Eheliche Vermögensausgestaltung im Korsett des Grundgesetzes: Zu den zivilrechtlichen Grenzen des Verzichts auf das Pflichtteilsrecht und des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs [1 ed.] 9783428549849, 9783428149841

Jahrzehntelang blieben ehevertragliche Vereinbarungen von einer durchgreifenden Inhaltskontrolle verschont. Erst die Rec

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Eheliche Vermögensausgestaltung im Korsett des Grundgesetzes: Zu den zivilrechtlichen Grenzen des Verzichts auf das Pflichtteilsrecht und des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs [1 ed.]
 9783428549849, 9783428149841

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 460

Eheliche Vermögensausgestaltung im Korsett des Grundgesetzes Zu den zivilrechtlichen Grenzen des Verzichts auf das Pflichtteilsrecht und des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs

Von

Johannes Burkhardt

Duncker & Humblot · Berlin

JOHANNES BURKHARDT

Eheliche Vermögensausgestaltung im Korsett des Grundgesetzes

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 460

Eheliche Vermögensausgestaltung im Korsett des Grundgesetzes Zu den zivilrechtlichen Grenzen des Verzichts auf das Pflichtteilsrecht und des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs

Von

Johannes Burkhardt

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-14984-1 (Print) ISBN 978-3-428-54984-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84984-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität hat die vorliegende Arbeit im Jahr 2015 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand von Ende 2014. Für die Betreuung danke ich herzlich meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Dagmar Kaiser. Herrn Prof. Dr. Josef Ruthig danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Für die mühevolle Arbeit des Korrekturlesens danke ich Frau Kirch­mayer. Mainz, im Dezember 2015

Johannes Burkhardt

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Status quo der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Durchgreifende Inhaltskontrolleauch bei Gütertrennung und ­Pflichtteilsverzicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie . . . . . . . . . . 31 1. Entwicklung der Auslegung von Generalklauseln im Bereich von Ehe und Familie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Die „Guten Sitten“ im Kaiserreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Die „Guten Sitten“ des Nationalsozialismus  . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Generalklauseln als Einbruchstellen der Grundrechte in das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Hoheitlich geprägte Willensbildung durch die notarielle Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Eheliche Vermögensausgestaltung und staatliche ­Anerkennung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 cc) Umkehrung des Prinzips praktischer Konkordanz bei der Drittwirkung von Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 d) Grenzen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte  . . . . . . 39 e) Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte als Ideallösung . . . . . 41 2. Das aufzulösende verfassungsrechtliche Spannungsfeld . . . . . . . . . 44 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 C. Ehevertragsrechtsprechung – Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Bürgschaft durch Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechungals Blaupause für das Recht der Eheleute? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Die Ehe als Wuchertatbestand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Eheliche Vertragsverhandlungen außerhalb der vertraglichen Richtigkeitsgewähr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Disparität und Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Schutz durch Wirksamkeitskontrolle – aber nur soweit die Situation typisierbar ist  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Zuflucht in interdisziplinär geschaffenen Lösungsansätzen . . . . 54 d) Disparitätserkennung in der Black Box-Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Disparität – Geschäftsunfähigkeit light  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

10 Inhaltsverzeichnis a) Gemeinsame Anknüpfungsmomente von Sittenwidrigkeit und Geschäftsunfähigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Kein Mensch ist Herr im eigenen Haus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Überwindung ehebedingter Disparität durch das Beurkundungs­ erfordernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Vertragsgerechtigkeit durch das notarielle Verfahren?  . . . . . . . . . . 64 2. Präambeln als Chance für mehr Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . 66 3. Präambeln und die Geschäftsfähigkeit der Eheleute . . . . . . . . . . . . 71 4. Grenzen des notariellen Verfahrens bei der Überwindung von Disparitätslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Das konkrete verfassungsrechtliche Spannungsfeld des ehelichen Erb- und Güterrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Die abstrakte Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts und die Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. „Gefahren“ für den Pflichtteilsverzicht jenseits der mittelbaren Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Mögliche „Infektion“ des Ehevertrages durch den Pflichtteils­ verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Präambeln als Ausgangspunkt für Anfechtung und Inhaltskontrolle . 95 V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder – Grenzpfeiler für das Pflichtteilsrecht des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Verfassungsrechtliche Verankerung des Pflichtteilsrechts der Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Erbrechtsgewähr nach dem Wortlaut des Grundgesetzes und nach systematischer Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Die historische Verankerung des Pflichtteilsrechts als tragende Säule des verfassungsrechtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Das Pflichtteilsrecht in den Beratungen des Parlamentarischen Rats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Das Erbrechtsverständnis des Parlamentarischen Rats . . . . . . . . 111 c) Dissens zwischen Parlamentarischem Rat und Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Boehmers Handschrift in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Pflichtteilsrecht der Kinder . . . . . . . . . . . 115 a) Argumentationsstruktur des Ersten Senats parallel zu Boehmer . 117 b) Würdigung Gustav Boehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5. Die Belastbarkeit von Boehmers Thesen für die Erbrechtsgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 6. Der „weite“ Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers nach dem Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Inhaltsverzeichnis11 a) Vorbehalt- und bedingungsloses Pflichtteilsrecht der Kinder auf Teilhabe am Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Der Einfluss des tradierten Erbrechts auf einen verfassungsrechtlichen Wesenskern des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Der tatsächliche Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . 134 7. Halbteilung zwischen materieller Testierfreiheit und Familienerbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 8. Verfassungswidrigkeit der Reform des Pflichtteilsergänzungs­ anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Wahrscheinliche Verankerung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten . 142 2. Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten und Wortlaut und Systematik des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Das Pflichtteilsrecht der Ehegatten und der Wille der Eltern des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4. Die vorkonstitutionelle Entwicklung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Das Ehegattenerbrecht seit dem Germanischen Recht bis zu den Partikularrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Das Erbrecht der Ehefrau im Römischen Recht  . . . . . . . . . . . . 149 c) Das historische Bürgerliche Gesetzbuch als Fundament der erbrechtlichen Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 5. Entwicklung des Ehegattenerbrechts unter dem Grundgesetz  . . . . 159 a) Voraus des Ehegatten auch neben den Kindern . . . . . . . . . . . . . 161 b) Das güterrechtliche Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . 162 c) Verortung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten nach der Anfügung des § 1931 Abs. 4 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) Grenzen der Fortbildung der erbrechtlichen Institutsgarantie zugunsten des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 e) Fazit: Verfassungsrechtlicher Schutz eines auf Absicherung gerichteten ehelichen Pflichtteilsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des verfassungsrechtlich geschützten Wesenskerns der Ehe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. „Nichts ist riskanter als die Eingehung der Ehe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Der Weg zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft  . . 184 1. Die Zugewinngemeinschaft – lediglich eine Wiederentdeckung? . . 184 2. Die Zugewinngemeinschaft – Güterstand des Grundgesetzes . . . . . 190 a) Unmittelbare Verfassungsbindung der Justiz durch Art. 117 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Verfassungsunmittelbare Verantwortung der ordentlichen Gerichte: Ein Vorschlag zur Auflösung der Problematik . . . . . . 193 III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Das Wesen der Ehe in einem normgeprägten Grundrecht  . . . . . . . 195

12 Inhaltsverzeichnis 2. Zugewinnausgleich und verfassungsrechtlich geprägte Inhalts­ kontrolle von Eheverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Partielle Gleichwertigkeit von Zugewinn- und Versorgungs­ ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Zugewinnausgleich und Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Der Zugewinnausgleich jenseits der Sicherung des Hausstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 d) Kompensation ehebedingter Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Fiktive Erwerbsbiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Relativer Schutz vor ehebedingten Nachteilen . . . . . . . . . . . 210 e) Nebengüterrecht und Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 f) Eigentlicher Charakter des Zugewinnausgleichs . . . . . . . . . . . . . 213 g) Teilhabegedanke im Wesen der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 h) Keine zwingende Halbteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 i) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 F. Eheliche Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Bedeutung der konkreten Verankerung der Vermögensausgestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Mögliche Verankerung der güterrechtlichen Ehevertragsfreiheit . . . 225 2. Mögliche Verankerung der verfassungsrechtlichen Freiheit zu Erb- und Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Gegenpole: Vertrags- und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Grundrechtsverzicht und die Grenze der Vertragsfreiheit . . . . . . . . 229 2. Zeitpunkt von Ehevertrag bzw. Pflichtteilsverzicht unerheblich . . . 231 III. Die erb- und güterrechtliche „Vertragsfreiheit“ im historischen Bürgerlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 IV. Erb- und güterrechtliche Ausgestaltungsfreiheit im Spiegel des Zeitgeistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Keine Gewähr der Vertragsfreiheit durch ein spezielles Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Verfassungsrechtliche Entwicklung der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . 243 a) Ausdrücklicher Schutz der Vertragsfreiheit in der Weimarer Verfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Die Vertragsfreiheit des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Wirtschaftsvertragsfreiheit und die eheliche Vertragsfreiheit . 248 bb) Vertragsfreiheit und die unmittelbare Grundrechtsbindung nach Art. 117 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 cc) Evolution von der Vertragsfreiheit zur Privatautonomie . . . 251 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 VII. Eheliche Vermögensausgestaltung im Grundrechtskonflikt des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Multipolarer Grundrechtskonflikt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Der Einheitsschutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . 258

Inhaltsverzeichnis13 VIII. Konsequenzen für die Kautelarpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. Rechtstechnische Absicherung des Wesenskerns des ehelichen Erbrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Rechtstechnische Absicherung güterrechtlicher Teilhabe . . . . . . . . . 262 IX. Einheitsschutzbereich: „ ‚Abwägung überall‘ – Gefahr für den Rechtsstaat“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 G. Resümee  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht am Maßstab der Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Ausblenden ehebedingter Disparität bei der Wirksamkeitskontrolle . . 271 III. Ausschöpfen des Potentials der notariellen Form . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 IV. Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung in den Grenzen des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Pflichtteilsrechtliche Grundabsicherung des Ehegatten . . . . . . . . . . 275 2. Güterrechtliche Teilhabe   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 3. Das Gewicht ehelicher Privatautonomie in der Vermögens­ ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 V. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

A. Einleitung Die vorliegende Arbeit wird einen rechtsstaatlichen Weg der Inhaltskontrolle des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs und des ehelichen Pflichtteilsverzichts über die Generalklauseln aufzeigen. Das Bürgerliche Recht kennt seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1900 die Möglichkeit, durch einen Ehevertrag das Güterrecht zu modifizieren. Nichts anderes gilt für den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht. Der § 2346 BGB eröffnet den Ehegatten die Möglichkeit, auf das Erb- bzw. Pflichtteilsrecht zu verzichten. In den ersten 100 Jahren unter Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs galt für die Eheleute in güter- und erbrechtlichen Verträgen weitgehende Vertragsfreiheit. Eine durchgreifende Inhaltskontrolle über die Generalklauseln fand praktisch nicht statt. Das galt nicht nur für den Bereich des Güter- und Erbrechts, sondern insgesamt für die Modifizierung des jeweiligen gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts. Erst auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin kam es zu einer zivilrechtlich durchgreifenden Inhaltskontrolle bei Eheverträgen. Das Bundesverfassungsgericht erachtete einen Ehevertrag als unwirksam, dessen Abschluss der Mann der hochschwangeren Frau als Voraussetzung für die Eheschließung nannte. Durch diesen Ehevertrag begab sich die Frau weitgehend aller nachehelichen Rechte, wodurch es zu einer einseitigen Verteilung ehebedingter Nachteile zulasten der Ehefrau kam.1 In der Folge setzte sich die sogenannte Kernbereichslehre als handhabbares Instrument der Umsetzung der ausgeurteilten verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen durch. Nach der Kernbereichslehre ist der Zugewinnausgleich am entferntesten zu dem geschützten Kernbereich zu verorten. Damit ist dieser der vertraglichen Disposition durch die Eheleute am weitesten zugänglich. Die Rechtsprechung fokussierte sich bei der Inhaltskontrolle auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile. Dabei ging es weniger um einen umfassenden Ausgleich von Vermögensnachteilen die durch Ehe- und Familienarbeit bedingt waren. Vielmehr knüpfte die Rechtsprechung bei der Inhaltskontrolle an ein Abbedingen oder Modifizieren von Unterhaltsberechtigten an, die durch Familienarbeit bedingte Nachteile kompensieren.2 1  BVerfGE 103, 89 ff. = BVerfG NJW 2001, 957 ff. = FamRZ 2001, 343 ff. = DNotZ 2001, 222 ff. 2  Vgl. BGHZ 158, 81 ff. = BGH FamRZ 2004, 601 ff.

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A. Einleitung

Gegen diese rechtstatsächliche Reduzierung der Inhaltskontrolle auf Unterhaltsrechte regt sich vermehrt Widerstand in der Literatur. Mit der Unterhaltsrechtsreform aus dem Jahr 2008 wurde das Schutzniveau der durch die Kernbereichslehre besonders geschützten Unterhaltsansprüche zugunsten der Eigenverantwortung beider Partner für sich selbst deutlich abgesenkt. Dieses Absenken des Schutzniveaus des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts lässt das Bedürfnis nach einer ehevertraglichen Modifizierung des gesetzlichen nachehelichen Unterhaltsrechts schwinden. Gleichzeitig geht mit der Reduzierung des gesetzlichen Schutzes auch der Kern dessen verloren, was durch die Kernbereichslehre im Rahmen der Inhaltskontrolle von Eheverträgen bisher geschützt war. Mit der Unterhaltsrechtsreform aus dem Jahr 2008 soll sogar der Kernbereichslehre der „Kern“ abhanden gekommen sein.3 So verwundert es nicht, dass der Zugewinnausgleich in das wissenschaftliche Interesse bei der Inhaltskontrolle gerückt ist: So soll der – potentiell werthaltige – Zugewinnausgleichsanspruch der Kompensation ehebedingter Nachteile dienen. Im Ergebnis bedeutete dies eine partielle Funktionsäquivalenz des Anspruchs auf Zugewinnausgleich mit denjenigen nachehelichen Rechten, deren Verzicht einer durchgreifenden Inhaltskontrolle unterliegt.4 Diese Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs hat ganz erhebliche praktische Bedeutung: Mittelständische Unternehmer möchten regelmäßig im Fall der Scheidung einen Vermögensabfluss verhindert wissen. Bei einem mittelständischen Unternehmer stellt dessen Unternehmen regelmäßig einen wesentlichen Teil seines Unternehmens dar. Kapitalabflüsse können so leicht den Fortbestand des Unternehmens gefährden. Nichts anderes gilt im Fall des Todes des Unternehmers: Auch der von den Erben des Unternehmers und damit des mittelständischen Unternehmens zu befriedigende Pflichtteilsanspruch des Ehegatten kann zu unternehmensgefährdenden Liquiditätsabflüssen führen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Zweifel der Wissenschaft an der weitgehenden Dispositionsfähigkeit des Zugewinnausgleichs bestätigte der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung, die eine weitgehende Disposition des Zugewinnausgleichsanspruchs zulässt. Wesentlich wird diese Rechtsprechung von dem Argument getragen, dass von Verfassungs we3  Vgl. Dauner Lieb AcP 2010 (210), 580, 589, dort insbes. Fn. 52 m. V. a. Schwab, Trennungs- und Scheidungsvereinbarungen vor dem Hintergrund der Unterhaltsreform, S. 68 ff. insbes. S. 70 ff.: Zur möglichen „Kernschmelze“ der Kernbereichslehre durch die Unterhaltsrechtsreform,“ in: Limmer (Hrsg.) Scheidung, Trennung – Scheidungs- und Trennungsvereinbarungen (2008); Bergschneider DNotZ 2008, 95 (insbes. 107: Bergschneider mahnt das Vorsichtsprinzip bei der Vertragsgestaltung an). 4  Vgl. Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 604 f.



A. Einleitung17

gen eine zwingende güterrechtliche Teilhabe nicht gefordert sei. Diese apodiktische Feststellung wird dabei durch das Gericht nicht näher begründet.5 Damit drängt sich die Frage nach der tatsächlichen verfassungsrechtlichen Bedeutung und etwaiger Grenzen des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs geradezu auf. Im Bereich des ehelichen Pflichtteilsrechts werden Zweifel an einem wirksamen Verzicht des Pflichtteilsrechts durch eine Entscheidung des LG Ravensburg genährt, das einen Ehevertrag samt Pflichtteilsverzicht als sittenwidrig einstufte.6 Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Rechtssicherheit in Sachen einer umfassenden Vermögenstrennung der Ehegatten leisten. In der Vergangenheit zeigte sich, dass grundsätzliche Korrekturen in Bezug auf die ­Grenzen der Privatautonomie – gerade im Rechte der Eheleute – durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeläutet wurden. Das verwundert nicht. Das bürgerlich rechtliche Verständnis der Vertragsfreiheit scheint umfassender Natur zu sein. Der Eingriff in die Vertragsfreiheit über die Generalklauseln bedarf besonders gewichtiger Gründe. Über die sogenannte mittelbare Drittwirkung der Grundrechte fließen verfassungsrechtliche Wertungen über die Generalklauseln in das bürgerliche Recht ein. Gerade im Bereich des ehelichen Güter- und Erbrechts ist dieser Einfluss potentiell besonders groß – so bestehen etwa wegen des Schutzes von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG, der Gleichberechtigung von Mann und Frau nach Art. 3 Abs. 1, 2 GG und der Gewährleistung des Erbrechts durch Art. 14 Abs. 1 GG unmittelbare Schnittstellen zu dem Grundgesetz. Zunächst werden aus dem Blickwinkel des Verfassungsrechts die etablierten zivilrechtlichen Maßstäbe der Inhaltskontrolle betrachtet. Anschließend wird erörtert, ob und inwieweit das eheliche Pflichtteilsrecht verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Daraufhin wird die Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes des bürgerlich rechtlichen Zugewinnausgleichsanspruchs geklärt. Zudem muss das verfassungsrechtliche Gewicht des Rechts der Eheleute auf eine autonome Ausgestaltung der Ehe eingeordnet und gewichtet werden. Im Bereich des ehelichen Pflichtteilsrechts wird das Pflichtteilsrecht der Kinder eingehend zu beleuchten sein. Den verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder hat das Bundesverfassungsgericht bereits anerkannt.7 Das große verfassungsrechtliche Gewicht des Pflichtteilsrechts der Kinder wird auf mögliche Auswirkungen auf die Tiefe der verfassungs5  BGH

MittBayNot 2013, 235, 236 = BGH FamRZ 2013, 269, 270. Ravensburg FamRZ 2008, 1289 ff., 1291 m. Anm. Bergschneider. 7  BVerfGE 112, 332 ff. = BVerfG ZEV 2005, 301 ff. 6  LG

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A. Einleitung

rechtlichen Verankerung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten hin untersucht. Anschließend wird die verfassungsrechtliche Bedeutung des im Zugewinnausgleichsanspruch steckenden Teilhabegedankens und die verfassungsrechtliche Reichweite der freien Ausgestaltung der ehelichen Vermögensverhältnisse durch die Eheleute selbst erörtert und eingeordnet. Für das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Eheleute auf privatautonome Eheausgestaltung wird anschließend erörtert, inwieweit durch dieses Recht ein verfassungsrechtlich abgesichertes Recht auf güterrechtliche Teilhabe bzw. auf erbrechtliche Beteiligung verdrängt werden kann.

