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German Pages 238 [244] Year 2001
B U C H R E I H E DER ANGLIA ZEITSCHRIFT FÜR E N G L I S C H E P H I L O L O G I E Herausgegeben von Stephan Kohl, Karl Reichl, Hans Sauer, Hans Ulrich Seeber und Hubert Zapf 35. Band
MARIO KLARER
Ekphrasis Bildbeschreibung als Repräsentationstheorie bei Spenser, Sidney, Lyly und Shakespeare
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 2001
Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr in Wien
Für Bernadette, Johanna und Moritz
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Klarer,
Mario:
Ekphrasis : Bildbeschreibung als Repräsentationstheorie bei Spenser, Sidney, Lyly und Shakespeare / Mario Klarer. - Tübingen : Niemeyer, 2001 (Buchreihe der Anglia; Bd. 35) ISBN 3-484-42135-5
ISSN 0340-5435
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2001 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz und Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Heinr. Koch, Tübingen
Inhalt Einleitende Vorbemerkungen
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Der Begriff „Ekphrasis" Literarische Kunstwerksbeschreibung als Ekphrasis Ekphrasis im Kontext der Wort-Bild-Forschung Ekphrasis und Repräsentationstheorie Auswahl der Primärtextbeispiele
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Erstes Kapitel Die Rhetorik des Bildes: Ekphrasis als Katalysator früh-neuzeitlichen Repräsentationsverständnisses und sein Einfluß auf England
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Zweites Kapitel Edmund Spensers "vilest art:" Ekphrasis und das reformiert-christliche Renaissance-Epos
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Drittes Kapitel Arkadische Ekphrasis und The Art of Limning: Elisabethanische Mimesis-Theorie bei Philip Sidney und Nicholas Hilliard
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Viertes Kapitel Die Schatten der Rhetorik in John Lylys Euphuism: Literarischer chiaroscuro und die elisabethanische Ästhetik der Umrisse
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Fünftes Kapitel Der paragone von Wort und Bild: Ekphrasis als Dramareflexion bei William Shakespeare
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Abschließende Bemerkungen und Ausblick
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Literaturverzeichnis
187
Abbildungen
201
Schlagwortregister
231
Personen-und Werkregister
235 V
Einleitende Vorbemerkungen
Dieses Buch behandelt Ekphrasen, d.h. literarische Bildbeschreibungen in den Werken englischer Renaissance-Autoren vor dem Hintergrund elisabethanischer Theoriebildungen zur Abbildungsproblematik. Verweise auf meist fiktive Kunstwerke in den Werken Sidneys, Spensers, Lylys und Shakespeares dienen als Ausgangspunkt, um das herrschende repräsentationstheoretische Klima im England des späten sechzehnten Jahrhunderts zu rekonstruieren. Es wird hierbei von der Annahme ausgegangen, daß literarische Bildbeschreibungen aufgrund ihrer doppelten Abbildungsstruktur - sie repräsentieren verbal, was bereits visuell abgebildet ist Fragestellungen und Problemkreise des Repräsentationsverständnisses ihrer jeweiligen Entstehungszeit widerspiegeln. Es werden dazu exemplarische Beispiele aus Prosa, Drama, Epos und Lyrik der letzten beiden Dekaden des sechzehnten Jahrhunderts herangezogen, um darauf hinzuweisen, daß literarische Ekphrasen in unterschiedlichen Gattungen bzw. Medien für literarische Selbstreflexion dienten. Die Entstehungszeit der hier behandelten Werke liegt meist nur wenige Jahre auseinander und dokumentiert somit punktuell einen sehr kurzen Moment englischer Literatur- bzw. Abbildungsgeschichte. Im vorliegenden Buch soll am konkreten Beispiel vorgeführt werden, daß sich literarische Bildbeschreibungen zur kulturgeschichtlichen Analyse eines spezifischen Epochenbewußtseins eignen. Das ausgehende sechzehnte Jahrhundert mit seinen großen literarischen Umwälzungen und theoretischen Auseinandersetzungen zur Abbildungsfrage stellt ein besonders geeignetes Forschungsgebiet für diesen Ansatz dar. Teile dieses Buches sind parallel zu den Arbeiten an meiner Habilitationsschrift Seeing througb Bodies: Ekphrasis and the Historicity of Representation in English and American Literature während eines ErwinSchrödinger-Auslandsstipendiums am Getty Center for the History of Art and the Humanities in Santa Monica (1992-94) sowie während eines Rockefeiler Fellowships am National Humanities Center in North Carolina (1995-96) entstanden. Beiden Institutionen sowie den Bibliothekaren Jean Houston, Eliza Robertson und Alan Tuttle danke ich hiermit 1
für ihr Entgegenkommen. Eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen haben mich in diesem Projekt durch kritische Anregungen, Empfehlungsschreiben oder Lektüre des Manuskripts unterstützt. Judith H. Anderson, Norman Bryson, Monika Fludernik, James Heffernan, John Hollander, Holger Klein, V. A. Kolve, Manfred Markus, Steven Nichols und Murray Roston haben damit auf sehr unterschiedliche Art den Fortgang dieser Arbeit gefördert. Monika Messner danke ich für die Beschaffung der Abbildungen sowie für die Hilfe bei der Erstellung des Index. Mein größter Dank gilt wieder Bernadette Rangger für ihre Unterstützung und Zuneigung während all unserer gemeinsamen Jahre.
Der Begriff „Ekphrasis" Von den unterschiedlichen Aspekten der Wechselbeziehung von Wort und Bild, die von Buchillustrationen, Bildgedichten und Typographie bis hin zu bildlicher Sprache reichen, soll hier die rhetorische Figur der Ekphrasis näher betrachtet werden.1 Die verschiedenen Definitionsversuche der Ekphrasis oszillieren zwischen zwei Extremen, von denen das eine jegliche lebendige Beschreibung miteinschließt, das andere jedoch nur die spezifische Beschreibung von Artefakten, d.h. „gemachten Kunstwerken" als Ekphrasen gelten läßt. Ein kurzer Blick auf einige Definitionsversuche der rhetorischen Figur der Ekphrase zeigt, welche unterschiedlichen Phänomene unter diesem Begriff erfaßt werden. In der klassischen Rhetorik ist Ekphrasis direkt mit dem Konzept von enargeia verwoben.2 Der Terminus wird synonym zur Charakterisierung 1
Zu den Facetten des Phänomens „Wort-Bild" vgl. Ulrich Weisstein, "Comparing Literature and Art: Current Trends and Prospects in Critical Theory and Methodology," Literature and the Other Arts, Proceedings of the IXth Congress of the International Comparative Literature Association, Innsbruck 1979, vol. 3, ed. Zoran Konstantinovic, Steven P. Scher, and Ulrich Weisstein (Innsbruck: Institut für Sprachwissenschaft der Universität, 1981) 19-30 und die strukturale Analyse von A. Kibedi Varga, "Criteria for Describing Word-and-Image Relations," Poetics Today 10.1 (1989): 3 1 - 5 3 . Allgemeine, kurze Einführungen in das Forschungsgebiet geben Ulrich Weisstein "Literature and the Visual Arts," Interrelations of Literature, ed. Jean-Pierre Barricelli and Joseph Gibaldi (New York: The Modern Language Association, 1982) 2 5 1 - 2 7 7 und Dominic Baker-Smith, "Literature and the Visual Arts," Encyclopedia of Literature and Criticism, ed. Martin Coyle et al. (London: Routledge, 1991) 991-1003.
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In den Progymnasmata des Hermogenes, Theon und Aphthonius wird der Begriff enargeia in Definitionen von Ekphrasis benützt; ab dem dritten Jahrhundert wird er synonym für Ekphrasis verwendet. In der englischen Renaissance rückt das enargeia-Konzept wieder ins Zentrum des Interesses wie zum Beispiel in George Puttenhams The Arte of English Poesie (1589), das enargeia als Einfluß auf das Ohr ("to satisfie & delight th'eare onely") und energeia als den Geist beeinflussend ("inwardly working a stirre to the
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sprachlicher Visualisierung verwendet. Im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. setzen Rhetoriker enargeia im Sinne von „visuelle Lebendigkeit" als wertendes Charakteristikum von Texten ein.3 Quintilian verwendet zum Beispiel für enargeia - mit Verweis auf Cicero - die Begriffe „illustratio et evidentia" (VI, 2, 32), deren Ziel sein soll, den Zuhörer geistig an den Ort des Geschehens zu versetzen.4 Die Etymologie des Begriffs „ekphrasis," der auf das griechische Präfix „ek" (aus, heraus) und das Verb „phrazein" (sprechen) zurückgeht, ist für definitorische Fragen nicht sehr hilfreich, da damit auch „aussprechen" bzw. „Stimme verleihen" gemeint sein kann. Dieser Auffassung folgt zum Beispiel Jean Hagstrum in The Sister Arts, indem er Ekphrasis im Sinne von prosopopeia, das einem stummen Objekt wie einer Statue oder einem Monument Sprache verleiht, einsetzt und für Kunstwerksbeschreibungen den Begriff "iconic" verwendet: " I use the noun 'ecphrasis' and the adjective 'ecphrastic' in a more limited sense to refer to that special quality of giving voice and language to the otherwise mute art object" (Hagstrum 18). Diese Vorgangsweise hat unweigerlich zu einiger Verwirrung geführt, wobei in der jüngeren neuphilologischen Literatur wie auch in der vorliegenden Studie - Ekphrasis ausschließlich auf Kunstwerksbeschreibungen angewendet wird. Prosopopeia, in der Bedeutung von „Stimme verleihen," ist zwar eng mit dem Umfeld der Ekphrase als Kunstwerksbeschreibung verknüpft, steht jedoch eher in Wechselwirkung zum Epigramm, das als Inschrift einem Monument oder einer Plastik zu sprachlichem Ausdruck verhilft. Die antike Epigrammtradition, die in der sogenannten Anthologia Graeca überliefert ist, hat gerade in der Renaissance großen Einfluß auf das Emblem ausgeübt, das eine andere ebenfalls von der Ekphrase verschiedene Wort-Bild-Konfiguration darstellt. Das Emblem verknüpft wie das Epigramm Wort und visuellen Ein-
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mynde") definiert; George Puttenham, The Arte of English Poesie (London: Richard Field, 1589; rpt. Amsterdam, New York: Da Capo Press, 1971) 119 bzw. Book III, 3. Vgl. Krolls Eintrag zu „Rhetorik" in der Realenzyklopädie zur möglichen Differenzierung zwischen energeia und enargeia; vgl. dazu auch Jean H. Hagstrum, The Sister Arts: The Tradition of Literary Pictorialism and English Poetry from Dryden to Gray (Chicago, London: University of Chicago Press, 1958) 12 und G. Zanker, "Enargeia in the Ancient Criticism of Poetry," Rheinisches Museum für Philologie 124 (1981): 297-311. Quintilian, Institutio Oratoria, trans. H. E. Butler, 4 vols. (Cambridge: Harvard University Press, 1985); weitere oft zitierte Hinweise auf enargeia finden sich auch in IV, 2, 63 und 36 sowie VIII, 3, 61-62. In der zeitgenössischen Literaturtheorie wird die antike narratio-descriptio Gegenüberstellung, die besonders bei Quintilian an die Oberfläche tritt, zum Beispiel von Philippe Hamon vertreten; vgl. Philippe Hamons Beitrag "Rhetorical Status of the Descriptive" zur Sondernummer "Towards a Theory of Description" der Yale French Studies 61 (1981): 1 - 2 6 .
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d r u c k , w o b e i , w i e n o c h a u s f ü h r l i c h g e z e i g t w i r d , ein v e r b a l e s M o t t o , ein visuelles B i l d u n d ein k u r z e s G e d i c h t i n W e c h s e l w i r k u n g z u e i n a n d e r g e setzt w e r d e n . D e r U m g a n g m i t d e m B e g r i f f E k p h r a s i s ist i n s o f e r n p r o b l e m a t i s c h , da e r mit R h e t o r i k , K u n s t g e s c h i c h t e u n d L i t e r a t u r w i s s e n s c h a f t m i n d e s t e n s drei P h ä n o m e n e charakterisiert, die sich n u r teilweise in ihrer t e r m i n o l o g i s c h e n P r a x i s ü b e r s c h n e i d e n . D e r T e r m i n u s t e c h n i c u s „ e k p h r a s i s " selbst t a u c h t erstmals i m S i n n e einer d e s k r i p t i v e n A b s c h w e i f u n g in g r i e c h i s c h e n Schulrhetorikhandbüchern
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d e n s o g e n a n n t e n Progymnasmata
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auf,
deren ältestes B e i s p i e l T h e o n z u g e s c h r i e b e n w i r d u n d aus d e m i . J a h r h u n d e r t v. C h r . s t a m m t . 5 T h e o n definiert d e n B e g r i f f an z w e i Stellen in s e i n e m W e r k auf ä h n l i c h e Weise: " E c p h r a s i s is a d e s c r i p t i v e a c c o u n t b r i n g i n g w h a t is illustrated v i v i d l y b e f o r e o n e ' s s i g h t " u n d " t h e v i r t u e s of ecphrasis are in p a r t i c u l a r clarity a n d v i v i d n e s s , s u c h that o n e c a n a l m o s t see w h a t is n a r r a t e d . " 6 Interessanterweise v e r b i n d e t T h e o n n i c h t m i t D i c h t u n g ; d e n v e r w a n d t e n B e g r i f f prosopopeia
Ekphrasis
h i n g e g e n siedelt
' Für einen detaillierten Überblick über die ahistorische Verwendung des antiken Begriffs Ekphrasis in der neueren Forschungsliteratur siehe den Aufsatz von Ruth Helen Webb, "Ekphrasis Ancient and Modern: The Invention of a Genre," in der Sondernummer "Ekphrasis" der Zeitschrift Word & Image 15.1 (1999): 7 - 1 8 sowie die Einleitung des Gastherausgebers Mario Klarer, "Introduction," Word & Image 15.1 (1999): 1 - 4 . Eva Clara Harlan, "The Description of Paintings as a Literary Device and its Application in Achilles Tatius," diss., Columbia University, 1965, 1 4 - 1 7 bietet einen guten allgemeinen Uberblick über definitorische Fragen des Begriffs der Ekphrase in der antiken Rhetorik und dessen Adaptation im Sinne von Kunstwerksbeschreibungen. Eine sehr detaillierte Zusammenfassung der verschiedenen Dimensionen der Ekphrasis in Antike und Mittelalter bietet Glanville Downeys Sachartikel „Ekphrasis" im Reallexikon für Antike und Christentum, ed. Theodor Klauser, vol. 4 (Stuttgart: Anton Hiersemann, 1959) 921-944. Einen neueren historischen Uberblick über die verschiedenen Dimensionen der Ekphrasis von der Antike bis in die Gegenwart bietet der Sachartikel von Albert W. Halsall, „Beschreibung," Historisches Wörterbuch der Rhetorik, ed. Gerd Ueding, vol. 2 (Tübingen: Max Niemeyer, 1994) 1 4 9 5 - 1 5 1 0 . 6
Leonard Spengel, ed., Rhetores Graeci, vol. 2 (Leipzig: Teubner, 1883-1886) 1 1 8 - 1 1 9 . Übersetzung aus Shadi Bartsch, Decoding the Ancient Novel: The Reader and the Role of Description in Heliodorus and Achilles Tatius (Princeton: Princeton University Press, 1989) 9. Bartsch arbeitet in ihrer Analyse von descriptio im antiken Proto-Roman mit diesem zeitgenössischen, sehr weitgefaßten Ekphrasis-Begriff, der über die Bildbeschreibungen hinausgeht. Die anderen Progymnasmata-Autoren folgen großteils wörtlich der Definition Theons: vgl. Hermogenes (vol. 2, pp. 1 6 - 1 7 ) , Aphthonius (vol. 2, pp. 46-49) und Nicolaos (vol. 3, pp. 491-493); alle Angaben beziehen sich auf Spengel, ed., Rhetores Graeci. Eine Übersetzung der Progymnasmata des Hermogenes mit den Abschnitten über Ekphrasis bietet Charles Sears Baldwin, Medieval Rhetoric and Poetic (to 1400): Interpreted from Representative Works (New York: Macmillan, 1928) 3 5 - 3 8 . Für bibliographische Hinweise zu weiteren Übersetzungen von Progymnasmata-^assagen vgl. Thomas M. Conley, Rhetoric in the European Tradition (Chicago, London: University of Chicago Press, 1990) 70.
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er direkt im Bereich der Lyrik an. Aus den Beispielen für Ekphrasen bei Theon, die Beschreibungen von Seuchen, Befestigungsanlagen, See- und Kavallerieschlachten, einen ägyptischen Bezirk, die Mauern von Ekbatana, Kriegsvorbereitungen und Begräbnisse umfassen, wird deutlich, daß der Begriff Ekphrasis ursprünglich nicht im Sinne von Kunstwerksbeschreibungen eingesetzt wurde. In seiner Definition von Ekphrasis nennt Theon jedoch neben Beschreibungen von Charakteren, Taten, Orten und Zeiten auch die Art, wie ein Objekt gefertigt ist. In diesem Zusammenhang verweist er kurz auf den „Schild des Achilleus" im 18. Buch der Ilias als Beispiel für Kunstwerksbeschreibungen. Dieses Detail findet sich nur bei Theon, fehlt hingegen bei den anderen Progymnasmata-Autoren wie Hermogenes und Aphthonius. Ekphrasis bezieht sich also am Beginn unserer Zeitrechnung nicht vordergründig auf Kunstwerksbeschreibungen, sondern charakterisiert jegliche lebendige Art der Schilderung. Der Stellenwert der rhetorischen Ekphrasis in der Antike darf daher auf keinen Fall überbewertet werden, da er von den Autoren der Progymnasmata als eher nebensächliche Übung behandelt, oder, wie Hermogenes erklärt, nur der Vollständigkeit halber eingefügt wird. Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. findet sich die erste Verwendung von Ekphrasis im Sinne von Kunstwerksbeschreibungen bei Philostratus dem Jüngeren, dessen Imagines zusammen mit dem Werk seines gleichnamigen Großvaters und den Beschreibungen des Callistratus eine eigene Gattung ekphrastischer Beschreibungen von Kunstwerken bilden.7 Auch Lukians Calumniae mit der Beschreibung eines Apelles-Bildes, das gerade in der italienischen Renaissance vielfältig rezipiert wurde, kann ebenfalls zu diesem Genre gezählt werden.8 Im Gegensatz zu den Ekphrasen in Ilias, Aeneis oder den hellenistischen Romanen stehen diese Kunstbeschreibungen großteils isoliert, ohne in eine andersgeartete Handlung eingebunden zu sein. Da diese Texte fast zur Gänze aus Kunstwerksbeschreibungen bestehen und keiner der traditionellen literarischen Gattungen entsprechen, werden sie meist als eigenständiges ekphrastisches Genre gehandelt. 7
Philostratus der Jüngere verwendet den Begriff Ekphrasis in der Einleitung seines Werkes, um auf die Bildbeschreibungen seines Großvaters hinzuweisen und seine Arbeit in diese Tradition zu stellen. " A certain description of works in the field of painting [graphikes ergon ekphrasis] was written with much learning by one whose name I bear" (2 bzw. 390K). Alle drei genannten Texte sind in der Loeb-Ausgabe zusammengestellt: Philostratus, Imagines; Callistratus, Descriptions, trans. Arthur Fairbanks (Cambridge: Harvard University Press, 1969).
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"Slander" in Lucian, trans. A. M. Harmon, vol. 1 (Cambridge: Harvard University Press, 1979) 3 6 1 - 3 9 3 .
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Erst ab dem 4. Jahrhundert werden Beschreibungen von Malerei und Plastik als Ekphrasen in den schulrhetorischen Kanon aufgenommen. So bietet zum Beispiel im 5. Jahrhundert n. Chr. Nicolaos in seinem Werk detaillierte Instruktionen über Ekphrasen von Statuen und anderen Kunstwerken, wobei sich von den elf Ekphrasen im einschlägigen Kapitel seiner Progymnasmata nun zehn auf Kunstwerke beziehen. In der Spätantike verlagert sich also der Einsatz des Begriffs von eher allgemeinen Beschreibungen in Richtung „gerahmtes," d. h. als mimetische Repräsentation ausgewiesenes, Kunstwerk. 9 Rezente Definitionsversuche in literaturwissenschaftlichen Studien bemühen sich nur in den seltensten Fällen, die antike breite Auffassung des Begriffs Ekphrasis zu berücksichtigen, während rhetorische Werke immer noch dieser Tradition folgen. Richard A. Lanham charakterisiert zum Beispiel Ekphrasis im Sinne der ursprünglichen antiken Auffassung sehr weit als "[a] self-contained description, often on a commonplace subject, which could be inserted at a fitting place in a discourse [...] and could deal with persons, events, times, places, etc." 10 Lanhams deutsches Pendant Heinrich Lausberg findet es nicht der Mühe wert, den Begriff als eigenes Lemma in seinem Handbuch zu berücksichtigen, erwähnt es aber indirekt im Zusammenhang von „descriptio" und „evidentia." 11 Für den Literaturwissenschaftler Jean Hagstrum hingegen bedeutet Ekphrasis "giving voice and language to the otherwise mute art object," worunter er nicht die Beschreibung eines Kunstwerks versteht, sondern das Verleihen von Sprache im Sinne von „aus-sprechen" (ek-phrazein)
' Das Standardwerk zur Ekphrasis in der antiken Literatur ist Paul Friedländer, Johannes von Gaza und Paulus Silentiarius: Kunstbeschreibungen Justinianischer Zeit (Leipzig, Berlin: Teubner, 1912); vor allem die Einleitung „Uber die Beschreibung von Kunstwerken in der antiken Literatur" ( 1 - 1 0 3 ) mit ihrem Uberblick über die verschiedenen antiken Genres, in denen Ekphrasen eingesetzt werden, ist über den altphilologischen Kontext hinaus von allgemeinem Interesse für die Wort-Bild-Forschung. Die beste Zuammenfassung zur antiken Ekphrasis bietet der Eintrag „Ekphrasis" in Der Neue Pauly: Enzyklopädie der Antike, ed. Hubert Cancik und Helmut Schneider, vol. 3 (Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler, 1997. Für neuere Publikationen zur antiken Ekphrasis siehe Andrew Sprague Becker, The Shield of Achilles and the Poetics of Ekphrasis (Lanham: Rowman & Littlefield, 1995) und einige Aufsätze in Simon Goldhill and Robin Osborne, eds., Art and Text in Andern Greek Culture (Cambridge: Cambridge University Press, 1994). 10
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Richard A. Lanham, A Handlist of Rhetorical Terms (Berkeley, Los Angeles: University of California Press, 1991) 61. Heinrich Lausberg, Handbuch der Literarischen Rhetorik, 2nd ed., vol. 1 (München: Max Hueber Verlag, 1973) 400 und 544. Auch das Historische Wörterbuch der Rhetorik, ed. Gerd Ueding, vol. 2 (Tübingen: Max Niemeyer, 1994) verzichtet auf Ekphrasis als eigenständigen Eintrag und behandelt den Begriff unter den Lemmata „descriptio" (549-553) und „Beschreibung" (1495-1510).
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für ein stummes Artefakt. 12 Wendy Steiner sieht Ekphrasis als "pregnant moment" im Umfeld der rhetorischen enargeia angesiedelt. "The technical term for this is ekphrasis, the concentration of action in a single moment of energy."13 Michael Baxandall stützt sich auf die spätantike Tradition der Ekphrasis in den Rhetorikhandbüchern wie den Progymnasmata des Hermogenes, der Ekphrasis definiert als "account with detail [which] brings before the eyes that which is to be shown" bzw. "bring[s] about seeing through hearing."14 Wie Lanham geht Baxandall von der traditionellen Auffassung aus, die jegliche Beschreibung eines Objektes als Ekphrasis gelten läßt, jedoch macht Baxandall die Einschränkung, daß "[f]rom the beginning works of art had been a favoured subject for ekphrasis [...] and this was a practice the Byzantines maintained" (Baxandall 1971, 85-86). David Carrier meint "[a]n ekphrasis is a verbal recreation of a story depicted in a painting,"15 John Bender bezeichnet sie als "literary description of real or imagined works of visual art," 16 Page Dubois als "the verbal description of a work of graphic art"17 und Murray Krieger als "the imitation in literature of a work of plastic art." 18 Einer der jüngeren Eingrenzungsvorschläge, an dem sich auch die vorliegende Studie orientiert, stammt von James Heffernan. In Anlehnung an W. J. T. Mitchells eleganter Definition von Ekphrasis als "verbal representation of visual representation" nimmt Heffernan eine Abgrenzung gegenüber verwandten Begriffen vor: 19 "But ekphrasis differs from both iconicity and pictorialism because it explicitly represents representation itself. What ekphrasis represents in words, therefore, must itself be representational'."lc Heffernans enge Definition von Ekphrasis als eine verbale 12
Hagstrum (1958, 18). Wendy Steiner, The Colors of Rhetoric: Problems in the Relation between Modem Literature and Painting (Chicago, London: University of Chicago Press, 1982) 41. 14 Hermogenes zitiert nach Michael Baxandall, Giotto and the Orators: Humanist Observers of Painting in Italy and the Discovery of Pictorial Composition 1350-145o (Oxford: Oxford University Press, 1971) 85. I! David Carrier, Principles of Art History Writing (University Park: Pennsylvania State University Press, 1991) 103. 16 John B. Bender, Spenser and Literary Pictorialism (Princeton: Princeton University Press, 1972) 5'17 Page Dubois, History, Rhetorical Description and the Epic: From Homer to Spenser (Cambridge: D. S. Brewer, 1982) 3. 18 Murray Krieger, "Ekphrasis and the Still Movement of Poetry; or Laokoön Revisited," The Poet as Critic, ed. Frederick P. W. McDowell (Evanston: Northwestern University Press, 1967) 5. ' ' W.J. T. Mitchell, "Ekphrasis and the Other," South Atlantic Quarterly 91.3 (1992): 696. 10 James A. W. Heffernan, Museum of Words: The Poetics of Ekphrasis from Homer to Ashbery (Chicago, London: University of Chicago Press, 1993) 4. 15
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Beschreibung eines visuellen, abbildenden Kunstwerks in einem längeren narrativen Kontext stellt die Grundlage für die Auswahl der in dieser Studie behandelten Texte dar. Wie auch Heffernan anmerkt, liegt die Betonung auf einem bewußt repräsentierenden visuellen Kunstwerk, das erneut sprachlich dargestellt wird. "The Brooklyn Bridge may be considered a work of art and construed as a symbol of many things, but since it was not created to represent anything, a poem such as Hart Crane's The Bridge is no more ekphrastic than Williams's 'The Red Wheelbarrow'" (Heffernan 1993, 4). Dieser kursorische Querschnitt durch unterschiedliche EkphrasisAuffassungen soll auf die definitorischen Schwierigkeiten hinweisen, mit denen sich eine Studie zur Ekphrase konfrontiert sieht, wobei in den folgenden Kapiteln noch mehrmals auf individuelle Definitionen näher eingegangen wird. In den Textanalysen der folgenden Kapitel dieses Buches wird Ekphrasis nicht in seiner antiken, d. h. sehr weitläufigen Auffassung verwendet, sondern bewußt nur im Sinne von Kunstwerksbeschreibungen bzw. Bildbeschreibungen. Anzumerken ist hierzu auch, daß die Begriffe Kunstwerks- bzw. Bildbeschreibung in keiner Weise eine Aussage darüber implizieren, ob es sich bei den beschriebenen Objekten um real existierende Kunstwerke handelt oder um solche, die der Imagination des Autors entsprungen sind. Natürlich sind Fragen bezüglich des Status des beschriebenen Objektes legitim und keineswegs irrelevant. Für die vorliegende Untersuchung des theoretischen Abbildungsklimas des späten sechzehnten Jahrhunderts in England anhand von Ekphrasen stehen diese Probleme jedoch nicht im Vordergrund und werden - falls überhaupt - nur peripher diskutiert. Im Folgenden wird somit der Begriff Ekphrasis gemäß seiner modernen Bedeutung in der englischsprachigen Forschungsliteratur für literarische Beschreibungen von realen oder imaginären Bildern bzw. Plastiken verwendet.
Literarische Kunstwerksbeschreibung als Ekphrasis Ist auch die Konvention, Kunstwerksbeschreibungen als Ekphrasen zu bezeichnen, ein spätantikes bzw. modernes Phänomen, so ist die literarische Praxis, Objekte bildender Kunst literarisch umzusetzen, so alt wie die antike Literatur selbst. Bereits in der sogenannten „Schildbeschreibung" im 18. Buch der Ilias (18,477-608) wird Ekphrasis zu einem Maß8
stab handwerklichen Könnens und dichterischer Expertise stilisiert.21 Homers Einsatz der Schildbeschreibung kurz vor der kritischen Wende der Handlung wird von den meisten nachfolgenden Epen und antiken Romanen übernommen. Die Darstellungen auf dem Schild des Achilleus umfassen Mikro- und Makrokosmos der homerischen Welt, indem kosmographische und geographische Vorstellungen mit Szenen aus dem Alltagsleben kombiniert werden. Diese Beschreibung eines stummen Artefakts durch den //ws-Autor inspiriert eine Reihe von späteren Dichtern, eine ähnliche Passage in ihr Werk aufzunehmen, um so an dem teilzuhaben und dem zu entsprechen, was als perfekte Dichtung galt. Nicht nur Vergil bedient sich in seiner historiographischen Vision in der Aeneis jenes narrativen oder deskriptiven Raums, den er aus der Schildbeschreibung der Ilias kennt, sondern auch Ariosto, Tasso und Spenser nehmen den Topos in der italienischen und englischen Renaissance wieder auf. Welche zentrale Stellung gerade die Ekphrase in der Ilias für das elisabethanische Zeitalter innehatte, zeigt George Chapman, der zusätzlich zu seiner Homer-Übersetzung die Schildbeschreibung des 18. Buchs der Ilias unter dem Titel Achilles Shield: Translated as the other seuen Bookes of Homer, out of his eighteenth booke of Iliades (1598) als eigenständigen Text publizierte. Während Homers Schildbeschreibung erst in der Renaissance direkt rezipiert wurde, zählen die Bildbeschreibungen der Aeneis mit den Freskenzyklen im Tempel von Karthago (I, 466-493), den Tempeltoren in Cumae (IV, 14-23) und dem Aneasschild (VIII, 626-731) zu den wichtigsten klassischen Vorbildern für mittelalterliche Ekphrasen.22 Die Pro21
Die Tradition, diese Ekphrase als allegorischen Nukleus der Handlung der Ilias anzunehmen setzt bereits in der Renaissance mit George Chapman ein. Sie findet in den jüngsten altphilologischen Arbeiten eine analoge Weiterführung. Andrew Sprague Becker, "The Shield of Achilles and the Poetics of Homeric Description," American Journal of Philology 111.2 (1990): 1 3 9 - 1 5 3 vergleicht die Ekphrase mit den Eingangsversen des Epos und versucht zu zeigen, daß diese beiden Passagen in Wechselwirkung stehen und größere Konzeptionen des Epos spiegeln. Die Buchpublikation von Keith Stanley, The Shield of Homer: Narrative Structure in the Iliad (Princeton: Princeton University Press, 1993) argumentiert ausgehend von der syntaktischen Ebene der Schildbeschreibung für eine Ringkomposition des Epos, dessen Mikrostruktur sich bereits in dieser Ekphrase nachzeichnen läßt; vgl. dazu Kapitel i: "Form and Interpretation in Homer" (3-38). Stanley bietet ausführliche Hinweise auf traditionelle und neue Literatur zur antiken Kunstwerksbeschreibung. Die neueste Monographie zur älteren antiken Tradition von Bildbeschreibungen ist Andrew Sprague Becker, The Shield of Achilles and the Poetics of Ekphrasis (Lanham: Rowman & Littlefield, 1995).
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Zu den Ekphrasen der Aeneis vgl. Michael C. J. Putnam, Virgil's Epic Designs: Ekphrasis in the Aeneid (New Haven, London: Yale University Press, 1998). Alma Frey-Sallmann, Aus dem Nachlehen antiker Göttergestalten: Die antiken Gottheiten in der Bildbeschrei-
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jektion einer teleologisch auf Augustus ausgerichteten Synopse römischer Geschichte hat Vergils Ekphrase des Aneas-Schilds zur Stellung eines zentralen epischen Topos verholfen. Vergil hat mit der Technik, genealogische Daten mit dem Piktorialismus eines visuellen Objekts zu kombinieren, nachfolgenden historischen Heldenepen eine perfekte Enklave zur Glorifikation des jeweiligen Auftraggebers und Mäzens bereitgestellt. Der Grund für die privilegierte Stellung der Schildbeschreibungen der Ilias liegt sicher darin begründet, daß Homer nicht nur die bildlichen Darstellungen als solche, sondern auch den Prozeß der Herstellung beschreibt. Durch Einschließen des poetischen „Machens," aber auch durch die vielfältigen Hinweise auf die Beschaffenheit des beschriebenen Objektes wird der Schild nicht nur zum paradigmatischen Beispiel für verbale Visualisierung, sondern für poetische Produktion überhaupt. Die ständige Betonung der Fertigung sowie die Friktion der beiden Medien Sprache und Bild erhält auch während der Beschreibungen der Darstellungen den Eindruck von bildlichen Repräsentationen aufrecht. Homer gelingt es, durch diese Technik sozusagen ständig den Rahmen des Bildes in Erinnerung zu rufen, während andere Schildbeschreibungen zwar eingangs die Ekphrase als verbale Umsetzung eines visuellen Kunstwerks ausweisen, in der eigentlichen Beschreibung aber den visuell-gerahmten Charakter kaum mehr durchscheinen lassen. Die Kombination von Waffe, Historiographie und Kosmographie bei Homer und Vergil prädestiniert somit Schildbeschreibungen geradezu als epischen Topos. 23 Neben den Epen benützen auch die nach Christi Geburt entstandenen hellenistischen Romane Bildbeschreibungen als Einstieg in die Handlung bung des Mittelalters und der italienischen Frührenaissance. Das Erbe der Alten Schriften über Wesen und Wirkung der Antike - 19 (Leipzig: Dietrich'sche Verlagsbuchhandlung, 1 9 3 1 ) stellt als eine der ersten Buchpublikationen eine Verbindung zur Rezeption von Bildbeschreibungen im Mittelalter und in der Renaissance-Literatur her. Eine neuere monographische Auseinandersetzung mit diesem Thema bietet die Dissertation von Ruth Helen Webb, "The Transmission of the Eikones of Philostratos and the Development of Ekphrasis from late Antiquity to the Renaissance," diss., Warburg Institute - University of London, 1992. 2i
Der Hesiod zugeschriebene „Schild des Herakles," der im Unterschied zu den anderen beiden Schildbeschreibungen vor allem mythologische Szenen verarbeitet, hat von den antiken Ekphrasen den geringsten Einfluß auf die neuzeitliche Literatur ausgeübt. Hesiod, The Homeric Hymns and Homérica, trans. Hugh G. Evelyn-White (Cambridge: Harvard University Press, 1982) 220-253. Vgl. dazu Andrew Sprague Becker, "Reading Poetry Through a Distant Lens: Ecphrasis, Ancient Greek Rhetoricians, and the Pseudo-Hesiodic 'Shield of Heracles'," American Journal of Philology 1 1 3 . 2 (1992): 5 - 2 4 . Auch die im antiken Drama eingesetzten Schildbeschreibungen haben keine Tradition hervorgebracht, die mit der epischen vergleichbar wäre. Zu ekphrastischen Schildbeschreibungen im antiken Drama vgl. die semiotische Studie von Froma I. Zeitlin, Under the Sign of the Shield: Semiotics and Aeschylus' Seven Against Thebes (Roma: Edizioni delPAteneo, 1982).
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oder als Moment, um zentrale Aspekte des Plots in Form einer bildlichen Allegorie zu fokussieren. Longus' Daphnis und Chloe setzt mit der Beschreibung eines Gemäldes ein, in welchem Eros als Grundthema des Romans vorangestellt wird, und die darauffolgende Geschichte laut Erzähler als Reaktion auf dieses Bild zu sehen ist. "When I had seen with admiration these and many other things, but all belonging to the affairs of love, I had a mighty instigation to write something in answer to that picture." 24 Auch Achilles Tatius' Clitophon und Leucippe beginnt ekphrastisch, nämlich mit einem Bild des „Raubs der Europa," das einen der Betrachter zu einer Erzählung anregt.25 „Der Raub der Europa" ist auch die erste Darstellung in Ovids einflußreicher Ekphrase im 6. Buch seiner Metamorphosen ( 1 0 3 - 1 0 4 ) über den Webe-Wettstreit zwischen Arachne und Minerva. Zusammen mit Ovids „Philomela-Mythos" (6, 401-674), der ebenfalls um ein textiles Gewebe mit sexuellen Darstellungen kreist, wird diese Ekphrase häufig in den Tapisserie-Beschreibungen der Renaissance zitiert und nimmt in Edmund Spensers Faerie Queene und Muiopotmos eine zentrale Stellung ein. Da viele dieser Beispiele aus den hellenistischen Romanen und den Metamorphosen Vergewaltigung und gewaltsame Sexualität thematisieren, tauchen diese Ekphrasen nicht nur in Shakespeares The Rape of Lucrece wieder auf, sondern werden gerade von modernen feministischen Ekphrasen, wie in Isak Dinesens "The Blank Page," zur Problematisierung patriarchalen bzw. weiblichen Repräsentationsverständnisses adaptiert. Das Spektrum der antiken Ekphrase ist aber nicht nur auf das Heldenepos, den Proto-Roman und Ovids Metamorphosen beschränkt, sondern umfaßt auch juridischen Diskurs wie Passagen in Ciceros Kunstreden 26 oder geographische Texte wie Pausanias Griechenlandbeschreibung. Die oben behandelten Gattungen haben aber vornehmlich auf die neuzeitliche literarische Auseinandersetzung mit diesem antiken Phänomen eingewirkt. Das Spektrum reicht von religös-motivierten Ekphrasen in Dantes Purgatorio (X, 34-96 und XII, 2 5 - 6 3 ) über die autobiographischen Schriften Benvenuto Cellinis, Mnemotechnik im 1 1 . Buch von Boccaccios Teseida oder Metapoetik in Keats' "Ode on a Grecian Urn" und 24
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Longus, Daphnis and Chloe, trans. George Thornley (Cambridge: Harvard University Press, 1989) Proem. Achilles Tatius, trans. S. Gaselee (Cambridge: Harvard University Press, 1984) 1, 1 - 2 . Für eine detaillierte Aufstellung der Kunstwerksbeschreibungen in Achilles Tatius vgl. Bartsch (1989, 13). Cicero, Reden gegen Verres V, trans. Gerhard Krüger (Stuttgart: Reclam, 1993); vgl. vor allem das 4. Buch der 2. Rede gegen Verres.
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neuerdings in John Ashberys "Self-Portrait in a Convex Mirror" bis hin zu sozio-ästhetischen Problemen in Peter Weiss' Äesthetik des Widerstands. Trotz derart divergierender Anliegen in unterschiedlichen Epochen und Literaturen zeichnen sich Ekphrasen allgemein dadurch aus, daß sie das Deskriptive mit größeren Fragen des Textuellen verbinden. Da es sich hier um ein Phänomen handelt, das über nationalsprachliche Grenzen hinaus eine wichtige poetologische Tradition darstellt, ist es nötig, immer wieder auf klassische und nicht-englische Texte zurückzugreifen.
Ekphrasis im Kontext der W o r t - B i l d - F o r s c h u n g Die vorliegende Studie ist Teil eines größeren Forschungszweiges, der in den letzten Jahrzehnten gerade im anglo-amerikanischen Raum eine Vielzahl von Publikationen unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen hervorgebracht hat. Ulrich Weisstein hat in einem Aufsatz auf die Benennungsversuche dieses komparatistischen Forschungsgebietes hingewiesen. "Comparative Arts," "Parallelism Between Literature and the Arts," „Gleichlauf der Künste," „Wechselseitige Erhellung der Künste," "Mutual Aid in the Arts" oder "Interart Analogies" stellen nur einige der bis in die späten Siebziger) ahre geläufigen Umschreibungen eines Fachgebietes dar, das sich mit der Wechselbeziehung von Literatur und Bildender Kunst beschäftigt. 27 Seit dem Erscheinen der Zeitschrift Word & Image: A Journal of Verbal/Visual Enquiry Mitte der Achtziger) ahre als internationalem Sprachorgan dieser Richtung dient der Überbegriff "Word & Image" zur generischen Erfassung einer Reihe von Teilgebieten. Der folgende Uberblick zum Forschungsstand konzentriert sich bewußt auf die anglo-amerikanische Wort-Bild Diskussion innerhalb der Literaturwissenschaft, die indirekt auf Studien zur englischsprachigen Ekphrasis Einfluß genommen hat. Es kann und soll hier nicht die umfangreiche kunstgeschichtliche Wort-Bild Diskussion - insbesondere die deutschsprachige - vorgestellt werden, da dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. 28 17
Ulrich Weisstein, "Comparing Literature and Art: Current Trends and Prospects in Critical Theory and Methodology," Literature and the Other Arts, Proceedings of the IXth Congress of the International Comparative Literature Association, Innsbruck 1979, vol. 3, ed. Zoran Konstantinovic, Steven P. Scher, and Ulrich Weisstein (Innsbruck: Institut für Sprachwissenschaft der Universität, 1981) 19—30.
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Als Einstieg in die internationale Wort-Bild Forschung in ihrer Verbindung zur Ekphrasis
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Eine Studie über Ekphrasis im Elisabethanischen Zeitalter steht im Kontext einer großen Zahl von englischsprachigen Arbeiten, die sich in den letzten Jahren verstärkt des Phänomens Malerei und Literatur angenommen haben, die aber in den wenigsten Fällen von Kunstwerksbeschreibungen ausgehen und meist andere Aspekte des Wort-Bild-Phänomens beleuchten. Zu nennen sind hier die sogenannten Zeitgeist-Studien, die aufbauend auf den Arbeiten aus den 50er und 60er Jahren von Wylie Sypher und Mario Praz versuchen, strukturale und formale Analogien im literarischen Diskurs einer Epoche mit zeitgleichen Erscheinungen in anderen Künsten wie Malerei, Plastik oder Architektur nachzuzeichnen.29 Murray Rostons Buchstudien zu verschiedenen Epochen englischer Literaturgeschichte nehmen Aspekte dieses Zeitgeist-Ansatzes wieder auf und führen ihn auf überzeugende Weise fort. 30 Diese Arbeiten gehen vereinfacht ausgedrückt von der Annahme eines kollektiven Unbewußten aus, das sich in unterschiedlichen Medien künstlerischen Ausdrucks einer Epoche auf beabsichtigte oder unbeabsichtigte Weise in analogen Repräsentationsstrukturen manifestiert. Einen ähnlichen Zugang - wenn auch mit Schwerpunktsetzung auf selbstreflexivem Epochenbewußtsein und der offensichtlichen Entlehnung struktureller und inhaltlicher Prinzipien aus der bildenden Kunst - stellen Wendy Steiners Studien zum Modernismus dar. Indirekt dem Zeitgeist-Ansatz verpflichtet, gehen ihre Analysen dennoch andere Wege, indem sie den bewußten Austausch zwischen bildender Kunst und Literatur betonen. 31 Besonders fruchtbare Resultate hat auch der ikonographisch orientierte Ansatz hervorgebracht, der versucht, eine Wechselwirkung zwischen literarischen Texten und ikonographischer Praxis herzustellen. Sind Zeitgeiststudien vor allem an strukturellen Analogien der beiden Künste interessiert, so konzentrieren sich interdisziplinäre ikonographische Ana-
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vgl. Gottfried Boehm und Helmut Pfotenhauer, eds., Beschreibungskunst - Kunstbeschreibung: Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart (München: Wilhelm Fink, 1995). Wylie Sypher, Four Stages of Renaissance Style: Transformations in Art and Literature 1400-1700 (Garden City: Doubleday, 1955); Rococo to Cubism in Art and Literature (New York: Vintage Books, i960); Mario Praz, Mnemosyne: The Parallel Between Literature and the Visual Arts (London: Oxford University Press, 1970). Murray Roston, Renaissance Perspectives in Literature and the Visual Arts (Princeton: Princeton University Press, 1987); Changing Perspectives in Literature and the Visual Arts i6jo-i82o (Princeton: Princeton University Press, 1990). Wendy Steiner, The Colors of Rhetoric: Problems in the Relation between Modern Literature and Painting (Chicago, London: University of Chicago Press, 1982); Exact Resemblance to Exact Resemblance: The Literary Portraiture of Gertrude Stein (New Haven: Yale University Press, 1978); Pictures of Romance: Form against Context in Painting and Literature (Chicago, London: University of Chicago Press, 1988).
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lysen vornehmlich auf thematische Parallelen oder, wie es oft heißt, auf ein gemeinsames ikonographisches Vokabular. Dieser Ansatz kommt aus der Kunstgeschichte und ist mit den Arbeiten von A b y Warburg und Erwin Panofsky verbunden, die zu den wichtigsten Kunsthistorikern dieser Richtung zählen.32 V. A. Kolves Chaucer and the Imagery of Narrative ist ein herausragendes Beispiel für diese Richtung in den jüngeren interarts studies,33 Auch Roland Mushat Fryes Milton's Imagery and the Visual Arts ist diesem Zugang verpflichtet, der zu zeigen versucht, daß ein Autor in der Wahl und Umsetzung verschiedener Szenen des Textes in inhaltlicher und strukturaler Gestaltung auf ein überliefertes ikonographisches Vokabular - hier das christlich-religiöse - zurückgreift.34 Es kann sich entweder um direkte visuelle Vorbilder oder auch um ein allgemeines ikonographisches Klima ohne konkrete Orientierung an bestimmten Künstlern oder Schulen handeln. Vor dem Hintergrund des generellen Interesses an Literatur und bildender Kunst, das mehrere Zeitschriften in den vergangenen Jahren dazu veranlaßte, Sondernummern zu diesem Thema herauszugeben, ist es nicht verwunderlich, daß die Ekphrase verstärkt in Aufsatz- und Buchpublikationen berücksichtigt wurde. 35 Brachte am Beginn der Forschungsarbeiten zu dieser Studie eine computerunterstützte Recherche der MLA-In-
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Erwin Panofsky, Studies in Iconology: The Humanistic Themes in the Art of the Renaissance (1939; N e w York: Harper & Row, 1972). V. A. Kolve, Chaucer and the Imagery of Narrative: The First Five Canterbury Tales (Stanford: Stanford University Press, 1984). Roland Mushat Frye, Milton's Imagery and the Visual Arts: Iconographic Tradition in the Epic Poems (Princeton: Princeton University Press, 1978). Bereits 1972 erschien eine Sondernummer von New Literary History (3.3) zum Thema "Literary and Art History" mit einflußreichen Beiträgen von Svetlana und Paul Alpers sowie Alastair Fowler. Folgende wichtige Zeitschriften haben in den vergangenen Jahren Sondernummern zum Thema Wort und Bild herausgegeben, wobei teilweise das Problem Ekphrasis bzw. Bildgedicht berührt wird: Poetics Today 10.1 und 10.2 (1989): "Art and Literature;" Critical Inquiry 15.2 (1989); Style 22.2 (1988): "Visual Poetics." Die Zeitschrift Word & Image, die sich ausschließlich der Wechselbeziehung Literatur und Malerei annimmt, konzentriert sich in der Sondernummer 2.1 (1986): "Poems on Pictures" besonders auf literarische Bildbeschreibungen. Folgende neuere Sammelbände zur Wort-BildProblematik sind für die englischsprachige Tradition interessant: W. J. T. Mitchell, ed., The Language of Images (Chicago, London: University of Chicago Press, 1980); James A. W. Heffernan, ed., Space, Time, Image, Sign: Essays on Literature and the Visual Arts (Frankfurt a.M., New York: Peter Lang, 1987). Eine hilfreiche Bibliographie zu Sekundärliteratur über den Zeitraum zwischen 1700 und 1850 bietet Richard Wendorf, ed., Articulate Images: The Sister Arts from Hogarth to Tennyson (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1983) 2 5 1 - 2 6 2 . Deutsche Ubersetzungen wichtiger Texte zur Wort-BildForschung bietet Volker Bohn, ed., Bildlichkeit: Internationale Beiträge zur Poetik (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1990).
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ternational Bibliography und des Arts and Humanities Citation Index nicht mehr als ein Dutzend Resultate hervor, ist ein Jahrzehnt später die Zahl der erfaßten Aufsatzpublikationen auf über hundert angestiegen.36 Ahnlich der Entwicklung in den Aufsatzpublikationen, die sich vermehrt der Analyse von Ekphrasen bei individuellen Autorinnen und Autoren oder spezifischen Werken zuwenden, haben sich in den letzten Jahren auch einige eigenständige Buchstudien37 und Aufsatzsammlungen38 dem Thema Ekphrasis angenommen. i6
Zu den wichtigsten Aufsätzen zur Ekphrasis in englischsprachigen Werken zählen: W. J . T. Mitchell, "Ekphrasis and the Other,"South Atlantic Quarterly 91.3 (1992): 695-719; James A. W. Heffernan, "Ekphrasis and Representation," New Literary History 22.2 (1991): 2 9 7 - 3 1 6 ; Michael Leslie, "Edmund Spenser: Art and The Faerie Queene," Proceedings of the British Academy 76 (1990): 7 3 - 1 0 7 ; John Hollander, "The Gazer's Spirit: Romantic and Later Poetry on Painting and Sculpture," The Romantics and Us: Essays on Literature and Culture, Gene W. Ruoff, ed. (New Brunswick: Rutgers University Press, 1990): 1 3 0 167; Grant F. Scott, "The Rhetoric of Dilation: Ekphrasis and Ideology," Word & Image 7.4 (1991): 3 0 1 - 3 1 0 ; Bryan Wolf, "Confessions of a Closet Ekphrastic: Literature, Painting and Other Unnatural Relations," The Yale Journal of Criticism 3.2 (1990): 181—203; Kinereth Meyer, "Ekphrasis and the Hermeneutics of Landscape," American Poetry 8 (1990): 2 3 - 3 6 ; Beverly Whitaker Long and Timothy Scott Cage, "Contemporary American Ekphrastic Poetry: A Selected Bibliography," Text and Performance Quarterly 9.4 (1989): 286-297; Fritz Gysin, "Paintings in the House of Fiction: The Example of Hawthorne," Word & Image 5.2 (1989): 1 5 9 - 1 7 2 ; Margaret Bridges, "The Picture in the Text: Ecphrasis as Self-Reflectivity in Chaucer's Parliament of Fowles, Book of the Duchess and House of Fame," Word & Image 5.2 (1989): 1 5 1 - 1 5 8 ; John Hollander, "The Poetics of Ekphrasis," Word & Image 4.1 (1988): 209-219; Richard Stamelman, "Critical Reflections: Poetry and Art Criticism in Ashbery's 'Self-Portrait in a Convex Mirror'," New Literary History 15.3 (1984): 607-630; Herman Rapaport, "The Phenomenology of Spenserian Ekphrasis," Murray Krieger and Contemporary Critical Theory, ed. Bruce Henricksen (New York: Columbia University Press, 1986): 1 5 7 - 1 7 5 ; John Hollander, "Words on Pictures: Ekphrasis," Art Antiques March (1984): 8 0 - 9 1 ; Michael Davidson, "Ekphrasis and the Postmodern Painter Poem," The Journal of Aesthetics and Art Criticism 42.1 (1983): 69-79.
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Vgl. Grant Fraser Scott, The Sculpted Word: Keats, Ekphrasis, and the Visual Arts (Hanover, London: University Press of N e w England, 1995), Paula Lawson Thomas, "Spenser's Ecphraseis: Double Vision," diss., Indiana University, 1991 und Katy Aisenberg, Ravishing Images: Ekphrasis in the Poetry and Prose of William Wordsworth, W. H. Auden and Philip Larkin (New York: Peter Lang, 1994). Bereits relativ früh hat sich Emilie L. Bergmann, Art Inscribed: Essays on Ekphrasis in Spanish Golden Age Poetry (Cambridge: Harvard University Press, 1979) der Bildbeschreibung im spanischen siglo de oro angenommen. Die publizierte Dissertation von Bernard Dieterle, Erzählte Bilder: Zum narrativen Umgang mit Gemälden (Marburg: Hitzeroth, 1988) versucht eine komparatistische Analyse von deutschen und französischen ekphrastischen Texten vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Ebenfalls einen komparatistischen Ansatz wählt die Studie von Mack Smith, Literary Realism and the Ekphrastic Tradition (University Park: Pennsylvania State University Press, 1995), die in Abschnitten über Don Quixote, Emma, Anna Karenina, Ulysses und Gravity's Rainbow Fragen realistischen Abbildungsverständnisses behandelt.
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Zu nennen sind hier Peter Wagner, ed., Icons - Texts - Iconotexts: Essays on Ekphrasis and Intermediality (Berlin, New York: Walter de Gruyter, 1995) sowie Gottfried Boehm
Die Grundlage für diese Werke ist Jean Hagstrums klassische Studie The Sister Arts aus den späten 50er Jahren, die zwar nicht vordergründig auf Kunstwerksbeschreibungen ausgerichtet war, aber dennoch die allgemeine Basis für jüngere fokussiertere Studien zu Bildbeschreibungen bereitstellt.39 Hagstrums The Sister Arts zeichnet sich durch eine fundierte Zusammenschau der bildlichen Tradition in der Literatur von der Antike bis zur englischen Restauration aus, die es versteht, theoretische Entwicklungen im Wort-Bild-Bereich aus Philosophie und Kunsttheorie mit literarischen Texten zur Deckung zu bringen.40 Eine wichtige Studie zur epischen Ekphrase stellt Page DuBois' History, Rhetorical Description and the Epic aus den frühen 80er Jahren dar, die Ekphrasen als Spiegel historischer bzw. historiographischer Selbstreflexion betrachtet.41 DuBois' Argumentation, Ekphrasen als geschichtstheoretische Manifestationen zu interpretieren, ist in den ersten beiden Kapiteln über Homer und Vergil überzeugend, wenngleich nicht überraschend, verliert aber in den Kapiteln über Dante und Spenser an Überzeugung. Dennoch bietet DuBois' Studie aus literaturwissenschaftlicher Sicht wertvolle Zusammenhänge und vor allem einen ersten Versuch einer stringenten Erklärung der Ekphrasis als übernationale selbstreflexive epische Tradition in Form einer Buchstudie. 42 Einen ähnlichen Zugang zur Ekphrase als epischen Topos versucht die Dissertation von Efterpi Mitsi,
und Helmut Pfotenhauer, eds., Beschreibungskunst - Kunstbeschreibung: Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart (München: Wilhelm Fink, 1995). Letzterer Sammelband ist die bisher umfangreichste und fundierteste Bestandsaufnahme der Ekphrasis als interdisziplinäres Forschungsgebiet, das die Herausgeber folgendermaßen umreißen: - Kunstbeschreibungen, im engeren Sinne von Ekphrasis [...] - die literarische Beschreibungskunst, gemäß dem weiteren Sinne von Ekphrasis, als ein auf Anschaulichkeit und Bildkraft angelegtes Reden. Fiktive (auch reale) Bilder können dabei Teile von Romanen, Novellen, Gedichten usf. werden;
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- Beschreibungskunst als Verfahren wissenschaftlicher Erkenntnis, als theoretisches Erkenntnisproblem, als Frage wissenschaftlicher Methodologien, die auch Fächer wie Medizingeschichte oder Ethnologie berührt, ( n ) Jean H . Hagstrum, The Sister Arts: The Tradition of Literary Pictorialism and English Poetry from Dryden to Gray (Chicago, London: University of Chicago Press, 1958). Hagstrum, der verstärkt auf Bildbeschreibungen zurückgreift, verwendet hierfür den Begriff iconic, da er der antiken Tradition folgend Ekphrasen nicht nur auf Beschreibungen von Kunstwerken, sondern auf jegliche lebendige Schilderung bezieht. Page Dubois, History, Rhetorical Description and the Epic: From Homer to Spenser (Cambridge: D . S. Brewer, 1982). Einen ersten Versuch, Ekphrasen als episches Phänomen zu behandeln, unternimmt George Kurman in seinem Aufsatz "Ekphrasis in Epic Poetry," Comparative Literature 26.1 (1974): 1 - 1 3 ; für eine Aufsatzpublikation neueren Datums vgl. Marianne Shapiro, "Ecphrasis in Virgil and Dante," Comparative Literature 42.2 (1990): 9 7 - 1 1 5 .
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die Beschreibungen von Schilden bei Homer, Vergil, Ariosto, Tasso und Spenser in den Mittelpunkt der Analyse stellt.43 Eine weitere motivgeschichtlich ausgerichtete Buchstudie zur Ekphrase ist James Heffernans Museum of Words, das auf den genannten Arbeiten aufbaut, aber zeitlich über seine Vorgänger hinausgeht, indem es versucht, den Topos der Ekphrase von seinen Anfängen bis in die Postmoderne zu verfolgen.44 Das Buch gibt in seinen ersten beiden Kapiteln einen kursorischen Uberblick über die wichtigsten klassischen und frühneuzeitlichen Ekphrasen, macht aber dann zeitliche Sprünge in die Romantik und den Postmodernismus.45 Heffernan konzentriert sich vornehmlich auf Manifestationen von Bildbeschreibungen in der Lyrik, wenngleich er auch in den älteren Epochen teilweise epische Phänomene berücksichtigt.46 Fast zeitgleich ist Murray Kriegers Ekphrasis: The Illusion of the Natural Sign erschienen, das sich im Gegensatz zu Heffernans literatur- bzw. motivgeschichtlichem Ansatz vor allem der theoretischen Implikationen dieser rhetorischen Figur annimmt.47 Murray Kriegers Buch ist damit eine konsequente Weiterführung seines Aufsatzes aus den sechziger Jahren, der im vergangenen Jahrzehnt das theoretische Interesse am Phänomen der Ekphrase besonders belebt hat.48 "Ekphrasis and the Still Movement of Poetry" versuchte, in der rhetorischen Figur der Ekphrase die Keimzelle jeglichen poetischen Diskurses nachzuzeichnen bzw. zu zeigen, daß Mechanismen, die in Kunstwerksbeschreibungen arbeiten, para43
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Efterpi Mitsi, "Writing Against Pictures: A Study of Ekphrasis in Epics by Homer, Virgil, Ariosto, Tasso and Spenser," diss., New York University, 1991. James A. W. Heffernan, Museum of Words: The Poetics of Ekphrasis from Homer to Ashhery (Chicago, London: University of Chicago Press, 1993). Eine der neuesten breitangelegten Buchpublikationen zur Ekphrasis mit dem Charakter einer Primärtextanthologie ist John Hollander, The Gazer's Spirit: Poems Speaking to Silent Works of Art (Chicago, London: University of Chicago Press, 1995). Mit Kunstwerksbeschreibungen als lyrischem Phänomen beschäftigen sich auch die komparatistischen Arbeiten von Gisbert Kranz, Meisterwerke in Bildgedichten: Rezeption von Kunst in der Poesie (Frankfurt a.M., New York: Peter Lang, 1986); Das Bildgedicht in Europa: Zur Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung (Paderborn: Ferdinand Schöningh, 1973) und Das Bildgedicht: Theorie, Lexikon, Bibliographie, 3 vols. (Köln, Wien: Böhlau, 1981-1987). Murray Krieger, Ekphrasis: The Illusion of the Natural Sign (Baltimore, London: Johns Hopkins University Press, 1992). Siehe dazu die ausführliche Rezension von Grant F. Scott, "Review Essay: Ekphrasis," European Romantic Review 3.2 (1992): 215-224. Murray Krieger, "Ekphrasis and the Still Movement of Poetry; or Laokoön Revisited," The Poet as Critic, ed. Frederick P. W. McDowell (Evanston: Northwestern University Press, 1967) 3-26; vgl. dazu auch Gwen Raaberg, "Ekphrasis and the Temporal/Spatial Metaphor in Murray Krieger's Critical Theory," New Orleans Review 12.4 (1985): 3 4 43-
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digmatischen Charakter für Grundanliegen der Lyrik im Allgemeinen aufweisen. Sein fast fünfundzwanzig Jahre später folgendes Buch baut diesen Ansatz weiter aus und erklärt Ekphrasis in einem literatur-anthropologischen Kontext als Restitution eines natürlichen, prälapsarischen Zeichensystems.
Ekphrasis und Repräsentationstheorie Diese literaturtheoretischen Arbeiten zur Ekphrase stehen in Wechselwirkung zu einer Reihe von philosophischen Texten und Richtungen, die verwandte Fragestellungen aus ähnlicher Perspektive beleuchten. In der Einleitung von The Order of Things - einem zentralen metatheoretischen Text der letzten Jahrzehnte - gibt Michel Foucault eine detaillierte Beschreibung und Analyse von Diego Veläzquez' Las Meninas (1656). 49 Mit der Inkorporation eines Gemäldes in seinen theoretischen Diskurs stellt sich Foucault innerhalb einer langen Tradition, die zur Veranschaulichung von erkenntnistheoretischen Problemen auf Malerei zurückgreift. 50 Las Meninas wurde durch seine mise-en-abyme-Straktur, die mehrere Ebenen von Abbildungen und Modellen im Rahmen eines Kunstwerks vereint, ein beliebtes Objekt zeitgenössischer theoretischer Texte über Repräsentationsproblematik. Mit seinen doppelten Abbildungsrahmen ähnelt dieser Bildaufbau der Grundstruktur der Ekphrase und wird daher oft für Diskussionen von Repräsentationsphänomenen herangezogen. Die Kunsthistorikerin Svetlana Alpers faßt dies treffend zusammen: "Along with Vermeer's Art of Painting and Courbet's Studio, Veläzquez's Las Meninas is surely one of the greatest representations of pictorial representation in all of Western painting." 51 Die Diktion ähnelt W. J. T. Mitchells literaturtheoretischer Charakterisierung von Ekphrasis als "verbal repre-
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Vgl. Kapitel 1: "Las Meninas" in Michel Foucault, The Order of Things: An Archaeology of the Human Sciences: A Translation of Les Mots et les choses (New York: Vintage, 1973)
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Vgl. dazu John Searle, "Las Meninas and the Paradoxes of Pictorial Representation," Critical Inquiry 6.3 (1980): 477-488; Joel Snyder and Ted Cohen, "Reflexions on Las Meninas: Paradox Lost," Critical Inquiry 7.2 (1980): 429-447; Leo Steinberg, "Velasquez' Las Meninas," October 15 (1981): 45-54. Auch die Zeitschrift Representations, die sich im Laufe der Achtzigerjahre zum Organ des New Historicism entwickelte, beginnt ihre erste Nummer mit einem einschlägigen Beitrag über Las Meninas von Svetlana Alpers, "Interpretation without Representation, or, The Viewing of Las Meninas," Representations 1.1 (1983): 3 1 - 4 2 .
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Alpers (1983, 31). 18
sentation of visual representation," die ebenfalls diese doppelte Abbildungsstruktur hervorhebt.' 2 Der Grund für das Interesse verschiedener theoretischer Disziplinen an dieser Repräsentationskonfiguration liegt darin begründet, daß das Abbildungsverständnis per se mit den großen Theoriebildungen westlicher Metaphysik verwoben ist. Die literaturtheoretische Auseinandersetzung mit Ekphrasis ist daher ebenfalls ursächlich mit den grundlegenden philosophischen Werken westlicher Metaphysik verknüpft, da die zweifache Repräsentation, die diese rhetorische Figur auszeichnet, unweigerlich Fragen nach Original und Abbildung bzw. anderen metaphysischen Kernbegriffen aufwirft.53 Geht man also davon aus, daß Ekphrasis bereits Repräsentiertes (Bild) noch einmal in einem anderen Zeichensystem (Sprache) repräsentiert, stellen sich die bekannten Fragen nach Original, Repräsentation, Mimesis, Simulation und nach dem Abbildungscharakter von Zeichen überhaupt. Diese Fragestellungen berühren nicht nur die zentralen Problemkreise westlicher Metaphysik von Piaton bis Ficino, sondern bilden auch die Grundlage postmoderner antimetaphysischer Theoriebildungen, die gerade die neuere Ekphrasis-Diskussion bestimmen. Am Beginn seines Buches America zitiert Jean Baudrillard die Inschrift "Caution: Objects in this mirror may be closer than they appear!," die in Millionen von Rückspiegeln amerikanischer Autos eingraviert ist, als Motto seiner aphoristischen Studie amerikanischer populärer Kultur.' 4 Der kontroversielle französische Soziologe verwendet diesen gutgemeinten Rat an den Autolenker, wirkliche Distanzen nicht mit den entfernt erscheinenden Reflexionen im Spiegel zu verwechseln, um auf einen allgemeinen Trend in zeitgenössischen antimetaphysischen Theoriebildungen hinzuweisen. Gleichzeitig wird dieser Satz auch zur Zusammenfassung von Baudrillards eigenem Simulacrum-Simulations-Theorem, das bewußt traditionelle Hierarchien von Original und Repräsentation umkehrt und abgebildete Realität für aussagekräftiger als das scheinbare Original er52
W. J. T. Mitchell, "Ekphrasis and the Other," South Atlantic Quarterly 91.3 (1992): 696. Mitchell unterteilt die Einstellung des Rezipienten gegenüber Ekphrasen in "ekphrastic indifférence" (696), "ekphrastic hope" (696) und "ekphrastic fear" (697), womit er jede mögliche Reaktion abdeckt. Trotz dieser nicht überzeugenden Differenzierung gibt Mitchells Aufsatz wertvolle Einblicke in Mechanismen von race, class and gender, die in dieser rhetorischen Figur latent vorhanden sind.
"
Für eine historische Analyse dieser Begrifflichkeit vgl. Gunter Gebauer und Christoph Wulf, Mimesis: Kultur-Kunst-Gesellschaft (Reinbeck: Rowohlt, 1992). Jean Baudrillard, Amérique (Paris: Bernard Grasset, 1986); America, trans. Chris Turner (London, New York: Verso, 1988) 1.
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achtet.55 In Baudrillards Diktion heißt dies, daß die Reflexion im Rückspiegel „realer" ist als die vermeintliche Wirklichkeit, die wir direkt durch die Windschutzscheibe des Autos wahrnehmen. Die Welt besteht damit aus verschiedenen in Wechselwirkung zueinander stehenden Repräsentationssystemen mit Eigendynamik. Baudrillards provokative, aber inzwischen nicht mehr ganz neue Sicht der Welt als System von Repräsentationen, die ihre Originale hinter sich gelassen haben, ist Teil einer Entwicklung, die sich wie ein Leitmotiv durch die Theoriebildungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachzeichnen läßt. Lévi-Strauss' Strukturale Anthropologie, Derridas Dekonstruktion und der Repräsentationalismus des New Historicism zeichnen sich trotz verschiedener Anliegen durch eine gemeinsame Betonung des „Abgebildeten" aus. So avancieren Mythen als Ausdruck kultureller Mechanismen gegenüber der in opsis Feldforschung in der strukturalen Anthropologie, écriture wird in der Dekonstruktion als privilegierte Repräsentation von Sprache dem traditionellerweise als ursprünglicher erachteten mündlichen Diskurs vorgezogen und der New Historicism verlagert sein Interesse in den Colonial Studies bewußt von historischen Ereignissen auf deren Projektionen in literarischen Texten. Es ist verständlich, daß in einem Klima, das Abbildungen über das vermeintliche Original stellt, eine rhetorische Figur wie die Ekphrase, die bildliche Repräsentation erneut als Bildbeschreibung verbal repräsentiert, ins Interesse literaturwissenschaftlicher Analyse rückt. War noch vor wenigen Jahren die Beschäftigung mit Kunstwerksbeschreibungen fast ausschließlich auf Altphilologen und Kunsthistoriker beschränkt, so wird die Auseinandersetzung nun vorwiegend von Literaturwissenschaftlern und -theoretikern verschiedener moderner Philologien getragen.56 Bei näherer Beschäftigung mit dem Phänomen der Ekphrase zeigt sich, daß sich diese so postmodern anmutende Wort-Bild-Uberlagerung nicht nur im eben skizzierten Klima des ausgehenden 20. Jahrhunderts auf anachronistische Weise durch Rückprojizierung zeitgenössischer Theoriebildungen auf ältere Texte analysieren läßt, sondern daß diese Figur bereits seit den Anfängen westlicher Literatur zu metaliterarischer Reflexion her"
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Zu Baudrillards Simulationstheorie vgl. Mario Klarer, "Jean Baudrillard's America: Deconstruction of America and America as Deconstruction," Amerikastudien/American Studies }6.i (1991): 227-240. Es kann in diesem Rahmen nicht auf die umfangreiche altphilologische Aufsatzliteratur zu den verschiedenen Autoren eingegangen werden; genannt seinen lediglich die wichtigsten Buchpublikationen zum Thema Kunstwerksbeschreibungen, sofern sie von allgemeinem literaturwissenschaftlichen Interesse sind.
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angezogen wurde und daher kulturgeschichtliche Hintergründe der jeweiligen Epoche widerspiegelt. Rekurse auf ein nicht-literarisches Abbildungsmedium wie die Beschreibung von Bildern im literarischen Diskurs stellen daher generell Signale für literarische Selbstreflexion dar, die sich besonders gut eignen, Rückschlüsse auf das herrschende Repräsentationsverständnis zu ziehen. Eine ähnliche Aussage hat W. J. T. Mitchell über die allgemeine Abgrenzung von Malerei und Literatur gemacht, wobei er die Diskurse über diese rivalisierenden Künste als Spiegel größerer kulturhistorischer Gegebenheiten erachtet. Mitchell argumentiert, daß in der Wechselwirkung der beiden Künste bzw. in der Definition der beiden Medien kultur- und geschichtsbedingte Mechanismen an die Oberfläche treten. Diese relativistische Charakterisierung der Wort-Bild-Problematik ist es wert, ausführlich zitiert zu werden, da sie, ohne direkt auf Ekphrasen gemünzt zu sein, auf analogen Prämissen wie die vorliegende Studie aufbaut. Mitchell meint: ( i ) there is no essential difference between poetry and painting, no difference, that is, that is given for all time by the inherent natures of the media, the objects they represent, or the laws of the human mind; (2) there are always a number of differences in effect in a culture which allow it to sort out the distinctive qualities of its ensemble of signs and symbols. 5 7
Die folgende Arbeit geht von den zwei Grundvoraussetzungen aus, die Mitchell für den sogenannten paragone der Künste aufstellt: nämlich, daß für die beiden Medien keine immergültigen a priori Unterschiede festgelegt werden können, sondern diese Dichotomien kultur- oder geschichtsbedingt sind. Mehr noch als in dem von Mitchell erwähnten allgemeinen Wettstreit der Künste scheint in der literarischen Kunstwerksbeschreibung, die natürlich indirekt immer den paragone impliziert, eine der offensichtlichsten und aufschlußreichsten Manifestationen dieser kulturgeschichtlichen Mechanismen dokumentiert zu sein. So geht es in den folgenden Analysen von Bildbeschreibungen aus der englischen Renaissance weniger um den Unterschied zwischen den Medien Malerei und Literatur, sondern vielmehr um die größeren kulturgeschichtlichen Faktoren, die diese medialen Unterscheidungen bewirken und damit das Abbildungsverständnis dieser Epoche bestimmen. Ekphrasen werden von Autoren und Autorinnen zur Problematisierung des Textverständnisses einer Ära, zu gattungstheoretischen Überle57
W. J. T. Mitchell, Iconology: Image, Text, Ideology (Chicago, London: University of Chicago Press, 1986) 49.
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gungen, zur Abgrenzung von Epochen bzw. Strömungen oder Problematisierung der Geschlechterdifferenz im literarischen Diskurs eingesetzt. Die folgenden exemplarisch ausgewählten Beispiele ekphrastischer Beschreibungen aus unterschiedlichen Gattungen der englischen Renaissance zeigen, daß die oft kurzen Abschnitte eines literarischen Werkes, in welchen dieser suggerierte Medienwechsel erfolgt, einen Brennpunkt literarischer Selbstreflexion darstellen, wobei vor allem Probleme der Gattungstheorie, epochaler bzw. ideologischer Abgrenzung und Fragen zur generellen Textkonzeption thematisiert werden. Der Kontext von Wort-Bild-Studien umfaßt, wie in diesem Überblick gezeigt wurde, eine Reihe unterschiedlicher theoretischer und literarischer Diskurse, die sich zwar teilweise gegenseitig bedingen, aber dennoch weitgehend eigenständige Traditionen bilden. Verweise auf Malerei und Bildkonzepte tauchen nicht nur in metaphysischen Texten auf, sondern finden sich auch in literaturtheoretisch orientierten Werken. In Ermangelung überlieferter kunstgeschichtlicher Texte griffen Renaissancetheoretiker und bildende Künstler in ihrem Bemühen um Rekonstruktion antiker Kunstpraxis und Kunsttheorie vor allem auf literarische Bildbeschreibungen zurück. Weiters darf auch nicht vergessen werden, daß die genaue Beschreibung des Kunstwerkes traditioneller Weise den Ausgangspunkt jeglicher kunsthistorischer Analyse darstellt.' 8 Die Ekphrase ist dadurch nicht nur ursächlich mit der Entstehung der modernen Kunstgeschichte im Sinne von Giorgio Vasaris Lives of the Artists verknüpft, sondern auch ein zentraler Faktor in der Entwicklung der Kunsttheorie mit Leon Battista Albertis De pictura.
