert. Kontrolle findet mithin nicht erst im Rahmen der Abstimmung im Parlament statt, sondern im wesentlichen bereits im Vorfeld einer Entscheidung, d.h. vielfach eben auch informell. Die politische Kontrolle besteht durch die Kompetenzen der Mitglieder des Bundestages aus dem Grundgesetz und deren Konkretisierung durch die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Diese Kontrollmöglichkeit lebt in der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes insbesondere vom Widerstreit zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Jedoch wäre es auch hier falsch anzunehmen, dass Kontrolle nur bei einem tatsächlichen Widerstreit zwischen Regierung und Opposition stattfindet.262 Selbst bei einer Betonung des Dualismus zwischen Oppositions- und Regierungsfraktionen kann bereits das Bestehen der Vetoposition des Bundesrats, in dem eventuell die Opposition über eine Mehrheit verfügt, die Regierungsfraktionen zur Zusammenarbeit mit den Oppositionsfraktionen zwingen. Auch bewirkt die Vielzahl der der Parlamentsentscheidung vorgelagerten Entscheidungen ohnehin ein stetiges Einwirken auch der zur Regierung in Opposition stehenden Abgeordneten und Fraktionen. Darüber hinaus werden die Regierungsfraktionen auch sonst bemüht sein, möglichst häufig den Konsens mit der Opposition zu suchen. Dafür gibt es zwei Ursachen: Einerseits wird das Regierungslager den Willen haben, dem sie extraorganisatorisch kontrollierenden Wähler zu zeigen, dass die Opposition keine Alternative darstellt. Darüber hinaus wird durch die Einheitlichkeit einer Entscheidung die Wahrscheinlichkeit ihrer Befolgung erhöht, die Wahrscheinlichkeit und Intensität öffentlicher Kritik mangels parlamentarischen Sprachrohrs minimiert. Über die Kontrollmöglichkeiten im Entscheidungsprozess hinaus haben die Mitglieder des Bundestages informale Appellmöglichkeiten an die sonstigen Kontrollorgane sowie formale Initiativmöglichkeiten der interorganisatorischen Gerichtskontrolle. Jedoch wird die Kompetenz der Abgeordneten zur politischen Kontrolle abgesichert durch den rechtlichen Schutz der Mitentscheidungsrechte, aber eben auch nur so weit: Daher steht den Abgeordneten ein Zugang zur gerichtlichen Kontrolle von Parlamentsentscheidungen ohne eigene Rechtsverletzung nur im Zusammenschluss von mindestens einem Drittel der Abgeordneten nach Art. 93 I Nr. 2 GG zu. Ansonsten sind 262
s. W. Krebs, S. 128 ff.; H. Meyer, VVdStRL 33, 67 (101).
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die Parlamentsmitglieder zur Initiative der gerichtlichen Kontrolle bei individueller Kompetenzverletzung berechtigt. c) Extraorgankontrolle Neben der interorganisatorischen und der intraorganisatorischen Kontrolle besteht auch eine extraorganisatorische Kontrolle. Darunter ist – außerhalb des klassischen Kanons von inter- und intraorganisatorischer Kontrolle – die Kontrolle durch die Öffentlichkeit, also letztlich den Souverän selbst zu verstehen. Auch diese existiert – wie die interorganisatorische Kontrolle – als formelle sowie als informelle Kontrolle.263 Die formelle Kontrolle von Parlamentsentscheidungen erfolgt insbesondere durch den Wahlakt des Souveräns. Selbstverständlich wird hier nicht die einzelne Entscheidung kontrolliert,264 es handelt sich vielmehr um eine Generalkontrolle sämtlicher in der Legislaturperiode getroffener Entscheidungen des Bundestages bzw. den Ausdruck politischer Unterstützung in höchst generalisierter Form.265 Jedoch kann dem einzelnen Bürger bei seinem „Kontroll“-Akt durchaus auch ein zu kurz gekommenes oder verwirklichtes Interesse vorschweben. Der Wahlakt ist dabei ambivalent vorweggenommene Kontrolle der kommenden parlamentarischen Entscheidungsprozesse – also Programmkontrolle – und nachträgliche Kontrolle bereits getroffener Entscheidungen. Überwiegend ist im Wahlakt tatsächlich zumindest die Kontrolle bisher getroffener Entscheidungen und die sich daraus für die Zukunft ergebenden Erwartungen der Wähler. Der Wahlakt ist meist Reaktion der Bürger. Durch die Gebundenheit der Abgeordneten an den Legitimationsakt soll besonders die Interessenvertretung der Wähler sichergestellt werden. Darüber hinaus haben die Bürger, sei es als Einzelperson oder durch Organisationen – häufig auch vermittelt durch (Massen-)Medien, die Möglichkeit, „informell“ auf den Entscheidungsprozess des Parlaments einzuwirken, also zu kontrollieren, indem sie ihre Interessen zu Gehör bringen und Kritik an Entscheidungsentwürfen und getroffenen Entscheidungen äußern.266 Dies kann auch und insbesondere durch die Vermittlung der Medien geschehen. Jedoch ist Voraussetzung solcher Kontrolle die „Sichtbarkeit“267 des intra263 Zu diesen Möglichkeiten der Einflussnahme vgl. a. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 166 f. 264 N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 164 ff. 265 Vgl. N. Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, S. 283 ff.; ders., Legitimation durch Verfahren, S. 164 ff. 266 Vgl. zur Notwendigkeit dieser Kontrolle bereits H. Gmelin, AöR 58 (1930), 270 (282).
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und interorganischen Entscheidungs- und Kontrollprozesses.268 Die extraorganisatorische, i. e. öffentliche Kontrolle gewinnt ihre Wirkung allerdings wieder vermittelt durch das Parlament. Die Wirksamkeit dieser informellen Kontrolle ergibt sich freilich vorrangig aus dem Droh-Potenzial des zu erwartenden Wahlaktes der Bürger.269 Eine weitere formale extraorganisatorische Kontrollmöglichkeit liegt wiederum in der Initiativmöglichkeit gerichtlicher Kontrolle. Voraussetzung ist hier jedoch wieder die individuelle, direkte oder indirekte270 Betroffenheit durch Parlamentsentscheidungen. 3. Kontrolldefizite bei „Entscheidungen in eigener Sache“ Nach den nunmehr festgestellten Kontrollstandards wird es im Weiteren darum gehen, inwiefern bei den als „Entscheidung in eigener Sache“ bezeichneten Parlamentsentscheidungen Kontrolldefizite auftreten, und inwiefern das verfassungsrechtlich austarierte Kontrollsystem bei derartigen Entscheidungen allgemein bzw. im Einzelfall versagt bzw. der bestehende Kontrollstandard unterschritten wird. a) Politikfinanzierung Da gerade der Bereich der Politikfinanzierung üblicherweise in den Bereich der „Entscheidungen in eigener Sache“ verwiesen wird, gilt es, auf diese Entscheidungen des Parlaments ein besonderes Augenmerk zu legen. Insbesondere ist hier zu differenzieren zwischen den verschiedenen genannten Sachverhalten und den möglichen Kontrolldefiziten in den Bereichen interorganisatorische, intraorganisatorische und extraorganisatorische Kontrolle. (1) Abgeordnetenentschädigung und -versorgung Zunächst wird auf den Kontrollstandard bei dem klassischen Fall der Abgeordnetenentschädigung, der sonstigen staatlichen Leistungen an die Abgeordneten und deren Versorgung einzugehen sein. Vgl. P. Kirchhof, HStR III2, § 59 Rn. 192; H. H. Klein, ZRP 1976, 81 (82). 268 Vgl. auch W. Krebs, S. 163; U. Scheuner, Kontrolle, S. 63 ff. 269 Vgl. hierzu auch M. Morlok, FS BVerfG II, 559 (585). 270 Unter indirekt ist dabei nur die Vermittlung durch auf der Parlamentsentscheidung wiederum unmittelbar beruhender Akte zu verstehen, nicht die nur indirekte Auswirkung der Entscheidung. 267
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(a) Interorganisatorische Kontrollkompetenzen Im Bereich der interorganisatorischen Kontrolle bestehen hier verschiedene Zugriffsmöglichkeiten anderer Staatsorgane. Bei der Regelung der Abgeordnetenentschädigung und -versorgung, die gemäß Art. 48 III 1 GG in Gesetzesform – ergo: -entscheidung – ergeht, haben Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident bzw. Bundeskanzler interorganisatorische Zugriffsmöglichkeiten. (aa) Bundesrat Bei der gesetzlichen Regelung der Diäten271 handelt es sich nicht um Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, mithin um Einspruchsgesetze. Der Bundestag hätte, im Einspruchsfalle nach Art. 77 IV GG, die Möglichkeit, das nur aufschiebende Veto des Bundesrats zu beseitigen. Eine abschließende Ablehnung wäre dem Bundesrat mithin nicht möglich. Dadurch ist das Kontrollrecht des Bundesrates ein abgestumpftes Schwert. Dies gilt nichtsdestoweniger für sämtliche Gesetze, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, insoweit besteht von diesem Ausgangspunkt keine andere Lage als beim sonstigen zustimmungsfreien Gesetz. Jedoch wird darauf hingewiesen, dass der Bundesrat selbst die bestehende Kontrollmöglichkeit nicht wahrnehme.272 Als Argument wird hier vor allem vorgebracht, dass der Bundestag eine Vorreiterrolle bei den Diätenentscheidungen gegenüber den Landesparlamenten einnehme, weshalb die von den Landesparlamenten abhängigen, im Bundesrat vertretenen Landesregierungen sich nicht sperrten. Darüber hinaus neige der Bundesrat zur Deferenz gegenüber den Diätenentscheidungen, weil es sich um Entscheidungen des parlamentarischen Innenbereichs handle, die der Parlamentsautonomie unterlägen. Darüber hinaus fehle es dem Bundesrat – wegen der parteilichen Bindung der Vertreter im Bundesrat – bei solchen Entscheidungen an einer ausreichenden Rollendistanz.273 Tatsächlich hat der Bundesrat nur in einem Falle einer Veränderung des Diätenrechts widersprochen – dies allerdings im Rahmen einer Verfassungsänderung, die das Abgeordnetengehalt an die Besoldung der Bundesrichter 271 Der Einfachheit halber ist hier, obgleich Versorgung und Entschädigung gemeint sind, von Diäten die Rede. 272 H. H. v. Arnim, Der Staat sind wir!, S. 114; J. Linck, ZParl 1995, 683 (687); H. Klatt, ZParl 1973, 407 (418 f.); ders., Altersversorgung, S. 125 f.; H. Krüger, DVBl. 1994, 220 f. 273 Vgl. hierzu J. Chr. v. Waldthausen, S. 176; J. Linck, ZParl 1995, 683 (687).
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gekoppelt hätte, weshalb hier eine Zustimmung des Bundesrats nach Art. 79 II GG erforderlich gewesen wäre.274 Aus der Nichtablehnung der gesetzlichen Regelungen zu den Abgeordnetendiäten ist jedoch nicht per se zu schließen, dass der Bundesrat seine Kontrollkompetenz nicht ausübt. Der Bundesrat könnte schlicht stets mit den jeweiligen Änderungen einverstanden gewesen sein. Darüber hinaus entspricht es dem Prinzip des Interorganrespekts, bei Regelung eigener Angelegenheiten dem jeweiligen Organ weiten Spielraum zu lassen.275 Zwar sprechen die hauptsächlich von von Waldthausen genannten Argumente des Bundesrats in der Debatte um die genannte Verfassungsänderung276 dafür, dass der Bundesrat sich aus Autonomiegesichtspunkten tatsächlich bei der Überprüfung zurückhält. Das an gleicher Stelle genannte Argument, der Bundesrat hätte ohne öffentlichen Druck der Verfassungsänderung wohl auch zugestimmt, dürfte ebenfalls den Tatsachen entsprechen. Jedenfalls kann sich durch die Kontrollkompetenz und den damit einhergehenden Zeitablauf aber eine extraorganisatorische Kontrollwahrnahme durch den Souverän Raum verschaffen.277 Die Kontrollkompetenz des Bundesrats stellt aber auch einen Anreiz zu intraorganisatorischer Kontrolle im Bundestag dar, da dieser bemüht sein wird, gerade in dieser Frage Konflikte mit dem Bundesrat ob der schädlichen Auswirkungen für die Wahrnehmung des Bundestages in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Insofern wirkt sich bereits die bloße Möglichkeit der Beanstandung durch den Bundesrat als mäßigende intraorganisatorische Kontrolle aus.278 Darüber hinaus ist aus der Tatsache, dass der Bundesrat dem Bundestag aus der Akzeptanz dessen Autonomie als Staatsorgan einen weiten Spielraum in Diätenfragen einräumt und deshalb bislang noch keiner derartigen einfachgesetzlichen Regelung seine Zustimmung verweigert hat, nicht zu schließen, dass er seiner erwünschten Kontrollfunktion nicht nachkommt. Einerseits ist der Bundesrat das Organ der Mitwirkung der Bundesländer und hat insbesondere, wenngleich nicht nur, deren Interessen zu wahren,279 274
Sten. Ber. des Bundesrates, 689. Sitzung vom 13.10.1995, S. 457. Vgl. zum Interorganrespekt als Verfassungsstrukturprinzip R. A. Lorz, passim, insb. S. 526 ff. 276 Vgl. J. Chr. v. Waldthausen, S. 177 ff. 277 J. Chr. v. Waldthausen, S. 179 f. 278 Vgl. hierzu unter dem Gesichtspunkt des Interorganrespekts R. A. Lorz, S. 171 f. 279 Vgl. allgemein P. Badura, Staatsrecht, S. 492; H. Bauer, in: Dreier, GG II, Art. 50 Rn. 17; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 614; St. Korioth, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG II, Art. 50 Rn. 18; G. Robbers, in: Sachs, GG, Art. 50 Rn. 13; H. de 275
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weshalb die Diäten von geringerer Bedeutung sein dürften. Darüber hinaus haben die Kritiker der Praxis des Bundestages nicht nachgewiesen, inwiefern die Diätengesetzgebung des Bundes derart unsachgemäß sein sollte, dass der Bundesrat ihr nicht hätte zustimmen können. Die mangelnde Sachdistanz bei den Vertretern der Regierungen im Bundesrat, sei sie nun aus Gründen der politischen Parteilichkeit oder der Abhängigkeiten von den Landeslegislativen hergeleitet, mag existieren – nachgewiesen ist sie nicht, auch nicht durch die konsequente Nichtbeanstandung von Diätenregelungen durch den Bundesrat. Insofern kann man – auf tatsächlicher Grundlage – bestenfalls von einem durchaus indizierten, aber eben nicht nachgewiesenen Anschein fehlender Kontrolle durch den Bundesrat sprechen. Darüber hinaus gilt für die Kontrolle durch den Bundesrat, was schon für den Bundestag festgestellt werden konnte – Interessennähe ist bei der Legislative eben gerade nicht unzulässig. Insofern kann, insbesondere weil nicht nur in der Ablehnung Kontrolle liegt und der Bundesrat auch in vielen anderen Fragen auf das Wahrnehmen seiner Vetoposition verzichtet, hier abschließend kein Kontrolldefizit festgestellt werden.280 (bb) Bundesregierung Wegen der Abhängigkeit der Bundesregierung vom Bundestag und der teilweisen bzw. weitgehenden Identität der Regierungsmitglieder als Abgeordnete spielt jedenfalls die Kontrollkompetenz der Bundesregierung wie auch in sonstigen ausgabenrelevanten Entscheidungen des Bundestags keine tatsächliche Rolle bei der Festlegung der Diäten.281 Auch dürfte die Möglichkeit des Art. 113 GG kaum einen Anreiz für den Bundestag zu intensiverer intraorganisatorischer Kontrolle darstellen, da das Instrumentarium wegen seiner faktischen Bedeutungslosigkeit keinerlei „Drohpotenzial“ hat. Jedoch bedeutet dies ebenfalls keinen Unterschied zur sonstigen Lage bei ausgabenrelevanten Gesetzesentscheidungen des Bundestags, da die Kompetenz ohnehin nicht ausgeübt wird.282 Ein Defizit gegenüber anderen Entscheidungsverfahren besteht somit weder rechtlich noch faktisch.
Wall, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 50 (Stand 2002) Rn. 18; D. Weckerling-Wilhelm, in: Umbach/Clemens, GG II, Art. 50 Rn. 3. 280 s. aber J. Chr. v. Waldthausen, S. 180. 281 Dennoch für die Bedeutsamkeit Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 85. Anders aber H. Klatt, ZParl 1973, 407 (418); ders., Altersversorgung, S. 125. Vgl. auch J. Chr. v. Waldthausen, S. 180 f.
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(cc) Bundespräsident/Bundeskanzler Im Gegensatz zu den Kontrollkompetenzen von Bundesrat und Bundesregierung ist die Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten, soweit man sie denn anerkennt,283 eine rein rechtliche. Der Bundespräsident ist mithin auf reine Rechtskontrolle begrenzt. Seine derartige Kompetenz hat der Bundespräsident gegenüber gesetzlichen Diätenregelungen bislang noch nie ausgeübt. Dem ist jedoch nicht zu entnehmen, dass er seiner diesbezüglichen Kompetenz nicht nachkommt. Insgesamt wurde der Bundespräsident seit Bestehen der Bundesrepublik erst in zehn Fällen in dieser Form tätig und verweigerte die Ausfertigung eines Gesetzes. Schon deshalb kann von einer Nichtwahrnehmung der Kompetenz nicht die Rede sein.284 Problematisch ist darüber hinaus ein eventueller verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab des Bundespräsidenten. Dieses Problem ergibt sich auch für eine gerichtliche Kontrolle der Diätenentscheidungen.285 (dd) Gerichte, insbesondere Bundesverfassungsgericht Wie dargelegt haben die Gerichte, insbesondere aber das Bundesverfassungsgericht, eine rechtliche Kontrollkompetenz gegenüber Parlamentsgesetzen, mithin über Diätenregelungen. Jedoch ergeben sich im Rahmen dieser Kompetenz bei Diätengesetzen zwei wesentliche Probleme: Der Prüfungsmaßstab und die Kontrollinitiative. Art. 48 III 1 GG nennt als Maßstab der Diätenregelungen den Begriff der angemessenen, die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichernde Entschädigung. Während das Element „Unabhängigkeit sichernd“ dabei als materielle Untergrenze zu verstehen sein dürfte, liegt im Begriff der „Angemessenheit“ wohl die Obergrenze zulässiger Ausstattung der Abgeordneten. Beide Begriffe sind rechtlich jedoch nur schwer greifbar.286 Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 5. November 1975287 be282 Darin wird man wiederum einen Ausdruck des besonders weiten an die Exekutive gerichteten Interorganrespektsverlangens sehen dürfen; vgl. hierzu R. A. Lorz, S. 202 f., 281 ff. 283 Vgl. oben 2.a)(1). 284 Vielmehr wird man auch dies als Ausdruck eine Interorganrespekts ansprechen dürfen. s. zur Kompetenz des Bundespräsidenten daher R. A. Lorz, S. 199 ff. 285 Vgl. zum Maßstabsproblem daher sogleich (dd). 286 Vgl. BayVerfGH DVBl. 1983, 706 (709). BayVerfGHE 20, 95 (99); BayVerfGH BayVBl. 1972, 210 sahen eine Überschreitung dieses Rahmens erst bei „völlig unangemessener Höhe“ der Diäten als gegeben an. Vgl. H. Klatt, ZParl 1973, 407 (418), der die Kontrollmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts als nahezu ausschließlich theoretisch ansieht. 287 BVerfGE 40, 296 ff.
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müht, den Begriffen weitere Konturen zu geben, konkretisiert hat es sie hingegen nicht, was auch schwerlich möglich gewesen wäre, da sich der dem Gericht vorliegende Fall mit den Leistungen an Landtagsabgeordnete auseinander zu setzen hatte. Nichtsdestoweniger scheint eine hinreichende rechtliche Konkretisierung noch möglich, wie sie das Bundesverfassungsgericht etwa für die absolute Obergrenze der staatlichen Finanzierung der politischen Parteien vorgenommen hat288 – dort allerdings ohne das Vorliegen eines ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Maßstabs.289 Ein schwerwiegenderes Problem stellt allerdings die Möglichkeit des Zugangs zu einer gerichtlichen Entscheidung dar, mithin die Initiativkompetenz bzw. das Initiativrecht.290 Es kommen nämlich nur wenige Verfahren in Betracht, in denen eine Kontrolle überhaupt stattfinden könnte. Auch gibt es in diesen Verfahren nur wenige potentielle Antragsteller.291 Zunächst müsste ein potentieller Antragsteller gegen das Gesetz bzw. die Gesetzesentscheidung des Bundestags vorgehen. Mangels unmittelbarer Betroffenheit von den Diätenregelung scheiden die Bürger als Antragsteller bzw. Kläger aus. In sämtlichen gerichtlichen Verfahren292 müsste der Einzelne jedenfalls ein eigenes, potentiell verletztes Recht geltend machen, um den Gerichten überhaupt erst die rechtliche Kontrollmöglichkeit einzuräumen. Dies gilt für eventuelle Klagen vor den einfachen Gerichten, aber natürlich auch im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG. Es fehlte dem Bürger in jedem Falle an der Antragsbefugnis.293 Daher scheidet auch eine Richtervorlage nach Art. 100 GG aus. Dies stellt ein wesentliches Defizit gegenüber sonstigen Gesetzesregelungen dar, die der Kontrolle durch die Gerichte und insbesondere das Bundesverfassungsgericht wegen ihrer Allgemeinheit und der damit einhergehenden Betroffenheit der Bürger fast ausnahmslos offen stehen, während hier eine Kontrolle qua Regelungsmaterie von vorneherein ausscheidet. 288
BVerfGE 85, 264 (289). Vgl. dazu noch unten (3) und 5. Teil E. 290 Zur Bedeutsamkeit des Zugangs zum Gericht für den Grundsatz des Interorganrespekts R. A. Lorz, S. 380 ff. 291 Vgl. hierzu auch H. H. v. Arnim, NJW 1996, 1233 (1237), ders.; APuZ 1992, 14 (20). 292 Eine Ausnahme macht nicht einmal das Popularklagerecht nach Art. 98 S. 4 BayVerf, Art. 55 BayVfGHG, da auch hier zumindest die – wenn auch nicht eigene – Verletzung von Grundrechten geltend gemacht werden muss. 293 Zur vergleichbaren Rechtslage in den USA vgl. Richardson v. Kennedy, 313 F. Supp. 1282–1286 (D.C. W. Penn., 1970), wo ein Steuerzahler versuchte, gegen die Delegation der Diätenentscheidungen auf den Präsidenten vorzugehen. Zur Frage einer einstweiligen Anordnung in diesem Fall auch Richardson v. Kennedy 418 F. 2d 235 (Cir. 3d, 1969). 289
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Als mögliche Antragsarten kommen im Ergebnis daher nur die abstrakte Normenkontrolle und das Organstreitverfahren in Betracht. Im Rahmen des Organstreitverfahrens sind nach Art. 93 I Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG jedoch nur Staatsorgane bzw. mit eigenen Rechten ausgestattete Teile derselben antragsberechtigt. Bundesrat, Bundesregierung und Bundespräsident könnten in einem solchen Verfahren bestenfalls die Verletzung ihrer Beteiligungsrechte nach Art. 76 ff. GG geltend machen, eine Verletzung materiellen Verfassungsrecht wäre mangels Antragsbefugnis nach Art. 93 I Nr. 1 GG, § 64 I BVerfGG ausgeschlossen, da eine Verletzung der entsprechenden Staatsorgane durch eine bestimmte Regulierung der Abgeordnetendiäten ausscheidet. Dass der Bundestag bzw. einzelne Abgeordnete eine Rechtsverletzung durch die Entscheidung über die Abgeordnetendiäten im Rahmen eines Organstreites geltend machen, kommt indes zunächst nur in Frage, wenn eine Unterversorgung einträte. Allerdings bestünde diese Möglichkeit nur dann, wenn einzelne oder mehrere Abgeordnete einen solchen Antrag stellten, da dem Bundestag als Ganzem bzw. in seiner Mehrheit das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis wegen der Möglichkeit eigenständiger gesetzlicher Regelung fehlen dürfte. Im Falle eines Verstoßes gegen die Obergrenze des Begriffs der Angemessenheit durch den Bundestag ist eine Antragsbefugnis nach Art. 93 I Nr. 1 GG, § 64 I BVerfGG durch den ganzen Bundestag aus nämlichem Grunde ebenfalls zweifelhaft. Auch für einen Antrag einzelner Abgeordneter erscheint eine Antragsbefugnis in diesem Falle problematisch, denn eine Verletzung ihres Rechts auf angemessene Versorgung müsste dann so verstanden werden, dass sie einen Anspruch „nur“ auf eine angemessene Versorgung haben, während sie durch eine Besserstellung verletzt würden. Eine solche Konstruktion erscheint sehr zweifelhaft, wenngleich der U.S. District Court for the District of Columbia294 und der U.S. Court of Appeals D.C. Circuit295 derartige Anträge angenommen haben, sie jedoch als unbegründet ansahen und wenigstens zum Teil das Standing des Klägers, des Kongressabgeordneten John A. Boehner anzweifelten, welches in etwa der Antragsbefugnis des deutschen Rechts entspricht.296 Auch ist die Einleitung eines Verfahrens durch einen zu Unrecht begünstigten Abgeordneten unwahrscheinlich, wenngleich nachweisbar nicht ausgeschlossen.297, 298 Insofern ist 294
Boehner v. Anderson, 809 F. Supp. 138 ff. (D.C. D.C. 1992). Boehner v. Anderson, 30 F. 3d 163 ff. (Cir. D.C. 1994). 296 Das Standing wurde vom U.S. Court of Appeals for the 10th Circuit ebenfalls verneint in Schaffer v. Clinton, 240 F. 3d 878 ff. (10 Cir. 2001). Der Supreme Court lehnte die Annahme des Falles zur Verhandlung ab, vgl. 534 U.S. 992 (2001). 297 Der republikanische Kongressabgeordnete John A. Boehner, der den Antrag zu den US-Gerichten gestellt hatte, war insbesondere durch seine Unterstützung des 27th Amendment zur US-Verfassung aufgefallen und hatte die Begrenzung der Ab295
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die Einleitung eines Organstreitverfahrens in der Frage der Versorgung der Abgeordneten des Bundestages unwahrscheinlich. Ähnliches gilt für eine abstrakte Normenkontrolle. Obgleich hier keine Antragsbefugnis im klassischen Sinne vonnöten ist, da nach Art. 93 I Nr. 2 GG Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Normen ausreichen, sind antragsberechtigt nur die Bundesregierung, die Landesregierungen und ein Drittel der Mitglieder des Bundestages. Sämtliche dieser potentiellen Antragsteller haben jedoch bereits im Gesetzgebungsverfahren Zugriffsmöglichkeiten. Die Bundesregierung übt, wie aufgezeigt, ihr mögliches Kontrollrecht aus Art. 113 GG nicht aus, darüber hinaus ist eine Antragstellung wegen der teilweisen Personenidentität von Parlament und Regierung unwahrscheinlich. Die Landesregierungen haben über den Bundesrat Zugriffsmöglichkeiten, die jedoch ebenfalls nur spärlich genützt werden.299 Daher erscheint auch eine Antragstellung aus den bereits für den Bundesrat genannten Gründen unwahrscheinlich. Diese Ausführungen zu einer eventuellen Antragstellung von Abgeordneten im Rahmen eines Organstreitverfahrens gelten auch für die abstrakte Normenkontrolle – es erscheint unwahrscheinlich, dass sich Abgeordnete gegen eine Verfassungsverletzung zu ihren Gunsten wehren, möglicherweise würde eine solche erst gar nicht wahrgenommen. Darüber hinaus sprechen auch weitere Gründe gegen eine entsprechende Antragstellung durch ein Drittel der Abgeordneten, die jedoch im Rahmen der Intraorgankontrolle beim Parlament noch anzusprechen sein werden.300 Als Ergebnis ist mithin für eine Kontrolle der Diätenentscheidungen des Bundestages festzuhalten, dass eine interorganisatorische Kontrolle, wenngleich möglich, so doch unwahrscheinlich ist. Eine interorganisatorische rechtliche Kontrolle durch die Gerichte ist nahezu ausgeschlossen, eine solche durch den Bundespräsidenten extrem unwahrscheinlich. Daher ist namentlich für die rechtliche Kontrolle ein erhebliches interorganisatorisches Kontrolldefizit festzustellen, was für die politische Kontrolle in diesem Ausmaß nicht normativ gilt. Dennoch ist auch diesbezüglich ein niedriges Kontrollniveau festzustellen.
geordnetenversorgung zu einem der Kernpunkte seiner Agenda gemacht. Ähnliches gilt für den ehemaligen Kongressabgeordneten Bob Schaffer. 298 Vgl. H. H. v. Arnim, NJW 1996, 1233 (1237). 299 Vgl. dazu bereits oben. 300 s. (b).
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(b) Intraorganisatorische Kontrolle Weitenteils wird auch ein Defizit bei der intraorganisatorischen Kontrolle gesehen. Diese finde nicht statt, weil alle Abgeordneten ein gleichgerichtetes Interesse hätten.301 Sie bildeten nachgerade ein „Kartell“.302 Dieser Ansicht könnte zunächst entgegengehalten werden, dass der intraorganisatorische – parlamentarische – Kontrollprozess ja dem oben als grundsätzlich zulässig angesehenen Prozess der „Entscheidung in eigener Sache“ entspricht. Ein solches Herangehen griffe jedoch zu kurz, da hier nicht von der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Mediatisierung der Interessen auch der Abgeordneten die Rede ist, sondern als Ausgangspunkt der Kontrollgrundsatz im Grundgesetz gewählt wurde. Die hier zu klärende Frage ist mithin, ob innerhalb des parlamentarischen Prozesses der Entscheidungsfindung ein Minus zur intraparlamentarischen Kontrolle sonstiger Entscheidungen besteht. Dafür könnte zunächst die allgemein angenommene Gleichgerichtetheit der Interessen der Abgeordneten bei Diätenentscheidungen sprechen. Dem kann aber entgegen gehalten werden, dass diese Gleichgerichtetheit dann grundsätzlich ebenso für die auch von den Abgeordneten abzuführende Einkommensteuer gelten müsste.303 Dem kann nicht dadurch widersprochen werden, dass im Falle der Einkommensteuerentscheidung ja auch noch weitere Personen betroffen sind, die insofern auf den Prozess im Parlament einwirken, da dies eine Frage extraorganisatorischer Kontrolle wäre.304 Nie301 Vgl. BVerfGE 85, 264 (292); H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1078); ders., ZRP 2002, 223 (225); ders., Vom schönen Schein der Demokratie, S. 35 f.; ders., Fetter Bauch regiert nicht gern, S. 343 ff.; ders., Staat ohne Diener, S. 108 ff.; ders., Der Staat als Beute, S. 342 ff.; ders., DVBl. 1987, 1241 (1246); H. H. Klein, FS Blümel, S. 225 (252); M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38 Rn. 143; H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (339). 302 s. insb. R. S. Katz/P. Mair, Party Politics 1995, 5 ff.; vgl. a. H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1078); ders., ZRP 2002, 223 (225); ders., Vom schönen Schein der Demokratie, S. 35 f.; ders., Fetter Bauch regiert nicht gern, S. 343 ff.; ders., DVBl. 1987, 1241 (1246); zum „Parteienkartell“ bei der Parteienfinanzierung: J. Ipsen, JZ 1992, 753 (761). s. a. H. Klatt, ZParl 1973, 407 (416); ders., Altersversorgung, S. 123. 303 Dem kann man entgegnen, dass die Abgeordneten die Möglichkeit haben, den etwaigen Einnahmenausfall durch Diätenerhöhungen zu kompensieren – dennoch wird selbst dann noch ein Interesse an einer niedrigeren Steuerlast bestehen, wenn, wie offensichtlich angenommen, der Abgeordnete grundsätzlich ökonomisch handelt. 304 Selbst wenn man dieses Argument einer „Entscheidung in ausschließlich eigener Sache“ gelten ließe, wäre dies für die Gesamtbetrachtung der genannten Phänomene wenig nützlich, da dies – wie aufgezeigt – etwa für Fragen der Parteienfinanzierung nicht gelten würde, andererseits aber für Fragen der Geschäftsordnung, in
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mand käme jedoch auf die Idee, etwa bei Einkommensteuerentscheidungen ein intraorganisatorisches Kontrolldefizit zu diagnostizieren, obgleich eine Interessengleichheit der Abgeordneten grundsätzlich besteht. Der Grund liegt im diesbezüglich grundsätzlich bestehenden Interessengegensatz zwischen regierungsnahen und Oppositionsabgeordneten.305 Hier zeigt sich also, dass eine schlicht ökonomische Wahrnehmung der Interessenmediatisierung durch die Abgeordneten jedenfalls bei der Einkommenssteuerentscheidung zu kurz griffe. Eine rein ökonomische Veranlassung von Abgeordnetenverhalten kann somit jedenfalls für bestimmte Entscheidungen ausgeschlossen werden.306 Diese liegt jedoch dem Vorwurf mangelnder intraorganisatorischer Kontrolle bei Diätenentscheidungen zugrunde. Inwiefern eine solche jedoch für den Fall der Abgeordnetendiäten nachweisbar ist, steht in Frage.307 In diesem Bereich wird, wie angesprochen, häufig davon ausgegangen, dass wegen des fehlenden Gegensatzes zwischen Oppositionsfraktionen und Regierungsfraktionen Kontrolle nicht stattfinde.308 Als Argument hierfür wird u. a. angebracht, dass die Abgeordneten in dieser Frage die Öffentlichkeit scheuen und die Entscheidung meist auch in verkürztem bzw. sehr kurzem Verfahren getroffen wird.309 Daraus ein fehlendes Kontrollverhalten im Parlament abzuleiten, erscheint jedoch fragwürdig. Wie mittlerweile deutder bestimmte Fragen auch im Interesse aller Abgeordneten liegen, jedoch keinerlei Außenbezug haben. 305 Auf diesen Unterschied für die hier interessierenden Entscheidungen zu sonstigen Entscheidungen stützt sich insbesondere H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1077); ders., Der Staat als Beute, S. 343 ff.; vgl. auch BVerfGE 40, 296 (326). 306 Grundsätzlich sind sämtliche Befangenheitsregelungen solche, die auf einer Analyse des Menschen als „homo oeconomicus“ beruhen, was auch für die Regelungen über das Insichgeschäft nach § 181 BGB gilt. 307 Interessanterweise werden andererseits derartige „Kartelle“ auch einmal als historische Glücksfälle begrüßt, ja bejubelt, selbst wenn es um Bereiche geht, die oftmals den „Entscheidungen in eigener Sache“ zugerechnet werden, wie etwa beim neuen Untersuchungsausschussgesetz; vgl. hierzu H.-P. Schneider, Spielregeln für den investigativen Parlamentarismus, NJW 2001, 2604 (2604 f., 2607). 308 Die Betonung der intraorganisatorischen Kontrolle durch die Opposition geht, wie W. Krebs, S. 128 ff., 164, aufzeigt, von der Voraussetzung des Bestehens eines Dualismus zwischen Opposition- und Regierungsfraktionen aus, der vom Grundgesetz weder veranlasst noch geboten ist. Diese beruht auf einer Verengung des Kontrollbegriffs auf eine negative, ablehnende Kritik, ebd., S. 134. 309 Vgl. H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1078); ders., NJW 1996, 1233 (1236 f.); ders., Der Staat als Beute, S. 369; ders., ZRP 1989, 258 (264); ders., DVBl. 1987, 1241 (1247); H. Klatt, ZParl 1973, 407 (415 f.); ders., Altersversorgung, S. 119 f.; H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (329); für die Parteienfinanzierung: J. Ipsen, JZ 1992, 753 (761); für die Verhaltensregeln des Deutschen Bundestags s. P. Krause, DÖV 1974, 325 (325); s. a. G. Weck, ZRP 1988, 305.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
lich geworden, geht nahezu sämtlichen Parlamentsentscheidungen ein informeller Prozess voraus, d.h. wesentliche Abstimmungen zwischen den Parlamentariern über die vom Parlament zu leistende Zuordnung von Interessen geschehen bereits im Vorfeld310 oder parallel zum parlamentarischen Prozess.311 Auch besteht die Notwendigkeit solcher Prozesse, da etwa der Interessenvermittlungsprozess zum Abgeordneten hin stets ein informeller sein muss. Darüber hinaus wird eine Vielzahl von Gesetzentwürfen auch in anderen Bereichen in interfraktioneller Übereinstimmung ohne Aussprache bzw. nach kurzer Debatte in kurzen Fristen verabschiedet.312 Gerade den Diätenentscheidungen des Bundestags wird stets ein besonders intensiver informaler Prozess vorausgehen. Die in der Literatur oft genannte „Kartellbildung“ stellt einen solchen Akt informellen Handelns dar, da sich „Kartelle“ eben nicht von selbst bilden, sondern der Absprache – und insbesondere der Interessenzuordnung und gegenseitigen Kontrolle bedürfen. Wie im Weiteren aufzuzeigen sein wird,313 ist die öffentliche, extraorganisatorische Kontrolle bei Diätenentscheidungen des Bundestags besonders intensiv, d.h. regierungsnahe Abgeordnete, Oppositionsabgeordnete, deren Fraktionen und Parteien haben in dieser Frage ein besonderes Interesse, keinen Anlass zu geben, alleine der öffentliche Kritik – und der der politischen Gegenseite – ausgesetzt zu sein. Es wäre für die Opposition, aber auch die regierungsnahen Abgeordneten ein gefundenes Fressen, die Gegenseite gerade bei der Fragestellung der Diäten bloßzustellen. Gerade deshalb bedarf es im Vorfeld besonders intensiver gegenseitiger Kontrolle der Abgeordneten untereinander, um dann möglichst geschlossen in den formellen Prozess der parlamentarischen Entscheidung einzutreten. Daher ist es kein Argument für ein mögliches Kontrolldefizit, dass die Abgeordneten meist einstimmig über Diätenregelungen abstimmen – abgesehen davon kommt niemand auf die Idee, ein solches Defizit bei sonstigen einstimmigen Entscheidungen, die die weitaus überwiegende Mehrheit der Bundestagsentscheidungen ausmachen,314 anzunehmen. Im Gegensatz zur allgemeinen Wahrnehmung muss intraorganisatorisch ein extrem kontrollintensiver Prozess stattfinden, der als solcher aber nach 310 s. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 174. Vgl. auch W. Krebs, S. 27 ff., 125 ff., der der Entscheidung vorausgehende Vereinheitlichungen bereits als Entscheidungen und mithin auch als Kontrolle klassifiziert. 311 Vgl. dazu insbesondere M. Morlok, VVdStRL 62, 37 (64 ff.). Zu Recht hat W. Krebs, S. 51, darauf hingewiesen, dass eine organisatorisch ausdifferenzierte Kontrolle weder machbar noch wünschenswert ist, dass vielmehr im Entscheidungsprozess die Selbstkontrolle durchaus bereits rationalisierend wirkt, ebd., S. 48. 312 H. Klatt, ZParl 1973, 407 (416). 313 s. (c). 314 Vgl. H. Klatt, ZParl 1973, 407 (416); ders., Altersversorgung, S. 120 f.
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außen wegen der Vereinheitlichung vor dem formellen Verfahren kaum als solcher wahrgenommen werden kann. Dass in diesem Prozess wesentlich andere als nur ökonomische Interessen der Abgeordneten wirken, wird schon dadurch deutlich, dass die Einkommen der Abgeordneten seit 1977 – der Umstellung auf eine Vollalimentation – mit der Gesamteinkommensentwicklung nicht Schritt gehalten haben.315 Insofern kann ein tatsächliches Kontrolldefizit im intraorganisatorischen Bereich nicht festgestellt werden. Entgegen der – belegfrei und nur mit auf eine an ökonomische Interessen appellierende Vermutungen arbeitenden – allgemeinen Wahrnehmung, auch im juristischen Schrifttum, spricht hier vieles für einen besonders intensiven Kontrollprozess, weil die Abgeordneten als im politischen Prozess Stehende ihre Interessenabwägung viel mehr am Dualismus Machterhalt/Machtverlust denn an ökonomischen Interessen ausrichten. Dem kann nun entgegen gehalten werden, dass dieser Kontrollprozess ein nicht öffentlicher Prozess ist, das Parlament aber auf den Grundsatz der Öffentlichkeit verpflichtet ist.316 Die Öffentlichkeit dient im hier interessierenden Zusammenhang insbesondere der extraorganisatorischen Kontrolle, die 315 s. für den Grund, „dass die Abgeordneten sich genieren, die Diäten in angemessener Höhe festzusetzen“, bereits Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 85. Das von H. H. v. Arnim, NJW 1996, 1233 (1234 Schaubild 1), scheinbar diagnostizierte exponentielle Anwachsen der Abgeordnetendiäten im Vergleich zur allgemein Einkommensentwicklung beruht darauf, dass er mit absoluten Zahlen statt mit prozentualen Wachstumsraten arbeitet. Dasselbe, ja sogar ein wesentlich höheres exponentielles Wachstum würde man etwa beim Vergleich von Beamten des höheren und des mittleren Dienstes bzw. eines Angestellten nach BAT V und eines Angestellten nach BAT I finden, wenn man hier eine Grafik mit absoluten Zahlen darstellen würde. Anhand des Schaubilds lässt sich indes nachweisen, dass das durchschnittliche Arbeitnehmereinkommen im Zeitraum zwischen 1977 und 1996 um annähernd 100% anwuchs, während die Abgeordnetendiäten nur um etwa 66% anstiegen; vgl. auch H. H. Klein, FS Blümel, S. 225 (233 ff.). Unklar ist darüber hinaus, weshalb willkürlich als Vergleichsgruppe die durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen gewählt wurden und nicht etwa das durchschnittliche Einkommen von Bundesligafußballspielern. Auch H. H. v. Arnims Vorschlag, als „Nulljahr“ nicht auf das Jahr der erstmaligen Besteuerung der Diäten abzustellen, vermag nicht zu überzeugen, da dies hieße, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. s. dazu insbesondere auch P. Conradi, ZParl 1976, 112 (124), der insgesamt von einer Schlechterstellung der meisten Abgeordneten durch die Neuregelung ausging. J. Isensee, FS Fromme, S. 41 (61), hält die Diäten für „durchwegs maßvoll“. Insofern scheint der Abgeordnete der Constitutional Convention Theodore Sedgwick mit seiner am 14. August 1789 getroffenen Aussage: „gentlemen were generally more inclined to make [the Congressional salaries] moderate than excessive.“, zitiert nach: R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 497 (527), Recht behalten zu haben. Siehe auch die Auseinandersetzung zwischen H. H. v. Arnim, ZRP 2003, 235 ff.; ders., ZRP 2004, 26; H.-W. Klotz, ZRP 2003, 424 f.; und W. M. Sieveking, ZRP 2004, 58.
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bereits während des Prozesses wirken können soll. Gerade um diese Öffentlichkeit zu vermeiden, muss intraorganisatorisch ein besonders intensiver gegenseitiger Kontrollprozess stattfinden, da eben tatsächlich kein Wegfall von gegenseitigem Beobachten von Regierungsfraktionen und Oppositionsfraktionen besteht. Bestenfalls kann hier als Folge des Wegfalls bzw. der Einschränkung extraorganisatorischer Kontrolle mangels Öffentlichkeit eine Nichteinbeziehen bestimmter in der Öffentlichkeit vorhandener Interessen in den intraorganisatorischen Kontrollprozess geschehen. Jedoch kann angenommen werden, dass die Abgeordneten mit den zu dieser Frage grundsätzlich von der Öffentlichkeit angebrachten Fragen aus Erfahrung vertraut sind, weshalb davon auszugehen ist, dass wegen der systemnotwendigen Vereinheitlichung des informellen Prozesses solchen Bedenken bereits hier Rechnung getragen wird. Ein tatsächliches intraorganisatorisches Kontrolldefizit ist daher im Ergebnis gerade nicht festzustellen. Die so genannte „Kartellbildung“ bedingt gerade einen besonders intensiven intraorganisatorischen Kontrollprozess. Dieser Vereinheitlichungs- und Kontrollprozess hat im Ergebnis auch zur Folge, dass die intraorganisatorischen Initiativmöglichkeiten interorganisatorischer Kontrolle nicht wahrgenommen werden, soweit dies überhaupt möglich wäre.317 (c) Extraorganisatorische Kontrolle Vorauszuschicken ist den nun folgenden Erörterungen, dass der öffentliche Kontrollprozess von Diätenregelungen des deutschen Bundestages ein außerordentliches Ausmaß besitzt. Nur wenige Entscheidungen des Bundestages werden in dem Umfang öffentlich diskutiert wie die Leistungen an Abgeordnete. Je sichtbarer der Entscheidungsprozess, umso weitgehender ist die öffentliche Kontrolle,318 die weit über das übliche Ausmaß der Kontrolle sonstiger Regelungen hinausgeht. Allerdings ist aufgrund des informalen intraorganisatorischen Vereinheitlichungs- und Kontrollprozesses ein frühzeitiger Eingriff extraorganisatori316 Vgl. W. Krebs, S. 163; U. Scheuner, Kontrolle, S. 63 f. s. a. BVerfGE 40, 296 (326). Vgl. überdies zu den Status der Abgeordneten als solche der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit, M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38 Rn. 126 ff. 317 Vgl. dazu oben (a)(dd). 318 Anzumerken ist allerdings, dass nicht jede Kontrolle per se eine positive Wirkung haben muss. Ein außerordentliches Ausmaß an Kontrolle, das etwa über die gewöhnliche Zuordnung von Kontroll„kompetenzen“ hinausgeht, vermag im Einzelfall das austarierte Kontrollsystem zu schädigen und somit die Möglichkeit sinnvoller Entscheidungen gar zu erschweren.
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scher Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die sich insbesondere auch in medialer Öffentlichkeit ausdrückt, erschwert.319 Die an sich in parlamentarischen Entscheidungen übliche begleitende öffentliche Kontrolle wird weitgehend zur Ex-post-Kontrolle, da der Öffentlichkeit der Zugang zum informellen Prozess weitgehend fehlt. Dies wird noch verstärkt, wenn ins Gesetzgebungsverfahren eingebaute Verzögerungs- und Kontrollelemente wie die Notwendigkeit dreier Gesetzesentwurfslesungen nach § 78 I GO-BT verkürzt werden. Jedoch handelt es sich bei diesen Vorgaben nicht um formelles Verfassungsrecht, weshalb das Verfahren auch in anderen Entscheidungen jederzeit nach § 80 II GO-BT verkürzt werden kann. Inwieweit die Regelung des § 78 I GO-BT insofern einer Stärkung extraorganisatorischer Kontrolle dient, ist fragwürdig. Darüber hinaus findet das weitere Verfahren ja auch ansonsten zunächst in – nichtöffentlicher! – Ausschusssitzung statt. Darüber hinaus werden – wie aufgezeigt – viele Bedenken der Öffentlichkeit gerade im informellen Prozess schon eine wesentliche Rolle gespielt haben, da die Reaktionen meist abzusehen sind. Eine weitere Einwirkungsmöglichkeit der Öffentlichkeit – noch im Gesetzgebungsprozess – besteht darüber hinaus im Zeitrahmen des Art. 76 II 2 GG. Sie besteht zwar nicht in das Parlament hinein, das gesamte Gesetzgebungsverfahren ist jedoch für die Öffentlichkeit nicht abgeschnitten. Wenngleich also ein gewisses Kontrolldefizit bei der extraorganisatorischen politischen Kontrolle festzustellen ist, so ist dieses wegen des besonders intensiven Kontrollprozesses im informellen parlamentarischen Prozess und der Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle nicht so ungewöhnlich, wie dies im Allgemeinen dargestellt wird, sondern entspricht dem, was auch in anderen Entscheidungen möglich und nicht unüblich ist. Für die extraorganisatorische Initiative interorganisatorischer Kontrolle gilt hingegen das oben Gesagte:320 Mangels unmittelbarer Beschwer haben die Öffentlichkeit und ihre Glieder keine Möglichkeit der Initiative gerichtlicher Kontrolle, was einen Unterschied zu den meisten anderen Parlamentsentscheidungen darstellt, die neben den Abgeordneten auch weitere Bürger betreffen. (d) Ergebnis Als Ergebnis lässt sich für die Diätenentscheidungen des Parlaments – dazu zählen auch Versorgungs- und Ausstattungsfragen – feststellen, dass 319
Nach dem in Fn. 318 Gesagten kann diese Einschränkung aber eventuell bedeuten, dass das austarierte Kontrollgleichgewicht eben durch diese Hemmnis der öffentlichen Kontrolle erst wieder hergestellt wird. 320 s. (a)(dd).
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
ein Kontrolldefizit insbesondere für die Möglichkeit und Initiative rechtlicher Kontrolle durch die Gerichte besteht, während die sonstigen Kontrollstandards interorganisatorischer und intraorganisatorischer Kontrolle den üblichen Maßstäben entsprechen, ja für letztere sogar über das übliche Maß hinausgehen. Für die extraorganisatorische Kontrolle kann hingegen wegen des informellen parlamentarischen Verfahrens ein – wenngleich geringfügig – verminderter Kontrollzugriff gegenüber sonstigen Gesetzgebungsverfahren festgestellt werden.321 (2) Fraktionsfinanzierung Im Rahmen der Finanzierung der Fraktionen im Deutschen Bundestag ergeben sich ähnliche Probleme wie bei der Entscheidung über die Diäten der Abgeordneten, wenngleich einzelne Unterschiede festzustellen sind. Unterschiede bei der interorganisatorischen Kontrolle ergeben sich dadurch, dass die Zuweisungen an die Fraktionen nicht unmittelbar aus dem AbgG hervorgehen, sondern sich hier nur die Rechtsgrundlage findet, während die konkreten Zuweisungen durch Haushaltsgesetz und Haushaltsplan erfolgen. Als interorganisatorisch politisch Kontrollierende kommen hier wiederum nur Bundesrat und Bundesregierung in Betracht, jedoch ist hier noch mehr als im Rahmen der Diäten zu vermuten, dass sich der Bundesrat gegenüber dem insoweit als autonom verstandenen Bundestag zurückhält, da es sich bei den Fraktionen ja schlicht um Gliederungen des Verfassungsorgans Bundestag handelt. Als Organe interorganisatorischer rechtlicher Kontrolle kommen hier neben dem Bundespräsidenten, für den die bereits oben genannten Einschränkungen gelten, die Gerichte in Betracht. Jedoch kommen hier als Antragsarten grundsätzlich wiederum nur die abstrakte Normenkontrolle und das Organstreitverfahren in Betracht, die diesbezüglich für die Diäten genannten Einschränkungen gelten auch hier. Zusätzliche Möglichkeiten können sich hier durch eventuelle Antragsmöglichkeiten fraktionsloser Abgeordneter und parlamentarischer Gruppen ergeben.322 Die Wahrscheinlichkeit interorganisatorischer gerichtlicher Kontrolle wird dadurch, wenngleich nicht wesentlich, erhöht. Die Initiation gerichtlicher Kontrolle durch Private, i. e. Bürger, ist hier wie bei den Diäten ausgeschlossen. In Betracht kämen allerdings noch An321
Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob der intensive innerparlamentarische Prozess dies nicht ausgleicht. 322 Vgl. dazu etwa die Wüppesahl-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 80, 188 ff., und das sog. 2. PDS-Urteil, BVerfGE 84, 304 ff.
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träge konkurrierender, nicht im Bundestag vertretener Parteien, soweit sie durch die Fraktionsfinanzierung, etwa im politischen Wettbewerb, benachteiligt würden. Dies scheint insbesondere unter dem Gesichtspunkt möglich, dass die Fraktionen laut § 47 III AbgG nunmehr auch selbständige Öffentlichkeitsarbeit betreiben dürfen.323 Auch hierin ist eine im Vergleich zu den Diätenentscheidungen erweiterte Möglichkeit der Initiative zu gerichtlicher Kontrolle zu sehen. Allerdings verbleibt es bei einem relativ begrenzten Bereich potentieller Kontrollinitiatoren gerichtlicher Kontrolle. Darüber hinaus ergibt sich auch hier das Problem des Herstellens gerichtlicher Maßstäbe.324 Im Gegensatz zu der Versorgung der Abgeordneten, bei der sich, wenngleich begrenzt, noch Maßstäbe aus Art. 48 III 1 GG herleiten lassen, fehlen solche für die Fraktionsfinanzierung, was allerdings wegen der Anpassung an den Bedarf und die entsprechende Abrechnungsverpflichtung der Fraktionen weniger Bedeutung hat. Allerdings wird hier das Kontrolldefizit reduziert durch die nachträgliche Kontrolle der Fraktionsfinanzierung durch den Bundesrechnungshof.325 Dies ist aber keine Kontrolle der tatsächlichen Entscheidung des Parlaments, sondern – nachträglich – nur des tatsächlichen Bedarfs der Fraktionen, da diese im Gegensatz zu den Diäten der Abrechnung unterliegen. Insbesondere hat das Parlament die Möglichkeit, die Aufgaben der Fraktionen und somit auch die Finanzierung selbständig zu erweitern.326 Für die interorganisatorische Kontrolle ist also nur bei der rechtlichen eine leicht erhöhte Kontrollintensität bzw. erweiterte Initiativmöglichkeit gegeben, ansonsten ergeben sich keine erheblichen Unterschiede zu den Diätenentscheidungen. Auch für die intraorganisatorische Kontrolle ergeben sich keine Unterschiede – hier besteht die Notwendigkeit der informellen Vereinheitlichung im parlamentarischen Bereich. Nichtsdestoweniger existiert hier ein gewisses Minus an Notwendigkeit, da die Wahrnehmung der Öffentlichkeit solcher Entscheidungen als „Selbstbedienung“ weniger ausgeprägt ist, weil die Abgeordneten von der Fraktionsfinanzierung keinen individuellen Gewinn haben. Darüber hinaus ist ein Minus an informeller Vereinheitlichungsnotwendigkeit auch durch die nachträgliche Kontrolle durch den Bundesrechnungshof gegeben. Insgesamt ist daher auch hier kein echtes Kontrolldefizit 323 Zur Kritik s. H. H. v. Arnim, Finanzierung der Fraktionen, S. 23; M. Morlok, NJW 1995, 29 (31); U. Müller, NJW 1990, 2046 (2048). 324 Vgl. zu diesem Problem insbesondere die Ausführungen unten zur sog. absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung. 325 Zur Eigenschaft der Rechnungshofkontrolle als echte Kontrolle s. insb. W. Krebs, S. 170 ff. 326 Vgl. zu diesem Problem noch unten b)(3).
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
intraorganisatorischer Kontrolle festzustellen. Wegen der etwas erhöhten Wahrscheinlichkeit der Initiative interorganisatorischer gerichtlicher Kontrolle durch fraktionslose Abgeordnete und parlamentarische Gruppen ist hier die ohnehin große intraorganisatorische Kontrollintensität noch erhöht. Wegen des meist bestehenden informellen Vereinheitlichungsverfahrens im Bundestag sind auch hier die Zugriffsmöglichkeiten der Öffentlichkeit, mithin extraorganisatorischer Kontrolle, eingeschränkt. Jedoch scheint hier ein geringeres Bedürfnis nach solchem Zugriff zu bestehen, da dem Verteilungsverfahren eine Kontrolle durch den Bundesrechnungshof nachgeschaltet ist und die Abgeordneten selbst keinen persönlichen Gewinn aus der Fraktionsfinanzierung zu beziehen scheinen, wenngleich insbesondere ihre Selbstdarstellungsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit erhöht werden. Für die Fraktionsfinanzierungsentscheidungen existiert folglich vor allem ein Kontrolldefizit im Bereich der Möglichkeit rechtlicher Kontrolle, während sonstige, insbesondere extraorganisatorische Kontrolldefizite durch die Abrechnungsverpflichtung und die folgende Kontrolle von Seiten des Bundesrechnungshofs ausgeglichen werden. (3) Parteienfinanzierung Im Rahmen interorganisatorischer Kontrolle ergeben sich für die Bundestagsentscheidungen über die Parteienfinanzierung keine wesentlichen Unterschiede. Die vornehmlich politischen Kontrollinstanzen Bundesrat und Bundesregierung üben hier eine ebenso eingeschränkte Kontrolle aus wie bei den Diätenentscheidungen. Für die rechtliche Kontrolle steht ebenso die Kontrollmöglichkeit des Bundespräsidenten zur Verfügung, deren Wahrnehmung hier jedoch ebenso unwahrscheinlich ist wie bei den Diätenentscheidungen. Eine interorganisatorische Kontrolle durch die Gerichte ist jedoch weniger eingeschränkt möglich als im Rahmen der Diätenentscheidungen oder der Fraktionsfinanzierungsentscheidungen. Dies erweist sich schon anhand der Menge von Entscheidungen über die Parteienfinanzierung, sei sie nun staatlich oder privat.327 Grund hierfür sind vor allem weitergehende Antragsmöglichkeiten konkurrierender, nicht im Bundestag vertretener Parteien. Darüber hinaus haben insbesondere in früheren Jahren die Regierungen einzelner Bundesländer, allen voran die des Landes Hessen, ihre Kontrollinitiative zum Bundesverfassungsgericht wahrgenommen.328 Dies spricht dafür, dass in früheren Jahren der Widerspruch zwischen den im 327 BVerfGE 8, 51 ff.; 20, 56 ff.; 24, 300 ff.; 52, 63 ff.; 73, 40 ff; 85, 264 ff.; 111, 54 ff.; 111, 382 ff. 328 BVerfGE 8, 51 ff.; 20, 56 ff.