B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht I. Status quo der Inhaltskontrolle Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 kennt dieses eine umfassende Ehevertragsfreiheit und die Möglichkeit des Pflichtteilsverzichts für Eheleute. Im Bereich des Güterrechts wurde diese durch § 1432 BGB a. F. den Eheleuten eröffnet. Seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs sehen die §§ 2346 ff. BGB den Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht in notarieller Form vor. Für rund 100 Jahre existierte hinsichtlich dieser Rechte keine praktisch relevante Inhaltskontrolle von Eheverträgen bzw. des ehelichen Pflichtteilsverzichts über die Generalklauseln. Eheverträge erfassen regelmäßig nicht nur güterrechtliche Vereinbarungen der Eheleute, sondern regeln auch die anderen Scheidungsfolgenrechte. Zu diesen Rechten zählen etwa Unterhaltsansprüche nach den §§ 1570 ff. BGB oder der durch den Versorgungsausgleich gem. § 1587 BGB i. V. m. Vers­ AusglG vorgesehene Ausgleich von Altersversorgungsanwartschaften der Eheleute.1 Bei den Unterhaltsansprüchen ist besonders der Unterhalt wegen Kindesbetreuung gem. § 1570 Abs. 1 BGB hervorzuheben. Zwar handelt es sich um einen Anspruch des Ehegatten, jedoch wird dieser in Art. 6 GG verankerte Anspruch insbesondere aus Gründen des Kindeswohls gewährt. Der Anspruch soll die Pflege und persönliche Erziehung des Kindes in seinen ersten Lebensjahren sicherstellen.2 Der Unterhalt wegen Alters bzw. Krankheit nach §§ 1571, 1572 BGB ist Ausdruck nachehelicher Verantwortung und Solidarität. Diese Unterhaltsansprüche werden nach der Rechtsprechung nicht daran geknüpft, dass die Unterhaltsbedürftigkeit ehebedingt eingetreten ist.3 Der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB 1  Im Einzelnen, vgl. von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 246 ff. (S. 108 ff.) nachehelicher Ehegattenunterhalt; § 4 Rn. 22 ff. (S. 304 ff.) Versorgungsausgleich. 2  BVerfGE 118, 45 = BVerfG FamRZ 2007, 965; Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1570 Rn. 2 m. V. a. ebd. BVerfG. 3  BGH NJW 1983, 683; Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1571 Rn. 1 m. V. a. ebd. BGH; BGH FamRZ 2004, 779, 780 m. w. N., Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1572 Rn. 1 ff. m. w. N.

20 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

bewahrt den geschiedenen Ehegatten vor einem „sozialen Abstieg“, bis er eine angemessene Erwerbstätigkeit erlangt hat. Je länger die Ehe gedauert hat, umso länger wird der voreheliche Status des Ehegatten verdrängt und der Anspruch gewährt.4 Der Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt nach § 1578 Abs. 2 Variante 1, Abs. 3 BGB knüpft ebenfalls an die ehelichen Lebensverhältnisse an und bewahrt den Ehegatten vor einem sozialen Abstieg.5 Durch § 1573 Abs. 2 BGB wird zur Absicherung des nachehelichen Lebensstandards dem unter diesem Niveau verdienenden Ehegatten Aufstockungsunterhalt gewährt.6 Der Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB gleicht ehebedingte Ausbildungsnachteile aus. Der Unterhaltsanspruch dient zur Erlangung des ehebedingt nicht erreichten Ausbildungsniveaus und zielt auf die Sicherung einer wirtschaftlichen Selbständigkeit ohne ehebedingte Nachteile.7 Der Versorgungsausgleich nach § 1587 BGB i. V. m. VersAusglG zielt auf eine eigenständige Altersabsicherung des Ehegatten durch die am Grundsatz der Halbteilung8 ausgerichtete Übertragung von während der Ehe aufgebauten Rentenanwartschaften.9 Ausgehend von dem über Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Gedanken einer gleichwertigen Lebensleistung beider Partner wird eine gleichberechtigte Teilhabe beider Partner an den aufgebauten Anwartschaften abgeleitet.10 Von dementsprechenden Gedanken ist auch der Zugewinnausgleichsanspruch des gesetzlichen Güterstandes nach § 1378 BGB geprägt. Im gesetzlichen Güterstand des Zugewinnausgleichs erfolgt bei der Scheidung der Ehe eine Teilung des in gemeinschaftlicher Lebensleistung erarbeiteten Gewinns, sofern er nicht schon von dem Versorgungsausgleich erfasst ist.11 Neben dem verfassungsrechtlichen Grundgedanken der Gleichwertigkeit der Beiträge der Ehepartner und der Gleichberechtigung der Partner hieran rechtfertigt sich die Aufteilung des Gewinns durch die von den Ehegatten im Interesse der Familie zulasten des eigenen beruflichen Fortkommens gewählte Arbeitsaufteilung.12 Das Pflichtteilsrecht des Ehe4  BGH NJW 1983, 1483 f.; Darstellung nach Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1573 Rn. 2 m. w. N. und m. V. a. ebd. BGH. 5  Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1578 Rn. 2. 6  Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1573 Rn. 13. 7  Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1575 Rn. 1. 8  BVerfGE 105, 1, 12 = BVerfG FamRZ 2002, 527, 529; Dörr in: MünchKomm, Band 7 (2013), § 1 VersAusglG Rn. 2 m. w. N. und Verweis auf ebd. BVerfG. 9  Dörr in: MünchKomm, Band 7 (2013), § 1 VersAusglG Rn. 3. 10  BVerfGE 105, 1, 12 m. w. N. = BVerfG FamRZ 2002, 527, 529 m. w. N. Dörr in: MünchKomm, Band 7 (2013), § 1 VersAusglG Rn. 4 m. w. N. und m. V. a. ebd. BVerfG. 11  Koch in: MünchKomm, Band 7 (2013), vor § 1363 Rn. 7 ff., 30 m. w. N. 12  Koch in: MünchKomm, Band 7 (2013), vor § 1363 Rn. 7 ff. m. w. N.



I. Status quo der Inhaltskontrolle21

gatten nach § 2303 Abs. 1, 2 BGB sichert dem Ehegatten als nächstem Angehörigen einen Mindestwertanteil am Nachlass des Erblassers. Das Pflichtteilsrecht bildet dabei einen Kompromiss aus der Testierfreiheit des Erblassers und dem historisch überkommenen Familienerbrecht.13 Das Abbedingen oder die Modifikation dieser Rechte durch die Eheleute unterliegt regelmäßig dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung.14 Regelungen über den Güterstand der Eheleute durch einen Ehevertrag unterliegen nach § 1410 BGB dem notariellen Formerfordernis. Vereinbarungen über den Ausgleich des Zugewinns für den Fall der Auflösung der Ehe durch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebende Ehegatten unterliegen nach § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB dem notariellen Formerfordernis. Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich bedürfen nach § 1587 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1 VersAusglG der notariellen Beurkundung. Nach § 1585c BGB bedürfen Vereinbarungen über den Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung der notariellen Beurkundung. Ebenfalls bedarf der Pflichtteilsverzicht nach §§ 2346 Abs. 1, 2, 2348 BGB der notariellen Beurkundung. In den ersten 100 Jahren unter Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs kam es nur zu vereinzelten Eingriffen in die Vertragsfreiheit der Eheleute über die Generalklauseln durch die Rechtsprechung. Zu den relevanten Generalklauseln zählen die §§ 138 Abs. 1, 242 BGB. § 138 Abs. 1 BGB sieht etwa die Nichtigkeit von sittenwidrigen Rechtsgeschäften vor. Die Rechtsprechung hat die Unwirksamkeit von Eheverträgen nicht aus Gründen der im Wesen der Ehe als gleichberechtigte und zu gegenseitiger Fürsorge verpflichte Partner erkannt. Die Rechtsprechung hätte etwa unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1, 2 GG eine durchgreifende Inhaltskontrolle begründen können. Der Unterhaltsverzicht eines erkennbar der Sozialhilfe anheimfallenden Ehegatten wurde als sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB eingestuft.15 Dabei hatte die Entscheidung des Bundesgerichtshofs mehr die Subsidiarität staatlicher Leistungen als die eheliche Solidarität im Blick.16 Rechtswirksam im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB konnte da13  Insbesondere zur Funktion des Pflichtteilsrechts: Lange in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2303 Rn. 1. 14  Vgl. insbesondere zur nachfolgenden Darstellung der Formerfordernisse: Bergschneider, Verträge in Familiensachen, S. 39; umfassende Darstellung der Formvorschriften auf S. 39 ff. 15  Vgl. hierzu: BGH FamRZ 1987, 152, 154 m. V. a. BGH FamRZ 1983, 137, 139 = BGHZ 86, 82, 86 f.; von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht § 2 Rn. 342 m. V. a. ebd. BGH. 16  BGH FamRZ 1987, 152, 154 m. V. a. BGH FamRZ 1983, 137, 139 = BGHZ 86, 82, 86 f.; von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 342 (S. 139 f.) m. V. a. ebd. BGH.

22 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

gegen eine Schwangere einen Unterhaltsverzicht erklären, auch wenn der Mann diesen Verzicht zur Bedingung der Eheschließung machte. Allerdings konnte der Ehemann sich nach Scheitern der Ehe während der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes nicht auf den Unterhaltsverzicht berufen, weil dies gem. § 242 BGB als unzulässige Rechtsausübung eingestuft wurde.17 Für den Bereich güterrechtlicher Verträge war die Rechtsprechung noch zurückhaltender. Das Oberlandesgericht Stuttgart sah in letzter Instanz einen Ehevertrag als sittenwidrig an, der einen Zugewinnausgleichsanspruch nur für einen der Ehegatten vorsah. Nicht die Einseitigkeit der Chancenverteilung in der Ehe durch diese Klausel, sondern erst eine Gesamtbetrachtung des Ehevertrages führte zur Sittenwidrigkeit. Das Oberlandesgericht hat das Urteil insbesondere auf die für den benachteiligten Ehegatten intransparente ehevertragliche Gestaltung gestützt. Der Ehevertrag sah für einen der Gatten eine Klausel vor, nach der dessen Endvermögen zugleich sein Anfangsvermögen ist. Damit kann diesen Ehegatten keine Zugewinnausgleichspflicht nach § 1378 Abs. 1 BGB zugunsten des anderen Gatten treffen.18 Für den ehelichen Pflichtteilsverzicht als abstraktes Verfügungsgeschäft, das grundsätzlich keinen eigenen Unwertgehalt haben kann, war eine durchgreifende Inhaltskontrolle nicht erkennbar. Die Wissenschaft hegte gegen die liberale Haltung der Rechtsprechung seit dem späten 20. Jahrhundert teils fundamentale Bedenken. Unter dem Hinweis auf psychologische und sozio-ökonomische Disparitäten wurde angezweifelt, ob Eheverträge zu ebenso sachgerechten Vertragsergebnissen führen können, wie dies im allgemeinen Vertragsrecht der Fall ist.19 Dahingehende Zweifel wurden auch durch die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von sogenannten Angehörigenbürgschaften genährt.20 Zu dieser Rechtsprechungsänderung wurde der Bundesgerichtshof durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts veranlasst. Das Bundesverfassungsgericht sah die freie Selbstbestimmung als Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie im Rahmen einer Angehörigenbürgschaft nicht mehr gewährleistet. Dies hatte das Zivilgericht nicht ausreichend bei der Wirksamkeitskontrolle berücksichtigt. Die Entscheidung erfolgte bezüglich einer Bürgschaftserklärung eines unerfahrenen 17  BGH FamRZ 1992, 1403 ff.; von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 342 (S. 139 f.) m. V. a. ebd. BGH. 18  OLG Stuttgart FamRZ 1983, 498 ff. – vgl. Zusammenfassung bei Schröder, Gestaltung eines Güterstandes, S. 38. 19  Dahingehend: Schwenzer AcP 196 (1996), 88, 104 ff. 20  Zur Sittenwidrigkeit der Ehegattenbürgschaft: BGHZ 135, 66 ff. = BGH NJWRR 1997, 1273 = BGH NJW 1997, 1773 ff.



I. Status quo der Inhaltskontrolle23

und finanziell krass überforderten Bürgen, der durch das Verwandtschaftsverhältnis motiviert die Bürgschaft erklärt hat.21 Das tendenziell irrationale Näheverhältnis der Eheleute und die finanzielle Bedeutung des Ehevertrages machen die Konstellation mit dem Spannungsfeld einer Angehörigenbürgschaft durchaus vergleichbar. Dennoch mussten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts22 zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen aus dem Jahr 2001 auf Justiz23 und Notare24 wie Paukenschläge gewirkt haben. Das Bundesverfassungsgericht sah im Ergebnis den von den Eheleuten abgeschlossenen Ehevertrag nicht mit Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 4 GG vereinbar. Der Mann machte den Abschluss des Ehevertrages zur Bedingung für die Eheschließung mit seiner hochschwangeren Verlobten. Für die Frau war die Eheschließung durch die damit einhergehende eheliche Geburt des gemeinsamen Kindes von besonderer Bedeutung. In der Kombination aus den Umständen des Ehevertragsschlusses und dem Abbedingen potentieller gesetzlicher Scheidungsfolgenrechte sah das Bundesverfassungsgericht einen Ehevertrag, der nicht Ausdruck einer verfassungsrechtlich geschützten gleichberechtigten Partnerschaft ist. Der Bundesgerichtshof25 setzte die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den wirksamen Abschluss von Eheverträgen durch die sogenannte Kernbereichslehre um. Danach können die Eheleute das gesetzliche Scheidungsfolgenrecht grundsätzlich abbedingen. Jedoch darf durch eine einseitige Lastenverteilung der Schutzzweck des Scheidungsfolgenrechts nicht beliebig unterlaufen werden. Die ehevertragliche Ehegestaltung darf in objektiver Hinsicht nicht zu einer evident einseitigen Lastenverteilung führen. In subjektiver Hinsicht muss diese Eheausgestaltung bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe für den belasteten Ehegatten unzumutbar erscheinen.26

21  BVerfGE

89, 214 ff. = BVerfG NJW 1994, 36 ff. 103, 89 ff. = BVerfG NJW 2001, 957 ff. = FamRZ 2001, 343 ff. = DNotZ 2001, 222 ff.; auch: BVerfG NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = DNotZ 2001, 708 ff. 23  Stellvertretend zum Verständnis für eine Inhaltskontrolle: Gerber (RiBGH), Vertragsfreiheit und richterliche Inhaltskontrolle bei Eheverträgen, S. 49, 55 ff. in: Geiß (Hrsg.): Festschrift aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof. 24  Stellvertretend Langenfeld DNotZ 2001, 272, 276; Langenfeld mit Zustimmung hinsichtlich Gerber (Gerber (RiBGH), Vertragsfreiheit und richterliche Inhaltskon­ trolle bei Eheverträgen, S. 49, 55 ff. in: Geiß (Hrsg.): Festschrift aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof). 25  BGHZ 158, 81 ff. = BGH FamRZ 2004, 601 ff. 26  BGHZ 158, 81, 96 = BGH FamRZ 2004, 601, 605 f.; von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 344 (S. 140). 22  BVerfGE

24 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

Dies beurteilt sich nach der Kernbereichslehre27 insbesondere danach, ob im sogenannten Kernbereich der Ehe verankerte Scheidungsfolgenrechte kompensationslos abbedungen werden. Im diesem Ranking steht der Betreuungsunterhalt gem. § 1570 BGB an erster Stelle. Auf dem zweiten Rang stehen der Alters- und Krankenunterhalt nach §§ 1571, 1572 BGB und der Versorgungsausgleich als antizipierter Altersunterhalt nach § 1587 BGB i. V. m. VersAusglG. An dritter Rangstelle steht der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit des § 1573 Abs. 1 BGB. Der Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt nach § 1578 Abs. 2 1. Variante, Abs. 3 BGB folgt auf dem vierten Rang und auf der fünften Rangstufe steht der Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt (§§ 1573 Abs. 2, 1575 BGB). Schließlich folgt der Zugewinnausgleich, der außerhalb des Kernbereichs steht.28 Mit dieser Verortung unterliegt der Zugewinnausgleich regelmäßig keinen vertraglichen Beschränkungen und ist einer vertraglichen Disposition am weitesten zugänglich.29 Diese Wertungen werden über ein System der zweistufigen Inhaltskontrolle im Bürgerlichen Recht umgesetzt. In der ersten Stufe erfolgt eine Wirksamkeitskontrolle durch § 138 Abs. 1 BGB. Die Ausübungskontrolle erfolgt auf der zweiten Stufe über §§ 242, 313 BGB.30 Auf der ersten Stufe31 wird im Zeitpunkt des Zustandekommens des Ehevertrages geprüft, ob die ehevertraglichen Regelungen im Fall einer späteren Scheidung nach den geplanten bzw. zu erwartenden ehelichen Verhältnissen zu einer offenkundig evident einseitigen Lastenverteilung führen würden. Ungeachtet der tatsächlichen zukünftigen Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse ist in einer Gesamtbetrachtung auf die persönlichen Verhältnisse der Gatten abzustellen. Besonders relevant sind dabei die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, das geplante bzw. schon verwirklichte Ehemodell und dessen Auswirkungen auf Kinder und Ehegat27  BGHZ 158, 81, 96 ff. = BGH FamRZ 2004, 601, 605 f.; vgl. Dauner-Lieb AcP 201 (2001), 295, 319 f. 28  Die Darstellung der Rechtsprechung des BGH entsprechend: von HeintschelHeinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 344 (S. 140); Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S. 50. 29  BGH FamRZ 2014, 1978 ff.; BGH FamRZ 2013, 269 ff., 273 f. mit Anmerkung Bergschneider; vgl. Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S.  50 m. w. N.; zur Dispositionsfähigkeit des Zugewinnausgleichs auch: Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S. 181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 30  Insgesamt zur zweistufigen Inhaltskontrolle nach der Grundsatzentscheidung des BGH zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen, ebenfalls zu Nachfolgendem: Münch FamRZ 2005, 570 ff. 31  Nachfolgende Darstellung entsprechend: Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 58.