A u s w a h l der Primärtextbeispiele Aus der kaum überschaubaren Zahl von Ekphrasen in der englischsprachigen Literaturgeschichte wird ein Moment isoliert, in dem die allgemeine Auseinandersetzung mit der Wort-Bild-Problematik besonders stark einsetzt und folglich auch Ekphrasen zur metaliterarischen Selbstbestimmung vermehrt herangezogen werden. Am Ende des 16. Jahrhunderts treten Wort-Bild-Fragestellungen in ungekanntem Facettenreich58
Zur Rolle der Ekphrasis in der Kunstgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart vgl. James A. W. Heffernan, "Speaking for Pictures: The Rhetoric of Art Criticism," Word & Image 15.1 (1999): 19-33. 22
tum ins Zentrum des allgemeinen Interesses. England folgt in dieser Entwicklung dem generellen Trend der europäischen Renaissance, zeichnet sich aber durch eine eigenwillige Entwicklung aus. Neben der Rezeption von antikem Piktorialismus aus Rhetorik und Literaturtheorie, der in England analog zu den kontinentalen Nationalliteraturen aufgenommen wurde und mit Drama, Emblem und masque visuell durchdrungene Genres hervorbrachte, findet sich in England gleichzeitig ein aus dem Protestantismus erwachsender Ikonoklasmus. Die paradoxe Situation zwischen Ikonophilie in der Literatur und Ikonophobie in der offiziellen religiösen Staatsideologie prädestiniert diese Epoche für eine Analyse von Ekphrasen. In diesem widersprüchlichen Klima werden Bildbeschreibungen nicht nur als Zeichen eines Kontinuums antik-klassischer Traditionen und zur nationalen Definierung gegenüber den katholischen Literaturen des Kontinents, sondern auch zur generischen Abgrenzung gegenüber anderen literarischen Gattungen herangezogen. Shakespeares Dramenkonzeption und Spensers Eposauffassung können gut anhand ihres Einsatzes der Figur der Ekphrase illustriert werden. Besonders aufschlußreich für das repräsentationstheoretische Verständnis des späten 16. Jahrhunderts sind die Ekphrasen in Philip Sidneys The New Arcadia, die sich in Wechselwirkung zu seiner Defence of Poetry sowie dem kunsttheoretischen Traktat des Miniaturmalers Nicholas Hilliard analysieren lassen. John Lylys stilistische Versuche in der Prosa reflektieren analoge mimetische Grundmuster, die in anderen zeitgenössische Formen künstlerischen Ausdrucks gleichermaßen erkennbar sind. Natürlich beschränkt sich der Einsatz der Ekphrase in der englischen Renaissance nicht nur auf Spenser, Sidney, Lyly und Shakespeare, sondern es finden sich eine Vielzahl von verstreuten und in andere Kontexte eingebundene Verweise auf Malerei. Diese Studie will aber nicht enzyklopädisch vorgehen und den unmöglichen Versuch unternehmen, alle Aspekte dieses Phänomens in der englischen Renaissance nachzuzeichnen, sondern auffällige Manifestationen anhand exemplarischer Beispiele bekannter Renaissanceautoren illustrieren. Es wurden vor allem jene Autoren und Werke ausgewählt, die besonders stark vom Austausch zwischen bildender Kunst und Literatur geprägt sind und vor allem auf ekphrastische Bildbeschreibungen zurückgreifen.
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ERSTES KAPITEL
D i e Rhetorik des Bildes: Ekphrasis als Katalysator früh-neuzeitlichen Repräsentationsverständnisses und sein Einfluß auf England Ekphrastische Texte waren zwar bereits vereinzelt im englischen Mittelalter verbreitet, sie erlebten jedoch besonders in der Renaissance einen neuen Aufschwung. Diese Entwicklung ging Hand in Hand mit der Wiederentdeckung antiker Literatur, d. h. auch der griechischen Klassiker, die damit neben den im Mittelalter bekannten Bildbeschreibungen Vergils und der lateinischen rhetorischen enitrgew-Konzeption eine Vielzahl von bis dahin unbekannter ekphrastischer Literatur zugänglich machte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß im byzantinischen Kulturkreis die ekphrastische Tradition, wie sie in den spätantiken Rhetorikhandbüchern der sogenannten zweiten Sophistik als integraler Ausbildungsteil eine Rolle spielte, durch das gesamte Mittelalter fortgeführt wurde. Die rhetorische Figur der Ekphrase, die in diesen Progymnasmata (Rhetorikschulbüchern) verschiedene Arten von Beschreibung umfassen konnte, wurde im byzantinischen Kulturkreis verstärkt im Sinne von Beschreibungen von Kunstwerken eingesetzt. So wurden im griechischen Osten noch zu Beginn des 15. Jahrhunderts Progymnasmata, wie der Text des Hermogenes aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert, im Schulunterricht verwendet. Ekphrasis, die auch in Form von Bildbeschreibungen praktiziert wurde, gehörte zu den zwölf Übungen dieser Rhetorikschulbücher, wie diese Definition aus den in der Renaissance weitverbreiteten Progymnasmata des Hermogenes zeigt. Ekphrasis is an account w i t h detail; it is visible, so to speak, and brings before the eyes that w h i c h is to be shown. Ekphrases are of people, actions, times, places, seasons, and m a n y other things [...]. T h e special virtues of ekphrasis are clarity and visibility; the style must contrive to bring about seeing through hearing. H o w e v e r , it is equally important that expression should fit the subject: if the subject is florid, let the style be florid too, and if the subject is dry, let the style be the same. 1 1
Hermogenes, Opera, ed. Hugo Rabe (Leipzig: Teubner, 1913) 2 2 - 2 3 ; Übersetzung zitiert 2
4
W ä h r e n d d e s f r ü h e n 1 5 . J a h r h u n d e r t s bestand ein r e g e r A u s t a u s c h z w i s c h e n b y z a n t i n i s c h e n u n d italienischen H u m a n i s t e n , w o b e i ekphrastische B i l d b e s c h r e i b u n g e n fast G a t t u n g s c h a r a k t e r a n n a h m e n . 1 N e b e n d e r r h e t o r i s c h e n T r a d i t i o n d e r B y z a n t i n e r w u r d e n aber a u c h g r i e c h i s c h e literaris c h e T e x t e z u g ä n g l i c h . H o m e r s „ S c h i l d b e s c h r e i b u n g , " die R o m a n e des Achilles Tatius u n d L o n g u s , L u k i a n s Dialoge, Plutarchs Traktate zur M a lerei, die P r u n k s t ü c k e der z w e i t e n S o p h i s t i k w i e die Imagines P h i l o s t r a t e b z w . die Beschreibungen
d e r beiden
d e s C a l l i s t r a t u s hatten n i c h t n u r V o r -
b i l d w i r k u n g f ü r literarische B i l d b e s c h r e i b u n g e n bei T a s s o , A r i o s t o , S p e n ser, S i d n e y u n d S h a k e s p e a r e , s o n d e r n w a r e n p a r a d o x e r w e i s e auch K a t a l y satoren f ü r die M a l e r e i d e r italienischen R e n a i s s a n c e . 3 D i e Tatsache, daß keine realen antiken G e m ä l d e ü b e r l i e f e r t w a r e n , ließ die
Renaissance-
k ü n s t l e r u n d - t h e o r e t i k e r auf e k p h r a s t i s c h e T e x t e als e i n z i g e
Quellen
antiker M a l e r e i z u r ü c k g r e i f e n . D i e Ü b e r n a h m e d e r ö s t l i c h - g r i e c h i s c h e n Progymnasmata-Vraktik
s o w i e die R e z e p t i o n g r i e c h i s c h e r u n d
lateini-
s c h e r literarischer E k p h r a s e n f ü h r t e d a z u , daß s o w o h l die theoretische
nach Michael Baxandall, Giotto and the Orators: Humanist Observers of Painting in Italy and the Discovery of Pictorial Composition 1350-1450 (Oxford: Oxford University Press, 1971) 85; zur Verbreitung der Texte des Hermogenes in der Renaissance und deren literarische Rezeption siehe Annabel M. Patterson, Hermogenes and the Renaissance: Seven Ideas of Style (Princeton: Princeton University Press, 1970); zum spezifischen Einfluß der Progymnasmata auf Humanisten vgl. Patterson (4-5); für frühneuzeitliche HermogenesEditionen vgl. Patterson (219-220). 2
5
Eine mit vielen Textbeispielen belegte Rekonstruktion dieses Austausches bietet Baxandall (1971); siehe besonders Kapitel 2: "The Humanists on Painting" ( 5 1 - 1 2 0 ) . Für eine Zusammenfassung definitorischer Fragen zur antiken Ekphrase siehe das Kapitel 1: "Rhetorical Ekphrasis and Descriptions of Paintings" (9-45) in Eva Clara Harlan, "The Description of Paintings as a Literary Device and its Application in Achilles Tatius," diss., Columbia University, 1965. Zur byzantinischen Ekphrasis vgl. die klassische Studie von Paul Friedländer, Johannes von Gaza und Paulus Silentiarius: Kunstbeschreibungen Justinianischer Zeit (Leipzig, Berlin: Teubner, 1912); siehe auch Henry Maguire, "Byzantine Descriptions of Works of Art," Dumbarton Oaks Papers 28 (1974): 1 1 3 - 1 4 0 und das Kapitel 2 "Description" in seiner Buchstudie Art and Eloquence in Byzantium (Princeton: Princeton University Press, 1981) 2 2 - 5 2 . Guarino entdeckt um 1400 in Konstantinopel die Dialoge Lucians, Francesco Filelfo die Imagines der Philostrate und Poggio Brancolini bringt Manuskripte von Vitruvs De Architectura und Quintilians Institutio Oratoria nach Florenz. Es folgen bald erste Drucke dieser Texte wie z.B. 1469 die Historia naturalis von Plinius, deren 35. und 36. Buch eine wichtige Quelle zur antiken bildenden Kunst darstellen; 1472 Quintilian; 1471 die Briefe Plinius des Jüngeren, dessen Architekturbeschreibungen von Renaissancekünstlern adaptiert werden; i486 Vitruv; 1470 Lukian; 1503 eine Sammelausgabe der Imagines der beiden Philostrate und der Descriptiones des Callistratus. Vgl. Short-Title Catalogue of Books Printed in Italy and of Italian Books Printed in Other Countries from 1465 to 1600 now in the British Library (London: The Library, 1958) 5 1 2 - 5 4 6 .
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A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t G e m ä l d e n als auch deren P r o d u k t i o n d u r c h die Künstler zutiefst v o n ekphrastischer Literatur geprägt war.4 W i e w i e d e r e n t d e c k t e E k p h r a s e n ü b e r die k u n s t t h e o r e t i s c h e A u f b e r e i t u n g d e r H u m a n i s t e n in d e r italienischen M a l e r e i des Q u a t t r o - u n d C i n q u e c e n t o d e m Z e i t g e i s t entsprechend r e z i p i e r t w u r d e n , läßt sich a n h a n d d e r s o g e n a n n t e n „ V e r l e u m d u n g d e s A p e l l e s , " einer antiken B i l d b e s c h r e i b u n g des L u k i a n , e x e m p l a r i s c h n a c h z e i c h n e n . D a hier vielfältige M e c h a n i s m e n der W e c h s e l w i r k u n g v o n
Ekphrase, humanistischer
Rhetorik,
M a l e r e i t h e o r i e u n d künstlerischer Praxis d e r R e n a i s s a n c e z u s a m m e n f a l len, ist es l o h n e n d , dieses p a r a d i g m a t i s c h e Beispiel a u s f ü h r l i c h e r u n d stellvertretend f ü r a n d e r e z u analysieren. 5 W i e bereits e r w ä h n t , bestand ab 1 4 0 0 ein r e g e r A u s t a u s c h z w i s c h e n italienischen u n d b y z a n t i n i s c h e n G e l e h r t e n , w o d u r c h die in der ö s t l i c h g r i e c h i s c h e n K u l t u r nie abgerissene rhetorische P r a x i s d e r E k p h r a s e in d e n italienischen H u m a n i s m u s ü b e r n o m m e n w u r d e . 6 Einerseits
haben
4
Michael Baxandall (1971, 97) hat in seiner grundlegenden Studie über die Anfänge der Kunstgeschichte und Kunsttheorie im Italien des Tre- und Quattrocentos drei zentrale ineinanderwirkende Einflüsse in der Auseinandersetzung mit bildender Kunst herausgearbeitet: (1.) die ciceronisch-petrarchische Tradition, Malerei und Literatur in Analogie zu setzen; (2.) die kunsthistorische, die genealogische Abfolge von verschiedenen Künstlern mit individuellen Interessen und Qualitäten aufzeigt; und (3.) die ekphrastische Tradition. Die drei Aspekte sind schwer isolierbar bzw. sind alle drei maßgeblich für die Wort-BildKonzeption der Renaissance über den italienischen Humanismus hinaus verantwortlich. Eine ausführliche Diskussion Albertis im Kontext der Wort-Bild-Problematik bietet Clark Hülse in Kapitel 3: "Alberti and History" in The Rule of Art: Literature and Painting in the Renaissance (Chicago, London: University of Chicago Press, 1990) 4 7 76. Zur kunsttheoretischen Dimension der Ekphrase in der italienischen Renaissance vgl. u.a. Svetlana L. Alpers, "Ekphrasis and Aesthetic Attitudes in Vasari's Lives," Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 23 (i960): 1 9 0 - 2 1 5 ; David Rosand, "Ekphrasis and the Renaissance of Painting: Observations on Alberti's Third Book," Karl-Ludwig Selig and Robert Somerville, eds., Flonlegium Columhianum: Essays in Honor of Paul Oskar Kristeller (New York: Italica Press, 1987) 1 4 7 - 1 6 5 .
5
Neben der „Verleumdung des Apelles" und anderer Ekphrasen aus Lukian, die bereits im 15. Jahrhundert bildlich adaptiert wurden, erhalten die Imagines von Philostratus dem Jüngeren erst im 16. Jahrhundert künstlerische Bearbeitung. Die Ekphrasen aus den hellenistischen Romanen wie der „Raub der Europa" oder die „Befreiung der Andromeda" in Achilles Tatius wurden eher selten als Gemälde bearbeitet. Eine ausführliche kunsthistorische Buchstudie zur Rezeption und bildlichen Umsetzung antiker Ekphrasen im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts bietet Michaela J . Marek, Ekphrasis und Herrscherallegorie: Antike Bildbeschreibungen im Werk Tizians und Leonardos. Römische Studien der Bibliotheca Hertziana 3 (Worms: Werner'sche Verlagsgesellschaft, 1985).
6
Zu den bedeutendsten Figuren zählt der byzantinische Gelehrte Manuel Chrysoloras, der um 1400 in Italien weilte und mit italienischen Humanisten in Kontakt stand. Seine prunkvollen Briefe zeichnen sich durch ausführliche ekphrastische Kunstwerksbeschreibungen aus, deren theoretischer Grundzug wichtige Anstöße für die italienischen Humanisten bot; vgl. Textbeispiele in Baxandall (1971, 80-87).
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eine Reihe von byzantinischen Gelehrten, die in Italien zur Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert tätig waren, in Prunkbriefen mit Kunstwerksbeschreibungen die ekphrastische Progymnasmata-lLradmon
des Ostens in
Italien bekannt gemacht, andererseits brachten italienische Humanisten von ihren Aufenthalten in Konstantinopel einschlägige Quellentexte mit. Der bedeutendste Gelehrte ist Guarino da Verona, der am Beginn des 15. Jahrhunderts in Konstantinopel eine lateinische Ubersetzung von L u kians Calumniae
anfertigte, deren Ekphrase eines Apelles-Bildes für die
Renaissancekunst und -kunsttheorie größte Bedeutung erlangen sollte.7 Lukian von Samosata (ca. 1 2 5 - 2 0 0 n. Chr.) beschreibt hier ein Bild des berühmten griechischen Malers Apelles, der auf eine üble Verleumdung hin mit einem allegorischen Bild antwortet. Lukian berichtet über dieses Bild des Hofmalers Alexander des Großen: Apelles [ . . . ] hit back at slander in a painting. On the right of it sits a man with very large ears, almost like those of Midas, extending his hand to Slander while she is still at some distance from him. Near him, on one side, stand two w o men - Ignorance, I think, and Suspicion. On the other side, Slander is coming up, a woman beautiful beyond measure, but full of passion and excitement, evincing as she does fury and wrath by carrying in her left hand a blazing torch and with the other dragging by the hair a y o u n g man w h o stretches out his hands to heaven and calls the gods to witness his innocence. She is conducted by a pale ugly man who has a piercing eye and looks as if he had wasted a w a y in long illness; he may be supposed to be Envy. Besides, there are t w o women in attendance on Slander, egging her on, tiring her and tricking her out. According to the interpretation of them given me by the guide to the picture, one was Treachery and the other Deceit. They were followed b y a w o m a n dressed in deep mourning, with black clothes all in tatters - Repentance, I think, her name was. At all events, she was turning back with tears in her eyes and casting a stealthy glance, full of shame, at Truth, who was approaching. 8 Diese Ekphrase hat im 15. Jahrhundert vielfältige Reaktionen hervorgerufen. Durch den Einsatz allegorischer Figuren muß dieser Text Lukians in Struktur und ikonographischem Vokabular für das 15. Jahrhundert sehr vertraut gewirkt haben, da die emblematisch-allegorische Darstellung von
7
8
Guarino ist für die Kunsttheorie der Renaissance durch seine von der byzantinischen Tradition geprägten ekphrastischen Reaktionen auf Pisanellos Gemälde wichtig; vgl. Epistolario di Guarino Veronese, ed. Remigio Sabbadini, 3 vols. (Venezia: A Spese della Società, 1915-1919) bzw. Baxandall (1971, 81) für Ubersetzungen der wichtigsten Texte. "Slander" in Lucian, trans. A. M. Harmon, vol. i (Cambridge: Harvard University Press, I 979) 3é5-367-
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Tugend und Untugend durch Prudentius' Psychomacbia (5. Jhdt. n. Chr.) bereits eine lange Tradition in der christlichen Literatur und Kunst des lateinischen Mittelalters innehatte. Die strukturelle Vertrautheit, die diesem Text anhaften mußte, ist vielleicht auch ein Grund für die Popularität dieser Ekphrasen im 15. Jahrhundert.9 Die theoretische Auseinandersetzung mit dieser Bildbeschreibung Lukians beginnt mit Alberti, der 1435 in De pictura die Übersetzung von Guarino da Verona heranzieht, um über diese klassische Ekphrase auf die Wichtigkeit des thematischen „Inhalts" bzw. der „historia" von Gemälden hinzuweisen.10 Next, it will be of advantage if they [painters] take pleasure in poets and orators, for these have many ornaments in common with the painter. Literary men, who are full of information about many subjects, will be of great assistance in preparing the composition of a "historia," and the great virtue of this consists primarily in its invention. Indeed, invention is such that even by itself and without pictorial representation it can give pleasure. The description that Lucian gives of Calumny painted by Apelles, excites our admiration when we read it. (De pictura b k . 3, ch. 53) 1 1
Alberti beschreibt anschließend das Bild, indem er sich weitgehend an die Ekphrase aus Guarinos Lukian-Übersetzung hält. Auffällig an Albertis Übernahme der Bildbeschreibung Lukians ist die Tatsache, daß hier antik-mittelalterliche rhetorische Strukturen auf die Auseinandersetzung mit bildender Kunst direkt übertragen werden. So gibt er dem angehenden Maler den Rat, "to make himself familiar with poets and orators and other men of letters, for he will not only obtain excellent ornaments from such learned minds, but he will also be assisted in those very inventions which in painting may gain him the greatest praise" (De pictura bk. 3, ch. 54). Alberti spricht von historia bzw. dem Inhalt eines Gemäldes im Sinne der inventio als Teilbereich der Schulrhetorik, die sich unter ande9
10
11
Wir werden später im Zusammenhang mit der sogenannten Tabula Cebetis auf diesen Mechanismus noch einmal zu sprechen kommen. Zur Verleumdung des Apelles in der Renaissance vgl. u. a. Richard Förster, „Die Verleumdung des Apelles in der Renaissance," Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen 8 (1887): 29-56 und 8 9 - 1 1 3 sowie 15 (1894): 27-40; Rudolph Altrocchi, "The Calumny of Apelles in the Literature of the Quattrocento," PMLA 36 (1921): 454-491 und vor allem David Cast, The Calumny of Apelles: A Study in the Humanist Tradition (New Haven, London: Yale University Press, 1981). Zur frühneuzeitlichen Umsetzung antiker Ekphrasen neben Lukian vgl. die zahlreichen einschlägigen Studien Richard Försters, die in der Bibliographie Marek (1985, 1 4 2 - 1 4 3 ) aufgelistet sind. Leon Battista Alberti, On Painting, trans. Cecil Grayson (Harmondsworth: Penguin, 1991). 28
rem aus inventio, elocutio und dispositio zusammensetzt.12 Die inventio, d.h. das Finden des Themas für eine Rede, wird hier zwar von Alberti auf Malerei übertragen, behält aber großteils ihre rhetorische Komponente bei. Dies geht sogar soweit, daß die Malerei dabei in den Hintergrund tritt und der ekphrastische Text eigentlich über die reale bildliche Umsetzung gestellt wird, wenn Alberti zum Beispiel meint, "that even by itself and without pictorial representation it can give pleasure" (De pictura bk. 3, ch. 53). Die Vorgangsweise, rhetorische Elemente auf die bildende Kunst zu übertragen, ist symptomatisch für die generelle theoretische Auseinandersetzung mit Malerei im Quattrocento durch die oratores, wie sich die Humanisten unter Verweis auf die antiken Rhetoren selbst bezeichneten.13 Alberti übernimmt so das Konzept der bildlichen compositio von Cicero, der es auf menschliche Körper bezog (De officiis 1, 28, 98), sowie von Vitruvs architektonischen Vorstellungen (De architectura 3, 1, 1). In der Folge erarbeitet Alberti ein vierschichtiges, semiotisch anmutendes Modell, in welchem vier Bildebenen in Relation zum Bildganzen stehen: Flächen erzeugen Glieder, Glieder ganze Körper, Körper wiederum lassen eine kohärente Handlung (bistoria) entstehen: "Composition [compositio] is the procedure in painting whereby the parts are composed together in the picture. [...] Parts of the "historia" are the bodies, part of the body is the member, and part of the member is the surface" (De pictura bk. 2, ch. 35). 14 Dieses Strukturprinzip stammt aus der traditionellen Rhetorik, die literarische Komposition ebenfalls durch vier sich gegenseitig bedingende Bereiche erklärt, wobei Wörter Phrasen erzeugen, Phrasen wiederum Satzteile und Satzteile schlußendlich ganze Sätze.15 Albertis malerische Kompositonsauffassung hat damit ihr direktes Pen12
13
14 15
Alberti setzt auch an anderer Stelle (De pictura bk. 2, ch. 30) die Teile des Aufbaus der guten Rede mit malerischen Techniken gleich, wenn er circonscrizione, composizione und recezione di lumi mit den drei Teilen der Rhetorik in Analogie setzt. Albertis De pictura wurde erst im 18. Jahrhundert ins Englische übersetzt, als auch in England verspätet eine akademische Herangehensweise an Malerei propagiert wurde. Die erste gedruckte lateinische Ausgabe erschien 1540 in Basel und war damit prinzipiell für die englische Renaissance zugänglich. Albertis Kompositionsauffassung ist von zentraler Bedeutung für die Renaissancemalerei überhaupt, wird aber in unserem speziellen Fall gerade in Hinblick auf Shakespeares Ekphrasen in The Rape of Lucrece noch von Interesse sein. Siehe dazu Baxandall (1971, 130), Rosands Aufsatz (1987) und Kapitel 3 in Hülse (1990). Diese Taxonomie basiert auf Isidor von Sevillas Etymologiae (2, 18): „componitur autem instruiturque omnis oratio verbis, comma et colo et periodo: comma particula est sententiae, colon membrum, periodos ambitus vel circuitus; fit autem ex coniunctione verborum comma, ex commate colon, ex colo periodos." Zitiert nach Baxandall (1971, 131). 2
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dant in der ersten humanistischen Rhetorik von Georg von Trebizond, dessen De rhetorica libri V fast zeitgleich mit Albertis De pictura entstand. Georgs Argument bezüglich literarisch-sprachlicher Komposition spiegelt Albertis Aussagen zum Bildaufbau, wobei beide um eine syntaktisch-ganzheitliche compositio bemüht sind.16 Dieser rhetorisierende Einsatz von Ekphrasis in der Kunsttheorie der italienischen Humanisten hat wiederum die künstlerische Produktion im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert beeinflußt. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Rivalität, die diese bildlichen Rekonstruktionen durch Maler wie Titian, der ein ganzes Zimmer für Alfonso d'Este mit malerischen Umsetzungen von antiken Ekphrasen ausgestaltet hat, unter den Dichtern hervorgerufen hat. Viele dieser Ekphrasen sind mit dichterischer Selbstreflexion gekoppelt. So folgt zum Beispiel Ariosto, der ebenfalls am Ferrarer Hof der Este tätig war, dem Vorbild der Herrscherallegorie in der zeitgenössischen Malerei, die sich antiker Ekphrasen als Stoff für Gemälde bediente. Ariosto legt in Canto 35 seines Orlando Furioso nach der Beschreibung eines Gewebes mit prophetischen Darstellungen dem Evangelisten Johannes eine Lobrede auf die Dichter in den Mund, denen er die Bewahrung von Ruhm und Ehre zuschreibt ("Their valour and their deeds enhanced in song," OF 35, 25). 17 Ariosto erinnert seine Auftraggeber daran, daß ihr zukünftiger Ruhm nicht nur von ihren Taten, sondern vor allem von der Repräsentation durch die Dichter abhängt.18 Für die Wort-Bild-Thematik ist auch die Ekphrase in Canto 33 interessant, die anhand von Bildern in einem Raum in Tristans Burg, der an Alfonso d'Estes Zimmer mit Titiangemälden erinnert, vergangene und 16
Das Konzept als solches geht bereits auf Quintilian zurück, der zwischen zwei Stilen unterscheidet: "the one is closely welded and woven together [vincta], while the other is of a looser texture [soluta]" (9, 4,19); Institutio Oratoria, trans. H. E. Butler, vol. 3 (Cambridge: Harvard University Press, 1986). Zur Erzeugung einer guten historia soll nach Alberti ein ausgewogfnes Maß an Figuren und Objekten im Bild verschachtelt werden. Alberti überwindet damit den isolierenden Charakter des mittelalterlichen Triptychons durch einen ineinanderwirkenden einheitlichen Bildaufbau. Analog dazu propagiert Georg von Trebizond eine sprachliche Struktur, die die disparaten Satzteile in große zusammenhängende und ineinander verwobene Einheiten verarbeitet. Baxandall gibt ein Beispiel, wie Georg von Trebizond die kurzen Sätze eines Texts seines Lehrers Guarino aus dem Jahr 1428 in wenige lange Satzkonstruktionen umbaut, um so die Überlegenheit seiner ganzheitlichen Kompositionstechnik zu illustrieren; vgl. dazu Baxandall (1971, 129-135).
17
Ludovico Ariosto, Orlando Furioso, trans. Barbara Reynolds, 2 vols. (Harmondsworth: Penguin, 1975), alle weiteren Zitate folgen dieser Ausgabe. Dieses Motiv, Ekphrasen mit den Auftraggebern zu koppeln, findet sich auch in Canto 42, wo Ariosto in der Beschreibung eines Brunnens Frauenstatuen mit ihnen zu Füßen liegenden Dichtern wie Castiglione oder Bembo darstellt.
18
3°
zukünftige europäische Geschichte darstellt und gleichzeitig über die Stellung von Maler und Dichter reflektiert. Such ancient painters as Parrhasius, Zeuxis, [...] Alexanders Apelles, Whose names for ever will be known to us [...] As long as men shall write and men shall read, What artists' hands in former ages did. (OF J3, i) Ariostos Orlando
Furioso,
das bereits 1 5 8 0 in englischer Ubersetzung
erschien, spielt hier auf die Tatsache an, daß keine antiken Gemälde, sondern nur dichterische Beschreibungen davon überliefert sind. E r stellt sich damit in einen Wettstreit mit zeitgenössischen Malern, die sich großteils Ekphrasen als Stoffvorlagen bedienten. D i e Illustratoren des
Orlando
Furioso nehmen sich ebenfalls dieser ekphrastischen Passage an, da hier mehrere Abbildungsebenen dargestellt werden können. So zeigt z u m Beispiel Girolamo Porros Deckblatt zum 3 3 . C a n t o (Abbildung 1) eine U m setzung dieser Ekphrase in albertischer Zentralperspektive. 1 9 A m deutlichsten zeigt sich dieser Mechanismus in der italienischen Malerei anhand von Lukians Ekphrase der Verleumdung
des Apelles,
die
allein im italienischen Kulturkreis bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts mit mehr als zwanzig bildlichen Umsetzungen belegt ist. 20 Herausragendes Beispiel ist Alessandro Botticellis ( 1 4 4 5 - i j i o ) Verleumdung
des
Apelles
(ca. 1496) (Abbildung 2). 2 1
20 21
Stich von Girolamo Porro zu: Ludovico Ariosto, Orlando Furioso (Venedig, 1584) 368; The Newberry Library, Chicago. Vgl. dazu Kapitel 1: "Toward a New Theory of the Arts" in Hülse (1990, 1-25), der sich mit dieser Ekphrase Ariostos auch in der Ubersetzung von Sir John Harrington von 1580 auseinandersetzt und auf dessen elisabethanische Modifikationen eingeht. Harrington sieht sich verpflichtet, in den Anmerkungen zu seiner Ubersetzung auf Nicholas Hilliard als einen den italienischen Meistern ebenbürtigen Maler hinzuweisen. "I think of our countryman (I meane M. Hilliard) is inferiour to none that lives at this day." Ariosto, Orlando Furioso, trans. Sir John Harrington (1591), ed. Robert McNulty (Oxford: Clarendon, 1972) 385. Vgl. Marek (1985, 17), die diese Zahl von Cast (1981) übernimmt. Botticelli setzt die historia der Ekphrase, um Albertis Terminologie zu benützen, dem Vorbild Lukians getreu folgend um, fügt jedoch einige zusätzliche neue Elemente ein. Neben den allegorischen Figuren, die er aus der Textvorlage übernimmt, stellt er auf den Säulen des Raumes Statuen biblischer Personen dar, die das Gerechtigkeitsthema neben der heidnischen auch auf einer christlichen Ebene einbringen. Weiteres Detail am Rande ist die zusätzliche visuelle Umsetzung einer weiteren Ekphrase auf dem Sockelrelief der bühnenartigen Plattform rechts unten im Bild, die Lukians Beschreibung des ZeuxisBildes einer Kentaurenfamilie als Vorbild nimmt. "Zeuxis, that pre-eminent artist, avoided painting popular and hackneyed themes as far as he could [...]. Among the bold innovations of this Zeuxis was his painting of a female Hippocentaur, one moreover that was
31
Botticellis Bild steht somit am Ende einer Entwicklung, die ihren Anfang in der Übernahme des byzantinischen schulrhetorischen Genres der Kunstwerksbeschreibung und Ubersetzung griechischer Klassiker am Beginn des 15. Jahrhunderts nahm und noch in der ersten Hälfte des Quattrocento von Alberti im bedeutendsten theoretischen Werk zur Malerei unter textlich-rhetorischen Gesichtspunkten eingesetzt wurde. Botticellis Umsetzung der antiken Bildbeschreibung hält sich nicht sklavisch an das klassische textliche Vorbild, sondern adaptiert den zeitgenössischen Anliegen gemäß alte Elemente für neue Zwecke. Gerade Botticellis Werk stellt ein besonders aufschlußreiches Beispiel für den allgemeinen Versuch einer Transformation antik-heidnischer Elemente in eine christliche Struktur dar, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit dem Neoplatonismus als der wichtigsten philosophisch-ästhetischen Bewegung der italienischen Renaissance Hand in Hand ging. Neben den ekphrastischen Texten aus der wiederentdeckten antiken Literatur ist der Einfluß antiker Ästhetik aus Literaturtheorie und Philosophie auf die Kunstauffassung der Renaissance nicht zu unterschätzen. Obwohl im Mittelalter Horaz' Ars Poetica, deren Diktum „ut pictura poesis" häufig zitiert wurde, und die Ausführungen über Malerei und Kunst in Plinius' Naturgeschichte sowie die enargeia-Konzeption der lateinischen Rhetoriker verbreitet waren, haben diese Werke im Mittelalter zu keiner stringenten visuellen Ästhetik geführt, wie sie durch die Revision griechischer Philosophie in der frühen Neuzeit einsetzt. Es lassen sich aber Grundmotive, die im 15. Jahrhundert zentrale Bedeutung erlangen, bereits hundert Jahre früher in Ansätzen in Francesco Petrarchas Überlegungen zu Malerei und Plastik aufzeigen. Er berührt die wichtigsten Themenbereiche der Kunsttheorie des späteren Humanismus, ohne sie in einen umfassenden theoretischen Überbau zu integrieren, wie es den Neoplatonisten unter Berufung auf Piaton möglich war. 22 Das ausführlichste Traktat zur bildenden Kunst Petrarchas bzw. des 14. Jahrhunderts überhaupt findet sich im 40. und 41. Dialog seines De remediis utriusque fortunae (ca. 1354-1366). Dieser Text ist hier deshalb erwähnenswert, da zweihundert Jahre nach seiner Abfassung 1579 eine englische Übersetzung von Thomas Twyne erschien und so ein Einfluß auf die englische Renaissance wahrscheinlich ist; dies umso mehr als be-
22
feeding twin Hippocentaur children [...]." Lucian, "Zeuxis or Antiochus" ( 1 5 5 - 1 6 9 ) in Lucian, trans K. Kilburn, vol. 6 (Cambridge: Harvard University Press, 1968) 157. Franceso Petrarcha, Phisicke against Fortune, as well prosperous, as adverse, conteyned in two Books [...] Written in Latine by Frauncis Petrarch [...] Englished by Thomas Twyne (London 1579) 57a-6oa; zitiert nach Baxandall (1971, 53; Fn. 4).
32
stimmte Passagen des Textes leicht mit neoplatonistischen Vorstellungen in Einklang gebracht werden können. Es geht hier vor allem um die richtige Einstellung des Betrachters gegenüber Kunstwerken. Diese langatmige Darlegung bietet wenig Neues, führt aber in komprimierter Form die wichtigsten Themenkreise in der Auseinandersetzung mit bildender Kunst in einem Text zusammen und hat daher sicher auf die spätere Kunstdiskussion eingewirkt. Petrarcha stellt folgende Bereiche in Opposition: die gegenwärtige Situation und die Antike, den informierten und den nichtinformierten Betrachter, sinnliche Wahrnehmung und kritische Auseinandersetzung, Form und Inhalt sowie Natur und Kunst.23 Petrarcha legt damit einen Grundstein für die spätere Beschäftigung mit bildender Kunst, wobei die angeführten Bereiche keine neuen Ergebnisse gegenüber dem Mittelalter liefern, in ihrer Systematik und Zusammenführung in einem Text jedoch ein Novum darstellen. All earthly delyghtes, if they were governed by discretion, would styre men up to the heavenly love, and put them in minde of their first original. [...] But yf these thynges that are counterfeited and shadowed with vayne colours doo so muche delyght thee, cast up thyne eyes uppon him that hath adorned mans face with senses, his minde with understandyng, the heaven with starres, the earth with flowres, and so shalt thou contemne those woorkemen w h o m thou woondrest at. (Zitiert aus Baxandall 1 9 7 1 , 5 4 - 5 8 )
Die Wiederbelebung der platonischen Metaphysik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ausgehend von der florentinischen Akademie unter deren bedeutendstem Propagator Marsilio Vicino (1433-1499) ist der größte philosophische Umbruch, der Ästhetik und künstlerische Produktion in unterschiedlichen Medien durchdringt. Der Neoplatonismus revolutioniert durch die Ubersetzung der Dialoge Piatons, von denen bisher nur der Timaeus in lateinischer Fassung verbreitet war, die aristotelisch geprägte Ästhetik des Mittelalters. Auf Marsilio Ficinos lateinische Übersetzung der platonischen Dialoge, die bereits 1484 in Florenz erschien, folgen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts weitere lateinische, griechische und nationalsprachige Ausgaben.24
2
) Vgl. Baxandall (1971, 58). Ficino versuchte durch seine Ubersetzungen Piatons und der spätantiken Neoplatoniker Porphyrius, Plotin und Dionysius Areopagita, platonische Metaphysik mit christlicher Theologie in Harmonie zu bringen.
24
33
Der Grundgedanke des Neoplatonismus legitimierte eine Hinwendung zum Diesseits, wobei trotz der Trennung des Menschen vom Göttlichen durch die Pflege des Verstandes am Göttlichen partizipiert werden kann. Es erfolgt also vom Mittelalter zur Renaissance unter der philosophischen Legitimation des Piatonismus eine positive Neubewertung des Weltlichen als Möglichkeit zur Transzendenz. Das Konzept der kalokagathia als das „Schöne und Gute" erhält in dieser frühneuzeitlichen Interpretation platonischer Metaphysik zentrale Stellung. Schönheit, d. h. auch körperliche Schönheit, ermöglicht demnach einen Zugang zur abstrakten metaphysischen Idee des Wahren, Schönen und Guten, weshalb diese transzendierende Körperlichkeit bald einen neuen Anstoß für die bildende Kunst darstellte. Die Darlegungen Piatons im Symposion über körperliche Liebe als Vehikel zur wahren „platonischen Liebe" unterstützten und legitimierten die Hinwendung zum ästhetisierten menschlichen Körper in Malerei, Plastik und Literatur. Da der Körper die weltliche Hülle der Seele darstellt, ist der nackte menschliche Körper die reinste Form der Existenz, die der irdische Leib einnehmen kann. Diese selbstgefällige, erotisierende und körperbetonte Auslegung Piatons ist großteils dafür verantwortlich, daß die Göttin Venus in den Mittelpunkt dieses neuen Diskurses rückt. Schönheit verbunden mit nackter Körperlichkeit legitimieren ihren Einsatz. In Botticellis Verleumdung des Apelles, das unter dem Einfluß Ficinos und des Neoplatonismus entstand, zeigt sich diese transzendierende Körperauffassung in der allegorischen Figur der „Wahrheit" links im Bild, die gemäß der neuen philosophischen Ästhetik nackt dargestellt wird. Der Neoplatonismus hat in England indirekt durch die 1561 publizierte englische Ubersetzung von Baldassare Castigliones Cortigia.no durch Sir Thomas Hoby Popularität außerhalb des engeren humanistischen Gelehrtenkreises erfahren. Die neoplatonistischen Züge in Castigliones Text und vor allem das übernommene Konzept der platonischen Liebe aus dem Symposion haben wahrscheinlich nachhaltiger auf die englische Renaissanceliteratur eingewirkt als die platonischen Dialoge selbst, deren Ubersetzung ins Englische relativ spät einsetzt.25 25
Außer dem pseudo-platonischen Dialog Axiochus findet sich keine englische Übersetzung im 16. Jahrhundert. In Frankreich setzt die Ubersetzung in die Nationalsprache in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts ein. Einen guten statistischen Überblick mit Rückschlüssen auf die unterschiedliche Popularität bestimmter Dialoge bietet Robert Ellrodt, Neoplatonism in the Poetry of Spenser (Genf: Librairie E. Droz, i960) 224-227. Ellrodts Analyse, aus der das Symposion als beliebtester platonischer Dialog des 16. Jahrhunderts hervorgeht, bestätigt damit indirekt auch die Vorliebe für das Thema der weltlichen Liebe als Ausgangsbasis für abstrakte Liebe in den literarischen Texten der Renaissance.
34
Im vierten Buch des Cortigiano erklärt Castiglione die aufeinanderfolgenden Stufen zur neoplatonischen kalokagathia, indem er typisch für die neue Ästhetik von der irdischen Schönheit einer Frau ausgeht: T h e r e f o r e w h e n an amiable countenance of a beautiful w o m a n commeth in his sight, that is accompanied w i t h noble conditions and honest behaviours, so that as one practiced in love, hee woteth well that his h e w hath an agreement w i t h hers, as soone as hee is aware that his eyes snatch that image and carrie it to the hart, and that the soule beginneth to beolde it with pleasure, and feeleth within her selfe the influence that stirreth her, and b y litle and litle setteth her in heate, and that those lively spirits, that twinckle out through the eyes, put continuall fresh nourishment to the fire: hee ought in this beginning to seeke a speedy remedie and to raise up reason, and with her to sense the fortresse of his hart, and to shut in such wise the passages against sense and appetites, that they m a y enter neither w i t h f o r c e nor subtil practise. 2 6
Castigliones Leiter zur wahren Schönheit umfaßt insgesamt sieben Stufen, von denen die erste im obigen Zitat ausführlich wiedergegeben ist. Von zentraler Bedeutung ist auf dieser ersten Ebene der Sehsinn, der die Imago der schönen Frau einfängt. Im nächsten Schritt müssen die Sinne des Hörens und Sehens zurückgelassen werden, um zu erkennen, daß "beautie is bodilesse" (313). Daher ist die dritte Stufe um die Erzeugung eines immateriellen geistigen Bildes "in his imagination sundred from all matter" (317) bemüht. Im vierten Schritt erfolgt eine Abstraktion von individueller Schönheit "meddling all beautie together" in ein "universall conceite," wobei "no more the particular beautie of one woman" (318) im Vordergrund steht. Die nächsten drei Stufen grenzen an mystischabstrakte Versenkung, in welcher auch die Imagination ausgeschaltet werden soll. Interessant für die Renaissanceliteratur und in unserem Fall für Spenser und Shakespeare ist die Art, in der Castiglione diese mystische Einheit mit dem wahren Schönen beschreibt: "[S]he [the soule] waxeth dronken and beside her seife, for coveting to couple her self with it" (319). Die mystische Vereinigung der Seele mit dem wahren Schönen findet ihr Pendant sozusagen auf weltlicher Ebene in den Vergewaltigungsszenen in Literatur und Malerei der Renaissance, auf die in der Besprechung von Shakespeares The Rape of Lucrece noch näher eingegangen wird. Die für das Thema Liebe bzw. Schönheit bereits durch die höfische Liebe des Mittelalters sensibilisierte Literatur sah in der christlich ver16
Baldassare Castiglione, The Book of the Courtier, trans. Sir Thomas Hoby (London: Everyman's Library, 1966) 3 1 2 - 3 1 3 .
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brämten Hinwendung zur körperlichen Schönheit des Neoplatonismus eine legitime Weiterführung dieser Tradition in neuem Gewand. Es ist daher nicht ungewöhnlich, daß neoplatonische Motivkomplexe und Strukturprinzipien in den literarischen Ekphrasen des 16. Jahrhunderts bereitwillig adaptiert wurden. Die ästhetisierende Grundkomponente, die ursächlich mit der neoplatonischen Weltsicht verbunden ist, bietet sich geradezu an, in Ekphrasen verarbeitet zu werden, die großteils ästhetischselbstreflexive Funktion innerhalb des literarischen Diskurses besitzen. Obwohl England indirekt einige der eingangs skizzierten Phänomene italienischer Philosophie und Kunsttheorie übernahm, zeichnet sich die englische Situation durch eine grundlegende Paradoxie im Bereich des Wort-Bild-Phänomens aus, die mit der reformatorischen Ideologie nach der Abspaltung von Rom unter Heinrich VIII. beginnt und bis zur Restauration anhält: Einerseits ist das 16. und 17. Jahrhundert in England durch einen reformatorischen Ikonoklasmus auf fundierter theoretischer Grundlage geprägt, andererseits folgt die englische Literaturtheorie der europäischen Renaissance und stellt das enargeia-Konzept bzw. das „ut pictura poesis" ins Zentrum dichterischer Selbstbestimmung und poetischer Produktion. 27 Poetischer Piktorialismus in der Literatur und Ikonoklasmus in der religiös-motivierten Staatsideologie sind die beiden scheinbar unvereinbaren, gegensätzlichen Pole, zwischen denen literarische Produktion und theoretische Selbstreflexion oszillieren. Es verwundert daher, daß in diesem paradoxen Klima gerade das Drama als ein Medium wiederbelebt wurde, dessen visuelle Komponente 17
Die Literaturtheorie propagiert die malerische Visualisation im Sinne Quintilians energeia als ein Hauptanliegen der Dichtung. So definiert Philip Sidney in A Defence of Poetry (1583) als dem wichtigsten literaturheoretischen Text des englischen 16. Jahrhunderts "Poesy" als "art of imitation, [...] - that is to say, a representing, counterfeiting, or figuring forth - to speak metaphorically, a speaking picture." Philip Sidney, A Defence of Poetry, ed. Jan A. van Dorsten (Oxford: Oxford University Press, 1984) 2$. Sidney bedient sich hier nicht nur des bei Plutarch überlieferten Simonides-Zitats, das Malerei als stumme Dichtung und Dichtung als sprechende Malerei bezeichnet und somit die Vorstellung der "Sister Arts" begründet, sondern verweist auch in der Analyse von Lyrik wieder auf Malerei; vgl. dazu Kapitel 3: „Arkadische Ekphrasis und The Art of Limning: Elisabethanische Mimesis-Theorie bei Philip Sidney und Nicholas Hilliard." Wenige Jahre später erwähnt George Puttenham in The Arte of English Poesie (1589) Sidneys Arcadia in der Erklärung der rhetorischen Figur der icon, die er in Verbindung mit Malerei erklärt. "But when we liken an humane person to another in countenaunce, stature, speach or other qualitie, it is not called bare resemblance, but resemblaunce by imagerie or pourtrait, alluding to the painters terme, who yeldeth to th'eye a visible representation of the thing he describes and painteth in his table. [...] Sir Philip Sidney in the description of his mistresse excellently well handled this figure of resemblaunce by imagerie, as ye may see in his booke of Archadia." George Puttenham, The Arte of English Poesie (London: Richard Field, 1589; rpt. Amsterdam, N e w York: Da Capo Press, 1971) 204.
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kaum zu leugnen ist, oder daß in diesen beiden ikonoklastischen Jahrhunderten die Emblemliteratur mit ihrem offensichtlichen Ineinanderwirken von Wort und Bild einen Höhepunkt erlebt. Auch die court masque mit dramatischen Inszenierungen emblemartiger Wort-Bild-Konfigurationen läßt sich in ihrer aufwendigen Bühnenarchitektur schwer mit dem ikonophoben Hintergrund dieses Zeitalters in Einklang bringen. Betrachtet man schließlich das Epos bzw. seinen prominentesten Vertreter Edmund Spenser, den die Rezeption immer wieder als den „malerischsten" englischen Dichter bezeichnet, wird das Dilemma noch deutlicher.18 Die Paradoxie der Situation wird dadurch verstärkt, daß sich Shakespeare, Sidney, Spenser oder Jonson als die wichtigsten Proponenten dieser visuell durchdrungenen Genres niemals offensichtlich gegen die Doktrin der reformatorischen Bilderfeindlichkeit stellen, sondern in ihrem literarischen Werk weitgehend konform mit der allgemeinen religiösen Ideologie argumentieren. Dieses Spannungsfeld zwischen offiziellem Ikonoklasmus und dichterischem Piktorialismus zeigt sich nicht zuletzt im Einsatz der rhetorischen Figur der Ekphrase in der englischen Renaissance, die von Spenser zur Selbstbestimmung der epischen Praxis, von Sidney für das Prosagenre und von Shakespeare als Abgrenzung der Dramatik gegenüber der masque bzw. anderer literarischer Gattungen herangezogen wurde. Bevor jedoch auf Ekphrasen bei Spenser, Sidney, Lyly und Shakespeare genauer eingegangen wird, ist es nötig, theoretische Diskurse über Ikonoklasmus und literaturtheoretischen Piktorialismus kurz zu beleuchten.29 Im Anschluß an die Schließung der Klöster in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts folgte legitimiert durch Traktate wie die "Royal Visitor's Injunction" (1547) oder die Homilie against perill of Idolatrie (1563) eine 28
'9
Für eine Aufstellung dieser Tradition in der Spenser-Rezeption und einer kritischen Analyse vgl. Rudolf Gottfried, "The Pictorial Element in Spenser's Poetry," ELH 19 (1952): 203-213. Neben den einschlägigen Arbeiten Jean Hagstrums und Murray Rostons sind folgende wichtige Buchstudien aus dem Umfeld der Wort-Bild-Problematik in der Renaissance erschienen: David Evett, Literature and the Visual Arts in Tudor England (Athens, London: University of Georgia Press, 1990); Norman K. Farmer, Jr., Poets and the Visual Arts in Renaissance England (Austin: University of Texas Press, 1984); Lucy Gent, Picture and Poetry 1560-1620: Relations Between Literature and the Visual Arts in the English Renaissance (Lemington Spa: James Hall, 1981). Teilweise von Bedeutung für die vorliegende Studie sind auch Arbeiten von Ronald Paulson, Book and Painting: Shakespeare, Milton and the Bible: Literary Texts and the Emergence of English Painting (Knoxville: University of Tennessee Press, 1982); Emblem and Expression: Meaning in English Art of the Eighteenth Century (Cambridge: Harvard University Press, 1975) und Breaking and Remaking: Aesthetic Practice in England, 1/00-1820 (New Brunswick, London: Rutgers University Press, 1989).
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Säuberung der Kirchen und teilweise auch der Privathäuser von Kunstwerken, die der neuen Ideologie nicht entsprachen. Es soll hier nicht im Detail die komplexe Entwicklung des englischen Ikonoklasmus in theologischen Traktaten und praktischen bilderstürmerischen Aktivitäten nachgezeichnet werden, sondern nur auf den Einfluß dieser Strömung auf Literatur und Kunsttheorie kurz hingewiesen werden.30 Ein Beispiel aus Ainsworths Arrow Against Idolatrie (1611), das jegliche Repräsentation verurteilt, genügt, um den Grundtenor dieser theoretischen Traktate zu illustrieren: For every man is forbidden to make unto himself, any forme,
shape or resem-
blance,, of things in the heavens earth or waters; of any similitude, likeness, any frame, figure,
edifice, or structure,
any creeping thing, any image, type or shadowed picture, fabrick,
shew,
or
of man or best, fowl or fish or representation;
any
imagined-
or shape [...]. So that it is not possible for the wit or hand of
man to make any image or representation whatsoever, which cometh not within compasse of the words and things forewarned of G o d . 3 1
Dieser religiös-motivierte Ikonoklasmus hat die Rezeption der italienischen Humanisten in England maßgeblich geprägt, die wenn überhaupt nur in modifizierter Form übersetzt wurden. Die englische Ausgabe von Petrarchas De remediis utriusque fortunae (ca. 1354-1366), auf dessen 40. und 41. Dialog über Kunstwerke bereits eingegangen wurde, zeichnet sich zum Beispiel durch eigenwillige inhaltliche Veränderungen aus. Um Petrarchas Anleitungen über "sacred Images, which may remind the beholder of the grace of heaven" für ein englisches Publikum gesellschaftsfähig zu machen, verläßt Thomas Twyne das Original und verändert die Passage in "images and statues of godly and vertuous men, the beholding of which may stirre us up to have remembrance of their manners."32 Ein ähnliches Schicksal ereilt Giovanni Paolo Lomazzos Trattato dell'Arte de 3
° Die ausführlichste Darstellung bietet John Phillips, The Reformation of Images: Destruction of Art in England, IJJ)-I66O (Berkeley: University of California Press, 1957). Einen ausgezeichneten knappen Uberblick über Grundlagen der englischen Entwicklung im 16. Jahrhundert im Vergleich mit kontinentalen Formen bietet Kapitel z: "At the Crossroads: The Poetics of Reformation Iconoclasm" in Ernest B. Gilman, Jconoclasm and Poetry in the English Reformation (Chicago, London: University of Chicago Press, 1986) 3 1 - 5 9 . Siehe auch die breitangelegte Studie Margaret Astons, England's Iconoclasts: Laws Against Images (Oxford: Clarendon Press, 1988).
' ' Henry Ainsworth, An Arrow Against Idolatrie. Taken out of the quiver of the lord of Hosts (Amsterdam, 1 6 1 1 ) 9 - 1 0 ; diese Passage wird auch von Gilman (1986,43-44) zitiert. 32 Phisicke against Fortune [...] Written in Latine by Frauncis Petrarch [...] Englished by Thomas Twyne (London, 1579) 57a-60a; zitiert nach Baxandall (1971, 53), der diesen beabsichtigten Ubersetzungsfehler Twynes hervorhebt; vgl. dazu auch Gilman (1986, 13).
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la Pittura
( 1 5 8 4 ) , d e m in der englischen Ü b e r s e t z u n g v o n R i c h a r d H a y -
d o c k e die letzten beiden Kapitel ü b e r sakrale K u n s t einfach fehlen. 3 3 T r o t z d e m g e h ö r t L o m a z z o s Traktat neben H o b y s U b e r s e t z u n g v o n C a s t i gliones Cortigiano
( 1 5 6 1 ) u n d Petrarchas De remediis
utriusque
fortunae,
das einige neoplatonische A s p e k t e v o r w e g n i m m t , z u den wichtigsten p l a tonistischen kunsttheoretischen E i n f l ü s s e n auf die englische Renaissance. A u s der Vielzahl literaturtheoretischer Ü b e r l e g u n g e n z u r W o r t - B i l d P r o b l e m a t i k dieser Z e i t sei stellvertretend ein Beispiel aus B e n J o n s o n s Discoveries
zitiert, in w e l c h e m Piktorialismus u n d I k o n o k l a s m u s eine f ü r
die englische Renaissance typische w i e d e r s p r ü c h l i c h e E i n h e i t eingehen. Poetry, and Picture, are Arts of a like nature; and both are busie about imitation. It was excellently said of Plutarch, Poetry was a speaking Picture, and Picture a mute Poesie. For they both invent, faine, and devise many things, and accommodate all they invent to the use, and service of nature. Yet of the two, the Pen is more noble, then the Pencill. For that can speake to the Understanding; the other, but to the Sense. They both behold pleasure, and profit, as their common Object [...]. Whosoever loves not Picture, is injurious to Truth: and all the wisdome of Poetry. Picture is the invention of Heaven: the most ancient, and most a kinne to Nature. It is it selfe a silent worke: and alwayes of one and the same habit: Yet it doth so enter, and penetrate the inmost affection (being done by an excellent Artificer) as sometimes it orecomes the power of speech, and oratory. 34 J o n s o n b e r u f t sich hier einerseits auf die klassische rhetorische Tradition der S c h w e s t e r n k ü n s t e b z w . auf das S i m o n i d e s - Z i t a t bei Plutarch, andererseits klingt der englische I k o n o k l a s m u s d u r c h , der d e m geschriebenen W o r t eindeutige Priorität einräumt. 3 5 D i e s e S t r u k t u r in der A d a p t i o n kontinentaler P h ä n o m e n e findet sich nicht nur in den theoretischen T e x t e n z u r W o r t - B i l d - P r o b l e m a t i k , s o n -
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Lomazzos Trattato wird in seinen neo-platonischen Prämissen als manieristisch bezeichnet, da es um die Umsetzung einer Idea aus dem Geist des Künstlers bemüht ist und nicht um eine mimetische Abbildung von Natur. Lomazzos platonistische Züge von Abbildungen, die in fast transzendentaler Weise auf das Göttliche in der Imagination des Künstlers verweisen, konnten sehr gut mit einer eigentlich ikonoklastischen Ideologie in England vereinbart werden und weisen, wie noch ausführlich gezeigt wird, Parallelen zum Repräsentationskonzept Sidneys und Hilliards auf. Auf Petrarchas „proto-neoplatonistische" Züge wurde bereits in der Besprechung der italienischen Situation hingewiesen.
34
Ben Jonson, "Works, ed. C. H. Herford, Percy and Evelyn Simpson, vol. 8 (Oxford: Oxford University Press, 1947) 609-610. Dieser Logozentrismus ist im Falle von Jonson autobiographisch motiviert. Die jahrelange enge Zusammenarbeit mit dem Architekten und Bühnendesigner Inigo Jones für die Aufführungen der court masques wurde schließlich durch Streitigkeiten beendet, wobei eben jene Kunsthierarchien in die Diskussion eingeflossen sind.
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dern auch in der englischen Modifikation der beliebten europäischen Emblemliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts. Das Emblem wird in der Folge nicht als Ekphrase im Sinne einer Kunstwerksbeschreibung berücksichtigt, da in diesem Genre das visuelle Bild in Form eines Holzschnittes oder Stichs direkt neben dem Text steht und nicht wie in der Ekphrase rein verbal repräsentiert ist. Trotzdem kann eine Analyse von Bildbeschreibungen in der englischen Renaissance nicht umhin, immer wieder auf diese überaus populäre Gattung zu verweisen, da hier einige der Phänomene, die für die Ekphrase im 16. und 17. Jahrhundert charakteristisch sind, ebenfalls anklingen. Wie verbreitet diese Emblembücher waren, zeigt die Tatsache, daß Francis Quarles Texte wi t Hieroglyphics of the Life of Man (1638) und vor allem Emblemes (163 5) mit Auflagen von mehreren tausend Stück zu den populärsten Publikationen des 17. Jahrhunderts zählten.36 Der Titel von Quarles Hieroglyphics deutet bereits an, daß die Emblemtradition auf die Begeisterung für pseudo-ägyptische Hieroglyphen zurückgeht, die vor allem durch die Wiederentdeckung des sogenannten Horapollo Manuskripts 1419 belebt wurde. Diese Ideogramme, die man für eine ursprüngliche, prälapsarische Schrift hielt, schienen im Stande zu sein, göttliche Weisheit besser auszudrücken als Buchstaben. Die Situation ähnelt der modernistischen Begeisterung Ezra Pounds für chinesische Bilderschrift am Beginn des 20. Jahrhunderts, die er als ideales poetisches Medium betrachtete, da Piktogramme auf sprachlicher und visueller Ebene gleichzeitig arbeiten.37 Pounds Image-Konzept als "that which presents an intellectual and emotional complex in an instant of time," war am chinesischen Bildzeichen orientiert und spiegelt in vielfacher Hinsicht das Wort-Bildverständnis der Emblematiker, die ebenfalls um eine WortBild-Überlagerung bemüht waren.38 36
Vgl. dazu G . S. Haight, "The Publications of Quarles's Emblems," The Library 15 ( 1 9 3 4 1935): 9 7 - 1 0 9 und Rosemary Freeman, English Emblem Books (London: Chatto Sc Windus, 1948) 114. Quarles Emblemes wurde bereits zu seinen Lebzeiten drei mal neu aufgelegt und erreichte insgesamt beinahe fünfzig Auflagen; siehe auch Gilman (1986, 85). Für neuere Arbeiten zu Quarles und Emblem in der englischen Tradition siehe Karl Josef Höltgen, Francis Quarles: 1^2-1644; Meditativer Dichter, Emblematiker, Royalist; eine biographische und kritische Studie. Buchreihe der Anglia Band 19 (Tübingen: Max Niemeyer, 1978); Karl Josef Höltgen, Aspects of the Emblem: Studies in the English Emblem Tradition and the European Context (Kassel: Reichenberger, 1986); Karl Josef Höltgen, Peter M. Dally and Wolfgang Lottes, eds. Word and Visual Imagination: Studies in the Interaction of English Literature and the Visual Arts (Erlangen: Universitätsbund, 1988).
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Vgl. Ernest Fenollosa, The Chinese Written Character as a Medium for Poetry, ed. Ezra Pound (San Francisco: City Light Books, 1968). Ezra Pound, " A Retrospect (1913; 1918)," Literary Essays of Ezra Pound, ed. T. S. Eliot (Norfolk: N e w Directions, n.d.) 6.
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Die Popularität von Emblembüchern in der Renaissance steht in Wechselwirkung zum Buchdruck, der diese bildlichen Repräsentationen analog zum geschriebenen Wort reproduzierbar und damit auch im Stellenwert ähnlich machte. Es ist daher wahrscheinlich, daß dieses gleichberechtigte Nebeneinander von Wort und Bild in den Emblembüchern teilweise auf das Vervielfältigungsmedium zurückführbar ist. So verwischt Lomazzo zum Beispiel im Vorwort zu seinem Trattato dell'Arte de la Pittura (1584) den Status von Schrift und Bild, indem er Malerei als "an instrument vnder which the treasury of memory is contained, insomuch as writing is nothing else, but a picture of white and black" definiert.39 Obwohl im Emblem das bildliche Element auch als "body" im Gegensatz zum texlichen "soul" bezeichnet wurde, nahm das Bild nicht den Status einer Illustration ein, sondern galt als Teil von zwei sich gegenseitig bedingenden Elementen, deren Medien sich in Wechselwirkung zueinander komplementieren. So charakterisiert Thomas Blount in der Ubersetzung von Estiennes L'Art de faire les devises das Ineinanderwirken beider Medien als "so strictly united together, that being considered apart, they cannot explicate themselves distinctly the one without the other."40 Im Emblem kann also weder Wort noch Bild für sich allein ohne das andere den vollen Sinn ergeben. Das Emblem als solches stellt ein europäisches Phänomen dar, das besonders im Umfeld der Jesuitenschulen aufgrund seiner didaktischen Komponente beliebt war. Es ist offensichtlich, daß die englische Emblematik stark an der kontinental-katholischen Emblemtradition orientiert war. Insbesondere Quarles Emblemes übernehmen zum größten Teil Bildmaterial von jesuitischen Emblembüchern wie Typus Mundi (1627) und Pia Desideria (1624). Wie Ernest Gilman und andere bereits ausführlich gezeigt haben, spiegelten sich in dieser Modifikation katholischer Ikonographie für das „ikonoklastische" England die typischen Mechanismen des Wort-Bildverständnisses der englischen Literatur des 17. Jahrhunderts. Analog zu anderen Beispielen aus Literatur- und Kunsttheorie wird zwar Piktorialismus übernommen, jedoch in ein protestantisches Gewand gekleidet: Während die Bilder der beiden jesuitischen Werke " 40
Paolo Giovanni Lomazzo, A Trade Containing the Artes of Curious Paintinge, trans. Richard Haydocke (London, 1598; rpt. Amsterdam, New York: Da Capo Press, 1969) 2. Thomas Blount, Art of Making Devices (London, 1646) 10; zitiert nach Gilman (1986, 16). Ahnlich beschreibt Geffrey Whitney auf dem Titelblatt von A Choice of Emblemes (Leiden, 1586) seine Vorgangsweise: "herein, by the office of the eie, and the eare, the mind maye reape double delights through holsome preceptes, shadowed with pleasant deuises"; zitiert nach Gilman (1986, 15).
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großteils unverändert bleiben, werden die Texte kaum berücksichtigt bzw. durch protestantische Themen ersetzt. 41 Trotz des allgemein herrschenden Ikonoklasmus - oder gerade deswegen - finden sich in der englischen Renaissance vielfältige Hinweise auf Malerei und Auseinandersetzungen mit bildender Kunst. Für die folgendenen Analysen der Ekphrasen bei Spenser, Sidney, Lyly und Shakespeare in Hinblick auf ihre implizite Repräsentationstheorie im Kontext theoretischer Traktate zu Literatur und Malerei ist es notwendig, einige Überlegungen zur allgemeinen Terminologie vorauszuschicken. Anhand der Begrifflichkeit, die durch Übersetzungen kunsttheoretischer italienischer Texte, autochtoner Traktate zur Malerei und über literarische Texte zur Kunst in die elisabethanische Diskussion eingeflossen ist, lassen sich bereits einige generelle Aussagen zum Kunstverständnis dieser Epoche englischer Kulturgeschichte aufzeigen. Viele der Begriffe werden zwar im modernen Englisch weiterverwendet, besaßen jedoch im elisabethanischen England eine teilweise andere Bedeutung. Da die Terminologie den ekphrastischen Diskurs dieser Epoche weitgehend dominiert und die begrifflichen Eigenheiten ein erstes Verständnis der spezifischen englischen Situation ermöglichen, ist es unumgänglich, auf die wichtigsten Aspekte kurz einzugehen. 42 Bereits die Bestimmung von zentralen Begriffen wie "picture" reflektiert die grundlegende Problematik, da dieser Terminus so vage verwendet wurde, daß er nicht nur Bilder in unserem Sinn, sondern auch Plastik, Gewebe, Heraldik, Stickereien, Intarsien, Impresen und Embleme umfassen konnte. "Painting" wiederum wurde ebenfalls so unspezifiziert eingesetzt, daß es sowohl im Kontext von Gesichtsschminke, Wappenmalerei, Gebäude- bzw. Wandanstrich sowie Kunstmalerei auftaucht. Um jedoch diese allgemeine Art von "painting" von der Kunst eines Dürer, Michelangelo oder Hilliard zu differenzieren, wurde für Kunstmalerei häufig der Zusatz "curious" oder "artificial" verwendet. So übersetzt Haydocke 41
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Vgl. dazu Kapitel 7 "Catholic Emblem Books in Prose" in Freeman (1948, 1 7 3 - 2 0 3 ) und Kapitel 4 "Quarles's Emblematic Agon: 'Break That Fond Glasse'" in Gilman (1986, 8 5 116). Für eine ausführliche Analyse der Begrifflichkeit zur Malerei in der englischen Renaissance vgl. "Chapter I I " in Gent (1981). Gents Studie stellt eine der ersten umfassenden Auseinandersetzungen mit dem Phänomen Malerei und Literatur in der englischen Renaissance dar, die in vieler Hinsicht Aspekte neuerer Arbeiten von Ernest Gilman, N o r man Farmer, Patricia Fumerton und Murray Roston vorwegnimmt bzw. grundlegende Vorarbeiten für spätere Arbeiten leistet. Gents Analyse geht über den lange dominierenden Zeitgeist-Ansatz von Wylie Sypher und Mario Praz aus den 50er und 60er Jahren hinaus, indem sie um eine Rekonstruktion und Zusammenschau der theoretischen Reflexionen in bildender Kunst und Dichtung dieser Epoche bemüht ist.
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den Titel von Lomazzos trattato dell'arte de la pittura als arte of curious paintinge.43 Das Wort "design" findet erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang von Architektur und Bühnenplanung Eingang in die Kunstterminologie der Renaissance. Bekanntes Beispiel ist die Charakterisierung von Inigo Jones' Bühnendesign durch Ben Jonson: "which by a specious fyne / Terme of ye Architects is called Designe!"44 "Design" wird in enger Verbindung mit "drawing" verwendet. In der englischen Renaissance wurde monochrome Zeichnung nie in den Rang von Kunst erhoben und eigentlich nur als erste von drei aufeinanderfolgenden Stufen im Bildaufbau gesehen. Diese Dreiteilung in "outline," "underpainting" und dem Auftragen der Farben geht auf ein Traktat des Theophilus aus dem 12. Jahrhundert zurück.45 Der Maler fertigt demnach zuerst einen Umriß des Bildes an, der vom sogenannten "underpainting" gefolgt wird und schließlich mit dem Auftragen der Farben endet. Auch John Lyly beschreibt in Euphu.es and his England (1580) anhand eines Bildes diese wichtigsten Abschnitte der eigentlichen Bildproduktion: "[B]ut shadowed for others to vernish, but begun for others to ende, but drawen with a blacke coale, for others to blase with bright coulour."46 Grundsätzlich spiegelt diese Auffassung die antike Vorstellung der historischen Genese der Malerei, wie sie von Plutarch und Plinius charakterisiert wurde. Zusammenfassend kann man Plinius' historische Genealogie der antiken Malereientwicklung von einfärbigem Design über Schwarz-Weiß-Darstellungen bis hin zum kunstfertigen Aufbringen der Farbe für illusionistische Zwecke mit der elisabethanischen Vorstellung des schrittweisen Aufbaus eines Gemäldes vergleichen. Gerade der Begriff "colour" wird auch im literarischen Kontext nicht nur als Pigment, sondern im übertragenen Sinn als „Farben der Rhetorik" verwendet, wobei sich dieser Umstand nicht nur in der Renaissance, sondern bereits bei Chaucer findet. Der wohl komplexeste Begriff im Umfeld der Malerei ist "perspective," der unsere heutige Bedeutung im Kontext der zentralperspektivi43
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Vgl. hierzu die einschlägige Studie von Ernest B. Gilman, The Curious Perspective: Literary and Pictorial Wit in the Seventeenth Century (New Haven, London: Yale University Press, 1978). Ben Jonson, Works, ed. C. H. Herford, Percy and Evelyn Simpson, vol. 8 (Oxford: Oxford University Press, 1947) 404. Theophilus, De diversis artihus, trans, and ed. C. R. Dodwell (Oxford: Clarendon Press, 1961). The Complete Workes of John Lyly, ed. R. Warwick Bond, vol. 2 (Oxford: Clarendon Press, 1902) 205.
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sehen geometrischen Abbildung umfaßt sowie im elisabethanischen Zeitalter ein spezifisches Genre illusionistischer bzw. anamorpher Malerei bezeichnete. Auf diesen Problemkreis wird im Zusammenhang mit Shakespeare noch detailliert eingegangen. Die in den nachfolgenden Kapiteln ausgewählten Ekphrasen illustrieren die Auseinandersetzung mit dem Wort-Bild-Verständnis im elisabethanischen Zeitalter vor dem Hintergrund des englischen „Ikonoklasmus" und des allgemein herrschenden literarischen Piktorialismus. Edmund Spensers The Faerie Queene und Muiopotmos stehen am offensichtlichsten im vorhin angedeuteten Spannungsfeld zwischen Ikonoklasmus und Piktorialismus, wobei Ekphrasen nicht zuletzt zur generischen Selbstbestimmung des protestantischen Epos herangezogen werden. Philip Sidneys repräsentationstheoretische Überlegungen in Defence of Poetry sowie deren praktische Umsetzungen in Form von Ekphrasen in The New Arcadia spiegeln nicht nur allgemeine elisabethanische Mimesis-Vorstellungen, wie sie in theoretischen Traktaten zur Porträtmalerei behandelt werden, sondern sind ursächlich mit Sidneys Gattungskonzept von Prosa verwoben. John Lylys scheinbar so eigenwilliges stilistisches Unterfangen im sogenannten „Euphuism" erscheint im Licht seiner Ekphrasen als integraler Bestandteil elisabethanischer Abbildungskonzeptionen. William Shakespeares ekphrastische Beschreibungen in seinen Dramen, vor allem aber im "non-dramatic poem" The Rape of Lucrece, stehen ganz in der Tradition Sidneys bzw. der elisabethanischen Porträttheorie, adaptieren diese jedoch für eine generische Abgrenzung des Dramas gegenüber anderen Gattungen innerhalb der darstellenden Künste des ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Die genannten exemplarischen Texte dienen als ungleiche Beispiele für die Problematisierung literarischen Ausdrucks unter Rekurs auf die bildende Kunst in der englischen Renaissance. Alle vier Autoren greifen auf unterschiedliche antike ekphrastische Vorbilder zurück, um ihre spezifischen Repräsentationsund Literaturauffassungen sowie gattungstheoretische Überlegungen zu thematisieren.
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ZWEITES KAPITEL
Edmund Spensers "vilest art:" Ekphrasis und das reformiert-christliche Renaissance-Epos War im Italien des Quattrocento Lukians Bildbeschreibung Die Verleumdung des Apelles ein Katalysator für die Wechselwirkung von Literatur, Malerei und Philosophie, so findet sich in der englischen Renaissance ein ähnlicher ekphrastischer Text, der grundsätzlich Parallelen zum italienischen Phänomen aufweist, in Wirkung und Einfluß aber geringer ist. Die sogenannte Tabula Cebetis, eine antike Ekphrase, wurde nicht nur in der bildenden Kunst des 16. Jahrhunderts vielfältig verarbeitet, sondern galt als eine der wichtigsten moralisch-allegorischen Darstellungen des Werdegangs des Menschen zwischen Tugend und Untugend.1 Diese Bildbeschreibung des menschlichen Lebens auf dem Weg zur wahren Geistesbildung bzw. virtü fungierte bis ins 19. Jahrhundert als Schultext zur Vermittlung von Fremdsprache und ethischen Inhalten. Während sich Autoren wie Hans Sachs, Edmund Spenser, John Milton, G. W. Leibniz, J. G. Herder und G. E. Lessing mit der Tabula Cebetis befaßten, ist der Text in den letzten zweihundert Jahren großteils in Vergessenheit geraten. Diese erst Ende des 15. Jahrhunderts rezipierte Schrift wurde ursprünglich einem Sokratesschüler des 4. Jahrhunderts v. Chr. zugeschrieben, wird aber in der neueren Forschung als Werk des 1. nachchristlichen Jahrhunderts betrachtet.2 Die Tabula hat eine ähnliche Reaktion wie Lukians Ekphrase der Verleumdung des Apelles hervorgerufen und diente als Vorlage für eine Vielzahl von visuellen Rekonstruktionen im 16. und 1
2
Für eine detaillierte Rezeptionsgeschichte mit den Abbildungen der wichtigsten visuellen Adaptionen vgl. Reinhart Schleier, Tabula Cebetis oder „ Spiegel des Menschlichen Lebens / dann Tugent und untugent abgemalet ist," Studien zur Rezeption einer antiken Bildbeschreibung im 16. und IJ. Jahrhundert (Berlin: Gebr. Mann Verlag, 1973). Die wichtigste Auseinandersetzung mit der Tabula im englischsprachigen Raum stammt von Anthony Ashley Cooper, 3rd Earl of Shaftsbury (1671-1713); vgl. dazu die Einleitung von Stephen Orgel, ed., Cebes in England: English Translations of The Tablet of Cebes from Three Centuries, with Related Materials (New York, London: Garland Publishing, Inc., 1980).
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1 7 . Jahrhundert. Z u den wichtigsten Beipielen zählen Textillustrationen v o n H a n s H o l b e i n d e m J ü n g e r e n aus d e n 2 0 e r J a h r e n des 1 6 . J a h r h u n derts, die V o r b i l d w i r k u n g auf eine R e i h e späterer Illustratoren a u s ü b t e n (vgl. A b b i l d u n g 3 ) . 3 D i e Tabula
t a u c h t d a m i t n i c h t n u r in S p e n s e r s e k -
p h r a s t i s c h e n P a s s a g e n in The Faerie
Queene
a u f , s o n d e r n reflektiert in
ihren s t r u k t u r e l l e n M e r k m a l e n G r u n d z ü g e d e r W o r t - B i l d - V o r s t e l l u n g in der Renaissance.4 D i e Tabula
Cebetis
b e n ü t z t das klassische Setting antiker u n d mittelal-
terlicher e k p h r a s t i s c h e r Texte, die K u n s t w e r k e i m U m f e l d eines T e m p e l s b e s c h r e i b e n . In d i e s e m speziellen F a l l handelt es sich u m ein m o r a l i s c h allegorisches G e m ä l d e des m e n s c h l i c h e n W e r d e g a n g s z w i s c h e n
Tugend
u n d U n t u g e n d , das die A u f m e r k s a m k e i t z w e i e r M ä n n n e r a m
Eingang
eines S a t u r n t e m p e l s erregt: We were walking in the temple of Saturn, where w e took a view of a great many other presents that were there. But there was placed before the temple a picture, in which there were certain drawings that were foreign and strange, and it contained certain particular fictions, that we were not able to guess what they were [...]. F o r the thing described seemed to us two neither a city nor a camp, but an enclosure that contained within it other enclosures, one greater, and one less. (Tabula
64)'
D e r E i n s t i e g in diesen T e x t , der an die e k p h r a s t i s c h e E i n g a n g s s z e n e des hellenistischen P r o t o r o m a n s v o n A c h i l l e s T a t i u s erinnert, deutet bereits eine l a b y r i n t h a r t i g e S t r u k t u r der f o l g e n d e n allegorischen " f i c t i o n " an. 6
3
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Es handelt sich hierbei um das Titelblatt einer Ausgabe von Strabos Geographie aus dem Jahr 1523; Beinecke Library, Yale University. Obwohl Jean Hagstrum bereits in The Sister Arts: The Tradition of Literary Pictorialism and English Poetry from Dryden to Gray (Chicago: University of Chicago Press, 1958) 34 kurz auf die Relevanz der Tabula Cebetis für die Wort-Bild-Problematik hingewiesen hat, ist die Literatur zu diesem Text immer noch spärlich. Außer der rezeptionsgeschichtlichen Studie Schleiers (1973) und einigen Textausgaben existiert keine umfassende kritische Auseinandersetzung mit dem Werk und vor allem ist es für die Wort-Bild-Problematik kaum berücksichtigt worden. Für moderne Textsammlungen und Ubersetzungen vgl. Orgel (1980) und Sandra Sider, eds., Cebes' Tablet: Facsimiles of the Greek Text, and of Selected Latin, French, English, Spanish, Italian, German, Dutch, and Polish Translations (New York: The Renaissance Society of America, 1979).
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Die Zitate folgen der Earl of Shaftsbury Ubersetzung aus dem frühen 18. Jahrhundert Anthony Cooper, 3rd. Earl of Shaftesbury, "The Picture of Cebes," in Second Characters or the Language of Forms, ed. Benjamin Rand (Cambridge: Cambridge University Press, 1914); rpt. in Orgel (1980); die älteste englische Ubersetzung stammt von Francis Poyntz (ca. 1530 bzw. 1557), gefolgt von John Healey (1616).
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So beschreibt Achilles Tatius ein Europa-Bild am Tempel der Astarte in Sidon: "[A]s I was thus walking about the city, paying especial attention to the temple-offerings, I saw 46
Es handelt sich um ein aus drei konzentrischen Kreisen konstruiertes multikursurales Labyrinth, das den darin befindlichen Menschen immer zwei mögliche Richtungen anbietet, die eingeschlagen werden können. Francis Quarles verwendet in seinem Emblemes (163 5) ebenfalls eine bildliche Darstellung, die die Labyrinthmotivik ähnlich wie die Tabula für ethisch-moralische Zwecke umsetzt (vgl. Abbildung 4).7 Analog zur Tabula richtet sich der Blick des tugendhaften Menschen, der sich innerhalb des Labyrinths befindet, auf eine metaphysische Instanz, die über den Irrwegen angesiedelt ist. Die Irrgartenmotivik der Tabula, die sich in der Struktur der architektonischen Anlage erahnen läßt, wird durch die Reaktionen der Betrachter verstärkt: "[W]e had been long in doubt amongst ourselves, about the meaning and explication of these fictions" (Tabula 64). Wie in vielen anderen klassischen Labyrinthen tritt auch hier ein Führer auf, der bei der Auslegung der auf der Bildtafel dargestellten "fictions" zur Seite steht: "It is no wonder at all strangers, that you are at a loss about this picture; for there are not many of the country that understand what the fiction imparts" (Tabula 64-65). Der alte Mann beginnt mit der Erklärung des Gemäldes, indem er vom Eingang bis ins Zentrum der Anlage beschreibend und erklärend „vorangeht" und damit die Wanderung des im Labyrinth befindlichen „Pilgers" nachzeichnet. Der Eingang in den umzäunten Ort bzw. ins „Leben" wird von einem greisen Mann bewacht, der als „Genius" bezeichnet wird. "[A] woman whose form is artfully composed [...] holding a kind of cup in her hand. [...] She is called deceit, [...] and leads all men astray" (Tabula 66) sitzt vor dem Irrgarten der Tabula. Alle Eintretenden müssen von ihr einen Trank aus "error" und "ignorance" (Tabula 66) zu sich nehmen.8 Nach Betreten des ersten Kreises versprechen schöne Frauen Glück und eine allegorische Fortuna-Figur verteilt mit verbundenen Augen auf einem runden Stein stehend wahllos Glück und Unglück. Die Menschen, die sich mit einer Gruppe von Frauen einlassen, die verschiedene Untugenden repräsentieren, werden für ihre Fehltritte bestraft. Mit
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a picture hanging up which was a landscape and a seascape in one." Achilles Tatius, trans. S. Gaselee (Cambridge: Harvard University Press, 1984) 1, 1. Francis Quarles, Emblemes (1635) 4. Buch, p. 188; vgl. dazu Rosemary Freeman, English Emblem Books (London: Chatto & Windus, 1948) 114. Das lateinische Wort „error" taucht in einer Vielzahl von Texten zum Labyrinth auf oder wird synonym dafür verwendet. Die Darstellungen der Tabula werden mit dem Rätsel der Sphinx verglichen: "She makes dark representations to man of what is good, and of what is ill, and of what is neither good nor ill in life. And if a man do not attain to the knowledge of these things he perishes under her hands [...]" (Tabula 65).
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Hilfe von "Repentance" können diese Fehlgeleiteten direkt zur "True Education" gelangen, die auf einem quadratischen Felsen den Eingang zum dritten Kreis von Glück, Wissen und Tugend bewacht. Der quadratische Sockel gehört auch zur Renaissance-Ikonographie, die auf diese Weise gerne allegorisiertes „Wissen" von „Fortuna" auf rundem Stein unterscheidet. Im Titelbild von Robert Records The Castle of Knowledge (1556) stehen sich diese beiden Figuren in dieser Charakterisierung gegenüber (vgl. Abbildung 5).9 Die Figur "True Education" verabreicht in der Tabula ein Gegenmittel, das den am Eingang eingenommenen Trank von "error" und "ignorance" die Kraft nimmt. Jene, die aber noch unter dem Einfluß von Unwissenheit stehen, verwechseln "False Education" mit "True Education" und bleiben für den Rest ihres Lebens im zweiten Kreis. Hier ist der Großteil von Gelehrten, Wissenschaftlern und Dichtern angesiedelt, deren Wissen nicht mit Tugend gekoppelt ist. Diejenigen, die der „Falschen Bildung" den Rücken kehren und den steilen und unwegsamen Pfad zur „Wahren Bildung" einschlagen, können in den innersten Kreis von "Happiness" gelangen, nachdem sie von ihrer Unwissenheit geläutert wurden. "Happiness" schmückt die Tugendhaften mit einer Krone und sendet sie zurück zu den anderen, damit sie als Beispiele für jene dienen, die im Bann der "False Education" geblieben sind. Ahnlich wie die Bildbeschreibung Verleumdung des Apelles von Lukian aufgrund ihrer allegorischen Struktur problemlos in eine archaisierende Renaissance-Ikonographie integriert werden konnte, so wurde auch die Tabula Cebetis bereitwillig adaptiert. Für die weitreichende Rezeption dieses Textes kommen neben der bereits genannten vordergründig allegorischen Struktur noch weitere Gründe hinzu. Das metaphysische Anliegen des Textes läßt sich direkt mit der neoplatonischen Philosophie des 15. und 16. Jahrhunderts in Einklang bringen bzw. repräsentiert dessen didaktische Anliegen in prägnanter Form. Es werden hier die Grundsätze der platonischen Philosophie, wie sie die Politeia in drei Gleichnissen darlegt, anhand von allegorischen Szenen leicht verständlich dargestellt. Auch der beschwerliche Weg zur Erkenntnis und die Rückkehr zu den „Unwissenden" als „Gekrönte" erinnert an das Philosophenkönigtum der Politeia. In seiner graphischen Form war der Text für didaktische Zwecke ebenfalls prädestiniert. So propagiert Milton 1644 in "Of Education" die Tabula Cebetis für den Unterricht, da sie neben Grammatik "the love
' Robert Record, The Castle of Knowledge (London, 1556); Newberry Library, Chicago. 48
of virtue and true labour, ere any flattering seducement" fördert. 10 Der didaktische Einsatz der Tabula wird neben der moralischen Botschaft von der mnemotechnischen Struktur des Textes gefördert. Durch die Anordnung der allegorischen Figuren in einer architektonischen Anlage wird ein Raster erzeugt, der Speicherung und Wiederabrufbarkeit von Information unterstützt. Das visuelle Bild, das in der Tabula Cebetis verbal beschrieben wird, soll damit zu einem mentalen Bild werden, das in verinnerlichter Form den Menschen im Labyrinth des Lebens den Pfad zwischen Tugend und Untugend weist. Diese an Mnemotechnik orientierten Texte weisen Parallelen zum Genre des Emblems auf, das sich besonders in der Renaissance großer Beliebtheit erfreute. Im Kontext der Wort-Bild-Problematik ist die Begeisterung für die Tabula Cebetis auch dadurch erklärbar, daß sie in ihrer Form die allgemeinen Anforderungen eines Emblems weitgehend erfüllt, indem sie ebenfalls Wort und Bild nebeneinandergestellt einsetzt. Giambattista Vico (1668-1744) nennt im Vorwort seiner Scienza nuova (1744) die Cebestafel als Beispiel für den mnemotechnischen Einsatz von visuellem Material in moralischen Texten: "As Cebes the Theban made a table of moral institutions, we offer here one of civil institutions. We hope it may serve to give the reader some conception of this work before he reads it, and, with such aid as imagination may afford, to call it back to mind after he has read it." 1 1 Vico beginnt sein Werk mit einer "Explanation of the picture placed as frontispiece to serve as introduction to the work," also einer ausführlichen ekphrastischen Erklärung des Titelstiches (vgl. Abbildung 6). Es handelt sich bei der Tabula ursprünglich um eine verbale bzw. ekphrastische Wiedergabe eines gerahmten Bildes, was aber nicht untypisch für die frühe, großteils rein textlich orientierte Emblemkonzeption war. So bezeichnet Anthony Ashley Cooper ( 1 6 7 1 - 1 7 1 3 ) den Text als "Emblem of Cebes", 12 und auch G. W. Leibniz nennt in einem Traktat über die Lehrmethoden im Bereich der Jurisprudenz die Tabula ein „erweitertes Emblem" („continuata qvaedam Emblemata"), das Bild und Wort in sich vereint („quae constat figura et dicto simul").13 Vor allem 10
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John Milton, " O f Education," The Complete Prose Works of John Milton, vol. 2 (Oxford: Oxford University Press, 1959) 383; siehe dazu auch Schleier (1973, 139). Giambattista Vico, The New Science of Giambattista Vico: Unabridged Translation of the Third Edition (1744) with the Addition of "Practice of the New Science," ed. Thomas Goddard Bergin and Max Harold Fisch (Ithaca, London: Cornell University Press, 1984) 3. Vgl. die Einleitung zu Orgel (1980). G . W. Leibniz, „Nova Methodus Discendae Docendaeque Iurisp ruderi tiae" (1667), Samt-
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die Pariser Ausgabe des Humanisten Gilles Corrozet von 1543 zeigt, daß die Tabula bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als emblematischer Text aufgefaßt wurde.14 Durch die Verbindung von Versübersetzung und zehn Holzschnitten isolierter Szenen des Textes versuchte Corrozet, den Effekt eines Emblembuches zu erzielen (vgl. Abbildung 7).15 Jeder Holzschnitt wird mit einem Motto und einer kurzen Textpassage aus der Tabula versehen, wodurch „Motto" (bzw. „Lemma"), „symbolisches Bild" und „Epigramm" als die drei generellen Elemente eines Emblems umgesetzt werden. 16 Diese Vorgangsweise ist für Corrozet nicht ungewöhnlich, da er sich mit Hecatongraphie (1540) bereits als Emblematiker ausgewiesen hat. 17 Die Tabula Cebetis eignet sich als guter Einstieg für eine Besprechung der Wechselwirkung zwischen bildender Kunst und Literatur in der englischen Renaissance, die sich zwischen neoplatonischer Betonung des Visuellen und reformatorischem Ikonoklasmus hin- und herbewegt. Das wohl herausragendste Beispiel für dieses „Dilemma" ist Edmund Spensers Faerie Queene, das zur Reflexion über diese zeitgenössischen geistesgeschichtlichen Bewegungen sowie zur generischen Selbstbestimmung des protestantischen Epos auf Ekphrasen zurückgreift. Spenser weist im "Letter to Raleigh" auf die Vorbildfunktion der epischen Tradition hin: " I haue followed [...] first Homere [...] then Virgil [...] after him Ariosto [...] and lately Tasso." 18 Spenser stützt sich gerade in seinen Ekphrasen auf diese epischen Vorläufer aus der Antike und dem 16. Jahrhundert, wobei er aber die Bildbeschreibung im Sinne eines reformiert-christlichen
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liehe Schriften und Briefe, ed. Preussische Akademie der Wissenschaften, 6. Reihe, vol. i (Darmstadt: O. Reichl, 1930) 275 ff; zitiert aus Schleier (1973, 141). Le Tableau de Cebes de Thebes, Anden Philosophe, et disciple de Socrates [...] Paris, Denys Janot pour Gilles Corrozet, 1543; zitiert nach Schleier (1973, 39). Abbildungen 1 8 - 2 8 in Schleier (1973); vgl. auch Schleier (1973, 39). Die Terminologie in der Charakterisierung von Emblemen ist nicht eindeutig festgelegt; oft wird das Bild als Emblem bezeichnet und das Verbale als Text; manchmal wird der bildliche Teil " b o d y " und der verbale "soul" genannt. Es ist hier nicht der Ort, auf die Komplexität des Emblembegiffs einzugehen, da man terminologisch vor dem weiteren Problem steht, daß nicht alle Embleme ein visuelles Bild beinhalten, sondern dies oft nur verbal wiedergegeben wird bzw. auch das Lemma oder Motto fehlen kann. Im Fall der Corrozet-Ausgabe handelt es sich formal um eine idealtypische emblematische Anordnung von Holzschnitt (Emblem), Motto (Lemma) und Text (Epigramm); vgl. auch Schleier (1973, 39). Vgl. Rosemary Freeman, English Emblem Books (London: Chatto & Windus, 1948) 44. The Works of Edmund Spenser: A Variorum Edition, ed. Edwin Greenlaw, Charles Grosvenor Osgood and Frederick Morgan Padelford (Baltimore: The Johns Hopkins Press, 1932) I, 167. Alle weiteren Zitate aus Spensers Werk folgen dieser Ausgabe.
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Epos adaptiert. So setzt Spenser in The Faerie Queene generell Ekphrasen als Kritik an einer von der bildenden Kunst kreierten illusionistischen Realität ein. Die elfenbeinernen Darstellungen am Tor zum Garten der Acrasia (FQ II, 12, 44-45), die Gewebe mit Abbildungen von Venus und Adonis im Castel Joyeous (FQ III, 1, 34-39) und die "tapestries" im House of Busyrane (FQ III, 1 1 , 28-46) treten alle am Beginn gefährlicher und die Sinne täuschender Orte auf. Die bildlichen Darstellungen dienen gleichzeitig als Warnung, Hindernis und Prüfung der Helden, die durch visuelle Versuchungen von ihrer Mission abgelenkt werden sollen. Das Reich der Acrasia bzw. der sogenannte "Bowre of Bliss" im zweiten Buch von The Faerie Queene wird von Spenser als umzäunter gartenartiger Ort beschrieben, der sich durch Ekphrasen und Sinnestäuschungen auszeichnet. Die Schilderung des Inneren des Gartens (FQ II, 12, 4657), die zwar durch eine Ekphrase mit Themen aus der Argonautensage eingeleitet (FQ II, 12, 44-45) wird, stellt als Ganzes vordergründig keine Bildbeschreibung dar, bezieht sich aber auf die Tabula Cebetis als ekphrastischen Text. Neben der räumlichen Struktur eines abgeschlossenen geographischen Raumes, der jeweils zwei metaphorische Wege offenläßt, sind auch einige der Figuren in Spensers Garten aus der Tabula übernommen. So heißt es gleich am Beginn bei Spenser: "there sate / A comely personage of stature tall, [...]. They in that place him Genius did call: [...] Who wondrous things concerning our welfare, / And straunge phantomes doth let vs oft forsee, / And oft of secret ill bids vs beware: / That is our Seife" (FQ II, 12, 46-47). In der Tabula Cebetis findet sich eine analoge Figur: "The olde man / that standeth aboue, havyng in his one hande a paper [...] is called Genius, He commandeth the entrers, what they muste do, if they wyl be kept safe in the lyfe" (fol. 3").19 Neben der Figur des Genius taucht auch eine Frauengestalt bei Spenser auf, die den Eintretenden einen die Sinne verwirrenden Trank verabreicht. "In her left hand a Cup of gold she held [...] / Thereof she vsd to giue to drinke to each, / Whom passing by she happened to meet" (II, 12, 56). Wie bei allen anderen Erscheinungen im Bowre of Bliss handelt es sich um eine Prüfung, die der Held Guyon besteht, indem er "[t]he cup to ground did violently cast" (II, 12, 57), der ihm von der verführerischen Frau mit
Es wird hier die Übersetzung The Table of Cebes von Francis Poyntz (1530?) benützt, die drei Auflagen im 16. Jahrhundert erreichte und daher Spenser theoretisch als Quelle zugänglich war. Zitate folgen der Faksimileausgabe des Textes in Sider (1979, 47-$6). Für ein Faksimile eines späteren Drucks dieser Übersetzung basierend auf dem Exemplar der Folger Shakespeare Library (STC4891. 3) siehe Orgel (1980).
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"tender hond" angeboten wurde.20 Damit erschöpfen sich die oberflächlichen Parallelen zur Tabula, die jedoch auf anderen Ebenen weitergeführt werden können. Wie in der Tabula Cebetis, die um ein Kunstwerk angelegt ist, wird auch in der Gartenpassage von Spenser ständig auf die Künstlichkeit dieses Ortes hingewiesen. A place pickt out b y choice of best aliue, That natures worke by art can imitate: In which what euer in this worldly state Is sweet, and pleasing vnto liuing sense, O r that may dayntiest fantasie aggrate, Was poured forth with plentifull dispence, A n d made there to abound with lauish affluence.
(FQ II,
i2, 42)
Über das Tor zum Garten, das Spenser als "wrought of substaunce light" (FQ II, 12, 43) beschreibt, heißt es, daß "the famous history / Of Iason and Medxa was ywrit" (FQ II, 12, 44). Die fließenden Ubergänge der Materialien und bildlichen Darstellungen unterstreichen die illusorische Qualität der Darstellungen, wie der folgende Chiasmus verdeutlicht: "That seemd the waues were into yuory, / Or yuory into the waues were sent" (FQ II, 12, 45). Der artifizielle Charakter wird durch das Oszillieren von Medium (Elfenbein) und Repräsentation (Wasser) betont. Die Plazierung dieser Ekphrase nach Guyons Abenteuer im Einflußbereich des habgierigen Mammon und vor den erotischen Versuchungen im Garten der Acrasia ist nicht zufällig, da die Iason und Medea Sage um analoge Themen kreist.21 Iason ist in seiner Suche nach dem goldenen Flies von Habgier geleitet und Medea ist in ihrer Liebe getäuscht worden. Spenser situiert damit die Ekphrase in dieser Episode am Übergang von 20
Spenser bringt das Motiv des Trankes aus der Tabula zweifach ein, indem er am Beginn der Passage in Canto 12 Genius aus einem "mighty Mazer bowle" (FQ II, 12, 49) Wein ausschenken läßt, den Guyon ebenfalls ablehnt. Guyon "ouerthrew his bowle disdainfully" und zerbricht den Stab des Genius, "with which he charmed semblants sly" (FQ II, 12, 49). Das Wort "Mazer" könnte auf "maze" hinweisen und so die Labyrinthmotivik und Struktur des Textes untermauern. Es ist schon mehrfach auf die Labyrinthstruktur in The Faerie Queene hingewiesen worden, wobei aber meist das erste Buch mit den Verirrungen des Rederosse Knight behandelt wird. D'Orsay W. Pearson, "Spenser's Labyrinth - Again," Studies in Iconography 3 (1977): 70-88 erklärt das erste Buch im Kontext anderer Renaissancetexte wie Boccaccios Corhaccio, die ebenfalls erotische Versuchung und Labyrinthmotivik verbinden. Angus Fletcher, The Prophetic Moment: An Essay on Spenser (Chicago, London: The University of Chicago Press, 1971) versucht, Spensers Gedicht auf "the temple and the labyrinth" (12) als zwei grundlegende Pole zu reduzieren.
21
Wie der Großteil der Ekphrasen in Spensers Faerie Queene wird auch die Sage von Iason und Medea in Ovids Metamorphosen wiedergegeben.
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verschiedenen Versuchungen, die mit dem Inhalt des beschriebenen Kunstwerks korrespondieren. Der illusorische Charakter der gesamten Episode wird dadurch unterstrichen, daß Spenser mitten in der Gartenbeschreibung plötzlich die Blumen als "painted flowres" (FQ II, 12, 58) bezeichnet, um so die Künstlichkeit der Anlage erneut anzudeuten. Ebenso wird wenig später die Beschreibung eines Weinstocks verfremdet, indem scheinbar reale Trauben mit Edelsteinen verglichen und später goldene Trauben unter die richtigen gemischt werden, um endgültig deren Künstlichkeit hervorzuheben. "Whose bounches hanging downe, seemed to entice / All passers by, to tast their lushious wine, [...] Some as the Rubine, laughing sweetly red, / Some like faire Emeraudes, not yet well ripened. / And them amongst, some were of burnisht gold, / So made by art, to beautifie the rest" (FQ II, 12, 54-55). Noch verwirrender wird die Anordnung, wenn die als künstlich charakterisierten Trauben schließlich von einer Frau ausgepreßt werden. "[W]ith her right the riper fruit did reach, / Whose sappy liquor, [...] Into her cup she scruzd" (FQ II, 12, 56). Nach der Charakterisierung der Trauben als artifizielle Imitationen wird also die Illusion des Realen doch wiederhergestellt, indem die Trauben auspreßbar sind. Der gesamte umzäunte Raum des 12. Cantos zeichnet sich durch illusorische Qualitäten aus, die in der Ekphrase der Darstellung über Iason und Medea am Tor beginnen, wo bereits Abbildung und materielle Realität im wahrsten Sinne des Wortes „verschwimmen." Diese Struktur wird fortgesetzt, wenn Guyon einen Brunnen aus Kristall erblickt, dessen Darstellungen hinter einem Schleier von fließendem Wasser durchscheinen: "So pure and shiny, that the siluer flood / Through euery channell running one might see" (FQ II, 12, 60). Dieses Motiv wird in der darauffolgenden Szene wieder aufgenommen, als Guyon von badenden nackten Frauen in Versuchung geführt wird. "The whiles their snowy limbes, as through a vele, / So through the Christall waues appeared plaine" (FQ II, 12, 64). Als später eine Frau mit ihrem Liebhaber beschrieben wird, verwendet Spenser wieder das Schleiermotiv zur Charakterisierung "All in a vele of silke and siluer thin, / That hid no whit her alabaster skin, / But rather shewd more white, if more might bee: / More subtile web Arachne can not spin, / Nor the fine nets, which oft we wouen see" (FQ II, 12, 77). Spenser gibt hier eine Vielzahl von unterschwelligen Hinweisen, die diese Passage in das Umfeld der bildenden Kunst rücken und gleichzeitig den artifiziellen Charakter des Dargestellten unterstreichen. Das Netz 53
bzw. der Schleier erfüllt zwei Funktionen: einmal als bedrohliches Objekt, das - ähnlich wie Illusionen die Sinne gefangen nehmen - Personen einfängt, aber auch als netzartiger Raster, der in der Malerei für die proportionale Übertragung auf die Leinwand verwendet wird. Alberti, der diese Technik als seine Erfindung ausgibt, beschreibt den Vorgang im Zusammenhang der "circumscription": [A] veil loosely woven of fine thread [...] divided up by thicker threads into as many parallel square sections as you like, and stretched on a frame. I set this up between the eye and the object to be represented, so that the visual pyramid passes through the loose weave of the veil. (De pictura II, 3 1 ) 2 2
Albrecht Dürers Underweyssung der Messung (1525) zeigt einen Holzstich, der diese Technik illustriert und wie Spenser die erotisierende Komponente umsetzt (vgl. Abbildung 8).23 Auch Spensers Vergleich des Schleiers mit Arachne erinnert an die bekannte Ekphrase in Ovids Metamorphosen, die den Webewettstreit zwischen der Göttin Minerva und einer Sterblichen thematisert. Minerva ist über, den Sieg der Darstellungen Arachnes so erbost, daß sie das Gewebe ihrer Gegnerin zerreißt und Arachne zur Strafe in eine Spinne verwandelt. Das Zerreißen des Kunstwerks spiegelt in diesem Canto das Zerstören des Bowres am Ende des 2. Buches, da die illusorischen Repräsentationen Acrasias im umzäunten Garten ein ähnliches Schicksal ereilt wie das Bild der Arachne. Nach einer detaillierten und kunstvollen Schilderung der vielfältigen visuellen Eindrücke im Garten heißt es über deren Zerstörung: But all those pleasant bowres and Pallace braue, Guyon broke downe, with rigour pittilesse; N e ought their goodly workmanship might saue Them from the tempest of his wrathfulnesse, But that their blisse he turn'd to balefulnesse: Their groues he feld, their gardins did he deface, [...] A n d of the fairest late, now made the fowlest place. (FQ II, 12, 83)
Spensers Vorgangsweise erscheint auf den ersten Blick paradox, da er komplexen Piktorialismus zur Erzeugung des Gartens einsetzt, um dann " 13
Leon Battista Alberti, On Painting, trans. Cecil Grayson (Harmondsworth: Penguin, 1991) 65. Abbildung 109 in Harold Osborne, ed., The Oxford Companion to Art (Oxford, New York: Oxford University Press, 1970) 332.
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auf die Vergänglichkeit des Visuellen hinzuweisen. 24 Der visuelle Reichtum im Bowre of Bliss ist das beste Beispiel für die täuschende Wirkung, die das Bildliche ausüben kann. Ahnlich wie in der Tabula Cebetis kreiert Spenser im Garten der Acrasia einen labyrinthartigen Raum, der den Helden bildlichen Versuchungen aussetzt. Gemäß der neoplatonischen Philosophie darf der Held den Sinneseindrücken nicht verhaftet bleiben, sondern muß deren Vergänglichkeit und Gefahr erkennen und sich an einer außerhalb davon liegenden metaphysischen Wahrheit orientieren. Spensers ikonoklastische Grundeinstellung, die hier an die Oberfläche tritt, zieht sich durch alle Ekphrasen in The Faerie Queene, zeigt sich aber am deutlichsten in der Verwendung der Schildbeschreibung. Die Rezeption dieses epischen Topos in der englischen Renaissance beweist die Tatsache, daß George Chapman zusätzlich zu seiner Homer-Übersetzung die Schildbeschreibung des 18. Buchs der Ilias unter dem Titel Achilles Shield: Translated as the other seuen Bookes of Homer, out of his eighteenth booke of Iliades (1598) als eigenständigen Text publizierte. Chapman charakterisiert in der Widmung die Ekphrase als Nukleus des Epos: "[H]ere prefigured by our miraculous Artist [...] the universall world, which being so spatious and almost unmeasurable, one circlet of a Shield representes and imbraceth." 25 Im Gegensatz zu den klassischen Epen, die seit Homers Beschreibung des Achilles-Schildes diesen deskriptiven Raum an einem Wendepunkt der Handlung einsetzen, folgt Spenser zwar dem Topos, adaptiert ihn aber auf eigenwillige Art. Der mit Abstand wichtigste Schild in Spensers The Faerie Queene ist nicht aus "steele, nor of enduring bras," sondern "all of Diamond perfect pure and cleene" (FQ I, 7, 33) gefertigt. Dies ist der Schild Arthurs; er besitzt zusätzliche Qualitäten, die ihn gegenüber anderen epischen Schilden auszeichnen: N o magicke arts hereof had any might, N o r bloudie wordes of bold Enchaunters call, But all that was not such, as seemd in sight, 24
Für die Komplexität der bildlichen Repräsentationstechniken in The Faerie Queene vgl. John B. Bender, Spenser and Literary Pictorialism (Princeton: Princeton University Press, 1972), der zwischen focusing, framing und scanning in den Beschreibungen optischer Wahrnehmung bei Spenser unterscheidet. Leider geht Benders Analyse nicht über wahrnehmungsphysiologische Ergebnisse hinaus, indem er eine Verbindung zur bildenden Kunst herstellt.
2
> Vgl. Chapman's Homer: The Iliad - The Odyssey and The Lesser Homerica, ed. Allardyce Nicoll, vol. 1 (New York: Pantheon, 1956) 543. In dieser Widmung für Earle Marshall stellt Chapman Homers Schildbeschreibung der Vergils gegenüber, bevorzugt aber Homer als originelleren Dichter.
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Before that shield did fade, and suddeine fall: A n d when him list the raskall routes appall, Men into stones therewith he could transmew, A n d stones to dust, and dust to nought at all; A n d when him list the prouder lookes subdew, H e would them gazing blind, or turne to other hew.
(FQ I, 7, 35) Während der Großteil der epischen Schilde bzw. die Bilder darauf durch ihre illusionistische Kunstfertigkeit charakterisiert sind, besitzt Spensers darstellungsloser Schild die Macht, falsche Repräsentationen ("all that was not such, as seemd in sight") als solche zu entlarven und in Luft aufzulösen. Interessant ist hierbei, daß sich falsche Darstellungen nicht nur auf Visuelles, sondern auch auf Sprachliches ("bloudie wordes of bold Enchaunters") und damit im übertragenen Sinn auch auf täuschende Dichtung beziehen können. 26 Diese Skepsis gegenüber jeglicher Repräsentation und somit auch der verbalen zeigt sich nicht nur bei Spenser, sondern vor allem auch in der kirchlichen Ideologie. So zieht zum Beispiel Thomas Harding die Ekphrase aus Vergils erstem Buch der Aeneis als Beispiel dafür heran, "to gather courage of mind, to take good advice and order for redress and help of his great calamities, by occasion of beholding a painter's work at Carthago" (661). 27 Bischof John Jewel antwortet auf Thomas Hardings Schlußfolgerung, daß "use and profit of writing and of pictures is one" (660), mit einer generellen Absage an Dichtung und Malerei als Künste des Lügens. But the comparison that M. Harding useth between imagery and poetry seemeth nearest to express the truth. F o r painters and poets, for liberty of lying, have of long time been coupled both together [...]. A n d therefore, like as Plato commanded all poets for their lying to be banished out of his commonwealth; so likewise Almighty G o d , for like liberty, banished all painters out of Israel. (660) 26
Spensers Vorstellung von irreführender dichterischer Darstellung zeigt sich am deutlichsten im fünften Buch, wo im Palace of Mercilla ein Dichter gezeigt wird, dessen "tongue was for his trespasse vyle / Nayld to a post" (FQ V, 9, 25), da dieser falsches Lob über seine Königin verfaßt hat. Auch im ersten Buch, als der Rederosse Knight Error tötet, sieht er, wie gegen Elizabeth gerichtete schmutzige Bücher, Briefe und Pamphlete aus ihr hervorquellen. "She poured forth out of her hellish sinke / Her fruitfull cursed spawne of serpents small, / Deformed monsters, fowle, and blacke as inke" (FQ I, 1, 11).
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Die Zitate stammen aus "Of Adoration of Images" in John Jewel, The Works of John Jewel, ed. John Ayre, 4 vols. (Cambridge: Cambridge University Press, 1847) 2: 644-668. Hardings Zitate kommen ebenfalls in Jewels Text vor. Vgl. dazu Margaret Aston, England's Iconoclasts: Laws Against Images (Oxford: Clarendon Press, 1988) 40.
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Im unverzierten Schild Arthurs in The Faerie Queene scheint diese ikonoklastische Ideologie durch, ist aber als Motiv keine Erfindung Spensers, sondern geht auf mehrere Traditionen wie den antiken Medusa-Mythos bzw. Schild des Perseus, den Artussagenkreis und die italienischen epischen Dichter des 16. Jahrhunderts zurück. Bereits Ariosto modifiziert die antike epische Tradition der Schildbeschreibung, indem er diesen deskriptiven Raum, den der Schild des Helden im Epos bereitstellt, als Leerstelle einsetzt. Während die Ilias im Schild des Achill den Mikro- und Makrokosmos der homerischen Welt wiedergibt und Vergil den Schild des Äneas für eine teleologische Vision der römischen Geschichte verwendet, bleibt Atlantes Schild in Ariostos Orlando Furioso ein darstellungsloser Raum. Der Schild macht als kraftvolle Lichtquelle einer zweiten Sonne gleich alle Opponenten kampfunfähig. "It had such force that whoso it beheld, / Such shining light it striketh in their face / That downe they fall [...] / Such light was never seen with mortall eye" {OF 2,55 — 56).28 Auch Ariostos Nachfolger am Ferrarer Hof, Torquato Tasso, bringt in Gerusalemme Liberata einen „adamantenen" Schild ein, der ohne jegliches bildliches Ornament in Kontrast zum konventionellen Schild des Ritters Rinaldo mit genealogischen Darstellungen steht. Der diamantene Schild fungiert bei Tasso neben anderen Qualitäten vor allem als Spiegel, in welchem Rinaldo seine wahre Bestimmung wiederfindet. "As when from sleepe and idle dreames abraid / A man awakt, cals home his wits againe; / So in beholding his attire he plaid, / But yet to view himselfe could not sustaine" (16, 31). 29 Rinaldo erkennt im Garten der Armida, 28
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Ludovico Ariosto, Orlando Furioso, trans. Sir John Harrington (1591), ed. Robert McNulty (Oxford: Clarendon, 1972). Die moderne Ubersetzung Ludovico Ariosto, Orlando Furioso (The Frenzy of Orlando), trans. Barbara Reynolds, vol. 1 (Harmondsworth: Penguin, 1981) kommt dem italienischen Original näher: "Uncovered it [the shield], sends forth a light so sheer, / Whoever sees it, then and there must yield, / Falling to earth as a dead body falls [...] / No light to equal it has ever shone." [„ch'immantinente che lo mostra aperto, / forza e chi '1 mira abbarbagliato reste, / e cada come corpo morte cade, [...]/ e luce altra non b tanto lucente"] (OF 2, 55 — 56). Ludovico Ariosto, Orlando Furiosi>, ed. Lanfranco Caretti (Mailand, Neapel: Riccardo Ricciardi Editore, 1954). Ariosto verbindet im Atlante-Schild die episch-ekphrastische Schildbeschreibung mit dem Medusasagenkreis. Der versteinernde Blick der Medusa und das Anhalten der Handlung durch ekphrastische Beschreibung erzielen einen ähnlich negativen Effekt. Atlantes Schild soll nicht die Handlung weitertreiben wie in den Epen Homers und Vergils, sondern dient dazu, nötige Handlungen aufzuschieben, weshalb der Schild auch bald verschwindet. Es folgen noch einige weitere Ekphrasen in Cantos 26, 33, 35, und 46, die um die Este-Familie als Mäzen Ariostos kreisen. Torquato Tasso, Godfrey of Bulloigne: The Edward Fairfax's Translation of Tasso's Gerusalemme Liberata, ed. Kathleen M. Lea and T. M. Gang (Oxford: Clarendon, 1981); zitiert aus Efterpi Mitsi, "Writing Against Pictures: A Study of Ekphrasis in Epics by Homer, Virgil, Ariosto, Tasso and Spenser," diss., New York University, 1991, 186.
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der voll von sinnlichen Eindrücken die magisch-heidnische Welt symbolisiert, im Spiegelbid des Schildes seine eigentliche Aufgabe.30 Ähnlich dem Garten der Acrasia in The Faerie Queene steht der Garten in Gerusalemme Liberata wie die Ekphrasen auf der Pforte stellvertretend für die verführerische Macht illusionistischer Bilder ohne moralische Botschaft. Während Ariosto und Tasso der antiken Tradition folgend den verzierten Schilden generell wichtigere Funktionen zuweisen als den darstellungslosen Schilden, baut Spenser in The Faerie Queene das Motiv gemäß dem reformatorisch-ikonophobischen Klima des elisabethanischen Zeitalters aus. Dies kommt am deutlichsten zum Ausdruck, wenn man Arthurs Schild bei Spenser mit indirekten Vorlagen aus dem Artussagenkreis vergleicht. In The Tale of the Sank Greal wird ein Schild beschrieben, der ähnlich dem Schild bei Spenser aufgrund seiner Wirkung verhüllt getragen und nur im äußersten Notfall gezeigt wird. "[... I]n the grettist pereil he lett put awey the cloth, and than hys enemyes saw the vigoure of a man on the Crosse, wherethorow they all were discomfite."31 In diesem Schild ist magische Kraft eindeutig mit christlicher Ikonographie durch die Darstellung des Gekreuzigten verknüpft. Spenser übernimmt sozusagen nur den Rahmen des ikonographischen Raums und setzt ihn als ikonoklastisches Zeichen ein. Der Schild Arthurs wird in The Faerie Queene im Kampf gegen den Ornament und Reichtum liebenden Orgoglio eingesetzt, der stellvertretend für die nichtreformierte Kirche steht. Spenser beruft sich damit zwar auf den deskriptiven illusionistischen Raum der epischen Tradition, verwendet ihn aber als bedeutungstragende Leerstelle im Text. Diese Technik scheint sich auch in der bildenden Kunst niedergeschlagen zu haben, wie das posthum entstandene Porträt von Queen Elizabeth als Heiliger Georg im British Museum zeigt, das ebenfalls den Schild als schmucklosen Raum umsetzt (vgl. Abbildung 9). 32 Der leere Schild in einer St. Georgs Darstellung verwundert nicht, da im Georg-Mythos Elemente des Perseus-Sagenkreis eingeflossen sind, aber auch Georgs Schild mit dem des Glaubens aus Eph. 6, 16 identifiziert werden kann, über den es heißt: ,,[V]or allen Dingen ergreifet den Schild des Glaubens [scutum fidei], womit ihr alle brennenden Pfeile des Bösen löschen könnet." 30
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A. Bartlett Giamatti, The Earthly Paradise and the Renaissance Epic (Princeton: Princeton University Press, 1966) 201 charakterisiert den Garten als gefährliche Imitation des Goldenen Zeitalters. Zitiert nach Michael Leslie, "Edmund Spenser: Art and The Faerie QueeneProceedings of the British Academy 76 (1990): 76. Vgl. Abbildung 2 in Leslie (1990, 78); es ist nicht eindeutig, ob Spensers Epos als Vorbild für den schmucklosen Schild dieses Porträts gedient hat.
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Während Homers, Vergils und vor allem Tassos Schilde imagines kreieren, zerstört Spensers Waffe falsche Erscheinungen. Historiographische Genealogien, wie sie Vergil und die italienischen Epen durch Ekphrasen auf Schilden wiedergeben,33 werden in Spensers Epos durch schriftliche Quellen wie den Briton moniments und Antiquitie of Faerie lond übernommen, die Arthur und Guyon im Haus der Alma einsehen können (FQ II, I O - I I ) . In dieser spezifischen Passage finden sich auch Ekphrasen, die für Spensers Repräsentationsverständnis aufschlußreich sind. Ganz im Gegensatz zu anderen Ekphrasen, die in kunstvoller Weise als Illusionen beschrieben werden, zeichnen sich diese Bilder durch ihre Einfachheit aus. Vor dem Hintergrund mittelalterlicher Text- und Bildkonzeption ist dieser Abschnitt wichtig, da Spenser hier die Vorstellung vom Dreikammernsystem des Gehirns einfließen läßt. Guyon und Arthur gelangen im zweiten Buch in eine Festung, innerhalb deren Mauern sich das Haus der Alma befindet. Die beiden Ritter werden von Alma durch ihr Gebäude geführt, das symbolisch für den menschlichen Körper steht und als solcher beschrieben wird. Bereits der Name Alma bzw. Seele und Lehm als Baumaterial des Hauses weisen in Richtung christliches Körperverständnis. "Not built of bricke, ne yet of stone and lime, / But of thing like to that Aegyptian slime" (FQ II, 9, 21). Darauf folgt ein Rundgang durch das gesamte „Haus" bis hin zum Gehirn, das anhand von drei Zimmern erklärt wird: Therein were diuerse roomes, and diuerse stages, But three the chiefest, and of greatest powre, In which there dwelt three honorable sages, [...]. The first of them could things to come foresee: The next could of things present best aduize; The third things past could keepe in memoree. (FQ II, 9 , 4 7 - 4 9 )
Hier handelt es sich um die bereits im Mittelalter weit verbreitete Dreikammernlehre, nach der sich das menschliche Gehirn aus drei Zellen zusammensetzt: der im Stirnbereich liegenden Kammer der Imagination mit
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Der Schild des Rinaldo und die Tore Armidas stehen ganz in der Traditon der Beschreibung des Schildes des Äneas und der Tempeltore in Cumae. Gerade in Hinblick auf die Schildbeschreibung folgt Tasso Vergils Konzept des Schilds als narrativen Raum für historische Genealogien. Während Vergil die Geschichte des römischen Imperiums vom Standpunkt des Äneas aus gesehen als prophetische Vision vorausprojiziert, gibt Tasso auf dem Schild des Rinaldo (Canto 17) die Geschichte der Vorfahren des Helden bzw. die der Este in Ferrara wieder.
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anschließender Zelle des Verstandes und dem Ventrikel der Erinnerung im Hinterkopf.34 Wie sehr die klassische Ventrikellehre noch in der englischen Renaissance vertreten wurde, zeigen die Aussagen in Robert Burtons The Anatomy of Melancholy (1621) über die "Inward Senses.* Inner
senses are three in number, so called, because they be within the brain-
pan, as common
sense, phantasy,
memory.
[...] This common sense is the judge
or moderator of the rest, by whom w e discern all differences of objects [...]. Phantasy,
or imagination, [...] is an inner sense which doth more fully examine
the species perceived by common sense [...]. In Poets and Painters forcibly works [...]. Memory
imagination
lays up all the species which the senses have
brought in, and records them as a good register, that they may be forth-coming when they are called for by phantasy
and reason.
(Anatomy
part I, sect. 1, mem. 2, subs. 7 ) "
Einen zusammenfassenden Uberblick über die verschiedenen Bereiche, die nach mittelalterlichem und frühneuzeitlichen Denken für die Erzeugung geistiger imagines zuständig sind, bietet Abbildung 10 aus Fludds Ars memoriae?6 Spenser folgt in seiner Beschreibung des Hauses der Alma der traditionellen Lage der Ventrikel, wenn er über die erste Kammer sagt, "the first did in the forepart sit" (FQ II, 9, 49) und die letzte als "th'hindmost roome of three" (FQ II, 9, 54) bezeichnet. Alle drei Kammern sind in Spensers Text mit Repräsentationen unterschiedlicher Art ausgestattet. Die Zelle der Imagination oder des Phantasies, wie sie Spenser bezeichnet, "was dispainted all within, / With sundry colours, in the which were writ / Infinite shapes of things dispersed thin" (FQ II, 9, 50). Die Dinge, die sich in der Imagination finden, sind entweder "[s]ome such as in the world were neuer yit," oder "[s]ome daily seene, and knowen by their names" (FQ II, 9, 50), d. h. reine Phantasiegebilde oder Vorstellungen von real existierenden Dingen. Spenser warnt vor allem vor "idle thoughts and fantasies, / Deuices, dreames, opinions vnsound, / Shewes, visions, 34
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Zur mittelalterlichen Gehirnanatomie und ihrer literarischen Transformation vgl. Mario Klarer, "Ekphrasis, or the Archeology of Historical Theories of Representation: Medieval Brain Anatomy in Wernher der Gartenaere's Helmbrecht," Special Issue on "Ekphrasis," Word & Image 15.1 (1999): 34-40. Robert Burton, The Anatomy of Melancholy, vol. 1 (London: G. Bell and Sons, Ltd., 1926) 182. Ars memoriae in Robert Fludds Utriusque cosmi maioris scilicet et minoris, metaphysica, physica atque technica historia, Tomus secundus (Oppenheim, Aere J.-T. de Bry Typis H. galleri, 1619); Abbildung J 7 in Edwin Clarke and Kenneth Dewhurst, An Illustrated History of Brain Function (Oxford: Sandford Publications, 1972).
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sooth-sayes, and prophesies; / And all that fained is, as leasings, tales, and lies" (FQ II, 9, 51). Die Wände des zweiten Raums "[w]ere painted faire with memorable gestes, / Of famous Wisards, and with picturals / Of Magistrates, of courts, of tribunals, [...]/ All artes, all science, all Philosophy, / And all that in the world was aye thought wittily" (FQ II, 9, 53). Der Herr dieser Kammer, der durch kontinuierliches Lernen ein "wondrous sage" (FQ II, 9, 54) geworden ist, wird zum Vorbild für die zwei Ritter, "[t]hat his disciples both desir'd to bee" (FQ II, 9, 54). Die letzte Kammer mit Sitz der Erinnerung hat im Gegensatz zu mittelalterlichen Erinnerungspalästen keine bildlichen Darstellungen an den Wänden, sondern "was hangd about with rolles, / And old records from auncient times deriu'd / Some made in books, some in long parchment scrolles" (FQ II, 9, 57). Diese Kammer erinnert an die ikonoklastische Praxis in England, bildliche Darstellungen an Kirchenwänden durch Schriftzüge zu ersetzen. Betrachtet man die Entwicklung der Mnemotechnik des 16. Jahrhunderts im Kontext des Protestantismus, so zeigen sich Grundzüge, die im weitesten Sinne der Situation in Spensers Kammer der Erinnerung entsprechen. Spensers Vorstellung der Kammer der Erinnerung spiegelt die Auffassung einer „dialektischen" Erinnerungskunst des französischen Philosophen Peter Ramus (1515-1572), dessen Dialectique (1555) im späten 16. Jahrhundert von Andrew Mellville und William Temple vor allem in Cambridge populär gemacht wurde. Die Anleitung Ramus' zeichnet sich dadurch aus, daß das alte Modell des Erinnerungspalastes, das auf visueller Repräsentation von mentalen Orten und Imagines beruht, durch ein analytisches Modell ersetzt wird, in welchem zu erinnernde Sachverhalte mit Hilfe logischer Strukturen gespeichert werden. Ein Thema wird ausgehend von seinen allgemeinen Kennzeichen in immer spezifischere Elemente aufgefächert, bzw. durch den Dialog der untergeordneten Elemente zu übergeordneten Strukturen erinnert. Frances Yates faßt in The Art of Memory die Ablösung der rhetorisch dominierten Mnemotechnik durch eine an Logik orientierte Erinnerungskunst bei Ramus folgendermaßen zusammen: "[EJvery subject was to be arranged in 'dialectical order'. This order was set out in schematic form in which the 'general' or inclusive aspects of the subject came first, descending thence through a series of dichotomised classifications to the 'specials' or individual aspects."37 Dieses Erinnerungsmodell, das bewußt auf das mentale Bild als Basis verzichtet, war nach Yates dazu prädestiniert, in protestantischen 57
Frances A. Yates, The Art of Memory (Chicago: University of Chicago Press, 1966) 232.
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Ländern wie England rezipiert zu werden, da "it provided a kind of inner iconoclasm, corresponding to the outer iconoclasm" (Yates 234-235). So wie der Ikonoklasmus äußere Bildnisse zerstört, "[s]o did Ramism inwardly remove the images of the art of memory" (Yates 235). "The 'natural' stimulus for memory is now not the emotionally exciting memory image; it is the abstract order of dialectical analysis which is yet, for Ramus, 'natural', since dialectical order is natural to the mind" (Yates 234). Bei diesen ikonoklastischen Zügen, die in Ramus' Erinnerungstechnik anklingen, handelt es sich nicht um eine zufällige Überschneidung mit Anliegen protestantischer Ideologie, sondern um Ausdruck einer bilderfeindlichen religiösen Uberzeugung bei Ramus selbst, wie bilderfeindliche Bilbelzitate in De religione Christiana verdeutlichen: "Lest ye corrupt yourselves, and make you a graven image, the similitude of any figure the likeness of male or female."38 Ramus fährt fort, indem er die katholische Praxis der Bilderverehrung konform mit der protestantischen Ideologie kritisiert. Wenn auch diese Schrift Ramus' nicht von Mnemotechnik an sich handelt, spiegelt sie dennoch Aspekte seines Denkens, die in das ikonoklastische Erinnerungsmodell eingeflossen sind. Die Rezeption von Ramus im englischen Protestantismus ist sicher auch auf seinen Tod in der Bartholomäusnacht zurückzuführen, der ihm zum Status einer protestantischen Märtyrerfigur verhalf. Im protestantischen England wurde auch außerhalb der Mnemotechnik vor der mentalen Imago als potentiellem Götzenbild nicht halt gemacht, wie Passagen aus Henry Ainsworths An Arrow Against Idolatrie (1611) zeigen, deren Warnung vor "whoring with his own inventions" eine ähnliche Verbindung von Erotik und visueller Repräsentation wie Spensers Ekphrasen ansprechen. So heißt es bei Ainsworth weiter, "that idolatrie is as sweet to the corrupted conscience and mind of man, as lust and fornication, is to any wanton body" und "[e]very man naturally pleaseth himselfe, and liketh wel of his own designes; loving the fruit of his wit as the child of his body: that when he hath conceived mischief, one brought forth (an idol, that is) iniquity; it groweth up with him and rejoyceth in his own invention."39 Spenser fügt in der Kammer der Erinnerung, wo Arthur und Guyon die Briton moniments und die Antiquitie of Faerie lond finden, einen genealogisch-historischen Exkurs ein, der im traditionellen Epos im ek38
Peter Ramus, De religione Christiana (Frankfurt, 1577) 1 1 4 - 1 1 5 ; zitiert nach Yates (1966, 2
39
3^_237)-
Henry Ainsworth, An Arrow Against Idolatrie. Taken out of the quiver of the lord of Hosts (Amsterdam, 1 6 1 1 ) 4 3 - 5 1 ; zitiert aus Gilman (1986, 4 1 - 4 2 ) .
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phrastischen Raum einer Schildbeschreibung geboten wird. Es scheint, daß Spenser bewußt das schriftliche Medium dem Bildlichen vorzieht, jedoch tritt auch hier wieder die Unzulänglichkeit dieses Mediums hervor, als an zentraler Stelle des Manuskripts, die die Herkunft Arthurs enthüllen soll, eine Lücke im Text auftaucht und der Prinz über seine Abkunft in Unwissenheit bleibt. Spenser erzeugt damit einen ähnlichen Effekt wie Vergil in der Schildbeschreibung der Aeneis, w o der Held zwar die Bilder der Historie sieht, sie aber nicht entschlüsseln kann. Trotz höherer Bewertung des schriftlichen Mediums zeigt sich Spensers Scheu vor jeglicher Art der Repräsentation, sei sie nun schriftlich oder bildlich. Spenser steht in seinem Einsatz der Ekphrase im krassen Gegensatz zu katholischen Autoren, da die Verwendung des epischen Topos der Bildbeschreibung für Dichter wie Tasso kein Problem darstellt, sondern vielmehr in Einklang mit dem religionspolitischen Klima am Ferrarer Hof und dem Katholizismus allgemein steht. Der Katholizismus hat sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert als Reaktion auf den reformatorischen Ikonoklasmus verstärkt dem visuellen Element in seiner Glaubenslehre zugewandt. So wurde am Konzil von Trient die Kraft der Imagines besonders betont, da sie das Unsichtbare sichtbar zu machen im Stande sind und daher den Gläubigen in seiner Suche unterstützen.40 Das Konzil von Trient bekräftigt somit die Position, die bereits in der Antike im Konzil von Nicaea gegen byzantinische Ikonoklasten eingenommen wurde: [N]ot, however, that any divinity or virtue is believed to be in them by reason of which they are to be venerated, or that something is to be asked of them, or that trust is to be placed in images, as was done of old by the Gentiles w h o placed their hope in idols [in idolis spem suam collocabant]; but because the honor which is shown them is referred to the prototypes [prototypa] which they represent, so that by means of the images [imagines] which we kiss and before which we uncover the head and prostrate ourselves, we adore Christ and venerate the saints whose likeness they bear. 4 '
Vor diesem dogmatischen Hintergrund ist auch Tassos Übernahme und zentrale Stellung des enargeia-Konzeptes in seiner Literaturtheorie zu 40 4
Vgl. Harold B. Segel, The Baroque Poem (New York: Dutton, 1974) 63. ' Protokoll der 25. Sitzung vom 4. Dezember 1563 in Canons and Decrees of the Council of Trent: Original Text with English Translation, ed. and trans. H. J. Schroeder (St. Louis, London: B. Herder, 1941) 2 1 5 - 2 1 6 ; für die lateinischen Passagen vgl. 483-484. Die Tradition der Verteidigungsschriften gegen die Ikonoklasten geht bis ins 8. Jahrhundert zurück; vgl. St. John of Damascus, On the Divine Images: Three Apologies Against Those Who Attack the Divine Images, trans. David Anderson (Crestwood: St. Vladimir's Seminary Press, 1980).
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verstehen, das "with words so places a thing before the eyes, that one seems not to hear of it, but to see it [.. .]• This power rises from an careful diligence to describe a thing in detail."42 Tasso bezeichnet in Discorsi del poema eroico den Dichter als "maker of idols" („facitor de gli'idoli") bzw. "maker of images in the fashion of a speaking painter" („facitore de l'imagini a guisa d'un parlante pittore").43 Gerade die Schildbeschreibung in Gerusalemme liberata ist als Umsetzung Tassos eigener Theorie des christlichen Epos zu verstehen, das sich der Ekphrase zur Visualisierung bedient.44 Der Großteil der Ekphrasen im Sinne von Beschreibungen gerahmter Bilder in Spensers Faerie Queene wie das Jason-Medea Relief am Tor zum Bowre of Blisse (FQ 2, 9, 44-45), die Bildergalerie im House of Busyrane (FQ 3, 9, 29-46) sowie die Venus und Adonis Tapestry im Castle Joyeous (FQ 3 , 1 , 34-38) gehen auf Episoden aus Ovids Metamorphosen zurück. Auf diesen Umstand wurde in der Literatur schon mehrfach hingewiesen, und es wurde auch gezeigt, daß es sich in den Darstellungen, die Spenser hier beschreibt, um Bildthemen handelt, die tatsächlich in der Renaissance weite Verbreitung in Form von Wandteppichen und Geweben besaßen.45 Frederick Hard führte vor, daß in den Inventarlisten englischer Kunstsammlungen dieser Zeit alle von Spenser beschriebenen Darstellungen erwähnt werden und daher angenommen werden kann, daß Spenser unter Umständen eine existierende Galerie mit Wandteppichen als Vorbild gedient hat.46 Hat auch dieses Faktum wenig Bedeutung für das Bildverständnis Spensers, so gibt es dennoch Aufschluß über den wichtigen Stellenwert, den Ovid-Visualisationen am Ende des 16. Jahrhunderts besaßen. Abge42 43
44
45
46
Discorsi dell' artepoetica (Ferrara, 1587) 401; Übersetzung zitiert aus Mitsi (1991, 184). Torquato Tasso, Discorsi del poema eroico, Ettore Mazzali, ed., Prose (Mailand, Neapel: Riccardo Ricciardi Editore, 1959) 528; Ubersetzung aus Discourses on the Heroic Poem, trans. M. Cavalcini and I. Samuel (Oxford: Oxford University Press, 1973) 31; zitiert nach Mitsi (1991, 162). Tassos Einsatz der Ekphrase ist natürlich komplexer als diese Reduzierung auf das gegenreformatorische Bildverständnis. Dies zeigt sich besonders gut in der Beschreibung des Eingangs zu Armidas Garten (Canto 16), der als Beispiel für die verführende Kraft falscher Bilder steht. In der Schildbeschreibung des Rinaldo fallen eine Reihe von Motiven des christlichen Epos zusammen: der Schild als Waffe gegen das Heidentum im Kreuzzug, der mit seinen bildlichen Darstellungen gleichzeitig als Waffe gegen die reformatorischen Ikonoklasten eingesetzt wird. Vgl. hierzu Frederick Hard, "Spenser's 'Clothes of Arras and of Toure'," Speculum 27 (1930): 1 6 2 - 1 8 5 u n d Emile Legouis, Spenser (London, Toronto: J. M. Dent, 1926) 9 6 119. Auszüge aus diesen Arbeiten bietet vol. 3 der Variorum Edition; vgl. dazu auch Appendix VIII "Spenser's Use of the Plastic Arts" (392-399). Variorum, vol. 3 (397).
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sehen von den genannten Wandteppichen sind es vor allem Buchillustrationen zu Ovid-Textausgaben, die die Metamorphosen zu einer der wichtigsten Quellen der Renaissance-Ikonographie werden ließen. Ein extremes Beispiel für die Visualisierung von Ovid ist ein 1569 in Frankfurt publiziertes Buch mit 150 Holzschnitten von Virgil Solis, das nur zwei Zeilen des ursprünglichen Ovidtextes pro bildlicher Darstellung einfügt, um die Bilder den jeweiligen Episoden zuzuordnen.47 Es handelt sich also um einen fast zur Gänze in Bilder tranformierten Ovid-Text. Neben der ikonographischen Qualität zeichnen sich die Metamorphosen durch die bereits im Spätmittelalter einsetzende moralische Uberfrachtung aus. Die verschiedenen Episoden aus den Metamorphosen wurden gerne als moralisierende Parabeln eingesetzt, wie die Popularität des sogenannten Ovide Moralizé im 14. Jahrhundert verdeutlicht, der großen Einfluß auf Chaucer ausübte und ein gutes Beispiel für die Integration antik-weltlicher Literatur in eine christliche Weltsicht darstellt. Der Großteil der genannten Elemente, die Ovid in der Renaissance anhaften, ist in Spensers Ekphrasen eingeflossen. Wie sehr Ovid mit rhetorischer Visualisierung in Verbindung gebracht wurde, zeigt auch das Vorwort George Chapmans zu seinem mythologischen, von Neoplatonismen durchdrungenen Ouids Banquet of Sence (1595), wo „enargia" als zentrale Figur erklärt wird: That, Enargia, or cleerenes of representation, requird in absolute Poems is not the perspicuous deliuery of a lowe inuention; but high, and harty inuention exprest in most significant, and vnaffected phrase; it serues not a skilfull Painters turne, to draw the figure of a face onely to make knowne who it represents; but hee must lymn, giue luster, shaddow, and heightning; which though ignorants will esteeme spic'd, and too curious, yet such as haue the iudiciall perspectiue, will see it hath motion, spirit, and life.48
Trotz dieser Anleihen an die bildende Kunst versteht sich Chapmans Ouids Banquet of Sence als eine Satire auf sinnliche Fülle und weist im Titelbild in Form eines Emblems auf die optische Illusion hin, die einen geraden Stab im Wasser krumm erscheinen läßt. Es muß daher der Ver47
48
Johan Posthii Germershemii Tetrasticha in Ovidii Metam. Lib. xv. Quibus accesserunt Vergily Solis figurae elegantiss [...], Francofurti, 1569; vgl. dazu Hard in Variorum, vol. 3
(396)-
Ouids Banquet of Sence (London, 1595) "Introduction" (A2); Faksimile der Huntington Library. Vgl. hierzu Raymond B. Waddington, "Visual Rhetoric: Chapman and the Extended Poem," ELR 13 (1983): 3 6 - 5 7 ; Rhoda M. Ribner, "The Compasse of This Curious Frame: Chapman's Ovids Banquet of Sence and the Emblematic Tradition," Studies in the Renaissance 17 (1970): 2 3 3 - 2 5 8 und Gilman (1980, 28).
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stand zur Korrektur des Visuellen eingesetzt werden, wie das Motto des Emblems „sibi conscia recti" suggeriert (vgl. Abbildung n). 4 9 In diesem Kontext sind auch die Ekphrasen in The Faerie Queene zu verstehen, die ebenfalls den Einsatz des Verstandes in der Wahrnehmung voraussetzen. Auch die privilegierte Stellung der zweiten (Gehirn)Kammer im Hause der Alma unterstreicht Spensers Auffassung, daß Sinneseindrücke vor allem logisch analysiert werden müssen. Generell zeichnen sich Spensers Bildbeschreibungen dadurch aus, daß sie immer an Orten auftauchen, an welchen die Helden größten Versuchungen ausgesetzt sind, die wiederum meist erotischer Natur sind bzw. inhaltlich um enttäuschte Liebe angelegt sind. Damit zeigt sich ein Grundzug von Spensers Einstellung zur bildenden Kunst allgemein; er bringt visuelle Repräsentationen mit verführerischer Erotik in Verbindung. So spiegelt die Venus- und Adonis-Darstellung im Castle Joyeous, in welcher Adonis seinen Wunden erliegt, die Verwundung der Britomart im selben Buch. In beiden Fällen steht das Thema Erotik im Mittelpunkt bzw. wird auf unkontrollierte erotische Versuchung hingewiesen. In ihrer Rüstung wird Britomart von Malecaste für einen Mann gehalten und als potentielles erotisches Objekt behandelt. Britomart wehrt sich nicht genügend dagegen und wird schließlich aufgrund ihrer Unvorsichtigkeit verwundet, wobei Spensers Diktion die Verwundung des Adonis aus der Ekphrase wieder aufnimmt. Der Kontext, in welchem sich die tapestry befindet, ist durch ornamentalen Schmuck charakterisiert, der wie in den meisten anderen Fällen in Kombination mit bildlichen Darstellungen eine Warnung für den Helden oder hier die Heldin darstellt. Noch deutlicher als in der Venus und Adonis Ekphrase im Castle Joyeous kommen diese ovidianischen Mechanismen im n . Canto des dritten Buchs zum Ausdruck, in dem Britomart im sogenannten House of Busyrane Wandgehänge erblickt, die an Umfang und thematischer Vielfalt alle bisherigen Bildbeschreibungen in The Faerie Queene übertreffen. Spenser folgt hier weitgehend der Arachne-Episode in Ovids Metamorphosen, die um die Täuschungen von Frauen durch Zeus in verschiedenen Gestalten angelegt ist. Das Thema Täuschung ist also wieder in für Spenser typischer Weise mit Liebe und bildender Kunst gekoppelt. Bereits die Einleitungsstanza zum n . Canto faßt sowohl den Grundtenor dieses Abschnittes als auch die generelle Einstellung Spensers zur visuellen Kunst zusammen. 49
Titelbild von George Chapmans Ouids Banquet of Sence (London, 1595).
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O hatefull hellish Snake, what furie furst Brought thee from baleful house of Proserpine, Where in her bosome she thee long had nurst, A n d fostred vp with bitter milke of tine, Fowle Gealosie, that turnest loue diuine To ioylesse dread, and mak'st the louing hart With hatefull thoughts to languish and to pine, A n d feed it selfe with selfe-consuming smart? Of all the passions in the mind thou vilest art.
(FQ III,
i i , i)
Neben der "hellish snake," die später in der Bildbeschreibung wieder auftaucht, spricht Spenser mit "Gealosie" und "loue" Themen an, die auch die Ekphrasen mit den erotischen Abenteuern des Zeus dominieren. In den letzten vier Versen scheint Spenser auf versteckte Weise über Kunst zu reflektieren, wenn er "art" als Reim einsetzt. Es beginnt mit "hart," das sich auf "smart" reimt und endet mit "thou vilest art." Es mag vielleicht weit hergeholt erscheinen, die zweite Person singular von "to be" mit "art" im Sinne von Kunst gleichzusetzen. Da dies jedoch nicht nur die Syntax des Verses zuläßt, sondern auch der gesamte folgende Canto "vilest art" anhand der tapestries behandelt, scheint es sich hier um keinen Zufall zu handeln.50 Bereits die Erklärungen zur Materialität der Gewebe in Stanza 28 gehen in Richtung "vile art," wobei das Schlangenmotiv wieder auftaucht. Wouen with gold and silke so close and nere, That the rich metall lurked priuily, A s faining to be hid from enuious eye; Yet here, and there, and euery where vnwares It shewd it selfe, and shone vnwillingly; Like discolourd Snake, whose hidden snares Through the greene gras his long bright burnisht backe declares. (FQ III, 1 1 , 28)5 1
Die Charakterisierung des Bildlichen ist wie in anderen Ekphrasen durch reiches Material und Täuschung dominiert. Täuschung wird in Emblembüchern häufig mit Schlangenmotivik verbunden, wie z.B. in Minerva Britanna (1612) von Henry Peacham, der durch The Art of Drawing with 5
° Zusätzlich wird auch eine analoge Konstruktion in Stanza 1 1 wieder aufgegriffen: "Yet thou vile man, vile Scudamore art sound" (FQ III, 1 1 , 11). 51 Die Motivik dieser Stanza erinnert an die Charakterisierung von Enuie, in dessen Schoß eine "hateful Snake" liegt, "All in a kirtle of discolourd say / He clothed was" und der seine Zähne nach "heapes of gold" (FQ I, 4, 31) fletscht.
67
the Pen and Limning with Water Colours (London, 1606) im Zusammenhang mit Sidney Erwähnung finden wird (vgl. Abbildung 12).52 Die obige umfangreiche Bildbeschreibung Spensers hält sich in Struktur und Inhalt an die Ekphrase in der Minerva-Arachne Episode in Ovids Metamorphosen (6, 103-128). Spenser geht jedoch über Ovid als Vorlage hinaus, indem er Zeus, der bei Ovid in einer Fülle von erotischen Abenteuern Frauen täuschend gegenübertritt, als Getäuschten darstellt und Cupid als den eigentlichen Sieger krönt. "To shew Dan Cupids powre and great effort" (FQ III, 11, 46). Die Macht des Cupid wird auch weiter thematisiert, wenn in der nächsten Stanza Britomart eine Cupid-Statue auf einem Altar findet, die als "Image" (FQ III, 1 1 , 47) charakterisiert und auf der Inschrift des Sockels als "Victor of the Gods" (FQ III, 11, 49) bezeichnet wird. Von den Menschen in der Halle heißt es, daß sie "committed fowle Idolatree" (FQ III, 1 1 , 49). Auch Britomart wird in Versuchung geführt, so daß zwar "her fraile sences dazed" (FQ III, 11, 49) sind, sie sich jedoch noch rechtzeitig von diesem "image" distanzieren kann. Auch der nächste Raum, der noch schöner ist, birgt "[a] thousand monstrous formes therein [...] / For loue in thousand monstrous formes doth oft appeare" (FQ III, 11,51). Britomarts Sieg über die verführerischtäuschenden Darstellungen wird dadurch verdeutlicht, daß sie die in der flüchtigen Bilderwelt gefangene Amoret zu retten im Stande ist. Die Liebes- bzw. Cupidthematik wird im nächsten Canto in der Masque des Cupid wieder aufgegriffen. Wie Page DuBois treffend bemerkt hat, behandelt Spenser im 11. und 12. Canto des 3. Buchs verschiedene Ebenen von Repräsentation. "He [Cupid] has become more and more vividly present, moving from the static image on the tapestry to the three-dimensional statue, to a moving character in this drama."53 Die illusionistischen Repräsentationen Spensers umfassen damit zwei- und dreidimensionale Abbildungen, aber auch schauspielerische Aufführungen als analoge Mechanismen. Das Kapitel zu Shakespeares Einsatz von Ekphrasis wird diese dramatische Komponente von Repräsentation, die hier nur beiläufig erwähnt wird, ausführlich behandeln. Anstelle einer Zusammenfassung von Spensers Bild-und Eposkonzeption im Licht seiner Ekphrasen soll hier noch kurz auf sein Gedicht Muiopotmos (1590) eingegangen werden, das nicht nur parallel zu The Faerie 52
53
Henry Peacham, Minerva Britanna (London, 1612); The Huntington Library, San Marino. Page DuBois, History, Rhetorical Description and the Epic from Homer to Spenser (Cambridge: D. S. Brewer, 1982) 84.
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Queene entstanden ist, sondern auch in komprimierter Form die Anliegen des Epos widerspiegelt. So thematisiert Muiopotmos die Gefahr des schleierartigen Netzes von illusionistischen Repräsentationen innerhalb einer Adaption des Minerva-Arachne-Mythos. Dieses Gedicht wird oft als "mock-epic" bezeichnet, das bereits durch seinen Titel Muiopotmos in Richtung heroisches Epos weist, da in der griechischen Antike das Wort "potmos" zur Charakterisierung des tragischen Schicksals eines großen Helden verwendet wurde. 54 Auch der Eingangsvers " I Sing of deadly dolourous debate" (Muiop. i) - einem Echo des ersten Verses in Vergils Aeneis - steht ganz in der Tradition des antiken Epos. 55 Diese epischen Signale werden einerseits durch den geringen Umfang von 440 Versen, andererseits durch den Untertitel The Fate of a Butterflie unterminiert, womit das heldenhafte Thema ins Lächerliche gezogen wird. Dieses Scherzepos ist zweifach für die Analyse von Spensers Eposkonzeption im Kontext seines Einsatzes der Ekphrase von Bedeutung, da dieses Gedicht nicht nur das Genre des Epischen verfremdet, sondern zu diesem Zweck auch Ekphrasen einsetzt. Die Grundstruktur der ekphrastischen Beschreibungen spiegelt jene in The Faerie Queene wider, wobei die Mechanismen im Gedicht aufgrund der Kürze und der ironischen Natur des Textes direkter als im Epos an die Oberfläche treten. Das Gedicht berichtet von einem jungen Schmetterling, der in voller Pracht seiner reichverzierten Ausrüstung, die an die der großen Helden im Epos erinnert, in einen wundersamen Garten gerät. Dort fliegt er von Blume zu Blume und erfreut sich der gebotenen Schönheit. In seiner Unvorsichtigkeit gerät er aber in das Netz der Spinne Aragnoll und kommt um. Spenser baut in diese Handlung - wie auch indirekt in The Faerie Queene (III, 1 1 ) - die Ovidgeschichte über den Wettstreit zwischen Arachne und Minerva ein. Die Spinne Aragnoll wird mit Arachne gleichgesetzt, wobei Spenser in Muiopotmos von Ovids Wiedergabe des Mythos abweicht, indem er Minerva neben der Götterversammlung einen Schmetterling auf dem Gewebe abbilden läßt, wodurch Minerva als eigentliche Siegerin hervorgeht. Arachne ist darüber so von Neid geplagt, daß sie sich von selbst in eine Spinne verwandelt. Interessant ist, daß Spenser das Gewebe-Abbildungsmotiv des Arachne-Mythos wieder aufnimmt, wenn er das Netz der Spinne Aragnoll beschreibt, um den Schmetterling, der natürlich an die kunstvolle Abbildung auf dem Gewebe der Minerva erinnert, zu fangen. *4 Vgl. dazu Don Cameron Allen, Image and Meaning: Metaphoric Traditions in Renaissance Poetry (Baltimore: Johns Hopkins University Press, i960; rev. and exp. 1968) 31. 55 Alle Zitate aus Muiopotmos stammen aus vol. 8 der Variorum Edition.
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With fine small cords about it stretched wide, So finely spönne, that scarce they could be spide. N o t anie damzell, which her vaunteth most In skilfull knitting of soft silken twyne; N o r anie weauer, which his worke doth boast In dieper, in damaske, or in lyne; N o r anie skil'd in workmanship embost; N o r anie skil'd in loupes of fingring fine, Might in their diuers cunning euer dare, With this so curious networke to compare. (Muiop. 359-368) C l a r i o n , der j u g e n d l i c h e Schmetterling, der " w i t h o u t f o r e s i g h t "
{Muiop.
389) in das N e t z gerät, erfüllt eine ähnliche F u n k t i o n w i e die H e l d e n in The Faerie
Queene,
die in das N e t z d e r Illusionen geraten. So w i e der
Schleier ü b e r alle K u n s t w e r k e in Spensers E p o s gelegt ist u n d damit seine u n a c h t s a m e n O p f e r w i e in einem N e t z einfängt, so w i r d auch in potmos
Muio-
d u r c h d e n A r a c h n e - M y t h o s das bildlich-repräsentative E l e m e n t
mit dem N e t z m o t i v verknüpft. Spenser bringt w i e d e r die V e r b i n d u n g v o n bildlicher Illusion mit erotischer V e r s u c h u n g in das G e d i c h t ein, die ebenfalls t y p i s c h f ü r The rie Queene
Fae-
ist. In der Beschreibung des N e t z e s der A r a g n o l l stellt Spen-
ser einen V e r g l e i c h z u m N e t z des V u l c a n an, der, n a c h d e m er seine G a t t i n V e n u s u n d den K r i e g s g o t t Mars beim Liebesspiel ertappt u n d in einem N e t z g e f a n g e n hatte, diese so den anderen G ö t t e r n z u r Schau stellte. N e doo I thinke, that that same subtil gin, The which the Lemnian God framde craftilie, Mars sleeping with his wife to compasse in, That all the Gods with common mockerie Might laugh at them, and scorne their shamefull sin, Was like to this. This same he did applie, For to entrap the careles Clarion, That rang'd each where without suspition. (Muiop. 369-376) D i e erotische K o m p o n e n t e wird d u r c h die B l u m e n m o t i v i k des G e d i c h t e s unterstrichen, da C l a r i o n wie eine b e f r u c h t e n d e B i e n e v o n B l u m e z u B l u m e fliegt, w o b e i die verführerische Q u a l i t ä t der N a t u r im G a r t e n b e tont wird: To the gay gardins his vnstaid desire Him wholly caried, to refresh his sprighst: There lauish Nature in her best attire,
7°
Powres forth sweete odors, and alluring sights; And Arte with her contending, doth aspire T'excell the naturall, with made delights: And all that faire or pleasant may be found, In riotous excesse doth there abound.
(Mttiop. 161-168) Zusammenfassend kann man in diesem mock-epic alle jene Strategien Spensers nachzeichnen, die er in The Faerie Queene ebenfalls einsetzt, um seine Vorstellung eines reformiert-christlichen Epos zu verwirklichen. In beiden Fällen dienen bildliche Repräsentationen als Warnsignale, wobei Abbildungen generell erotische Versuchungen darstellen, die den unvorsichtigen Betrachter in ihrem Netz gefangen nehmen. Spenser benützt den traditionellen Topos der Ekphrase und setzt ihn wie Homer und Vergil in der Antike sowie Ariosto und Tasso im 16. Jahrhundert als zutiefst episches Stilmittel ein, adaptiert es aber für eine protestantisch ikonophobe Ideologie, ohne den deskriptiven Raum, den diese rhetorische Figur bereitstellt, aufzugeben. Diese Paradoxie in Spensers Eposkonzeption ist auch dafür verantwortlich, daß Spenser als einer der „malerischsten" Dichter der englischen Literaturgeschichte gehandelt wird, obwohl er sich durch eine äußerst ambivalente Einstellung zur bildenden Kunst auszeichnet. Man kann in allen ekphrastischen Passagen in Spensers Epos eine analoge ikonoklastische Grundtendenz ablesen, die bildliche Repräsentation als Warnung vor weiteren illusorischen Gefahren einsetzt. Weiters sind alle Bildbeschreibungen mit reichen und daher in der reformatorischen Dogmatik verwerflichen Materialien charakterisiert, die mit falscher sexueller Liebe gekoppelt sind. Blendung in der Liebe und Habgier sind bei Spenser direkt mit bildlicher Repräsentation in Wechselwirkung gesetzt. Spensers Ekphrasen spiegeln damit die grundlegenden Mechanismen elisabethanischen Repräsentationsverständnisses wider, das jeglicher Abbildung mit Vorbehalten gegenübertritt. War im Mittelalter eindeutig die mentale Imago über das materielle Bild gestellt, so zeichnet sich bei Spenser sogar eine Skepsis gegenüber bildlichen, geistigen Vorstellungswelten ab. Während zum Beispiel Chaucers Repräsenationsverständnis in The House of Fame beeinflußt von der mittelalterlichen Mnemotechnik bildlich orientiert war, entfernt sich Spenser interessanterweise ebenfalls im Einklang mit zeitgenössischer Erinnerungskunst von ganzheitlichen Imagines in Richtung einer analytisch, dialektischen Weltsicht ohne Bilder. Die dialektische Auffassung, die hier im Umfeld des Wort-Bild-Verständ71
nisses versteckt durchscheint, hat in der allgemeinen Wissenschaftstheorie weite Kreise gezogen. Am Ende des 16. Jahrhunderts ereignet sich eine wissenschaftstheoretische Umwälzung, in welcher ein organisch-ganzheitliches einem mechanistischen Weltbild weicht. Diese Umstrukturierung läßt sich teilweise im besprochenen ikonoklastischen Repräsentationsverständnis nachzeichnen, das auf Dialektik aufbauend von der ganzheitlichen Imago abgeht und die mechanistische Kombination isolierter Elemente als Basis annimmt. Es ist natürlich schwierig, diese Argumentationslinie generell für die englische Renaissance zu vertreten, da gerade die beliebte Emblemliteratur oder die Masques des 17. Jahrhunderts dieser Auffassung zu widersprechen scheinen. Spensers Repräsentationsverständnis entspringt, wie bereits vielfach erwähnt wurde, einem paradoxen Klima von ineinanderwirkender Ikonophilie und Ikonophobie, so daß selbst Spensers eigenes Werk wie das emblematische A Theatre for Voluptuous Worldlings (1569) nicht eindeutig zuordenbar ist und Anleihen an beide Positionen macht. Spensers Ekphrasen spiegeln somit das generelle Dilemma der Literaten in der englischen Renaissance im Umgang mit dem Visuellen, was die Autoren dennoch nicht davon abhielt, malerische Techniken zur Problematisierung von Bildlichkeit bzw. des Repräsentationsverständnisses einzusetzen. Der letzte Abschnit in The Faerie Queene mit den tapestries im Castle Joyeous, die mehr als die vorausgegangenen Ekphrasen unterschiedliche Ebenen visueller Repräsentation thematisieren, führen indirekt auf den ersten großen Ekphrasenzyklus in Sidneys The New Arcadia über, der sich ebenfalls dieses Strukturprinzips des Dimensionswechsels bedient. Während Spenser eine sehr ambivalente Stellung gegenüber der bildenden Kunst bezieht, erscheint Philip Sidneys Zugang zur Malerei um einiges positiver. Bei genauerer Analyse zeigt sich, daß Sidneys Ekphrasen ebenfalls wichtige Fragestellungen elisabethanischen Abbildungsverständnisses transportieren, wobei die dabei berührten Problemkreise in Wechselwirkung zu zentralen literaturtheoretischen Fragen seiner Zeit stehen.
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DRITTES KAPITEL
Arkadische Ekphrasis und The Art of Limning: Elisabethanische Mimesis-Theorie bei Philip Sidney und Nicholas Hilliard Der Einfluß von bildender Kunst auf Philip Sidney als den ersten großen englischen Literaturtheoretiker ist vielfältig und manifestiert sich nicht nur in seinen theoretischen und literarischen Texten, sondern ist auch aus anderen Quellen unterschiedlicher Provenienz ersichtlich.1 Z u nennen sind hier vor allem das von ihm in Auftrag gegebene Veronese-Porträt 2 1
Der Frage nach der Verwurzelung Philip Sidneys in der bildenden Kunst ist bereits Katherine Duncan-Jones in ihrer unpublizierten Dissertation "Sidney's Pictorial Imagination," diss., Oxford University, 1964 nachgegangen. Zu den wichtigsten Arbeiten neueren Datums zählt das 1. Kapitel: "Visual Art in the New Arcadia" in Norman K. Farmer, Jr., Poets and the Visual Arts in Renaissance England (Austin: University of Texas Press, 1984) 1 - 1 8 , das auch teilweise auf ekphrastische Passagen eingeht. Clark Hülse, The Rule of Art: Literature and Painting in the Renaissance (Chicago, London: University of Chicago Press, 1990) bietet in Kapitel 5: "Sidney and Hilliard" ( 1 1 5 - 1 5 6 ) Hinweise auf einige Analogien zwischen dem kunsttheoretischen Text des Malers Nicholas Hilliard und den Kunstreflexionen Sidneys. Weitere Teilaspekte der Beziehung Sidneys zur bildenden Kunst behandelt die Arbeit von S. K. Heninger, Jr., "Speaking Pictures: Sidney's Rapprochement Between Poetry and Painting," Sir Philip Sidney and the Interpretation of Renaissance Culture, ed. Gary F. Waller and Michael D. Moore (London: Croom Helm, 1984) 3 - 1 6 . Auf den Einfluß Titians auf Sidney konzentrieren sich Patrick G. Hogan, Jr., "Sidney and Titian: Painting in the Arcadia and the Defence," South Central Bulletin 27.4 (1967): 9 - 1 5 sowie Katherine Duncan-Jones, "Sidney and Titian", English Renaissance Studies Presented to Dame Helen Gardner in Honour of her Seventieth Birthday, ed. John Carey (Oxford: Oxford University Press, 1980) 1 - 1 1 .
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Sidney hatte sich während seiner Italienreise dazu entschlossen, ein Porträt durch Paolo Veronese anfertigen zu lassen. Ein Brief Sidneys an Languet aus Venedig vom 26. Februar 1574 dokumentiert seine Wahl Veroneses über Tintoretto. Vgl. John Buxton, Sir Philip Sidney and the English Renaissance (London: Macmillan, 1954) 70 und Farmer (1984, 2). Das Porträt Sidneys ist nicht erhalten, jedoch ein lateinisches ekphrastisches Gedicht von Daniel Rogers, das viele Topoi der Wort-Bild-Problematik der Renaissance einbaut. Aussagen wie: "Whose art has given your lips that keen expression?" oder "When I look at that image, so like your own nature, it looks back at me with eloquent eyes" unterstreichen die Betonung innerer Charakterzüge in der Porträtmalerei der Renaissance, die in "expression" und "eloquence" mit der Dichtung konkurrieren wollte. Die Ubersetzung dieses lateinischen Gedichts Rogers stammt aus Jan A. Van Dorsten, Poets, Painters and Professors (Leiden: Leiden University Press, 1962) 62-67; zitiert nach Farmer (1984, 108).
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und die kunsttheoretische Diskussion über die Repräsentation von Körperproportionen mit Nicholas Hilliard, dem wichtigsten englischen Porträtmaler des späten 16. Jahrhunderts.3 Den aufschlußreichsten Zugang zum Repräsentationsverständnis Sidneys im Speziellen und des späten 16. Jahrhunderts im Allgemeinen bieten die vielfältigen Rekurse auf Malerei in seinem literaturtheoretischen Traktat A Defence of Poetry sowie deren praktische Umsetzung durch Ekphrasen in seinem unvollendet gebliebenen New Arcadia. Sidneys A Defence of Poetry, das allgemein als erster Versuch einer „Poetik" im antiken Sinne für die englische Renaissance gewertet wird, ist zeitlich zwischen der ersten Fassung von Arcadia und deren Überarbeitung angesiedelt. Die Defence ist wahrscheinlich kurz nach der ersten -Ärawfcz-Fassung zwischen 1580 und 1582 entstanden und geht damit der überarbeiteten Arcadia-Version, die unter dem Titel The Countess of Pembroke's Arcadia 1590 publiziert wurde, voraus. Die Arbeiten an dieser auch als The New Arcadia bezeichneten Fassung fallen wahrscheinlich in den Zeitraum von 1582 bis 1584. 4 Die folgende Analyse geht daher davon aus, daß Sidney seine literaturtheoretischen Überlegungen aus der Defence in The New Arcadia praktisch umzusetzen versuchte. Wie gezeigt werden soll, lassen sich diese Adaptionen anhand visueller Aspekte gut nachzeichnen. In Apology for Poetry, wie dieser theoretische Text auch genannt wird, adaptiert Sidney nicht nur das antike Genre des literaturtheoretischen Essays, sondern stellt den französischen und italienischen Werken dieser theoretischen Gattung ein englisches Pendant gegenüber. Wenn auch Sidney in seiner Literaturtheorie nie direkt auf Ekphrasen oder Bildbeschreibungen eingeht, so finden sich angefangen von der Mimesis-Definition bis hin zu verschiedenen Elementen und Aufgabengebieten von Dichtung immer wieder Analogien zur Malerei, deren theoretische Konzepte sich in seinen ekphrastischen Passagen in The New Arcadia ebenfalls nachzeichnen lassen und darüber hinaus Grundzüge literarischen und bildnerischen Repräsentationsverständnisses des elisabethanischen Zeitalters spiegeln. Obwohl sich Sidney in das generelle Klima elisabethanischer Abbildungsvorstellungen einfügt, weichen seine Beweggründe von Spensers 3
4
Nicholas Hilliard berichtet in The Art of Limning (ca. 1600) über ein kunsttheoretisches Gespräch mit Philip Sidney, in welchem sie Körperproportionen und perspektivische Probleme der Malerei diskutieren. Vgl. Farmer (1984, 2-3). Es wird auf diese Unterredung noch ausführlicher im zweiten Teil dieses Kapitels eingegangen. Zur Datierung vgl. A. C. Hamilton, Sir Philip Sidney: A Study of His Life and Works (Cambridge: Cambridge University Press, 1977) 17.
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Einsatz des Visuellen stark ab. Interessanterweise weist Sidneys Mimesistheorie trotz medialer bzw. generischer Unterschiede Parallelen zu Shakespeares dramaorientiertem Umgang mit bildender Kunst auf. Während Spenser Bildlichkeit zur Umsetzung und Thematisierung einer protestantischen Ikonophobie einsetzt und damit indirekt dem latenten poetischen Wunsch nach Piktorialismus nachkommt, ist das malerische Bild in Sidneys literaturtheoretischem Konzept direkt als positives Prinzip verankert, das ohne vordergründig ikonoklastische Überfrachtung eingesetzt werden kann. Die genannten Analogien zwischen Sidney und Shakespeare beruhen, wie die Ausführungen des letzten Kapitels zeigen werden, auf der visuellen Projektion auf handelnde Personen. Generell kann man Sidneys Ekphrasen in The New Arcadia mit zwei theoretischen Texten in Verbindung setzen: einerseits finden sich, wie bereits erwähnt, Parallelen zur Defence of Poetry, andererseits zu A Treatise Concerning the Arte of Limning (ca. 1600) des elisabethanischen Miniaturmalers Nicholas Hilliard. Es lassen sich in Sidneys Literaturtheorie wie auch in der Malereitheorie von Nicholas Hilliard Elemente und Konzepte isolieren, die in den visuell dominierten Passagen und Ekphrasen von The New Arcadia in modifizierter Form auftauchen. Gerade im überarbeiteten Arcadia läßt Sidney verstärkt Piktorialismus einfließen, oder wie Norman Farmer es in seiner Buchstudie über Dichtung und Malerei der englischen Renaissance ausdrückt: "Sidney recast much of his narrative and a great deal of his description in an apparent effort to appeal more vividly to his reader's sense of specific pictorial genres: landscape, paintings on mythological themes, portraits, statuary, jewelry, emblems, and impresas" (Farmer 1984, 1). Bereits Sidneys literarische Mimesis-Theorie in A Defence of Poetry ist durch visuelle Verweise charakterisiert. Sidney weist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit hin, in der Dichtung auch nicht-existente Dinge darstellen zu können oder reale Dinge so zu repräsentieren, daß sie das „natürliche" Original an Qualität übertreffen. "Nature never set forth the earth in so rich tapestry as divers poets have done [...]. Her [nature's] world is brazen, the poets only deliver a golden" (Def 24).' Wie dieses bekannte Zitat aus der Defence verdeutlicht, ist Sidney hier in seiner literaturtheoretischen und bildlich motivierten Mimesis-Auffassung ähnlich wie in den visuellen Beschreibungen in The New Arcadia an der Kraft der menschlichen Imagination interessiert. Gerade in den visuell-deskriptiven Passagen gilt nicht 5
Philip Sidney, A Defence of Poetry, ed. Jan van Dorsten (Oxford: Oxford University Press, 1984) 24; alle weiteren Zitate aus der Defence stammen aus dieser Ausgabe.
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die realistische Repräsentation externer Phänomene als Ziel, sondern die Darstellung des Prozesses menschlicher Wahrnehmung. Schon in der frühesten Rezeption von The New Arcadia durch Sidneys Freund Fulke Greville wird diese transformierte visuelle Komponente hervorgehoben. In Life of Sir Philip Sidney charakterisiert Greville Sidney als "excellent Image-maker" bzw. als jemanden, der "barren Philosophy precepts into pregnant Images of life" verwandelt. Greville schreibt in einer Diktion, die an kunsttheoretische Traktate zur Malerei der Renaissance erinnert: "[H]is purpose was to limn out such exact pictures, of every posture in the minde."6 Wie gerade dieses letzte Zitat verdeutlicht, war es nach Grevilles Ansicht Sidneys Anliegen, "in the minde" eine getreue Abbildung zu erzeugen. Sidneys Ziel bzw. Grevilles Interpretation steht in seiner Struktur dem mittelalterlichen Wort-BildVerständnis sehr nahe, das besonders die mental transformierte Imago bevorzugt. Natürlich unterscheidet sich Sidneys Repräsentationsauffassung von der mittelalterlichen Privilegierung der immateriellen Imago, jedoch finden sich strukturelle Parallelen, da auch Sidney an der physiologischen Weiterverarbeitung von visueller Information interessiert ist. War zum Beispiel Chaucer in The House of Fame an der Veränderung der immateriellen Imagines im Gehirn orientiert, so gehen Sidneys Ziele in zwei verwandte, aber dennoch grundsätzlich verschiedene Richtungen: einerseits ist Sidney um die Darstellung psychischer oder charakterspezifischer Eigenschaften von Personen bemüht, andererseits versucht er, die physiologische Wahrnehmung visueller Phänomene sprachlich umzusetzen. Ersteres ist in der Kunsttheorie der Renaissance bzw. dem paragoneKonzept verwurzelt, wobei immer wieder argumentiert wird, daß Malerei wie Literatur im Stande ist, innere psychische Vorgänge einer Person darzustellen. Es handelt sich dabei um einen zentralen Topos in den Legitimierungsversuchen der Malerei gegenüber der Dichtung. So heißt es in Richard Haydockes englischer Ubersetzung A Trade Containing the Artes of Curious Paintinge (1598) von Paolo Giovanni Lomazzos italienischem kunsttheoretischen Text, daß "the inward affections of the minde" durch "outward and bodily Demonstration" umgesetzt werden.7
6
7
Alle obigen Zitate stammen aus Sir Fulke Greville's Life of Sir Philip Sidney, ed. Nowell Smith (Oxford: Clarendon Press, 1907) 1 4 - 1 6 ; siehe auch Farmer (1984, 2). Paolo Lomazzo, "The Second Booke of the Actions, Gestvres, Sitvation, Decorvm, Motion [...] of Pictvres," in Paolo Giovanni Lomazzo, A Trade Containing the Artes of Curious Paintinge, trans. Richard Haydocke (London, 1598; rpt. Amsterdam, New York: Da Capo Press, 1969) 4; zitiert nach Farmer (1984, 2).
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Der zweite und wichtigere Punkt, durch den sich Sidneys Piktorialismus auszeichnet, ist sein Bemühen, nicht ein Ding als solches, sondern vielmehr den Vorgang der Wahrnehmung dieses Objektes durch eine handelnde Person zu beschreiben. Bereits John B. Bender hat versucht, durch wahrnehmungsphysiologische Kategorien wie "framing," "scanning" und "focusing" auf das visuelle Verständnis in Spensers Faerie Queene hinzuweisen.8 Im Fall Sidneys scheint jedoch dieser Ansatz angebrachter als bei Spenser, da physiologische Wahrnehmungsbeschreibungen nicht nur offensichtlicher als bei Spenser auftreten, sondern sich auch stringenter in Sidneys literaturtheoretische Auffassungen einfügen. Der Einsatz dieser physiologischen Dimension in The New Arcadia soll die Leser direkt an der Wahrnehmung einer Figur der Handlung teilhaben lassen und damit den Eindruck einer arkadischen „Wirklichkeit" suggerieren, oder wie Farmer es ausdrückt: "[T]he illusions of art should not deceive the viewer (as Zeuxis deceived the birds with his pictured grapes), but should promote and sustain the viewer's sense of a genuine second nature" (Farmer 1986,4). Auf Sidneys Aussagen in der Defence umgelegt bedeutet dies, daß eine physiologisch beschreibende Wahrnehmung in The New Arcadia eingesetzt wird, um jene „goldene Welt" oder artifizielle Realität der dichterischen Imagination überzeugend vermitteln zu können. Zur Veranschaulichung dieser visuellen Technik bietet es sich an, den ersten der zwei Ekphrasenzyklen in The New Arcadia, nämlich die Beschreibungen der Bilder im "House of Kalander," im engeren Kontext zu betrachten. Zu diesem Zweck wird der Anfang des ersten Buches bis zu den Ekphrasen in der Bildergalerie im Haus des Kalander exemplarisch auf Wahrnehmungsdarstellungen hin untersucht. Zwei Schafhirten, die sich an einem griechischen Strand die Abreise der Schäferin Urania in Erinnerung rufen, erblicken im Meer die Schiffbrüchigen Musidorus und Pyrocles. Sie können jedoch nur Musidorus retten, den sie anschließend zum Haus des Kalander ins Landesinnere Arkadiens bringen. Nachdem Musidorus seine Kräfte wiedererlangt hat, führt ihn Kalander zu einem Hain, in dem sich ein rechteckiges Haus mit einer Bildergalerie befindet. Dort erblickt Musidorus das Porträt von Philoclea, das ihn besonders beeindruckt und in seinen Bann zieht. Diese eben skizzierte Handlung der Eingangspassage des ersten Buches ist, wie gezeigt werden soll, durch vielfältige Hinweise auf visuelle Wahrnehmung charakterisiert. 8
John B. Bender, Spenser and Literary Pictorialism (Princeton: Princeton University Press, 1972). Vgl. dazu das vorhergehende Kapitel über Spenser.
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Der Text beginnt mit der Wiedergabe der Abreise der Urania aus der Erinnerung der beiden Schafhirten Strephon und Claius, die sich am Ort der Verabschiedung, einem Strand an der griechischen Küste, diese Begebenheit als Rückblende wieder vor Augen führen. Die Leser erfahren dieses vergangene Ereignis sozusagen durch das innere Auge der Schafhirten. [HJither we are n o w come to pay the rent for which we are so called unto b y over-busy remembrance-remembrance, restless remembrance [...]. Well, then, remembrance commanded; we obeyed, and here we find that as our remembrance came ever clothed unto us in the f o r m of this place, so this place gives new heat to the fever of our languishing remembrance.
(Arcadia 61-62)' Nach dieser offensichtlichen Charakterisierung der Rückblende als Erinnerungsbild geht einer der beiden Schafhirten daran, die Leser durch seinen persönlichen Erinnerungspalast ("form of this place") zu führen, indem er die vergangene Handlung anhand visueller Eindrücke des Settings rekapituliert. Yonder, m y Claius, Urania lighted. T h e very horse, methought, bewailed to be so disburdened. And as for thee, p o o r Claius, when thou wentest to help her down, I saw reverence and desire so divide thee that thou didst at one instant both blush and quake.
(Arcadia 62) Die Konzeption des traditionellen Erinnerungspalastes taucht nicht nur in The New Arcadia auf, sondern wird auch in der Defence of Poetry ausführlich dargelegt, wobei Sidney eine enge Verbindung zwischen Lyrik und Erinnerung herstellt. Da in gereimter Lyrik jedem Wort wie in einem klassischen Erinnerungspalast ein fester locus oder Ort zugewiesen ist, kann die Gesamtheit des Textes leichter als in der Prosa im Gedächtnis gespeichert werden. [T]hus much is undoubtedly true, that if reading be foolish without remembering, m e m o r y being the only treasure o f knowledge, those words which are fittest f o r m e m o r y are likewise most convenient for knowledge. N o w , that verse far exceedeth prose in the knitting up o f memory, the reason is manifest: the words (besides their delight, which hath a great affinity to memory) being so set as one cannot be lost but the whole w o r k fails [ . . . ] every word having his natural seat, which seat must needs make the word remembered.
(Def. 5 0 - j 1) 9
Alle Zitate aus The New Arcadia stammen aus Philip Sidney, The Countess of Arcadia, ed. Maurice Evans (Harmondsworth: Penguin, 1977).
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Pembroke's
An anderer Stelle in der Defence stellt Sidney fest, daß nicht nur Lyrik bzw. Reim das Erinnerungsvermögen stärkt, sondern auch literarische Bilder, womit seine Repräsentationstechnik in einem von Prosa dominierten Genre wie Arcadia legitimiert wird. For as the image of each action stirreth and instructeth the mind, so the lofty image of such worthies most inflameth the mind with desire to be worthy, and informs with counsel how to be worthy. Only let Aeneas be worn in the tablet of your memory.
(.Def. 47) Für Sidney hat Lesen Erinnerung als Ziel, die in der Prosa notgedrungen nicht durch Reim und Wortstellung, sondern durch Piktorialismus erreicht werden kann, der die Leser an einem Erinnerungspalast teilhaben läßt. Es ist sicher kein Zufall, daß Sidney am Beginn seines gattungstheoretisch innovativen Prosatextes Arcadia sowohl über Piktorialismus als auch Erinnerung reflektiert. Indirekt berührt er damit Fragen nach der Wertigkeit von Prosa und Lyrik, wie auch ein weiteres Zitat aus der Defence unterstreicht. [L]et but most of the verses be put in prose, and then ask the meaning, and it will be found that one verse did but beget another, without ordering at the first what should be at the last; which becomes a confused mass of words, with a tingling sound of rhyme, barely accompanied with reason.
cDef. 64-65)
Die Eingangsszene von The New Arcadia setzt Erinnerungsbilder und physiologische Wahrnehmung nicht nur als Selbstzweck eines literarischen Piktorialismus ein, sondern verwendet diese auch indirekt zur generischen Thematisierung der Prosaform des nachfolgenden Textes. Sidneys Prosagenre versteht sich damit nicht als reimlose Lyrik, sondern kreiert physiologisch suggerierte Imagines, die trotz Prosaform aufgrund ihrer Bildlichkeit in die Erinnerung Eingang finden sollen. Die gesamte Eingangspassage ist weiters durch vielfältige Verweise auf Augen, Sehen und Gesichtsausdrücke charakterisiert. So heißt es am Beginn des Buches über einen der Schafhirten: "[W]here viewing the place with a heavy kind of delight, and sometimes casting his eyes to the isleward [...] and setting first down in his darkened countenance a doleful copy of what he would speak" (Arcadia 61). Damit werden Leser zu Augenzeugen, denen nicht nur verbale Information übermittelt, sondern auch die Möglichkeit geboten wird, am Visuellen direkt teilzuhaben. In der Folge findet sich eine Fülle von Hinweisen auf Augen wie in "some delighting their eyes with seeing them," "where we last [...] did graze our eyes upon her" (Arca79
dia 61), "whence you may see to the island" {Arcadia 62), "that our poor eyes were so enriched as to behold," "no more all that our eyes can see of her (though when they have seen her, what else they shall ever see is but dry stubble after clover-grass)" oder "looking upon his own face, too glorious for our weak eyes" (alle Arcadia 63). Die Betonung der Wahrnehmung, wie sie die eklektisch ausgewählten Beispiele der ersten Seiten illustrieren, stellt ein Leitmotiv von The New Arcadia dar. Auch in der Rückblende der Erinnerung steht Wahrnehmung im Zentrum, wobei es sich hierbei um eine Uberlagerung von zwei Wahrnehmungen handelt; die Wiedergabe jenes Sehvorgangs in der Vergangenheit wird mit den sensorischen Reizen des gegenwärtigen Settings vermischt, das den Schäfern als Erinnerungspalast dient. "What doubt is there, but that the sight of this place doth call our thoughts to appear at the court of affection, held by that racking steward of remembrance?" (Arcadia 62). Diese doppelte Qualität des visuell Wahrnehmbaren, in welchem sich inneres und äußeres Auge gegenseitig bedingen, wird schließlich durch einen neuen visuellen Stimulus der arkadischen Gegenwart abrupt unterbrochen. H e [Claius] was going on with his praises, but Strephon bade him stay and look:
and so they both perceived
a thing which floated, drawing nearer and
nearer to the bank [...]. They doubted
a while what it should be till it was cast
up even hard before them, at which time they fully saw that it was a man. (Arcadia
64; meine Hervorhebungen)
Dieses Zitat steht stellvertretend für eine Reihe von Wiedergaben visueller Ereignisse in The New Arcadia, die versuchen, physiologische Wahrnehmung nachzuempfinden und so Lesern den Eindruck von Involviert heit zu vermitteln und zugleich den Wirklichkeitscharakter des Dargestellten zu unterstreichen.10 Ein noch eindrucksvolleres Beispiel dieser Strategie Sidneys findet sich eine Seite weiter, als die Sichtung des zweiten Schiffbrüchigen aus dem Blickwinkel der Schäfer wiedergegeben wird. [S]ome way into the sea they might discern,
as it were, a stain of the water's
colour, and by times some sparks and smoke mounting thereout. But the 10
Sidney verwendet die Szene eines Schiffbruchs ebenfalls in der Defence, um die mangelhafte Befolgung der drei Einheiten in den zeitgenössischen Dramen zu beklagen. " N o w you shall have three ladies walk to gather flowers: and then we must believe the stage to be a garden. By and by we hear news of shipwreck in the same place: and then we are to blame if we accept it not for a rock" ( D e f . 65). In The New Arcadia versucht Sidney, diese Einheiten innerhalb der einzelnen Szenen zu befolgen. So kann durch eine physiologisch suggerierende Wahrnehmung des Settings immer auch dessen realistische Topographie aufrecht erhalten werden.. 80
young man no sooner saw it but that beating his breast he cried that there was the beginning of his ruin [...]; telling how that smoke was but a small relique of a great fire which had driven both him and his friend rather to commit themselves to the cold mercy of the sea [...]. They steered therefore as near thither-ward as they could, but when they came so near as their eyes were full masters of the object, they saw a sight full of piteous strangeness: a ship, or rather the carcase of the ship, or rather some few bones of the carcase hulling there, part broken, part burned, part drowned. (Arcadia 6 j - 6 6 ; meine Hervorhebungen)
Die Leser verfolgen gleichsam den Blick der Figuren und nehmen das Geschehen aus der Perspektive der Figuren wahr. In cinematographischer Terminologie ausgedrückt zoomt Sidney das Objekt näher und näher heran, wobei ausgehend von einem Farbtupfer in der weiten Entfernung ein immer deutlicheres Bild dieses visuellen Stimulus gewonnen wird und gleichzeitig die kognitive Verarbeitung der visuellen Eindrücke als sinkendes Schiff in ihrer zeitlichen Abfolge kombiniert werden. Nach dem Erkennen des Wracks als Ganzheit wird dieses Objekt in weitere visuelle Aspekte zerlegt. Die Abfahrt vom Wrack und das Zurücklassen des Schiffbrüchigen Pyrocles werden ebenfalls mit dieser visuellen Technik vermittelt: [S]o that he had nothing wherewith to accompany Pyrocles but his eyes [...]. Therefore praying for him, and casting a long look that way, he saw the galley leave the pursuit of them and turn to take up the spoils of the other wreck. And lastly he might well see them lift up the young man. (Arcadia 6j; meine Hervorhebungen)
Auch an anderer Stelle wird auf Wahrnehmung wie hier auf die äußerlich sichtbaren Gefühlszustände des Musidorus direkt hingewiesen. "Musidorus only bearing in his countenance evident marks of a sorrowful mind supported with a weak body; which they perceiving [...]" (Arcadia 67; meine Hervorhebungen). Die Reaktionen des Musidorus werden ebenfalls aus physiologischer Warte geschildert: "Which speeches, though they had not a lively entrance to his senses shut up in sorrow, yet like one half asleep he took hold of much of the matters spoken unto him [...]" (Arcadia 69; meine Hervorhebungen). Wie dieses Beispiel zeigt, wendet Sidney diese Technik nicht nur auf den Sehsinn, sondern auf allgemeine also auch akustische Wahrnehmung an, wobei das Visuelle grundsätzlich eine privilegierte Stellung einnimmt. Mit dieser Erzähltechnik versucht Sidney nicht eine mimetische Abbildung dessen, was scheinbar vorgeht, sondern eine wirklichkeitsnahe 81
Repräsentation des Prozesses der visuellen Wahrnehmung. Zwar werden in beiden möglichen Darstellungsformen ähnliche Ziele angestrebt nämlich die Suggerierung einer real erscheinenden Welt des Textes jedoch reflektiert die Betonung des Wahrnehmungsprozesses einen grundlegenden Zug der spezifischen Mimesis-Konzeption Sidneys. Neben wahrnehmungsphysiologischen Aspekten finden sich im ersten Buch noch weitere visuelle Strategien von Sidneys Mimesis-Auffassung, die in den ekphrastischen Bildbeschreibungen ihren Höhepunkt finden. Bevor die Leser mit den zweidimensionalen Bildern der Galerie konfrontiert werden, reduziert Sidney graduell die plastische Wahrnehmung Arkadiens. Diese Vorgangsweise beginnt bereits in der Darstellung des Weges von der Küste zum Hause des Kalander, wenn Sidney versucht, dreidimensionale Landschaft so zu entdimensionieren, daß man sich mit einem Landschaftsgemälde konfrontiert glaubt, obwohl Sidney eigentlich kein Kunstwerk, sondern vordergründig topographische Formationen beschreibt. There were hills which garnished their proud heights with stately trees; humble valleys whose base estate seemed comforted with refreshing of silver rivers; meadows enamelled with all sorts of eye-pleasing flowers; thickets, which, being lined with most pleasant shade, were witnessed so to by the cheerful disposition of many well-tuned birds; each pasture stored with sheep feeding with sober security, while the pretty lambs with bleating oratory craved the dams' comfort; here a shepherd's boy piping as though he should never be old; there a young shepherdess knitting and withal singing, and it seemed that her voice comforted her hands to work [...]. A s for the houses of the country - for many houses came under their eye - they were all scattered, no two being one by the other, and yet not so far off as that it barred mutual succour: a show, as it were, of an accompanable solitariness and of a civil wildness. {Arcadia
69-70)
Wieder wendet Sidney wie in der vorhergehenden Passage eine analoge Technik an, indem er von einem weiten Blickwinkel immer detailliertere Aspekte innerhalb dieses Rahmens fokussiert. Diese Vorgangsweise erinnert an Landschaftsmalerei, die zwar am Ende des 16. Jahrhunderts als eigenständiges Genre noch keinen festverankerten Status besitzt, jedoch wie hier in dieser Landschaftsbeschreibung als Teil eines andersgearteten Bildganzen eingesetzt wird. 11 So charakterisiert zum Beispiel Henry 11
Max J. Friedländer, Essays Uber die Landschaftsmalerei und andere Bildgattungen (The Hague: A. A. M. Stols, 1947) und E. H. Gombrich, „Die Kunsttheorie der Renaissance und die Entstehung der Landschaftsmalerei," Die Kunst der Renaissance I: Norm und Form, trans. Lisbeth Gombrich (Stuttgart: Klett-Cotta, 1985) 1 4 0 - 1 5 7 . 82
Peacham in seinem The Art of Drawing (1606) Landschaftsmalerei als etwas, das selten "drawn by itself, but in respect & for the sake of something else" auftritt. "Wherefore it falleth out among those thing[s] which we call parerga, which are additions or adjuncts rather of ornaments."12 Die wenigen Beispiele von Landschaftsmalerei dieser Zeit zeichnen sich durch eben jene Qualität aus. Landschaft tritt, auch wenn sie sozusagen quantitativ dominiert, inhaltlich gegenüber einer Figur im wahrsten Sinne in den Hintergrund. Man kann wahllos jene Bilder herausgreifen, die heute als Landschaftsbilder kategorisiert werden, um diese von Peacham angesprochene Struktur zu illustrieren.13 Bereits in dieser obigen Landschaftsbeschreibung Sidneys, die an das im Entstehen begriffene Genre des Landschaftsgemäldes erinnert, finden sich neben diesen strukturellen Gesichtspunkten noch weitere Hinweise auf den bildlichen Charakter des Beschriebenen, wenn es über den Hirtenjungen heißt: "as though he should never be old" (Arcadia 8). Diese Aussage stellt eine direkte Verbindung zur Malerei her, die Menschen als ewig gleichbleibend darzustellen im Stande ist. Man ist unweigerlich an John Keats' Darstellung eines musizierenden Jünglings im ekphrastischen Gedicht "Ode on a Grecian Urn" (1820) erinnert: "And happy melodist, unwearied, / For ever piping songs for ever new /[...] For ever painting, and for ever young" (23-27). Sidney gelingt es mit diesem Zusatz der Aufhebung der Zeit, die Bildlichkeit der Szene oder "show," wie er sie bezeichnet, hervorzuheben. In eine ähnliche Richtung geht auch die Bezeichnung "civil wildness," die den künstlichen Charakter der Szene ebenfalls betont. Gerade dieser Zug, dargestellte Dinge zwischen Natur und Kunst oszillieren zu lassen, zeichnet die eigentliche Rahmenhandlung zur Beschreibung der Bilder im Haus des Kalander aus.14 Uber den Garten, in welchem sich die Galerie befindet, heißt es: 12
13
14
Henry Peacham, The Art of Drawing with the Pen and Limning with Water Colours (London, 1606) 28-29; Zitiert nach Farmer (1986, 6). Betrachtet man das bekannte Beispiel Landscape with the Fall of Icarus (ca. 1558) von Pieter Bruegel, so dominiert zwar die Landschaft, die jedoch unter dem Prätext einer historia oder Handlung wie hier dem Fall des Ikarus steht. Einen unkonventionellen Zugang zu diesem Bild Bruegels wählt Christopher Braider in Kapitel 3: "Landscape with the Fall of Icarus: The Death of Allegory and the Discovery of the World in the Elder Pieter Bruegel," Refiguring the Real: Picture and Modernity in Word and Image, 14001700 (Princeton: Princeton University Press, 1993) 7 1 - 9 9 , indem er in anachronistischer Weise seine Argumente auf William Carlos Williams ekphrastischen Gedichten zu Bruegel-Bildern aufbaut. Bereits in der Beschreibung des Hauses wird erneut auf die dominierende physiologische Komponente hingewiesen: "They [...] brought him to the house; about which they might
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[ T ] h e y w e r e s u d d e n l y stept i n t o a d e l i c a t e g r e e n ; o f e a c h side o f t h e g r e e n a thicket, and b e h i n d the thickets again n e w beds of f l o w e r s , w h i c h being u n d e r t h e trees, the t r e e s w e r e t o t h e m a p a v i l i o n a n d t h e y t o t h e trees a m o s a i c a l floor,
so
t h a t it s e e m e d
that A r t
therein w o u l d
needs
be d e l i g h t f u l ,
by
c o u n t e r f e i t i n g his e n e m y E r r o r a n d m a k i n g o r d e r i n c o n f u s i o n . {Arcadia D i e N a t u r des G a r t e n s erhält einen z u n e h m e n d
künstlichen
73)
Charakter,
w o b e i vorerst die Vegetation mit architektonischen K o n s t r u k t i o n e n verglic h e n w i r d . 1 5 D i e s e Passage erinnert stark an Achilles Tatius' E k p h r a s e B e g i n n d e s e r s t e n B u c h e s v o n Leucippe
und
Clitophon,
einem der
am
wich-
tigen hellenistischen Proto-Romane. I m R a h m e n der Bildbeschreibung des Raubs
der Europa
in der Eingangsszene z u A c h i l l e s Tatius' Text findet sich
e i n e ä h n l i c h e L a n d s c h a f t s b e s c h r e i b u n g w i e i n The
New
Arcadia.
T h e m e a d o w w a s t h i c k w i t h all k i n d s o f f l o w e r s , a n d a m o n g t h e m w a s p l a n t e d a t h i c k e t o f t r e e s a n d s h r u b s , t h e trees g r o w i n g s o c l o s e t h a t t h e i r f o l i a g e t o u ched: and the branches, intertwining their leaves, thus made a kind of c o n t i n u o u s r o o f o v e r t h e f l o w e r s b e n e a t h . T h e artist h a d a l s o r e p r e s e n t e d t h e s h a d o w s t h r o w n b y t h e leaves, and t h e s u n w a s g e n t l y b r e a k i n g t h r o u g h , h e r e a n d
see (with fit consideration both of the air, the prospect, and the nature of the ground) all such necessary additions to a great house [...]; all more lasting than beautiful, but that the consideration of the exceeding lastingness made the eye believe it was exceeding beautiful" (Arcadia 71). 1'
Diese Technik, Natur als architektonisches Element oder Kunstwerk zu schildern, findet sich auch in einer der wenigen Hinweise auf bildende Kunst in John Miltons Paradise Lost (1667). Milton beschreibt hier den Boden der paradiesischen Wohnung Adams und Evas, wobei G o t t als „Macher" hervorgehoben wird: "[TJheir blissful bower [...] was a place / Chos'n by the sovran Planter, when he framed / A l l things to man's delightful use; the roof / O f thickest covert was inwoven shade / Laurel and myrtle, and what higher grew / [ . . . ] Fenced up the verdant wall; each beauteous flow'r, / Iris all hues, roses, and jessamine / Reared high their flourished heads between, and wrought / Mosaic; underfoot the violet, / Crocus, and hyacinth with rich inlay / Broidered the ground, more colored than with stone / O f costliest emblem [...]." (PL IV 690-703) John Milton, Paradise Lost, ed. Scott Elledge ( N e w York, London: Norton, 1975). Die Position Gottes ähnelt der des Künstlers in Sidneys Defence, der ebenfalls mit den Elementen der N a t u r arbeitet, um eine goldene Welt bzw. ein Paradies zu kreieren. A u f diese Passage in Paradise Lost macht auch Roland Mushat Frye, Milton's Imagery and the Visual Arts: Iconographic Tradition in the Epic Poems (Princeton: Princeton University Press, 1978) 3 5 - 3 6 aufmerksam. Frye kann im Fall Miltons notgedrungen nicht auf E k phrasen oder vordergründige Kunstwerksbeschreibungen zurückgreifen, da Miltons puritanischer Ikonoklasmus keine gerahmten Artefakte im Werk zuläßt. Die Analyse Fryes beschränkt sich daher auf das Milton zugängliche ikonographische Vokabular, das in vielfältigen Szenen und Charakterdarstellungen seiner Texte einfloß, welche aber nicht direkt als Kunstwerke ausgewiesen sind. D e r oben genannte Mosaikboden im 4. Buch ist eine der wenigen Ausnahmen, die bildende Kunst nur in indirekter Weise legitimiert, wenn sie von G o t t geschaffen ist.
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there, on to the meadow, where the painter had represented openings in the thick roof of foliage. The meadow was surrounded on all sides by an enclosure, and lay wholly within the embowering roof; beneath the shrubs grass-beds of flowers grew orderly [...]. 1 6
Sidney geht in der Beschreibung des Gartens noch einen Schritt weiter, indem er einige Zeilen später die ohnehin schon artifiziell anmutende Wirklichkeit nochmals als Spiegelbild auf einer Wasseroberfläche darstellt. "In the midst of all the place was a fair pond whose shaking crystal was a perfect mirror to all the other beauties, so that it bare show of two gardens; one in deed, the other in shadows" (Arcadia 73). Auch das Motiv der Spiegelung des Gartens findet sich bereits in Achilles Tatius' Beschreibung des Hains der Clitophon. "In the midst of all these flowers bubbled up a spring, the waters of which were confined in a square artificial basin; the water served as a mirror for the flowers, giving the impression of a double grove, one real and the other a reflexion" (Achilles Tatius 1, 15). Während die erste obige Landschaftsbeschreibung des Achilles Tatius Teil der ekphrastischen Beschreibung des Raub der Europa-R\\&es darstellt, handelt es sich bei der Spiegelung um eine reine Naturschilderung. Bemerkenswert an diesen zwei Zitaten von Achilles Tatius ist, daß sich beide Landschaftsbeschreibungen in ihrer Diktion ähneln und teilweise fast wörtlich übereinstimmen. Diese Tatsache verstärkt den symbolisch-allegorischen Charakter der Ekphrasen in den hellenistischen Proto-Romanen, die meist am Beginn des Textes plaziert Aspekte der nachfolgenden Handlung gebündelt vorwegnehmen. In diesem konkreten Fall spiegelt der Hain der Clitophon das Landschaftsbild der EingangsEkphrase des Europa-Bildes. Sidney bezieht sich offensichtlich auf diese Ekphrasen aus Achilles Tatius, adaptiert sie jedoch auf eigenwillige Art und Weise, indem er sie nicht direkt als Bildbeschreibung einsetzt, sondern als Rahmen für seine folgenden Ekphrasen der Bilder in der Galerie des Kalander.17 16 17
Achilles Tatius, trans. S. Gaselee (Cambridge: Harvard University Press, 1984) 1, 1. Man kann noch weiter gehen und die eigenwillige Passage der Beschreibung des Schiffbrüchigen Pyrocles am Beginn von The New Arcadia mit der bildlichen Darstellung der Europa auf dem Stier in der Ekphrase des Achilles Tatius vergleichen. Es heißt über Pyrocles: "[U]pon the mast they saw a young man - at least if he were a man - bearing show of about eighteen years of age, who sat - as on horse back, having nothing upon him but his shirt [...]. His hair [...] was stirred up and down with the wind, which seemed to have a sport to play with it as the sea had to kiss his feet; himself full of admirable beauty, set forth by the strangeness both of his seat and gesture. For holding his head up full of unmoved majesty, he held a sword aloft with his fair arm [...] as though he would threaten the world in that extremity" (Arcadia 66). In der Ekphrase sagt Achilles Tatius über Europa auf dem Stier im Wasser: "Her hands were held widely apart, the one to the
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Nach der Spiegelung von Wirklichkeit im See, wodurch bereits künstlerische Repräsentation angedeutet wird, beschreibt Sidney im nächsten Satz eine Statue, die ebenfalls eine Zwitterstellung zwischen Natur und Kunstwerk einnimmt. "[A] naked Venus of white marble, wherein the graver had used such cunning, that the natural blue veins of the marble were framed in fit places to set forth the beautiful veins of her body" (Arcadia 74). Diese ekphrastische Beschreibung einer Venusstatue, die wahrscheinlich eine antike Ekphrase des Callistratus zum Vorbild hat, spiegelt trotz ihrer Kürze eine Reihe von zentralen Konzepten der Repräsentationstheorie Sidneys. 18 So sagt er in A Defence of Poetry über das Verhältnis von Natur und Kunst: There is no art delivered to mankind that hath not the works of nature for his principal object, without which they could not consist, and on which they so depend, as they become actors and players, as it were, of what nature will have set forth. (.Def. 2 3 )
Wenig später thematisiert er die Natur-Kunst-Problematik: "[S]o as he [the poet] goeth hand in hand with nature, not enclosed within the narrow warrant of her gifts, but freely ranging only within the zodiac of his own wit" (Def. 23-24). Der Dichter steht also in Wechselwirkung mit der Natur, indem das Kunstwerk wie die Adern der Statue im Hain des Kalander „natürliche" Züge des Steins aufweist, aber dennoch als Ganzes eine artifizielle "second nature" ( D e f . 24) darstellt. "And that the poet hath that idea is manifest [...]. Which delivering forth also is not wholly imaginative, as we are wont to say by them that build castles in the air" ( D e f . 24). Wie dieses Zitat verdeutlicht, geht es Sidney nicht um die Abbildung von Natur, sondern um jene "idea or fore-conceit of the work" ( D e f . 24), die im Kunstwerk durch Elemente aus der Natur umgesetzt wird. Gleich nach der Venus-Statue in The New Arcadia als dreidimensionalem Artefakt werden die zweidimensionalen Kunstwerke in der Bildergalerie beschrieben.
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bull's horn, the other to his tail; and with both she held above her head the ends of her veil [...]. Thus she was seated on the bull like a vessel under way" (Achilles Tatius i, i). Callistratus beschreibt in den Descriptions, die neben den Kunstwerksbeschreibungen der beiden Philostrate die umfangreichste ekphrastische Quelle der Spätantike darstellt, die Statue eines Inders, die sich durch eine ähnliche Wechselwirkung von Natur und Kunst auszeichnet wie Sidneys Venus-Statue: " B y a spring stood an Indian [...]. The Indian was of a marble verging on black and shifting of its own accord to the colour given by nature to his race [...]. The eyes, however, were not of a colour to match the marble; for whiteness encircled the pupils of the eyes, since the marble changed to whiteness at that point where
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Hard by was a house of pleasure built for a summer-retiring place; whither Kalander leading him, he found a square room full of delightful pictures made by the most excellent workmen of Greece. There was Diana when Actaeon saw her bathing, in whose cheeks the painter had set such a colour as was mixed between shame and disdain; and one of her foolish nymphs, w h o weeping, and withal louering, one might see the workman meant to set forth tears of anger. In another table was Atalanta, the posture of whose limbs was so lively expressed, that if the eyes were the only judges, as they be the only seers, one would have sworn the very picture had run.
(Arcadia 74) Die grundlegende Richtung, in welche Sidneys Strategie abzielt, wird nun im Vergleich der eigentlichen ekphrastischen Bildbeschreibung mit den vorhergegangenen visuell dominierten Landschaftsschilderungen klar. Die „realen" lebendigen Landschaften Arcadias wurden so präsentiert, daß sie den Charakter eines statischen Kunstwerks vermitteln. Die statischen Kunstwerke hingegen zeichnen sich dadurch aus, daß sie „natürlich-belebte" Züge annehmen. Im letzten Beispiel wird dies besonders deutlich, wenn Sidney mit Verweis auf die bereits vielfach angewandte Wahrnehmungsphysiologie den bewegten Eindruck des statischen Bildes hervorhebt. Während der Schäferjunge in der ersten, nicht als Bild bezeichneten „Landschaftsdarstellung" wie eine Abbildung statisch gleich bleibt, scheint sich nun die abgebildete Atalante in einem statischen Bild lebendig zu bewegen. Beide Strategien zielen auf Sidneys Konzept der „goldenen Welt" der Literatur ab, in welcher real existierende Wirklichkeit verbessert bzw. eine nichtexistente Welt kreiert wird.19 Bis hierher läßt sich Sidneys Vorgangsweise mit den Motiven des paragone in Einklang bringen, wobei Sidney in Murray Kriegers Terminologie zum ekphrastischen Diskurs einerseits Bewegung einfriert und andererseits Stasis bewegt.20 Sidney arbeitet in der Eingangssequenz von The New Arcadia mit genau jenen Parametern, die ekphrastischen Diskurs so verlockend machen, indem er zeitlicher Bewegung räumliche Stasis
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the natural colour of the Indian becomes white." Philostratus, Imagines; Callistratus, Descriptions, trans. Arthur Fairbanks (Cambridge: Harvard University Press, 1969) 389. Dieses Konzept der Bewegung des Statischen in der Literatur findet sich auch in Sidneys Defence, wenn er über die Kraft der Dichter spricht, die im Stande sind, Steine zu bewegen. "So, as Amphion was said to move stones with his poetry to build Thebes, and Orpheus to be listened to by beasts - indeed stony and beastly people - so among the Romans were Livius Andronicus and Ennius" (Def. 19). Murray Krieger, "Ekphrasis and the Still Movement of Poetry; or Laokoön Revisited," The Poet as Critic, ed. Frederick P. W. McDowell (Evanston: Northwestern University Press, 1967) 3-26.
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auferlegt und umgekehrt Räumlichkeit mit Temporalität zur Bewegung verhilft. Er nimmt sich dazu der Topik des paragone an, indem er neben physiologischer Wahrnehmungsdarstellung ständig versteckte intertextuelle Verweise auf Bildbeschreibungen macht und schließlich selbst auf offensichtliche Weise eine Ekphrase einbaut. Wie viele klassische Ekphrasen in längeren narrativen Texten nehmen auch hier in Arcadia die Hinweise auf mythologische Themen oder Figuren spätere Ereignisse in komprimierter Form vorweg. So spiegelt das Bild der Omphale-Geschichte das "cross-dressing" des Pyrocles als Amazone Zelmane. 21 Das Bild von Diana und Actaeon nimmt thematisch Pyrocles heimliches Beobachten von Pamela und Philoclea beim Bad im elften Kapitel des zweiten Buches vorweg. Das Gemälde mit dem von vornherein dirigierten Rennen zwischen Atalante und Hippomenes hat Parallelen zum inszenierten Wettkampf des Phalantus. Während die oben genannten Bilder ausschließlich mythologische Themen zum Inhalt haben, handelt es sich beim letzten um ein Porträt einer „realen" Person des Textes. Besides many more, as of Helena, Omphale, Iole: but in none of them all beauty seemed to speak so much as in a large table which contained a comely old man, with a lady of middle-age but of excellent beauty; and more excellent would have been deemed, but that there stood between them a young maid whose wonderfulness took away all beauty f r o m her but that which it might seem she gave her back again by her very shadow. And such difference (being known that it did indeed counterfeit a person living) was there between her and all the other (though goddesses) that it seemed the skill of the painter bestowed on the other new beauty, but that the beauty of her bestowed new skill of the painter. [.,.H]e [Musiodorus] could not choose but ask who she was that, bearing show of one being in deed, could with natural gifts go beyond the reach of invention. Kalander answered that it was made by Philoclea, the younger daughter of his prince who also with his wife were contained in that table, the painter meaning to represent the present condition of the young lady, who stood watched by an over-curious eye of her parents; and that he would also have drawn her eldest sister (esteemed her match for beauty) in her shepherdish attire, but that the rude clown her guardian would not suffer it; neither durst he ask leave of the prince for fear of suspicion. (Arcadia "
74-75)
Auch in der Defence bedient sich Sidney der Geschichte der Omphale bzw. des als Frau verkleideten Hercules in Form eines Gemäldes. "[S]o in Hercules, painted with his great beard and furious countenance, in a woman's attire, spinning at Omphale's commandment, it breedeth both delight and laughter: for the representing of so strange a power in love procureth delight, and the scornfulness of the action stirreth laughter" (Def. 68). 88
Auch die Darstellung der Reaktion des Musidorus auf die Bilder zeigt die für The New Arcadia typische physiologische Struktur. Palladius perceived that the matter was wrapped up in some secrecy [...]; but yet his countenance could not but with dumb eloquence desire it. Which K a lander perceiving [...] sometimes casting his eye to the picture, he thus spake [...]. (Arcadia jy, meine Hervorhebungen)
Grundlegend kann man Sidneys erzähltechnische Strategie, die sich in allen visuellen Aspekten vom Einsatz der Landschaftsbeschreibungen über Embleme, Devisen und Impresas bis hin zu ekphrastischen Bildbeschreibungen manifestiert, ursächlich mit seiner Literatur- bzw. MimesisKonzeption in Verbindung bringen.22 Wie auch dieses letzte Beispiel der Bildbeschreibung des Philoclea-Porträts zeigt, beabsichtigt Sidney in allen visuellen Darstellungen, daß die Leser die dargestellte Welt Arcadias als künstlich wahrnehmen. So wie Musidorus vom Abbild der Philoclea gebannt wird und in der Folge auch die lebendige Philoclea immer noch wie durch den Rahmen des einmal gesehenen Bildes betrachtet bzw. mit der Repräsentation vergleicht, sollen auch die Leser Arcadia samt ihrer Figuren im Sinne eines Kunstwerks erfassen. Zu diesem Zweck geht Sidneys Strategie in zwei Richtungen der Verfremdung: einerseits wird Natur im Sinne eines Kunstwerks geschildert, andererseits erhalten Kunstwerke die Züge belebter Natur. So wie der Garten mit der Galerie des Kalander zu einem architektonischen Konstrukt wird, so erhält die gerahmte Repräsentation von Philoclea Realitätscharakter bzw. ihre reale Person Abbildungscharakter. Nach dieser Analyse von Sidneys Einsatz des Visuellen in Arcadia bietet es sich an, noch kurz darauf einzugehen, inwieweit sein literarischer Text mit den in der Defence dargelegten theoretischen Überlegungen zur Repräsentation korrespondiert. Sidney beginnt seine Charakterisierung von Literatur in A Defence of Poetry im Sinne der klassischen Mimesis-Konzeption. "Poesy therefore is an art of imitation, for so Aristotle termeth it in the word m'mesis - that is to say, a representing, counterfeiting, or figuring forth - to speak metaphorically, a speaking " Auf Sidneys Einsatz dieser verwandten visuellen Genres kann hier nicht genauer eingegangen werden. Als bekanntes Beispiel einer emblemartigen Anordnung in The New Arcadia gilt das Cupid-Bild im zweiten Buch, das mit Bildbeschreibung und Gedicht sozusagen beide Teile von Wort und Bild oder "body" und "soul" eines Emblems umsetzt (vgl. Arcadia 309 - 31 o). Impresas finden sich vor allem in der zweiten großangelegten ekphrastischen Passage des Textes in der Parade des 1. Buchs, in welcher eine Reihe von Impresas und vor allem Porträts von Frauen gezeigt werden, auf die später noch detailliert eingegangen wird.
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picture - with this end, to teach and delight" ( D e f . 25; meine Hervorhebungen). Betrachtet man diese Definition von Dichtung im Kontext der eben analysierten Eingangssequenz von The New Arcadia, dann scheint es als würden dort die in der Defence dargelegten mimetischen Möglichkeiten umgesetzt werden. "Representing" kann mit den Beschreibungen der Naturlandschaften gleichgesetzt werden, die Darstellung des im See gespiegelten Gartens mit "counterfeiting" und schließlich die Kunstwerksbeschreibungen mit "figuring forth," wobei alle drei Darstellungspraktiken als "speaking picture" aufzufassen sind. Es ist sicherlich nicht zielführend, diese drei Begriffe in Hinblick auf Sidneys literarische Praxis genau zu differenzieren, da er es in der Defence ebenfalls unterläßt.23 Sidney ist in keinem der drei Fälle auf ein Mimesis-Konzept im Sinne einer wirklichkeitsgetreuen Abbildung von externer Realität oder Natur bedacht, wie das folgende Zitat aus der Defence verdeutlicht, das zwei Arten von Malern bzw. Dichtern gegenüberstellt. [T]he meaner sort of painters, who counterfeit only such faces as are set before them, and the more excellent, who having no law but wit, bestow that in colours upon you which is fittest for the eye to see [...]. For these [...] be they which most properly do imitate to teach and delight, and to imitate borrow nothing of what is, hath been, or shall be; but range, only reined with learned discretion, into the divine consideration of what may be and should be. CDef. 26)
Sidney schlägt in seiner Dichtung den Weg des „guten Malers" ein, der nicht die Natur wirklichkeitsgetreu abzubilden versucht, sondern eine bessere Welt kreiert, die dann möglichst realistisch erscheinen soll. Folglich versteht Sidney auch den Poeten als „Macher" im aristotelischen Sinn, der nicht wie der Dichter Piatons Kopien von Kopien anfertigt und damit auf der untersten Stufe der Leiter zur Erkenntnis anzusiedeln ist. "The Greeks called him a 'poet', which name hath, as the most excellent, gone through other languages. It cometh of this wordpoiein, which is, to make [...]" ( D e f . 22). Diese literaturtheoretische Konzeption des Dichters als Macher, der kreierend und nicht primär nachahmend tätig ist, schlägt sich auch in den behandelten visuellen Passagen von The New Arcadia nieder. Wie stark Sidney dieses poetische Machen mit Malerei gleichsetzt, zeigen die dichterischen Beispiele in der Defence, die sich durch vielfältige Verweise auf Bilder auszeichnen. 23
Bemerkenswert zum Begriff "representing" ist eine Passage gegen Ende der Defence, die im Zusammenhang mit den drei Einheiten im Drama zwischen showing, representing und reporting unterscheidet: "Again, many things may be told which cannot be showed, if they know the difference betwixt reporting and representing" ( D e f . 66).
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For Xenophon, who did imitate so excellently as to give us effigiem iusti imperii, the portraiture of a just empire, under the name of Cyrus [...]. So did Heliodorus in his sugared invention of that picture of love in Theagenes and Chariclea. (Def. S i d n e y e r w ä h n t auch in der Defence
das p h y s i o l o g i s c h e
27)^
„Vor-Augen-
F ü h r e n " als A b g r e n z u n g der D i c h t u n g gegenüber der Philosophie; die D i c h t u n g " s h o w e t h f o r t h her h o n o r a b l e f a c e in the battles;" die P h i l o s o phie "teacheth virtue b y certain abstract c o n s i d e r a t i o n s " (30). N e b e n der Philosophie zieht S i d n e y auch die G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g z u r a b g r e n z e n den D e f i n i t i o n v o n D i c h t u n g heran u n d gibt dabei weitere E i n b l i c k e in sein Repräsentationsverständnis. But now may it be alleged that if this imagining of matters be so fit for the imagination, then must the historian needs surpass, who bringeth you images of true matters, such as indeed were done, and not such as fantastically or falsely may be suggested to have been done. {Def. 35) D i e hier gestellte rhetorische F r a g e nach der H i e r a r c h i e der G e s c h i c h t s schreibung ü b e r D i c h t u n g hat S i d n e y s c h o n einige Seiten v o r h e r g r u n d sätzlich beantwortet. [T]he historian, wanting the precept, is so tied, not to what should be but to what is, to the particular truth of things and not to the general reason of things, that his example draweth no necessary consequence, and therefore a less fruitful doctrine. (Def. 32) D i c h t u n g , d . h . S i d n e y s Vorstellung v o n guter D i c h t u n g , soll w e d e r w i e Philosophie das U n i v e r s a l e n o c h w i e G e s c h i c h t s s c h r e i b u n g das P a r t i k u 24
Das letzte der zwei Beispiele bezieht sich auf Heliodorus' Romance Aethiopica aus dem 4. nachchristlichen Jahrhundert, die bereits Mitte des 16. Jahrhunderts in englischer Ubersetzung zugänglich war. Es ist hier jedoch nicht eindeutig festzustellen, ob Sidney mit dem "picture of love" die Handlung der Romance des Heliodorus meint oder das zentrale Gemälde, das in diesem Text den Katalysator des Plots darstellt. Es handelt sich um ein Bild, das wie in den anderen hellenistischen Proto-Romanen am chronologischen Handlungsbeginn angesiedelt ist. Da jedoch Heliodorus' Geschichte in medias res einsetzt, taucht dieses Bild erst in der Mitte des Textes auf, erfüllt aber eine analoge Funktion wie in den anderen Ekphrasen der Proto-Romane. Die Mutter der Protagonistin Charicleia berichtet, daß das Aussehen Charicleias durch das Betrachten eines Andromeda-Porträts der Mutter während der Zeugung beeinflußt wurde. "I knew the reason [for the white skin of Charicleia]: during my lovemaking with my husband I looked at the Andromeda which a painting represented and showed as completely nude, just as Perseus is leading her down from the rocks" (4.8.5); zitiert nach Shadi Bartsch, Decoding the Ancient Novel: The Reader and the Role of Description in Heliodorus and Achilles Tatius (Princeton: Princeton University Press, 1989) 48.
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läre, sondern das Universale im Partikulären darstellen. So sagt er in diesem Zusammenhang mit Verweis auf Porträtmalerei: [Y]ou had rather have Vespasian's picture right as he was, or, at the painter's pleasure, nothing resembling. But if the question be for your own use and learning, whether it be better to have it set down as it should be, or as it was, then certainly is more doctrinable the feigned Cyrus in Xenophon than the true Cyrus in Justin [...]. (.Def. 35)
Wie dieses Zitat zeigt, geht es Sidney in seiner Repräsentationstheorie darum, daß Literatur nicht wie Geschichtsschreibung das darstellen soll, was wirklich ist oder war, sondern einen idealen Zustand, der aber dennoch individuelle Züge trägt. Als Beispiel hierfür bezieht sich Sidney wieder auf Malerei: [A]s to a lady that desired to fashion her countenance to the best grace, a painter should more benefit her to portrait a most sweet face, writing Canidia upon it, than to paint Canidia as she was, who, Horace sweareth, was full illfavoured. (Def.
3j)m
Partikuläre Wahrheit, an der Geschichte oder realistische Porträtmalerei interessiert ist, hat in Sidneys Kunstkonzeption, die sich an idealen Wahrheiten orientiert, nur beschränkten Platz. For that a feigned example hath as much force to teach as a true example (for as for to move, it is clear, since the feigned may be tuned to the highest key of passion) [...]. For indeed poetry ever sets virtue so out in her best colours. (Def.
ji-37)*
Diese eigentlich anti-mimetische Auffassung des dichterischen Darstellungsprozesses sieht Natur oder externe Wirklichkeit nicht als erstes Abbildungsziel. Das eigentliche Abbildungsverständnis Sidneys zielt daher nicht auf eine realistische Umsetzung einer wahrgenommenen Wirklich25
16
"Ill-favored" bedeutet hier soviel wie ungünstiges Aussehen. Zum Begriff "favor" in diesem Zusammenhang siehe den Abschnitt über Hilliard in diesem Kapitel. Shakespeare charakterisiert diesen Sachverhalt in As You Like It als "the truest poetry is the most feigning" (III, 3, 1 7 - 1 8 ) und erscheint damit wie ein Vorläufer von Jean Baudrillards Simulationskonzeption. Sidney kommt erneut auf Geschichtsschreibung zu sprechen, wobei er sich nochmals auf die Porträtmalerei beruft. "Their naming of men is but to make their picture the more lively, and not to build any history: painting men, they cannot leave men nameless" (Def. 53). Sidney thematisiert hierbei den Einsatz historischer Personen in literarischen Texten, die sich nicht an historische Fakten halten, sondern vielmehr ein Charakterporträt jener Tugenden oder Untugenden anfertigen wollen, die mit dieser historischen Persönlichkeit verbunden werden.
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keit ab, sondern vielmehr auf die real anmutende Vermittlung einer fiktionalen idealen Wirklichkeit durch wahrnehmungspsychologische Präsentationstechniken. So ist es Anliegen dieser Erzähltechnik "having planted [an] image in the imagination" (Def. 41), oder anders ausgedrückt, "that the poet, with that same hand of delight, doth draw the mind more effectually than any other art doth" ( D e f . 42). Sidney ist hier trotz seiner von aristotelischem Gedankengut geprägten Prämissen, die den Dichter als Macher und nicht bloßen Imitator sehen, dem neoplatonischen Idealismus verpflichtet, der die Darstellung von „Idealem" zuläßt. Diese Vorstellung, die, wie bereits einleitend gezeigt wurde, über den Umweg der florentinischen Akademie bzw. der englischen Übersetzung Castigliones nach England gelangte, hat seine eigentlichen Wurzeln nicht in den platonischen Schriften selbst, sondern nimmt Gedankengänge des spätantiken Neoplatonikers Plotin wieder auf. Plotin argumentiert in den von seinem Schüler Porphyrius aufgezeichneten Enneaden dahingehend, daß ein Künstler auch im Stande ist, Ideales, d. h. nicht in der sublunaren Welt Angesiedeltes abzubilden. Plotin zieht als Beispiel die Zeusstatue des Phidias heran, die einen Gott also ein abstraktes Konstrukt - abzubilden vermag. Durch diese Argumentationsline gelingt es bereits dem antiken Neoplatonismus unter Beibehaltung der Abbildungskonzeption Piatons, Kunst zu legitimieren und im Gegensatz zu Piatons Auffassung positiv zu besetzen. Sidney gibt eine Zusammenfassung dieser neoplatonistischen Repräsentationstheorie, wobei er verstärkt in bildlichen Metaphern spricht. N o w doth the peerless poet perform both: for whatsoever the philosopher saith should be done, he giveth a perfect picture of it in someone by w h o m he presupposeth it was done, so as he coupleth the general notion with the particular example. A perfect picture I say, for he yieldeth to the powers of the mind an image of that whereof the philosopher bestoweth but a wordish description, which doth neither strike, pierce, nor possess the sight of the soul so much as that other doth.
(Def. 32) Sidney hebt sich hier eindeutig vom Konzept einer rein verbalen Umsetzung visueller Realität durch die Dichtung ab: er "yieldeth to the powers of the mind an image," das nicht wie das des Philosophen "a wordish description" darstellt. Hauptanliegen Sidneys ist also nicht Wortmalerei, sondern "the sight of the soul," was jener bereits erläuterten physiologischen Wahrnehmungswiedergabe entspricht.27 27
Sidney zieht wahrscheinlich ein weiteres konkretes Beispiel aus der bildenden Kunst
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Sidney faßt seine Technik des „Vor-Augen-Führens" zusammen, indem er argumentiert: wordish description [...] never satisfy his [the reader's] inward conceit with being witness to itself of a true lively knowledge, but the same man, as soon as he might see those beasts well painted, or the house well in model, should straightways grow, without need of any description, to a judicial comprehending of them [...].
(Def. 3 2 )
Die wortgewaltigen "learned definitions" der Philosophen "lie dark before the imaginative and judging power, if they be not illuminated or figured forth by the speaking picture of poetry" (Def. 32-33). Anders ausgedrückt und auf Sidneys literarische Praxis gemünzt bedeutet dies, daß ein verbales Bild, das nicht mit Hilfe seiner wahrnehmungsphysiologischen Technik dem Inneren Auge des Lesers vorgeführt wird, ohne Wirkung bleibt oder, um Sidneys Worte zu benutzen, "which doth neither strike, pierce, nor possess the sight of the soul" (Def. 32). Um dies zu erreichen, muß Dichtung "all virtues, vices, and passions so in their own natural seats laid to the view, that we seem not to hear of them, but clearly to see through them" (Def. 33). Wie bereits erläutert, liegt die Betonung auf "through" in der Bedeutung einer physiologisch-erklärenden Repräsentation. Man kann nicht genug betonen, daß es sich bei diesem Repräsentationskonzept Sidneys nicht um das traditionelle enargeia-Prinzip aus der rhetorischen Tradition handelt, in der das lebendige, deskriptive Umsetzen eines Vorgangs oder Zustands im Mittelpunkt steht.28 Sidney bedient sich zwar einiger Aspekte der klassischen enargeia-Worstellung, adaptiert diese aber sorgfältig für sein auf Wahrnehmung basierendes literarisches Repräsentationsmodell. In moderner Terminologie bemüht sich Sidney um eine virtuelle Realität, die durch suggerierte Wahrnehmung den Eindruck von Wirklichkeit vermitteln will. In Sidneys Diktion würde diese Konzeption wohl am besten mit dem Begriff „Utopie" charakterisiert heran, wenn er wohl auf Albrecht Dürers berühmte Rhinoceros-Abbildung verweist. "For as in outward things, to a man that had never seen an elephant or a rhinoceros, who should tell him most exquisitely all their shapes, colour, bigness, and particular marks" (Def. 32). Es handelt sich hierbei um jenen berühmten Dürerholzschnitt eines Rhinozerus' aus dem Jahr 1515, der weitgehend für das Wissen um das Aussehen dieses Tieres bis ins ausgehende 18.Jahrhundert verantwortlich blieb. Vgl. dazu E . H . Gombrich, Art and Illusion: A Study in the Psychology of Pictorial Representation (Princeton: Princeton University Press, i960) 81. 28
So verweist Sidney in der Defence nur einmal beiläufig auf den Begriff als "that same forcibleness or energia (as the Greeks call it) of the writer" (Def. 70), ohne aber auf die traditionell damit verbundene visuelle Komponente einzugehen.
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werden. Daß es Sidney um die Kreation einer „anderen Welt" geht, wie das Zitat zur „goldenen Welt" bereits gezeigt hat, wird noch deutlicher, wenn er literarische Gesellschaftsentwürfe wie Arcadia mit philosophisch motivierten Staatsutopien wie Thomas Morus' Utopia kontrastiert, das in seiner philosophischen Kälte keine glaubwürdige goldene Welt erzeugen kann, welche die Leser emotional zu bewegen im Stande ist. Für Sidney stellt sich in der Besprechung von Sir Thomas Morus' Utopia (Def. 33) die Frage, "whether the feigned image of poetry or the regular instruction of philosophy hath the more force in teaching" (34). Der Gegensatz von Philosophie und Dichtung tritt auf verstecktere Art und Weise auch in der zweiten großangelegten Ekphrase - der Parade des Phalantus - in The New Arcadia wieder auf, die sich besonders gut eignet, Querverweise zu Nicholas Hilliards theoretischem Text über Malerei zu ziehen. In diesen ekphrastischen Bildbeschreibungen werden Sidneys theoretische Aussagen zur Philosophie aus der Defence unter dem Deckmantel der Porträtmalerei nochmals angerissen. Bevor jedoch auf diesen Ekphrasenzyklus genauer eingegangen wird, bedarf es einiger Worte zu Nicholas Hilliard. Nicholas Hilliard (15 47-1619) gilt nicht nur als der erste wichtige in England geborene Maler, sondern aufgrund seines Traktats The Art of Limning (ca. 1600) auch als einer der ersten Engländer, der sich auf theoretischer Ebene mit Malerei befaßt hat.29 Hilliard spricht in seinem theoretischen Text neben "embleme empresse, or other device" (Art 22) von zwei Hauptgenres der Malerei: "story worke" {Art 22) - die narrativen Gemälde oder "history paintings," wie sie Philip Sidney in der Defence nennt - und "pictures after the life" (Art 29), die in der neueren Literatur als Porträts oder auch Miniaturen bezeichnet werden. Hilliards Arbeitsgebiet unterscheidet sich grundlegend von dem Sidneys, wenngleich sich beide als „Theoretiker" mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen. Sidney akzeptiert, wie bereits ausführlich dargelegt wurde, das realistische Porträt zwar als malerisches Genre, billigt diesem im Kontext seiner Repräsentationsphilosophie jedoch keinen vorrangigen Stellenwert zu. Für Sidney steht prinzipiell eine ideale Schönheit im Mittelpunkt, weshalb individuelle, partikuläre Züge des Modells dieser idealistischen Repräsentationsvorstellung untergeordnet werden. Es geht jedoch klar aus Sidneys Aussagen in der Defence her29
Im Weiteren wird Hilliard aus folgender Textausgabe zitiert: Nicholas Hilliard's Art of Limning: A New Edition of A Treatise Concerning the Art of Limning Writ by N Hilliard, ed. Arthur F. Kinney, Linda Bradley Salamon, (Boston: Northeastern University Press, 1983).
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vor, daß er die Leistung der wirklichkeitsgetreuen Porträtmalerei auf ihrem Gebiet schätzt, sie jedoch als Beispiele seiner literarischen Repräsentationstheorie ebensowenig für geeignet erachtet wie historische Fakten in der Dichtung. Beide Disziplinen, Geschichtsschreibung und realistische Porträtmalerei, sind so sehr an partikulären Fakten interessiert, daß sie dem Ziel einer universalen Wahrheit in einer litarisch-utopischen Welt im Weg stehen. Hilliard hingegen argumentiert im Gegensatz zu Sidney für eine Individualisierung in der Porträtmalerei: [T]hat all Painting imitateth nature or the life in every thinge, [...] but of all things the perfection is to imitate the face of man kind, [...] soe neare and so weel after the life, as that not only the party, in all liknes for favor and complection is or may be well resembled but even his best graces and countenance notabelly expressed, for ther is no person but hath variety of looks, and countenance, as well ilbecoming as pleassing or delighting.
(.Art 22) Hilliard steht damit für einen partikulären Realismus, dem Sidney prinzipiell abgeneigt zu sein scheint, da er mit seinem Konzept der „goldenen Welt" der Literatur nicht unmittelbar vereinbar ist. Sidney greift trotzdem Fragestellungen und Problemkreise auf, die Analogien zu Hilliards Ansätzen zeigen, wenn er im ersten Buch von The New Arcadia innerhalb des Triumphzugs des Phalantus eine Reihe von Porträts beschreibt. In dieser Eröffnungsparade werden neben der „lebendigen" Artesia in einer Kutsche auch Porträts von Frauen gezeigt, die Phalantus bei vorausgegangenen Tournieren von seinen besiegten Gegnern errungen hat. Himself [Phalantus] came in next after a triumphant chariot [...], wherein Artesia sat, drawn by four winged horses with artificial flaming mouths and fiery wings, as if she had newly borrowed them of Phoebus. Before her marched, two after two, certain footmen pleasantly attired, who between them held one picture after another of them that by Phalantus well running had lost the price in the race of beauty, and at every pace they stayed, turning the pictures to each side so leisurely that with perfect judgement they might be discerned.
(.Arcadia 157) Phalantus führt Artesia bewußt in einem artifiziellen Setting von geflügelten Pferden mit künstlichem Feueratem vor, um sie mit den errungenen Porträts von Frauen zu vergleichen. Die nun folgenden Bildbeschreibungen Sidneys berühren eine Vielzahl von Problemkreisen, die nicht nur in der Defence bereits angerissen wurden, sondern auch in anderen Texten zur Repräsentationstheorie der englischen Renaissance wie in Hilliards 96
The Art of Limning thematisiert werden. Diese Parade von Porträts wird damit von Sidney für eine metafiktionale, exemplarische Diskussion von Porträtmalerei bzw. elisabethanischen Repräsentationsfragen verwendet. Eines der zentralen Konzepte, das auch hier alle anderen Aspekte durchdringt und grundlegend bedingt, ist die Skepsis gegenüber „realistischer" - im Sinne von wirklichkeitsgetreuer - Abbildung. So heißt es über das erste Bild der Andromeda: "[A]n exceeding red hair with small eyes did, like ill companions, disgrace the other assembly of most commendable beauties" {Arcadia 78). Eine ähnliche Aussage tätigt auch Hilliard im Zusammenhang mit der Technik des "shadowing" in der Malerei, die er generell ablehnt, außer "if she [the model] be not very fayre [...]. As if to palle, too red, or frekled &ce, then shadowe [...] doeth her a favore" (Art 29). Obwohl also Hilliard Sidneys Auffassung von einer rein idealistischen Darstellungsform generell nicht teilt, macht er hier dennoch Zugeständnisse in diese Richtung. Auch das darauf folgende Porträt in Sidneys Parade ist als Illustration dieses anti-mimetischen Grundsatzes zu verstehen, wenn es über die "Princess of Ellis" heißt: [A] lady that taught the beholders no other point of beauty but this: that as liking is not always the child of beauty, so whatsoever liketh is beautiful; for in that visage there was neither majesty, grace, favour, nor fairness. (Arcadia 158; meine Hervorhebung)
Sidney wie Hilliard stimmen dahingehend überein, daß die rein mimetische Abbildung eines Objektes bzw. Modelles nicht ausreicht, um einen ästhetischen Gesamteindruck zu erzeugen, oder wie Sidney es im obigen Zitat ausdrückt "liking is not always the child of beauty." Nach der Thematisierung der realistischen Abbildung eines nicht idealen Modells wendet sich Sidney in der folgenden Bildbeschreibung dem Konzept der Proportion als einem weiteren Topos der Kunsttheorie der englischen Renaissance zu: After her was the goodly Artaxia, great queen of Armenia, a lady upon whom nature bestowed and well placed her most delightful colours, and, withal, had proportioned
her without any fault quickly to be discovered by the senses; yet
altogether seemed not to make up that harmony that Cupid delights in; the reason whereof might seem a mannish countenance
which overthrew that
lovely sweetness, the noblest power of womankind [...]. (Arcadia 158; meine Hervorhebung)
Obwohl Artaxia in Farbe und Proportion von der Natur gut ausgestattet ist, läßt ihre maskuline countenance zu wünschen übrig. Die Wahl dieser 97
Begriffe ist sicher nicht zufällig, da auch Hilliard in seinem Traktat dem Gesicht des Modells diese drei Aspekte zuweist. [I]t consisteth in three points, the first, and least is the faire and beautiful cottier or complection which even a far of, as neare is pleassing greatly all behoulders, the next and greater part is the good proportion somtime called favore [...] but the third part See, greatest of all is the grace in countenance,
b y which the
afections apeare [...]. (Art 23; meine Hervorhebungen)
An anderer Stelle faßt Hilliard diese Dreiteilung nochmals tabellarisch zusammen: "[A]s I have formerly said that the goodnes or ilnes of the living face consisteth in three things: 1 Complection / 2 Proportion / 3 Countena[n]ce" (Art 24-25). Es ist sicher kein Zufall, daß Sidney eben jene Diktion Hilliards in seiner Bildbeschreibung verwendet, da beide offensichtlich im Austausch über kunsttheoretische Fragen standen. Hilliard selbst weist in seinem Traktat darauf hin, daß er mit dem "excelent man nam[e]ly Sir Philip Sidn[e]y, that noble and most valiant knight [...] and excelent Poet" (Art 27) eine Unterredung über Proportion in der Malerei geführt hat. [H]e once Demanded of me the question, whether it weare possible in one scantling, as in the lenght of six inches of a littel or short man, and also of a mighty bige and taulle man in the same scantling, and that one might weel and apparently see which was the taule man, and which the littel, the picture being Just of one length, I showed him that it was easely decerned if it weare cuningly drawne with true observations [...]. (Art
27)3°
Zwar findet sich in den genannten Ekphrasen Sidneys keine direkte Umsetzung dieser Fragestellung bezüglich Proportion als Mittel der Suggerierung von verschiedenen Größeneindrücken innerhalb ein und derselben meßbaren Länge einer Personendarstellung, jedoch geht Sidney auf andere Aspekte der Proportion ein, die sich ebenfalls bei Hilliard finden. So beschreibt Sidney das Bild der Erona als Gegenbeispiel zum vorhergegangenen Bild der Artaxia, das trotz Wohlproportioniertheit ohne die erwartete ästhetische Wirkung bleibt. Uber Erona heißt es, that in the mixture of her cheeks the white did so much overcome the red [...] and that her face was a thought longer than the exact symmetrians 50
perhaps
Hilliard erklärt Sidney die Möglichkeit, durch Wahl der Körperproportionen in zwei gleichlangen bildlichen Darstellungen von Menschen deren eigentliche Größenunterschiede zu suggerieren. Der sogenannte "scantling" bedeutet dabei ein relatives Ausgangsmaß, von dem aus andere Körperteile bemessen werden.
98
would allow; yet love played his part so well in every part that it caught hold of the judgement before it could judge, making it first love, and after acknowledge it fair; for there was a certain delicacy which in yielding conquered, and with a pitiful look made one find cause to crave help himself. {Arcadia 158; meine Hervorhebungen)
Die Frage nach idealer und individueller Körperproportion, auf die sich Sidney hier bezieht, wird in ähnlicher Weise von Nicholas Hilliard gestellt, wenn er sich von den zwei großen Vorbildern der Malereitheorie, Alberti und Dürer, in Hinblick auf diesen Punkt distanziert. Mit den "symmetrians," von denen Sidney hier spricht, sind die Verfasser jener Traktate gemeint, die universale Regeln für Körperproportionen erstellen. So sagt Hilliard über Albrecht Dürer: [WJhich Rulles of Albert
for the most part ar hard to be remembred, and
tedious to be foloued of Painters, being so ful of divisons, but very fittable for carvers and masons, for architects and fortifications [...]. (Art 19)
Hilliard erklärt dann weiter, daß "the reasson why the rules of Alberte, serve mor the carver then the Painter is becausse he discribeth and devideth the propeortion of parts of men, like as of pillors or such other things, by measures of inches in length, breadth, thiknes, and circumference, which measures serve not, nor can howld in painting, for [...] you cannot measure any part of the pictures by his true superficious" (Art 20). Dieser Vergleich von Architektur und menschlichem Körper geht bereits auf Vitruvs Werk über Architektur zurück und wurde im 16. Jahrhundert oft in Visualisierungen herangezogen. So findet sich in John Shutes The First and Chief Groundes of Architecture (1563) diese körperliche Erklärung architektonischer Elemente oder Strukturen (vgl. Abbildung 13). 31 Hilliard faßt seine Einstellung zusammen, wenn er meint: "[PJainting perspective, and forshortning of lines, with due shadoing acording to the rule of the eye, by falshood to expresse truth in very cunning of line" (Art 20). Während Alberti und auch Albrecht Dürer in ihren Traktaten für eine geometrische, ideale Proportionierung des universalen menschlichen Körpers in der Repräsentation eintreten, wendet sich Hilliard in seinem Text bewußt einem individuellen "rule of the eye" des Malers zu, wobei Intuition die rigiden, geometrischen Regeln ersetzt.
31
John Shute, The First and Chief Grovndes of Architectvre (London, 156}; rpt. London: The Gregg Press, n.d.) fol. 7; siehe dazu Michael Leslie, "Edmund Spenser: Art and The Faerie Queene," Proceedings of the British Academy 76 (1990): 84-87.
99
Daß diese anti-geometrische Tendenz nicht nur eine Eigenart Hilliards und Sidneys darstellt, sondern im allgemeinen Klima der englischen Renaissance verwurzelt ist, zeigt ein Zitat aus Francis Bacons Essay "Of Beauty." In Beauty,
that of Favour, is more then that of Colour, A n d that of Decent
and Gracious Motion, more then that of Favour [...]. There is no Excellent Beauty, that hath not some Strangenesse in the Proportion. A Man cannot tell, whether Apelles,
or Albert
Durer, were the more Trifler: Whereof the one
would make a Personage by Geometricall Proportions: The other, b y taking the best Parts out of divers Faces, to make one Excellent [...]. N o t but I think a Painter, may make a better Face, then ever was; But he must doe it, b y a kinde of Felicity (As a Musician that maketh an excellent A y r e in Musicke) A n d not b y Rule. A man shall see Faces, that if y o u examine them, Part by Part, y o u shall find never a good; A n d yet altogether doe well. 3 2
Diese Passage aus Bacons Text arbeitet mit analoger Begrifflichkeit wie die vorherigen Aussagen Sidneys und Hilliards zur Proportion. Wenn Sidney also in der Charakterisierung des Porträts der Erona meint, "that her face was a thought longer than the exact symmetrians perhaps would allow" (Arcadia 158), dann berührt er jene Problematik bezüglich einer individuellen Proportioniertheit jeweiliger Modelle, die nicht mit rigiden Regeln einer mathematischen Festlegung von Körpermaßen konform geht, aber dennoch ästhetische Resultate beim Betrachter erzeugen kann. Es stellt sich natürlich unweigerlich die Frage, inwieweit sich diese Individualisierung oder Partikularisierung mit Sidneys idealistischer Repräsentationsauffassung vereinbaren läßt. Die Antwort liegt sicher darin, daß geometrische Proportionierung in der Malerei mit dem Diskurs der Philosophie vergleichbar ist, der ebenfalls ideal-universale Zustände abstrakt erklären kann, diese aber nicht so umzusetzen im Stande ist, daß sie auch eine emotionale Reaktion beim Rezipienten hervorrufen. Sidneys „goldene Welt" ist also nicht als idealtypische Repräsentation zu verstehen, die Regeln der Philosophie literarisch umsetzt, sondern eine ästhetische Welt, die mit jenem "rule of the eye" Dinge darstellt, die einen ästhetischen Eindruck vermitteln, auch wenn sie von den abstrakten Regeln abweichen. Ganz in diesem Sinne ist Sidneys Porträt von Helena aufzufassen. 32
Sir Francis Bacon, "Of Beauty," The Essays or Counsels, Civill and Morall, ed. Michael Kiernan (Cambridge: Harvard University Press, 1985) 1 3 2 - 1 3 3 . Clark Hülse (1990, 162) weist auf die Parallelen zwischen diesem Text Bacons und Hilliards Repräsentationsauffassung hin.
IOO
It was the excellently fair queen Helen, whose jacinth-hair, curled by nature but intercurled by art, [... i]n her face so much beauty and favour expressed as (if Helen had not been known) some would rather have judged it the painter's excercise to show what he could do than the counterfeiting of any living pattern; for no fault the most fault-finding wit could have found, if it were not that to the rest of the body the face was somewhat too little. But that little was such a spark of beauty as was able to inflame a world of love. (Arcadia 159; meine Hervorhebung) Wieder weicht die Darstellung in ihren Proportionen von denen der "Symmetrians," d.h. den „Philosophen" unter den Malern ab und erreicht dennoch oder gerade deshalb den von Sidney gewünschten Effekt einer "world of love," die den Betrachter emotional ergreift. Auch das nächste Porträt der Parthenia in Phaltanus' Parade spielt auf proportionale Ungereimtheiten an, die stark an Aussagen Hilliards erinnern. Of a far differing, though esteemed equal beauty was the fair Parthenia who next waited on Artesia's triumph though far better she might have sat in the throne. [...] For her great grey eye, which might seem full of her own beauty, a large and exceedingly fair forehead, with all the rest of her face and body cast in the mould of nobleness. {Arcadia 160) Die Betonung der Stirn ist signifikant, da sie indirekt wieder auf die bereits erwähnte Unterredung Sidneys mit Hilliard zurückweist, die in The Art of Limning
dokumentiert ist. Sidney hatte Hilliard nach der Möglich-
keit von Größenvermittlung von Personen in Bildern gefragt, worauf Hilliard mit Ausführungen über variable Körperproportionen geantwortet hat. Kurz vor der Wiedergabe dieser Unterredung im Text von The Art of Limning
legt Hilliard eine Proportionstheorie dar, die vom Maß
der Stirn eines Modells ausgeht. [Y]our marke shalbe your first line which you drawe, but that must be most truly drawne, for that lyne must be a scalle [scale] to all the rest/ and let that your first lyne be the forehead stroake, as for exampel [Hilliard zeichnet die Umrißline einer Stirn] Soe then you shall proceed by that scalle or scantlinge [prescribed rule or dimension] to doe all proportionablye to that bignes, as if the forehead be but so longe, then the rest of that lyne to the Chine is but twice so long, as thus [Hilliard zeichnet das Profil eines Gesichts]. (Art 25-26). Nach dieser Proportionstheorie stellt der "forehead stroake" bzw. die Größe der Stirn die Maßeinheit oder den sogenannten "scantlinge" dar,
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von dem ausgehend die weiteren Körperteile bemessen werden. Hier unterscheidet sich Hilliard wieder von Albrecht Dürer, der "giveth this rulle/ that comonly all faces howld one measure and true proportion (how differing so ever they be of favor) that the forhead is of the lenght of the nose, and the nose as long as frome the nose to the chinne, if it differ in this it is Deformety" (Art 26). Hilliard gibt für diese Abweichung der dürerschen Gesichtsproportion ein konkretes Beispiel aus seiner eigenen Porträtkunst. Im Bild des Lord Chancellor Sir Christopher Hatton ist er eben mit diesem Problem konfrontiert (vgl. Abbildung I4).33
[T]herfore I wilbe bould to remember me of one namly Sir C. H.\ some times lorde Cha[n]cellor of England a man generally knowne and respected [...] yet had he a very low forhead, not answerable to that good proportion of a third part of his face, and one the contrary part, Infinit number of face ther are which howld that proportion, which Albert Duer commendeth, and yet ar but II favored, or unpleasant faces to behowld (so god in nature hath for diference ordained it) but very rarly doth nature or hardly can Art make a good favor that shall not howld that true porportion. (Art 26) Hilliard sagt, daß viele Menschen Gesichtsproportionen besitzen, die "il favored" sind, obwohl sie der dürerschen Dritteleinteilung entsprechen. Andererseits aber sei es äußerst schwierig, ein ästhetisch wirksames Porträt eines Modells anzufertigen, dessen Gesichtsproportionen die Drittelregel nicht zulassen. Hilliard argumentiert weiter, daß wie das Beispiel Sir Christopher Hattons zeigt, ein " g o o d favor" auch möglich ist, wenn die Stirn größer als ein Drittel des gesamten Gesichts ist. "[W]herfor he was a rare man, and had as Rare fortune which differed therin, for if any of the three it may differ without disgrace to favore, the forhead may differ Rather in lenght and may be the longst, and hinder no favour" (Art 26). Hattons Porträt zeichnet sich also trotz der Abweichung von regelhafter Proportion durch einen positiven "favour" oder Gesamteindruck aus. 3 4 D i e überdimensionierte Stirn Sir Christophers zeigt auch das erhaltene Porträt, in welchem Hilliard zur Erzeugung eines wohlproportionierten Gesamteindrucks des abgebildeten Modells auch perspektivische Techniken anwendet. So wird Hatton stark von unten gesehen dargestellt, w o -
33
34
Nicholas Hilliard, Sir Christopher Hatton (ca. 1588-1591); Victoria & Albert Museum, London. Das OED erklärt diese Auffassung von "favour" mit den Begriffen "appearance, aspect, look."
102
durch seine vorspringende Stirn weniger zur Geltung kommt. Clark Hülse (1990, 128-132) hat gezeigt, daß in diesem Porträt Hilliards nicht nur mit Proportionen gearbeitet, sondern auch euklidische Zentralperspektive auf eigenwillige Art eingesetzt wird, die von Albertis und Dürers Konzepten abweicht. Die bisher genannten Porträts im Triumphzug des Phalantus in Sidneys The New Arcadia sind als großdimensionierte Gemälde zu verstehen, die mit dem Genre der Miniaturmalerei, für das Hilliard berühmt ist, wenig gemeinsam haben. Erst gegen Ende dieser großangelegten Ekphrase findet sich ein Hinweis auf Miniaturen. Das Auftreten der verkleideten Helden Musidorus und Pyrocles, die den Wettkampf zu einem Höhepunkt bringen, sind durch Verweise auf Miniaturporträts gekennzeichnet. Ganz im Gegensatz zur Parade, in der Phalantus die Porträts der Frauen öffentlich zur Schau stellt, besitzt Musidorus ein anders dimensioniertes und auch vom Charakter her anders geartetes Bild. [T]he picture of Pamela [...] which in little form he ware in a tablet, and covered with silk had fastened it to his helmet, purposing, for want of a bigger, to paragon the little one with Artesia's length, not doubting but even in that little quantity the excellency of that would shine through the weakness of the other as the smallest star doth through the whole element of fire. (Art 85)
Dieses Zitat erinnert an Nicholas Hilliards Porträt eines unbekannten Jünglings, der vor dem Hintergrund eines Flammenmeers dargestellt in seiner Hand über der Brust ein Medallion hält (vgl. Abbildung 15). 35 Der Flammenhintergrund steht wohl für das brennende Verlangen des Jünglings für die auf dem verzierten Medallion abgebildete Lady. Patricia Fumerton hat zu zeigen versucht, daß sich einige Analogien zwischen der malerischen Gattung des elisabethanischen Miniaturporträts und dem literarischen Genre des Sonetts nachzeichnen lassen.36 Fumerton schließt in einer Analyse von Passagen aus den theoretischen Traktaten Sidneys und Hilliards sowie deren artistischer Praxis, daß es sich bei beiden künstlerischen Formen, die weitgehend parallel im ausgehenden 16. Jahrhundert an Wichtigkeit gewannen, um eine zutiefst „private" Ausdrucksform handelt. In ihrer ständigen Betonung des intimen Charakters verdeutlichen diese beiden Repräsentationsmedien mehr als andere die Span55
}6
Nicholas Hilliard, Man Against a Background of Flames (ca. 1595), Victoria & Albert Museum, London. Vgl. vor allem Fumertons Kapitel 3: "Secret Arts: Elizabethan Miniatures and Sonnets" (67-110).
103
nung zwischen Öffentlichem und Privatem im elisabethanischen England. Fumerton zeigt neben einer Vielzahl von anderen Indikatoren dieses Spannungsfeld anhand des Aufbewahrungsortes der Miniaturporträts im innersten Schlafzimmer der Königin als dem hinter einer „Hülle" von öffentlichen Räumen eingebetteten privatesten aller Räume. D e r Besucher, dem nach einem überlieferten Augenzeugenbericht Miniaturen von Königin Elizabeth aus ihrem Besitz in diesem privaten Bereich gezeigt wurden, mußte, um an diesen intimen Ort zu gelangen, vorerst die von Höflingen frequentierten Zimmer durchwandern. In analoger Weise scheint auch das Sonett über eine öffentliche Fassade intimste Gefühlsregungen zu transportieren und wie die Königin in dem oben genannten Bericht diese Struktur nur als Vorwand für ein politisch-öffentliches Manöver zu benutzen. Gemäß der Argumentationslinie ihres Buches zeichnet Fumerton in der Repräsentationspraxis von Miniaturenmalerei und Sonett ein System ornamentaler Schichten, die öffentliche und private Sphären miteinander in Beziehung treten lassen. Im Fall des Miniaturporträts der Pamela zeigt sich diese paradoxe Uberlagerung von öffentlichem und intimen Charakter besonders deutlich. Über das Pamela-Bild des Musidorus heißt es, daß "in little form he wore in a tablet, and covered with silk [...] fastened [...] to his helmet" {Arcadia 166). Das Porträt wird somit durch das Tragen am Helm ein Gegenstand öffentlicher Schaustellung, gleichzeitig aber durch das Verhüllen ein O b jekt intimer Verehrung. So sagt der Träger des Bildes "her liveliest picture, if you could see it, is in my heart, and the best comparison I could make of her is of the sun and all the other heavenly beauties" {Arcadia 167). Besonders die letzte Aussage erinnert an Shakespeares Sonett 24. Mine eye hath play'd the painter and hath stell'd T h y beauty's form in table of my heart; M y body is the frame wherein 'tis held, A n d perspective it is best painter's art. For through the painter must y o u see his skill, To find where your true image picture'd lies, Which in my bosom's shop is hanging still, That hath his windows glazed with thine eyes. N o w see what good turns eyes for eyes have done: Mine eyes have drawn thy shape, and thine for me A r e windows to my breast, wherethrough the sun Delights to peep, to gaze therein on thee. Yet eyes this cunning want to grace their art: They draw but what they see, know not the heart.
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In diesem Sonett vergleicht Shakespeare sich und damit implizit Dichter mit Malern, die primär an einer Repräsentation im innersten privaten Bereich des Herzens interessiert sind. Damit spiegelt Shakespeares Sonett 24 genau jene Strukturen, die Patricia Fumerton für die englische Miniaturmalerei und das Sonett aufgedeckt hat, nämlich daß in beiden Genres das „Herz" metaphorisch und wörtlich im Mittelpunkt steht. Betrachtet man das bekannte Bild Hilliards Young Man among Roses (ca. 1587— 1588), dann wird der Blick des Betrachters von der ornamentalen Oberfläche des Rosenbusches über die des Mantels und der Weste des jungen Mannes in Richtung der Hand gelenkt, die über dem Herzen liegt (vgl. Abbildung 16). 37 Shakespeare geht analog dazu vor, indem er im Sonett 24 und den zwei verwandten Gedichten 46 und 47 ebenfalls visuelle Repräsentation mit dem privaten „Raum" des Herzens verbindet. Die Wechselwirkung zwischen Maler/Autor und Betrachter/Leser, die eine Art doppelte Projektion darstellt, zeichnet das Sonett 24 besonders aus. Das Bild der Frau befindet sich „in" der Brust des Ich-Erzählers, wobei aber dieses Bild durch die Augen der Frau, d. h. durch ihre Person hindurch erfahrbar wird. Es handelt sich also nicht um eine mimetischgeometrische Repräsentationsstruktur, wie sie Alberti und seine Anhänger propagieren, sondern um eine verinnerlichte Projektion des Visuellen auf eine handelnde Person, wobei die Interaktion beider Seiten betont wird, die im albertischen System als reine geometrische Objektivierung des Models gesehen wird. 38 Betrachtet man zum Beispiel die an Dürer orientierten Illustrationen zur englischen Ubersetzung von Richard Haydocke des Traktats von Lomazzo, tritt diese geometrisch objektivierende Komponente an die Oberfläche (vgl. Abbildung 17). 39 Ganz anders als Dürer und Alberti - also analog zum interaktiven Modell Shakespeares - sieht Nicholas Hilliard die Repräsentation von Personen in der Malerei. Die Passage aus Hilliards The Art of Limning vermittelt einen erotisierenden, an Shakespeares Sonett erinnernden Effekt.
37
38
39
Nicholas Hilliard, Young Man Against Roses (ca. 1587-1588), Victoria & Albert Museum, London. Auch der Verweis auf "perspective it is best painter's art" in Shakespeares Sonett scheint diese Doppeldeutigkeit zu unterstreichen. Da Shakespeare den Begriff "perspective" in Richard II im Sinne von bifokalen oder anamorphotischen Bildern einsetzt, die zwei Standpunkte oder Betrachter benötigen, könnte es sein, daß Shakespeare hier ebenfalls auf dieses Genre der Renaissance-Malerei zurückgreift, um die Zentralperspektive in der Repräsentation von Charakteren aufzuheben. Paolo Giovanni Lomazzo, A Trade Containing the Artes of Curious Paintinge, Richard Haydocke (London, 1598) Book 1, p. 36; Newberry Library, Chicago.
trans.
lOJ
[W]ee are all generally commanded to turne awaye ouer eyes frome beauty of humayne shape, least it inflame the mind, howe then [can] the curious drawer wach, and as it [were] catch thosse lovely graces wittye smilings, and thosse stolne glances which sudainely like light[n]ing passe and another Countenance taketh place except hee behould, and very well noate, and Conceit to lyke, soe that he can hardly take them truly, and expresse them well, without an affectionate good Jugment, and without blasting his younge and simpel hart, although (in pleassing admiration) he be very serious, bussied, so hard a matter he hath in hand, calling thosse graces one b y one to theire due places, notinge howe in smilling howe the eye changeth and naroweth, houlding the sight just between the lides as a center, howe the mouth alittel extendeth, both ends of the line upwards, the Cheekes rayse themselves to the eyewards, the nosterels play and are more open, the vaines in the tempel appeare more and the cullour b y degrees increaseth, the necke commonly erecteth it selfe, the eye browes make the straighter arches, and the forhead casteth it selfe in to a plaine as it wear for peace and love to walke uppon [...]. (Art
23)
Clark Hülse (1990) weist überzeugend darauf hin, daß es sich bei Hilliards Repräsentationsvorstellung um eine offensichtliche Negierung des albertischen bzw. dürerschen geometrisch objektivierenden Modells handelt. Patricia Fumerton wiederum legt dar, daß sich Sonett und Miniatur in ihrem Charakter ähneln: beide sind eigentlich nicht zur öffentlichen „Publikation," sondern zur Aufbewahrung im intimen Bereich des Schlafzimmers bzw. in der Nähe des Herzens gedacht. In Shakespeares Sonett 24 fallen die integralen Charakteristika dieser beiden elisabethanischen Genres und Medien zusammen. Wie bereits ausführlich gezeigt wurde, konzentrieren sich beide Gattungen auf Personen und nicht auf Historien. In der Darstellung der Personen wiederum steht nicht die mimetisch perspektivische Repräsentation des äußeren Erscheinungsbildes im Mittelpunkt, sondern der Charakter. Dieser wiederum kann nur über das „Herz" des Autors/Malers in der bewegten Interaktion mit dem Modell erfahrbar gemacht werden, wie die obige ausführliche Passage aus Nicholas Hilliards Traktat gezeigt hat. Viele Aspekte, die in diesem Kapitel über Sidney angerissen wurden, tauchen in Shakespeares Sonett 24 wieder auf. Zu nennen ist einmal die Tendenz zur Verinnerlichung, die sich sowohl in Sidneys physiologischen Wahrnehmungsbeschreibungen als auch in seinem Konzept des Poeten als „Macher" findet, der seine inneren Vorstellungen in der Kunst abbildet. Auch die Gegenüberstellung des öffentlichen und privaten Charakters der Malerei klingt in diesem Gedicht an, das wiederum in der 106
letzten erwähnten Ekphrase von The New Arcadia berührt wird. Diese Teilaspekte reflektieren alle einen wichtigen Grundzug elisabethanischer Repräsentationstheorie, der gerade bei Sidney und Hilliard reiche Ausformung erfährt. Bei beiden steht in Theorie als auch in künstlerischer Praxis Porträtmalerei oder anders ausgedrückt Personendarstellung im Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Wie die Analyse von Sidneys Porträts im Triumphzug des Phalantus gezeigt hat, werden hier anhand von Ekphrasen Probleme der Personendarstellung diskutiert, die auch in Hilliards theoretischen Überlegungen sowie in seinen Bildern nachzuzeichnen sind. Das letzte Beispiel des Sonetts berührt zwar nochmals repräsentationstheoretische Fragen, die auch für Sidney und Hilliard zentralen Stellenwert besitzen, leitet aber vor allem durch seine bewußte Projektion des Visuellen auf eine handelnde Person zu Shakespeares Einsatz des Bildlichen im letzten Kapitel über. Bevor aber auf Shakespeares Ekphrasen näher eingegangen wird, sollen noch John Lylys verschlüsselte und weniger bekannte Reflexionen zum Repräsentationsverständnis näher betrachtet werden.
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VIERTES KAPITEL
Die Schatten der Rhetorik in John Lylys Euphuism: Literarischer chiaroscuro und die elisabethanische Ästhetik der Umrisse Zu den frühesten und zugleich reichsten Quellen für Verweise auf Malerei in der englischen Renaissance-Literatur zählen die Werke John Lylys aus den 70er und 80er Jahren des 16. Jahrhunderts. Lylys Stellung als historisch wichtige Figur in der englischen Literaturgeschichte beruht jedoch nicht auf seinem Einsatz von Malerei, sondern vielmehr auf seinem eigenwilligen Prosastil. Es scheint daher angebracht, diese beiden bisher getrennt betrachteten Aspekte seines Werkes in Verbindung zu stellen und zu zeigen, daß formale Merkmale seines Stils und inhaltliche Anspielungen auf Malerei nicht nur in direkter Wechselwirkung zu einander stehen und sich gegenseitig bedingen, sondern auch Grundfragen der elisabethanischen Repräsentationskonzeption spiegeln. Im Folgenden werden die Grundmerkmale von John Lylys Stil kurz vorgestellt und parallel zu einigen seiner zentralen Aussagen zur Malerei in den beiden Euphues-Romanen sowie seinem Drama Campaspe gelesen. Es zeigt sich, daß sowohl sein literarischer Stil als auch seine Verweise auf Malerei um ein Strukturprinzip kreisen, das in der Kunstgeschichte als chiaroscuro bezeichnet wird. Ein Großteil dieser Mechanismen kann mit Hilfe einer Ekphrase am Ende von Euphues and His England zusammenfassend in Perspektive gesetzt werden. Dabei wird deutlich, daß Lylys Verweise auf die bildende Kunst über sein Werk hinaus Verbindungen zu zeitgenössischen Phänomenen wie Ramismus, Tudor-Architektur oder der Gattung des Emblems implizieren. John Lyly (1554-1609), der Enkel des bekannten Grammatikers William Lyly, zählt zu den illustren und gebildeten Personen im Umfeld des englischen Hofs. Ist auch der Einfluß John Lylys, dessen Name heute im Schatten von Sidney, Spenser und Shakespeare steht, auf die englische Literaturgeschichte nicht von ebenso zentraler Bedeutung, hat Lyly dennoch für das ausgehende 16. Jahrhundert mit seinen Euphues-Komzntn 108
eine beachtliche Popularität erlangt. Dieter Mehl trifft die herrschende Meinung in der Lyly-Forschung sehr gut, wenn er über John Lylys Werk meint, daß es „heute wohl nur noch den Historiker anspricht und [... seine] sprachliche Exuberanz dem heutigen Leser meist nur in der komischen Übersteigerung bekannt wird, mit der sie in Shakespeares frühen Komödien parodiert wird". 1 John Lylys Einfluß liegt vor allem im Bereich der Stilistik, die für die Sprache seiner zwei bekannten Prosatexte Eupbues: The Anatomy of Wyt (1578) und Euphues and His England (1580) den Begriff „Euphuism" prägte. Der Terminus geht bereits auf Gabriel Harveys Tour Letters and Certaine Sonnets Touching Robert Greene (1592) zurück,2 die ausführlichsten Auseinandersetzungen mit Lylys Stil finden sich aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Umfeld der an Einfluß gewinnenden Stilistik.3 Der simple Plot seiner beiden Prosa-Romanzen hat wenig Einfluß auf die im folgenden versuchte Erklärung von Lylys Stil und kann daher in wenigen Worten wiedergegeben werden. Euphues: The Anatomy of Wit ist eine autobiographisch angehauchte Geschichte über die Erlebnisse des athenischen Jünglings Euphues in Neapel, der die Zuneigung von Lucilla, der Verlobten seines Freundes Philautus, gewinnt. Die beiden Freunde treten darüber in einen ausführlichen und heftigen Briefkontakt, versöhnen sich aber wieder, nachdem sich Lucilla schlußendlich für einen dritten Werber entschieden hat. In der zwei Jahre später folgenden Fortsetzung Euphues and His England schiffen sich Philautus und Euphues von Neapel 1
Dieter Mehl, Der englische Roman bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Düsseldorf: August Bagel, 1977) 1 8 - 1 9 . Mehl paraphrasiert hier stehende Wendungen der älteren Literatur, daß Lylys Bedeutung eher in seinem Einfluß auf spätere Autoren als in der Qualität seiner Werke an sich liegt. Vgl. dazu die Einleitung zu J. Dover Wilson, John Lyly (Cambridge: Macmillan and Bowes, 1905) und Albert Feuillerat, John Lyly: Contribution a l'Histoire de la Renaissance en Angleterre (Cambridge: Cambridge University Press, 1910). Auch die neuere Literatur sieht sich mit diesem Topos in der traditionellen LylyForschung konfrontiert und versteht sich teilweise als Versuch einer Rehabilitation Lylys im Sinne eines eigenständigen Phänomens, das auch losgelöst von seinem Einfluß auf die spätere Literaturgeschichte ein legitimes Objekt darstellt. Vgl. hierzu G . K. Hunter, John Lyly: The Humanist as Courtier (Cambridge: Harvard University Press, 1962) vii.
2
Harvey schreibt dort: "What hee is improved since excepting his good ols Flores Poetarum, and Tarleton's surmounting rhetoric, with a little Euphuism, and Greeness enough which were all prettily stale before he put hand to pen." Sir E. Bridges, Archaica, vol. 2 (London, 1815) 29; zitiert nach Clarence Griffin Child, John Lyly and Euphuism, Münchner Beiträge zur Romanischen und Englischen Philologie, vol. 8 (Erlangen, Leipzig: A. Deichert'sche Verlagsbuchhandlung, 1894) 10. Zum Euphuism allgemein vgl. "Essay on Euphues and Euphuism" in der Gesamtausgabe John Lyly, The Complete Workes of John Lyly, ed. R. Warwick Bond, vol. 1 (Oxford: Clarendon Press, 1902) 1 1 9 - 1 7 5 . Alle Zitate aus Lylys Werken folgen Bonds dreibändiger Ausgabe.
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nach Dover ein und gelangen über Canterbury an den Hof in London, wo sich Philautus in Camilla verliebt, die seine Liebe trotz zahlreicher Briefe nicht erwidert. Euphues verfaßt das Traktat "Euphues' Glas of England," das sich weitgehend an einer zeitgenössischen Beschreibung Englands orientiert. Anschließend findet sich eine mehrseitige Ekphrase eines „Porträts" der Königin Elizabeth, das noch gesondert besprochen wird. Bevor den offensichtlichen Verweisen auf bildende Kunst bei John Lyly genauer nachgegangen wird, ist es notwendig, Lylys Stil kurz zu umreißen. Am Beginn unseres Jahrhunderts beschreibt Morris William Croll Lylys Stil als "a vocal, or oral, pattern," dessen andere Eigenschaften "such as the use of antithesis, and the constant use of simile, are only means by which the Euphuist effects his various devices of sounddesign."4 Wie dieses Zitat deutlich zeigt, liegt bei den älteren Stilanalysen von Lylys Prosa das Hauptaugenmerk auf den klanglichen Komponenten wie der Alliteration, denen andere Aspekte wie zum Beispiel die Antithese untergeordnet sind. Die Alliteration ist bei Lyly recht konventionell eingesetzt, oder wie Bond es ausdrückt: "Simple, where the same letter or sound is used as the initial of several words in succession or near neighbourhood, and sometimes as the initial of an interior syllable in such word." Bereits im Anfangssatz der Widmung zu Euphues and His England taucht Alliteration als ein zentrales stilistisches Merkmal mit dem Thema Malerei gekoppelt auf. "The first picture that Phydias the first Paynter shadowed was the portraiture of his own person" (II, 3; meine Hervorhebung). Interessanter als die traditionell verwendete Alliteration scheint aus der Perspektive der Wort-Bild-Forschung aber die in der älteren Literatur als untergeordnet gesehene Antithese in Lylys Stil, über die Bond sagt: Antithesis,
w h i c h as regards f o r m might usually be called Parallelism, is s h o w n
in the opposition of w o r d s and of ideas in sentences balanced against each other; w h e r e v e r y o f t e n two, three, or all the w o r d s are parallel in position and grammatical function, substantive answering to substantive, adjective to adjective, verb to verb, adverb to adverb, & c . [ . . . ] O f course not every sentence in a period exhibits it; and further, w h e r e it occurs, it varies in the extent to w h i c h it is carried in a n y sentence or clause, and in the number of sentences or clauses through w h i c h it is kept up - sometimes there are two, sometimes three or more, sometimes several pairs. Sense may be parallel or antithetic:
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Morris William Croll and Harry demons, eds., Euphues: The Anatomy of Wit and Euphues and his England (1916) (New York: Russell & Russell, 1964) xv-xvi.
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generally a sentence or clause composed of two members of antithetic sense will be paralleled by a second, perhaps also a third sentence or clause composed of two members of similar antithetic sense. (I, I 2 0 - I 2 I ) 5
Die Antithese ist natürlich keine Erfindung Lylys, sondern gehört zu den Standardfiguren, die zum Beispiel in George Puttenhams The Arte of English Poesie unter dem Begriff „antitheton" als Ornament-Figur klassifiziert wird. 6 Bemerkenswert ist aber die Art und Häufigkeit mit der Lyly diese Figur einsetzt und unter anderem mit Alliteration kombiniert, wie in dem Beispiel: "least trusting their out ward ialke, he be betrayed with their inward frechery" (I, 241). Wie das letze Zitat zeigt, kommt es zu Uberlagerungen beider Elemente, indem Alliteration bzw. Assonanz und Antithese miteinander verwoben werden. "Out ward" - "inward" und "trusting" - "betrayed" vereinen sowohl antithetische Opposition auf der inhaltlichen Ebene als auch alliterierende Wiederholung eines Buchstabens auf formaler Ebene. Die hier vorgestellten stilistischen Merkmale können natürlich nur in gröbster Vereinfachung die im 19. Jahrhundert aufgestellten komplexen Taxonomien andeuten, zu denen Child und Landmann detaillierte und formelhafte Aufstellungen unterschiedlicher Variationsmöglichkeiten geben. Es soll aber nicht bei der bereits im 19. Jahrhundert ausführlich geführten, rein stilistischen Diskussion stehen geblieben werden, sondern vor allem Lylys Konzept der Antithese weiter nachgegangen werden, das oft nur als subalternes Strukturmerkmal einer auf Klangeffekte hin orientierten Prosa gesehen wurde. Schon Friedrich Landmann, dessen Disser-
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Als eines der Beispiele gibt Bond ( 1 2 1 ) folgende Passage aus Euphues and his England: "To loue and to lyve well is wished of many, but incident to fewe. To live and to loue well is incident to fewe, but indifferent to all. To loue without reason is an argument of lust, to lyue without loue, a token of folly. The measure of loue is to haue no meane, the end to be euerlasting" (II, 52, 20-24). Ye haue another figure very pleasant and fit for amplification, which to answer the Greeke terme, we may call the encounter, but following the Latine name by reason of his contentious nature, we my call him the Quarreller, for so be al such persons as delight in taking the contrary part of whatsoeuer shalbe spoken: when I was a scholler at Oxford they called euery such one Iohannes ad opposition. [...] Or as it is in the two verses where one speaking of Cupids bowe, deciphered thereby the nature of sensual loue, whose beginning is more pleasant than the end, thus allegorically and by antitheton. His bent is sweet, his loofe is somewhat sowre, In toy begunne, ends oft in wofull howre. George Puttenham, The Arte of English Poesie (London: Richard Field, 1589) (Amsterdam, N e w York: Da Capo Press, 1971) 175.
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tation einen grundlegenden Beitrag zum Euphuism darstellt,7 hat in seiner Eupbues-Ausgabe von 1887 im Vorwort festgestellt, daß sich Lylys antithetischer Stil nicht nur auf der Ebene von gegensätzlichen Begriffen nach dem obigen Muster "many - few" oder "inward - outward" bewegt, sondern auch auf der Satzebene nachgezeichnet werden kann: It is the grammatical structure, the syntax, that strikes our eyes [...]. We here have the most elaborate antithesis not only of well-balanced sentences, but also of words, often even syllables. L y l y is avers to plain single sentences, he prefers twin phrases, parallel clauses either in juxta-position or in antithesis. Even when he uses a single sentence, he opposes the words withing this clause to each other. When w e find a principal and a subordinate clause w e may be sure that two, three or all of the words of the former are opposed to an equal number in the latter. Most of Lylys clauses are formed upon this system. 8
Interessant an Landmanns Analyse ist die globale Stellung, die dem Prinzip der Antithese in Lylys Stil zugeschrieben wird, wobei dieses Formprinzip von der elementaren Silbenebene bis in die komplexe Satzstruktur analog nachgezeichnet wird. In seiner Betonung des Antithetischen im Euphuismus schwächt Landmann die Privilegierung des klanglichen Elementes etwas ab, ist aber dennoch weitgehend der stilistischen Selbstzweckdebatte des vorigen Jahrhunderts verpflichtet. Diese Sichtweise wird in den Fünfziger)ahren des 20. Jahrhunderts durch Jonas A. Barishs Aufsatz "The Prose Style of John Lyly" revidiert und in eine über die immanente Stilistik hinausweisende Argumentationslinie gestellt.9 Barish zweifelt grundsätzlich die gerade in der Renaissance-Rhetorik propagierte Differenzierung zwischen "figures of thought" und "figures of sound" (15) an und meint, daß "[t]his distinction, which drives a wedge between style and content, and treats them as though they enjoyed separate and independent existence, if it interferes even with objective descriptions of style, interferes still more with any effort to get at the heart of a writer's artistic universe" ( 1 5 - 1 6 ) . 1 0 Der in 7
Friedrich Landmann, Der Eupuismus: Sein Wesen, seine Quellen, seine Geschichte &c. (Giessen: Dissertation, 1881). 8 John Lyly, The Anatomy of Wit, Friedrich Landmann, ed., Englische Sprach- und Literaturdenkmale des 16., 17., und 18. Jahrhunderts (Heilbronn: Verlag von Gebr. Henninger, 1887) xv. ' Jonas A. Barish, "The Prose Style of John Lyly," ELH 23.1 (1956): 1 4 - 3 5 . IC Child argumentiert zum Beipiel, "that Euphuism busied itself with form only. It exercised almost no effect upon the character of quality of the content. [...] A practical consequence of this is that we are to look for its effects, temporary or enduring, only in the matter of form" ( 1 0 1 - 1 0 2 ) . Vgl. dazu auch Shimon Sandbank, "Euphuistic Symmetry and the Image," Studies in English Literature 1 1 (1971): 14.
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diesem Kapitel angestrebte Versuch, inhaltliche Verweise auf Malerei und Lylys formalen Stil als sich gegenseitig bedingende und nicht von einander trennbare Strategien zu erklären, folgt analogen Annahmen wie Barishs Aufsatz, der sich zwar nicht auf Malerei bezieht, aber ebenfalls Inhalt und Stil in Wechselwirkung stellt. Barish geht sogar soweit, daß er Lylys Stil nicht nur als Zugang zu seinem Werk, sondern auch als Schlüssel seiner allgemeinen Weltsicht erachtet, indem er Euphuism als "an instrument of thought whereby Lyly apprehends the world and from which he cannot escape" (i 6) bezeichnet. Barish legt auf überzeugende Art dar, daß es sich bei der Antithese um ein grundlegend strukturierendes Prinzip in Lylys Denken und literarischem Schaffen handelt, das sowohl in der Prosa als auch in den Dramen zu finden ist. 11 Zusammenfassend kann man also John Lylys Stil vor allem auf das Prinzip antithetischer Oppositionen zurückführen, die sich von der Wort- bis zur Satzebene nachzeichnen lassen, wobei diese symmetrischen Kontraste durch alliterierende Wiederaufnahmen auf der Buchstabenebene hervorgehoben werden. Es stellt sich nun die Frage, auf welche Art und Weise Lylys antithetischer Stil und seine ständigen Verweise auf Malerei in seinen Werken in Wechselwirkung zueinander stehen. Die Verwurzelung Lylys in der Malerei ist schon mehrmals betont worden. So schreibt Lucy Gent treffend, daß Anekdoten über Malerei "can occasionally be found in English before 1578, it seems to have been Lyly who, using Plinys account of painting as a kind of source, popularized painterly allusions and conceits". 12 Gent geht sogar (unbewußt) so weit, daß sie eine Verbindung von Lylys Stil und seinem Einsatz von anekdotischen Hinweisen auf Malerei zieht: 11
Führt man diesen Ansatz wie Jonas Barish konsequent weiter, muß die in der einschlägigen Literatur gemachte Beschränkung des Euphuismus auf die Prosa als wenig stichhaltig zurückgewiesen werden. So kommt Barish zum Schluß, daß "[...] nothing has been said up to this point of the style of Euphues and Euphues and His England that could not be said with equal justice of the style of the plays" (27). Gerade die ältere Literatur hatte Lylys Stil anhand der Klangfiguren gesehen und aufgrund des Fehlens dieser Charakteristika in den Dramen für "two separate (though related) styles" (Barish, 27) argumentiert. Diese Dichotomie wird jedoch obsolet, sobald man die Antithese als zentales Stilmerkmal akzeptiert, da sich dann zeigt, daß auch in den Dramen antithetische Konstruktionen nach dem Muster " A heat full of coldness, a sweet full of bitternesse, a paine ful of pleasantnesse" (Gallathea, I.II, 1 6 - 1 7 ) finden. Bereits Child argumentierte gegen die Behauptung, daß sich Euphuism vornehmlich auf die beiden Romanzen Lylys beschränkt und sagt z. B. über das Prosastück Campaspe. "Both Prologues and both Epilogues are in the highest degree Euphuistic in style [...]. The Euphuism of the dialogue is throughout precisely that of the romances" (91).
12
Lucy Gent, Pictures and Poetry 1)60-1620: Relations Between Literature and the Visual Arts in English Renaissance (Lemington Spa: James Hall, 1981) 34.
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" [OJrnamentation of Pliny's kind of anecdote is [...] becoming an indispensible part of Lyly's witty and courtly style" (34). Leider führt Gent nicht näher aus, worin die eigentliche Verbindung von Lylys inhaltlichen Verweisen auf die Malerei und den formalen Merkmalen seines "style" liegt. Diese Wechselwirkung von Wort und Bild tritt besonders in den Vorworten zu seinen Werken an die Oberfläche. Lyly beginnt zum Beispiel die Widmung in Euphues: The Anatomy of Wit an Lord Delaware mit einer Aufzählung von visuellen Abbildungen, in denen auch unschöne Dinge im Sinne einer realistischen Repräsentation miteinbezogen werden. Parativs drawing the counterfaite of Helen [...] made the attier of hir head loose, who being demaunded why he dyd so, he aunswered, she was loose. Vulcan was painted curiously, yet with a polt foote. Venus cunningly, yet with hir Mole. [...] The fairest Leopard is sette downe with his spots, the swetest Rose with his prickles, the finest Veluet with his bracke. Seing that in euery counterfaite as well the blemish as the hewtie is coloured: I hope I shal not incur the displeasure of the wise, in that the discourse of Eupheus I haue aswel touched the vanities of his loue, as the vertues of his lyfe. {Euphues, I, 179; meine Hervorhebungen)
Oberflächlich betrachtet zieht Lyly hier eine Verbindung zwischen seiner eigenen verbalen Repräsentationspraxis und dem Abbildungsverständnis der bildenden Künstler, wobei er für einen Realismus eintritt, der in der Wahl der Objekte keinen Unterschied zwischen ästhetischen und unästhetischen Elementen macht. In Lylys eigenen Worten heißt dies, daß sowohl "blemish" als auch "bewtie is coloured" (Euphues, I, 179). "For as euery Paynter that shadoweth a man in all parts, giueth euery peece his iust proporcion, so he that disciphereth the qualities of the mynde, ought aswell to shew euery humor in his kinde, as the other doth every part in his colour" (I, 180). Lylys Euphues, das wie sein Untertitel The Anatomy of Wyt andeutet, eine Analyse des "mynde" im Sinn von „zerlegen" versucht, sieht sich für positive als auch negative Elemente des darzustellenden Objektes veranwortlich. Die hier von Lyly angedeuteten Gegenüberstellungen von gegensätzlichen Prinzipien in Gemälden ("curiously" - "polt foot;" "cunningly" "Mole;" "fairest" - "spots;" "swetest" - "prickles;" "Veluet" - "bracke;" "blemish" - "bewtie") sind nicht nur inhaltlich in Analogie zu seiner eigenen Schreibpraxis ("in that the discourse of Eupheus") zu verstehen, sondern stellen gleichzeitig auch eines der formal-stilistischen Grundmerkmale des „Euphuismus," d.h. der Antithese dar. Gegen Ende der Widmung, nachdem Lyly explizit auf seinen "stile" (I, 180, 36) eingegangen ist, zieht er eine neuerliche Verbindung zur Malerei und wirft damit 114
im wahrsten Sinne des Wortes etwas „Licht" auf seinen Stil. Die folgenden Zitate aus Euphues: Anatomy of Wyt, in denen Schwarz-Weiß-Kontraste zum zentralen Prinzip erhoben werden, lassen Lylys antithetischen Stil im Kontext des malerischen Hell-Dunkel-Prinzips bzw. chiaroscuro erscheinen. "We commonly see that a black ground doth best beseme a white counterfeit" (I, 181, 8-9). "[Cjunning Painters who for the whitest woorke caste the blackest grounde, to make the Picture more amiable" (I, 187, 3 2 - 3 3 ) . "[A]s cunninge Painters [...] had caste a blacke grounde for their white woorke, that is, they had mixed threates wyth faire lookes." (I, 188, 1 - 6 ) . Analoge Aussagen finden sich auch in Euphues and his England. "[W]hite and blacke are commonly in one border" (II, 14, 3). [W]hen Adam woed there was no pollycie, but playn dealyng, no colours but black 8c white. Affection was measured by faith not by fancie" (II, 1 2 1 , 1 0 - 1 3 ) . Hier zeigt sich am deutlichsten, daß Lyly seinen antithetischen Stil und die Hell-Dunkel-Malerei bzw. den sogenannten chiaroscuro in der bildenden Kunst als analoge Techniken betrachtet. Der Begriff chiaroscuro in der Kunstgeschichte ist amorph und umfaßt eine Reihe von heterogenen Phänomenen, läßt sich aber grundsätzlich auf die Opposition von Hell-Dunkel in der Malerei zurückführen. Es ist hier nicht der Ort, in die „Grauzonen" dieses Begriffs vorzudringen, zumal der Terminus in England relativ spät, d. h. wahrscheinlich erst nach Lyly eingeführt wurde. 13 Das Prinzip an sich bzw. Vorstellungen über das Prinzip finden sich in England aber bereits im 16. Jahrhundert. Die Auffassung, daß Färb- bzw. Hell-Dunkel-Kontraste zur Erzeugung einer plastischen Tiefenwirkung ähnlich der Zentral-Perspektive dienen können, geht auf antike Vorstellungen zurück, wie eine Passage aus dem spätantiken Kommentar zu Aristoteles' Metereologica des Philoponos zeigt: If you put white and black upon the same surface and then look at it from a distance, the white will always seem much nearer and the black further off. Hence when painters want something to look hollow, such as a well, a cistern, a ditch or cave, they colour it black or brown. But when they want something to look prominent, such as the breasts of a girl, an outstretched hand, or the legs of a horse, they lay black on the adjoining areas in order that these will seem to recede and the parts between them will seem to come forward. 1 4 13
Das OED nennt William Aglionby, Painting Illustrated in Three Dialogues von 1685 als erste englische Belegstelle; die erste mir bekannte Nennung findet sich aber im Einleitungsparagaph von Edward Norgate, Miniatura or the Art of Limning, ed. Martin Hardie (Oxford: Clarendon Press, 1919) 5, das um 1650 entstanden sein dürfte. "4 Commentaria in Aristotelem Graeca (Berlin, 1900) X I , i, p. 73. Ubersetzung aus E. H. Gombrich, "The Heritage of Apelles," Gombrich on the Renaissance, vol. 3 (London: Phaidon Press, 1976) 5.
" 5
Daß das Hell-Dunkel-Konzept bereits in der Antike von der Malerei auf die Literatur übertragen wurde, beweist eine Stelle in dem Longinus zugeschriebenen literaturtheoretischen Traktat Über das Erhabene-. We see something of the same kind in painting. Though the high lights and shadows lie side by side in the same plane, yet the high lights spring to the eye and seem not only to stand out but to be actually much nearer. So it is in writing.1®
Longinus' Abhandlung, die zusammen mit Horazs Ars Poetica zu den wichtigsten römischen Texten der Literaturtheorie gehört, ist vom Ansatz her stilorientiert und daher in Hinblick auf Lylys Euphuism relevant. Auch Alberti bezieht sich im zweiten Buch von De Pictura auf das Prinzip des Hell-Dunkel-Konstrasts und setzt es im Sinne einer Möglichkeit zur Erzeugung einer Reliefwirkung ein, wenn er meint "knowing how to use black and white [...] is worth all your study [...] because light and shade make things appear in relief. Thus white and black make painted things appear in relief." 16 Der Grund, warum John Lyly ständig auf Malerei bzw. den Begriff "shadowing" verweist, liegt wohl darin, daß er in seiner Schreibpraxis und seinem Stil eine verbale Umsetzung malerischer Techniken im Allgemeinen und wie hier argumentiert wird, des chiaroscuro im Speziellen, sieht. N u r so ist die Tatsache zu erklären, daß zum Beispiel die Vorworte zu beiden Prosawerken mit Analogien zur bildenden Kunst beginnen. A u f den Einsatz von "shadowing" in der elisabethanischen Malerei und der Literatur hat ebenfalls Lucy Gent hingewiesen, ohne jedoch weitere Schlüsse zu ziehen oder konkrete Beispiele zu geben. "[V]erbal contrasts help measure the impact of a new pictorial art which used chiaroscuro and perspective" (21). Gents Betonung der Begriffe "chiaroscuro and perspective" wird der Situation im elisabethanischen England gerecht, da diese beiden Konzepte der Malerei auch zwei der wichtigsten Katalysatoren in der literarischen Innovation dieser Epoche darstellen. Während gerade das Phänomen der malerischen Perspektive in seinem Einfluß auf die Literatur der englischen Renaissance ausführliche Bearbeitung in zum Teil eigenen Buchstudien gefunden hat, ist das "shadowing" hinsichtlich seines Einflusses auf elisabethanische Texte kaum untersucht worden. Dabei sind aber die beiden Dimensionen in der engli' s Longinus, On the Sublime, trans. W. Hamilton F y f e and W. Rhys Roberts (Cambridge: Harvard University Press, 1991) 17, 3 oder p. 187. 16 Leon Battista Alberti, On Painting, trans. John R. Spence (London: Routledge & Kegan Paul, 1956) 82.
Il6
sehen Renaissance grundsätzlich nicht als isolierte Konzepte zu sehen, sondern als sich gegenseitig bedingende Faktoren aufzufassen. Die Wechselwirkung von Perspektive und chiaroscuro im Sinne der Erzeugung einer perspektivischen Tiefenwirkung durch das Helldunkel bzw. "shadowing" ist die eigentliche Innovation, die sowohl englische Künstler als auch Autoren beeindruckte. Insbesondere für die Wort-Bild-Forschung zum elisabethanischen England trifft E. H. Gombrichs allgemein gehaltene kunsthistorische Aussage zu, daß "[w]hile there is a large body of literature on perspective and the rendering of space, the mastery of light has received much less detailed attention." 17 Der Großteil der einschlägigen Literatur nimmt sich der Perspektive als Zugang zur Wechselwirkung der Künste in der englischen Renaissance an, übergeht aber meist diesen zweiten zentralen Bereich des "shadowing", der zugegebenermaßen auch viel schwieriger zu fassen ist. Die terminologische Basis ist verwirrend, da nicht immer eindeutig feststellbar ist, für welchen Teil des Malprozesses der Begriff "shadowing" verwendet wird. Einer der Hauptgründe für den zentralen Stellenwert, den diese amorphen malerischen Konzepte in den literarischen Texten des späten 16. Jahrhundert besitzen, ist sicherlich die weitgehende Unwissenheit über die Funktion dieser Techniken in realen Gemälden des Kontinents, oder wie Lucy Gent es zusammenfaßt: "Englishmen were accustomed to paintings, good or bad, which did not use shadows to create the illusion of reality" (29). Es kann daher gerade das Unbekannte und Mysteriöse an dieser vom Hörensagen bekannten Technik das Interesse von Dichtern beflügelt haben. Die Übertragung des chiaroscuro-Prinzips auf den literarischen Stil ist in keiner Weise auf John Lyly beschränkt, wenngleich Lyly als der herausragendste Vertreter diese Praxis erscheint. So kann man zum Beispiel Edmund Spensers Einsatz von archaischer Diktion in der "Dedicatory Epistle" zu The Shepheardes Calender (1578), das übrigens im selben Jahr wie Euphues: The Anatomy of Wit erschien, im Sinne des malerischen Helldunkelverfahrens auffassen: [FJraming his words [...] will seeme the straungest, the words them selues being so auncient, the knitting of them so short and intricate, and the whole Periode and compasse of speache so delightsome for the roundnesse, and so grave for the 17
Als eine der wenigen Ausnahmen in der Kunstgeschichte gilt Wolfgang Schöne, Über das Licht in der Malerei (Berlin: Gebr. Mann Verlag, 1956). Neuere Publikationen, die sich dieses Themas annehmen, sind: E. H. Gombrich, Shadows: The Depiction of Cast Shadows in Western Art (London: National Gallery Publications, 1995) und Michael Baxandall, Shadows and Enlightenment (New Haven: Yale University Press, 1995).
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straungenesse. And firste of the wordes to speake, I grount they be something hard, and most men vnused. (7)
Ziel des bewußten Einsatzes archaischer Diktion ist nach Spensers eigenen Aussagen "roundnesse." Wenige Zeilen weiter spezifiziert Spenser diese Aussage, die strukturell an Lylys Einsatz der Antithese im Sinne eines malerischen Kontrasts erinnert. Wie Lyly macht auch Spenser in dieser Erklärung einen Vergleich zur bildenden Kunst. [Y]et nether euery where must old words be stuffed in [...] that as in old buildings it seme disorderly and ruinous. But all as in most exquisite pictures they vse to blaze and portraict not onely the daintie lineaments of beautye, but also rounde about it to shadow the rude thickets and craggy clifts, that by the basenesse of such parts, more excellency may accrew to the principall. (8; meine Hervorhebungen)
Nicht Homogenität, sondern kontrastreiche Gegensätze sind für den ästhetischen Gesamteindruck des Sprach- und Bildkunstwerks erforderlich. Spenser, der dieses Nebeneinander als "disorderly order" bezeichnet, meint, daß "[e]uen so doe those rough and harsh termes enlumine and make more clearly to appeare the brightnesse of braue and glorious words" (8). Die Analogien zum chiaroscuro und zu Lylys Reflexionen über seinen antithetischen Stil sind auffällig. Gerade Spensers Überlegungen, auch negative körperliche Züge in das „Gesamtbild" einer Person zu integrieren, erinnern an Lylys Aussagen im Vorwort zu Euphues über ein Bild, das "Venus cunningly, yet with her Mole" (I, 179) darstellt. Spenser schreibt auf ähnliche Weise: "[S]o great delight tooke the worthy Poete Alceus to behold a blemish in ioynt of a wel shaped body" (8). Spenser dehnt dieses Strukturprinzip auch auf andere Künste wie Musik aus, wenn er meint: "So oftentimes a dischorde in Musick maketh a comely concordaunce" (8). Dieser chiaroscuro von Kontrastierendem findet sich auch in Sidneys Sonette 7 von Astrophil and Stella: "When Nature made her chiefe worke, Stellas's eyes, / In colour blacke, why wrapt she becames so bright? / Would she in beamie blacke, like painter wise, / Frame daintiest lustre, mixed of shades and light?" 18 Die Liste der zahllosen Hinweise auf "shadowing" im Sinne des italienischen chiaroscuro ist keineswegs vollständig, da es in einer Vielzahl von Texten des ausgehenden 16. Jahrhunderts in der einen oder anderen Form 18
L u c y G e n t (26), die diese Passage ebenfalls zitiert, bezeichnet diesen U m g a n g mit H e l l D u n k e l als " s t o c k E l i z a b e t h a n c o n c e i t " u n d f ü h r t ihn auf A u s s a g e n i m z w e i t e n B u c h v o n Albertis
Il8
De pictura
zurück.
als stehende Wendung auftaucht. Spensers "Dedicatory Epistle" und vor allem Lylys Vorworte sind insofern eine Ausnahme, da hier der chiaroscuro zum Stilmittel für den nachfolgenden Text erhoben wird. Es ist zwar eher unwahrscheinlich, daß die Autoren und Künstler des späten 16. Jahrhunderts mit dem Terminus chiaroscuro vertraut waren, dafür kannten sie mit großer Wahrscheinlichkeit das Prinzip an sich. Noch Mitte des 17. Jahrhunderts nennt Eward Norgate in Miniatura or the Art of Limning, " ChiarOscuro, a Species of Limning frequent in Italy but a stranger in England" (5). Außer diesem Verweis auf der Eingangsseite, widmet Norgate später in seinem Traktat dem Phänomen des chiaroscuro einen längeren Abschnitt: A s concerning Chiar oscuro, which [...] [in] England [...] is a strange name and thing, but in Italy very frequent both in oyle and Lymning [...]. The w o r d itselfe signifies nothing else but light and darke, or, if y o u will, cleare and obscure, sunshine and shadow.
(60-61) Norgate argumentiert weiters, daß in Italien der Begriff chiaroscuro für illusionistische, trompe l'oeil-ähnliche architektonische Fassaden herangezogen wird: "to addorne the outsides of their Pallaces [...] done only on a flat Colour" (61). Norgates Definition von chiaroscuro korrespondiert mit Lylys Einsatz der Antithese, und Norgates Verweis auf illusionistische Abbildungen berührt wichtige Aspekte von Lylys antithetischem Stil. Auch eines der wichtigsten Motive Lylys, nämlich die Gegensätzlichkeit von Innen und Außen, Sein und Schein bzw. das Zusammenfallen von Widersprüchen in einem Objekt oder einer Person, die er oft anhand von Analogien zur Kunst erläutert, läßt sich ebenfalls über das HellDunkel-Prinzip erklären. Es handelt sich hierbei um Lylys Auffassung, daß in jeglicher Repräsentation Innen nicht gleich Außen ist bzw. das Sichtbare nicht alles Vorhandene zeigen kann. So beginnt zum Beispiel der "Prologue at the Court" des Dramas Campaspe mit dem Satz: "We are ashamed that our birde wich fluttered by twilight seeming a swan, should bee proued a Batte set against the sunne" (II, 316). In analoger Weise argumentiert Hephaistion, der Feldherr Alexander des Großen, in einer umfangreichen Rede im zweiten Akt von Campaspe für den täuschenden Unterschied zwischen Innen und Außen. Als Beispiel verwendet er die von Apelles zu porträtierende Kriegsgefangene Campaspe, die mit ihrer Anmut Alexander in Liebe zu entflammen droht. Hephaistions Rede, die teilweise an die klassische effictio erinnert, in welcher die Schönheit einer Frau gepriesen wird, kehrt jedoch das Lob ständig in sein 119
Gegenteil, wobei meist Innen und Außen oder Schein und Wesenhaftigkeit in Opposition gestellt werden: I, but she is comly in al parts of the body: yea, but she may be crooked in some part of the mind: I but, she is wise, yea, but she is a woman ! Bewty is like the blackberry, which seemeth red, when it is not ripe [...]. Hermyns haue faire skinnes, but fowle liuers; Sepulchres fresh colours, but rotten bones; women fair faces but false heartes. II, 2, 4 5 - 5 7 )
(Campaspe,
Bezeichnend ist auch die Tatsache, daß der Großteil der im Drama Campaspe erwähnten Bilder um das Motiv der Täuschung angelegt sind. Es handelt sich um Gemälde, die Zeus in wechselnder Gestalt als Schwan, goldener Regen oder Stier bei Seitensprüngen mit sterblichen Frauen zeigen. Die dritte Szene im dritten Akt nimmt sich fast zur Gänze dieses Motivs an. Die eigentlichen Beschreibungen gerahmter Bilder im Stück beschränken sich auf katalogartige Aufzählung jener mythologischen Themen, die mit diesen Seitensprüngen des Zeus in Verbindung stehen. Auf Campaspes Frage, welche Gemälde den Tempel der Venus schmükken, antwortet Apelles mit einer Aufzählung: This is Laeda,
whom lone
Vnto whom Iupiter
deceiued in likenes of a swan. [...] This is
came in shape of Amphitrion
cules. [...] This is Danae,
into whose prison Iupiter
and obtained his desire. [...] This is Europa,
Alcmena,
her husband, and begat
Her-
drisled a golden shewre,
whom Iupiter rauished; this Anti-
opa. (Campaspe, III, 3, 1 0 - 2 0 )
Lyly greift hier, wie auch an anderer Stelle, auf einen Topos in der Renaissance-Literatur zurück, der Kunstwerke indirekt mit der Vergewaltigungs- bzw. Täuschungsthematik anhand des Arachne-Minerva-Mythos thematisiert. 19 Die Täuschungen durch Zeus beruhen auf der InnenAußen-Dichotomie oder antithetischen Oppositionen, um einen Begriff aus Lylys Stilistik zu benutzen. Der Gegensatz von Hell und Dunkel in der Malerei bzw. im Stil John Lylys dient nicht nur zur Erzeugung einer Tiefenwirkung oder "roundnesse" wie es Spenser nennt, sondern beinhaltet auch die Möglichkeit der täuschenden Umkehrung. Viele der realen Hell-Dunkel Scheinmalereien wie hervorstehend anmutende Mauersteine, erscheinen, wenn man zum 19
Auch in der vorausgehenden Szene wird auf eben jene Täuschungsthemen verwiesen: "But if he shuld paint Iupiter like a Bui, like a Swan, like an Eagle then must Psyllus with one hand grind colours, and with the other hold the candle" (Campaspe III, 2, 3-5).
I20
Beispiel das Bild umgekehrt hält, als zurücktretend. Gombrich nennt dies "the problem of ambiguity leading to apparent reversal. [...] [W]hat appeared hollow will look solid and what appeared solid will now look hollow." 2 0 In Duccio di Buoninsegnas Le tre Marie alSepolcro (i 308-11) kann man zum Beispiel diesen Effekt an den kassettenförmigen quadratischen Elementen im Sarkophag nachvollziehen (vgl. Abbildung 18).21 Die vertieften Einlassungen, die nur durch Hell-Dunkel-Kontraste suggeriert werden, erscheinen als Erhebungen, wenn man das Bild auf den Kopf stellt. Vieles bisher Gesagte zur Wechselwirkung zwischen dem Konzept des chiaroscuro in der Malerei bzw. Kunsttheorie der englischen Renaissance und John Lylys antithetischem Stil hat sich vornehmlich auf seine Prosatexte bzw. auf die Vorworte zu den Euphues bezogen. 22 Für die Wort-BildForschung allgemein und die hier versuchte Erklärung von Lylys Stil über seine Verweise auf Malerei ist vor allem das Drama Campaspe von Bedeutung. Dieses Stück, das 1583 im Blackfriars und 1684 am Hof aufgeführt wurde, nimmt auf eigenwillige Art eine bei Plinius überlieferte Anekdote aus dem Leben des antiken Malers Apelles als Ausgangspunkt und stellt damit indirekt die Repräsentationsproblematik in den Mittelpunkt der Handlung. 23 Campaspe untermauert ebenfalls die hier vorgeschlagene A r gumentation für eine Verbindung von Lylys Stil und dem cbiaroscuro-Vr'mzip, da Apelles, die Hauptfigur des Stücks, bereits bei Plinius als Erfinder dieses Hell-Dunkel-Verfahrens gesehen wurde. Die Vorlage in Plinius' Historia Naturalis faßt den Inhalt des Dramas Campaspe über Alexander den Großen und seinen Hofmaler Apelles prägnant zusammen: Alexander [...] had such an admiration for the beauty of his favourite mistress, named Pancaspe [Campaspe], that he gave orders that she should be painted in the nude by Apelles, and then discovering that the artist while executing the commission had fallen in love with the woman, he presented her to him [Apelles], greatminded as he was. ( X X X V , 36, 86)
Plinius' anekdotischer Bericht gibt bereits die wichtigsten Aspekte von Lylys Drama wie die Wechselwirkung von persönlicher Charakterstärke 10 21
21
Gombrich (1976, 10). Duccio di Buoninsegna, Le tre Marie al Sepolcro ( 1 3 0 8 - 1 3 1 1 ) , Siena, Opera del D u o m o ; A b b . 64 in Gombrich 1976. Wie bereits erwähnt, wird in den Studien zum Euphuism Lylys Dramen ein von seiner Prosa verschiedener Stil zugeschrieben. Diese Meinung hat bereits die ältere Stilistik zurückgewiesen und vor allem Barish anhand seiner Analyse der Antithese als zentralem Element von Lylys Stil entkräftet. Z u den Aufführungsdaten vgl. E. K. Chambers, " C o u r t Performances before Elizabeth," MLR 2 (1906): 1 - 1 3 .
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und politisch-militärischer Macht in der Person Alexanders bzw. Elizabeths vor.24 Neben diesem für das elisabethanische Publikum sicher dominierenden Aspekt des Stückes besticht das Drama aber gerade aufgrund der zentralen Stellung der Repräsentationsthematik, die über das handlungstragende Element des in Auftrag gegebenen Porträts Campaspes erörtert wird. Campaspe beinhaltet eine Fülle von indirekten Hinweisen auf Malerei und Porträtkunst im England des späten 16. Jahrhunderts. Das Stück stellt natürlich in keiner Weise ein kunsttheoretisches Traktat wie das Hilliards dar, jedoch berührt es viele Punkte, die ebenfalls in einschlägigen Texten von Künstlern behandelt werden. Wieder finden sich die bekannten Unterscheidungen zwischen "cunning", "shadowing" und "colouring";25 es werden aber auch anhand eines Gesprächs Grundfragen der Porträtmalerei berührt26 oder anhand des zweideutigen colour-Begriffs Fragen bezüglich des paragone der Küste nachgegangen.27 Das colour-Motiv, das in Campaspe im Kontext der bildenden Kunst immer wieder thematisiert wird, hat aber gerade für John Lylys Stil besondere Bedeutung. Lyly scheint von seiner Wortkunst zu sprechen, wenn er Apelles im Gespräch mit Alexander darauf hinweisen läßt, daß in einem zeitgemäßen Stil nicht nur die Notwendigkeit der Grundfarben gegeben ist, sondern auch Elemente, die darüber hinausgehen. Auf die Behauptung Alexanders, daß "4. colours are sufficient to shadow any countenance & so it was in the time of Phidias",28 entgegnet Apelles wahrscheinlich als Sprachrohr Lylys: Then had men fewer fancies, & women not so many fauors. For now, if hire of her eie browes be black, yet must the haire of her head be yellowe: the attire of her head must be different from the habit of her body, els must the picture seem like a blason of auncient armorie, not like the sweet delight of new found 24
25
26
27 28
David B. Bevington in "John Lyly and the Queen Elizabeth: Royal Flattery in Campaspe and Sapho and Phao," Renaissance Papers (1966): 5 7 - 6 7 hat auf überzeugende Weise auf die implizierten Analogien zwischen Alexander und Queen Elizabeth sowie Campaspe und Leicester hingewiesen. "Bewty is not so soone shadowed, whose perfection commeth not within the compasse either of cunning or of colour" (Campaspe, II, 3, 1 5 7 - 1 5 8 ) . Auf die Frage Alexanders: "Where doe you first begin, when you drawe any picture?" antwortet Apelles: "The proposition of the face in iust compasse, as I can." Alexander hingegen "would begin with the eie, as a light to all the rest" (Campaspe, III, 4, 7 0 72). Das obige Gespräch zwischen Alexander und Apelles erinnert an Nicholas Hilliards Unterredung mit Sir Philip Sidney über das Wesen der Proportion in der Porträtmalerei. Vgl. unter anderem Campaspe, III, 1, 3 - 4 ; 1, 1 3 - 1 6 ; 3, 49-50; 4, 64-69. Diese Konzept geht auf Plinius Vorstellungen von der historischen Evolution der Malerei zurück.
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amiablenes. F o r as in garden knottes diuersitie of odour make a more sweet sauor, or as in musicke diuers strings cause a more delicate consent, so in painting, the more colours, the better counterfeit, obseruing blacke for a ground, and the rest for grace. (Campaspe
III, 4, 8 6 - 9 6 ; meine Hervorhebungen)
Es kann sehr wohl sein, daß Lyly mit den "4. colours" auf die traditionelle Rhetorik mit ihren Figuren bzw. colores anspielt, denen er in seinem persönlichen Stil neue hinzufügt, die eher auf Kontrasten ("black" "yellow", "different," "diuers" etc.) basieren als auf den Farben bzw. Figuren an sich. Lylys Campaspe über den antiken Maler Apelles läßt sich aber über einen kunstgeschichtlichen Umweg mit der vorausgegangenen Analyse des Hell-Dunkel-Problemkreises in Verbindung setzen. Der Umweg führt über die Ausführungen zur Licht-Schatten-Frage des Kunsthistorikers Ernst Hans Gombrich. 29 Gombrich, der zwar in keiner Weise auf Lyly eingeht, bietet dennoch in seinem Erklärungsversuch einer PliniusAnekdote zum Maler Apelles eine wertvolle Querverbindung für die Analyse von Lylys Einsatz der Malerei. Gombrich (1973, 5) geht von der These aus, "that many of the stories told about Apelles by Pliny can be better understood once we have sharpened our eyes to the problems in the rendering of light." Nach Gombrichs Auffassung gilt Apelles, als der Erfinder der auf Hell-DunkelKontrasten beruhenden Tiefenwirkung in der Malerei. Als Beweis seiner These bietet Gombrich eine neue und wohl bis dato die überzeugendste Erklärung einer Plinius-Anekdote über Apelles (XXXV, 36, 8 1 - 8 3 ) . Apelles malt eine Linie auf ein leere Leinwand im Atelier des Protogenes, der daraufhin eine weitere, feinere Linie über die des Apelles zieht: "he [...] using another colour, drew a still finer line exactly on the top of the first one." Apelles gewinnt diesen eigenwilligen Wettstreit, indem er eine noch feinere Linie über die beiden vorhandenen malt. "[He] cut the lines with another in a third colour, leaving no room for any further display of minute work." Die Anekdote endet mit der Erklärung, daß das Bild vor allem aufgrund seiner "almost invisible lines" [lineas visum effugientes] (XXXV, 36, 83) bewundert wurde. 2
' E. H. Gombrich, "The Heritage of Apelles," Gombrich on the Renaissance, vol. 3 (London: Phaidon Press, 1976) 3 - 1 8 . Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das nachfolgende Kapitel "Light, Form and Texture in Fifteenth-Century painting North and South of the Alps" (19-35), das sich mit den realen Techniken des Heil-Dunkels in der Malerei der Renaissance beschäftigt und damit die schrittweise Wiederbelebung antiker Konzepte dokumentiert.
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Gombrichs sieht diese Anekdote als Parabel über die Erfindung des Einsatzes von Kontrast zur Erzeugung von Räumlichkeit in der Malerei. Gombrich (1976, 15) meint, "that Protogenes, on returning to his studio, could have trumped him by adding a brighter line to give the appearance of modelling through grazing light and make the line stand out somewhat. But Apelles returning once more would have bisected it by an even thinner line that suggested gleam or splendor ... which would have begun to stand out from the panel as by magic." Der von Gombrich beigefügte Rekonstruktionsversuch der Linien untermauert seine Argumentation auf physiologischer Ebene. Auch die Charakterisierung der Linien bei Plinius als "lineas visum effugientes" (XXXV, 36, 83), was wie hier meist als "almost invisible lines" übersetzt wird, kann in der Interpretation Gombrichs (1976, 15) als "lines which appear to recede from sight" gelesen werden, womit die erzeugte Raumwirkung gemeint ist. Es ist nicht notwendig, alle weiteren Details dieser sehr eigenwilligen aber überzeugenden Interpretation Gombrichs darzulegen. Wichtig für die Wort-Bild-Problematik bei John Lyly ist aber der zentrale Stellenwert des Hell-Dunkel-Prinzips in den Anekdoten über Apelles, die als Hauptquellen für Lylys Verweise auf die Malerei dienen und im Fall von Campaspe sogar die Handlung und den Protagonisten bereitstellen.30 Wie diese Beispiele von Verweisen auf Malerei in den Werken Lylys verdeutlichen, scheint Lyly häufig das malerische Prinzip des chiaroscuro zu thematisieren und gleichzeitig in Analogie mit seiner Schreibpraxis zu stellen. Daraus kann man schließen, daß Lylys unkonventioneller antithetischer Stil als literarische Umsetzung des malerischen Hell-Dunkel-Prinzips aufzufassen ist. Interessantes Detail am Rande, das aber nicht nur typisch für Lyly ist, sondern für Reflexionen über Malerei in der Renaissance im Allgemeinen, stellt die Verbindung von Kunst und Täuschung dar, die sich ebenfalls im Kontext von antithetischen Kontrasten erklären läßt. Trotz der Fülle von verstreuten Anspielungen und Hinweisen auf Malerei und Bilder finden sich kaum ausgedehnte ekphrastische BildbeIm Stück Campaspe wird immer wieder ein Venus-Porträt des Apelles erwähnt, das ebenfalls auf Plinius zurückgeht. Plinius meint darüber: "Some persons believe that she [Campaspe] was the model from which the Aphrodite Anadyomene (Rising from the Sea) was painted" ( X X X V , 36, 87). Gombrich sieht auch hier eine Verbindung zum Kontrastprinzip, da das Meisterwerk des Apelles das nasse, glänzende Haar der Venus darstellen mußte. „Die meisten der poetischen Tribute, die diesem verlorengegangenen Meisterwerk gewidmet wurden, erwähnen, daß die Göttin auf dem Bilde ihr nasses Haar auswand. Man kann sich kaum vorstellen, daß diese ohne Zuhilfenahme von splendor, der Darstellung glänzender Lichter auf den fallenden Tropfen, hätte gemalt werden können" (32).
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Schreibungen in den Werken John Lylys. Damit ist Lyly sicherlich keine Ausnahme, sondern bestätigt eher die Regel, daß Ekphrasen, auch wenn sie quantitativ keine dominante Stellung in der Renaissance bzw. in der Literaturgeschichte im Allgemeinen einnehmen, dennoch zentrale Ansichten zur Repräsentations- und Textproblematik einer kulturhistorischen Epoche zusammenfassen können. Das folgende, sehr eigenwillige Beispiel für die relativ umfangreiche Ekphrase aus dem Umfeld des Elizabeth-Porträts aus Lylys Euphues and, His England (1580) berührt unter anderem Grundfragestellungen elisabethanischer Abbildungs- bzw. Textkonzeption aber auch Eigenheiten, die mit Lylys Stil in Verbindung gebracht werden können. Es beginnt mit einem für Lyly typischen, sehr weit ausholenden und verwirrenden Vergleich des Elizabeth-Porträts mit einem „Bild" des antiken Maler Parrhasius. When Alexander
had commaunded that none shoulde paint him but
none carue him but Lysippus, none engraue him but Prigoteles,
Apelles,
Parrhasius
framed a Table squared, euerye w a y twoo hundred foote, which in the borders he trimmed with fresh coulours, and limmed with fine golde, leauing all the other roume with-out knotte or lyne, which talble he presented to
Alexander,
who no ledde meruailing at the bignes, then the barenes, demaunded to what ende he gaue him a frame with-out face, being so naked, and with-out fashion being so great. Parrhasius Alexander,
aunswered him, let it be lawful for Parrhasius,
to shew a Table wherin he would paint Alexander,
vnlawfull, and for others to square Timber, though Lysippus all to cast brasse through Pirgoteles
ingraue it. Alexander
O
if it were not carue it, and for
perceiuing the good
minde of Parrhasius, pardoned his boldnesse, and preferred his arte: yet enquyring w h y hee framed the table so bygge, hee aunswered, that hee thought that frame to be little enough for his Picture, when the whole worlde was to little for his personne, saying that Alexander
must as well bee praysed, as
paynted, and that all his victoryes and vertues, were not for to bee drawne in the Compasse of a Sygnette, but in a field. (II, 204)3'
Lylys Hinweis auf das Monopol in der Produktion der Ikonen des Herrschers spielt auf ein Problem unter der Regierung Königin Elizabeths an. Während die meisten europäischen Königshäuser die Verbreitung der Darstellungen des Monarchen durch einen bestellten Hofmaler kontrollierten, gab das Fehlen dieser Position am Hofe Elizabeths Anlaß zu mehreren Erlässen über die unrechtmäßige Anfertigung von Porträts der Kö31
Diese Passage erinnert in Inhalt und Diktion an die zahlreichen Anekdoten über antike Maler aus Plinius's Naturgeschichte, derer sich Lyly gerne bedient, ist aber in diesem Fall wahrscheinlich eine Erfindung Lylys. 125
nigin. So wurde zum Beispiel 1563 in einer Proklamation festgelegt, daß keine unzureichenden Bilder der Königin angefertigt werden dürfen, bis "some speciall person that shall be by hir allowed shall have first finished a portraicture thereof, after which fynished, hir Majesty will be content that all other payntors, or grauors [...] Shall and maye at ther pleasure follow the sayed patron or first portraictur." 32 Da jedoch nie ein offizieller Hofmaler ernannt wurde, der für die Anfertigung von authorisierten Vorlagen zur Reproduktion von Porträts der Königin zuständig war, kam es unter Elizabeths Herrschaft immer wieder zu großteils erfolglosen Versuchen, die Verteilung der staatlichen Ikonen zu kontrollieren oder zu monopolisieren. Hinweise darauf finden sich in den Vorworten zu Richard Haydockes Ubersetzung von Lomazzos Trattato}) oder zu Sir Walter Raleighs History of the World.™ Lylys Verweis auf die Monopolisierung der Herstellung der Ikonen des Herrschers berührt daher ein heikles Thema elisabethanischer Kunst. Es reflektiert aber auch die Wichtigkeit, die die Darstellungen des Monarchen nach der Reformation in England einnahmen und an die Stelle religiöser Imagines treten.35 Diese Mechanismen beginnen bereits unter Heinrich VIII. mit den Porträts Hans Holbeins, die Roy Strong als "one aspect of this massive expansion of the Idea of the Monarchy, involving the dissemination of a ruler's image in paint, stone, print and metal throughout the realm on a scale unheard of since Classical antiquity" (12) beschreibt. 32
33
34
Zitiert nach Roy Strong, Gloriana: The Portraits of Queen Elizabeth I (New York: Thames and Hudson, 1987) 14. Die folgende Passage aus Richard Haydocke's Preface "To the Ingenuous Reader" seiner Ubersetzung von Lomazzo's Traktat erscheint wie eine Paraphrase des obigen Zitats aus Euphues and his England: So may I iustlie condemne them [bad painters], for their disgracefull handling of divers Honourable Personages, and even Princes themselues by publishing to the worlde, not onley unlike, but most lame, disproportioned and unseemelie counterfeites (as they tearme them) of their liuelie persons. And if nothing can deterre these saucie doultes, from this their dizardly inhumanitie, then I could wish, that Alexanders Edict were now in force againe, who forbade, that anie should carue his person, saue Lysippus; or paint his counterfeit besides Apelles. Paolo Giovanni Lomazzo, A Trade Containing the Artes of Curious Paintinge, trans. Richard Haydocke (London 1598) (Amsterdam: Da Capo Press, 1969). "[Tjhe Pictures of Queen Elizabeth, made by unskilful and common Painters; which by her own Commandment, were knockt in pieces and cast into the Fire. For ill Artists, in setting out the beauty of the external: and weak Writers, in describing the vermes of the internal; do often leave to Posterity, of well-formed Faces a deformed memory; and of the most perfect and Princely minds, a most defective representation." Sir Walter Ralegh, The History of the World, in Five Books (London 1687) xi; vgl. dazu Strong (1987, 1 4 l6) '
35
Vgl. dazu Louis A. Montrose, "Idols of the Queen: Policy, Gender, and the Picturing of Elizabeth I, Representations 68 (1999): 1 0 8 - 1 6 1 .
126
Lylys Hinweis auf die Ikone des Herrschers bzw. Elizabeths im obigen Zitat läßt sich aber auch direkt mit Lylys Euphuism in Verbindung bringen. Es ist schon mehrmals auf die Symbolik von Schwarz und Weiß im Kult um Königin Elizabeth hingewiesen worden. So trägt Elizabeth in mehreren Porträts Kleidung, die fast auschließlich aus Schwarz-WeißKontrasten besteht, wie zum Beispiel im sogenannten "Ermine" Portrait (1585) oder dem "Sieve" Portrait (ca. 1580-1583). 36 Roy Strong macht auch darauf aufmerksam, daß diese Farbsymbolik über die Person Elizabeths hinaus von Personen im Umfeld der Königin als Ausdruck von Wertschätzung übernommen wurde: "Black and white were Elizabeth's personal colours and were worn, for example, by her champions in the tiltyard and by dancers in the court masques." 37 Auch ganze Städte haben sich zu Ehren Elizabeths in den Farben Schwarz und Weiß präsentiert. In Sandwich wurde im Jahr 1573 eine Stadt schwarz-weiß bemalt ("every howse paynted whyte and black") und Elizabeth von 300 Personen in schwarz-weißer Kleidung ("apparalled in whyte doblets, with blacke and whyte rybon in the sieves, black gascoyne hose and whyte garters") empfangen. 38 1578 soli Elizabeth in Suffolk ebenfalls von "two hundred yong gentlemen, cladde all in white velvett, and three hundred of the graver sorte apparelled in blacke velvet coates" geehrt worden sein. 39 A u c h Henry Machyn schreibt, daß am 5. November 1559 "lord Robartt D u d ley and my lord of Hunsdon" im Palast der Königin "skarffes of w h y t and blake" trugen. 40 Dieselbe Quelle berichtet von einem Fest am H o f am 21. April 1560 von Trompetern sowie anderen Personen: "evere of them havyng a skarff a-bowt ther nefcks, of] whyt and blake sarsenett" (231-232). Auch Sidney verwendet im ersten Buch von The New Arcadia 36
William Segar, Elizabeth I (The Ermine Portrait) (1585), National Portrait Gallery, L o n don. Abbildung 71 in R o y Strong, The Cult of Elizabeth: Elizabethan Portraiture and Pageantry (London: Thames and Hudson, 1977) 148. Cornelius Ketel, Elizabeth I: The Sieve Portrait (ca. 1580-1583), Pinacoteca Nazionale, Siena. Abbildung 84 in R o y Strong, Gloriana: The Portraits of Queen Elizabeth I ( N e w York: Thames and Hudson, 1987).
37
R o y Strong, The Cult of Elizabeth: Elizabethan Portraiture and Pageantry (London: Thames and Hudson, 1977) 71; eine ähnliche Aussage findet sich auch in R o y Strong, Gloriana, The Portraits of Queen Elizabeth I (London: Thames and Hudson, 1987) 21.
38
John Nichols, ed., The Progresses and Public Processions of Queen Elizabeth, vol. 1 (1823; N e w York: Burt Franklin, n.d.) 337. U b e r denselben Empfang der Königin berichtet dieselbe Quelle: "the houses [... were] adorned with black and white; [...] T w o hundred persons to be apparelled in white doublets, black 'gaily gascoignes, and white garders,' [...] Scaffolds to be erected [..]. and to be hung with black and white baize" (337).
39
John Nichols, ed., The Progresses and Public Processions of Queen Elizabeth, vol. 2 (1823; N e w York: Burt Franklin, n.d.) 116.
40
John Nichols, ed., The Diary of Henry Machyn, Citizen and Merchant-Taylor from A. D. 1550 to IJ6J (London: Camden Society, 1848) 2 1 6 - 2 1 7 .
of
London,
127
die Schwarz-Weiß-Symbolik in Zusammenhang mit der Virgin Queen Helen von Corinth. "[T]hey met with a coach drawn with four milkwhite horses furnished all in black, with a blackamoor boy upon every horse - they all apparelled in white, the coach itself very richly furnished in black and white." 41 Diese Verweise auf Kleidung erscheinen in ihrer Farbensymbolik analog zu den der bekannten Portraits von Höflingen dieser Zeit. Bereits Leslie Hotson hat festgestellt, daß die Kleidung der dargestellten Figur in Hilliards Young Man Against Roses (vgl. Abbildung 16) "the personal colours of Queen Elizabeth: Black (short cloak) and pure White (ruff, cuffs, legs and feet)" spiegelt.42 Aber auch Sir Walter Raleigh trägt in einem Porträt aus dem Jahr 1588, das etwa zeitgleich mit Hilliards Young Man entstanden ist, schwarz-weiße Kleidung. Strong (1977, 74) charakterisiert das Porträt Raleighs als "deliberately complimentary to the Queen," da es neben den einschägigen Farben "virgin pearls" als Symbol der Königin beinhaltet. Auch der Earl of Essex ist in einem Porträt Hilliards aus den frühen 90er Jahren in diesen Farben dargestellt.43 Nach Strong (1977, 71) besitzen die beiden Farben eine deutliche Symbolik, die sich ohne weiteres auf die Imago Elizabeths als Virgin Queen übertragen läßt: "White is the colour of virginity, black of constancy." 44 Wie diese Beispiele aus dem Kult um Elizabeth zeigen, ist es sogar sehr wahrscheinlich, daß John Lylys literarische „Schwarz-Weiß-Malerei" der Antithese bzw. des chiaroscuro als Teil der herrschenden Repräsentationspraxis im Umfeld der Königin aufzufassen ist. Schwarz-Weiß-Kontraste scheinen zutiefst mit der Darstellung der Herrscherin verbunden zu sein, sodaß Lylys Einsatz der Antithese als rhetorischer Figur, die auf dem Gegensatz von Kontrastierendem beruht, nur natürlich erscheint. John Lyly scheint in der obigen Beschreibung des kunstvollen Rahmens der Herrscher-Ikone aber unter anderem auch das Dilemma zusammenzufassen, das elisabethanische Autoren dazu anhält, Piktorialismus als Anliegen der herrschenden Poetik zu akzeptieren, diesen Anspruch aber gleichzeitig durch latente Ikonophobie zu verfremden. Andererseits
41
42 43
44
Sir Philip Sidney, The Countess of Pembroke's Arcadia (The New Arcadia), ed. Victor Skretkowicz (Oxford: Clarendon Press, 1987) 58. Vgl. dazu auch Leslie Hotson, Mr W. H. (New York: Alfred A. Knopf, 1964) 2 1 1 . Nicholas Hilliard, Robert Devereux, 2nd Earl of Essex, ca. 1593-1595); private Sammlung; vgl. Abb. 42 in Strong (1977) Hotson (1964, 2 1 1 ) beruft sich auf Galen und schreibt ähnlich: "White, as everyone knows, is the colour of Truth or Faith; and Black is Constancy, for black will take no other hue."
128
spiegelt dieses Zitat aber auch die Stellung Lylys am Hof Elizabeths.45 So wie Apelles dafür zuständig war, Alexander zu malen, und Hilliard zu Lylys Zeit mehr oder minder dafür verantwortlich ist, Elizabeth zu porträtieren, so findet auch Parrhasius, d.h. Lyly seine Nische im Darstellungsprozeß des Herrschers. Die staatlichen Ikonen, auf die Lyly hier als „Sygnette" verweist, erinnern an Nicholas Hilliards Miniaturen, die auf Grund ihrer geringen Größe in der Handfläche des Betrachters Platz finden können. Wie das obige Zitat zeigt, will Lyly nicht mit dieser Repräsentationspraxis in direkte Konkurrenz treten, sondern sich auf einen anderen Aspekt des Repräsentationsprozesses am Hof verlagern, der nur indirekt mit visueller Abbildung in Verbindung steht. So impliziert der Hinweis auf einen Rahmen mit den Dimensionen eines Fußballfeldes zwar den Anspruch von bildender Kunst, rückt aber andererseits das Unterfangen in einen Bereich, der nur mehr metaphorisch mit visueller Kunst in Verbindung zu bringen ist. Eine solche Sicht bestätigen die weiteren Verweise auf die bildende Kunst im Kontext dieser Ekphrase, die zwar sein literarisches Unterfangen in Analogie zur Malerei setzen, gleichzeitig aber Eigenständigkeit implizieren. Lyly schreibt, daß er hoffe, "that though it be not requisite that any should paynt their Prince in England, that can-not sufficiently perfect hir, yet it shall not be thought rashnesse or rudenesse for Eupheus, to frame a table for Elisabeth, though he presume not to paynt hir" (II, 204-205). Er drückt damit aus, daß sein Euphues im Sinne eines Gemäldes aufzufassen ist, das aber schlußendlich doch nur den ikonoklastischen Raum eines Rahmens umreißt. Worauf aber Lyly mit diesem „Rahmen" genau anspielt, wird erst deutlich, wenn man seine wahrscheinliche Quelle genauer betrachtet. Die Anekdote aus Euphues and His England ist zwar allem Anschein nach eine Erfindung Lylys, nicht aber Parrhasius selbst, über den Plinius berichtet, daß sein Ruhm vor allem "in the drawing of outlines" [liniis extremis] (XXXV, 36, 6j) beruht. [T]o give the contour [extremitas] of the figures, and make a satisfactory boundary [desinere] where the painting within finishes, is rarely attained in sucessful artistry. F o r the contour [extrema] ought to round itself off and so terminate as to suggest the presence of other parts behind it also, and disclose even what it hides. ( X X X V , 36, 6 7 y e 45
46
G . K. Hunter, John Lyly: the Humanist as Courtier (Cambridge: Harvard University Press, 1962). Auch dieser Hinweis über nicht sichtbare Teile des Darzustellenden wird von Lyly diskutiert, wenn er sein eigenes Unterfangen mit einem Maler vergleicht, "that drew Ciclops,
129
D e r R a h m e n des P a r r h a s i u s , d e n L y l y als M o d e l l f ü r seine eigene K u n s t p r o p a g i e r t , ist d a m i t als R a h m e n i m S i n n einer G r e n z l i n i e o d e r eines U m r i s s e s a u f z u f a s s e n , innerhalb dessen die v o n L y l y g e n a n n t e n (nicht a u s g e f ü h r t e n ) m a l e r i s c h e n T e c h n i k e n a n g e w e n d e t w e r d e n . E r sieht sich s o z u s a g e n d a f ü r v e r a n t w o r t l i c h , die E x t r e m e b z w . äußersten g e g e n ü b e r liegenden P u n k t e des z u repräsentierenden O b j e k t e s z u u m r e i ß e n . D i e A n t i t h e s e v o n G e g e n s ä t z l i c h e m ist f ü r diese A u f g a b e prädestiniert, da d a m i t ein P o s i t i o n s r a h m e n v o n G e g e n ü b e r l i e g e n d e m g e z o g e n w i r d , in d e m alles P l a t z f i n d e n k a n n . 4 7 D i e d a r a u f f o l g e n d e C h a r a k t e r i s i e r u n g des E l i z a b e t h - P o r t r ä t s u n t e r m a u e r t diese I n t e r p r e t a t i o n . W i e n i c h t a n d e r s z u e r w a r t e n , geht L y l y n a c h dieser e r f u n d e n e n G e s c h i c h t e u m A l e x a n d e r d e n G r o ß e n w i e in d e n m e i sten a n d e r e n V e r w e i s e n auf M a l e r e i daran, w e i t e r e V e r b i n d u n g e n z u sein e m eigenen T e x t herzustellen. 4 8 A n a l o g z u s e i n e m antiken
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48
Rahmen-
who in a little table made him to lye behinde an Oke, wher one might perceiue but a piece, yet conceiue that al the rest lay behind the tree" (II, 6, 32-34). Parrhasius taucht bei Plinius auch in der bekannten Anekdote auf, in der es Zeuxis gelingt, Vögel mit gemalten Trauben zu täuschen. Die Verbindung des Malers Parrhasius zu Umrissen bzw. Rahmen wird in der Anekdote deutlich, wenn wir erfahren, daß Parrhasius wiederum Zeuxis durch ein Bild eines Vorhangs überlistet, d. h. durch ein rahmenähnliches Objekt an der Peripherie des eigentlichen Bildes: "Parrhasius himself produced such a realistic picture of a curtain that Zeuxis [...] requested that the curtain should now be drawn and the picture displayed" (XXXV, 36, 65). Eine ähnliche Verbindung zwischen Malerei und seiner persönlichen Schreibpraxis stellt Lyly auch im Vorwort zu Euphues and His England her, wenn er in der Widmung an Edward de Vere schreibt: The first picture that Phidias the first Paynter shadowed, was the protraiture of his owne person, saying thus: if it be well, I will paint many besides Phydias, if ill, it shall offend none but Phydias. In the like manner fareth it with me (Right Honourable) who neuer before handling the penill, did for my fyrst counterfaite, coulour mine owne Euphues, being of this minde, that if it wer lyked I would draw more besides Euphues, if loathed, grieue none but Euphues. (II, 3, 8 - 1 6 ) Die Fortsetzung des zwei Jahre vorher veröffentlichten Euphues wird von Lyly erneut unter Verweisen auf die Malerei als Kunstwerk problematisiert. So nennt er sein Werk ein "picture" für "all to view" (II, 4, 5) und vergleicht sich selbst wenig später mit einem Maler, der für seine Porträts von Zwillingen eines schriftlichen Titels bedarf, um die dargestellten Personen kenntlich zu machen: "Wherin I am not vnlike vnto the vnskilful Painter, who having drawen the Twinnes of Hippocrates, (who wer as lyke as one pease is to an other) [...] had no other shift to manifest what his worke was, then ouer their heads to write: The Twinnes of Hippocrates. So may it be, that had I not named Euphues, fewe would haue thought it had bene Euphues" (II, 5, 6 - 1 5 ) . Die Zwillinge stehen natürlich stellvertretend für die beiden Euphues-Romane, die ebenfalls durch verbale Betitelung von einander unterschieden werden. Die Anspielungen auf die bildende Kunst reißen nicht ab, wenn er sich als "naughtie Painter" (II, 5, 20) bezeichnet oder als jemand, der dazu bestimmt ist "to grind coulours for Appelles" (II, 5, 35-36). Die Analogien machen auch vor den Schmeicheleien, die an den Mäzen gerichtet sind, nicht halt: "When Buce-
130
künstler sieht sich Lyly selbst nicht in der Lage, das „Gemälde" als solches in all seinen Arbeitsphasen auszuführen. Lyly bzw. Euphues fertigt zwar keinen Rahmen an, geht aber analog vor, indem er seine Kunst, wie das folgende Zitat verdeutlicht, nur als ersten Teil des gesamten Repräsentationsprozesses betrachtet: I will set downe this Elizabeth, Venus of Apelles, Medea
as neere as I can: A n d it may be that as the
not finished, the Tinarides
of Timomachus
of Nichomachus
not ended, the
not perfected, the talbe of Parrhasius
not couloured,
brought greater desire to them, to consumate them, and others to see them: so the Elizabeth
of Euphues,
for others to ende, bright
coulour,
being but shadowed
but drawen
with blacke
for others to vernish,
but
began
coale, for others to blase with
may worke either a desire in Eupheus
a
heerafter if he liue, to
ende it, or a minde in those that are better able to amende it, or in all (if none can worke it) a wil to wish it. (II, 205; teilweise meine Hervorhebungen)
Wie bereits erwähnt wurde, ist das Prinzip des Helldunkel im England des ausgehenden 16. Jahrhunderts eng mit dem Begriff "shadowing" verbunden, wobei aber schwer zu bestimmen ist, was elisabethanische Autoren genau unter "shadowing" verstehen. Schenkt man John Lylys eigener Aussage im oben wiedergegebenen Zitat aus Euphues and His England Glauben, so kann das "shadowing" einen der ersten Schritte im Aufbau eines Gemäldes bezeichnen. Traditioneller Weise wird diese Aussage als Zusammenfassung der herrschenden Auffassung über den schrittweisen Aufbau von Gemälden gesehen, die auf idiosynkratische Art ein Zitat aus Plinius' Historia Naturalis über die historische Genese der Malerei wiedergibt, worin es heißt, "that it [painting] began with tracing an outline round a man's shadow" (XXXV, 5, 15). 49 Es kann aber auch bedeuten, daß Lyly nicht an dem interessiert war, was die ersten Stufen im Aufbau eines Gemäldes nach traditioneller Sicht ausmacht, sondern an dem letzten Schritt, den Plinius als Kontrast oder Glanz bezeichnet und der über den Einsatz von Farbe hinausgeht.
49
phalus was painted, Appelles craued the judgement of none but Zeuxis: when Iuppiter was earned, Prisius asked the censure of none but Lysippus: now Eupheus is shadowed, only I appeale to youre honour [Lord Edward de Vere]" (II, 6, 1 6 - 1 9 ) . Die Ähnlichkeiten zwischen Lylys Darstellung des Malprozesses und der Plinius des Alteren ist so zu erklären, daß Lyly Plinius' Naturgeschichte neben Plutarch als Vorlagen für den Großteil der Anekdoten in seinen Texten benutzte. Durch die starke Entlehnung aus antiken Texten wird auch die Annahme bekräftigt, daß Lyly wenig Erfahrung mit Gemälden aus erster Hand besaß, sondern vielmehr in typischer Art für das elisabethanische Zeitalter vor allem auf Berichte über kontinentale Gemälde bzw. antike literarische Quellen angewiesen war.
131
We stated what were the various single colours used by the first painters [...]. Subsequent inventions [... are] the nature of colours. Eventually art differentiated itself, and discovered light and shade, contrast of colours [...]. Then came the final adjunct of shine, quite a different thing from light. The opposition between shine and light on the one hand and shade on the other was called contrast while the juxtaposition of colours and their passage into another was termed attunement. ( X X X V , ii, 29; meine Hervorhebungen)
Plinius' Auffassung vom Bildaufbau wurde bis ins Mittelalter mit wenig Variation tradiert und herrschte wohl auch in England bis ins ausgehende 16. Jahrhundert vor. Vergleicht man das Zitat Lylys mit dem von Plinius, stellt sich die Frage, ob Lyly mit "shadowing" die erste Stufe des Bildaufbaues oder vielleicht doch das Kontrastprinzip meint. Vieles, wie die Verwendung des Parrhasius, der berühmt für seine Grenzlinien bzw. Umrisse ist, aber auch der Hinweis auf "shadowing" im Gegensatz zu "colouring" in der Elizabeth-Ekphrase spricht für Ersteres. Der Einsatz des Apelles im Drama Campaspe, der nach Plinius der Erfinder des Glanzes, also einer Hell-Dunkel-Technik am Ende des Malprozesses gilt, spricht eher für Letzteres. Die Inkonsistenz, mit der dieser Begriff auch bei anderen elisabethanischen Autoren eingesetzt ist, deutet aber eher dahin, daß beides darunter verstanden wurde. Der Hauptgrund dürfte darin liegen, daß beide Techniken, so verschieden sie auch in der Abfolge des Malprozesses sind, auf Hell-Dunkel-Kontrasten beruhen und daher oft unter dem Begriff "shadowing" zusammengezogen wurden. Der hier vorgeschlagene Zugang zu Lylys Stil über das Konzept des chiaroscuro ist nicht der einzig mögliche im Umfeld der Repräsentationsproblematik. Er könnte sich noch mit einem anderen Phänomen des 16. Jahrhunderts im protestantischen Norden Europas in Verbindung bringen lassen, das als Reaktion auf die mittelalterliche Mnemotechnik zu verstehen ist. Im England des 16. Jahrhunderts, vor allem aber in Cambridge, kommt den als "Ramism" bezeichneten Theorien Peter Ramus' große Bedeutung zu. 50 Es ist zwar nicht sicher zu belegen, ob John Lyly als "Oxford man" mit diesen Theorien in Kontakt kam, es ist aber auch nicht auszuschließen, da er sich auch in Cambridge aufhielt. Ein möglicher Zusammenhang zwischen Ramism und Lylys Stil führt ebenfalls über die Antithese. So ist wohl kaum zu bezweifeln, daß sich Euphuism 50
Vgl. dazu Walter J. Ong, Ramus, Method, and the Decay of Dialogue: From the Art of Discourse to the Art of Reason (Cambridge, London: Harvard University Press, 1983). r
32
als besonders symmetrischer Stil beschreiben läßt.51 Diese Symmetrie ist aber wiederum gerade für die Dialektik von Peter Ramus wichtig, dessen Erinnerungsmodell sowie seine anderen Theoriebildungen auf antithetischen Oppositionen basieren. Betrachtet man Abbildung 19 mit der auf Dichotomien reduzierten, schematischen Biographie Ciceros, läßt sich zumindest eine strukturelle Analogie zwischen ramistischer Dialektik und Lylys stilistischen Merkmalen erkennen.52 So zeigt zum Beispiel die erste Dichotomie die Gegenüberstellung von „vita" (Leben) und „mors" (Tod) oder die dritte Klammer „pueritia" (Kindheit) und „senectus" (Greisenalter). Walter Ong schreibt über diese dialektische Opposition von Begriffen: This same 'methodological' or 'dialectical' treatment now sweeps through the rest of the curriculum, enabling Ramus to define each art or curriculum subject with supreme assurance, to divide it into two 'parts,' redefine each part, subdivide the parts each into two more 'parts,' and so on [...]. (3
I -
32)
Das Prinzip besitzt sicherlich Ähnlichkeit mit Lylys Schwarz-Weiß-Malerei, wobei aber die Analogien auch auf Zufall beruhen können. 53 Wichtig ist jedoch eine der Grundthesen des Ramismus, die annimmt, daß das Erinnerungsbild argumentativer und nicht wie im Mittelalter eidetischer Natur ist. Hier unterscheidet sich das mnemotechnische Modell des Ramismus von antiken oder mittelalterlichen Modellen, die in eine beliebige rhetorisch, syntaktische Struktur Bilder einfließen lassen und diese mit Hilfe der rhetorischen Syntax, die keinerlei thematische Beziehung zum Inhalt des Erinnerungsbildes aufweist, reproduziert. Peter Ramus' ikonoklastisches Modell sieht binäre Opposition (Symmetrie) und analytische >' Auf den symmetrischen Aspekt hat besonders Shimon Sandbank in seinem Aufsatz "Euphuistic Symmetry and the Image" SEL: Studies in English Literature, /joo-/900 n (1971): 1 - 1 3 , hingewiesen. Sandbank macht eine interessante Beobachtung, daß Lyly das Simile der Metapher vorzieht, da "the simile is naturally more symmetrical than the metaphor. The juxtaposition of two terms creates a balance which metaphors - or at least certain types of metaphor - do not create. The more similies a writer uses, the more symmetrical his sentences will tend to be. And this is precisely what Lyly wants" (6). 52
53
Diese Abbildung stammt aus Professio Regia (Basileae, 1576), ed. Johnn Thomas Freige; vgl. den Kommentar zu dieser Abbildung in Ong (1983, 30). Auf die Möglichkeit, Euphuism mit Ramismus in Verbindung zu bringen, hat Barish in einer Fußnote am Ende seines Aufsatzes hingewiesen. Er zitiert hierzu Perry Miller, der über Ramism schreibt, daß "[i]ts emphasis was always on laying things out in a series." Perry Miller, The New England Imagination (New York: Macmillan, 1939) 125. Rosemund Tuve bringt die Beliebtheit der sogenannten "figure of difference" in Verbindung mit der Betonung der Ramisten von "various kinds and degrees of diversity of things." Rosemund Tuve, Elizabethan and Metaphysical Imagery (Chicago: University of Chicago Press, 1947) 350.
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Erklärung als brauchbarstes Mittel für mnemotechnische Speicherung. Ramischer Diskurs ist so gesehen wie John Lylys Euphuism mit der Erzeugung der „Umrisse" beschäftigt, die einen Prozeß der Kompletierung veranlassen, ohne Anspruch auf statische Imitation zu erheben. Auch der Untertitel Anatomy of Wit könnte Argumente untermauern, die annehmen, daß Lyly an analytischen Grundstrukturen interessiert war.54 Alles bisher Gesagte über Lylys Stil - wie symmetrische Opposition im Sinn von antithetischen Similes oder parallele Aneinanderreihungen durch alliterierende Wiederaufnahmen eines Elementes - sind nicht nur Dimensionen, die sich strukturell mit dem chiaroscuro oder den Konzepten des Ramismus decken. Es scheint vielmehr, daß es sich hierbei um grundlegende formale Merkmale der Repräsentationskonzeption der Tudorzeit handelt, die über die Grenzen des Ramischen wissenschaftlichen Diskurses hinausgehen und fast Zeitgeistcharakter in Kunst und Architektur annehmen. So charakterisiert David Evett, ein neuer Vertreter dieses Zeitgeistansatzes, "[ejarlier Tudor art, whether visual or verbal [...as] an art of surfaces rather than volumes."55 Diese und ähnliche Aussagen, die Tudorkunst mit gotischer Zweidimensionalität in Verbindung bringen, gehören zu den Standard-Topoi der Forschung.56 Das offensichtlichste Beipiel für diese Repräsentationskonzeption ist die Gattung des Emblems, dessen bildlicher Part offensichtlicher als jede andere visuelle Form mittelalterliche Zweidimensionalität propagiert. Evetts Charakterisierung von Emblemen rückt dieses Genre in die Nähe von Lylys stilistischem Unterfangen, ohne jedoch auf Lyly im Speziellen einzugehen. B u t w i t h i n an e m b l e m a t i c conception o f art, it is i m p o r t a n t t h a t t h e artistic surface n o t b e c o m e t o o substantial, t o o t i g h t l y o r g a n i z e d , t o o f i r m , t h a t it n o t begin in its c o h e r e n c e a n d completeness and m u l t i d i m e n s i o n a l i t y t o c o m p e t e w i t h the real w o r l d . If t h e eye stops t h e r e , r a t h e r than passing t h r o u g h t o t h e idea b e y o n d , it b e c o m e s an end r a t h e r than a means (as the P u r i t a n s u n d e r s t o o d it). (86)
54
Vgl. dazu Walter N . King, "John Lyly and Elizabethan Rhetoric," Studies in Philology 52 (1955): 153. Zur Problematik von "wit" in der englischen Renaissance siehe William G. Crane, Wit and Rhetoric in the Renaissance: The Formal Basis of Elizabethan Prose Style (Gloucester: Peter Smith, 1964), der Lylys The Anatomy of Wit als "concrete point of reference" bezeichnet, "since it is the best-known work exemplifying what was regarded as wit in the sixteenth century" (10).
"
David Evett, Literature and the Visual Arts in Tudor England (Athens, London: The University of Georgia Press, 1990) 45. Vgl. z.B. Kapitel 4: "Spenser and the Pagan Gods," in Murray Roston, Renaissance Perspectives in Literature and the Visual Art (Princeton: Princeton University Press, 1987) 143-191.
56
J
34
Diese Analyse des Emblems berührt teilweise Konzepte, die auch John Lyly in seiner selbstreflexiven Aussage über das Euphues-Gemälde impliziert, wenn er das Bild durch Aussagen wie "not finished," "not perfected," "not couloured" (II, 205) charakterisiert, die das Unvollendete betonen. Natürlich geht besonders der bereits hervorgehobene Satz über die nur partielle Anwendung malerischer Techniken in diese Richtung: "[S]o the Elizabeth of Euphues, being but shadowed for others to vernish, but began for others to ende, but drawen with blacke coale, for others to blase with a bright coulour" (II, 205). Auch die Gleichsetzung seiner Abbildung mit Rahmen bzw. Umrissen, die nur als Teil des Abbildungsprozesses betrachtet werden, untermauert diese Argumentationslinie. Die Aussage am Ende der Elizabeth-Ekphrase betont ebenfalls die von Evett angesprochene Interaktion von Künstler und Rezipient mit dem quasi unvollständigen „Bild." Das „unvollendete" Kunstwerk "may worke either a desire in Eupheus heerafter if he liue, to ende it, or a minde in those that are better able to amende it, or in all (if none can worke it) a wil to wish it" (II, 205). Ähnlich wie das Beispiel der schematischen CiceroBiographie von Peter Ramus zeigt, sind auch hier weitere Arbeitsprozesse nötig, um die Umrisse dieses Bildes auszufüllen. Damit fügt sich Lylys Repräsentationskonzept nahtlos in das protestantisch-ikonophobe Klima der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, das auf dynamischer Interaktion im Gegensatz zu statischer Imitation beruht. Man kann aber auch noch weiter gehen und die Repetition, die Lylys Stil impliziert, wie David Evett als grundlegendes ästhetisches Prinzip dieser Zeit erachten. B u t to Elizabethan auditor the application of a principle of regularity per se seems to have a f f o r d e d great pleasure, of a kind similar to w h i c h they apparently drew f r o m hieratically rigid portraits, featuring strong chiaroscuro, or f r o m the incessant repetition of a f e w well established devices in the design of title pages. (73)
Lylys Stil erfüllt sicherlich den Anspruch auf Wiederholung auf unterschiedlichen Ebenen wie zum Beispiel im Einsatz von isocolon als der identischen Länge von aufeinanderfolgenden rhetorischen Einheiten, parison als Ubereinstimmung von Teilen der Rede, paramonion als Analogie von Lauten und chiasmus als Wiederholung und Umkehrung einer Einheit. Evett zieht auch eine Verbindung zwischen der symmetrischen Struktur von Tudorarchitektur und dem symmetrischen Stil von Lylys Werk, der von der Satzebene bis in die Gliederung des gesamten Textes nachgezeichnet werden kann. 57 57
Evett beschreibt zum Beispiel die Satzstruktur in Euphues als symmetrische Aneinander-
135
Die symmetrische Dimension von Lylys Euphuism ist direkt mit dem aggregativen bzw. aneinanderreihenden Charakter der Syntax und dem Organisationsprinzip des Plots verbunden. Wie die eingangs erwähnten Ausführungen zum Euphuism zeigen, kann man Lylys Stil großteils als parataktisch beschreiben. Lylys antithetische Oppositionen von kontrastierenden Prinzipien auf der Wort- bzw. Inhaltsebene werden weitgehend durch eine parataktische Satzstruktur realisiert. Wie David Evett argumentiert, geht dieser aggregative Charakter sogar soweit, daß man Lylys Fortsetzung Euphues and His England ebenfalls im Sinne einer parataktischen Anhäufung auffassen kann, die große Ähnlichkeit zur Architektur der Tudorzeit aufweist, die Gebäude durch Zubauten sozusagen parataktisch erweitert: "The process [...] closely resembles the additive process that produced Haddon Hall or Penshurst" (38). Dieses Prinzip zeigt sich aber nicht nur in den Grundrissen von Tudorgebäuden, sondern besonders in den Stilmitteln der Repetition, Symmetrie und dem Kontrast in den Fassaden dieser Gebäude.'8 Auch wenn man Evetts weit hergeholter Zeitgeistanalyse nicht im Detail Glauben Schenken will, so muß man doch zugeben, daß Lylys Stil Grundcharakteristika spiegelt, die sich auch in anderen Medien und Diskursen finden. Ziel der vorliegenden Analyse war es, Lylys Stil als Ausdruck einer Geisteshaltung bzw. "Anatomy of Wit" dieser Epoche zu lesen, deren Abbildungskonzeption, so paradox es klingt, innerhalb fragmentarischer Zweidimensionlität eine Tiefenwirkung erzeugen will, die auf der kontinuierlichen Vervollständigung durch den Rezipienten beruht. Eine ähnliche Charakterisierung der Renaissance als einer Kultur, die nicht wie traditionellerweise angenommen auf dem perfekten, abgeschlossenen Kunstwerk basiert, hat jüngst Michel Jeanneret in seinem Buch Perpetual Motion versucht. Jeanneret argumentiert auf überzeugende Weise, daß der Zeitraum zwischen 1480 und 1600 in Europa eine Art interaktives Kunstverständnis propagiert, in dem das Kunstwerk immer nur als "work-in-progress" aufzufassen ist, oder in Jeannerets Worten ausgedrückt: "things are all the more perfect in that they remain imperfect and perfectible; they are attractive as potential to be actualized, beginnings of a future development."59 Diese Kunstauffassung, die Jean-
58
59
reihung von " A A , sometime A B A or A B B A " (74) und glaubt " E E P P L E E L P PE E " (37) als symmetrische Plot-Struktur zu erkennen. Evett argumentiert, daß "[t]hey thus exhibit the most salient feature of Tudor architectural and other designs" (37). Evett (Abb. 13) gibt ein eindrucksvolles Beispiel dieses Strukturprinzips anhand der Fassade von Longleat House (1547-1580). Michel Jeanneret, Perpetual Motion: Transforming Shapes in the Renaissance from da Vinci to Montaigne, trans. Nidra Poller (Baltimore: Johns Hopkins University Press, 2001) 1 - 2 .
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neret mit vielen literarischen und visuellen Beispielen aus der europäischen Renaissance belegt, deckt sich großteils mit den interaktiven Modellen Lylys oder Ramus', die nur die Umrisse des Objektes entwerfen und dem Rezipienten die Vervollständigung des Wahrgenommenen überlassen. Es ist natürlich immer problematisch, komplexe stilistische Phänomene wie John Lylys Euphuism auf simple interdisziplinäre Grundprinzipien reduzieren zu wollen. Es scheint jedoch die Vielzahl von oft strategisch plazierten Verweisen auf Malerei in Lylys Werk, die wiederum in Analogie zu seinem Stil stehen, die These einer intermedialen Beeinflussung glaubwürdig zu machen. Die dominanteste Figur der Antithese im Euphuism wird dabei zum Pendant des chiaroscuro in der bildenden Kunst. Gerade der amorphe und vieldeutige Charakter der im England des 16. Jahrhunderts verwendeteten Begrifflichkeit in Anspielungen auf Malerei erschwert es heute, definitive Aussagen zur Wechselwirkung der Künste dieser Epoche zu machen. Es scheint aber, als hätten gerade die weitgehende Unwissenheit über reale Praktiken in der Malerei des Kontinents und der daraus resultierende unbedarfte Umgang mit der Terminologie der bildenden Künste Autoren des späten 16. Jahrhunderts zu äußerst ungewöhnlichen stilistischen Unterfangen wie Lylys Euphuism animiert. Die hier vorgeschlagene interdisziplinäre Analyse versuchte, Lylys Stil eine Eigenständigkeit zuzusprechen, die über seine Rolle als literaturhistorischer Katalysator hinausgeht. Euphuism wurde hier bewußt nicht in seiner Dimension als Einfluß auf spätere Autoren, sondern als Ausdruck eines eigenständigen künstlerischen Phänomens betrachtet. Lylys Euphuism wird aber damit nicht zu einer modeartigen Erscheinung vor den Dramen Shakespeares degradiert, sondern als ein Dokument erachtet, das tiefe Einblicke in die allgemeine Repräsentationskonzeption des Jahrzehntes vor den bekannteren Namen und Texten des späten Elisabethanischen Zeitalters ermöglicht.
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FÜNFTES KAPITEL
Der paragone von Wort und Bild: Ekphrasis als Dramareflexion bei William Shakespeare
1937 schlägt Arthur Fairchild in Shakespeare and the Arts of Design für eine Auseinandersetzung mit Shakespeares Einstellung zur bildenden Kunst vor, "that we should refrain from crediting Shakespeare with a systematised philosophy of that art [painting]." 1 Die Aussage Fairchilds ist in dem halben Jahrhundert seit Erscheinen seiner einschlägigen Buchstudie grundsätzlich nicht in Frage gestellt worden; jedenfalls ist keine neue monographische Auseinandersetzung mit Shakespeare im Kontext der Wort-Bild-Problematik in der jüngeren Forschung erschienen. Während fast alle kanonischen Autoren wie Chaucer, Sidney, Spenser oder Milton zum Thema neuerer eigenständiger Analysen ihrer Verwurzelung in der bildenden Kunst wurden, ist Shakespeare bisher kaum berücksichtigt worden. 2 Wie Fairchild treffend bemerkt hat, liegen die Gründe hierfür wahrscheinlich in der unsystematischen und eklektischen Verwendung der bildenden Kunst in seinem Werk. Ohne Fairchilds Urteil umzustoßen, will das folgende Kapitel zeigen, daß Shakespeares Einsatz des Bildlichen und vor allem der Ekphrasen mit seiner Dramatik-Konzeption ursächlich verknüpft ist, wobei hier sehr wohl eine begrenzte Systematik nachgezeichnet werden kann. Eine Analyse von Shakespeares Verhältnis zur bildenden Kunst ist immer problematisch, da sich Shakespeare trotz einiger allgemeiner Hinweise auf Malerei und Plastik kaum direkt auf historisch belegte Bilder oder Künstler bezieht. Die einzige namentliche Erwähnung eines Künst1
A n h u r H . R . Fairchild, Shakespeare Painting,
1
and the Arts of Design: Architecture,
Sculpture,
and
T h e University of Missouri Studies 12.1 (Columbia: University of Missouri,
1937) 155D e r G r o ß t e i l der monographischen Auseinandersetzungen beschränkt sich auf den Einf l u ß Shakespeares auf die bildende K u n s t in F o r m v o n Illustrationen, Bühnendesign oder Gemälden, die sich seiner Stücke als Vorlage bedienen. Für weitere Literaturhinweise vgl. Ingeborg B o l z , „Shakespeare in der Bildenden K u n s t , " Shakespeare Schabert (Stuttgart: A l f r e d Kröner Verlag, 1978) 8 6 0 - 8 8 1 .
138
Handbuch,
ed. Ina
lers ist die des italienischen Malers Giulio Romano in The Winter's Tale.3 Auch ist es bisher nicht gelungen, real existierende Bilder mit Texten Shakespeares zur Deckung zu bringen, sieht man von Erwin Panofskys Versuch ab, von einigen Versen aus „Venus and Adonis" auf ein direktes Vorbild in Titians gleichnamigem Gemälde schließen zu können.4 Es finden sich jedoch neben den praktisch nicht existenten Parallelen zu historischen Gemälden bzw. Künstlern einige wenige allgemeine Bezüge zur bildenden Kunst in Shakespeares Werk, wie das bereits erwähnte "Mine eyes hath play'd the painter" aus dem bekannten Sonett 24 gezeigt hat.5 Zu den ältesten literaturwissenschaftlichen Bearbeitungen Shakespeares im Kontext der bildenden Kunst gehören jene Studien, die sein Schaffen im Licht der Emblembücher der Renaissance darstellen.6 Weiters lassen sich Passagen aus den Dramen mit der paragone-VVorstellung erklären, die Malerei der Dichtung in einem Wettstreit gegenüberstellt.7 Auch wurde bereits vermehrt auf Shakespeares Erwähnung der in der Renaissance beliebten, bis zur Unkenntlichkeit verzerrenden anamorphen Bilder hingewiesen. Die letzte, und wie in der Folge gezeigt werden soll, ergiebigste Manifestation bildender Kunst in Shakespeares Werk ist aber der Einsatz der rhetorischen Figur der Ekphrase. Shakespeare bedient sich bei mehreren Gelegenheiten der Beschreibungen von Kunstwerken, wovon hier als paradigmatisches und umfangreichstes Beispiel sein frühes Gedicht "The Rape of Lucrece" herausgegriffen wird. Zuvor aber sollen jene anderen Verweise Shakespeares auf bildende Kunst kurz betrachtet werden, die zwar nicht als Ekphrasen im Sinne einer J
Vgl. dazu die Anmerkungen in A New Variorum Edition of Shakespeare The Winter's Tale, ed. Horace Howard Furness (New York: Dover, 1964) 284-286. 4 Vgl. Erwin Panofsky, Problems in Titian, Mostly Iconographic (New York: N e w York University Press, 1969) 1 5 0 - 1 5 4 . Panofsky argumentiert, daß Shakespeares Aussage über den liegenden Cupid einen Aspekt der Venus- und Adonis-Ikonographie darstellt, der nur durch die direkte Vorlage des Titiangemäldes und durch keine andere textliche Quelle erklärbar ist. > Alle Zitate aus Shakespeares Werk folgen The Complete Works of Shakespeare, ed. David Bevington, 3rd. ed. (Glenview: Scott, Foresman and Company, 1980). 6 Vgl. Henry Green, Shakespeare and the Emblem Writers: An Exposition of Their Similarities of Thought and Expression. Preceded by a View of Emblem Literature Down to A. D. 1616 (London: Trübner, 1870). John Dixon Hunt, "Pictura, Scriptura, and Theatrum: Shakespeare and the Emblem," Poetics Today 10.1 (1989): 1 5 5 - 1 7 1 bietet eine gute Zusammenfassung der grundlegenden terminologischen Problematik in diesem Forschungszweig. 7
Vgl. dazu John Dixon Hunt, "Shakespeare and the Paragone: A Reading of Timon of Athens," Images of Shakespeare: Proceedings of the Third Congress of the International Shakespeare Association, 1986, ed. Werner Habicht, D. J. Palmer and Roger Pringle (Newark: University of Delaware Press, 1988) 4 7 - 6 3 .
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umfassenden Bildbeschreibung zu verstehen sind, aber dennoch wichtige Aspekte dieser rhetorischen Figur in Shakespeares Werk beleuchten. In der Bildbeschreibung von "The Rape of Lucrece" tauchen in modifizierter Form Verweise auf bildende Kunst wie die Mimesis-Reflexion in The Winter's Tale, die Emblematik in Titus Andronicus, der paragone in Timon of Athens und die perspektivisch-anamorphen Aspekte in Richard II im Kontext einer Ekphrase wieder auf. Shakespeares Einsatz des Visuellen allgemein und besonders der Ekphrase in "The Rape of Lucrece" wirft nicht nur Licht auf seine Einstellung zur bildenden Kunst, sondern bietet vor allem Einblick in seine Literatur- bzw. Dramakonzeption. Es ist nicht zielführend, allen verstreuten Verweisen zur bildenden Kunst in Shakespeares Werk nachzugehen, da Arthur Fairchild bereits 1937 eine akribische Aufstellung dieser Passagen erarbeitet hat.8 Der folgende Abschnitt will nicht mit Fairchilds definitiver Zusammenschau konkurrieren, sondern betrachtet vielmehr jene ausgewählten Verweise Shakespeares auf bildende Kunst aus dramenorientierter Perspektive, die als meta-dramatische Selbstreflexion gelesen werden können. Es wurde schon mehrfach auf Shakespeares Einsatz der paragone- Vorstellung hingewiesen und gezeigt, daß Shakespeare in einigen seiner Werke diesen in der Renaissance beliebten Wettstreit der Künste gezielt einsetzt.9 Diese Untersuchungen versuchen zu zeigen, daß Shakespeare grundsätzlich aus dieser Gegenüberstellung von Malerei und Literatur Dichtung als Siegerin hervortreten läßt, oder wie William S. Heckscher es ausdrückt: "Wherever we observe Shakespeare observing the figurative arts, it is as if he wanted us to become witnesses to a paragone between poesis and pictura from which poesis would emerge as the predictable winner." 10 Diese Aussage muß im Licht der Ekphrasen in "Lucrece" aber auch in Hinblick auf die visuellen Verweise in anderen Shakespeare-Texten in dieser Form in Frage gestellt und gerade bezüglich der Dramatik Shakespeares modifiziert werden. Die folgende Analyse zeigt, daß Heckscher in seiner Bevorzugung des Literarischen im Fall Shakespeares sicher nicht unrecht hat, jedoch eine wichtige Komponente dieses paragone außer Acht läßt. 8
9
10
Eine annotierte bibliographische Zusammenstellung der einschlägigen neueren Literatur zu Shakespeare und der bildenden Kunst bis 1983 bietet Richard Studing and Carolyn Merlo, "Shakespeare and Pictorial Art," Bulletin of Bibliography 40.2 (1983): 1 0 8 - 1 1 2 . Vgl. Anthony Blunt, "An Echo of the 'Paragone' in Shakespeare," Journal of the Warburg Institute 2.3 (1939): 260-262; W. M. Merchant, "Timon and the Conceit of Art," Shakespeare Quarterly 6.3 (1955): 249-257 und Hunt (1988). William S. Heckscher, "Shakespeare in His Relationship to the Visual Arts: A Study in Paradox," Research Opportunities in Renaissance Drama 1 3 - 1 4 ( 1 9 7 0 - 1 9 7 1 ) : 8.
140
Der paragone als stilisierter Wettstreit wurzelt im Bedürfnis der Maler in der Renaissance, sich als gleichwertige Künstler neben den Literaten zu etablieren und nicht mehr wie die Maler des Mittelalters als Handwerker zu gelten. Während das gesprochene oder geschriebene Wort durch seine philosophische Legitimierung immer schon einen höheren Stellenwert als der bildliche Ausdruck besaß, wurde der paragone vornehmlich von bildenden Künstlern der Renaissance getragen, die angesichts der Neubewertung des Visuellen in der neoplatonischen Ästhetik eine veränderte philosophische Grundlage für ihre Kunst voraussetzen konnten. So sagt Leonardo da Vinci: "[W]e will say that the value of painting is as much greater than the value of poetry as the sense which painting serves [sight] is better and more noble than that of poetry" („la pittura serve a miglior senso"). 11 Diese paragone-Literatur stellt sich generell gegen die traditionelle Annahme, daß Malerei nur externe Erscheinungen abbilden kann, während Dichtung fähig ist, auch die inneren Abläufe des Verstandes darzustellen. Als Beispiel bietet sich der paragone-artige Wettstreit von poesis und pictura in der Eingangszene von Shakespeares Timon of Athens an. Das Drama setzt mit dem Gespräch zwischen einem Maler und einem Dichter ein, die in einen Wettstreit bezüglich ihrer jeweiligen Künste treten. 12 Beide Künstler haben als ein Beispiel ihres Könnens ein Geschenk für den Protagonisten Timon mitgebracht, das nun abwechselnd kommentiert wird. Der Maler zeigt dem Dichter ein Porträt, das wahrscheinlich Timon darstellt, und der Dichter bespricht ein Gedicht, das Timon in einem allegorischen Kontext beschreibt. Wenn der Dichter in der Charakterisierung des gemalten Porträts meint: "What a mental power / This eye shoots forth! How big imagination / Moves in this lip! To th' dumbness of the gesture / One might interpret" {Timon I, i, 34-37), dann spiegelt seine Diktion die zeitgenössische paragone-Literatur. Die Repräsentation von Bewegung und von geistigen Zuständen zählt zu jenen 11
12
Leonardo da Vinci's Paragone: A Critical Interpretation with a New Edition of the Text in the Codex Urbinas, ed. Ciaire J . Farago (Leiden, N e w York: E . J . Brill, 1992) Kapitel 28, Zeilen 5 - 6 bzw. p. 238-239. Für eine ältere Ubersetzung vgl. Leonardo da Vinci, Paragone, ed. Irma A. Richter (Oxford: Oxford University Press, 1949). Bemerkenswert hierbei ist die Perspektivik dieser Eingangsszene, da die beiden Künstler vorerst als Beobachter eingesetzt werden, die über die Besucher Timons sagen: "this confluence, this great flood of visitors" (Timon I, 1, 45). Es wird also gleich in der ersten Szene auf die perspektivischen Standpunkte wertgelegt, die hier durch die gleichzeitige Funktion des Malers und Dichters als Publikum sowie Schauspieler unterstrichen wird. Diese Doppeldeutigkeit am Beginn zieht sich in verschiedenen Erscheinungsformen durch dieses Drama, findet sich aber bekanntlich auch in anderen Werken Shakespeares.
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Charakteristika, die traditionellerweise Dichtung zugeschrieben, in der paragone aber meist von der Malerei ebenfalls für sich in Anspruch genommen werden. Nach dieser Beschreibung des Gemäldes fährt der Dichter mit einer Erklärung über sein Gedicht fort, das wie ein allegorisches mittelalterliches Bild in seinem ikonographischen Vokabular der Tradition konventioneller Fortuna-Darstellungen verpflichtet ist.13 Sir, I have upon a high and pleasant hill Feign'd Fortune to be thron'd. T h e base o' th' mount Is rank'd with all deserts, all kinds of natures, That labor on the bosom of this sphere To propagate their states. Amongst them all, Whose eyes are on this sovereign lady fix'd, O n e do I personate of L o r d Timon's frame, W h o m Fortune with her ivory hands wafts to her
(Timon I, i, 68-75) 14
Auf die bildhaft anmutende Schilderung seines Gedichts durch den Dichter wirft der Maler ein, daß Malerei das Thema der Auf- und Abbewegung des Glücks viel besser auszudrücken im Stande ist. "'Tis common. / A thousand moral paintings I can show / That shall demonstrate these quick blows of Fortune's / More pregnantly than words" {Timon I, 1, 94-97). Der Maler beruft sich auf die reiche ikonographische Tradition von Fortuna-Bildern, die ebenfalls Bewegung, wie sie der Dichter für sein Medium in Anspruch nimmt, umsetzen kann. Die Fortuna-Darstellungen in der Malerei mit dem sich auf- und abbewegenden Rad versinnbildlichen auf ihre Weise den Auf- und Abstieg der Menschen. Im Kontext des paragone thematisiert Shakespeare die Möglichkeit der Repräsentation von Bewegung im eigentlich statischen Medium der Malerei.15 13
14
15
Interessant ist hierbei auch, daß der Dichter sein Werk durch Bewegung charakterisiert und sich dadurch von statischer Malerei abhebt. I have, in this rough work [poem], shap'd out a man / Whom this beneath world doth embrace and hug / With amplest entertainment. My free drift / Halts not particularly, but moves itself / In a wide sea of wax; no level'd malice / Infects one comma in the course I hold, / But flies an eagle flight, bold and forth on, / Leaving no tract behind. (Timon, I, 1 46-53) Ein ähnlicher Hinweis auf bildliche Fortuna-Darstellungen findet sich in Henry V (III, 6, 28-38), wobei die wichtigsten Kennzeichen der Fortuna-Ikonographie genannt werden. Vgl. dazu Fairchild (1937, 1 3 4 - 1 3 6 ) . Interessanterweise findet sich in diesen Versen auch die in der Tabula Cebetis geschilderte Fortuna auf einem runden Stein. Die Bewegung des Rads der Fortuna wird in mittelalterlichen Illustrationen zum Teil mit Hilfe mechanischer Geräte anschaulich umgesetzt; vgl. Ms. Bibl. Nat. fr. 1586, fol. 30v. (ca. 1360). Abbildung 58 in Roger Sherman Loomis, A Minor of Chaucer's World (Princeton:
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Bereits 1939 hat Anthony Blunt versucht, diesen Kunstwettstreit am Beginn von Timon mit textlichen Quellen der paragone-lÄtevatur in der Renaissance in Verbindung zu bringen. Er kommt zum Schluß, daß kaum eindeutige textliche Vorbilder für Shakespeare rekonstruierbar sind. Leonardos Aussagen, die Shakespeares Umsetzung nahe kommen, sind als direkte Quellen auszuschließen, da sie zur Zeit der Abfassung des Dramas nur in Manuskriptform zugänglich waren. Die in englischer Sprache erhältlichen paragoneartigen Texte wie Castigliones Cortegiano waren großteils an der Gegenüberstellung von Malerei und Plastik interessiert, ohne auf Dichtung einzugehen. 16 Auch wenn Shakespeares paragone auf keine konkreten textlichen Vorbilder zurückgeführt werden kann, so gehört diese Gegenüberstellung der Künste dennoch zum allgemeinen Klima der Kunstreflexion der Renaissance. 17 Man braucht nicht unbedingt so weit zu gehen wie Clark Hülse, der den "discourse of the paragone" als "universal - one might even say - unifying - force within Renaissance aesthetics" erachtet.18 Hülse geht aber sicher recht in der Annahme, daß der paragone sich den jeweiligen nationalen Gegebenheiten anpaßt und eigene Formen hervorbringt. "The language of the paragone is by nature a social discourse, bound up in local forces and reflecting the particular artistic practices of each region where it appeared" (Hülse 10). Wie die Kapitel über Spenser und Sidney gezeigt haben, trifft diese Aussage voll und ganz für die englische Renaissance zu. Im spezifischen Fall Shakespeares behält dieses Argument seine Gültigkeit, da sich Shakespeare nicht nur mit Literatur und Malerei auseinandersetzt, sondern den paragone zur Abgrenzung innerhalb literarischer Gattungen einsetzt. Das Bild des Malers sowie das Gedicht des Dichters in Timon versuchen, Charakteristika der jeweils anderen Kunst in ihrem Medium umzusetzen. Der Maler bemüht sich um die Darstellung mentaler Vorgänge oder Gefühlszustände, die traditionellerweise der Dichtung zugeschrieben werden, und der Dichter macht Anleihen an die Malerei, indem er das ikonographische Vokabular der bildlichen Fortuna-Darstellungen aufgreift.
16 17
18
Princeton University Press, 1965). Zu dieser Abbildung vgl. auch Howard Rollin Patch, The Goddess Fortuna (1927; rpt. N e w York: Octagon, 1974) 1 4 7 - 1 7 7 . Vgl. dazu Blunt (1939, 260). Der erste Teil "Critical Interpretations" ( 3 - 1 5 8 ) von Faragos (1992) Textedition bietet eine umfassende Analyse von Leonardos paragone-Konzept sowie des allgemeinen Hintergrunds der Debatte in der Renaissance. Clark Hülse, The Rule of Art: Literature and Painting in the Renaissance (Chicago, London: University of Chicago Press, 1990) 9. r
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Interessant an der Passage aus Timon ist die implizite Hierarchie: erst wird das gemalte Porträt Timons vom Dichter diskutiert, dann wird das Gedicht des Poeten besprochen, das eigentlich eine Ekphrase einer traditionellen ikonographischen Imago darstellt, und schließlich geht Dichtung als Sieger über die Malerei hervor. Man könnte glauben, daß der Wettstreit damit beendet ist. Berücksichtigt man jedoch den Auftritt Timons, der anschließend folgt, so geht die dramatische Figur, in der die beiden von Maler und Dichter bereitgestellten Elemente des Bildlichen und Verbalen auf dramatische Art zusammenfallen, als eigentlicher Sieger hervor.'9 Während im elisabethanischen Zeitalter das Drama weitgehend zur Dichtung im Sinne von Lyrik gezählt wurde, scheint Shakespeare hier wie auch in "The Rape of Lucrece" auf das Drama als eigenständige und von der Lyrik verschiedene Gattung hinzuweisen. Es scheint aber auch, daß Shakespeare sich durch den auf den paragone folgenden dramatischen Auftritt des Timon von der seit den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts an Beliebtheit gewinnenden Masque abzuheben versucht. Die Masque, die in ihrem emblemartigen Nebeneinander von Wort und Bild das gemalte Bühnenbild besonders betont, unterscheidet sich generell vom Drama, das eine offensichtliche Fusion von verbalen und bildlichen Elementen fordert.20 Diese Argumentationslinie, daß Shakespeare hier sein spezifisches Medium diskutiert, wird dadurch untermauert, daß wenig später Timon auf seinem Fest eine Masque aufführen läßt, über die es heißt: "What a sweep of vanity comes this way"! (Timon I, 2, 131). In der kritischen Auseinandersetzung mit Timon of Athens wurde seit jeher der ambivalent gezeichneten Figur Timons Aufmerksamkeit geschenkt. Der nicht greifbare Charakter Timons, der während des Stücks kaum nachvollziehbare Metamorphosen durchmacht, hat häufig zur Kritik angeregt. Die Verweise auf die bildende Kunst in der Eingangsszene des Stücks und die oszillierenden Charakterzüge des Protagonisten lassen es aber zu, eine mögliche Verbindung zur Malerei der Renaissance zu ziehen. Das verzerrte Bild, das man von Timon im Stück vor allem durch seinen Charakterwandel zur Menschenfeindlichkeit im dritten Akt erhält, erinnert an die Praxis der anamorphen Porträts im elisabethanischen Zeit19
20
Diese Hegemonie des Dramatischen wird nochmals gegen Ende des Stücks unterstrichen, wenn Timon beide Künstler mit den Worten "[o]ut rascal dogs!" (Timon V, 1, 114) von der Bühne vertreibt. Zur Masque vgl. Stephen Orgel and Roy Strong, /«¿go Jones: The Theater of the Stuart Court, 2 vols. (Berkeley, Los Angeles: University of California Press, 1973) und Stephen Orgel, The Jonsonian Masque (Cambridge: Harvard University Press, 1965).
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alter.21 Diese multiperspektivischen Bilder der Renaissance werden in der Literatur über Shakespeare im Kontext der bildenden Kunst als "perspectives" bezeichnet. 22 Der allgemeine Tenor der Forschung sieht Shakespeares "perspectives" wie in der einschlägigen Passage aus Richard II als direkten Hinweis auf sogenannte anamorphe Bilder, die frontal betrachtet ein verzerrtes, von der Seite gesehen ein richtig proportioniertes Abbild ergeben. Bekannteste Beispiele aus der Malerei sind Holbeins The Ambassadors (1533) (Abbildung 20)23 und William Scrots' Porträt von Edward VI. (1546) (Abbildung 21A und B). 24 Die anamorphe Abbildung in Holbeins Ambassadors stellt einen Totenkopf dar, der hier einerseits als memento mori in diesem Bild der beiden illustren Männer fungiert, andererseits aber auch eine versteckte Signatur des Malers sein könnte. Der Totenkopf als hohler Knochen (Hohlbein) kann, wie Erwin Panofsky festgestellt hat, für den Namen „Holbein" stehen. 25 Gerade das Bildnis Edward VI. ist Shakespeare mit größter Wahrscheinlichkeit vertraut gewesen, da es sich in Whitehall befand, w o er in den Jahren 1591 und 1592 tätig war. Betrachtet man die einschlägige Passage aus Richard II (ca. 1595-1596) genauer, so scheint Shakespeare jedoch auf eine andere Art der perspektivischen Malerei zu verweisen, die sich grundlegend vom anamorphen Genre abhebt. 26 Im folgenden Textbeispiel wird der Königin die Abreise des Königs als „perspektivisches" Ereignis dargelegt: Each substance of a grief hath twenty shadows, Which shows like grief itself, but is not so; For sorrow's eyes, glazed with blinding tears, Divides one thing entire to many objects,
" 21
23 24 15
16
Die grundlegende Studie über Anamorphismen in der Malerei ist Jurgis Baltrusaitis, Anamorphic Art, trans. W. J. Strachan (New York: Harry N . Abrams, Inc., 1977). Ernest B. Gilman, The Curious Perspective: Literary and Pictorial Wit in the Seventeenth Century ( N e w Haven, London: Yale University Press, 1978), bringt auf Fairchilds (1937) Buchstudie aufbauend anamorphotische Bilder mit Shakespeares Dramen in Verbindung. Allan Shickman, "'Turning Pictures' in Shakespeare's England," The Art Bulletin 59.1 (1977): 6 7 - 7 0 führt die Hinweise auf "perspectives" in der Renaissance-Literatur auf eine andere Art der Perspektivenmalerei zurück, die nicht nur ein verzerrtes und ein „normales" Bild, sondern zwei völlig unterschiedliche Imagines erscheinen läßt. National Gallery, London. National Portrait Gallery, London. Vgl. Erwin Panofsky, Galileo as a Critic of the Arts (The Hague: Martinus N i j h o f f , 1954) 14Eine ausführliche Analyse dieser Passage vor dem Hintergrund anamorphotischer Bilder, ohne jedoch auf die Doppelbilder einzugehen, bietet das Kapitel 4: "Richard II and the Perspectives of History" (88-128) in Gilman (1978).
:
45
Like perspectives, which rightly gaz'd upon S h o w nothing but confusion, e y ' d awry Distinguish form. So your sweet Majesty, Looking awry upon your lord's departure, Find shapes of grief, more than himself, to wail, Which, look'd on as it is, is nought but shadows O f what it is not. Then, thrice-gracious Queen, More than y o u r lord's departure weep not. More is not seen, O r if it be, 'tis with false sorrow's eye, Which for things true weeps things imaginary.
tRichard II, II, 2, 14-27)^ Es scheint sich in dieser Anspielung auf perspectives nicht um anamorphe Bilder im Sinne von Holbeins The Ambassadors oder des Edward-Porträts zu handeln, sondern um eine andere Art, die auf einer gerippten Oberfläche zwei Bilder umsetzt. Zwei unterschiedliche Darstellungen werden in Streifen geschnitten angeordnet ("Divides one thing entire to many objects"), so daß je nachdem, ob von rechter oder linker seitlicher Stellung aus betrachtet ("looking awry"), zwei völlig verschiedene Darstellungen wahrgenommen werden können; frontal gesehen ("rightly gaz'd upon") sieht man nichts bzw. nur "confusion." Bekanntestes Beispiel dieses Genres ist das Gemälde in der Scottish National Portrait Gallery, das von rechts betrachtet Mary, Queen of Scots erscheinen läßt und von links gesehen einen Totenkopf sichtbar macht (vgl. Abbildung 22 A und B). 28 Es finden sich bei Shakespeare noch weitere Hinweise auf "perspectives" in Romeo and. Juliet, wenn es über Rosalines Schönheit heißt: "Compare her face with some that I shall show, / And I will make thee think
27
lS
Panofsky (1954) zitiert eine analoge Passage aus Galileos Schriften, in welcher Galileo literarische Werke wie Tassos Gerusalemme Liberata mit anamorphen Bildern vergleicht, "[which] show a human figure when looked at sideways and from a uniquely determined point of view but, when observed frontally as we naturally and normally do with other pictures, display nothing but a welter of lines and colors from which we can make out, if we try hard, semblances of rivers, bare beaches, clouds, or strange chimerical shapes." Le Opere di Galileo Galileo, Edizione Nazionale, ed. A. Favaro, vol. 9 (Florence, 18901909) 129; Ubersetzung aus Panofsky (1954, 13). Allan Shickman (1977, 67) verweist auf die Beschreibung eines solchen bi-perspektivischen Porträts aus Dr. Plots Natural History of Staffordshire (1686), die wie eine Paraphrase der Passage aus Richard II klingt. "[W]hich if beheld directly, you only perceive a confused piece of work; but if obliquely, of one side you see the King's, and on the other side the Queen's picture." Zitiert nach William B. Rye, England as Seen by Foreigners in the Days of Elizabeth and James the First (London: John Russell Smith, 1865) 281.
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thy swan a crow" (I, 2, 88-89), 29 in Antony and Cleopatra: "Though he be painted one way like a Gorgon, / The other way's a Mars" (II, 5, 1 1 6 117) und in Twelfth Night, wenn Orsino meint, "One face, one voice, one habit, and two persons, / A natural perspective, that is and is not!" (V, i, 213-214). Interessant in Hinblick auf Shakespeare, der diese perspektivischen Bilder zur Erklärung seiner mehrschichtigen Zeichnung der handelnden Figuren zitiert, ist eine Passage aus Robert Burtons Anatomy of Melancholy (1621), die ebenfalls diese perspectives als Veranschaulichungsmittel für facettenreiche Charaktere heranzieht. I will determine of them all, they are like these double or turning pictures; stand before which y o u see a fair maid, on the one side an ape, on the other an owl; look upon them at the first sight, all is well, but further examine, y o u shall find them wise on the one side, and fools on the other, in some f e w things praiseworthy, in the rest incomparably faulty. 3 "
Shakespeare verfährt, wie bereits im paragone-Beispiel aus Timon of Athens gezeigt wurde, in seinem Einsatz der bildenden Kunst analog, indem er das Visuelle auf eine handelnde Figur überträgt. Damit geht Shakespeare in seinen Wort-Bild-Gegenüberstellungen immer über die Literatur-Malerei-Dichotomie hinaus und hebt die Thematik auf die Ebene der Dramatik. Wie das obige Beispiel aus Richard II gezeigt hat, meint Shakespeare mit "perspectives" nicht Perspektive in unserem Sinn als Zentralperspektive, sondern das Genre anamorpher oder bifokaler Bilder im elisabethanischen England. Trotzdem ist es aber gerade in Hinblick auf Shakespeares allgemeine Dramenkonzeption wichtig, der Zentralperspektive als Kompositionstechnik in der Malerei in Wechselwirkung zum Renaissance-Drama kurz nachzugehen. Shakespeare war mit dem Prinzip der zentralperspektivischen Komposition in der Malerei vertraut, wie Edgars Rede aus der Klippenszene in King Lear beweist:
19
Dieses Oszillieren zwischen "swan" und "crow" taucht in George Chapmans All Fools (1605) als "like a cousoning picture which one way / Shewes like a Crowe, another like a Swanne" (I, i, 48) wieder auf. Es ist möglich, daß hierbei auf ein im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert eventuell mechanisch reproduziertes bifokales Bild angespielt wird, das sich großer Beliebtheit erfreute. Für weitere literarische Beispiele in Shakespeares Antony and Cleopatra (II, 5, 116), in Michael Draytons Mortimeriados (1596) und bei George Chapman vgl. Shickman (1977, 67-69).
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Robert Burton, The Anatomy of Melancholy, vol. 1. (London: Duckworth & Co., 1905) 155; zitiert aus Shickman (1977, 69).
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The crows and choughs that wing the midway air Show scarce so gross as beetles. [...] The fishermen that walk upon the beach Appear like mice; and yond tall anchoring bark, Diminsih'd to her cock; her cock, a buoy Almost too small for sight. {Lear IV, 6, 1 3 - 2 0 )
Wie Roland Mushat Frye bereits gezeigt hat, setzt Shakespeare hier die perspektivische Auffassung der proportionalen Verkleinerung von Objekten auf hintereinanderliegenden optischen Ebenen verbal um.31 Es handelt sich hierbei um die von Agostino Carracci (1557-1602) in einem Skizzenbuch ausführlich dargelegte Kompositionstechnik, das für zwei Jahrhunderte als grundlegendes Werk zur Perspektive galt. Obwohl Shakespeare, wie dieses Textbeispiel zeigt, mit der Theorie der Zentralperspektive vertraut war, findet sich im Aufbau seiner Dramen kaum eine mit dieser Kompositionstechnik vergleichbare Struktur, während sich die Dramatik im kontinentalen Europa bereits diesem Aufbauprinzip zugewandt hat. Es läßt sich also eine Wechselwirkung zwischen der Entwicklung der Zentralperspektive in der Malerei und Malereitheorie und der um die auf den drei Einheiten aufbauenden Dramentheorie und -praxis nachzeichnen. Frye zieht eine interessante Verbindung zwischen der Entwicklung der Zentralperspektive im italienischen Quattrocento und der Entwicklung der aristotelischen Einheiten von Ort, Zeit und Handlung im Drama bzw. der Dramentheorie. Er zeigt anhand einer Fülle von Beispielen der englischen Porträtkunst, daß sich in der Tudor-Malerei analog zum Tudor-Drama die neoklassischen Einheiten noch nicht durchgesetzt hatten. England fällt im 16. Jahrhundert in der bildenden Kunst nicht zuletzt aufgrund der Reformation weit hinter den Rest Europas zurück, obwohl Hans Holbein unter Heinrich VIII. in England gewirkt hat, ohne jedoch eine eigene Schule zu hinterlassen, die die spätere Entwicklung nachhaltig beeinflußt hätte. Sowohl die Porträtmalerei als auch Dramatik in England orientierte sich daher am Ende des 16. Jahrhunderts weitgehend an älteren Kompositionstechniken, die zwar rund um eine zentrale Figur angelegt sind, jedoch keine zentrale Perspektive einnehmen, indem sie räumlich und zeitlich weit auseinanderliegende Ereignisse innerhalb eines Gemäldes bzw. Dramas darstellen. So zeigt das bekannte Sir Henry Unton Panel (ca. 31
Vgl. dazu Roland Mushat Frye, "Ways of Seeing in Shakespearean Drama and Elizabethan Painting," Shakespeare Quarterly 31.3 (1980): 341. 148
1596-1600) in der National Portrait Gallery (Abbildung 2}) )2 verschiedene Lebensabschnitte der zentralen Figur von seiner Geburt bis zu seiner Beisetzung. Dieses extreme Beispiel aus der elisabethanischen Porträtkunst steht stellvertretend für eine Vielzahl analoger Bilder wie z.B. das bekannte Armada-Porträt (1588) von Queen Elizabeth I. (Abbildung 24),33 das ebenfalls zeitlich und räumlich weit auseinanderliegende Ereignisse in einem Bild vereint. Es wird oft auf das Unvermögen der englischen Renaissance-Malerei in Hinblick auf die Umsetzung einer starren Zentralperspektive hingewiesen, wie sie Albertis Depictura in Italien und Albrecht Dürers Unterweisung in Deutschland propagierten. Das einzige vergleichbare kunsttheoretische Traktat in England, Nicholas Hilliards Art of Limning (ca. 1600), das 150 Jahre nach Alberti verfaßt wurde, orientiert sich scheinbar noch an spätmittelalterlichen Kompositionstechniken, die nicht um einen zentralen, feststehenden Blickwinkel angelegt sind. Wie Clark Hulses aufschlußreiche Analyse dieses Problems gezeigt hat, war Hilliard aber sehr wohl mit den Prinzipien der zentralperspektivischen Komposition über das Traktat Albrecht Dürers vertraut, distanzierte sich aber offensichtlich davon.34 Auf diesen Umstand wurde bereits im Kapitel über Sidney und Hilliard ausführlich hingewiesen. Alberti sowie sein späterer englischer Propagator Lomazzo, aber auch Dürer waren an einer mimetischen Umsetzung wahrgenommener Realität mit Hilfe eines zentralperspektivischen, geometrischen Regelkanons interessiert. Parallel dazu sind sie bemüht, wie das Beispiel Albertis am deutlichsten zeigt, durch eine rhetorische und geometrische Überfrachtung der Malerei, diese aus dem Bereich des Handwerks in den Rang der artes liberales vergleichbar der Rhetorik und Geometrie zu erheben. Hilliard vertritt hingegen eine völlig konträre Linie, da seiner Meinung nach ein Maler "by an admirable instin[c]t or nature [...] without rule or reasson" im Stande ist, Proportionen überzeugend darzustellen.35 Hilliards Theorie der Malerei, die zum Unterschied der genannten kontinentalen, allgemeinen Traktate Porträtmalerei zum Inhalt hat, argumentiert generell gegen die bloße Abbildung äußerer Erscheinungen und befür32 33 34
35
National Portrait Gallery, London. George Gower; Woburn Abbey, Bedfordshire. Vgl. dazu Kapitel 5: "Sidney and Hilliard" ( 1 1 5 - 1 5 6 ) in Clark Hülse, The Rule of Art: Literature and Painting in the Renaissance (Chicago, London: The University of Chicago Press, 1990). Nicholas Hilliard's Art of Limning: A New Edition of A Treatise Concerning the Arte of Limning Writ by N Hilliard, ed. Arthur F. Kinney, Linda Bradley Salamon, (Boston: Northeastern University Press, 1983) 23. Alle weiteren Zitate folgen dieser Ausgabe.
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wortet die Repräsentation innerer Charakterzüge der dargestellten Personen. Damit verschiebt Hilliard wie die englische Malerei dieser Zeit die Wertigkeit von historischen Gemälden (im Sinne von Bildern, die eine historia oder Geschichte erzählen) in Richtung Porträt, oder wie er es ausdrückt: "[0]f all things the perfection is to imitate the face of man kind" (Art 22). Hülse faßt Hilliards Ansatz treffend zusammen, wenn er meint: In his dismissal of the rules of proportion, Hilliard had supplanted the Euclidian and Ciceronian methods for endowing sense perception with harmony, proportion, and truth, and championed a method based on custom and instinct. (Hülse 1990, 1 4 5 )
Klassisches Beispiel für die Repräsentationspraxis der englischen Malerei des ausgehenden 16. Jahrhunderts ist Hilliards beinahe erotische Schilderung der Interaktion von Maler und Modell. Hilliard scheint sich hier gegen die Tradition des paragone zu wenden, die Malerei nur die Möglichkeit zur Abbildung äußerer Zustände zugesteht. Während Alberti und Dürer eine starre Position zum Objekt einnehmen, das durch ein dazwischengeschaltetes Netz den Objektcharakter noch unterstreicht, läßt sich Hilliard auf eine bewegt anmutende Wechselwirkung von Maler und Modell ein, "notinge howe in smilling ho we the eye changeth and naroweth, houlding the sight just between the lides as a center, howe the mouth alittel extendeth, both ends of the line upwards [...] the vaines in the tempel appeare more and the cullour by degrees increaseth" (Art 23-24). Auf fast kubistische Art propagiert Hilliard hier die Auflösung einer fixen Position vor dem zu porträtierenden Modell und stellt innere Zustände, die sich durch äußere Bewegungen und Veränderungen manifestieren, ins Zentrum. Während Alberti und seine Nachfolger in den Regeln für die ideale Zentralperspektive Abbildungs- und Betrachtungsabstand sowie die genaue Höhe des Fluchtpunktes kategorisch festzulegen versuchten, macht Hilliard eine unerwartete relativistische Gegenbewegung, indem diese Parameter in The Art of Limning für soziale und politische Charakterisierung eingesetzt werden. Hülse faßt dies so zusammen: "As physical relationships become expressive of the social hierarchy, Hilliard's theoretical language fuses the physical body into the social body and transforms objective vision into class deference" (Hülse 1990, 132). Anders ausgedrückt geht Hilliard von einer objektivierenden zentralperspektivischen Abbildungsutopie ab und arbeitet gezielt mit perspektivischer Vielfalt, um sozialen, politischen und hierarchischen Strukturen Ausdruck verleihen zu können. 150
[B]ut if hee be a very highe person, lett him sitte a littel above, because generally men be under him, and will soe Juge of the picture, because they under viewe him, if it be a very lowe person or childe use the like discretion in placing him somewhat lower than your selfe. (Art
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Offensichtlich ist, daß Hilliard hier nicht nur von physischen Größenverhältnissen, sondern von sozialen Hierarchien spricht. Vergleicht man diese mittelalterlich anmutende Repräsentationspraxis Hilliards, die bewußt von albertischer Proportionstheorie und Zentralperspektive abweicht, mit den Dramen Shakespeares, so lassen sich einige Parallelen ziehen. Auch Shakespeare übergeht in seinen Dramen die aristotelischen Einheiten, als diese Regeln im kontinentalen Europa bereits als Voraussetzung für ein gutes Drama galten. Shakespeare reflektiert darüber, wenn er im Prolog zu Henry V. das Publikum auffordert, seine Imagination zu benützen, um räumliche und zeitliche Sprünge im Stück nachvollziehen zu können: Can this cockpit hold The vasty fields of France? [...] And let us, ciphers to this great account, On your imaginary forces work. Suppose within the girdle of these walls Are now confin'd two mighty monarchies, Whose high upreared and abutting fronts The perilous narrow ocean part.s asunder. Piece out our imperfections with your thoughts: Into a thousand parts divide one man, And make imaginary puissance. [...] Carry them here and there, jumping o'er times, Turning th' accomplishment of many years Into an hour-glass. (Henry V, Prologue, 1 1 - 3 1 )
Ben Jonson kritisiert 1598 dieses Fehlen der Einheiten im Drama als "th' ill customes of the age [...which] make a child, now swadled, to proceede / Man, and then shoote vp, in one beard, and weede, / Past threescore yeeres."36 Jonsons Kritik, die auf die Vernachlässigung der zeitlichen Einheit im Drama gerichtet ist, trifft ebenso auf die zeitgenössische Malerei Englands zu. Auch Sidney thematisiert in A Defence of Poetry >6 Ben Jonson, Every man in his Humor (Prologue, 4-9), Ben Jonson, ed. C. H. Herford, Percy and Evelyn Simpson, vol. 3 (Oxford: Clarendon Press, 1927) 303.
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die räumliche Zerrissenheit des elisabethanischen Dramas, wie das folgende Zitat verdeutlicht: [W]here y o u shall have Asia of the one side, and A f r i c of the other, and so many other under-kingdoms, that the player, when he cometh in, must ever begin with telling where he is, or else the tale will not be conceived? N o w y o u shall have three ladies walk to gather flowers: and then we must believe the stage to be a garden. B y and by w e hear news of shipwreck in the same place: and then w e are to blame if w e accept it not for a rock. [...] While in the meantime two armies fly in, represented with four swords and bucklers: and then what hard heart will not receive it for a pitched field? 3 7
Während Shakespeare mit Ausnahme seines Spätwerks The Tempest großteils dieser „einheitslosen" Struktur verhaftet bleibt, wendet sich Ben Jonson in Volpone (1605) bewußt jenen Einheiten zu, wie bereits der Prolog bestätigt: "The lawes of time, place, persons, he obserueth, / From no needful rule he swerueth." 38 Diese neoklassische Gegenbewegung zeichnet sich besonders in der masque ab, die sich mehr als jedes andere dramatische Genre der Einheiten bzw. Zentralperspektive bedient. Diese Gattung, die zur Aufführung am königlichen Hof bestimmt war, besticht durch strikte Befolgung der Einheiten auf allen Ebenen. Das Bühnenbild ist so konzipiert, daß es von einem bestimmten Blickwinkel aus eine möglichst realistische perspektivische Illusion suggeriert. Dieses so erzeugte wirklichkeitsgetreue visuelle Setting auf der Bühne ist auf den Blick und Sitzplatz des Königs hin orientiert, der als einziger die ideale Perspektive zur Erfahrung der Illusion besitzt. 39 Ben Jonson hat für Aufführungen intensiv mit dem Architekten Inigo Jones zusammengearbeitet, der aufwendige, illusionistische Kulissen für seine masques entwarf. Die Vielzahl erhaltener Skizzen von Inigo Jones vermitteln einen guten Eindruck der perspektivischen Bühnenszenerie (vgl. Abbildung 25).40 Dieses von architektonischen Elementen durchdrungene Bühnendesign wurde in Italien unter dem Einfluß der Wiederentdeckung Vitruvs - insbesonders des 10. Buches, das sich mit 37
38
3S
40
Philip Sidney, A Defence of Poetry, ed. Jan van Dorsten (Oxford: Oxford University Press, 1984) 65. Ben Jonson, ed. C. H. Herford, Percy and Evelyn Simpson, vol. 5 (Oxford: Clarendon Press, 1937) 24. Frye (1980) setzt diese Mono-Perspektivik in den Court-Masques mit dem generellen Erstarken des göttlichen Rechts des Königtums unter den Stuarts in Verbindung. Inigo Jones, "Roman Atrium" in Albion's Triumph; Devonshire Collection, Chatsworth. Abbildung 12 in Frye (1980, 340). Für Reproduktionen der Skizzen Inigo Jones' vgl. Stephen Orgel and Roy Strong, Im go Jones: The Theater of the Stuart Court, 2 vols. (Berkeley, Los Angeles: University of California Press, 1973).
152
Theaterarchitektur
entwickelt. D i e v o n Vitruv
beeinflußten
T r a k t a t e z u r A r c h i t e k t u r des Italieners S e b a s t i a n o Serlio
befaßt
-
(1475-1564)
w u r d e n in E n g l a n d d u r c h R o b e r t P e a k e s Ü b e r s e t z u n g The First of Architecture
Booke
( 1 6 1 1 ) 4 1 v o n I n i g o J o n e s f ü r die B ü h n e n a r c h i t e k t u r a d a p -
tiert (vgl. A b b i l d u n g 2 6 ) . 4 2 D i e s e N e u o r i e n t i e r u n g i m 1 7 . J a h r h u n d e r t in B e n J o n s o n s D r a m e n u n d masques
läßt sich parallel in d e r P o r t r ä t k u n s t
der S t u a r t - Ä r a n a c h z e i c h n e n , die n u n ebenfalls z e n t r a l p e r s p e k t i v i s c h a u s gerichtet ist b z w . r ä u m l i c h e u n d zeitliche E i n h e i t e n b e f o l g t . 4 3 V e r g l e i c h t m a n S h a k e s p e a r e s p e r s p e k t i v i s c h e B e s c h r e i b u n g des B l i c k s v o n d e n K l i p p e n D o v e r s in King
Lear
mit den von Inigo Jones angefertig-
ten B ü h n e n b i l d e r n , d a n n scheint es, als w o l l e S h a k e s p e a r e hier b e w u ß t jene visuell e r z e u g t e Illusion d e r Z e n t r a l p e r s p e k t i v e als W o r t k u l i s s e v e r bal v e r m i t t e l n . 4 4 E s ist s o g a r w a h r s c h e i n l i c h , daß die besagte s p r a c h l i c h e U m s e t z u n g eines p e r s p e k t i v i s c h e n B ü h n e n b i l d e s in King
Lear
(ca. 1 6 0 5 -
1 6 0 6 ) eine direkte R e a k t i o n auf die z u r Z e i t der A b f a s s u n g des D r a m a s a u f g e f ü h r t e Masque
of Blacknesse
( 1 6 0 5 ) v o n B e n J o n s o n darstellt. 4 5 D i e -
41
Für neuere Textausgaben vgl. The Book of Architecture by Sebastiano Serlio. London, 1611 (New York: Benjamin Blom, Inc. Publishers, 1970) mit einer illustrierten Einleitung von A. E. Santaniello. Siehe auch Sebastiano Serlio, The Five Books of Architecture: An Unabridged Reprint of the English Edition of 1611 (New York: Dover, 1982). Zur Wechselwirkung von Architektur und Bühnendesign in der Renaissance vgl. Murray Roston, Renaissance Perspectives in Literature and the Visual Arts (Princeton: Princeton University Press, 1987) 193-238.
42
The Tragic Scene in Sebastiano Serlio, The Five Books of Architecture: An Unabridged Reprint of the English Edition of 1611 (New York: Dover, 1982) bk. 2, ch. 3, fol. 25". Für eine neuere Publikation zu diesem Thema vgl. David Howarth, "The Politics of Inigo Jones," ed. David Howarth, Art and Patronage in the Caroline Courts: Essays in Honour of Sir Oliver Miliar (Cambridge: Cambridge University Press, 1993) 68-89. Zentralperspektivische bildliche Darstellungen hatten im elisabethanischen England etwas Ungewöhnliches an sich, wie die Erklärung von Sir John Harrington aus dem Jahr 1591 im "Advertisement to the Reader" zeigt, wenn er die Illustrationen seiner Orlando FuriosoUbersetzung folgendermaßen kommentiert: " [ 0 ] n e thing is to be noted, which euery one (haply) will not obserue, namely the perspectiue in euery figure. For the personages of men, the shapes of horses, and such like, are made large at the bottome, and the fardest, shewes smallest, which is the chiefe art in picture." Orlando Furioso in English Heroical Verse (London, 1591); zitiert nach John B. Bender, Spenser and Literary Pictorialism (Princeton: Princeton University Press, 1972) 97.
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45
Bekanntes und kurioses Detail dieser langjährigen Zusammenarbeit von Jonson und Jones ist der vehement ausgetragene paragone zwischen Dichtung und Bühnenarchitektur, die nach dem Zerwürfnis beider Künstler folgte. In " A n Expostulacion with Inigo Jones" degradiert Jonson Jones' Part zu "Mighty Showes" (39) bzw. "perspectiue of an Inch board" (44). Ben Jonson, ed. C . H. Herford, Percy and Evelyn Simpson, vol. 8 (Oxford: Clarendon Press, 1947) 403-404. Jonson hat auch in seinen Discoveries die Hierarchie der beiden Künste zu seinen Gunsten ausgelegt, wenn er schreibt: "[T]he Pen is more noble, then the Pencill. For that can speake to the Understanding; the other, but to the Sense" (Ben Jonson, vol. 8, p. 610). Zum Streit zwischen Jonson und Jones bzw. den kunsttheoretischen Hintergründen der Debatte vgl. D. J. Gordon, "Poet and Architect:
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ses erstmalig eingesetzte perspektivische Bühnenbild des Designers Inigo Jones erregte 1605 bei seiner ersten Aufführung am Hof großes Aufsehen.46 King Lear, das um diese Zeit entstanden ist, könnte sehr wohl auf dieses Ereignis in der Rede Edgars indirekt Bezug nehmen. Es würde sich gut in Shakespeares Wort-Bild-Konzeption im Drama einfügen, die eine rhetorisch dominierte Fusion von Verbalem und Bildlichem anstrebt. In der Bevorzugung der Synthese, die aber immer Rhetorik als Schwerpunkt propagiert, treffen sich Shakespeares und Aristoteles' Auffassung zur Inszenierung im Drama: "Spectacle, while highly effective, is yet quite foreign to the art and has nothing to do with poetry" (Poetics VI, 28).47 Ein weiteres Motiv, das immer wieder in Studien über Shakespeares Verhältnis zur bildenden Kunst herangezogen wird, ist das Emblem bzw. seine Umsetzung im Drama. Oft wird sogar die Evolution des Dramas in der Renaissance als Abfolge von emblematischem Theater über figürliche Repräsentation zu bildlicher Simulation von Imagines gesehen.48 Obwohl die bekanntesten Emblem-Bücher wie Andrea Alciatis Emblemata (1531) und Cesare Ripas Iconologia (1593) ursprünglich ohne Bilder erschienen bzw. erst vom Drucker illustriert wurden, gehört in der englischen Renaissance das Nebeneinander von Wort und Bild wie in Geoffrey Whitneys A Choice of Emblems (1586) zum festen Bestandteil der Emblemtradition.43 Es ist daher wichtig, in der Analyse dramatischer Werke wie der Shakespeares den Emblembegriff nicht zuweit auszudehnen, sondern nur im Sinne von zur emblematischen Tradition gehörigen, feststehenden bildlichen Imagines zu verwenden. Der Terminus Emblem charakterisiert damit sinnvollerweise nur jene Passagen eines literarischen oder dramatiThe Intellectual Setting of the Quarrel between Ben Jonson and Inigo Jones (1949)," The Renaissance Imagination: Essays and Lectures by D. J. Gordon, ed. Stephen Orgel (Berkeley, Los Angeles: University of California Press, 1975) 7 7 - 1 0 1 . Ein eindrucksvolles Beispiel für perspektivische Bühnenkulissen bietet die Masque Britannia Triumphans von Sir William Davenant aus den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts. Die Skizzen zu den Bühnenbildern von Inigo Jones erinnern an Sebastiano Serlios Vorschlag einer "Tragic Scene." Inigo Jones "London farr o f f , " Design für Szene 1 von Britannia Triumphans; The Chatsworth Settlement; Abbildung 14 in Howarth (1993, 71). 46
Zu Ben Jonson im Kontext des Renaissance-Bildverständnisses vgl. den Aufsatz D . J . Gordon, "The Imagery of Ben Jonson's Masques of Blacknesse and Beautie (1943)," The Renaissance Imagination: Essays and Lectures by D. J. Gordon, ed. Stephen Orgel (Berkeley, Los Angeles: University of California Press, 1975) 1 3 4 - 1 5 6 .
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Aristotle, The Poetics, trans. Hamilton Fyfe and W. Rhys Roberts (Cambridge: Harvard University Press, 1991). Vgl. Kapitel 6: "The Emblematic Tradition" (206-244) in Glynne Wickham, Early English Stages 1300-1600, vol. 2, part 1 (London: Routledge and Kegan Paul, 1963). Vgl. dazu Kapitel 1: "Emblem, Device, Epigram, Conceit" ( 1 1 - 5 4 ) ' n Mario Praz, Studies in Seventeenth-Century Imagery, 2nd ed. (Rome: Edizioni di Storia e Letteratura, 1964). Praz führt die Emblemtradition vor allem auf Epigramme der Anthologia Graeca zurück.
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sehen Werkes, die in ihrer visuellen Anordnung oder verbalen Beschreibung ikonographisches Vokabular der Embleme heranziehen. Nicht zielführend ist es, jegliche Charakterisierung von Figuren als emblematisch zu bezeichnen, nur weil sie eine in Emblem-Büchern vorkommende Eigenschaft, Tugend oder Untugend thematisch widerspiegeln. Will man Passagen eines Dramas mit emblematischem Vokabular zur Deckung bringen, so müssen Text- bzw. Regieanweisungen die strukturelle WortBild-Gegenüberstellung des Emblems in irgendeiner Form dramatisch umsetzen. 50 Das heißt, das Emblem muß entweder durch Inszenierung oder verbale Beschreibung der beiden Elemente Wort und Bild adaptiert werden. Ein Beispiel für eine emblemartige Gegenüberstellung von Wort und Bild in den Dramen Shakespeares findet sich in Titus Andronicus, das kurz vor "The Rape of Lucrece" entstanden ist und viele thematische Anküpfungspunkte zum Gedicht aufweist. Wieder wird der PhilomelaMythos von Shakespeare herangezogen und für theatralische Zwecke eingesetzt. Lavinia, die Nichte des Markus, wird vergewaltigt und anschließend durch Abschlagen beider Hände und Abschneiden der Zunge verunstaltet. Shakespeares Version geht über den traditionellen PhilomelaMythos hinaus, indem er der geschändeten Frau nicht nur die Zunge rauben läßt, sondern ihr auch die Möglichkeit visueller Kommunikation nimmt. Während bei Ovid Philomela durch Weben bzw. mit Hilfe visueller Repräsentation im Stande war, ihr Schicksal mitzuteilen, wird Shakespeares Lavinia zum rein bildlichen Element eines Emblems der Schändung reduziert.51 Dies kommt besonders gut in der Szene zum Ausdruck, als ihr Onkel die verunstaltete Lavinia erstmals zu Gesicht bekommt. S p e a k , gentle niece, w h a t s t e r n u n g e n t l e h a n d s H a t h l o p p ' d and h e w ' d a n d m a d e t h y b o d y b a r e O f her t w o b r a n c h e s , t h o s e s w e e t o r n a m e n t s , W h o s e circling s h a d o w s k i n g s have s o u g h t to sleep in, A n d m i g h t n o t gain s o great a h a p p i n e s s A s have t h y l o v e ? W h y d o s t n o t s p e a k to m e ? A l a s , a c r i m s o n river o f w a r m b l o o d , >° Die grundlegende Studie zum Emblem bei Shakespeare ist Henry Green, Shakespeare and the Emblem Writers: An Exposition of Their Similarities of Thought and Expression. Preceded by a View of Emblem Literature Down to A. D. 1616 (London: Trübner, 1870). Viele neuere Arbeiten zu diesem Thema setzen den Emblem-Begriff so weitläufig an, daß er synonym mit image oder Bild verwendet wird und wenig Bezüge zur historischen Emblemtradition oder bildenden Kunst der englischen Renaissance zuläßt. >' Zur Emblematik dieser Passage vgl. A. Robin Bowers, "Emblem and Rape in Shakespeare's Lucrece and Titus Andronicus," Studies in Iconography 10 (1984-86): 89-92.
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Like to a bubbling fountain stirr'd with wind, D o t h rise and fall between thy rosed lips, C o m i n g and going with thy honey breath. But, sure, some Tereus hath deflow'red thee, A n d , lest thou shouldst detect him, cut thy tongue. [...] Yet do thy cheeks look red as Titan's face. Blushing to be encount'red with a cloud. {Titus, II, 4, 1 6 - 3 2 )
Markus beendet diese beinahe „ekphrastische" Beschreibung der auf das rein Visuelle reduzierten Lavinia mit den Worten: "Shall I speak for thee? Shall I say 'tis so?" (Titus II, 4, 33). Diese szenische Anordnung mit Lavinia als stummen, d. h. rein visuellen Eindruck und dem verbal kommentierenden Markus ist strukturell eine dramatische Umsetzung eines Emblems. Lavinia übernimmt die Funktion des Bildes, Markus die des Textes. Natürlich läßt sich diese Wort-Bild Anordnung thematisch nicht mit einem realen Emblem aus einer der einschlägigen Renaissance-Quellen zur Deckung bringen, es ist aber nicht abzustreiten, daß die formale Anordnung die Struktur emblematischer Gegenüberstellungen spiegelt. Die Passage aus Titus ist ein unkonventionelles Beispiel, wie Shakespeare Elemente der bildenden Kunst - hier der Emblemtradition - in das Dramatische integriert, indem er sie auf handelnde Figuren überträgt. Eine strukturell ähnliche Passage findet sich in der Beschreibung eines gemalten Portraits von Portia in The Merchant of Venice. Hier wird noch deutlicher als in Titus ein Bild mit verbalem Kommentar präsentiert und damit die formalen Kennzeichen des Emblems im Stück offensichtlich umgesetzt: Fair Portia's counterfeit! What demi-god Hath come so near creation? M o v e these eyes? O r whether, riding on the balls of mine, Seem they in motion? Here are sever'd lips, Parted with sugar breath; so sweet a bar Should sunder such sweet friends. Here in her hairs The painter plays the spider, and hath woven A golden mesh't enrap the hearts of men Faster than gnats in cobwebs. [...] [...] Yet look h o w far The substance of my praise doth wrong this shadow In underprizing it, so far this shadow D o t h limp behind the substance. Here's the scroll, T h e continent and summary of m y fortune. {Merchant of Venice III, 2, 1 1 5 - 1 3 0 ) 156
Auf diese Bildbeschreibung folgt ein Text, der von Bassanio verlesen wird und in Wechselwirkung zum Bild Portias tritt. Das Porträt Portias steht für den bildlichen, der geschriebene Text für den verbalen Teil des Emblems. Die Technik, die Shakespeare hier anwendet, ist erneut die Projektion des Visuellen auf eine Figur, wobei die Beschreibung des bildlichen Kunstwerks wieder hinter die Figur des Schauspielers zurückfallen muß, oder wie Shakespeare es hier ausdrückt: "this shadow / Doth limp behind the substance." In dieser Passage bezieht sich Shakespeare offensichtlich auf die im elisabethanischen England im Gegensatz zu anderen Gattungen blühende Miniaturmalerei. So ist es auch nicht verwunderlich, daß das einzige autochtone, im weitesten Sinne theoretische Traktat zur bildenden Kunst aus dieser Zeit, Nicholas Hilliards Art of Limning (ca. 1600), Miniaturmalerei behandelt. Die offensichtlichste Übertragung des Bildlichen auf eine handelnde Figur im Kontext einer ekphrastischen Kunstwerksbeschreibung ist aber die Statuenszene in The Winter's Tale. Mit diesem Beispiel aus Shakespeares Spätwerk kommen wir den Anliegen der Ekphrasen in "The Rape of Lucrece" bereits sehr nahe. Shakespeare scheint in dieser Romance ebenfalls unter Rekurs auf Malerei und Plastik das Drama als bevorzugte mimetische Kunst zu propagieren. Es braucht hier nicht der Kontext des gesamten Stücks in Erinnerung gerufen zu werden, da die wichtigsten Mechanismen in einer Szene konzentriert sind. Die Handlung kreist um die unbegründete Eifersucht des Königs Leontes von Sizilien. Die von ihrem Ehemann verstoßene und daraufhin (scheinbar) verstorbene Königin Hermione wird in der besagten Szene von einem Künstler als Statue nachgebildet, die schließlich auf mysteriöse Weise zum Leben erwacht. Bereits in der Szene, die der Enthüllung der Statue der Hermione vorausgeht, wird im Gespräch der drei "Gentlemen" das Zusammentreffen der beiden Könige Leontes und Polixenes als verbale Beschreibung wiedergegeben, wobei die Unzulänglichkeit des Mediums Sprache ohne Sehen betont wird und gleichzeitig die Diktion des Dramatischen durchscheint. THIRD G E N T L E M A N : [...] D i d y o u see the meeting of the t w o kings? SECOND GENTLEMAN: No. THIRD G E N T L E M A N : Then have y o u lost a sight which was to be seen, cannot be spoken of. [...] I never heard of such another encounter, which lames report to follow it and undoes description to do it. [...] FIRST G E N T L E M A N : The dignity of this act was worth the audience of kings and princes, for b y such was it acted. ( W T V , 2, 4 0 - 8 1 )
J
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Noch vor der eigentlichen Schlüsselszene, in der die Statue der toten bzw. totgeglaubten Hermione beschrieben wird und anschließend zum Leben erwacht, wird eine andere Szene der Handlung in Form einer verbalen Beschreibung nachträglich wiedergegeben. In dieser rhetorischen Schilderung wird ständig auf das Fehlen des Visuellen hingewiesen, das - so die Sprecher - den Gesamteindruck erfahrbar machen würde. In der Erwekkungsszene der Hermione-Statue kommt dieser bereits in der vorausgegangenen Szene thematisierte Aspekt in dramatischer Selbstreflexion noch deutlicher zum Ausdruck. P A U L I N A : A s she liv'd peerless, So her dead likeness, I do well believe, Excels whatever yet y o u look'd upon O r hand of man hath done. Therefore I keep it Lonely, apart. But here it is. Prepare T o see the life as lively mock'd as ever Still sleep mock'd death. Behold, and say 'tis well. [Paulina draws a curtain, and discovers] Hermione [standing] like a statue. ( W T V , 3, 1 4 - 2 0 )
Das Setting ist das einer Bühne, auf der beim Offnen des Vorhangs die Figuren zum Leben erweckt werden. Wenige Zeilen weiter kommentiert die „regieführende" Paulina ihr Spektakel: "If I had thought the sight of my poor image / Would thus have wrought you - for the stone is mine - / I'd not have show'd it." Die „Zuschauer" flehen sie daraufhin an: " D o not draw the curtain" ( W T V , 3 , 5 7 - 5 9 ) und Paulina wiederum warnt ihr „Publikum:" " N o longer shall you gaze on't, lest your fancy / May think anon it moves" (WTV, 3, 60-61). Die implizierten dramatischen Anspielungen dieser Aussagen sind kaum zu überhören. Diese Passage und vor allem der Abschnitt, in dem die Statue tatsächlich zum Leben erwacht, stehen ganz in der Tradition klassischer Ekphrasen wie in Callistratus' Beschreibungen, die höchste Kunstfertigkeit durch beseelte Statuen charakterisieren. LEONTES: Would y o u not deem it breath'd? A n d that those veins D i d verily bear blood? POLIXENES: Masterly done! T h e very life seems warm upon her lip. L E O N T E S : The fixture of her eye has motion i n ' t , A s w e are mock'd with art. P A U L I N A : I'll draw the curtain. M y lord's almost so far transported that He'll think anon it lives. (WT, V, 3, 6 4 - 7 0 ) 158
Das direkte Vorbild stellt aber der Pygmalion-Mythos im 6. Buch von Ovids Metamorphosen dar, in welchem der Bildhauer Pygmalion sich in die von ihm geschaffene Statue einer schönen Frau verliebt, die unter seinen Händen zum Leben erwacht.'2 Interessant für die Wort-Bild-Problematik in diesem Zusammenhang ist Francis Bacons Einsatz des Pygmalion-Mythos in Advancement of Learning, um auf den bildlichen Charakter von Schrift hinzuweisen, die, falls nicht richtig wahrgenommen, die Sinne wie Bilder gefangennehmen kann. A n d how is it possible but this should have an operation to discredit learning, even with vulgar capacities, when they see learned men's w o r k s like the first letter of a patent or limned book, which though it hath large flourishes, yet it is but a letter? It seems to me that Pygmalion's frenzy is a good emblem or portraiture of this vanity, for words are but the images of matter, and except they have life or reason and invention, to fall in love with them is all one as to fall in love with a picture. 53
Nach Bacon sind "words [...] the images of matter," die wie Bilder dem kritischen Verstand unterzogen werden müssen. Der Pygmalion-Mythos ist für Bacon der Inbegriff von Götzendienst, weil hier das Zeichen für das Bezeichnete vertauscht wird. Bacon zieht zwar nicht eine Verbindung zwischen Repräsentation und Materie ("images of matter"), privilegiert aber ganz im Einklang mit der herrschenden mechanistischen Wissenschaftstheorie das Materielle. In Shakespeares Dramatik erhält der Pygmalion-Mythos eine neue Dimension, da in der dramatischen Aufführung Materie und Zeichen in Sinne Bacons verschwimmen und nicht mehr eindeutig zu trennen sind. Der tote Buchstabe - hier die Statue der Hermione - erwacht durch das Offnen des Vorhangs zum Leben, bleibt aber gleichzeitig dramatischer Text und „materieller" Schauspieler. Shakespeare benützt hier einen traditionellen ekphrastischen Topos, der mimetische Qualitäten des Kunstwerks durch Animation betonen will, um ihn auf Dramatik umzulegen. In keiner anderen Kunst besitzt das vom Künstler geschaffene Abbild „wirklicheres" Leben als im Drama, das mit realen Menschen als Medium arbeitet. Paulina, die hier sozusagen in die Rolle Shakespeares schlüpft, meint über ihre Kunst: "I'll make the statue move indeed, descend / And take you by the hand. But J1 53
Für eine detaillierte Gegenüberstellung der beiden Texte vgl. Fairchild (1937, 71-76). Francis Bacon, A Selection of His Work, ed. Sidney Warhaft (New York: Odyssey, 196$) p. 309, 223 - 224; zitiert aus Ernest B. Gilman, Iconoclasm and Poetry in the English Reformation (Chicago, London: The University of Chicago Press, 1986) 29.
then you'll think - / Which I protest against - I am assisted / By wicked powers" (WT, V, 3, 88-91). Leontes als Zuschauer tritt daraufhin mit Paulina als Autor in einen im weitesten Sinn dramatheoretischen Dialog: L E O N T E S : What you can make her do, I am content to look on, what to speak, I am content to hear; for 'tis as easy To make her speak as move. P A U L I N A : It is requir'd You do awake your faith. Then all stand still. On; those that think it is unlawful business I am about, let them depart. (WTV,
3, 9 1 - 9 7 )
Dieser Austausch zwischen Zuschauer und Autor erinnert an die "willing suspension of disbelief," die Coleridge für die adäquate Rezeption eines Textes fordert. Bereits in der vorausgehenden Szene weist einer der drei Gentlemen auf das theatralische Element der Statuenszene hin, wenn er über die Hermione-Statue sagt: [ A ] piece many years in doing and now newly perform'd
by that rare Italian
master, Julio Romano, who, had he himself eternity and could put breath into his work, would beguile Nature of her custom, so perfectly he is her ape; he so near to Hermione hath done Hermione that they say one would speak to her and stand in hope of answer. ( W T V, 2, 9 7 - 1 0 3 ; meine Hervorhebung) 54
Shakespeare spricht über ein plastisches Kunstwerk als Aufführung ("performed") und unterstreicht damit die Theatermotivik der Statuenszene. Der Hinweis auf den Aufführungscharakter, der jederzeit zuziehbare Vorhang, aber auch die allgemeine Projektion des Visuellen auf eine handelnde Figur machen diese Passage zu einer Reflexion über das Drama, in welchem Bild und Wort in der Verkörperung durch einen Schauspieler das Theater als Sieger über andere mimetische Künste hervorgehen läßt. Es scheint auch bezeichnend, daß die gesamte Statuenszene in Greenes Pandosto, der direkten Prosavorlage für Shakespeares The Winter's Tale, zur Gänze fehlt. Die Tatsache, daß Shakespeare diese Passage bewußt einfügt, untermauert eine dramatheoretische Interpretation.
54
Die Tatsache, daß Julio Romano hier anachronistisch eingesetzt und als Künstler einer Plastik bezeichnet wird, hat seit jeher die Shakespeare Forschung beschäftigt. Fairchild gibt eine gute Zusammenfassung der älteren Forschung (1937, 7 1 - 7 2 ) und erklärt den Einsatz Romanos mit seinem allgemeinen Bekanntheitsgrad in England (1937, 74-75).
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Die dramatheoretische Funktion der Ekphrase, die in The Winter's Tale am deutlichsten hervortritt, hat sich bereits in den vorhergegangenen Beispielen in Form von visuellen Projektionen auf handelnde Figuren gezeigt. In Shakespeares "non-dramatic poem," "The Rape of Lucrece," finden sich analoge Mechanismen wie in den behandelten Beispielen aus den jüngeren Dramen. In der folgenden ausführlichen Analyse von "The Rape of Lucrece," das zeitlich vor den großen Dramen entstanden ist, wird gezeigt, daß Shakespeare in den ekphrastischen Passagen dieses Gedichts dramatheoretische Reflexion betreibt und dabei eine Reihe von Motiven aus dem Umkreis der Wort-Bild-Problematik seiner späteren Werke vorwegnimmt. Auf eine Verbindung von "Lucrece" mit Shakespeares Dramen ist bereits mehrfach hingewiesen worden. 55 So stellt zum Beispiel Harold R. Walley in einem einschlägigen Aufsatz treffend fest, daß "[a]lthough ostensibly a narrative poem, Lucrece exhibits close affiliations with Shakespeare's dramatic work. At every turn both its technique and its predominant concerns betray the hand of a poet whose preoccupations are basically those of a dramatist" (Walley 480). Während Walley sich vornehmlich darum bemüht, im Gedicht "methods of presentation," "dialogue and debate," "analytical soliloquies," "symbolic acts" und "action conceived dramatically" (Walley 480) herauszuarbeiten, die Potential für eine dramatische Umsetzung besitzen, werden im folgenden Abschnitt Shakespeares theoretische Reflexionen zum Drama in diesem Gedicht anhand ekphrastischer Beschreibungen analysiert. Shakespeare bedient sich in "The Rape of Lucrece" (1594) verschiedener klassischer textlicher Vorbilder, die Vergewaltigungsmotivik und ekphrastische Bildbeschreibung kombinieren. 56 Es handelt sich hier einmal um den bereits angesprochenen ovidschen Philomela-Mythos, der großen Einfluß auf die Renaissance-Literatur ausgeübt hat. Die Geschichte berichtet von der Vergewaltigung der athenischen Jungfrau Philomela durch ihren Schwager, den thrakischen König Tereus. Um seine 55
56
Vgl. Harold R. Walley, " T h e Rape of Lucrece and Shakespearean Tragedy," PMLA 76 (1961): 480-487 und R. Thomas Simone, Shakespeare and Lucrece: A Study of the Poem and its Relation to the Plays. Salzburg Studies in English Literature (Salzburg: Institut für Englische Sprache und Literatur, 1974). Vgl. dazu James A. W. Heffernan, Museum of Words: The Poetics of Ekphrasis from Homer to Ashbery (Chicago, London: University of Chicago Press, 1993), der das gesamte 2. Kapitel: "Weaving Rape: Ekphrastic Metamorphoses of the Philomela Myth from Ovid to Shakespeare" (46-90) der Verbindung von Vergewaltigung und Ekphrasis in antiken und frühneuzeitlichen Texten widmet.
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Tat zu vertuschen, schneidet Tereus Philomelas Zunge ab und glaubt so, Philomela für immer zum Schweigen gebracht zu haben. Die gefangengehaltene Philomela teilt aber trotzdem das an ihr begangene Verbrechen ihrer Schwester mit, indem sie die vorgefallenen Ereignisse in Form von Abbildungen auf einem textilen Gewebe darstellt. Neben diesem Sagenkreis dienen Shakespeare auch die Lucretia-Geschichte aus Ovids Fasti und den Historien des Livius als direkte textliche Vorlagen. Shakespeare verknüpft in "The Rape of Lucrece" diese beiden thematisch verwandten Sagenkreise, wobei die Lucretia-Geschichte Plot und handelnde Figuren zur Verfügung stellt und der Philomela-Mythos das Element der Bildbeschreibung einbringt.57 Die Lucretia-Geschichte ist bereits vor Shakespeares literarischer Umsetzung in der bildenden Kunst unter anderem von Botticelli, Titian oder Veronese bearbeitet worden.' 8 Die Handlung des Gedichts beginnt während der Belagerung der Stadt Ardea, als die Führer der angreifenden Truppen im Zelt des römischen Königssohns Sextus Tarquin zusammentreffen, wo das Gespräch auf die Ehefrauen der anwesenden Männer fällt. Collatine übertrifft im Lob seiner eigenen Frau Lucrece die anderen, worauf die Männer beschließen, ihre Frauen heimlich aufzusuchen und durch ihre unerwartete Rückkehr deren Tugendhaftigkeit auf die Probe zu stellen. Von den Ehefrauen ist nur Lucrece in tugendhafter Weise mit Spinnen beschäftigt, während sich die anderen Frauen mit Tanzen und weniger gebührlichen Aktivitäten die Zeit vertreiben. Lucrece bzw. Collatine gehen so aus dieser Männerwette als Sieger hervor. Sextus Tarquin, der von der Schönheit Lucreces entflammt ist, reitet mit den Männern in das Feldlager zurück, stiehlt sich aber heimlich fort, um ins Haus von Lucrece zurückzukehren. Dort wird er von Collatines Frau nichtsahnend gastfreundlich empfangen. Nachdem er sich in die Kammer der schlafenden Lucrece geschlichen und sie vergewaltigt hat, flieht er. Die geschändete Lucrece sendet Boten ins Feldlager ihres Mannes sowie an ihren Vater mit der Bitte um sofortige Rückkehr. Nachdem Lucrece den Männern das Versprechen abgenommen hat, ihre Schändung zu rächen, teilt sie ihnen mit, was ihr widerfahren ist, und nimmt sich durch einen Messerstich ins Herz das Leben. Die tote Lucrece wird durch die Straßen Roms getragen, um so auf die Freveltat des Tar57
58
T. W. Baldwin, On the Literary Genetics of Shakespeare's Poems and Sonnets (Urbana: University of Illinois Press, 1950) 152 argumentiert überzeugend, daß Shakespeare vor allem eine lateinische Ausgabe von Ovid und Livius benutzt hat. Für bildliche Umsetzungen der Lucretia-Geschichte vgl. A. Robin Bowers, "Iconography and Rhetoric in Shakespeare's Lucrece," Shakespeare Studies 14 (1981): 1 - 2 1 und Bowers (1984-86).
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quin hinzuweisen, der daraufhin mit seiner Familie aus der Stadt verbannt wird. Shakespeare gibt am Beginn von "The Rape of Lucrece" im vorangestellten „Argument" eine ähnliche kurze Zusammenfassung der LucretiaGeschichte, während das eigentliche Gedicht in medias res mit der Ankunft des Tarquin bei Lucrece einsetzt. In den folgenden 1800 Versen werden die im „Argument" bereits dargelegten zentralen Ereignisse ausführlich präsentiert. Am Beginn stehen die Überlegungen des Tarquin, die der Vergewaltigung vorausgehen und die Versuche von Lucrece, ihn davon abzuhalten. Im Anschluß daran beschreibt Shakespeare die Verzweiflung der geschändeten Lucrece bis zur Ankunft der Männer mit dem darauf folgenden Selbstmord. Die über 200 Verse lange eingeschobene Beschreibung eines gewobenen Wandbehanges mit der Darstellung des Falls von Troja, den Lucrece genau betrachtet, während sie auf die Ankunft der Männer wartet, macht dieses Gedicht für eine Analyse des Wort-Bild-Verständnisses wichtig. Der Wandteppich mit seinen bildlichen Darstellungen steht in direktem Zusammenhang mit den Ereignissen um Lucrece bzw. setzt ihr persönliches Schicksal mit den Bildern des Gewebes in Analogie. 59 Bereits im vorangestellten „Argument" legt Shakespeare die Spur für eine drama-orientierte Auslegung des folgenden Textes, wenn Tarquin als "actor" (37) bezeichnet wird und es nach der Rede des Brutus und der Schaustellung der toten Lucrece, in der das römische Volk über die Tat des Tarquin aufgeklärt wird, heißt: "wherewith the people were so mov'd" (44). Letzteres erinnert an die Katharsis-Idee der aristotelischen Poetik, "actor" ebenfalls an die Bühne. Im Argument charakterisiert Shakespeare Tarquin als "being inflam'd with Lucrece' beauty, yet smothering his passions for the present" (22-23), w a s i n der Diktion Castigliones bzw. Hobys Aussagen über die erste Stufe des entbrannten Liebhabers des Schönen spiegelt. Diese spärlichen Ansätze, die im Gedicht vielfach verstärkt werden, weisen in zwei Richtungen: einerseits zur neo59
Interessanterweise macht auch Philip Sidney in A Defence of Poetry, als er die drei Arten von Dichtung bespricht, einen Rekurs zu Malerei, wobei der Lucretla-Mythos als Beispiel herangezogen wird. Er setzt hierbei Dichter mit Malern in Analogie: "[B]etwixt whom [...] is such a kind of difference as betwixt the meaner sort of painters, who counterfeit only such faces as are set before them, and the more excellent, who having no law but wit, bestow that in colours upon you which is fittest for the eye to see: as the constant though lamenting look of Lucretia, when she punished in herself another's fault, wherein he painteth not Lucretia whom he never saw, but painteth the outward beauty of such a virtue." Philip Sidney, A Defence of Poetry, ed. Jan A. van Dorsten (Oxford: Oxford University Press, 1984) 16.
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platonischen Ästhetik, andererseits zum Drama als künstlerischem Medium, wobei beide in indirekter Weise um das Visuelle kreisen. Die neoplatonische Ästhetik geht in ihren theoretischen Überlegungen vor allem vom Sehsinn aus, und das Drama kombiniert wie kein anderes literarisches Genre von der masque abgesehen Wort und visuellen Eindruck. In der Folge soll gezeigt werden, daß vor dem neoplatonischen Hintergrund des Sehens Shakespeare in diesem "non-dramatic poem" besonders über das Drama reflektiert und gleichzeitig dasselbe propagiert. Die Betonung des Dramatischen ist im Fall Shakespeares generell nicht verwunderlich, erhält aber in "The Rape of Lucrece" eine weitere Dimension, da zur Zeit der Abfassung des Textes in den Jahren 1592 bis 1594 die Theater Londons aufgrund der Pest geschlossen waren. Die Masque als ein dramatisches Genre mit aufwendigen visuellen Kulissen erfreute sich erst am Beginn des 16. Jahrhunderts besonderer Beliebtheit. Das Gedicht spiegelt daher in seinem metadramatischen Grundtenor kulturhistorische Gegebenheiten zur Zeit der Abfassung des Textes wider. Shakespeare baut auf den visuellen Topoi des Neoplatonismus auf, läßt diese aber bald hinter sich, um sich der dramatischen Komponente des Bildlichen zuzuwenden. So heißt es am Beginn des Gedichtes: From the besieged Ardea all in post, Borne b y the trustless wings of false desire, Lust-breathed Tarquin leaves the Roman host, A n d to Collatium bears the lightless fire Which, in pale embers hid, lurks to aspire A n d girdle with embracing flames the waist O f Collatine's fair love, Lucrece the chaste.
(1-7) Die "trustless wings of false desire" erinnern an die „Flügel der Philosophie," die hier aber wie der Großteil der folgenden Motive die Tat des Tarquin als konträr zu den Leitsätzen der neoplatonistischen Ästhetik charakterisieren. Der Zustand des Tarquin entspricht der ersten Stufe zur wahren Liebe nach Castiglione, wenn die Augen "an amiable countenance of a beautiful woman" erblicken, die noch dazu "with noble conditions and honest behaviours" ausgestattet ist.So Beides trifft auf Lucrece zu. Bei Castiglione heißt es weiter, daß "eyes snatch that image and carrie it to the hart." Der Betrachter muß nun lernen, mit diesem Bild umzugehen, das "continuall fresh norishment to the fire" bringt. Hierzu 6
° Die Zitate stammen aus Baldassare Castiglione, The Book of the Courtier, trans. Sir Thomas Hoby (London: Everyman's Library, 1966) 3 1 2 - 3 1 3 .
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schlägt Castiglione vor, " t o raise up reason, and with her to sense the fortress of his hart, and to shut in such wise the passages against sense and appetites." Das erste Drittel des Gedichtes handelt vom vergeblichen Versuch des Tarquin, dem Feuer mit einer "fortress" des "reason" entgegenzutreten, wobei Feuer und Festungsmotiv bereits in den ersten Versen auf mehreren Ebenen eingesetzt werden. Tarquin kommt von einer belagerten Festung, die bezeichnenderweise " A r d e a " heißt und im Namen an das lateinische „ardeo" (brennen) erinnert. 61 Es ist aber nicht notwendig, diese Parallelen zwischen Castiglione und dem Gedicht Shakespeares zuweit zu treiben, denn es ergeben sich im weiteren Text neben Festungen, Augen und Feuer genügend offensichtliche Verweise auf eine verkehrte Ästhetik des Zugangs zum wahren Schönen. Tarquin durchläuft gleichsam die Stufen der neoplatonischen Leiter im negativen Sinn. Er wird von Schönheit entflammt und anstatt die Sinne hinter sich zu lassen, werden diese immer mehr betont. Der markanteste Wendepunkt ist die Berührung der Brust der schlafenden Lucrece, womit Tarquin von Blick- zu Körperkontakt übergeht. H i s d r u m m i n g heart cheers u p his b u r n i n g eye, H i s eye c o m m e n d s the leading t o his hand; H i s hand, as p r o u d of such a dignity, S m o k i n g with pride, m a r c h ' d o n to m a k e his stand O n her bare breast, the heart of all her land; W h o s e ranks of blue veins, as his hand did scale, L e f t their r o u n d turrets destitute and pale.
(435-441) Im Sinne des Neoplatonismus bedeutet dies einen Rückschritt in der Hierarchie der Sinne, die Sehen und Hören privilegiert. Durch den „ A b stieg" zum Tastsinn besiegelt Tarquin sein Schicksal. Hören und Sehen bzw. Wort und Bild sind Leitmotive des Gedichtes, die auf verschiedenen Ebenen eingesetzt werden. Shakespeare berührt die Wort-Bild-Problematik bereits am Beginn des Gedichts, wenn er verbal repräsentierte Schönheit, die auf den Hörsinn ausgerichtet ist, als Möglichkeit der Erweckung des Interesses am visuell Schönen anführt. B e a u t y itself d o t h of itself p e r s u a d e T h e eyes of m e n w i t h o u t an orator; W h a t needeth then apologies b e m a d e T o set f o r t h that which is s o singular?
6l
Auch Lucrece wird im gesamten Gedicht einer Festung gleichgesetzt. 165
O r why is Collatine the publisher O f that rieh jewel he should keep unknown F r o m thievish ears, because it is his own?
(29-35) Durch die lobende Rede Collatines im Zelt des Königssohns liegt die Betonung auf verbaler Repräsentation von Schönheit, die wiederum mit Schrift in Verbindung gebracht wird, wenn Collatine als "publisher" von Schönheit bezeichnet wird. Diese Stanza reflektiert in komprimierter Weise Elemente des Dramas: das Verbale im Sinne der gesprochenen Dialoge und Monologe, visuelles Spektakel und auch publizierten Text. Die Priorität der Elemente ist eindeutig. Nicht das Visuelle, mit eigenen Augen Wahrgenommene entflammt Tarquin, sondern die verbale Repräsentation der Schönheit und Tugendhaftigkeit von Lucrece durch Collatines Rede. Auch in der Bezeichnung Collatines als "publisher" wird der verbale Aspekt nochmals über den visuellen gestellt.62 Diese Züge - vor allem die höhere Bewertung des Verbalen - sind symptomatisch für ekphrastischen Diskurs per se, indem in einer Art paragone das Literarische meist als Sieger hervorgeht, da es Bildliches dem Verbalen hierarchisch unterordnet. Dieses Gedicht fügt sich gut in die generelle Auffassung Shakespeares über den paragone ein, da hier wie auch in den Dramen die Wort-Bild-Dichotomie nicht zur Legitimation der Dichtung gegenüber der Malerei, sondern zur Reflexion über Dramatik herangezogen wird. Wie im weiteren Verlauf des Gedichtes offensichtlich wird, hier aber bereits angedeutet ist, stellt die rhetorische Komponente zwar das zentrale Element dar, jedoch ist diese mit Visualisierung im Sinne einer Inszenierung gekoppelt. Dies kommt bereits zum Ausdruck, wenn Tarquin angesichts der realen Lucrece die visuell wahrgenommene Schönheit mit der Lobrede des Collatine vergleicht. Ein weiteres Beispiel für dramatische Umsetzung ist die Offenbarung der Lucrece, die ihrem Mann und auch dem Vater die Tat des Tarquin nicht rein verbal in einem Brief, sondern in einer theatralischen Inszenierung mitteilt. Dasselbe gilt für die öffentliche Schaustellung des toten Körpers der Lucrece zusammen mit der Rede des Brutus am Ende des Gedichts, wodurch das Volk im aristotelisch-dramatischen Sinn „bewegt" wird. Shakespeare bedient sich also der rhetorischen Figur der Ekphrase, die sich dadurch auszeichnet, daß
62
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, daß aus dem Werk Shakespeares nur die beiden narrativen Gedichte "Venus and Adonis" sowie "The Rape of Lucrece" zur Publikation bestimmt verfaßt wurden. Beide Texte wurden im Abstand eines Jahres 1593 und 1594 von Richard Field gedruckt.
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sie W o r t und Bild in sich zu vereinen sucht. Zugleich problematisiert er damit das G e n r e des Dramas, das mit den selben Parametern arbeitet. N o c h bevor das eigentliche Bild des Gedichtes, die tapestry
mit d e m
Fall Trojas, beschrieben wird, findet sich eine wenn auch nur auf den zweiten Blick als solche erkennbare Ekphrase. Shakespeare beschreibt in diesem Abschnitt das Gesicht der L u c r e c e durch die A u g e n des Tarquin als "shield" mit heraldischem Vokabular. When at Collatium this false lord arrived, Well was he welcom'd by the Roman dame, Within whose face beauty and virtue strived Which of them both should underprop her fame. When virtue bragg'd, beauty would blush for shame; When beauty boasted blushes, in despite Virtue would stain that o'er with silver white. But beauty, in that white entituled From Venus' doves, doth challenge that fair field. Then virtue claims from beauty beauty's red, Which virtue gave the golden age to gild Their silver cheeks, and call'd it then their shield, Teaching them thus to use it in the fight, When shame assail'd, the red should fence the white. This heraldry in Lucrece' face was seen, Argued by beauty's red and virtue's white. O f either's color was the other queen, Proving from world's minority their right. Yet their ambition makes them still to fight, The sovereignty of either being so great That oft they interchange each other's seat. This silent war of lilies and of roses, Which Tarquin view'd in her fair face's field, In their pure ranks his traitor eye encloses, Where, lest between them both it should be kill'd, The coward captive vanquished doth yield To those two armies that would let him go, Rather than triumph in so false a foe. (jo-77) In dieser Beschreibung v o n Lucreces Gesicht aus der Perspektive Tarquins wird die vorausgegangene rhetorische Schilderung der A n m u t L u creces durch Collatine im Zelt der M ä n n e r wieder aufgenommen. D e r eigentliche Ausgangspunkt der H a n d l u n g liegt, wie mehrfach im Text ange167
deutet wird, im rhetorischen Wettstreit der Männer, die die Schönheit ihrer Frauen preisen. Auch in der Vergewaltigungsszene wird Lucrece als "the picture of pure piety" (543) bezeichnet und als eine Repräsentation innerhalb patriarchaler Rhetorik gesehen. Das heraldische Motiv wird schon eingangs vorweggenommen, indem es heißt: "When Collatine unwisely did not let / To praise the clear unmatched red and white / Which triumph'd in that sky of his delight" ( 1 0 - 1 2 ) . Der Hinweis auf Heraldik und Schilde deutet in Richtung eines stilisierten Turniers unter den Männern, aus dem Collatine bzw. seine Insignien - das Antlitz seiner Frau als Sieger hervorgehen/ 3 Collatines Vergehen liegt also darin, daß er seine rhetorischen Waffen gegen einen König erhoben hat, der diesen Aufstand nicht ungerächt hinnehmen kann. Dieses Revolutionsmotiv wird am Ende des Gedichts untermauert, als durch die Verbannung der Tarquinier in Rom die Ablösung von Königtum zu Konsulat erfolgt ("the state government chang'd from kings to consuls;" Argument 46).64 In unserem Zusammenhang ist die Tatsache der rhetorischen Beschreibung wichtig, die die Handlung in Gang setzt. Der turnierartige, rhetorische Wettstreit der Männer, der über die Frauen ausgetragen wird, ist Auslöser des Plots und führt schließlich zum Umsturz der politischen Ordnung Roms. Auch am Ende wird die Rede des Brutus, die diesen Umsturz bewirkt, durch das theatralisch-visuelle Element der Schaustellung der toten Lucrece in seiner Rhetorik verstärkt bzw. wird Lucrece nochmals in Form einer Waffe bzw. eines Emblems des Streites eingesetzt. Bemerkenswert ist die Figur des Brutus, die im Kontext der dramatischen Inszenierung einen doppelten Effekt erfüllt: Bereits in der Fassung des Livius ist Brutus durch seine theatralischen Fähigkeiten charakterisiert. Es heißt dort über Brutus, daß er, um unter der Königsherrschaft des Tarquin frei zu bleiben, "even submitted to being known publicly as the 'Dullard' (which is what his name signifies), that under cover of that 63
Vgl. dazu die überzeugende Argumentation von Nancy J. Vickers, "'This Heraldry in Lucrece' Face'," Poetics Today 6.1-1 (1985): 1 7 1 - 1 8 4 . Vickers zeigt, daß dieses rhetorische Turnier der Männer an das literarische Genre der sogenannten blason erinnert. Diese Textsorte kann entweder eine kodifizierte heraldische Beschreibung eines Schildes sein oder eine allgemeinere Beschreibung eines bestimmten Objektes. Das bekannteste französische Beispiel stellt das Blasons anatomiques du corps ßmenin (1543) dar, in welchem jedes Gedicht einen spezifischen Teil des weiblichen Körpers lobend beschreibt (Vickers 1985, 1 7 5 - 1 7 6 ) . Wenn also Shakespeare Tarquin das Gesicht der Lucrece als heraldischen Schild beschreiben läßt, verweist er einerseits auf die französische literarische Tradition der blason, andererseits aber auf den rhetorischen Wettstreit unter den Männern im Zelt, die sich dieses Genres bedienen.
64
Auch Augustinus benützt in Civitate Dei die Lucretia-Geschichte zur Illustration eines politischen Ubergangs bzw. des Falls von Rom im Jahr 410.
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opprobious title the great spirit which gave Rome her freedom might be able to bide its time" (Livius I, 56).6$ Brutus, der alle durch seine vorgegebene Dummheit getäuscht hat, wird nun zum Anführer der Revolution. Eine weitere Facette des Motivs stellt die Überlagerung dieses revolutionären Brutus mit dem betrügerischen Cäsar-Mörder dar, der ebenfalls durch Täuschung eine politische Revolution eingeleitet hat. Während Collatine glaubt, daß der Wettstreit abgeschlossen sei, führt der von Neid erfaßte Tarquin das „Turnier" in Gegenwart Lucreces weiter. Die bereits zitierte Passage spiegelt in ihrer heraldischen Beschreibung des Gesichts der Frau den rhetorischen Kampf zwischen Tarquin und Collatine vielfältig wider. Ausdrücke wie "boasted," "the red should fence the white" oder "oft they interchange each other's seat," die in dieser Passage dominieren, verweisen auf den Wettkampf, den Tarquin mit Collatine sozusagen im Gesicht der Lucrece weiter austrägt. O b w o h l Tarquin bereits durch die Rede des Collatine entflammt wurde, wird der Kombination von verbal beschriebener und visuell wahrgenommener Schönheit eigentliche Priorität zuerkannt, wenn Tarquin sagt: N o w thinks he that her husband's shallow tongue, The niggard prodigal that prais'd her so, In that high task hath done her beauty wrong, Which far exceeds his barren skill to show. Therefore that praise which Collatine doth owe Enchanted Tarquin answers with surmise, In silent wonder of still-gazing eyes. (78-84)
In der „Schildbeschreibung" des Gesichts der Lucrece wird unterschwellig auf den Wettstreit als rhetorische Aktivität verwiesen. Der Einsatz des co/or-Motivs ist das deutlichste Beispiel. "Argued by beauty's red and virtue's white. / O f either's color was the other queen" (65-66) und die ständigen Gegenüberstellungen der Farben Rot und Weiß ("This silent war of lilies and of roses;" 71) charakterisieren nicht nur das Nebeneinander von Tugend und Schönheit im Gesicht der Lucrece, sondern stehen für die colors of rhetoric der beiden Opponenten. Tarquin verwendet später "colors" im Sinne der Rhetorik, wenn er meint: " W h y hunt I then for color or excuses? / All orators are dumb when beauty pleadeth" (267268) oder "For that he color'd with his high estate, / Hiding base sin in Livy, Early History of Rome, trans. A u b r e y de Salincourt (Harmondsworth: Penguin, i960) 80.
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plaits of majesty" (92-93). Auch Lucrece verwendet Farbe im Sinn eines rhetorischen Vorwands, als sie Tarquin fragt: "Under what color he commits this ill" (476) und er darauf antwortet "The color in thy face" (477).66 In allen Fällen kann sowohl das reale Antlitz der Lucrece als auch das im Wettstreit der Männer angefertigte rhetorische Porträt durch Collatine gemeint sein. Die zwei zentralen Pole des Gedichtes treten damit auch in dieser versteckten Ekphrase an die Oberfläche: das Verbale und das Visuelle, die hier in paragone-3.Tt\gtm Wettstreit stehen. Wieder ist es die Kombination von beiden Elementen, die als Sieger hervorgeht. Keine "shallow tongue" (78) kann mit "barren skill to show" (81) allein das ausdrücken, was in "silent wonder of still-gazing eyes" (84) erreicht werden kann. Diese Aussage des Tarquin erinnert an die Passage in Othello, wo es über Desdemona heißt: "That paragons description and wild fame, / One that excels the quirks of blazoning pens" (Othello II, 1, 63-64). Shakespeare setzt hier die neoplatonische Uberbewertung des Sehsinnes über die anderen als Gemeinplatz ein, wobei aber das Visuelle immer in Kombination mit der rhetorischen Beschreibung propagiert wird. Die einzige literarische Gattung, die diese beiden Elemente so kombiniert einsetzt, daß wirklich Visualisierung und Rhetorik eine symbiotische Einheit eingehen, ist das Drama. In der Besprechung von Timon of Athens und in Zusammenhang mit der Kompositionstechnik Shakespeares wurde bereits auf die impliziten Unterschiede zur Masque eingegangen, die das Verbale und Visuelle zwar ebenfalls benützt, jedoch in ganz anderer Form als zwei getrennte Medien parallel einsetzt. Im Drama Shakespeares hingegen wird das Visuelle mit Hilfe des Rhetorischen inszeniert. In "The Rape of Lucerece" und auch in Shakespeares Dramen allgemein wird das eigentlich visuelle Element mittels Schauspieler in Form von Gestik und Mimik vermittelt, während Bühnenbild und Szenerie, die in der Masque eine gleichwertige Komponente darstellen, großteils als rhetorische Wortkulisse suggeriert werden. Dies soll natürlich nicht heißen, daß Shakespeare ikonoklastisch gegenüber Bühnenbildern und Requisiten eingestellt war, sondern daß in seinem Fall die Prioritäten eindeutig auf der verbal-rhetorischen Vermittlung visueller Aspekte liegen.
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Die Farbmotivik bezieht sich auch auf den Kampf des Tarquin zwischen tugendhaftem und untugendhaftem Umgang mit Lucreces Schönheit. Wie im „Schild-Gesicht" der Lucrece herrscht in Tarquin ein Kampf zwischen richtigem, tugendhaften und falschem, lüsternen Umgang mit Schönheit, der, wie eingangs gezeigt wurde, im Kontext der neoplatonischen Ästhetik gesehen werden kann.
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"The Rape of Lucrece" ist immer wieder aufgrund der rhetorischen Uberfrachtung Kritik ausgesetzt gewesen und nicht als zentraler Text des Shakespeare-Kanons erachtet worden. Gerade diese rhetorisierende Tendenz des Gedichtes macht es aber für Text- und Bildverständnis interessant. Das beste Beispiel für die Koppelung visueller Elemente und rhetorischer Figuren in "The Rape of Lucrece" ist neben der Ekphrase die Figur des Chiasmus, die sich leitmotivartig durch den gesamten Text zieht. Joel Fineman hat in einem Aufsatz ausgehend von der chiastischen Grundtendenz dieses Gedichtes versucht, eine Verbindung zwischen den Buchstaben " W " und " M " herzustellen. Fineman führt insgesamt sechs verschiedene chiastische Anordnungen von W und M an, die graphisch wiederum ein Kreuz bilden, wenn man " W " und " M " übereinanderzeichnet, wie in "For men have warble, women waxen, winds (1240; meine Hervorhebung). 67 Fineman argumentiert für eine Uberlagerung der beiden Buchstaben, die für die Anfangs- und Endbuchstaben in "William" bzw. für "W-omen" und "M-en" stehen können.68 Im Fall der Rape-Thematik des Textes erscheint die Men-Women Kreuzung als einleuchtend, vor allem wenn man Shakespeares literarische Praxis des Chiasmus mit dem sogenannten "cross-couple" der englischen Renaissance-Theoretiker vergleicht. George Puttenham sagt in The Arte of English Poesie (1589) über diese poetische Anordnung, die er als "syneciosis or the Crosse copling" bezeichnet, daß "it takes me two contrary words, and tieth them as it were in a paire of couples, and so makes them agree like good fellowes, as I saw once in Fraunce a wolfe coupled with a mostiffe, and a foxe with a hounde" (III, 19).69 In ganz ähnlicher Diktion charakterisiert in unserem Jahrhundert Richard A. Lanham in A Handlist of Rhetorical Terms (1991) den Chiasmus als rhetorische Figur, "[which] seems to set up a natural internal dynamic that draws the parts closer together, as if the second element wanted to flip over and back over the first, condensing the assertion back toward the compression of Oxymoron and Pun." 7 ° Wie beide Charakterisierungen verdeutlichen, scheint die rhetorische Fi67
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Vgl. Joel Fineman, "Shakespeare's Will: The Temporality of Rape," Representations 10 (1987): 48. Während die Erarbeitung der Chiasmen sehr überzeugend ist, lassen die daraus zu ziehenden Schlüsse, die laut Fineman Aufschluß über die Person Shakespeares und seine Figuren im Allgemeinen geben sollen, Grund zum Zweifel. George Puttenham, The Arte of English Poesie (London, 1589; rpt. Amsterdam, New York: Da Capo Press, 1971) 172. Richard A. Lanham, A Handlist of Rhetorical Terms (Berkeley, Los Angeles;. University of California Press, 1991) 33.
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gur des C h i a s m u s geradezu prädestiniert, das T h e m a " R a p e " als gewaltsame Vereinigung z w e i e r inkompatibler Teile diskursiv u m z u s e t z e n . D i e ständige B e t o n u n g von " c r o s s " bzw. " X " auf verbaler u n d struktureller E b e n e des C h i a s m u s scheint aber auch den in diesem G e d i c h t so wichtigen B e g r i f f der „ E k p h r a s i s " widerzuspiegeln, der ebenfalls
"X"
bzw. " e x " beinhaltet, aber auch als rhetorische F i g u r zwei M e d i e n miteinander k r e u z t . S o heißt es in Lucreces M o n o l o g ü b e r " T i m e : " Thou ceaseless lackey to Eternity, With some mischance cross Tarquin in his flight! Devise extremes beyond extremity To make him curse this cursed crimeful night. (967-970; meine Hervorhebungen) D a s X erscheint in diesen drei Versen als Signifikant " c r o s s , " und in den alliterativ gegenübergestellten " e x " in " e x - t r e m e s b e y o n d w o b e i das "c"
ex-tremity"
v o n " c r o s s " in "curse this c u r s e d " wieder a u f g e n o m m e n
wird. D i e s ist n u r ein offensichtliches selbstreflexives Beispiel aus einer Vielzahl v o n
eigenwilligen Variationen
der Kreuzstellung
in
diesem
Text.71 D e r C h i a s m u s auf der Ebene der rhetorischen F i g u r spiegelt somit n e b e n der Vergewaltigungsthematik auch die W o r t - B i l d - D i c h o t o m i e auf struktureller E b e n e . Letztere wird im G e d i c h t v o r allem zur T h e m a t i s i e rung der dramatischen Inszenierung herangezogen. Interessant ist hierbei, daß in allen ekphrastischen Passagen des G e d i c h t e s -
den heraldischen
Schilderungen des G e s i c h t s der L u c r e c e und der W i e d e r g a b e des T r o j a g e mäldes - i m m e r handelnde Personen w i e im D r a m a als Träger des Visuellen agieren. D i e Repräsentation v o n Visuellem durch den Schauspieler wird in " T h e R a p e o f L u c r e c e " n e b e n der r h e t o r i s c h e n „Schildbeschreib u n g " des G e s i c h t s der Lucrece auch im schauspielerischen
Ausdruck
der verschiedenen F i g u r e n deutlich, w e n n T a r q u i n als guter Schauspieler anfänglich keine äußeren Zeichen des B e t r u g s zeigt: Whose inward ill no outward harm express'd. For that he color'd with his high estate, [...]
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Vgl. auch "The orator, to deck his oratory, / Will couple my reproach to Tarquin's shame" (815-816) und "Till with her own white fleece her voice controll'd / Entombs her outcry in her lips' sweet fold" (678-679). Lucreces "out-cry" bzw. ihre "ek-phrasis" (speakingout) des Trojabildes sind hier mit vaginalen Motiven gekoppelt. Lucreces Ekphrasis der Vergewaltigung wird durch ihre „Scham" ("white fleece" und "lips' sweet fold") im doppelten Sinn des Wortes unterdrückt. Der "out-cry" bzw. die "ek-phrase" bleibt "entombed" bzw. "enwombed".
But she [Lucrece], that never cop'd with stranger eyes, Could pick no meaning from their parling looks, N o r read the subtle-shining secrecies Writ in the glassy margents of such books. She touch'd no unknown baits, nor fear'd no hooks; N o r could she moralize his wanton sight, More than his eyes were open'd to the light.
(91-105) Wieder fallen Wort und Bild in dramenartiger Weise zusammen, wobei das Visuelle des nonverbalen Ausdrucks in fast semiotischer Art thematisiert wird. Später sagt Tarquin über seine Untat in ähnlicher Diktion: "That it will live engraven in my face" (203). Auch die heraldische Metaphorik wird wieder beschworen, wenn Tarquin meint, "the scandal will survive, / And be an eyesore in my golden coat [of arms]; / Some loathsome dash the herald will contrive / To cipher me how fondly I did dote" (204-207). Lucrece will sich selbst außerhalb dieses dramatischen Systems stellen: "And my true eyes have never practic'd how / To cloak offenses with a cunning brow" (748-749). Diese Projektion des Visuellen auf handelnde Figuren ist paradigmatisch für "The Rape of Lucrece," wie die Schlußszene des Gedichts mit der Inszenierung des Selbstmords zeigt. Lucrece verleiht der Geschichte der Vergewaltigung mit ihrem eigenen Blut als colores theatralische Kraft und geht damit über die rein verbale Rhetorik hinaus. " M y tongue shall utter all; mine eyes, like sluices, / As from a mountain-spring that feeds a dale, / Shall gush pure streams to purge my impure tale" (1076-1078). Gleich im nächsten Vers spricht sie von "lamenting Philomel" und verweist damit auf Philomela bzw. den paradigmatischen Vergewaltigungsmythos in der antiken Literatur. Wie Philomela, die ihre Geschichte aufgrund ihrer abgeschnittenen Zunge mit einem purpurnen Faden visualisieren konnte, wird auch Lucrece durch Inszenierung und schlußendlich mit rotem Blut ihre Geschichte darstellen. Als Regisseurin ihrer Inszenierung bereitet Lucrece alles für ihren letzten Auftritt vor. Lucrece gibt ihr Schicksal im Brief nicht verbal preis, sondern wird mit ihren körperlichen colores den Tathergang als dramatische Aufführung präsentieren. To shun this blot, she would not blot the letter With word's, till action might become them better. To see sad sights moves more that hear them told, F o r then the eye interprets to the ear The heavy motion that it doth behold, When every part a part of w o e doth bear.
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'Tis but a part of sorrow that we hear. Deep sounds make lesser noise than shallow fords, And sorrow ebbs, being blown with wind of words.
(1322-1330) In diesen Versen plädiert Lucrece für eine dramatische Präsentation, wobei sie in ihrer Diktion an die Katharsisadaptionen der Renaissance-Dramentheorie erinnert "To see sad sights moves more than hear them told." Auch der dreimalige Hinweis auf "part" deutet in Richtung eines Parts des Schauspielers der Aufführung, den Lucrece hier für ihre Präsentation in Anspruch nimmt. Auch in Ovids Fasti, einer der Quellen Shakespeares für "The Rape of Lucrece," wird das theatralische Element der letzten und wichtigsten Szene der Lucretia-Geschichte betont, wobei es bei Ovid fast komische Züge annimmt: "[... WJithout delay, she stabbed her breast with the steel she had hidden [...]. Even then in dying she took care to sink down decently: that was her thought even as she fell" (Ovid, Fasti II, 823-34). 7 2 Der Hinweis auf dramatische Inszenierung läßt sich kaum übersehen und wird bei Shakespeare bereitwillig wenn auch modifiziert fortgesetzt. Die dramatische Übertragung des Visuellen auf Figuren gipfelt im Einsatz des Trojagemäldes. In der Beschreibung der tapestry des Falls von Troja als der eigentlichen Ekphrase neben der Beschreibung des Gesichts der Lucretia als heraldischem Schild projiziert Lucrece ihr Schicksal auf die visuelle Repräsentation einer Stadt. Lucrece wurde bereits vorher mit einer belagerten Stadt verglichen. Während der Vergewaltigung benützt Tarquin die Metapher "batter such an ivory wall" (464) oder "enter this sweet city" (469) und Lucrece spricht von sich selbst als " T r o y " bzw. setzt den Fall Trojas mit der Vergewaltigung Helenas gleich. At last she calls to mind where hangs a piece Of skillful painting, made for Priam's Troy, Before the which is drawn the power of Greece, For Helen's rape the city to destroy. (1366-1369)73
71 73
Ovid, Fasti, trans. James G. Frazer (Cambridge: Harvard University Press, 1959). Auch in Henry V verwendet Shakespeare eine analoge Gegenüberstellung von Frau und belagerter Stadt, wobei er ebenfalls auf perspectives in der Malerei verweist. KING HENRY: [... T]hank love for my blindness, who cannot see many a fair French city for one fair French maid that stands in my way. FRENCH KING: Yes, my lord, you see them perspectively, the cities turn'd into a maid; for they all are girdled with maiden walls that war hath never ent'red. (Henry V; V, 2, 3 1 6 - 3 2 2 )
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Der Blick der Trojaner im Gewebe von "The Rape of Lucrece" spiegelt Lucreces Blick bei der Vergewaltigung wider: "The very eyes of men through loopholes thrust, / Gazing upon the Greeks with little lust" (1383-1384). Während vorher rhetorische Bilder und später visuelle Inszenierungen eingesetzt werden, ist das hier dargestellte Gemälde die einzige ekphrastische Beschreibung eines gerahmten Bildes. Lucrece bzw. Shakespeare beklagen dennoch das Fehlen der Worte, wie die Beschreibung des Gesichts der Hecuba zum Ausdruck bringt. Die um ihren sterbenden Ehemann trauernde Hecuba verkörpert in der tapestry den Schmerz der Lucrece, wobei Hecuba als bildlicher Darstellung keine Worte verliehen sind: The painter was no god to lend her those; And therefore Lucrece swears he did her wrong, To give her so much grief and not a tongue. "Poor instrument" quoth she, "without a sound, I'll tune thy woes with my lamenting tongue."
(1461-1465) Lucrece wird der stummen Hecuba, aber auch der vorher erwähnten zungenlosen Philomela Stimme verleihen, wenn sie am Ende des Gedichts in ihrer verbal-visuellen Inszenierung die Vergewaltigung darstellt. Bei dieser zweihundert Verse umfassenden Bildbeschreibung handelt es sich um die ausführlichste Ekphrase in Shakespeares Werk, in der eine Reihe von Topoi aus der ekphrastischen und rhetorischen Tradition, die wiederum in Wechselwirkung zu der paragone-Literatur der Renaissance stehen, verarbeitet sind. So baut Shakespeare visuelle Metamorphosen ein, die bewegte Ubergänge wiedergeben. Uber Hecuba heißt es: "Her blue blood, chang'd to black in every vein" (1454) ähnlich wie in der Schildbeschreibung der Ilias, wo von den Ackerfurchen berichtet wird: "And the field grew black behind and seemed verily as it had been ploughed, for all that it was of gold" (Ilias 18, 548-549). 74 In beiden Fällen ist das bildliche Medium im Stande, Bewegung und Veränderung auszudrücken. Ein weiteres Charakteristikum klassischer Ekphrasen, dessen sich Shakespeare hier bedient, ist die Aufnahme von Sprache in das bildliche Medium: "In speech, it seem'd, his beard all silver white, / Wagg'd up and down, and from his lips did fly / Thin winding breath, which purl'd up to the sky" (1405-1407). Auch die Zuhörer sind so dargestellt, daß sozusagen deren Hören sichtbar wird: "Which seem'd to swallow up his 74
Homer, The Iliad, trans. A. T. Murray, vol. 2 (Cambridge: Harvard University Press, 1985).
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sound advice, / All jointly list'ning, but with several graces, / As if some mermaid did their ears entice" ( 1 4 0 9 - 1 4 1 1 ) . Auch in Homers „Schildbeschreibung" wird die visuelle Repräsentation von Akustik als Ausdruck künstlerischen Könnens eingesetzt: "And in their midst a boy made pleasant music with a clear-toned lyre, and thereto sang sweetly the Linossong with his delicate voice" (Ilias 18, 569-571). Beide Motive - die Repräsentation von Bewegung und Akustik - gehören zu den wiederkehrenden Topoi der literarischen Ekphrasen sowie der paragone-Literatur, die Dichtung und Malerei in Wettstreit treten läßt. Neben der impliziten Verweise auf die paragone-Tradition ist die Troja-Bildbeschreibung gerade durch den suggerierten Bildaufbau interessant. So wird in der folgenden Passage die rhetorische Figur der Synechdoche bzw. des pars pro toto anhand des Gemäldes erklärt. F o r much imaginary w o r k w a s there, C o n c e i t deceitful, so compact, so kind, That f o r Achilles' image stood his spear, G r i p ' d in an armed hand; himself, behind, Was left unseen, save to the e y e of mind. A hand, a foot, a face, a leg, a head, Stood f o r the whole to be imagined.
(1422-1428) Wie E. H. Gombrich überzeugend vorgeführt hat, ist diese Passage mit größter Wahrscheinlichkeit eine Adaptation von Philostratus' Imagines, der in der Beschreibung eines Bildes der Belagerung Thebens eine analoge Kompositionstechnik verwendet: [S]ome are seen in full figure, others w i t h the legs hidden, others f r o m the waist up, then o n l y the busts of some, heads only, helmets only, and finally just spearpoints. This m y boy, is perspective; since the p r o b l e m is to deceive the eyes. (I, 4 ) 7 5
Wichtig ist hier die Übertragung rhetorischer Figuren auf visuelle Repräsentation. Shakespeare zeigt, daß ähnliche Strukturprinzipien, wie sie in der Dichtung Verwendung finden, auch im bildlichen Ausdruck zum Einsatz kommen. Sieht man "The Rape of Lucrece" als metadramatischen 7Î
Philostratus, Imagines', Callistratus, Descriptions, trans. Arthur Fairbanks (Cambridge: Harvard University Press, 1969) 17; vgl. dazu E. H. Gombrich, Art and Illusion: A Study in the Psychology of Pictorial Representation (Princeton: Princeton University Press, i960) 2 1 1 . Für Shakespeares Wort-Bild-Verständnis ist es nicht von zentraler Bedeutung, ob diese Passage direkt aus einer in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandenen lateinischen oder französischen Philostratus-Ubersetzungen übernommen wurde.
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Text, so heißt dies, daß im visuellen Ausdruck wie in der Rhetorik mit Figuren gearbeitet werden kann. Diese Argumentation würde sich gut in die rhetorisierende Grundtendenz des Gedichtes einfügen. Aber nicht nur diese minutiösen Details des Bildes weisen in Richtung Rhetorik, auch das Thema des Bildes als solches hat bereits in der Renaissance eine lange Tradition im Kontext der rhetorischen Figur enargeia. Quintilians oft zitierte Passage mit der Beschreibung der Eroberung einer Stadt, die sich neben der Angabe der Fakten um eine Visualisierung der Details bemüht, galt in der Renaissance als paradigmatisches Beispiel für enargeia, das meist synonym mit ekpbrasis bzw. ecpbrasis gehandelt wurde. So, too, w e may m o v e o u r hearers to tears b y the picture of a captured town. F o r the mere statement that the t o w n was stormed [...] fails t o penetrate to the emotions of the hearer. B u t if w e expand all that the one w o r d " s t o r m e d " includes, w e shall see the flames p o u r i n g f r o m house and temple, and hear the crash of falling r o o f s and one confused clamour blent of m a n y cries.
(Viii, 3,67-68 y* Shakespeare war mit dem enargeia-Konzept sicher vertraut, nicht zuletzt da George Puttenhams Arte of English Poesie (15 89) darauf eingeht.77 Es ist hingegen kaum feststellbar, ob Shakespeare direkt oder auf dem Umweg über den synonym verwendeten Terminus enargeia mit dem Konzept der Ekphrase in Kontakt kam. Eine mögliche Quelle stellen lateinische Hermogenes-Ausgaben im 16. Jahrhundert dar, in denen ecphrasis folgendermaßen definiert wird: A n ecphrasis is an account in detail, visible, as they say, bringing before one's eyes what is to be shown. Ecphrases are of persons, actions, times, places, seasons, and many other things: [ . . . ] Ecphrasis of actions will proceed f r o m what went before, f r o m what happened at that time, and f r o m what f o l l o w e d . T h u s if w e make an ecphrasis on war, first w e shall tell what happened before
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Quintilian, Institutio Oratoria, trans. H. E. Butler, vol. 3 (Cambridge: Harvard University Press, 1986). This ornament then is of two sortes, one to satisfie & delight th'eare onely by a goodly outward shew set vpon the matter with wordes, and speaches smothly and tunably running: another by certaine intendments or sence of such wordes & speaches inwardly working a stirre to the mynde: that first qualitie the Greeks called Enargia, of this word argos, because it geueth a glorious lustre and light. This latter they called Energia of ergon, because it wrought with a strong and vertuous operation; and figure breedeth them both, some seruing to giue glosse onely to a language, some to geue it efficacie by sence, and so by that meanes some of them serue th'eare onely, some serue the conceit onely and not th'eare (III, 3). George Puttenham, The Arte of English Poesie (London, 1589; rpt. Amsterdam, New York: Da Capo Press, 1971) 119. I
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the war, the levy, the expenditures, the fears; then the engagements, the slaughter, the deaths; then the monument of victory; then the paeans of the victors and, of the others, the tears, the slavery. [...] The virtues of the ecphrasis are clearness and visibility; f o r the style must through hearing operate to bring about seeing/ 8
In beiden Fällen, der enargeia-Konzeption Quintilians und der ecphrasisDefinition bei Hermogenes, steht die Visualisierung im Vordergrund, die wiederum eine emotionale Wirkung im Zuhörer bewirkt. 79 Es ist daher nicht verwunderlich, daß Shakespeare sich gerade dieser rhetorischen Figuren in seinem metadramatischen Gedicht bedient, da diese beiden Figuren Anliegen des Dramas bezüglich Ergriffenheit des Publikums strukturell bereits vorwegnehmen. Ein weiteres Motiv, das in der Renaissance in der paragone-Literatur immer wieder behandelt wurde und für Shakespeares Dramenkonzeption zentralen Stellenwert besitzt, ist die Frage nach der Möglichkeit, psychische oder mentale Vorgänge einer Person in Malerei auszudrücken. Dieses Privileg wurde traditionellerweise Dichtung zugesprochen und galt als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Malerei. In der paragone-Literatur der Renaissance wird das jedoch von Seiten der Maler zurückgewiesen, die argumentieren, daß bildende Kunst im Stande ist, geistige Zustände bildlich adäquat darzustellen. In der Beschreibung des Trojabildes in "The Rape of Lucrece" wird dieser Topos ganz besonders deutlich herausgearbeitet. So heißt es: "Such sweet observance in this work was had / That one might see those far-off eyes look sad" (1385 — 1386) oder "You might behold, triumphing in their faces; [ . . . ] / And here and there the painter interlaces / Pale cowards, marching on with trembling paces" ( 1 3 8 8 - 1 3 9 1 ) . Auch in der folgenden Passage kommt dieser Topos zum Ausdruck:
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Charles Sears Baldwin, Medieval Rhetoric and Poetic (to 1400): Interpreted from Representative Works (New York: Macmillan, 1928) 35-36. Für die Verbreitung und den Einfluß von Hermogenes auf die Renaissancekultur siehe Annabel M. Patterson, Hermogenes and the Renaissance Seven Ideas of Style (Princeton: Princeton University Press, 1970); zur Rezeption der Figur der energeia-enargeia vgl. Patterson 1 3 0 - 1 3 3 ; für eine Liste der Hermogenes-Ausgaben im 16. und 17. Jhdt. vgl. Patterson 219-220. Auch Quintilian zieht in seiner Charakterisierung von energeia in der Rhetorik eine direkte Verbindung zur emotionalen Ergriffenheit des Zuschauers. "Again when we desire to awaken pity, we must actually believe that the ills of which we complain have befallen our own selves, and must persuade our minds that this is really the case. [...] But if the mere delivery of words written by another has the power to set our souls on fire with fictitious emotions, what will the orator do whose duty it is to picture to himself the facts" (Institutio Oratoria VI, 2, 34-36).
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In Ajax and Ulysses, O, what art Of physiognomy might one behold! The face of either cipher'd either's heart; Their face their manners most expressly told. In Ajax' eyes blunt rage and rigor roll'd, But the mild glance that sly Ulysses lent Show'd deep regard and smiling government. (1394-1400) Dieses Motiv der externen Repräsentation von inneren, psychischen Zuständen gipfelt in der Figur des Verräters Sinon, der durch seine Täuschung den Fall Trojas bewirkt hat. In him the painter labor'd with his skill To hide deceit, and give the harmless show A humble gait, calm looks, eyes wailing still, A brow unbent, that seem'd to welcome woe, Cheeks neither red nor pale, but mingled so That blushing red no guilty instance gave, Nor ashy pale the fear that false hearts have. But, like a constant and confirmed devil, He entertain'd a show so seeming just, And therein so ensconc'd his secret evil, That jealousy itself could not mistrust False-creeping craft and perjury should thrust Into so bright a day such black-fac'd storms, Or blot with hell-born sin such saint-like forms. The well-skill'd workman this mild image drew For perjur'd Sinon, whose enchanting story The credulous old Priam after slew; Whose words like wildfire burnt the shining glory Of rich-built Ilion, that the skies were sorry. (1506-1524) Shakespeare geht in der Darstellung des Betrügers Sinon über die obigen psychischen Repräsentationen hinaus, indem er Sinon als „Schauspieler" beschreibt, dessen "show" täuscht. Der Maler des Gemäldes hat also einmal die gespielte unschuldige Fassade, aber auch die darunter versteckte Hinterhältigkeit des Charakters darzustellen. Es scheint, als gelänge es dem Maler nicht, diese Doppeldeutigkeit des Charakters von Sinon bildlich umzusetzen. This picture she advisedly perus'd And chid the painter for his wondrous skill, Saying, some shape in Sinon's was abus'd; 179
So fair a form lodg'd not a mind so ill. And still on him she gaz'd, and gazing still, Such signs of truth in his plain face she spied, That she concludes the picture was belied. [ . . . ]
(15*7-1*33) Das Bild des betrügerischen Sinon wird zunehmend deutlicher mit Tarquins Falschheit verglichen, der sich ebenfalls durch Schauspiel den Eingang in die „Festung" erschlichen hat. F o r even as subtle Sinon here is painted, So sober-sad, so weary, and so mild, As if with grief or travail he had fainted, To me came Tarquin armed, so beguil'd With outward honesty, but yet defil'd With inward vice. As Priam him did cherish, So did I Tarquin; so my Troy did perish.
(1541-1547) In der Beschreibung der Figur des Sinon scheinen Grundprobleme des Dramas durch, da Shakespeare hier wieder wie in fast allen seinen E k phrasen und sonstigen Verweisen auf bildende Kunst das Visuelle auf handelnde Personen projiziert. Zwar suggeriert Shakespeare einerseits, daß der bildende Künstler diese Doppeldeutigkeit des Charakters darzustellen vermag, jedoch wird andererseits deutlich, daß das visuelle Medium alleine, ohne Hilfe des Verbalen nicht dazu im Stande ist. Was mit Sinon hier dargestellt werden soll, ist die Macht des Schauspielers auf der Bühne, Wort und Bild auf „betrügerische" Weise in sich zu vereinen und besser umzusetzen, als Dichter und Maler in getrennten Medien jemals in der Lage sind. Die Analogien zum Renaissance-Drama in dieser Passage beschränken sich nicht nur auf die Projektion von Wort und Bild auf dramatische Figuren, sondern lassen sich auch im formalen Aufbau des Trojabildes nachzeichnen. Shakespeare setzt in der Beschreibung des Trojabildes die typische Struktur seiner eigenen Dramen um, die sich, wie bereits im Zusammenhang mit Zentralperspektive gezeigt wurde, grundlegend von den neoklassisch beeinflußten Werken eines Ben Jonson unterscheiden. So meint Clark Hülse über die Struktur des Trojabildes: "Shakespeare describes at least six different scenes [...]. What could depict so many scenes [...]? Even to think about Elizabethan painting is to encounter next to nothing which could evoke such a description." 8 0 Die Aussage 80
Clark Hülse, "'A Piece of Skilful Painting' in Shakespeare's 'Lucrece'," Shakespeare
vey 31 (1978): 15. 180
Sur-
Hulses in seinem sonst äußerst aufschlußreichen Aufsatz trifft nur in begrenztem Maß zu, da, wie die Analyse elisabethanischer Porträtmalerei gezeigt hat, eben diese ungewöhnliche Struktur eines Nebeneinanders verschiedener Handlungen, Ortlichkeiten und Zeitebenen greifbar wird. Somit spiegelt die Beschreibung des Trojabildes auch auf der Ebene der Kompositionsstruktur Prinzipien von Shakespeares Dramenaufbau. Shakespeares Einsatz der Ekphrase in seinem frühen "non-dramatic poem" wie in den Dramen ist ursächlich mit seiner Dramenkonzeption verwoben. Im Gegensatz zur Masque bzw. zum Emblem ist das Drama um eine rhetorisierende Fusion von Wort und Bild bemüht, indem die Figur des Schauspielers beide Elemente in sich vereint. Shakespeare suggeriert diese Auffassung durch ekphrastische Projektionen auf handelnde Figuren.
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Abschließende Bemerkungen und Ausblick In den vorhergehenden Kapiteln wurde argumentiert, daß Ekphrasen Konzepte historischer Abbildungsvorstellungen literarisch thematisieren. E s muß jedoch einschränkend festgehalten werden, daß Ekphrasen immer nur Facetten von herrschenden Repräsentationsvorstellungen implizieren, deren Komplexität sie notgedrungen nur fragmentarisch widerspiegeln können. Vor allem darf man nicht der Versuchung verfallen, von einem Abbildungsverständnis in einer Epoche auszugehen. Vielmehr stehen sich immer mehrere konkurrierende Repräsentationstheorien gegenüber, die - wenn auch innerhalb eines allgemeinen Klimas angesiedelt oft sehr unterschiedliche Anliegen verfolgen. Im konkreten Fall des Elisabethanischen Zeitalters ist das generelle abbildungstheoretische Ambiente durch das Spannungsfeld von Ikonophobie und literarischem Piktorialismus gekennzeichnet. In allen behandelten Ekphrasen lassen sich ikonophobe Grundtendenzen nachzeichnen, die paradoxerweise auf unterschiedliche Art mit literarischem Piktorialismus verwoben sind. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit, die ekphrastische Passagen zahlreicher elisabethanischer Werke transportieren, erweist sich schlußendlich als ein zentrales Charakteristikum eines dominanten Abbildungsklimas. Innerhalb dieser grundlegenden Mimesis-Konzeption werden dann differenzierte repräsentationstheoretische Anliegen spezifischer Autoren realisiert. So problematisieren Spensers „bilderfeindliche" Ekphrasen auf metaliterarischer Ebene die Frage nach einem protestantischen Epos. Spenser, der sich besonders im Bereich der ekphrastischen Einschübe - einem klassisch epischen Phänomen - mit seinen kontinentalen Vorbildern messen will, sieht gerade hier eine Möglichkeit zur Selbstdefinierung eines neuen Genres. Die ikonoklastische Adaption eines bildlichen Topos aus dem traditionellen Epos fügt sich nahtlos in das elisabethanische Abbildungsverständnis, erhellt aber durch seine spezifische Ausrichtung auch Spensers individuelle Anliegen als Autor. Sidney unterliegt einem ähnlichen Dilemma, da seine Defence mit kontinentalen literaturtheoretischen Traktaten in Konkurrenz treten will, die wiederum sehr an literarischem Piktorialismus orientiert sind. Vor 182
diesem Hintergrund sind die Ekphrasen in Arcadia zu verstehen, die sich einer wahrnehmungsphysiologischen Ästhetik bedienen, um lyrische Mechanismen für die Prosa nutzbar zu machen. In Sidneys physiologisch angehauchter Repräsentationsauffassung finden sich aber auch Parallelen zu Nicholas Hilliards The Art of Limning, dem zentralen theroretischen Werk in der bildenden Kunst des Elisabethanischen Zeitalters. John Lylys implizierte Abbildungstheorie ist auch in diesem paradoxen Spannungsfeld von Ikonophilie und Ikonophobie angesiedelt. Seine Ästhetik der Umrisse, die er in seinen £«pÄ«es-Romanen durch antithetische Oppositionen realisiert und mittels Ekphrasen erläutert, steht in direkter Wechselwirkung zu anderen literarischen und außerliterarischen Phänomenen, die gleichfalls diese antithetischen Grundkonzepte verfolgen. Shakespeare, der sich in seinem Gedicht "The Rape of Lucrece" ebenfalls der Technik der Antithese bedient und sich dabei sehr stark mit Lylys literarischem chiaroscuro deckt, geht einen Schritt weiter und benützt im selben Gedicht eine ausgedehnte Ekphrase für dramentheoretische Überlegungen. Shakespeares Beschreibung einer Tapisserie, aber auch weitere Ekphrasen in den Dramen zielen großteils darauf ab, das Drama als Gattung gegenüber anderen visuell durchdrungenen Genres wie der Masque oder dem Emblem abzugrenzen. Ekphrasen erfüllen somit zwei Zwecke: Sie geben einerseits Einblicke in dominante Abbildungskonzepte einer Epoche, andererseits lassen sie aber auch Rückschlüsse auf spezifische repräsentationstheoretische Anliegen eines Autors zu. Im letzteren Fall sind aber die Ergebnisse ebenfalls von allgemeinem Wert, da die angesprochenen Themenbereiche wie generische und mediale Abgrenzung meist im Zentrum literaturwissenschaftlicher Selbstreflexion angesiedelt sind. Will man eine Metapher aus der Geologie bemühen, dann erscheinen die hier behandelten Ekphrasen wie tektonische Fenster in einer geologischen Formation, die es erlauben, Blicke auf tieferliegende Gesteinsschichten zu werfen. Die Schichten, die durch diese oft nur kleinen Offnungen im Gestein sichtbar werden, ermöglichen indirekte Rückschlüsse auf den morphologischen Aufbau und die Entstehungsgeschichte ganzer Regionen. Anders ausgedrückt sind sie der Schlüssel zum Verständnis der an der Oberfläche sichtbaren landschaftlichen Erscheinungen. Ekphrasen eröffnen damit Zutritt zu den tieferliegenden, nicht auf den ersten Blick zugänglichen aber formgebenden Grundstrukturen eines Textes. Auch wenn diese isolierten Fenster nur sehr fokussierte und perspektivische 183
Einblicke in darunterliegende Formationen zulassen, so haben die daraus gewonnenen Erkenntnisse dennoch paradigmatischen Charakter. Die Ergebnisse lassen sich auf andere Oberflächenphänomene innerhalb der selben tektonischen Region - d.h. in unserem Fall der selben literaturgeschichtlichen Epoche - übertragen. Das zentrale Argument dieser Studie, nämlich daß literarische Bildbeschreibungen nicht nur Rückschlüsse auf die Abbildungstheorie des jeweiligen Autors zulassen, sondern auch ein repräsentationstheoretisches Klima der jeweiligen Epoche widerspiegeln, ist nicht auf das Elisabethanische Zeitalter beschränkt. Was hier anhand der letzten Dekaden des 16. Jahrhunderts als punktuelle Fokussierung durchgeführt wurde, ist keineswegs nur in dieser synchronen Form praktikabel. Vielmehr eignet sich diese Methode ebenfalls für diachrone, d. h. historisch-vergleichende Untersuchungen unterschiedlicher Abbildungskonzepte. Nochmals die geologische Diktion bemühend kann man eine historisch vergleichende Studie von Ekphrasen aus verschiedenen Epochen sozusagen mit einer tektonischen Wanderung durch die offenliegenden Schichten des Grand Canyons vergleichen, wodurch beim Hinuntersteigen verschüttete, historisch aufeinanderfolgende Formationen wahrnehmbar werden. So können z.B. die Ekphrasen in Chaucers The Book of the Duchess oder The House of Farne im Kontext mittelalterlicher Mnemotechnik analysiert werden, die wiederum ein Abbildungsverständnis propagiert, das auf Verinnerlichung im Sinne einer mentalen Speicherung und Vernetzung von Wort und Bild ausgerichtet ist. Ebenso ist es möglich, die Landschaftsbeschreibungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wie zum Beispiel Ann Radcliffes The Mysteries of Udolpho mit den ästhetischen Theoriebildungen des „Pittoresken" in Verbindung zu bringen. Dadurch kann gezeigt werden, daß in dieser Epoche allgemeine Wahrnehmungsphysiologie sowie Vorstellungen über literarische und visuelle Repräsentation ursächlich mit spezifischen Genres der Landschaftsmalerei in Verbindung stehen, bzw. daß diese historische Wahrnehmungsästhetik auf bildlichen Vorbildern aufbaut. Auch die zahlreichen literarischen Beschreibungen von Ornamenten im 19. Jahrhundert erlauben es, eine historische Abbildungsvorstellung, die rund um ornamentales Design angelegt ist, zu rekonstruieren. Die Beschreibungen von Tätowierungen in Melvilles Typee oder der Einsatz von Tapetenmuster in Charlotte Perkins Gilmans The Yellow Wallpaper korrespondieren mit ästhetischen Diskursen anderer Disziplinen, die ebenfalls das Ornamentale für epistemologische und repräsentationstheoretische Anliegen heranziehen. Die Verweise auf Photographie in Nathaniel Hawthornes The House of the Seven Ga184
bles, Dion Boucicaults Melodrama The Octoroon oder Henry James' Kurzgeschichte "The Real Thing" zeichnen wiederum ein sehr differenziertes Bild der Realismusdiskussion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Beschreibungen von tableaux vivants in Louisa May Aleotts Bebind a Mask, Nathaniel Hawthornes A Blithedale Romance und Edith Whartons The House of Mirth behandeln geschlechtsspezifische Repräsentationsvorstellungen, die wiederum in Wechselwirkung zum Status von Weiblichkeit im viktorianischen Amerika stehen. Man könnte die Liste historischer Abbildungsvorstellungen, die von literarischen Ekphrasen impliziert und thematisiert werden, weit ins 20. Jahrhundert - ja bis in die Gegenwart - weiterführen. Virginia Woolfs Verweise auf Bilder kombiniert mit kubistischen Erzähltechniken erhellen modernistische Mimesiskonzepte, ebenso wie die Beschreibung von virtuellen Realitäten und computergenerierten Wort-Bild-Konfigurationen in William Gibsons Neuromancer eine neue Abbildungstechnologie und damit verbunden eine neue Repräsentationstheorie über den Umweg von literarischen Ekphrasen propagiert. Oft nehmen ekphrastische Texte wie im Fall von Gibsons Romanen Abbildungsvorstellungen literarisch vorweg, bevor theoretische Diskurse sich dieser neuen Phänomene annehmen. Wie diese eklektische Liste zeigt, bietet dieser methodische Ansatz, über Bildbeschreibungen generelle Abbildungsmechanismen zu rekonstruieren, ein weites Betätigungsfeld. Gerade in der zeitgenössischen Literaturwissenschaft, die sich besonders in Anglistik und Amerikanistik immer mehr als umfassendes kulturwissenschaftliches Fach versteht, verspricht dieser interdisziplinäre Ansatz reiche Ergebnisse. Die hier vorgestellte Methode wird sicherlich nicht überall in gleicher Weise praktikabel sein, jedoch vermag diese Herangehens weise ein Paradigma aufzuzeigen, wie ausgehend von isolierten exemplarischen Textbeispielen weite Kreise gezogen und so auch neue Gesichtspunkte bekannter Phänomene beleuchtet werden können. Es lassen sich an diesem Modell traditionelle Bereiche der Literaturwissenschaft wie Motivgeschichte, historische Hintergrundstudien und landeskundliche Aspekte zu einem homogenen, interdisziplinären und zeitgemäßen Forschungsansatz verbinden, um so zentrale Fragestellungen des Fachs aus neuer und frischer Perspektive zu behandeln.
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200
Abbildungen
xx xm
ISLANDA
i. Girolamo Porros Deckblatt zum 33. Canto in Lodovico Ariosto, Orlando Furioso (Venedig, 1584) 368; The Newberry Library, Chicago.
203
204
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LECTOR!.
EN T I B I L E C T O R
STVDIOSE
GEOGRAPHICORVM
COMMENTA:
STRABONIS
PIrios.olim,utputatur,S»Guarino Vero* "Vi nenfe,& Gregorio Trifernatelatinitate Ì'J donatos,iam uero denuo à Conrado He resbachio adfidemGricci exemplaris, jL autorucjj.qui hucfaeere uidebantur.non ^fe aeilimandislaboribusrecognitos. Nos, T] quohocopus,& eruditu.&iuxtanecefla 31 riumin noftraoRieina felici M rénafeeretur, neque fumptibus peperei» fj| mus.neqj diligenti». Tueme,Fruere,& Hi nol&aminduftriam candido Fa uoreadiuta, Vale. B A S I L E A E. 1
ANNO
M. X>. XXlii.
164, 170, 181
Medienwechsel 22 Melodrama 185 menschliche Körper 29, 34, 59, 99 metafiktional 97 Metapher 93, 133, 174, 183 Metaphysik, metaphysisch 19, 22, 33,33, 34, 47-48, 55, '33
Mimesis 19, 19, 36, 44, 7 3 - 7 5 , 82, 89-90, 140, 182, 185
Porträt 58, f8, 73, 73, 77, 88-89, «9, 92, 9 5 - 9 7 , 1 0 0 - 1 0 4 ,
I0
7,
II0
>
I22
>
Miniatur 95, 103, 103, 104, 106, 129
1 2 5 - 1 2 8 , 130, 130, 1 4 1 , 1 4 4 - 1 4 6 ,
Miniaturmaler 23, 75, 103, 105, 157
1 4 9 - 1 5 0 , 170
Mittelalter 4, 9 , 1 0 , 24, 28,30, 3 2 - 3 5 , 4 6 , 5961, 60, 65, 7 1 , 76, 1 3 2 - 1 3 4 ,
141-142,
J4.2, 1 4 9 - 1 5 0 . 184
9'~ I2
4>
146,
Porträtmaler 44, 73, 74, 92, 92, 95-97, 107, 122, 122, 1 4 8 - 1 4 9 , 181 prälapsarisch 18, 40
Mnemotechnik 1 1 , 49, 61—62, 7 1 , 132, 133, 184
Progymnasmata 2, 4 - 7 , 4, 2 4 - 2 5 , 2j, 27 Proportion 54, 74, 74, 9 7 - 1 0 3 , 98, 122, 145,
Modell 18, 29, 6 1 - 6 2 , 94—5, 97-98, 1 0 0 102, 105 — 106, 124, 130, 133, 150, 185
148-150 Prosastil 108
Motto 4, 19, 50, ¡0, 66
prosopopeia
Musik 1 1 8
Protestantismus 23, 61, 62
3-4
Proto-Roman 4, 9, 1 1 , 46, 84-85 Natur 3 2 - 3 3 , 39, 66, 69-70, 83-86, 84, 86, 89-90, 92, 97, 133
Quattrocento 26, 28, 29, 32, 45, 148
TVeip Historicism 18, 20 Neoplatonismus, 33-34,
neoplatonistisch
32-36,
39. J9> 4«, 5°. 65, 93. 141. 1 6 4 -
165, 170, 770
Rahmen 10, 12, 18, 20, 58, 84-85, 89, 1 2 9 1 3 1 , 130, 135 reformatorisch 3 6 - 3 7 , 50, 58, 63, 64, 71
Netz 53, 54, 69, 70, 71, 150
Repräsentation 6, 1 9 - 2 0 , 30, 38, 52, 56, 6 1 63, 68, 7 1 - 7 2 , 74, 76, 82, 86, 89, 94, 9 9 -
oratores 29
100, 105, IOJ, 114, 1 1 9 , 1 4 1 - 1 4 2 , 150,
Original 1 9 - 2 0 , 38, ; 7 , 75
1
Ornament 28, 57-58, 66, 83, 1 0 4 - 1 0 5 ,
m,
5 4 - 1 5 5 . 159. ififi.
l6
&, ! 7 2 > 174, 176,
179, 184 Repräsentationstheorie 1, 18, 23, 42, 44, 86,
' 5 5 . ' 7 7 . 184 outline 43, 129, 1 3 1
9 2 - 9 3 , 96, 107, 132, 1 8 2 - 1 8 4 , '84 RepräsentationsVerständnis 1, 1 1 , 21, 24, 59,
paragone 21, 76, 87-88, 122, 1 3 8 - 1 4 4 , 1 4 1 4 7 .
150.
139-
7 i " 7 2 > 74. 91, i ° 7
166, 170, 1 7 5 -
representing 89, 90, 90
176, 178 paramonion
Restauration 16, 36 135
Rhetorik 2, 3, 4, 4, 6, 2 3 - 2 4 , 26, 2 9 - 3 0 , 29,
parison 5 6, 104, 135
4 3 , 1 0 8 , 1 1 2 , 1 2 3 , 1 4 9 , 1 5 4 , 1 6 8 - 1 7 0 , 173,
perspective 13, 4 3 , 4 J , 99, 104, JOJ, 1 1 6 - 1 1 7 , 145-147.
'4h 148* '53, '74.
Philomela-Mythos 1 1 , 155, 1 6 1 - 1 6 2 ,
177. 178 Rhetorikhandbuch 4, 7, 24
176 161,
! 7 3 . '75 Philosophie 16, 32, 36, 45,48,55, 91, 95, 100, 164
Sandwich 127 scanning
77
scantlinge 101
physiologisch f f , 7 6 - 7 7 , 7 9 - 8 2 , So, 83, 8 7 -
Schild 5, 9 - 1 0 , 10, 5 5 - 5 8 , ¡7, 59, 64, 168,
I2 89. 9i. 93-94. 4> 183, 184 Piktogramm 40 Piktorialismus 10, 23, 3 6 - 3 7 , 39, 41, 44, 54,
Schlangenmotiv 67
75. 77. 79. i 2 8 . 182 Plastik 3, 6, 8, 13, 32, 34, 42, 138, 143, 157, 160 platonische Dialoge 3 3 - 3 4 , 3 4 platonische Metaphysik 3 3 - 3 4 , 33
174 Schleier 5 3 - 5 4 , 6 9 - 7 0 Schönheit 3 4 - 3 6 , 69, 95, 119, 146, 162, 1 6 5 66, 1 6 8 - 1 6 9 , 170 Schwarz-Weiß 43, 1 1 5 , 1 2 7 - 1 2 8 , 133 Schwesternkünste 39 scutum fidei 58 2
33
Sehsinn 35, 81, 164, 170 Selbstreflexion 1, 13, 16, 2 1 - 2 2 , 30, 36, 135, 140, 158, 172, 183 semiotisch 10, 29, 173 shadowing 97, 1 1 6 - 1 1 8 , 122, 132 Spiegelung 85-86 Sprache 2 - 3 , 6, io, 19-20, 109, 143, 157, 161, 17$ Stil 1 0 8 - 1 1 0 , 112—113, 113, 1 1 5 - 1 1 8 , 120125, 121, 1 3 2 - 1 3 7 Stilistik 109, 112, 1 2 0 - I2i Stirn 1 0 1 - 1 0 3 Suffolk 127 Symmetrians 98-101 tableaux vivants 185 Tapisserie 1 1 , 183 Täuschung 51, 66-67, 1 2 °> , 2 °> I24> I(>9> 179 Troja 153, 167, 172, i j i , 174-176, 178-181 Tudor-Drama 148 Typographie 2 Umriß 43, 101 utopisch 94-96, 150 ut pictura poesis 32, 36
234
Ventrikel 60 Vergewaltigung 1 1 , 35, 120, 161, 161, 163, 168,172-175,172 virtù 45 virtuelle Realität 94, 185 Visualisierung 3, 10, 64, 65, 99, 166, 170, 177-178 Wahrnehmung 33, ¡ } , 66, 76-77, 80, So, 8 1 82, 94 Wettstreit 1 1 , 21, 31, 54, 69, 123, 1 3 9 - 1 4 1 , 143 — 144, 168-170, 168, 176 Wissenschaftstheorie 72, 159 Wort-Bild 2, 3, 6, 1 2 - 1 3 , 12> '4> 20-22, 26, 30, 36-37, J7, 39-41, 44, 46, 46, 49, 71, 76, 110, 117, 121, 124, 138, 147, 154-156, 159, 161, 163, 165-166, 172, 176, 185 Wortkulisse 153, 170 Zeichensystem 1 8 - 1 9 Zeitgeist 13, 26, 42, 134, 136 Zentralperspektive, zentralperspektivisch 31, 43, 103, io}, 1 4 7 - 1 5 0 , 1 5 2 - 1 5 3 , I H , 180 Zweidimensionalität 82, 86, 134
Personen- und Werkregister
Werke sind unter dem Verfasser oder Künstler angeführt. Kursive Zahlen verweisen auf Personen oder Werke in den Fußnoten der jeweiligen Seite. Achilles Tatius 85, 8} Actaeon 87-88 Ainsworth, Henry 38, 38, 6z, 62; An Arrow Against Idolatrie 38, jS, 62, 62 Alciatis, Andrea 154; Emblemata 154 Aleott, Louisa May 185; Behind a Mask 185 Alexander der Große 27, 119, 1 2 1 - 1 2 2 , 122, 125, 126, 1 2 9 - 1 3 0 Alfonso d'Esté 30 Anthologia Greaca 3, 1)4 Apelles 5, 26-28, 26, 28, 31, 34, 45, 48, 100, I i } , 1 1 9 - 1 2 5 , 122-124, 129, 131 —
Boucicaults, Dion 185; The Octoroon 185 Britomart 66, 68 Burton, Robert 60, 60, 147, 747; The Anatomy of Melancholy 60, 60, 147, 14J
Aphtonius 5 Arachne 1 1 , 53-54, 66, 68-70 Ariosto, Ludovico 9, 17, IJ, 25, 3 0 - 3 1 , 3031, 50, 57, 57, 71; Orlando Furioso 30yi, 30-31, 57, 57, i}3 Aristoteles 1 1 5 , 154, 154-, Metereologica 115;
48-52, 55, 142 Cellini, Benvenuto 11 Chapman, George 9, 9, 55, 65, 65-66, 147; Achilles Shield 9, 35; Ouids Banquet of Sence 65, 6}-66 Chaucer, Geoffrey 15, 43, 65, 71, 76, 138, 184; The House of Fame 15, 71, 76, 184 Cicero 3, 1 1 , 1 1 , 29, 133, 135, 150; Reden
The Poetics 154 Armada-Porträt 149 Arthur 55, 57-59, 62, 63 Ashbery, John 7, 12, 1;, 17, 161; „Self-Portrait in a Convex Mirror" 12, if Augustus 10 Bacon, Francis 100, 10o, 159, 15% Advancement of Learning 159; „Of Beauty" 100, 100 Baudrillard, Jean 19-20, 19-20, 92; Amérique, America 19, 19—20 Blount, Thomas 4 1 , 4 1 ; Art of Making Devices 41; L'Art de faire les devises 41 Boccaccio, Giovanni 1 1 , 52; Teseida 1 1 Botticelli, Alessandro 3 1 - 3 2 , 5 / , 34, 162
Callistratus 5, 25, 2j, 86, 86, 158, 176; Descriptions, Beschreibungen 5, j , 25, 86-87, 158, 176 Carracci, Agostino 148 Castiglione, Baldassare30, 3 4 - 3 5 , 5 ; , 39, 93, 143, 1 6 3 - 1 6 5 , 164; The Book of the Courtier 35, 164 Cebes 49; Tabula Cebetis 28, 45-46, 45-46,
gegen Verres V 11 Coleridge, Samuel Taylor 160 Cooper, Anthony Ashley 45-46, 49 Corrozet, Gilles 50, ¡0; Hécatongraphie 50 Crane, Hart 8; The Bridge 8 Dante Alighieri 1 1 , 16, 16; Purgatorio 11 Daphnis and Chloe 11,11 Derrida, Jacques 20 Dinesens, Isak 1 1 ; „The Blank Page" 11 Duccio di Buoninsegna 121, 12; Three Maries at the Tomb, Le Tre Marie al Sepolcro 121, 121 Dudley, Robartt 127
235
Diirer, Albrecht 4 2 , 5 4 , 9 4 , 9 9 , 1 0 2 - 1 0 3 , 149-150;
Underweyssung
io
5>
der Messung
Hesiod JO; The Homeric Hymns and Homerica JO Hilliard, Nicholas 2 3 , 32, 36,39, 4 2 ,
54
73 ~74>
92> 9 5 _ I ° 3 > 9f> 9».
73-75,
102 -103,
1 0 5 - 1 0 7 , iOf, 1 2 2 , 122, 1 2 8 - 1 2 9 ,
Edward VI. 1 4 5 - 1 4 6
H 9
-
Elizabeth I. 56, 5 8 , 1 0 4 , n o , 1 2 2 , 122, 1 2 5 -
1 5 0 , 149, 1 5 7 , 1 8 3 ; The Art of Limning
!3*> : 35> 1 49 Enneaden 9 3
73. 74. 95. 9i. 97.
„Ermine"
i°5> "5,
"9.
1 4 9 - 1 5 0 , 1 4 9 , 1 5 7 , 1 8 3 ; Man against a Background of Flames 103; Sir Christo-
Portrait 1 2 7 , 7 2 7
pher Hatton 102; Young Man among Roses 1 0 5
Ficino, Marsilio 1 9 , 3 3 , j j , 3 4 Fludd, Robert 60, 60; Ars Memoriae 6 0 , 60; Utriusque cosmi maioris scilicet et minons, metaphysial, physica atque technica historia 60
Hoby, Thomas 3 4 , 3 5, 3 9 , 1 6 3 , 164 Holbein, Hans 4 6 , 1 2 6 , 1 4 5 - 1 4 6 , 1 4 8 ; The Ambassadors
145-146
Homer 7 , 9 , 9 , 1 0 , 1 6 - 1 7 , 16-17,
2
5> 5°> 55.
5 7 . ; 7 . 59. 68, 7 1 , 1 6 1 , 1 7 5 ; Iliad, Ilias
Fortuna 4 7 - 4 8 , 1 4 2 , 142, 1 4 3
5 , 8 - 1 0 , 9 , 5 5 , } } , 5 7 , 1 7 5 - 1 7 6 , 175
Freige, John Thomas 133
Homilie against perill of Idolatrie 3 7
Georg von Trebizond 3 0 , 30; De rhetorica libri V 3 0
Horapollo 4 0 Horaz 3 2 , 1 1 6 ; Ars Poetica 3 2 , 1 1 6
Gibson, William 185; Neuromancer
185
Gilman, Charlotte Perkins 1 8 4 ; The Yellow Wallpaper 1 8 4
Iupiter 1 2 0 , 120 James, Henry 1 8 5 ; „The Real Thing" 1 8 5
Gower, George 149 Greene, Robert 1 0 9 , 1 6 0 ; Pandosto
Jason 64
160
Guarino da Verona 25, 2 7 - 2 8 , 2 7 , 3 0 ; Epistolario di Guarino Veronese 27 Gréville, Fulke 7 6 ; Sir Fulke Greville's
Life
of Sir Philip Sidney 76
Jewel, John
5 6 , 56;
„Of
Adoration
Jones, Inigo39, 4 3 , 1 5 2 - 1 5 4 , 1 5 2 - 1 5 4 - , „Roman Atrium" 152 Jonson, Ben 3 7 , 3 9 , 39, 4 3 , 43, 151-154,
Hard, Frederick 6 4 - 6 5 , 64
of
Images" ¡6
151-154,
1 8 0 ; Discoveries 3 9 , 153; Mas-
que of Blacknesse 1 5 3 ; Volpone 1 5 2
Harding, Thomas 56, 56 Harvey, Gabriel 1 0 9 , J 0 9 ; Four Letters and Certaine Greene
Sonnets
Touching
Robert
Keats, John 11, 15, 8 3 ; „Ode on a Grecian Urn" 1 1 , 8 3
109
Hatton, Christopher 1 0 2
Leibniz, G. W. 4 5 , 4 9 , 49
Hawthorne, Nathaniel 1 8 4 - 1 8 5 , ly, A Bli-
Leornardo da Vinci 1 4 1 , 141; Paragone 141
thedale Romance 1 8 5 ; The House of the
Lessing, Gotthold Ephraim 4 5
Seven Gables
Lévi-Strauss, Claude 2 0
184
Haydocke, Richard 3 9 , 41, 4 2 , 7 6 , 7 6 ,
105,
Livius 87, 1 6 2 , 162, 1 6 8 - 1 6 9 ; Historien Lomazzo, Giovanni Paolo 3 8 - 3 9 , 3 9 ,
105, 1 2 6 , 126 Heiliger Georg 58
162 41,41,
4 3 , 7 6 , 7 6 , 1 0 5 , 105, 1 2 6 , 126, 1 4 9 ; A
Heinrich VIII. 3 6 , 1 2 6 , 1 4 8
Traete Containung the Artes of Curious
Heliodorus 4, 9 1 , 9 /
Paintinge 41, 7 6 , 76, 105, 126; Trattato
Herder, Johann 45 Hermogenens 2, 4, 5 , 7 , 7 , 2 4 , 24-25, 1 7 8 , 178; Opera 24
236
dell'Arte della Pittura 3 8 , ^ 9 , 4 1 , 4 3 , 1 2 6 177-
Longinus 1 1 6 , 116; On the Sublime, das Erhabene 116, 116
Über
Lukian von Samosata 5, 25-28, 31, 31, 45, 48; Verleumdung des Apelles 16, 26, 31, 45. 48
Lyly, William 108 Lyly, John i, 23, 43-44, 43, 107-137, 709, 112-113, 121-122, 12), I2$-I3I, 133134, 183; Campaspe 108, 113, 119-124, 120,122,124,132; Euphues and His England 43, IO8-IIO, 110,
113,
II5, I2J,
126, 129, 130, 131, 136; Euphues: The Anatomy ofWyt 109, i/o, 112, 114-115, 117, 133, 136
Machyn, Henry 127, 127 Mary, Queen of Scots 146 Medea 52, ;2, 53, 64, 131 Medusa 5 7, ¡7 Mellville, Andrew 61 Melville, Herman 184; Typee 184 Michelangelo 42 Milton, John 45, 48, 49, 84, 138; „Of Education" 48, 49; Paradise Lost 84 Minerva 1 1 , 54, 67-68, 68, 69, 120 Morus, Thomas 95; Utopia 95 Musidorus 77, 81, 89, 103 Nicolaos 6 O v i d 11, j2,
54, 6 4 - 6 6 , 6 8 - 6 9 , ' 5 $ '
1 6 1 - 1 6 2 , 161-162,
1
J9»
174, 774; f a j t i 162,
174,174; Metamorphosen 11, ¡2, 54, 6466, 68, 159
Ovide Moralize 65 Panofsky, Erwin 14, 14, 139, 139, 145, 14} — 146 Parrhasius 31, 125, 129-130, 13o, 132 Pausanias 11 Peacham, Henry 67, 68, 83, 83; Minerva Britanna 67, 68 Peakes, Robert 153 Petrarcha, Francesco 32-33, 32, 38-39, 39; De remediis utriusque fortunae 32, 3839; Phisicke against Fortune 32,38 Phidias 93, 122, 130 Philostratus 5, ¡, 10, 25, 2^-26, 86-87, 176, 176-, Imagines 5, 25, 2;-26, 87, 176, 176
Pia Desideria 41 Plato 19, 32-34, 33, $6, 90, 93; Euthyphro 34; Apology 34; Crito 34; Phaedo 34; Phaedrus 34; i á w s 34; Politeia 34, 48; Tie Symposion 34,34; Timaeus 33 Plinius, Pliny 2), 32, 43, 113-114, 121, 122, 123-124, 124-12}, 129, /jo, 131, /JÍ, 132; Natural History, Historia Naturalis, Naturgeschichte 32, 2), 121, 12}, 131 Plutarch 15,36, 39, 43, 131 Porro, Girolamo 3 1 , 3 1 Pound, Ezra 40, 40; „A Retrospect" 40 Professio Regia 133 Prudentius 28; Psychomachia 28 Puttenham, George 2-3, 36, 1 1 1 , in, 171, 171, 177, 777; The Art of English Poesie 2-3,36, hi, 111, 171, 171, 177, 177 Pygmalion 159 Quarles, Francis 40, 40, 41, 42, 47, 47; Emhlemes 40-41, 40, 47, 47; Hieroglyphics of the Life of Man 40 Queen Elizabeth I - Armada Portrat 149 Radcliffe, Ann 184; The Mysteries of Udolpho 184 Raleigh, Sir Walter 126, 126, 128; History of the World, in Five Books 126, 126 Ramus, Peter 61-62, 62, 132, 133, 135; De religione Christiana 62, 62; Dialectique 61
Raub der Europa 11,26, 85 Record, Robert 48, 48; The Castle of Knowledge 48, 48 Ripa, Cesare 154; Iconología 154 Romano, Giulio 139, 160, 160 „Royal Visitor's Injunction" 37 Sachs, Hans 45 „Schild des Achilleus" 5 Serlio, Sebastiano 153-154, 153; The Five Books of Architecture 1)3; Shakespeare, William 1, 1 1 , 23, 25,29, 35, 37, 37, 42, 44, j i , 68, 75, 92, 104-109,
loj,
137-181, 138-141, 14}, 147-148, i}}, 160-162, 166-168, 171, 174, 176, 180, 183; Antony and Cleopatra 147, 147; Henry V 142, 150-151, 174; King Lear
237
i47> 1 5 3 - 1 5 4 ; The Merchant 156; Othello
170; Richard
1 4 5 - 1 4 7 , 14} -146;
of Venice
II ioj,
140,
The Rape of Lucrece
11. 29, 3J, 44, 1 3 9 - 1 4 0 , 155, 157. 1 6 1 1 6 4 , 1 6 1 , 166, 170—176, 178, 183; Romeo
The Tale of the Sank Greal 58 Tasso, Torquato 9, 17, 17, 25, 50, 5 7 - 5 9 , 57, }9,
6 3 - 6 4 , 64,
poema
eroico;
5 7 - 5 8 , ¡7,64,
71,
146; Discorsi
Gerusalemme
del
Liberata
146
and Juliet 146; „Sonett 24" 104—106,105,
Temple, William 61
139; „Sonett 46" 105; „Sonett 47" 105;
Theophilus 43,43-, De diversis artibus 43
The Tempest 152; Timon of Athens
Titian 30, 73, 139, 139,
1 4 0 - 1 4 1 , 1 4 4 , 1 4 7 , 170; Titus 140, 1 5 5 - 1 5 6 , j}); Winter's
139,
Andronicus
Twelfth Night
Tale 139, 139,
140,
147;
Typus Mundi 41
157-158,
160-61
Vasari, Giorgio 22,26; Lives of the Artists 22
Shute, John 99, 99; The
First and
Groundes of Architecture „Sieve"
161
Twyne, Thomas 3 2 , 3 2 , 38,38
Chief
99, 99
Venus 34, 51, 64, 66, 70, 86, 86,114,
Portrait 127, 727
7 2 - 1 0 1 , 73-76,
78, 80, 84, 86-89,
91"
103, 106-108, 118, 122, 127, 128,
138. r43> M9. '49, 182, 183; The
151, '52> '59,
Countess
of
Arcadia 74, 78; A Defence
i63,
Pembroke's
of Poetry 23,
36, 44. 7 4 - 7 5 . 75, 78, 86, 89, 151, 7jj>, 163; The New Arcadia 23, 44, 7 2 , 7 3 , 7 4 80, 78, So, 84,
18,18
118, 120,
124, 131, 139, 139, 166, 167
Sidney, Philip 1, 23, 25,36, 37,39, 42, 47, 68, 94,98,
Velazquez, D i e g o 18, 18; Las Meninas
8 6 - 8 7 , 89-90, 89, 95,
96, 103, 107, 127, 728
„Verleumdung des Apelles" 26, 26,28 Veronese, Paolo 73, 73, 162 Vespasian 92 Vicino, Marsilio 33 Vico, Giambattista 49, 49; The New of Giambattista
Science
Vico, Scienza nuova 49,
49 Virgil 9, 16, 17, 50, 57, 6y, Aeneid, Aeneis 5, 9, 9. 56, 63, 69 Vitruv, Vitruvius 2 j , 29, 99, 1 5 2 - 1 5 3 ;
Simonides j 6 , 39
Architecture,
De architectura
On
229
Sir Henry Unton Panel 148 Spenser, Edmund 1, 7, 9, 11, 15-17, 23> 25>
16-17,
34, 35, 37. J7> 4*> 4 4 - 4 « , 50-72.
5°~52,
55-58,
64, 68, 7 4 - 7 5 , 77, 77, 99,
108, 1 1 7 - 1 2 0 , 133, 1J4, 138, 143, IJ3, 182; Faerie Queene 52,
11,1;,
55. 55. 5 7 - 5 8 ,
44, 46, 5 0 - 5 1 ,
64, 66, 6 9 - 7 i , 77,
99; „Letter to Raleigh" 50;
Muiopotmos
11, 44, 6 8 - 7 1 , 69; The Shepheardes lender
117; A
Theatre
or
Ca-
Voluptuous
Worldlings 72
Warburg, A b y 14 Weiss, Peter 12; Àesthetik
des Widerstands 12
Wharton, Edith 185; The House 0/Mirth 185 Whitney, G e o f f r e y 41,154;
A Choice of Em-
blemes 41, 154 Williams, Carlos Williams 8, 83; „ T h e Red Wheelbarrow" 8
Xenophon 9 1 - 9 2
Sokrates 45 Yates, Frances 6 1 - 6 2 , 6 1 - 6 2 ; The Art of Me-
Solis, Virgil 65, 6) St. John of Damascus 63; On Images: Three Apologies Who Attack the Divine
238
the
Against Images 63
Divine
mory 61, 61
Those Zeuxis 3 1 , 3 1 - 3 2 , 77,
130-131