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Bundestag vertretenen Parteien größer war – das Land Hessen war im Gegensatz zum Bund sozialdemokratisch regiert. Daraus scheinen die Fraktionen des Bundestags Lehren gezogen zu haben, so dass nunmehr solche Fälle nicht mehr vorkommen, was für eine verstärkte intraorganisatorische Kontrolle spricht. Problematisch ist hier, wie auch für die Fraktionsfinanzierung und die Abgeordnetendiäten die Bildung eines verfassungsrechtlichen Maßstabs für die Höhe der Parteienfinanzierung. Im Gegensatz zu den Diäten gibt es keine ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Nichtsdestoweniger hat das Bundesverfassungsgericht mit der absoluten Obergrenze der Parteienfinanzierung eine solche verfassungsrechtliche Größe geschaffen. Allerdings erscheint es problematisch, dass das Bundesverfassungsgericht hierfür letztlich keinerlei verfassungsrechtliche Grundlage hatte und sich nur auf den Grundsatz sparsamer staatlicher Haushaltsführung stützen konnte. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht ein letztlich durch Art. 21 III GG der Legislative aus Bundestag und Bundesrat zur Entscheidung überlassenes Feld usurpiert. Durch den judicial activism des Bundesverfassungsgerichts wurde dessen eigene Kontrollintensität wesentlich erhöht, das Bundesverfassungsgericht hat sich „in eigener Sache“ ermächtigt. Dies wird zum Teil als Notwendigkeit mangels verfassungsrechtlicher Maßstäbe angesehen und begrüßt.329 Insbesondere hätten die Väter und Mütter der Verfassung eine staatliche Parteienfinanzierung als solche noch gar nicht vorausgesehen und für möglich gehalten, woraus die Legitimität der staatlichen Parteienfinanzierung als solche in Frage gestellt wird.330 Neben den grundsätzlichen Einwänden gegen eine rein historisch orientierte Verfassungsinterpretation331 ist dem entgegenzuhalten, dass im Dritten Deutschen Bundestag des Jahres 1958, als erstmals im Rahmen des Haushaltsgesetzes Globalzuschüsse für die Parteien festgesetzt wurden, immerhin noch 16 der 65 stimmberechtigten Mitglieder des Parlamentarischen Rats vertreten waren332 und bei der 329 Vgl. H. H. v. Arnim, Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, S. 72 f.; B.-O. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 329; D. Grimm, in: Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften, S. 83 (103); M. Morlok, NVwZ 2005, 157 (157); ders., in: D. Th. Tsatsos, 30 Jahre Parteiengesetz, S. 53 (67 f.); ders., in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (100 f.); ders., JZ 1989, 1035 (1045 f.); H. Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, S. 85. 330 H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 244 f. Dagegen aber auch schon W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 222, der die Einführung der staatlichen Parteibezuschussung wegen der durch das Grundgesetz vermittelten größeren Nähe der Parteien zu den Staatsorganen für „naheliegend“ hält. 331 Vgl. etwa Ph. Bobbitt, Constitutional Interpretation, S. 122 ff.; ders., Constitutional Fate, S. 9 ff.; M. V. Tushnet, S. 25 ff. 332 Namentlich waren dies Konrad Adenauer, Hannsheinz Bauer, Max Becker, Heinrich von Brentano, Thomas Dehler, Otto Heinrich Grev, Rudolf-Ernst Heiland,
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
Einführung der staatlichen Parteienfinanzierung sozusagen als „authentische Interpretatoren“ der Verfassung eine gegenteilige Aussage getätigt haben. Auch wurde bereits unter der Geltung der Weimarer Verfassung von 1919 über die Möglichkeit staatlicher Parteienfinanzierung nachgedacht.333 Die interorganisatorische Kontrolle insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht und den recht breiten Kreis möglicher Kontrollinitiatoren ist in diesem Bereich im Ergebnis vergleichsweise sehr dicht. Allerdings besteht im Gegensatz zur Fraktionsfinanzierung keine nachträgliche Verwendungskontrolle, die eine gewisse Begrenzung darstellt. Wie bereits angesprochen, scheint auch im Bereich der Parteienfinanzierung mittlerweile die intraorganisatorische Kontrolle wesentlich intensiviert.334 Die bereits bei den Diätenentscheidungen gemachten Ausführungen sind hier allerdings dahin gehend zu erweitern, dass es neben den – nur indirekt betroffenen – Interessen der Bürger als Steuerzahler noch die Interessen der neben den im Bundestag vertretenen Parteien als im innerparlamentarischen Prozess zu beachtende gibt. Deren Interessen mögen tatsächlich neben denen der im Bundestag vertretenen Parteien bei der Gesetzesentscheidung oft nicht ausreichend berücksichtigt werden – gerade dadurch und deshalb besteht hier jedoch eine höhere Kontrollintensität im Rahmen der interorganisatorischen Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Wegen der erhöhten intraorganisatorischen Kontrolle, die allerdings auch hier vor allem einem informellen Prozess unterliegt, sind die Zugriffsmöglichkeiten politischer extraorganisatorischer Kontrolle wie bei Diätenentscheidungen eingeschränkt. Jedoch ist auch hier festzustellen, dass dies keinen erheblichen Unterschied zu vielen sonstigen Entscheidungen des Bundestages darstellt. Allerdings sind durch eine erweiterte Zahl von Kontrollinitiatoren gerichtlicher Kontrolle die extraorganisatorischen Ex-postKontrollmöglichkeiten erweitert. Anton Hilbert, Friedrich Maier, Walter Menzel, Friederike Nadig, Erich Ollenhauer, Carlo Schmid, Hans-Christoph Seebohm, Friedrich Wilhelm Wagner, Helene Weber und Helene Wessel. Darüber hinaus war ab der Vierten Wahlperiode, in der die Praxis der Haushaltsbezuschussung ja fortgesetzt wurde, das ehemalige Mitglied des Parlamentarischen Rates Adolf Süsterhenn wieder im Bundestag vertreten. Auch der Bundespräsident des Jahres 1958, Theodor Heuss, der dem Haushalt des Jahres 1959 seinen Segen erteilte, war Mitglied des Parlamentarischen Rates. 333 So hatte bereits im Jahre 1928 der ehemalige Reichskanzler und damalige Außenminister Gustav Stresemann die Einführung einer staatlichen Wahlkampfkostenerstattung für die Parteien gefordert; vgl. Th. Eschenburg, Probleme der modernen Parteienfinanzierung, S. 11. 334 Vgl. aber M. Morlok, NVwZ 2005, 157 (157), der auch hier auf die Problematik hinweist, dass wegen der im Parlament vertretenen Interessen die Gefahr bestehe, dass Mitbewerber – kleine Parteien – von Gesetzesentscheidungen des Parlaments übervorteilt werden.
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(4) Finanzierung der politischen Stiftungen Bei den Entscheidungen zur Finanzierung der politischen Stiftungen ergeben sich zunächst im Rahmen interorganisatorischer Kontrolle keine wesentlichen Unterschiede zur Problematik von Diätenentscheidungen, Entscheidungen über die Fraktionsfinanzierung und solchen über die Finanzierung der politischen Parteien. Die politische interorganisatorische Kontrolle ist ebenso wie die rechtliche durch den Bundespräsidenten schwach ausgeprägt, was jedoch keinen erheblichen Unterschied zu vielen sonstigen Entscheidungen darstellt. Im Vergleich zu den Initiativmöglichkeiten rechtlicher Kontrolle bei Entscheidungen über die Parteienfinanzierung ist jedoch die Kontrolldichte aus faktischen Gründen geringer, da schlicht weniger politische Stiftungen als politische Parteien existieren. Auch hier stellen sich Maßstäbefragen, das Bundesverfassungsgericht hat sich hier im Gegensatz zur Parteienfinanzierung nicht geäußert.335 Im Rahmen der intraorganisatorischen Kontrolle bestehen dieselben Mechanismen wie bei den anderen Politikfinanzierungsentscheidungen, wenngleich mangels besonders ausgeprägten Interesses der Öffentlichkeit hier ein Minus an Notwendigkeit der informellen Kontrolle besteht, jedoch dürfte dieser Mechanismus sämtliche Fragen der Politikfinanzierung erfassen, was wiederum zu einer geringen Kontrollmöglichkeit extraorganisatorischer Instanzen führt. Diese Kontrollschwäche wird noch dadurch verstärkt, dass die staatliche Finanzierung der politischen Stiftungen ohne eigenständige rechtliche Grundlage aus dem Haushaltsgesetz bzw. -plan erfolgt. Wie bei der Parteienfinanzierung gibt es hier auch keine die Kontrollschwäche konterkarierende nachträgliche Verwendungskontrolle, wie sie etwa bei der Fraktionsfinanzierung besteht. Insoweit ist die am wenigsten ausgeprägte Kontrolldichte der bislang behandelten Fälle im Bereich der Finanzierung der politischen Stiftungen zu beobachten, so dass hier am deutlichsten von einem Kontrolldefizit die Rede sein kann. (5) Parlamentsfinanzierung Die Parlamentsfinanzierung, mithin die Entscheidung über den Parlamentshaushalt, gehört ebenfalls in den Bereich der Politikfinanzierung. Eine interorganisatorische politische Kontrolle wird hier schon aus Gründen der Parlamentsautonomie kaum vorgenommen werden, auch eine rechtliche Kontrolle durch den Bundespräsidenten ist unwahrscheinlich. Für eine 335
Vgl. BVerfGE 73, 1 ff.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
rechtliche Kontrolle fehlt es ohnehin an verfassungsmäßigen Maßstäben. Letztlich ist hier eine interorganisatorische Kontrolle durch Gerichte ebenfalls nahezu ausgeschlossen, da entsprechende Initiatoren einer solchen Kontrolle mangels Betroffenheit kaum vorstellbar sind. Allerdings findet auch hier eine nachträgliche Verwendungskontrolle durch den Bundesrechnungshof statt. Das intraorganisatorische Verfahren entspricht auch in dieser Frage dem, was aus den sonstigen Politikfinanzierungsentscheidungen bekannt ist, wenngleich hier am wenigsten Interesse an einem möglichst offenen Verfahren bestehen dürfte. Insofern wird das informelle Verfahren hier – obgleich nicht aus der gesehenen Notwendigkeit vorheriger Vereinheitlichung, sondern aus Praktikabilitätsgründen – stattfinden. Die extraorganisatorische Kontrolle ist hier – mangels tatsächlichen Interesses – sehr schwach ausgeprägt. Insgesamt ist daher die Kontrolldichte gerade auch bei der Entscheidung über den Parlamentshaushalt äußerst schwach ausgeprägt. Im Gegensatz zur Stiftungsfinanzierung findet hier allerdings eine nachträgliche Verwendungskontrolle statt. (6) Regierungsbesoldung Im Rahmen der Besoldung von Mitgliedern der Bundesregierung stellt sich die Lage bei der interorganisatorischen Kontrolle ähnlich wie in den anderen Bereichen der Politikfinanzierung dar. Von einer politischen Kontrolle von Seiten der Bundesregierung wäre grundsätzlich nur auszugehen, wenn deren Mitglieder unterversorgt würden.336 Das Ausüben einer solchen Kontrolle ist der Regierung allerdings durch die bloße Vetoposition des Art. 113 GG nicht möglich. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich die Regierung im Rahmen einer Erhöhung der Besoldung gegen Entscheidungen des Bundestages sperrt, was jedoch – wie aufgezeigt – keinen wesentlichen Unterschied zur sonstigen Praxis der Bundesregierung darstellt. Ein Kontrolldefizit ist mithin nicht festzustellen. Auch der Bundesrat wird aus Autonomiegründen – hier also der Autonomie des Staatsorgans Bundesregierung – seine Kontrollbefugnisse nur eingeschränkt wahrnehmen. Die rechtliche Kontrolle durch den Bundespräsidenten krankt an der mangelnden Existenz verfassungsrechtlicher Maßstäbe, was eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht schwierig macht. Auch gelten diesbe336 Vgl. dazu aber die Ausführungen zu den Abgeordnetendiäten, bei denen durchaus auch ein Interesse der Abgeordneten an der Durchsetzung anderer als schlicht ökonomischer Interessen bestehen kann.
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züglich die bereits bei den Diäten der Abgeordneten skizzierten Ausführungen: Es fehlt mit Ausnahme der in der abstrakten Normenkontrolle zugelassenen Antragsteller allen sonstigen, insbesondere außerhalb des Staates stehenden Dritten, an einer Antragsmöglichkeit zu den Gerichten und insbesondere zum Bundesverfassungsgericht. Auch bei der intraorganisatorischen Kontrolle gelten die bereits gemachten Ausführungen. Auch hier wird eine Regelung in vielfach informalem Verfahren zunächst vorab geklärt und dann erst in den formalen Prozess eingespeist werden. Allerdings ist hier die – potentielle – Interessenidentität der Abgeordneten eine wesentlich geringere als bei den anderen genannten Entscheidungen, da es sich bei den Abgeordneten nur z. T. um Regierungsmitglieder handelt. Nichtsdestoweniger besteht wegen des intensiven Interesses der Öffentlichkeit, die letztlich doch eine Identität der „politischen Klasse“ postuliert, beim Bundestag ein Bedürfnis nach informeller Vorabklärung. Für die extraorganisatorische Kontrolle gelten mithin die getätigten Ausführungen. (7) Ergebnis Für die Kontrolle der Entscheidungen über die Politikfinanzierung können daher insgesamt folgende Aussagen getroffen werden:337 Obgleich Bundesregierung und Bundesrat ihre Kontrollkompetenzen nur stark eingeschränkt, wenn überhaupt wahrnehmen, stellt dies insoweit wegen der dahinter stehenden Gründe keinen wesentlichen Unterschied zu anderen Entscheidungen dar. Die mangelnde Kontrolle bzw. Kontrollmöglichkeit durch den Bundespräsidenten (und den Bundeskanzler) stellt kein Kontrolldefizit dar, da sich auch hier kein Unterschied zu sonstigen Entscheidungen des Bundestags ergibt. Ein wesentliches Defizit lässt sich jedoch bei nahezu allen Politikfinanzierungsentscheidungen bezüglich der interorganisatorischen Kontrolle durch die Gerichte, insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht nachweisen. Dies liegt einerseits am Fehlen zuverlässiger verfassungsrechtlicher Maßstäbe, andererseits an der sehr eingeschränkten bzw. fehlenden Gruppe möglicher Kontrollinitiatoren. Dieses Defizit wird insbesondere bei der Parlaments- und Fraktionsfinanzierung teilweise durch die nachgeschaltete Kontrolle der Ausgaben durch den Bundesrechnungshof ausgeglichen. Je337 Für eine integrierende Sichtweise im Bereich der Politikfinanzierung M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, Poltikfinanzierung, S. 77 (88 ff.). s. a. G. Wewer, in: ders., Parteienfinanzierung, S. 420 ff.
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doch kann diese nicht die Ausweitung der Fraktionsaufgaben und somit der -ausgaben konterkarieren. Im Falle unzulässiger Aufgabenerweiterung ist jedoch eine Kontrollinitiative zum Bundesverfassungsgericht durch die von einer solchen Erweiterung betroffenen Gruppen, insbesondere Parteien, möglich. Das Kontrolldefizit ist umso kleiner, je eher Kontrollinitiatoren existieren, weshalb etwa die Parteienfinanzierungsentscheidungen unter dem geringsten Kontrolldefizit leiden, während die Diäten-, die Regierungsbesoldungs- und die Stiftungsfinanzierungsentscheidungen unter einem erheblichen interorganisatorischen rechtlichen Kontrolldefizit leiden. Im Rahmen der intraorganisatorischen Kontrollen ist im Gegensatz zu den üblichen Annahmen trotz der allgemein angenommenen Interessenidentität der Abgeordneten kein solches Defizit festzustellen, da gerade das stets beklagte, gewöhnlich einstimmige Verfahren im Bundestag sehr voraussetzungsreich ist. Es bedingt jedoch eine Erschwernis vorheriger extraorganisatorischer Kontrolle im Entscheidungsverfahren, was nicht grundsätzlich unzulässig bzw. sonderlich ungewöhnlich für die auch ansonsten bestehende Parlamentspraxis ist, weshalb das hier bestehende Kontrolldefizit durchaus vielen Parlamentsentscheidungen eigen ist. Der Öffentlichkeit verbleibt in jedem Falle eine Ex-post-Kontrolle, die bereits im Rahmen der Vorlage an den Bundesrat ausgeübt werden kann. Festzustellen bleibt mithin ein verfassungsrechtlich zulässiges, wenngleich nicht zwingend erwünschtes Kontrolldefizit auf extraorganisatorischer Ebene bestehen. b) Parlamentsrecht und Regelungen des Abgeordnetenstatus Unter Regelungen des Abgeordnetenstatus sind hier zunächst nur solche zu verstehen, die sich nicht in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages finden. Das Regelungsspektrum ist dabei recht begrenzt, da das Abgeordnetengesetz in wesentlichen Teilen ein Abgeordnetenbesoldungsgesetz ist und sich im Weiteren den Fraktionen zuwendet. Der sonstige materielle Gehalt des AbgG ist begrenzt, insbesondere handelt es sich um Fragen der Wahlvorbereitung und der freien Mandatsausübung. Diese sind jedoch im Rahmen des Wahlrechts zu behandeln. Die Regelungen des Abgeordnetenstatus finden sich mithin hauptsächlich in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags und deren Anlagen. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Regelungen in diesem Bereich können im Rahmen dieser Bearbeitung daher nur einzelne Fragen herausgegriffen werden, namentlich das Verfahrensrechts des Deutschen Bundestags (1), die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestags (2) und das Recht der Fraktionen (3).
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Darüber hinaus gibt es noch diverse Regelungen, die dem Parlamentsrecht zugeordnet werden können und die ebenfalls unter dem Stichwort „Entscheidung in eigener Sache“ genannt werden. Sie bedürfen insoweit der Überprüfung auf hinreichende Kontrolle. Hier sind zu nennen die Gesetzgebung zu den Untersuchungsausschüssen (4) sowie deren Einsetzung (5), die Regelung der Mitgliederzahl der Abgeordneten durch das BWahlG (6), welches selbst an anderem Orte noch zu besprechen sein wird,338 die Regelung des Parlamentssitzes (7), die Verlängerung der Wahlperiode (8) und Organisationsgesetze, die das Verhältnis von Parlament und Regierung im Auge haben (9). (1) Verfahrensrecht des Deutschen Bundestages Eine politische interorganisatorische Kontrolle des Verfahrensrechts des Deutschen Bundestages, wie es in der Geschäftsordnung seinen Niederschlag findet, existiert nicht: Das Geschäftsordnungsrecht unterliegt der Autonomie des Bundestags gemäß Art. 40 I 2 GG, weshalb sich hier weder politische Kontrollmöglichkeiten der Bundesregierung oder des Bundesrats ergeben. Auch findet mangels Gesetzeseigenschaft der Geschäftsordnung keine rechtliche Kontrolle durch den Bundespräsidenten statt. Interorganisatorische rechtliche Kontrolle ist jedoch durch die Gerichte verfügbar, namentlich durch das Bundesverfassungsgericht. Insbesondere im Rahmen eines Organstreits nach Art. 93 I Nr. 1 GG können sowohl Abgeordnete als auch sonstige Bundesorgane bzw. deren mit eigenen Rechten ausgestattete Teile Rechtsverletzungen durch die Geschäftsordnung geltend machen. Wie bei den Politikfinanzierungsentscheidungen ist jedoch die Initiative der Gerichtskontrolle für außerhalb stehende Dritte, also etwa den Bürger, nicht möglich, da dessen Rechte nicht direkt berührt werden. Es ginge jedoch zu weit zu behaupten, dass mangels einer den Gesetzen entsprechenden Allgemeinverbindlichkeit der Geschäftsordnung Rechte der Bürger nicht ebenfalls indirekt berührt sein können, wenn etwa durch eine Bevorteilung der Regierungsfraktionen den Oppositionsfraktionen und deren Abgeordneten eine Beteiligung am parlamentarischen Prozess wesentlich erschwert würde. Dennoch ist eben wegen dieses Widerspruchs der verschiedenen im Bundestag vertretenen politischen Gruppen und Abgeordneten die Wahrnehmung der Initiativrechte zur Herstellung eines grundsätzlichen Gleichgewichts anhand des formalen Gleichheitssatzes des Art. 38 I GG sehr wahrscheinlich. Damit einher geht ein hohes Maß an intraorganisatorischer Kontrolle, die aber, wie häufig in den Fragen der Politikfinanzierung, im informellen Pro338
Vgl. unten d).
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zess stattfindet. Diese wird in diesem Rahmen aber eher durch die drohende Kontrolle durch die Gerichte und den sich daraus für das Bild der veranlassenden Mehrheit im extraorganisatorischen Raume ergebenden Folgen bedingt. Jedoch zielt auch diese intraorganisatorische Kontrolle hier mehr auf rechtliche Fragen denn auf politische Inhalte ab. Die extraorganisatorische Kontrolle der Verfahrensregeln des Deutschen Bundestags ist eher schwach ausgeprägt. Mit Ausnahme der juristischen Fachliteratur finden sich selten Anmerkungen zu den Regeln des parlamentarischen Verfahrens. Dies ergibt sich aber bereits aus der mangelnden Betroffenheit Außenstehender durch die fehlende Allgemeinverbindlichkeit. Wegen der hohen interorganisatorischen und intraorganisatorischen Kontrollintensität kann für das Verfahrensrecht des Deutschen Bundestags daher nicht von einem Kontrolldefizit ausgegangen werden. (2) Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestags Gemäß § 44a AbgG gibt sich der Bundestag Verhaltensregeln.339 Inwiefern diese tatsächlich als Anlage zur Geschäftsordnung ergehen dürfen oder ob hier nicht vielmehr eine gesetzliche Regelung angezeigt ist, weil solche Verhaltensregeln die Person des Abgeordneten, der Belange auch aus seiner Privatsphäre kund zu tun hat, in seinen Grundrechten betreffen, kann hier außen vor bleiben,340 wenngleich sie Auswirkungen auf die Kontrollmöglichkeiten haben. Durch ihre Festschreibung als Anlage zur Geschäftsordnung fehlt es hier an jedweder interorganisatorischer Kontrollmöglichkeit des Bundesrats und des Bundespräsidenten – die Bundesregierung bleibt mangels Ausgabenregelungsgehalt solcher Verhaltensregeln ohnehin außen vor.341 Eine gerichtliche Kontrolle ist nur eingeschränkt möglich – die Rechtslage entspricht der bei den Diäten. Wird der Abgeordnete durch die Verhaltens339
Vgl. zur Kritik derselben etwa M. Stolleis, VVdStRL 44, 7 (35). Die Festlegung im Gesetz ist eben aus diesem Grunde geboten, da insbesondere in analoger Anwendung des Art. 80 II GG das Ausmaß der Verhaltensregeln durch § 44a GG offen bleibt und somit keine ordnungsgemäße Ermächtigungsnorm darstellt. Auch dürfen die Abgeordneten nicht gegenüber Mitbewerbern benachteiligt werden, weshalb auch für Kandidaten eine entsprechende Offenlegung zu fordern ist. Deren Einbeziehung ist jedoch nur durch Gesetz möglich. 341 Auch dies spricht für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, da dann zumindest eine Kontrollmöglichkeit durch Bundesrat und Bundespräsident bestünde, während eine gerichtliche Kontrolle bei zu geringen Standards nach wie vor schwierig zu erlangen wäre. 340
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regeln zur Preisgabe zu vieler persönlicher Informationen veranlasst, hat er die Möglichkeit, im Rahmen des Organstreits dagegen vorzugehen. Entsprechen die Regelungen jedoch nicht dem vom Status der Öffentlichkeit des Abgeordneten342 vorgegebenen Standard, so ist zwar eine objektive, jedoch keine subjektive Rechtsverletzung festzustellen, weshalb keine Antragsmöglichkeiten bestehen. Selbst die abstrakte Normenkontrolle scheiterte, wenn sie denn tatsächlich in Frage käme, an der Rechtsqualität der Verhaltensregeln. Einen verfassungsrechtlichen Standard in Abwägung zwischen dem Status der Öffentlichkeit und den Grundrechten der Abgeordneten zu treffen, dürfte die Gerichte hingegen nicht vor außerordentliche Probleme stellen. Im Ergebnis ist hier allerdings ein völliger Ausfall interorganisatorischer Kontrolle zu statuieren. Für die intraorganisatorische Kontrolle gilt hier, was für die anderen genannten Bereiche ebenfalls gilt: Wegen des öffentlichen Interesses wird eher das informelle Verfahren gewählt werden, um der Öffentlichkeit möglichst schon mit Ergebnissen entgegen zu treten, was beim Ausscheren einzelner Abgeordneter problematisch ist. Dadurch wird die vorherige extraorganisatorische Kontrolle wiederum erschwert, was an sich nicht als besonders problematisch anzusehen ist. Jedoch dienen gerade die Verhaltensregeln der Ermöglichung extraorganisatorischer Kontrolle: Sie sind, wie die öffentliche Rechnungslegung der politischen Parteien, verfassungsrechtlich geboten, da sie Grundlage einer informierten Wahlentscheidung des Bürgers sind.343 Folglich geht im Bereich der Verhaltensregeln des Deutschen Bundestags das völlige Fehlen interorganisatorischer Kontrolle Hand in Hand mit dem Vorhandensein verfassungsrechtlicher Maßstäbe. Selbst eine gesetzliche Regelung brächte hier keine wesentliche Verbesserung, da es wiederum an möglichen Antragstellern fehlen würde. Hier existiert mithin ein wesentliches Kontrolldefizit. (3) Regelungen des Rechts der Fraktionen Das Recht der Fraktionen findet sich teils in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags, teils im AbgG. Von Interesse sind hier insbesondere die Regelungen im AbgG; die in der Geschäftsordnung geregelten Fragen gehören zu den Verfahrensregeln des Deutschen Bundestags und wurden bereits besprochen. 342 Vgl. P. Häberle, NJW 1976, 537 (538 ff.); M. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38 Rn. 158; ders., JZ 1989, 1035 (1038); G. P. Strunk, DVBl. 1977, 615 (616). 343 Für die Parteien vgl. H. M. Heinig/Th. Streit, JURA 2000, 393 (397).
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Im Rahmen des Fraktionsrechts regelt der Bundestag neben der Finanzierung, die hier nicht mehr von Belang ist,344 die Rechtsstellung der Fraktionen und deren Aufgaben. Insofern bestehen gewisse Parallelen zum Parteienrecht.345 Mangels Ausgabenrelevanz scheidet eine interorganisatorische politische Kontrolle durch die Bundesregierung aus, auch vom Bundesrat ist aus dem Gesichtspunkt der Parlamentsautonomie hier kein weitergehendes Tätigwerden zu erwarten. Für die rechtliche Kontrolle durch den Bundespräsidenten gilt die bereits vielfach erwähnte Seltenheit der Ausübung der Kontrollmöglichkeit, wenngleich die verfassungsrechtliche Regelungsdichte, obgleich die Fraktionen im Grundgesetz nur einmal genannt werden, recht hoch ist, da sich wesentliche Grundsätze aus der Chancengleichheit und den Regelungen des Abgeordnetenstatus durch die Verfassung ergeben. Nichtsdestoweniger ist auch die interorganisatorische Kontrolle durch die Gerichte, namentlich durch das Bundesverfassungsgericht, kaum zu bewerkstelligen. Es fehlt an potentiellen Antragstellern. Der Bürger scheidet als nicht direkt Betroffener aus, im Rahmen von Organstreit und abstrakter Normenkontrolle ist eine Antragstellung nur dann zu erwarten, wenn eine Fraktion durch das Gesetz nachteilig behandelt würde, nicht jedoch, wenn das Parlament einen allen Fraktionen gemeinsamen Rechtsvorteil kreiert, der einen Nachteil für Außenstehende begründet. Dies kann etwa der Fall sein, wenn den Fraktionen die Aufgabe eigenständiger Öffentlichkeitsarbeit eingeräumt wird, was einen Nachteil für die Parteien insgesamt darstellen kann, da die Fraktion politisch unabhängiger von der Partei wird. Das bedeutet aber auch einen Vorteil für die im Parlament vertretenen Parteien gegenüber solchen, die es nicht sind. Im ersten Falle wird es an einer Antragsstellung fehlen, weil die Parteien wenig Interesse haben werden, sich gegen die eigene Fraktion zu wenden, im zweiten Falle hingegen wäre eine Antragstellung möglich. Insoweit besteht zumindest, wenn den Fraktionen tatsächlich besondere Vorrechte eingeräumt werden, die gegenüber anderen Organisationen zu einer Verletzung der Chancengleichheit führen, eine Antragsmöglichkeit zum Bundesverfassungsgericht. Von einem völligen interorganisatorischen Kontrollausfall kann mithin nicht die Rede sein, wenngleich ein solches Verfahren – wie jedes Gerichtsverfahren – gewisse Prozessrisiken in sich trägt. Bezüglich der intra- und extraorganisatorischen Kontrolle ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zu dem bereits mehrfach festgestellten Phänomen maßgeblich informeller Vereinheitlichung im Parlament, die stets 344 345
s. oben a)(2). s. dazu unten c).