I. Status quo der Inhaltskontrolle25

ten. Auf der subjektiven Ebene der Sittenwidrigkeitsprüfung sind die mit der Regelung durch den Begünstigten verfolgten Zwecke und Beweggründe zu berücksichtigen. Für den benachteiligten Partner ist in die Prüfung einzustellen, aus welchen Motiven oder Umständen heraus er dem Verlangen des Begünstigten entsprochen hat. Regelmäßig ist ein Ehevertrag erst dann als sittenwidrig einzustufen, wenn ohne finanzielle Vorteile Scheidungsfolgenrechte aus dem Kernbereich in erheblichem Umfang kompensationslos abbedungen werden. Der ehevertragliche Eingriff in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts kann ebenfalls durch den geplanten Ehetyp gerechtfertigt sein.32 Wegen der regelmäßig aus der Gesamtwürdigung33 der Klauseln des Ehevertrages folgenden Sittenwidrigkeit sind Salvatorische Klauseln nur bedingt geeignet, Schutz vor der Unwirksamkeit des Ehevertrages zu gewährleisten. Allgemein können Salvatorische Klauseln für den Fall der Unwirksamkeit von einzelnen Klauseln des Ehevertrages den Willen der Parteien zur Aufrechterhaltung der übrigen Bestimmungen gem. § 139 BGB dokumentieren. Die insbesondere auf eine Gesamtbetrachtung des Ehevertrages abstellende Wirksamkeitskontrolle ist nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht mit der Aufrechterhaltung einzelner Klauseln des Ehevertrages vereinbar.34 Den allgemeinen Prinzipien des § 138 Abs. 1 BGB folgend, findet eine Überprüfung im Zeitpunkt des Ehevertragsschlusses35 statt. Dies gilt dementsprechend auch für den Pflichtteilsverzicht im erbrechtlichen Bereich.36 Diese Funktionsweise des § 138 Abs. 1 BGB ist besonders problematisch. Zur Verdeutlichung soll der dem Bundesverfassungsgericht bei der Ehevertragsentscheidung zu Grunde liegende Fall leicht abgewandelt werden. In Abwandlung des von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Falls wird angenommen, dass die weitgehend auf Scheidungsfolgenrechte verzichtende schwangere Ehefrau eine Fehlgeburt erleidet und das Kind tot zur Welt bringt. Mangels der Notwendigkeit der Betreuung eines gemeinsamen Kindes bleiben beide Eheleute entgegen der ursprünglichen Erwartungen voll erwerbstätig, weshalb keiner der Partner ehebedingte Nachteile erleidet. Die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages knüpft in objektiver Hinsicht an den Umstand an, dass Unterhalt wegen Kindesbetreuung und der Versorgungsaus32  Die vorstehende Darstellung der Wirksamkeitskontrolle des § 138 Abs. 1 BGB nach: Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 58; vgl. auch Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S. 52 f. m. w. N. 33  Vgl. von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 345. 34  Für den Ehevertrag: BGH FamRZ 2005, 1444 ff., 1408 m. Anm. Bergschneider, dort insbes. II. 35  Vgl. von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 345. 36  BGHZ 20, 71, 72; 52, 17, 20; 53, 369, 375; Krug, Erbrecht, S.  23 m. V. u. a. a. ebd. BGH.

26 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

gleich abbedungen werden. Da die Ehe wegen der Fehlgeburt kinderlos blieb, haben sich wider Erwarten auch keine ehebedingten Nachteile realisiert. Der sittenwidrige Ehevertrag bleibt jedoch als von Anfang an sittenwidrig.37 Für diese einschneidende Rechtsfolge der Unwirksamkeit lässt sich nur eingeschränkt die disziplinierende Wirkung des § 138 Abs. 1 BGB anführen. Durch das zwingende notarielle Formerfordernis kommt es ohnehin zu einem auf die Wirksamkeit der Erklärungen gerichteten Verfahren. Sofern der Vertrag nicht nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam ist, kann er auf einer zweiten Stufe einer Ausübungskontrolle unterzogen werden.38 Die Stoßrichtung der zweiten Stufe zielt auf die aktuellen Verhältnisse bei der Scheidung der Ehe ab.39 Dort führen die § 242 BGB und § 313 BGB nicht zur Unwirksamkeit, sondern lediglich zu Anpassungen oder auch zeitweiligem Rechtsausschluss der einzelnen Vereinbarungen.40 Im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe wird geprüft, inwieweit es rechtsmissbräuchlich ist, sich auf den erfolgten Ausschluss der Scheidungsfolgen zu berufen. Entscheidend ist hierbei, ob der Ausschluss der Scheidungsfolgenrechte zu einer evident einseitigen Lastenverteilung führt, die unter angemessener Berücksichtigung des Vertrauens und der Interessen auf den Bestand der ehevertraglichen Regelungen durch den begünstigten Ehegatten dem belastenden Ehegatten nicht zumutbar ist.41 Insbesondere wenn die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Eheleute sich anders entwickelten als in dem Ehevertrag ursprünglich angenommen, kann es zu einer Anpassung des Ehevertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommen. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung hat dann der Richter entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen die berechtigten Interessen beider Ehegatten auszugleichen.42 Die richterliche Inhaltskontrolle für den Ausschluss des Zugewinnausgleichs wird regelmäßig nicht durchgreifen. Nach der Kernbereichslehre 37  Beispiel von: Bergschneider, Ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch zeitgemäss?, S. 113, 118 in: Schwab/Dose (Hrsg.), Familienrecht in Theorie und Praxis. 38  Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 61. 39  Vgl. hierzu insgesamt: von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 345a f. 40  Grds. auch: von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, §  2 Rn.  345a f. 41  Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 62. 42  Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 62; Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014) S. 53 m. w. N.; nach Hoppenz sollen nicht ehebedingte Nachteile, sondern Nachteile des Ehevertrages ausgeglichen werden (Hoppenz FamRZ 2013, 758, 760).



I. Status quo der Inhaltskontrolle27

liegt der Anspruch auf Zugewinnausgleich auf der niedrigsten Rangstufe, weshalb regelmäßig volle Vertragsfreiheit besteht.43 Das Verständnis weitgehender Vertragsfreiheit entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs44, was nur in besonders gelagerten Fällen die Annahme eines sittenwidrigen Ehevertrages rechtfertige.45 Insbesondere soweit der Ausschluss des Zugewinnausgleichs Teil eines Globalverzichts, also eines Verzichts auf Unterhalt und Versorgungsausgleichs ist, muss von der Sittenwidrigkeit des gesamten Vertrages wegen des kompensationslosen Eingriffs in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts ausgegangen werden.46 Zu Recht weist Bergschneider darauf hin, dass die obergerichtliche Rechtsprechung zum Ausschluss des Zugewinnausgleichs nicht als Freibrief verstanden werden darf.47 Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergingen insbesondere hinsichtlich des Unternehmensschutzes.48 Insofern dürfte es bei der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB besonders auf das subjektive Element, also auf die mit dem Ausschluss des Zugewinnausgleichs verfolgten Ziele ankommen.49 Die Inhaltskontrolle güterrechtlicher Vereinbarungen soll sich insbesondere wegen der schon gesetzlich zur Verfügung gestellten verschiedenen Güterstände nicht an dem allgemeinen Halbteilungssatz des Zugewinnausgleichs orientieren.50 Offen bleibt wie dies mit der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist, das für die Eheleute aus Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 GG eine „gleiche Teilhabe an gemeinsam Erwirtschafte­ te[m]“ erkennt.51 Jüngst hat sich der Bundesgerichtshof mit der Inhaltskontrolle des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs befasst und diesen aus wirksam erachtet.52 Der Versorgungsausgleich steht im Ranking der Scheidungsfolgenrechte der Kernbereichslehre auf dem zweiten Rang und gilt als vorweggenommener Altersunterhalt.53 Eine gravierende Verletzung der in dem Versorgungsausgleich wurzelnden ehelichen Solidarität durch die ehevertraglichen 43  Bergschneider,

Verträge in Familiensachen (2014), S. 174. FamRZ 2013, 269, 270 m. w. N.; BGH FamRZ 2014, 629, 632 m. w. N. 45  Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S. 175. 46  Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S. 175. 47  Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S. 175. 48  Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 63 m. w. N. 49  Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S. 175. 50  Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 63 m. w. N. 51  BVerfGE 105, 1, 11 = BVerfG FamRZ 2002, 527, 529; so auch: Münch FamRZ 2014, 805 f. m. w. N. 52  BGH FamRZ 2014, 629 ff. m. w. N. 53  Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 65 m. w. N., 1. Kapitel Rn. 56. 44  BGH

28 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

Regelungen kann daher nicht rechtswirksam sein.54 Der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs hielt dennoch der Inhaltskontrolle des Bundesgerichtshofs stand, da die wirtschaftlich nachteiligen Folgen angemessen durch die Übertragung einer Immobilie und von Wertpapieren kompensiert wurden.55 Die Inhaltskontrolle stellt bei der Prüfung einer angemessenen Kompensation für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs keine Halbteilungskontrolle dar.56 Dieser Prüfungsmaßstab trägt der Reform des Versorgungsausgleichs Rechnung, die die Privatautonomie der Eheleute bei der Regelung des Versorgungsausgleichs stärkte.57 Der strengste Maßstab wird bei der Inhaltskontrolle von Unterhaltsverzichten angelegt, insbesondere wenn es um Modifikationen oder gar das Abbedingen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB geht. Der Kompensation ehebedingter Nachteile kommt dann bei der Inhaltskontrolle besondere Bedeutung zu.58

II. Durchgreifende Inhaltskontrolleauch bei Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht? Die derzeitige Inhaltskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung lässt die von den Eheleuten vereinbarte Gütertrennung gem. §§ 1414 BGB und den Pflichtteilsverzicht gem. §§ 2346 ff. BGB weitgehend unberührt.59 Ob dies so bleiben kann, soll in der vorliegenden Arbeit geklärt werden. Oftmals liegt dem Wunsch nach dem Abschluss eines Ehevertrages der Wunsch eines der Partner nach einer möglichst weitgehenden Vermögenstrennung zu Grunde. Unverzichtbare Elemente dieser Vermögenstrennung sind Gütertrennung und der Pflichtteilsverzicht. Einerseits kann das Interesse eines der Partner an einer solchen Vermögenstrennung darin begründet sein, dass im Fall der Beendigung der Ehe kein Vermögen zugunsten des anderen Gatten abfließt. Andererseits kann der Wunsch nach Vermögenstrennung in der Sorge um den Fortbestand eines Familienunternehmens im Fall der Beendigung der Ehe durch die Scheidung oder den Tod eines der Partner liegen. Oftmals bildet ein Familienunternehmen den Vermögenskern eines mittelständischen Unternehmers, so 54  Langenfeld,

Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 65 m. w. N. FamRZ 2014, 629, 632 m. w. N. 56  BGH FamRZ 2014, 629, 632 m. w. N. 57  Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 67 m.  w. N.; Münch FamRZ 2014, 805, 806. 58  Vgl. Langenfeld, Eheverträge (2011), 1. Kapitel Rn. 67 m. w. N.; zur Inhaltskontrolle im Einzelnen: Bergschneider, Verträge in Familiensachen (2014), S. 155 ff. 59  Vgl. B. I. 55  BGH



II. Durchgreifende Inhaltskontrolle29

dass zur Befriedigung des Zugewinnausgleichsanspruchs ein Verkauf des Unternehmens oder eine Darlehensaufnahme notwendig ist. Gerade die Notwendigkeit einer (weiteren) Darlehensaufnahme kann für den Fortbestand und die Liquiditätslage des Unternehmens eine elementare Bedeutung haben. Ein Wertanstieg des Unternehmens während der Ehe schließt eine schon zuvor bestehende hohe Verschuldung des Unternehmens nicht aus. Vielmehr kann eine Wertsteigerung mit einer kreditfinanzierten Expansion des Unternehmens einhergehen. Sollte der Ehegatte über den Zugewinnausgleich an Wertsteigerungen des Unternehmens teilhaben, droht eine durch den Liquiditätsabfluss für den Fortbestand des Unternehmens existenzbedrohliche Situation. Nichts anderes gilt entsprechend für den aus dem Firmenvermögen heraus zu befriedigenden Pflichtteilsanspruch. Auch durch die Befriedigung des schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruchs kann es zum Abfluss von für den Fortbestand des Unternehmens entscheidenden Mitteln kommen. Andererseits sind der Zugewinnausgleichsanspruch und das Pflichtteilsrecht für den potentiell berechtigten Partner bedeutende Ansprüche. Die Fragestellung nach den zivilrechtlichen Grenzen der Vertragsfreiheit der Eheleute hat die langjährige Vorsitzende des XII. Zivilsenats Hahne griffig dahingehend formuliert, ob man Gretchen denn die mit der Ehe verbundene Sicherheit wieder nehmen dürfe.60 Die Entscheidungen des Zivilsenats unter ihrem Vorsitz und die Diskussion in der Wissenschaft konzentrieren sich tatsächlich weniger auf Fragen der Sicherheit des Ehegatten als auf eine Absicherung des Ehegatten, vor allem über Unterhaltsansprüche, die ihrerseits eine Bedürftigkeit voraussetzen. Mit der Kernbereichslehre fokussiert sich die Inhaltskontrolle von Eheverträgen auf Scheidungsfolgenrechte, die den Ehegatten existentiell absichern. Dementsprechend stehen im Ranking der Kernbereichslehre Rechte wie der Kindesbetreuungsunterhalt nach § 1570 BGB und der Versorgungsausgleich gem. § 1587 BGB i. V. m. Vers­ AusglG als vorweggenommener Altersunterhalt auf den vorderen Plätzen. Sowohl der die Kinder betreuende Ehegatte wie auch der auf Grund des fortgeschrittenen Lebensalters nicht mehr erwerbsfähige Ehegatte sind zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts auf das Bestehen dieser gesetzlichen Rechte angewiesen.61 Sicherheit beginnt jenseits der Absicherung von Grundbedürfnissen etwa über den Unterhalt wegen Kindesbetreuung oder durch Rentenanwartschaften, also jenseits der an eine konkrete Bedürftigkeit anknüpfenden Unterhaltsansprüche bzw. jenseits des Versorgungsausgleichs, der regelmäßig einen konkreten Bedarf im Alter antizipiert. Mate60  Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S.  181, 182 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 61  Vgl. BGHZ 158, 81 ff. = BGH FamRZ 2004, 601 ff.

30 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

rielle Sicherheit manifestiert sich in der Freiheit, Vermögensdispositionen jenseits von Grundbedürfnissen treffen zu können. Hierunter können etwa Reisen oder der Erwerb von Luxusgegenständen sein. Diese Sicherheit kommt in dem konzeptionell bedarfsunabhängigen Güter- und Erbrecht zum Ausdruck. Auch ermöglichen diese Rechte in Abhängigkeit von den individuellen Lebensverhältnissen den Zugriff auf ganz erhebliche Vermögenswerte. Mittlerweile erscheint es nicht mehr ausgeschlossen, dass auch die Gütertrennung und der Pflichtteilsverzicht von einer durchgreifenden Inhaltskontrolle erfasst werden. Unter dem Eindruck einer überschaubaren Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit im Bereich des Familien- und Erbrechts62 wird diese Tendenz im notariellen Schrifttum als „movement from contract to status“63 aufgenommen. Zuletzt rückten sowohl der Zugewinnausgleich als auch der Pflichtteilsverzicht in den Focus des wissenschaftlichen Interesses. Mit der Unterhaltsrechtsreform 2008 wurde die Eigenverantwortung der geschiedenen Eheleute gestärkt und damit das Schutzniveau des gesetzlichen Unterhaltsrechts abgesenkt. Für die Kernbereichslehre als Grundlage der Inhaltskontrolle ehelicher Vereinbarungen soll damit deren Kern abhanden gekommen sein.64 Mit der Forderung einer sich an dem Ausgleich ehebedingter Nachteile orientierenden Inhaltskontrolle geht auch der Griff auf den Zugewinnausgleich trotz vereinbarter Gütertrennung einher. Über den Zugewinnausgleich sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden.65 Auch der Verzicht auf das eheliche Pflichtteilsrecht scheint nunmehr nicht mehr vor einer durchgreifenden Inhaltskontrolle gefeit. Das Landgericht Ravensburg hat die Sittenwidrigkeit eines Pflichtteilsverzichts nach einer Gesamtwürdigung von Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht angenommen.66 62  Vgl. nur die in durch Sack/Fischinger dargelegte, überschaubare und teils weit zurückreichende Rechtsprechung im Familien- und Erbrecht, in: Staudinger, Allgemeiner Teil 4a, (September 2011) § 138 Rn. 102 ff. (Wandel der guten Sitten), 459 ff., 597 ff., 630, 463 ff., 599 ff.; vgl. auch oben B. I. 63  Reimann, „From Contract to Status – Vertragsfreiheit und Vertragstreue vor neuen Grenzen?“ S. 65, 72, in: Schmoeckel/Kanzleiter (Hrsg.), VertragsschlussVertragstreue-Vertragskontrolle. 64  Vgl. Dauner Lieb AcP 2010 (210), 580, 589, dort insbes. Fn. 52 m.  V. a. Schwab, Trennungs- und Scheidungsvereinbarungen vor dem Hintergrund der Unterhaltsreform, S. 68 ff., insbes. S. 70 ff.: Zur möglichen „Kernschmelze“ der Kernbereichslehre durch die Unterhaltsrechtsreform, in: Limmer (Hrsg.) Scheidung, Trennung – Scheidungs- und Trennungsvereinbarungen (2008); Bergschneider DNotZ 2008, 95 (insbes. 107: Bergschneider mahnt das Vorsichtsprinzip bei der Vertragsgestaltung an). 65  Vgl. Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 604 ff. 66  LG Ravensburg FamRZ 2008, 1289 ff., 1291 m. Anm. Bergschneider.



III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie31

Damit stellt sich nicht nur die Frage nach der möglichen Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichts als solches, sondern auch inwieweit ein sittenwidriger Ehevertrag den im Interesse einer umfassenden Vermögenstrennung ebenfalls vereinbarten Pflichtteilsverzicht „infizieren“67 kann.

III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie 1. Entwicklung der Auslegung von Generalklauseln im Bereich von Ehe und Familie Mit § 138 Abs. 1 BGB ist die Norm für die Prüfung der Sittenwidrigkeit und mit § 242 BGB die Regelung unzulässiger Rechtsausübung seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs unverändert geblieben. Gleichwohl zeigt die Geschichte der Inhaltskontrolle von Eheverträgen, dass das Normverständnis der Generalklauseln gerade in Bezug auf Ehe und Familie betreffende Sachverhalte nicht statisch ist. Dies wäre schon Grund genug, die Entwicklung des Verständnisses von Generalklauseln im Bereich von Ehe und Familien kritisch nachzuvollziehen. Die Einordnung der Entwicklung der Anwendung von Generalklauseln erleichtert auch eine Prognose der langfristigen Tendenzen in der Inhaltskontrolle. Dies ist gerade hinsichtlich des langen Zeitraums von Bedeutung, in denen sich eheliches und nacheheliches Leben entfaltet. Gerade über die Ausübungskontrolle kann Jahrzehnte nach der Vereinbarung von Ehevertrag und des Pflichtteilsverzichts der Ehevertrag der Kontrolle durch Generalklauseln unterzogen werden. a) Die „Guten Sitten“ im Kaiserreich Während des jungen Bürgerlichen Gesetzbuchs war der Bereich von Ehe und Familie kaum durch die Anwendung von Generalklauseln erfasst. Dies gilt erst Recht für den Bereich des Güterrechts und des ehelichen Erbrechts. Lediglich relevant, dafür umso bekannter, sind die Fälle der sogenannten Geliebtentestamente. Das Reichsgericht sah ein Vermächtnis als Belohnung für den Geschlechtsverkehr zugunsten der außerehelichen Geliebten des Erblassers als sittenwidrig an.68 Hintergrund dieser zurückhaltenden Inhaltskontrolle über Generalklauseln dürfte das Grundverständnis des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs sein. In einer freien, positivistischen und abstrakten Rechtsordnung wie der des Bürgerlichen Gesetzbuchs können Eingriffe Münch ZEV 2008, 571, 571. JW 1910, 6 f.; vgl. zur Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Geliebtentestament: Nieder in: Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung (2011), §  3 Rn.  12 m. w. N. 67  Vgl.: 68  RG

32 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

in die Vertragsfreiheit über Generalklauseln nur ultima ratio erfolgen. Das Bürgerliche Gesetzbuch war der kodifizierte gesellschaftliche und wirtschaftliche Gegenentwurf des Liberalismus zu dem vorhergehenden unfreien Zunftwesen.69 Die Funktion der Generalklauseln war es nicht, die auch im Zusammenspiel mit dem Handelsgesetzbuch gewonnene Vertragsfreiheit wieder zu kassieren. Neben Vertragsfreiheit ist es gerade auch die durch eine restriktive Inhaltskontrolle geschaffene Rechtssicherheit, die wirtschaftliche Prosperität fördert. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Freiheit geschuldet, ist bis heute die restriktiv ausgeprägte Kasuistik der Generalklauseln grundsätzlich erhalten geblieben.70 Die Suche nach einer in diesem Geiste handhabbaren Definition der Sittenwidrigkeit gestaltete sich naturgemäß schwierig. Letztlich sollte ein Verletzen des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen und damit die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts herbeiführen.71 Inhaltlich anreichern lässt sich diese als Leerformel erscheinende Definition über die Absicht, dass über Generalklauseln die „Bildung eines sittlichen Volksbewusstseins“ gefördert und „Rücksicht auf einen guten sozialen Zustand“ genommen werden sollte.72 Damit war der Grundstein gelegt für eine Dogmatik, die auch Spiegelbild der jeweiligen gesellschaftlichen Werte sein kann. Mit dieser Definition und dem Gesellschafts- und Sittenbild des frühen 20. Jahrhundert vor Augen lässt sich das Sittenwidrigkeitsverdikt des sogenannten Geliebtentestaments nachvollziehen. b) Die „Guten Sitten“ des Nationalsozialismus Während der Zeit des Nationalsozialismus waren Generalklauseln „unbedingt und vorbehaltlos[…]“ im nationalsozialistischen Sinne auszulegen.73 Dennoch war auch in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle in Ehe und Familie äußerst überschaubar, obwohl in diesem Lebensbereich bekanntlich klare nationalsozialistische „Wertvorstellungen“ herrschten. Die nationalsozialistische Ehe war jedoch weitgehend durch Gesetze normiert, weshalb die nationalsozialistische Ideologie nicht durch den Rückgriff auf die Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuchs durchgesetzt werden musste. Als Beispiel kann das 69  Gmür/Roth,

Rechtsgeschichte (2000), Rn. 411 ff. (insbes. 412, 420). nur: Sack/Fischinger in: Staudinger (Allgemeiner Teil 4a), (September 2011) § 138 S. 286–295. 71  Vgl. Sack/Fischinger in: Staudinger, Allgemeiner Teil 4a, (September 2011) § 138 Rz. 14 m.V.u. a.a: Motive, Band II, S. 727; RGZ 80, 219, 221. 72  Planck, BGB, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. (1903), § 138 S. 248. 73  Schmitt, Nationalsozialismus und Rechtsstaat, JW 1934, 713, 717. 70  Vgl.



III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie33

Ehegesetz genannt werden. Soweit nicht schon Gesetzesänderungen der nationalistischen Ideologie Rechnung getragen haben, erfolgte über die Generalklauseln eine „Lückenschließung“. Von dem nationalsozialistischen Ehegesetz wurde das Verlöbnis nicht erfasst. Folglich blieb Raum, um über § 138 Abs. 1 BGB entsprechend dem gesellschaftlichen Leitbild einer „gesunden und rassisch reinen Bevölkerung“ ein zwischen einem kranken und einem gesunden Partner geschlossenes Verlöbnis als sittenwidrig einzustufen.74 Im Bereich letztwilliger Verfügungen regelte § 48 Abs. 2 Testamentsgesetz die Nichtigkeit von gegen das „gesunde[…] Volksempfinden gröblich widersprechenden“ Testamenten.75 Weniger der Rechtssicherheit als der Hybris geschuldet, sollte dieser Rechtszustand im sogenannten „Tausendjährigen Reich“76 ewig andauern. c) Generalklauseln als Einbruchstellen der Grundrechte in das Zivilrecht Unter Geltung des Grundgesetzes entwickelten sich die Generalklauseln zu sogenannten Einbruchstellen der Grundrechte in das Bürgerliche Recht.77 Die freiheitliche Werteordnung des Grundgesetzes hat die nationalsozialistische Doktrin bei der Ausfüllung von Generalklauseln abgelöst. Neue Anwendungsbereiche für Generalklauseln sind heute wesentlich durch verfassungsrechtliche Wertungen eröffnet. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen78 verdeutlicht das für die Inhaltskontrolle im Bereich von Ehe und Familie. Unter dem Einfluss der freiheitlichen, die Selbstbestimmung des Menschen schützenden Grundrechte wurde das Verdikt der Sittenwidrigkeit sogenannter Geliebtentestamente weitgehend überwunden. So entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Geliebtentestament regelmäßig dann wirksam sein kann, wenn der Erbeinsetzung nicht lediglich ein reiner Entgeltcharakter für die sexuelle 74  LG Halle DJ (Deutsche Justiz) 1941, 140; Danckelmann in: Palandt, (5. Aufl., 1942), § 138 5) b) dd) (S. 114) m. V. a. ebd. 75  § 48 TestmentsG: „Eine Verfügung von Todes wegen ist nichtig, soweit sie in einer gesundem Volksempfinden gröblich widersprechenden Weise gegen die Rücksichten verstößt, die ein verantwortungsbewusster Erblasser gegen Familie und Volksgemeinschaft zu nehmen hat.“; Reichsgesetzblatt I 1938, S. 973, 979. 76  Der Begriff spielt auf den unendlichen Herrschaftsanspruch des Friedensreichs Jesu Christi an: vgl. „Tausendjähriges Reich“ in: Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 21 (1998) und „Chialismus“ in: Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 4 (1997). 77  Pieroth/Schlink, Grundrechte (2011), Rn. 196. 78  Vgl. BVerfGE 103, 89 ff. = BVerfG NJW 2001, 957 ff. = FamRZ 2001, 343 ff. = DNotZ 2001, 222 ff.; BVerfG NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = DNotZ 2001, 708 ff.; vgl. B. I.

34 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

Beziehung zukommt.79 Jenseits dieser Argumentation konnte die alte Rechtsprechung zu Geliebtentestamenten spätestens mit den durch das Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes 2002 geänderten gesetzlichen Wertvorstellungen nicht mehr aufrechterhalten werden. Jedoch sollte aus dieser Entwicklung nicht vorschnell auf den Wegfall aller Grenzen im Bereich von Geliebtentestamenten geschlossen werden. Unter dem ursprünglichen Vorwurf des Sittenverstoßes unter dem Stichwort „Hingabe für Hergabe“80 könnte durchaus auch weiterhin in speziell gelagerten Fällen eine Sittenwidrigkeit angenommen werden. Soweit eine wirtschaftlich betrachtet stark übersetzte testamentarische Einsetzung eines Sexualpartners ausschließlich für dessen körperliche Hingabe erfolgt, kann der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB und damit die Nichtigkeit einschlägig sein. Angesichts des oftmals nicht ausgesprochen hohen wirtschaftlichen Werts sexueller Dienstleistungen, kann so in einer werthaltigen Erbeinsetzung als Entlohnung für sexuelle Dienste durchaus eine Nichtigkeit gem. § 138 Abs. 2 BGB erkannt werden. Die Transformation der Wertungen des Grundgesetzes in das Zivilrecht war insbesondere in den Anfangsjahren der Geltung des Grundgesetzes umstritten. Nach dem ehemaligen Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Nipperdey81 sollten die Grundrechte nach der Lehre der unmittelbaren Drittwirkung zu einer unmittelbaren Einwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht führen. Gegen diese These wurde vorgebracht, dass durch Art. 1 Abs. 3 GG lediglich die drei Staatsgewalten durch die Grundrechte unmittelbar, nicht aber die Bürger unmittelbar gebunden seien.82 Für die im Arbeitsrecht stets präsente Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG gilt dieser Grundsatz jedoch nicht. Schließlich geht aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG selbst die Unmittelbarkeit der Grundrechtswirkung auch für die Bürger hervor.83 Dies gilt 79  BGHZ 53, 369, 376 f., vgl. zum Ganzen: Sack/Fischinger in: Staudinger, Allgemeiner Teil 4a, (September 2011) § 138 Rn. 137, 604–607. 80  Vgl. Sack/Fischinger in: Staudinger, Allgemeiner Teil 4a, (September 2011) § 138 Rn. 604 m. w. N. u. a.: BGHZ 20, 71, 72; BGHZ 53, 369, 376 m. w. N.; BGHZ 112, 259, 262 m. w. N.; BGH NJW 1964, 764, 765; BGH NJW 1968, 932, 934, noch: BGH NJW 1984, 797, 797 m. w. N. 81  Vgl. etwa: Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht (1961), dort insbes. S. 13 ff.; Nipperdey, RdA 1950, 121, 123; Nipperdey, DVBl 1958, 445, 446; Darstellung grds. entsprechend Durner (grds. m. V. a. vorstehenden Nipperdey), insbesondere zur unmittelbaren Drittwirkung: Durner, Rechtsgestaltung und Grundrechte, S. 9, 12 ff., in: Schmoeckel (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten. 82  Durner, Rechtsgestaltung und Grundrechte, S. 9, 14 f., in: Schmoeckel (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten; Pieroth/Schlink, Grundrechte (2011), Rn. 191. 83  Zur systematischen Auslegung des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG: Pieroth/Schlink, Grundrechte (2011), Rn. 191.



III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie35

jedoch nicht für die Art. 6 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG, als im Bereich der Inhaltskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung möglicherweise einschlägige Grundrechte.84 Die besseren Argumente sprechen für die herrschende Lehre der mittelbaren Drittwirkung.85 Danach sind lediglich die Staatsgewalten gem. Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar durch die Grundrechte gebunden. Soweit das Gesetz dem Richter, wie bei der Auslegung von Generalklauseln, Raum für unmittelbar vom Gesetz losgelöste „eigene“ Wertungen zur Ausfüllung des Gesetzes belässt, so hat der Richter sich dabei nicht an höchstpersönlichen oder gesellschaftlich populären Werten zu orientieren, sondern an der grundgesetzlichen Werteordnung.86 Lediglich über diesen Mechanismus kommt es zu einer „Ausstrahlwirkung“ der Grundrechte auf das Zivilrecht.87 Die Drittwirkung der Grundrechte ist seit dem sogenannten Lüth-Urteil88 des Bundesverfassungsgerichts in der Rechtwirklichkeit fest verankert. Gerade für den Bereich der Inhaltskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung kann der Diskurs um die mittelbare Drittwirkung als „Scheinproblem“89 bezeichnet werden. Der staatliche Einfluss auf die eheliche Vermögensausgestaltung beginnt schon mit dem notariellen Formerfordernis bei der Willensbildung der Eheleute und endet mit der gerichtlichen Durchsetzung der durch den Ehevertrag ausgestalteten Ehewirkungen. Hierbei sind der Staat – und damit in gewissem Maß auch Privatrechtssubjekte – an die Grundrechte gebunden:90

84  Näher

zum Spannungsfeld möglicherweise einschlägiger Grundrechte: D. I. Pieroth/Schlink, Grundrechte (2011), insbes. Rn. 189 ff. m. w.  N. u. a.: BVerfGE 52, 203, 207; BVerfGE 73, 261, 269; BVerfGE 7, 198, 205 ff. 86  Grds.: Pieroth/Schlink, Grundrechte (2011), Rn. 195 ff. 87  Vgl. BVerfGE 7, 198, 207; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, insbes. S. 27 ff. m. V. a. ebd. BVerfG. 88  BVerfGE 7, 198 ff. = NJW 1958, 257 ff. 89  Zur Rückführung des Diskurses auf ein „Scheinproblem“: Dreier in: Dreier, GG, Band I (2004), Vorbem. 98. m. V. u. a. a.: Schwabe, Drittwirkung (1971), Alexy, Grundrechte (1985) S. 416 ff.; Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, § 111 Rn. 118 f., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Band 5 (2000). 90  Grundsätzlich zur Problematik der Grundrechtsbindung von Privatrechtssubjekten und der Dekonstruktion als „Scheinproblem“: Dreier in: Dreier, GG, Band I (2004), Vorbem. 98. m. V. u. a. a.: Schwabe, Drittwirkung (1971), Alexy, Grundrechte (1985) S.  416 ff.; Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, § 111 Rn. 118 f., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Band 5 (2000). 85  Vgl.

36 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

aa) Hoheitlich geprägte Willensbildung durch die notarielle Form Der staatliche Einfluss auf die Willensbildung der Eheleute lässt sich nicht bestreiten. Für güter-, erb- und pflichtteilsrechtliche Vereinbarungen und Verzichte ist durch die notarielle Form die Mitwirkung des Notars vorgesehen. Mit der notariellen Form gehen Warnung, Übereilungsschutz und Beratung durch den Notar einher.91 Der Notar übt ein öffentliches Amt aus und nimmt dabei zumindest durch die mit der notariellen Form einhergehende Beratungsfunktion Einfluss auf die Willensbildung der Eheleute bei der Ehevertragsgestaltung. Hierbei hilft der Notar den Eheleuten nicht nur eine ihren höchstpersönlichen Vorstellungen und Motiven entsprechende und interessengerechte Vertragsgestaltung zu finden. Die notarielle Form ist auch auf Rechtssicherheit durch das Ziel der Beurkundung wirksamer Erklärungen gerichtet. Gerade im Bereich der Ehevertragsgestaltung haben Notare die ordentlichen Gerichte durch eine Störfallvorsorge bei einer möglichen Scheidung und durch eine antizipierte Inhaltskontrolle zu entlasten.92 Demnach sollen Eheverträge einerseits von den Eheleuten auch für den Fall der Scheidung akzeptierte Regelungen treffen und andererseits müssen diese Vereinbarungen einer gerichtlichen Inhaltskontrolle Stand halten. Der Notar hat deshalb im Hinblick auf eine denkbare durchgreifende Inhaltskontrolle den Eheleuten zu einer anderen, als der zunächst von diesen intendierten und als interessengerecht eingeordneten ehevertraglichen Gestaltung zu raten. Damit regiert die an den Grundrechten ausgerichtete Inhaltskontrolle schon bei der notariellen Beratung in die Willensbildung der Eheleute herein. Die an der antizipierten Inhaltskontrolle ausgerichtete notarielle Beratungsfunktion für die Vereinbarung der Gütertrennung und des Pflichtteilsverzichts wird wegen der sich ohne diese Funktion eröffnenden Alternativen zur notariellen Form deutlich. Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung könnten sonst auch ohne die mit der notariellen Form einhergehende Beratung durch einfache Erklärung gegenüber dem Amtsgericht bewirkt werden. Der Eintrag könnte in ein ohnehin schon bei den Amtsgerichten geführtes, nur geringfügig modifiziertes und erweitertes Güterrechtsregister93 erfolgen, ähnlich einer Einigungserklärung vor dem Grundbuchamt durch beide Parteien.94 Die notarielle Form stellt 91  Zu den Formwirkungen der notariellen Beurkundung: Hertel in: Staudinger (Beurkundung), (Oktober 2011) Vorbem. zu §§ 127 a, 128 (BeurkG) Rn. 6 ff., insbes. für den Ehevertrag: Rn. 59 ff., für den Erb- und Pflichtteilsverzicht Rn. 70. 92  Vgl. grundsätzlich zur Thematik der antizipierten Inhaltskontrolle von Eheverträgen: Brambring FGPrax 2004, 175 ff. m. w. N. 93  Die Grundlage könnte das Güterrechtsregister bilden (§§ 1558 ff. BGB). Richtigerweise erfolgt eine Eintragung nur unter der Voraussetzung öffentlich beglaubigter Form (§ 1560 Satz 2 BGB). 94  Bassenge in: Palandt, (73. Aufl., 2014), § 873 Rn. 16.



III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie37

auch eine Ausprägung des staatlichen Schutzauftrags für die Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG dar. bb) Eheliche Vermögensausgestaltung und staatliche Anerkennung Ohne staatliche Beteiligung ist grundrechtsbeeinträchtigendes Handeln der Eheleute bei der Gütertrennung und dem Pflichtteilsverzicht nicht vorstellbar. Ausdrücklich oder zumindest stillschweigend ermöglicht und gestaltet der Staat den Prozess der privatautonomen ehelichen Vermögensausgestaltung über Gesetze, Gerichte und hoheitliche Zwangsvollstreckung.95 Erkennt der Staat die Wirksamkeit der vereinbarten Gütertrennung oder des Pflichtteilsverzichts nicht an, entfalten diese keine Rechtwirkungen. In diesem Fall können die Ehegatten rein tatsächlich einen Zugewinnausgleichsanspruch oder den Pflichtteil ungeachtet ihrer vorherigen tatsächlichen Erklärungen erfolgreich geltend machen. Soweit die Eheleute etwaig verfassungsrechtlich geschütztes Güter- und Erbrecht privatautonom abbedingen, so ist dieser „Eingriff“ in verfassungsrechtliche Positionen nur insoweit wirksam, als er durch die Gerichte und damit den Staat anerkannt wird. Dies führt dazu, dass der wirksame privatautonome Ausschluss von verfassungsrechtlich geschütztem Güter- und Erbrecht nicht Folge rechtlich unerheblichen staatlichen Unterlassens ist. Vielmehr stellen gerichtliche Entscheidungen aktive Eingriffe96 einer staatlich geleiteten und durchsetzbaren Privatautonomie durch die rechtliche Anerkennung des privatautonomen Handelns durch den Staat dar. Erst der Staat bewirkt durch die gerichtliche Billigung der ehevertraglichen Regelungen den Verzicht des Ehegatten auf etwaig durch die Verfassung geschütztes Güter- und Erbrecht. Zivilgerichtliche Entscheidungen dienen gerade der Durchsetzung gesetzlich eröffneter Möglichkeiten privatautonomer Rechtsgestaltung.97 An diesem verfassungsrechtlichen Maßstab haben sich gerichtliche Entscheidungen messen zu lassen.98 Die durch ordentliche Gerichte erkannte Unwirksamkeit von Vereinbarungen und Verzichten im ­ Rahmen der ehelichen Vermögensausgestaltung stellt im Ergebnis die „Nichterfüllung eines staatsgerichteten Leistungsrechts in Gestalt eines ­ 95  Vgl. allgemein zur Thematik der Beteiligung des Staates an grundrechtsrelevantem Handeln Privater: Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, § 191 Rn. 256 (S. 535), in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Band 9 (2011). 96  Vgl. allgemein zur Thematik: Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, § 191 Rn. 256 (S. 535), in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Band 9 (2011). 97  Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 350. 98  Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 350.

38 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

Schutzrechtes“99 dar. Umgekehrt gilt das Gleiche, sobald die Justiz eine unabdingbare Grundrechte verletzende eheliche Vermögensausgestaltung als wirksam einschätzt und in dieser Folge ein Ehegatte etwa gesetzliche Ansprüche verfassungsrechtlicher Ausprägung nicht mehr geltend machen kann. cc) Umkehrung des Prinzips praktischer Konkordanz bei der Drittwirkung von Grundrechten Die Inhaltskontrolle von Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht ist ein verfassungsrechtlich von allen Seiten vermintes Gebiet. Eine Vielzahl von potentiell betroffenen Grundrechtspositionen führt zu einer multipolaren Drittwirkung von Grundrechten bei der Inhaltskontrolle.100 Denkbar sind ein verfassungsrechtlich geschütztes Pflichtteilsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG. Das Ehegattenpflichtteilsrecht kann verfassungsrechtlich einerseits über die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Institutsgarantie des Erbrechts, andererseits auch durch den besonderen Schutz der Ehe durch den Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützt sein.101 Ein Recht auf Teilhabe an dem durch die Eheleute während der Ehe erwirtschafteten Zugewinn kann als Ausdruck des besonderen Schutzes der Eheleute durch Art. 6 Abs. 1 GG bzw. im Sinne der Gleichberechtigung der Eheleute über Art. 3 Abs. 1, 2 GG geschützt sein.102 Auf der anderen Seite können diese verfassungsrechtlichen Positionen auf güter- und erbrechtliche Partizipation ihrerseits verfassungsrechtlich begrenzt sein. Als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG bzw. als Ausdruck des Schutzes der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG kann die eheliche Privatautonomie verfassungsrechtlich geschützt sein und so ebenfalls Relevanz bei der Inhaltskontrolle entfalten.103 Sofern diese Rechte auch tatsächlich verfassungsrechtlich verbürgt sind, erinnert dieses Spannungsfeld an die Kollision von Grundrechten. Nach der Lehre von der praktischen Konkordanz sollen in Konkurrenz zueinander stehende Grundrechte durch ein Begrenzen der einzelnen Rechtsgüter von Verfassungsrang aufgelöst werden, so dass insgesamt alle Positionen optimale Wirklichkeit erlangen können.104 99  Alexy erkennt in der Klageabweisung nicht die „Verletzung eines staatsgerichteten Abwehrrechts“, sondern die „Nichterfüllung eines staatsgerichteten Leistungsrechts“: Alexy, Grundrechte (1994), S. 418. 100  Vgl. F. VII. 1. 101  Vgl. D. 102  Vgl. E. 103  Vgl. F. 104  Zur praktischen Konkordanz vgl.: Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts (1999), Rn. 72.



III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie39

Bei der durch die mittelbare Drittwirkung geprägten Inhaltskontrolle stellt sich die Problematik spiegelverkehrt. Bei der Inhaltskontrolle stellt sich nicht die Frage nach einer optimalen oder bestmöglichen Geltung aller etwaig betroffenen Grundrechtspositionen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob in Ausübung ehelicher Privatautonomie ein etwaig im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zum Ausdruck kommender verfassungsrechtlicher Teilhabegedanke an ehelich Hinzugewonnen vollends abbedungen werden kann. Ebenso stellt sich die Frage, ob durch eheliche Privatautonomie ein etwaig verfassungsrechtlich geschütztes Pflichtteilsrecht völlig Preis gegeben werden kann. Bei der zivilrechtlichen Grundrechtswirkung geht es damit nicht um die weitgehende Achtung aller Grundrechtpositionen durch den Staat, sondern umgekehrt ist eine absolute Grenze bei der vollständigen Aufgabe konkreter Grundrechtspositionen durch die Eheleute selbst fraglich. Dies kann als Schutz der Eheleute „vor sich selbst“ und somit als Form eines Staatspaternalismus105 gedeutet werden.106 Intensität und Maß staatlichen Schutzes korreliert zur Gewichtigkeit der betroffenen Grundrechtpositionen. Das Schutzniveau ist bei Gefahren für Leib und Leben höher als bei Gefahren lediglich für „bloße“ Vermögensinteressen.107 Hieraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass das Schutzniveau wegen des schuldrechtlichen Charakters von Pflichtteilsrecht und Zugewinnausgleich gering ist. Die Inhaltskontrolle ehelicher Vermögens­ ausgestaltung stellt nicht lediglich auf Vermögensinteressen der Eheleute ab. Als Keimzelle der Gesellschaft108 kommt der Ehe und ihrer gesetzlichen Ausgestaltung in Form des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft und des Pflichtteilsrechts ein erhebliches verfassungsrechtliches Gewicht zu. d) Grenzen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Eine durch die mittelbare Drittwirkung geprägte Inhaltskontrolle von Eheverträgen hat klare Grenzen. Es kann dabei nicht darum gehen einen idealen verfassungsrechtlichen oder gar verfassungsrechtlich „gerechten“ Zustand zu schaffen. Die Inhaltskontrolle kann maximal zu dem Schutzni105  Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 595: Zum Generalverdacht paternalistischen Schutzes durch das BVerfG. Zur Problematik des Paternalismus allgemein: Lorenz in: Bonner Kommentar zum GG, (April 2008) Art. 2 Abs. 1 Rn. 146 ff. 106  Schwabe JZ 1998, 66 ff.: angelehnt an Schwabes Aufsatz: „Der Schutz des Menschen vor sich selbst“; Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst (1992). 107  Zu den einschlägigen Rechtsgütern: Schwabe JZ 1998, 66, 68. 108  Leibholz/Rinck (Juli 2006) Art. 6 Rn. 11 m.  V. u. a. a. die grundlegende Entscheidung: BVerfGE 6, 55, 71. Vgl. auch differenzierend: Di Fabio NJW 2003, 993, 995.

40 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

veau der verfassungskonformen allgemeinen Gesetze führen. Die gesetz­ lichen Bestimmungen können einerseits durch die Nichtigkeitsfolge der Wirksamkeitskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung oder durch die Ausübungskontrolle herbeigeführt werden. Greift die Ausübungskontrolle, kann sich einer der Eheleute nicht auf die privatautonome eheliche Vermögensausgestaltung berufen, mit der Folge, dass stattdessen die gesetzlichen Regelungen gelten. Das umfassende Scheidungsfolgenrecht und auch das ergänzende Richterrecht können nicht in jedem Einzelfall zu billig oder gerecht erscheinenden Rechtsfolgen führen. Zur Verdeutlichung soll der nachfolgende Fall gebildet werden: Das Ehepaar lernte sich in der gymnasialen Oberstufe kennen und fasste den bald umgesetzten Entschluss die Ehe zu schließen. Die Eheplanung sah vor, dass die Ehefrau sich trotz vielversprechender Abiturnote als Sekretärin betätigen wird. Damit sollte den Ehegatten eine ökonomische Basis während des geplanten Studiums der Rechtswissenschaft durch den Ehemann gesichert werden. Insbesondere wegen der emotionalen und finanziellen Unterstützung der Ehefrau legte der Ehemann die juristischen Staatsexamina und die Promotion mit gutem Erfolg ab. Aus der anschließenden Tätigkeit des Ehemannes in einer internationalen Wirtschaftskanzlei können die Eheleute schnell erhebliche Rücklagen bilden, insbesondere weil sie ihren studentischen Lebensstil fortführen. Durch die Tätigkeit im Bereich Finance inspiriert, investiert der junge Rechtsanwalt das Ersparte kurz vor dem Platzen der Immobilienblase in den USA im Subprimemarkt der Immobilienfinanzierung. In der Folge des Platzens der Immobilienblase verliert das Paar seine gesamten Rücklagen. Ebenso wenig erfreulich entwickelt sich die Ehe des jungen Anwalts. Nachdem der Rechtsanwalt auf einer Tagung eine junge Kollegin kennenlernt, lassen sich die Eheleute scheiden. Das Engagement in der Kanzlei war erfolgreicher, als das am Kapitalmarkt. Unerwartet verstarb kurz nach der Scheidung ein Partner der Kanzlei. Daraufhin erfolgte trotz verhältnismäßig kurzer Kanzleizugehörigkeit die Berufung des Ehemannes zum Partner.

Das gesetzliche Scheidungsfolgenrecht sieht für die Ehefrau keine nennenswerten Ansprüche vor. Unterhaltsansprüche scheiden wegen fehlender Bedürftigkeit nach § 1569 BGB für die voll erwerbstätige Frau aus. Auch ist der sparsame Lebensstil bei der Bedarfsermittlung im Unterhaltsrecht wegen der Vermögenslosigkeit nicht zu korrigieren.109 Mangels nennenswerten Endvermögens oder konkret absehbarer Partnerschaft in der Kanzlei im Zeitpunkt der Scheidung ist ein Anspruch auf Zugewinnausgleich zugunsten der Ehefrau nicht ersichtlich. Es bleibt vielmehr, wegen der jahrelangen Tätigkeit der Ehefrau, ein Übersteigen ihrer Rentenanwartschaften gegenüber denen des erst seit kur109  BGH

FamRZ 2007, 1532 m. w. N.



III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie41

zem zugelassenen Rechtsanwaltes zu besorgen. Der Ehemann könnte gegen die Ehefrau einen Versorgungsausgleichanspruch haben. Auch der bunte Blumenstrauß nachehelicher gesetzlicher Ansprüche kommt im Einzelfall nicht in die Nähe verständlich empfundener billiger Scheidungsfolgen. Solange das gesetzliche Scheidungsfolgenrecht bzw. das eheliche Erb- und Pflichtteilsrecht verfassungskonform ist, ist dies hinzunehmen. Mangels ehe- oder erbvertraglicher Regelungen scheidet eine durchgreifende Inhaltskontrolle schon aus. Umgekehrt kann auch die Inhaltskontrolle von ehe- und erbvertraglichen Regelungen nicht zu weitergehenden, als den gesetzlichen Rechten führen. Wobei die Gesetzeslage – wie gezeigt – auch als unbillig empfunden werden kann. Das mag für das den Einzelnen in den Focus rückende Grundgesetz befremdlich wirken. Gerechtigkeit scheint in der kleinsten gesellschaftlichen Einheit, der Ehe, am schwierigsten verwirklichbar zu sein.110 Wenn schon der Gesetzgeber durch ein verfassungskonformes Recht einen im Einzelfall unzureichend erscheinenden Rechtszustand setzen kann, kann die Inhaltskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung nicht einen verfassungsrechtlich idealen Rechtszustand herbeiführen. Dies gilt insbesondere, weil privatautonome Entscheidungen als solche schon Unbilligkeiten rechtfertigen.111 e) Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte als Ideallösung Unter Geltung des Grundgesetzes ist die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, die von Verfassungs wegen vorgegebene Methode zumindest zur Auslegung von Generalklauseln bei Sachverhalten mit Grundrechtsbezug.112 Gleichwohl kann die Frage gestellt werden, ob diese Auslegung der Generalklauseln Rechtssicherheit als wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit gewährleistet. Ohne eine systematische und vorhersehbare Auslegung der Grundrechte führt die mittelbare Drittwirkung zu einer unkontrollierbaren Inhaltskontrolle. Damit ginge eine mit dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Rechtsunsicherheit einher. Rechtssicherheit und Freiheit, letztere hier die Form der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit, stehen als Rechte von Verfassungsrang in einem natürlichen Spannungsverhältnis. Der Rechtssicherheit könnte am leichtesten entsprochen werden, wenn der Gesetzgeber der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit verfassungskonform definierte Ausgestaltungshierzu: Diederichsen FamRZ 92, 1, 2. auch allgemein für den Pflichtteilsverzicht: Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S.  44 m. w. N. 112  B. III. 1. c). 110  Allgemein 111  So

42 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

korridore zuweisen würde. So ist etwa ein indisponibler objektiver Kern des Scheidungsfolgenrechts bzw. des ehelichen Erbrechts denkbar. Durch eine solche gesetzliche Ausgestaltung der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit könnte die eheliche Vermögensausgestaltung weitgehend der Inhaltskontrolle entzogen werden. Zumindest solange der durch den Gesetzgeber festgelegte Korridor ehelicher Vermögensausgestaltung verfassungskonform ist, bleibt kein Raum für eine durchgreifende Inhaltskontrolle auf Basis der mittelbaren Drittwirkung. Ein den Eheleuten verbleibender verfassungskonformer Korridor kann schwerlich durch eine grundrechtlich geprägte Inhaltskontrolle eingeschränkt werden. Andererseits gehen die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit einschränkenden gesetzlichen Regelungen stets zu Lasten der Freiheit einer selbstbestimmten Ehe. Im Gegensatz zu einer gesetzlichen Regelung der Grenzen der ehelichen Vermögensausgestaltung eröffnet eine Inhaltskontrolle über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte grundsätzlich einen weiteren Gestaltungsspielraum. Eine individuelle verfassungsrechtlich geprägte Inhaltskontrolle eröffnet einen weiteren Gestaltungsraum, als typisierende und schematische gesetzliche Grenzen der Eheausgestaltungsfreiheit. Starre gesetzliche Reglungen lassen keinen Raum zur Berücksichtigung individueller Besonderheiten der einzelnen Ehe. Solche individuellen Besonderheiten können im Einzelfall Argumente für eine weitergehende als eine etwaig gesetzlich normierte Vertragsfreiheit liefern. Mit dem Argument der Sicherung der weitestgehenden ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit sprechen die besseren Gründe für die Inhaltskontrolle. Allerdings darf für eine durch die mittelbare Drittwirkung geprägte Inhaltskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung bezweifelt werden, ob diese rechtssicher vorgezeichnet werden kann. Eine an abstrakten verfassungsrechtlichen Wertungen ausgerichtete Inhaltskontrolle kann nicht die Bestimmtheit einer konkreten gesetzlichen Regelung aufweisen. Dies lässt sich an Art. 6 Abs. 1 GG verdeutlichen, der auch aus der außerrechtlichen Lebensstellung heraus ausgelegt wird.113 Dies eröffnet tendenziell eine eher wertende als systematische Auslegung des Grundgesetzes. Das Verständnis des besonderen Schutz von Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung gem. Art. 6 Abs. 1 GG scheint mit den persönlichen Vorstellungen von Ehe und Familie zu korrelieren. Der Akzeptanz dieses wertenden dogmatischen Ansatzes ist freilich der offene Dissens in Fragen des Familienverständnisses nicht zuträglich, den die ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts Hohmann-Dennhardt114 113  Auf die Interpretationsart bezogen: Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I (2004), S. 59 Rz. 46 m. V. a. BVerfGE 10, 59, 66 f. 114  Hohmann-Dennhardt FF 2006, 15, 21 m. V. a. Di Fabio, Die Kultur der Freiheit, S.  142 f.



III. Generalklauseln als Korrektiv ehelicher Privatautonomie43

mit ihrem seinerzeitigen Kollegen Di Fabio pflegt. In seiner Monographie „Die Kultur der Freiheit“ propagiert Di Fabio115 in den Augen HohmannDennhardts die Wiedergeburt eines rückwärtsgewandten „harmonischen Familienbildes“, das diese offenbar nicht teilt. Auch wenn sich beide in Fragen von Ehe und Familie nicht als Richter des Bundesverfassungsgerichts, sondern als Wissenschaftler zu Wort melden, so entsteht zumindest der Eindruck, dass diese unterschiedlichen höchstpersönlichen Wertvorstellungen in eine wertende Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG hineinfließen. Wenn denn durch diese Dogmatik höchstpersönliche Wertvorstellungen in die Auslegung der Verfassung und damit über die mittelbare Drittwirkung in die Inhaltskontrolle fließen können, scheinen überraschende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Bereich von Ehe und Familie vorgezeichnet zu sein. So darf es nicht verwundern, wenn den nach § 31 Abs. 1 BVerfGG Gesetzeskraft zukommenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Funktion des berühmten Federstrichs des Gesetzgebers übernehmen können. Der Federstrich des Gesetzgebers kann ganze Bibliotheken zu Makulatur werden lassen.116 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen ließ bereits zahlreiche Eheverträge zu Makulatur werden. Dies erscheint dann besonders bedenklich, wenn – wie für den Art. 6 Abs. 1 GG vorgezeichnet – selbstbewusste Richter eine möglicherweise durch höchstpersönliche Vorstellungen von Ehe und Familie geprägte Auslegung des Grundgesetzes vornehmen. Die Warnung Rüthers scheint dann nicht fernliegend, dass der Rechtsstaat auf dem Weg zum Richterstaat auf der Strecke zu drohen bleibt.117 Im Rechtsstaat ist nach Art. 20 Abs. 3 GG die Judikative an „Recht und Gesetz“ gebunden. Diese Gesetze erlassen Parlamente in einem verfassungsgemäßen Verfahren. Die Judikative selbst hat danach keine Normsetzungskompetenz. Die judikative Rechtsfortbildung droht, diese rechtsstaatliche Gewaltenteilung zu verwischen.118 Gleichwohl bleibt mit 115  Di

Fabio, Die Kultur der Freiheit, S. 140 ff. hinsichtlich des wohl auf Goethe zurückgehenden Ausdrucks dann: von Kirchmann, Jurisprudenz, S. 23. 117  Rüthers JZ 2002, 365 ff.; vgl. auch Sicht auf Rüthers: Simon, Vom Rechtsstaat in den Richterstaat, S. 1 ff., 4; Rieble NJW 2011, 819, 820. 118  Simon myops 2007, 21, 24; Simon, Vom Rechtsstaat in den Richterstaat: Anlass für Simons Warnung war ein Beitrag des ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs Hirsch (ZRP 2006, 161). Hirsch beschreibt das Verhältnis von Gesetzgeber und Richter unter dem Eindruck eines ein konkretisierungsbedürftiges Gesetz bewusst zur Konkretisierung der Rechtsprechung überlassenden Gesetzgebers. Hirsch sieht nicht den Gesetzgeber als Herrn und den Richter als Diener, sondern seines Erachtens passt am ehesten das Bild „des Pianisten und Komponisten für das Verhältnis des Richters zum Gesetzgeber. Er interpretiert die Vorgaben mehr oder weniger virtuos, er hat Spielräume, darf aber das Stück nicht verfälschen“; Grundlegend: „Demokratischer Rechtsstaat oder oligarchischer Richterstaat?“ Rüthers JZ 2002, 365 ff. 116  Vgl.

44 B. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und ehelichem Pflichtteilsverzicht

Rüthers zu konstatieren: Ohne Wertungen gelingt Auslegung nicht und eine solche wäre auch gleichsam „wert-los“.119 Für den Bereich der Inhaltskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung mit seinen Berührungspunkten zu Art. 6 GG ist dieses Spannungsfeld besonders deutlich. Eine Inhaltskontrolle mit möglicher Nichtigkeitsfolge oder Anpassung der Vereinbarungen der Eheleute kommt in ihrer Wirkung der gesetzlichen Normsetzung gleich. Gleichzeitig steht diese wertende Inhaltskontrolle mit den Berührungspunkten zu Art. 6 GG im Verdacht, dass höchstpersönliche Wertvorstellungen von Richtern die Auslegung von Recht und Gesetz bestimmen. Dies verdeutlicht die Kontroverse der ehemaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts Hohmann-Dennhardt und Di Fabio um das verfassungsrechtliche Verständnis von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG. 2. Das aufzulösende verfassungsrechtliche Spannungsfeld Die Inhaltskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung kann nur am Maßstab der mittelbaren Drittwirkung erfolgen. Es besteht auch keine historisch überkommene vorkonstitutionelle Inhaltskontrolle, die aus Gründen der Rechtssicherheit Einfluss auf eine durch die mittelbare Grundrechtswirkung geprägte Inhaltskontrolle nehmen könnte. Das eheliche Güter- und Erbrecht wird von verfassungsrechtlichen Wertungen geprägt. Damit strahlen diese Wertungen über die mittelbare Drittwirkung auf die Inhaltskontrolle aus. Die Kontroverse zwischen den ehemaligen Richtern des Bundesverfassungsgerichts Hohmann-Dennhardt und Di Fabio verdeutlicht zugleich, dass eine möglicherweise auch durch den staatlichen Schutzauftrag von Ehe und Familie nach Art. 6 GG geprägte Inhaltskontrolle einer präzisen verfassungsrechtlichen Bestimmung und Gewichtung aller bei der Inhaltskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung virulenter Grundrechtspositionen bedarf. Andernfalls steht eine solche Inhaltskontrolle in Verdacht, dass diese von höchstpersönlichen Wertvorstellungen der Richter des Bundesverfassungsgerichts oder gar der Richter ordentlicher Gerichte gesteuert ist. Eine derart geprägte Inhaltskontrolle kann in Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG keinen Bestand haben. Für die Inhaltskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung ist daher zu klären, inwieweit der Zugewinnausgleich120 und das Pflichtteilsrecht des Ehegatten121 verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Weiter ist zu erörtern, Rüthers, Unbegrenzte Auslegung (2012), S. 529. hierzu E. 121  Vgl. hierzu D. 119  So:

120  Vgl.



IV. Fazit45

inwieweit die privatautonome Ausgestaltung122 von Güter- und Erbrecht durch die Ehegatten verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Anschließend ist zu klären, inwieweit jedes dieser etwaig verfassungsrechtlich geschützten Rechte einen verfassungsrechtlichen Wesenskern aufweist und inwieweit dieser Wesenskern zugunsten eines der anderen verfassungsrechtlichen Güter durch die Eheleute voll preisgegeben werden kann. Konkret stellt sich die Frage, ob eine etwaig im Wesenskern der Ehe verankerte güterrechtliche oder erbrechtliche Berechtigung der Ehegatten in Ausübung der privatautonomen Vermögensausgestaltung abbedungen werden kann. Dementsprechend ist auch umgekehrt zu fragen: Kann ein verfassungsrechtlich geschütztes Güter- bzw. Erbrecht für die Eheleute insoweit indisponibel sein, so dass hierdurch die eheliche Privatautonomie verkürzt oder gar auf null reduziert wird? Jenseits der Gewichtung der einzelnen Grundrechtspositionen muss auch die Systematik der zivilrechtlichen Wirksamkeitskontrolle den Wertungen der mittelbaren Drittwirkung entsprechen. Die aus objektiven und subjektiven Elementen bestehende Prüfung der Wirksamkeitskontrolle über § 138 Abs. 1 BGB darf nicht gegen verfassungsrechtliche Wertungen verstoßen. Das subjektive Element der Sittenwidrigkeitsprüfung stellt auf eine Disparitätslage zwischen den Eheleuten ab. Eine Disparitätslage spiegelt regelmäßig ein Verhandlungsungleichgewicht zwischen den Eheleuten wider. Fraglich erscheint, inwieweit in einem rechtsstaatlichen, durch grundrechtliche Wertungen geprägten Verfahren die hierfür notwendigen Feststellungen zum subjektiven Element erhoben werden können.123

IV. Fazit Eine rechtssichere und damit verfassungsrechtlich belastbare Inhaltskontrolle des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs und des ehelichen Pflichtteilsverzichts kann nur über eine Einordnung und Gewichtung aller bei der ehelichen Vermögensausgestaltung betroffenen Grundrechtspositionen gelingen. Hierbei müssen alle Elemente der Inhaltskontrolle verfassungsrechtlich gespiegelt werden. Bei der ehelichen Vermögensausgestaltung gilt es dabei, einen multipolaren Grundrechtskonflikt bei der Inhaltskontrolle aufzulösen. Einerseits ist zu erörtern, inwieweit das Grundgesetz Güter- und Erbrecht zugunsten der Gatten schützt, andererseits ist das gegenläufige Recht auf freie Vermögensausgestaltung der Ehe und damit auf Preisgabe verfassungsrechtlich geschützter Güter- und Erbrechtspositionen zu positionieren. 122  Vgl. 123  Vgl.

trolle: C.

hierzu F. zu einer an den Grundrechten ausgerichteten Systematik der Inhaltskon-

C. Ehevertragsrechtsprechung – Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Bürgschaft durch Angehörige I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung als Blaupause für das Recht der Eheleute? 1. Die Ehe als Wuchertatbestand Rein formal betrachtet lässt sich in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen gewiss eine neue und isoliert zu betrachtende und eigenständige Entwicklung erkennen.1 Jenseits dieses streng formalen Ansatzes sieht Hahne als damalige Vorsitzende Richterin des sogenannten Familienrechtssenats2 die Rechtsprechung des Senats zu Eheverträgen in der Tradition der Entscheidungen zum entschädigungslosen Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter3 und der Inhaltskontrolle von Bürgschaften zugunsten Angehöriger.4 Bei diesen von Hahne angeführten Entscheidungen handelt es sich um solche des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht sah in den genannten Entscheidungen jeweils die Selbstbestimmung der Vertragspartner als nicht mehr gewährleistet. Den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Selbstbestimmung leitete das Bundesverfassungsgericht für den Handelsvertreter aus Art. 12 Abs. 1 GG ab, die Unwirksamkeit der zugunsten eines Angehörigen abgegebenen Bürgschaftserklärung durch einen finanziell überforderten Bürgen aus Art. 2 Abs. 1 GG. Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts änderte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung. Nunmehr konnte eine Bürgschaft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn Eltern hauptsächlich aus eigenem Interesse ihre geschäftsunerfahrenen Kin1  So für die Rechtsprechung zur Paritätsstörung: Wagenknecht, Eheverträge, S. 128 (ii.) m. V. a. BGHZ 158, 81 ff. = BGH FamRZ 2004, 601 ff., 609 ff. m. Anm. Borth; Rakete-Dombek NJW 2004, 1273 ff. 2  Vgl. Hahne (Im Jahr 2004 Vorsitzende Richterin des XII. Zivilsenats des BGH) DNotZ 2004, 84, 88 mit Hinweis auf die nachfolgend angeführte Rspr. des BVerfGs. Zur rechtspolitischen Tendenz, vgl. auch: Rehme, in: Staudinger, §§ 1363– 1563 (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) § 1408 Rn. 69, 70. 3  BVerfGE 81, 242 ff. = BVerfG NJW 1990, 1469 ff. 4  BVerfGE 89, 214 ff. = BVerfG NJW 1994, 36 ff.



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung47

der dazu veranlassen, eine Bürgschaftserklärung abzugeben, die deren voraussichtliche finanzielle Leistungsfähigkeit bei weitem übersteigt und die Gläubigerbank dies erkennt oder erkennen musste.5 Der Bundesgerichtshof musste bei diesen Entscheidungen die verfassungsrechtlichen Vorgaben in die zivilrechtliche Dogmatik des § 138 Abs. 1 BGB übersetzen. Die Systematik des Wuchertatbestands des § 138 Abs. 2 BGB als Spezialfall der Sittenwidrigkeit übt erheblichen Einfluss auf die Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB aus. Dem Wortlaut des § 138 Abs. 2 BGB sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des subjektiven und objektiven Elements zu entnehmen. Dies gilt jedoch nicht für § 138 Abs. 1 BGB, der für die Sittenwidrigkeit schlicht auf einen Verstoß „gegen die guten Sitten“ abstellt. Dennoch beeinflusste die Systematik des Wuchertatbestandes mit dessen objektiven und subjektiven Elementen die Auslegung des § 138 Abs. 1 BGB. Diese durch den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB beeinflusste Systematik des objektiven und subjektiven Elements findet sich auch bei der Sittenwidrigkeitsprüfung der Angehörigenbürgschaft wieder: Das objektive Element folgt aus der krassen finanziellen Überforderung des Bürgen durch die Abgabe der Bürgschaftserklärung. Das subjektive Element folgt aus der durch das familiäre Näheverhältnis motivierten Abgabe der Bürgschaftserklärung und der daraus eingeschränkten Urteilsfähigkeit mitsamt der Kenntnis oder dem Kennenmüssen der Gläubigerbank von diesen Umständen. Dieser dogmatische Ansatz der Bürgschaftsrechtsprechung wirkt auch bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen fort.6 Hier findet sich das subjektive Element spiegelbildlich in der eingeschränkten Urteilsfähigkeit eines Ehegatten durch eine Disparitätslage, die in den Besonderheiten des Verhältnisses der Partner zueinander und den daraus folgenden höchstpersönlichen Motiven und Beweggründen der Partner wurzelt. Eine Disparität kann etwa durch die Schwangerschaft der Frau vorliegen, wenn diese gleichzeitig den unbedingten Wunsch hat, das Kind ehelich zur Welt zu bringen.7 Ebenfalls kommen Disparitäten zwischen den Eheleuten etwa wegen wirtschaftlicher oder emotionaler Abhängigkeit in Frage.8 Der dogmatische Einfluss des Wuchertatbestands auf die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „guten Sitten“ kann durch den systematisie5  Vgl. BGHZ 125, 206; BGH DNotZ 1994, 537 (vgl. insbesondere den Leitsatz); allgemeiner Schutz der Angehörigen: BGH NJW 2002, 744, 745 m. w. N.; BGH NJW 2009, 2671 ff. m. w. N.; Ellenberger: in Palandt (73. Aufl., 2014) § 138 Rn.  37 ff. m. w. N. 6  Vgl. die in Anlehnung an den § 138 Abs. 2 BGB aufgefächerte Dogmatik bei: Wagenknecht, Eheverträge, S. 115 ff. 7  Beispiele für Disparitätslagen: Wagenknecht, Eheverträge, S. 123 ff. 8  Überblick bei: Wagenknecht, Eheverträge, S. 133 ff.

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C. Ehevertragsrechtsprechung

renden Umgang mit der Norm einen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit leisten. Soweit allerdings grundrechtliche Wertungen in das Zivilrecht zu übersetzen sind, muss jede tatbestandliche Voraussetzung auch ihren grundrechtlichen Anknüpfungspunkt und ihre grundgesetzliche Legitimation haben. Soweit diese nicht vorliegt, ist auf das Tatbestandsmerkmal zu verzichten. Somit bedarf es einer Bestimmung der verfassungsrechtlichen Positionen, die für die Inhaltskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung relevant sind. 2. Eheliche Vertragsverhandlungen außerhalb der vertraglichen Richtigkeitsgewähr Theoretisch9 kann die Vertragssituation zu „richtigen“ Ergebnissen führen. Die Freiheit beider Parteien, rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben, kann grundsätzlich zur Einigung von für beide Parteien sinnvollen Kompromissen führen. Dies ist das Fundament, auf dem die Theorie der vertraglichen Richtigkeitsgewähr bzw. Richtigkeitschance von Schmidt-Rimpler aufbaut. Für den allgemeinen Austauschvertrag des Wirtschaftslebens bzw. die allgemeine Vertragsfreiheit des Bürgerlichen Gesetzbuchs überzeugt das Vertrauen auf Rationalität und Entscheidungsfreiheit in der Tat. Wesentlich ist jedoch die Prämisse, dass ein wirtschaftliches Machtgefälle zwischen den Vertragspartnern zu einem objektiv betrachtet „unrichtigen“ Vertragsinhalt führen kann.10 Obwohl bei der Bürgschaft zugunsten Familienangehöriger der Bürgschaftsvertrag mit einer dritten Person begründet wird, tritt ein objektiv freies Handeln des Bürgen durch das Näheverhältnis zu dem mit ihm verwandten Schuldner so weit zurück, dass dies zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führen kann.11 Durch das Näheverhältnis des Bürgen zu dem Schuldner ist seine Entscheidungsfreiheit und die Fähigkeit zu einer objektiv betrachtet „richtigen“ Entscheidung hinsichtlich der Abgabe der Bürgschaftserklärung beeinträchtigt. Noch weiter von einer objektiven und rationalen Vertragssituation des gewöhnlichen Austauschvertrages und damit den Grundlagen der Rich­ tigkeitsgewähr entfernen sich die Vertragsverhandlungen unter Ehegatten. Nicht erst die vertragliche Richtigkeitsgewähr,12 schon die Richtig9  Zur vertraglichen Richtigkeitsgewähr und -chance: Schmidt-Rimpler AcP 147 (1947) 130, 149 ff. Im Überblick zu den „Methoden der Gerechtigkeitsbegründung“: Diederichsen FamRZ 1992, 1, 3 ff. Zu den Grundlagen der Vertragsfreiheit: Sanders, Dynamische Vertragsbeziehung, S.  91 ff. 10  kritische Hinterfragung der Richtigkeitsgewähr: Limbach JuS 1985, 10, 12. 11  Zur Sittenwidrigkeit der Ehegattenbürgschaft: BGHZ 135, 66 ff. = BGH NJW 1997, 1773 ff. 12  Schwenzer AcP 196 (1996), 88, 104 m. V. a. Schmidt-Rimpler AcP 147 (1941), 130, 151 (grundlegend); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung49

keitschance13 ist in dem Verhältnis dieser Vertragspartner in Zweifel zu ­ziehen.14 Das Leitbild vertraglicher Richtigkeit entstand maßgeblich unter dem Aspekt effektiver Güterallokation zu marktgerechten Preisen.15 Danach bildet der Markt aus Angebot und Nachfrage einen richtigen und gerechten Preis. Diese schon wegen einer blinden Marktgläubigkeit als falsch verstanden kritisierte16 Vertragsfreiheit müsste auf den „Markt der Eheleute“ übertragbar sein. Gegen die Übertragbarkeit lassen sich gewichtige Argumente vortragen. Auf das rational nicht erfassbare Verhältnis der Eheleute und den dementsprechenden (Heirats-)Markt der Eheleute ist das neoliberale Wirtschaftsleitbild von Adam Smiths17 „unsichtbar ordnender Hand“ nicht übertragbar. Die Idee der effektiven Güterallokation und einer „richtigen“ Preisfindung ist schon vom Grundsatz her nicht auf die Verhandlungen der Eheleute zur ehelichen Vermögensausgestaltung übertragbar. Wenn denn unter dem Grundgesetz vertragliche Vereinbarungen an der grundsätzlichen Freiheit zu selbstbestimmtem Handeln gemessen werden, kann die Vertragsfreiheit im Güterrecht der Eheleute nicht mehr allein mit dem Hinweis18 auf die vorkonstitutionelle Dogmatik des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs angenommen werden. Gewiss mag die im Einklang mit den Wertent(1992), S. 51 ff. (Zur Theorie der Richtigkeitsgewähr); hier präzisiert (wohl Parallelfundstelle): Raiser, Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit (1960), S. 101, 117 ff. (kritisch zur Richtigkeitsgewähr) in: Caemmerer (Hrsg.), FS Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Band I. (1960); Coester-Waltjen AcP 190 (1990), 1, 14 ff. (im besonderen Hinblick auf die Selbstbestimmung). Vgl. auch: Sanders, Dynamische Vertragsbeziehung, § 22 (S. 371). 13  Schwenzer AcP 196 (1996), 88, 104 m.  V. a.: Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich (1970), S. 73 f. (Selbstbestimmung und Vertragsgerechtigkeit im Überblick). 14  Aufgeworfen bei: Schwenzer AcP 196 (1996), 88, 103 f. 15  Schwenzer sieht dagegen gerade durch die Wirtschaftswissenschaft eine falsch verstandene Vertragsfreiheit dekonstruiert: In einem durch einen Monopolisten dominierten Markt kommt es zu einer gestörten Preisfindung außerhalb der vertraglichen Richtigkeitsgewähr. Das Monopol ist allerdings ein den Vertragsmechanismus beeinträchtigender Störfall, der die grundsätzliche Leistungsfähigkeit der Vertragsfreiheit nicht in Frage stellen kann: Vgl.: Schwenzer AcP 196 (1996), 88, 104 m. V. u. a. a.: Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf (1933), S. IX (dort insges. zu den juristischen Konsequenz aus der wirtschaftsphilosophischen Problemstellung). 16  So durch: Schwenzer AcP 196 (1996), 88, 104 mit Hinweis auf die wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen zu Wettbewerb und Monopolbildung. 17  In Anlehnung an Adam Smiths Metapher der Selbstregulierung der Märkte durch eine „unsichtbare Hand“. 18  So durch Grziwotz vor den wegweisenden Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen 2001: Grziwotz FamRZ 1997, 585, 586 unter Bezug auf: Motive, Band IV, S.  142, 304 f.

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C. Ehevertragsrechtsprechung

scheidungen der Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch hinsichtlich der Gütervertragsfreiheit rund 100 Jahre gelebte Vertragsfreiheit im Güterrecht als Allgemeingut empfunden werden.19 Wertungsbasierte Allgemeingüter müssen sich jedoch fortlaufend an den aktuellen rechtlichen und gesellschaftlichen Wertungen messen lassen. a) Disparität und Richtigkeitsgewähr Entsprechend dem Einfluss der Prüfung des Wuchertatbestandes soll sich die Sittenwidrigkeit von Eheverträgen nicht rein objektiv20 bestimmen lassen. Eine denkbare rein objektive Inhaltskontrolle und der damit einhergehende Verzicht auf die Disparitätsfeststellung soll den Grundsatz der Ehevertragsfreiheit verletzen.21 Diese These wird durch Thiele nicht näher begründet. Selbstverständlich oder gar zwingend ist das subjektive Element bei der Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 BGB nicht. So hielten die Motive des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausdrücklich eine rein objektiv unter „Ausscheidung der subjektiven Seite“ zu bestimmende Sittenwidrigkeit für möglich.22 Dieser Maßstab wird von der Rechtsprechung seit je her als zu eng eingeordnet und dementsprechend beurteilen die Gerichte die Sittenwidrigkeit grundsätzlich auf Grund des objektiven und subjektiven Gehalts des Rechtsgeschäfts.23 Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Rechtsgeschäft allein aus seinem Inhalt oder aus seiner Gesamtwürdigung sittenwidrig sein kann. Unerheblich ist dann insbesondere das Bewusstsein der Parteien von der Sittenwidrigkeit oder die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Tatsachen. Dies soll gerade für gegen die Menschenwürde verstoßende Regelungen gelten.24 Durch den bei der ehelichen Vermögensausgestaltung immanenten Grundrechts- und damit Grundgesetzbezug läge eine rein objektive Wirksamkeitskontrolle grundsätzlich näher als eine Kombination aus subjektiven und objektiven Elementen der Wirksamkeitskontrolle. 19  Vgl. hierzu: Grziwotz FamRZ 1997, 585, 586 mit Hinweis auf: Motive, Band IV, S. 142, 304 f. 20  So Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu §§ 1408 ff. Rn. 14. 21  So die Kritik Thieles an OLG Hamm FamRZ 2006, 337  ff. in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu §§ 1408 ff. Rn. 14. 22  Motive, Band I, S. 211. 23  BGH NJW 1953, 1665, 1666 = BGHZ 10, 228, 232 f.; BGH NJW-RR 1998, 590, 591 m. w. N.; Ellenberger in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 138 Rn. 8 m. w. N. 24  Ellenberger in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 138 Rn. 7, zur objektiven Bestimmung der Sittenwidrigkeit auch: BGHZ 94, 268, 272 = BGH NJW 1985, 2405, 2406.



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung51

Für die Ansicht Thieles indes spricht, dass das Bürgerliche Recht die Möglichkeit der vertraglichen Gütertrennung ohne inhaltliche Einschränkungen vorsieht. Darauf aufbauend ließe sich argumentieren, dass allein aus dem objektiven Abbedingen von Ansprüchen des gesetzlichen Güterrechts eine Sittenwidrigkeit nicht mit der Wertentscheidung des Bürgerlichen Rechts auf eine einschränkungslos gewährte Ehevertragsfreiheit vereinbar ist. Auf diese Weise wird die aus objektiven und subjektiven Elementen bestehende Wirksamkeitskontrolle durch die Erforschung des subjektiven Elements mit immer weiteren ausgefeilten Fallgruppen von Disparitätslagen vorangetrieben.25 Dieses Herausschälen immer weiterer Disparitätslagen dehnt den Anwendungsbereich der Wirksamkeitskontrolle und damit den Schutz des „unterlegenen“ Ehepartners immer weiter aus, bedingt aber zugleich die Herausbildung immer weiterer Fallgruppen. Diese wiederum basieren auf Machtgefällen verschiedener Art zwischen den Partnern: Hier ist ein intellektuelles Machtgefälle durch einseitige Scheidungserfahrung wie auch wirtschaftliche, emotionale oder sexuelle Abhängigkeit zu nennen.26 Schutz vermittelt die Inhaltskontrolle jedoch nur, soweit die jeweilige Disparitätslage typisierbar ist. Der Einzelfallgerechtigkeit geschuldet wird nach immer weiteren typisierbaren Disparitätslagen geforscht. Der praktische und wissenschaftliche Nutzen erschließt sich mit immer weiterem Fortschreiten dieser Einteilung und Kasuistik dem Rechtsanwender immer weniger. Die Typisierung atypischer Fälle stößt dabei an systematische Grenzen: Die Kasuistik wird immer undurchsichtiger und damit die Rechtsanwendung immer weniger voraussehbar, was diesen Ansatz letztlich als untauglich offenbart. Das Eingeständnis einer nicht (scilet: erreichbaren, JB) abschließenden27 Aufzählung denkbarer Disparitätslagen ist die wichtigste Erkenntnis aus diesen Bemühungen. Die Fülle an nicht im Einzelnen thematisierbaren Wortmeldungen zu Disparität und Vertragsgerechtigkeit in der Ehe ist sicher nicht zuletzt den höchstpersönlichen Erfahrungen und Beobachtungen der sich zu Wort meldenden Juristen im Bereich der ehelichen Vertragspsychologie geschuldet. Die Vorstellung von einer interessengerechten Aufgaben- und Lastenverteilung in der Ehe ist anscheinend mehr von höchstpersönlichen Erfahrungen und Wertvorstellungen, als durch (verfassungs)rechtliche Parameter gekennzeichnet. Nur zugestimmt werden kann dem Hinweis Schwenzers28 auf sozioökonomische Disparitäten wie Alter und Bildung oder die psychologische Si­ 25  Wagenknecht,

Eheverträge, S. 133 ff., insbes. S. 141 ff. bei: Wagenknecht, Eheverträge, S. 133 ff. 27  Wagenknecht, Eheverträge, S. 144. 28  Schwenzer AcP 196 (1996), 88, 104 ff. 26  Überblick

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C. Ehevertragsrechtsprechung

tuation der Ehevertragsschließenden. Auch einseitige Scheidungserfahrung soll potentiell eine Disparitätslage herbeiführen können.29 Neben allgemein oder im Einzelfall eine Disparität nahelegenden Situationen scheinen „begrenzte Rationalität“, „Überoptimismus“30 und die „Konsensstruktur“31 ehelicher Vertragsverhandlungen diese endgültig außerhalb allgemeine Vertragsmechanismen zu rücken, die eine vertragliche Richtigkeitsgewähr gewährleisten könnten. Das Bestehen einer objektiv eine Disparitätslage nahelegenden Situation reicht indes für ein Bejahen der Disparität in der Sittenwidrigkeitsprüfung nicht aus, vielmehr muss grundsätzlich auch tatsächlich Disparität in der konkreten Verhandlungssituation festgestellt werden.32 Will man die Wirksamkeitskontrolle an eine gestörte Vertragssituation anknüpfen, ist diese Voraussetzung richtig und im Ergebnis zwingend. Disparitätslagen können jedoch auch mit unerwartet umgekehrter Rollenverteilung virulent werden. So ist in einer jungen Beziehung, aus der ein Kind hervorgeht, eine unterlegene Stellung nicht allein für die werdende Mutter indiziert. Auch der die Familienarbeit übernehmende Mann könnte geltend machen, dass er einem potentiell zu seinem Nachteil wirkenden Ehevertrag nur aus einem empirisch33 belegten Hang zu romantischer Verklärung und Verliebtheit von Männern zu Beginn einer Beziehung zugestimmt habe. Das Beispiel verunsichert: So wird gerade belegt, dass die Fallgruppen der Disparitäten nicht auf stereotypen Verhandlungssituationen aufbauen können. Disparitätslagen und damit potentiell die Unwirksamkeit der vertraglichen Eheausgestaltung können kaum erkennbar in dem Verhältnis der Partner zueinander versteckt liegen und damit potentiell überall die Rechtssicherheit aushöhlen. Das 29  Kritisch

zu LG Ravensburg ZEV 2008, 598 ff.: Münch ZEV 2008, 571, 572. AcP 210 (2010) 580, 598: insbes. zur argumentativen Termino-

30  Dauner-Lieb

logie. 31  Auch ebd. Dauner-Lieb aufgreifend: Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 75 ff. 32  Der Schwangerschaft kommt nach dem BVerfG lediglich indizielle Wirkung zu: BVerfGE 103, 89, 104 = BVerfG NJW 2001, 957, 959; auch: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 596 Fn. 88; grds. zur Disparität: Wagenknecht, Eheverträge, S.  123 ff. 33  Hervorzuheben ist in der Debatte der allgemein gehaltene, aber atypisch gelagerte Hinweis Grziwotz’ auf die unterlegene Stellung des Mannes unter Bezugnahme auf interdisziplinäre Literatur: Grziwotz FamRZ 1997, 585, 589 Fn. 78 m. V. a.: (wohl) Luhmann, Liebe als Passion (1982), S. 185 Fn. 6 (jedoch relativierend: Insbesondere wegen der zeitlichen Beschränkung der Neigung zu größerer Romantisierung auf den Beginn der Beziehung durch die Männer und weil unklar ist, inwieweit die Einschätzung des Partners dauerhaft beeinflusst ist.); Rubin, Liking and Loving (1973), S. 205 f. (insbesondere zu US Studierenden und den Umgang mit „romantic attraction“).



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung53

Beispiel verdeutlicht, dass sich auch hinter einer scheinbar klaren Disparitätslage zum Nachteil der Frau eine Disparität zum Nachteil des Mannes verbergen kann. Der gleiche Lebenssachverhalt kann Anknüpfungspunkt für Disparitätslagen bilden, auf die sich beide Partner berufen könnten. Die grundsätzlich der Rechtssicherheit dienende Fallgruppenbildung führt im Verhältnis der Ehepartner zueinander ad absurdum. Soweit auch der Mann sich wegen seines Hangs zur emotionalen Verklärung auf eine Disparität berufen könnte, muss die Frage aufgeworfen werden, inwieweit Eheverträge ohne vorherige psychologische Begutachtung noch rechtssicher abgeschlossen werden könnten. Immer breiter und tiefer aufgefächerte Disparitätsfallgruppen zeigen mögliche Disparitäten an und erfordern ein Überprüfen, ob tatsächlich eine Disparität vorliegt. Eine solche Überprüfung kann letztlich nur durch Psychologen oder Psychiater erfolgen. Damit droht die jederzeitige und vorbehaltlose Vertragsfreiheit unter den Vorbehalt von Psychologen und Psychiatern gestellt zu werden. b) Schutz durch Wirksamkeitskontrolle – aber nur soweit die Situation typisierbar ist Vor dem Hintergrund des Bemühens von Rechtsprechung und Literatur nach objektiver Richtigkeit ehelicher Vereinbarungen durch die Inhaltskontrolle wirkt die Nachricht von der „Freiheit zur Unvernunft“34 der Eheleute regelrecht erlösend. Suggeriert der Ausdruck doch eine Toleranz gegenüber einer als irrational oder unbillig empfundenen konkreten Vermögensausgestaltung der Ehe. Demgegenüber nachdenklich stimmt schon Hahnes Ermahnung zum „Fair Play“35 zwischen Ehegatten. Eine diesbezüglich aufschlussreiche Definition Hahnes wird jedoch vermisst. Gewiss ist unter „Fair Play“ zunächst das justiziable Befolgen und Einhalten der gesetzlichen Spielräume zu verstehen. Jenseits justiziabler Grenzen suggeriert Hahnes Begrifflichkeit mehr, als tatsächlich von ihr intendiert ist, nämlich eine sich auch im Ehevertrag widerspiegelnde Grundhaltung zu dem „Geist der ehelichen Verbindung“. Dies könnte etwa beinhalten, dass sich die Ehegatten gegenseitig gleiche Chancen einräumen. Regelmäßig bedeutet dies den Verzicht auf potentiell zum Tragen kommende eigene Freiheiten. Hahnes Ermahnung zu „Fair Play“ erweckt die Vorstellung, dass eine die Gütertrennung und den Pflichtteilsverzicht vorsehende eheliche Vermögensausgestaltung gleichwohl beiden Ehegatten ausreichend Raum zur eigenen 34  Coester-Waltjen, Liebe-Freiheit-gute Sitten, S. 985, 1002, in: Canaris (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I (2000). 35  Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S.  181, 188 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt.

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C. Ehevertragsrechtsprechung

Chancenverwirklichung in Vermögensfragen einräumt. Tatsächlich sieht Hahne die Vertragsfreiheit im Güterrecht weder grundsätzlich und auch nicht durch den Appell zu „Fair Play“ eingeschränkt.36 Der Appell Hahnes zeugt auch von dem Glauben an die Effizienz der eigenverantwortlichen Ausgestaltung der Ehe. So erfolgt der Appell zu einem Zeitpunkt, als die derzeitige Ehevertragsrechtsprechung entsprechend der sogenannten Kernbereichslehre in ihren wesentlichen Zügen gezeichnet war und justiziabler Schutz im Regelungsbereich des „Fair Play“ nicht mehr erwartet werden konnte. Disparitäten zwischen Eheleuten scheinen mit juristischer Definitionsfestigkeit weder objektiv bestimmbar noch mit juristischen Mitteln überwindbar zu sein. Zweifelhaft erscheint auch die der Rechtssicherheit geschuldete Voraussetzung der Typisierbarkeit37 einer Disparitätslage für deren Anerkennung im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung. Rechtssicherheit wiegt durch diese Wertentscheidung mehr als Einzelfallgerechtigkeit. Soweit dieser Grundsatz allgemein Beachtung findet, kann hiergegen nichts substantiell vorgebracht werden. Tatsächlich wird jedoch eine Utopie der Einzelfallgerechtigkeit verfolgt, solange mit immer neuen und ausgefeilteren38 Fallgruppen ein umfassendes Erfassen und Typisieren von Disparitätslagen suggeriert wird. Neben Gefahren für die Rechtssicherheit kollidiert diese Entwicklung mit den verfassungsrechtlichen Geboten des besonderen Schutzes jeder Ehe und dem Gleichheitssatz. Atypische Disparitätslagen lassen Einzelfallgerechtigkeit für die konkrete Ehe mangels der Typisierbarkeit gänzlich in den Hintergrund treten. c) Zuflucht in interdisziplinär geschaffenen Lösungsansätzen Die Versuche der vollständigen Aufarbeitung von Disparitätslagen ignorieren das Erfordernis der Rechtssicherheit und entpuppen sich zusehends als untauglicher Versuch, Gerechtigkeit in jeder ehelichen Vertragssituation herrschen zu lassen. Die durch diese Inhaltskontrolle offengelegten Herausforderungen werden zusehends als derart gewaltig erkannt, dass die Flucht in interdisziplinäre Wissenschaftsansätze beschritten wird. Eheliche Vertragsfreiheit wird oder 36  Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S.  181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 37  Die Typisierbarkeit als zwingende Voraussetzung einstufend: Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 595 Fn. 86 m. V. a. die Grundsätze der Bürgschaftsrechtsprechung: BVerfGE 89, 241, 232 = BVerfG NJW 1994, 36, 38. 38  Akribische Suche nach Disparitätslagen durch Wagenknecht, Eheverträge, S.  133 ff., insbes. S.  141 ff.



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung55

soll unter psychologischer, soziologischer und wirtschaftswissenschaftlicher Forschung reflektiert werden.39 Zuletzt wurde von Sanders vorgeschlagen, Rechtsgedanken aus dem Gesellschaftsrecht heranzuziehen, um Fragen der güterrechtlichen Teilhabe im Rahmen der Inhaltskontrolle zu beantworten. Gesellschaftsrechtliche Ausgleichsmechanismen sollen helfen, die Ehe als dynamische Vertragsbeziehung zu erfassen.40 Mit einem ökonomischen Ansatz ist es auch nicht abwegig, die Ehe auch als „Joint Venture“41 zu verstehen. Konsequent ist es daher, auch Wertungen aus gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsmechanismen dem Scheidungsfolgenrecht gegenüberzustellen.42 Partiell überzeugend mag das zu sachgerechten Ergebnissen führen können. An diesem Ansatz ist jedoch grundsätzlich nicht vollends stringent, einerseits wegen der Einzigartigkeit der Vertragssituation der Eheleute die Inhaltskontrolle immer weiter vorantreiben zu wollen, andererseits über das fern von dieser Besonderheit stehende Gesellschaftsrecht das Spannungsfeld ehelicher Teilhabe auflösen zu wollen. Interdisziplinäre Forschung scheint durchaus geeignet, die eheliche Verhandlungssituation in ihrer Einzigartigkeit zu reflektieren. So mag die Psychologie durchaus Aufschluss über die Vertragsverhandlungen geben. Allgemein birgt ein interdisziplinärer Lösungsansatz allerdings erhebliche Risiken. Lässt man einen Einfluss von Psychologie auf die Inhaltskontrolle zu, so ist mit fortlaufend neuen Erkenntnissen und einem fortlaufenden Anpassen der Systematik der Inhaltskontrolle zu rechnen. Rechtssicherheit dürfte über diesen Ansatz nur schwer erreicht werden. So erwartet auch Dauner-Lieb43 Irrwege und Überraschungsphasen für den von ihr grundsätzlich unterstützen44 interdisziplinären Lösungsansatz.

39  Schwenzer

AcP 1996 (196), 88, 104. werden die Besonderheiten der Ehe, der die Rechtsprechung über § 242 BGB Rechnung trägt: Vgl. Sanders, Dynamische Vertragsbeziehung, § 22 (S. 371 ff.) (im Überblick). 41  Sanders, Eine Lanze für die Teilhabe im ehelichen Güterrecht: Ökonomische Eigenverantwortung im Wandel der Rollenleitbilder, S. 99, 101 ff. in: BMFSFJ/MPI für ausländisches und internationales Sozialrecht (Hrsg.), Eigenverantwortung, Private und Öffentliche Solidarität – Rollenleitbilder im Familien- und Sozialrecht im europäischen Vergleich (2008); grds. ebenfalls aufgegriffen durch: Dauner-Lieb AcP 2010 (210), 580, 585. 42  Sanders, Dynamische Vertragsbeziehung, im Überblick u. a.: S. 364 f. (§ 18), S. 367 ff. (§ 21). 43  Dauner-Lieb AcP 2010 (210), 580, 583 ff., insbes. 609. 44  Dauner-Lieb AcP 2010 (210), 580, 583 ff., insbes. 609. 40  Analysiert

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C. Ehevertragsrechtsprechung

d) Disparitätserkennung in der Black Box-Ehe Die immer tiefer schürfende Suche nach ehelichen Disparitätslagen führt die Forschung in den Intimbereich der Ehe. Nur konsequent benennt Wagenknecht sexuelle Abhängigkeit als einen weiteren Fall der Disparität.45 Auch der in der emotional aufgeladenen Situation der Ehekrise abgeschlossene Ehevertrag scheint grundsätzlich in Bezug auf Disparitäten problematisch sein zu können.46 Hier beginnt rechtliche Evolution zum Rückschritt zu mutieren. Mit der Abkehr vom Verschuldens- hin zum Zerrüttungsprinzip47 bei der Scheidung brachte der Staat die Achtung der Würde der Eheleute zum Ausdruck. Der Richter und damit der Staat sollte nach der Reform des Scheidungsrechts gerade nicht mehr den Intimbereich der Ehe im Rahmen des Scheidungsprozesses aufrollen. Nunmehr droht über die Disparitätsfeststellung bei der Sittenwidrigkeitsprüfung ein Rückfall unter dieses Schutzniveau in Bezug auf die Streitigkeiten unter Eheleuten. Die eheliche Intimsphäre, in der Disparitätslagen wurzeln, ist dabei nicht nur durch den allgemeinen Schutz der Intimsphäre48 durch Art. 2 Abs. 1 GG, sondern durch den staatlichen Schutzauftrag der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG49 geschützt. Gerechtigkeit war in dem komplexen, intransparenten und vielschichtigen System der Ehe mit dem Prinzip der Verschuldensscheidung nicht erreichbar. Wagenknechts konsequenter Vorstoß zu Disparität wegen sexueller Abhängigkeit geht mit dem staatlichen Offenlegen des Intimbereichs der Ehe einher. Dieses Aufrollen des Intimbereichs erfolgt im notariellen und gerichtlichen Verfahren. Am juristischen Nutzen dessen ist insgesamt zu zweifeln. Insbesondere ist zu besorgen, dass tatsächlich sexuell Abhängige aus nachvollziehbarem Schamgefühl dies nicht geltend machen. Auf dieser Basis kann dem besonderen Schutz der Ehe, der auch hinter der Ehevertragsrechtsprechung steht, nicht Rechnung getragen werden. Zudem 45  Wagenknecht,

Eheverträge, S. 141. BGH NJW 2014, 1101, 1106: grundsätzlich unbedenklicher Abschluss eines Ehevertrages in der Ehekrise bei anwaltlicher Beratung auf beiden Seiten und genügend Überlegungszeit. Born NJW 2014, 1484, 1487: zur Inhaltskontrolle von in der emotional belasteten Phase der Trennungszeit geschlossenen Eheverträgen im Zusammenhang mit der zuvor genannten Entscheidung des BGH. 47  Zum 1. EheRG 1976: Rauscher in: Staudinger, (1564–1568; §§ 1568 a + b), (Juni 2010) Vor. 1564 Rn. 25 ff. 48  Dreier in: Dreier, Band I (2004), Art. 2 Abs. 1 Rn. 70. 49  Zumindest soll Art. 2 Abs. 1 GG allgemein von dem spezielleren Art. 6 Abs. 1 GG bei ehevertraglichen Regelungen nach Di Fabio verdrängt sein, in: Maunz/Dürig, (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103. Ebenfalls aus Art. 6 Abs. 1 GG wird das Recht hergeleitet, die Ehe frei von gesetzlichen Vorgaben auszugestalten: Badura in: Maunz/Dürig, (April 2012) Art. 6 Abs. 1 Rn. 50a. Vgl. ebenfalls die sich grds. eng an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht orientierende Kommentierung bei: Leibholz/Rinck, (Juli 2003) Art. 6 Rn. 131, 132. 46  Vgl.



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung57

werden Gerichte personell und sachlich durch immer weitere, ehebezogene Disparitäten überfordert. Gleiches gilt schon im notariellen Verfahren. Die Unterstützung des Gerichts durch Sachverständige muss in einer effektiven Justiz die Ausnahme bleiben und darf nicht durch eine Vertiefung in immer neue Disparitätslagen zum Grundsatz werden. Diese dogmatische Sackgasse ist die konsequente Folge des Wuchertatbestandes als dogmatischem Ausgangspunkt der Sittenwidrigkeitsbestimmung von Eheverträgen. Abstrakt wird durch Wagenknecht zwar nachvollzogen, dass Vereinbarungen der Eheleute keine Austauschverträge sind.50 Nicht problematisiert wird dagegen, ob die grundsätzlich auf dem wucherischen Austauschvertrag aufbauenden Strukturen der Wirksamkeitskontrolle geeignet sind, die Sittenwidrigkeit unter Eheleuten überhaupt zu erfassen. Die subjektiven Beziehungen der Vertragsparteien lassen sich im reinen Austauschvertrag des Wirtschaftslebens durch deren Bezug auf den Vertragsgegenstand leicht nachzeichnen. Der eigenverantwortliche Umgang mit einem gegebenenfalls hinzutretenden bedingt irrationalen Affektionsinteresse an dem Vertragsgegenstand darf noch unterstellt werden. Die Interessenlage der Eheleute an Ehe und ehelicher Vermögensausgestaltung kann nicht in vergleichbar umfassender und objektivierbarer Weise nachvollzogen werden. Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht behandeln nur „Nebenabreden“ zur „Hauptsache“ Ehe. Die „Hauptsache“ Ehe und das Interesse der Partner an dieser wird im Vergleich zu Austauschverträgen nur schwach beleuchtet. Das verwundert nicht. Ein wucherischer Kaufpreis wegen objektivem Missverhältnis von Preis zu Ware lässt sich mathematisch leicht bestimmen: Ein objektives Missverhältnis liegt regelmäßig vor, wenn der Preis etwa das Doppelte des marktüblichen Preises beträgt.51 Wie soll aber diese Herangehensweise auf die Ehe übertragen werden? Den Wert der Ehe als solche, wie etwa der Wert eines Kaufgegenstandes, berücksichtigt die Inhaltskontrolle von Eheverträgen nicht. Die Inhaltskontrolle von Eheverträgen lässt die Hauptsache Ehe als solches außen vor. Diese Problematik klang schon in der ersten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen an:52 Die schon ein aus einer früheren Ehe stammendes Kind betreuende Schwangere wollte in dem zu entscheidenden Fall geehelicht werden. Der Erzeuger setzte hierfür einen die Scheidungsfolgenrechte weitgehend kassierenden Ehevertrag voraus. Materielle Sicherheit für die Schwangere konnte damit kein Wagenknecht, Eheverträge, S. 132. Sack/Fischinger in: Staudinger (Allgemeiner Teil 4a), (September 2011) § 138 Rn. 208. 52  BVerfGE 103, 89 ff. = BVerfG NJW 2001, 957 ff. = FamRZ 2001, 343 ff. = DNotZ 2001, 222 ff. 50  Vgl.: 51  Vgl.

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C. Ehevertragsrechtsprechung

starkes Motiv mehr für die Eheschließung sein. Auch ist das Band zwischen den Partnern durch das regelmäßig vorhandene Bewusstsein für die gemeinsame Sorgeverantwortung für das Kind grundsätzlich zumindest ähnlich stark ausgeprägt, wie das zwischen den Eheleuten durch die Ehe mit einem lediglich zeitlich53 gestreckten Scheidungsverfahren gezurrte Band. Die Verbindung beider Partner durch das gemeinsame Kind dürfte sogar länger Bestand haben als eine Ehe angesichts relativ kurzer Scheidungsverfahren. Die höchstpersönlichen mit der Ehe verbundenen emotionalen Erwartungen und Hoffnungen der Frau ließen die Ehe offenbar für diese dennoch als erstrebenswert erscheinen. Dieser individuell der Ehe durch die Partner beigemessene Wert korreliert zu dem subjektiv dem jeweils anderen Partner zugeordneten „Wert“. Die individuelle Bereitschaft, auf potentielle gesetz­ liche Rechte und Lebenschancen zu verzichten, steht in Korrelation zu dem Ergebnis von in weiten Teilen unterbewusst stattfindenden Prozessen. So lässt sich auch erklären, dass sich ein seiner potentiellen gesetzlichen Rechte begebender Gatte vom Zeitpunkt dieser ehelichen Vereinbarung – über die gesamte Ehe hinweg – nicht als durch den Ehevertrag bzw. den Pflichtteilsverzicht benachteiligt sehen muss. Das mag auch noch nach der Scheidung der Ehe gelten. Das „Affektionsinteresse“ an dem Partner kann schließlich größer sein als das an jedem denkbaren Kaufgegenstand. Trotz eines von dem Ehegatten erkannten (konkreten) Risikos des Scheiterns der Ehe und dementsprechenden ehebedingten Nachteilen wird die Ehe mit einem bestimmten Partner insgesamt trotz nachteiligem Ehevertrag nicht als nachteilig empfunden. Die Ehevertragsrechtsprechung setzt sich über diese irrationalen Mechanismen mit der Unterstellung der Übervorteilung eines der Partner hinweg. Möglich wird diese Unterstellung der Übervorteilung erst durch die schwerpunktmäßige Bewertung ehelicher Nebenabreden (Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht) als Indiz einer Benachteiligung und damit auch als Indiz subjektiver Unterlegenheit. Für den Austauschvertrag des Wirtschaftslebens ist dagegen solch eine partielle Betrachtung von Nebenabreden nicht denkbar. Ein Zivilprozess kann allenfalls ähnlich der Auswertung der Black Box eines abgestürzten Flugzeuges die Ehe nachvollziehen. Einer Black Box ist es eigen, vieles im Dunkeln zu belassen. Eine gescheiterte Ehe lässt sich auch nicht durch einen Blick auf deren Schlussphase nachvollziehen. Dagegen kann die Ursache für den Absturz eines Flugzeuges durch die Rekonstruktion der letzten 30 Minuten Aufzeichnungsdauer einer Black Box sehr wohl erklärt werden. