Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor: Bestandsaufnahme und systemgerechte Fortentwicklung [1 ed.] 9783428545674, 9783428145676

Die Untersuchung knüpft an den bisherigen Stand der Eisenbahnentgeltregulierung an, zeigt die wesentlichen Entwicklungen

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German Pages 174 Year 2015

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Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor: Bestandsaufnahme und systemgerechte Fortentwicklung [1 ed.]
 9783428545674, 9783428145676

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1287

Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor Bestandsaufnahme und systemgerechte Fortentwicklung

Von Hubertus Gersdorf

Duncker & Humblot · Berlin

HUBERTUS GERSDORF

Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1287

Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor Bestandsaufnahme und systemgerechte Fortentwicklung

Von Hubertus Gersdorf

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14567-6 (Print) ISBN 978-3-428-54567-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84567-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Im Recht der Netzwirtschaften ist die Entgeltregulierung ein Eckpfeiler der Regulierung. Sie dient der diskriminierungsfreien Nutzung der Infrastruktur. Überhöhte oder prohibitiv wirkende Entgelte können die Ausübung der gesetzlich verankerten Zugangsrechte wesentlich erschweren oder sogar vereiteln. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber im Jahr 2005 auch im Eisenbahnsektor die für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur erhobenen Zugangsentgelte einer umfassenden Regulierung unterworfen. Trotz der Regulierungstätigkeit der Bundesnetzagentur und der Aktivitäten der Europäischen Kommission sowie der zuständigen Gerichte steckt die Eisenbahnentgeltregulierung nach wie vor in manchen Bereichen „in den Kinderschuhen“. Pionierarbeit tut zum Teil noch immer Not. Die vorliegende Untersuchung im Auftrag der Deutschen Bahn AG (DB AG) knüpft an den bisherigen Stand der Eisenbahnentgeltregulierung an, zeigt die wesentlichen Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene auf und unterbreitet Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Entgeltregulierungsregimes. Den Besonderheiten des Eisenbahnsektors wird hierbei Beachtung geschenkt. Rostock/Berlin, im November 2014

Hubertus Gersdorf

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 B. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Vorgaben zur Entgeltregulierung nach AEG, EIBV und dem vormaligen Richtlinienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Trassenentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 a) (Grob-)Struktur des Regulierungsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 b) Differenzierung zwischen Entgeltmaßstab und Entgeltgrundsätzen sowie Kodifizierung eines „Baukastensystems“ im Eisenbahnrecht? . . . . . . . . . . . 18 c) Keine Implementierung eines Effizienzsteigerungsanreizes zum Zweck der Senkung der Trassenpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Entgelte für den Zugang zu Serviceeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Verwaltungs- und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Trassenpreissystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Regionalfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Stornierungs- und Änderungsentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4. Auslastungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5. Entgeltminderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 6. Stationspreissystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten . . . . . . . 35 IV. Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Bericht über die Einführung einer Anreizregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Entgelte für Serviceeinrichtungen (§ 14 Abs. 5 AEG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Entwurf für ein Eisenbahnregulierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 V. Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Vertragsverletzungsverfahren zum Ersten Eisenbahnpaket . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Vereinbarkeit der Holdingstruktur mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers vom Staat bei der Berechnung der Wegeentgelte (Art. 4 Richtlinie 2001/14/EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

8

Inhaltsverzeichnis c) Verhältnis zwischen Direktkosten- und Vollkostenprinzip (Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 d) Markttragfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG) . . . . . . . 48 e) Anreize zur Reduzierung der Kosten und Entgelte (Art. 6 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2001/14/EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 f) Anreizregime zur Reduzierung von Störungen (Art. 11 Richtlinie 2001/14/ EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 g) Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben (Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/ EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (sog. „Recast“-Richtlinie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Finanzierung des Eisenbahnsektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU und Umsetzungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Direktive des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU: „Gesamtes Netz“ als Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Fahrwegenutzungsentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Vollkosten als Obergrenze, Grenzkosten als Untergrenze – keine Kodifizierung eines „Baukastensystems“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Fortschreibung der bisherigen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Zur Bedeutung des Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU . . 77 2. Erfordernis der Anreizsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Grenzen des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Fakultative und obligatorische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsmärkte (Marktausschlusstest) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Entgelte für den Zugang zu Serviceeinrichtungen und für Zusatz- und Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2. „Angemessener Gewinn“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. (Zwischen-)Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 IV. Fazit: Partieller Umsetzungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Inhaltsverzeichnis

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 I. Unions- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen: Rechtsstellung der Infrastrukturbetreiber/Eisenbahninfrastrukturunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Rechtsstellung der Eisenbahnunternehmen/ Eisenbahnverkehrsunternehmen: Unabhängigkeit vom Staat und Führung als Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . 99 2. Rechtsstellung der Infrastrukturbetreiber/ Eisenbahninfrastrukturunternehmen . 102 a) Unionsrechtliches Gebot der Trennung von wesentlichen Funktionen der Infrastruktur und der Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Unabhängigkeit vom Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Verfassungsrecht (Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Führung als Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Verfassungsrecht (Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 II. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Stand der Rechtsprechung und Literatur zu § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Unionsrechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Defizit der bisherigen Diskussion: Ausblendung des Bezugsgegenstandes der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Bezugsgegenstand der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung: Das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Bezugsgegenstand für die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB: Die konkrete, vertragliche Einzelleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Auflösung des Konflikts: Vorrang des Bezugsgegenstandes der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Unanwendbarkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auf Infrastrukturnutzungsentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 e) Fazit: Unionsrechtswidrigkeit der Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Reformbedarf: Notwendigkeit einer gesetzlichen Klarstellung des Vorrangs der eisenbahnrechtlichen Entgeltkontrolle gegenüber einer zivilgerichtlichen Billigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 III. Weiterentwicklung der in der LuFV beinhalteten Anreizelemente zugunsten des Bundes und der Eisenbahnverkehrsunternehmen und zeitliche sowie inhaltliche Synchronisierung mit RegG und GVFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Gesetzgeberische Entscheidung: Wem gebührt der Effizienzgewinn? . . . . . . . . 128 2. Folgenabschätzung einer hoheitlichen Anreizregulierung: Waterbed Effect mit Bumerang-Wirkung für Eisenbahnverkehrsmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Hoheitliches oder vertragliches Modell? ¢ Vertrag als Steuerungsinstrument für die Senkung der Trassen- und Stationspreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

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Inhaltsverzeichnis 4. Integriertes Modell: Einheitlicher Vertrag („LuFV 2.0“) als Mittel der Verteilung des Effizienzgewinns zwischen Bund und Eisenbahnverkehrsunternehmen 138 5. Elemente eines Systems der „LuFV 2.0“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Vereinbarkeit des integrierten Modells mit der Richtlinie 2012/34/EU . . . . 139 b) Bezugsgegenstand der Anreizsetzung: Eigene Mittel der Eisenbahninfrastrukturunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) Festlegung einer Verteilungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 d) Anhörung der BNetzA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 e) Erfordernis einer Subsidiaritätsregelung zugunsten einer hoheitlichen Anreizregulierung für den Fall der Nichteinigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 f) Erfordernis einer gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 g) Zeitliche Abstimmung mit RegG und GVFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 IV. Entflechtung durch Separierung der Finanzströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Nachteile einer vertikalen Desintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Effizienzverluste bei hoher Zugdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Effizienzverlust durch Rückfall der Eisenbahninfrastrukturunternehmen in die Rationalität eines Verwaltungsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Kein Verlustausgleich und keine Investitionen in die Infrastruktur durch Holding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 d) Pluralität der Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Separierung der Finanzströme durch Bildung eines Finanzierungskreislaufes Eisenbahninfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

E. Zusammenfassung in Leitsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 II. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU und Umsetzungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Rechtspolitischer Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

A. Einleitung und Gang der Untersuchung Die Zugangsregulierung ist in allen Bereichen der Netzwirtschaften das Herzstück des Regulierungsregimes. Für den Eisenbahnsektor gilt im Grundsatz nichts anderes. Schienenwege und Bahnhöfe sind natürliche Monopole. Auch wenn sich Eisenbahninfrastrukturunternehmen kraft des intermodalen Wettbewerbs mit anderen Verkehrsträgern nicht wie (andere) natürliche Monopolisten verhalten können, besteht gleichwohl auf den vorgelagerten Zugangsmärkten Regulierungsbedarf. Nicht nur der Zugang als solcher, sondern auch die hierfür erhobenen Nutzungsentgelte bedürfen einer sektorspezifischen Regulierung, um die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf den nachgelagerten Eisenbahnverkehrsmärkten sicherzustellen. Im Gegensatz zum früheren Eisenbahnrecht, das nur punktuelle Vorgaben für die Nutzungsentgelte enthielt, sind diese seit der Dritten AEG-Novelle im Jahr 2005 einer Regulierung unterworfen. Die maßgeblichen Bestimmungen des AEG und der EIBV werfen eine Reihe von Auslegungsfragen auf, die zum Teil bis heute nicht verbindlich geklärt sind. Zur Erhellung trägt auch das Eisenbahnrecht der Europäischen Union wenig bei, deren Richtlinienrecht eher zusätzliche Probleme aufwirft als solche löst. Trotz der Regulierungstätigkeit der Bundesnetzagentur und der Aktivitäten der Europäischen Kommission und der zuständigen Gerichte steckt die Eisenbahnentgeltregulierung nach wie vor in manchen Bereichen „in den Kinderschuhen“. Pionierarbeit tut zum Teil noch immer Not. Einen ersten Anfang haben die im Jahr 2007 im Auftrag der BNetzA1 und der DB AG2 erstellten Rechtsgutachten zur Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor gemacht. Wichtige Klärungen haben kürzlich die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs in den Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung des Ersten Eisenbahnpakets gebracht. Die vorliegende Studie knüpft an den bisherigen Stand der Eisenbahnentgeltregulierung an, zeigt die wesentlichen Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene auf und unternimmt dann in einem weiteren Schritt den Versuch, Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Entgeltregulierungsregimes aufzuzeigen. Hierbei wird den für den Eisenbahnsektor maßgeblichen Besonderheiten besondere Beachtung geschenkt. Die nachstehende Untersuchung vollzieht sich in folgenden Schritten. Im Rahmen einer Bestandsaufnahme [siehe B.] wird zunächst der Blick auf das geltende Eisenbahnentgeltregulierungsregime gerichtet. Hierbei wird insbesondere auf die Problemfelder eingegangen, die in der Vergangenheit zu lebhaften Diskussionen 1 2

Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht. Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor.

12

A. Einleitung und Gang der Untersuchung

geführt haben [siehe B. I.]. Danach werden die wesentlichen von der BNetzA gegen die Infrastrukturunternehmen des DB-Konzerns durchgeführten Verwaltungsverfahren [siehe B. II.] und die von Zivilgerichten auf der Grundlage des § 315 BGB vorgenommenen Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten [siehe B. III.] dargestellt. Sodann wird die Rechtsentwicklung auf nationaler [siehe B. IV.] und auf europäischer Ebene nachgezeichnet, die ihren vorläufigen Schlusspunkt im Erlass der Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums vom 21. November 2012 (sog. „Recast“-Richtlinie) gefunden hat. Zusätzlich wird die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Eisenbahnrecht dargelegt [siehe B. V.]. Obwohl die vorliegenden Urteile zu den Vorschriften des Ersten Eisenbahnpakets ergangen sind, bleiben die maßgeblichen Feststellungen auch für die Auslegung der – im Kern unverändert übernommenen bzw. fortgeschriebenen – Bestimmungen der Richtlinie 2012/34/EU maßgeblich. Den letzten Punkt innerhalb der Bestandsaufnahme nimmt die Darstellung der Finanzierungsmodalitäten des Eisenbahnsektors ein. Aus diesen Rahmenbedingungen für den Eisenbahnbereich ergeben sich Besonderheiten, die vom Gesetzgeber bei der Entwicklung eines „passgenauen“ Entgeltregulierungsregimes zu beachten sind [siehe B. VI.]. Der weitere Abschnitt [siehe C.] widmet sich der Richtlinie 2012/34/EU und den sich hieraus für den Gesetzgeber ergebenden Umsetzungserfordernissen. Die Darstellung der relevanten Bestimmungen der Richtlinie reicht von dem maßgeblichen Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung [siehe C. I.] über die Fahrwegenutzungsentgelte [siehe C. II.] bis zu den Entgelten für den Zugang zu Serviceeinrichtungen und für Zusatz- und Nebenleistungen [siehe C. III.]. Die Analyse bestätigt, dass die Richtlinie 2012/34/EU das bisherige Richtlinienrecht im Kern fortschreibt und nur wenige Änderungen vornimmt, denen ein entsprechender Umsetzungsbedarf korrespondiert [siehe C. IV.]. Im letzten Abschnitt [siehe D.] geht es um rechtspolitische Reformüberlegungen. Der den Eisenbahnsektor ausgestaltende Gesetzgeber muss die für Eisenbahninfrastrukturunternehmen geltenden unionsrechtlichen und (nationalen) verfassungsrechtlichen Vorgaben beachten [siehe D. I.]. Besonderer Regelungsbedarf besteht im Hinblick auf die Frage, ob die bereits der sektorspezifischen Eisenbahnregulierung unterfallenden Nutzungsentgelte zusätzlich einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterworfen werden dürfen. Die Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB ist mit der Richtlinie 2012/34/EU unvereinbar. Der Gesetzgeber sollte klarstellen, dass die durch das sektorspezifische Eisenbahnrecht regulierten Nutzungsentgelte keiner zusätzlichen Billigkeitskontrolle durch die Zivilgerichte unterliegen [siehe D. II.]. Der auf der Monopolstellung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen beruhenden Gefahr eines Preishöhenmissbrauchs sollte nicht durch eine Anreizregulierung durch die Regulierungsbehörde begegnet werden, weil dieses Regulierungsinstrument letztlich ungeeignet ist, eine dem Gesamtsystem dienende Steuerungswirkung zu entfalten. Vielmehr sollte eine etwaige Preishöhenregulierung durch eine Weiterentwicklung des Steuerungsinstruments der

A. Einleitung und Gang der Untersuchung

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Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) erfolgen. Nutznießer entsprechender, nach Unionsrecht erforderlicher Effizienzgewinne sollten neben dem Bund auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen sein. Zur Verwirklichung dieser Regulierungsziele sollten aber nicht die beiden Steuerungsinstrumente der vertraglichen Vereinbarung und der hoheitlichen Anreizregulierung nebeneinander zur Anwendung kommen. Zu groß ist die Gefahr inkonsistenter und wenig „passgenauer“ Ergebnisse. Schon wegen des korrelativen Zusammenhangs der beiden Finanzierungsquellen der Eisenbahninfrastruktur – den öffentlichen Mitteln und den Nutzungsentgelten – ist es notwendig, die Verteilung des Effizienzgewinns auf den Bund bzw. auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen in einem und demselben Regelwerk festzulegen. Als Handlungsform ist die vertragliche Vereinbarung zu wählen. Die BNetzA sollte vor Vertragsschluss in geeigneter Weise beteiligt werden. Schließlich bedarf es einer zeitlichen und inhaltlichen Abstimmung mit dem RegG und dem GVFG [siehe D. III.]. Zur Verhinderung der mit der vertikalen Integration der DB AG verbundenen Diskriminierungsgefahr darf nicht das schärfste Schwert der Zerschlagung des vertikal integrierten Konzerns ergriffen werden. Vielmehr erweist sich eine Entflechtung bzw. Separierung der Finanzströme als weniger einschneidendes, ebenso wirksames Mittel, das zugleich die mit dem integrierten Konzern verbundenen Effizienzvorteile wahrt [siehe D. IV.].

B. Bestandsaufnahme Mit der Dritten AEG-Novelle im Jahr 2005 hat der deutsche Gesetzgeber erstmals Bestimmungen zur Regulierung der Entgelte für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur erlassen. Die damalige Neufassung der einschlägigen Absätze in § 14 AEG, nämlich Abs. 4 für die Nutzungsentgelte bei Schienenwegen (Trassenpreise) und Abs. 5 für Nutzungsentgelte bei Serviceeinrichtungen sowie ihre Konkretisierung in §§ 21 ff. EIBV führten in Wissenschaft und Praxis zu einer intensiven Diskussion, die bis heute keinen endgültigen Abschluss gefunden hat. Im Folgenden soll zunächst der für Trassenpreise und für die Nutzungsentgelte für Serviceeinrichtungen bestehende Regulierungsrahmen in seinen Strukturen kurz nachgezeichnet werden. Hierbei gilt es, auf die Problemfelder einzugehen, die in der Vergangenheit zu lebhaften Diskussionen geführt haben. Zu diesen Problemen gehört erstens, ob dem Eisenbahnregulierungsrecht ein sog. „Baukastenprinzip“ zugrunde liegt, und zweitens, ob die Bundesrepublik Deutschland gegen die Richtlinie 2001/14/EU verstoßen hat, weil sie in § 14 Abs. 4 AEG auf eine Anreizsetzung zugunsten der Senkung der Wegeentgelte verzichtet hat. Beide Fragen sind durch den Europäischen Gerichtshof nunmehr geklärt [siehe I.]. Im Jahre 2007 leitete die BNetzA erste Verwaltungsverfahren zur Überprüfung des Trassenpreissystems der DB Netz AG und des Stationspreissystems der DB Station&Service AG ein, in denen die Reichweite der Regulierungsvorgaben näher konturiert wurde [siehe II.]. In diesem Zusammenhang stellte sich zunehmend auch im konkreten Vertragsverhältnis zwischen Infrastrukturnutzer und Infrastrukturbetreiber die Frage der Rechtmäßigkeit der Nutzungsentgelte. Infrastrukturnutzungsentgelte wurden von Zivilgerichten einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterzogen [siehe III.]. Parallel hierzu gab es unterschiedliche rechtspolitische Initiativen sowohl auf nationaler Ebene [siehe IV.] als auch auf der Ebene des Unionsrechts, die ihren vorläufigen Schlusspunkt im Erlass der Richtlinie 2012/34/EU gefunden haben. Zusätzlich haben die Entscheidungen des Gerichtshofes in Vertragsverletzungsverfahren zum Ersten Eisenbahnpaket den unionsrechtlichen Rechtsrahmen präzisiert [siehe V.]). Schließlich soll ein Blick auf die Finanzierungsbedingungen des Eisenbahnsektors geworfen werden. Im Gegensatz zu anderen Netzwirtschaften wird die Eisenbahninfrastruktur zu einem erheblichen Teil vom Staat finanziert. Dieser Besonderheit des Eisenbahnsektors wird im regulatorischen Zusammenhang oftmals zu wenig Beachtung geschenkt, wie etwa die Diskussion um die mögliche Implementierung einer Anreizregulierung im Eisenbahnbereich zeigt. Um eine „passgenaue“, den Besonderheiten des Eisenbahnsektors Rechnung tragende Entgeltregulierung entwickeln zu können, ist es erforderlich,

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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sich die finanziellen Rahmenbedingungen für den Eisenbahnbereich vor Augen zu führen [siehe VI.].

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung nach AEG, EIBV und dem vormaligen Richtlinienrecht 1. Trassenentgelte a) (Grob-)Struktur des Regulierungsrahmens In seiner Rechtsprechung zum Ersten Eisenbahnpaket betont der Europäische Gerichtshof, dass sich die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Betreiber der Infrastruktur bei der Festlegung der Wegeentgelte aus Art. 4 der Richtlinie 2001/14/EG ergebe3. Danach schaffen die Mitgliedstaaten allein eine Entgeltrahmenregelung, während es Sache der Betreiber der Infrastruktur sei, die Berechnung des Entgelts und dessen Erhebung vorzunehmen4. Im Interesse der Wahrung der Unabhängigkeit seiner Geschäftsführung müsse der Betreiber der Infrastruktur in dem von den Mitgliedstaaten definierten Rahmen der Entgelterhebung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen. Die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollen in dem von den Mitgliedstaaten abgesteckten Rahmen für die Betreiber Anreize setzen, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. Die Betreiber müssen über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen (vgl. Erwägungsgründe 12 und 20 Richtlinie 2001/14/EG)5. Der deutsche Gesetzgeber hat in Konkretisierung der in Art. 4 Richtlinie 2001/14/ EG niedergelegten Zuständigkeitsverteilung die Entscheidung darüber, ob die Benutzerentgelte anhand der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (vgl. Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) oder der Vollkosten (vgl. Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) berechnet und festgelegt werden, in die Hände der Eisenbahninfrastrukturunternehmen gelegt. § 14 AEG eröffnet dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei der Festsetzung der Benutzerentgelte einen erheblichen Gestaltungsspielraum, dessen Obergrenze durch die Vollkosten (zuzüglich einer marktüblichen Rendite) und dessen Untergrenze durch die unmittelbar zugbetriebsbedingten 3 Die Bestimmung ist inzwischen außer Kraft getreten und durch die inhaltlich unveränderte Vorschrift des Art. 29 der Richtlinie 2012/34/EU ersetzt worden; vgl. hierzu ausführlich unten B. V. 1. 4 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 38 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 78 f.; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f. 5 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43.

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B. Bestandsaufnahme

Kosten festgelegt ist6. Der Gestaltungsspielraum ist durch obligatorische (und fakultative) Vorgaben begrenzt. In Übereinstimmung mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/14/EG enthalten AEG und EIBV drei zwingende Vorgaben, die der Gestaltungsfreiheit der Eisenbahninfrastrukturunternehmen Schranken setzen: Erstens dürfen die Trassenpreise die Funktionsfähigkeit der einzelnen Eisenbahnverkehrsmärkte nicht beeinträchtigen (vgl. § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 AEG, Art. 8 Abs. 1 und UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG). Zweitens unterliegt das Eisenbahninfrastrukturunternehmen einem Diskriminierungsverbot (vgl. § 14 Abs. 1 AEG und Art. 8 Abs. 1 und 3 Richtlinie 2001/14/EG). Und drittens müssen bei der Ausgestaltung des Systems der Benutzerentgelte Anreize zur Verringerung von Störungen und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes gesetzt werden (vgl. § 21 Abs. 1 EIBV und Art. 11 Richtlinie 2001/14/EG). Wahrt das Eisenbahninfrastrukturunternehmen diese drei zwingenden Vorgaben, kann es die Trassenentgelte innerhalb des durch die Minimal- und Maximalgrenze umrissenen Rahmens autonom festlegen. Hierbei ist es Aufgabe des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, den Anforderungen des intermodalen Wettbewerbs Rechnung zu tragen (vgl. § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 AEG). In Wahrnehmung seiner Verpflichtung nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 20001/14/EG hat der deutsche Gesetzgeber mit § 14 AEG einen Entgeltrahmen geschaffen, der sich von der Preisuntergrenze der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (§ 14 Abs. 4 Satz 2 AEG, Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) bis zur Preisobergrenze der Vollkosten (§ 14 Abs. 4 Satz 1 AEG, Art. 8 Richtlinie 2001/14/EG) erstreckt. Innerhalb dieser Antipoden darf ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Trassenpreise nach eigenem Ermessen bilden und festsetzen, solange es die drei obligatorischen Vorgaben (Marktausschlusstest, Diskriminierungsverbot und Anreizsetzung zur Verringerung von Störungen und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes) berücksichtigt. Weitergehende Anforderungen stellt das EURecht nicht auf. Insbesondere muss der nationale Gesetzgeber nicht selbst die Entscheidung treffen, ob die Trassenpreise am Maßstab der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten oder der Vollkosten zu berechnen sind. Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 Richtlinie 2001/14/EG räumt den Mitgliedstaaten insoweit ausdrücklich einen Gestaltungsspielraum ein. Sie können diese Systementscheidung selbst treffen und insoweit zum Bestandteil der Entgeltrahmenregelung machen. Sie können diese Befugnis aber auch an die Eisenbahninfrastrukturunternehmen delegieren, was in der Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2001/14/EG ausdrücklich vorgesehen ist. Eine solche Delegation dient der Flexibilität der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die im Interesse einer effizienten und optimalen Nutzung der Fahrwege erforderlich ist (vgl. Erwägungsgrund 12 und 20 Richtlinie 2001/14/EG), worauf der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung hinweist7. Von dieser Dele6

Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 24 ff. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 44, 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 82 f.; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43; siehe auch EuGH, Urteil vom 28. 02. 7

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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gationsermächtigung hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Bestimmung des § 14 AEG Gebrauch gemacht, die die Eisenbahninfrastrukturunternehmen berechtigt, die Trassenpreise innerhalb des durch die beiden Antipoden der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten und der Vollkosten gezogenen Rahmens grundsätzlich frei festzulegen. Dementsprechend hat der Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundespublik Deutschland die Rüge einer unzureichenden Umsetzung des Art. 7 Abs. 3 und des Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG der Kommission zurückgewiesen. Die Kommission hatte geltend gemacht, die Bundesrepublik Deutschland habe nicht gesetzlich geregelt, ob das in Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG vorgesehene Direktkostenprinzip oder das in Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG vorgesehene Vollkostenprinzip anzuwenden ist und unter welchen Voraussetzungen das eine oder das andere Prinzip zum Tragen kommt. Der Gerichtshof begründet seine Zurückweisung wie folgt: „Es ist festzustellen, dass sich das Wegeentgelt, damit den mit der Richtlinie 2001/14 verfolgten Zielen Rechnung getragen wird, zwischen einer Untergrenze, die den in Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie vorgesehenen, unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten entspricht, und einer Obergrenze bewegt, die sich aus den Gesamtkosten des Betreibers der Infrastruktur ergibt, wie Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie vorsieht. Zwischen diesen beiden Extremen kann das Entgelt nach der Richtlinie 2001/14, wie ihr Art. 7 Abs. 4 vorsieht, variieren, indem die Knappheit der Fahrwegkapazität oder die in Art. 7 Abs. 5 erwähnten Kosten von umweltbezogenen Auswirkungen oder auch spezifische Investitionsvorhaben nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie sowie die in ihrem Art. 9 vorgesehenen Nachlässe berücksichtigt werden.“8

Der Gerichtshof stellt damit klar, dass die Richtlinie 2001/14/EG einen Rahmen für die Ausgestaltung der Eisenbahnentgeltregulierung durch die Mitgliedstaaten bereithält, dessen Untergrenze sich aus den unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten ergibt (Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) und dessen Obergrenze aus den Vollkosten des Eisenbahninfrastrukturunternehmen folgt (Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/ 14/EG). „Zwischen diesen beiden Extremen“ kann die Festsetzung der Trassenentgelte „variieren“. § 14 Abs. 4 AEG, dessen Satz 1 die Obergrenze (Vollkosten) und dessen Satz 2 die Untergrenze (unmittelbar zugbetriebsbedingte Kosten) markiert, konkretisiert damit die aus Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/ EG folgenden Direktiven für die Ausgestaltung der Entgeltrahmenregelung durch die Mitgliedstaaten. Weitergehende Anforderungen stellt die Richtlinie 2001/14/EG insoweit nicht. Insbesondere müssen die Mitgliedstaaten nicht regeln, unter welchen Voraussetzungen das Grenzkosten- oder das Vollkostenprinzip zur Anwendung gelangen soll. Vielmehr dürfen die Mitgliedstaaten diese Befugnis gem. Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2001/14/EG auch an die Eisenbahninfrastrukturunterneh2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35. 8 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 84.

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B. Bestandsaufnahme

men delegieren, wie es in der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist (vgl. § 14 Abs. 4 AEG). Resümierend stellt deshalb der Gerichtshof fest: „Im vorliegenden Fall ermöglicht die genannte nationale Vorschrift die volle Deckung der entstandenen Kosten und belässt dem Betreiber der Infrastruktur die Möglichkeit, sowohl danach zu differenzieren, ob es sich um Schienenpersonenfernverkehr, Schienenpersonennahverkehr oder Schienengüterverkehr handelt, als auch nach Marktsegmenten innerhalb dieser Verkehrsleistungen. Wie der Generalanwalt jedoch in Nr. 85 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verpflichtet die Richtlinie 2001/14 die Mitgliedstaaten nicht dazu, detailliertere Entgeltregeln vorzusehen.“9

b) Differenzierung zwischen Entgeltmaßstab und Entgeltgrundsätzen sowie Kodifizierung eines „Baukastensystems“ im Eisenbahnrecht? Vor der ausdrücklichen Klarstellung des Gerichtshofes vertrat insbesondere Kühling in seinem Gutachten zur „Klärung von Entgeltfragen nach AEG und EIBV“ die Auffassung, dass der Gesetzgeber dem Betreiber der Schienenwege die Entgeltbildung konkret habe vorgeben wollen10. Danach sollten die Richtlinie 2001/14/ EG und § 14 AEG auf einer Differenzierung zwischen Entgeltmaßstab und Entgeltgrundsätzen beruhen11. Die Frage, welche Kosten ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen insgesamt auf die Entgelte verteilen dürfe (Entgeltmaßstab), sei von der Art und Weise der Berechnung der einzelnen Entgelte (Entgeltgrundsätze) zu unterscheiden. Der Entgeltmaßstab sei dabei in Art. 6 Richtlinie geregelt, der auf einer Vollkostendeckung (Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) abzüglich eines Effizienzsteigerungsanreizes (Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG) basiere12. In einem ersten Schritt seien die Vollkosten des Eisenbahninfrastrukturunternehmens heranzuziehen, die in einem weiteren Schritt durch ein entsprechendes effizienzsteigerndes Anreizelement zu kürzen seien (Vollkosten minus Anreizfaktor). Die entsprechende Regelung des Entgeltmaßstabs des Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG finde sich im nationalen Recht in § 14 Abs. 4 Satz 1 AEG13. 9

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 88. Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht. 11 Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 10 ff.; Kühling, N&R 2009, 36 (37); ders., N&R 2013, 139 (140); Berndt, Die Anreizregulierung in den Netzwirtschaften, S. 227; Haucap/Heimeshoff, in: Ronellenfitsch/Schweinsberg/Henseler-Unger (Hrsg.), Eisenbahnrecht XIV, S. 179 (182 f.); Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 210 ff.; Abschlussbericht der BNetzA zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S. 14 ff.; a.A. Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 479 ff.; vgl. auch Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (943 mit Fn. 5). 12 Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 11 ff., 16 ff.; Kühling, N&R 2009, 36 (37); Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 211. 13 Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 64 ff.; Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 322. 10

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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Die Entgeltgrundsätze begründeten Vorgaben für die Art und Weise der Berechnung der einzelnen Entgelte. Sie seien in Art. 7 bis 9 Richtlinie 2001/14/EG14 bzw. in § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 AEG15 geregelt. Die Vorschriften der Art. 7 ff. Richtlinie 2001/14/EG beruhten auf einem „Baukastenprinzip“, das die Maßstäbe für die Berechnung der Trassen- und Stationspreise bereithalte16. Den Ausgangpunkt bildeten gem. Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG, § 14 Abs. 4 Satz 2 AEG die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten. Hierauf könnten von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen Aufschläge erhoben werden, die der Knappheit der Fahrwegkapazität (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2001/14/EG) bzw. den Kosten umweltbezogener Auswirkungen (Art. 7 Abs. 5 Richtlinie 2001/14/EG) Rechnung tragen und vor dem gebotenen Marktausschlusstest (Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/ EG) Bestand haben. Unterzieht man diesen Ansatz – nicht zuletzt im Lichte der Feststellungen des Europäischen Gerichtshofes – einer kritischen Überprüfung, ist zunächst festzuhalten, dass im Zusammenhang mit der Festsetzung von Trassenpreisen zwischen den berücksichtigungsfähigen Kosten einerseits und ihrer Berechnung andererseits unterschieden werden muss. Auch steht unstreitig fest, dass sich die (absolute17) Obergrenze der Trassenpreise aus den Vollkosten zuzüglich einer marktüblichen Rendite ergibt. Die Kritik muss indes bereits bei der Begriffsbildung ansetzen. Während der Begriff „Entgeltgrundsätze“ Eingang in die Richtlinie 2001/14/EG gefunden hat (vgl. die Überschriften der Art. 7 und 8 Richtlinie 2001/14/EG), findet sich der Begriff „Entgeltmaßstabes“ weder in Art. 6 Richtlinie 2001/14/EG noch in § 14 Abs. 4 AEG. Auch erscheint es irreführend, für die Frage, welche Kosten für die Berechnung der Trassen- und Stationspreise herangezogen werden dürfen, von „Entgeltmaßstab“ zu sprechen. Für die Beurteilung rechtlicher Fragen wird in der Typologie der Rechtswissenschaft zwischen Gegenstand und Maßstäben unterschieden. Die Vollkosten, die den „Entgeltmaßstab“ begründen sollen, betreffen den Gegenstand und nicht den Maßstab der rechtlichen Bewertung. Im Übrigen folgt das Vollkostendeckungsprinzip nicht aus Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG, sondern aus Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG18. Es ist irreführend, im Zusammenhang mit

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Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 25 ff.; Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 211. 15 Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 324 f. 16 Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 42 f.; Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 211. 17 Allerdings verschiebt sich diese durch die Vollkosten markierte Obergrenze entsprechend nach unten, wenn der nach Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG, § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 AEG ergibt, dass (bestimmte) Eisenbahnverkehrsmärkte nur Trassenpreise diesseits dieser Obergrenze vertragen. 18 Vgl. aber Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 210, der das Vollkostenprinzip aus Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG ableitet.

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B. Bestandsaufnahme

Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG von einer Vollkostendeckung zu sprechen19. Diese Vorschrift begründet allein die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Einnahmen und Ausgaben eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens unter normalen geschäftlichen Umständen und über einen angemessenen Zeitraum zumindest ausgleichen. Sie betrifft aber nicht die „Vollkosten“ der Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Sofern sich ein Mitgliedstaat in Wahrnehmung seines Gestaltungsspielraums für das Grenzkostenprinzip entscheidet und dementsprechend die Eisenbahninfrastrukturunternehmen nur dazu berechtigt sind, die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (zuzüglich einer marktüblichen Rendite) über die Trassenpreise auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen abzuwälzen, entstehen keine „Vollkosten“, die Gegenstand eines „Entgeltmaßstabes“ sein könnten. In diesem Fall sind die Kosten, welche die Eisenbahninfrastrukturunternehmen über die Benutzerentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen überwälzen dürfen („Entgeltmaßstab“), die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG, nicht aber Vollkosten im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG. Schließlich ist es unzutreffend, die auf Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG beruhende Notwendigkeit der Implementierung eines Effizienzsteigerungsanreizes ausschließlich auf die Vollkosten im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG zu beziehen. Das nach Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG geschuldete Anreizelement erstreckt sich sowohl auf die Vollkosten (Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/ EG) als auch auf die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG). Ineffizienzen, welche die öffentlichen Haushalte und die Zugangsentgelte nicht belasten dürfen, können sowohl den Bereich der gesamten Infrastruktur, der Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der Vollkosten ist, als auch die einzelnen Leistungen des unmittelbaren Zugbetriebs betreffen. Dementsprechend ist zwischen den (tatsächlichen) Ist-Vollkosten und den (effizienzorientierten) Soll-Vollkosten sowie zwischen den (tatsächlichen) Ist-Grenzkosten und (effizienzorientierten) Soll-Grenzkosten zu unterscheiden20. In erster Linie bezieht sich die Kritik indes auf das sog. „Baukastenprinzip“, das Art. 7 ff. Richtlinie 2001/14/EG und § 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 AEG zugrunde liegen und das Inhalt und Struktur der „Entgeltgrundsätze“ bilden soll21. Das „Baukastensystem“ soll sich aus unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten (Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG, § 14 Abs. 4 Satz 2 AEG) und den hierauf aufsetzenden Knappheits- und Umweltaufschlägen (Art. 7 Abs. 4 und 5 Richtlinie 2001/ 14/EG, § 21 Abs. 2 und 3 EIBV) sowie dem Vollkostenaufschlag (Art. 8 Abs. 1 19 So aber Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 17 ff., insbesondere S. 19; Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 210. 20 Vgl. bereits Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 46 f.; ders., DVBl. 2009, 942 (943). 21 Ablehnend auch Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 479 ff.

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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Richtlinie 2001/14/EG, § 14 Abs. 4 Satz 2 AEG) zusammensetzen. Der Begriff „Baukastenprinzip“ geht deshalb fehl, weil er suggeriert, die Bildung der Trassenpreise durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen müsse in einzelnen Schritten, in einer Art Stufenfolge von den Grenzkosten über Aufschläge bis zu den Vollkosten erfolgen und begründet werden. Ein solches „Baukastenprinzip“ – oder genauer: Stufenprinzip – sehen aber weder die Richtlinie 2001/14/EG noch § 14 Abs. 4 AEG vor. Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/EG/EG und Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG stehen nicht in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/ EG begründet keinen Regelsatz, von dem nach Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG nur unter engen Voraussetzungen abgewichen werden dürfte. Vielmehr spiegelt sich in der Richtlinie 2001/14/EG der den Eisenbahnsektor kennzeichnende Zielkonflikt zwischen verkehrlichen und finanzpolitischen Interessen wider, ohne dass die Richtlinie diesen Konflikt selbst löst22. Die Lösung dieses Zielkonflikts obliegt allein den Mitgliedstaaten, auch und gerade aus Rücksicht auf deren Haushaltsautonomie. Der Gerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen bereits zu dem Prinzip der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG geäußert. Er hat diejenigen Mitgliedstaaten gerügt, die überhaupt keine Regelung getroffen hatten, welche den Grundsatz des Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG in innerstaatliches Recht umsetzt23. Auch verstößt ein Mitgliedstaat gegen die Richtlinie 2001/14/EG, wenn aufgrund der innerstaatlichen Regelung bei der Berechnung der Kosten nach Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG auch solche Kosten Berücksichtigung finden, die in keinem Zusammenhang mit den unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten stehen. Zwar betont der Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten bei der Konturierung des den Wirtschaftswissenschaften entlehnten Begriffs der (unmittelbar zugbetriebsbedingten) Grenzkosten einen „gewissen Wertungsspielraum“ besäßen24. Die Einbeziehung von Finanzierungskosten und sonstigen indirekten Kosten hat der Gerichtshof indes beanstandet, weil sie offensichtlich keine unmittelbare Beziehung zum Zugbetrieb aufweisen25. Der Rechtsprechung des Gerichtshofes lassen sich aber keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Vorschriften der Art. 7 ff. Richtlinie 2001/14/EG auf einem „Baukasten“- bzw. Stufensystem beruhen, in dem die unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten die Basis bilden, auf die – der weiteren Darlegung und Rechtfertigung durch die Mitgliedstaaten bzw. durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen bedürftige – Aufschläge bis hin zur Vollkostendeckung erhoben werden dürfen. Ganz im Gegenteil hat der Gerichtshof in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland klargestellt, dass Art. 7 22

Vgl. hierzu Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 20 m.w.N. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 103 ff. 24 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 75; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 65. 25 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 83; im Ansatz ebenso EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 72 f. sowie EuGH, Urteil vom 13. 02. 2014, C-152/12 – Kommission/Republik Bulgarien. 23

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B. Bestandsaufnahme

Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG und Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG nur die äußersten Grenzen des Gestaltungsspielraums markieren, innerhalb dessen sich die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung einer Entgeltrahmenregelung nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG halten müssen. Hierbei bilden die – verkehrliche Interessen fokussierenden – unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten (Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) die „Untergrenze“ und die – finanzpolitische Interessen wahrenden – Vollkosten (Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) die „Obergrenze“26. „Zwischen diesen beiden Extremen“ können die Wegeentgelte, so der Gerichtshof ausdrücklich, „variieren“27. Die Mitgliedstaaten können die Entscheidung, ob die Wegeentgelte nach Maßgabe der Grenz- bzw. der Vollkosten oder auf der Grundlage einer zwischen diesen beiden Extremen liegenden Größe zu berechnen und festzusetzen sind, selbst treffen oder an die Eisenbahninfrastrukturunternehmen delegieren, was in Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG ausdrücklich vorgesehen ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes begründet die Richtlinie 2001/14/EG also kein „Baukasten-“ bzw. Stufensystem, das ein Basisentgelt in Höhe der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten vorsieht, auf das Knappheits-, Umwelt- und Vollkostenaufschläge erhoben werden dürfen, die ggf. gesonderten Darlegungs- und Begründungserfordernissen unterliegen. Vielmehr verfügen die Mitgliedstaaten in Wahrnehmung ihrer Verpflichtung zur Schaffung einer Entgeltrahmenregelung (Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) über einen Gestaltungsspielraum, dessen Grenzen durch das Grenzkostenprinzip (Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) und das Vollkostenprinzip (Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) markiert sind28. Für den Fall, dass sich die Mitgliedstaaten für das Vollkostenprinzip im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG entscheiden, stellt die Richtlinie 2001/14/EG keine weiteren Anforderungen an die Art und Weise der Berechnung der Vollkosten. Die rechtlichen Maßstäbe für die Überprüfung der Vollkosten (zuzüglich einer marktüblichen Rendite) ergeben sich ausschließlich erstens aus dem Marktausschlusstest nach Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG, zweitens aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG und drittens aus den Anforderungen des Art. 11 Richtlinie 2001/14/EG (Performance Regime). Für die Art und Weise der Berechnung der Vollkosten macht Art. 8 Richtlinie 2001/14/ EG keine Vorgaben. Insbesondere sieht diese Bestimmung nicht vor, dass die Wegeentgelte zunächst auf der Grundlage der unmittelbar zugbetriebsbedingten 26

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 85. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 86. 28 Vgl. nunmehr Kühling, N&R 2013, 139 (142), der auch nach der Entscheidung des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland) an seiner Theorie eines „Baukastensystems“ festhält, zugleich aber einräumt, dass dieses allein durch eine Untergrenze (Grenzkosten) und eine Obergrenze (Vollkosten) konturiert ist. Hierzu sei kritisch angemerkt, dass ein System kaum den Begriff Baukasten verdient, das nur durch eine Unter- und ein Obergrenze gekennzeichnet ist. Die Bezeichnung Rahmensystem dürfte eher passen. 27

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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(Grenz-)Kosten zu berechnen und die hierauf erhobenen Knappheits-, Umwelt- und Vollkostenaufschläge näher zu bestimmen sind. Dies ergibt sich aus Folgendem: Erstens fehlt in der Vorschrift des Art. 8 Richtlinie 2001/14/EG hierfür jeder normative Anhaltspunkt. Zweitens spricht der systematische Zusammenhang mit Art. 7 Richtlinie 2001/14/EG gegen eine solche Annahme. Die dort geregelten Knappheits- und Umweltzuschläge (vgl. Art. 7 Abs. 4 und 5 Richtlinie 2001/14/EG) betreffen gerade nicht das Vollkostenprinzip, sondern das Grenzkostenprinzip. Sofern sich Mitgliedstaaten dafür entscheiden, die Grenzkosten regelmäßig zur Grundlage für die Berechnung der Fahrwegpreise zu machen, bedürfen Trassenpreise, welche die Grenzkosten übersteigen, der Rechtfertigung. In diesem Fall ist es erforderlich, zunächst die Grenzkosten zu ermitteln, um feststellen zu können, ob und in welcher Höhe die hierauf erhobenen Aufschläge gerechtfertigt sind. Eine solche Sachlegitimation fehlt indes bei einem auf dem Vollkostenprinzip beruhenden Entgeltregelungsrahmen, was zum dritten, den Sinn und Zweck der Regelungen betreffenden Argument überleitet: Während bei einer Implementierung des Grenzkostenprinzips Grenzkosten und Aufschläge im Einzelnen bestimmt werden müssen, um die Wegeentgelte gering zu halten und damit dem Zweck des Grenzkostenprinzips zur Verwirklichung zu verhelfen, liegt der Zweck des Vollkostenprinzips darin, alle den Eisenbahninfrastrukturunternehmen entstehenden Kosten über die Wegeentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen abzuwälzen. Sofern sich die Mitgliedstaaten für eine solche umfassende Kostenüberwälzung entscheiden, macht eine Verpflichtung zur näheren Kostenaufschlüsselung keinen Sinn. Ob sich hinter Fahrwegentgelten Grenzkosten, (Knappheits- oder Umwelt-)Aufschläge oder Vollkosten verbergen, ist – nicht zuletzt im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – irrelevant, solange Vollkosten in Rechnung gestellt werden dürfen. In schlagwortartiger Verdichtung: Wer ein Mehr verlangen darf, muss ein Weniger nicht (näher) darlegen und begründen. Eine Vorgabe des Inhalts, dass auch bei einer Implementierung des Vollkostenprinzips zunächst ein Basisentgelt zu ermitteln ist, auf das Aufschläge bis zur Vollkostengrenze erhoben werden dürfen, wäre nicht erforderlich und damit als unverhältnismäßige Regelung unionsrechtswidrig. Dementsprechend ist eine solche die Art und Weise der Vollkostenberechnung betreffende Vorgabe in Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG auch nicht vorgesehen. Fazit: Die Berechnung der Trassenpreise nach Maßgabe eines „Baukasten“- bzw. Stufensystems hat innerhalb eines auf dem Grenzkostenprinzip beruhenden Entgeltregelungsrahmens ihre Berechtigung. Insoweit ist es erforderlich, zunächst die Grenzkosten zu ermitteln, um feststellen zu können, ob und in welcher Höhe die hierauf erhobenen Aufschläge gerechtfertigt sind. Grundsätzlich anders liegen die Dinge, wenn sich die Mitgliedstaaten für eine Implementierung des Vollkostenprinzips im Entgeltregelungsrahmen entscheiden. In diesem Fall sind Vorgaben über die Art und Weise der Berechnung der Vollkosten nicht erforderlich und deshalb in Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG auch nicht vorgesehen.

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B. Bestandsaufnahme

Die Bundesrepublik Deutschland hat von der Delegationsmöglichkeit nach Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG mit der Bestimmung des § 14 AEG Gebrauch gemacht, die die Eisenbahninfrastrukturunternehmen berechtigt, die Trassenpreise innerhalb des durch die beiden Antipoden der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten und der Vollkosten gezogenen Rahmens grundsätzlich frei festzulegen. Dies dient der Flexibilität der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die im Interesse einer effizienten und optimalen Nutzung der Fahrwege erforderlich ist (vgl. Erwägungsgrund 12 und 20 Richtlinie 2001/14/EG), worauf der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung hinweist29. Als Wirtschaftsunternehmen sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen dazu angehalten, ihre Trassenpreise innerhalb der gesetzlich eröffneten Spielräume möglichst so zu berechnen, dass insgesamt eine Kostendeckung erzielt wird. § 14 Abs. 4 Satz 1 AEG verpflichtet die Eisenbahninfrastrukturunternehmen aber nicht dazu, dies allein im Wege der Berechnung und Festsetzung der Trassenpreise nach Maßgabe des Vollkostenprinzips umzusetzen. Vielmehr liegt die Entscheidung darüber, ob die Trassenpreise anhand der Grenzoder der Vollkosten berechnet und festgesetzt werden, in den Händen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Ebenso wenig wie die Richtlinie 2001/14/EG beruht § 14 Abs. 4 AEG auf einem „Baukasten“- bzw. Stufenprinzip. Nur in dem hypothetischen Fall einer Trassenpreisbildung auf der Grundlage der Grenzkosten, wäre es erforderlich, zunächst Grenzkosten zu bestimmen, um beurteilen zu können, ob und in welcher Höhe Aufschläge gerechtfertigt sind. Entscheiden sich die Eisenbahninfrastrukturunternehmen hingegen – wie in der Praxis und durch die Bahnverfassungsreform intendiert – für eine Berechnung der Trassenpreise nach Maßgabe der Vollkosten, begründet § 14 Abs. 4 AEG ebenso wenig wie Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG Vorgaben für die Berechnung der Entgelte. Der Gestaltungsspielraum ist allein durch die obligatorischen Vorgaben des Marktausschlusstests (§ 14 Abs. 4 Satz 2 und 3 AEG, Art. 8 Abs. 1 und UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG), des Diskriminierungsverbots (Art. 8 Abs. 1 und 3 Richtlinie) und des Performance Regimes (§ 21 Abs. 1 EIBV, Art. 11 Richtlinie 2001/14/EG) begrenzt. Bleiben diese drei zwingenden Vorgaben gewahrt, können die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Trassenentgelte innerhalb des durch die Minimal- und die Maximalgrenze umrissenen Rahmens autonom festlegen. c) Keine Implementierung eines Effizienzsteigerungsanreizes zum Zweck der Senkung der Trassenpreise Dass § 14 Abs. 4 Satz 1 AEG an die tatsächlichen Ist-Vollkosten anknüpft und keine effizienzorientierten (Soll-)Vollkosten verlangt, ist in der Literatur nahezu 29

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 44, 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 82 f.; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43; siehe auch EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35.

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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unumstritten30. Im Gegensatz zu den anderen Netzwirtschaften (Post, Telekommunikation, Energie)31 verzichtet das geltende nationale Eisenbahnrecht auf eine effizienzsteigernde Anreizregulierung durch die BNetzA. Der Gesetzgeber hat damit nicht gegen Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG verstoßen32, was der Gerichtshof nunmehr ausdrücklich bestätigt hat33. Die Bundesrepublik Deutschland ist ihrer Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/ EG durch die Anreizmechanismen der LuFV nachgekommen. Eine darüber hinausgehende, kumulative hoheitliche Anreizregulierung zum Zweck der Senkung der Trassenentgelte verlangt die Vorschrift nicht. Die Gegenansicht34 übersieht die Besonderheiten des Eisenbahnsektors, genauer: der Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur. Im Gegensatz zu anderen Netzwirtschaften wird die Eisenbahninfrastruktur in den Mitgliedstaaten auch oder ganz überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Schon deshalb müssen die Mitgliedstaaten autonom darüber entscheiden 30

Gerstner, in: Beck’ scher AEG-Kommentar, Allgemeines Eisenbahngesetz, § 14 Rn. 184; Koenig/Neumann/Schellberg, WuW 2006, 139 (143); Kühling, N&R 2009, 36 (37 f.); ders./Ernert, NVwZ 2006, 33 (35); ders./Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 91 f.; Ludwigs, NVwZ 2008, 954 (957); ders., Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 322 f.; Ruge, DVBl. 2005, 1405 (1412); ders., AöR 131 [2006], 3 (63); Staebe, WuW 2006, 492 (495); ders., in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 488; Trute/Broemel, ZHR 170 [2006], 706 (718 f., 722); Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 47 f.; ders., DVBl. 2009, 942 (942 f.); siehe auch Masing, Gutachten 66. DJT, D 126; a.A. Ostendorf/Grün, IR 2005, 275 (276); Grün/ Ostendorf, Stellungnahme des Netzwerks Privatbahnen e.V. zur Vereinbarkeit der Entgeltgrundsätze in den Schienennetz-Benutzungsbedingungen der DB Netz AG für das Netzfahrplanjahr 2007/08 mit den eisenbahnrechtlichen Vorschriften vom 13. 10. 2006, S. 10 f.; vgl. auch Säcker/Böcker, in: Picot (Hrsg.), 10 Jahre wettbewerbsorientierte Regulierung von Netzindustrien in Deutschland, S. 69 (81, 87), die sich mit Blick auf Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG für eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 14 Abs. 4 AEG aussprechen und auf diese Weise in § 14 Abs. 4 AEG ein Anreizelement „hineinlesen“. Hierbei wird indes der dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG eingeräumte Gestaltungsspielraum verkannt; die Mitgliedstaaten können nach Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/ 14/EG zwischen den (Umsetzungs-)Instrumenten der Mehrjahresverträge einerseits und einer hoheitlichen Anreizregulierung andererseits frei wählen, so dass für eine richtlinienkonforme Auslegung des § 14 Abs. 4 AEG im Sinne einer (hoheitlichen) Anreizregulierung kein Platz ist (zutreffend Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 89 f.; vgl. auch Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 323). 31 Vgl. hierzu Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (943 f.); zu den Effizienzmaßstäben im Telekommunikations- bzw. Energiewirtschaftsrecht zuletzt umfassend Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 239 ff. bzw. 280 ff. 32 Siehe bereits Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (944 ff.); vgl. auch Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 325 ff.; Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 469 ff.; a.A. Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 88 f.; Kühling, N&R 2009, 36 (37 ff.); ders., N&R 2013, 139 (144). 33 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 98 ff. 34 Vgl. nochmals Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 88 f.; Kühling, N&R 2009, 36 (37 ff.); ders., N&R 2013, 139 (144).

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B. Bestandsaufnahme

können, ob die von Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG geforderten Effizienzgewinne den Eisenbahnverkehrsunternehmen oder/und den öffentlichen Haushalten zugutekommen sollen. Zumindest dann, wenn Mitgliedstaaten – wie in der Bundesrepublik Deutschland – die Eisenbahninfrastruktur ganz überwiegend finanzieren, müssen sie die Befugnis haben, mögliche Effizienzgewinne ausschließlich zugunsten öffentlicher Haushalte einzusetzen. Jeder andere Standpunkt wäre mit Blick auf die Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten in hohem Maße bedenklich. Dementsprechend verlangt Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG von den Mitgliedstaaten nicht, dass mögliche Effizienzgewinne zwingend (zumindest auch) zur Senkung der Zugangsentgelte zu verwenden sind. Mit Bedacht räumt Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG den Mitgliedstaaten bei der Wahl der Steuerungsinstrumente und damit bei der Wahl des Nutznießers entsprechender Effizienzgewinne einen Gestaltungsspielraum ein. Im Einzelnen: Die Richtlinie 2001/14/EG greift bereits im Erwägungsgrund 40 die Forderung nach einer Anreizsetzung für Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf. Dort heißt es: „Der Fahrweg stellt ein natürliches Monopol dar. Es ist deshalb erforderlich, den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Kostensenkung und zur effizienten Verwaltung ihrer Fahrwege zu geben.“ Diese Forderung ist nicht nur „Programmsatz“35, sondern findet ihren Niederschlag in Art. 6 Abs. 2 bis 5 Richtlinie 2001/14/EG36. Nach Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG sind den Betreibern der Infrastruktur unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung sowie der Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten sowie der Zugangsentgelte zu geben. Neben der Senkung der Zugangsentgelte wird die Reduzierung der Infrastrukturkosten zum Ziel der Forderung erklärt37. Die Regelung trägt der Besonderheit Rechnung, dass die Eisenbahninfrastruktur – im Gegensatz zu anderen Netzen – nicht allein aus Zugangsentgelten, sondern – wenigstens in den meisten Mitgliedstaaten – zum überwiegenden Teil aus staatlichen Mitteln finanziert wird. Deshalb dienen die von der Richtlinie 2001/14/EG geforderten Effizienzsteigerungen nicht allein den wirtschaftlichen Interessen der Zugangspetenten, sondern auch den fiskalisch-verkehrspolitischen Interessen der Mitgliedstaaten. Die nach der Richtlinie 2001/14/EG erforderliche Anreizwirkung zielt nicht wie in anderen Netzwirtschaften nur auf die Entlastung der Zugangspetenten, sondern auch auf die Entlas35 Gerstner, in: Beck’ scher AEG-Kommentar, Allgemeines Eisenbahngesetz, 2006, § 14 Rn. 184. 36 Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 18 ff., 206 ff.; Säcker/Böcker, in: Picot (Hrsg.), 10 Jahre wettbewerbsorientierte Regulierung von Netzindustrien in Deutschland, S. 69 (87); Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 48. 37 Vgl. zur doppelten Zielsetzung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG BNetzA, Abschlussbericht zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S. 62: „Art. 6 Abs. 2 hat zwei Zielsetzungen vorgegeben: Ein Mitgliedstaat muss jedem Infrastrukturbetreiber zum einen Anreize zur Kostensenkung und zum anderen Anreize zur Senkung der Nutzungsentgelte setzen.“ Ebenso Kühling, N&R 2009, 36 (38: „Das Gemeinschaftsrecht verlangt … eine Senkung der Kosten und der Entgelte“).

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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tung der Mitgliedstaaten, welche die Eisenbahninfrastruktur (in erheblichem Umfang) finanzieren. Diese doppelte Zielsetzung der gebotenen Anreizsetzung kommt in Absatz 3 des Art. 6 Richtlinie 2001/14/EG deutlich zum Ausdruck, der die Mittel zur Verwirklichung des auf Effizienzsteigerung zielenden Normzwecks des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG benennt. Nach Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass Absatz 2 entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber der Infrastruktur, die eine Laufzeit von mindestens drei Jahren hat und die staatliche Finanzierung regelt, oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen, in deren Rahmen angemessene Befugnisse vorgesehen sind, umgesetzt wird. Während die erste Alternative die Effizienzsteigerung bei der Verwendung staatlicher Infrastrukturmittel betrifft, die nur mittelbar auf die Zugangsentgelte zurückwirkt, geht es bei der zweiten Alternative um eine hoheitliche Anreizregulierung, welche unmittelbar die Zugangsentgelte zum Gegenstand hat und nur mittelbar auf den staatlichen Infrastrukturbeitrag zurückwirkt. Die Richtlinie 2001/14/EG belässt den Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung einen erheblichen Gestaltungsspielraum38. Dieser Gestaltungsspielraum zeigt sich zum einen darin, dass die Richtlinie 2001/14/EG zu dem Umfang der Anreizwirkung keine Vorgaben macht. Ein auf maximale Anreizwirkung gerichtetes Optimierungsgebot wird durch die Richtlinie 2001/14 EG nicht begründet. Entscheidend ist allein, dass von den Maßnahmen der Mitgliedstaaten effizienzsteigernde Anreizwirkungen für die Senkung der Infrastrukturkosten und der Zugangsentgelte ausgehen. Zum anderen manifestiert sich der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten darin, dass sie bei der Wahl der Mittel zur Umsetzung der Verpflichtung zur Anreizsetzung freie Hand haben. Ihnen steht es frei, dieser Verpflichtung entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Staat und dem Infrastrukturbetreiber zur Regelung der staatlichen Finanzierung oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen nachzukommen39. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG („Entweder … oder“) macht deutlich, dass die Mitgliedstaaten nur die eine oder die andere Maßnahme, nicht aber beide ergreifen müssen. Nach der Richtlinie können zwar die Mitgliedstaaten neben dem Abschluss von Mehrjahresverträgen zur Schaffung einer langfristigen Finanzierungsgrundlage für die Eisenbahninfrastruktur zusätzlich zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, z. B. einer Anreizregulierung greifen; sie müssen es aber nicht40. Die entscheidende Frage ist indes, ob den Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2001/14/EG ein Gestaltungsspielraum auch bei der Entscheidung zusteht, wem der 38

Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (944); ebenso Kühling, N&R 2009, 36 (37). Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Mehrjahresverträge für die Qualität der Schieneninfrastruktur vom 06. 02. 2008, KOM(2008) 54 endg., S. 3 f. 40 Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (945). 39

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B. Bestandsaufnahme

von Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG geforderte Effizienzgewinn zugutekommt, nämlich den Nutzern der Infrastruktur oder den öffentlichen Haushalten. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass einer anreizbedingten Senkung der Infrastrukturkosten eine Reduzierung der von den Infrastrukturbetreibern eingesetzten Eigenmittel korrespondiert, wodurch im Ergebnis auch die Nutzer entlastet werden, weil nur die von den Infrastrukturbetreibern aufgewandten Eigenmittel über die Wegeentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen abgewälzt werden können41. Deshalb geht der Gerichtshof zu Recht davon aus, dass eine Anreizsetzung, die unmittelbar auf die Senkung der Infrastrukturkosten gerichtet ist, mittelbar zu einer Reduzierung der Wegeentgelte führt42. Ungeachtet dessen verlangt Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG nicht, dass der von der Richtlinie geforderte Effizienzgewinn auch tatsächlich sowohl den öffentlichen Haushalten als auch den Nutzern zugutekommt. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG („und“) könnte zwar eine solche Schlussfolgerung nahelegen. Diese Auslegung erscheint jedoch nicht zwingend. Die parallele Erwähnung könnte auch dem Ziel dienen, die doppelte Schutzrichtung einer Anreizsetzung zum Ausdruck zu bringen, ohne die Mitgliedstaaten zu verpflichten, im Rahmen der Ausgestaltung ihrer Entgeltregulierungsordnungen beiden Schutzgütern zu entsprechen. Genau in diesem Sinne deutet der Gerichtshof die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG, wenn er im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ausführt: „Zwar sieht Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 vor, dass Anreize zur Senkung der Kosten und der Zugangsentgelte getroffen werden müssen. Er sieht aber keineswegs vor, dass diese Maßnahmen unabhängig voneinander getroffen werden müssten.“43

Der systematische Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG untermauert dieses Auslegungsergebnis. Wie bereits dargelegt, verlangt Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG nicht den kumulativen Einsatz beider Steuerungsinstrumente („vertragliche Vereinbarung“ oder „aufsichtsrechtliche Maßnahmen“), sondern lässt eines von beiden genügen („entweder … oder“). Da „vertragliche Regelungen“ auf die fiskalischen Interessen der Mitgliedstaaten und „aufsichtsrechtliche Maßnahmen“ auf die Interessen der Benutzer gerichtet sind, spricht Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG dafür, dass sich der hierdurch eröffnete Gestaltungsspielraum nicht nur auf die Wahl der Anreizinstrumente, sondern auch auf die Bestimmung des Nutznießers entsprechender Effizienzgewinne bezieht. Letzte Auslegungshürden lassen sich insbesondere durch den systematischen Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG ausräumen. Nach dieser der Entlastung der öffentlichen Haushalte dienenden Vorschrift können die Mitgliedstaaten von einem Betreiber der Infrastruktur verlangen, seine Einnahmen 41 42 43

Vgl. aber Kühling, N&R 2013, 139 (144: Anreizhoffnung). Vgl. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 105. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 107.

I. Vorgaben zur Entgeltregulierung

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und Ausgaben ohne staatliche Mittel auszugleichen. Wenn die Mitgliedstaaten sich dafür entscheiden können, dass die Infrastruktur ohne staatliche Mittel finanziert wird, müssen sie im Fall einer staatlichen Finanzierung selbstredend auch vorsehen können, dass mögliche Effizienzvorteile ausschließlich an den staatlichen (Haupt-) Financier zurückfließen. In einem ähnlichen Sinne führt der Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland aus: „Schlösse man sich dem Standpunkt der Kommission an, liefe dies nämlich darauf hinaus, eine Verpflichtung eines Mitgliedstaats anzuerkennen, dem Betreiber der Infrastruktur Anreize dafür zu bieten, über eine Senkung der Entgelte einen Teil der durch eine Steigerung seiner Effizienz erzielten Überschüsse an die Nutzer des Netzes weiterzugeben, obwohl er womöglich nicht in der Lage wäre, sämtliche Kosten für die Bereitstellung der Infrastruktur zu erheben. Diese Auslegung würde den Mitgliedstaat im Gegenzug zu dieser Überwälzung dazu verpflichten, die Infrastruktur zu finanzieren. Eine solche Auslegung stünde im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/14, nach dem ein Mitgliedstaat im Rahmen der Entgeltregelungen der Art. 7 und 8 der Richtlinie vom Betreiber der Infrastruktur verlangen kann, seine Einnahmen und Ausgaben ohne staatliche Mittel auszugleichen.“44

Mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG müssen die Mitgliedstaaten auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG frei darüber entscheiden können, wem mögliche Effizienzgewinne zugutekommen. Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG verlangt keine Entlastung sowohl der öffentlichen Haushalte als auch der Benutzer der Eisenbahninfrastruktur; vielmehr genügt die Entlastung entweder des einen oder des anderen45. Da Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG über den Umfang der Anreizwirkung keine Vorgaben macht, kommt den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum zu46. Dementsprechend hat der Gerichtshof das in der Französischen Republik bestehende Bonussystem als ausreichend erachtet, wonach den Mitarbeitern des Eisenbahninfrastrukturunternehmens bei entsprechender Verringerung der Kosten für die vollständige Erneuerung eines Gleiskilometers ein Bonus gewährt wird. Dieses Bonussystem biete dem Betreiber Anreize, die Kosten für die Fahrwegbereitstellung zu senken und mittelbar die Entgelte für den Zugang zur Infrastruktur herabzusetzen47. Ebenso begründet der Degressionseffekt der LuFV48 eine hinreichende Anreizwirkung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG49. Die Bundesrepu44

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 108. Dies übersieht Kühling, N&R 2013, 139 (144) insoweit, als er kritisch anmerkt, der Gerichtshof reduziere die „Anreizpflicht“ auf eine „Anreizhoffnung“. Kumulative Anreizpflichten begründet Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG nicht. Deutschland ist seiner Umsetzungspflicht durch die Anreizmechanismen der LuFV nachgekommen. Eine weitere „Anreizpflicht“ besteht nicht. 46 Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (944 f.). 47 EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/Frankreich, Rn. 76. 48 Zur Degressionswirkung der LuFV eingehend Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (948). 49 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 103 f. 45

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B. Bestandsaufnahme

blik Deutschland ist ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG durch die Anreizmechanismen der LuFV nachgekommen. Deshalb hat die Bundesrepublik Deutschland auch nicht dadurch gegen Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG verstoßen, dass sie auf eine Implementierung einer hoheitlichen Anreizregulierung im Eisenbahnrecht und auf effizienzsteigernde Anreizelemente im Rahmen des § 14 Abs. 4 AEG verzichtet hat. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Senkung der Zugangsentgelte sind nur dann zwingend erforderlich, wenn Infrastrukturbetreiber keine öffentlichen Mittel erhalten. In diesem Fall erübrigt sich eine Anreizsetzung zugunsten öffentlicher Haushalte. Die Frage nach einer Verteilung des nach Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/ 14/EG geforderten Effizienzgewinns stellt sich nicht. Dementsprechend haben die Mitgliedstaaten dann durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen Anreize zur Senkung der Zugangsentgelte zu setzen50.

2. Entgelte für den Zugang zu Serviceeinrichtungen Die Vorgaben für die Entgelte der Betreiber von Serviceeinrichtungen ergeben sich aus § 14 Abs. 5 AEG51. Danach dürfen die Entgelte einerseits die Wettbewerbsmöglichkeiten der Zugangsberechtigten nicht beeinträchtigen. Anderseits müssen sie diskriminierungsfrei gebildet werden. Das in § 14 Abs. 5 Satz 2 AEG enthaltene Diskriminierungsverbot wird in § 24 Abs. 4 EIBV, § 24 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 21 Abs. 6 und § 23 Abs. 4 EIBV spezifiziert. Eine nachgewiesene oder greifbare Ungleichbehandlung durch die Entgeltregelungen kann zulässig sein, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist. Im Übrigen, d. h. für die Entgelte der Betreiber sonstiger Eisenbahninfrastruktur, gilt der allgemeine Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit nach § 14 Abs. 1 AEG52.

II. Verwaltungs- und Gerichtsverfahren Die BNetzA hat in der jüngeren Vergangenheit Verfahren zur Überprüfung des Trassenpreissystems, der Regionalfaktoren, der Stornierungsentgelte, des Auslastungsfaktors, der Regelungen zur Entgeltminderung sowie zum Stationspreissystem eingeleitet.

50 Vgl. Kühling, N&R 2013, 139 (144), der insoweit einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EU rügt. 51 Vgl. hierzu Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 54 ff. 52 Zur Neufassung des § 14 Abs. 5 AEG vgl. unten unter IV. 2., S. 39.

II. Verwaltungs- und Gerichtsverfahren

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1. Trassenpreissystem Im Verfahren zur Überprüfung des Trassenpreissystems53 bemühte sich die BNetzA seit Ende 2007 vor allem darum, die aus ihrer Sicht notwendige Transparenz über den Zusammenhang zwischen den Infrastrukturnutzungsentgelten und den Kosten der Leistungserbringung herzustellen. Seit der Verfahrenseinleitung erreichten die DB Netz AG zahlreiche Auskunftsbegehren, mit denen die Behörde insbesondere die in § 14 Abs. 4 Satz 1 AEG genannten „Kosten der Pflichtleistungen“ und die „Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“, ermitteln wollte. Zur Höhe der zulässigen Rendite, die der Betreiber der Schienenwege nach § 14 Abs. 4 Satz 1 AEG vereinnahmen darf, wurde im Jahre 2010 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sich mit den im Rahmen der Renditeermittlung ansatzfähigen Kapitalkosten befasste54. Ein Bescheid zum Trassenpreissystem ist bislang nicht ergangen.

2. Regionalfaktoren Aus der Überprüfung des Trassenpreissystems „als Ganzes“ wurde bereits in einem frühen Stadium des Verfahrens die Überprüfung der sog. „Regionalfaktoren“ ausgekoppelt55. Bei den Regionalfaktoren handelte es sich um eine Besonderheit des Preissystems der DB Netz AG in Bezug auf die in Regionalnetzen zusammengefassten Nebenstrecken, auf denen im Wesentlichen der öffentlich bestellte und finanzierte SPNV verkehrt. Die nach dem Kategoriepreissystem der SchienennetzBenutzungsbedingungen errechneten regulären Trassenpreise wurden hier mit regional differierenden Faktoren multipliziert. Diese Berechnung verfolgte zum einen das Ziel, der auf der Nachfrageseite vorhandenen Zahlungsfähigkeit der Bestellerorganisationen Rechnung zu tragen, die für die Bezahlung der Infrastrukturnutzungsentgelte auf den betroffenen Strecken mit Mitteln nach dem RegG ausgestattet waren. Zum anderen sollten auch auf den typischerweise schwach ausgelasteten Nebenstrecken möglichst hohe Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden, um eine seit langem im Raum stehende Stilllegung zu verhindern. Nach Austausch der Argumente erließ die BNetzA am 5. März 2010 einen Bescheid, mit dem sie die Anwendung der Regionalfaktoren ab dem 12. Dezember 2010 förmlich untersagte56. Zur Begründung berief sich die Behörde insbesondere 53

BNetzA, Az. 10.050-F-07 – 607. Frontier Economics/IGES/TU Berlin-WIP, Bestimmung der Kapitalkosten im Eisenbahninfrastrukturbereich unter den besonderen Bedingungen des deutschen Eisenbahnsektors, 2009, abrufbar unter: http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebie te/Eisenbahn/Unternehmen_Institutionen/VeroeffentlichungenGutachten/KapitalkostenGu tachtenpdf.pdf? blob=publicationFile&v=2 (Stand: April 2014). 55 BNetzA, Az. 10.010-F-08 – 801. 56 BNetzA, Bescheid vom 5. 3. 2010, Az. 10.010-F-08 – 801, abrufbar unter http://www.bun desnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Eisenbahn/Unternehmen_Institutio nen/BahnRechtlicheLeitentscheidungen/Leitentscheidungen2010/Bescheid20100305Regional 54

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B. Bestandsaufnahme

auf das in § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG verankerte Diskriminierungsverbot: Zugangsberechtigte, die vergleichbare Leistungen erhalten, dürften keine unterschiedlichen Entgelte entrichten, wie es nach dem überkommenen System vorgesehen sei. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür sei nicht ersichtlich, zumal die Kosten- und Erlösstruktur der Regionalnetze nicht offengelegt worden sei. Über den Widerspruch der DB Netz AG gegen den Bescheid musste die BNetzA nicht mehr entscheiden. Im Laufe des Verfahrens verständigten sich Behörde und Unternehmen am 30. Juli 2010 auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, wonach die DB Netz AG die Regionalfaktoren in einem ersten Schritt erheben, dann aber abschaffen und die hierdurch verursachte Deckungslücke durch eine Erhöhung anderer Entgeltbestandteile des Trassenpreissystems kompensieren sollte57.

3. Stornierungs- und Änderungsentgelte Ebenso wie das Verfahren zur Überprüfung der Regionalfaktoren entwickelte sich die Überprüfung der Stornierungs-58 und der Änderungsentgelte59 aus dem Verfahren zur Überprüfung des Trassenpreissystems. In diesen auf „Vorermittlungen“ beschränkten Verfahren ging die Behörde der Frage nach, ob die in den SchienennetzBenutzungsbedingungen enthaltenen Regelungen, wonach die kurzfristige Abbestellung oder Änderung bereits zugewiesener Zugtrassen zusätzliche Entgelte auslösten, eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Eisenbahnverkehrsunternehmen begründete. Zur Rechtfertigung sollte insbesondere die Darlegung der durch eine Stornierung bzw. Änderung einer Zugtrasse ausgelösten Mehrkosten in Betracht kommen. Die Mehrkosten konnte und kann die DB Netz AG nicht darlegen. Ebenso wie im sonstigen Geschäftsleben kommt einem besonderen Entgelt für den Fall der Stornierung oder Umbuchung eine Steuerungsfunktion zu: Kurzfristige Änderungen von Bestellungen sollen selbst dann verhindert werden, wenn der Anbieter einer Leistung infolge der Stornierung oder Änderung eigene Aufwendungen erspart. Da die DB Netz AG ihre Entgeltsysteme als Reaktion auf zu diesen Preiselementen ergangene Urteile der Zivilgerichte in beiden Punkten korrigiert hatte, verfolgte die BNetzA ihre Vorwürfe nicht mehr weiter.

faktorenpdf.pdf? (Stand: April 2014). Gegen diesen Bescheid hat die DB Netz AG am 19. 3. 2010 Widerspruch eingelegt. 57 Abrufbar unter http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebie te/Eisenbahn/Unternehmen_Institutionen/BahnRechtlicheLeitentscheidungen/Leitentscheidun gen2010/VertragstextRegionalfaktoren20100820pdf.pdf (Stand: April 2014). 58 BNetzA, Az. 10.050-F-08 – 901. 59 BNetzA, Az. 10.050-F-09 – 008.

II. Verwaltungs- und Gerichtsverfahren

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4. Auslastungsfaktor Unabhängig von dem Verfahren zur Überprüfung des Trassenpreissystems wandte sich die BNetzA gegen den sog. „Auslastungsfaktor“60. Hierbei handelte es sich um eine Entgeltkomponente zur Steuerung der Auslastung hoch frequentierter Streckenabschnitte, die darauf abzielte, dass Züge ausweichende Strecken benutzen sollten. Bei einer besonders hohen Streckenauslastung wurden die nach dem Kategoriepreissystem der Schienennetz-Benutzungsbedingungen errechneten regulären Trassenpreise mit einem besonderen Faktor multipliziert. Trassen auf stark ausgelasteten Strecken wurden dadurch teurer. Auf diese Weise sollte für die Nachfrageseite Anreize gesetzt werden, auf weniger ausgelastete Strecken auszuweichen. Die Anwendung des Auslastungsfaktors wurde der DB Netz AG mit Bescheid vom 1. Juli 2011 untersagt. Nach Ansicht der Behörde verstieß der Faktor ähnlich wie die Regionalfaktoren gegen das Diskriminierungsverbot des § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG. Zugangsberechtigte, die vergleichbare Leistungen in Anspruch nehmen, würden unterschiedlich behandelt, ohne dass dies durch unterschiedliche Kosten für die jeweilige Leistungserbringung zu rechtfertigen sei. Das weitere Verfahren wurde mit Vertrag vom 30. November 2011 wiederum im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vergleichs mit der Maßgabe beendet, dass die DB Netz AG berechtigt war, den Auslastungsfaktor vorübergehend weiter zu erheben, ihn dann aber abzuschaffen und die Umsatzausfälle durch eine Erhöhung anderer Entgeltbestandteile des Trassenpreissystems zu kompensieren.

5. Entgeltminderung Auch zu den Regeln der Schienennetz-Benutzungsbedingungen zur Entgeltminderung hat die BNetzA einen ablehnenden Bescheid erlassen61. Hintergrund des Bescheids ist die Vorschrift des § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV, wonach der Betreiber der Schienenwege die Entgelte zu mindern hat, wenn sich sein Schienennetz, die zugehörigen Steuerungs- und Sicherungssysteme sowie die zugehörigen Anlagen zur streckenbezogenen Versorgung mit Fahrstrom nicht im vertragsgemäßen Zustand befinden. Der Bescheid der BNetzA verpflichtete die DB Netz AG, in Fällen der Schlechtleistung infolge infrastrukturbezogener Mängel ohne weitere Voraussetzungen „automatisch“ eine Entgeltminderung vorzunehmen, gewährte Minderungen zu dokumentieren und der Behörde hierüber zu berichten. Auf ein Verschulden des Betreibers der Schienenwege komme es nicht an. Auch ein Ausschluss der Ent60

BNetzA, Az. 10.050-F-10 – 603. BNetzA, Az. (705c) 10.050-F-08 – 611, Bescheid vom 6. 4. 2009, abrufbar unter http:// www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Eisenbahn/Unternehmen_ Institutionen/Engelte/Verfahren/BescheidMindgTNE_Id16061pdf.pdf?blicationFile&v=2 (Stand: April 2014). 61

34

B. Bestandsaufnahme

geltminderung in Fällen höherer Gewalt sei nicht möglich. Anders könne die gestörte Äquivalenz des Vertragsverhältnisses zwischen dem Betreiber der Schienenwege und dem Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht wieder hergestellt werden62. Der Bescheid wurde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestätigt63. Das Hauptsacheverfahren ist noch nicht abgeschlossen64.

6. Stationspreissystem Die bisher einzige Entscheidung zu Infrastrukturnutzungsentgelten für Serviceeinrichtungen betrifft die Stationsnutzungsentgelte der DB Station&Service AG. Die BNetzA erließ am 10. Dezember 2009 einen Bescheid65, mit dem das bislang praktizierte länderbezogene Kategoriepreissystem, das Stationspreissystem 2005 (SPS 05) als eisenbahnrechtswidrig eingestuft wurde. Der gerügte Verstoß gegen § 14 Abs. 5 AEG wurde damit begründet, dass die Erhebung unterschiedlicher Stationspreise für vergleichbare Bahnhöfe eine Diskriminierung darstelle. Eine sachliche Rechtfertigung sei ausgeschlossen, da die Preisunterschiede nicht durch konkrete Kostenunterschiede begründet seien. Das Verwaltungsgericht Köln verweigerte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs66. Demgegenüber ordnete das OVG Münster die aufschiebende Wirkung aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung wieder an67. Das Vollzugsinteresse müsse zurücktreten, weil Wettbewerbsnachteile für Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht dargelegt worden seien. Zudem ergebe sich ein überwiegendes Aussetzungsinteresse auch aus den erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für die DB Station&Service. Die materielle Rechtslage blieb letztlich offen. Das Verfahren wurde im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen der BNetzA und der DB Station&Service AG vom 31. August 2012 einvernehmlich beendet68.

62

BNetzA, Az. (705c) 10.050-F-08 – 611, Bescheid vom 6. 4. 2009. VG Köln, Beschluss vom 16. 6. 2009, Az. 18 L 637/09; OVG Münster, Beschluss vom 20. 8. 2009, Az. 13 B 922/09; zu diesem Verfahren Steinmann/Kirchhartz/Danz, N&R 2009, 114 ff. 64 Zu diesem Verfahren ausführlich Steinmann/Kirchhartz/Danz, N&R 2009, 114 ff. 65 BNetzA, Az. (705 – 2) 705 – 07 – 038, Bescheid vom 10. 12. 2009, abrufbar unter http:// www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Eisenbahn/Unternehmen_ Institutionen/Mitteilungen/BerichtStationspreissystem_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Stand: April 2014). 66 VG Köln, Beschluss vom 26. 2. 2010 – 18 L 51/10. 67 OVG Münster, Beschluss vom 23. 3. 2010 – 3 B 247/10. 68 Zu diesem Verfahren ausführlich Motherby/Staebe, in: Festschrift für Peter Hommelhoff, S. 731 ff. 63

III. Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten

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7. Fazit Die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren deuten darauf hin, dass es der BNetzA gerade in der Anfangsphase an der notwendigen Orientierung bei der Entgeltregulierung gefehlt hat. Bei der Überprüfung des Trassenpreissystems hat die BNetzA mit ihren Ermittlungen zur Abgrenzung der Kosten der Pflichtleistungen und den unmittelbar durch den Zugbetrieb veranlassten Kosten Prüfungsansätze verfolgt, die insbesondere für das „Entgeltprüfungsmodell“ entscheidend gewesen wären. Zu einer förmlichen Festschreibung in einer verfahrensabschließenden Entscheidung ist es allerdings nicht gekommen. Die Prüfung könnte daher auch als Vorbereitung einer Entgeltuntersuchung nach dem „Baukastenmodell“ verstanden werden, was der ursprünglichen Verlautbarung der Behörde aus dem Jahre 2007 entspräche. Die im Kern auf den Kostenbezug abstellende Überprüfung der Regionalfaktoren und des Auslastungsfaktors fügt sich allerdings in keines der beiden Modelle ein: Sowohl nach dem Entgeltprüfungs- als auch nach dem Baukastensystem wäre für derartige Entgeltkomponenten bzw. Aufschläge auf die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten Raum gewesen, ohne dass ein Bezug zu den Kosten der Leistungserstellung hätte hergestellt werden müssen. Dies gilt natürlich erst recht für die zur Steuerung bestimmten Entgelte im Fall von Stornierungen oder Änderungen einer bereits erfolgten Bestellung. Allein das Verfahren zur Entgeltminderung, dessen streng am Wortlaut orientiertes Ergebnis möglicherweise nicht zutreffend ist, erscheint insgesamt doch konsequent, weil es die Anwendung spezifischer Vorgaben aus der EIBV betrifft. Im diametralen Gegensatz hierzu steht die Entscheidung zum Stationspreissystem, in der die Behörde einen strengen Kostenbezug gefordert hat, obwohl dieser nach der hier einschlägigen Vorschrift des § 14 Abs. 5 AEG gerade nicht erforderlich ist. Insgesamt sind die Verfahren durch einen hohen Aufwand auf Seiten der BNetzA und der betroffenen Unternehmen gekennzeichnet, ohne dass die Auslegung der maßgeblichen Vorschriften abschließend geklärt werden konnte.

III. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten Auch wenn keiner der Bescheide der BNetzA zum Trassenpreissystem oder zum Stationspreissystem bestandskräftig wurde, waren die Infrastrukturnutzungsentgelte parallel zur regulierungsbehördlichen Kontrolle immer wieder auch Gegenstand zivilrechtlicher Streitigkeiten. Die Entwicklung vollzog sich in zwei Schritten: Zunächst standen Aktivprozesse der Infrastrukturunternehmen des DB-Konzerns im Vordergrund. Später verschob sich der Schwerpunkt auf Rückforderungsklagen der betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen.

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B. Bestandsaufnahme

Die Anfangsphase der zivilrechtlichen Auseinandersetzungen um die Infrastrukturnutzungsentgelte war davon geprägt, dass Eisenbahnverkehrsunternehmen sich unter Berufung auf eine Vielzahl rechtlicher Gründe weigerten, die nach dem jeweils gültigen Trassen- oder Stationspreissystem geschuldeten Infrastrukturnutzungsentgelte zu entrichten. So verklagte zunächst die DB Netz AG einzelne ihrer Kunden auf Zahlung ausstehender Trassenentgelte. In der Mehrzahl der Verfahren verlangten Kunden von der DB Netz AG die Rückzahlung von vermeintlich zu Unrecht erhobenen Entgeltbestandteilen. Die Verfahren der DB Station&Service AG betrafen zum Teil Fälle, in denen Eisenbahnverkehrsunternehmen die Zahlung der Entgelte nach dem Stationspreissystem (SPS) 05 verweigert und stattdessen niedrigere Zahlungen nach früheren Preissystemen (etwa dem Stationspreissystem 1999 in seiner Fortschreibung bis 2004) geleistet hatten. Zu einem anderen Teil betrafen die Verfahren Klagen von Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Rückzahlung von Preisdifferenzen des SPS 05 zum Vorgängerpreissystem. Ebenso wie in den Verfahren der DB Netz AG trugen die Eisenbahnverkehrsunternehmen durchweg vor, dass die angegriffenen Stationspreise nicht der „Billigkeit“ im Sinne des § 315 BGB entsprächen. Zu diesen Verfahren entwickelte sich eine lebhafte Diskussion im Schrifttum, in der zunächst die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle ganz überwiegend mit dem Argument abgelehnt wurde, dass die spezialgesetzlichen Regulierungsvorgaben durch eine an den Kosten der Erstellung einzelner Leistungen orientierten Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB ausgehebelt würden69. Das LG Berlin hat zunächst in mehreren Urteilen die Auffassung vertreten, dass die Preise nach dem SPS 05 rechtmäßig vereinbart seien und keiner Überprüfung durch die Zivilgerichte unterlägen, da sie von der BNetzA nicht für ungültig erklärt worden seien70. Eine Nichtigerklärung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit komme wegen der abschließenden Regelung im AEG nicht in Betracht71. Das AEG enthalte in den Vorschriften des §§ 14b ff. ein ausdifferenziertes System zur Entgeltregulierung, das der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle vorgehe72. Nur so könnten divergierende Entscheidungen der Regulierungsbehörde einerseits und der ordentlichen Gerichte andererseits vermieden werden73. Eine diametral entgegengesetzte Auffassung vertrat das OLG Düsseldorf in einem Verfahren zu den Stornierungsentgelten der DB Netz AG74. Die zivilrechtliche 69

Vgl. zu diesem Problemkreis umfassend Linsmeier/Röckrath, Zivilrechtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und Eisenbahnrecht – Maßstäbe der Prüfung der Nutzungsentgelte der Schienenwege; ebenso Bredt, N&R 2009, 235 ff.; Bredt/Fassbender, IR 2009, 142 f.; Makatsch, IR 2009, 162 f.; Schwintowski, N&R 2005, 90 ff.; a.A. Steinmann, IR 2009, 152 ff.; Schröder, IR 2009, 93 f.; siehe hierzu noch unten unter D. II. 1. bei Fn. 317 (S. 116). 70 LG Berlin, Urteil vom 23. 7. 2009, Az. 104 O 95/08, S. 10. 71 LG Berlin, Urteil vom 23. 7. 2009, Az. 104 O 95/08, S. 10; ebenso bereits LG Berlin, Urteil vom 17. 3. 2009, Az. 98 O 25/08. 72 LG Berlin, Urteil vom 23. 7. 2009, Az. 104 O 95/08, S. 11. 73 LG Berlin, Urteil vom 23. 7. 2009, Az. 104 O 95/08, S. 11. 74 OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. 3. 2010, Az. VI-U (Kart) 16/09.

III. Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten

37

Billigkeitskontrolle werde durch die Regulierungsvorschriften des AEG und der EIBV nicht ausgeschlossen, da dem Infrastrukturbetreiber bei seiner Preisgestaltung ein Ermessensspielraum verbleibe. Ein ausreichender Schutz der Zugangsberechtigten könne allein durch die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle gewährleistet werden75. Diese Auffassung ist letztlich vom Bundesgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung vom 18. Oktober 2011 bestätigt worden76. Die regulierungsrechtlichen Vorgaben des AEG und der EIBV hätten das Ziel, eine Bandbreite zulässiger Entgelte zu bestimmen, die weder über- noch unterschritten werden dürfe77. Innerhalb dieser Bandbreite müsse die Angemessenheit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nach dem Maßstab der Billigkeit bestimmt werden78. Nach der Grundsatzentscheidung des BGH haben die Gerichte in sämtlichen weiteren Verfahren die Anwendung des § 315 BGB bejaht. Sowohl in den Verfahren der DB Netz AG als auch in den Verfahren der DB Station&Service AG haben die Gerichte festgestellt, dass es an dem notwendigen (Kosten-)Nachweis für die Billigkeit der Infrastrukturnutzungsentgelte fehle79. Das KG Berlin und das OLG Frankfurt am Main haben sich inzwischen der Auffassung des BGH angeschlossen80. Auch die zuletzt hiergegen vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken81 teilen die Gerichte nicht. Insbesondere halten sie eine Vorabentscheidung durch den EuGH nicht für erforderlich82. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gegen die Entscheidungen des KG Berlin und des OLG Frankfurt am Main erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden wurden vom BGH zurückgewiesen. Über die hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerden der DB Netz AG und der DB Station&Service AG wegen der Verletzung ihres grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist bislang nicht entschieden. Infolge dieser Rechtsprechung legt die DB Station&Service AG in den noch anhängigen Verfahren inzwischen sämtliche Kostendaten (in Gestalt einzelner 75

OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. 3. 2010, Az. VI-U (Kart) 16/09. BGH, NVwZ 2012, 189 ff. mit Anmerkung Ostendorf, NVwZ 2012, 192; ferner dazu Jung, N&R 2012, 45 ff.; zum BGH und zu einigen weiteren Entscheidungen Ehricke, N&R 2012, 229 ff.; zur Entscheidung des BGH vgl. im Einzelnen noch unter D. II. 1. nach Fn. 318 (S. 116 f.). 77 BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 16). 78 BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 16). 79 LG Berlin, Urteil vom 28. 2. 2012, Az. 16 O 29/11 (Kart). 80 KG Berlin, Urteil vom 5. 11. 2012, Az. 2 U 15/10 (Kart); Urteil vom 29. 10. 2012, Az. 2 U 10/09 (Kart) und 2 U 17/09 (Kart); Urteil vom 17. 1. 2013, Az. 2 U 10/11 (Kart); Urteil vom 31. 1. 2013, Az. 2 U 1/11 (Kart); Urteil vom 15. 4. 2013, Az. 2 U 19/09 (Kart); OLG Frankfurt/ Main, Urteil vom 17. 01. 2012 – 11 U 43/09 (Kart); OLG Frankfurt/Main vom 23. 4. 2013, Az. 11 U 84/11 (Kart). 81 Die Bedenken ergeben sich insbesondere aus Urteilen in den Vertragsverletzungsverfahren wegen der (angeblich) unzureichenden Umsetzung des Ersten Eisenbahnpakets insbesondere in Spanien, EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien; vgl. hierzu Leitzke, N&R 2013, 70 ff; Ludwigs, EWS 2013, 409 ff. 82 KG Berlin v. 29. 10. 2012, Az. 10/09, S. 7. 76

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B. Bestandsaufnahme

Kostenpositionen je streitgegenständlicher Verkehrsstation bis auf die jeweilige Kostenart auf Kontenebene) offen. Gleichwohl verweigern mehrere Kammern des LG Berlin bislang die in § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgesehene gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung, da die Bestimmung von Entgelten für die Nutzung von Personenbahnhöfen zu komplex sei und zudem die Gefahr der Ungleichbehandlung mit anderen Nutzern berge, die keine zivilgerichtliche Überprüfung angestrengt hätten83. Möglicherweise zeichnet sich eine Änderung der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Überprüfung der Entgelte ab, die nach dem „Nachfolgemodell“ des SPS 05, dem Stationspreissystem 2011, gezahlt worden sind. Das System weist einen stärkeren Zusammenhang zwischen den Entgelten und den Kosten der Leistungserstellung auf. Urteile zur Frage der Billigkeit stehen allerdings noch aus.

IV. Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene Parallel zur Tätigkeit der BNetzA und zu den vor den Verwaltungs- und den Zivilgerichten geführten Verfahren gab es verschiedene rechtspolitische Initiativen. Mit Ausnahme einer marginalen Änderung des § 14 Abs. 5 AEG blieben die der Entgeltregulierung zugrunde liegenden Rechtsnormen der Dritten AEG-Novelle jedoch bis heute unverändert.

1. Bericht über die Einführung einer Anreizregulierung Der erste rechtspolitische Vorstoß reicht in die Phase des gescheiterten Börsengangs der Deutschen Bahn AG zurück. Im Rahmen der Kabinettsbefassung mit dem damaligen Entwurf zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (EBNeuOG) hatte die Bundesregierung der BNetzA den Auftrag erteilt, die Entgeltvorschriften des AEG zugunsten eines an der wirtschaftlichen Leistungserbringung orientierten Entgeltmaßstabs und der Einführung einer Anreizregulierung zu überprüfen. Obwohl die Geschäftsgrundlage dieses Auftrages mit dem Scheitern des Gesetzgebungsvorhabens entfallen war, legte die Behörde am 25. August 2008 einen ausführlichen „Bericht zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor“ vor84 Die Behörde forderte die Einführung einer formalen Entgeltgenehmigung auf der Basis einer Preisobergrenzenregulierung85. Zur Ermittlung der Obergrenzen wurde eine 83 LG Berlin, Urteil vom 13. 8. 2013, Az. 98 O 108/12, S. 12; LG Berlin, Urteil vom 13. 8. 2013, Az. 98 O 17/12. 84 BNetzA, Abschlussbericht der BNetzA zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S. 12 ff. 85 BNetzA, Abschlussbericht der BNetzA zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S. 74.

IV. Rechtsentwicklung auf nationaler Ebene

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Formel entwickelt, die insbesondere einen Effizienzfaktor enthalten sollte. Die Genehmigung der Preisobergrenze sollte jeweils auf sechs sog. „Produktkörbe“ bezogen werden86. Zusätzlich waren Vorgaben in Bezug auf die Qualität der Leistungserbringung sowie Instandhaltungs- und Ersatzinvestitionen vorgesehen87. Diese Überlegungen der BNetzA schlugen sich erst später im Gesetzentwurf für ein Eisenbahnregulierungsgesetz nieder88.

2. Entgelte für Serviceeinrichtungen (§ 14 Abs. 5 AEG) Durch die im Zuge des Vierten Gesetzes zur Änderung des AEG vom 19. Mai 2009 vorgenommene Neufassung des § 14 Abs. 5 AEG wurde die frühere Rechtslage materiell nicht geändert. Vielmehr dient die Neufassung der Vorschrift der Fortschreibung und Konkretisierung der bereits nach früherem Recht bestehenden Missbrauchstatbestände89. § 14 Abs. 5 Satz 1 AEG entspricht der vormals geltenden Regelung. Damit ist das auf die Wahrung der Funktionsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsmärkte zielende Behinderungsverbot weiterhin in § 14 Abs. 5 Satz 1 AEG verankert. Durch die Neufassung sind nunmehr die Missbrauchstatbestände des Ausbeutungs- und des Diskriminierungsverbots ausdrücklich geregelt. Während das Ausbeutungsverbot im ersten Regelbeispiel (§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AEG) normiert ist, findet sich das Diskriminierungsverbot im zweiten Regelbeispiel (§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AEG). Die Formulierung („insbesondere“) zeigt, dass die in § 14 Abs. 5 Satz 2 AEG genannten Fälle nicht abschließend sind. Vielmehr handelt es sich um Regelbeispiele. Die Verwendung des Plurals „Entgelte“ entspricht der früheren Regelung. Damit kommt zum Ausdruck, dass sich der Entgeltmaßstab der Preisobergrenze in Form des Ausbeutungstatbestandes auf die Gesamtheit der von einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen angebotenen Leistungen in Serviceeinrichtungen bezieht90. Ebenso wie im Bereich der Schienenwege soll dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf diese Weise eine Mischkalkulation ermöglicht werden. Einzelne Entgelte für Serviceeinrichtungen unterfallen damit nicht dem Ausbeutungsmissbrauchstatbestand (§ 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AEG), sondern können allein am Diskriminierungsverbot des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 AEG gemessen werden91.

86 BNetzA, Abschlussbericht der BNetzA zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S. 116 ff. 87 BNetzA, Abschlussbericht der BNetzA zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S. 114. 88 Vgl. hierzu sogleich. 89 Vgl. nochmals Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 526. 90 Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 527. 91 Zutreffend Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 527.

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B. Bestandsaufnahme

3. Entwurf für ein Eisenbahnregulierungsgesetz In Umsetzung des Koalitionsvertrages der (früheren) CDU/CSU und FDP-Bundesregierung kam es im Laufe der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zu einer Diskussion über eine umfassende Neufassung der regulierungsrechtlichen Vorschriften. Mit einem neuen „Eisenbahnregulierungsgesetz“ (ERegG) sollten alle Regelungsmaterien mit Ausnahme der Entflechtungsvorgaben neu gefasst werden92. Für die Regulierung der Infrastrukturnutzungsentgelte waren in §§ 29 ff. ERegG-Entwurf substantielle Änderungen der Rechtslage geplant. Die Entgelte für die Pflichtleistungen im Zusammenhang mit dem Zugang zu den Schienenwegen und den Personenbahnhöfen sollten einer (ex ante-)Genehmigungspflicht auf der Basis einer Anreizregulierung unterworfen werden. Die übrigen Entgelte sollten hingegen weiterhin Gegenstand einer (ex ante- und ex post-) Überprüfung nach dem bisherigen Vorbild (vgl. § 50 ERegG-Entwurf) bleiben. Die Grundzüge der Anreizregulierung wurden in § 33 Abs. 2 ERegG-Entwurf geregelt und in den §§ 34 ff. ERegG-Entwurf näher ausgestaltet93. Es sollten zunächst die angefallenen Kosten der Eisenbahninfrastruktur unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben ermittelt und auf bestimmte „Leistungskörbe“ verteilt werden. Die Abgrenzung der „Leistungskörbe“ sollte durch Rechtsverordnung erfolgen und der „Tragfähigkeit der Märkte“ Rechnung tragen. Für jeden „Leistungskorb“ hätten unter Berücksichtigung einer „Effizienzrate“ Preisobergrenzen festgesetzt werden sollen, die für die Höhe der Infrastrukturnutzungsentgelte innerhalb einer „Regulierungsperiode“ von in der Regel fünf Jahren maßgeblich sein sollten. Grundsätzlich sollten die Preisobergrenzen jährlich sinken („Preispfad“), um Effizienzsteigerungen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu initiieren. Bestimmte Kosten, etwa Kosten aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen, aus Verträgen über die Sicherung von Arbeitsplätzen, Kosten für Sicherheitsmaßnahmen und sonstige nicht beeinflussbare Kosten blieben allerdings von der Festlegung des Preispfades ausgenommen. Unter Berücksichtigung der festgesetzten Preisobergrenzen wären die Trassenpreise und Stationsnutzungsentgelte künftig jährlich in besonderen Verfahren genehmigt worden (vgl. § 42 ERegG-Entwurf). Damit wäre für eine zivilgerichtliche Überprüfung der genehmigten Infrastrukturnutzungsentgelte, etwa im Wege einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB, die Grundlage entfallen94. Die parallele Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften wurde nach § 2 Abs. 2 ERegG-Entwurf ausdrücklich ausgeschlossen.

92 Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich vom 21. 9. 2012, BR-Drs. 559/12. 93 Vgl. hierzu Scherer/Michalczyk, N&R 2013, 35 (40 ff.). 94 Ebenso Scherer/Michalczyk, N&R 2013, 35 (43).

V. Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene

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4. Fazit Die nationale Rechtslage wird heute nach wie vor durch die Umsetzung des Ersten Eisenbahnpakets im Rahmen der Dritten AEG-Novelle geprägt. Seitdem waren intensive rechtspolitische Diskussionen zu beobachten, die ihren Höhepunkt im Entwurf des letztlich gescheiterten Eisenbahnregulierungsgesetzes gefunden haben. Zu grundlegenden Änderungen des geltenden Rechtsrahmens ist es jedoch bis heute nicht gekommen.

V. Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene Auch auf europäischer Ebene vollzogen sich maßgebliche Entwicklungen im Bereich der Entgeltregulierungsvorgaben. Zum einen präzisierte der Europäische Gerichtshof das geltende Recht in Vertragsverletzungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinien des Ersten Eisenbahnpakets. Zum anderen verfolgte die Europäische Kommission (spätestens) seit Mitte 2010 ein Projekt zur Konsolidierung der bisherigen Bestimmungen der Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, die am 21. November 2012 beschlossen wurde.

1. Vertragsverletzungsverfahren zum Ersten Eisenbahnpaket Die Vertragsverletzungsverfahren zum Ersten Eisenbahnpaket95 betrafen eine Vielzahl von Einzelfragen, die von der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und den Infrastrukturbetreibern bei der Festlegung der Entgelte für die Benutzung der Infrastruktur über die Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Infrastrukturbetreiber bis zur richtlinienrechtlich vorgesehenen Anreizsetzung zur Senkung der Trassenpreise, den Kompetenzen und der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde sowie zu Fragen des integrierten Eisenbahnkonzerns reichten. Der Gerichtshof hat zu diesen Fragen in den von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren grundlegend Stellung genommen und auf diese Weise wesentliche Strukturelemente des EU-Eisenbahnrechts herausgebildet96. Die Urteile 95

Vgl. Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25) in der durch die Richtlinie 2001/12/EG geänderten Fassung und Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75, S. 29) in der durch die Richtlinien 2004/49/EG und 2007/58/EG geänderten Fassung. 96 Es handelt sich um die Rechtssachen: EuGH, Urteil vom 08. 11. 2012, C-528/10 – Kommission/Griechenland; EuGH, Urteil vom 25. 10. 2012, C-557/10 – Kommission/Portugal; EuGH, Urteile vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, C-483/10 – Kommission/Spanien, C555/10 – Kommission/Österreich und C-556/10 – Kommission/Deutschland; EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/Frankreich; EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 –

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B. Bestandsaufnahme

betrafen zwar nur das Erste Eisenbahnpaket. Die vom Gerichtshof aufgestellten (Auslegungs-)Direktiven gelten aber entsprechend für die Richtlinie 2012/34/EU (sog. Recast), sofern diese Richtlinie das bisherige Richtlinienrecht lediglich fortschreibt und keine wesentlichen Änderungen enthält97. Im Folgenden wird die Rechtsprechung des Gerichtshofes kurz nachgezeichnet, wobei sich die Darstellung auf die Aussagen beschränkt, die für die – hier in Rede stehende – Entgeltregulierung von Bedeutung sind98. a) Vereinbarkeit der Holdingstruktur mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG In den Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (C556/10) und gegen die Republik Österreich (C-555/10) ging es unter anderem um die Holdingstruktur der DB AG bzw. der Österreichischen Bundbahnen (ÖBB). Die Kommission hatte gerügt, die Richtlinie 91/440/EWG und die Richtlinie 2001/14/ EG erlaubten es den Mitgliedstaaten nicht, den unabhängigen Betreiber in eine Holding zu integrieren, der auch die Eisenbahnunternehmen angehörten, es sei denn, sie sähen zusätzliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Geschäftsführung vor. Die beiden Mitgliedstaaten hätten aber keine solchen MaßKommission/Polen; EuGH, Urteile vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, C-627/10 – Kommission/Slowenien und C-412/11 – Kommission/Luxemburg; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien; zu diesen Verfahren ausführlich Berndt/ Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 ff. 97 Vgl. auch Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647. 98 Teilweise wurden in den Entscheidungen auch Aussagen zu Aspekten getroffen, die nicht unmittelbar entgeltrelevant sind und daher hier nicht behandelt werden, wenngleich sie von erheblicher praktischer Relevanz sind, etwa: Die Verwaltung des Verkehrs unterfällt nicht dem Begriff der Trassenzuweisung und kann daher Eisenbahnunternehmen übertragen werden (EuGH, Urteil vom 28. 02. 2913, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 54 f.); die Festsetzung von Zuweisungsprioritäten für unterschiedliche Verkehrsarten durch die Behörde verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG (EuGH, Urteil vom 28. 02. 2913, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 63 ff.); die Mitgliedstaaten sind nicht nach Art. 30 Abs. 4 Richtlinie 2001/14/EG verpflichtet, den Regulierungsbehörden zu ermöglichen, Auskunft vom Infrastrukturbetreiber unabhängig von Beschwerden oder einem konkreten Verdacht des Verstoßes gegen die Richtlinien zu verlangen (EuGH, Urteil vom 28. 02. 2913, C-556/10 – Kommission/ Deutschland, Rn. 118 ff.); einem Eisenbahnunternehmen darf nicht die Durchführung von im Vorfeld der Entscheidung vorzunehmenden Studien der technischen Machbarkeit, die für die Bearbeitung der Anträge auf Zuweisung von Trassen und die kurzfristige Trassenzuweisung erforderlich sind, übertragen werden, da diese Studien zur Bestimmung und Beurteilung der Verfügbarkeit der Trassen gehören und die kurzfristige Trassenzuweisung eine Zuweisung von einzelnen Zugtrassen darstellt (EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/ Frankreich, Rn. 26 ff., ebenso EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-627/10 – Kommission/Republik Slowenien, Rn. 30 ff.); demgegenüber darf der Betreiber der Infrastruktur, der auch gleichzeitig Eisenbahnunternehmen ist, die Streichung von Trassen im Fall von Verkehrsstörungen vornehmen, da dies nicht als wesentliche Funktion angesehen wird. Die Neuzuweisung ist jedoch als Teil der wesentlichen Funktionen anzusehen und darf nur von einem unabhängigen Betreiber oder von einer Zuweisungsstelle ausgeübt werden (EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-412/11 – Kommission/Luxemburg, Rn. 38 f.).

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nahmen getroffen, als sie ihren jeweiligen Infrastrukturbetreiber – ÖBB-Infrastruktur und DB Netz AG – in eine Holding integriert hätten. Diese Rüge hat der Gerichtshof zurückgewiesen. In seinem Urteil weist er darauf hin, dass die ÖBB-Infrastruktur und die DB Netz AG, um die Entgelt- und Zuweisungsfunktionen wahrnehmen zu können, von der Holding rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen unabhängig sein müssen. Tatsächlich verfügten diese beiden Gesellschaften über eine gesonderte Rechtspersönlichkeit sowie über eigene Organe und Mittel, die sich von denjenigen ihrer jeweiligen Holding unterscheiden. Im Übrigen stellt der Gerichtshof fest, dass in den angeführten Richtlinien die weiteren von der Kommission geforderten Maßnahmen nicht erwähnt seien, so dass ihr Erlass von den Mitgliedstaaten nicht verlangt werden könne99.

b) Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers vom Staat bei der Berechnung der Wegeentgelte (Art. 4 Richtlinie 2001/14/EG) Im Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn hat der Gerichtshof erstmals dazu Stellung bezogen, wie die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten und der Infrastrukturbetreiber bei der Festsetzung der Wegeentgelte abzugrenzen sind. Hierzu stellt der Gerichtshof klar, dass Art. 4 Richtlinie 2001/14/EG diese Zuständigkeitsfrage regele. Danach sei es Sache der Mitgliedstaaten, eine Entgeltrahmenregelung zu erlassen und einzelne Entgeltregeln festzulegen, wobei die Unabhängigkeit des Betreibers der Infrastruktur beachtet werden müsse. Die Berechnung und Erhebung der Wegeentgelte sei hingegen Sache des Infrastrukturbetreibers (vgl. Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 Richtlinie 2001/14/EG)100. Auch auf den Begriff der „Berechnung“ des Wegeentgelts im Sinne der Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 Richtlinie 2001/14/EG geht der Gerichtshof näher ein. Nach Ansicht des Gerichtshofes bedeutet „Berechnung“ der Entgelte, dass der Betreiber der Infrastruktur „über eine gewisse Flexibilität verfügen muss, die es ihm erlaubt, zumindest Entscheidungen über die Auswahl und die Beurteilung der Faktoren oder Parameter zu treffen, auf deren Grundlage die Berechnung durchgeführt wird101.“ Im Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich Spanien (C-483/10) ging es – ebenso wie im Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn (C-473/10) – um die Zuständigkeitsverteilung zwischen Mitgliedstaaten und den Infrastrukturbetreibern bei der Festsetzung der Wegeentgelte. Die Kommission hatte vorgetragen, dass die spanischen Rechtsvorschriften mit Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG unvereinbar seien, weil die Höhe der Entgelte vollständig durch Ministerialerlass festgelegt 99

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-555/10 – Kommission/Österreich, Rn. 49 ff.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 53 ff. 100 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 78; vgl. hierzu Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 (649). 101 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79.

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B. Bestandsaufnahme

werde. Der Gerichtshof hat diese Ansicht bestätigt und zunächst seine bereits in der Rechtssache C-473/10 getroffene Aussage bekräftigt, dass sich die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Betreiber der Infrastruktur bei der Festlegung der Wegeentgelte aus Art. 4 Richtlinie 2001/14/EG ergebe. Der Gerichtshof betont abermals, dass die Mitgliedstaaten allein eine Entgeltrahmenregelung treffen dürften, während es Sache der Betreiber der Infrastruktur sei, die Berechnung des Entgelts und dessen Erhebung vorzunehmen102. Darüber hinaus stellt der Gerichtshof wiederum fest, dass der Begriff der „Berechnung“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 Richtlinie 2001/14/EG in einem weiteren Sinne zu verstehen sei und nicht nur die rein technische Erhebung der Wegeentgelte umfasse103. Der Gerichtshof begründet dies mit der richtlinienrechtlich geforderten Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Infrastrukturbetreibers. Unter Hinweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts führt er aus, dass den Betreibern der Eisenbahninfrastruktur ein Anreiz gegeben werden sollte, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. Eine derartige Optimierung über die Entgeltregelung könne ihnen aber nicht gelingen, wenn sich ihre Rolle darauf beschränken müsste, in jedem konkreten Fall die Höhe des Entgelts unter Rückgriff auf eine Formel zu berechnen, die im Vorhinein durch Ministerialerlass bestimmt wurde. Die Betreiber müssten somit über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen104. Im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland hat der Gerichtshof seine Auffassung zur Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und den Infrastrukturbetreibern bei der Berechnung der Wegeentgelte bestätigt. In Übereinstimmung mit seinen Ausführungen im Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und das Königreich Spanien stellt der Gerichtshof fest, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG lediglich zur Regelung eines Entgeltrahmens befugt seien, während der Betreiber der Infrastruktur die Berechnung des Wegeentgelts und dessen Erhebung vornehme105. Im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Tschechische Republik (C-545/10) hatte die Kommission vorgetragen, dass die Tschechische Republik durch die ministerielle Festsetzung eines Höchstbetrags für die Wegeentgelte gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG verstoßen habe. Dieser Rüge hat der Gerichtshof stattgegeben. Wie in den Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich Spanien (C-483/10) und gegen Ungarn (C-473/10) betont der Gerichtshof zunächst, dass sich die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Betreiber der Infrastruktur bei der Festlegung der Wegeentgelte aus Art. 4 Richtlinie 2001/14/ 102

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 41; vgl. hierzu Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 (649). 103 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 42; vgl. hierzu Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 (649). 104 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 44. 105 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 84.

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EG ergebe. Der Gerichtshof bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten allein eine Entgeltrahmenregelung erlassen dürften, während es Sache der Betreiber der Infrastruktur sei, die Berechnung des Entgelts und dessen Erhebung vorzunehmen106. Im Interesse der Wahrung der Unabhängigkeit seiner Geschäftsführung müsse der Betreiber der Infrastruktur in dem von den Mitgliedstaaten definierten Rahmen der Entgelterhebung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen, was bei einer ministeriellen Festsetzung des Höchstbetrags für die Wegeentgelte nicht der Fall sei107. Ausdrücklich verwirft der Gerichtshof das von der Tschechischen Republik vorgetragene Argument, dass die ministerielle Festsetzung des Höchstbetrages erforderlich sei, um der auf der Monopolstellung des Infrastrukturbetreibers beruhenden Gefahr überhöhter Nutzungsentgelte wirksam begegnen zu können. Denn die Wahrnehmung der hierfür erforderlichen Kontrollfunktion sei nach Art. 10 Abs. 7 Richtlinie 91/440/EWG Sache der nach Art. 30 Richtlinie eingerichteten „Regulierungsstelle oder einer anderen Stelle, die über dasselbe Ausmaß an Unabhängigkeit verfügt, den Wettbewerb auf den Schienenverkehrsdienstleistungsmärkten zu überwachen“108. Im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Italienische Republik (C-369/11) hatte die Kommission einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14/EG gerügt, weil die nach der italienischen Regelung für die Festsetzung der Entgelthöhe vorgesehenen Modalitäten die „Unabhängigkeit der Geschäftsführung“ des Infrastrukturbetreibers nicht gewährleisteten. Die Netzzugangsentgelte würden nämlich vom Minister durch Dekret festgesetzt. Dieser Rüge hat der Gerichtshof stattgegeben. Wie in den Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich Spanien (C-483/10), gegen Ungarn (C-473/10) und gegen die Tschechische Republik (C-545/10) betont der Gerichtshof zunächst, dass sich die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Betreiber der Infrastruktur bei der Festlegung der Wegeentgelte aus Art. 4 Richtlinie 2001/14/EG ergebe. Der Gerichtshof bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten allein eine Entgeltrahmenregelung vorgeben dürften, während es Sache des Betreibers der Infrastruktur sei, die Berechnung des Entgelts und dessen Erhebung vorzunehmen109. Im Interesse der Wahrung der Unabhängigkeit seiner Geschäftsführung müsse der Betreiber der Infrastruktur in dem von den Mitgliedstaaten definierten Rahmen der Entgelterhebung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen. Die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollen in dem von den Mitgliedstaaten abgesteckten Rahmen für die Betreiber Anreize setzen, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. Die Rolle der Betreiber könne daher nicht darauf 106 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 34. 107 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 36 f. 108 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 39. 109 EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f.

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beschränkt sein, im Einzelfall den Betrag des Entgelts unter Rückgriff auf eine Formel zu berechnen, die im Vorhinein durch Ministerialerlass festgelegt wurde. Sie müssen vielmehr über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen110. Der Gerichtshof hebt hervor, dass nach der italienischen Regelung das in Absprache mit dem Minister festgesetzte Entgelt den Infrastrukturbetreiber binde. Der Minister übe zwar nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle aus. Diese obliegt aber der Regulierungsstelle, also dem URSF. Der Gerichtshof gelangt deshalb zu dem Ergebnis, dass die italienischen Rechtsvorschriften die Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers nicht wahren111. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Gerichtshof in einer Vielzahl von Urteilen grundsätzlich zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Mitgliedstaat und Infrastrukturbetreiber bei der Berechnung und Festsetzung der Wegeentgelte Stellung bezogen hat. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Mitgliedstaaten allein eine Entgeltrahmenregelung erlassen dürften. Die Berechnung der Entgelte und deren Erhebung sei demgegenüber Sache des Infrastrukturbetreibers112. Der Begriff „Berechnung“ sei dabei weit zu verstehen und gehe über die rein technische Entgelterhebung hinaus113. Anderenfalls sei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Infrastrukturbetreibers nicht mehr gewährleistet. Dem Infrastrukturbetreiber sollten Anreize gesetzt werden, die Fahrwegnutzung zu optimieren. Dies sei nur möglich, wenn er über einen gewissen Spielraum bei der Entgeltfestsetzung verfügt114. c) Verhältnis zwischen Direktkosten- und Vollkostenprinzip (Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) Der Gerichtshof hat sich mit dem Verhältnis von Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG befasst.115 Während nach Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/ 14/EG das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen in Höhe der Kosten festzulegen ist, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen (sog. Direktkostenprinzip), sieht Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/ 110

EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43. EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 44 ff. 112 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 41; vgl. hierzu Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 (649), Leitzke, N&R 2013, 70 ff.; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 34; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/ 10 – Kommission/Deutschland, Rn. 84; ähnlich davor schon EuGH, Urteil vom 28. 02. 2913, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 54 f. 113 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 42; vgl. hierzu Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 (649). 114 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 44; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 36; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f. 115 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland. 111

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14/EG vor, dass der Betreiber der Infrastruktur eine volle Deckung der entstehenden Kosten erhalten soll (sog. Vollkostenprinzip). Im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland hatte die Kommission die Auffassung vertreten, dass die der Richtlinienumsetzung dienende Vorschrift des § 14 AEG Lücken aufweise und Deutschland deshalb seinen Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14/EG nicht nachgekommen sei. Bei dieser Bestimmung bleibe zum einen unklar, ob das in Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG vorgesehene Direktkostenprinzip oder das in Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG vorgesehene Vollkostenprinzip angewandt werde. Zum anderen sei nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen das eine oder das andere Prinzip anzuwenden sei. Der Gerichtshof hat diese Rüge zurückgewiesen. In Übereinstimmung mit seinen Ausführungen in den Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und das Königreich Spanien stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG lediglich zur Regelung eines Entgeltrahmens befugt seien, während der Betreiber der Infrastruktur die Berechnung des Wegeentgelts und dessen Erhebung vornehme116. Sodann führt der Gerichtshof aus, dass sich das Wegeentgelt innerhalb eines Rahmens bewegen müsse, dessen Untergrenze sich aus den unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (vgl. Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) und dessen Obergrenze sich aus den Gesamtkosten des Betreibers der Infrastruktur (vgl. Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) ergebe117. Zwischen beiden Extremen könne das Entgelt nach der Richtlinie 2001/14/EG variieren, wobei weitere Kriterien wie die Knappheit der Fahrwegekapazität (Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2001/14/EG), umweltbezogene Auswirkungen (Art. 7 Abs. 5 Richtlinie 2001/14/ EG), spezifische Investitionsvorhaben (Art. 8 Richtlinie 2001/14/EG) oder entsprechende sachliche Gründe für Preisnachlässe (Art. 9 Richtlinie 2001/14/EG) berücksichtigt werden könnten118. Resümierend stellt der Gerichtshof fest, dass § 14 Abs. 4 AEG, der den Betreiber der Infrastruktur berechtigt, die Wegeentgelte in den Grenzen der beiden Antipoden der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten einerseits (Untergrenze) und der Vollkosten andererseits (Obergrenze) festzusetzen und hierbei zwischen den einzelnen Marktsegmenten (SPFV, SPNV und SPGV) zu differenzieren, mit der Richtlinie 2001/14/EG vereinbar ist. Die Mitgliedstaaten seien nach dieser Richtlinie nicht verpflichtet, detailliertere Entgeltregeln vorzusehen119. Zu der Frage, welche Kosten im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes (Direkt- oder Grenzkosten) anfallen, stellte 116

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 84. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 85. 118 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 86. 119 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 88; vgl. auch Kühling, N&R 2013, 139 (143). 117

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der Gerichtshof zunächst fest, dass dieser Begriff in der Richtlinie 2001/14/EG nicht definiert sei. Das sonstige Unionsrecht gebe hierüber auch nicht Aufschluss120. Es handele sich um einen Begriff der Wirtschaftswissenschaften, bei dessen Umsetzung in innerstaatliches Recht die Mitgliedstaaten einen „gewissen Wertungsspielraum“ hätten121. Der Gerichtshof nimmt daher im Wesentlichen eine Negativabgrenzung vor: Zu den unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten gehören weder Fixkosten im Zusammenhang mit der Bereitstellung eines Streckenabschnitts noch Abschreibungen, die nicht aufgrund der tatsächlichen Abnutzung, sondern nach buchhalterischen Regeln vorgenommen werden. Auch die indirekten Kosten und die Finanzierungskosten weisen keine unmittelbare Beziehung zum Zugbetrieb auf. Die Kosten im Zusammenhang mit der Signalsicherung, der Verkehrsverwaltung, der Wartung und der Instandsetzung können andererseits lauf Gerichtshof zumindest teilweise entsprechend dem Verkehr variieren und infolgedessen zum Teil als unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallende Kosten angesehen werden122. In der Entscheidung im Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien ergänzte der Gerichtshof, dass die Personalkosten und Beitragsleistungen zur Sozialversicherung nicht als unmittelbar zugbetriebsbedingte Kosten erhoben werden dürfen123. d) Markttragfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG) Im Zusammenhang mit dieser Diskussion steht die Auslegung des Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG. Danach darf die Höhe der Entgelte nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können. Die Kommission ging davon aus, dass eine Anwendung dieser Vorgabe nur möglich sei, wenn ein Markttragfähigkeitstest vorgenommen würde. Der Gerichtshof hat dies abgelehnt und ausgeführt, dass der Betreiber der Infrastruktur diesen Test nur durchführen müsse, wenn er spezielle Aufschläge für einzelne Marktsegmente einführen wolle. Ansonsten sei lediglich eine Entgeltrahmenregelung zu schaffen, da die Erhebung der Entgelte dem Betreiber der Infrastruktur selbst obliege. Die Mitgliedstaaten waren daher nicht verpflichtet, detailliertere Entgeltregeln für einzelne Marktsegmente124 und einen besonderen Markttragfähigkeitstest vorzunehmen125. 120 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 74; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 64. 121 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 65. 122 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 73 ff. 123 EuGH, Urteil vom 13. 02. 2014, C-152/12, Rn. 70. 124 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 88; vgl. auch Kühling, N&R 2013, 139 (143).

V. Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene

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e) Anreize zur Reduzierung der Kosten und Entgelte (Art. 6 Abs. 2 und 3 Richtlinie 2001/14/EG) Nach Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Infrastrukturbetreibern unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten sowie der Zugangsentgelte zu setzen. Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und dem Infrastrukturbetreiber oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen nachkommen können. In dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland hatte der Gerichtshof erstmals Gelegenheit, zu der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Anreizsetzung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG Stellung zu nehmen126. In diesem Verfahren hatte die Kommission eine nicht hinreichende Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14 gerügt. Keiner der von der Bundesrepublik Deutschland genannten Mechanismen biete dem Infrastrukturbetreiber Anreize, die mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten oder die Höhe der Zugangsentgelte zu beschränken. In der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV), die die Bundesrepublik Deutschland, die DB AG und deren Infrastrukturtöchter geschlossen haben, sei keine Bestimmung enthalten, die eine Senkung der Infrastrukturkosten und der Wegeentgelte vorsehe. Diese Rüge wurde vom Gerichtshof zurückgewiesen, der darauf hinweist, dass die Degressionseffekte der LuFV127 bzw. der feste jährliche Betrag bei gleichbleibendem Qualitätsstandard und Qualitätssicherungs- und Berichtspflichten eine hinreichende Anreizwirkung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG begründe128. Nach Ansicht des Gerichtshofes sind diese Effekte hinreichende „Anreize für den Betreiber der Infrastruktur, die Kosten und indirekt die Höhe der Entgelte zu senken“129. Der Gerichtshof trägt damit dem Umstand Rechnung, dass zwischen den Infrastrukturkosten und der Höhe der Wegeentgelte ein enger Zusammenhang besteht. Einer anreizbedingten Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten korrespondiert eine Reduzierung der von den Infrastrukturbetreibern eingesetzten Eigenmittel, wodurch im Ergebnis auch die Nutzer entlastet werden, weil nur die von den Infrastrukturbetreibern aufgewandten Eigenmittel über die Wegeentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen abgewälzt werden können130. Letztlich ist dies für den Gerichtshof aber nicht entscheidend, weil er Art. 6 125 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 89; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-627/10 – Kommission/Republik Slowenien, Rn. 70. 126 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland. 127 Zur Degressionswirkung der LuFV eingehend Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (948). 128 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 103 f. 129 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 105. 130 Vgl. aber Kühling, N&R 2013, 139 (144: Anreizhoffnung).

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B. Bestandsaufnahme

Richtlinie 2001/34/EG keine Verpflichtung zur doppelten Anreizsetzung entnimmt. Der Gerichtshof begründet dieses Ergebnis indes nicht mit Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG, wonach die Mitgliedstaaten zwischen den Steuerungsinstrumenten der Mehrjahresverträge und der hoheitlichen Anreizregulierung frei wählen können und nicht beide Instrumente gleichermaßen zur Anwendung kommen müssen131, sondern leitet dies direkt aus Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG ab132. Diese Regelung verlange nicht von den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Senkung sowohl der Fahrwegkosten als auch der Zugangsentgelte zu ergreifen. Die Vorschrift verpflichte nicht zur kumulativen Anreizsetzung; vielmehr genüge eine Anreizsetzung mit dem Ziel, entweder die Fahrwegkosten oder die Zugangsentgelte zu senken133. Zur Begründung verweist der Gerichtshof darauf, dass die Senkung der Zugangsentgelte zu Lasten des Staates gehen könne, der die Infrastruktur finanziere und regeln könne, dass Einnahmen und Ausgaben des Infrastrukturbetreibers ohne staatliche Mittel auszugleichen sind (vgl. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG)134. Der Gerichtshof trägt damit den Besonderheiten des Eisenbahnsektors Rechnung. Da die Mitgliedstaaten – im Gegensatz zu anderen Netzwirtschaften – (ganz überwiegend) die Eisenbahninfrastruktur finanzieren, können sie auch vorschreiben, dass die im Wege einer Anreizsetzung erzielten Effizienzvorteile ihnen zugutekommen. Wenn die Mitgliedstaaten sich dafür entscheiden können, dass die Infrastruktur ohne staatliche Mittel finanziert wird, müssen sie im Fall einer staatlichen Finanzierung selbstredend auch vorsehen können, dass mögliche Effizienzvorteile ausschließlich an den staatlichen (Haupt-)Financier zurückfließen. Eine Verpflichtung zur Senkung der Zugangsentgelte würde über Gebühr in die Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten eingreifen und dem Regelungskonzept der Richtlinie 2001/14/EG zuwiderlaufen, das die Entscheidung darüber, in welchem Umfang die Eisenbahninfrastruktur aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, in die Hände der Mitgliedstaaten legt135. Mit Bedacht hat der EU-Normgeber eine solche Regelung nicht getroffen. Auch im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Französische Republik hatte die Kommission geltend gemacht, dass Frankreich kein Anreizsystem im Sinne des Art. 6 Abs. 2 bis 5 Richtlinie 2001/14/EG eingeführt habe. Der Gerichtshof hat diese Rüge zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist die zwischen den Präsidenten und den Personalvertretern von RFF vereinbarte Erfolgsbeteiligung ein hinreichender Anreiz im Sinne des Art. 6 Abs. 2 bis 5 Richtlinie 2001/14/EG. Denn die Vereinbarung über die Erfolgsbeteiligung sieht vor, dass den Mitarbeitern bei entsprechender Verringerung der Kosten für die vollständige Erneuerung eines Gleiskilometers ein Bonus gewährt wird. Dieses Bonussystem setze dem Betreiber Anreize, die Kosten für die Fahrwegbereitstellung zu senken und mittelbar die 131 132 133 134 135

Vgl. zu diesem Begründungsansatz Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (948 f.). Vgl. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 106. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 107. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 108. Dies wird von Kühling, N&R 2013, 139 (144) übersehen.

V. Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene

51

Entgelte für den Zugang zur Infrastruktur herabzusetzen136. Auch hat die Argumentation der Kommission beim Gerichtshof kein Gehör gefunden, wonach Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG die Mitgliedstaaten verpflichte, Anreize zur Senkung der Zugangsentgelte unabhängig von den Anreizen zur Kostensenkung für die Fahrwegbereitstellung vorzusehen. Unter Hinweis auf das Urteil im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland weist der Gerichtshof abermals darauf hin, dass Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG nicht verlange, Anreize sowohl zur Senkung der Fahrwegkosten als auch zur Senkung der Zugangsentgelte zu setzen. Die Vorschrift verpflichte nicht zur kumulativen Anreizsetzung; vielmehr genügten Anreize zur Senkung entweder der Fahrwegkosten oder der Zugangsentgelte137. Zur Begründung verweist der Gerichtshof darauf, dass die Senkung der Zugangsentgelte zu Lasten des Staates gehen könne, der die Infrastruktur finanziere und regeln könne, dass Einnahmen und Ausgaben des Infrastrukturbetreibers ohne staatliche Mittel auszugleichen sind (vgl. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG)138. Demgegenüber hat der Gerichtshof in einer Reihe anderer Vertragsverletzungsverfahren dem Vortrag der Kommission stattgegeben. Im Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen hat der Gerichtshof beanstandet, dass Polen entgegen Art. 6 Abs. 2 bis 5 Richtlinie 2001/14/EG keine Regelung eingeführt habe, mit der Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte für die Nutzung der Fahrwege gesetzt würden. Denn die polnischen Rechtsvorschriften über den Eisenbahnverkehr erwähnten zwar als Ziel die Senkung der Kosten und der Nutzungsentgelte, legten aber keinen Anreizmechanismus fest, mit Hilfe dessen sich dieses Ziel erreichen ließe. Zudem fehlten die prozeduralen Regelungen über die Aufsichtsbefugnisse im Sinne des Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/ 14/EG139. Im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Tschechische Republik hat der Gerichtshof ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG gerügt140. Die staatliche Finanzierung des Betreibers der Infrastruktur reiche hierfür nicht aus. Sie trage zwar zur Senkung der Kosten der Fahrwegbereitstellung bei. Sie begründe aber keine Verpflichtung des Infrastrukturbetreibers, seinerseits hierzu einen Beitrag zu leisten141. Schließlich hat der Gerichtshof im Vertragsverfahren gegen Slowenien der Rüge der Kommission stattgegeben. Die Kommission hatte geltend gemacht, dass Slowenien seiner Verpflichtung zur Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 bis 5 Richtlinie 2001/14/EG nicht nachgekommen sei. Die nach Einleitung 136

EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/Frankreich, Rn. 76. EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/Frankreich, Rn. 83. 138 EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/Frankreich, Rn. 84 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 108. 139 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 55 ff. 140 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 50. 141 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 55. 137

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B. Bestandsaufnahme

des Vertragsverletzungsverfahrens von Slowenien vorgenommenen Änderungen im innerstaatlichen Recht waren verspätet und vom Gerichtshof nicht zu berücksichtigen, weil sie nach Ablauf der von der Kommission gesetzten Frist erfolgten142. f) Anreizregime zur Reduzierung von Störungen (Art. 11 Richtlinie 2001/14/EG) Teilweise bestätigte der Gerichtshof, dass die Pflicht zur Umsetzung des Art. 11 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG unzureichend erfüllt worden sei, wonach Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung durch leistungsabhängige Bestandteile den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten müssen143. Etwaige Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit vorsehen, Belangen der Verbesserung des Netzes und seiner Entwicklung Rechnung zu tragen, genügten für sich genommen noch nicht dem Erfordernis der tatsächlichen Einführung leistungsabhängiger Bestandteile144. g) Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben (Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) Schließlich hat sich Gerichtshof zu der in Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 91/440 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 verankerten Pflicht geäußert, einen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben des Betreibers der Infrastruktur vorzusehen145. Hierzu stellte er fest, dass eine unausgeglichene Gewinn- und Verlustrechnung für sich genommen für einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 und 4 Richtlinie 91/440/EWG nicht ausreiche146. Hierfür sei die Feststellung erforderlich, dass die Einnahmen und Ausgaben „unter normalen geschäftlichen Umständen“ und „über einen angemessenen Zeitraum“ nicht ausgeglichen sind. Es müssten daher (lediglich) Maßnahmen festgelegt werden, um rechtzeitig und unter normalen geschäftlichen Umständen das finanzielle Gleichgewicht des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten147. 142 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-627/10 – Kommission/Republik Slowenien, Rn. 51 ff., 59 ff. 143 EuGH, Urteil vom 08. 11. 2012, C-528/10 – Kommission/Hellenische Republik; Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 63 ff.; Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/ 10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 79 ff.; Urteil vom 11. 07. 2013, C-627/10 – Kommission/Republik Slowenien, Rn. 51, 59 ff. 144 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 63 ff. 145 EuGH, Urteil vom 25. 10. 2012, C-557/10 – Kommission/Portugal, Rn. 48; EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 35, 43. 146 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 35. 147 Das Vorliegen solcher Regelungen wurde bejaht für Polen, EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 43; verneint für Portugal, EuGH, Urteil vom 25. 10. 2012, C-557/10 – Kommission/Portugal, Rn. 48.

V. Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene

53

2. Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (sog. „Recast“-Richtlinie) Zeitlich weitgehend parallel zu den Vertragsverletzungsverfahren wurde an der Neufassung des Eisenbahnregulierungsrechts gearbeitet. Auf der Grundlage eines von der Kommission im Herbst 2010 vorgelegten Vorschlags148 wurde am 21. November 2012 die Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung bzw. „Recast“) verabschiedet und am 14. Dezember 2012 im Amtsblatt veröffentlicht149. Mit der Richtlinie werden die Richtlinien 91/440/EWG, 95/18/EG sowie die Richtlinie 2001/14/EG neu gefasst und zu einem einzigen Rechtsakt verschmolzen (Abs. 1 der Erwägungsgründe). Darüber hinaus enthält die Richtlinie neue Regelungen, die insbesondere die Themen Transparenz, Infrastrukturfinanzierung, Entgelte, Regulierung von Serviceeinrichtungen sowie Struktur und Kompetenzen der Regulierungsbehörden betreffen150. Die in den oben skizzierten Vertragsverletzungsverfahren maßgeblichen Regelungen sind in der neuen Richtlinie ebenfalls zu finden. Die Feststellungen des Gerichtshofs zu den früheren Bestimmungen des Ersten Eisenbahnpakets können daher grundsätzlich für die Auslegung der Bestimmungen der Recast-Richtlinie herangezogen werden. Da die neuen Vorschriften den bisherigen Normbestand in einigen Details konkretisieren bzw. ausführlicher regeln, bedarf es insoweit einer Ermittlung im Rahmen der historischen Auslegung, welche Aussagen des Gerichtshofs zur Interpretation der heute geltenden Bestimmungen heranzuziehen und welche ggf. durch die Rechtsentwicklung überholt sind. Welche Vorschriften der älteren Richtlinien an welcher Stelle der Richtlinie 2012/34/EU zu finden sind, stellt Anhang IX Teil B transparent dar. Der Recast folgt dabei insoweit einer etwas deutlicheren Systematik, als die Finanzierung der Infrastrukturunternehmen einerseits und die Finanzierung der Infrastruktur selbst andererseits in zwei unterschiedlichen Kapiteln bzw. Abschnitten geregelt sind. Erstere findet sich unter der Überschrift Finanzielle Sanierung in Art. 8 und 9 Richtlinie 2012/34/EU. Die maßgeblichen Anforderungen an die Entgeltregulierung sind hingegen in einem eigenen Abschnitt über Wege- und Dienstleistungsentgelte (Art. 29 ff. Richtlinie 2012/34/EU) geregelt. Daher befindet sich die vormals in Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG begründete Pflicht der Mitgliedstaaten, für einen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben zu sorgen, in Art. 8 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EG, während die vormals in Art. 6 Abs. 2 bis 5 Richtlinie 2001/14/EG verorteten Anforderungen an die Anreizregulierung nunmehr in Art. 30 Richtlinie 2012/34/EG geregelt sind. Auch die übrigen Anforderungen zur Entgeltregulierung finden sich in Art. 29 ff. Richtlinie 2012/34/EG. 148

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung) vom 17. 9. 2010, KOM(2010) 475. 149 ABl. L 343, 32 ff. 150 Überblick bei Lerche, N&R 2013, 27 ff.

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B. Bestandsaufnahme

Die Richtlinie ist am 15. Dezember 2012 in Kraft getreten und muss bis zum 16. Juni 2015 in nationales Recht umgesetzt werden. Zugleich werden mit ihrem Inkrafttreten die Richtlinien 91/440/EWG, 95/18/EG und 2001/14/EG in der Fassung der in Anhang IX Teil A aufgeführten Richtlinien aufgehoben. Somit besteht für die Zeit vom 15. Dezember 2012 bis zum 15. Juni 2015 scheinbar ein Zeitraum ohne umzusetzende unionsrechtliche Eisenbahnregulierung. Allerdings schränkt Art. 65 der Richtlinie 2012/34/EU die Aufhebung der genannten Richtlinien in ihrer Wirkung ein: Die Richtlinien werden „unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang IX Teil B genannten Fristen für die Umsetzung der dort genannten Richtlinien in nationales Recht“ aufgehoben. Die Umsetzungspflicht bleibt also ungeachtet der Tatsache bestehen, dass die umzusetzenden Richtlinien aufgehoben sind – eine bemerkenswerte Konstruktion, die allerdings angesichts der ohnehin nur noch kurzen Zeit bis zur Umsetzung der Richtlinie 2012/34/EU voraussichtlich ohne praktische Auswirkung bleiben dürfte.

VI. Finanzierung des Eisenbahnsektors Dass die verschiedenen Netzwirtschaften durch jeweils spezifische Eigenarten gekennzeichnet sind und dass sich infolgedessen vorschnelle Adaptionen der in einem Regelungssektor geltenden Prinzipien verbieten, ist eine zentrale Erkenntnis des Regulierungsrechts151. Die Modalitäten der Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur und der Eisenbahnverkehrsmärkte legen hierfür Zeugnis ab. Der Anteil der öffentlichen Mittel an der Eisenbahninfrastrukturfinanzierung und der Finanzierung einzelner Verkehrsmärkte (SPNV) findet in den anderen Netzwirtschaften keine Entsprechung. Ohne den Bund, der die Eisenbahninfrastrukturinvestitionen in Bezug auf alle Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu etwa 70 % trägt und den SPNV durch Regionalisierungsmittel zu etwa 60 % finanziert, wäre das Eisenbahnwesen in der heutigen Form undenkbar. Im regulierungsrechtlichen Zusammenhang wird diesen Besonderheiten oftmals nicht bzw. nicht hinreichend Rechnung getragen, wie etwa die Debatte über eine mögliche Implementierung der Anreizregulierung im Eisenbahnrecht belegt. Da der Bund ganz überwiegend die Infrastruktur finanziert, muss er auch beanspruchen dürfen, ganz oder überwiegend an möglichen Effizienzsteigerungen zu partizipieren. In der Debatte um die Anreizregulierung, die allein auf die Senkung der Zugangsentgelte zielt, wird diesem Aspekt zu wenig Beachtung geschenkt. Darüber hinaus wird nicht berücksichtigt, dass eine Anreizregulierung zwar vorübergehend zu geringeren Zugangsentgelten und damit zur Entlastung der Eisenbahnverkehrsunternehmen führen mag. Eine Effizienzsteigerung auf Seiten der Eisenbahninfrastrukturunternehmen muss damit jedoch keinesfalls einhergehen. Vielmehr wäre es – mit Blick auf die staatliche Beteiligung am Infrastrukturunter151 Vgl. Trute/Broemel, ZHR 170 [2006], 706 (708); Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 10.

VI. Finanzierung des Eisenbahnsektors

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nehmen und mit Blick auf die öffentliche Finanzierung des Eisenbahnsektors – keine allzu gewagte Prognose, dass ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen die durch eine Anreizregulierung bewirkten Mindereinnahmen nicht durch Kostensenkungen kompensieren kann, sondern etwa in Form einer Verminderung der Ergebnisabführung schlicht an den Bund als Eigentümer „weiterreichen“ muss und dieser seine Eisenbahninfrastrukturinvestitionen oder die Regionalisierungsmittel für den SPNV entsprechend kürzt. In einem solchen Szenario wäre weder der Eisenbahninfrastruktur, die mehr und nicht weniger Investitionen erfordert, noch den Interessen der Eisenbahnverkehrsunternehmen, insbesondere im Bereich des SPNV gedient. Diese möglichen Effekte einer Anreizregulierung zeigen also, dass sich Regulierungsinstrumente aus anderen Netzwirtschaften im Eisenbahnsektor als wenig zielführend erweisen können. Die Implementierung neuer Steuerungsinstrumente im Eisenbahnbereich setzt voraus, dass sie den Besonderheiten des Eisenbahnsektors, insbesondere seiner Finanzierung, Rechnung trägt. Deshalb soll im Folgenden ein Blick auf die Finanzierungsmodalitäten des Eisenbahnbereichs geworfen werden.

1. Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur Die Eisenbahninfrastruktur des Bundes wird in Deutschland seit der grundlegenden Bahn-(Verfassungs-)Reform im Jahr 1993 aus Haushaltsmitteln der öffentlichen Hand und aus Eigenmitteln der DB AG kofinanziert. Sowohl die erforderlichen Finanzmittel für den Neu- und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur als auch die notwendigen Investitionen in den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur werden neben der DB AG nicht nur vom Bund, sondern auch – wenngleich in geringerem Maße – von den Bundesländern und der Europäischen Union gemeinsam bereitgestellt152. Dieses System der Kofinanzierung findet seine Grundlage im EU-Recht. Bereits der Erwägungsgrund 70 Richtlinie 2012/34/EU beschreibt, dass als Finanzierungsquellen für die Eisenbahninfrastruktur lediglich die Benutzungsentgelte und öffentliche Mittel in Betracht kommen. In diesem Erwägungsgrund wird darauf verwiesen, dass das Gesamtniveau der Kostendeckung durch Wegeentgelte Auswirkungen auf den von der öffentlichen Hand zu erbringenden Beitrag hat. Und Art. 8 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die Gewinn- und Verlustrechnung eines Infrastrukturbetreibers unter normalen geschäftlichen Umständen und über einen angemessenen Zeitraum, der fünf Jahre nicht überschreitet, zumindest ausgeglichen ist. In welchem Umfang eine Kofinanzierung der Eisenbahninfrastruktur des Bundes durch den Bund und die DB AG erfolgt, hängt davon ab, ob Neu- und Ausbauprojekte oder der Erhalt vorhandener Eisenbahninfrastrukturanlagen finanziert werden. Neu- und Ausbauprojekte, die in dem dem Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSchWAG) als Anlage beigefügten Bedarfsplan für die Bundesschienenwege 152

Vgl. Übersicht in 20 Jahre Bahnreform und Deutsche Bahn AG, S. 62.

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B. Bestandsaufnahme

festgelegt sind, werden auf der Grundlage des BSchWAG ganz überwiegend vom Bund mit Baukostenzuschüssen (BKZ) und früher auch mit zinslosen Darlehen finanziert (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 BSchWAG). Der Bund stellt hierfür jährlich etwa 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung153. Die DB AG beteiligt sich an den Kosten für Neu- und Ausbauprojekte, soweit sie in ihrem unternehmerischen Interesse liegen154. Hat der Bund den Bau oder Ausbau von Schienenwegen einer Eisenbahn des Bundes auf Antrag und im Interesse dieser Eisenbahn in den Bedarfsplan aufgenommen, leistet diese Zahlungen an den Bund mindestens in Höhe der jährlichen Abschreibungen auf den vom Bund nach § 8 BSchWAG finanzierten Schienenweg (§ 10 Abs. 1 BSchWAG). Diese Form der Gewährung von (zinslosen) Darlehen des Bundes an die EIU ist jedoch in der Praxis seit einigen Jahren nicht mehr zur Anwendung gekommen. Für Ersatzinvestitionen in das Bestandsnetz und in die sonstige Infrastruktur (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 BSchWAG), die dem Erhalt der Schienenwege und der sonstigen Betriebsanlagen der DB AG (vgl. § 2 Abs. 3 AEG) dienen, leistet der Bund nach der zwischen ihm und der DB AG (sowie deren Tochtergesellschaften) geschlossenen sog. Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV)155 einen jährlichen Infrastrukturbeitrag von 2,5 Milliarden Euro (§ 2 Abs. 2.1 LuFV). Davon entfallen 2,2 Milliarden Euro auf die DB Netz AG, 250 Millionen Euro auf DB Station&Service AG und 50 Millionen Euro auf die DB Energie GmbH (§ 2 Abs. 2.1 LuFV). Für bis zu 10 % des Infrastrukturbeitrags, also bis zu 250 Millionen Euro, können unter Berücksichtigung von Mindestbeiträgen156 die Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine anderweitige Aufteilung vereinbaren, wobei die Verpflichtung zur Einhaltung der in der LuFV vorgegebenen Qualitätsziele hiervon unberührt bleibt (§ 2 Abs. 2.1 LuFV)157. Im Gegenzug sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes verpflichtet, für die Erhaltung und Modernisierung des Bestandnetzes Eigenmittel in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro einzusetzen (§ 8 Abs. 8.2 LuFV). Die LuFV wurde am 14. Januar 2009 unterzeichnet und galt mit einer Laufzeit von 5 Jahren von 2009 bis Ende 2013. Im September 2013 wurde von den Vertragsparteien vereinbart, die Laufzeit der LuFV um zwei Jahre bis 2015 zu verlängern. Zusätzlich zu den 2,5 Milliarden Euro stellt der Bund der DB AG für die Jahre 2013 und 2014 jeweils 250 Millionen Euro für den Erhalt und die Sanierung der Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung. Die Finanzmittel werden u. a. für notwendige Maßnahmen wie die Barrierefreiheit von Bahnhöfen sowie die Sanierung von Ei-

153 Vgl. BMVBS, Investitionsrahmenplan 2011 – 2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes (IRP), Stand 15. März 2012, S. 13. 154 Vgl. hierzu näher Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2011, S. 30. 155 Zur LuFV vgl. Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (945 f.). 156 DB Station&Service AG mindestens 180 Millionen Euro pro Kalenderjahr, DB Energie GmbH mindestens 40 Millionen Euro pro Kalenderjahr. 157 Zu den Qualitätsstandards der LuFV und ihren Kontroll- und Sanktionsmechanismen vgl. Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (946 f.).

VI. Finanzierung des Eisenbahnsektors

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senbahnbrücken verwendet. Die zusätzlichen Mittel werden aus nicht in Anspruch genommenen Investitionssummen für Neubauprojekte umgeschichtet158. Die Kosten des laufenden Betriebs (Unterhaltung) und der Instandsetzung der Eisenbahninfrastruktur werden vollständig aus Eigenmitteln der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes finanziert (vgl. § 8 Abs. 4 BSchWAG), die zusätzlich zu den mit eigenen Mitteln finanzierten Investitionen im Verkehrsbereich erwirtschaftet werden müssen. Die Nutzer entrichten ihren Beitrag zur Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur mit Trassen- und Bahnhofsbenutzungsentgelten sowie mit Entgelten für Strom und Diesel159. Im Rahmen der LuFV haben sich die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes verpflichtet, während der Vertragslaufzeit zweckgebunden für die Instandhaltung der Schienenwege eigene Finanzmittel in der erforderlichen Höhe für die Erreichung der vereinbarten Qualität bereitzustellen und einzusetzen. Dabei werden sie die Einsparungspotentiale nutzen, die sich aus Effizienzsteigerungen, z. B. durch verbesserte Arbeitsabläufe, ergeben. Der Instandhaltungsbeitrag beläuft sich mindestens auf einen Betrag zwischen 1,25 Milliarden Euro und 1,0 Milliarden Euro („Mindestinstandhaltungsbeitrag“). Dabei gilt als Ausgangspunkt der für 2009 geltende Mindestinstandhaltungsbeitrag in Höhe von 1,25 Milliarden Euro. Die vertraglich vereinbarten Effizienzsteigerungen sollen ermöglichen, dass im Jahr 2013 die vereinbarte Netzqualität (§ 4 LuFV) mit einem Mindestinstandhaltungsbeitrag in Höhe von 1,0 Milliarden Euro erreicht wird. Von den zwischen 1994 und 2012 für den Erhalt sowie den Neu- und Ausbau von Eisenbahninfrastruktur getätigten Investitionen von rund 100,8 Milliarden Euro wurden 18,2 Milliarden Euro – d. h. knapp 1 Milliarde Euro pro Jahr – unmittelbar von der DB mit Eigenmitteln aufgebracht. Außerdem hat die DB AG zinslose Darlehen getilgt bzw. zurückgezahlt, so dass in Summe damit 30,7 Milliarden Euro von der DB AG eigenfinanziert wurden.160. Neben den Mitteln für den Neu- und Ausbau sowie den Bestand erhalten die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes Mittel aus Sonderprogrammen des Bundeshaushalts, z. B. für die Lärmsanierung und Seehafenhinterlandverkehre, sowie Mittel aus den sog. Konjunkturpaketen I und II und Zuschüsse für Investitionen durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) des Bundes auf der Grundlage des VIFGG161. Weitere Mittel zur Verbesserung der Verkehrs158 http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2013/201-ramsauer-leis tungs-und-finanzierungsvereinbarung.html (Stand: April 2014). 159 DB Mobility Networks Logistics, Die Finanzierung der Eisenbahn des Bundes, Positionspapier, November 2012, S. 3. 160 Vgl. Deutsche Bahn AG, Bausteine und Bilanz der Bahnreform – Positionspapier November 2013, S. 9. 161 Gesetz zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen (Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaftsgesetz) vom 28. Juni 2003 (BGBl. I S. 1050), das durch Artikel 283 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist.

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B. Bestandsaufnahme

verhältnisse in den Gemeinden werden derzeit noch auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) gewährt. Diese Gelder werden zu einem erheblichen Teil für die Finanzierung von Bahnhofprojekten eingesetzt. Art. 125c Abs. 2 Satz 2 GG sieht vor, dass die GVFG-Finanzierung Ende 2019 ausläuft. Gleichwohl hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Fortführung des GVFG-Bundesprogramms vorgelegt162, der von der Bundesregierung abgelehnt wurde163. Hinzu kommen Landesmittel, die für den Neu- und Ausbau der Schienenwege des Bundes im Rahmen der Kofinanzierung nach dem BSchWAG oder zum Zweck der Finanzierung von Personenbahnhöfen eingesetzt werden.

2. Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) Die dem Bund nach Art. 87e Abs. 4 GG obliegende Gewährleistungsverantwortung bezieht sich allein auf das Schienennetz der Eisenbahnen des Bundes und deren Verkehrsangebote auf diesem Schienennetz, nicht hingegen auf den SPNV164. Kraft der Übergangsvorschrift des Art. 143a Abs. 3 Satz 1 GG war die Erfüllung der Aufgaben im Bereich des SPNV nur bis zum 31. Dezember 1995 Sache des Bundes. Seit dem 1. Januar 1996 unterfällt der SPNV der Verantwortlichkeit der Länder. Die politisch umstrittene Frage, wer die Kosten des SPNV zu tragen hat, wurde mit Art. 106a Satz 1 GG dahin beantwortet, dass den Ländern zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs ein Beitrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zusteht. Das Nähere ist in einem Bundesgesetz zu regeln, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf (Art. 106a Satz 2 GG). Dieser Verpflichtung ist der Bund durch das Regionalisierungsgesetz (RegG165) nachgekommen. Gemäß § 5 Abs. 1 RegG stellt der Bund aus seinem Mineralölsteueraufkommen den Ländern Mittel für den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung. Nach § 6 RegG sind die Mittel „insbesondere“ für den SPNV zu verwenden. Gemäß einer Auskunft der Bundesregierung vom 8. April 2011 haben die Bundesländer in den Jahren 2009 und 2010 die Regionalisierungsmittel zu etwa 65 % für die Bestellung von SPNV-Leistungen und zu etwa 20 % für Verwaltung, Marketing und investive sowie sonstige auf den ÖPNV bezogene Zwecke eingesetzt166. Die aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes stammenden Regionalisierungsmittel werden nach einem vorab festgelegten Schlüssel unter den Bundes162 Gesetzentwurf des Bundesrates Entwurf eines Gesetzes zur Fortführung des GVFGBundesprogramms, BT-Drs. 17/13970, S. 1 ff. 163 BT-Drs. 17/13970, S. 9. 164 Vgl. statt vieler Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 67. 165 Regionalisierungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2395), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 14. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2598) geändert worden ist. 166 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Sabine Leidig, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE – BT-Drs. 17/5070, BT-Drs. 17/5459.

VI. Finanzierung des Eisenbahnsektors

59

ländern aufgeteilt (vgl. § 5 Abs. 3 RegG). Zu Beginn der Regionalisierung im Jahr 1996 erhielten die Bundesländer 8,7 Milliarden Deutsche Mark, umgerechnet ca. 4,45 Milliarden Euro. 2008 standen 6,675 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel zur Verfügung (vgl. § 5 Abs. 1 RegG), die bis 2014 um jährlich 1,5 Prozent steigen (vgl. § 5 Abs. 2 RegG). Somit wird der Bund den Ländern im Jahr 2014 Regionalisierungsmittel in Höhe von etwa 7,3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen167. In demselben Jahr soll die Höhe der Regionalisierungsmittel ab 2015 neu verhandelt werden. Neben den Regionalisierungsmitteln dienen die Fahrgelderlöse als weitere Finanzierungsquelle des SPNV. Die Bestellerentgelte tragen zu 60 % und die Fahrgelderlöse zu 40 % die Gesamtkosten des SPNV168. Von 1996 bis 2012 ist die Beförderungsleistung im SPNV von 36,1 Milliarden Personenkilometer auf 51,3 Milliarden Personenkilometer gestiegen. In demselben Zeitraum sind inflationsbereinigt die für den SPNV zur Verfügung stehenden Regionalisierungsmittel von 6,0 Milliarden Euro auf 5,7 Milliarden Euro gesunken. Im Jahr 2012 wurden also 142 % Verkehrsleistung von 1996 mit 94 % der 1996 zur Verfügung stehenden Mittel erreicht. Im Zeitraum von 1996 bis 2012 ist mithin die Effizienz des SPNV um 51 % gestiegen169.

167

Vgl. BT-Drs. 18/537, S. 2. Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 172; Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2011, S. 29; DB Mobility Networks Logistics, Die Finanzierung der Eisenbahn des Bundes, Positionspapier, November 2012, S. 5. 169 DB Mobility Networks Logistics, Die Finanzierung der Eisenbahn des Bundes, Positionspapier, November 2012, S. 6. 168

C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU und Umsetzungserfordernisse Die am 15. Dezember 2012 in Kraft getretene Richtlinie 2012/34/EU über die Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (sog. „Recast“-Richtlinie)170 bildet den vorläufigen Abschluss der EU-Regulierungspolitik im Eisenbahnsektor. Zwar sind neuerliche Änderungen des unionsrechtlichen Rahmens, dessen Entwicklung sich nicht durch mangelnde Dynamik auszeichnet, bereits absehbar. Kaum war die Richtlinie 2012/34/EU „in trockenen Tüchern“ und im Amtsblatt der Union verkündet, hat die Kommission im Rahmen des sogenannten Vierten Eisenbahnpakets bereits einen Vorschlag zur Änderung dieser Richtlinie vorgelegt171. Gleichwohl muss nun zunächst die Richtlinie 2012/34/EU in nationales Recht umgesetzt werden. Die Umsetzungsfrist endet am 16. Juni 2015. Der Richtlinie 2012/34/EU ging ein längerer Diskussions- und Konsultationsprozess voraus172. Bereits im Jahr 2006 legte die Kommission einen Bericht zur Umsetzung des Ersten Eisenbahnpakets aus dem Jahr 2001 vor173. Darin stellte sie aus ihrer Sicht erhebliche Defizite bei der Umsetzung des Richtlinienpakets fest, was zu einer Welle von Vertragsverletzungsverfahren gegen zunächst 24 Mitgliedstaaten führte174. Aus diesem Grund setzte sich die Kommission in ihrem Arbeitsprogramm für das Jahr 2008 das Ziel, die Richtlinie aus dem Ersten Eisenbahnpaket neu zu regeln175. Am 17. September 2010 legte die Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neu170

Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums vom 21. 11. 2012 (ABl. L 343/32 vom 12. 12. 2012, S. 1); vgl. hierzu bereits oben unter B. V. 2., S. 53 f. 171 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums bezüglich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste und der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur vom 30. 01. 2013 (KOM(2013) 29 endg.). 172 Vgl. hierzu Lerche, N&R 2013, 27 ff. 173 Kommission, Bericht über die Durchführung des ersten Eisenbahnpakets (KOM(2006) 189 endg.). 174 Nur die Niederlande, Malta und Zypern blieben von Vertragsverletzungsverfahren verschont, wobei Malta und Zypern über keine Eisenbahnen verfügen, vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (28, Fn. 7). 175 Kommission, Mitteilung „Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission 2008“, KOM(2007) 640 endg., S. 45 f. (Anhang 2).

C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

61

fassung) vor176. Nach Ansicht der Kommission ist die „Schaffung eines echten Binnenmarkts“ „für die Neubelebung des Eisenbahnsektors von grundlegender Bedeutung“177. Zu diesem Zweck schlägt sie eine Reihe von Neuregelungen vor, die von der angemessenen Infrastrukturfinanzierung und den Wegeentgelten über die Wettbewerbsbedingungen auf den Eisenbahnmärkten bis hin zu organisatorischen Reformen reichen, die zur Sicherstellung einer angemessenen Marktaufsicht notwendig sind178. In dem über zwei Jahre währenden Gesetzgebungsverfahren179 hat der Kommissionsvorschlag mehrere Änderungen erfahren. Am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt am 14. Dezember 2012 ist die Richtlinie 2012/34/EU gemäß Art. 66 in Kraft getreten. Die Eisenbahnrahmenrichtlinie 91/440/EWG, die Eisenbahngenehmigungsrichtlinie 95/18/EG und die Eisenbahnzugangsrichtlinie 2001/14/EG wurden gemäß Art. 65 Richtlinie 2012/34/EU aufgehoben. Nach Art. 64 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richtlinie bis zum 16. Juni 2015 umzusetzen. Einzelne Maßnahmen müssen bzw. können bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen werden. Die Richtlinie 2012/34/EU ermächtigt die Kommission im Hinblick auf zahlreiche Regelungsgegenstände zum Erlass konkretisierender Maßnahmen, teils im Wege von delegierten Rechtsakten nach Art. 60 Richtlinie 2012/34/EU, teils im Wege von Durchführungsrechtsakten nach Art. 62 Richtlinie 2012/34/EU180. Im gegebenen Zusammenhang geht es allein um die die Entgeltregulierung betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2012/34/EU181. Zunächst ist zu klären, was den Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung bildet. Ob im Rahmen der Entgeltregulierung die Kosten der gesamten Infrastruktur oder die Kosten von Bestandteilen derselben (einzelne Trassen/einzelne Serviceleistungen etc.) heranzuziehen sind, ist von erheblicher Bedeutung. Die präzise Bestimmung des Bezugsgegenstandes erweist sich nicht nur für die Eisenbahnentgeltregulierung, sondern auch für weitere Problemfelder als Schlüsselfrage; das gilt insbesondere für das Problem, ob neben dem Regime der Eisenbahnentgeltregulierung noch Raum für eine Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB ist. Deshalb wird dieser Problemkreis zunächst betrachtet [siehe I.]. 176 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), KOM(2010) 475 endg. (BR-Drs. 564/10). 177 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), KOM(2010) 475 endg., Nr. 2.1. (BR-Drs. 564/10, S. 4). 178 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), KOM(2010) 475 endg., Nr. 2.3. (BR-Drs. 564/10, S. 5 f.). 179 Vgl. hierzu Lerche, N&R 2013, 27 (28 f.). 180 Lerche, N&R 2013, 27 (29). 181 Eine umfassende Darstellung sämtlicher Regelungsgegenstände der Richtlinie 2012/34/ EU und des hieraus erwachsenden Umsetzungsbedarfs findet sich bei Lerche, N&R 2013, 27 (29 ff.).

62

C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

Für die Maßstäbe der Entgeltregulierung ergeben sich aus der Richtlinie 2012/34/ EU gegenüber der (Vorgänger-)Richtlinie 2001/14/EG keine grundlegenden Änderungen. Die Struktur der bisherigen Entgeltregulierung bleibt durch die Richtlinie 2012/34/EU unberührt. Die Richtlinie 2012/34/EU dient der Fortschreibung und Konkretisierung der bereits nach der bisherigen Rechtslage geltenden Strukturprinzipien der Entgeltregulierung. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage differenziert die Richtlinie 2012/34/EU im Hinblick auf die Entgeltregulierung zwischen den Fahrwegnutzungsentgelten einerseits [siehe II.] und den Entgelten für die Nutzung von Service-, Zusatz- und Nebenleistungen andererseits [siehe III.]. Der den Eisenbahnsektor prägende (Ziel-)Konflikt, ob sich die Entgelte für den Zugang zu Fahrwegen an den (niedrigen) unmittelbar zugbetriebsbedingten (Direkt- bzw. Grenz-)Kosten oder an den (höheren) Vollkosten der Eisenbahninfrastruktur zu orientieren haben, liegt – in Fortschreibung der bisherigen Rechtslage – auch der Richtlinie 2012/34/EU zugrunde, ohne dass die Richtlinie diesen Zielkonflikt löst. Vielmehr wird durch die Richtlinie 2012/34/EU wiederum nur ein durch eine Unterund eine Obergrenze abgesteckter Rahmen gesetzt, innerhalb dessen sich die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihres Entgeltregulierungssystems grundsätzlich frei entscheiden dürfen. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage beruht auch die Richtlinie 2012/34/EU nicht auf einem „Baukasten-“ oder Stufensystem. Entsprechende Darlegungs- und Begründungspflichten für Aufschläge auf die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (Direkt- oder Grenzkosten) bestehen nur für diejenigen Mitgliedstaaten, die sich in Wahrnehmung des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums für das Grenzkostenprinzip als Grundlage der Berechnung und Festsetzung der Benutzungsentgelte entschieden haben [siehe II. 1.]. Ergänzungen bzw. Präzisierungen nimmt die Richtlinie 2012/34/EU hingegen zu den Regulierungsgegenständen der Anreizsetzung und der Angemessenheit des Gewinnes vor. Im Gegensatz zur Richtlinie 2001/14/EG schreibt die Richtlinie 2012/ 34/EU eine vertragliche (Finanzierungs-)Vereinbarung mit entsprechender Anreizsetzung obligatorisch vor, während aufsichtsrechtliche Maßnahmen (etwa eine hoheitliche Anreizregulierung) nur fakultativ vorgesehen sind [siehe II. 2.]. Die Grenzen des den Mitgliedstaaten bzw. dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums bleiben erhalten, wenngleich die Maßstäbe („Regulierungsgrundsätze“) teilweise konkretisiert und teilweise erweitert werden. Für die fakultativen (Knappheits- und Umwelt-)Aufschläge ergeben sich keine Änderungen. Demgegenüber wird der Kreis der obligatorischen Vorgaben erweitert. Neben die bereits bislang erforderliche Anreizsetzung zur Verringerung von Störungen und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes (Performance Regime) tritt die Verpflichtung, Anreize zur Ausstattung der Züge mit dem europäischen Eisenbahnverkehrssystem (ETCS) zu setzen [siehe II. 3. a)]. Erweiterungen und Konkretisierungen sieht die Richtlinie 2012/34/EU im Hinblick auf den Marktausschlusstest vor [siehe II. 3. b)]. Auch die Vorschriften für Serviceeinrichtungen sowie für Zusatz- und Nebenleistungen enthalten Änderungen. Insbesondere wird der Begriff „angemessener Gewinn“ in der Legaldefinition des

I. Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung

63

Art. 3 Nr. 17 Richtlinie 2012/34/EU in Bezug auf Betreiber von Serviceeinrichtungen näher umschrieben. Die Legaldefinition trägt jedoch eher zur Verwirrung denn zur Klärung der Angemessenheit des Gewinns bei [siehe III. 2.] Am Ende dieses Abschnitts werden die zentralen Änderungen im Richtlinienrecht und der sich hieraus ergebende Umsetzungsbedarf zusammengefasst [siehe IV.].

I. Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung Ebenso wie in anderen Netzwirtschaften stellt sich im Eisenbahnsektor die Frage, was den Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung bildet. Erst wenn diese Frage geklärt ist, lassen sich die für die Entgeltregulierung relevanten Maßstäbe bestimmen. Es ist zwischen dem Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung und den Entgeltregulierungsmaßstäben zu unterscheiden. Die Frage nach den Entgeltregulierungsmaßstäben ist der nach dem Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung logisch nachgeordnet. Die Bestimmung des Bezugsgegenstandes der Entgeltregulierung bereitet im Eisenbahnsektor Schwierigkeiten und hat erhebliche Auswirkungen auf die Effektivität der Regulierung: Je kleinteiliger der Bezugsgegenstand ist, desto komplexer gestalten sich die Anforderungen an die Regulierung. Der wachsenden Komplexität korrespondiert regelmäßig ein entsprechender Verlust an Regulierungseffektivität. Umgekehrt nimmt die Effektivität der Regulierung zu, je umfassender die Spezifizierung des Bezugsgegenstandes ausfällt. Die Festlegung des Bezugsgegenstandes ist von zentraler Bedeutung für eine Reihe von Kriterien der Entgeltregulierung: ¢ für die Bestimmung der (Voll-)Kosten (Maximalgrenze) und der Kosten der unmittelbaren Zugfahrt (Minimalgrenze); ¢ für die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Als Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung im Bereich des Schienennetzes kommt in Betracht: ¢ die einzelne Zugtrasse, also derjenige Teil der Schienenwegkapazität (§ 2 Nr. 2 EIBV) eines Betreibers der Schienenwege, der erforderlich ist, damit ein Zug zu einer bestimmten Zeit zwischen zwei Orten verkehren kann; ¢ einzelne Gruppen von Zugtrassen im o.g. Sinne; ¢ die einzelne Strecke, also ein bestimmter Teil des Schienenweges (vgl. § 2 Nr. 2 EIBV); ¢ ein Streckenabschnitt, also ein bestimmter Teil einer Strecke im o.g. Sinne; ¢ einzelne Gruppen von Strecken oder Streckenabschnitten; ¢ Teilnetze, also ein Teil der Gesamtheit der Schienenwege;

64

C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

¢ das (gesamte) Netz, also die Gesamtheit der Schienenwege eines Betreibers (vgl. § 2 Nr. 7 EIBV); ¢ der jeweilige sachlich und räumlich relevante Markt182. Als Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung im Bereich der Serviceeinrichtungen kommt in Betracht: ¢ die einzelne Serviceeinrichtung (vgl. § 2 Abs. 3c AEG); ¢ Gruppen von Serviceeinrichtungen; ¢ die Gesamtheit der Serviceeinrichtungen; ¢ der jeweilige sachlich und räumlich relevante Markt. In anderen Netzwirtschaften ist anerkannt, dass sich die Entgeltregulierung nicht auf einzelne Teile, sondern auf größere Einheiten bezieht. So erstreckt sich etwa im Bereich der Telekommunikation, im Strom- und Gassektor oder bei den – über öffentlich-rechtliche (Maut-)Gebühren (teil-)finanzierten – Bundesautobahnen die Entgeltregulierung nicht auf einzelne, konkrete Anlagen oder Anlagengruppen, sondern auf das Gesamtnetz (Telekommunikation, Bundesautobahnen) bzw. auf Teilnetze, die etwa nach Spannungsebenen (Stromsektor) oder nach ihrer Zweckbestimmung (Gasfernleitung oder Regionalverteilung) abgegrenzt werden. Sinn und Zweck dieser Anknüpfung ist in allen Fällen zu verhindern, dass einzelrelationsbezogene Auslastungsgrade sowie punktuell anfallende Kosten für den Bau und die Unterhaltung der Infrastruktur zu unterschiedlichen Zugangsentgelten führen. Statt dessen wird über den jeweiligen Bezugsgegenstand hinweg eine Mischkalkulation vorgenommen, die gewährleistet, dass in größeren sachlichen oder räumlichen Zusammenhängen einheitliche Zugangsbedingungen und damit verlässliche Rahmenbedingungen für den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt bestehen. Die Anknüpfung der Entgeltregulierung an größere Bezugsgegenstände ist für das Recht anderer Netzwirtschaften prägend183.

1. Direktive des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU: „Gesamtes Netz“ als Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung Auch das Eisenbahnrecht folgt diesem Leitprinzip und bestimmt das Gesamtnetz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz als Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung. Während im nationalen Recht eine ausdrückliche Regelung dieser Frage fehlt, ergibt 182 Insbesondere die Bestimmung des räumlich relevanten Marktes wirft erhebliche Probleme auf; vgl. OLG Düsseldorf, Az. U 20/02, Urteil vom 19. 03. 2003, S. 7, und OLG Frankfurt/Main, Az. 11 U 46/05, Urteil vom 10. 10. 2006, S. 8, die in räumlicher Hinsicht das gesamte Bundesgebiet und in sachlicher Hinsicht die Nutzungsüberlassung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen zur Durchführung von Eisenbahnverkehren als relevanten Markt im Sinne des GWB ansehen; umfassend hierzu wik-Consult, Zur Frage einer Marktbeherrschung durch die Deutsche Bahn AG, S. 7 ff. 183 Vgl. hierzu ausführlich Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 15 ff.

I. Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung

65

sich aus dem EU-Eisenbahnrecht deutlich, dass die Entgelte für die Benutzung von Trassen aus den Kosten des gesamten Schienennetzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zu berechnen sind184. Aus Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU185 folgt, dass grundsätzlich „das gesamte Netz“ den Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen bildet186. Die Richtlinie 2012/34/EU sieht hiervon nur zwei Ausnahmen vor: den ersten Ausnahmetatbestand bildet Art. 32 Abs. 3 und den zweiten (obgleich in Art. 29 Abs. 2 nicht ausdrücklich genannt) begründet Art. 33 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU. Nach Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU tragen die Infrastrukturbetreiber187 dafür Sorge, dass die Entgeltregelung in ihrem gesamten Netz auf denselben Grundsätzen beruht. Diese Regelung betrifft allein den Bereich der „Eisenbahninfrastruktur“, d. h. die Schienenwege, nicht aber die Serviceeinrichtungen. Die Richtlinie 2012/34/EU differenziert zwischen Infrastruktur und Serviceeinrichtungen. Nach der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 3 Richtlinie zählen zur Eisenbahninfrastruktur nur die in Anlage I der Richtlinie aufgeführten Anlagen, wozu lediglich Schienenwege und hierauf funktional bezogene Anlagen gehören, nicht aber Serviceeinrichtungen im Sinne des Art. 3 Nr. 11 in Verbindung mit Anlage II Nr. 2 bis 4 Richtlinie 2012/34/EU. Dementsprechend ist gem. Art. 3 Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU ein Infrastrukturbetreiber jede Stelle oder jedes Unternehmen, die bzw. das für die Einrichtung, Verwaltung und Unterhaltung der Fahrwege der Eisenbahn, einschließlich Verkehrsmanagement, Zugsteuerung/Zugsicherung und Signalgebung zuständig ist. Das Netz bzw. Schienennetz ist nach Art. 3 Nr. 25 Richtlinie 2012/34/EU die gesamte Eisenbahninfrastruktur, die von einem Infrastrukturbetreiber verwaltet wird. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU bestimmt ausdrücklich, dass die Entgeltregelung der Infrastrukturbetreiber in „ihrem gesamten Netz“ auf denselben Grundsätzen beruht. Bezugsgegenstand für die Kostenberechnung bzw. für die Festlegung der Trassenpreise ist dem Wortlaut nach das „gesamte Netz“. Allerdings untersagt die Vorschrift nicht, dass ein Infrastrukturbetreiber, der in einem Mitgliedstaat ein flächendeckendes Netz betreibt, bei der Ausgestaltung des Systems der Nutzungsentgelte zwischen größeren Teilnetzen differenziert. Hierfür lassen sich zwei Argumente nennen. Zum einen könnte der Infrastrukturbetreiber den Betrieb der entsprechenden Teilnetze ausgliedern und hiermit (regionale) Infrastrukturtöchter betrauen, die innerhalb ihres „gesamten Netzes“ Benutzungsentgelte festlegen könnten, welche sich von denen anderer (regionaler) Infrastrukturtöchter 184

Der Gesamt- bzw. Teilnetzbezug der Entgeltregulierung hindert Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht daran, im Rahmen ihres durch Art. 4, 31, 32 Richtlinie 2012/34/EU eingeräumten Gestaltungsspielraumes unterhalb dieser Ebene sachgerechte Differenzierungen vorzunehmen, die beispielsweise die Bildung von Streckenkategorien umfassen. 185 Vgl. bereits Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2001/14/EG. 186 Vgl. auch Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 467, siehe auch Rn. 496. 187 Zum Begriff des Infrastrukturbetreibers vgl. die Legaldefinition des Art. 3 Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU.

66

C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

unterscheiden, ohne dass eine solche Differenzierung gegen Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU verstieße. Aus diesem Grund muss eine solche Ausdifferenzierung auch zulässig sein, wenn ein Infrastrukturbetreiber auf eine solche (regionale) Ausgliederung verzichtet und ein flächendeckendes Netz betreibt. Zum anderen streitet für die Zulässigkeit eines Systems unterschiedlicher Nutzungsentgelte die Funktion des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU. Wie noch gezeigt wird, soll den Infrastrukturbetreibern durch Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU ein System der Mischfinanzierung der Eisenbahninfrastruktur ermöglicht werden, das auf ein flächendeckendes Angebot an die Netznutzer zu netzweit auf denselben Grundsätzen beruhenden Entgelten zielt. Dies schließt die Erhebung unterschiedlicher Nutzungsentgelte in einzelnen größeren Teilnetzen nicht aus, solange insgesamt am System der Mischfinanzierung des gesamten Netzes festgehalten wird. Eine zwischen einzelnen Teilnetzen unterscheidende Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen durch einen flächendeckenden Infrastrukturbetreiber ist von dem Begriff des „gesamten Netzes“ im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU gedeckt. Demgegenüber wäre eine „kleinteilige“, etwa an bestimmte Infrastrukturen anknüpfende Entgeltdifferenzierung unzulässig, wie sich bereits aus dem Umkehrschluss der Ausnahmetatbestände des Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU („spezifische Investitionsvorhaben“) sowie Art. 33 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU („bestimmter Fahrwegabschnitt“) ergibt. Entscheidend ist, dass ein gemessen am Ausmaß des Gesamtnetzes hinreichend großes Teilnetz den Bezugsgegenstand der Entgelterhebung bildet. Von dem Grundsatz, dass die Entgelte für die Benutzung der Infrastruktur aus den Kosten des gesamten Netzes bzw. hinreichend großer Teilnetze zu berechnen sind, sieht die Richtlinie 2012/34/EU zwei Ausnahmen vor, die wiederum die Regel im Sinne des Art. 29 Abs. 2 2012/34/EU bestätigen, dass grundsätzlich das „gesamte Netz“ bzw. ein hinreichend großes Teilnetz den Bezugsgegenstand für die Bestimmung der Trassenpreise bildet. Der erste Ausnahmetatbestand findet durch die Verweisung auf Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU in Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU ausdrücklich Erwähnung. Nach Art. 32 Abs. 3 Satz 1 Richtlinie 2012/ 34/EU darf ein Infrastrukturbetreiber im Fall von künftigen spezifischen Investitionsvorhaben oder von spezifischen Investitionsvorhaben, die nach 1988 abgeschlossen wurden, aufgrund der langfristigen Kosten dieser Vorhaben höhere Entgelte festlegen oder beibehalten, wenn die Vorhaben eine Steigerung der Effizienz oder der Kostenwirksamkeit oder beides bewirken und sonst nicht durchgeführt werden könnten oder durchgeführt worden wären. Eine solche Entgeltregelung kann auch Vereinbarungen zur Aufteilung des mit neuen Investitionen verbundenen Risikos einschließen. In Abweichung von dem in Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU geregelten Grundsatz, wonach prinzipiell die Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes Grundlage für die Bildung der Trassenpreise sind, können nach Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU die bei spezifischen Investitionsvorhaben entstandenen bzw. entstehenden besonderen Kosten in die Kostenberechnung miteinfließen, wenn anderenfalls entsprechende Investitionsvorhaben

I. Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung

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nicht durchgeführt worden wären bzw. nicht durchgeführt würden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in allen anderen Fällen, in denen es also nicht um spezifische Investitionsvorhaben geht, eine auf bestimmte Infrastrukturen bezogene Kostenüberwälzung nicht zulässig ist. Den Bezugsgegenstand für die Festsetzung der Trassenpreise durch einen Infrastrukturbetreiber bilden die Kosten des „gesamten Netzes“ bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU. Obgleich Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU keine entsprechende Verweisung enthält, bildet – neben dem in dieser Vorschrift ausdrücklich erwähnten Ausnahmegrund des Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU – Art. 33 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU einen weiteren Ausnahmetatbestand. Nach Art. 33 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU können Infrastrukturbetreiber für im Einzelnen angegebene Verkehrsströme Entgeltregelungen einführen, die für alle Fahrwegenutzer zur Verfügung stehen und in deren Rahmen zeitlich begrenzte Nachlässe zur Förderung der Entwicklung neuer Eisenbahnverkehrsdienste oder Nachlässe zur Förderung der Benutzung von Strecken mit sehr niedrigem Auslastungsgrad gewährt werden. Art. 33 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU stellt klar, dass sich solche Preisnachlässe nur auf bestimmte Fahrwegabschnitte beziehen dürfen, womit zugleich der Ausnahmecharakter des Art. 33 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU bekräftigt wird. Beide Ausnahmetatbestände räumen den Infrastrukturbetreibern Gestaltungsspielraum ein (vgl. Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU: „darf“; Art. 33 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU: „können“): Sie können im Fall des Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU höhere und in den Fällen des Art. 33 Abs. 3 Richtlinie 2012/EU niedrigere Trassenpreise verlangen, ohne hierzu jeweils verpflichtet zu sein. Dies ermöglicht ihnen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzelfallbezogen und flexibel zu reagieren. Demgegenüber ist Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU als Ist-Vorschrift ausgestaltet. Aus der Formulierung („tragen … dafür Sorge“) ergibt sich, dass Infrastrukturbetreiber über keinen Gestaltungsspielraum verfügen. Sie sind nach Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU verpflichtet, bei der Ermittlung der (Voll-)Kosten und bei der Berechnung der Trassenpreise die Kosten „des gesamten Netzes“ heranzuziehen. Während Infrastrukturbetreiber im Rahmen der Ausnahmetatbestände des Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU („darf“) und des Art. 33 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU („können“) einen Gestaltungsspielraum haben, verpflichtet sie Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU, für einheitliche Entgeltregelungsgrundsätze „in ihrem gesamten Netz“ Sorge zu tragen188. Wie im Einzelnen bereits dargelegt, ist dadurch jedoch eine zwischen hinreichend großen Teilnetzen differenzierende Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen durch einen flächendeckenden Infrastrukturbetreiber nicht ausgeschlossen.

188

Vgl. hierzu noch unten bei Fn. 193 (S. 71).

68

C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

Aus dem Wortlaut der Norm (in ihrem „gesamten Netz“) und aus dem systematischen Zusammenhang mit den Ausnahmetatbeständen der Art. 32 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU ergibt sich demnach, dass die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zu bestimmen sind. Das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz bildet den Bezugsgegenstand für die Erhebung von Trassenpreisen durch die Infrastrukturbetreiber. Eine Zuschlüsselung der spezifischen Kosten für einzelne Bestandteile der Eisenbahninfrastruktur sieht Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU nicht vor. Vielmehr ist der Infrastrukturbetreiber grundsätzlich verpflichtet, die (Voll-)Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zur Grundlage für die Berechnung der Trassenpreise zu machen. Auf diese Weise soll dem Infrastrukturbetreiber eine Mischkalkulation seiner Entgelte ermöglicht werden, ohne die beispielsweise technisch anspruchsvollere Schienenwege mit Kunstbauwerken (Brücken, Tunnel) in topografisch ungünstigeren Gebieten oder schwach ausgelastete regionale Infrastrukturen nicht oder kaum denkbar wären. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EG ist damit Ausdruck der der Eisenbahninfrastruktur immanenten Vernetzungsfunktion, die auch das Netzwirtschaftsrecht anderer Sektoren prägt und die durch ein flächendeckendes Angebot an die Netznutzer zu netzweit auf denselben Grundsätzen beruhenden Entgelten zu gewährleisten ist. Dem steht nicht entgegen, dass Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU sich auch als Konkretisierung des Diskriminierungsverbots erweist, wie sich bereits aus dem Wortlaut („auf denselben Grundsätzen“) sowie aus der systematischen Stellung zu Art. 29 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU ergibt, der die Infrastrukturbetreiber zur Diskriminierungsfreiheit bei der Ausgestaltung der Zugangsentgelte verpflichtet. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU erfüllt eine Doppelfunktion. Neben der Wahrung des Diskriminierungsverbots dient die Vorschrift zugleich der Ermöglichung eines Systems der solidarischen Mischfinanzierung, indem sie den Infrastrukturbetreiber verpflichtet, im „gesamten Netz“ bzw. in hinreichend großen Teilnetzen die gleichen Entgeltgrundsätze anzuwenden. Auch zeigen die Ausnahmetatbestände der Art. 32 Abs. 3 bzw. Art. 33 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU, die sich auf „spezifische Investitionsvorhaben“ bzw. „auf einen bestimmten Fahrwegabschnitt“ beziehen, dass Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU die Grundregel begründet („Außer im Fall…“) und – abweichend von Art. 32 Abs. 3 bzw. Art. 33 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU – an das „gesamte Netz“ des Infrastrukturbetreibers anknüpft. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass nach Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU grundsätzlich „das gesamte Netz“ bzw. ein hinreichend großes Teilnetz den Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen darstellt. Hieraus folgt, dass sich die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des „gesamten Netzes“ bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes ergeben. Durch die Anknüpfung an die Gesamtkosten des Netzes soll ein System der Mischfinanzierung, d. h. eine Finanzierung auch technisch aufwendiger Netzbestandteile (Brücken, Tunnel etc.) und

I. Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung

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schwach ausgelasteter regionaler Infrastrukturen ermöglicht werden. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU konkretisiert – neben dem Diskriminierungsverbot – die der Eisenbahninfrastruktur immanente Vernetzungsfunktion, die durch ein flächendeckendes Angebot an die Netznutzer zu netzweit auf denselben Grundsätzen beruhenden Entgelten zu gewährleisten ist.

2. Nationales Recht Bislang ist im geltenden Eisenbahnrecht nicht ausdrücklich geregelt, woraus sich der Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung ergibt, ob also die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des gesamten Netzes oder einzelner Netzbestandteile zu errechnen sind. Der systematische Zusammenhang zwischen § 14 Abs. 4 und 5 AEG sowie § 14 Abs. 1 AEG könnte nahelegen, dass es ebenso wie beim Zugang nach § 14 Abs. 1 AEG („Ob“) auch bei der Entgeltregulierung nach § 14 Abs. 4 und 5 AEG („Wie“) auf die konkrete, einzelne Leistung ankommt, zu der Zugang begehrt wird. Dem steht jedoch entgegen, dass Bezugspunkt des Eisenbahnentgeltregulierungsregimes auch bislang faktisch niemals bestimmte Zugtrassen oder Strecken waren. Vielmehr ist das Eisenbahninfrastrukturunternehmen traditionell zu pauschalierenden Mischkalkulationen berechtigt. Dies kam in der früheren Fassung der EIBV189 deutlich zum Ausdruck. § 5 Abs. 3 Satz 1 EIBV a.F. lautete: „Entgelte für Zugtrassen können 1. für das gesamte Netz eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens, 2. für Teilnetze oder 3. für bestimmte Strecken berechnet und erhoben werden.“

In der Begründung der Vorschrift hieß es ausdrücklich190 : „Die Vorschrift stellt klar, daß Mischkalkulationen grundsätzlich zulässig sind. Die spezifischen Kosten einer Strecke müssen dem Benutzungsentgelt für diese Strecke nicht zugrundegelegt werden, da sonst technisch anspruchsvolle Strecken (Brücken, Tunnel) mit deutlich höheren Benutzungsentgelten belastet würden, die eine Benutzung insgesamt in Frage stellen.“

Auch wenn sich in der geltenden EIBV keine § 5 Abs. 3 Satz 1 EIBV a.F. entsprechende ausdrückliche Regelung findet, gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Verordnungsgeber von der früheren Rechtslage abweichen wollte. Vielmehr heißt es 189

EIBV vom 17. 12. 1997 (BGBl. I, S. 3153). BR-Drs. 804/97, S. 23; hierauf Bezug nehmend VG Köln, Urteil vom 20. 10. 2006, Az. 18 K 2670/05, S. 11. 190

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

– in Entsprechung zur Begründung des § 5 Abs. 3 Satz 1 EIBV a.F. – in der Begründung des § 21 Abs. 5 EIBV191: „Mischkalkulationen sind grundsätzlich zulässig …“

Dass das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz die Grundlage der Entgeltkalkulation durch ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist, ergibt sich auch aus dem Umkehrschluss aus den §§ 21 Abs. 3, 22 Abs. 2, 23 Abs. 2 und 3 EIBV. In den in diesen Vorschriften geregelten Fällen darf sich das von dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhobene Entgelt allein auf einen bestimmten bzw. bestimmbaren Schienenwegabschnitt bzw. auf eine bestimmte Verkehrsleistung beziehen. Diese Regelungen machen nur dann Sinn, wenn ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen in den übrigen, d. h. in den von § 21 Abs. 3 EIBV sowie § 23 Abs. 2 und 3 EIBV nicht erfassten Fällen, einen anderen Bezugsgegenstand für die Entgeltkalkulation zu wählen hat. Im Entwurf eines Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) war vorgesehen, dieses bislang allein auf der Ebene der EIBV kodifizierte Wertungsmodell auf Gesetzesebene zu regeln. Auch wenn die Berechtigung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Mischkalkulation im Gesetzestext des ERegG-Entwurfs nicht ausdrücklich geregelt war, ergab sich diese Möglichkeit aus der Begründung des Gesetzentwurfs. Wörtlich hieß es in der Begründung des § 44 ERegG-Entwurf: „Es ist nicht sinnvoll, die spezifischen Kosten einer Strecke dem Benutzungsentgelt für diese Strecke zu Grunde zu legen, da sonst technisch anspruchsvolle Strecken (Brücken, Tunnel) mit deutlich höheren Benutzungsentgelten belastet würden, die eine Benutzung insgesamt in Frage stellen. Eine streng streckenkostenorientierte Preissetzung (etwa für den Grundpreis einer Strecke) kann auch bewirken, dass Verkehrsleistungen mit unterschiedlichen Anforderungen für die Nutzung der gleichen Streckenausstattung in unangemessener Weise ähnlich hohe Nutzungsentgelte zahlen müssen. Hinzu kommt ein sehr hoher Fixkostenanteil, der nur eine sehr grobe kostenorientierte Preisbildung erlauben würde. Eine streng kostenorientierte Bildung der Aufschläge auf die Kosten des unmittelbaren Zugbetriebs birgt daher die Gefahr, dass durch die gleichmäßige Zuordnung der Fixkosten die Marktsegmente der Verkehrsleistungen, die den so ermittelten Durchschnittspreis nicht zahlen können, vom Verkehr ausgeschlossen würden. … Das regulierte Entgelt sollte demnach nicht an die Streckenausstattung oder an die Kosten der Strecken geknüpft werden, sondern vielmehr sollte jeder Verkehrsleistung oder deren Marktsegmenten möglichst je ein einheitliches Entgelt vorgegeben werden. So sollte z. B. der kombinierte Verkehr unabhängig von der jeweiligen geografischen Lage der genutzten Strecke stets ein einheitliches Entgelt vorfinden. Es ist zudem vorteilhaft, die Nachfrage aller jener Marktsegmente der Verkehrsleistungen zu befriedigen, die zumindest die Kosten tragen können, die sie durch den unmittelbaren Zugbetrieb verursachen (zuzüglich einer Rendite).“192

191 192

BR-Drs. 249/05, S. 56. BR-Drs. 559/12, S. 191.

I. Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung

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Im Ergebnis ist festzuhalten, dass in Übereinstimmung mit Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU auch nach nationalem Eisenbahnrecht die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zu errechnen sind. Im Gegensatz zur Regelung des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU („tragen … dafür Sorge“), regelt das nationale Recht nicht eindeutig, ob dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei der Wahl des Bezugsgegenstandes für die Festlegung der Trassenpreise ein Gestaltungsspielraum zusteht. Der nationale Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass der Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung keiner weitergehenden Vorgabe unterliegt. Dies wäre jedoch mit Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU unvereinbar, der im Gegensatz zu den Ausnahmetatbeständen des Art. 32 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU („darf“) und des Art. 33 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU („können“) auf das „gesamte Netz“ bzw. auf ein hinreichend großes Teilnetz abstellt193. Nach Maßgabe der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung sind die nationalen Vorschriften des Eisenbahnrechts so zu interpretieren, dass bei der Berechnung der (Voll-)Kosten durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes heranzuziehen sind, also das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz den Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung bildet. Das Gleiche gilt für den Bereich der Serviceeinrichtungen. Auch hier muss den Betreibern von Serviceeinrichtungen eine (pauschalierende) Mischkalkulation möglich sein. Anderenfalls würden etwa technisch oder architektonisch anspruchsvolle Bahnhöfe mit Entgelten belastet, welche den Betrieb infrage stellen könnten. Entsprechendes gilt für die von Eisenbahnverkehrsunternehmen vergleichsweise geringer frequentierten Bahnhöfe (z. B. außerhalb von Ballungszentren). Müssten die Kosten dieser Bahnhöfe allein von denjenigen Eisenbahnverkehrsunternehmen getragen werden, welche diese Bahnhöfe nutzen und dort Halt machen, wäre in vielen Fällen ein wirtschaftlich sinnvoller Betrieb nicht gewährleistet. In Parallele zur Situation der Schienenwege sind die Betreiber von Serviceeinrichtungen verpflichtet, die Gesamtheit von Serviceeinrichtungen zum Ausgangs- und Bezugspunkt für die Entgeltberechnung zu machen.

3. Fazit Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass sich die Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor auch in Übereinstimmung mit der Rechtslage in anderen Netzwirtschaften nicht auf bestimmte Infrastrukturen, sondern auf das Gesamtnetz bzw. auf ein hinreichend großes Teilnetz bezieht. Um zu verhindern, dass die regional divergierenden Auslastungsgrade sowie Kosten für Bau und Unterhaltung der Infrastruktur zu unterschiedlichen Zugangsentgelten führen, wird bei der Entgeltregulierung an das Gesamtnetz bzw. an ein hinreichend großes Teilnetz 193

Vgl. hierzu bereits oben D. I., vor Fn. 188.

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

angeknüpft. Nur Mischkalkulationen vermögen zu gewährleisten, dass im Bundesgebiet möglichst einheitliche Zugangsbedingungen bestehen. Dieses Leitziel prägt das Recht der Netzwirtschaften und ist auch für den Eisenbahnsektor kennzeichnend. Für den Bereich der Trassenpreise ist unionsrechtlich vorgeschrieben, dass sich die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den netzweiten Kosten ergeben. Nach Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU haben die Infrastrukturanbieter dafür Sorge zu tragen, dass die Entgeltregelung „in ihrem gesamten Netz“ bzw. in einem hinreichend großen Teilnetz auf denselben Grundsätzen beruht. Aus dem Wortlaut (in ihrem „gesamten Netz“) und aus dem systematischen Zusammenhang mit den Ausnahmetatbeständen der Art. 32 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/ EU folgt, dass die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zu ermitteln sind. Das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz bildet den Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen durch die Infrastrukturbetreiber. Eine Zuschlüsselung der spezifischen Kosten für einzelne Bestandteile der Eisenbahninfrastruktur sieht Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU nicht vor. Vielmehr ist der Infrastrukturbetreiber grundsätzlich verpflichtet, die (Voll-)Kosten des „gesamten Netzes“ bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zur Grundlage für die Berechnung der Trassenpreise zu machen. Auf diese Weise sollen Mischfinanzierungen ermöglicht werden, ohne die beispielsweise technisch anspruchsvollere Schienenwege (Brücken, Tunnel) in topografisch ungünstigeren Gebieten nicht oder kaum denkbar wären. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EG ist damit Ausdruck der der Eisenbahninfrastruktur immanenten Vernetzungsfunktion, die auch das Netzwirtschaftsrecht anderer Sektoren prägt und die durch ein flächendeckendes Angebot an die Netznutzer zu netzweit auf denselben Grundsätzen beruhenden Entgelten zu gewährleisten ist. Diese aus Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU folgende Direktive hat sowohl für die Entgeltregulierung als auch für die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB besondere Bedeutung. Die Zivilgerichte verkennen die Mischfinanzierungsfunktion des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU, wenn sie im Rahmen einer Billigkeitskontrolle von Eisenbahninfrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB anführen, dass einzelne Nutzer oder Nutzergruppen nicht mit Kosten belastet werden dürfen, die keinen Bezug zu den von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen haben194. Niemand darf sich durch eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB dem System solidarischer Mischfinanzierung im Eisenbahnsektor entziehen195. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht die Notwendigkeit einer entsprechenden klarstellenden Regelung. Im Interesse einer wirksamen Umsetzung des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU sollte der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmen, dass Eisenbahninfrastrukturentgelte keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegen.

194 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 17. 1. 2013, Az. 2 U 10/11 (Kart), S. 11; KG Berlin, Urteil vom 31. 1. 2013, Az. 2 U 1/11 (Kart), S. 10; LG Berlin, Urteil vom 11.06, Az.5 O 177/12, S. 9. 195 Vgl. hierzu im Einzelnen unter D. II., S. 116 ff.

II. Fahrwegenutzungsentgelte

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II. Fahrwegenutzungsentgelte 1. Vollkosten als Obergrenze, Grenzkosten als Untergrenze – keine Kodifizierung eines „Baukastensystems“ a) Fortschreibung der bisherigen Rechtslage In Übereinstimmung mit Art. 4 Richtlinie 2001/14/EG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung196 enthält Art. 29 Richtlinie 2012/34/EU eine Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Infrastrukturbetreiber. Nach der Richtlinie 2012/34/EU sind Betreiber der Eisenbahninfrastruktur nur Betreiber von Schienenwegen und hierauf funktional bezogener Anlagen, nicht aber von Serviceeinrichtungen. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU schaffen die Mitgliedstaaten eine Entgeltrahmenregelung, während es nach Art. 29 Abs. 1 UAbs. 4 Richtlinie 2012/34/EU Sache der Betreiber der Infrastruktur ist, die Berechnung des Entgelts und dessen Erhebung vorzunehmen197. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen die Betreiber der Infrastruktur im Interesse der Wahrung der Unabhängigkeit ihrer Geschäftsführung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen. Die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollen in dem von den Mitgliedstaaten abgesteckten Rahmen für die Betreiber Anreize setzen, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. Die Betreiber müssen über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen (vgl. nunmehr Art. 26 sowie Erwägungsgrund 43 Richtlinie 2012/ 34/EU)198. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage spiegelt sich der den Eisenbahnsektor prägende (Ziel-)Konflikt, ob sich die Entgelte für den Zugang zu Fahrwegen oder Serviceeinrichtungen an den (niedrigen) unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten oder an den (höheren) Vollkosten der Eisenbahninfrastruktur orientieren sollen, auch in der Richtlinie 2012/34/EU deutlich wider. Bereits in den Erwägungsgründen 69 und 70 kommt dieser Zielkonflikt klar zum Ausdruck. Während Erwägungsgrund 69 Richtlinie 2012/34/EU die Bedürfnisse des inländischen und grenzüberschreitenden Verkehrs in den Blick nimmt und aus dieser 196 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 38 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 78 f.; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f. 197 Vgl. auch EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 38 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 78 f.; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f. 198 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43.

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

Perspektive auf eine Berechnung der Wegeentgelte in Höhe der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten abstellt, weist Erwägungsgrund 70 Richtlinie 2012/34/EU darauf hin, dass eine solche Tarifierung Auswirkungen auf den von der öffentlichen Hand zu erbringenden Beitrag hat. Beide Antipoden finden sich wiederum im Regelungswerk der Richtlinie. Dabei markieren die unmittelbar zugbetriebsbedingen Kosten im Sinne des Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU die Untergrenze und die Vollkosten im Sinne des Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU die Obergrenze. Wie bereits im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 und Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG gezeigt wurde, ist § 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EG nicht als „Grundsatznorm“ zu qualifizieren, die in Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU eine „Ausnahme“ findet. Dies folgt bereits daraus, dass die Bestimmung des Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/ 34/EU unter den Vorbehalt der Vorschrift des Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU gestellt ist (vgl. Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU: „unbeschadet … des Artikel 32 …“). Bekräftigt wird dieses Auslegungsergebnis schließlich durch Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU, wonach ein Mitgliedstaat im Rahmen der Entgeltregelungen der Art. 31 und Art. 32 Richtlinie 2012/34/EU von einem Betreiber der Infrastruktur verlangen kann, seine Einnahmen und Ausgaben ohne staatliche Mittel auszugleichen. Diese Vorschrift machte keinen Sinn, wenn Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU eine „Grundsatznorm“ wäre und eine Festsetzung der Trassenpreise grundsätzlich am Maßstab der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten erfolgen müsste. Eine solche Auslegung wäre jedoch mit Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EG unvereinbar, wonach es einem Mitgliedstaat im Rahmen der Ausgestaltung des Entgeltregulierungsrahmens unbenommen bleibt, von einem Betreiber der Infrastruktur zu verlangen, seine Einnahmen und Ausgaben ohne staatliche Mittel auszugleichen199. Durch die Richtlinie 2012/34/EU wird daher – in Fortschreibung der bisherigen Rechtslage – wiederum nur ein durch eine Untergrenze (Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU) und eine Obergrenze (Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU) abgesteckter Rahmen festgelegt, innerhalb dessen sich die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihres Entgeltregulierungssystems frei entscheiden dürfen. Zwischen „diesen beiden Extremen kann das Entgelt … variieren“, was der Gerichtshof im Zusammenhang mit der insoweit deckungsgleichen Richtlinie 2001/14/EG ausdrücklich festgestellt hat200.

199 Dementsprechend verlangt auch Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG keine kumulative Anreizsetzung, sondern lässt eine (alternative) Anreizsetzung zur Senkung entweder der Fahrwegkosten oder der Zugangsentgelte genügen. Zu Recht weist der Gerichtshof in den Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich darauf hin, dass die Senkung der Zugangsentgelte zu Lasten des Staates gehen könne, der die Infrastruktur finanziere und gem. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2001/14/EG regeln könne, dass Einnahmen und Ausgaben des Infrastrukturbetreibers ohne staatliche Mittel auszugleichen sind (EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 108; EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/Frankreich, Rn. 84). 200 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 84.

II. Fahrwegenutzungsentgelte

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Ebenfalls in Entsprechung der bisherigen Rechtslage müssen die Mitgliedstaaten nicht die Entscheidung treffen, ob die Trassenpreise am Maßstab der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten oder der Vollkosten zu berechnen sind. Art. 29 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU räumt den Mitgliedstaaten insoweit ausdrücklich einen Gestaltungsspielraum ein. Sie können diese Systementscheidung selbst treffen und insoweit zum Bestandteil der Entgeltrahmenregelung machen. Sie können diese Befugnis aber auch an die Eisenbahninfrastrukturunternehmen delegieren, wie es in der Vorschrift des Art. 29 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2012/34/ EU ausdrücklich vorgesehen ist. Eine solche Delegation dient der Flexibilität der Eisenbahninfrastrukturunternehmen und damit einer effizienten sowie optimalen Nutzung der Fahrwege (vgl. Erwägungsgrund 43 und Art. 26 Richtlinie 2012/34/ EU), worauf der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung hinweist201. Von dieser Delegationsermächtigung hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Bestimmung des § 14 Abs. 4 AEG Gebrauch gemacht, die die Eisenbahninfrastrukturunternehmen berechtigt, die Trassenpreise innerhalb des durch die beiden Antipoden der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten und der Vollkosten umgrenzten Rahmens grundsätzlich autonom festzulegen. Ebenso wenig wie die Vorgängerrichtlinie beruht die Richtlinie 2012/34/EU auf einem „Baukasten“- oder Stufensystem, das ein Basisentgelt in Höhe der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten vorsieht, auf das Knappheits-, Umwelt- und Vollkostenaufschläge erhoben werden dürfen, die ggf. einem gesonderten Darlegungs- und Begründungserfordernis unterliegen. Wie bereits dargelegt, hat sich der Gerichtshof zwar in mehreren Entscheidungen zum Entgeltgrundsatz der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten geäußert202. Anhaltspunkte dafür, dass den Vorschriften der (Vorgänger-)Richtlinie ein „Baukasten“- bzw. Stufensystem zugrunde liegt, lassen sich der Rechtsprechung hingegen nicht entnehmen. Ganz im Gegenteil hat der Gerichtshof zur Vorgängerregelung in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland klargestellt, dass die Grenz- und Vollkosten nur die äußersten Grenzen des Gestaltungsspielraums festlegen, innerhalb dessen sich die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung einer Entgeltrahmenregelung nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG halten müssen. „Zwischen diesen beiden Extremen“ können die Wegeentgelte, so der Gerichtshof ausdrücklich, „variieren“203. Entscheiden sich die Mitgliedstaaten oder der durch Delegation (vgl. Art. 29 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU) ermächtigte Infrastrukturbetreiber für das Vollkostenprinzip als Grundlage der Berechnung und Festsetzung der Benutzer201 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 44, 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 82 f.; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43; siehe auch EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35. 202 Vgl. hierzu oben unter B. V. 1. c) bei Fn. 120 (S. 47 f.). 203 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 86.

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

entgelte, stellt Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU keine weiteren Anforderungen an die Art und Weise der Berechnung der Vollkosten. Die rechtlichen Maßstäbe für die Überprüfung der Vollkosten (zuzüglich einer marktüblichen Rendite) ergeben sich ausschließlich erstens aus dem Marktausschlusstest nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EG, zweitens aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 32 Abs. 1 und 5 Richtlinie 2012/34/EU, drittens aus den Anforderungen des Art. 35 Richtlinie 2012/34/EU (Performance Regime) und viertens aus der Notwendigkeit einer Anreizsetzung zum Zweck der Ausstattung der Züge mit dem europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystem ETCS (Art. 32 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU). Für die Art und Weise der Berechnung der Vollkosten im Rahmen der Bestimmung der Entgelte macht Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU keine Vorgaben. Insbesondere sieht diese Bestimmung nicht vor, dass die Wegeentgelte zunächst auf der Grundlage der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten zu berechnen und die hierauf erhobenen Knappheits-, Umwelt- und Vollkostenaufschläge näher zu bestimmen sind. Dies ergibt sich aus Folgendem: Erstens fehlt in der Vorschrift des Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU hierfür jeder normative Anhaltspunkt. Und zweitens spricht der systematische Zusammenhang mit Art. 31 Richtlinie 2012/34/EU gegen eine solche Annahme. Denn die dort geregelten Knappheits- und Umweltzuschläge (vgl. Art. 31 Abs. 4 und 5 Richtlinie 2012/34/EU) betreffen nicht das Vollkostenprinzip, sondern das Grenzkostenprinzip. Sofern sich Mitgliedstaaten dafür entscheiden, die Grenzkosten regelmäßig zur Grundlage für die Berechnung der Fahrwegpreise zu machen, bedürfen Trassenpreise, welche die Grenzkosten übersteigen, der Rechtfertigung. In diesem Fall ist es erforderlich, zunächst die Grenzkosten zu ermitteln, um feststellen zu können, ob und in welcher Höhe die hierauf erhobenen Aufschläge gerechtfertigt sind. Eine solche Sachlegitimation fehlt indes bei einem auf dem Vollkostenprinzip beruhenden Entgeltregelungsrahmen. Drittens sprechen Sinn und Zweck der Norm gegen eine solche Aufschlagsberechnung: Während bei einer Implementierung des Grenzkostenprinzips Grenzkosten und Aufschläge im Einzelnen bestimmt werden müssen, um die Wegeentgelte gering zu halten und damit dem Zweck des Grenzkostenprinzips zur Verwirklichung zu verhelfen, sieht das Vollkostenprinzip vor, alle den Eisenbahninfrastrukturunternehmen entstehenden Kosten über die Wegeentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen abzuwälzen. Sofern sich die Mitgliedstaaten für eine solche umfassende Kostenüberwälzung entscheiden, macht eine Verpflichtung zur näheren Kostenaufschlüsselung keinen Sinn. Ob sich hinter Fahrwegentgelten Grenzkosten, (Knappheitsoder Umwelt-)Aufschläge oder Vollkosten verbergen, ist irrelevant, solange Vollkosten in Rechnung gestellt werden dürfen. In schlagwortartiger Verdichtung: Wer ein „Mehr“ verlangen darf, muss ein „Weniger“ nicht (näher) darlegen und begründen. Eine Vorgabe des Inhalts, dass auch bei einer Implementierung des Vollkostenprinzips zunächst ein Basisentgelt zu ermitteln ist, auf das Aufschläge bis zur Vollkostengrenze erhoben werden dürfen, wäre nicht erforderlich und damit als unverhältnismäßige Regelung unionsrechtswidrig. Dementsprechend ist eine solche die Art und Weise der Vollkostenberechnung betreffende Vorgabe in Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU auch nicht vorgesehen.

II. Fahrwegenutzungsentgelte

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b) Zur Bedeutung des Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU Allerdings könnte der neu in die Richtlinie 2012/34/EU eingefügte Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Satz 1 Ausdruck eines „Baukasten“- bzw. Stufensystems sein. Danach erlässt die Kommission vor dem 16. Juni 2015 Maßnahmen zur Festlegung der Modalitäten für die Berechnung der Kosten, die unmittelbar aufgrund der Zugfahrt anfallen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem Prüfverfahren nach Art. 62 Abs. 3 Richtlinie 2012/3/EU erlassen (Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Satz 2 Richtlinie 2012/34/EU). Im Kommissionsvorschlag vom 17. September 2010 war hingegen eine Konkretisierung der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten direkt in der Richtlinie vorgesehen. In Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang VIII Richtlinienvorschlag waren die Anforderungen in Bezug auf Infrastrukturkosten und Zugangsentgelte näher geregelt204. Im Kommissionsvorschlag war zunächst festgelegt, welche Kosten nicht den unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten unterfallen sollen. Nach Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang VIII Nr. 1 Satz 1 Richtlinienvorschlag sollten von den durch die Abnutzung der Infrastruktur bedingten unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs folgende Kosten ausgenommen bleiben: die das gesamte Netz betreffenden Gemeinkosten, einschließlich Dienst- und Versorgungsbezüge [lit. a)]; Kapitalzinsen [lit. b)]; mehr als ein Zehntel der bei einer Zugbewegung für Netzfahrplanerstellung, Zugtrassenzuweisung, Verkehrsmanagement, Abfertigung und Signalgebung anfallenden Kosten [lit. c)]; Abschreibungen auf Informations-, Kommunikations- und Telekommunikationsausrüstungen [lit. d)]; Kosten für die Verwaltung von Grundstücken, insbesondere Kauf, Verkauf, Stilllegung, Sanierung, Rekultivierung oder Miete von Grundstücken oder anderen Sachanlagen [lit. e)]; soziale Dienste, Schulen, Kindergärten, Restaurants [lit. f)]; Kosten im Zusammenhang mit höherer Gewalt, Unfällen und Betriebsstörungen [lit. g)]. Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang VIII Nr. 1 Satz 2 Richtlinienvorschlag sah eine besondere Begründungspflicht der Infrastrukturbetreiber für den Fall vor, dass die direkten Kosten205 für das gesamte Netz 35 % der aufgrund der geleisteten Zugkilometer berechneten Durchschnittskosten für Instandhaltung, Verwaltung und Erneuerung des Netzes übersteigen. In diesem Fall sollte der Infrastrukturbetreiber verpflichtet sein, „dies gegenüber der Regulierungsstelle genau (zu) begründen“. Bei der Berechnung dieser Durchschnittskosten sollten die in den Buchstaben e), f) und g) genannten Bestandteile keine Berücksichtigung finden (Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang VIII Nr. 1 Satz 3 Richtlinienvorschlag). Im Unterschied zum Kommissionsvorschlag sieht die Richtlinie 2012/34/EU eine solche Konkretisierung der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten im Sinne des 204

KOM(2010) 475 endg. (BR-Drs. 564/10, S. 58 und 119). Der Begriff der „direkten Kosten“ ist in hohem Maße unklar. Offenbar ist er als Synonym für die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten zu verstehen. 205

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU nicht vor. Stattdessen wird eine solche Regelung an die Kommission delegiert, die nach Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU Maßnahmen zur Festlegung der Modalitäten für die Berechnung der Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, zu erlassen hat. Weder Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU noch die auf der Grundlage dieser Vorschrift zu erlassenden entsprechenden Durchführungsrechtsakte der Kommission begründen ein „Baukasten“- bzw. Stufensystem für die Berechnung und Festlegung der Benutzerentgelte, das generell und unabhängig von der Entscheidung der Mitgliedstaaten zugunsten des Grenz- bzw. Vollkostenprinzips zur Anwendung käme. Vielmehr gilt Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU nur für die Mitgliedstaaten, die das Prinzip der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-) Kosten zur Grundlage für die Berechnung und Festsetzung der Trassenpreise machen. In diesem Fall drängen die von der Kommission nach Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU noch zu treffenden Maßnahmen zur Festlegung der Modalitäten der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten auf Verwirklichung. Für diejenigen Mitgliedstaaten, die sich in Wahrnehmung des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums hingegen für das Vollkostenprinzip entschieden haben, begründet Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU keine Pflichten. Sie sind nicht gehalten, Modalitäten für die Berechnung der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten zu regeln. Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU schreibt insoweit kein „Baukasten“- bzw. Stufensystem vor. Dies ergibt sich aus Folgendem: Erstens: Bereits die Genese der Vorschrift spricht gegen die Implementierung eines „Baukasten“- bzw. Stufensystems in Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/ 34/EU. Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der von der Kommission verfolgten Strategie und Gesamtkonzeption. Wie bereits dargelegt, hatte die Kommission in mehreren Vertragsverletzungsverfahren eine fehlende bzw. fehlerhafte Umsetzung des Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG gerügt. Der Gerichtshof hat hierzu zunächst festgestellt, dass die Mitgliedstaaten bei der Konturierung des den Wirtschaftswissenschaften entlehnten Begriffs der (unmittelbar zugbetriebsbedingten) Grenzkosten zwar einen „gewissen Wertungsspielraum“ besitzen206. Die Einbeziehung von Finanzierungskosten und sonstigen indirekten Kosten hat der Gerichtshof jedoch beanstandet, weil sie offensichtlich keine unmittelbare Beziehung zum Zugbetrieb aufweisen207. Vor diesem Hintergrund ist es zu verstehen, dass der Kommissionsvorschlag ausdrücklich vorsah, die Gemeinkosten und die Kosten, die nicht unmittelbar den Zugbetrieb be206 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 75; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 65. 207 EuGH, Urteil vom 30. 05. 2013, C-512/10 – Kommission/Polen, Rn. 83; im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Tschechische Republik hatte die Kommission u. a. die Einbeziehung der Gemeinkosten in die Berechnung der Kosten nach Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/ 14/EG gerügt. Der Gerichtshof hat diese Rüge zurückgewiesen, weil die Kommission der ihr obliegenden Nachweispflicht nicht nachgekommen war, vgl. EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 72 f.

II. Fahrwegenutzungsentgelte

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treffen, von den unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten auszunehmen (vgl. Art. 31 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang VIII Nr. 1 Satz 1 lit. a), d), f) Richtlinienvorschlag). Ein entsprechender Regelungsgehalt kommt auch der Vorschrift des Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU zu, welche die Kommission ermächtigt, die zur Konkretisierung der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Vorschrift schreibt indes nicht vor, dass die Entgelte für die Nutzung der Fahrwege stets auf der Grundlage der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten zu berechnen und die hierauf erhobenen Aufschläge zu beziffern und zu begründen sind. Genau in diesem Sinne hatte die Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland vorgetragen. Sie hatte gerügt, dass Deutschland nicht geregelt habe, ob und unter welchen Voraussetzungen das in Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG vorgesehene Grenzkostenprinzip oder das in Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG verankerte Vollkostenprinzip Anwendung findet. Wie bereits erwähnt, hat der Gerichtshof diese Rüge zur Gänze zurückgewiesen. Die Mitgliedstaaten dürften zwischen den „beiden Extremen“ des Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG einerseits und des Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG andererseits „variieren“208. Die Richtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten nicht, „detailliertere Entgeltregeln“ vorzusehen209. Auch Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU begründet keine solche Verpflichtung. Die Vorschrift lässt die Befugnis der Mitgliedstaaten, zwischen dem Grenzkosten- und dem Vollkostenprinzip zu wählen, unberührt. Durch sie soll allein sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten bzw. Infrastrukturbetreiber in die Berechnung der Grenzkosten nicht Kosten einbeziehen, die nicht den unmittelbaren Zugbetrieb betreffen. Ein „Baukasten“- bzw. Stufensystem für die Berechnung der Trassenpreise ist jedoch nicht vorgesehen. Zweitens: Auch der systematische Zusammenhang zwischen Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU und Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU zeigt, dass der Richtlinie kein „Baukasten“- bzw. Stufenprinzip zugrunde liegt. Nach Art. 32 Abs. 1 und Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU dürfen die von Infrastrukturbetreibern erhobenen Aufschläge die Funktionsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsmärkte nicht beeinträchtigen. Im Hinblick auf den erforderlichen Marktausschlusstest obliegen den Infrastrukturbetreibern entsprechende Darlegungs- und Begründungspflichten (vgl. Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU), die auf die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der entsprechenden Eisenbahnverkehrsmärkte gerichtet sind. Wenn der EU-Normgeber über den Marktausschlusstest hinaus ganz generell entsprechende Darlegungs- und Begründungspflichten für die Infrastrukturbetreiber hätte festlegen wollen, hätte er zum einen diese in Art. 32 Richtlinie 2012/34/EU geregelt. Dies spricht dafür, dass sich Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU allein auf das Grenzkostenprinzip bezieht und nur diejenigen Mitgliedstaaten betrifft, die sich in Wahrnehmung des ihnen zustehenden Gestal208 209

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 86. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 88.

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

tungsspielraums für dieses Prinzip als Grundlage der Berechnung der Fahrwegnutzungsentgelte entscheiden. Zum anderen folgt aus (dem Umkehrschluss des) Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU, der Darlegungs- und Begründungspflichten der Infrastrukturbetreiber nur im Hinblick auf den Marktausschlusstest vorsieht, dass es im Übrigen entsprechende Pflichten nicht gibt. Fazit: Die Berechnung der Trassenpreise nach Maßgabe eines „Baukasten“- bzw. Stufensystems hat innerhalb eines auf dem Grenzkostenprinzip beruhenden Entgeltregelungsrahmens ihre Berechtigung. Insoweit ist es erforderlich, zunächst die Grenzkosten zu ermitteln, um feststellen zu können, ob und in welcher Höhe die hierauf erhobenen Aufschläge gerechtfertigt sind. Auf der Grundlage einer solchen Systementscheidung zugunsten des Grenzkostenprinzips entfaltet Art. 31 Abs. 3 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU seine spezifische Funktion. Zum Zweck der Bestimmung der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten hat die Kommission denjenigen Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßstäbe an die Hand zu geben, die das Grenzkostenprinzip zur Grundlage für die Berechnung der Fahrwegnutzungsentgelte machen. Grundsätzlich anders liegen die Dinge, wenn sich die Mitgliedstaaten für eine Implementierung des Vollkostenprinzips im Entgeltregulierungsrahmen entscheiden. In diesem Fall sind Vorgaben über die Art und Weise der Berechnung der Vollkosten nicht erforderlich und deshalb in Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU auch nicht vorgesehen.

2. Erfordernis der Anreizsetzung Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage ist der Abschluss einer mindestens fünfjährigen Finanzierungsvereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und dem Infrastrukturbetreiber gemäß Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU verbindlich vorgeschrieben. Dadurch erhalten die Infrastrukturbetreiber die für einen nachhaltigen Betrieb der Eisenbahninfrastruktur erforderliche Planungssicherheit. Diesem Ziel dient auch die Vorschrift des Art. 30 Abs. 5 Richtlinie 2012/34/EU, wonach die Bedingungen der vertraglichen Vereinbarung und die Modalitäten der Zahlungen, mit denen dem Infrastrukturbetreiber Mittel zur Verfügung gestellt werden, für die gesamte Vertragslaufzeit im Voraus zu vereinbaren sind. Im Gesetzgebungsverfahren wurde auf Betreiben des Rates die Regelung unter den Vorbehalt gestellt, dass der Abschluss der Vereinbarung unbeschadet der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit für die Planung und Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturen und des Haushaltsgrundsatzes der Jährlichkeit erfolgt210. Außerdem ist eine Vereinbarung nur erforderlich, soweit dies angezeigt ist („soweit angezeigt“). Von diesem Vorbehalt dürften nur die (wenigen) Mitgliedstaaten betroffen sein, in denen lediglich sehr kleine Eisenbahnnetze vorhanden sind oder in denen die Eisenbahninfrastruktur ohne

210

Vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (30).

II. Fahrwegenutzungsentgelte

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staatliche Finanzierung auskommt bzw. auskommen muss211. Antragsteller und auf Verlangen potenzielle Antragsteller müssen von der zuständigen Behörde und von dem Infrastrukturbetreiber vor der Unterzeichnung der vertraglichen Vereinbarung über deren Inhalt unterrichtet werden und die Möglichkeit der Stellungnahme erhalten (Art. 30 Abs. 6 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU). Die Vereinbarung ist innerhalb eines Monats nach ihrem Abschluss zu veröffentlichen (Art. 30 Abs. 6 Satz 2 Richtlinie 2012/34/EU). Anhang V enthält detaillierte Regelungen zu Mindestanforderungen der Vereinbarung. Diese muss insbesondere alle Aspekte des Infrastrukturbetriebs, einschließlich der Instandhaltung und Erneuerung der bereits in Betrieb befindlichen Infrastruktur, sowie die Modalitäten der Zahlungen und Finanzierungen umfassen. Auch müssen vertragliche Finanzierungsvereinbarungen die von Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU geforderten Anreize enthalten, mit Ausnahme der Anreize, die durch Regulierungsmaßnahmen nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU gesetzt werden. Für bereits am 15. Dezember 2012 in Kraft getretene Verträge sieht Art. 30 Abs. 2 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU eine Übergangsregelung vor. Diese Verträge müssen bei Erneuerung oder spätestens bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist am 16. Juni 2015 an die Bestimmungen der Richtlinie angepasst werden. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage (Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG) sind den Infrastrukturbetreibern gemäß Art. 30 Abs. 1 Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu setzen. Dieses Erfordernis bezieht sich weiterhin allein auf Fahrwege, nicht aber auf Serviceeinrichtungen oder auf Zusatz- oder Nebenleistungen im Sinne des Anhanges II Nr. 2, 3, 4 Richtlinie 2012/34/EU. Die erforderliche Anreizsetzung kann gemäß Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU durch vertragliche (Finanzierungs-)Vereinbarung oder durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen oder durch eine Kombination aus beiden Steuerungsinstrumenten erfolgen. Sofern Anreize durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen gesetzt werden, muss der entsprechende Mitgliedstaat sich hierbei auf eine Analyse der erreichbaren Kostensenkungen stützen (Art. 30 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU). Zu dem Umfang entsprechender Anreizeffekte macht auch die Richtlinie 2012/34/EU keine Vorgaben. Ein auf maximale Anreizwirkung gerichtetes Optimierungsgebot begründet Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU nicht. In Konkretisierung der Entscheidung des Gerichtshofes im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Französische Republik212 nennt der Erwägungsgrund 36 der Richtlinie 2012/34/EU als Beispiel für entsprechende Anreize Bonuszahlungen für geschäftsführende Direktoren, ein wenigstens im Zusammenhang mit mehrjährigen Finanzierungsvereinbarungen eher selten genutztes Instrument213.

211 212 213

Vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (30). EuGH, Urteil vom 18. 04. 2013, C-625/10 – Kommission/Frankreich, Rn. 76. Vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (30).

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

Die Vorschrift des Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU eröffnet den Mitgliedstaaten – in Übereinstimmung mit der früheren Rechtslage (vgl. Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) – einen Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der Instrumente zur Anreizsetzung. Wie bislang können die Mitgliedstaaten nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU zwischen den Steuerungsinstrumenten der „vertraglichen Vereinbarung“ und „aufsichtsrechtlichen Maßnahmen“ frei wählen, wobei eine hoheitliche Anreizregulierung nur eine Form der „aufsichtsrechtlichen Maßnahmen“ ist. Neu ist nunmehr jedoch, dass Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG – im Gegensatz zu Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG – ausdrücklich eine „Kombination“ beider Instrumente vorsieht. Danach können die Mitgliedstaaten beide Instrumente zum Zweck der Anreizsetzung zum Einsatz bringen214, ohne indes hierzu nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU verpflichtet zu sein. Allerdings wirft das Verhältnis zwischen Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU und Anhang V, der die Mindestanforderungen für entsprechende Finanzierungsvereinbarungen im Sinne des Art. 30 Richtlinie 2012/34/EU regelt, gewisse Auslegungsschwierigkeiten auf. Wie bereits dargelegt, sind entsprechende Finanzierungsvereinbarungen „soweit angezeigt“ nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU verbindlich vorgeschrieben. Diese müssen gemäß Anhang V Nr. 5 die von Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU geforderte Anreizsetzung enthalten. Diese Regelung steht in Widerspruch zu Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU, die es den Mitgliedstaaten in Ausfüllung ihres Gestaltungsspielraums ermöglicht, die erforderliche Anreize ausschließlich im Wege aufsichtsrechtlicher Maßnahmen zu setzen. Dieser Normwiderspruch ließe sich ausräumen, wenn man die Mindestanforderung im Sinne des Anhanges V Nr. 5 nur dann zur Anwendung bringt, sofern sich ein Mitgliedstaat für die vertragliche Vereinbarung als Instrument der Anreizsetzung entscheidet. Bei einer solchen Lesart bliebe den Mitgliedstaaten die nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU erforderliche Auswahlfreiheit erhalten und könnten Normwidersprüche vermieden werden. Darüber hinaus ist den Regelungen des Art. 30 Abs. 2, 3 Richtlinie 2012/34/ EU, Anhang V zu entnehmen, dass der vertraglichen Vereinbarung einschließlich der hierin geregelten Anreizsetzung im Verhältnis zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen eine gewisse Vorrangstellung zukommt. Die Vorrangstellung der Anreizsetzung im Wege einer vertraglichen Vereinbarung konkretisiert die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach Anreize für den Infrastrukturbetreiber, die Infrastrukturkosten (zugunsten der öffentlichen Haushalte) zu reduzieren, mittelbar auch eine Senkung der Wegeentgelte (zugunsten der Eisenbahnverkehrsunternehmen) erwarten lassen215. Der Gerichtshof trägt damit dem Umstand Rechnung, dass zwischen den Infrastrukturkosten und der Höhe der Wegeentgelte ein enger Zusammenhang besteht. Einer anreizbedingten Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten korrespondiert eine Reduzierung der von den Infrastrukturbetreibern eingesetzten Eigenmittel, wodurch im Ergebnis auch die Nutzer entlastet werden, weil nur die von den Infrastrukturbetreibern aufgewandten Eigenmittel über die 214 215

Vgl. Kühling, N&R 2013, 139 (144); siehe auch Lerche, N&R 2013, 27 (30). EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 105.

II. Fahrwegenutzungsentgelte

83

Wegeentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen abgewälzt werden können. Mit Blick auf diese vom Gerichtshof bestätigte Doppelwirkung räumt Art. 30 Abs. 2, 3 Richtlinie 2012/34/EU, Anhang V der Anreizsetzung durch vertragliche Vereinbarung Vorrang im Verhältnis zur Anreizwirkung durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen ein, die keine solche Doppelwirkung auch zur Entlastung der öffentlichen Haushalte zu entfalten in der Lage sind. Ungeachtet dessen sind die Mitgliedstaaten auch weiterhin nicht zur doppelten Anreizsetzung verpflichtet. Dies folgt bereits aus Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/ EU, der eine Kombination der beiden Instrumente ermöglicht, aber nicht verbindlich vorschreibt. Dementsprechend differenziert auch Anhang V Nr. 5 zwischen beiden Instrumenten. Von den Mindestanforderungen einer vertraglichen Vereinbarung sind die Anreize ausgenommen, die durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU geschaffen werden. Sofern sich ein Mitgliedstaat für beide Instrumente der Anreizsetzung entscheidet, sind die Instrumente prozedural und materiell so aufeinander abzustimmen, dass der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen sowie der Gefahr einer nicht erforderlichen und damit unverhältnismäßigen Doppelregulierung wirksam begegnet wird. In Fortschreibung der früheren Rechtslage bezieht sich der den Mitgliedstaaten eingeräumte Gestaltungsspielraum auch nach der neuen Richtlinie auf die Entscheidung darüber, wem (den Nutzern der Infrastruktur oder den öffentlichen Haushalten) der von Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU geforderte Effizienzgewinn zugutekommt. Der Wortlaut des Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU („und“) ist nicht zwingend zu verstehen, dass Nutznießer entsprechender Effizienzgewinne sowohl die Nutzer der Infrastruktur als auch die öffentlichen Haushalte sein müssen. Der systematische Zusammenhang mit Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU zeigt, dass sich der hierdurch eröffnete Gestaltungsspielraum nicht nur auf die Wahl der Anreizinstrumente, sondern auch auf die Bestimmung des Nutznießers entsprechender Effizienzgewinne bezieht. Untermauert wird dieses Ergebnis weiter durch den systematischen Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/ EU. Wenn die Mitgliedstaaten sich nach dieser Vorschrift dafür entscheiden können, dass die Infrastruktur ohne staatliche Mittel finanziert wird, müssen sie im Fall einer staatlichen Finanzierung selbstredend auch vorsehen können, dass mögliche Effizienzvorteile ausschließlich an den staatlichen (Haupt-)Financier zurückfließen. Ferner zeigt Anhang V Nr. 5 der Richtlinie 2012/34/EU, dass die Mitgliedstaaten nicht zu einer doppelten Anreizsetzung verpflichtet sind. Aus dem Umstand, dass Anreize zugunsten der Senkung der Nutzerentgelte keine Mindestanforderung für entsprechende vertragliche Finanzierungsvereinbarungen darstellen, folgt, dass die Mitgliedstaaten nicht zu einer doppelten Anreizwirkung verpflichtet sind. Mit der am 14. Januar 2009 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DB Netz AG, der DB Station & Service, der DB Energie GmbH sowie der DB AG unterzeichneten LuFV liegt in Deutschland bereits eine mehrjährige Finanzierungsvereinbarung vor, welche die Instandhaltung und Erneuerung der Eisenbahn-

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

infrastruktur regelt. Die bis zum Ende datierte Laufzeit wurde im September 2013 um zwei Jahre bis 2015 verlängert216. Eine Folgevereinbarung müsste bis spätestens 16. Juni 2015 unterzeichnet sein und die Vorgaben des Art. 30 Richtlinie 2012/34/EU beachten. Der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung dürfte in Deutschland zwingend erforderlich sein, weil kein Grund ersichtlich ist, weshalb eine solche Vereinbarung nicht „angezeigt“ (vgl. Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU) sein sollte217. Die aus Art. 30 Abs. 6 Richtlinie 2012/34/EU folgenden Unterrichtungsund Anhörungspflichten dürften eine Anhörung im parlamentarischen Zusammenhang und eine Vorstellung im Netzbeirat (vgl. § 34 AEG) erfordern, wie sie bei Abschluss der LuFV aus dem Jahr 2009 erfolgt sind218. Den Zugangsberechtigten müsste eine Teilnahme ermöglicht werden219. Eine spezielle gesetzliche Ermächtigung für die vertragliche Vereinbarung dürfte aus unionsrechtlichen Gründen nicht erforderlich sein220. Der Gerichtshof ist im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland stillschweigend von der Zulässigkeit einer vertraglichen Umsetzung ausgegangen, indem er die LuFVals hinreichendes Instrument zur Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/ 14/EG qualifiziert hat221. Die Bundesrepublik Deutschland ist ihrer Verpflichtung zur Anreizsetzung nach Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU durch verschiedene Ausgestaltungselemente der LuFV, darunter insbesondere den Degressionseffekt bzw. den festen Zuwendungsbetrag222 nachgekommen223, wie der Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Richtlinie 2001/ 14/EU ausdrücklich bestätigt hat. Wie mehrfach erwähnt, geht der Gerichtshof davon aus, dass Anreize zur Senkung der Infrastrukturkosten zugleich mittelbar eine Reduzierung der Nutzerentgelte erwarten lassen224. Eine Verpflichtung zur Regelung einer hoheitlichen Anreizregulierung ergibt sich auch aus der Richtlinie 2012/34/EU nicht. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Senkung der Zugangsentgelte sind allerdings nur entbehrlich, wenn Infrastrukturbetreiber öffentliche Mittel erhalten225. Der Vorbehalt in Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU („soweit angezeigt“) stellt klar, dass die Mitgliedstaaten (selbstredend) nicht zum Abschluss einer vertraglichen (Finanzierungs-)Vereinbarung verpflichtet sind, wenn sie keine öffentlichen Mittel 216 217 218 219 220 221 222 223 224 225

Vgl. hierzu bereits oben unter B. VI. 1. bei Fn. 157 (S. 56). Lerche, N&R 2013, 27 (30). Lerche, N&R 2013, 27 (30). Lerche, N&R 2013, 27 (30). Zum Gesetzesvorbehalt für die LuFV vgl. noch unten unter D. III. 5. f), S. 143 f. Vgl. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 98 ff. Zur Degressionswirkung der LuFV eingehend Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (948). Lerche, N&R 2013, 27 (30). EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 105. Vgl. hierzu bereits oben unter B. I. 1. c) vor Fn. 50 (S. 30).

II. Fahrwegenutzungsentgelte

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für die Infrastruktur zur Verfügung stellen. In diesem Fall haben die Mitgliedstaaten durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen Anreize zur Senkung der Zugangsentgelte zu setzen226.

3. Grenzen des Gestaltungsspielraums Der durch die unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten – Entgeltuntergrenze (vgl. Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU) – und durch die Vollkosten – Entgeltobergrenze (vgl. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU) – abgesteckte Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten oder des Infrastrukturbetreibers ist auch nach der Richtlinie 2012/34/EU durch fakultative bzw. obligatorische Vorgaben und durch das Diskriminierungsverbot begrenzt [siehe a)]. Eine zusätzliche Grenze stellt weiterhin der Marktausschlusstest dar, der durch die Richtlinie 2012/34/EU konkretisiert wurde [siehe b)]. a) Fakultative und obligatorische Vorgaben Ebenso wie die Richtlinie 2001/14/EG unterscheidet die Richtlinie 2012/34/EU zwischen fakultativen und obligatorischen Vorgaben, die den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bzw. des Infrastrukturbetreibers bei der Festsetzung der Fahrwegnutzungsentgelte begrenzen. Weiterhin sind Knappheits- und Umweltzuschläge möglich, ohne dass die Mitgliedstaaten bzw. die Infrastrukturbetreiber hierzu verpflichtet sind (vgl. Art. 31 Abs. 4 und 5 Richtlinie 2012/34/EU). Demgegenüber sah der Kommissionsvorschlag noch grundsätzlich verpflichtende lärmabhängige Fahrwegnutzungsentgelte und detaillierte Vorgaben zu deren Ausgestaltung vor (vgl. Art. 31 Abs. 5 Richtlinienvorschlag i.V.m. Anhang VIII Nr. 2227). Allerdings ist in Art. 31 Abs. 5 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU festgelegt, dass die Kommission Durchführungsrechtsakte zu den Modalitäten der Kostenanlastung für Lärmauswirkungen erlässt. Weiter müssen lärmabhängige Wegeentgelte die Nachrüstung von Wagen mit der wirtschaftlich sinnvollsten verfügbaren geräuscharmen Bremstechnik unterstützen (Art. 31 Abs. 5 UAbs. 3 Richtlinie 2012/34/EU). Auch im Bereich der obligatorischen Vorgaben schreibt die Richtlinie 2012/34/ EU die bisherige Rechtslage zunächst lediglich fort. Wie schon bislang müssen die Wegeentgelte des Infrastrukturbetreibers gemäß Art. 35 Richtlinie 2012/34/EU leistungsabhängige Bestandteile enthalten, die Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung setzen (Performance Regime). Neu geregelt sind in Art. 35 Abs. 2 i.V.m. Anhang VI Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU Grundsätze für 226

Dies könnte Bedeutung haben, wenn nicht bundeseigene Eisenbahninfrastrukturbetreiber (NE-IU) keine öffentlichen Mittel erhielten und demnach eine vertragliche Vereinbarung im Sinne der LuFV ausschiede. 227 Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), KOM(2010) 475 endg. (BR-Drs. 564/10, S. 57, 119 f.).

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

das Anreizsystem. Insbesondere sind neben der Einführung eines Streitbeilegungssystems detaillierte Verspätungskategorien verbindlich vorgeschrieben. Die Vorgaben des Performance Regimes beziehen sich wie bisher nur auf Infrastrukturbetreiber und nicht auf Betreiber von Serviceeinrichtungen228. § 21 EIBV genügt diesen Vorgaben nicht. Erforderlich ist eine Anpassung an die in Art. 35 Abs. 2 i.V.m. Anhang VI Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU geregelten Grundsätze für das Anreizsystem229. Demgegenüber geht das in § 21 EIBV vorgesehene Anreizsystem für Betreiber von Serviceeinrichtungen über die Vorgaben der Richtlinie 2012/34/EU hinaus230. Eine weitere obligatorische Vorgabe bildet das Anreizsystem zur Ausstattung der Züge mit dem europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystem (ETCS231). Nach Art. 32 Abs. 4 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU ist eine Differenzierung der Wegeentgelte auf den sog. ERTMS232-Korridoren verbindlich vorgeschrieben, um Anreize dafür zu schaffen, dass die Züge mit ETCS ausgerüstet werden233. Eine solche Differenzierung darf die Erlöse des Infrastrukturbetreibers jedoch insgesamt nicht verändern (Art. 32 Abs. 4 Satz 2 Richtlinie 2012/34/EU). Art. 32 Abs. 4 UAbs. 4 Richtlinie 2012/34/EU sieht vor, dass die Kommission Durchführungsrechtsakte zu den Modalitäten erlässt, die bei der Anwendung der Differenzierung der Wegeentgelte zu befolgen sind. Im nationalen Eisenbahnrecht findet sich bislang keine entsprechende Regelung. Erforderlich ist daher eine Umsetzung der obligatorischen Trassenpreisdifferenzierung aufgrund der ETCS-Ausstattung der Züge234. Neu in die Richtlinie eingefügt sind zudem die Regelungen zur internationalen Zusammenarbeit der Infrastrukturbetreiber. Art. 37 Richtlinie 2012/34/EU sieht vor, dass sich die Infrastrukturbetreiber zur Koordinierung der Entgelterhebung zusammenschließen. Bei netzübergreifendem Verkehr sind zum einen die effiziente Anwendung der Aufschläge nach Art. 32 Richtlinie 2012/34/EU und zum anderen leistungsabhängige Entgeltregelungen nach Art. 35 Richtlinie 2012/34/EU sicherzustellen235. Das geltende nationale Eisenbahnrecht genügt diesen Vorgaben nicht. 228

Lerche, N&R 2013, 27 (31). Vgl. auch Lerche, N&R 2013, 27 (31). 230 Vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (31). 231 European Train Control System (ETCS) ist eine Komponente eines einheitlichen europäischen Zugleitsystems. Die Korridore sind festgelegt in der Entscheidung der Kommission vom 22. Juli 2009 zur Änderung der Entscheidung 2006/679/EG hinsichtlich der Umsetzung der technischen Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) des Teilsystems Zugsteuerung/ Zugsicherung und Signalgebung des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems (ABl. L 194 vom 26. 07. 2009, S. 60). 232 European Rail Traffic Management System (ERTMS). 233 In Erwägungsgrund 48 Richtlinie 2012/34/EU ist hingegen nur von einer „vorübergehende(n) Differenzierung“ der Wegeentgelte die Rede; vgl. auch Lerche, N&R 2013, 27 (31 Fn. 32). 234 Vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (31). 235 Vgl. auch Lerche, N&R 2013, 27 (31). 229

II. Fahrwegenutzungsentgelte

87

§ 7 EIBV bezieht sich in erster Linie auf die Zusammenarbeit bei der Zuweisung von Zugtrassen. Im Rahmen des Infrastrukturbetreiber-Zusammenschlusses RailNetEurope erfolgt bereits eine intensive Zusammenarbeit der Schienenwegebetreiber, die sich auf Entgeltfragen bezieht236. Allerdings existiert derzeit keine Regelung, die eine solche Zusammenarbeit verbindlich vorschreibt, so dass insoweit noch Umsetzungsbedarf besteht. Demgegenüber ergeben sich im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot aus der Richtlinie 2012/34/EU keine Änderungen. Das Diskriminierungsverbot ist im Zusammenhang mit der Festlegung der Fahrwegenutzungsentgelte sowohl in Art. 29 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU als auch in Art. 32 Abs. 5 Richtlinie 2012/34/EU geregelt, ohne dass insoweit eine Änderung im Verhältnis zur früheren Rechtslage eingetreten ist (vgl. Art. 4 Abs. 5 und Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG). Da § 14 Abs. 4 AEG diesen Vorgaben bereits entspricht237, besteht insoweit kein weiterer Umsetzungsbedarf. b) Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsmärkte (Marktausschlusstest) Wie bereits dargelegt, bilden die den Infrastrukturbetreibern entstehenden Vollkosten einschließlich einer angemessenen Rendite die Obergrenze der Fahrwegenutzungsentgelte (Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU). Wie schon derzeit (vgl. Art. 8 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 20001/14/EG) können die Trassenpreise jedoch nur dann in dieser (Maximal-)Höhe festgesetzt werden, wenn dies die Funktionsfähigkeit der entsprechenden Eisenbahnverkehrsmärkte zulässt. Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU bestimmt, dass die Höhe der Entgelte nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen darf, die mindestens die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten zuzüglich einer Rendite erbringen können. Diese Regelung schreibt in dem (Ausnahme-)Fall, dass bestimmte Eisenbahnverkehrsmärkte eine Bepreisung allein am Maßstab der zugbetriebsbedingten Kosten vertragen, vor, dass nur diese Kosten in Rechnung gestellt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass stets dann, wenn eine Vollkostendeckung zur Funktionsunfähigkeit einzelner Verkehrsmärkte führte, allein die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten in Rechnung gestellt werden dürfen. Vielmehr können Aufschläge auf die zugbetriebsbedingten Kosten auch insoweit bis zu der Grenze der Funktionsunfähigkeit des einzelnen Eisenbahnverkehrsmarktes erhoben werden. Der Gestaltungsspielraum ist insoweit also nicht „auf Null“ reduziert. Er ist lediglich verkürzt, wenn die Funktionsfähigkeit bestimmter Eisenbahnverkehrsmärkte bei einem Entgeltniveau in Höhe der Vollkosten (zuzüglich einer angemessenen Rendite) nicht gewahrt ist238. Der nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU durchzuführende Marktausschlusstest dient also der Ermittlung der Trassenpreise, welche die entspre236 237 238

Vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (31 mit Fn. 34). Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 34. Vgl. bereits Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 33.

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

chenden Eisenbahnverkehrsmärkte vertragen. Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des jeweiligen Eisenbahnverkehrsmarktes markiert die Obergrenze möglicher Trassenpreise. Der zwischen den unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (Untergrenze) und den Vollkosten (Obergrenze) liegende Gestaltungsspielraum steht unter dem Vorbehalt der Funktionsfähigkeit der Eisenbahnverkehrsmärkte. Erlaubt die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Eisenbahnverkehrsmarktes keine Vollkostendeckung, sondern nur entsprechend niedrigere Trassenpreise, ist der Gestaltungsspielraum entsprechend verkürzt; die Preisobergrenze verschiebt sich dann von der Vollkostengrenze auf das Entgeltniveau, das die Funktionsfähigkeit des Eisenbahnverkehrsmarktes unberührt lässt. Der bereits nach der Richtlinie 2001/14/EU vorgesehene Marktausschlusstest wird durch die Richtlinie 2012/34/EU näher konkretisiert239. Nach Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Richtlinie 2012/34/EU stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Infrastrukturbetreiber prüfen, inwieweit die (Vollkosten-)Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind, bevor sie solche Aufschläge „genehmigen“. Die Begriffswahl („genehmigen“) ist eher unglücklich, weil damit ersichtlich nicht gemeint ist, dass die Mitgliedstaaten die von den Infrastrukturbetreibern erhobenen (Vollkosten-)Aufschläge einem behördlichen Erlaubnisverfahren unterwerfen sollen oder auch nur dürfen. Vielmehr lässt Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Richtlinie 2012/34/EU die Zuständigkeitsverteilung nach Art. 29 Richtlinie 2012/34/EU unberührt, wonach die Mitgliedstaaten lediglich für eine Entgeltrahmenregelung sorgen, während es Aufgabe der Infrastrukturbetreiber ist, die Berechnung und Erhebung der Wegeentgelte unabhängig vorzunehmen, was der Gerichtshof in mehreren Entscheidungen hervorgehoben hat240. Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Richtlinie 2012/34/EU ist also in dem Sinne zu deuten, dass die Mitgliedstaaten (Vollkosten-)Aufschläge innerhalb ihrer Entgeltrahmenregelung zulassen („genehmigen“), wenn die Infrastrukturbetreiber den ihnen obliegenden Prüfpflichten genügen. Im Rahmen des den Infrastrukturbetreibern obliegenden Marktausschlusstests sind die im Anhang VI Nr. 1 Richtlinie 2012/34/EU aufgeführten Verkehrsdienstpaare zumindest in Betracht zu ziehen (Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 1, Halbsatz 2 Richtlinie 2012/34/EU). Zu den Verkehrsdienstpaaren zählen Personenverkehr/ Güterverkehr, Gefahrgutzüge/andere Güterzüge, inländischer Verkehr/grenzüberschreitender Verkehr, kombinierter Verkehr/Direktverkehr, Personenstadt- oder -regionalverkehr/Personenfernverkehr, Ganzzüge/Einzelwagenverkehr und Netzfahrplan/Gelegenheitsverkehr. Der Kommissionsvorschlag sah vor, dass die Infrastrukturbetreiber den ihnen obliegenden Marktausschlusstest im Hinblick auf diese 239

Vgl. Lerche, N&R 2013, 27 (31). EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 41; vgl. hierzu Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 (649), Leitzke, N&R 2013, 70 ff.; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 34; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/ 10 – Kommission/Deutschland, Rn. 84; ähnlich zuvor schon EuGH, Urteil vom 28. 02. 2913, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 54 f. 240

II. Fahrwegenutzungsentgelte

89

Verkehrspaare durchführen müssen241. Demgegenüber müssen die Infrastrukturbetreiber die in Anhang VI Nr. 1 Richtlinie 2012/34/EU genannten Verkehrsdienstpaare lediglich „in Betracht ziehen“. Weitere Verpflichtungen folgen hieraus nicht242. Obligatorischer Natur ist allein die Regelung des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 2 Richtlinie 2012/34/EU. Danach umfasst die Liste der von den Infrastrukturbetreibern festgelegten Marktsegmente mindestens die Segmente: Güterverkehrsdienste, Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages und andere Personenverkehrsdienste. Der Gestaltungsspielraum der Infrastrukturbetreiber wird dadurch weiter gestärkt, dass sie Marktsegmente je nach Art der Güter- und Personenbeförderung weiter untergliedern können (Art. 32 Abs. 1 UAbs. 4 Richtlinie 2012/34/EU). Demgegenüber sieht Art. 32 Abs. 1 UAbs. 5 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU vor, dass Marktsegmente, in denen Eisenbahnunternehmen gegenwärtig nicht tätig sind, in denen sie aber möglicherweise während der Laufzeit der Entgeltregelung Leistungen erbringen, ebenfalls vom Infrastrukturbetreiber festgelegt werden. Art. 32 Abs. 1 UAbs. 5 Satz 2 Richtlinie 2012/34/EU schreibt vor, dass Infrastrukturbetreiber für diese Marktsegmente keine Aufschläge vornehmen. Welche Marktsegmente damit gemeint sind, bleibt im Dunkeln. Das Gleiche gilt für die Regelung des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 5 Richtlinie 2012/34/EU. Denn für Marktsegmente, in denen Eisenbahnunternehmen gegenwärtig nicht tätig sind, werden selbstredend keine Entgelte erhoben, so dass sich die Frage von Vollkostenaufschlägen nicht stellt. In dem Moment, in dem Entgelte für die Nutzung von Fahrwegen erhoben werden, handelt es sich nicht mehr um Marktsegmente, in denen Eisenbahnunternehmen gegenwärtig nicht tätig sind, so dass auch insoweit für Art. 32 Abs. 1 UAbs. 5 Richtlinie 2012/34/EU kein Anwendungsfeld ersichtlich ist. Art. 32 Abs. 1 UAbs. 6 Richtlinie 2012/34/EU bestimmt, dass die Liste der Marktsegmente in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht und mindestens alle fünf Jahre überprüft wird. Die derzeit geltende Regelung des § 14 Abs. 4 AEG entspricht diesen Vorgaben nicht vollständig. Die in § 14 Abs. 4 Satz 2 AEG genannten Verkehrsdienste des Schienenpersonenfernverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs und des Schienengüterverkehrs, für die nach § 14 Abs. 4 Satz 3 AEG ein Marktausschlusstest vorgesehen ist, werden den Direktiven des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 2 Richtlinie 2012/34/EU gerecht. Demgegenüber fehlen derzeit Regelungen im Sinne des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU, wonach die Infrastrukturbetreiber mindestens die in Anhang VI Nr. 1 genannten Verkehrsdienstpaare in Betracht ziehen und unter diesen die zutreffenden Paare auswählen243. Umsetzungsbedarf 241

Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), KOM(2010) 475 endg., Anhang VIII Nr. 3. (BR-Drs. 564/10, S. 120). 242 Vgl. auch Lerche, N&R 2013, 27 (31). 243 Vgl. auch Lerche, N&R 2013, 27 (31).

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

besteht weiterhin im Hinblick auf die (unklare) Regelung des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 5 Richtlinie 2012/34/EU und im Hinblick auf die Veröffentlichungspflichten gemäß Art. 32 Abs. 1 UAbs. 6 Richtlinie 2012/34/EU.

III. Entgelte für den Zugang zu Serviceeinrichtungen und für Zusatz- und Nebenleistungen 1. Grundsätzliches Während im Allgemeinen Serviceeinrichtungen durch die Richtlinie 2012/34/EU einer im Vergleich zur Richtlinie 2001/14/EG weitergehenden Regulierung unterfallen – insbesondere durch Erweiterung des gegenständlichen Bereichs der Serviceeinrichtungen –244, ergeben sich im Besonderen, d. h. im Hinblick auf die Regulierung der für Serviceleistungen im Sinne des Anhanges II Nr. 2 bis 4 Richtlinie 2012/34/EU erhobenen Entgelte, keine grundlegenden Änderungen. Zwar bezieht sich Art. 31 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU auf Fahrwege und Serviceeinrichtungen (anders noch Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG). Diese Vorschrift betrifft jedoch nicht die Maßstäbe für die Berechnung und Festlegung der Nutzungsentgelte. Der den Mitgliedstaaten bzw. den Infrastrukturbetreibern eingeräumte Gestaltungsspielraum, der durch die Untergrenze der unmittelbar zugbetriebsbedingten (Grenz-)Kosten und durch die Obergrenze der Vollkosten markiert ist, bezieht sich wie bislang nur auf das Mindestzugangspaket und den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden. Im Hinblick auf das Grenzkostenprinzip folgt dies aus Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU und aus der gesonderten Regelung der Entgeltmaßstäbe für Serviceeinrichtungen in Art. 31 Abs. 7 Richtlinie 2012/34/EU sowie für Zusatzleistungen bzw. Nebenleistungen aus Art. 31 Abs. 8 Richtlinie 2012/34/EU. Für das in Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU geregelte Vollkostenprinzip folgt dies daraus, dass die Regelung nur für Infrastrukturbetreiber gilt, d. h. für Betreiber von Fahrwegen, nicht aber für Betreiber von Serviceeinrichtungen (vgl. Art. 3 Nr. 12 und 11 Richtlinie 2012/34/EU). Sowohl für den Zugang zu Serviceeinrichtungen als auch für das Erbringen von Zusatz- und Nebenleistungen können die „Kosten für deren Erbringung“ (Art. 31 Abs. 7 und 8 Richtlinie 2012/34/EU) – zuzüglich eines angemessenen Gewinns – in Rechnung gestellt werden, was im Vergleich zur früheren Regelung des Art. 7 Abs. 7 und 8 Richtlinie 2001/34/EG eine Konkretisierung bewirkt. Von diesen „Kosten“ sind sämtliche den Betreibern von Serviceeinrichtungen entstehenden (Voll-)Kosten erfasst. Bereits der Wortlaut („Kosten für deren Erbringung“) zeigt, dass hiermit (Voll-)Kosten und nicht unmittelbar betriebsbedingte Kosten in Parallele zu Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU gemeint sind. Und auch der Sinn und Zweck legen 244

Vgl. hierzu ausführlich Lerche, N&R 2013, 27 (31 ff.).

III. Entgelte für den Zugang zu Serviceeinrichtungen

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dieses Verständnis nahe. Wenn für das Mindestzugangspaket bereits das Vollkostenprinzip des Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU gilt, das die Mitgliedstaaten berechtigt, eine vollständige Deckung sämtlicher Kosten vorzusehen, muss für Serviceeinrichtungen, Zusatzleistungen und Nebenleistungen Entsprechendes erst recht gelten. Da Art. 32 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU die Entgelte für diese Leistungen nicht erfasst, sind die „Kosten für deren Erbringung“ (Art. 31 Abs. 7 und 8 Richtlinie 2012/34/EU) im Sinne von Vollkosten zu verstehen. Allerdings wird auch insoweit keine Verpflichtung zur Vollkostendeckung begründet. Aus der Formulierung in Art. 31 Abs. 7 und 8 Richtlinie 2012/34/EU („dürfen/darf … nicht übersteigen“) wird deutlich, dass nur eine Obergrenze gesetzt wird. In Entsprechung zu Art. 32 Abs. 1 UAbs. 1 Richtlinie 2012/34/EU darf der Betreiber der Serviceeinrichtung die Benutzerentgelte in Höhe dieser Obergrenze festsetzen, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

2. „Angemessener Gewinn“ Für Betreiber von Serviceeinrichtungen245 wird durch den Recast ein Anspruch auf „angemessenen Gewinn“ ausdrücklich geregelt (vgl. Art. 31 Abs. 7 und 8 Richtlinie 2012/34/EU). Die ebenfalls neu eingefügte Definition des „angemessenen Gewinns“ bereitet erhebliche Auslegungsschwierigkeiten. Nach der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 17 Richtlinie 2012/34/EU ist ein angemessener Gewinn eine Eigenkapitalrendite, die dem Risiko der Serviceeinrichtung, auch hinsichtlich der Einnahmen, oder dem Fehlen eines solchen Risikos Rechnung trägt und von der durchschnittlichen Rendite in dem betreffenden Sektor in den Vorjahren nicht wesentlich abweicht. Zunächst stellt die Vorschrift klar, dass sich der Anspruch auf angemessenen Gewinn nur auf die von dem Unternehmen eingesetzten Eigenmittel bezieht; die von der öffentlichen Hand bereitgestellten (nicht rückzahlungspflichtigen) Fremdmittel sind demnach nicht renditefähig. Auch entspricht es allgemeinen Grundsätzen, dass im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit des Renditeanspruches das Risiko bzw. fehlende (Investitions-)Risiko des Unternehmens zu berücksichtigen ist. Zweifeln begegnet Art. 3 Nr. 17 Richtlinie 2012/34/EU deshalb, weil nach der Vorschrift nur solche Gewinnansprüche als angemessen gelten, die „von der durchschnittlichen Rendite in dem betreffenden Sektor in den Vorjahren nicht wesentlich abweichen“. Diese Formulierung könnte zu der Fehlinterpretation Anlass geben, dass bei der Angemessenheitsprüfung stets auf die durchschnittliche Rendite in den betreffenden Vorjahren abzustellen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Rendite in den Vorjahren überhaupt ein marktübliches, angemessenes Niveau erreicht hat. Dass Art. 3 Nr. 17 Richtlinie 2012/34/EU nicht bezweckt, eine diesseits der Angemessenheitsschwelle liegende Verzinsung zu perpetuieren, liegt auf der

245 Betreiber einer Serviceeinrichtung sind sämtliche Stellen, die Serviceleistungen im Sinne des Anhanges II Nr. 2 bis 4 Richtlinie 2012/34/EU erbringen (vgl. Art. 3 Nr. 12 Richtlinie 2012/34/EU).

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

Hand246. Durch diese Vorschrift soll nicht eine unangemessen niedrige Verzinsung in eine angemessene Verzinsung transformiert werden. Vielmehr beruht Art. 3 Nr. 17 Richtlinie 2012/34/EU unausgesprochen auf der Prämisse, dass die Verzinsung des eingesetzten Kapitals in dem betreffenden Sektor in den entsprechenden Vorjahren bereits angemessen war. In diesem Fall ist auf die durchschnittliche Rendite in den Vorjahren abzustellen, so dass atypische „Ausreißer“ nach oben wie nach unten außer Betracht bleiben. Nach Sinn und Zweck des Art. 3 Nr. 17 Richtlinie 2012/34/EU ist die Vorschrift in einem weiten Sinne zu verstehen. Gewinnansprüche sind nur dann angemessen, wenn sie von der durchschnittlichen Rendite in dem betreffenden Sektor in den Vorjahren nicht wesentlich abweichen, sofern die Rendite bereits in den Vorjahren angemessen war. Im Einklang mit diesen Vorgaben und auch mit den generellen Grundsätzen des Regulierungsrechts wäre es sachgerecht, wie in anderen regulierten Sektoren als Gewinnbegriff eine Gesamtkapitalrendite (WACC) heranzuziehen, die sich nach kapitalmarktüblichen Methoden wie z. B. dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) objektiv berechnen lassen. Das CAPM dient der Ermittlung der günstigsten am Markt zu zahlenden Finanzierungskosten.

3. (Zwischen-)Fazit § 14 Abs. 5 AEG dürfte diesen Vorgaben nicht vollends entsprechen. Zwar ist der von Art. 31 Abs. 7 Richtlinie 2012/34/EU geforderte Kostenbezug durch § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AEG bereits hinreichend gewahrt, weil nach dieser Vorschrift die Überwälzung dann als missbräuchlich gilt, wenn die entstandenen Kosten unangemessen überschritten werden. Eine ausdrückliche Regelung des Anspruches auf angemessenen Gewinn, wie er in Art. 31 Abs. 7 Richtlinie 2012/34/EU vorgesehen ist, fehlt hingegen in § 14 Abs. 5 AEG. Zwar ließe sich dieser Anspruch in das Merkmal der „Unangemessenheit“ im Sinne des § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 AEG „hineinlesen“. Der Umsetzungsverpflichtung ist damit aber wohl noch nicht hinreichend entsprochen247. Zumindest im Interesse der Rechtsklarheit sollte ausdrücklich geregelt werden, dass Betreibern von Serviceeinrichtungen ein Anspruch auf angemessenen Gewinn zusteht.

IV. Fazit: Partieller Umsetzungsbedarf Konkreter Regelungsbedarf besteht im Hinblick auf den Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU verlangt, dass die (Voll-) Kosten, welche die Grundlage für die Berechnung der Wegeentgelte bilden, aus den 246 247

Zutreffend Lerche, N&R 2013, 27 (32). Großzügiger Lerche, N&R 2013, 27 (33).

IV. Fazit: Partieller Umsetzungsbedarf

93

Kosten des „gesamten Netzes“ bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zu bestimmen sind. Demgegenüber ist weder im AEG noch in der EIBV ausdrücklich geregelt, ob die gesamte Eisenbahninfrastruktur oder Teile derselben den Bezugsgegenstand für die Entgeltregulierung bilden. Der Gesetzgeber sollte klarstellen, dass die (Voll-)Kosten aus den Kosten einer Gesamtheit der Eisenbahninfrastruktur bzw. hinreichend großer Teilnetze und nicht aus spezifischen Kosten einzelner Infrastrukturbestandteile zu ermitteln sind, wie es in der Begründung des ERegGEntwurfs vorgesehen war. Für die Entgeltregulierungsmaßstäbe bestehen keine grundlegenden Umsetzungserfordernisse, weil die Richtlinie 2012/34/EU die Strukturen der (Vorgänger-) Richtlinie übernimmt und nur an einigen Stellen Änderungen vorsieht. In Entsprechung der bisherigen, vom Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich bestätigten Rechtslage sieht die Richtlinie 2012/34/EU kein „Baukasten-“ bzw. Stufensystem für die Berechnung und Festlegung der Trassenentgelte vor. Mit der zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DB AG und deren Infrastrukturtöchtern geschlossenen LuFV liegt bereits die von Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU verbindlich geforderte mehrjährige Finanzierungsvereinbarung vor. Auch genügt die LuFV aufgrund des vereinbarten Degressionseffekts bzw. der festen Zuwendungshöhe dem Erfordernis einer Anreizsetzung gemäß Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU, was der Gerichtshof im Hinblick auf die Richtlinie 2001/14/EG ausdrücklich festgestellt hat. Eine – neben die Anreizwirkung der LuFV tretende – hoheitliche Anreizregulierung verlangt auch die Richtlinie 2012/34/EU nicht. Umsetzungsbedarf ergibt sich jedoch im Hinblick auf die obligatorischen Vorgaben, die den Gestaltungsspielraum des Infrastrukturbetreibers bei der Berechnung der Trassenentgelte einschränken; dies in zweifacher Hinsicht: Zum einen genügen die gesetzlichen Bestimmungen (vgl. § 21 EIBV) nicht den neu geregelten Anforderungen an das sog. Performance Regime im Sinne des Art. 35 Abs. 2 i.V.m. Anhang VI Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU. Zum anderen ist eine Umsetzung der obligatorischen Trassenpreisdifferenzierung aufgrund der ETCS-Ausstattung der Züge (vgl. Art. 32 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU) erforderlich. Darüber hinaus fehlt derzeit eine Regelung, die Art. 37 Richtlinie 2012/34/EU umsetzt, also die Infrastrukturbetreiber zur Koordinierung ihrer Entgelterhebung verpflichtet. Auch im Hinblick auf den Marktausschlusstest besteht Umsetzungsbedarf. Zwar entsprechen die in § 14 Abs. 4 Satz 2 AEG genannten Verkehrsdienste des Schienenpersonenfernverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs und des Schienengüterverkehrs, für die nach § 14 Abs. 4 Satz 3 AEG ein Marktausschlusstest vorgesehen ist, den Direktiven des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 2 Richtlinie 2012/34/EU. Jedoch fehlen derzeit Regelungen im Sinne des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU, wonach die Infrastrukturbetreiber mindestens die in Anhang VI Nr. 1 genannten Verkehrsdienstpaare in Betracht ziehen und unter diesen die zutreffenden Paare auswählen müssen. Umsetzungsbedarf besteht weiterhin im Hinblick auf die

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C. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

(unklare) Regelung des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 5 Richtlinie 2012/34/EU und im Hinblick auf die Veröffentlichungspflichten gemäß Art. 32 Abs. 1 UAbs. 6 Richtlinie 2012/34/EU. Auch in Bezug auf die Vorschriften zu Serviceeinrichtungen besteht Regelungsbedarf. Nach Art. 31 Abs. 7 Richtlinie 2012/34/EU hat der Betreiber von Serviceeinrichtungen einen Anspruch auf angemessenen Gewinn. Dieser Vorgabe trägt § 14 Abs. 5 AEG nicht hinreichend Rechnung.

D. Rechtspolitischer Reformbedarf Der Funktion nach ist Regulierungsrecht nicht nur sektorspezifisches Kartellrecht oder eine Konkretisierung der Essential-Facilities-Doktrin248, selbst wenn Regulierungsrecht auch Sonderkartellrecht ist (vgl. etwa § 10 Abs. 1 TKG). Hierin erschöpft sich die Zielsetzung des Regulierungsrechts nicht. Vielmehr liegt die eigentliche Funktion des Regulierungsrechts in der Herstellung und Gewährleistung eines funktionsfähigen Wettbewerbs in den liberalisierten Märkten, der aufgrund (vormals) monopolbedingter struktureller Zugangshürden (noch) nicht besteht. Dieser Gewährleistungsauftrag des Staates für einen funktionsfähigen Wettbewerb in den liberalisierten Märkten ist einfachgesetzlich regelmäßig ausdrücklich festgelegt (vgl. § 1 Abs. 1 AEG, § 1 Abs. 2 EnWG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG). Darüber hinaus gründet er auch auf verfassungsrechtlichem Boden. Für den Telekommunikationssektor ist weithin anerkannt, dass der Bund kraft der sonderverfassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist, durch Regulierung für einen chancengleichen Wettbewerb auf den liberalisierten Märkten Sorge zu tragen249. Dementsprechend heißt es in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: „Die hierdurch geschaffene Zulassung von Wettbewerb setzt staatliche Rahmenbedingungen voraus, die sicherstellen, dass Wettbewerb auch tatsächlich verwirklicht wird und interessierte Unternehmen überhaupt in Konkurrenz zur Deutschen Telekom AG treten können.“250 Die Verpflichtung zur Herstellung und Gewährleistung eines funktionsfähigen Wettbewerbs geht über die Missbrauchskontrolle nach allgemeinem Kartellrecht hinaus. Im Gegensatz zum allgemeinen Kartellrecht, das auf der Prämisse prinzipiell funktionsfähiger, durch Chancengleichheit gekennzeichneter Märkte beruht und das deshalb im Kern auf eine Missbrauchskontrolle begrenzt ist, fehlt es in den liberalisierten Märkten der Netzwirtschaften regelmäßig an dieser Prämisse. Die vormals monopolistisch strukturierten Märkte sind durch strukturelle Zugangsbarrieren und Asymmetrien geprägt, welche die Entstehung funktionsfähigen Wettbewerbs auf den liberalisierten Märkten hemmen. Der Abbau dieser strukturellen Zugangshürden und Asymmetrien ist Voraussetzung für die Herausbildung funktionsfähigen Wettbewerbs auf den Märkten. Der Staat ist verpflichtet, für gleiche (Ausgangs-)Wettbe248 Zur Konkretisierung der Essential-Facilities-Doktrin im Eisenbahnrecht Ernert/Lerche, N&R 2009, 166 ff. 249 BVerfG, NJW 2001, 2960 (2961); BVerwGE 117, 93 (100); BVerwG, NVwZ 2001, 1399 (1407); BVerwG, NVwZ 2004, 233 (237); vgl. aus dem Schrifttum nur Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87 f Rn. 61 m.w.N. in Fn. 32. 250 BVerfG, NJW 2001, 2960 (2961); siehe auch BVerwG, NVwZ 2001, 1399 (1407); VG Köln, CR 1997, 639 (642); Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87 f Rn. 61.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

werbsbedingungen („level playing field“) der Marktteilnehmer Sorge zu tragen. Überall dort, wo der Incumbent über vergleichsweise bessere wettbewerbliche Ausgangsbedingungen verfügt, die ihren spezifischen Grund in der vormaligen Monopolstellung haben, kommt dem Staat im Hinblick auf die Herstellung und Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf den liberalisierten Märkten eine besondere Schutzfunktion zu. Regulierung dient dem Ziel der Schaffung und Erhaltung möglichst gleicher Wettbewerbsbedingungen, die aufgrund der Besonderheiten der liberalisierten Märkte (zunächst) nicht vorliegen und – aus technologischen und (volks-)wirtschaftlichen Gründen – teilweise auch nicht vorliegen können251. Welcher Regulierungsbedarf im Einzelnen besteht und welche Instrumente das Gewährleistungsrecht zur Verfügung stellen sollte, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Sachgebiets ab. Angesichts der Vielgestaltigkeit der die einzelnen Regulierungsfelder kennzeichnenden Faktoren erweist sich der Versuch, ein einheitliches Regulierungsregime zu entwickeln, als wenig zielführend. Denn ungeachtet des allen Netzregulierungen inhärenten, gemeinsamen Ziels der Herstellung und Gewährleistung funktionsfähigen Wettbewerbs sind die einzelnen Netzwirtschaften durch spezifische Eigenarten gekennzeichnet, die vorschnelle Adaptionen der sich in anderen Regulierungsregimen herausgebildeten Prinzipien verbieten252. Die Diversität der die einzelnen Netzwirtschaften prägenden Faktoren beruht auf den Unterschieden in den jeweiligen Marktsituationen, im jeweiligen Kanon der regulatorischen Zielsetzungen und in den je eigenen ordnungspolitischen Konzeptionen253. Eine Besonderheit des Eisenbahnsektors gründet auf der spezifischen Rechtsstellung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Der den Eisenbahnsektor ausgestaltende Gesetzgeber muss die für die Betreiber der Infrastruktur geltenden rechtlichen Vorgaben beachten. Nur im Lichte dieser Direktiven lassen sich Eignung und Leistungsfähigkeit der im Rahmen der Eisenbahnentgeltregulierung möglicherweise zum Einsatz kommenden Regulierungsinstrumente hinreichend verlässlich beurteilen. Aus diesem Grund sollen zunächst die für Infrastrukturbetreiber geltenden rechtlichen Vorgaben dargestellt werden [siehe I.]. Besonderer Regelungsbedarf besteht im Hinblick auf die Frage, ob die bereits der sektorspezifischen Eisenbahnregulierung unterfallenden Infrastrukturnutzungsentgelte zusätzlich einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterworfen werden dürfen. Mit Blick auf die das Eisenbahnregulierungsrecht kennzeichnenden Strukturprinzipien, d. h. mit Blick insbesondere darauf, dass nach der Richtlinie 2012/34/EU die netzweiten 251

Vgl. hierzu im Einzelnen Gersdorf, in: Festschrift für Säcker, S. 681 (684 m.w.N.). Vgl. Trute/Broemel, ZHR 170 [2006], 706 (708); Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 10. 253 Vgl. hierzu Masing, Gutachten 66. DJT (2006), D 13 ff.; Trute/Broemel (Fn. 3), 708; Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, 2007, S. 10 ff.; ders., JZ 2008, 831 (836); ders., WiVerw 2010, 159; ders., in: Festschrift für Säcker, S. 681 (682). 252

D. Rechtspolitischer Reformbedarf

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Kosten die Grundlage für die Bestimmung der Vollkosten eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens bilden, verstößt die zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB gegen Vorrang beanspruchendes Unionsrecht. Hieraus ergibt sich ein auf Klarstellung gerichteter Handlungsauftrag des Gesetzgebers, dass die durch das sektorspezifische Eisenbahnrecht regulierten Nutzungsentgelte keiner zusätzlichen Billigkeitskontrolle durch die Zivilgerichte unterliegen, so wie es § 43 Abs. 1 Satz 3 ERegG-Entwurf vorsah [siehe II.]. Der regulatorische Reformbedarf erschöpft sich hierin indes nicht. Ebenso wie in den anderen Netzwirtschaften ergibt sich der Regulierungsbedarf zum einen aus der Gefahr der Erhebung erhöhter, ausbeuterischer Nutzungsentgelte aufgrund des natürlichen Monopols der Eisenbahninfrastrukturunternehmen und der nur begrenzten Wirkungskraft des intermodalen Wettbewerbs. Zum anderen folgt der Regulierungsbedarf aus der potenziellen Diskriminierungsgefahr, die dem vertikal integrierten Eisenbahnkonzern DB AG inhärent ist254. Beide Regulierungsziele dürfen nicht miteinander vermengt werden. So ließe sich etwa durch eine Entflechtung des vertikal integrierten Eisenbahnkonzerns nach Maßgabe der gewählten Entflechtungsform die Diskriminierungsgefahr reduzieren bzw. beseitigen. Die Gefahr, dass ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen kraft seiner (natürlichen) Monopolstellung unangemessen hohe, ausbeuterische Entgelte erhebt, bleibt hiervon unberührt255. Die Gefahr eines Preishöhen- und eines Diskriminierungsmissbrauchs sind im regulatorischen Zusammenhang strikt voneinander zu unterscheiden256. Es erscheint wenig sinnvoll, das in anderen Netzwirtschaften bekannte und anerkannte Regulierungsinstrument der Anreizregulierung im Eisenbahnrecht zu implementieren. Vielmehr sollte die Preishöhenregulierung durch eine Weiterentwicklung des Steuerungsinstruments der LuFV erfolgen. Nutznießer von entsprechenden, nach Unionsrecht erforderlichen Effizienzgewinnen sollten neben dem Bund auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen sein. Zur Verwirklichung dieser Regulierungsziele sollten aber nicht die beiden Steuerungsinstrumente der vertraglichen Vereinbarung und der hoheitlichen Anreizregulierung nebeneinander zur Anwendung kommen. Schon wegen des korrelativen Zusammenhangs der beiden Finanzierungsquellen der Eisenbahninfrastruktur (staatliche Mittel und Nutzungsentgelte) ist es notwendig, die Verteilung des Effizienzgewinns auf den Bund bzw. auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen in einem und demselben Regelwerk festzulegen. Als Handlungsform ist die vertragliche Vereinbarung zu wählen. Die BNetzA ist vor Vertragsschluss in geeigneter Weise zu beteiligen, auch um die le254 Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 40. 255 Vgl. Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 200; Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 129; siehe auch Leschke, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 6 Rn. 104. 256 Statt aller vgl. Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 129.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

gitimen Interessen der Eisenbahnverkehrsunternehmen in den Prozess einzubringen. Schließlich bedarf es einer zeitlichen und inhaltlichen Abstimmung mit dem RegG und dem GVFG [siehe III.]. Zur Verhinderung der mit der vertikalen Integration verbundenen potenziellen Diskriminierungsgefahr darf nicht das schärfste Schwert der Zerschlagung des einheitlichen Konzerns ergriffen werden. Vielmehr erweist sich eine Entflechtung bzw. Separierung der Finanzströme als weniger einschneidendes, ebenso wirksames Mittel, das zugleich die mit dem integrierten Konzern verbundenen Effizienzvorteile nicht aus den Augen verliert [siehe IV.].

I. Unions- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen: Rechtsstellung der Infrastrukturbetreiber/Eisenbahninfrastrukturunternehmen Die Regulierung der Entgelte für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur bestimmt sich maßgeblich nach den für die Betreiber der Infrastruktur geltenden Vorgaben. In terminologischer Hinsicht bestehen zwischen dem EU-Richtlinienrecht und dem nationalen (Verfassungs-)Recht Unterschiede. Das nationale Recht differenziert zwischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen (vgl. nur § 2 Abs. 1 AEG). Zur Eisenbahninfrastruktur gehören dabei nicht nur Schienenwege (vgl. § 2 Abs. 3a AEG), sondern die gesamten Betriebsanlagen der Eisenbahnen einschließlich der Bahnstromleitungen (vgl. § 2 Abs. 3 AEG), also auch Serviceeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 3c AEG. Demgegenüber wird im EU-Richtlinienrecht seit jeher zwischen Eisenbahnunternehmen (Art. 3 Nr. 1 Richtlinie 2012/34/EU) und Infrastrukturbetreibern (Art. 3 Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU) unterschieden, wobei der Begriff der Infrastruktur – im Gegensatz zur Begrifflichkeit nach dem AEG – nur Fahrwege, nicht aber Serviceleistungen im Sinne des Anhanges II Nr. 2 bis 4 Richtlinie 2012/34/EU erfasst. Die Erbringer entsprechender Serviceleistungen sind keine Infrastrukturbetreiber, sondern Betreiber von Serviceeinrichtungen (vgl. Art. 3 Nr. 12 Richtlinie 2012/34/EU). Im Folgenden werden die für Infrastrukturbetreiber/Eisenbahninfrastrukturunternehmen geltenden unions- und verfassungsrechtlichen Vorgaben dargelegt [siehe 2.]. Nach dem EU-Richtlinienrecht gelten für Eisenbahnunternehmen weitergehende Anforderungen [siehe 1.].

I. Unions- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

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1. Rechtsstellung der Eisenbahnunternehmen/ Eisenbahnverkehrsunternehmen: Unabhängigkeit vom Staat und Führung als Wirtschaftsunternehmen Die maßgeblichen Vorgaben für Eisenbahnunternehmen finden sich bereits im Reformpaket der Gemeinschaft zur Liberalisierung des Eisenbahnsektors in den 90er Jahren. Um den Eisenbahnverkehr leistungsfähig und im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern wettbewerbsfähig zu machen, verpflichtete die Richtlinie 91/440/ EWG die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Eisenbahnunternehmen den Status eines vom Mitgliedstaat unabhängigen Betreibers erhalten (Erwägungsgrund 3 Richtlinie 91/440/EWG). Diese Unabhängigkeitsgarantie ist seit jeher einer der Eckpfeiler der Reformpolitik der Europäischen Union im Eisenbahnbereich. Dementsprechend sieht Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU257 vor, dass Eisenbahnunternehmen, die direkt oder indirekt Eigentum von Mitgliedstaaten sind oder von ihnen kontrolliert werden258, in Bezug auf die Geschäftsführung, die Verwaltung und die interne Kontrolle der Verwaltungs-, Wirtschafts- und Rechnungsführung eine unabhängige Stellung haben, aufgrund derer sie insbesondere über ein Vermögen, einen Haushaltsplan und eine Rechnungsführung verfügen, die von Vermögen, Haushaltsplan und Rechnungsführung des Staates getrennt sind. Eine weitere Vorgabe betrifft die Handlungsrationalität der Eisenbahnunternehmen. Entsprechend ihrer Ausgliederung aus dem staatlichen Verwaltungsapparat unterliegen Eisenbahnunternehmen nicht den für den Staat geltenden Funktionsbedingungen. Sie sind nicht gemeinwohlorientiert, sondern nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu führen. Diese Handlungsrationalität deutet sich bereits in Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU an, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Eisenbahnunternehmen ihre Tätigkeit dem Markt anpassen und ihre Geschäfte unter der Verantwortlichkeit ihrer leitenden Organe so führen können, dass sie effiziente und angemessene Leistungen zu den bei der geforderten Qualität dieser Leistungen geringstmöglichen Kosten anbieten259. Explizit ist die auf Gewinnerzielung gerichtete Entscheidungsrationalität der Eisenbahnunternehmen in Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU geregelt260. Danach sind Eisenbahnunternehmen unabhängig von ihrer Eigentumsstruktur nach den Grundsätzen zu führen, die für Wirtschaftsunternehmen gelten. Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 Richtlinie 2012/ 34/EU261 stellt klar, dass dies auch für die ihnen von Mitgliedstaaten auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sowie für die öffentlichen Dienstleistungsaufträge, die sie mit den zuständigen Behörden des Staates schließen, gilt. 257

Vgl. bereits Art. 4 Richtlinie 91/441/EWG. Dieser Verweis auf staatliches Eigentum oder staatliche Kontrolle findet sich in der Fassung der Richtlinie 2012/34/EU zum ersten Mal; vgl. Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 108 Fn. 366. 259 Vgl. bereits Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 91/440/EWG. 260 Vgl. bereits Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 91/440/EWG. 261 Vgl. bereits Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 Richtlinie 91/440/EWG. 258

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU262 führt Beispiele für unternehmerische Freiheiten der Eisenbahnunternehmen auf: Sie sollen ihre interne Organisation regeln, die Bereitstellung und den Vertrieb der Leistungen kontrollieren und deren Preise festlegen, über Personal, Vermögensgegenstände und Anschaffungen entscheiden, den Marktanteil vergrößern, neue Technologien und Dienstleistungen entwickeln und innovative Managementtechniken einführen sowie in dem Eisenbahnverkehr verwandten Bereichen neue Geschäftstätigkeiten entwickeln dürfen. Mit der grundlegenden Vorgabe, dass Eisenbahnunternehmen nach den „für Wirtschaftsunternehmen“ geltenden Grundsätzen zu führen sind263, wird der Unternehmenszweck unionsrechtlich festgelegt. Unionsrechtlich geschuldet ist eine an kaufmännischen Leitprinzipien orientierte Unternehmenspolitik der Eisenbahnunternehmen. Die von den einzelnen Unternehmen zu erbringenden Eisenbahnverkehrsdienste werden als Wirtschaftsgut verstanden, durch dessen Angebot am Markt Gewinne erzielt werden sollen. Dies bedeutet nach außen eine Orientierung am Wettbewerb mit anderen Eisenbahnunternehmen oder anderen Verkehrsträgern und nach innen eine Ausrichtung der Unternehmensziele auf eine Optimierung des Unternehmensgewinnes. Die kommerzielle Zielsetzung der Eisenbahnunternehmen ist eine weitere Vorgabe, die neben die nach Unionsrecht erforderliche Unabhängigkeit der Eisenbahnunternehmen vom Staat tritt. Diese beiden für Eisenbahnunternehmen geltenden Strukturelemente des EUEisenbahnrechts, also die Unabhängigkeit vom Staat und deren kommerzielle Ausrichtung, finden sich in der Bundesrepublik Deutschland bereits auf verfassungsrechtlicher Ebene264. Die Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben ist der entscheidende Beweggrund für die Reform des Eisenbahnverfassungsrechts. Im Interesse dieser klaren Trennung verfügen die Eisenbahnen des Bundes kraft Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG über einen umfassenden Autonomiebereich, welcher der externen Einflussnahme durch den Bund Schranken setzt265. Mit der Grundgesetzänderung wurden Eisenbahnen des Bundes aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert und organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell verselb-

262

Vgl. bereits Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 91/440/EWG. In Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 91/440/EWG war noch von der Führung der Eisenbahnunternehmen nach den „für Handelsgesellschaften“ geltenden Grundsätzen die Rede. Da damit eine an kaufmännischen Gesichtspunkten ausgerichtete Leitung der Gesellschaften gemeint war, führt die neue Formulierung in Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU („als Wirtschaftsunternehmen“) zu keiner inhaltlichen Änderung. 264 Allerdings regelt Art. 87e GG ausdrücklich nur die Eisenbahnen des Bundes (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG) und blendet die nichtbundeseigenen Bahnen (NE-Bahnen) aus; vgl. zum fragmentarischen Charakter des Art. 87e GG Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 37. 265 Zur verfassungskräftigen Unternehmensautonomie der Eisenbahnen des Bundes vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (543 und 555 ff.); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 39; Jochum, NVwZ 2005, 779, 781; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 52. 263

I. Unions- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

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ständigt266. Der Zweck der Verfassungsreform lag gerade darin, den Eisenbahnen des Bundes einen „Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung“ einzuräumen267. Ungeachtet der Frage, ob Eisenbahnen des Bundes Träger von Grundrechten sind und schon deshalb (grundrechtliche) Unabhängigkeit beanspruchen können268, folgt der Unabhängigkeitsstatus der DB AG und ihrer (Eisenbahnverkehrsunternehmens-) Töchter in jedem Fall aus Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG. Im Gegensatz zur Unternehmensautonomie, die in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG nur implizit geregelt ist, ist die kommerzielle Ausrichtung der Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG explizit verankert. In Entsprechung zu Art. 5 Abs. 1 UABs. 2 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU sind Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes „als Wirtschaftsunternehmen“ zu führen. Die Bezeichnung „als Wirtschaftsunternehmen“ meint nicht „ähnlich wie“, sondern umschreibt in verfassungsverbindlicher Form den Zweck der auf den Eisenbahnmärkten tätigen Unternehmen269. Privatwirtschaftliche Ziele stehen im Gegensatz zu den auf umfassende Gemeinwohlhervorbringung gerichteten gemeinwirtschaftlichen Unternehmenszielen. Wirtschaftlichkeit erfasst Gemeinwirtschaftlichkeit gerade nicht270. Erforderlich ist eine an kaufmännischen Leitprinzipien orientierte Unternehmenspolitik der Eisenbahnen des Bundes. Die von den einzelnen Unternehmen zu erbringenden (Dienst-)Leistungen werden als ein Wirtschaftsgut verstanden, durch dessen Angebot am Markt Gewinne erzielt werden sollen. Dies bedeutet nach außen eine Orientierung am Wettbewerb mit anderen Eisenbahnunternehmen oder anderen Verkehrsträgern und nach innen eine Ausrichtung der

266

Vgl. BVerfGE 129, 356 (368). BVerfGE 129, 356 (368); vgl. hierzu Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 245 ff.; dies., DVBl. 2012, 1290 ff. 268 Zur Grundrechtsberechtigung der DB AG und ihrer (Eisenbahnverkehrsunternehmensund Eisenbahninfrastrukturunternehmens-)Töchter Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 53 m.w.N. 269 Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 8; Hommelhoff/ Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (535 f.); Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 80, 82; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 5; ders., AöR 131 [2006], 1 (11 f.); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 41 f.; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 42; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 47. 270 Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 8; Fromm, DVBl. 1994, 187 (191 f.); Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (535); Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 82; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 5; ders., AöR 131 [2006], 1 (12); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 41 f.; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 42; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 47. 267

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Unternehmensziele auf eine Optimierung des Unternehmensgewinnes271. Die „marktwirtschaftliche Handlungsrationalität“272 ist das Funktionsgesetz der Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes. Das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sinne des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG ist von dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit strikt zu unterscheiden. Der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 7 Abs. 1 BHO) soll einer Verschwendung öffentlicher Mittel durch die öffentliche Verwaltung vorbeugen. Er ist hingegen nicht auf Gewinnerzielung gerichtet. Demgegenüber geht das Wirtschaftlichkeitsgebot des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG über diesen haushaltsrechtlichen Grundsatz hinaus. Unternehmen werden nur dann „als Wirtschaftsunternehmen“ im Sinne des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG geführt, wenn ihre Handlungsrationalität auf die Erzielung eines (markt-)angemessenen Gewinns ausgerichtet ist. Die (markt-)angemessene Verzinsung des von den Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes eingesetzten Kapitals ist eine der beiden Vorgaben des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG.

2. Rechtsstellung der Infrastrukturbetreiber/ Eisenbahninfrastrukturunternehmen Zu den Vorgaben des Unionsrechts zählt ferner die strukturelle Trennung der für den diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur maßgeblichen wesentlichen Funktionen von der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen [siehe a)]. Während das Unionsrecht, wie soeben dargelegt, für Eisenbahnunternehmen sowohl einen Unabhängigkeitsstatus vom Staat als auch eine Führung nach kaufmännischen Grundsätzen vorschreibt, begründet es für Infrastrukturbetreiber – in Übereinstimmung mit Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG – eine Unabhängigkeitsgarantie [siehe b)]. Eine Verpflichtung zur Führung als Wirtschaftsunternehmen sieht das Unionsrecht für Infrastrukturbetreiber hingegen nicht vor. Das Verfassungsrecht geht einen Schritt weiter und verlangt für Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes – ebenso wie für Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes – zum einen eine umfassende Unternehmensautonomie und zum anderen eine an kaufmännischen Gesichtspunkten orientierte Unternehmensführung [siehe c)].

271 Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 8; Hommelhoff/ Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (533 ff.); Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 82; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 5; ders., AöR 131 [2006], 1 (12); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 41; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 42; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 47. 272 BVerfGE 129, 356 (369).

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a) Unionsrechtliches Gebot der Trennung von wesentlichen Funktionen der Infrastruktur und der Eisenbahnunternehmen Im Interesse eines diskriminierungsfreien Zugangs zur Infrastruktur ist es seit jeher eines der Kernanliegen der EU-Eisenbahnregulierung, die wesentlichen Funktionen, die für einen gerechten und diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebend sind, von der Erbringung der Eisenbahnverkehrsleistungen zu trennen (vgl. Art. 6 Abs. 3 Richtlinie 91/440/EWG, Art. 7 Abs. 1 Richtlinie 2012/ 34/EU)273. In der Richtlinie 2001/14/EG war noch vorgesehen, dass die Erhebung von Entgelten als solche von diesem Trennungsgebot ausgenommen ist (Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG). Der Europäische Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass der Begriff der Erhebung des Entgelts eng auszulegen sei und nur die rein technischen Akte der Rechnungsstellung, Abrechnung und Einziehung von Entgelten erfasse, nicht aber die Berechnung der Entgelte274. Demgegenüber sieht die Richtlinie 2012/34/EU vor, dass zu den wesentlichen Funktionen, die dem Trennungsgebot unterliegen, „die Entscheidungen über die Wegeentgelte, einschließlich ihrer Festlegung und Erhebung, zählen (Art. 7 Abs. 1 UAbs. 2 Buchstabe b Richtlinie 2012/34/EU). Damit erstreckt sich das Trennungsgebot nunmehr nicht nur auf die Berechnung der Entgelte („Festlegung“), sondern auch auf die technischen Akte („Erhebung“) der Rechnungsstellung, Abrechnung und Einziehung von Entgelten. b) Unabhängigkeit vom Staat aa) Unionsrecht Während die Unabhängigkeit der Eisenbahnunternehmen von staatlichen Stellen von Beginn an eine der tragenden Säulen der Regulierung der Gemeinschaft im Eisenbahnsektor war, hat dieser Regulierungsgrundsatz in Bezug auf Infrastrukturbetreiber erst später Eingang in die Eisenbahnpolitik der Union gefunden275. In der ersten Fassung der Richtlinie 91/440/EWG war noch nicht verbindlich festgeschrieben, dass Infrastrukturunternehmen über einen bestimmten Unabhängigkeitsstatus verfügen müssen. Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 91/440/EWG eröffnete den Mitgliedstaaten allein die Möglichkeit, den Betrieb der Infrastruktur und insbesondere die Zuständigkeit für Investitionen, den Unterhalt und die Finanzierung, die mit diesem Betrieb in technischer, kommerzieller und finanzieller Hinsicht verbunden sind, den Eisenbahnunternehmen oder einem anderen Betreiber zu über273 Vgl. hierzu Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 ff.; Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 105 ff. 274 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 76 ff.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 37 ff.; vgl. hierzu Berndt/ Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 (648 ff.). 275 Vgl. Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 109.

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tragen. Im Rahmen des Ersten Eisenbahnpakets aus dem Jahr 2001 wurden sodann jedoch verbindliche Vorgaben gemacht. Nach der Richtlinie 2001/12/EG musste die Unabhängigkeit der Infrastrukturbetreiber gewährleistet sein. Außerdem mussten die Infrastrukturbetreiber die Möglichkeit erhalten, ihre internen Angelegenheiten selbst zu regeln (Erwägungsgrund 8 Richtlinie 2001/12/EG). Daher sah der entsprechend geänderte Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 91/440/EWG vor, dass die Betreiber der Infrastruktur unter Beachtung der von den Mitgliedstaaten festgelegten Rahmenvorschriften sowie der Einzelvorschriften betreffend die Entgelterhebung und die Kapazitätszuweisung für ihre eigene Geschäftsführung, Verwaltung und innerbetriebliche Kontrolle verantwortlich sind. Abgesehen von geringfügigen grammatikalischen Änderungen entspricht der nunmehr geltende Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/ EU der bisherigen Regelung276. Auch im Hinblick auf das spezielle Feld der Entgeltregulierung kommt der Sicherung der Unabhängigkeit der Infrastrukturbetreiber erhebliche Bedeutung zu. In Übereinstimmung mit Art. 4 Richtlinie 2001/14/EG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung277 enthält Art. 29 Richtlinie 2012/34/EU eine Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Infrastrukturbetreiber. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU schaffen die Mitgliedstaaten eine Entgeltrahmenregelung, während es nach Art. 29 Abs. 1 UAbs. 4 Sache der Betreiber der Infrastruktur ist, die Berechnung des Entgelts und dessen Erhebung vorzunehmen278. Indem die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Schaffung einer Entgeltrahmenregelung unter dem Vorbehalt der Wahrung der Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Infrastrukturbetreiber gestellt wird (vgl. Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/ EU), wird dieser Schutzaspekt besonders hervorgehoben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen die Betreiber der Infrastruktur im Interesse der Wahrung der Unabhängigkeit ihrer Geschäftsführung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen. Die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollen in dem von den Mitgliedstaaten gezogenen Rahmen für die Betreiber Anreize setzen, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. Die Betreiber müssen über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen (vgl. nunmehr Art. 26 sowie Erwägungsgrund 43 Richtlinie 2012/34/ EU)279. Dementsprechend hat der Gerichtshof eine ministerielle Festsetzung des 276 Vgl. Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 110. 277 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, (C-483/10) – Kommission/Spanien, Rn. 38 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 78 f.; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f. 278 Vgl. auch EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 38 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 78 f.; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 41 f. 279 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07.

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Höchstbetrags für die Wegeentgelte mit der Unabhängigkeit der Geschäftsführung für unvereinbar erklärt280. Auch dürfe die Rolle der Infrastrukturbetreiber nicht darauf beschränkt werden, den Betrag des Wegeentgelts unter Rückgriff auf eine ministeriell festgelegte Formel zu berechnen. Die Betreiber müssten über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen281. Ungeklärt ist die Frage, auf welches Verhältnis sich die Unabhängigkeitsgarantie der Infrastrukturbetreiber bezieht. Dass Infrastrukturbetreiber von der Regierung sowie von der ihr unterstellten Verwaltung unabhängig sein müssen, steht fest. Die nach Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU geschuldete Eigenverantwortlichkeit des Infrastrukturbetreibers setzt dessen Unabhängigkeit von der Regierung und von den ihr hierarchisch unterstellen Verwaltungsstellen voraus. Ebenso betrifft die Unabhängigkeitsgarantie das Verhältnis des Infrastrukturbetreibers zum Gesetzgeber. Dies ergibt sich aus dem bereits vielfach dargelegten Charakter des Art. 29 Richtlinie 2012/34/EU als Zuständigkeitsverteilung zwischen Mitgliedstaat und Infrastrukturbetreiber. Indem Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU verlangt, dass die von den Mitgliedstaaten zu schaffende Entgeltrahmenregelung die Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Infrastrukturbetreiber nach Art. 4 Richtlinie 2012/34/EU wahren muss, wird deutlich, dass sich die geforderte Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers auf sein Verhältnis zum Gesetzgeber bezieht. Dies wird schließlich auch durch den neu eingefügten Art. 29 Abs. 1 UAbs. 5 Richtlinie 2012/34/EU bestätigt, wonach die Mitgliedstaaten nur dann dem jeweiligen nationalen Parlament das Recht einräumen dürfen, die vom Infrastrukturbetreiber festgelegten Entgelte zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren, wenn diese Befugnis vor dem 15. Dezember 2010 unmittelbar durch Verfassungsrecht gewährt wurde. In allen anderen Fällen steht den nationalen Parlamenten ein solches Prüfungsrecht nicht zu. Hieraus folgt, dass sich die richtlinienrechtlich geforderte Unabhängigkeitsgarantie des Infrastrukturbetreibers auch auf sein Verhältnis zum Gesetzgeber bezieht. Fraglich ist, ob sich die Unabhängigkeitsgarantie darüber hinaus auf das Verhältnis des Infrastrukturbetreibers zu (unabhängigen) Gerichten282 und zur (unabhängigen) Regulierungsstelle erstreckt. Dieses Problem ist insbesondere im Zusammenhang mit der Regulierung der von den Infrastrukturbetreibern erhobenen Nutzungsentgelte durch die jeweilige nationale Regulierungsstelle von erheblicher Bedeutung. Es stellt sich die Frage, ob die vom Gerichtshof aufgestellten Direktiven, 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43. 280 EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 33 ff. 281 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 44 ff. 282 Bejahend im Zusammenhang mit der Billigkeitskontrolle von Trassen- und Stationsentgelten nach § 315 BGB Leitzke, N&R 2013, 70 (73 f.); Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 40 f.; ablehnend KG Berlin, Urteil vom 17. 01. 2013 – 2 U 10/11 (Kart), S. 9; KG Berlin, Urteil vom 31. 01. 2013 – 2 U 1/11 (Kart), S. 8; LG Berlin, Urteil vom 11.06 – 5 O 177/12, S. 17 f.

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wonach der Infrastrukturbetreiber über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen müsse283 und wonach eine Berechnung des Entgelts nach Maßgabe einer ministeriell festgelegten Form mit der Unabhängigkeitsgarantie unvereinbar sei284, auch im Verhältnis zwischen Infrastrukturbetreiber und (unabhängiger) Regulierungsstelle gelten. Diese Frage stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit einer möglichen Anreizregulierung durch die Regulierungsbehörde zum Zwecke der Senkung der Zugangsentgelte (vgl. Art. 30 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU). Denn durch die Setzung einer (Preis-)Obergrenze im Wege einer Anreizregulierung wird der Gestaltungsspielraum des Infrastrukturbetreibers regelmäßig erheblich begrenzt. Der Wortlaut („Mitgliedstaaten“) der entsprechenden Regelungen (vgl. nur Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU) deutet darauf hin, dass die Mitgliedstaaten als solche und damit auch die von ihnen eingerichteten (unabhängigen) Regulierungsstellen die Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers wahren müssen. Sinn und Zweck der Unabhängigkeitsgarantie untermauern diese Deutung. Der Gerichtshof hat in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass die Einräumung von Spielräumen bei der Festsetzung der Nutzungsentgelte dem Ziel dient, den Infrastrukturbetreibern Anreize zur effektiven Nutzung der Fahrwege zu setzen285. Art. 26 sowie Erwägungsgrund 43 Richtlinie 2012/34/EU tragen diesem auf eine effektive Nutzung der verfügbaren Fahrwegkapazität gerichteten Schutzanliegen Rechnung und konkretisieren insoweit die Rechtsprechung des Gerichtshofes. Soll den Infrastrukturbetreibern im Interesse einer effektiven Nutzung der Fahrwege ein gewisser Spielraum eingeräumt werden, ist es mit Blick auf dieses Schutzziel letztlich unerheblich, ob er durch die Regierung, das Parlament oder durch eine (unabhängige) Regulierungsstelle eingeengt wird. Das auf effektive Nutzung der Fahrwegkapazitäten gerichtete Schutzziel spricht für eine universelle Geltung der Unabhängigkeitsgarantie, also dafür, dass der dem Infrastrukturbetreiber verbleibende Gestaltungsspielraum nicht nur im Verhältnis zur Regierung und zum Parlament, sondern auch im Verhältnis zur (unabhängigen) Regulierungsstelle zu wahren ist. Gleichwohl wird man der (unabhängigen) Regulierungsstelle im Vergleich zur Regierung und zum Parlament weiterreichende Kontroll- und Steuerungsrechte zubilligen und insoweit von einem System abgestufter Regulierungstiefe ausgehen müssen. Hierfür sprechen Sinn und Zweck des Art. 4 Richtlinie 2012/34/EU. Wie soeben dargelegt, zielt die Unabhängigkeitsgarantie auf eine effektive Nutzung der 283 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43. 284 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 44. 285 EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-483/10 – Kommission/Spanien, Rn. 49 f.; EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10, – Kommission/Ungarn, Rn. 79; EuGH, Urteil vom 11. 07. 2013, C-545/10 – Kommission/Tschechische Republik, Rn. 35; EuGH, Urteil vom 03. 10. 2013, C-369/11 – Kommission/Italien, Rn. 43.

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Fahrwege. Zu diesem Zweck verlangt Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU, dass die Infrastrukturbetreiber über ein eigenes Vermögen, einen eigenen Haushalt und eine eigene Rechnungsführung verfügen müssen. Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU schreibt zusätzlich vor, dass die Infrastrukturbetreiber für die eigene Geschäftsführung, Verwaltung und interne Kontrolle verantwortlich sind. Art. 4 Abs. 1 und 2 Richtlinie 2012/34/EU ist Ausdruck des Strukturgesetzes einer jeden Liberalisierungskonzeption, nämlich der strikten Trennung von hoheitlichen und betrieblichunternehmerischen Aufgaben. Durch Trennung beider Funktionsbereiche soll der zu Ineffizienzen führende Zielkonflikt zwischen Gemeinwohlsicherung einerseits und Wirtschaftlichkeit andererseits vermieden werden. Aus diesem Grund erhalten Infrastrukturbetreiber einen Autonomiebereich, der sicherstellen soll, dass die Unternehmen die ihnen übertragenen betrieblich-wirtschaftlichen Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen können. Hieraus erhellt, dass Art. 4 Richtlinie 2012/34/ EU in erster Linie Schutz vor den zu politischem Handeln berufenen Organen der Regierung und der gesetzgebenden Körperschaften in den Mitgliedstaaten gewährt. Eine klare Trennung zwischen gemeinwohlbezogenen politischen und betrieblichwirtschaftlichen Aufgaben setzt voraus, dass politische Akteure keinen Einfluss auf die Unternehmensführung der Infrastrukturbetreiber gewinnen können. Ein vergleichbarer Interessenkonflikt besteht im Verhältnis der Infrastrukturbetreiber zu Regulierungsstellen nicht, weil diese ihrerseits institutionell unabhängig sind und weil sich ihre auf die Herstellung funktionsfähigen Wettbewerbs gerichteten Gestaltungs- und Kontrollfunktionen von den Aufgaben politischer Funktionsträger wesentlich unterscheiden. Dass die Unabhängigkeitsgarantie der Infrastrukturbetreiber im Verhältnis zu Regulierungsstellen nicht mit der gleichen Intensität auf Verwirklichung drängt, wird weiter dadurch belegt, dass die Mitgliedstaaten – im Rahmen der Entgeltregulierung – zum Zweck der Senkung der Zugangsentgelte (vgl. Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/ 34/EU) entsprechende aufsichtsrechtliche Maßnahmen vorsehen können (vgl. Art. 30 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU). Die hierdurch eröffnete Möglichkeit einer Anreizregulierung impliziert die Befugnis der (unabhängigen) Regulierungsstelle, den dem Infrastrukturbetreiber bei der Festsetzung der Nutzungsentgelte zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum erheblich zu begrenzen. Art. 30 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU zeigt, dass der Regulierungsstelle im Vergleich zur Regierung und zum Parlament weiterreichende Steuerungs- und Kontrollrechte eingeräumt werden dürfen. Der Vergleich mit anderen Bereichen der Netzwirtschaften, in denen das Instrument der Anreizregulierung zum Einsatz kommt, belegt, dass sich Infrastrukturbetreiber auch im Eisenbahnsektor eine Begrenzung ihrer Gestaltungsspielräume gefallen lassen müssen. Hiergegen lässt sich nicht anführen, dass im Gegensatz zu anderen Netzwirtschaften im Eisenbahnsektor die Unabhängigkeit der Infrastrukturbetreiber ausdrücklich geregelt ist. Denn mit einer solchen ausdrücklichen Kodifizierung des Unabhängigkeitsstatus trägt die Union lediglich dem Umstand Rechnung, dass sich die Infrastrukturbetreiber in den Mitgliedstaaten regelmäßig in staatlicher Hand befinden. Deshalb ist der grundrechtliche, Unab-

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hängigkeit vermittelnde Schutz der Infrastrukturbetreiber zweifelhaft. Im Gegensatz hierzu können sich in anderen Netzwirtschaften die Betreiber von Infrastrukturen regelmäßig auf Grundrechte berufen, so dass eine ausdrückliche Regelung ihrer Unabhängigkeit von Regierung und nationalem Parlament nicht erforderlich ist. Dass die Unabhängigkeitsgarantie der Infrastrukturbetreiber nicht mit gleicher Intensität im Verhältnis zu der jeweiligen (unabhängigen) Regulierungsstelle auf Verwirklichung drängt, wird schließlich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes unter Beweis gestellt. Im Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn hatte die Regierung die Befugnis des zuständigen Ministeriums zur Festsetzung eines Höchstbetrags für Wegeentgelte mit dem Argument gerechtfertigt, dass aufgrund der Monopolstellung des Infrastrukturbetreibers eine Preisregulierung erforderlich sei. Vor dem Gerichtshof hat diese Argumentation kein Gehör gefunden. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es Aufgabe der betreffenden Regulierungsstelle oder einer anderen Stelle sei, die über dasselbe Maß an Unabhängigkeit verfügt, den Wettbewerb auf den Schienenverkehrsdienstleistungsmärkten zu überwachen und für die Wahrung der entsprechenden Entgeltregulierungsvorschriften Sorge zu tragen286. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes beruht also auf einem System abgestufter Regulierungstiefe. Die Infrastrukturbetreiber verfügen im Verhältnis zur Regierung und zum Parlament über einen vergleichsweise größeren Spielraum bei der Festsetzung der Nutzungsentgelte. Demgegenüber müssen sich die Infrastrukturbetreiber im Verhältnis zu den (unabhängigen) Regulierungsstellen eine vergleichsweise stärkere Begrenzung ihres Gestaltungsspielraums gefallen lassen. Das bedeutet nicht, dass dieser Gestaltungsspielraum gleichsam „auf Null“ reduziert werden könnte. Auch im Verhältnis zur (unabhängigen) Regulierungsstelle bleibt die in Art. 29 Richtlinie 2012/34/EU geregelte Zuständigkeitsverteilung unberührt. Nach der Zuständigkeitsverteilung nimmt der Infrastrukturbetreiber die „Berechnung und Erhebung“ des Wegeentgelts vor (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 4 Richtlinie 2012/34/EU). Von einer „Berechnung und Erhebung“ kann nicht die Rede sein, wenn die Festsetzung der Wegeentgelte letztlich nur einen automatenhaften Vollzug einer von der Regulierungsstelle entwickelten Formel darstellt. Vielmehr müssen dem Infrastrukturbetreiber auch im Verhältnis zur Regulierungsstelle hinreichende Spielräume bei der Berechnung und Erhebung der Wegeentgelte zur Verfügung stehen, auch wenn diese Spielräume nicht so weit reichen müssen wie im Verhältnis zur Regierung und zum Parlament. bb) Verfassungsrecht (Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG) Die unionsrechtliche Direktive, wonach Infrastrukturbetreiber über eine unabhängige Geschäftsführung verfügen müssen (vgl. Art. 4 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU), findet ihre Entsprechung in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG, der – wenngleich nicht explizit, aber implizit – den Eisenbahninfrastrukturunternehmen 286

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-473/10 – Kommission/Ungarn, Rn. 39.

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des Bundes einen Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung garantiert. Wie bereits dargelegt, ist die Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben das Fundament der Reform des Eisenbahnverfassungsrechts. Im Interesse dieser klaren Trennung verfügen die Eisenbahnen des Bundes kraft Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG über einen umfassenden Autonomiebereich, welcher der externen Einflussnahme durch den Bund Schranken setzt287. Mit der Grundgesetzänderung wurden Eisenbahnen des Bundes aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert und organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell verselbständigt288. Der Zweck der Verfassungsreform lag gerade darin, den Eisenbahnen des Bundes einen „Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung“ einzuräumen289. Ungeachtet der Frage, ob Eisenbahnen des Bundes Träger von Grundrechten sind und schon deshalb (grundrechtliche) Unabhängigkeit beanspruchen können290, folgt der Unabhängigkeitsstatus der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes in jedem Fall aus Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG. Mit der durch Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG verankerten Unternehmensautonomie wäre der Abschluss eines Beherrschungsvertrages zwischen dem Bund und den Eisenbahnen des Bundes und die damit eröffnete Möglichkeit von Weisungen durch die „Obergesellschaft“ unvereinbar291. Demgegenüber wird in einer neueren Monografie der Standpunkt vertreten, dass die Bildung entsprechender Konzernbeziehungen zwischen Bund und den Eisenbahnen des Bundes sowie die Einräumung von Weisungsbefugnissen des Bundes von Verfassungs wegen zulässig seien. Begründet wird diese Auffassung damit, dass eine solche Weisungsbefugnis nach dem GmbHStatut (vgl. § 37 GmbHG) zulässig sei. Da das Grundgesetz die Aktiengesellschaft als Organisationsmodell für die Eisenbahnen des Bundes nicht vorschreibe, sondern sich der Gesetzgeber auch für die Organisationsform einer GmbH hätte entscheiden können, müsse die Einräumung von Weisungsrechten unabhängig von der gewählten Organisationsverfassung prinzipiell möglich sein292. Im Ergebnis wird gleichwohl mit Hinweis auf § 8 AEG, demzufolge die öffentlichen Eisenbahnen in ihrer Leitung und Geschäftsführung von Gebietskörperschaften unabhängig sein müssen, die

287 Zur verfassungskräftigen Unternehmensautonomie der Eisenbahnen des Bundes vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (543 und 555 ff.); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 39; Jochum, NVwZ 2005, 779, 781; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 52. 288 Vgl. BVerfGE 129, 356 (368). 289 BVerfGE 129, 356 (368); vgl. hierzu Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 245 ff.; dies., DVBl. 2012, 1290 ff. 290 Zur Grundrechtsberechtigung der DB AG und ihrer (Eisenbahnverkehrsunternehmensund Eisenbahninfrastrukturunternehmens-)Töchter Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 53 m.w.N. 291 Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 59. 292 Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 311 f. 321 ff.

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Zulässigkeit einer solchen Konzernierung abgelehnt293. Hierbei wird übersehen, dass die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten der externen Einwirkung auf Eisenbahnen des Bundes durch den aus Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG und aus Art. 4 Abs. 2, Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU folgenden Unabhängigkeitsstatus der Eisenbahninfrastrukturunternehmen überformt sind. Auch bei einer Organisationsentscheidung zugunsten der GmbH müsste die nach dem GmbH-Statut bestehende Möglichkeit der Weisung (§ 37 GmbHG) ausgeschlossen werden, um den grundgesetzlich und unionsrechtlich erforderlichen Autonomiebereich der Eisenbahninfrastrukturunternehmen gewährleisten zu können. Die Reform des Eisenbahnverfassungsrechts geht über eine schlichte Organisationsprivatisierung hinaus. Ihr Kernanliegen beruht auf einer strikten Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben und auf einer strikten Separierung der entsprechenden Verantwortlichkeiten294. Während der Bund den gemeinwohlorientierten Zwecken des Art. 87e Abs. 4 GG verpflichtet ist, beruht das Funktionsgesetz der Eisenbahnen des Bundes auf kommerziellen Zielsetzungen (Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG). Um der Gefahr wirksam vorzubeugen, dass die durch eine politisch geführte Bahn bewirkten (gemeinwohlschädigenden) Ineffizienzen mit Gemeinwohlbelangen „gerechtfertigt“ bzw. kaschiert werden, hat sich der Verfassungsgesetzgeber für eine klare Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben entschieden. Diese Trennung setzt nicht nur eine organisatorische Verselbständigung, sondern auch die Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahnen des Bundes voraus. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichtes: „Die Grundgesetzänderung sollte aber gerade nicht einer Integration der Bahn in die öffentliche Verwaltung nebst ihrer Eingliederung in den Staatshaushalt Vorschub leisten, sondern ihre organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Verselbständigung befördern (vgl. BTDrucks 12/5015, S. 7). Mit der im Grundgesetz nunmehr vorgesehenen Führung der Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form sollte deren kommerzielle Ausrichtung abgesichert und ihnen ein Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung eingeräumt werden (vgl. BTDrucks 12/5015, S. 7). Mit dieser Zielsetzung wäre es unvereinbar, die einzelnen wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens unter parlamentarische Kontrolle zu stellen.“295

Dieser nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG geschuldete Freiraum „unternehmerischer Selbststimmung“ stünde dem Abschluss von Beherrschungsverträgen zwischen dem Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes sowie der Einräumung entsprechender Weisungsrechte zugunsten des Bundes entgegen. Anderenfalls würde die Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Aufgaben unterminiert und damit das zentrale Anliegen der Eisenbahnverfassungsreform verfehlt. Die nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG gebotene Unternehmensautonomie entspricht der aus Art. 4 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU folgenden Direktive, 293 Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 323. 294 Vgl. BT-Drs. 12/5015, 5. 295 BVerfGE 129, 356 (368).

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wonach Infrastrukturbetreiber über eine unabhängige Geschäftsführung verfügen müssen296. Die Notwendigkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung besteht nicht, weil die Zielsetzung, die Unabhängigkeit der Geschäftsführung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu gewährleisten, bereits auf der Ebene des Verfassungsrechts (Art. 87e Abs. 1 GG) verwirklicht ist. c) Führung als Wirtschaftsunternehmen aa) Unionsrecht Während gemäß Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU Eisenbahnunternehmen nach den „für Wirtschaftsunternehmen“ geltenden Grundsätzen zu führen sind, sieht die Richtlinie 2012/34/EU für Infrastrukturbetreiber keine entsprechende Funktionsdirektive vor. Für Infrastrukturbetreiber ist allein deren Unabhängigkeit verbindlich vorgeschrieben (Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU). Sie müssen aber – im Gegensatz zu Eisenbahnunternehmen – nicht mit der Rationalität eines Wirtschaftsunternehmens geführt werden. Allerdings verpflichtet Art. 26 Richtlinie 2012/34/EU die Infrastrukturunternehmen zur Vermarktung und zur effektiven Nutzung der Fahrwegkapazitäten. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten den Regulierungsrahmen in einer Weise auszugestalten, dass die Infrastrukturbetreiber die verfügbaren Fahrwegkapazitäten vermarkten und so effektiv wie möglich nutzen können (vgl. auch Erwägungsgrund 43 Richtlinie 2012/34/EU). Art. 26 Richtlinie 2012/34/EU liegt ein Effizienzgebot („so effektiv wie möglich“) zugrunde. Darüber hinaus wird die Fahrwegkapazität297 als Wirtschaftsgut verstanden, das auf dem Markt angeboten wird und das sich im (intermodalen) Wettbewerb (mit anderen Verkehrsträgern) behaupten muss („vermarkten“). Dieses durch Art. 26 Richtlinie 2012/34/EU begründete Vermarktungsgebot weist eine deutliche Parallele zum Funktionsgesetz des Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU auf, wonach Eisenbahnunternehmen nach den für Wirtschaftsunternehmen geltenden Grundsätzen zu führen sind; es reicht aber nicht so weit. Dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2012/34/EU nicht verpflichtet sind, auch Infrastrukturbetreibern die Führung ihrer Gesellschaften als „Wirtschaftsunternehmen“ vorzuschreiben, bedeutet selbstredend nicht, dass den Mitgliedstaaten eine entsprechende Regelung untersagt wäre. Die Mitgliedstaaten sind nicht daran gehindert, die für Eisenbahnunternehmen nach Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinien 296

Dies wird von Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 312, gesehen, ohne dass hieraus die notwendigen Konsequenzen gezogen werden: Der Abschluss von Beherrschungsverträgen zwischen dem Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes wäre nicht nur – gem. § 8 Abs. 1 AEG – einfachgesetzlich (in diesem Sinne Heise, a.a.O., S. 323), sondern bereits unionsrechtlich (und verfassungsrechtlich) unzulässig. 297 Nach der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 24 Richtlinie 2012/34/EU ist Fahrwegkapazität die Möglichkeit, für einen Teil des Fahrwegs für einen bestimmten Zeitraum beantragte Zugtrassen einzuplanen.

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2012/34/EU geltenden Funktionsbedingungen auch für Infrastrukturbetreiber vorzusehen. bb) Verfassungsrecht (Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG) Das Verfassungsrecht geht über den (Mindest-)Standard des Unionsrechts hinaus, der allein für Eisenbahnunternehmen die Führung nach für Wirtschaftsunternehmen geltenden Grundsätzen verbindlich vorschreibt. Nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG werden Eisenbahnunternehmen als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt. Das auf Gewinnerzielung gerichtete Funktionsgesetz des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG gilt für Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen gleichermaßen298. Bereits aus dem Wortlaut der Norm folgt diese Gleichstellung. In Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG ist von „Eisenbahnen des Bundes“ die Rede, die sich in Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufspalten (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG). In der Norm fehlt jedweder Anhaltspunkt dafür, dass Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Gegensatz zu Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht ausschließlich kommerziell ausgerichtet sein sollen299. Wie bereits dargelegt, meint die Bezeichnung „als Wirtschaftsunternehmen“ nicht „ähnlich wie“, sondern umschreibt in verfassungsverbindlicher Form den Zweck der auf den Eisenbahnmärkten tätigen Unternehmen300. Privatwirtschaftliche Ziele stehen im Gegensatz zu den auf umfassende Gemeinwohlhervorbringung gerichteten gemeinwirtschaftlichen Unternehmenszielen. Wirtschaftlichkeit erfasst Gemeinwirtschaftlichkeit gerade nicht301. Erforderlich ist eine an kaufmännischen Leitprinzipien orientierte Unternehmenspolitik der Eisenbahnen des Bundes. Die von Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu erbringenden (Dienst-)Leistungen werden als Wirtschaftsgut verstanden, durch dessen Angebot am Markt Gewinne 298 Statt aller vgl. Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 7; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 49. 299 Vgl. Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (528), die zu Recht darauf hinweisen, dass einer Aufspaltung der Eisenbahnen des Bundes in zwei Unternehmenstypen durch Art. 87e Abs. 1 Satz 1 GG der Weg versperrt ist; siehe bereits Gersdorf, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 49. 300 Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (535 f.); Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 80, 82; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 5; ders., AöR 131 [2006], 1 (11 f.); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 41 f.; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 42; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 47. 301 Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 8; Fromm, DVBl. 1994, 187 (191 f.); Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (535); Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 82; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 5; ders., AöR 131 [2006], 1 (12); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 41 f.; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 42; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 47.

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erzielt werden sollen. Dies bedeutet nach außen eine Orientierung am Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern und nach innen eine Ausrichtung der Unternehmensziele auf eine Optimierung des Unternehmensgewinnes302. Die „marktwirtschaftliche Handlungsrationalität“303 ist das Funktionsgesetz der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes. Der sogenannte Schienenwegevorbehalt des Art. 87e Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GG führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Privatisierungssperre des Art. 87e Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GG soll verhindern, dass sich der Bund durch vollumfängliche oder mehrheitliche Veräußerung seiner Anteile an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen seiner Gewährleistungsverpflichtung nach Art. 87e Abs. 4 GG entledigt. Das allein auf Eisenbahnen des Bundes bezogene Substrat der Gewährleistungsgarantie des Art. 87e Abs. 4 GG soll im Zuge einer Privatisierung von Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes nicht entfallen können304. Darüber hinaus soll durch den Schienenwegevorbehalt die Möglichkeit eines unternehmensinternen Einflusses des Bundes auf Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf Dauer garantiert werden305. Eine weitergehende Funktion besitzt Art. 87e Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GG nicht306. Insbesondere lässt der Schienenwegevorbehalt die ausschließlich auf kommerzielle Zielsetzungen gerichtete Unternehmensrationalität (auch) der Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG unberührt und ergänzt diese nicht durch gemeinwohlorientierte Zielsetzungen im Sinne des Art. 87e Abs. 4 GG307. Die Ausübung gesellschaftsrechtlicher Einwirkungsrechte ist nur nach Maßgabe strikter Wahrung der in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG verbürgten 302 Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 8; Hommelhoff/ Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (533 ff.); Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 82; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 5; ders., AöR 131 [2006], 1 (12); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581); Wilkens, Wettbewerbsprinzip und Gemeinwohlorientierung bei der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen, S. 41; Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 42; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 47. 303 BVerfGE 129, 356 (369). 304 Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 13; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 59. 305 Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 59. 306 Vgl. hierzu bereits Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 60. 307 So aber Burger, Zuständigkeit und Aufgaben des Bundes für den öffentlichen Personenverkehr nach Art. 87e GG, S. 79; Stamm, Eisenbahnverfassungsrecht und Bahnprivatisierung, S. 107 f.; ähnlich Ehlers/kcw, Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes (EBNeuOG). Verfassungsrechtliche und ökonomische Bewertung, S. 35 ff.; vgl. auch Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, die insoweit uneinheitlich argumentiert, als sie einerseits auf den S. 339 ff. eine Implementierung des Gemeinwohlauftrages des Art. 87e Abs. 4 GG in die Entscheidungsrationalität der Eisenbahninfrastrukturunternehmen als „zweifelhaft“ (S. 339) bezeichnet, andererseits auf S. 353 – im Zusammenhang mit der Frage nach der Grundrechtsberechtigung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen – von einem „doppelten“ Unternehmenszweck der Eisenbahninfrastrukturunternehmen ausgeht.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

Strukturprinzipien zulässig308. Aus dem – durch Art. 87e Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GG festgeschriebenen – (Mehrheits-)Anteil des Bundes an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen lässt sich keine Berechtigung zur Verwirklichung des Gewährleistungsauftrages des Art. 87e Abs. 4 GG ableiten. Die durch den Schienenwegevorbehalt zu sichernden Herrschaftsbefugnisse eines Mehrheitsaktionärs lassen die Frage unberührt, zu welchem Zweck diese Herrschaftsrechte ausgeübt werden dürfen. Dieser Zweck bestimmt sich ausschließlich nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG. Es gibt keinerlei Belege im geltenden Verfassungsrecht, dass der durch Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG festgelegte Unternehmenszweck der Eisenbahninfrastrukturunternehmen durch Art. 87e Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GG modifiziert ist309. Bereits dem Wortlaut nach regelt diese Verfassungsbestimmung allein die Eigentümerstellung des Bundes an Eisenbahninfrastrukturunternehmen, nicht aber den Unternehmenszweck, der in Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG niedergelegt ist. Die Entstehungsgeschichte belegt dieses Auslegungsergebnis. Art. 87e Abs. 3 Satz 2 und 3 GG stellt einen Ausgleich zu den noch weitergehenden Forderungen des Bundesrates dar, das Eigentum an Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes vollständig beim Bund zu belassen310. Dieser Kompromisscharakter der verfassungsrechtlichen Entscheidung würde infrage gestellt, wenn man unter Berufung auf Art. 87e Abs. 3 Satz 2 und 3 GG Gemeinwohlbelange in die Entscheidungsrationalität von Eisenbahninfrastrukturunternehmen inputierte311. In der Sache läge dann ein „bloß verwaltendes Unternehmen“312 vor; ein Zustand, der durch die Verfassungsreform gerade überwunden werden sollte. Die von dem Bundesrat angemahnte Gemeinwohlsicherung wird verfassungsrechtlich allein durch Art. 87e Abs. 4 GG unterfangen. Der hierdurch begründete Gewährleistungsauftrag verpflichtet ausschließlich den Bund, nicht aber die Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die gemäß Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG allein nach Maßgabe kaufmännischer Grundsätze zu führen sind. Die gewinnorientierte Entscheidungsrationalität der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des

308

Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 60; ders., Vereinbarkeit des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes (EBNeuOGE – Stand: 08. 03. 2007) mit Art. 87e GG, Rechtsgutachten im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland, S. 39 ff.; ebenso Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 13; Fehling, DÖV 2002, 793 (796); Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 [1996], 521 (554 ff.); Lang, NJW 2004, 3601 (3604); Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 80 f.; Kühling, Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften, S. 554 f.; Möstl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 91 ff.; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 6. 309 Vgl. BVerfGE 129, 356 (368 f.). 310 Vgl. hierzu Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 38 ff. 311 So deutlich BVerfGE 129, 356 (369: „Den angestrebten Ausgleich [vgl. BTDrucks 12/ 5015, S. 8] zwischen den Positionen von Bundesregierung und Bundesrat würde eine solche Auslegung verfehlen“). 312 Vgl. hierzu Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 40.

I. Unions- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen

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Bundes bleibt durch Art. 87e Abs. 3 Satz 2 und 3 GG unberührt313. Schließlich würde das Kernanliegen der Reform des Eisenbahnverfassungsrechts aus dem Jahre 1993 unterminiert, sofern man den Unternehmenszweck der Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach Art. 87e Abs. 3 Satz 3 GG kraft des Schienenwegevorbehalts des Art. 87e Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GG durch Gemeinwohlbelange im Sinne des Art. 87e Abs. 4 GG ergänzte und dem Bund auf diese Weise die Befugnis einräumte, in seiner Eigenschaft als Aktionär Gemeinwohlbelange im Sinne des Art. 87e Abs. 4 GG zu verwirklichen314. Die Bahnreform beruht auf einer klaren Trennung zwischen unternehmerischen und hoheitlichen, gemeinwohlorientierten Funktionen. Diese mit der Verfassungsreform intendierte klare Trennung würde aufgeboben, wenn man die kommerzielle Entscheidungsrationalität der Eisenbahninfrastrukturunternehmen durch eine Gemeinwohlorientierung erweiterte. In Ermangelung verfassungsrechtlicher Vorrangkriterien für mögliche Zielkonflikte ließen sich Infrastrukturunternehmen dann gleichsam beliebig zu kommerziellen Zwecken im Sinne des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG beziehungsweise umgekehrt zu gemeinwohlorientierten Zwecken im Sinne des Art. 87e Abs. 4 GG einsetzen. Das wäre ein Rückfall in den Zustand vor der Bahnreform: in die politisch gesteuerte Staatsbahn315. Wie bereits dargelegt, ist das Wirtschaftlichkeitsgebot im Sinne des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG von dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit strikt zu unterscheiden. Der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 7 Abs. 1 BHO) soll einer Verschwendung öffentlicher Mittel durch die öffentliche Verwaltung vorbeugen. Er ist indes nicht auf Gewinnerzielung gerichtet. Demgegenüber geht das Wirtschaftlichkeitsgebot des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG über diesen haushaltsrechtlichen Grundsatz hinaus. Unternehmen werden nur dann „als Wirtschaftsunternehmen“ im Sinne des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG geführt, wenn ihre Handlungsrationalität auf die Erzielung eines (markt-)angemessenen Gewinns gerichtet ist. Die (markt-)angemessene Verzinsung der von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes eingesetzten Eigenmittel ist eine der beiden Vorgaben des Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG.

313

Freise, in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, GG, A 1.1, Art. 87e Rn. 31; Möstl, in: Maunz/ Dürig (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 121; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 60; vgl. auch Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 55. 314 Vgl. auch BVerfGE 129, 356 (368). 315 Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 87e Rn. 60.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

II. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB 1. Stand der Rechtsprechung und Literatur zu § 315 BGB Ob die von Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhobenen Nutzungsentgelte einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegen, gehört zu den intensiv erörterten und wirtschaftlich sehr bedeutsamen Fragen des Eisenbahnregulierungsrechts. Kern des Streits ist das Verhältnis zwischen der zivilgerichtlichen Billigkeitskontrolle und dem Eisenbahnregulierungsrecht. Es geht vor allem darum, ob die eisenbahnrechtlichen Regulierungsmaßstäbe (§§ 14 ff. AEG, §§ 21 ff. EIBV) und die zur Wahrung dieser Maßstäbe gesetzlich begründeten Regulierungsbefugnisse der BNetzA (§§ 14e und 14 f AEG) einer Billigkeitskontrolle der Infrastrukturnutzungsentgelte entgegenstehen. In der Literatur wird diese Frage seit längerem kontrovers erörtert. Die Vertreter, die sich für eine parallele Anwendung aussprechen, begründen ihre Auffassung vor allem mit den unterschiedlichen Regelungszwecken des Eisenbahnregulierungsrechts einerseits und der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB andererseits sowie mit verfahrensrechtlichen Defiziten einer effektiven Entgeltregulierung durch die BNetzA316. Die Gegenansicht317 verweist insbesondere auf die Gefahr abweichender Entscheidungen, auf die Spezialität des eisenbahnrechtlichen Diskriminierungsverbots, auf den Charakter des Eisenbahnrechts als „sonderkartellrechtliche Ausprägung von Billigkeit und Angemessenheit“318 sowie auf die Besonderheiten des eisenbahnrechtlichen Rechtsschutzsystems. Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 18. Oktober 2011 zur Erhöhung von Stornierungsentgelten im Trassenpreissystem 2008 die Anwendbarkeit des § 315 BGB auf Infrastrukturnutzungsentgelte bejaht. Nach Auffassung des BGH liegen die allgemeinen Voraussetzungen einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auch im Fall der Infrastrukturnutzungsentgelte vor. Hierbei sei nicht maßgeblich, ob der Nutzungsvertrag ein auf den Inhalt des Vertrages bezogenes explizites oder konkludentes Bestimmungsrecht des Infrastrukturbetreibers enthalte. Vielmehr 316 Bremer/Höppner, N&R 2010, Beilage 1, 1 (6 f.); Hermes, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. I, § 25 Rn. 119; Jung, N&R 2012, 45 (47); Kramer, in: Kunz (Hrsg.) Eisenbahnrecht, § 14 AEG Rn. 49; Kühling, N&R 2013, 139 (142 mit Fn. 26); Ostendorf, NVwZ 2012, 192; Plug, Eisenbahnregulierung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht, S. 165 f., 173, 191, 192 f.; Steinmann, IR 2009, 152 ff.; Schröder, IR 2009, 93 f. 317 Bredt, N&R 2009, 235 (238 ff.); ders./Fassbender, IR 2009, 142 f; Makatsch, IR 2009, 162 (163); Röckrath/Linsmeier, Zivilrechtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und Eisenbahnrecht, S. 67 ff.; Röckrath/Linsmeier, Zivilrechtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und Eisenbahnrecht, S. 32 ff.; Ruge, DVBl. 2005, 1405 (1411), ders., AöR 131 [2006], 1 (60 f.); Schwintowski, N&R 2005, 90 ff.; Staebe, in: Schmitt/Staebe (Hrsg.), Eisenbahnregulierungsrecht, Rn. 555; differenzierend Otte, LMK 2012, 327729. 318 Otte, LMK 2012, 327729.

II. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB

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finde § 315 BGB auch dann Anwendung, wenn sich die Parteien bei Vertragsschluss über den Preis nicht einigen konnten, den Vertrag aber gleichwohl in Ermangelung zumutbarer Alternativen durchgeführt haben319. Diese Voraussetzung liege vor, wenn ein Eisenbahnverkehrsunternehmen der Entgeltforderung beim Abschluss des jeweiligen Nutzungsvertrages widersprochen habe. Die Rechtsfolge dieses Einigungsmangels wäre gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass der Nutzungsvertrag im Zweifel nicht wirksam zu Stande gekommen und die Leistungsbeziehungen der Parteien nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln sind. Da dies nicht interessengerecht sei, könne die Vertragslücke sinnvollerweise nur durch eine analoge Anwendung des § 315 BGB geschlossen werden320. Im gegebenen Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind die Ausführungen des BGH zum Verhältnis der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zum Eisenbahnregulierungsrecht. Der BGH sieht keinen Grund für eine Unanwendbarkeit des § 315 BGB und nennt hierfür zwei Argumente321. Zum einen deckten sich die Maßstäbe des eisenbahnrechtlichen Regulierungsrechts nicht vollständig mit denen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB. Im Zentrum des Schutzzwecks des Eisenbahnregulierungsrechts (§§ 14 ff. AEG, §§ 21 ff. EIBV) stehe die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur, um auf diese Weise ein betriebssicheres, attraktives und wettbewerbskonformes Verkehrsangebot auf der Schiene zu ermöglichen. Demgegenüber beziehe sich der Maßstab der Billigkeit in § 315 BGB auf die Interessenlage der Parteien unter Berücksichtigung des Vertragszwecks und der Bedeutung der Leistung, deren angemessener Gegenwert zu ermitteln ist. Dieser Maßstab werde zwar durch die eisenbahnrechtlichen Entgeltbemessungsgrundsätze konkretisiert, ohne dass dadurch aber die auf den Schutz der (individuellen) Interessen der Parteien gerichtete, eigenständige Bedeutung des § 315 BGB entfalle322. Neben dieser Maßstabsdivergenz begründet der BGH seine Auffassung zum anderen damit, dass der gerichtliche Rechtsschutz in beiden Bereichen unterschiedlich ausgestaltet sei323. Eine Klage nach § 315 Abs. 3 BGB auf Festsetzung des billigen Entgelts durch das Gericht könne vom Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen erhoben werden. Die Klage führe zwingend zu einer Überprüfung des vom Eisenbahninfrastrukturunternehmen festgesetzten Entgelts und gegebenenfalls zu einer Herabsetzung auf den billigem Ermessen entsprechenden Betrag mit Wirkung ex tunc324. Demgegenüber seien die Möglichkeiten des Eisenbahnverkehrsunternehmens, sich nach dem AEG gegen eine als zu hoch

319 320 321 322 323 324

BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 12) unter Hinweis auf BGHZ 41, 271 (275 f.). BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 13). BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 14 ff.). BGH, NVwZ 2012, 189 (190 f., Rn. 17). BGH, NVwZ 2012, 189 (191, Rn. 18 ff.). BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 19).

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

empfundene Preisforderung zu wehren, „deutlich schwächer ausgestaltet“325. Das Gericht weist insoweit auf drei Besonderheiten des Verfahrens nach § 14 f Abs. 2 AEG hin326. Erstens sei unklar, ob die Vorschrift auch anwendbar sei, wenn der Vertrag trotz Fehlens einer Einigung über einen Teil der Entgeltregelung im Übrigen wirksam zustande gekommen ist. Zweites sei die BNetzA nicht verpflichtet, auf jeden Antrag hin stets ein Prüfungsverfahren durchzuführen; vielmehr verfüge sie insoweit über Entschließungsermessen. Schließlich bleibe drittens nach dem Wortlaut des Gesetzes offen, ob die Entscheidung auch Wirkung für die Vergangenheit oder nur für die Zukunft entfalten soll327. Die Instanzgerichte haben sich der Auffassung des BGH angeschlossen und gehen von der Zulässigkeit einer zivilgerichtlichen Billigkeitskontrolle der Infrastrukturnutzungsentgelte aus328.

2. Unionsrechtliche Problematik Während der BGH in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2011 als Prüfungsmaßstab ausschließlich das nationale Recht (§ 315 BGB und §§ 14 ff. AEG, §§ 21 EIBV) herangezogen und keine Aussage zur Unionsrechtskonformität einer neben das Eisenbahnregulierungsrecht tretenden Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB getroffen hat, wird diese Frage in der Literatur zunehmend erörtert. Vor dem Hintergrund der zur Umsetzung des Ersten Eisenbahnpakets in den Mitgliedstaaten ergangenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes wird die Auffassung vertreten, dass eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB der von Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhobenen Trassen- und Stationsentgelte mit Unionsrecht unvereinbar sei329. Eine solche Billigkeitskontrolle verstoße sowohl gegen die in Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG (Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU) verankerte Unabhängigkeitsgarantie der Infrastrukturbetreiber als auch gegen die durch Art. 30 Richtlinie 2001/14/EG (Art. 55, 56 Richtlinie 2012/34/EU) begründeten Kontrollbefugnisse der nationalen Regulierungsbehörde330. In einer umfangreichen Studie hat sich unlängst Ludwigs mit der Frage der Zulässigkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB von Infrastrukturnutzungs325

BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 20). Vgl. auch Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 22. 327 BGH, NVwZ 2012, 189 (190, Rn. 20). 328 Vgl. hierzu bereits oben unter B. III., S. 35 ff.; siehe auch Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 22 f. mit zahlreichen Nachweisen. 329 Vgl. Leitzke, N&R 2013, 70 (73 ff.); hiergegen Kühling, N&R 2013, 139 (142 mit Fn. 26). 330 Leitzke, N&R 2013, 70 (73 ff.). 326

II. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB

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entgelten beschäftigt331. Nach seiner Ansicht verstößt die Anwendung des § 315 BGB auf Nutzungsentgelte gleich fünffach gegen Vorgaben des unionsrechtlichen Eisenbahnrechts. Eine die sektorspezifische Regulierung ergänzende zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle missachte neben der Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers bei der Entgeltberechnung332 und der Maßstabsexklusivität des eisenbahnrechtlichen Entgeltsystems333 auch das sektorspezifische Diskriminierungsverbot334 sowie den verfahrensrechtlichen Vorrang des regulierungsrechtlichen Rechtsschutzes335 und die Exklusivität der Zuständigkeit der Regulierungsbehörde bei (Entgelt-)Regulierung336. Eine eingehende gerichtliche Überprüfung der Frage, ob eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB mit den unionsrechtlichen Vorgaben des Eisenbahnregulierungsrechts vereinbar ist, steht noch aus. Nur am Rande haben sich Instanzgerichte mit diesem Fragenkomplex beschäftigt. Ein Vorlageersuchen an den Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV ist bislang nicht erfolgt. Als Begründung dient den Gerichten oftmals der schlichte Hinweis auf die acte-clair-Doktrin337, also darauf, dass „die richtige Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts so offenkundig ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel bestehen“338. Insoweit begegnet allerdings gerade die konkrete Anwendungspraxis der Zivilgerichte erheblichen Bedenken. Derzeit sind sowohl die Trassenentgelte der DB Netz AG als auch die Stationsnutzungsentgelte der DB Station&Service AG Gegenstand zivilgerichtlicher Verfahren, in denen sich die Gerichte bisher auf die reine Feststellung der Unbilligkeit („Unbilligkeitsfeststellung“) beschränkt haben. Die gesetzlich vorgesehene Bestimmung der billigen Gegenleistung („Ersatzleistungsbestimmung“) ist hingegen unterblieben. Im Ergebnis führt diese Praxis der Zivilgerichte dazu, dass die Gerichte das vertraglich geschuldete Entgelt als unbillig ansehen und als billiges Entgelt lediglich anerkennen, was der Nutzer der Schienenwege bzw. Personenbahnhöfe selbst zu zahlen bereit ist. Aus unionsrechtlicher Perspektive verkennt diese 331

Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht. 332 Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 40 ff. 333 Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 50 ff. 334 Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 57 ff. 335 Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 60 ff. 336 Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 66 ff. 337 Vgl. hierzu Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 75. 338 KG Berlin, Urteil vom 29. 10. 2012 – 2 U 10/09 (Kart), S. 5; KG Berlin, Urteil vom 17. 01. 2013 – 2 U 10/11 (Kart), S. 9; KG Berlin, Urteil vom 31. 01. 2013 – 2 U 1/11 (Kart), S. 8.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

Rechtsprechung den durch Richtlinienrecht vorgegebenen Gestaltungsspielraum des Infrastrukturbetreibers in Bezug auf die Infrastrukturnutzungsentgelte339. Dieser Spielraum mag durch Entscheidungen der zuständigen Behörden oder Gerichte eingeschränkt werden können, nicht aber durch Festsetzungen von Eisenbahnunternehmen. Mit Unionsrecht unvereinbar ist es, wenn Zivilgerichte die Unbilligkeit von Infrastrukturnutzungsentgelten lediglich feststellen, auf die Festsetzung eines angemessenen Entgelts indes verzichten. Eine solche isolierte Unbilligkeitsfeststellung hat zur Folge, dass letztlich die Zugangsberechtigten über die Höhe der Nutzungsentgelte bestimmen. Eine solche Verfügungsbefugnis verstößt gegen Unionsrecht, weil es hiernach Aufgabe der Infrastrukturbetreiber ist, die Höhe der Nutzungsentgelte festzulegen340.

3. Defizit der bisherigen Diskussion: Ausblendung des Bezugsgegenstandes der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung Während das Verhältnis zwischen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und dem Eisenbahnregulierungsrecht insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Spezialität der eisenbahnrechtlichen Regulierungsmaßstäbe umfassend erörtert wurde, ist in diesem Zusammenhang der Bezugsgegenstand der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung bislang unbeachtet geblieben. Dieses Versäumnis kennzeichnet nicht nur die Diskussion auf einfachgesetzlicher Ebene, die allein das Verhältnis zwischen § 315 BGB einerseits und den §§ 14 ff. AEG, §§ 21 EIBV andererseits betrifft. Das gleiche Defizit prägt auch die unionsrechtliche Dimension des Problemkreises, d. h., ob eine Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB mit zwingenden Vorgaben des europäischen Eisenbahnrechts vereinbar ist. Das eigentliche Spannungsverhältnis zwischen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und dem Eisenbahnregulierungsrecht betrifft die Diversität des Bezugsgegenstandes für die Billigkeitskontrolle einerseits und für die eisenbahnrechtliche Entgeltregulierung andererseits. Während im Eisenbahnregulierungsrecht im Interesse der Ermöglichung einer netzweiten Mischkalkulation eine Gesamtheit 339 Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 28. 2. 2013, Az. C-483/10 – Kommission/Spanien, Tz. 44 sowie Urteil vom 11. 7. 2013, Az. C-545/10 – Kommission ./. Republik Tschechien, Tz. 35 und 40: „[Der Betreiber der Infrastruktur] … [hat] … von der Entgeltregelung als Gestaltungsinstrument Gebrauch zu machen.“ 340 Im Ergebnis ebenso Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 48 ff. Nach Ludwigs verstößt die Unbilligkeitsfeststellung nur dann gegen die unionsrechtliche Vorgabe der Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers, wenn sie mit einer Ersatzleistungsbestimmung verbunden wird. Da die Ersatzleistungsbestimmung und die Unbilligkeitsfeststellung nach § 315 BGB aber eine untrennbare Einheit bildeten, sei die Norm insgesamt unionsrechtswidrig.

II. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB

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der Eisenbahninfrastrukturen den Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung bildet [siehe a)], bezieht sich die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auf die konkret nachgefragte, (individual-)vertraglich vereinbarte Einzelleistung [siehe b)]. Die Verschiedenartigkeit des Bezugsgegenstandes bildet den Kern des Spannungsverhältnisses zwischen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und dem Eisenbahnregulierungsrecht. Der Vorrang des Unionsrechts und der hierdurch begründete Schutz des eisenbahnrechtlichen Mischfinanzierungssystems, das auf ein flächendeckendes Angebot an die Netznutzer zu netzweit auf denselben Grundsätzen beruhenden Entgelten zielt, erfordern den unbedingten Verzicht auf eine Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB [siehe c)]. Für eine Auslegung des § 315 BGB im Lichte eisenbahnrechtlicher Strukturprinzipien ist kein Raum. § 315 BGB findet keine Anwendung auf die dem Eisenbahnregulierungsrecht unterfallenden Infrastrukturnutzungsentgelte [siehe d)]. Die Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB ist mit Vorrang beanspruchendem Unionsrecht unvereinbar [siehe e)]. a) Bezugsgegenstand der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung: Das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz Wie oben ausführlich dargelegt wurde341, ist für den Bereich der Trassenpreise unionsrechtlich vorgeschrieben, dass sich die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des Gesamtnetzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes ergeben. Nach Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU haben die Infrastrukturanbieter dafür Sorge zu tragen, dass die Entgeltregelung in ihrem „gesamten Netz“ bzw. in einem hinreichend großen Teilnetz auf denselben Grundsätzen beruht. Aus dem Wortlaut („gesamten Netz“) und aus dem systematischen Zusammenhang mit den Ausnahmetatbeständen der Art. 32 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2012/34/EU folgt, dass die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zu ermitteln sind. Das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz bildet den Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen durch die Infrastrukturbetreiber. Eine Zuschlüsselung der spezifischen Kosten für einzelne Bestandteile der Eisenbahninfrastruktur sieht Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU nicht vor. Vielmehr ist der Infrastrukturbetreiber grundsätzlich dazu verpflichtet, die (Voll-)Kosten des „gesamten Netzes“ bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes zur Grundlage für die Berechnung der Trassenpreise zu machen. Auf diese Weise sollen Mischfinanzierungen ermöglicht werden, ohne die beispielsweise technisch anspruchsvollere Schienenwege (Brücken, Tunnel) in topografisch ungünstigeren Gebieten nicht oder kaum denkbar wären. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU ist – neben einer Konkretisierung des Diskriminierungsverbotes – Ausdruck der der Eisenbahninfrastruktur immanenten Vernetzungs341

Vgl. hierzu im Einzelnen oben unter C. I. 1., S. 64 ff.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

funktion, die durch ein flächendeckendes Angebot an die Netznutzer zu netzweit auf denselben Grundsätzen beruhenden Entgelten zu gewährleisten ist. In Übereinstimmung mit Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU bildet auch im nationalen Eisenbahnrecht das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz den Bezugspunkt für die Ermittlung der überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten. Das Gleiche gilt für den Bereich der Serviceeinrichtungen. Auch hier muss den Betreibern von Serviceeinrichtungen eine (pauschalierende) Mischkalkulation möglich sein, weil anderenfalls etwa technisch oder architektonisch anspruchsvolle Bahnhöfe mit Entgelten belastet würden, welche den Betrieb infrage stellen könnten342. b) Bezugsgegenstand für die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB: Die konkrete, vertragliche Einzelleistung Zu diesem nach Eisenbahnrecht maßgeblichen Bezugsgegenstand steht die Grundkonzeption der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB in scharfem Kontrast343. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB knüpft an die konkrete vertragliche Beziehung an und zielt auf die Herstellung von „Austauschgerechtigkeit im Einzelfall“344 bzw. auf „konkrete Einzelfallgerechtigkeit“345. Ein Entgelt entspricht dann der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB, wenn es alle Umstände des Einzelfalls und die Interessenlage beider Parteien angemessen berücksichtigt. Der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB liegt demnach ein primär individueller Maßstab zugrunde, der sich auf die Interessenlage der Vertragsparteien bezieht346. Dementsprechend knüpft § 315 BGB an den konkreten, vertraglich vereinbarten Leistungsgegenstand an. Im Zusammenhang mit der Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB wird daher von den Gerichten hervorgehoben, dass die Preiskalkulation den notwendigen Kostenbezug wahren müsse. Die Gesamtkosten von Eisenbahninfrastrukturunternehmen müssten sich nach sachgerechten Kriterien den Entgelttatbeständen zuordnen lassen, um die Billigkeit der vom entsprechenden Eisenbahnverkehrsunternehmen nachgefragten spezifischen Leistung beurteilen zu können. Es sei sicherzustellen, dass einzelne Nutzer oder Nutzergruppen nicht mit Kosten belastet werden, die keinen Bezug zu den von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen haben347. 342

Vgl. hierzu im Einzelnen oben unter C. I. 2., S. 69 ff. Ebenso Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 52. 344 Würdinger, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchner Kommentar zum BGB, § 315 Rn. 31. 345 Rieble, in: Staudinger, BGB-Kommentar, §§ 315 – 326, § 315 BGB Rn. 305. 346 Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 52. 347 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 17. 01. 2013 – 2 U 10/11 (Kart), S. 11; KG Berlin, Urteil vom 31. 01. 2013 – 2 U 1/11 (Kart), S. 10; LG Berlin, Urteil vom 11.06 – 5 O 177/12, S. 9. 343

II. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB

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c) Auflösung des Konflikts: Vorrang des Bezugsgegenstandes der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung Die Kollision zwischen dem Eisenbahnregulierungsrecht und der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB hat ihren maßgeblichen Grund darin, dass der jeweilige Bezugsgegenstand für die Eisenbahnentgeltregulierung und die Billigkeitskontrolle voneinander abweichen. Während im Eisenbahnregulierungsrecht im Interesse der Ermöglichung einer Mischkalkulation das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz den Bezugsgegenstand der Entgeltregulierung bilden, bezieht sich die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auf die konkret nachgefragte, (individual-) vertraglich vereinbarte Einzelleistung. Dieser auf die Verwirklichung der Mischfinanzierungsfunktion gerichtete Schutzzweck wird verkannt, wenn die Funktion des Eisenbahnregulierungsrechts auf die Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zur Eisenbahninfrastruktur reduziert wird348. Gewiss stellt die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs zur Infrastruktur eine der tragenden Säulen des Eisenbahnregulierungsrechts dar. Sie bildet den zentralen (Regulierungs-)Maßstab für die Überprüfung von Infrastrukturnutzungsentgelten. Nur erschöpft sich hierin die Funktion des Eisenbahnregulierungsrechts nicht. Hinzu tritt die Mischfinanzierungsfunktion des Eisenbahnregulierungsrechts: Um ein flächendeckendes Angebot im gesamten Bundesgebiet gewährleisten zu können, ist eine Mischkalkulation unerlässlich. Deshalb bilden die Kosten des gesamte Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes die Grundlage für die Berechnung der Trassen- und Stationspreise. Der Bezugsgegenstand für die Entgeltregulierung nach dem Eisenbahnregulierungsrecht ist die Gesamtheit der Eisenbahninfrastruktur, nicht – wie bei der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB – ein bestimmter Teil derselben. Nach der Grundkonzeption des § 315 BGB ist es zwar richtig, dass einzelne Nutzer oder Nutzergruppen nicht mit Kosten belastet werden, die keinen Bezug zu den von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen haben, wie es die Gerichte im Rahmen der Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten hervorheben349. Nur unterminiert eine solche an den konkreten Vertragsgegenstand anknüpfende Billigkeitskontrolle die Funktion des Eisenbahnregulierungsrechts. Wenn sich einzelne Eisenbahnverkehrsunternehmen durch eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB dem System solidarischer Mischfinanzierung im Eisenbahnsektor entziehen könnten, wäre das auf ein flächendeckendes Angebot zielende System der Eisenbahnregulierung gefährdet. Der auf der Diversität der Bezugsgegenstände für die Eisenbahnentgeltregulierung (Gesamtheit der Infrastruktur) und für die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB (vertragliche Einzelleistung) beruhende Konflikt wirft zwangsläufig die Frage nach dem Verhältnis beider Ordnungssysteme auf. Die Antwort kann nur im Sinne eines 348

So stellvertretend für die zivilgerichtliche Judikatur BGH, NVwZ 2012, 189 (190 f., Rn. 17). 349 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 17. 01. 2013 – 2 U 10/11 (Kart), S. 11; KG Berlin, Urteil vom 31. 01. 2013 – 2 U 1/11 (Kart), S. 10; LG Berlin, Urteil vom 11.06 – 5 O 177/12, S. 9.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

Vorranges des Eisenbahnregulierungsrechts ausfallen. Dies folgt erstens aus dem Vorrang beanspruchenden Unionsrecht350,351. Das nationale Recht – mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Eisenbahnregulierungsrecht und der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB – ist richtlinienkonform so auszulegen, dass Eisenbahnnutzungsentgelte einer Prüfung nach § 315 BGB nicht unterzogen werden dürfen. Für den Bereich der Trassenpreise ist durch Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/ 34/EU vorgeschrieben, dass sich die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des Gesamtnetzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes ergeben. Das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz bildet den Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen durch die Infrastrukturbetreiber. Eine Zuschlüsselung der spezifischen Kosten für einzelne Bestandteile der Eisenbahninfrastruktur sieht Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU nicht vor. Die den Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU tragende Mischfinanzierungsfunktion würde ausgehebelt, wenn die auf das gesamte Netz bezogenen Trassenpreise einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterzogen werden dürften. Das auf die Verwirklichung eines flächendeckenden Angebots zielende System solidarischer Mischfinanzierung der Eisenbahninfrastruktur wäre im Kern getroffen. Der Vorrang des Eisenbahnregulierungsrechts ergibt sich zweitens auch auf nationaler Ebene aus dem Gesichtspunkt der Spezialität. Das Eisenbahnregulierungsrecht ist das (sach-)spezifische Rechtsgebiet, dessen Strukturprinzipen durch das allgemeine Recht nicht infrage gestellt werden dürfen. Im Interesse der Ermöglichung eines Systems der Mischfinanzierung bilden die Gesamtkosten der Eisenbahninfrastruktur die Grundlage für die Berechnung der Trassen- und Stationspreise. Dem System der Mischfinanzierung korrespondiert die Verpflichtung einer solidarischen Mitfinanzierung durch die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen tragen mit den von ihnen zu entrichtenden Infrastrukturnutzungsentgelten zur Finanzierung des Gesamtsystems bei. Grundlage für die Berechnung der Trassen- und Stationspreise sind nicht die Kosten für die vertraglich vereinbarte (Einzel-)Leistung, sondern die Gesamtkosten des Systems. Der Bezugsgegenstand für die Entgeltregulierung ist im bereichsspezifischen Eisenbahnregulierungsrecht abschließend geregelt. Für eine parallele Anwendung der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB, der eine diametral entgegenstehende, an die konkrete vertragliche (Einzel-)Leistung anknüpfende Konzeption zugrunde liegt, ist kein Raum. Dem (sach-)spezifischen Recht gebührt im Verhältnis zum allgemeinen Recht Vorrang.

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Zum Prinzip des (Anwendungs-)Vorrangs des Unionsrechts vgl. nur BVerfGE 123, 267 (402); 126, 286 (301 f.); siehe bereits BVerfGE 31, 145 (174). 351 Ebenso Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 53, allerdings im Hinblick auf die eisenbahnrechtlichen Entgeltmaßstäbe und nicht – wie hier – im Hinblick auf die vorgelagerte Frage des Bezugsgegenstandes der eisenbahnrechtlichen Entgeltregulierung.

II. Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB

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d) Unanwendbarkeit der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auf Infrastrukturnutzungsentgelte Aus dem Vorrang des Eisenbahnregulierungsrechts folgt, dass eine Billigkeitskontrolle von Eisenbahninfrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB ausgeschlossen ist. Zu klären ist noch, ob dem Vorranganspruch im Wege einer entsprechenden Auslegung des § 315 BGB Genüge getan werden kann. Ein solcher methodologischer Ansatz ist abzulehnen. Wie im Einzelnen dargelegt, weichen die Grundkonzeptionen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und des Eisenbahnregulierungsrechts diametral voneinander ab. § 315 BGB knüpft an die konkrete vertragliche (Einzel-)Leistung an. Es liefe auf eine Denaturierung des § 315 BGB hinaus, wenn an Stelle der vertraglichen Leistung die Gesamtheit der Eisenbahninfrastruktur Bezugsgegenstand der Billigkeitskontrolle wäre. Dies ließe sich in die auf die Herstellung von „Austauschgerechtigkeit im Einzelfall“352 gerichtete Gesamtkonzeption des § 315 BGB nicht systemkonform einfügen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Billigkeitskontrolle auf die von Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhobenen Trassen- und Stationsentgelte keine Anwendung findet.

e) Fazit: Unionsrechtswidrigkeit der Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB Indem Zivilgerichte die von Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhobenen Nutzungsentgelte einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterwerfen, verstoßen sie gegen Vorrang beanspruchendes Unionsrecht. Für den Bereich der Trassenpreise ist durch Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU vorgeschrieben, dass sich die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des Gesamtnetzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes ergeben. Das gesamte Netz bzw. ein hinreichend großes Teilnetz bildet den Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen durch die Infrastrukturbetreiber. Eine Zuschlüsselung der spezifischen Kosten für einzelne Bestandteile der Eisenbahninfrastruktur sieht Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU nicht vor. Sofern die Zivilgerichte nach Maßgabe einer der Grundkonzeption des § 315 BGB verhafteten Perspektive betonen, dass einzelne Nutzer oder Nutzergruppen nicht mit Kosten belastet werden dürfen, die keinen Bezug zu den von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen haben353, wird verkannt, dass eine an die konkrete vertragliche Leistung anknüpfende Billigkeitskontrolle mit Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU nicht vereinbar ist. Nicht der einzelne Vertragsgegenstand, sondern „das gesamte Netz“ bzw. ein hinreichend großes Teilnetz bildet den Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen durch die Infrastrukturbetreiber. Die den Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU tragende Mischfinanzierungsfunktion 352

Würdinger, in: Säcker/Rixecker (Hrsg.), Münchner Kommentar zum BGB, § 315 Rn. 31. 353 Vgl. KG Berlin, Urteil vom 17. 01. 2013 – 2 U 10/11 (Kart), S. 11; KG Berlin, Urteil vom 31. 01. 2013 – 2 U 1/11 (Kart), S. 10; LG Berlin, Urteil vom 11.06 – 5 O 177/12, S. 9.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

wird von den Zivilgerichten missachtet, wenn sie die Infrastrukturnutzungsentgelte der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterwerfen. Die entsprechende zivilrechtliche Judikatur verstößt gegen Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU.

4. Reformbedarf: Notwendigkeit einer gesetzlichen Klarstellung des Vorrangs der eisenbahnrechtlichen Entgeltkontrolle gegenüber einer zivilgerichtlichen Billigkeitskontrolle Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass das Verhältnis von Eisenbahnregulierungsrecht und zivilgerichtlicher Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB nicht abschließend geklärt ist. Der BGH hat zwar in seinem Urteil vom 18. Oktober 2011 die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 315 BGB auf Infrastrukturnutzungsentgelte bejaht. Höchstrichterlich noch nicht entschieden ist jedoch die streitige Frage, ob die parallele Anwendung von Eisenbahnregulierungsrecht und des § 315 BGB mit zwingenden Vorgaben des unionsrechtlichen Eisenbahnrechts vereinbar ist. Die hierdurch bestehende Rechtsunsicherheit sollte bereits hinreichender Anlass für eine entsprechende Klarstellung durch den Gesetzgeber sein. Hinzu kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt, der in der bisherigen Diskussion über die Anwendbarkeit des § 315 BGB auf Infrastrukturnutzungsentgelte noch keine (hinreichende) Beachtung gefunden hat. Wie im Einzelnen dargelegt, betrifft das eigentliche Spannungsverhältnis zwischen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und dem Eisenbahnregulierungsrecht die Diversität des Bezugsgegenstandes für die Billigkeitskontrolle einerseits und für die eisenbahnrechtliche Entgeltregulierung andererseits. Das geltende (unionsrechtliche und nationale) Eisenbahnrecht ermöglicht Mischfinanzierungen, ohne die beispielsweise technisch anspruchsvollere Schienenwege (Brücken, Tunnel) in topografisch ungünstigeren Gebieten oder architektonisch ambitionierte Bahnhöfe nicht realisierbar wären. Im Interesse eines flächendeckenden Angebots im gesamten Bundesgebiet sind nach Eisenbahnregulierungsrecht die Kosten für die gesamte Infrastruktur bzw. für die Infrastruktur eines hinreichend großen Teilnetzes bei der Berechnung der Trassen- und Stationsentgelte maßgebend. Die Anwendung einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB erweist sich als offene Flanke für dieses Mischfinanzierungsystem. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB ermöglicht es, dass sich einzelne Eisenbahnverkehrsunternehmen dem System solidarischer Mischfinanzierung entziehen und damit die auf ein flächendeckendes Angebot zielende Funktion des Eisenbahnregulierungsrechts (kontinuierlich) ausgehöhlt wird. Ungeachtet des Umstandes, dass eine Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB mit Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU unvereinbar und damit unzulässig ist, sollte der Gesetzgeber schon im Interesse der Rechtssicherheit klarstellen, dass die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB auf die

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der Eisenbahnregulierung unterliegenden Infrastrukturnutzungsentgelte keine Anwendung findet. Sofern im Zuge einer Novelle des Eisenbahnregulierungsrechts die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen erhobenen Infrastrukturnutzungsentgelte einem (ex ante wirkenden) Erfordernis einer Genehmigung durch die BNetzA unterworfen werden sollten und eine Abweichung von diesen genehmigten Entgelten nicht möglich ist (Fixentgelte), dürfte für eine parallele Anwendbarkeit des § 315 BGB bereits aus grundsätzlichen Überlegungen kein Platz mehr sein. So ist beispielweise im Telekommunikationssektor unbestritten, dass die von der BNetzA genehmigten Netzzugangsentgelte vom Anwendungsfeld des § 315 BGB ausgenommen sind354. Da es sich bei § 37 TKG um Fixpreisgenehmigungen handelt, von denen die regulierten Unternehmen in keiner Richtung abweichen dürfen355, fehlt es an dem von § 315 BGB vorausgesetzten privatautonomen Gestaltungsspielraum des Netzbetreibers356. Dementsprechend sah der ERegG-Entwurf vor, dass eine Genehmigung die Anwendbarkeit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB von vornherein ausschließen sollte. In § 43 Abs. 1 Satz 3 ERegG-Entwurf heißt es: „Das genehmigte Entgelt gilt als billiges Entgelt im Sinne des § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches.“

In der Begründung des Gesetzentwurfs wurde hierzu ausgeführt: „Durch die Bezugnahme auf § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches wird klargestellt, dass die genehmigten Entgelte keiner zusätzlichen Billigkeitskontrolle durch die Zivilgerichte unterliegen.“357

Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber ein Genehmigungserfordernis für Infrastrukturnutzungsentgelte künftig im Eisenbahnrecht regelt, sollte in jedem Fall gesetzlich ausgeschlossen werden, dass die auf der Grundlage des Eisenbahnrechts regulierten Infrastrukturnutzungsentgelte einer parallelen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterzogen werden dürfen. Eine solche klarstellende Regelung erscheint mit Blick auf das Vorrang beanspruchende Unionsrecht unerlässlich, konkret: mit Blick auf die den Mischfinanzierungsgedanken konkretisierende Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU, die eine Billigkeitskontrolle von Trassenentgelten nach § 315 BGB nicht zulässt. Eine entsprechende, der Schutzfunktion des Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU Rechnung tragende Regelung könnte wie folgt formuliert werden: „Die nach diesem und aufgrund dieses Gesetzes regulierten Infrastrukturnutzungsentgelte unterliegen keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches.“ 354 Statt aller vgl. nur BGH, NJW 2007, 3344 (3345); siehe auch BGH, NJW 1998, 3188 (3191 f.); BVerwG, NVwZ 2003, 605 (608); Böckmann, MMR 2007, 586 (587 f.); Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 25. 355 Statt aller vgl. nur Peters/Mielke, in: Säcker (Hrsg.), TKG-Kommentar, § 37 Rn. 8 ff. 356 Ludwigs, Zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB und europäisches Eisenbahnregulierungsrecht, S. 25. 357 Vgl. BR-Drs. 559/12, S. 191.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

III. Weiterentwicklung der in der LuFV beinhalteten Anreizelemente zugunsten des Bundes und der Eisenbahnverkehrsunternehmen und zeitliche sowie inhaltliche Synchronisierung mit RegG und GVFG Dass die verschiedenen Netzwirtschaften durch jeweils spezifische Eigenarten gekennzeichnet sind und dass sich infolgedessen vorschnelle Adaptionen der in einem Regelungssektor geltenden Prinzipien verbieten, ist eine zentrale Erkenntnis des Regulierungsrechts358. Was in dem einen Bereich mit Erfolg zum Einsatz kommt, kann sich in anderen Bereichen als ungeeignet erweisen. Der Eisenbahnsektor weist Eigenarten auf, die es in dieser Form in keinem anderen Feld der Netzwirtschaften gibt. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, ein den Besonderheiten des Eisenbahnbereichs Rechnung tragendes, passgenaues Regulierungskonzept zu entwerfen. Als Besonderheit des Eisenbahnsektors soll hier nicht erneut auf den intermodalen Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern hingewiesen werden, der den wirtschaftlichen Bewegungsspielraum des Eisenbahninfrastrukturunternehmens einengt und es daran hindert, sich wie ein Monopolist zu verhalten359. Vielmehr soll der Blick auf das Spezifikum des Eisenbahnsektors gerichtet werden: auf die öffentliche Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur und der Eisenbahnverkehrsmärkte. Der Anteil der öffentlichen Mittel an der Eisenbahninfrastrukturfinanzierung und der Finanzierung einzelner Verkehrsmärkte (SPNV) findet in den anderen Netzwirtschaften keine Entsprechung. Ohne den Bund, der die Eisenbahninfrastrukturinvestitionen in Bezug auf alle Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu etwa 70 % trägt und den SPNV durch Regionalisierungsmittel zu rund 60 % finanziert, wäre das Eisenbahnwesen in der heutigen Form undenkbar. Dieser Besonderheit ist bei der Entwicklung eines Eisenbahnregulierungsrechts Rechnung zu tragen. Die Diskussion um eine Anreizregulierung im Eisenbahnsektor macht deutlich, dass dieser Besonderheit nicht hinreichende Beachtung geschenkt wird360.

1. Gesetzgeberische Entscheidung: Wem gebührt der Effizienzgewinn? Dass Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufgrund ihrer Monopolstellung und des nur begrenzt disziplinierend wirkenden intermodalen Wettbewerbs zumindest in Teilmärkten eine Tendenz zu überhöhten Benutzungsentgelten und Ineffizienzen 358 Vgl. Trute/Broemel, ZHR 170 [2006], 706 (708); Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S. 10. 359 Vgl. hierzu Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (951 m.w.N.). 360 Vgl. hierzu noch sogleich.

III. Weiterentwicklung der in der LuFV beinhalteten Anreizelemente

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aufweisen, ist ein Grund für den Regulierungsbedarf bei der Berechnung und Festsetzung der Trassen- und Stationspreise, sofern entsprechende Serviceeinrichtungen wesentliche Einrichtungen sind und deshalb vergleichbare Abhängigkeitsverhältnisse begründen361. Anreize zu einer effizienteren Leistungsbereitstellung lassen sich insbesondere durch die Einführung privatwirtschaftlicher bzw. unternehmerischer Prinzipien der Steuerung und Organisation der Infrastrukturbetreiber setzen. Diesem Leitgedanken ist die Bundesrepublik Deutschland mit der Bahnreform gefolgt, nach der die Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Wirtschaftsunternehmen zu führen sind (vgl. Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG). In anderen Mitgliedstaaten hingegen ist das Effizienzziel nicht oder nur in geringerem Maße in der strukturellen Ausrichtung des Infrastrukturbetreibers verankert. Mit Blick auf die Monopolstellung der Infrastrukturbetreiber sieht Richtlinie 2012/34/EU vor, dass den Infrastrukturbetreibern Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu setzen sind (Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU)362. Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU trägt der Besonderheit des Eisenbahnsektors Rechnung, dass die Eisenbahninfrastruktur in den (meisten) Mitgliedstaaten auch oder ganz überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Es ist deshalb im Unterschied zu anderen, allein über Nutzerentgelte finanzierten Netzinfrastrukturen nicht selbstverständlich, dass Kosteneinsparungen über Preissenkungen auch an die Nutzer weitergereicht werden. Ebenso ist denkbar, dass der Steuerzahler über eine Absenkung der öffentlichen Zuwendungen beteiligt wird. Schon deshalb müssen die Mitgliedstaaten autonom darüber entscheiden können, ob die nach Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU geforderten Effizienzgewinne den Eisenbahnverkehrsunternehmen als Benutzern oder/und den öffentlichen Haushalten zugutekommen sollen. Zumindest dann, wenn Mitgliedstaaten – wie in der Bundesrepublik Deutschland – die Eisenbahninfrastruktur ganz überwiegend finanzieren, müssen sie die Befugnis haben, mögliche Effizienzgewinne teilweise oder ausschließlich zugunsten öffentlicher Haushalte einzusetzen. Jeder andere Standpunkt wäre mit Blick auf die Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten in hohem Maße bedenklich. Mit Bedacht räumt Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU den Mitgliedstaaten bei der Wahl der Steuerungsinstrumente und damit bei der Wahl des Nutznießers entsprechender Effizienzgewinne einen Gestaltungsspielraum ein. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage schreibt Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU den Abschluss einer mehrjährigen Finanzierungsvereinbarung vor, die eine entsprechende Anreizsetzung enthalten muss (Anhang V Nr. 5 Richtlinie 2012/34/EU). Daneben kann nach Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/ EU eine aufsichtsrechtliche Maßnahme treten, ohne dass die Mitgliedstaaten hierzu verpflichtet sind. Die Mitgliedstaaten können frei darüber entscheiden, wem (öffentliche Haushalte oder Benutzer) und in welcher Höhe die nach Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU geforderten Effizienzgewinne zugutekommen. Dement361 Statt aller vgl. Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 47. 362 Vgl. bereits Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG.

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sprechend hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG durch die Anreizmechanismen der LuFV nachgekommen ist. Zur Implementierung einer – neben das Anreizsystem der LuFV – tretenden hoheitlichen Anreizregulierung sei die Bundesrepublik Deutschland nicht verpflichtet363. Dies gilt auch deshalb, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Anreizsetzung, die unmittelbar auf die Senkung der Infrastrukturkosten im Interesse der öffentlichen Haushalte gerichtet ist, mittelbar zu einer Reduzierung der Wegeentgelte führt364. Entsprechendes gilt nach der Richtlinie 2012/34/EU, die zwar eine „Kombination“ der beiden Steuerungsinstrumente der vertraglichen Vereinbarung und hoheitlicher Regulierungsmaßnahmen ermöglicht (Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU), die Mitgliedstaaten hierzu jedoch nicht verpflichtet und keinesfalls eine Doppelregulierung zulässt (vgl. insbesondere Anhang V Richtlinie 2012/34/EU). Die Richtlinie 2012/34/EU belässt der Bundesrepublik Deutschland daher freie Hand bei der Entscheidung, wer Nutznießer der von Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/ 34/EU geforderten Effizienzgewinne sein soll. Sie kann sich dafür entscheiden, dass Effizienzvorteile ausschließlich ihr zugutekommen. Eine solche Regelung findet ihre Legitimation darin, dass der Bund die Eisenbahninfrastrukturinvestitionen zu etwa 70 % finanziert. Die Bundesrepublik Deutschland kann indes auch vorsehen, dass Effizienzgewinne sowohl dem Bund als Hauptfinancier der Infrastruktur als auch den Benutzern zugutekommen, wobei nochmals darauf hinzuweisen ist, dass eine durch Anreizsetzung bewirkte Reduzierung der Infrastrukturkosten mittelbar zur Senkung der Zugangsentgelte führt. Sofern sich der Gesetzgeber dafür entscheidet, dass Anreize speziell auch zur Senkung der Zugangsentgelte zu setzen sind, impliziert dies keinesfalls den Einsatz einer hoheitlichen Anreizregulierung. Vielmehr ist die Implementierung einer entsprechenden Anreizsetzung auch in Mehrjahresverträgen möglich. Eine solche vertragliche Regelung hätte mehrere Vorzüge und sollte deshalb gegenüber einer hoheitlichen Anreizregulierung Vorrang haben365. Ebenfalls frei ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung, wie die notwendigen Effizienzvorteile zwischen den beiden Financiers zu verteilen sind, d. h. in welchem Umfang der Bund bzw. die Eisenbahnverkehrsunternehmen an Effizienzvorteilen partizipieren. Auch wenn die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2012/34/EU nicht verpflichtet sind, neben einer Anreizsetzung zugunsten der öffentlichen Haushalte Anreize zur Senkung der Zugangsentgelte zu setzen, erscheint es sinnvoll, auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen an entsprechenden Effizienzgewinnen zu beteiligen. Zum einen trägt eine Beteiligung des Bundes als auch der Nutzer dem Umstand Rechnung, dass beide – wenngleich in unterschiedlichem Umfang – zur Finanzierung der Ei363

Vgl. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 103 ff. Vgl. nochmals EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 105. 365 Vgl. hierzu sogleich. 364

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senbahninfrastruktur beitragen. Deshalb erscheint es sachgerecht, Bund und Eisenbahnverkehrsunternehmen an dem von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen geforderten Effizienzgewinn zu beteiligen, wobei sich der Verteilungsschlüssel an der Quote des jeweiligen Beitrags an der Gesamtfinanzierung orientieren könnte. Zum anderen würde eine Teilhabe der Eisenbahnverkehrsunternehmen am Effizienzgewinn der Gefahr wirksam entgegenwirken, dass die nach der LuFV notwendigen Effizienzvorteile über entsprechend erhöhte Nutzungsentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen übergewälzt werden366. Um eine solche – letztlich zu keinem Effizienzgewinn führende – Überwälzung auszuschließen, erscheint eine ganzheitliche Regulierung erforderlich, die sowohl Bund als auch Nutzer in den Kreis der Nutznießer des notwendigen Effizienzgewinns einbezieht.

2. Folgenabschätzung einer hoheitlichen Anreizregulierung: Waterbed Effect mit Bumerang-Wirkung für Eisenbahnverkehrsmärkte Im Gegensatz zu den anderen Netzwirtschaften (Post, Telekommunikation, Energie)367 verzichtet das geltende Eisenbahnrecht auf eine Anreizregulierung durch die Regulierungsbehörde. Da der Eisenbahnsektor im Recht der Netzwirtschaften insoweit ein Inseldasein fristet, nimmt es nicht Wunder, dass schon seit langem der Ruf nach einer Implementierung einer Anreizregulierung im Eisenbahnbereich erklungen ist368. Auch der Bundesrat369, die BNetzA370 und die Monopolkommission371 haben sich dieser Forderung angeschlossen. Die BNetzA hat zudem ein Gutachten zu den ökonomischen Grundsatzfragen zur Ausgestaltung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor in Auftrag gegeben372. Diese Diskussion mündete in den Gesetz366 Auf diese Gefahr weist auch der Verkehrsausschuss des Bundestages hin, BR-Drs. 716/ 1/08, 3 (Ziff. 5), der sich daher für eine Anreizregulierung neben der LuFV ausspricht. Ebenso die Stellungnahme, BR-Drs. 716/08 (Beschluss), S. 1 f. (Ziff. 3 und 4); vgl. auch Mitusch/ Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Ökonomische Grundsatzfragen zur Ausgestaltung einer Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S. 75; Kühling, N&R 2009, 36 (38). 367 Vgl. hierzu Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (943 f.); zu den Effizienzmaßstäben im Telekommunikations- bzw. Energiewirtschaftsrecht zuletzt umfassend Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 239 ff. bzw. 280 ff. 368 In diesem Sinne vgl. statt vieler Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung im Eisenbahnrecht, S. 18 ff., 206 ff.; Säcker/Böcker, in: Picot (Hrsg.), 10 Jahre wettbewerbsorientierte Regulierung von Netzindustrien in Deutschland, S. 69 (81, 87). 369 BR-Drs. 555/07 (b), S. 8, 39 ff. 370 Abschlussbericht der BNetzA zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, passim. 371 Vgl. zuletzt Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 65 ff. 372 Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Ökonomische Grundsatzfragen zur Ausgestaltung einer Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, passim.

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entwurf der Bundesregierung zur Einführung von Anreizelementen in das Entgeltregulierungssystem, der eine Price-Cap-Regulierung für die Pflichtleistungen der Betreiber der Schienenwege und von Personenbahnhöfen vorschrieb. Das Verfahren zur Ermittlung der Entgelte sollte in mehreren Schritten erfolgen (vgl. §§ 39 ff. ERegG-Entwurf373). Zunächst sollten die angefallenen Infrastrukturkosten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben ermittelt und in Körbe aufgeteilt werden. In einem weiteren Schritt sollte die BNetzA eine Effizienzrate festlegen und sich hierbei insbesondere am Produktivitätsfortschritt und der Inflationsrate orientieren. Auf der Grundlage dieser Effizienzrate sollte sodann durch die BNetzA ein Preispfad (Preisobergrenze) festgelegt werden. Auf der Basis dieser Preisobergrenzen sollten schließlich in einem – in der Regel jährlich durchgeführten – Entgeltgenehmigungsverfahren die Trassenpreise und Stationspreise genehmigt werden. Die Laufzeiten von Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen zwischen dem Bund oder den Ländern und den verschiedenen Eisenbahninfrastrukturunternehmen sollten mit der Laufzeit der Regulierungsperioden abgestimmt werden. In der Regel sollten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen daher mit einer Regulierungsperiode beginnen und enden (vgl. § 40 ERegG-Entwurf). Bei der Würdigung dieses Reformvorschlages fällt zunächst auf, dass die Notwendigkeit einer Anreizregulierung regelmäßig aus dem Erfordernis einer Preisobergrenzenregulierung abgeleitet wird374. Doch eine solche Schlussfolgerung greift zu kurz. Selbst wenn man aufgrund der natürlichen Monopolstellung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Bereich der Trassen und Personenbahnhöfe eine effizienzorientierte Regulierung für geboten hielte, ließe sich hieraus noch nicht die Notwendigkeit einer Anreizregulierung ableiten. Die Anreizregulierung ist nur ein Instrument unter vielen, um Effizienzgewinne auch an die Nutzer der Infrastruktur weiterreichen zu können. Die Anreizregulierung ist ein spezifisch hoheitliches, durch Über- und Unterordnung gekennzeichnetes Regulierungsinstrument, dessen Eignung und Zweckmäßigkeit schon deshalb einer näheren Begründung bedürfen, weil im Verhältnis der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zum (Haupt-)Financier Bund auf vertraglicher, durch Gleichordnung geprägter Grundlage Effizienzgewinne dem Bund zugutekommen. Angesichts der Reziprozität beider Finanzierungsquellen für die Eisenbahninfrastruktur erscheint es rechtfertigungsbedürftig, wenn die Verteilung von Effizienzgewinnen in einer Hinsicht vertraglich vereinbart und in anderer Hinsicht hoheitlich erzwungen werden soll375. Ungeachtet dessen ist das Instrument der Anreizregulierung einer sorgfältigen Überprüfung zu unterziehen, ob es den Besonderheiten des Eisenbahnsektors Rechnung trägt und dem Gesamtsystem der Eisenbahn dienlich ist. Dass eine An373 Zu den Einzelheiten vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BR-Drs. 559/12, S. 171 ff. 374 Vgl. hierzu stellvertretend für viele Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Ökonomische Grundsatzfragen zur Ausgestaltung einer Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S. 27 ff., 51 ff. 375 Vgl. hierzu noch sogleich.

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reizregulierung dafür Sorge trägt, dass „Effizienzgewinne an die Kunden“ weitergegeben werden376, reicht als Begründung nicht aus, solange nicht sichergestellt ist, dass Effizienzgewinne ebenso an den Bund als (Haupt-)Financier (proportional zu seinem Gesamtfinanzierungsbeitrag) weitergereicht werden (können). Dass der Gesetzgeber die Wirkungszusammenhänge sowie Wirkungsketten des zu regelnden Sachbereichs in den Blick nehmen und die Folgen seines regulatorischen Handelns analysieren sowie abschätzen muss, entspricht nicht nur dem (politischen) Leitbild des „guten Gesetzgebers“, sondern ist auch dem Verfassungsrecht geschuldet377. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die Folgen einer hoheitlichen Anreizregulierung sorgfältig zu analysieren und es ist unter Berücksichtigung der den Eisenbahnsektor kennzeichnenden Eigenarten die Frage zu beantworten, ob die mit diesem Steuerungsinstrument verbundenen Erwartungen erfüllt werden können. Hieran bestehen berechtigte Zweifel, wenn man sich nochmals die Besonderheit des Eisenbahnsektors vor Augen führt: die (überwiegende) Finanzierung aus öffentlichen Mitteln des Bundes. Eine Anreizregulierung mag zwar zunächst zu geringeren Zugangsentgelten und damit zur Entlastung der Eisenbahnverkehrsunternehmen führen. Eine Effizienzsteigerung auf Seiten des Eisenbahninfrastrukturunternehmens muss damit aber keinesfalls einhergehen. Modelltheoretisch soll von der Anreizregulierung durch Preisdeckelung ein Anreiz zur Kostenreduzierung und zur Hebung von Effizienzsteigerungspotenzialen ausgehen. Eine solche Wirkungskette lässt sich im Eisenbahnsektor jedoch nicht begründen. Entfällt die Möglichkeit einer Steigerung der Effizienzanstrengungen, so könnten die Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf die Festlegung einer Preisobergrenze im Zuge einer Anreizregulierung des Bundes wie folgt reagieren: ¢ Reduzierung der für Neu- und Ausbaumaßnahmen eingesetzten (Kofinanzierungs-)Eigenmittel (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1, § 10 BSchWAG); ¢ Reduzierung der für Ersatzinvestitionen in das Bestandsnetz und in die sonstige Infrastruktur eingesetzten (Kofinanzierungs-)Eigenmittel (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 BSchWAG, LuFV) im Rahmen von Neuverhandlungen der LuFV; ¢ Reduzierung der Instandhaltungsaufwendungen zu Lasten der Netzverfügbarkeit; ¢ Inkaufnahme von Ergebnisverschlechterungen und damit Reduzierung der Dividendenausschüttung der DB AG an den Bund. In allen diesen Szenarien wäre der Bund der fiskalisch Belastete. Die Zeche für diese Zielverfehlung zahlte der Bund, weil mit der Reduzierung der von den Ei376 Vgl. Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 69. 377 Zur verfassungsrechtlichen Fundierung eines Gebots der Folgenabschätzung vgl. nur Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung als Instrument zur rechtlichen Sicherung von Nachhaltigkeit, S. 131 ff.

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senbahninfrastrukturunternehmen eingesetzten Eigenmittel ein entsprechender Mehraufwand des Bundes korrespondierte oder sich die Reduzierung der Gewinnabführung im Wege des EAV zulasten des Bundes auswirkte. Der Waterbed Effect ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei Neu- und Ausbaumaßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den Bund und bei Ersatzinvestitionen dem effizienzsteigernden Regelwerk der LuFV unterliegen. Denn von diesen Aufsichts- und Regulierungsmaßnahmen bleibt die unternehmerische Entscheidung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes unberührt, sich ausschließlich nach Maßgabe ihres unternehmerischen Interesses an den Infrastrukturkosten zu beteiligen. Eine Anreizregulierung kann sich also rasch als Instrument der Entlastung der Länderhaushalte (und der Eisenbahnverkehrsunternehmen) zulasten des Bundeshaushaltes entpuppen, ohne dass das Ziel dieses Regulierungsmittels erreicht würde: eine Effizienzsteigerung378. Kraft der besonderen Finanzierungsbedingungen des Eisenbahnsektors besitzt jedoch auch der Bund Möglichkeiten, diesem für ihn ungünstigen Effekt auszuweichen, indem er die zusätzliche Belastung durch eine Kürzung seiner Fördermittel entsprechend kompensiert. Folgende Szenarien wären denkbar und mit Blick auf die Haushaltssituation des Bundes durchaus naheliegend: ¢ Reduzierung der BKZ für Neu- und Ausbaumaßnahmen (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 BSchWAG); ¢ Reduzierung der für Ersatzinvestitionen in das Bestandsnetz und in die sonstige Infrastruktur zur Verfügung gestellten Mittel (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 BSchWAG, LuFV) im Rahmen von Neuverhandlungen der LuFV; ¢ Kürzung der den Ländern im Rahmen des Art. 106a GG in Verbindung mit dem RegG379 zur Verfügung gestellten Mittel für die Finanzierung des SPNV. Im ersten Fall würde die Quantität, im zweiten Fall die Qualität der Eisenbahninfrastruktur Schaden nehmen, was sich letztlich für sämtliche Verkehrsmärkte als nachteilig erweisen würde. Im dritten Fall wäre der SPNV in besonderer Weise betroffen. In allen drei Szenarien würde letztlich der gesamte Eisenbahnsektor geschädigt (Bumerang-Wirkung), was in niemandes Interesse läge, auch nicht im wohlverstandenen Interesse der Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Länder380. Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine Anreizregulierung im Eisenbahnsektor den Besonderheiten des Eisenbahnsektors nicht hinreichend Rechnung trägt. Die Entfaltung von Effizienzsteigerungspotenzialen lässt sich mit dem Regulierungsinstrument nicht erzwingen, weil die Eisenbahninfrastrukturunternehmen kraft der Eigengesetzlichkeiten des Eisenbahnsektors über entsprechende Ausweichoptionen verfügen, die es ihnen unter anderem ermöglichen, die durch eine Preisobergren378 379 380

Vgl. bereits Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (952). Vgl. § 5 RegG. Vgl. bereits Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (953).

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zenregulierung entstehenden Fehlbeträge an den Bund „weiterzureichen“ (Waterbed Effect). Der Bund verfügt seinerseits über vielfache Reaktionsmöglichkeiten. Die Kürzung von Infrastruktur- und Regionalisierungsmitteln bewirkte einen BumerangEffekt zulasten des Verkehrsträgers Schiene. Die Anreizregulierung erweist sich als dysfunktionales, den Eigengesetzlichkeiten des Eisenbahnbereichs nicht hinreichend Rechnung tragendes und damit letztlich ungeeignetes Steuerungsinstrument.

3. Hoheitliches oder vertragliches Modell? ¢ Vertrag als Steuerungsinstrument für die Senkung der Trassen- und Stationspreise Das Anreizsystem der LuFV zeitigt bislang effizienzsteigernde Effekte allein zugunsten des Bundes, ohne dass dieser Effizienzgewinn in Form geringerer Trassenbzw. Stationspreise zwingend zugleich den Eisenbahnverkehrsunternehmen zugutekommen muss. Zwar führt eine (anreizbedingte) Reduzierung der Infrastrukturkosten regelmäßig zu niedrigeren Nutzungsentgelten, worauf der Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich hingewiesen hat381. Allerdings ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass die nach der LuFV notwendigen Effizienzfortschritte über entsprechend erhöhte Nutzungsentgelte auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen übergewälzt werden382. Hierauf gründet die – sich im ERegG-Entwurf manifestierende – Forderung, im Eisenbahnrecht eine Anreizregulierung einzuführen, die auf eine Reduzierung der Trassen- und Stationspreise zielt. Dass Effizienzgewinne neben dem Bund auch den Eisenbahnverkehrsunternehmen zugutekommen, ist angezeigt, weil beide – wenngleich in unterschiedlichem Umfang – zur Finanzierung der Infrastruktur beitragen. Gleichwohl lässt sich aus dem Erfordernis einer Begrenzung der Trassen- und Stationspreise nicht auf die Notwendigkeit der Einführung einer Anreizregulierung durch die Regulierungsbehörde im Eisenbahnsektor schließen. Eine solche Argumentation verkürzt die dem Staat zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen auf die hoheitliche Anreizregulierung, also auf ein Instrument, das dem (Leit-)Bild klassischer Hoheitsverwaltung, dem Muster von Über- und Unterordnung, von Befehl und Zwang folgt. Oben wurde im Einzelnen dargelegt, dass von einer Preisobergrenzenregulierung keinesfalls Effizienzgewinne ausgehen müssen. Die Annahme einer Wirkungskette „Preisobergrenzenregulierung gleich Effizienzgewinn“ ist ein Kurzschluss, weil er die auf den Besonderheiten des Eisenbahnsektors beruhenden Ausweichmöglichkeiten der Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht hinreichend berücksichtigt. Sinnvoller erscheint es, das Steuerungsinstrument des Vertrages zu nutzen und auf vertraglicher Grundlage Anreize zur Senkung der Trassen- und Stationspreise zu setzen. Für eine solche auf dem Gedanken der Ko381 382

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 105. Zu dieser Befürchtung vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 366 (S. 131).

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operation beruhende vertragliche Einigung der BNetzA und der Eisenbahninfrastrukturunternehmen lassen sich mehrere Gründe anführen: Erstens: Im Verhältnis zwischen Bund und Eisenbahninfrastrukturunternehmen verzichtet der Bund auf jede Form einer durch „hoheitlichen Zungenschlag“ gekennzeichneten Regulierung. Sowohl das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen dem (Allein-)Aktionär Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen als auch das Verhältnis zwischen dem seiner Gewährleistungsverantwortung nach Art. 87e Abs. 4 GG nachkommenden Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist durch den Geist der Kooperation geprägt, der sich in Verhandlungen und vertraglichen Regelungen manifestiert. Nachdem die drei maßgeblichen Ministerien (Verkehrs-, Wirtschafts- und Finanzministerium), die oftmals von zum Teil gegenläufigen (verkehrs-, wirtschafts- oder haushaltspolitischen) Interessen geleitet sind, sich abgestimmt und auf einen gemeinsamen Nenner verständigt haben, werden die wirtschaftlichen (Umsatz- und ggf. Ergebnis-)Erwartungen des Bundes über ihre Vertreter in den Aufsichtsorganen an die Leitungsebene der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes herangetragen, welche diese (wirtschaftlichen) Zielsetzungen zu erreichen sucht und im Regelfall auch erreicht. Die wesentlichen Determinanten der wirtschaftlichen Entwicklung wie Umsatz-, Ergebnis- und Beschäftigungszahlen werden in enger Abstimmung mit den vom Bund beherrschten Aufsichtsorganen durch die Unternehmensleitung festgelegt383. Diese durch Kooperation und Verhandlung geprägte Kultur prägt auch das Verhältnis zwischen den Eisenbahninfrastrukturunternehmen und dem Bund, der in Wahrnehmung seines ihm nach Art. 87e Abs. 4 GG obliegenden Gewährleistungsauftrages die Eisenbahninfrastruktur finanziert. Im Hinblick auf die für Bau und Instandsetzung der Infrastruktur zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel verzichtet der Bund auf imperative Einwirkungen (Gebote und Verbote). Auch bei der Anreizsetzung jagt er nicht der Illusion nach, man könne die Eisenbahninfrastrukturunternehmen mit dem „Knüppel der Hoheitsverwaltung“ zu Effizienzanstrengungen zwingen. Stattdessen vertraut der Bund auf eine partnerschaftliche Kooperation und sucht das Effizienzsteigerungsziel auf der Grundlage der zwischen ihm und der DB AG sowie ihren Infrastrukturtöchtern geschlossenen vertraglichen LuFV zu erreichen. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig zielführend, zum Zweck der Senkung der Trassen- und Stationsentgelte auf eine hoheitliche Anreizregulierung zu setzen. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, der BNetzA ein spezifisch hoheitliches, auf Über- und Unterordnung beruhendes Regulierungsinstrument an die Hand zu geben, das der Bund in seiner Eigenschaft als Financier der Infrastruktur mit Bedacht nicht beansprucht. Da Eisenbahninfrastrukturunternehmen einer Anreizregulierung auf unterschiedliche Weise ausweichen können, wäre es eine Irrvorstellung anzunehmen, die BNetzA könne die Eisenbahninfrastrukturunternehmen durch dieses hoheitliche Regulierungsinstrument zu größerer Effizienz 383 Deutsche Bahn, Geschäftsbericht 2007, S. 24, 56, 73; vgl. bereits Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (952).

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antreiben. Erforderlich ist vielmehr eine einheitliche „Regulierungskultur“, die nicht dem Muster von Über- und Unterordnung, von Befehl und Zwang folgt, sondern dem Leitbild einer partnerschaftlichen Kooperation: der vertraglichen Vereinbarung384. Zweitens konkretisiert das Steuerungsinstrument des Vertrages den Unabhängigkeitsstatus der Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Wie bereits dargelegt385, müssen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen aus unions- und verfassungsrechtlichen Gründen über einen hinreichenden Gestaltungsspielraum bei der Berechnung und Festsetzung der Trassen- und Stationspreise verfügen. Dies gilt auch im Verhältnis der Infrastrukturbetreiber zu den (unabhängigen) Regulierungsstellen, wenngleich die Gestaltungsfreiheit nicht so weit reicht wie im Verhältnis zur Regierung und zum Parlament. Das bedeutet indes nicht, dass dieser Gestaltungsspielraum gleichsam „auf Null“ reduziert werden könnte. Auch im Verhältnis zur (unabhängigen) Regulierungsstelle bleibt die in Art. 29 Richtlinie 2012/34/EU geregelte Zuständigkeitsverteilung unberührt. Nach der Zuständigkeitsverteilung nimmt der Infrastrukturbetreiber die „Berechnung und Erhebung“ des Wegeentgelts vor (Art. 29 Abs. 1 UAbs. 4 Richtlinie 2012/34/EU). Von einer „Berechnung und Erhebung“ kann nicht die Rede sein, wenn die Festsetzung der Wegeentgelte letztlich nur einen automatenhaften Vollzug einer von der Regulierungsstelle entwickelten Formel darstellt. Vielmehr müssen dem Infrastrukturbetreiber auch im Verhältnis zur Regulierungsstelle hinreichende Spielräume bei der Berechnung und Erhebung der Wegeentgelte zur Verfügung stehen386. Vor diesem Hintergrund stößt die Steuerungskraft einer Anreizregulierung auf Grenzen. Die im Zuge einer Anreizregulierung von der BNetzA gesetzten Preispfade könnten sich als verbindliche Formel entpuppen, die den Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei der Berechnung der Nutzungsentgelte letztlich keinen nennenswerten materiellen Gestaltungsspielraum belassen. Die Handlungsform des Vertrages begegnet der Gefahr eines solchen Verstoßes gegen Unions- und Verfassungsrecht wirksam, weil sie auf Kooperation beruht und auf diese Weise den erforderlichen Gestaltungsspielraum der Eisenbahninfrastrukturunternehmen sichert.

384 Ein Beispiel für eine solche Kooperation ist der zwischen der BNetzA und der DB Station & Service AG am 24. 08. 2012 geschlossene Vertrag über die Einführung des sog. Verkehrsleistungsfaktors (vgl. hierzu Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 60). 385 Vgl. hierzu bereits oben unter D. I. 2. b), S. 103 ff. 386 Vgl. hierzu im Einzelnen oben unter D. I. 2. b) aa), nach Fn. 281 (S. 105).

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4. Integriertes Modell: Einheitlicher Vertrag („LuFV 2.0“) als Mittel der Verteilung des Effizienzgewinns zwischen Bund und Eisenbahnverkehrsunternehmen Haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass eine Anreizsetzung auch zur Senkung der Trassen- und Stationspreise auf vertraglicher Grundlage durchgeführt werden sollte, ist noch zu klären, ob diese Anreizsetzung im Rahmen einer modifizierten LuFV (integriertes Modell) oder in einem gesonderten Vertrag (separiertes Modell) erfolgen sollte. Vorzugswürdig ist ein integriertes Modell und damit eine Fortentwicklung der LuFV zu einem Steuerungsinstrument, das die erforderliche Anreizsetzung zugunsten sowohl des Bundeshaushalts als auch der Eisenbahnverkehrsunternehmen regelt. Folgende Gründe lassen sich für ein solches System einer (neuartigen) „LuFV 2.0“ anführen: Erstens: Für ein integriertes Modell spricht vor allem, dass der von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen geforderte Effizienzgewinn eine einheitliche Größe darstellt und letztlich nur einmal vergeben werden kann. Effizienzgewinne können entweder dem Bund als (Haupt-)Financier oder den Eisenbahnverkehrsunternehmen zufließen. Inhaltlich geht es also um die Verteilung des Effizienzgewinnes auf die beiden Träger der Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur. Entscheidet sich der Gesetzgeber dafür, beide Financiers am Effizienzgewinn zu partizipieren, ist zu regeln, in welchem Umfang der Effizienzgewinn zur Senkung der Bundesmittel oder zur Senkung der Trassen- und Stationsentgelte eingesetzt wird. Auf dieser Grundlage ließe sich dann eine Obergrenze sowohl für die vom Bund zur Verfügung gestellten Infrastrukturmittel als auch ein (Preis-)Pfad für die von den Eisenbahnverkehrsunternehmen zu entrichtenden Trassen- und Stationspreise festlegen. Messgrößen und Messmaßstäbe stimmen im Wesentlichen überein. Es empfiehlt sich daher, in einem und demselben vertraglichen Regelwerk zu bestimmen, wie der Effizienzgewinn auf beide Beteiligten zu verteilen ist, in welchem Umfang also Bund und Eisenbahnverkehrsunternehmen in den Genuss dieses Vorteils kommen. Dementsprechend sah § 40 ERegG-Entwurf für die Anreizregulierung vor, dass die Laufzeiten von Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen zwischen dem Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen mit der Laufzeit entsprechender Regulierungsperioden abgestimmt werden. In der Regel sollte die LuFV mit einer Regulierungsperiode beginnen und enden. Hierzu sollte in zeitlicher Hinsicht dem Koordinierungsbedarf Rechnung getragen werden. Eine Vorschrift, die den Abstimmungsbedarf zwischen Anreizregulierung und LuFV auch inhaltlich regelt, fehlte hingegen im ERegG-Entwurf. Das hier präferierte integrierte Modell trüge auch diesem materiellen Abstimmungsbedarf Rechnung. Öffentliche Bundesmittel und Nutzungsentgelte sind die zwei Seiten der (einheitlichen) Medaille der Eisenbahninfrastrukturfinanzierung. Die Verteilung des geforderten Effizienzgewinns sollte deshalb in einem und demselben Vertragswerk geregelt werden.

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Zweitens: Die Integration der beiden effizienzsteigernden Instrumente in einem und demselben Vertragswerk trägt dazu bei, der Gefahr einer Doppelregulierung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen wirksam entgegenzuwirken. Dadurch können erhöhte Bürokratiekosten zulasten der Infrastrukturbetreiber verhindert werden. Demgegenüber birgt eine separierte Regulierung durch eine parallele Anwendung der Steuerungsinstrumente der LuFV und der Anreizregulierung die Gefahr, dass den Eisenbahninfrastrukturunternehmen Regulierungskosten entstehen, die der Sache nach nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig sind. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass aus beiden Regelungssystemen widersprüchliche Vorgaben resultieren. So lässt sich etwa nicht ausschließen, dass Investitionen von der BNetzA nicht in voller Höhe anerkannt werden, obwohl sie zuvor vom Bund und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Rahmen der LuFV vereinbart wurden. Der Verhinderung der Gefahr einer unverhältnismäßigen Doppelregulierung korrespondieren schließlich drittens geringere Bürokratiekosten für den Bund. Die Durchführung eines Anreizregulierungsverfahrens durch die BNetzA, das neben das Regelwerk der LuFV treten würde, würde die Bürokratiekosten des Bundes wachsen lassen. Demgegenüber ist die integrierte die „schlankere“ Lösung, weil sie eine unzulässige Doppelregulierung und eine Erhöhung der Bürokratiekosten zu vermeiden hilft.

5. Elemente eines Systems der „LuFV 2.0“ Wie ein solches fortzuentwickelndes System der LuFV im Einzelnen auszugestalten ist, muss einer gesonderten Untersuchung vorbehalten bleiben. Hier können nur die zentralen Maßstäbe benannt werden, die der Gesetzgeber in seiner „Entgeltrahmenregelung“ (Art. 29 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU) zu beachten hat387. a) Vereinbarkeit des integrierten Modells mit der Richtlinie 2012/34/EU Wie im Einzelnen bereits dargelegt, sind die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2012/34/EU nicht verpflichtet, aufsichtsrechtliche Maßnahmen zum Zwecke der Senkung der Zugangsentgelte zu ergreifen. Gemäß Art. 30 Abs. 3 Richtlinie 2012/ 34/EU können sie die nach Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU erforderlichen Anreize durch eine vertragliche Vereinbarung, durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen oder durch eine Kombination beider Steuerungsinstrumente schaffen. Da eine Anreizsetzung durch eine vertragliche Vereinbarung im Sinne des Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU ausreicht und eine Kombination beider Steuerungsinstrumente ausdrücklich zulässig ist, ist das hier in Rede stehende integrierte Vertragsmodell, das eine Anreizsetzung in einem und demselben Vertrag sowohl zugunsten des öffentlichen Haushalts des Bundes als auch zugunsten der Eisenbahnverkehrs387

Zum Erfordernis einer gesetzlichen Regelung vgl. noch unter 5. f), S. 143 f.

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unternehmen vorsieht, von der Richtlinie gedeckt. Allerdings kann dann nicht mehr von „aufsichtsrechtlichen Maßnahmen“ gesprochen werden. Da diese nach der Richtlinie 2012/34/EU jedoch nicht obligatorisch, sondern nur fakultativ vorgesehen sind, ist das integrierte Vertragsmodell richtlinienkonform. Weiter ist das integrierte Vertragsmodell mit Anhang V Ziff. 5 Richtlinie 2012/34/ EU vereinbar. Nach dieser Regelung müssen vertragliche Vereinbarungen Anreize nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34/EU setzen („mit Ausnahme der Anreize, die im Wege von Regulierungsmaßnahmen nach Art. 30 Absatz 3 geschaffen werden“). Da der Anhang V Ziff. 5 Richtlinie 2012/34/EU nur Mindestvoraussetzungen aufstellt, können die auf eine Senkung der Zugangsentgelte bezogenen Anreize vertraglich geregelt werden, wenn sie nicht bereits Gegenstand entsprechender aufsichtsrechtlicher Maßnahmen sind. Wie bereits dargelegt388, sind aufsichtsrechtliche Maßnahmen zur Senkung der Zugangsentgelte allerdings nur dann entbehrlich, wenn Infrastrukturbetreiber öffentliche Mittel erhalten. Sofern nicht bundeseigene Eisenbahninfrastrukturbetreiber (NE-IU) keine öffentlichen Mittel erhalten sollten und in Konkretisierung des Vorbehalts des Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU („soweit angezeigt“) keine (Finanzierungs-)Vereinbarung getroffen werden kann, ist dafür Sorge zu tragen, dass durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen Anreize zur Senkung der Zugangsentgelte gesetzt werden. Dieser Direktive ließe sich dadurch entsprechen, dass die Durchführung einer hoheitlichen Anreizregulierung unter den Vorbehalt einer vertraglichen Regelung gestellt wird. Ob die Bundesrepublik Deutschland ein eigenständiges System einer hoheitlichen Anreizregulierung bereithalten muss, hängt maßgeblich davon ab, ob und in wie vielen Fällen NE-IU keine öffentlichen Mittel für die Infrastruktur erhalten. b) Bezugsgegenstand der Anreizsetzung: Eigene Mittel der Eisenbahninfrastrukturunternehmen Bei der Beantwortung der maßgeblichen Frage, welche Finanzmittel der Anreizsetzung unterliegen, ist zwischen den Infrastrukturmitteln der öffentlichen Hand und den von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufgebrachten Eigenmitteln zu unterscheiden. Öffentliche Mittel, insbesondere (verlorene) BKZ, die der Bund für den Bau (§ 8 BSchWAG) zur Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur bereitstellt, sind nicht der Anreizsetzung zu unterwerfen. Sie gehen in die Berechnung der Vollkosten, welche die Grundlage für die Trassen- und Stationspreise bilden, nicht ein. Deshalb muss eine Anreizsetzung zum Zweck der Senkung der Stations- und Trassenpreise von vornherein ausscheiden. Demgemäß war auch nach dem ERegGEntwurf vorgesehen, dass öffentliche Zuschüsse von einer hoheitlichen Anreizregulierung ausgeklammert werden sollten389. Aber auch im Verhältnis zum Bund 388

Vgl. hierzu bereits oben unter B. I. 1. c) vor Fn. 50 (S. 130). Vgl. BR-Drs. 559/12, S. 174; vgl. auch Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 79; siehe aber auch Rn. 80: „Aus Sicht der Monopol389

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besteht kein Erfordernis einer effizienzsteigernden Anreizsetzung. Sofern der Bund in Wahrnehmung seines ihm nach Art. 87e Abs. 4 GG obliegenden Infrastrukturgewährleistungsauftrages auf der Grundlage des BSchWAG bzw. der LuFV öffentliche Mittel zur Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung stellt, ist er an den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gebunden (vgl. Art. 114 Abs. 2 GG, § 7 BHO). Kraft dieses haushaltsrechtlichen Grundsatzes hat er sicherzustellen, dass die den Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes zugewendeten öffentlichen Mittel wirtschaftlich und sparsam verwendet werden. Eine zusätzliche effizienzsteigernde Anreizsetzung liefe auf eine nicht erforderliche und damit unverhältnismäßige Doppelregulierung hinaus. Demgegenüber sind sämtliche von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufgewendeten Eigenmittel für Bau, Instandsetzung und Unterhaltung der Eisenbahninfrastruktur in die Anreizsetzung miteinzubeziehen. Allerdings ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass von einer solchen Anreizsetzung negative Effektive ausgehen, nämlich dass die Unternehmen in die Eisenbahninfrastruktur weniger investieren. Die Errichtung eines Systems der aus eigenen und öffentlichen Mitteln (ko-)finanzierten Eisenbahninfrastruktur war eines der (Kern-)Ziele der Eisenbahnverfassungsreform. Der existierende Zielkonflikt zwischen der Setzung von Anreizen zur Steigerung der Investitionsbereitschaft der Eisenbahninfrastrukturunternehmen einerseits und der Setzung von Anreizen zur Senkung der Zugangsentgelte bzw. der öffentlichen Haushaltsmittel anderseits ist durch die Richtlinie 2012/34/EU gelöst, die eine Anreizsetzung zur Reduzierung der Benutzungsentgelte oder der öffentlichen Mittel verlangt. Die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen eingesetzten Eigenmittel gehen in die Vollkosten ein, welche die Basis für die Berechnung der Trassen- und Stationspreise sind. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen dürfen daher verlangen, dass entsprechende Effizienzsteigerungen auch ihnen zugutekommen. Das Gleiche gilt im Verhältnis zum Bund. Auch er darf erwarten, dass die Eisenbahninfrastrukturunternehmen ihre Eigenmittel effizient einsetzen, weil nach Maßgabe des erzielten Effizienzgewinns der Anteil des Bundes an der Finanzierung der Infrastruktur sinken kann. Die Anreizmechanismen der existierenden LuFV tragen diesem korrelativen Zusammenhang bereits heute Rechnung. Im Gegensatz zu einer von der LuFV gesonderten hoheitlichen Anreizregulierung lässt sich bei dem hier in Rede stehenden integrierten Anreizmodell die Gefahr einer Doppelregulierung wirksam ausräumen. Anders als in einem System mit separierten Regulierungsinstrumenten390 bestehen beim integrierten (Vertrags-)Modell keine durchgreifenden Bedenken, den gesamten Kostenblock (Bauinvestitionen, Instandhaltungen, operative Kosten) der Anreizsetzung zu unterwerfen. kommission wäre es konsequent, den gesamten Infrastrukturerhalt eindeutig einem einheitlichen Regulierungsregime zu unterstellen.“ 390 Zur Einbeziehung des gesamten Kostenblocks in die nach dem ERegG-Entwurf vorgesehene Anreizregulierung vgl. BR-Drs. 559/12, S. 175.

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c) Festlegung einer Verteilungsquote Weiter eröffnet eine vertragliche Anreizsetzung Spielräume für die Entscheidung, in welchem Umfang die Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Bund bei der Verteilung des Effizienzgewinns zum Zuge kommen. Die Festlegung einer entsprechenden Verteilungsquote muss nicht bereits im Gesetz391 geregelt sein. Vielmehr kann diese Frage einer vertraglichen Regelung vorbehalten bleiben. Man könnte sich hierbei am Anteil des Bundes bzw. der Eisenbahnverkehrsunternehmen an der Gesamtfinanzierung der Eisenbahninfrastruktur orientieren. Denkbar wäre jedoch auch, einen anderen Verteilungsschlüssel zu wählen, der die Eisenbahnverkehrsunternehmen stärker entlastet und auf diese Weise zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene beiträgt. Schließlich wäre es auch möglich, allein einen Preispfad für die Nutzungsentgelte festzulegen. Aus diesem ergäbe sich dann, in welchem Umfang die Eisenbahnverkehrsunternehmen am Effizienzgewinn partizipieren. Im Übrigen könnte der Effizienzgewinn dem Bund zugutekommen, ohne dass hierfür eine bestimmte Quote festgelegt werden müsste. d) Anhörung der BNetzA Das hier vorgeschlagene integrierte (Vertrags-)Modell dient nicht dem Ziel, die legitimen, von der BNetzAwahrzunehmenden Regulierungsfunktionen in Abrede zu stellen. Es zielt allein darauf, das Regulierungsverhältnis zwischen der BNetzA und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach denjenigen Prinzipien zu gestalten, die im Verhältnis der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zum Bund als Financier der Eisenbahninfrastruktur gelten. Dementsprechend sollte der BNetzA im Rahmen einer entsprechend modifizierten „LuFV 2.0“ ein Anhörungsrecht eingeräumt werden392. Durch ein solches Recht zur Stellungnahme könnte die BNetzA dafür Sorge tragen, dass durch Festlegung eines entsprechenden Preispfades im Rahmen der Anreizsetzung die Trassen- und Stationsentgelte gesenkt werden. Der Bund könnte weiterhin seine legitimen verkehrlichen und fiskalischen Interessen wahrnehmen. Selbstredend wäre das Anhörungsrecht der BNetzA auf die Anreizsetzung zum Zweck der Senkung der Nutzungsentgelte begrenzt. Die anderen von der LuFV geregelten Gegenstände unterfallen nicht der Zuständigkeit der BNetzA. e) Erfordernis einer Subsidiaritätsregelung zugunsten einer hoheitlichen Anreizregulierung für den Fall der Nichteinigung? Eine sachliche Notwendigkeit, für den Fall der Nichteinigung eine hoheitliche Anreizregulierung vorzusehen, ließe sich kaum begründen. Denn die Gefahr eines 391 392

Zum Gesetzesvorbehalt vgl. sogleich. Vgl. Art. 55 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU.

III. Weiterentwicklung der in der LuFV beinhalteten Anreizelemente

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Scheiterns entsprechender vertraglicher Verhandlungen dürfte regelmäßig auszuschließen sein, weil die Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf die Finanzierung durch den Bund angewiesen sind. Kraft der wechselseitigen Abhängigkeit kann ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen kein Interesse daran haben, einen auf Senkung der Trassen- und Stationspreise gerichteten Vertragsabschluss zu gefährden oder zu vereiteln. Dies ist der Unterschied zu anderen Netzwirtschaften, in denen ein vergleichbares Eigeninteresse des Infrastrukturbetreibers am Zustandekommen eines Vertrages nicht besteht. f) Erfordernis einer gesetzlichen Regelung Zu der Frage, ob eine vertragliche Regelung ein geeignetes Mittel zur Umsetzung von Richtlinien ist, hat sich der Europäische Gerichtshof soweit ersichtlich bislang explizit nicht geäußert393. Ohne das Problem zu behandeln, geht der Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland stillschweigend von der Zulässigkeit einer vertraglichen Umsetzung aus, indem er die LuFVals hinreichendes Instrument zur Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG qualifiziert394. Demgegenüber dürfte das Modell der hier entwickelten LuFV aus Sicht des Grundgesetzes einer parlamentarischen Leitentscheidung erfordern, welche die Grundlinien des durch Vertrag zu gestaltenden Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten regelt395. Da der Bund mit der LuFV seinem ihm nach Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG obliegenden Gewährleistungsauftrag nachkommt, drängt der Gesetzesvorbehalt des Art. 87e Abs. 4 Satz 2 GG auf Verwirklichung. Die Konkretisierung des (von Verfassungs wegen unbestimmten) Gewährleistungsauftrages legt das Grundgesetz in die Hände des Gesetzgebers396. Deshalb sind zumindest die Grundlinien des vertraglichen Regelwerkes der „LuFV 2.0“ in einem (LuFV-)Gesetz zu regeln. Diesem Gesetzesvorbehalt kommt im gegebenen Zusammenhang auch deshalb erhebliche praktische Bedeutung zu, weil die zur Verwirklichung des Gewährleistungsauftrages des Art. 87e Abs. 4 GG erforderlichen Gesetze gemäß Art. 87e Abs. 5 Satz 1 GG der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Die sachliche Legitimation dieses Zustimmungsvorbehaltes liegt darin begründet, dass die Belange der Länder bei der Konkretisierung des Infrastruktursicherungsauftrags beein-

393

Vgl. hierzu bereits Gersdorf, DVBl. 2009, 942 (946 Fn. 35). Vgl. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 98 ff. 395 Zu der Frage, ob die bislang existierende LuFV eine gesetzliche Regelung erfordert, bejahend Gersdorf, DVBl. 2009, 942 946 f.; Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Ökonomische Grundsatzfragen zur Ausgestaltung einer Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S. 75; siehe auch Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 269 f. 396 Zu den Funktionen des Gesetzesvorbehalts des Art. 87e Abs. 4 Satz 2 GG Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87e Rn. 76 m.w.N. 394

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trächtigt sein können397. Als Aufgabenträger für den SPNV sind die Länder auf eine hinreichende Infrastrukturqualität angewiesen398. Hinzu kommt, dass eine modifizierte „LuFV 2.0“ zugleich auf die Höhe der Trassen- und Stationsentgelte zielt. Die damit verbundene grundrechtliche Betroffenheit der Eisenbahnverkehrsunternehmen erfordert eine parlamentarische Leitentscheidung. g) Zeitliche Abstimmung mit RegG und GVFG Wie bereits dargelegt, sah § 40 ERegG-Entwurf eine zeitliche Synchronisierung der Laufzeit der LuFV und der Laufzeit der Regulierungsperiode im Rahmen eine Anreizregulierung vor. Ein solcher Abstimmungsbedarf besteht im Rahmen des vorgeschlagenen Modells nicht, weil die Anreizsetzung zugunsten der Eisenbahnverkehrsunternehmen und des Bundes in einem und demselben Vertrag zu regeln ist. Eine inhaltliche und zeitliche Abstimmung mit den Regelungssystemen des RegG und des GVFG399 ist indes unverzichtbar. Ohne die staatliche Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs aus Regionalisierungsmitteln und ohne die Finanzierung von Eisenbahninfrastrukturprojekten, insbesondere von Bahnhöfen, aus Mitteln des GVFG, wäre das momentan hohe Niveau des SPNV nicht möglich. Für einen leistungsfähigen SPNV ist es unerlässlich, die Regionalisierungsmittel zu erhalten und den Veränderungen entsprechend zu dynamisieren400. Die Wirksamkeit einer modifizierten „LuFV 2.0“ hängt maßgeblich von einer inhaltlichen und zeitlichen Abstimmung mit den Regelungswerken des RegG und des GVFG ab.

IV. Entflechtung durch Separierung der Finanzströme Dass einem vertikal integrierten Unternehmen, welches auf dem vorgelagerten (Netzzugangs-)Markt über eine (natürliche) Monopolstellung verfügt, eine potenzielle Diskriminierungsgefahr inhärent ist, ist allgemein bekannt und anerkannt. Auch dem vertikal integrierten Eisenbahnkonzern DB AG wird ein solches Diskriminierungspotenzial attestiert401, wenngleich die Holding aufgrund der buchhalterischen Trennung und der operationellen Unabhängigkeit wesentlicher Funktionen bereits heute teilweise entflochten ist. Innerhalb der vertikal integrierten Holding könnte das Interesse der Infrastrukturtöchter dahin gehen, bei der Erhebung der Trassen- und Stationsentgelte ihre Verkehrstöchter zu privilegieren und die Wettbewerber zu benachteiligen. Doch auch bei strikt gleicher Behandlung sämt397

Vgl. Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87e Rn. 77 m.w.N. So ausdrücklich Erwägungsgrund 3 der Präambel der LuFV. 399 Vgl. hierzu oben unter B. VI., S. 54 ff. 400 Vgl. 20 Jahre Bahnreform und Deutsche Bahn AG, S. 136. 401 Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 40. 398

IV. Entflechtung durch Separierung der Finanzströme

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licher Eisenbahnverkehrsunternehmen sei eine Diskriminierung der Wettbewerber nicht auszuschließen. Sofern überhöhte Trassen- und Stationspreise verlangt würden, stünden die Mehrausgaben der Eisenbahnverkehrsunternehmen der DB AG den Mehrerlösen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen der DB AG gegenüber. Während sich am Konzernergebnis dadurch nichts änderte („linke Tasche, rechte Tasche“), würden durch erhöhte Trassenpreise die Chancen der Wettbewerber erheblich geschmälert und der Wettbewerb nachhaltig beeinträchtigt402. Darüber hinaus könnten die von der öffentlichen Hand für die Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung gestellten Mittel zweckentfremdet und dazu verwendet werden, den Eisenbahnverkehrsunternehmen der DB AG Wettbewerbsvorteile bei ihren Verkehrsleistungen zu verschaffen403 ; ein Vorwurf, der sich a priori als unhaltbar erweist, weil öffentliche Mittel nicht in die Vollkosten eingehen, welche die Grundlage für die Berechnung der Nutzungsentgelte bilden. Das geltende Unionsrecht trägt diesem Diskriminierungspotenzial durch die Vorgaben zur Unabhängigkeit der Infrastrukturbetreiber von Eisenbahnunternehmen Rechnung. Im Rahmen der europäischen Liberalisierung des Eisenbahnsektors war die Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers von Beginn an eine der zentralen Säulen der europäischen Eisenbahnregulierung. Nach geltendem Recht erstreckt sich die Unabhängigkeitsgarantie neben der Organisation des Betriebs der Schienenwege in einer rechtlich selbständigen Gesellschaft (rechtliche Entflechtung) sowohl auf die getrennte Rechnungslegung (buchhalterische Entflechtung) als auch auf die Wahrnehmung der wesentlichen Funktionen des Infrastrukturbetriebs (operationelle Entflechtung), nämlich auf die Entscheidungen über die Zuweisung von Zugtrassen und die Erhebung von Wegeentgelten (vgl. Art. 7 Richtlinie 2012/34/EU). Neu in die Richtlinie aufgenommen wurde die zusätzliche buchhalterische Vorgabe, dass die Trennung der Rechnungsführung ermöglichen muss, „die Verwendung der Einnahmen aus Wegeentgelten … zu kontrollieren“ (Art. 6 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/ EU)404. Ein Verbot, eine angemessene Verzinsung für das beim Betreiber der Schienenwege eingesetzte Kapital zu erzielen und diesen „Gewinn“ auch für andere Zwecke, etwa für den Verkehrsbereich zu verwenden, wird hiermit nicht begründet. Weitergehende Direktiven enthält das Unionsrecht nicht. Insbesondere ist die in Deutschland bestehende Holdingstruktur der DB AG mit Unionsrecht vereinbar. Die im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland von der Kommission vertretene gegenteilige Auffassung hat beim Gerichtshof kein Gehör 402 Zu diesen Diskriminierungsgefahren vgl. statt vieler Gersdorf, in: Schmidt-Aßmann/ Dolde (Hrsg.), ZHR-Beiheft 73 [2005], 131 (144 f.); vgl. zu einzelnen konkreten Diskriminierungsverwürfen gegen vertikal integrierte Unternehmen im Eisenbahnsektor Kommission, Memo Anstehende Herausforderungen im europäischen Bahnverkehr, 30. 01. 2013, S. 5 (http:// europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13 – 45_de.htm, Stand: April 2014). 403 Vgl. hierzu zuletzt Kommission, Memo Anstehende Herausforderungen im europäischen Bahnverkehr, 30. 01. 2013, S. 4 (http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13 – 45_de. htm, Stand: April 2014). 404 Vgl. hierzu Lerche, N&R 2013, 27 (29).

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

gefunden405. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass die für den Elektrizitäts- und Erdgasbereich geltenden weitergehenden Unabhängigkeitsanforderungen des Netzbetreibers im Eisenbahnsektor keine Anwendung finden406. Gleichwohl ist die Forderung nach einer noch weitergehenden vertikalen Desintegration der DB AG nicht verstummt. So hat etwa die Monopolkommission seit jeher keinen Hehl daraus gemacht, dass sie eine vollständige Trennung von Infrastruktur- und Transportunternehmen der DB AG für erforderlich halte407. Einen vorläufigen Höhepunkt hat die Diskussion in dem Vorschlag der Kommission für ein Viertes Eisenbahnpaket gefunden. Gerade einmal sechs Wochen nach Inkrafttreten der Richtlinie 2012/34/EU am 15. Dezember 2012 hat die Kommission am 30. Januar 2013 einen Entwurf zur Änderung dieser Richtlinie vorgelegt408. Der Richtlinienvorschlag verlangt, dass nicht nur – wie bislang – die wesentlichen, sondern sämtliche Funktionen (Ausbau, Betrieb und Instandhaltung) vom Infrastrukturbetreiber unabhängig ausgeübt werden (Erwägungsgrund 9 Richtlinienvorschlag, Art. 7 Nr. 1 Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag). Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass Infrastrukturunternehmen nicht nur von Eisenbahnunternehmen, sondern auch von (Holding-)Obergesellschaften unabhängig sein müssen. Die eigentumsrechtliche Trennung des Schienennetzes und des Betriebs soll den Regelfall bilden (vgl. Art. 7 Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag). Die Schaffung neuer Holdingstrukturen im Eisenbahnsektor soll damit ausgeschlossen werden. Nur in den Fällen der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bereits bestehenden Holdingstrukturen können die betreffenden Mitgliedstaaten nach dem Richtlinienvorschlag unter engen, in Art. 7a bis 7e Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag näher geregelten Voraussetzungen Ausnahmen vorsehen (Art. 7 Nr. 5 Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag). Nur wenn strenge „chinesische Mauern“ die notwendige rechtliche, finanzielle und operative Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers sicherstellen, sind Holdingstrukturen zulässig. Dazu zählen etwa die sachliche sowie personelle Unabhängigkeit der Infrastrukturunternehmen unter Einbeziehung von Karenzzeiten bei der Übernahme von Personal (vgl. Art. 7b Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag). Auch dürfen die Einnahmen des Infrastrukturbetreibers nicht zur Finanzierung anderer rechtlicher Einheiten des vertikal integrierten Unternehmens verwendet werden, sondern ausschließlich zur Finanzierung des Geschäftsbereichs des Infrastrukturbetreibers und zur Auszahlung von Dividenden an den 405

EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 30 ff., 53 ff. EuGH, Urteil vom 28. 02. 2013, C-556/10 – Kommission/Deutschland, Rn. 63 f. 407 Vgl. hierzu zuletzt Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 16 ff. 408 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums bezüglich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste und der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur, COM(2013) 29 final. 406

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Endeigentümer des vertikal integrierten Unternehmens. Die Bücher des Infrastrukturbetreibers sind so zu führen, dass die Finanzkreisläufe des Infrastrukturbetreibers von denen der übrigen rechtlichen Einheiten des vertikal integrierten Unternehmens getrennt werden können (vgl. Art. 7a Nr. 3 Richtlinie 2012/34/EURichtlinienänderungsvorschlag). Diese Vorgaben für vertikal integrierte Unternehmen sollen durch ein umfassendes Sanktionssystem flankiert werden. Nach dem Richtlinienentwurf kann Eisenbahnunternehmen, die Teil eines vertikal integrierten Unternehmens sind, der Zugang zu den Eisenbahnverkehrsmärkten in anderen Mitgliedstaaten verwehrt werden. Dies soll nicht nur dann der Fall sein, wenn die betreffenden Infrastrukturbetreiber die für integrierte Holdingstrukturen geltenden Voraussetzungen nicht erfüllen. Vielmehr soll eine Marktzutrittssperre auch dann zulässig sein, wenn die Kommission feststellt, dass die Erfüllung dieser Anforderungen nicht ausreicht, um gleiche Bedingungen für alle Eisenbahnunternehmen zu gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen in dem Mitgliedstaat, in dem der betreffende Infrastrukturbetreiber niedergelassen ist, auszuschließen (vgl. Art. 7c Nr. 3 Richtlinie 2012/34/ EU-Richtlinienänderungsvorschlag). Diese Sanktionsregelung verstößt mehrfach gegen Unionsrecht. Das im Richtlinienvorschlag vorgesehene (Sanktions-)Mittel der Errichtung von Marktzutrittssperren widerspricht dem Fundamentalprinzip des Unionsrechts: der Schaffung und Gewährleistung eines europäischen Binnenmarktes (vgl. nur Art. 3 Abs. 1 UAbs. 1 EUV, Art. 26 Abs. 1 AEUV)409. Dies gilt vor allem deshalb, weil Marktabschottungen auch dann zulässig sein sollten, wenn die für integrierte Unternehmen bestehenden Regeln eingehalten werden410. Darüber hinaus entspricht der Richtlinienvorschlag nicht den rechtsstaatlichen Prinzipien der Normenklarheit und Normenbestimmtheit, weil er nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen die Wahrung der für integrierte Unternehmen geltenden Anforderungen nicht ausreicht, um einen fairen und diskriminierungsfreien Wettbewerb zu garantieren. Es ist Aufgabe der Union, diese rechtsstaatlich geschuldeten Voraussetzungen zu bestimmen. Diese Aufgabe darf nicht durch eine Beweislastregelung (vgl. Art. 7c Nr. 4 Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag) auf die Mitgliedstaaten abgewälzt werden411. Neben dieser offensichtlich rechtswidrigen Sanktionsregelung stößt der Richtlinienvorschlag aber vor allem deshalb auf Bedenken, weil er im Regelfall die vertikale Trennung von Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen vorschreibt und nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen Holdingstrukturen

409 Vgl. Gerken/Voßwinkel, F.A.Z vom 19. 07. 2013, S. 4: „Das Mittel hingegen, zu dem die Kommission greift, ist abenteuerlich“. 410 Ablehnend deshalb auch Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 46. 411 Vgl. auch Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 46.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

zulässt412. Nach Unionsrecht ist es Aufgabe und Pflicht der Kommission, eine belastbare Folgenabschätzung der von ihr präferierten vertikalen Trennung vorzunehmen413. Dieser der Kommission nach Unionsrecht obliegenden Verpflichtung genügt der Richtlinienentwurf nicht414. Gewiss mag eine vertikale Desintegration modelltheoretisch von Vorteil sein, weil damit die „integrierten Strukturen innewohnenden Interessenkonflikte zwischen Infrastrukturbetrieb und der Erbringung von Verkehrsleistungen beseitigt werden“ (Erwägungsgrund 8 Richtlinienänderungsvorschlag)415, wenngleich man nicht aus den Augen verlieren sollte, dass auch von vertikal desintegrierten Infrastrukturbetreibern Diskriminierungsgefahren ausgehen können, etwa in Form der Gewährung von (sachlich nicht zu rechtfertigenden) Großkundenrabatten. Jedoch ist mit der Diskriminierungsgefahr nur ein Aspekt benannt, der im Rahmen der Abwägung zwischen dem Für und Wider einer vertikalen Integration zu berücksichtigen ist. Es gibt auch widerstreitende Belange, deren Tragfähigkeit und Gewichtung zunächst sorgsam zu analysieren und die sodann im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen sind. Im Vergleich zur (vollständigen) vertikalen Desintegration verdient eine Entflechtung in Form einer Präzisierung der bestehenden Vorgaben zur Separierung der Finanzströme zwischen Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen Vorzug, weil sie einerseits der potenziellen Diskriminierungsgefahr hinreichend wirksam begegnet und andererseits die mit einer vertikalen Desintegration verbundenen Nachteile minimiert. Hierzu zählen insbesondere die Effizienzverluste, die bei entsprechender Zugdichte bei integrierten Unternehmen wegen des hohen Koordinierungsbedarfs zwischen Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern auftreten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Infrastrukturunternehmen bei vollständiger Entflechtung in die Rationalität eines zu Ineffizienzen neigenden Verwaltungsvermögens zurückfallen und dass infolgedessen das zentrale Ziel der Bahnliberalisierung infrage gestellt würde [siehe 1.]. Auf der Ebene der Europäischen Union muss eine auf Separierung der Finanzströme gerichtete strukturelle Regulierung dafür Sorge tragen, dass die Gewinne eines Infrastrukturbetreibers im Infrastrukturbereich verbleiben oder an den Endeigentümer des vertikal integrierten Unternehmens abgeführt werden416. Für 412 Das Europäische Parlament hat vor diesem Hintergrund am 26. 03. 2014 in seiner legislativen Entschließung zum Vorschlag der Kommission in erster Lesung maßgebliche Korrekturen am Entflechtungskonzept der Kommission vorgenommen, vgl. P7_TA-PROV(2014) 0147. 413 Zum Gebot der Folgenabschätzung als Rechtsprinzip im Unionsrecht vgl. umfassend Windoffer, Verfahren der Folgenabschätzung als Instrument zur rechtlichen Sicherung von Nachhaltigkeit, S. 74 ff. und S. 121 ff. 414 Ebenso Gerken/Voßwinkel, F.A.Z vom 19. 07. 2013, S. 4. 415 Zum Ziel einer vertikalen Desintegration, die mit der vertikalen Integration verbundenen besonderen Diskriminierungspotenziale zu beseitigen, vgl. statt vieler Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen im Öffentlichen Recht, S. 129 m.w.N. 416 So auch die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. 2. 2014 zu Art. 7a Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag, vgl. P7_TA-PROV (2014)0147.

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die Bundesrepublik Deutschland kommt insbesondere eine Gewinnausschüttung an den Bund in Betracht, weil eine Reinvestition der beim Eisenbahninfrastrukturunternehmen verbleibenden Gewinne einen Verzinsungsanspruch nach sich zöge (vgl. § 14 Abs. 4 AEG, Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG), der regelmäßig zu einer Erhöhung der Nutzungsentgelte führte. Dieser unerwünschte Effekt lässt sich allerdings auch bei einer solchen Gewinnausschüttung an den Bund nur dann vermeiden, wenn die Gewinne in Form von Investitionen (BKZ) des Bundes an die Eisenbahninfrastruktur „zurückfließen“. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind auf vertraglicher Basis die Bedingungen für einen solchen Finanzierungskreislauf Eisenbahninfrastruktur durch den Bund, die DB AG und deren Infrastrukturtöchter zu regeln [siehe 2.].

1. Nachteile einer vertikalen Desintegration a) Effizienzverluste bei hoher Zugdichte Wie groß bei einer vertikalen Trennung der Infrastruktur- und Verkehrsbereiche die Gefahr ist, dass Verbundvorteile (economies of scope) im Eisenbahnsektor verloren gehen bzw. zusätzliche Transaktionskosten entstehen, ist Gegenstand einer Reihe von (wirtschaftswissenschaftlichen) Gutachten. Die Untersuchungen gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die Analysen vielfach auf voneinander abweichenden Parametern beruhen417. In neueren Studien wird nachgewiesen, dass die Auswirkungen einer Trennung zwischen Infrastruktur und Eisenbahnbetrieb unter anderem von der Auslastungsintensität des Schienennetzes bzw. der Zugdichte abhängen. Der Eisenbahnsektor ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass zwischen Verkehrs- und Infrastrukturebene ein erheblicher Koordinierungsbedarf besteht, den es in anderen Netzwirtschaften – wenigstens in dieser Intensität – nicht gibt. Die Notwendigkeit einer intensiven Abstimmung zwischen beiden Bereichen betrifft nicht nur den Betrieb, sondern auch die Investitionen in die Infrastruktur. Neuere Untersuchungen belegen, dass zwischen den Gesamtkosten des Systems Schiene und der gewählten vertikalen Organisationsform (integriert oder getrennt) ein Zusammenhang besteht418. Die Komplexität kontinuierlicher Abstimmungsprozesse zwischen Verkehr und Infrastruktur wächst nach Maßgabe des Auslastungsgrades bzw. der Zugdichte aller Eisenbahnverkehrsunternehmen, was im Fall einer vertikalen Trennung die Kosten im Vergleich zu einer integrierten Koordination überproportional ansteigen lässt. Dieser Kostenanstieg ist ab einer bestimmten Auslastung so groß, dass er auch durch – 417 Eine überblicksartige Darstellung der einzelnen Studien findet sich in Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 26 ff.; vgl. auch Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2012, S. 45. 418 Mizutani/Uranishi, Does vertical separation reduce cost? An empirical analysis of the rail industry in European and East Asian OECD Countries, Journal of Regulatory Economics, vol. 43, pp. 31 – 59; van de Velde/Nash/Smith/Mizutani/Uranishi/Lijesen/Zschoche, „EVESRail – Economic effects of Vertical Separation in the railway sector“, Report for CER, pp. 188.

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möglicherweise mit der Trennung verbundene – Effizienzsteigerungen nicht ausgeglichen werden kann. Während in der älteren Studie der Schwellenwert beim 1,54bis 1,89-fachen der durchschnittlichen Zugdichte aller betrachteten Eisenbahnunternehmen419 errechnet wird420, reicht nach der neueren, auf aktualisierten Daten basierenden Studie zum Überschreiten der Grenze der Ineffizienz bereits das 0,99fache der durchschnittlichen Zugdichte aus421. Da nur in Japan, der Schweiz, Südkorea und den Niederlanden die Zugdichte über dem 1,5-fachen des Durchschnittswertes liegt, gelangte die erste Studie noch zu dem Ergebnis, dass eine vertikale Trennung lediglich in diesen Ländern zu Ineffizienzen führen würde422. Sofern man hingegen auf der Grundlage der zweiten Studie den Schwellenwert bereits beim 0,99-fachen der durchschnittlichen Zugdichte ansetzte, wäre bei vertikaler Desintegration die Grenze zur Ineffizienz in der Bundesrepublik Deutschland bereits jetzt überschritten423. Die Monopolkommission geht zwar auch davon aus, dass die Koordinierungskosten im korrelativen Zusammenhang mit dem Grad der Auslastung bzw. der Zugdichte stehen. Unter Zugrundelegung eines – die Ineffizienzgrenze markierenden – Schwellenwertes von 1,54 der durchschnittlichen Zugdichte sämtlicher betrachteten Unternehmen gelangt sie zu dem Ergebnis, dass in Deutschland die Zugdichte um 30 % steigen müsste, um negative Auswirkungen einer vertikalen Trennung begründen zu können424. Die Monopolkommission nimmt damit jedoch nur eine Bestandsaufnahme vor, ohne den Blick in die Zukunft zu richten und den erwarteten Mengenzuwachs im Eisenbahnverkehrsbereich bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen. Noch größer fällt das (Ermittlungs- und Abwägungs-)Defizit bei der EU-Kommission aus. In ihrem Richtlinienvorschlag425 nimmt die Kommission zwar

419 In der Studie werden 30 Eisenbahnunternehmen aus 23 OECD-Staaten mit vergleichbaren Strukturen in den Jahren 1994 bis 2007 untersucht. Die durchschnittliche Zugdichte aller betrachteten Eisenbahnunternehmen liegt nach den Daten der Studie bei 61,44 Zugkilometern pro Trassenkilometer pro Tag. 420 Mizutani/Uranishi, Does vertical separation reduce cost? An empirical analysis of the rail industry in European and East Asian OECD Countries, Journal of Regulatory Economics, vol. 43, pp. 31 – 59. 421 Van de Velde/Nash/Smith/Mizutani/Uranishi/Lijesen/Zschoche, „EVES-Rail – Economic effects of Vertical Separation in the railway sector“, Report for CER, pp. 188. 422 Mizutani/Uranishi, Does vertical separation reduce cost? An empirical analysis of the rail industry in European and East Asian OECD Countries, Journal of Regulatory Economics, vol. 43, pp. 31 – 59 423 Van de Velde/Nash/Smith/Mizutani/Uranishi/Lijesen/Zschoche „EVES-Rail – Economic effects of Vertical Separation in the railway sector“, Report for CER, pp. 188; vgl. auch Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2012, S. 45, wonach „eine vertikale Trennung nur bei geringer Zugdichte zu einer Kostenreduzierung“ führe. 424 Monopolkommission, Bahn 2013: Reform zügig umsetzen!, Sondergutachten 64, Rn. 30 (S. 30). 425 Fn. 408.

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Bezug auf das Weißbuch Europäische Verkehrspolitik426, demzufolge bis 2050 der Großteil der Personenbeförderung über mittlere Entfernungen auf die Eisenbahn entfallen soll427. Die Kommission untersucht jedoch nicht, welche Bedeutung diese Zielsetzung für die Frage der vertikalen Trennung von Infrastruktur und Betrieb hat. Dieser Fehler bei der gebotenen Folgenabschätzung beruht darauf, dass die Kommission die mit einer vertikalen Separierung verbundenen erhöhten Koordinierungskosten weder im Allgemeinen, noch im spezifischen Zusammenhang mit der entsprechenden Zugdichte berücksichtigt. Die der Kommission obliegende Folgenabschätzung ist daher bereits deshalb defizitär, weil sie zum einen dem korrelativen Zusammenhang zwischen (effizienzschmälernden) Koordinierungskosten und vertikaler Trennung keine Beachtung schenkt (Ermittlungsdefizit) und weil sie zum anderen den Koordinierungsbedarf, der mit dem erwarteten Wachstum der Eisenbahnverkehrsmärkte kontinuierlich steigt, in die Gesamtabwägung eines Für und Wider einer vertikalen Trennung nicht miteinbezieht (Abwägungsdefizit). Bezogen auf die Bundesrepublik Deutschland ist daran zu erinnern, dass seit der Bahnreform zwischen 1994 und 2012 der Schienenpersonenverkehr um 36 % und der Schienengüterverkehr um 58 % gestiegen sind428. Bezogen auf die Länder der Europäischen Union soll nach den Vorstellungen der Kommission429 ein Großteil der Verkehre auf die Schiene verlagert werden, damit die Emissionen im Verkehrssektor im Jahr 2050 höchstens 40 % der Emissionen von 1990 betragen430. Für den Güterverkehr schlägt die Kommission vor, ihn nicht mehr auf der Straße, sondern auf der Schiene zu transportieren431. Bis 2030 sollen 30 %, bis 2050 50 % des Güterverkehrs auf Strecken von über 300 km von der Straße auf die Schiene oder auf das Wasser verlagert werden432. Auch beim Personenverkehr befürwortet die Kommission eine Verlagerung des Großteils von der Straße auf die Schiene bis 2050433. Hierbei verzichtet sie auf konkrete Planzahlen. Auch das BMVI prognostiziert ein stetig steigendes Verkehrsaufkommen im Eisenbahnbereich434. So soll nach der BMVI-Pro-

426 „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ vom 28. März 2011, KOM (2011) 144 endg. 427 COM(2013) 29 final, S. 3. 428 Vgl. hierzu umfassend 20 Jahre Bahnreform und Deutsche Bahn AG, S. 78 ff. 429 Vgl. hierzu im Einzelnen Gersdorf, in: Gramlich/Manger-Nestler (Hrsg.), Europäische Regulierungsstrukturen und -netzwerke, S. 225 (227 f.). 430 KOM(2011) 144, Rn. 6. 431 Vgl. KOM(2011) 144, Rn. 26. 432 KOM(2011) 144, S. 10, Ziel 3. 433 KOM(2011) 144, S. 10, Ziel 4. 434 Prognose der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen 2025 (http://www.bmvi.de/ SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/verkehrsprognose-2025-kurzfassung.pdf?__ blob=publicationFile, Stand: April 2014).

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

gnose 2025 im Zeitraum von 2004 bis 2025 der Schienenpersonenverkehr um 25, 6 % (1,1 % p.a.)435, der Schienengüterverkehr um 65 % (2,4 % p.a.)436 wachsen. Unter Zugrundelegung dieses erwarteten Wachstums in den Schienenverkehrsmärkten dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, wann die Zugdichte in der Bundesrepublik (und in anderen Ländern der Europäischen Union) selbst den hohen Schwellenwert von 1,54 aus den älteren Untersuchungen erreicht, ab dem eine Separierung von Infrastruktur und Verkehr aufgrund der damit verbundenen erhöhten Koordinierungskosten zu Ineffizienzen führt. Das Prinzip der Nachhaltigkeit, das Bestandteil der gebotenen Folgenabschätzung ist, verlangt, dass die Effizienzprüfung nicht allein am status quo anknüpft, sondern das künftige Mengenwachstum im Eisenbahnsektor berücksichtigt. Die Frage nach dem „richtigen“ Organisationsmodell im Eisenbahnsektor lässt sich nicht gegenwartsbezogen, sondern nur zukunftsgerichtet beurteilen. Da die vertikale Trennung von Infrastruktur- und Verkehrsbereichen bei entsprechendem Wachstum der Verkehrsmärkte zu erhöhten Koordinierungskosten führen würde, muss der Vorschlag der Kommission und der Monopolkommission bereits unter Effizienzgesichtspunkten auf Ablehnung stoßen. Eine nachhaltige, dem Zuwachs des Verkehrsaufkommens Rechnung tragende Analyse führt zu dem Ergebnis, dass entsprechende Holdingstrukturen im Eisenbahnsektor die Transaktionskosten reduzieren und deshalb gegenüber dem Modell einer vertikalen Trennung vorzuziehen sind.

b) Effizienzverlust durch Rückfall der Eisenbahninfrastrukturunternehmen in die Rationalität eines Verwaltungsvermögens Im Vergleich zu Betreibern von Infrastrukturen in anderen Netzwirtschaften weisen die Infrastrukturbetreiber im Eisenbahnsektor Besonderheiten auf, die von Gewicht sind und im Rahmen der Gesamtabwägung das Für und Wider einer vertikalen Separierung zu beachten sind. Zum einen sind die Infrastrukturbetreiber im Eisenbahnsektor im Gegensatz zu Netzbetreibern in anderen Netzwirtschaften nicht stets kommerziell ausgerichtete Unternehmen. Das Unionsrecht schreibt allein für Eisenbahnunternehmen, nicht aber für Infrastrukturbetreiber vor, dass sie nach den für Wirtschaftsunternehmen geltenden Grundsätzen zu führen sind (vgl. Art. 5 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 2012/34/EU)437. Das nationale Verfassungsrecht geht insoweit einen Schritt weiter, weil es verlangt, dass sowohl Eisenbahnverkehrsunternehmen als auch Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach kaufmännischen, unternehmerischen Gesichtspunkten zu führen sind (Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG)438. Zum anderen verbirgt sich hinter den Infrastrukturanbietern im Eisenbahnbereich 435 436 437 438

BMVI-Prognose 2025, S. 4. BMVI-Prognose 2025, S. 10. Vgl. hierzu bereits oben D. I., S. 98 ff. Vgl. hierzu bereits oben D. I. 2. c) bb), S. 112 f.

IV. Entflechtung durch Separierung der Finanzströme

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regelmäßig ausschließlich die öffentliche Hand. Auch insoweit besteht ein maßgeblicher Unterschied zu anderen Bereichen der Netzwirtschaften, in denen der staatliche Einfluss zumindest deutlich geringer ist. In der Bundesrepublik Deutschland ist sogar durch den sog. Schienenwegevorbehalt des Art. 87e Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 GG festgeschrieben, dass die Mehrheit der Kapitalanteile an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes beim Bund verbleiben muss. Eine gänzliche oder auch nur überwiegende Kapitalprivatisierung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes ist von Verfassungs wegen ausgeschlossen. Vor dem Hintergrund dieser beiden Besonderheiten wäre zu befürchten, dass die Infrastrukturbetreiber bei einer vertikalen Trennung von Infrastruktur und Verkehr in die Rationalität eines zu Ineffizienzen neigenden Verwaltungsvermögens zurückfielen. Demgegenüber trägt die institutionelle Verklammerung beider Bereiche dazu bei, dass die den Verkehrsbereich kennzeichnende unternehmerische Entscheidungsrationalität auch den Infrastrukturbereich prägt. Der Effizienzgewinn der Holdingstruktur droht durch eine vertikale Trennung verloren zu gehen. Insbesondere mit Blick auf die staatliche Trägerschaft der Infrastrukturbetreiber bestünde die Gefahr, dass Infrastrukturunternehmen nach den für die öffentliche Verwaltung geltenden Funktionsgesetzen geführt würden. Sofern Infrastrukturbetreiber die Eisenbahninfrastruktur „ähnlich einer Behörde“ lediglich „verwalten“ und nicht „als eigenes unternehmerisches Produktionsmittel wirtschaftlich optimal nutzen“439 würden, wäre das zentrale Ziel der EU-Liberalisierung und der Verfassungsreform im Jahr 1993 infrage gestellt. Der damit einhergehende Effizienzverlust würde letztlich zu höheren Nutzungsentgelten oder zu einer erhöhten Belastung des Staates führen und damit den Eisenbahnsektor insgesamt schädigen. c) Kein Verlustausgleich und keine Investitionen in die Infrastruktur durch Holding Eine vertikale Trennung führt weiter dazu, dass keine Holding mehr zur Verfügung stünde, die mit Eigenmitteln den Infrastrukturbereich finanzieren könnte. Zwar ist mit Blick auf das natürliche Monopol der Eisenbahninfrastruktur die Forderung nachvollziehbar, dass die im Infrastrukturbereich erwirtschafteten Erträge nicht zur Finanzierung des Verkehrsbereichs verwendet werden dürfen440. Das bedeutet aber nicht, dass es problematisch ist, wenn umgekehrt die im Verkehrsbereich generierten Erträge für Investitionen in die Infrastruktur eingesetzt werden. Solche Investitionen sind im Gegenteil sinnvoll, weil sie dem Gesamtsystem, d. h. allen Eisenbahnverkehrsunternehmen, und der Entlastung der öffentlichen Haushalte dienen. Dies zeigt das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland. Bis zum Jahr 2006 war der Betrieb der Fahrwege defizitär. Die Verluste der DB Netz AG wurden aufgrund des EAV durch 439 Zu den Motiven der Verfassungsreform im Jahr 1993 vgl. nochmals BT-Drs. 12/5015, S. 16; vgl. auch BVerfGE 129, 356 (369). 440 Vgl. hierzu sogleich.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

die DB AG ausgeglichen. Erst seit 2007 wird im Netzbereich (regelmäßig) ein positives Ergebnis erwirtschaftet. Im Zeitraum zwischen 2000 und 2012 kam es zu einem Nettozufluss der DB Netz AG von über 2 Mrd. Euro. Ein solcher Verlustausgleich durch die DB AG wäre bei einer vertikalen Trennung ausgeschlossen. In diesem Fall müssten entweder die Nutzungsentgelte oder die staatlichen Fördermittel erhöht werden, was nicht im wohlverstandenen Interesse des Eisenbahnsektors läge. d) Pluralität der Organisationsformen Da eine vertikale Trennung von Infrastruktur und Verkehr im Eisenbahnsektor keine nachweisbaren Vorteile mit sich brächte, sondern im Gegenteil bei entsprechender Zugdichte sogar zu Effizienzverlusten führte, ist auch unter systemtheoretischen Gesichtspunkten von einer Verpflichtung zu einer bestimmten Organisationsform abzuraten. Lässt sich die Überlegenheit eines bestimmten Organisationsmodells belastbar nicht begründen, sollten zunächst Erfahrungen mit den einzelnen zur Auswahl stehenden Organisationstypen gesammelt werden. Das erfordert den Schutz der bestehenden Pluralität der Organisationsformen und den Verzicht auf einen Oktroi eines nivellierenden Einheitsmodells441. Der Vergleich in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeigt, dass zwischen den Organisationsformen und der Wettbewerbsintensität in den Eisenbahnverkehrsmärkten kein belegbarer Zusammenhang besteht. So wird beispielsweise im Vereinigten Königreich, in dem Infrastruktur und Verkehr getrennt sind, über eine effizienzsteigernde verstärkte Zusammenarbeit zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen nachgedacht442. Weiter lässt die Diskussion in der Französischen Republik eine Präferenz zugunsten einer integrierten Holdingstruktur erkennen443. Auch in der Republik Slowenien und in der Tschechischen Republik gehen die Reformüberlegungen in Richtung einer vertikalen Integration von Infrastrukturund Verkehrsunternehmen. Die existierende Vielfalt der Organisationsformen ist ein Nucleus für die Gewinnung von Wissen und Erfahrung, der für eine erfolgreiche Strategie der Herstellung funktionsfähigen Wettbewerbs in den Eisenbahnmärkten von zentraler Bedeutung ist. Es ist Aufgabe der Europäischen Union, die auf dem Leitbild Einheit durch Vielfalt gründet, die Pluralität von Organisationsmodellen als Quelle von Erkenntnisprozessen zu schützen. Die Festlegung auf ein Einheitsmodell, dessen Vorteile auf der Grundlage der bisherigen praktischen Erfahrungen nicht belegbar sind, steht hierzu in deutlichem Widerspruch.

441 Vgl. auch VDV, Anforderungen des VDV an die Organisation der Eisenbahnunternehmen in Europa, Positionspapier, 2012, S. 7, 9. 442 Vgl. hierzu Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2012, S. 42. 443 Vgl. hierzu Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2012, S. 43 f.

IV. Entflechtung durch Separierung der Finanzströme

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2. Separierung der Finanzströme durch Bildung eines Finanzierungskreislaufes Eisenbahninfrastruktur Im Vergleich zur umfassenden vertikalen Trennung von Infrastruktur und Verkehr verdient eine auf Präzisierung der bestehenden Vorschriften zur Separierung der Finanzströme gerichtete strukturelle Regulierung Vorzug, die dafür Sorge trägt, dass die Gewinne eines Infrastrukturbetreibers im Infrastrukturbereich verbleiben oder an den Endeigentümer des vertikal integrierten Unternehmens abgeführt werden (vgl. Art. 7a Nr. 3 Richtlinienvorschlag). Nach geltendem Richtlinienrecht ist durch die Trennung der Rechnungsführung lediglich zu ermöglichen, dass „die Verwendung der Einnahmen aus Wegeentgelten … zu kontrollieren“ ist (Art. 6 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU)444. Ein Verbot, eine angemessene Verzinsung für das beim Betreiber der Schienenwege eingesetzte Kapital zu erzielen und diesen „Gewinn“ auch für andere Zwecke, etwa für den Verkehrsbereich zu verwenden, wird hiermit nicht begründet. Die hier vorgeschlagene finanzielle Separierung ginge über diese Kontrollregelung hinaus und würde ausschließen, dass die im Infrastrukturbereich erzielten Gewinne in den Verkehrsbereich abfließen. Eine solche Separierung der Finanzströme ist der vollständigen Trennung von Infrastruktur und Verkehr vorzuziehen. Zum einen wären Effizienzverluste, die im Fall einer vertikalen Trennung zu erwarten wären, ausgeschlossen. Zum anderen könnte die Maßnahme dazu beitragen, die mit der Holdingstruktur verbundenen Bedenken im Hinblick auf mögliche Diskriminierungsgefahren auszuräumen. Sofern durch getrennte Finanzströme dafür Sorge getragen wird, dass Einnahmen des Infrastrukturbetreibers nicht zur Finanzierung anderer rechtlicher Einheiten des vertikal integrierten Unternehmens verwendet werden, ist die Diskriminierungsgefahr wirksam gebannt. Ein (wirtschaftliches) Interesse der Infrastrukturtöchter, bei der Erhebung der Trassen- und Stationsentgelte die mit ihnen verbundenen Verkehrsunternehmen zu privilegieren und die Wettbewerber zu benachteiligen, lässt sich dann nicht mehr begründen. Ebenso wäre eine mögliche Diskriminierung der Wettbewerber durch Erhebung erhöhter Trassenpreise für sämtliche Eisenbahnverkehrsunternehmen ausgeschlossen. Weil bei einer Separierung der Finanzströme der Holding keine Mittel verblieben, sind Diskriminierungen der Wettbewerber nach dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“ ausgeschlossen. Schließlich entbehrte der – allerdings ohnehin unhaltbare – Vorwurf der Grundlage, dass die von der öffentlichen Hand für die Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung gestellten Mittel zweckentfremdet und dazu verwendet werden, den Eisenbahnverkehrsunternehmen der Holding DB AG Wettbewerbsvorteile bei ihren Verkehrsleistungen zu verschaffen445. Auch die Gefahr nicht entgeltbezogener Diskriminierungen der Wettbewerber, etwa im Zusammenhang mit der Trassenzuweisung, wäre entscheidend gemindert. 444

Vgl. hierzu Lerche, N&R 2013, 27 (29). Vgl. hierzu zuletzt Kommission, Memo Anstehende Herausforderungen im europäischen Bahnverkehr, 30. 01. 2013, S. 4 (http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13 – 45_de. htm, Stand: April 2014). 445

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

Sofern die Gewinne der Infrastrukturbetreiber an den Endeigentümer der Holding abgeführt würden, entfiele ein wirtschaftliches Interesse für mögliche Diskriminierungen der Wettbewerber. Die Europäische Union sollte sich darauf beschränken, eine solche Separierung der Finanzströme vorzuschreiben, die an die Stelle der von der Kommission favorisierten vertikalen Trennung von Infrastruktur und Verkehr tritt. Auf der Ebene des Unionsrechts ist allein dafür Sorge zu tragen, dass die Erträge und Gewinne des Infrastrukturbetreibers nicht zur Finanzierung anderer rechtlicher Einheiten des vertikal integrierten Unternehmens eingesetzt werden (vgl. Art. 7a Nr. 3 Richtlinienvorschlag). Ob (mögliche) Gewinne der Infrastrukturbetreiber zu ihrer Finanzierung oder zur Auszahlung einer Dividende an den Endeigentümer des vertikal integrierten Unternehmens verwendet werden, ist hingegen auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu regeln, weil die rechtliche und tatsächliche Situation in den Mitgliedstaaten, insbesondere die Rechtsstellung der Infrastrukturbetreiber, unterschiedlich ist.446 Die Einräumung eines solchen Gestaltungsspielraums ist für die Bundesrepublik Deutschland von erheblicher Bedeutung. Denn ein Verbleib der Gewinne beim Infrastrukturbetreiber könnte auch zu einer Erhöhung der Trassen- und Stationspreise führen und damit den Verkehrsträger Schiene schwächen. Die umwälzungsfähigen und renditetragenden Vollkosten (vgl. § 14 Abs. 4 AEG) ergeben sich ausschließlich aus den von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen eingesetzten Eigenmitteln. Demgegenüber gehen die von der öffentlichen Hand zur Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur bereitgestellten Mittel in die Vollkosten nicht ein, die Grundlage für die Berechnung der Trassen- und Stationspreise sind. Sofern die Gewinne der Eisenbahninfrastrukturunternehmen für Investitionen in die Infrastruktur verwendet würden, korrespondierte dem eingesetzten Kapital ein entsprechender Verzinsungsanspruch der Eisenbahninfrastrukturunternehmen (vgl. § 14 Abs. 4 AEG, Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG). Dieser Verzinsungsanspruch könnte einfachgesetzlich auch nicht ausgeschlossen werden, weil das Funktionsgesetz der „Führung als Wirtschaftsunternehmen“ gemäß Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG verlangt, dass die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen eingesetzten Eigenmittel angemessen verzinst werden. Im Interesse möglichst niedriger Nutzungsentgelte ist daher zu empfehlen, dass die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen generierten Gewinne an den Bund abgeführt werden und von diesem in Form von BKZ wieder in die Eisenbahninfrastruktur investiert werden447.

446 So auch die legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. 2. 2014 zu Art. 7a Abs. 3 Richtlinie 2012/34/EU-Richtlinienänderungsvorschlag, vgl. P7_TA-PROV (2014)0147. 447 Dieser Zusammenhang wird im politischen Umfeld oftmals nicht hinreichend erkannt; zutreffend hingegen Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 257; siehe auch Deutsche Bahn AG, Wettbewerbsbericht 2013, S. 26.

IV. Entflechtung durch Separierung der Finanzströme

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Allerdings kommen die genannten Vorteile einer solchen Gewinnausschüttung an den Bund nur dann zum Tragen, wenn die Gewinne in Form von Investitionen des Bundes wiederum der Eisenbahninfrastruktur zugutekommen. Ein solcher „Finanzierungskreislauf Schiene“ (besser: Finanzierungskreislauf Eisenbahninfrastruktur) ist bereits seit Jahren Gegenstand intensiver Diskussionen und Teil der Gesamtkonzeption des Bundes für eine nachhaltige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Im Wesentlichen besteht Einigkeit darin, dass entsprechende Finanzierungskreisläufe ein zentrales Mittel sind, um die Haushaltsabhängigkeit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung zu reduzieren, mehrjährige Planungs- und Finanzierungssicherheit zu schaffen und damit effizientere Bauabläufe zu erreichen. In einem ersten Schritt wurde deshalb im Bundeshaushalt 2011 die Maut nach Abzug der Systemund Harmonisierungskosten erstmalig vollständig für Investitionen in die Straße verwendet (Finanzierungskreislauf Straße)448. Für den Eisenbahnsektor wurde zwischen der DB AG, dem BMVBS und dem BMF unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes eine Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln aus der Bahndividende zur Finanzierung von Neu- und Ausbaumaßnahmen der Schiene beschlossen („Finanzierungskreislauf Schiene“)449. Auch dem Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD liegt ein Bekenntnis zu entsprechenden Finanzierungskreisläufen zugrunde. Nach dem Koalitionsvertrag sollen im Interesse einer nachhaltigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sowie zur Gewährleistung überjähriger Planungs- und Finanzierungssicherheit im Bundeshaushalt die notwendigen haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Nicht verbrauchte Investitionsmittel im Verkehrsbereich sollen überjährig und ungekürzt zur Verfügung gestellt werden. Zwischen den Verkehrsträgern soll eine wechselseitige Deckungsfähigkeit mit Ausgleichspflicht ermöglicht werden. Schließlich sollen die Nettoeinnahmen aus der Nutzerfinanzierung ohne Abstriche der Verkehrsinfrastruktur zugeführt werden450. Für den Finanzierungskreislauf Eisenbahninfrastruktur bedeutete dies, dass die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen generierten und an den Bund abzuführenden Gewinne (zur Gänze oder zum Teil) in die Eisenbahninfrastruktur „zurückfließen“. Entsprechende (Re-)Investitionen in Form von BKZ würden bei der Berechnung der (renditetragenden) Vollkosten der Eisenbahninfrastrukturunternehmen keine Bedeutung haben. Ein solcher Finanzierungskreislauf Eisenbahninfrastruktur würde damit zum einen zur Entlastung der Eisenbahnverkehrsunternehmen beitragen. Zum anderen würde mit dem Finanzierungskreislauf Eisen448 Vgl. Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015, bedarfsgerecht – transparent – herausfordernd, S. 82 (abrufbar unter http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Arti kel/UI/bundesverkehrswegeplan-2015.html, Stand: April 2014). 449 Vgl. Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015 (Fn. 448), S. 82; zum Finanzierungskreislauf Schiene vgl. auch Heise, Die Deutsche Bahn AG zwischen Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohlverantwortung, S. 256. 450 Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD vom 16. 12. 2013, S. 29.

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D. Rechtspolitischer Reformbedarf

bahninfrastruktur ein Instrument bereitstehen, dass den Eisenbahninfrastrukturunternehmen die für eine nachhaltige Entwicklung der Eisenbahninfrastruktur notwendige Finanzierungs- und Planungssicherheit gewährt. Schließlich ließe sich der Finanzierungskreislauf Eisenbahninfrastruktur auch in einer Weise ausgestalten, dass das Investitionsinteresse der DB AG aufrechterhalten und ihr Renditeanspruch gewahrt bleibt. Wie bereits erwähnt, investiert die DB AG seit jeher in die Eisenbahninfrastruktur. Die bis zum Jahr 2006 aufgetretenen Verluste der DB Netz AG wurden auf der Grundlage des EAV durch die DB AG ausgeglichen. Erst seit 2007 werden von den Infrastrukturtöchtern (regelmäßig) Gewinne erwirtschaftet. Da nach dem – auch hier präferierten – Modell des Finanzierungskreislaufes Eisenbahninfrastruktur die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen erzielten Gewinne nicht für Investitionen eingesetzt, sondern vollumfänglich an den Bund abgeführt werden, bildet das von der DB AG investierte Kapital im Wesentlichen die Substanz für die Vollkosten, die mittels Nutzungsentgelten „zurückverdient“ werden müssten. Die DB AG hat einen Anspruch auf angemessene Verzinsung des von ihr eingesetzten Kapitals. Wie bereits dargelegt, könnte dieser nach § 14 Abs. 4 AEG bestehende Anspruch einfachgesetzlich nicht ausgeschlossen werden, weil Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG verlangt, dass die von der DB AG eingesetzten Eigenmittel angemessen verzinst werden. Das schließt es freilich nicht aus, dass sich die DB AG in Wahrnehmung ihrer Unternehmensautonomie auf der Grundlage eines entsprechenden Vertrages sich gegenüber dem Bund (als Aktionär) verpflichtet, ihren Gewinnanspruch an den Bund abzutreten, so dass die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen erwirtschafteten Gewinne unmittelbar an den Bund ausgekehrt werden könnten. Ein solcher Vertrag wäre jedoch nur im Interesse der DB AG, wenn sich umgekehrt der Bund (in Wahrnehmung seines ihm nach Art. 87e Abs. 4 GG obliegenden Gewährleistungsauftrages) vertraglich verpflichtet, die an ihn abgeführten (Infrastruktur-)Gewinne in Form von BKZ wieder in die Eisenbahninfrastruktur zu investieren. Ein solches vertragliches Regelwerk wahrt die von Verfassungs wegen garantierte Unternehmensautonomie der DB AG451. Der Finanzierungskreislauf Eisenbahninfrastruktur lässt sich verfassungskonform nur auf der Basis eines entsprechenden Vertrages zwischen der DB AG, ihren Infrastrukturtöchtern und dem Bund verwirklichen.

451 Zur durch Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Unternehmensautonomie vgl. oben unter D. I. 2. b) bb), S. 108 ff.

E. Zusammenfassung in Leitsätzen I. Bestandsaufnahme 1. Der deutsche Gesetzgeber hat in Konkretisierung der in Art. 4 Richtlinie 2001/14/ EG niedergelegten Zuständigkeitsverteilung die Entscheidung darüber, ob die Trassenentgelte anhand der unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (vgl. Art. 7 Abs. 3 Richtlinie 2001/14/EG) oder der Vollkosten (vgl. Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2001/14/EG) berechnet und festgelegt werden, in die Hände der Eisenbahninfrastrukturunternehmen gelegt. § 14 AEG eröffnet dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei der Festsetzung der Benutzerentgelte einen erheblichen Gestaltungsspielraum, dessen Obergrenze durch die Vollkosten (zuzüglich einer marktüblichen Rendite) und dessen Untergrenze durch die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten bestimmt ist. Der Gestaltungsspielraum ist durch obligatorische (und fakultative) Vorgaben begrenzt452. Weder die Richtlinie 2001/14/EG noch § 14 Abs. 4 AEG beruhen auf einem „Baukasten-“ bzw. Stufenmodell, demzufolge die Bildung der Trassenpreise durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen in einzelnen Schritten, in einer Art Stufenfolge von den Grenzkosten über Aufschläge bis zu den Vollkosten erfolgen und begründet werden müsste. Für ein solches Stufenmodell fehlt eine normative Grundlage, wie der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die Richtlinie 2001/14/EG ausdrücklich festgestellt hat453. Auch hat die Bundesrepublik Deutschland nicht dadurch gegen Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG verstoßen, dass sie auf eine Implementierung einer hoheitlichen Anreizregulierung im Eisenbahnrecht und auf effizienzsteigernde Anreizelemente im Rahmen des § 14 Abs. 4 AEG verzichtet hat. Der durch die LuFV begründete Degressionseffekt bzw. feste Zuwendungsbetrag ist eine hinreichende Anreizwirkung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2001/14/EG. Auch dies hat der Gerichtshof klargestellt454. 2. Die BNetzA hat seit 2007 mehrere Verwaltungsverfahren gegen die Infrastrukturtöchter der DB AG geführt. Dazu gehören insbesondere die Verfahren zur Überprüfung des Trassenpreissystems und des Stationspreissystems455. Darüber hinaus wurden die Infrastrukturnutzungsentgelte in einer Vielzahl zivilgerichtlicher Verfahren einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterzogen456. 452 453 454 455 456

B. I. 1. a), S. 15 ff. B. I. 1. b), S. 18 ff. B. I. 1. c), S. 24 ff. B. II., S. 30 ff. B. III., S. 35 ff.

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E. Zusammenfassung in Leitsätzen

3. Parallel hierzu gab es unterschiedliche rechtspolitische Initiativen sowohl auf nationaler Ebene457 als auch auf der Ebene des Unionsrechts458, die ihren vorläufigen Schlusspunkt im Erlass der Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (sog. Recast-Richtlinie) gefunden haben. Zusätzlich haben die Entscheidungen des Gerichtshofes in mehreren Vertragsverletzungsverfahren zum Ersten Eisenbahnpaket den unionsrechtlichen Rechtsrahmen präzisiert459. 4. Der Eisenbahnsektor weist im Vergleich zu anderen Netzwirtschaften auch deshalb Besonderheiten auf, weil er ganz überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Ohne den Bund, der die Eisenbahninfrastrukturkosten in Bezug auf alle Eisenbahninfrastrukturunternehmen zu etwa 70 % trägt und den SPNV durch Regionalisierungsmittel zu rund 60 % finanziert, wäre das Eisenbahnwesen in der heutigen Form undenkbar. Dieser Besonderheit des Eisenbahnsektors wird im regulatorischen Zusammenhang oftmals zu wenig Beachtung geschenkt, wie etwa die Diskussion um die mögliche Implementierung einer Anreizregulierung im Eisenbahnbereich zeigt460.

II. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU und Umsetzungserfordernisse 1. Nach Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU ist grundsätzlich „das gesamte Netz“ bzw. ein hinreichend großes Teilnetz der Bezugspunkt für die Erhebung von Trassenpreisen. Hieraus folgt, dass sich die überwälzungsfähigen (Voll-)Kosten aus den Kosten des „gesamten Netzes“ bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes ergeben. Durch die Anknüpfung an die Gesamtkosten des Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes soll ein System der Mischfinanzierung, d. h. eine Finanzierung auch technisch aufwendiger Netzbestandteile (Brücken, Tunnel etc.) und schwach ausgelasteter regionaler Infrastrukturen ermöglicht werden. Art. 29 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU konkretisiert – neben dem Diskriminierungsverbot – die der Eisenbahninfrastruktur immanente Vernetzungsfunktion, die durch ein flächendeckendes Angebot an die Netznutzer zu netzweit auf denselben Grundsätzen beruhenden Entgelten zu gewährleisten ist461. Da weder im AEG noch in der EIBV ausdrücklich geregelt ist, ob die gesamte Eisenbahninfrastruktur oder bestimmte Teile derselben den Bezugsgegenstand für die Entgeltregulierung bilden, besteht Umsetzungsbedarf. Der Gesetzgeber sollte klarstellen, dass die (Voll-)Kosten aus den Kosten der Gesamtheit der Eisenbahninfrastruktur bzw. der Eisenbahninfrastruktur hinreichend 457 458 459 460 461

B. VI., S. 54 ff. B. V. 2., S. 53 ff. B. V. 1., S. 41 ff. B. VI., S. 54 ff. C. I., S. 63 ff.

II. Die Entgeltregulierung nach der Richtlinie 2012/34/EU

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großer Teilnetze und nicht aus spezifischen Kosten bestimmter Infrastrukturbestandteile zu ermitteln sind462. 2. Für die Maßstäbe der Entgeltregulierung ergeben sich aus der Richtlinie 2012/ 34/EU gegenüber der (Vorgänger-)Richtlinie 2001/14/EG keine grundlegenden Änderungen. Die Richtlinie 2012/34/EU dient der Fortschreibung und Konkretisierung der bereits nach der bisherigen Rechtslage geltenden Strukturprinzipien der Entgeltregulierung. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage differenziert die Richtlinie 2012/34/EU im Hinblick auf die Entgeltregulierung zwischen den Fahrwegnutzungsentgelten einerseits und den Entgelten für die Nutzung von Service-, Zusatz- und Nebenleistungen andererseits. Der den Eisenbahnsektor prägende (Ziel-)Konflikt, ob sich die Entgelte für den Zugang zu Fahrwegen an den (niedrigen) unmittelbar zugbetriebsbedingten (Direkt- bzw. Grenz-)Kosten oder an den (höheren) Vollkosten der Eisenbahninfrastruktur orientieren sollen, liegt – in Fortschreibung der bisherigen Rechtslage – auch der Richtlinie 2012/34/EU zugrunde, ohne dass die Richtlinie diesen Zielkonflikt auflöst. Vielmehr wird durch die Richtlinie 2012/34/EU wiederum nur ein durch eine Unter- und eine Obergrenze abgesteckter Rahmen gesetzt, innerhalb dessen sich die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihres Entgeltregulierungssystems frei entscheiden dürfen. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage beruht auch die Richtlinie 2012/34/EU nicht auf einem „Baukasten-“ oder Stufensystem463. Entsprechende Darlegungs- und Begründungspflichten für Aufschläge auf die unmittelbar zugbetriebsbedingten Kosten (Direkt- oder Grenzkosten) bestehen nur für diejenigen Mitgliedstaaten, die sich in Wahrnehmung des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums für das Grenzkostenprinzip als Grundlage der Berechnung und Festsetzung der Benutzungsentgelte entschieden haben464. 3. Ergänzungen bzw. Präzisierungen nimmt die Richtlinie 2012/34/EU hingegen zu den Regulierungsgegenständen der Anreizsetzung und der Angemessenheit des Gewinnes vor. Im Gegensatz zur Richtlinie 2001/14/EG schreibt die Richtlinie 2012/ 34/EU eine vertragliche (Finanzierungs-)Vereinbarung mit entsprechender Anreizsetzung obligatorisch vor, während aufsichtsrechtliche Maßnahmen, z. B. eine hoheitliche Anreizregulierung, nur fakultativ vorgesehen sind. Mit der zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DB AG und deren Infrastrukturtöchtern geschlossenen LuFV liegt bereits die von Art. 30 Abs. 2 Richtlinie 2012/34/EU verbindlich geforderte mehrjährige Finanzierungsvereinbarung vor. Auch genügt die LuFV aufgrund ihrer diversen Finanzierungs- und Qualitätselemente, darunter insbesondere des vereinbarten Degressionseffekts, dem Erfordernis einer Anreizsetzung gemäß Art. 30 Abs. 1 Richtlinie 2012/34/EU, was der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die Richtlinie 2001/14/EG ausdrücklich festgestellt hat. Eine – neben die Anreizwirkung der LuFV tretende – hoheitliche Anreizregulierung ver462 463 464

C. I. 3., S. 71 ff. C. II. 1., S. 73 ff. C. II. 1. b), S. 77 ff.

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E. Zusammenfassung in Leitsätzen

langt auch die Richtlinie 2012/34/EU nicht, vielmehr stellt sie klar, dass es zu keiner Doppelregulierung kommen darf465. 4. Die Grenzen des den Mitgliedstaaten bzw. dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums bleiben erhalten, wenngleich die Maßstäbe („Regulierungsgrundsätze“) teilweise konkretisiert und teilweise erweitert werden. In Bezug auf die fakultativen (Knappheits- und Umwelt-) Aufschläge ergeben sich keine Änderungen. Demgegenüber wird der Kreis der obligatorischen Vorgaben erweitert. Neben die bereits bislang erforderliche Anreizsetzung zur Verringerung von Störungen und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes (Performance Regime) tritt die Verpflichtung, Anreize zur Ausstattung der Züge mit dem europäischen Eisenbahnverkehrssystem (ETCS) zu setzen. Hieraus ergeben sich verschiedene Umsetzungserfordernisse: Zum einen genügen die gesetzlichen Bestimmungen (vgl. § 21 EIBV) nicht den neu geregelten Anforderungen an das sog. Performance Regime im Sinne des Art. 35 Abs. 2 i.V.m. Anhang VI Nr. 2 Richtlinie 2012/34/EU. Zum anderen ist eine Umsetzung der obligatorischen Trassenpreisdifferenzierung aufgrund der ETCS-Ausstattung der Züge (vgl. Art. 32 Abs. 4 Richtlinie 2012/34/EU) erforderlich. Darüber hinaus fehlt derzeit eine Regelung, die Art. 37 Richtlinie 2012/34/EU umsetzt, also die Infrastrukturbetreiber zur Koordinierung ihrer Entgelterhebung verpflichtet466. 5. Erweiterungen und Konkretisierungen sieht die Richtlinie 2012/34/EU im Hinblick auf den Marktausschlusstest vor, was Umsetzungsbedarf nach sich zieht. Zwar entsprechen die in § 14 Abs. 4 Satz 2 AEG genannten Verkehrsdienste des Schienenpersonenfernverkehrs, des Schienenpersonennahverkehrs und des Schienengüterverkehrs, für die nach § 14 Abs. 4 Satz 3 AEG ein Marktausschlusstest vorgesehen ist, den Direktiven des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 2 Richtlinie 2012/34/ EU. Jedoch fehlen derzeit Regelungen im Sinne des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 3 Satz 1 Richtlinie 2012/34/EU, wonach die Infrastrukturbetreiber mindestens die in Anhang VI Nr. 1 genannten Verkehrsdienstpaare in Betracht ziehen und unter diesen die zutreffenden Paare auswählen müssen. Umsetzungsbedarf besteht weiterhin im Hinblick auf die (unklare) Regelung des Art. 32 Abs. 1 UAbs. 5 Richtlinie 2012/34/ EU und im Hinblick auf die Veröffentlichungspflichten gemäß Art. 32 Abs. 1 UAbs. 6 Richtlinie 2012/34/EU467. 6. Auch in Bezug auf die Vorschriften zu Serviceeinrichtungen besteht Regelungsbedarf. Nach Art. 31 Abs. 7 Richtlinie 2012/34/EU hat der Betreiber von Serviceeinrichtungen einen Anspruch auf angemessenen Gewinn468. Dieser Vorgabe trägt § 14 Abs. 5 AEG nicht hinreichend Rechnung469. 465 466 467 468 469

C. II. 2., S. 80 ff. C. II. 3. a), S. 85 ff. C. II. 3. b), S. 87 ff. C. III. 2., S. 91 f. C. III. 3., S. 92.

III. Rechtspolitischer Reformbedarf

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III. Rechtspolitischer Reformbedarf 1. Aus den für Infrastrukturunternehmen geltenden Vorgaben des Unionsrechts und des nationalen Verfassungsrechts ergeben sich Direktiven, die der den Eisenbahnsektor ausgestaltende Gesetzgeber zu beachten hat. Während das Unionsrecht für Eisenbahnverkehrsunternehmen sowohl einen Unabhängigkeitsstatus vom Staat als auch eine Führung nach kaufmännischen Grundsätzen vorschreibt, begründet es für Infrastrukturbetreiber – in Übereinstimmung mit Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG – lediglich eine Unabhängigkeitsgarantie. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes müssen die Betreiber der Infrastruktur im Interesse der Wahrung der Unabhängigkeit ihrer Geschäftsführung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen. Die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollen in dem von den Mitgliedstaaten abgesteckten Rahmen für die Betreiber Anreize setzen, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. Die Betreiber müssen über einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung der Höhe der Entgelte verfügen470. Diese Rechtsprechung des Gerichtshofes deckt sich mit der zu Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach den Eisenbahninfrastrukturunternehmen von Verfassungs wegen ein „Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung“ zusteht471. Eine Verpflichtung zur Führung als Wirtschaftsunternehmen sieht das Unionsrecht für Infrastrukturbetreiber hingegen nicht vor. Das Verfassungsrecht geht einen Schritt weiter und verlangt für Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes – ebenso wie für Eisenbahnverkehrsunternehmen des Bundes – zum einen umfassende Unternehmensautonomie und zum anderen eine an kaufmännischen Gesichtspunkten orientierte Unternehmensführung472. 2. Besonderer Reformbedarf besteht im Hinblick auf die Frage, ob die bereits der sektorspezifischen Eisenbahnregulierung unterfallenden Infrastrukturnutzungsentgelte zusätzlich einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterworfen werden dürfen. Mit Blick auf die das Eisenbahnregulierungsrecht kennzeichnenden Prinzipien, d. h. mit Blick insbesondere darauf, dass nach der Richtlinie 2012/34/EU die Kosten des gesamten Netzes bzw. eines hinreichend großen Teilnetzes die Grundlage für die Bestimmung der Vollkosten eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens bilden, verstößt die zivilgerichtliche Billigkeitskontrolle von Infrastrukturnutzungsentgelten nach § 315 BGB gegen Vorrang beanspruchendes Unionsrecht473. Hieraus ergibt sich ein auf Klarstellung gerichteter Handlungsauftrag des Gesetzgebers, dass die durch das sektorspezifische Eisenbahnrecht regulierten Nutzungsentgelte keiner zusätzlichen Billigkeitskontrolle durch die Zivilgerichte unterliegen474. 470 471 472 473 474

D. I. 2. b) aa), S. 103 ff. D. I. 2. b) bb), S. 108 ff. D. I. 2. c), S. 111 ff. D. II., S. 116 ff. D. II. 4., S. 126 ff.

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E. Zusammenfassung in Leitsätzen

3. Der auf der Monopolstellung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen beruhenden Gefahr eines Preishöhenmissbrauchs sollte nicht durch eine Anreizregulierung begegnet werden, weil dieses Regulierungsinstrument letztlich ungeeignet ist, eine dem Gesamtsystem dienende Steuerungswirkung zu entfalten. Die Entfaltung von Effizienzsteigerungspotenzialen lässt sich mit dem Regulierungsinstrument der Anreizregulierung nicht erzwingen, weil die Eisenbahninfrastrukturunternehmen kraft der spezifischen Eigengesetzlichkeiten des Eisenbahnsektors über entsprechende Ausweichoptionen verfügen, die es ihnen unter anderem ermöglichen, die durch eine Preisobergrenzenregulierung entstehenden Fehlbeträge an den Bund „weiterzureichen“ (Waterbed Effect). Der Bund verfügt seinerseits über hinreichende Reaktionsmöglichkeiten. Die Kürzung von Infrastruktur- und Regionalisierungsmitteln bewirkte einen Bumerang-Effekt zulasten der Qualität und/oder des Angebotsumfangs des Verkehrsträgers Schiene. Die Anreizregulierung erweist sich als dysfunktionales, den Eigengesetzlichkeiten des Eisenbahnbereichs nicht hinreichend Rechnung tragendes und damit letztlich ungeeignetes Steuerungsinstrument475. Eine etwaige Verschärfung der Anreize zur Senkung von Kosten und/oder Zugangsentgelten der Eisenbahninfrastrukturunternehmen sollte vielmehr durch Weiterentwicklung des Steuerungsinstruments der LuFV erfolgen. Nutznießer entsprechender, nach Unionsrecht erforderlicher Effizienzgewinne sollten neben dem Bund auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen sein. Zur Verwirklichung dieser Regulierungsziele sollten aber nicht die beiden Steuerungsinstrumente der vertraglichen Vereinbarung und der hoheitlichen Anreizregulierung nebeneinander zur Anwendung kommen. Schon wegen des korrelativen Zusammenhangs der beiden Finanzierungsquellen der Eisenbahninfrastruktur ist es notwendig, die Verteilung des Effizienzgewinns auf den Bund bzw. auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen in einem und demselben Regelwerk festzulegen476. Als Handlungsform ist die vertragliche Vereinbarung zu wählen. Die BNetzA ist vor Vertragsschluss in geeigneter Weise zu beteiligen, um auch den legitimen Interessen der Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Senkung der Nutzungsentgelte zu entsprechen. Schließlich bedarf es einer zeitlichen und inhaltlichen Abstimmung mit dem RegG und dem GVFG477. 4. Zur Verhinderung der mit der vertikalen Integration der DB AG verbundenen Diskriminierungsgefahr darf nicht das schärfste Schwert der Zerschlagung des einheitlichen Konzerns ergriffen werden. Im Vergleich zur (vollständigen) vertikalen Desintegration verdient eine Präzisierung der bestehenden Entflechtungsvorgaben in Bezug auf eine Separierung der Finanzströme zwischen Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnunternehmen Vorzug, weil sie einerseits der Diskriminierungsgefahr hinreichend wirksam begegnet und andererseits die mit einer weiteren vertikalen Desintegration verbundenen Nachteile verhindert. Zu den Nachteilen zählen insbesondere die Effizienzverluste, die im Falle einer vertikalen Trennung wegen des 475 476 477

D. III. 2., S. 131 ff. D. III. 3. und 4., S. 135 ff. und S. 138 f. D. III. 4. g), S. 144 ff.

III. Rechtspolitischer Reformbedarf

165

hohen Koordinierungsbedarfs zwischen Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern auftreten und umso höher sind, je stärker das Schienennetz ausgelastet ist. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Infrastrukturunternehmen bei vollständiger Entflechtung in die Rationalität eines zu Ineffizienzen neigenden Verwaltungsvermögens zurückfallen und dass infolgedessen das zentrale Ziel der Bahnliberalisierung infrage gestellt würde478. Auf der Ebene der Europäischen Union muss eine auf Separierung der Finanzströme gerichtete strukturelle Regulierung dafür Sorge tragen, dass die Gewinne eines Infrastrukturbetreibers im Infrastrukturbereich verbleiben oder an den Endeigentümer des vertikal integrierten Unternehmens abgeführt werden. Für die Bundesrepublik Deutschland kommt nur eine Gewinnausschüttung an den Bund in Betracht, weil eine Reinvestition der beim Eisenbahninfrastrukturunternehmen verbleibenden Gewinne einen Verzinsungsanspruch nach sich zöge (vgl. § 14 Abs. 4 AEG, Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG), der regelmäßig zu einer Erhöhung der Nutzungsentgelte führte. Allerdings macht eine solche Gewinnausschüttung an den Bund aus Sicht des Verkehrsträgers Eisenbahn nur dann Sinn, wenn die Gewinne (zur Gänze oder zum Teil) in Form von Investitionen (BKZ) des Bundes an die Eisenbahninfrastruktur „zurückfließen“. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind auf vertraglicher Basis die Bedingungen für einen solchen Finanzierungskreislauf Eisenbahninfrastruktur durch den Bund, die DB AG und deren Infrastrukturtöchter zu regeln479.

478 479

D. IV. 1., S. 149 ff. D. IV. 2., S. 155 ff.

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Sachverzeichnis Anreizregulierung 12 f., 25, 27, 38 ff., 54 f. 62, 82, 97, 106 f., 130 f., 164 – effizienzsteigernde Effekte 135 – (keine) Notwendigkeit der ~ 135 Anreizsetzung 14, 26 ff., 41, 49 ff., 80 ff., 129 f., 138 ff. (Anwendungs-)Vorrang des Unionsrechts 124 Asymmetrie 95 Auslastungsfaktor 33 Auslastungsintensität des Schienennetzes 149

Entflechtung, rechtlich/buchhalterisch/operationell 144 ff., 164 Entgeltminderung 33 f. Entgeltregulierung 15 ff., 60 ff., 104, 160 ff. – Bezugsgegenstand 61, 63 ff., 92 f., 120 ff., 160 – Entgeltgrundsätze 18 ff. – Maßstäbe der ~ 18 ff., 62 – Richtlinie 2012/34/EU 60 ff. – Verwaltungs- und Gerichtsverfahren 30 ff. Ersatzinvestitionen 39, 56, 133 f.

Baukastenprinzip 14, 19 f., 21 Billigkeitskontrolle 12, 14, 35 ff., 63, 72, 96, 116 ff., 163 – Austauschgerechtigkeit im Einzelfall 122 – Bezugsgegenstand 120 – Infrastrukturnutzungsentgelte 125 Bumerang-Wirkung 131 ff., 134 f., 164 Bundesnetzagentur, Anhörung der 142 Bundesschienenwegeausbaugesetz 55

Fahrwegenutzungsentgelte 73 ff. Finanzierung Eisenbahnsektor 54 ff. – Eisenbahninfrastruktur 55 ff., 128 – Schienenpersonennahverkehr 54, 58 ff., 128, 134, 160 Finanzierungskreislauf 149, 155 ff. Finanzierungsvereinbarung 80 ff., 129, 138, 161 Folgenabschätzung/-analyse 131 ff., 151 f. funktionsfähiger Wettbewerb 95

Desintegration, vertikale 146 f., 149 ff., 164 Diskriminierungsgefahr 97, 144, 148, 155, 164 Direktkostenprinzip 17, 46 f., 161 Doppelregulierung 83, 130, 139, 141, 162

gemeinwohlbezogene Aufgaben 107 Gesetzesvorbehalt 143 Gewährleistungsauftrag 95, 114, 136, 143 Gewinn, angemessener 62, 91 f. Grenzkostenprinzip 20, 22 f., 62, 76, 79 f., 90, 161

Effizienzgewinne 26, 29, 83, 97, 129 ff., 135, 138, 142, 164 Effizienzsteigerung 18, 26 f., 40, 54, 57, 133 ff., 150, 164 Einzelfallgerechtigkeit 122 Eisenbahninfrastrukturunternehmen siehe Infrastrukturbetreiber Eisenbahnraum, europäischer siehe RecastRichtlinie Eisenbahnverkehrsleitsystem 76, 86 Eisenbahnverkehrsunternehmen 98 ff.

Handlungsrationalität 99, 115 Holdingstruktur 42 f., 145 ff., 155 Ineffizienzgrenze 150 Infrastrukturbetreiber 65 f., 73, 98 – Unabhängigkeit der ~ 43 ff., 102 ff., 105, 137, 163 Infrastrukturnutzungsentgelte 12, 35 ff., 116 ff., 125 ff., 159, 163 Integriertes Modell 138 f. – Richtlinienkonformität 139

Sachverzeichnis Kartellrecht 95 Knappheitsaufschläge 20, 22 f., 62, 75 f., 85, 162 Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung 13, 49, 56, 161 – Laufzeiten 132, 138 Level Playing Field 96 Markt, liberalisierter 95 Marktausschlusstest 80, 85, 87 ff., 93, 162 Markttragfähigkeit 48 Marktzutrittssperre 147 Mischfinanzierung 66, 68, 72, 121, 123 f., 160 Nachhaltigkeitsprinzip 152 Netz, gesamtes/Teilnetz 64, 68, 121 Performance Regime 162 Pluralität der Organisationsform 154 Preishöhenmissbrauch 12, 164 Preisobergrenze 16, 38 ff., 88, 132 Price-Cap-Regulierung 132 Privatisierungssperre 113 Recast-Richtlinie 53, 160 Rechtsschutz, gerichtlicher 117 Regionalfaktoren 31 f. Regionalisierungsgesetz 58 Regulierung – Anreizregulierung siehe Anreizregulierung – Doppelregulierung siehe Doppelregulierung – Eisenbahnregulierungsrecht 40, 124 – Entgeltregulierung siehe Entgeltregulierung – Regulierungsmaßstab 120 – Regulierungsrahmen 15 ff. – Regulierungsstellen 107, 137 – Regulierungstiefe 106 – Regulierungsziele 97 Reinvestition von abgeführten Gewinnen 156

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Sanktionssystem 147 Schienengüterverkehr 151 Schienenpersonenverkehr 151 Schienenwegevorbehalt 113 ff., 153 Separierung der Finanzströme 144 ff., 155, 164 Serviceleistungen 61, 90, 162 Stationsnutzungsentgelte 34, 40, 119 Stationspreissystem 34, 159 Stornierungsentgelte 36 f., 116 Trassenentgelte, -preise 15 ff., 36, 93, 119, 127 Trassenpreisdifferenzierung 86, 93, 162 Trassenpreissystem 31 ff., 159 Umweltzuschläge 23, 76, 85 Unternehmensautonomie 101 f., 109, 158 Unternehmensgewinn, Optimierung des 113 Verkehrsdienstpaare 88 f., 93, 162 Verlustausgleich 153 Vertrag als Steuerungsinstrument 135, 164 Vertragsverletzungsverfahren 17, 21, 28 f., 41 ff., 60, 75, 78 f., 81, 84, 93, 108, 135, 143, 160 Vollkostenprinzip 17, 22 ff., 46 ff., 75 ff., 90 f., 159, 161 Waterbed Effect 131 ff., 164 Wegeentgelt, Gestaltungsspielraum beim 106, 108 Weisungsrechte 109 Wettbewerb – funktionsfähiger 95 – Orientierung am ~ 113 Wirtschaftlichkeitsgebot 102, 115 Wirtschaftsunternehmen 24, 99 ff., 111 f., 115, 129, 152, 163 zugbetriebsbedingte Kosten 17, 48, 159 Zugdichte 149 ff.