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ein geringes Maß an externer Kontrolle während des Prozesses mit sich bringt, eine nachträgliche Kontrolle jedoch nicht ausschließt. (4) Regelungen des Rechts der Untersuchungsausschüsse Waren die Regelungen des Untersuchungsausschussrechts bislang nicht gesetzlich festgelegt, so besteht mit dem Untersuchungsausschussgesetz vom 19. Juni 2001346 nunmehr erstmals eine gesetzliche Regelung, die wegen der im Untersuchungsausschuss häufig betroffenen Grundrechte von Bürgern auch erforderlich war. Im Rahmen der interorganisatorischen Kontrolle kommt vor allem die durch die Gerichte in Betracht, während die weiteren Kontrollmöglichkeiten durch Bundesrat und Bundespräsident kaum eine Rolle spielen. Aufgrund von Art. 44 GG bestehen wesentliche verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Regelung. Auch existieren ausreichend Initiatoren einer gerichtlichen Kontrolle, wobei die Möglichkeit der Einleitung eines Organstreits durch die von der Untersuchung in einem konkreten Falle Betroffenen eine wesentliche Rolle spielt. Als Initiatoren kommen insbesondere die Bundesregierung – bei Untersuchung ihrer Geschäfte bzw. bei einem Aktenherausgabeverlangen –, sowie Fraktionen und einzelne Abgeordnete in Betracht, für die im wesentlichen die gleiche Lage besteht wie bei Geschäftsordnungsregelungen. Auch von der Untersuchung betroffene juristische und natürliche Personen des Privatrechts kommen als Initiatoren gerichtlicher Kontrolle in Frage. Nicht zuletzt kann auch die konkrete Durchführung eines Untersuchungsverfahrens zu einer gerichtlichen Initiative führen, wenn etwa Private die Aussage bzw. die Herausgabe von Beweismaterial verweigern bzw. Verwaltungsbehörden oder Landesregierungen Nämliches tun. Insgesamt ist daher von einer recht hohen potentiellen gerichtlichen Kontrolldichte auszugehen. Für die intraorganisatorische Kontrolle ergeben sich hier grundsätzlich keine wesentlichen Unterschiede, auch hier wird eine Vorabvereinheitlichung angestrebt werden, die jedoch dadurch, dass immer wieder eine politische Seite, sei es Regierung oder Opposition, von der Untersuchung betroffen sein wird, auch eher in Zweifel gezogen werden wird. Insoweit ist hier auch eine öffentliche intraorganisatorische Kontrolle wahrscheinlicher, was wiederum die noch im Gesetzgebungsprozess des Bundestages wirkende extraorganisatorische Kontrolle stärken kann. Insgesamt ist also gerade bei der Regelung des Untersuchungsausschussrechts ein Kontrolldefizit nicht festzustellen. 346
BGBl. I 2001, 1142 ff.
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(5) Einsetzen von Untersuchungsausschüssen Auch das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses wird als „Entscheidung in eigener Sache“ benannt. Das mag daran liegen, dass der Bundestag einen Teil seiner selbst zur Untersuchung ermächtigt, andererseits daran, dass in den so genannten „Skandalenquêten“ meist ein bestimmtes politisches Spektrum der Untersuchung unterliegt, das selbst im Bundestag vertreten ist. Eine interorganisatorische politische Kontrolle kann hier mangels Gesetzesqualität nicht stattfinden, jedoch gelten für die Einsetzung grundsätzlich die gleichen Erwägungen wie für die gesetzliche Regelung des Untersuchungsausschussrechts. Wegen der Vielzahl möglicherweise von der Untersuchung Betroffener wie auch der gesicherten verfassungsrechtlichen Maßstäbe besteht hier ein hohes Maß rechtlicher Kontrolle durch die Gerichte.347 Auch die intraorganisatorische Kontrolle ist, obgleich es sich bei der Einsetzung um ein Minderheitenrecht handelt, gewöhnlich insbesondere bei Skandalenquêten hoch, weil die von der Untersuchung Betroffenen ein Interesse daran haben können, die Untersuchung nicht allzu weit gehen zu lassen. Dies erhöht auch das Maß extraorganisatorischer Kontrolle bereits im Vorfeld der Einsetzung. Ein Kontrolldefizit besteht daher nicht. (6) Regelung der Mitgliederzahl des Bundestages Die im Bundeswahlgesetz erfolgte Regelung der Mitgliederzahl des Bundestages wird als „Entscheidung in eigener Sache“ genannt, obgleich sie erst für die nächste Wahlperiode erfolgt und das bestehende Parlament somit nicht betroffen ist.348 Grund dafür dürfte sein, dass bei einer Vergrößerung des Bundestages viele der beschließenden Abgeordneten ihr Mandat mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder erlangen werden, bei einer Verkleinerung hingegen umso eher der Mandats-„verlust“ droht. Eine interorganisatorische politische Kontrolle durch die Bundesregeierung nach Art. 113 GG erscheint wegen der durch eine größere oder kleinere Abgeordnetenanzahl bedingte Erhöhung oder Verringerung der Ausgaben möglich, jedoch ebenso unwahrscheinlich wie die sonstige Ausübung des Vetorechts. Eine Kontrolle durch den Bundesrat erscheint hingegen nicht unwahrscheinlich, weil sich dabei Fragen der Repräsentanz der Landesbürger im Bundestag stellen. Eine rechtliche Kontrolle ist andererseits 347 348
Vgl. BVerfGE 67, 100 ff.; 77, 1 ff.; 105, 197 ff.; 113, 113 ff. Zu einer Regelung, die noch die gleiche Wahlperiode beträfe, vgl. unten (8).
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relativ problematisch, da es schwierig ist, einen Maßstab zu bilden. Insoweit wird eine Kontrolle durch den Bundespräsidenten unwahrscheinlich. Andererseits erscheint bei groben Missverhältnissen eine Kontrolle durch die Gerichte möglich, insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht, wenn etwa die Arbeitsfähigkeit des Parlaments gefährdet würde oder eine ordnungsgemäße Repräsentation nicht mehr möglich wäre. In beiden Fällen kann gerichtliche Kontrolle initiiert werden und ist nicht völlig unwahrscheinlich,349 sei es durch den nicht mehr repräsentierten Bürger, sei es durch den, der sich in seinem passiven Wahlrecht eingeschränkt fühlt, oder gar durch die Initiative der Bundesregierung, die auf ein arbeitsfähiges Parlament bauen muss, im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle. Grundsätzlich ist hier, besonders bei wesentlichen Veränderungen, auch von öffentlicher intraorganisatorischer Kontrolle auszugehen, wenngleich vor allem bei geringfügigen Veränderungen das Bedürfnis nach interner informeller Vorabklärung bestehen wird. Für die extraorganisatorische Kontrolle gelten dann die entsprechenden Folgen. Insgesamt ist daher für die Regelung der Abgeordnetenanzahl festzuhalten, dass eine Kontrolle durchaus möglich ist und auch wahrgenommen wird, wenngleich wegen der Problematik der Bildung verfassungsrechtlicher Maßstäbe eine gerichtliche Kontrolle schwierig erscheint. (7) Regelung des Parlamentssitzes Im Rahmen der Regelung des Parlamentssitzes kommt eine interorganisatorische politische Kontrolle durch den Bundesrat schon deshalb in Frage, weil die Länder ein Interesse am jeweiligen Sitz haben, ein Veto durch die Bundesregierung ist eventuell wegen der mit einem Umzug verbundenen Kosten möglich, jedoch unwahrscheinlich. Für die Festlegung des Parlamentssitzes fehlen jedoch jedwede rechtlichen Maßstäbe, so dass eine rechtliche Kontrolle – sei es von Seiten des Bundespräsidenten oder durch die Gerichte – völlig ausscheidet. Wegen der stark divergierenden Interessen, die auch (zeit-)ökonomisch begründet sind, ist hier von einem hohen Maß intraorganisatorischer Kontrolle auszugehen, was sich als Stärkung der extraorganisatorischen Kontrolle auswirkt. Insgesamt ist somit für die rechtliche Kontrolle ein völliges Fehlen jedweder Kontrollmöglichkeiten zu konstatieren, während ein hohes Maß an politischer Kontrolle besteht. 349
Vgl. etwa BVerfGE 104, 14 ff.
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(8) Verlängerung der Wahlperiode Die Verlängerung der Wahlperiode, speziell der noch laufenden, wird als „Entscheidung in eigener Sache“ benannt. Sie stellt zweifelsohne eine verfassungswidrige Selbstermächtigung des Parlaments dar.350 Mangels Ausgabenrelevanz351 kommen als interorganisatorische Kontrolleure nur Bundesrat, Bundespräsident und Gerichte, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, in Betracht. Da für eine solche Verlängerung wegen Art. 39 I GG eine Verfassungsänderung vonnöten wäre, hat der Bundesrat hier erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten. Insbesondere ist aber wegen des Maßstabs des Art. 39 I GG eine rechtliche Kontrolle von Seiten des Bundespräsidenten, der sein Kontrollrecht bei einem derart eklatanten Verstoß gegen das im Demokratieprinzip enthaltene Periodizitätsprinzip wahrscheinlich ausüben würde, ebenso möglich wie durch die Gerichte. Als Initiatoren kommen hier die Minderheiten im Parlament im Organstreitverfahren bzw. der abstrakten Normenkontrolle, aber auch einzelne Bürger in Betracht, da dies eine Verletzung des auch im Demokratieprinzip verankerten Art. 38 II GG darstellte.352 Auch ist eine intensive intraorganisatorische Kontrolle durch die Parlamentsminderheit, die anstrebt, Mehrheit zu werden, zu erwarten, was dann Folgen für die extraorganisatorische Kontrolle zeitigt. Hier käme letztlich sogar das Widerstandsrecht des Art. 20 IV GG als Kontrollrecht der Öffentlichkeit in Betracht. Folglich existiert hier kein Kontrolldefizit. Gleiches gälte, wenn wegen Verkleinerung des Bundestages für die laufende Wahlperiode einzelne Abgeordnete ihr Mandat verlören, obgleich sie für vier Jahre gewählt sind. Auch bei einer Vergrößerung mit einhergehendem Ausbau bzw. Minderung der bestehenden Mehrheitsverhältnisse durch Nachwahlen bzw. Nachbestimmung neuer Abgeordneter läge der Fall gleich. (9) Organisationsgesetze Für Organisationsgesetze, die das Verhältnis des Parlaments zu anderen Staatsorganen wie der Bundesregierung regeln bzw. bestimmte parlamenta350
Vgl. bereits H. Gmelin, AöR 58 (1930), 270 (282 f.). Eine solche ließe sich nur dadurch begründen, dass die Kosten für die Neuwahl um den Verlängerungszeitraum hinausgeschoben sind. 352 N. Luhmann, Soziale Systeme, S. 513 Fn. 34, weist darauf hin, dass gerade hier auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vorliege, weil im Rechtsstaat der Machthaber seine Macht nur zur Durchsetzung rechtsgültiger Entscheidungen, nicht aber zur Erhaltung oder Regenerierung der Macht selbst einsetzen darf. 351
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rische Einrichtungen wie den Wehrbeauftragten schaffen, stellen sich unterschiedliche Maßstäbe dar. Bei das Verhältnis zu anderen Staatsorganen regelnden Gesetzen kommt, je nach Staatsorgan, der Bundesrat als Kontrolleur in Betracht, vor allem wenn es um sein Verhältnis zum Bundestag geht. Darüber hinaus gibt das Grundgesetz hier wesentliche Maßstäbe vor, so dass eine rechtliche Kontrolle insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht in Frage kommt. Wegen der Balance zwischen den Staatsorganen ist hier bei einem Missverhältnis auch mit der Initiative gerichtlicher Kontrolle durch die betroffenen Organe im Wege des Organstreits zu rechnen. Gerade deshalb ist eine interorganisatorische informelle Vorabklärung, wie sie ansonsten vor allem im Bereich intraorganisatorischer Kontrolle stattfindet, möglich und wahrscheinlich. Auch sie bedeutet jedoch grundsätzlich kein geringeres Maß interorganisatorischer Kontrolle. Für die Einrichtung parlamentarischer Einrichtungen wie die des Wehrbeauftragten ist hingegen nur von der Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle auszugehen; als Initiator kommt hier letztlich nur die Parlamentsminderheit in Betracht. Intraorganisatorisch wird hier versucht werden, zu einer informellen Vorabeinigung zu kommen, was jedoch, wie oben nachgewiesen, kein vermindertes Maß an Kontrolle bedeutet, jedoch eine Beschränkung extraorganisatorischer Kontrolle im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Folge haben kann. (10) Ergebnis Ein erhebliches Kontrolldefizit konnte für den Bereich parlamentsrechtlicher Regelungen mangels möglicher rechtlicher Kontrollinitiativen hauptsächlich für die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages festgestellt werden, während bei den sonstigen Entscheidungen, die unter einem rechtlichen Kontrolldefizit leiden, wie bei der Verlängerung der Wahlperiode und die Erhöhung der Abgeordnetenanzahl für kommende Wahlperioden, ein hohes Ausmaß an extra- und intraorganisatorischer Kontrolle festzustellen ist, was auch für die Regelung des Parlamentssitzes gilt.
c) Parteienrecht Das Recht der politischen Parteien teilt sich neben der schon besprochenen Parteienfinanzierung vorrangig in die Aufgabenzuschreibung an die Parteien, das Recht der innerparteilichen Organisation und das der Rechenschaftsverpflichtung auf. Weiter gibt es Regelungen zum Parteiverbot nach Art. 21 II GG sowie steuerliche Regelungen der privaten Parteienfinanzie-
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rung und der Freistellung der Parteien von der Steuerverpflichtung im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung. (1) Aufgabenzuschreibung und Begriffsbestimmung Keine wesentliche Rolle spielen im Rahmen interorganisatorischer Kontrolle die Zugriffsmöglichkeit des Bundesrats und des Bundespräsidenten. Zu klären ist mithin die Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle. Da die Aufgabenzuschreibung zunächst ohne wesentliche rechtliche Wirkung bleibt, ist insbesondere die Definition des Parteienbegriffs von Interesse, da sich die im Bundestag vertretenen Parteien in diesem Rahmen lästige Konkurrenz fernhalten können. Die Gerichte, speziell das Bundesverfassungsgericht, haben dabei die Möglichkeit, anhand der Vorgaben des Art. 21 I GG den Parteibegriff des PartG nachzuprüfen – insbesondere auf Initiative von Gruppierungen, die sich als Partei verstehen, jedoch von staatlicher Seite, sei es im Rahmen der Parteienfinanzierung, sei es im Rahmen eines Verbots der Organisation, nicht als solche akzeptiert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in solchen Verfahren die Parteiendefinition des PartG als verfassungskonform anerkannt.353 Da mithin Initiativmöglichkeiten bestehen, ist eine interorganisatorische rechtliche Kontrolle möglich und wird auch praktiziert. Für die intraorganisatorische Kontrolle und die von ihr partiell abhängige extraorganisatorische Kontrolle gilt auch hier, dass eher von einer internen informellen Vorabklärung auszugehen sein dürfte, weshalb der Zugriff der Öffentlichkeit meist erst durch nachträglicher Kontrolle geschehen kann. (2) Recht der innerparteilichen Organisation Während auch hier die interorganisatorische Kontrolle durch Bundesrat und Bundespräsident keine Rolle spielt, bestehen gerichtliche Kontrollmöglichkeiten, da mit der Verpflichtung auf die innerparteiliche Demokratie ein verfassungsrechtlicher Maßstab vorliegt. Als Initiatoren gerichtlicher Kontrolle kommen insbesondere Parteimitglieder in Betracht, die sich aufgrund der gesetzlichen Vorgaben durch bestimmte Entscheidungen der Partei benachteiligt fühlen. Allerdings ist festzuhalten, dass die Gerichte die Entscheidungen der Parteischiedsgerichte in solchen Fällen nur eingeschränkt prüfen. Sollte allerdings die Wirksamkeit einer parteiengesetzlichen Norm in Frage stehen, so müsste ein staatliches Gericht jedenfalls tätig werden 353 BVerfGE 91, 262 ff; 276 ff. s. a. für die kommunalen Wählervereinigungen BVerfGE 69, 92 ff.; 78, 350 (358 f.); 85, 264 (328); 99, 69 ff.
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und die Normen bei Bedarf dem Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle vorlegen. Im Einzelfall kommen als Kontrolleure auch Wahlleiter staatlicher Wahlen und Wähler in Betracht, wenn etwa bestimmte Mindeststandards durch das Gesetz und entsprechende Satzungsregelungen nicht gewahrt wären und dadurch bestimmte Wahlvorschläge bei staatlichen Wahlen nicht ordnungsgemäß angemeldet sind. Dies ist im Normalfall jedoch eine Frage des Wahlrechts. Für die intra- und extraorganisatorische Kontrolle gilt das bei der Parteienbegriffsbestimmung Gesagte.354 (3) Recht der Rechenschaftsverpflichtung Auch hier haben die im Bundestag vertretenen ihrer nicht repräsentierten Konkurrenz das Leben derungen schwer zu machen. Gleichzeitig besteht verfassungsrechtliche Rechenschaftsverpflichtung chend zu erfüllen.
Parteien die Möglichkeit, durch überzogene Anforaber die Möglichkeit, die nicht bzw. nicht ausrei-
Zwar besteht hier mit Art. 21 I 4 GG ein verfassungsrechtlicher Maßstab, jedoch ist dessen gerichtliche Geltendmachung als interorganisatorische Kontrolle problematisch. Zweifelsohne haben konkurrierende Parteien die Möglichkeit, bei zu hohen Anforderungen gegen entsprechende Normen vorzugehen, sei es wegen Nichtzuweisung von Mitteln durch den Bundestagspräsidenten oder bei Sanktionierung durch denselben. Andererseits fehlt es an Initiatoren solcher Kontrolle bei Nichtbeachtung der Mindeststandards durch den gesetzgebenden Bundestag. Bestenfalls käme hier bei fehlender Übereinstimmung im Parlament eine abstrakte Normenkontrolle in Betracht bzw. eventuell ein auf Verletzung der Chancengleichheit gestütztes Organstreitverfahren. Letzteres dürfte aber wegen Gleichbehandlung ausgeschlossen sein. Eine Verfassungsbeschwerde oder eine Wahlprüfung durch den Bürger mit der Behauptung, er habe mangels Erfüllung der verfassungsmäßigen Standards keine informierte Wahlentscheidung treffen können, dürfte hingegen zumindest unbegründet sein.355 Mithin existiert trotz Bestehens eines verfassungsrechtlichen Standards ein Kontrolldefizit der gerichtlichen Überprüfung. Auch in diesem Bereich wird das Parlament im Rahmen intraorganisatorischer Kontrolle meist bemüht sein, eine informelle Vorabklärung zu erreichen – sie kann aber nicht immer garantiert werden, da hier durchaus ein 354 355
Vgl. (1). Vgl. BVerfGE 103, 111 (125 ff.).
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politisches Feld besteht, in dem der politische Gegner der Kritik unterworfen werden kann; umso größer wird das Bemühen um informelle Einigung sein, die dann die genannten Folgen für die extraorganisatorische Kontrolle nach sich zieht. Insgesamt besteht hier ein Kontrolldefizit der interorganisatorischen Gerichtskontrolle. (4) Regelungen des Parteiverbots Mit Art. 21 II GG besteht ein deutlicher verfassungsrechtlicher Maßstab für die Regelung des Parteiverbots und seiner Folgen. Diese werden vom Bundesverfassungsgericht schon im Verbotsverfahren selbst inzidenter Kontrolle unterworfen. Auch für die Rechtsfolgen nach dem Parteiverbot haben die von den Regelungen Betroffenen die Möglichkeit gerichtlichen Vorgehens. Ein interorganisatorisches Kontrolldefizit ist insoweit nicht feststellbar. Für intra- und extraorganisatorische Kontrolle gilt das gleiche. (5) Steuerliche Begünstigung von privater Parteienfinanzierung und steuerliche Freistellung der Parteien Insbesondere für den Bereich der steuerlichen Begünstigung privater Parteienfinanzierung hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach das Bestehen verfassungsrechtlicher Maßstäbe verdeutlicht.356 Hier existiert also eine Vielzahl von Initiatoren gerichtlicher Kontrolle, seien es Landesregierungen, seien es im Bundestag vertretene oder sonstige Parteien. Insoweit ist diesbezüglich kein gerichtliches Kontrolldefizit gegeben. Die steuerliche Freistellung der Parteien für im Bereich ihrer Aufgaben liegende Umsätze ist hingegen problematischer. Sie hängt von der Aufgabenbeschreibung des Parteiengesetzes ab, welche wiederum dem Parlament unterliegt. Für diese existiert aber zweifelsohne ein verfassungsrechtlicher Maßstab. Hier kann die interorganisatorische Kontrolle durch die Steuerbehörden und im Gefolge durch die Gerichte erfolgen. Auch haben bei steuerlicher Förderung wirtschaftlicher Tätigkeit der Parteien eventuelle Konkurrenten die Möglichkeit, gegen die Steuervergünstigung aus Gleichheitsgründen vorzugehen. Folglich ist auch hier kein Defizit interorganisatorischer Kontrolle festzustellen. Wegen der unterschiedlichen Klientel, die die Parteien unterstützen, wird die intraorganisatorische Kontrolle eine nicht unerhebliche Rolle spielen, da die steuerliche Begünstigung der Parteienunterstützer auch einen Vorteil für 356
BVerfGE 8, 51 ff.; 52, 63 ff.; 73, 40 ff.; 85, 264 (311 ff.).
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die Parteien darstellt. Da dieser je nach Klientel unterschiedlich hoch sein kann, treten hier deutliche Gegensätze zwischen den Parteien auf, was letztlich wieder für den Weg informeller Einigung vor dem Gesetzgebungsprozess mit den entsprechenden Folgen für die extraorganisatorische Kontrolle spricht. (6) Ergebnis Im Bereich des Parteienrechts ist es vor allem die gesetzliche Regelung der Rechenschaftsverpflichtung der Parteien, die unter einem wesentlichen Defizit interorganisatorischer gerichtlicher Kontrolle leidet. d) Wahlrecht und Wahlprüfungsrecht Im Rahmen des Wahlrechts und des Wahlprüfungsrechts stehen mit dem aktiven und passiven Wahlrecht, den Wahlrechtsgrundsätzen und dem Prinzip formaler Gleichheit aus Art. 38 GG und Art. 41 GG wesentliche verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Verfügung, die einer Überprüfung durch die Gerichte zugänglich sind. Mit den nicht im Parlament vertretenen Parteien und einzelnen Bürgern sind auch ausreichend Initiatoren möglicher gerichtlicher Kontrolle gegeben, weshalb hier kein interorganisatorisches Kontrolldefizit besteht. Auch kann im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens intraorganisatorische Kontrolle angeregt werden. Zwar wird bei der Regelung des Wahl- und Wahlprüfungsrechts die informelle Vereinheitlichung im Parlament gesucht werden, wegen des Strebens nach Machtgewinn bzw. -erhalt ist die Kontrolle jedoch bereits hier außerordentlich hoch. e) Wahlprüfung Auch für die Entscheidung in der Wahlprüfung selbst, für die mangels Gesetzeseigenschaft keine Kontrollmöglichkeit des Bundesrats oder des Bundespräsidenten besteht, gibt es die Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung nach Art. 41 GG, dem WahlprüfungsG bzw. dem BVerfGG. Mit den Wahlrechtsgrundsätzen besteht ein verfassungsrechtlicher Maßstab. Zwar ist die gerichtliche Kontrolle insoweit zurückgenommen, als dem Antragsteller der Wahlprüfungsbeschwerde zum Bundestag weitere 100 Wähler beitreten müssen. Das liegt jedoch daran, dass das Wahlprüfungsverfahren nur auf Fehler ausgerichtet ist, die sich auf das Wahlergebnis dergestalt ausgewirkt haben, dass die Beschwerde Mandatsrelevanz besitzt. Ein Kontrolldefizit besteht mithin nicht.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
f) Entscheidungen über die Aufhebung der Immunität einzelner Abgeordneter Auch bei der Entscheidung über die Aufhebung der Immunität einzelner Abgeordneter handelt es sich nicht um eine solche mit Gesetzeskraft, weshalb der Bundespräsident und der Bundesrat als potentielle Kontrolleure ausscheiden. Eine gerichtliche Kontrolle ist, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt gegeben. Da es sich bei der Entscheidung über die Aufhebung um ein Recht des Parlaments handelt, kann der Einzelne durch eine Entscheidung des Parlaments nicht betroffen sein, weshalb gerichtliche Kontrolle nur in geringem Ausmaß greifen kann.357 Einer Verletzung der Rechtsstaatlichkeit steht entgegen, dass die Strafverfolgung nach Beendigung der Mitgliedschaft im Bundestag nach § 78b I Nr. 2 StGB wieder möglich ist, soweit nicht nach Abs. 2 sonstige Verjährung eingetreten ist. Die fehlende Aufhebung der Immunität gewinnt somit nur aufschiebende Wirkung. Darüber hinaus bestehen insbesondere extraorganisatorische Möglichkeiten, auf eine entsprechende Aufhebung hinzuwirken, was das interne Verfahren beeinflussen kann. Insofern ist ein Kontrolldefizit hier nicht festzustellen. g) Amnestiegesetze Insbesondere im Rahmen der sog. Flick-Parteispendenaffäre wurde zeitweise über ein Amnestiegesetz nachgedacht, das neben den illegal handelnden Spendern auch die illegal handelnden Mitglieder des Bundestages erfasst hätte. Eine Kontrolle von Seiten des Bundesrates war in einem solchen Falle unwahrscheinlich, da auch die Parteien auf Landesebene von der Affäre betroffen waren. Eine gerichtliche interorganisatorische Kontrolle musste an fehlenden verfassungsrechtlichen Maßstäben eines solchen Amnestiegesetzes scheitern, da Amnestiegesetze ohnehin den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit – zulässig – einschränken und sich auf das Prinzip der Gnade stützen. Deshalb wäre eine gerichtliche Kontrolle in einem solchen Falle nahezu ausgeschlossen. Im Rahmen der intraorganisatorischen Kontrolle ist auch hier eine informelle Vorabvereinheitlichung zu erwarten, die allerdings, wie aufgezeigt, ein besonders hohes Kontrollniveau aufweist. Insbesondere werden die verheerenden Folgen für das Bild des Bundestags in der Öffentlichkeit beachtet werden. Letztlich wäre und war es in diesem Falle die extraorganisatori357
Vgl. BVerfGE 103, 81 ff.; 104, 310 ff.
B. Verfassungsrechtliche Einwände
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sche Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die ein solches Gesetz verhindert hat und auch verhindern würde. Grundsätzlich ist jedoch für Amnestiegesetze jeder Art ein Kontrolldefizit interorganisatorischer, gerichtlicher Kontrolle festzustellen. h) Ergebnis Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass es insbesondere die Entscheidungen zur Politikfinanzierung sind, die unter einem interorganisatorischen Kontrolldefizit leiden, wobei vor allem die Entscheidungen zu den Diäten der Abgeordneten, einschließlich sonstiger Leistungen und ihrer Versorgung, betroffen sind. Nämliches gilt für die staatliche Finanzierung der politischen Parteien sowie deren steuerliche Vergünstigungen. Auch die Entscheidungen über die Finanzierung der politischen Stiftungen sind von diesem Kontrolldefizit betroffen. Weniger gilt dies wegen der Abrechnungspflicht und der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof für die Bundestagsfraktionen, was jedoch durch die Möglichkeit der Fraktionen, ihr Aufgabengebiet zu definieren, wieder problematisch wird. Auch die Entscheidungen zur Finanzierung des Parlaments leiden wie die zur Regierungsbesoldung unter einem interorganisatorischen Kontrolldefizit. Im Rahmen parlamentsrechtlicher Entscheidungen, die unter dem Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ genannt werden, trifft dieses interorganisatorische gerichtliche Kontrolldefizit insbesondere auf die Entscheidungen zu den Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages, die Regelung der Mitgliederzahl des Bundestages und Entscheidungen zum Parlamentssitz zu. Allerdings wirken in den beiden letztgenannten Fällen wesentliche und öffentliche intra- und extraorganisatorische Kontrollen, weshalb das Kontrolldefizit als weniger bedeutsam erscheint. Bei der Regelung des Rechts der politischen Parteien sind es insbesondere die Parlamentsentscheidungen zur Rechenschaftsverpflichtung, die unter einem gerichtlichen Kontrolldefizit leiden. Darüber hinaus existiert dieses Kontrolldefizit bei den „Entscheidungen in eigener Sache“ benannten Fällen nur bei der Gesetzgebung zur Amnestierung. Weiterhin wurde aufgezeigt, dass das intraorganisatorische Kontrolldefizit nicht besteht, zumindest nicht nachgewiesen werden kann. Vielmehr spricht die aus Gründen des Dualismus aus Machterhalt und Machtgewinn wahrgenommene Notwendigkeit zur Vereinheitlichung des parlamentarischen Willens im vorwegnehmenden informellen Verfahren für eine recht hohe Kontrollintensität. Allerdings wird diese Kontrolle nicht deutlich öffentlich sichtbar, was die extraorganisatorische, ebenfalls informelle Kontrolle, einschränkt.
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3. Teil: Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Grundlagen
Letzteres stellt an sich noch kein Kontrolldefizit dar, da sich kein Unterschied zu einer Vielzahl parlamentarischer Entscheidungen ergibt und die nachträgliche Kontrolle erhalten bleibt. Da die formale extraorganisatorische Kontrolle, der Wahlakt, ebenfalls stets nachträgliche Kontrolle ist, stellt das Fehlen begleitender extraorganisatorischer Kontrolle an sich kein wesentliches Problem dar.
4. Teil
Die Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit Nachdem nunmehr festgestellt ist, dass bestimmte Sachverhalte, die als „Entscheidung in eigener Sache“ qualifiziert werden, unter einem insbesondere interorganisatorischen Defizit im Rahmen der rechtlichen Kontrolle leiden, lassen sich die problematischen „Entscheidungen in eigener Sache“ von den unproblematischen separieren. Wie bereits dargestellt, erhebt die Liste der insoweit problematischen Entscheidungen des Parlaments keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Deshalb gilt es, das Rechtsgebiet zu dogmatisieren, statt dem Wildwuchs der Begrifflichkeit der „Entscheidung in eigener Sache“ weiter Vorschub zu leisten, die wie aufgezeigt nicht in der Lage ist, die problematischen von den unproblematischen Fällen zu scheiden, geschweige denn, Antworten zur Lösung der festgestellten Probleme anzubieten. „Entscheidungen in eigener Sache“ sind in der parlamentarischen Demokratie unvermeidlich, ja sogar erwünscht. Es ist gerade das Ethos der Demokratie, in eigener Sache zu entscheiden. Daher gilt es nun, zunächst eine Bestandsaufnahme der Gemeinsamkeiten der als problematisch erkannten Entscheidungen zu erstellen, um sodann eine Definition sowie eine die Problematik treffende Begrifflichkeit anzubieten.
A. Bestandsaufnahme Es gilt hier nunmehr, die kontrolldefizitären Gemeinsamkeiten der betreffenden Entscheidungen nochmals zusammengefasst darzustellen.
I. Interorganisatorisches Kontrolldefizit Allen als problematisch und kontrolldefizitär erkannten Entscheidungen ist gemeinsam, dass eine rechtliche, insbesondere gerichtliche Kontrollmöglichkeit fehlt bzw. die Kontrollmöglichkeiten vergleichbar stark zurückgenommen sind. Dies betrifft vor allem die Höhe jeweiliger Mittelzuwei-
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4. Teil: Die Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit
sungen bei der Politikfinanzierung.1 Dieses Kontrolldefizit geht auf zwei mögliche Ursachen zurück. 1. Fehlende verfassungsmäßige Maßstäbe Ein wesentlicher Grund für die Unmöglichkeit rechtlicher Kontrolle ist das Fehlen verfassungsrechtlicher Maßstäbe – dies ist insbesondere bei der Frage der Höhe der Parteienfinanzierung, der Finanzierung der politischen Stiftungen und des Parlaments sowie bei der Regierungsbesoldung der Fall. Darüber hinaus fehlt es an derartigen verfassungsrechtlichen Maßstäben für Amnestiegesetze. Eingeschränkt besteht ein verfassungsrechtlicher Maßstab für die Höhe der Diäten und sonstigen Leistungen an Abgeordnete. Grundsätzlich fehlt ein solcher Maßstab auch für die Fraktionsfinanzierung, hier enthält das Abgeordnetengesetz mit seiner Anknüpfung an den tatsächlichen Verbrauch eine Begrenzung, die aber durch Aufgabenzuweisung ausgehebelt werden kann. Für die Fraktionsaufgaben besteht hingegen ein verfassungsrechtlicher Maßstab ebenso wie für die Verhaltensregeln für die Mitglieder des deutschen Bundestages. 2. Fehlende Kontrollinitiativmöglichkeiten Selbst das Bestehen eines solchen Maßstabs macht derartige Entscheidungen jedoch nicht zwingend gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Obgleich ein Maßstab etwa für die Verhaltensregeln besteht, sind diese nur im Falle zu hoher Anforderungen durch ein Organstreitverfahren kontrollfähig, ein – ohnehin unwahrscheinliches – Verfahren der abstrakten Normenkontrolle scheidet schon mangels Gesetzeseigenschaft der Verhaltensregeln aus. Für die anderen genannten Fälle liegt neben dem z. T. bestehenden Mangel verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkte eine weitere Problematik darin, dass die Kontrollinitiative nur bei denjenigen liegen könnte, die bereits im Rahmen intraorganisatorischer Kontrolle tätig waren, also dem Parlament bzw. seinen Mitgliedern, wodurch eine gerichtliche Kontrolle umso unwahrscheinlicher wird, wenn deren Entscheidungen einstimmig ergehen, was in den genannten Sachverhalten häufig der Fall ist.2 Es fehlt in diesen Entscheidungen mithin an Kontrollinitiatoren. 1
Wie bereits dargestellt, hat das Bundesverfassungsgericht der staatlichen Parteienfinanzierung eine absolute Obergrenze verordnet, BVerfGE 85, 264 (288 f.), was jedoch mangels verfassungsrechtlichen Maßstabs durchaus als problematisch angesehen werden kann. Dies könnte allerdings eine Möglichkeit der Behebung des Kontrolldefizits sein, vgl. dazu noch unten 5. Teil, E. 2 Vgl. dazu auch sogleich das dritte Element der problematischen Entscheidungen.
A. Bestandsaufnahme
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Da beide Fälle alternativ oder auch additiv gegeben sein können, stehen sie in einem Und/Oder-Verhältnis. Beide führen jedenfalls zur Unmöglichkeit bzw. äußersten Unwahrscheinlichkeit gerichtlicher Kontrolle. Dies für sich genommen stellt zwar schon ein Problem dar. Nichtsdestoweniger gibt es trotz des groben Rasters der Verfassung eine Vielzahl von Bereichen, für die das Grundgesetz keine rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe bietet bzw. die trotz bestehender verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht oder kaum judiziabel sind.3
II. Extra- und intraorganisatorische Kontrollschwächen Wie oben aufgezeigt, kann im intraorganisatorischen Bereich ein tatsächliches Kontrolldefizit nicht nachgewiesen werden – im Gegenteil, es wurde deutlich, dass ein besonders hohes Ausmaß an gegenseitiger Kontrolle der Abgeordneten für die informelle Vereinheitlichung vor dem Einbringen eines Gesetzentwurfs vonnöten ist. Diese Kontrolle erfolgt auch durchaus an der in der parlamentarischen Demokratie üblichen Linie zwischen Oppositions- und Regierungsfraktionen, da beide Seiten ein intensives Interesse daran haben, hier vom politischen Gegner nicht vorgeführt zu werden. Auch die Nichtöffentlichkeit der zu erwartenden vorherigen Vereinheitlichung zwischen Regierungsfraktionen und Opposition ist nicht unüblich und stellt als solche für sich gesehen, insbesondere intraorganisatorisch, kein Kontrolldefizit dar. Es bedingt jedoch einen Mangel an Einfluss im Bereich der extraorganisatorischen, der „öffentlichen“ Kontrolle. Das diesbezügliche Kontrolldefizit ist jedoch prima facie ebenfalls unerheblich, da auch hier kein wesentlicher Unterschied zu vielen Bereichen besteht, in denen sich Regierung und Opposition einig sind und ein Gesetz nach vorheriger Vereinheitlichung gemeinsam zügig verabschieden. 3 Der Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika hat solche „verfassungsfreien“ Räume als „political questions“ bezeichnet, vgl. Baker v. Carr, 369 US 186, 209 ff. (1962), sowie die abweichende Meinung von Justice Felix Frankfurter, 369 U.S. 186, 266 ff. (1962). Jedoch scheint der Supreme Court von der political question doctrine in den vergangen Jahrzehnten etwas abgerückt zu sein; vgl. Davis v. Bandemer, 478 U.S. 109, 119 ff. (1986), und die concurring opinion von Justice Sandra Day O’Connor, 478 U.S. 109, 144 ff. (1986); Department of Commerce v. Montana, 503 U.S. 442, 456 ff. (1992); Nixon v. United States, 506 U.S. 224, 228 ff. (1993). s. a. F. W. Scharpf, 75 Yale L. J. (1966), 517 ff.; ders., Grenzen der richterlichen Verantwortung, passim; L. Henkin, 85 Yale L. J. (1976), 597 (insb. S. 622 ff.), der die political question doctrine für überflüssig hält. s. a. R. A. Lorz, S. 452 ff. Vgl. zum Anklingen eines ähnlichen Konzepts einer „politischen Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts, wobei allerdings nur die Prüfungsintensität zurückgenommen sein soll, BVerfGE 104, 310 (331).
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4. Teil: Die Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit
Jedoch besteht im Rahmen der hier erörterten ein wesentlicher Unterschied zu den Entscheidungen, bei deren Verabschiedung durch das Parlament ansonsten ein vergleichbarer Mangel des Zugangs öffentlicher Kontrolle existiert: Im Rahmen der intraorganisatorischen Kontrolle sind bei diesen Entscheidungen außerhalb des Parlaments bestehende direkte Interessen sehr viel weniger existent als im Rahmen anderer Entscheidungen. Dies bedeutet, dass direkte Interessen an die Abgeordneten im Vorfeld der vorherigen Vereinheitlichung in wesentlich geringerem Ausmaß herangetragen werden als bei anderen Entscheidungen, da als Träger direkter Interessen nur die Abgeordneten selbst, die von ihnen getragenen Fraktionen, die Parteien, die politischen Stiftungen und die Bundesregierung in Betracht kommen. Im Vorfeld einer Entscheidung wird jedoch eher derjenige, der direkte Interessen hat bzw. vertritt, versuchen, einen Entscheidungsprozess zu initiieren, als derjenige, dessen Interessen nur indirekt betroffen sind, wie etwa die Masse der Wähler von den Diätenentscheidungen der Abgeordneten. Erst hierdurch entsteht ein – möglicherweise nur vermeintlich bestehendes – extraorganisatorisches Kontrolldefizit, das sich dann intraorganisatorisch ebenfalls auswirkt.
III. Konkurrenz der Kontrolldefizite Erst die Kombination von rechtlichem und intra-/extraorganisatorischem Kontrolldefizit macht hier die Problematik aus: Obgleich bei der Entscheidung über die Geschäftsordnung des Bundestages ebenfalls nur ein sehr begrenzter Kreis direkter Interessenvertreter existiert und denkbar ist, wird das insoweit mögliche intra-/extraorganisatorische, ergo politische Kontrolldefizit ausgeglichen durch die starke verfassungsrechtliche Vorabregelung des Rechtsbereichs. Andererseits wird eine in vielen Bereichen völlig fehlende Möglichkeit rechtlicher Kontrolle von Entscheidungen des Bundestages ausgeglichen durch ein erhöhtes Aufkommen an direkten Interessen, die bereits im Vorfeld der Entscheidung kontrollierend einwirken können. Die stark ausgeprägte Regelung verfassungsrechtlicher Zuständigkeiten, Kompetenzen und Gleichbehandlungsverpflichtungen von Staatsorganen ist insoweit als Ausdruck der Erkenntnis einzustufen, dass wegen der hier nicht bzw. nur in geringem Ausmaß bestehenden direkten Interessen außerhalb der Staatsorgane eine erhöhte Regelungsdichte vonnöten ist.
C. Der Begriff der „Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit“
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B. Definition der problematischen Entscheidungen Als Definition der genannten Entscheidungen, die unter einem insbesondere verfassungstheoretischen Mangel an Kontrolle leiden, bietet sich mithin an: Entscheidungen, – die wegen fehlender verfassungsrechtlicher Regelung oder stark eingeschränkter Justiziabilität rechtlicher Kontrolle nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind, und – in deren Entscheidungsprozess bei informeller Vereinheitlichung des parlamentarischen Willens keine bzw. nur dem politischen Bereich zuzuordnende direkte Interessen eingehen.
C. Der Begriff der „Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit“ Das Fehlen rechtlicher Vorprägungen bzw. der Durchsetzbarkeit solcher Vorprägungen der zu treffenden Entscheidung in den genannten Fällen ist verfassungsrechtlich vorgegeben – sie geht aus der Struktur des in der Bundesrepublik bestehenden Verfassungsrechts hervor. Mithin kann man von einem in der Struktur des Grundgesetzes liegenden, vorgegebenen Kontrolldefizit sprechen.4 Als rechtlich relevanter Begriff bietet sich somit der der Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit an. Dieser Begriff hat gegenüber dem der „Entscheidung in eigener Sache“ erhebliche Vorzüge, die es im Weiteren darzustellen gilt.
I. Präzision des Begriffs Im Gegensatz zum Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ benennt der hier vorgeschlagene Begriff die Problematik der genannten Entscheidungen; er nimmt ihre Definition weitgehend in sich auf. Wegen seiner Definition besteht keine Möglichkeit, ihn über die problematischen Bereiche hinaus auf unproblematische Entscheidungen anzuwenden.
4 Vgl. für das US-amerikanische Recht A. Vermeule, 102 Col. L. Rev. (2002), 501 (537 f.).
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4. Teil: Die Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit
II. Rechtliche Anknüpfungsfähigkeit Wegen der Benennung des tatsächlichen Problems der aufgezeigten Entscheidungen verfügt der Begriff im Gegensatz zur „Entscheidung in eigener Sache“ über die Möglichkeit rechtlicher Anknüpfung an ihn. Es gilt, die Kontrollierbarkeit solcher Entscheidungen zu erhöhen, nicht jedoch, den Abgeordneten parteiliche, i. e. „befangene“ Entscheidungen „in eigener Sache“ unmöglich zu machen. Dass Definition und Begrifflichkeit dies eher ermöglichen als der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“, wird nachfolgend noch aufzuzeigen sein. Die Definition selbst hält insofern bereits Antworten auf die Problematik der genannten Entscheidungen bereit.
III. Demokratie- und Parlamentsfreundlichkeit des Begriffs Der hier vorgeschlagene Begriff erlaubt es dem Abgeordneten, Interessenvertreter – auch eigener Interessen! – zu sein, wie vom Grundgesetz vorgesehen. Der Abgeordnete wird nicht zum Medium nur fremder Interessen, da seine Interessen als Bürger im demokratischen, auf der Volkssouveränität fußenden Staat gleichermaßen Anspruch auf Vertretung im Parlament haben wie die anderer Bürger. Nichts anderes gilt auch für die Organisationen und Institutionen, denen er angehört – insbesondere Parteien, Fraktionen, das Parlament als Ganzes – und ihm nahestehende Organisationen und Institutionen wie die politischen Stiftungen und die Regierung. Während sich der Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ an den in den anderen Bereichen staatlicher Machtausübung, der Judikative und Exekutive üblichen Begriff der Unbefangenheit und Unparteilichkeit orientiert, die als Rechtsgebundene an Interessen orientierte Parlamentsentscheidungen umzusetzen haben, erkennt der hier vorgeschlagene Begriff die Unterschiede zwischen der „nur“ ans Grundgesetz und ansonsten auf Interessenvertretung und -mediatisierung festgelegten Legislative und den anderen Gewalten an. Er behandelt nicht, wie dies von der Grundtendenz des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“ her der Fall ist, das Parlament als Gericht bzw. Verwaltungsausschuss mit 598 Mitgliedern, sondern akzeptiert die pluralistische Grundverfassung des Parlaments. Darüber hinaus wird aus dem Begriff des strukturellen – im Gegensatz zu einem persönlichen bzw. personellen – Defizits deutlich, dass die Defizite nicht allein vom Parlament und den Abgeordneten zu verantworten sind, sondern dass sie vielmehr bereits in der Struktur des Grundgesetzes verankert sind.
C. Der Begriff der „Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit“
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Wie schon dargestellt, ist es das Grundethos von Demokratie, über die eigenen Verhältnisse mitbestimmen zu dürfen, kurz: in eigener Sache zu entscheiden. Die – durchaus negativ besetzte – Verwendung des Begriffs der „Entscheidung in eigener Sache“ hat daher eine antidemokratische und – wie soeben nachgewiesen – antiparlamentarische Stoßrichtung, die dem Begriff der Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit nicht zukommt. Die höhere Präzision des Begriffes, die rechtliche Anknüpfungsfähigkeit, insbesondere aber auch die parlamentsfreundlichere Zielrichtung des Begriffs Entscheidung mit strukturellem Kontrolldefizit hat noch einen weiteren Vorzug: Er ist in der Lage, den Literaturstimmen, die bisher unter dem Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ keinerlei Probleme sehen konnten, zu verdeutlichen, dass sich im Rahmen der unter dieser Begrifflichkeit geführten Entscheidungen durchaus verfassungstheoretisch bedenkliche befinden, die so benannt werden können. Darüber hinaus dürfte er auch jenen hilfreich sein, die bislang unter dem Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ durchaus rechtliche Probleme annahmen: Sie werden nach wie vor in die Lage versetzt, die Struktur solcher Entscheidungen zu bemängeln, ohne gleichzeitig die pluralistische Konzeption des Parlaments in Frage stellen zu müssen.
5. Teil
Verfassungs- und rechtspolitische Antworten Aufgrund der höheren juristischen Operationalität des Begriffs sowie einer dafür bestehenden, die Problematik der genannten Entscheidungen sehr viel exakter fassenden Definition, ist es nunmehr in erhöhtem Maße möglich, Abhilfevorschläge zu unterbreiten. Da das Kontrolldefizit strukturell besteht und insoweit von der derzeit bestehenden Verfassungsstruktur letztlich vorgegeben ist, das Kontrolldefizit sich jedoch nichtsdestoweniger aus verfassungstheoretischen Gründen ergibt, sind die nachfolgenden Erwägungen verfassungs- und rechtspolitischer Art – nicht jedoch vom Grundgesetz bereits vorgegebene und verpflichtende Lösungswege. Die bestehende Rechtslage ist mithin nicht verfassungswidrig, sondern nur verfassungstheoretisch problematisch. Um nun Abhilfemöglichkeiten für das Kontrolldefizit aufzuzeigen, ist einerseits auf die bereits für die „Entscheidungen in eigener Sache“ vorgeschlagenen Problemabhilfen einzugehen, andererseits, ausgehend von den festgestellten Kontrolldefiziten, ihre Beseitigung anzustreben. Dazu sind, da rechtliches und extraorganisatorisch/interorganisatorisches Kontrolldefizit zusammenfallen müssen, Möglichkeiten zur Ausweitung rechtlicher Kontrolle ebenso geeignet, das Kontrolldefizit zu beseitigen oder zu minimieren, wie die Ausweitung von solchen Entscheidungen betroffener direkter Interessen und die Stärkung des Einflusses indirekter Interessen im Rahmen der extra- und intraorganisatorischen Kontrolle. Wesentliche, in der Literatur, aber auch von gesetzgeberischer Seite zur „Entscheidung in eigener Sache“ vorgebrachte Abhilfevorschläge enthalten insbesondere – eine dem 27th Amendment zur US-Verfassung entsprechende Regelung, – andererseits die Einführung von beratenden oder entscheidenden unabhängigen Kommissionen namentlich für Fragen der Politikfinanzierung, – die Anbindung von Politikfinanzierung an gewisse Indices, wie sie beispielsweise das Thüringer AbgG vorsieht, – die Einführung bestimmter Liegefristen für Gesetzentwürfe in diesen Bereichen,
A. Wirksamkeit erst für die nächste Legislaturperiode
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– aber auch die Forderung nach judicial activism des Bundesverfassungsgerichts in diesem Bereich.1
A. Wirksamkeit von Entscheidungen erst für die nächste Legislaturperiode (27th Amendment) Die Idee, dass Diätenentscheidungen erst für die nächste Legislaturperiode gelten dürften, hatte bereits 1964 Hildegard Krüger vorgetragen.2 Sie vertrat dabei die Ansicht, dies sei bereits geltendes Verfassungsrecht, weil in der Diätenerhöhung eine Selbstermächtigung analog der Verlängerung der Legislaturperiode läge.3 Diese Ansicht hat sich nicht durchgesetzt, so dass Winfried Brugger den Vorschlag einer derartigen Regelung einbrachte,4 nachdem eine solche in den USA als 27. Verfassungszusatz zur US-Verfassung im Jahre 1992 beschlossen worden war.5 Sie lautet: 1 Auf die Debatte, inwiefern plebiszitäre Entscheidungen hier Abhilfe bringen können, vgl. insb. H. H. v. Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 416 ff. m. w. N.; ders., Der Staat als Beute, S. 356 ff., soll hier verzichtet werden. Im Rahmen der vorliegenden Erläuterungen wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass plebiszitäre Entscheidungen auf Zufallsrepräsentation beruhen und darüber hinaus die Erzielung von Kompromissen wesentlich erschweren. Darüber hinaus stellt ein solcher Lösungsvorschlag allzu sehr auf den Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ ab, die damit umgangen werden soll. Auch entspricht er am wenigsten der Systematik des Grundgesetzes. 2 H. Krüger, DVBl. 1964, 220 (221). s. a. bereits J. Hatschek, Parlamentsrecht, S. 627, für ähnliche Vorschläge in Frankreich. 3 Vgl. auch für Verfassungsänderungen den Appell von 86 deutschen Staatsrechtslehrern, abgedruckt bei J. Linck, ZParl 1995, 683 (683 f.). Vgl. grundsätzlich auch H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (343). 4 W. Brugger, ZRP 1992, 321 f. Vgl. auch H. H. v. Arnim, ZRP 2003, 235 (236); ders., NJW 1996, 1232 (1236); ders., die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 350, 421 ff.; ders., Der Staat sind wir!, S. 142 f.; ders., Der Staat als Beute, S. 374 f.; H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (300). 5 Zum Streit über die Wirksamkeit der Verfassungsänderung vgl. W. Van Alstyne, 10 Const. Comm. (1993), 9 ff.; Chr. M. Kennedy, 26 J. Marshall L. Rev. (1993), 977 ff.; St. Dalzell/E. J. Beste, 62 Geo. Wash. L. Rev. (1994), 501 ff.; S. Levinson, 11 Const. Comm. (1994), 101 ff.; R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 497 ff.; M. S. Paulsen, 103 Yale L. J. (1993), 677 ff. Grund für die Annahme der Unwirksamkeit ist, dass der von James Madison eingebrachte Verfassungszusatz zwar bereits 1789 mit verfassungsändernder Mehrheit vom Kongress, jedoch bis 1791 nur von sechs der damals 13 Staaten angenommen worden war, das nötige Quorum mithin nicht erreicht war und der Verfassungszusatz als gescheitert galt. Erst im Jahre 1873 ratifizierte mit Ohio ein weiterer Staat den Verfassungszusatz, Wyoming folgte 1978. Erst aufgrund einer Kampagne begannen ab 1983 die meisten Staaten mit einem erneuten Zustimmungsprozess, am 7. Mai 1992 stimmte mit
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
„No law varying the Compensation for the services of the Senators and Representatives shall take effect, unless an election of Representatives shall have intervened.“
Der mit diesem Verfassungszusatz verbundene Gedanke war von Anbeginn an, den Mitgliedern des Kongresses eine Entscheidung über die eigenen Bezüge, ergo „in eigener Sache“, unmöglich zu machen.6 Die Reichweite der entsprechenden Regelung betrifft aber von vornherein nicht alle Mitglieder des Kongresses, da die Wahlperiode für die Mitglieder des Repräsentantenhauses gemäß Art. 1 Sec. 2 Cl. 1 US-Verfassung zwei Jahre, die der Senatoren gemäß Art. 1 Sec. 3 Cl. 1 US-Verfassung i. V. m. dem 17. Verfassungszusatz hingegen sechs Jahre dauert, wobei gemäß Art. 1 Sec. 3 Cl. 2 US-Verfassung jeweils ein Drittel der Senatoren bei jeder Wahl des Repräsentantenhauses gewählt werden. Somit kommen zwei Drittel der Senatoren in den Genuss von ihnen selbst entschiedener Diätenhöhen. Darüber hinaus ist unklar, inwieweit die Regelung nur Fälle von Diätenerhöhungen erfasst.7 Z. T. wurde sogar vertreten, dass die Erhöhung noch für den letzten Monat der Legislaturperiode des jeweiligen Kongresses gelte, da dann bereits Neuwahlen stattgefunden hätten.8 Außerdem ist unklar, ob die Regelung auch für die Absenkung der Diätenhöhe gilt.9 Zu guter Letzt hat der U.S. Appellate Court for the District of Columbia festgestellt, dass durch einen Index bereits in vergangenen Legislaturperioden festgesetzte Diätenerhöhungen für die Zukunft nicht ausgeschlossen sind.10 Die Reichweite des 27th Amendment ist mithin recht begrenzt. Dies würde den verfassungsändernden Gesetzgeber in der Bundesrepublik jedoch nicht hindern, eine entsprechende Regelung zu treffen, die nur für Diätenerhöhungen, Versorgungsausweitungen und sonstige erweiterte Leistungen an Abgeordnete wirksam wird. Dennoch wäre die Wirksamkeit einer solchen Regelung in der Bundesrepublik zweifelhaft: Zunächst besteht in der Bundesrepublik wegen des geltenden Verhältniswahlrechts kaum eine Möglichkeit, Abgeordnete, die Michigan 203 Jahre nach der Verabschiedung durch den Kongress der notwendige 35. Staat zu; vgl. D. J. DeBenedictis, 78 A.B.A. J. (Aug. 1992), 26; W. Brugger, ZRP 1992, 321 f. Zweifel bestehen insbesondere, weil in den Jahren 1815, 1822 und 1873 vergleichbare Verfassungszusätze in den Kongress eingebracht, jedoch nicht angenommen wurden; vgl. H. V. Ames, S. 34 f. 6 Vgl. R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 502 ff. 7 Vgl. H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 375. 8 Boehner v. Anderson, 809 F. Supp. 138, 142 (D.C. D.C. 1992); a. A. Boehner v. Anderson, F. 3d 156, 163 (Cir. D.C. 1994). 9 Boehner v. Anderson, 809 F. Supp. 138 ff. (D.C. D.C. 1992).; Boehner v. Anderson, F. 3d 156 (162) (Cir. D.C. 1994). 10 Boehner v. Anderson, F. 3d 156 (162) (Cir. D.C. 1994).
A. Wirksamkeit erst für die nächste Legislaturperiode
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einer Diätenerhöhung zugestimmt haben, durch individuelle Abwahl zu sanktionieren, was in den USA wegen des Persönlichkeitswahlrechts gegeben ist.11 Eine rein institutionelle (im Gegensatz zur persönlichen) Betrachtungsweise mag über das folgende Argument hinweggehen: Nichtsdestoweniger führt die durchschnittliche Verweildauer von Abgeordneten von etwa drei Legislaturperioden12 im Bundestag dazu, dass ein erheblicher Teil der Abgeordneten trotz des Ablaufs der Wahlperiode in der nächsten Legislatur in den Genuss der Diätenerhöhung kämen.13 Insofern ist festzustellen, dass eine solche Regelung zunächst zu weitgehend am Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ festmacht, obgleich schon James Madison 1789 in der Debatte um den Verfassungszusatz deutlich machte, dass „there is a seeming impropriety in leaving any set of men without controul [sic] to put their hand into the public coffers, to take out money to put in their pocket“.14
Auch er betonte insoweit den Gedanken mangelnder Kontrolle und wollte sie durch intervenierende Wahlen gewährleisten, was in der Bundesrepublik jedoch, wie aufgezeigt, nicht in dem Maße wie in den USA gelingen kann. Insofern stellt sich die Frage, ob eine entsprechende Regelung bzw. entsprechende Regelungen für Entscheidungen zur Politikfinanzierung, aber auch die sonstigen Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit, eine Ausweitung der extraorganisatorischen Kontrolle einbrächten.15 Zwar bestünde grundsätzlich wegen des Dazwischentretens einer Bundestagswahl ein verlängerter Kontrollzeitraum bis zum Inkrafttreten der unter einer solchen Verfassungsänderung getroffenen Parlamentsentscheidungen. Jedoch handelte es sich hierbei nur um nachträgliche Kontrolle, wie sie bereits jetzt möglich ist, während die zum Ausgleich des Kontrolldefizits erforderliche zusätzliche Wirkmacht indirekter Interessen im Vorbereitungsstadium der Entscheidungen mit Kontrolldefizit nicht erreicht würden. Der zwischen Entscheidung und Inkrafttreten liegende Zeitraum könnte darüber hinaus sehr kurz ausfallen, wenn etwa die Entscheidungen gegen 11 Vgl. auch H. Klatt, ZParl 1973, 407 (419); ders., Altersversorgung, S. 127; Chr. Knebel-Pfuhl, S. 60 f. 12 Vgl. Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag, S. 280. 13 Vgl. H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 374 f.; H. H. Klein, FS Blümel, S. 225 (255 f.); J. Chr. v. Waldthausen, S. 275 f. 14 Zit. nach R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 497 (522). 15 Eine Ausweitung rechtlicher Kontrolle ist in diesem Rahmen nur für das Regelungsverfahren, nicht jedoch für die materiellen Inhalte der neuen Regelungen gegeben.
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
Ende oder gar am letzten Tag der alten Legislaturperiode getroffen würden und dann kurz danach mit dem Zusammentritt des neuen Parlaments in Kraft träten. Insofern ist unter der Geltung des deutschen Wahlrechts mit einer verfassungsrechtlichen Regelung entsprechend dem 27th Amendment keine tatsächliche Ausweitung extraorganisatorischer Kontrolle zu erreichen. Eine solche Regelung machte im Gegenteil zu sehr am Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“ fest, die so – formal – zu verhindern ist. Mangels tatsächlicher Ausweitung der Kontrollintensität stellte sie in der Bundesrepublik bestenfalls sicher, dass für die Dauer von vier Jahren keine Erhöhungen aufträten, was aber eher noch zu einer Vorratsversorgung führen könnte.16 Es würde sich einzig um einen Schritt symbolischen Rechts handeln, der jedoch keinerlei Erhöhung der Kontrollintensität der Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit einbrächte. Insoweit ist ein solcher verfassungspolitischer Vorschlag ungeeignet, das Problem der Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit zu entschärfen und ist daher abzulehnen.
B. Beratende und beschließende Kommissionen Immer wieder wird in der Literatur für die Fälle der „Entscheidungen in eigener Sache“ die Einführung beratender unabhängiger Kommissionen gefordert, welche vor der Beschlussfassung durch das Parlament über derartige Entscheidungen ein Votum abgeben sollen.17 Z. T. wird gar die verbindliche Beschlussfassung solcher Kommissionen verlangt.18 Für den Bereich der Parteienfinanzierung existiert bislang, vom Bundesverfassungsgericht angeregt,19 eine solche vom Bundespräsidenten einberufene Kommission unabhängiger Sachverständiger nach § 18 VII PartG 1994; ihre Aufgabe ist es nach S. 2 indes nur, den Warenkorb für den Preisindex, welcher einer möglichen Erhöhung der absoluten Obergrenze zugrunde lag, zu bestimmen. Darüber hinaus besteht nach S. 4 die Möglichkeit, für grundsätzliche Strukturänderungen der staatlichen Parteienfinanzierung auf Verlangen des Bundestags eine ebensolche Kommission einzuberufen. Die von Bundespräsident Rau einberufene und am 3. Februar 2000 16
So auch J. Chr. v. Waldthausen, S. 277. So schon Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 85. Vgl. auch H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 370 f.; ders., ZRP 1989, 257 (265); M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, 30 Jahre Parteiengesetz, S. 53 (67); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (300 f.). Gegen derartige Kommissionen aber W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1196). 18 Vgl. insb. W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 322. 19 BVerfGE 85, 264 (291). 17
B. Beratende und beschließende Kommissionen
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konstituierte Sachverständigenkommission, deren Auftrag an sich nur die Überprüfung des Warenkorbs war, nahm indes für sich selbst ein umfassendes Mandat zur Überprüfung des gesamten Rechts der Parteienfinanzierung an, formal gestützt auf den an die Vorgängerkommission gegebenen Auftrag vollständiger Überprüfung der Neuregelungen des PartG 1994.20 Eine Art beschließender Kommission bestand zwischen 1967 und 1989 in den Vereinigten Staaten. Der Postal Revenue and Salary Act von 1967 sah die Schaffung einer unabhängigen Commission on Executive, Legislative and Judicial Salaries vor, die dem Präsidenten alle vier Jahre Vorschläge für die Kongressmitglieder erteilte.21 Der Präsident war verpflichtet, dem Kongress auf dieser Grundlage seine Empfehlungen mitzuteilen. Diese traten automatisch in Kraft, wenn keines der beiden Häuser des Kongresses innerhalb von 30 Tagen sein Veto gegen die entsprechenden Regelungen einlegte.22 Trotz dieser Festlegung hatte der Kongress die Möglichkeit, jederzeit eine andere gesetzliche Regelung zu beschließen.23 Noch größer wurde der Einfluss des Präsidenten auf die grundsätzliche Ausgestaltung der Diäten, nachdem der Supreme Court 1983 sämtliche gesetzliche Regelungen, die ein One-House-Veto enthielten, für verfassungswidrig erklärte.24 Daraufhin wurde gesetzlich verankert, dass beide Häuser in einem gemeinsamen Beschluss die Empfehlungen des Präsidenten zurückzuweisen hatten, um eine Erhöhung der Diäten durch den Präsidenten abzuwenden.25 Letztlich bestand so für den Kongress keine Notwendigkeit, Erhöhungen selbständig zu verantworten, vielmehr wurde diese weitestgehend an den Präsidenten bzw. die ihn beratende Kommission abgetreten. Diese Entlastung des Kongresses wurde noch verstärkt durch den Executive Cost-of-Living Act von 1975, der die Einkünfte der Kongressmitglieder zusätzlich automatisch um den Prozentsatz anwachsen ließ, der die Erhöhung zugunsten der US-amerikanischen Bundes-„Beamten“ ausmachte.26 Dies führte in mehreren Schritten, die z. T. annähernd 30-prozentige Erhöhungen ergaben, zu nicht unerheblichen Zuwächsen für die Abgeord20
Vgl. hierzu Bundespräsidialamt, S. 24 f. Vgl. zum Überblick Pressler v. Simon, 428 F. Supp. 302, 303 (D.C. D.C. 1976). 22 Ebd. Zur Zulässigkeit einer solchen Delegation siehe auch Richardson v. Kennedy, 313 F. Supp. 1282–1286 (D.C. W. Penn. 1970). 23 Vgl. Pressler v. Simon, 428 F. Supp. 302, 305 (D.C. D.C. 1976). Der Supreme Court hielt die Regelung unter anderem aus diesem Grunde für verfassungsgemäß, vgl. Pressler v. Blumenthal, 434 U.S. 1028 (1978). 24 Vgl. INS v. Chadha, 462 U.S. 919 ff. (1983). 25 Vgl. zum Überblick Humphrey v. Baker, 848 F. 2d 211, insb. 215 (D.C. Cir. 1988), dort auch für verfassungskonform gehalten. Zur Vorinstanz Humphrey v. Baker, 665 F. Supp. 23–30 (D.C. D.C. 1987). 26 Pressler v. Simon, 428 F. Supp. 302, 303 (D.C. D.C. 1976). 21
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
neten. Hatte das jährliche Einkommen im Jahre 1967 noch 30.000 US-Dollar betragen, wuchs es bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung durch den Ethics Reform Act von 1989, der allerdings erst 1991 in Kraft trat, bis auf 96.600 US-Dollar für die Repräsentanten und 98.400 US-Dollar für die Senatoren an.27 Der Ethics Reform Act ersetzte zunächst die Commission on Executive, Legislative and Judicial Salaries durch die Citizens’ Commission on Public Service and Compensation.28 Wesentlicher ist jedoch die Veränderung dadurch, dass nunmehr die auf dieser Kommission beruhenden Empfehlungen des Präsidenten durch namentliche Abstimmung von beiden Häusern als Gesetz beschlossen werden müssen.29 Insoweit ist die jetzt bestehende Kommission nur noch eine beratende. Seither ist das vorher massive Anwachsen der Einkünfte der Kongressmitglieder erheblich gebremst. Der Ethics Reform Act30 hatte zunächst zu einer Erhöhung der „Diäten“ auf 125.100 US-Dollar geführt. Seitdem hat es nur noch automatische Erhöhungen aufgrund des im Ethics Reform Act vorgesehenen Index gegeben,31 so dass die Kongressmitglieder heute 165.200 US-Dollar (Stand: 1.1.2006) verdienen.32 Die Umstellung von einer entscheidenden hin zu einer beratenden Kommission hatte mithin zu einem geringeren Anwachsen beigetragen, was wiederum dafür spricht, dass die intraorganisatorische Kontrolle, die die Entscheidenden zur Selbstkontrolle veranlasst, eher stärker wirkt als das Übertragen der Entscheidung auf andere Instanzen.
I. Defizitausgleich durch eine beratende Kommission Fraglich ist nunmehr, ob das Einschalten solcher Kommissionen das festgestellte Kontrolldefizit ausgleichen kann und welcher der beiden Kommissionsarten, entscheidende bzw. beratende Kommission, der Vorzug zu geben ist. Zunächst führt das Einschalten beratender unabhängiger Kommissionen, wenn die Anhörung vor der Verabschiedung entsprechender Regelungen er27 28 29 30
R. B. Bernstein, 61 Fordham L. Rev. (1992), 497 (535). 2 U.S.C. § 351. 2 U.S.C. § 359 (2)(A). Dieser wurde für die Senatoren erst aufgrund eines Erweiterungsgesetzes wirk-
sam. 31
In den Jahren 1994 bis 1997 sowie 1999 setzten die beiden Häuser die automatischen Erhöhungen aus. 32 Quelle: CRS Report for Congress, 18.04.2006, verfügbar unter: http://www. senate.gov/reference/resources/pdf/97-1011.pdf.
B. Beratende und beschließende Kommissionen
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forderlich ist, dazu, dass außerhalb des Parlaments stehende, indirekte Interessen im Entscheidungsprozess eine eigenständige Stimme erhalten.33 Bereits dadurch ist eine Erhöhung der extraorganisatorischen Kontrolle gegeben, die dann letztlich aber wieder durch ein Organ ausgeübt wird, die Kommission.34 Eine solche beratende Kommission hat noch einen weiteren Vorzug: Durch ihre verpflichtende Einschaltung kann eine gewisse Liegefrist für entsprechende Entscheidungsentwürfe gewährleistet werden, die die Zugangsmöglichkeiten externer, indirekter Interessen erweitert.35 Problematisch ist indes die Legitimation solcher Kommissionen und ihre Zusammensetzung. Letztlich beruhte die Legitimation der letzten beiden unabhängigen Parteienfinanzierungskommissionen des Bundespräsidenten auf § 18 VII PartG, sowie der Berufung durch den Bundespräsidenten.36 Folglich besteht durchaus eine vom Bundespräsidenten abgeleitete Legitimation, eine Interessenrepräsentanz analog der im Parlament bestehenden ist indes nicht gegeben, da die Berufung in die Kommission, wenn nicht der Willkür, so doch nur dem pflichtgemäßen Ermessen des Bundespräsidenten unterliegt. Nichtsdestoweniger wurde das Modell einer solchen beratenden Kommission allgemein weitgehend positiv aufgenommen, da sich nach zwei informellen Bestellungen die Einrichtung nunmehr auf das PartG berufen kann. Allerdings ist nach neuer Rechtslage die Einberufung einer Parteienfinanzierungskommission durch den Bundespräsidenten nurmehr dann vorgesehen, wenn das Parlament dies verlangt, was von einem gewissen Misstrauen des Parlaments zeugt.37 33 Dies scheint auch der Grund für den Vorschlag solcher Kommissionen durch das Bundesverfassungsgericht zu sein, vgl. BVerfGE 85, 264 (291). Vgl. darüber hinaus H. H. v. Arnim, Parlamentsreform, S. 48 f.; ders., APuZ 1992, 14 (22); ders., in: Schneider/Zeh, ParlR, § 16 Rn. 42; Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 85; O. R. Kissel, FS Zeuner, S. 79 (86); H. Klatt, ZParl 1973, 407 (419 f.); ders.; Altersversorgung, S. 127 ff.; Chr. Knebel-Pfuhl, S. 61; H. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 48 Rn. 32; U. Thaysen, S. 33, 126, 180, 217. s. a. H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (344), der ein solches Gremium „Senat für Parlamentsfragen“ betitelt. Grundsätzlich zustimmend zu beratenden Kommissionen auch E. Eyermann, ZRP 1992, 201 (201 f.), der sie allerdings bei bestehender Indexierung für überflüssig hält. 34 s. a. J. Chr. v. Waldthausen, S. 323. 35 Vgl. zu solchen Liegefristen noch unten C. 36 Die „Rau-Kommission“ und die „Herzog-Kommission“ waren aufgrund der gesetzlichen Vorschriften berufen worden, während die sog. „Carstens-Kommission“ bar jeder gesetzlichen Grundlage auf Bitte der Vorsitzenden der 1982 im Bundestag vertretenen Parteien einberufen wurde und die sog. „Weizsäcker-Kommission“ 1992 ebenfalls völlig ohne Grundlage vom Bundespräsidenten einberufen wurde, vgl. Bundespräsidialamt (Hrsg.), Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung, Baden-Baden, 2001, S. 25 f. Kritisch zur Berufung solcher Kommissionen durch Ministerpräsidenten: H. H. v. Arnim, Politik Macht Geld, S. 115 ff.
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
Insgesamt kann eine beratende bzw. auch vorbereitende Kommission durchaus die extraorganisatorische Kontrolle des Gesetzgebers in Fragen der Politikfinanzierung stärken – einerseits durch die Vorbereitung eigener Entwürfe, andererseits durch die dadurch weit mehr angeregte öffentliche Diskussion über die jeweils vom Bundestag zu beschließenden Fragen.38 Da die Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit fast ausnahmslos Fragen der Politikfinanzierung betreffen, könnte eine ständige Politikfinanzierungskommission durchaus zur Erhöhung insbesondere extraorganisatorischer Kontrolle für nahezu alle Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit führen. Dazu könnten bei einem umfassenden Verständnis der Politikfinanzierung eben auch Amnestiegesetze zugunsten von Abgeordneten zählen, die gegen das Parteiengesetz verstoßen haben und sich daher – eventuell auch nach außerhalb des PartG liegenden Straftatbeständen – strafbar gemacht haben. Auch der Bereich der Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete könnte hier mit einbezogen werden, da es sich bei diesen Regelungen ganz wesentlich um solche handelt, die sich mit Möglichkeiten von Nebenverdiensten von Abgeordneten, also Politikfinanzierung, und entsprechenden Publikationsverpflichtungen auseinandersetzen. Sinnig wäre ebenso, eine solche Kommission sowie ihren Auftrag verfassungsrechtlich zu verankern.39 Sinnvoll erscheint dabei, dass der Bundestag verpflichtet wird, bei beabsichtigten Revisionen im Recht der Politikfinanzierung die Kommission anzuhören, wobei ihr – entsprechend den Fristen des Bundesrats – Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wird, deren Frist bei Bedarf verlängerbar sein sollte. Darüber hinaus sollte die grundgesetzliche Regelung vorsehen, dass vor beabsichtigten grundsätzlichen Revisionen in den verschiedenen Bereichen der Politikfinanzierung der Kommission ein Zeitrahmen zur Verfügung gestellt wird, in dem sie zu den aufgeworfenen Problemen eigene Lösungsansätze anbieten kann. Die Berufung durch den Bundespräsidenten bietet sich dabei an, da er vom Parlament weitgehend unabhängig ist.40 Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts käme hier in Anlehnung an amerikanische Vorbilder41 in Betracht, wobei wegen der doch größeren Nähe zum politischen System dem Bundespräsidenten der Vorzug zu geben sein dürfte. 37 Grund hierfür könnte sein, dass die Rau-Kommission ihren Auftrag sehr viel weitgehender verstand als an sich nach § 18 VII PartG vorgesehen war und nicht nur den Warenkorb anpasste, sondern vielmehr eine weitgehende Revision der staatlichen Parteienfinanzierung insgesamt anregte. 38 A. A. L. Determann, BayVBl. 1997, 385 (389 f.). 39 Vgl. für eine beschließende Kommission H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (300 f.). 40 Vgl. auch J. Chr. v. Waldthausen, S. 322 f. Zum Bedarf nach demokratischer Legitimation solcher Beratungsgremien H. H. Klein, FS Fromme, S. 112 (128 f.).
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II. Defizitausgleich durch eine beschließende Kommission Eine beschließende Kommission, wie sie etwa Wilhelm Henke für den Bereich der staatlichen Parteienfinanzierung gefordert hatte,42 ginge freilich über das Maß der bei einer beratenden Kommission bestehenden Kontrolle hinaus. Dazu käme eine tatsächlich allein entscheidende Kommission grundsätzlich ebenso in Betracht wie etwa ein Modell, wie es in den Vereinigten Staaten zwischen 1967 und 1991 bestand. Allerdings ist dann die Frage aufgeworfen, ob eine solche Übertragung des Gesetzgebungsrechts an die Kommission noch angemessen wäre. Für den Fall einer allein und ausschließlich beschließenden Kommission wäre der Bundestag völlig ausgeschaltet, verlöre mithin jedwede eigene Kontrolle über den Bereich der Politikfinanzierung. Dies wäre schon aus demokratieprinzipiellen Gründen abzulehnen, wenn die Kommission nicht vom Volk gewählt würde.43 Das Parlament ist in der Bundesrepublik mit der nachhaltigsten Legitimation durch das Volk versehen. Daher können Entscheidungen des Parlaments – aus gutem Grund! – nur durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, also letztlich die als noch weitgehender legitimiert verstandene Verfassung verdrängt werden. Hier einer Kommission eine für das Parlament unanfechtbare Entscheidung einzuräumen ist mit Art. 20 I GG nicht zu vereinbaren, da der Kommission gleichwertige Legitimation fehlte. Im Falle ihrer Wahl würden jedoch wiederum die Parteien als maßgebliche Akteure im Bereich der Politik erheblichen Einfluss auf die Kommission nehmen können.44 Deshalb ist eine beschließende Kommission schon aus grundsätzlichen verfassungsmäßigen Erwägungen abzulehnen. Auch wäre das Parlament durch eine entscheidende Kommission erpressbar, wenn sie etwa bestimmte politische Veränderungen wünscht und nur für den Fall eine Erhöhung in entsprechenden Bereichen der Politikfinanzie41
Gemeint ist etwa die Warren-Kommission zur Untersuchung der Ermordung Präsident Kennedys. 42 W. Henke, BK, Art. 21 (1991), Rn. 321 ff. Vgl. auch Chr. Pestalozza, NJW 1987, 818 (821); H.-J. Vogel, ZG 1992, 293 (300 f.). Gegen beschließende Kommissionen in Bezug auf die Abgeordnetenbezüge: H. H. v. Arnim, NJW 1996, 1233 (1239); ders., APuZ 1992, 14 (22); J. Linck, ZParl 1995, 373 (374); H. H. Rupp, ZG 1992, 285 (290); H. Sendler, ZRP 1996, 184 (185); F. Welti, S. 381. 43 Vgl. H. H. v. Arnim, ZRP 2003, 235 (241); E. Eyermann, ZRP 1992, 201 (201 f.); S. Hölscheidt, S. 582 ff. Vgl. zum Folgenden auch J. Chr. v. Waldthausen, S. 325 ff. 44 Vgl. H. H. v. Arnim, ZRP 2003, 235 (241). Darüber hinaus würden die Kosten einer solchen Wahl das Ausmaß der Kosten von Erweiterungen der Politikfinanzierung vermutlich übertreffen.
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
rung in Aussicht stellt bzw. gar erhebliche negative Veränderungen für den Fall des Nichteingehens auf bestimmte ihrer außerhalb der Politikfinanzierung stehenden Forderungen ankündigt.45 Zwar mag eine solche Handlungsweise der Kommission unwahrscheinlich sein, jedoch sind auch extreme Konsequenzen zu bedenken. Daran zeigt sich, dass es im Ergebnis sinnvoll ist, die Letztentscheidung beim Parlament zu belassen, da die Übertragung der Gesetzgebung an jedwede andere staatliche Institution das Parlament erpressbar machte. Insofern käme ein Modell wie das zwischen 1967 und 1991 in den USA bestehende in Betracht. Zwar bestünde hier die Letztverantwortung des Bundestags, der sich mit einem Veto gegen die entsprechenden Änderungen sperren könnte, jedoch läge die Hauptverantwortung beim Bundespräsidenten bzw. der Kommission – insbesondere könnte sich das Parlament seiner Verantwortung entziehen, indem es Veränderungen – auch bei wesentlichen Erhöhungen – untätig hinnimmt. Verantwortlichkeit ist jedoch Voraussetzung effektiver Kontrolle, die gegenüber dem Parlament dann umso weniger besteht, da das Parlament nicht mehr tätig werden muss. Hier entstünde ein „parlamentsloses Gesetz“.46 Daher stellt sich auch hier die Frage der Legitimation der Kommission,47 der dann weitgehende Entscheidungs- ja fast schon Gesetzgebungsrechte eingeräumt wären. Eine Ableitung nur vom Bundespräsidenten, der dem Parlament nur im Rahmen des Art. 61 GG verantwortlich ist, erscheint hier nicht ausreichend.48 Eine Direktwahl durch das Volk würde sie demgegenüber zu einer Art Parallelparlament machen. Neben den dadurch zusätzlich entstehenden Kosten, die über die Kosten von Diätenerhöhungen sicher hinausgingen, ist davon auszugehen, dass auch hier die Parteien Einfluss gewinnen könnten.49 Obgleich hiergegen an sich keine zwingenden Einwände sprechen, verbliebe die Kontrolle doch wieder im parteipolitischen Bereich, so dass zumindest die Unterstellung unsachgemäßer Kommissionsarbeit möglich wäre. Andernfalls könnte sich auch hier eine Art Bestechlichkeit des Parlaments gegenüber der die Entscheidung treffenden Kommission bilden.50 45 Vgl. auch Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 85; H. Klatt, ZParl 1973, 407 (418), der eine Gefahr für die „Souveränität des Parlaments“ sieht. Auf dieses Problem des „aggrandizement“ weist auch A. Vermeule, 102 Col. L. Rev. (2002), 501 (510), hin. 46 Vgl. zur Problematik insb. H. Quaritsch, Das parlamentslose Parlamentsgesetz, S. 39 ff., 71 f. 47 Vgl. H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 373. 48 Vgl. O. R. Kissel, FS Zeuner, S. 79 (86). 49 Vgl. zu diesem Aspekt H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 372; ders., APuZ 1992, 14 (22).
C. Indexierung staatlicher Leistungen
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Die Einrichtung entscheidender Kommissionen führt zwar zu einer Verlagerung der Entscheidung,51 letztlich aber nicht zu einer erhöhten Kontrolle des aus wichtigen Gründen zur Entscheidung selbst berufenen Parlaments. Die Einrichtung einer entscheidenden Kommission hängt viel zu sehr am Begriff der „Entscheidung in eigener Sache“, die dem Parlament abzunehmen sei. Mithin ist einer beratenden, mit eigenen Kontroll- und Stellungsnahmerechten ausgestatteten Kommission der Vorzug zu geben.
C. Indexierung staatlicher Leistungen im Rahmen der Politikfinanzierung Ein weiterer – auch im internationalen Rahmen durchaus üblicher – Weg, im Rahmen von Politikfinanzierung die Entscheidungsmacht des Parlaments zu begrenzen, ist die Möglichkeit, das Anwachsen solcher Leistungen an bestimmte Indices zu knüpfen.52 Dafür stehen zwei wesentliche Modelle zur Verfügung: Das erste knüpft bei der Indexierung an außerhalb der Entscheidungsmacht des Parlaments liegende Indices an, das zweite hingegen an solche, die im Einflussbereich des Parlaments liegen. Keinerlei Bedeutung können derlei Indices im Bereich der Verteilung entsprechender Mittel unter den Parteien oder für die Verhaltensregeln für Abgeordnete entwickeln. Ihre Reichweite ist insbesondere im Vergleich zu den oben genannten Möglichkeiten der Erhöhung der Kontrollintensität durch den Einsatz beratender Kommissionen begrenzt, was jedoch nicht gegen die Festlegung von Indices für die Bereiche spricht, in denen sie hilfreich sein können. Dem ersten Modell der Anknüpfung an außerhalb des Entscheidungsbereichs des Parlaments liegende Indices folgt insbesondere der Art. 54 II ThürVerf, da hier auf die Preisentwicklung im Lande abgestellt wird, die vom Landesamt für Statistik gemäß § 26 III ThürAbgG festzustellen ist.53 50
Vgl. hierzu soeben bei Fn. 45. S. Hölscheidt, S. 583, spricht insoweit von einem „Abwälzen der Verantwortung“. 52 So für die absolute Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung auch BVerfGE 85, 264 (291). Vgl. allgemein für die Anknüpfung an Gehalts- und Lohnentwicklungen bei den Abgeordnetendiäten R. Hanauer, ZParl 1979, 115 (116). s. a. Chr. Pestalozza, NJW 1987, 818 (821). 53 Vgl. F. Edinger, ZParl 1999, 296 (insb. 303); P. M. Huber, ThürVBl. 1995, 80 ff.; S. Jutzi, NJ 1999, 87 f.; D. Meyer, Jb. f. Wirtschaftswissenschaften 47 (1996), S. 324 (340). s. a. L. Determann, BayVBl. 1997, 385 ff. (insb. 393 f.). Gegen derartige Anknüpfungen, etwa auch an das Durchschnittseinkommen, E. Eyer51
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
Eine solche Anknüpfung entzieht letztlich dem Parlament jedwede Entscheidungsbefugnis über die staatliche Politikfinanzierung. Je nachdem, ob der Index bereits verfassungsrechtlich oder nur einfachgesetzlich vorgesehen ist, sind dem Parlament entsprechende Hürden für eine anderweitige Regelung gesetzt. Solche Regelungen sind nicht nur für die Einkünfte der Abgeordneten möglich, sondern werden z. B. in Rumänien54 auch im Bereich der Parteienfinanzierung eingesetzt, hier mit Bezug auf bestimmte Prozent- bzw. Promillesätze des Jahresbudgets. In Frage kämen auch entsprechende Sätze des Bruttoinlandsprodukts oder ein Vielfaches des Durchschnittseinkommens.55 Entsprechende Regelungen sind außer für die Abgeordnetendiäten mithin unproblematisch auch für die Fraktionsfinanzierung, die Finanzierung der politischen Stiftungen, des Parlamentshaushalts und der Besoldung von Regierungsmitgliedern möglich. Wie bereits angesprochen entziehen derartige Indices dem Parlament, solange an ihnen festgehalten wird, die Entscheidungsmacht über die Höhe entsprechender Leistungen, führen andererseits natürlich aber auch dazu, dass das Parlament keinerlei Verantwortung für die Höhe der entsprechenden Leistungen mehr trägt. Derartige Indices können aber je nach Wahl des Bezugspunktes durchaus Anreizmodelle für die Bundestagsabgeordneten darstellen, wenn sie etwa an das Wachstum des realen Sozialprodukts oder des magischen Vierecks des § 1 StabG anknüpfen.56 Allerdings ist dabei zu bedenken, dass die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der Politik auf den ökonomischen Erfolg der zugrunde liegenden Volkswirtschaft wegen der großen Zahl exogener Einflussfaktoren begrenzt sind.57 Dies spricht allerdings nur gegen ihre Effizienz als Anreizmodell, nicht jedoch gegen ihre sonstige Angemessenheit. Dem gegenüber bestehen auch Modelle, in denen dem Parlament die Entscheidung über die Basis des jeweiligen Index verbleibt, wenn etwa an die Einkünfte bzw. deren Wachstum bestimmter öffentlicher Angestellter oder mann, ZRP 1992, 201 (202), da hier nur der homo faber, nicht aber der homo ludens berücksichtigt werde, gerade des letzteren Einkommen sich aber durchaus erhöhend auf die Diäten auswirken könnte. 54 s. etwa Art. 39 Parteiengesetz Rumänien. Indexierung bestehen auch für Höchstgrenzen von Spenden Privater: Art. 25 Parteiengesetz Polen; Art. 30 Parteiengesetz Mazedonien; Art. 35 Parteiengesetz Rumänien. 55 Für derartige Modelle als „pragmatisch“ auch J. Isensee, FS Fromme, S. 41 (61 f.). 56 Vgl. H. Kunz, S. 167 ff. Zum Nutzen derartiger Anreizmodelle vgl. bereits oben 3. Teil, B.II.1.b). 57 D. Meyer, Jb. f. Wirtschaftswissenschaften 47 (1996), S. 324 (337).
C. Indexierung staatlicher Leistungen
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Beamter angeknüpft wird,58 wie dies auch im Rahmen der beabsichtigten Verfassungsänderung des Jahres 1996 für die Diäten der Bundestagsabgeordneten der Fall gewesen wäre, da hier auf das Gehalt der Bundesrichter abgestellt werden sollte.59 Da dem Parlament hier durch das BBesG und seine Anlagen eine Zugriffsmöglichkeit verbleibt, wird mithin ein selbstbestimmter Index zur Grundlage gemacht. Gleiches gilt, wenn auf Prozentsätze des Gesamtstaatsbudgets abgestellt wird. Ein ähnliches Modell bestand zwischen 1975 und 1991 auch in den USA, wenngleich auch hier der Einfluss des Parlaments stark eingeschränkt war. Der Executive Salary Cost-of-Living Adjustment Act von 1975 führte dazu, dass sich die Einkünfte der Abgeordneten automatisch um den Satz erhöhten, um den der Präsident die Einkünfte der Bundesbeschäftigten erhöhte.60 Da der Kongress bis 1981 jährlich über das Budget zur Besoldung seiner Mitglieder beschloss, konnte das Parlament schlicht darauf verzichten, die entsprechende Anpassungen zu finanzieren und die Einkünfte so auf dem alten Stand halten.61 Nachdem der Kongress im Jahre 1981 eine automatische Budgetanpassung beschlossen hatte, konnten entsprechende Erhöhungen nurmehr durch überlagerndes Kongressgesetz ausgeschlossen werden.62 Durch den 1991 in Kraft tretenden, 1989 beschlossenen Ethics Reform Act wurde die Berechnungsgrundlage erheblich verändert und auf einen außerhalb des Verantwortungsbereich des Parlaments liegenden Index umgestellt. Dabei wird auf das statistisch zu errechnende durchschnittliche Wachstum von Einkünften im privaten Sektor abgestellt, von dem ein halbes Prozent abgezogen wird. Um den restlichen Faktor erhöht sich das Ein58 Vgl. E. Eyermann, ZRP 1992, 201 (202 f.). Skeptisch H. Klatt, ZParl 1973, 407 (419). s. a. für vergleichbare Diätenregelungen in Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbrittanien, Italien, Luxemburg den Niederlanden, Österreich, und Portugal: Bericht der sog. Kissel-Kommission, BT-Drucks. 12/5020, Anlage 32, S. 89. s. a. Th. Eschenburg, Der Sold des Politikers, S. 44. 59 J. Chr. v. Waldthausen, S. 300 ff., unterscheidet zwischen einer Kopplung an bestimmte Gehälter und einer Indexierung, wenngleich er durchaus die Ähnlichkeit beider Verfahren sieht, S. 311. s. a. H. H. v. Arnim, Politik Macht Geld, S. 99 f. M. E. ist diese Unterscheidung nicht geboten, da es sich nur um verschiedene Indices handelt. Sinnvoller erscheint demgegenüber die Unterscheidung zwischen Indices, auf die das Parlament Zugriff hat und solchen, auf die dem Parlament kein Einfluss verbleibt. 60 Diese Raten werden als cost-of-living adjustments, kurz COLAs bezeichnet. Zum System vgl. Pressler v. Simon, 428 F. Supp. 302 (303) (D.C. D.C. 1976). Vgl. zur Debatte des amerikanischen Verfassungskonvents 1787 über einen Index der Bundesrichterbesoldung in den USA Atkins v. U.S., 556 F. 2d 1028, 1045 ff. (Ct. Cl. 1977), wo ein Weizenstandard vorgeschlagen wurde, sich aber nicht durchsetzen konnte. 61 Pressler v. Simon, 428 F. Supp. 302, 304 f. 62 Vgl. Humphrey v. Baker, 848 F. 2d 211, 215 Fn. 6 (D.C. Cir. 1988).
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
kommen der Abgeordneten, soweit ein Wachstum verbleibt. Zugleich besteht eine absolute Obergrenze von 5% Wachstum.63 Da es sich bei diesen Regelungen um einfaches Gesetzesrecht handelt, hat auch hier der Kongress die Möglichkeit, die Regelungen durch weitere Gesetze jederzeit zu überlagern. In der Bundesrepublik besteht nach § 18 VI PartG ein ähnlicher, parlamentsunabhängiger Index für die absolute Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung, allerdings ist der Index hier nur Richtwert für das Parlament, das stets über eine Anpassung selbst zu entscheiden hat. Beide Arten von Indices sind effektive Möglichkeiten, das Wachstum von Staatsausgaben im Rahmen der Politikfinanzierung einerseits zu begrenzen, andererseits angemessene Anpassungen im Bereich der Politikfinanzierung zu gewährleisten. Sie sichern eine gewisse Systemadäquanz ab. Insoweit ist die Einführung entsprechender verpflichtender Indices durchaus eine Möglichkeit, eine weitgehend absolute Kontrolle durch rechtliche Maßstäbe gegenüber dem Parlament abzusichern, eine Art „beratender“ Indices, wie sie das PartG in § 18 VI vorsieht, erhöht für die Öffentlichkeit jedenfalls die Vergleichbarkeit und effektiviert zumindest die Möglichkeiten extraorganisatorischer Kontrolle.64 Während außerhalb der parlamentarischen Verantwortlichkeit liegende Indices letztlich zu einem Entzug der Verantwortlichkeit des Parlaments für Anpassungen der Politikfinanzierung führen, bleibt diese bei der Anknüpfung an vom Parlament selbst zu bestimmende Indexbasen, wie etwa der Beamtenbesoldung, erhalten.65 Letzteres kann, wegen der dann bestehenden Anknüpfung an direkte Interessen der ebenfalls von der parlamentarischen Entscheidung Betroffenen, durchaus, je größer die Gruppe ebenfalls Betroffener ist, zu einer Intensivierung extraorganisatorischer Kontrolle führen. Daher böte sich anstelle einer Anknüpfung etwa an Bundesrichtergehälter eine solche an das Vielfache etwa der Beamtenbesoldung nach A 13 Anlage IV zum BBesG oder gar des Sozialhilfesatzes an. Problematisch an einer solchen Anknüpfung an Indices erscheint indes, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Diätenentscheidung ausdrück63 5 U.S.C. § 5303(a); vgl. auch Boehner v. Anderson 30 F. 3d 156 (159) (Cir. D.C. 1994). 64 Vgl. hierzu auch J. Chr. v. Waldthausen, S. 306. 65 Gegen eine derartige Anknüpfung wendet sich, gar mit der Behauptung einer verfassungswidrigen Verfassungsänderung, L. Determann, BayVBl. 1997, 385 (391 f.), der aber die Erweiterung der Kontrolle durch die zusätzliche Einschaltung von indirekten Interessen verkennt. s. dazu ablehnend auch J. Isensee, FS Schiedermair, S. 181 (190); W. Schmitt Glaeser, FS Stern, 1183 (1188 f.).
C. Indexierung staatlicher Leistungen
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lich festschrieb, dass das Parlament in jedem Falle der Anpassung seiner Diäten verpflichtet sei, „in eigener Sache“ zu entscheiden, weil so die öffentliche Kontrolle gewahrt bleibe.66 An dieser Rechtsauffassung knüpfte dann im wesentlichen auch die Kritik an der 1996 geplanten Indexierung der Abgeordnetendiäten an.67 Tatsächlich muss das Parlament im Falle der Indexanknüpfung Fragen der Politikfinanzierung nicht mehr im Einzelfall durch Einzelgesetz klären, die Anpassungen gehen vielmehr automatisch vonstatten. Das Bundesverfassungsgericht und die sich ihm anschließende Kritik in der Literatur verkennen jedoch, dass bei der Einführung entsprechender Indices mit der Einführung rechtlicher, insbesondere verfassungsrechtlicher Maßstäbe die Kontrolle, rechtlicher wie politischer Natur, wesentlich erhöht wird.68 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass hier Kontrolle eine wesentliche Rolle zu spielen hat.69 Diese kann aber eben auch durch rechtlich verbindliche Indices gewährleistet, ja sogar besser abgesichert werden als durch die gewöhnlich kontrolldefizitäre Einzelentscheidung des Parlaments. Insofern ist die an der versuchten verfassungsrechtlichen Indexanknüpfung 1995 geäußerte Kritik als äußerst kontraproduktiv einzustufen, da sie ein Mehr an Kontrolle und Kontrollmaßstäben gerade verhindert hat.70 66
BVerfGE 40, 296 (327). Vgl. auch O. R. Kissel, FS Zeuner, S. 79 (86). Dieses Argument hatte auch der U.S.-Senat gegen eine Indexierung, die letztlich aber gleichzeitig eine Delegation auf den Präsidenten bedeutete, vorgebracht. Vgl. Atkins v. U.S., 556 F. 2d 1028, 1087 (Ct. Cl. 1977). 67 s. a. das Titelblatt des SPIEGEL Nr. 38 vom 18.9.1995: „Diese Woche im Bundestag: Verfassungsbruch aus Geldgier“. 68 J. Chr. v. Waldthausen, S. 306, meint, die Indexierung bekäme bei einer Anknüpfung an die allgemeine Einkommensentwicklung gar einen „repräsentativen Charakter“. s. a. P. M. Huber, ThürVBl. 1995, 80 (81). A. A. L. Determann, BayVBl. 1997, 385 (389). 69 BVerfGE 40, 296 (327). 70 Zur Kritik des Urteils vom 5. November 1975, BVerfGE 40, 296 ff., in Bezug auf Indices s. W. Seuffert, abw. Meinung BVerfGE 40, 296 (349 f.); C.-F. Menger, VerwArch 67 (1976), 303 (314). Obgleich der bei der geplanten Reform 1995 gewählte Index der Bundesrichterbesoldung durchaus diskutabel ist, sinnvoller wäre hier die Anpassung an eine größere Gruppe von Beamten gewesen, erscheint es als nachgerade zynisch, wenn Kritiker der „Entscheidung in eigener Sache“ einerseits das – durchaus vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene – bestehende Verfahren der Diätenanpassung kritisieren, sich aber auf das Bundesverfassungsgericht stützen, um Veränderungen hin zu ausgeweiteter Kontrolle ebenfalls abzulehnen. Vgl. auch H.-H. Klein, FS Blümel, S. 225 (225, 238 ff.); J. Isensee, FS Fromme, S. 41 (61); W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1184 f.). Es ist ohnehin zweifelhaft, inwiefern die Kritiker der Indexierung sich hierbei noch auf das Bundesverfassungsgericht stützen können, sehen sie doch Entscheidungen über die Parteienfinanzierung und die Abgeordnetendiäten gleichermaßen als „Entscheidungen in eigener Sa-
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
Der ebenfalls vertretenen Behauptung, bei der Schaffung eines Index, der im Entscheidungsbereich der Abgeordneten liegt, verlören die Abgeordneten ihre „Unbefangenheit“ gegenüber den entsprechenden Basisgrößen,71 ist, soweit ein möglichst großer Kreis der von der Basisgröße Betroffenen besteht, zu entgegnen, dass dieselbe „Befangenheit“ auch bei Entscheidungen im Familien- und Erbrecht, insbesondere aber im Steuerrecht besteht. Sie geht mit einem mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Abgeordnetenbild einher.72 Indexierungen haben darüber hinaus den Vorteil, dass die Abgeordneten aus falsch verstandenem Decorum und somit übermäßiger intraorganisatorischer Kontrolle nicht mehr auf Diätenerhöhungen verzichten und somit eine Anpassung an das allgemeine Wachstum von Einkünften erhalten bleibt.73 Indexierungen erhöhen im Ergebnis durch die Schaffung rechtlicher, insbesondere verfassungsrechtlicher Maßstäbe, das rechtliche Kontrollniveau der staatlichen Politikfinanzierung. Da sich derartige Indexierungen weitgehend selbst vollziehen, ist auch kein erweiterter Zugang zu den Gerichten vonnöten. Durch die Anknüpfung an Basisgrößen, von denen eine möglichst große Zahl von Bürgern direkt betroffen ist, erhöht sich zudem das extraorganisatorische Kontrollniveau. Daher empfehlen sich solche Indexierungen für den gesamten Bereich der Politikfinanzierung. Ihre verfassungsrechtliche Verankerung ist dabei anzuraten.74
D. Liegefristen Z. T. wird in der Literatur die Einführung so genannter Liegefristen für „Entscheidungen in eigener Sache“ gefordert.75 Darunter werden Regelunche“ an. Das Bundesverfassungsgericht hat für die absolute Obergrenze der Parteienfinanzierung eine solche Indexierung aber gerade angeregt, vgl. BVerfGE 85, 264 (291). 71 H. H. v. Arnim, ZRP 1995, 340 (348); ders., Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 404 f. Vgl. auch J. Chr. v. Waldthausen, S. 315, 317. 72 Vgl. dazu schon oben 3. Teil, B.I. 73 Zu diesem Gesichtspunkt auch J. Chr. v. Waldthausen, S. 310. s. a. Boehner v. Anderson, 809 F. Supp. 138 (142) (D.C. D.C 1992), wo Richter Stanley Sporkin ausdrücklich einen Index begrüßt, da er die „Achterbahnfahrt“ des Hinauszögerns von Erhöhungen, um dann einen umso höheren Aufschlag bei späteren Entscheidungen vornehmen zu müssen, der einen Inflationsausgleich zu gewährleistet, verhindert. 74 Offengelassen bei J. Chr. v. Waldthausen, S. 306 ff. 75 H. H. v. Arnim, Der Staat als Beute, S. 369; M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, 30 Jahre Parteiengesetz, S. 53 (67). Für deren bereits bestehende verfassungsrechtliche
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gen verstanden, die das Parlament zwingen, im Rahmen solcher Entscheidungen eine gewisse Mindestzeit zwischen Gesetzesinitiative bzw. erster Lesung eines Gesetzentwurfes im Parlament und der Schlussabstimmung vergehen zu lassen. Die Liegefristen sollen dabei der Ausweitung öffentlicher, ergo extraorganisatorischer Kontrolle dienen.76 Tatsächlich sind solche Fristen geeignet, der Öffentlichkeit einen gewissen Zeitraum zur Vergewisserung über die Inhalte eines Gesetzentwurfs und zur Entfaltung ihrer politischen Kontrollwirksamkeit bereits im Vorfeld der Parlamentsentscheidung einzuräumen. Die Möglichkeit der Entfaltung extraorganisatorischer Kontrolle wird mithin erweitert. Die Einführung solcher Fristen ist daher durchaus geeignet, das festgestellte Kontrolldefizit zu verringern und ihm entgegenzuwirken. Im Falle der Institutionalisierung einer Politikfinanzierungskommission nach obigen Maßstäben wird ihr Ziel bereits durch die Liegefrist bei der Kommission erreicht, im Falle der Indexierung sind Fragen der tatsächlichen Beträge staatlicher Politikfinanzierung der Entscheidung des Parlaments weitgehend entzogen, weshalb diesbezüglich Liegefristen gar nicht mehr möglich wären, wohl aber für Stukturentscheidungen, etwa für die Maßstäbe der Verteilung der staatlichen Parteienfinanzierung und bei der Festlegung von Indices. Grundsätzlich wäre die Einführung solcher Liegefristen daher zu begrüßen. Aufgrund der besonderen Kampagnenfähigkeit der Problematik der Politikfinanzierung, allem voran der Abgeordneteneinkünfte, ist allerdings zu bedenken, dass aufgrund gewisser Neidmomente das Halten eines angemessenen Niveau der staatlichen Politikfinanzierung in Frage gestellt werden kann.77 Insoweit erscheint die Einführung einer Politikfinanzierungskommission, der durchaus auch ein mäßigender Einfluss auf die extraorganisatorische Kontrolle zukommt, geeigneter.
E. Judicial Activism Wie dargestellt, sind bei den Entscheidungen des Parlaments zur Politikfinanzierung, aber auch in einigen weiteren Bereichen des Rechts der PoliVerankerung bei „Entscheidungen in eigener Sache“ aber H. H. v. Arnim, ZRP 1989, 257 (264); ders., in: Schneider/Zeh, ParlR, § 16 Rn. 39; a. A. insoweit BayVerfGH DVBl. 1983, 706 (708). 76 Vgl. hierzu M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (100 f.); ders., JZ 1989, 1035 (1044 f.). 77 Wie bereits angesprochen, entspricht das Wachstum der Abgeordnetendiäten keineswegs dem des Durchschnittseinkommens, sondern liegt deutlich niedriger, was bereits einen Beleg dieser Tatsache darstellen dürfte.
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
tik solche mit einem bestehenden Kontrolldefizit gegeben. Als eine Möglichkeit des bestehenden kombinierten extraorganisatorischen und rechtlichen Kontrolldefizit bietet sich zum Ausgleich des letzteren an, dem Bundesverfassungsgericht zur Praxis besonders aktiver Rechtsprechungstätigkeit zu raten.78 Bereits in der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht bei Entscheidungen über die staatliche Finanzierung politischer Parteien besondere Aktivität an den Tag gelegt,79 sich jedoch in anderen Bereichen der Politikfinanzierung eher zurückgehalten wie dies insbesondere bei der Entscheidung zur staatlichen Finanzierung politischer Stiftungen der Fall war.80 Zu Recht wird davon gesprochen, dass das Recht der Finanzierung politischer Parteien stark durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägt ist. Das Parlament war dabei gezwungen, die nicht immer einheitliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachzuvollziehen.81 Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber in all seinen Entscheidungen zur Parteienfinanzierung stets nur einen sehr geringen Ausgestaltungsspielraum belassen. Dies zeugt nicht zwingend von einer beson78 So etwa H. H. v. Arnim, in: Schneider/Zeh, ParlR, § 16 Rn. 40 f.; ders., Abgeordnetenentschädigung und Grundgesetz, S. 72 f.; B.-O. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 328; D. Grimm, in: Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften, S. 83 (103); M. Morlok, NVwZ 2005, 157 (157); ders., in: D. Th. Tsatsos, 30 Jahre Parteiengesetz, S. 53 (67 f.); ders., in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (100 f.); ders., JZ 1989, 1035 (1045 f.); H. Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, S. 85. Vgl. auch P. Häberle, NJW 1976, 537 (542 f.); W.-R. Schenke, NJW 1979, 1321 (1336). Zum Bestehen besonderer Aktivität des Bundesverfassungsgerichts in diesem Bereich vgl. a. A. v. Brünneck, S. 169. Gegen judicial activism in diesem Bereich aber W. Schmitt Glaeser, FS Stern, S. 1183 (1192 ff.). Gegen eine intensivere Kontrolle auch H. H. Klein, FS Blümel, S. 225 (252). Zur Kritik des judicial activism des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 40, 296 ff.: Chr.-Fr. Menger, VerwArch 67 (1976), 303 (311 ff.). 79 Vgl. – allerdings mit dem Hinweis auf die beschränkte Kontrollkompetenz des Bundesverfassungsgerichts – H. H. v. Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1077 f.). 80 BVerfGE 40, 1 ff.; M. Morlok, JZ 1989, 1035 (1045 f.), sieht diese Zurückhaltung auch beim Wüppesahl-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 80, 188 ff., bezüglich der Praxis der staatlichen Fraktionsfinanzierung. 81 Vgl. etwa die wesentlichen Unterschiede in der Rechtsprechung bis 1992, wonach einzig eine Wahlkampfkostenerstattung zugunsten der Parteien möglich sei, BVerfGE 20, 56 ff.; 73, 40 ff.; std. Rspr. bis zur letztgenannten Entscheidung, und der seither für zulässig gehaltenen Globalbezuschussung, vgl. nur BVerfGE 85, 264 ff. Auch der fliegende Wechsel von BVerfGE 73, 40 (100 ff.), wonach Spenden von Unternehmen bis zu einer Höhe von 100.000,– DM steuerlich absetzbar sein sollten, für Privatpersonen hingegen eine Grenze von 50.000,– DM bestehen sollte, zu BVerfGE 85, 264 (311 ff.), das die steuerliche Förderung von Unternehmensspenden gänzlich unterband und die Grenze für Privatpersonen auf 6.000,– DM festsetzte, zeugt von einer gewissen Inkonsequenz der Rechtsprechung.
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deren Aktivität des Bundesverfassungsgerichts, da mit dem im Recht der Politik geltenden Wettbewerbsgrundsatz82 des formellen Gleichheitssatzes des Art. 38 I GG ein besonders weitreichender und strenger Verfassungsgrundsatz besteht. Allerdings ist das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung z. T. weit über diesen Grundsatz hinaus gegangen und hat dem Gesetzgeber besonders detaillierte Vorschriften über die Ausgestaltung des Rechts der staatlichen Parteienfinanzierung gemacht.83 Dabei bedient sich das Bundesverfassungsgericht verschiedener Techniken, um seinen Prüfungsmaßstab bzw. seine Prüfungskompetenz auszuweiten. Neben einer materiellrechtlichen Steuerung bedient es sich dabei auch der Zulässigkeitsvorschriften zur Steuerung seines Kompetenzbereiches. Dies sei anhand zweier besonders deutlicher Beispiele, die die Praxis des Bundesverfassungsgerichts belegen, dargestellt.84
I. Die Entscheidung vom 9. April 1992 In seinem, heute das Recht der Parteienfinanzierung in den Grundentscheidungen vollständig prägenden Urteil vom 9. April 199285 hat das Bundesverfassungsgericht in drei wesentlichen Punkten seine Kompetenz verdeutlicht, ja z. T. erst begründet, ohne dass es sich auf verfassungsrechtlich abgesichertem Boden bewegte. Neben der bereits dargestellten86 und vom Bundesverfassungsgericht schon traditionell beanspruchten, dem Gesetzgeber wenig Spielraum belassenden Kompetenz, die Grenzen der staatlichen Förderung von Spenden genau anzugeben,87 wurde in dieser Entscheidung insbesondere eine absolute Obergrenze der direkten staatlichen Finanzierung der politischen Parteien installiert.88 Zur Begründung dieser absoluten Obergrenze führte das Bundesverfassungsgericht an, dass der Staat bei der Finanzierung der Parteien auf das begrenzt sei, was die Parteien bei sparsamer Verwendung benötigen, und geht davon aus, dass dies in den Jahren vor der Entscheidung der Fall war, schreibt also die Grenze dessen, was in den Vorjahren an Förderung 82 Vgl. zur Bedeutung des Parteienrechts als Wettbewerbsrecht des politischen Bereichs M. Morlok, FS Tsatsos, S. 408 ff. 83 Vgl. auch für die Kritik an BVerfGE 40, 298 ff.: R. Hanauer, ZParl 1979, 515 (515). 84 Vgl. zur ähnlichen Praxis des Bundesverfassungsgerichts in früheren Jahren auch W.-R. Schenke, NJW 1979, 1321 (1326). 85 BVerfGE 85, 264 ff. 86 Vgl. Fn. 81. 87 Vgl. insb. BVerfGE 73, 40 (100 f.). 88 Vgl. insb. BVerfGE 85, 264 (290 f.).
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
geleistet wurde, abschließend fest. Dies damit zu begründen, dass es sich ja um aus Steuern der Bürger finanzierte Zuschüsse handelt, scheint indes zur Begründung dieser Rechtsprechung wenig substantiiert – solange die Mittel nicht zweckentfremdet werden, wäre nach allgemeinen Grundsätzen nichts gegen eine höhere Förderung einzuwenden.89 Allerdings unterstreicht das Bundesverfassungsgericht seine Argumentation damit, dass die Bürger den Eindruck bekommen könnten, die Parteien „bedienten“ sich aus dem Staatssäckel.90 Hier verweist das Bundesverfassungsgericht letztlich auf die Problematik der „Entscheidung in eigener Sache“, verkennt also das tatsächliche Problem der Kontrolldefizienz. Nichtsdestoweniger antwortet das Bundesverfassungsgericht darauf mit einem erhöhten Maß und Maßstab verfassungsrechtlicher Kontrolle, wählt also, wohl eher instinktiv denn bedacht, eine zumindest insoweit richtige Antwort auf das vom Gericht, wenngleich nicht ausreichend, deutlich gemachte Kontrolldefizit. Ähnlich verhält es sich mit dem sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederholenden Diktum, der Gesetzgeber möge darüber nachdenken, die kommunalen Wählergemeinschaften in die staatliche Parteienfinanzierung einzubinden,91 die vom Bundesverfassungsgericht allerdings in letzter Konsequenz dann doch nicht verfolgt wurde.92 Eine Technik des Bundesverfassungsgerichts zur Beseitigung von Kontrolldefiziten, die das Bundesverfassungsgericht erkennt ohne sie dogmatisch einzuordnen, ist mithin die Kreation verfassungsrechtlicher Maßstäbe, ohne dass sich solche aus der Verfassung tatsächlich ablesen ließen. Dies entspricht jedoch einer der genannten Möglichkeiten zur Behebung von Kontrolldefiziten.
II. Die Entscheidung vom 26. Oktober 2004 Eine weitere Möglichkeit zur Ausweitung seiner Kontrollkompetenz in Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit zeigte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2004 auf.93 In dieser Entscheidung erklärte das Bundesverfassungsgericht die sog. Drei-LänderKlausel des § 18 IV 3 PartG für verfassungswidrig.94 Obgleich keine der beiden klagenden Parteien von der Drei-Länder-Klausel betroffen gewesen 89 Vgl. zur Kritik auch M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, Politikfinanzierung, S. 77 (101 f.); R. Schwartmann, S. 99 ff., 192 ff., 224 ff. 90 BVerfGE 85, 264 (291). 91 BVerfGE 85, 264 (328); 87, 394 (398 f.). 92 BVerfGE 99, 84 ff. Kritisch zum Verfahren H. H. v. Arnim, DVBl. 1999, 417 (422). 93 BVerfG NVwZ 2004, 1473 ff.
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wäre, da beide Parteien bei der Europawahl vom 13. Juni 2004 einen Stimmanteil von über 0,5% erreichten, ging das Bundesverfassungsgericht über die Frage der Klagebefugnis nach Art. 93 I Nr. 1 GG, § 64 I BVerfGG ohne Zögern hinweg, ja äußerte sich in keiner Weise zur eventuellen Problematik der Zulässigkeit.95 Zwar wäre eine Begründung der Klagebefugnis eventuell möglich gewesen, das Bundesverfassungsgericht hat jedoch jede Auseinandersetzung mit dem Thema vermieden und schlicht die Zulässigkeit angenommen.96 Daraus ergibt sich, dass das Bundesverfassungsgericht bereit ist, im Rahmen von Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit Anträge eher zur Entscheidung anzunehmen, wenn sie ihm begründet erscheinen, als in anderen Fällen. Das Bundesverfassungsgericht erweitert also bei Bestehen verfassungsrechtlicher Maßstäbe – solche nahm das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zu Recht an, wenngleich es sie wohl nicht korrekt anwandte – seine Entscheidungskompetenz. Wie oben aufgezeigt, ist auch dies eine Möglichkeit, Kontrolldefizite auszugleichen.
III. Bewertung der Praxis des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht reagiert, obgleich es, wenn es denn überhaupt mit einem stehenden Begriff arbeitet, auf „Entscheidungen in eigener Sache“ im Einzelfall mit einer Ausweitung seiner Kontrollmaßstäbe und senkt im Einzelfall seine sonst üblichen Maßstäbe im Rahmen der Antragsbefugnis. Dies sind an sich, wie oben aufgezeigt, genau die hier angenommenen Möglichkeiten zur Verringerung bzw. Beseitigung von Kontrolldefiziten durch Erweiterung der gerichtlichen Kontrolle. 94 Das Ergebnis des Bundesverfassungsgerichts ist wenig überzeugend, weil tatsächlich Missbrauchsmöglichkeiten kleiner Parteien bestehen, auch wenn sie das Bundesverfassungsgericht negiert. Darüber hinaus besteht eine Verletzung der Chancengleichheit aller anderen Parteien darin, wenn es für eine staatliche Bezuschussung sämtlicher im Bundesgebiet getätigten Spenden durch den Staat nach § 18 III Nr. 3 PartG ausreicht, wenn eine Partei in einem kleinen Bundesland wie Bremen 1% der abgegebenen Stimmen bei Wahlen erreicht. Dem Gesetzgeber ist das Recht einzuräumen, die Ziele der 5%-Klausel des § 6 VI BWahlG auch schon im Rahmen der Parteienfinanzierung zu beachten. Vgl. dazu etwa die Rechtsprechung des USSupreme Court zum Schutz des Zweiparteiensystems in Einzelstaaten, Timmons v. Twin Cities Area New Party, 520 U.S. 351 ff. (1997); Anderson v. Celebrezze, 460 U.S. 780 ff. (1983); Storer v. Brown, 415 U.S. 724 ff. (1974); Williams v. Rhodes, 393 U.S. 23 ff. (1968). 95 Positiv besprochen bei M. Morlok, NVwZ 2005, 157 (160). 96 Vgl. BVerfG NVwZ 2004, 1473 ff.
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Allerdings gilt es zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht hier seine Kontrollmöglichkeiten kraft eigener Machtbefugnis über die konkreten Maßstäbe des Grundgesetzes und auch des BVerfGG hinaus erweitert. Es trifft – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Entscheidung in eigener Sache durch Erweiterung der eigenen Befugnisse. Dabei handelt es sich um ein Vorgehen, das, wenn eine der beiden anderen Gewalten so agierte, wegen Verletzung der Kompetenzen anderer Organe dazu führte, dass das betroffene Organ sich zu Recht wiederum vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen wehren würde. Auch wenn ein Organ von einer solchen Ausweitung der Kompetenzen durch ein anderes Organ nicht zwingend betroffen ist – wie etwa bei der Verlängerung der laufenden Wahlperiode durch das Parlament – so wird bei anderen Gewalten eine derartige Kompetenzerweiterung für verfassungswidrig gehalten, jedenfalls – wie aufgezeigt – misstrauisch vom juristischen Schrifttum beäugt. Warum dies beim Bundesverfassungsgericht weitgehend unkritisch hingenommen wird,97 ist nicht Thema der hier zu klärenden Fragestellungen.98 Jedoch sollte die Problematik bedacht werden, insbesondere weil gegenüber dem Bundesverfassungsgericht selbst befriedigende Kontrolle nur durch Verfassungsänderung bzw. -erweiterung möglich ist, wenngleich es dem Bundesverfassungsgericht insbesondere in der Entscheidung vom 9. April 1992 gelungen ist, im Ergebnis befriedigende Antworten zur Parteienfinanzierung zu geben. Insoweit ist die Ausweitung der Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht bei Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit ohne entsprechende verfassungsrechtliche oder gesetzliche Ermächtigungen, seien sie materieller oder prozessualer Art, ein zweischneidiges Schwert. So begrüßenswert die Inhalte solcher Entscheidungen auch sein mögen, so sollte doch der im Einzelfall bestehende Mangel formeller Legitimation des Bundesverfassungsgerichts beim Treffen solcher Entscheidungen bedacht werden.
97 Vgl. Th. Drysch, NVwZ 1994, 218 ff.; H. Hofmann, NJW 1994, 691 ff.; J. Ipsen, JZ 1992, 753 ff.; V. Krieg, SächsVBl. 1994, 175 ff.; H. Sendler, NJW 1994, 365 ff. 98 M. E. spricht dies dafür, dass auch in der Fachliteratur dem Bundesverfassungsgericht vielfach befriedigendere politische Antworten zugetraut werden als dem Parlament – eine Haltung, die ein problematisches Verhältnis zur pluralistischen Demokratie des Grundgesetzes offenbaren kann.
F. Erweiterung von Klagemöglichkeiten
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F. Erweiterung von Klagemöglichkeiten und Intensivierung präsidentieller Prüfung Soweit verfassungsrechtliche Maßstäbe feststellbar sind, wie etwa für die Verhaltensregeln der Mitglieder des Bundestages aus dem Status der Öffentlichkeit bzw. die Entschädigung der Abgeordneten aus Art. 48 III GG, bzw. solche erst geschaffen werden, wird eine erhöhte Kontrolle erst durchführbar, wenn entsprechende Durchsetzungsmöglichkeiten bestehen. In Betracht kämen hierfür erweiterte Antragsmöglichkeiten zu den Gerichten, insbesondere zum Bundesverfassungsgericht99 und eine Intensivierung der Kontrolle durch den Bundespräsidenten im Rahmen seiner Prüfungskompetenz. Besonders die erste der beiden Möglichkeiten erscheint dabei auf den ersten Blick reizvoll. Problematisch ist jedoch deren Umsetzung, denn letztlich müsste Außenstehenden die Möglichkeit einer Art abstrakter Normenkontrolle bzw. Popularklage eingeräumt werden. Dabei stellt sich die Frage, wem ein solches Recht eingeräumt werden könnte. In Betracht kommen hierfür nur die ebenfalls umfassend politisch orientierten Organisationen, d.h. die nicht im Parlament vertretenen Parteien. Jedoch ist zu bedenken, dass dabei vielfach auch querulatorische und populistische Bestrebungen gefördert werden könnten. Insofern halten sich im Rahmen einer solchen Regelung positive und negative Aspekte die Waage, weshalb hier keine abschließende Aussage getätigt werden soll. Darüber hinaus stellt sich ohnehin die Frage, inwieweit eine solche Antragsmöglichkeit im Rahmen der ohnehin unter Finanzschwäche leidenden kleinen Parteien nicht nur ein symbolischer Akt der Darstellung erhöhter Kontrolle wäre, der sich in der Praxis aber nicht auswirkt. Mit dem Bundespräsidenten steht andererseits ein Staatsorgan zur Verfügung, das auch die objektive Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen überprüfen kann und nicht auf eine Kontrolle nur im Rahmen subjektiver Rechtsverletzung wie die Gerichte angewiesen ist.100 Soweit also bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe bestehen, ist dem Bundespräsidenten anzuraten, im Rahmen einer Art „presidential activism“ insbesondere bei den Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit, seine Prüfungskompetenz intensiver wahrzunehmen als dies in anderen Entscheidungen der Fall ist.101
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Vgl. M. Morlok, in: D. Th. Tsatsos, 30 Jahre Parteiengesetz, S. 53 (67). Die beim Bundesverfassungsgericht bestehende Möglichkeit der Prüfung objektiver Verfassungsverstöße im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle kann hier als Kontrollmöglichkeit, wie dargestellt, außen vor bleiben, da sie tatsächlich keine Rolle spielt. 101 Vgl. für den Fall des PartG 1994 H. Hofmann, NJW 1994, 691 (696). 100
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5. Teil: Verfassungs- und rechtspolitische Antworten
G. Ergebnis und verfassungspolitischer Vorschlag Von den existierenden Vorschlägen zur Beseitigung der Kontrolldefizite bei den vor allem im Bereich der Politikfinanzierung liegenden Entscheidungen haben sich zwei als besonders wirksam erwiesen: einerseits die Einrichtung einer unabhängigen beratenden, aber durchaus ins Gesetzgebungsverfahren eingebundenen Politikfinanzierungskommission sowie die Indexierung sämtlicher Arten der Politikfinanzierung. Darüber kann eine Intensivierung der objektiven Kontrolle durch den Bundespräsidenten anhand bestehender verfassungsrechtlicher Maßstäbe hilfreich sein. Die Praxis des Bundesverfassungsgerichts, im Rahmen der Entscheidungen mit strukturellem Kontrolldefizit häufig besonders aktiv zu wirken, ist, obgleich viele vom Bundesverfassungsgericht getroffene Regelungen durchaus zu begrüßen sind, in ihrer Problematik der Selbsterweiterung von Kompetenzen zu sehen. Die Erweiterung von Antragsmöglichkeiten zu den Gerichten, speziell zum Bundesverfassungsgericht, stellt vor allem dann eine Möglichkeit dar, wenn Maßstäbe existieren bzw. geschaffen werden, jedoch stellt sich die Frage nach Organisationen, denen ein solches Recht eingeräumt werden sollte. Als ungeeignet zur Beseitigung des Kontrolldefizits hat sich hingegen die Einführung einer Wirksamkeitsverzögerung in die nächste Legislaturperiode analog dem 27th Amendment zur US-Verfassung erwiesen. Insoweit lässt sich neben der verfassungsrechtlichen Verankerung von Indices für den gesamten Bereich der Politikfinanzierung auch die Einrichtung einer beratenden Politikfinanzierungskommission, die bereits bei der Verankerung der Indices mitwirken sollte, anzuraten. Besonders geeignet erscheint in diesem Zusammenhang die verfassungsrechtliche Verankerung einer entsprechenden Kommission.102 In Betracht käme eine Grundgesetzerweiterung um einen Art. 60a folgenden Wortlauts: Der Bundespräsident beruft zu Beginn seiner Amtsperiode eine Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Politikfinanzierung. Diese bleibt als ständige Kommission für die Dauer der Amtszeit des Bundespräsidenten im Amt. Die Kommissionsmitglieder dürfen nicht der Regierung oder der Volksvertretung des Bundes oder eines Landes angehören.
Art. 76 GG sollte um einen Abs. 4 erweitert werden: Gesetzesvorlagen zu Fragen der Politikfinanzierung sind zunächst der Kommission unabhängiger Sachverständiger des Bundespräsidenten zuzuleiten. Die Kom102
Vgl. H.-P. Schneider, JbfRsRt 13 (1988), 327 (345).
G. Ergebnis und verfassungspolitischer Vorschlag
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mission ist berechtigt, innerhalb von sechs Wochen zu diesen Vorlagen Stellung zu nehmen. Verlangt sie aus wichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang der Vorlage, eine Fristverlängerung, so beträgt die Frist neun Wochen. Bei Änderungen in der Struktur der staatlichen Politikfinanzierung soll der Bundestag die Kommission zur Entwicklung eigener Vorstellungen innerhalb von sechs Monaten auffordern.
Erfolgversprechend wäre, der Kommission gesetzlich den Auftrag zur Überprüfung der derzeit bestehenden Regelung der Politikfinanzierung in der Bundesrepublik zu übertragen und ihren Bericht sodann im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Auch hier böte ein entsprechender Bericht die Möglichkeit öffentlicher Auseinandersetzung mit den derzeit bestehenden Regeln und damit ein erhöhtes Maß öffentlicher, also extraorganisatorischer Kontrolle, die dann eben auch intraorganisatorisch wirken kann. Darüber hinaus gibt es freilich andere Möglichkeiten der Problembewältigung, wie etwa die nur gesetzliche Verankerung unterschiedlicher Kommissionen für die verschiedenen Sparten der Politikfinanzierung, welche allerdings den Nachteil hätten, dass sie unproblematisch durch Gesetzesänderung wieder verschwinden und ihre jeweilige Mitwirkung und somit auch die Kontrollintensität variieren könnten. Möglich erscheint auch die Einrichtung einer Enquêtekommission zur Problematik der Politikfinanzierung, die, in der Art der wesentlichen Ausschüsse wie etwa des Finanz- und Verteidigungsausschusses, dauerhaft durch die Geschäftsordnung des Bundestages eingerichtet wird. Diese würde zumindest den öffentlichen Einfluss und daher die extraorganisatorische Kontrolle stärken.
Ausblick Wie bereits einleitend angemerkt, verfolgt die Arbeit nicht das Ziel, die in der Öffentlichkeit geäußerte Kritik an den „Entscheidungen in eigener Sache“ abzustellen. Dies kann ihr auch gar nicht gelingen, da eine politische Diskussion über die Fragestellung der Angemessenheit bestimmter politischer Entscheidungen insbesondere im Rahmen der Politikfinanzierung keine Frage ist, die sich rechtlich beantworten lässt, wenn dafür keine rechtlichen Maßstäbe existieren. Auch wird selbst die Ausweitung der Kontrollmöglichkeiten, wie sie im Rahmen der Arbeit als rechts- und verfassungspolitisches Ziel erörtert wird, kaum dazu führen, dass die in der Öffentlichkeit geäußerte Kritik an den zu treffenden Entscheidungen aufhört. Dies wird insbesondere nicht der Fall sein, wenn es um die Bezüge der Abgeordneten geht, da ein gewisses Moment des Neides stets eine Rolle spielen wird. Das gilt gerade in Zeiten, in denen viele Bürger finanzielle Einschnitte hinnehmen müssen. Auch das in der Öffentlichkeit vorhandene, unrealistische Bild eines deliberativen Parlamentarismus, das mit der ständigen Kritik am nur spärlich gefüllten Plenum des Bundestages einher geht, wird das Vorurteil des „faulen“ Parlamentariers erhalten, welches die Unterstellung der „Selbstbedienung“ bedingt. Es wird daher auch zu den Aufgaben einer aufklärerischen Rechtswissenschaft gehören, das realistische Bild eines Arbeitsparlaments zu vermitteln, dessen wesentliche Aufgaben eben nicht im Plenum, sondern in Ausschuss, Fraktion und Büro erledigt werden. Ziel der Aufgabenstellung zu Beginn der Arbeit war es zu klären, ob sich der Begriff der parlamentarischen „Entscheidung in eigener Sache“ rechtswissenschaftlich fassen lässt, ob es den Begriff der parlamentarischen Befangenheit aus rechtlicher Sicht geben kann. Wie aufgezeigt wurde, ist dies nicht der Fall. Beide Begriffe, der der parlamentarischen „Entscheidung in eigener Sache“, aber auch der der parlamentarischen Befangenheit, sind rechtlich nicht anknüpfungsfähig. Nichtsdestoweniger hat die Arbeit gezeigt, dass bestimmte Entscheidungen Defizite – eben Kontrolldefizite – aufweisen, die problematisch erscheinen. Diese Problematik ist jedoch im bestehenden Verfassungsrecht der Bundesrepublik und erst recht in dem der Bundesländer verankert. Die Annahme und Behauptung, solche Entscheidungen verstießen gegen das Grundgesetz, hat sich als falsch erwiesen. Sie beruht auf einem – unbe-
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wussten oder gewollten – Fehlverständnis des parlamentarischen Systems. Das gleiche gilt für allzu weitgehende Bindungen der Legislative an ein „Gemeinwohl“, das über die Grundprinzipien des Grundgesetzes und einen Appell an die Abgeordneten hinausgeht. Dem Juristen (auch der Juristin) ist das voluntative Element des Rechthabens eigen. Vielfach fühlt der Jurist sich aufgrund seiner Ausbildung, mit Normen zu hantieren, insbesondere solchen unbestimmterer Natur, als besser befähigt, das „Wahre“ und „Richtige“ zu erkennen und normativ zu verankern, als der – seine Ausbildung nicht zwingend auf dem akademischen Wege erwerbende – Politiker. Eines der Einfallstore des Juristen ins politische System ist das „Gemeinwohl“, wobei es hierfür nicht einmal nötig ist, diesem eine allzu substantielle Gestalt zu geben. Auch der pluralisierte Begriff der zu beachtenden „Gemeinwohlbelange“, die dem Gesetzgeber vorgegeben werden bzw. prozessualen Eingang finden sollen, ist – geht er beim einfachen Gesetzgeber über den Verfassungsbestand bzw. beim verfassungsändernden Gesetzgeber über den Bestand der grundlegenden Verfassungsprinzipien hinaus – ein bedenklicher Übergriff des Rechtssystems auf das politische System. Mitnichten sind Juristen in einem Staatswesen, das auf dem Demokratieprinzip gründet, berufener, das „allgemeine Wohl“ zu definieren, als diejenigen, denen es stets darum gehen muss und wird, Mehrheiten zu gewinnen bzw. zu erhalten. Der Jurist ist in seinem Bereich von dieser Notwendigkeit freigestellt. Das heißt nun nicht, dass Juristen sich nicht am politischen Diskurs beteiligen oder darauf verzichten sollten, ihr tatsächliches Wissen und Können – die Bestimmung rechtlicher Grenzen – in die parlamentarische Entscheidungsfindung einzubringen. Jedoch sollte dem Juristen, der sich und seine Argumente in den Prozess der Entscheidungsfindung einbringt, stets klar sein, ob er dies als „Politiker“ tut, also versucht, politische Interessen durchzusetzen, oder ob er als „Jurist“ versucht, anhand tatsächlich bestehender rechtlicher Kriterien die rechtlichen Grenzen demokratischer Entscheidung aufzuzeigen. Die in der US-amerikanischen akademischen Diskussion und Lehre1 akribisch betriebene Unterscheidung zwischen Argumenten „inside the law“ und solchen „outside the law“ würde auch die deutsche Diskussion und Lehre befruchten. Eine weitere Schwäche des deutschen rechtswissenschaftlichen Diskurses liegt in der oft rein normativen Betrachtung des parlamentarischen Prozesses und der davon ausgehenden Verkennung des Voraussetzungsreichtums des vom Grundgesetz vorgegebenen Verfahrens.2 Dieses Verfahren ist erst nach einem intensiven informellen Verfahren überhaupt möglich, welches, wenn 1 Der Autor gibt hier seine eigenen Erfahrungen während seines Studienaufenthaltes an der Unversity of Texas, School of Law, in den Jahren 1996/97 wieder.
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überhaupt, nur sehr geringen rechtlichen Bindungen unterliegt. Das Ausblenden dieses – nicht nur bei den hier beschriebenen Entscheidungsverfahren – notwendigen informellen Prozesses aus der Wahrnehmung der Juristen führt dann freilich zu der Feststellung eines innerparlamentarischen Kontrollausfalls bei vielen Entscheidungen. Natürlich kann sich die hier angenommene besondere Kontrollaktivität im Rahmen des informellen parlamentarischen Verfahrens ebenso wenig wie die des Kontrollausfalls auf empirische Daten stützen. Sie verfügt jedoch, da sie sich auf die „Logik“ des politischen Systems einlässt, über die größere Richtigkeitswahrscheinlichkeit. Auch hierfür kann die US-amerikanische Juristenausbildung Vorbild sein, die zwar ebenfalls die normativen Vorgaben des Gesetzgebungsverfahrens in den Vordergrund stellt, jedoch den Studierenden zumindest die Möglichkeit gibt, einen Einblick in die tatsächliche Arbeitsweise von Parlamenten zu nehmen.3 Dies bedeutet nicht und darf nicht bedeuten, die normativen Vorgaben der Verfassung über Bord zu werfen, aber doch, über den Tellerrand des Rechts hinauszublicken und die Notwendigkeit nicht normierter Verfahren im Rahmen der Gesetzgebung zu akzeptieren und deren Bedeutung für das politische, aber auch das Rechtssystem zu erkennen. Dies vorausgeschickt, hat die Untersuchung ergeben, dass bei einigen der bislang als „Entscheidung in eigener Sache“ beschriebenen Sachverhalten, insbesondere den Entscheidungen über Politikfinanzierung, ein geringerer Kontrollstandard besteht als bei anderen Gesetzgebungsverfahren. Da dieser geringere Kontrollstandard aber aus dem Grundgesetz selbst erwächst, kann von einer Verfassungswidrigkeit dieses Zustands keineswegs gesprochen werden. Auch verfassungstheoretisch ist die Annahme eines Widerspruchs zum Verfassungssystem problematisch, da sich die Verfassungstheorie ebenfalls an die Normierung des Grundgesetzes zu halten hat. Sie kann jedoch in den hier aufgezeigten Fällen auf bestimmte Brüche innerhalb der Verfassung hinweisen und eine Anpassung des Verfassungsbestandes zur Beseitigung solcher Brüche verfassungspolitisch als klug erscheinen lassen. Der Jurist kann für sie im politischen System werben, darf sie ihm jedoch nicht als verfassungsrechtliche Begrenzung vorgeben. Es ist mithin verfassungspolitische Sache des politischen Systems, die hier aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten aufzunehmen und sie auf ihre Nützlichkeit zu überprüfen, um dann entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Der Jurist kann für sie im politischen System mit politischen Argumenten werben, auch mit dem Argument einer Harmonisierung der Verfassung. Vorgeben darf er sie der Politik nicht. 2 Vgl. dazu nur die Diskussionen und Referate auf der Staatsrechtslehrertagung 2002 in St. Gallen, VVdStRL 62. 3 An dieser Stelle sei Texas Senator J. E. „Buster“ Brown für seine vorzügliche und realistische Einführung in das Gesetzgebungsverfahren des Bundesstaates Texas „Texas Legislature – Process and Procedure“ gedankt.
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Sachwortverzeichnis 27th Amendment 187 ff. Abgeordnetenamt 83 f., 114, 127 Abgeordnetenbestechung 53 Abgeordnetenstatus 53, 57 f., 65, 71, 75, 80, 83 f., 162 f., 165 Abgeordneter, fraktionsloser 154 Allgemeine Interessen 115 Amnestiegesetze 55, 67 f., 176 f., 194 Amtsprinzip 74, 82 ff., 114 Amtsträger 82 Anreizschemata 131 f. Auslegung, historische 157 Befangenheit 24, 25 ff., 31 f., 35 ff., 60 ff., 81, 112 ff., 184, 212 Bestechung 46 Betriebsräte 35 Betriebsverfassung 34 Bundeskanzler 144 Bundespräsident 133, 135, 144, 154, 156, 160, 166, 170, 172, 175 f., 190, 193 f., 196, 209 f. Bundesrat 132, 134 f., 141 ff., 147, 154, 156, 166, 168 ff., 175 f. Bundesrechnungshof 155, 160 Bundesregierung 134, 135, 143, 147, 154, 156, 160, 166 ff., 184 Bundesstaat 89 f. Bundestagspräsident 57, 67, 173 Bundesverfassungsgericht 133 f., 144 ff., 157 f., 161, 163, 169 ff., 194, 204 ff., 209 f. Chancengleichheit 96 f., 99 COLAs 199 f. Common Law 14
Demokratie, unmittelbare 56, 58, 98 f. Diäten 15, 35, 50 f., 56, 63, 70 f., 76, 141 ff., 187 ff., 196, 198, 209 Dolmetscher 37, 42 Drei-Länder-Klausel 206 f. Due-Process-Pluralismus 115 Effektivität 97, 98 Eigeninteresse 91, 92 Einzelfallgesetz 62 Ewigkeitsklausel 90 Fraktionen 75 f., 165 f., 167, 184 Fraktionsdisziplin 100 Fn. 103 Fraktionsfinanzierung 51, 65, 71, 154 ff. Fremdnützigkeit 82 f. Gefahr im Verzug 46 Gemeinwohl 84, 85, 90, 91 ff., 117 f., 213 Gemeinwohlverfahren 90 Gerechtigkeit 120 f. Geschäftsordnung 57, 67, 71, 75, 79, 85, 138, 162 f., 165, 182 Gesetzgebungsverfahren 23, 42, 43 Gewaltenteilung 89 Gewerkschaftsmitgliedschaft 39 Gewissensbindung 80 Grundrechte 96 f. Gruppe, parlamentarische 154 Immunität 55, 57, 66, 72, 77, 176 Indexierung 197 ff., 210 Informelle Kontrolle 137 f., 139 f.
240
Sachwortverzeichnis
Insichgeschäft 26 ff., 34, 36, 48 ff., 69 ff., 81 f., 112 Institutionenökonomik 130 ff. Interessengruppen 94, 96 Interessenkollision 26, 28, 30, 34 f., 48 f., 72 f., 82 Interessenkonflikt 25 ff., 34, 112 ff. Interessenvertreter 108 ff., 184 f. Judicial Activism 157, 203 ff. Juristenausbildung 213 f. Kartellrecht 33 Kollektivbetroffenheit 46, 48, 58 Kommissionen 190 ff., 203, 210 f. Kompensationseffekt 40 Kompromiss 98 f., 101, 106 Kontrollgrundsatz 127 ff. Kontrollinitiative 133 ff., 145 ff., 155 f., 158 f., 161, 165 ff., 170 ff., 180 f. Kontrollkompetenzen 135 ff. Kontrollmaßstab 23, 133 f., 144 f., 155, 157, 159 f., 166 f., 169, 171 ff., 180, 201, 204 f., 207, 210 Legitimation 125, 126, 195, 208 Legitimität 126 Liegefristen 202 f. Mandat 29 Medien 139 f., 153 Menschenwürde 95 Naturrecht 14 Nemo iudex 13, 24 f., 28, 31, 37 Obergrenze, absolute 157, 190, 201 f. Fn. 70, 205 f. Öffentlichkeit 151 ff., 156, 165, 177, 181 Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen 155, 166
Opposition 138, 149 f., 181 Ordnungsstrafen 32 ordre public 31 f. Organwalterbetroffenheit 28 Parlamentarische Staatssekretäre 55 Parlamentsautonomie 79 f., 141 f., 159, 163, 166 Parlamentshaushalt 51, 57, 65, 159 f. Parlamentsrecht 54 f., 76 f., 79, 162 f. Parlamentssitz 55, 57, 67, 72 Parteien 100, 109, 184, 195 Parteienfinanzierung 15, 26, 35, 52, 59, 63 f., 71, 74, 156 ff., 190, 198, 204 ff., 208 Parteienrecht 52, 57, 67, 71, 78, 171 ff. Parteilichkeit 31, 39, 45, 46, 47, 61, 81, 91, 111, 118, 184 Parteilichkeit, institutionelle 30, 32, 41 Fn. 149 Parteimitgliedschaft 39, 42 Parteistiftungen 53, 59, 64 f., 71, 159 Parteiverbot 174 Patent 32 Paulskirche 79 Pluralismus 93, 94 ff., 115 ff., 123 f., 184 f. Politikfinanzierung 50 ff., 57, 63, 140 ff., 179 f., 194 f., 197 f., 201, 203, 210 Politische Klasse 65, 161 Popularklage 209 Prinzipal-Agenten-Theorie 130 ff. Programmiertes System 122 f. Rechenschaftsverpflichtung 173 f. Rechtsbeugung 32 Rechtskultur 28 Rechtsstaatprinzip 83, 85, 88 ff., 127, 132, 170 Fn. 352, 176 Regierungsbesoldung 53, 58, 65, 71, 160 f.
Sachwortverzeichnis Repräsentation 83, 99, 107, 109 ff. Republikprinzip 89 Richterablehnung 32 Sachverständige 32, 37, 42, 44 Schiedsgericht 31, 39 f. Selbstablehnung 40, 41 Selbstbedienung 16, 23 f. Selbstbetroffenheit 24, 27, 43 Selbstkontrahieren 49 Selbstkontrolle 150 Fn. 311, Selbstorganisation 76 Selbstschädigung 118 Sonderinteresse 25, 30, 45, 62 f., 108 Sozialstaatsprinzip 89 Steuerliche Begünstigung 174 f. Systemtheorie 118 ff. Tarifvertragsparteien 34 Transparenz 71 Truppendienstgerichte 43 Überpositives Recht 86 Umwelt-Audit 31 Uneigennützigkeit 82, 91, 118 Untersuchungsausschuss 54, 57, 66 f., 167 f.
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Urkundsbeamte 37 US-Kongress 188, 191 f. Verfassungsändernde Gesetzgebung 78 f. Verfassungsrichter 42 Verhaltensregeln 53, 65, 71, 164 f., 194, 209 Vertreter 69 ff. Verwaltungsvollstreckung 30 Volkssouveränität 84, 89, 111, 127 Vollziehbarkeit, sofortige 30 Voreingenommenheit 47, 61, 81, 91, 111 Wahlen 54 Wählergemeinschaften 206 Wahlhandlung 139 f. Wahlperiode 55, 58, 67 Wahlprüfung 54, 57, 61, 66, 72, 77, 173, 175 f. Wahlprüfungsgericht 32, 61 Wahlrecht 54, 57, 66, 72, 77, 175 Wahrheit 101, 103 Wehrbeauftragter 55, 171 Wissenschaftliche Äußerung 39, 42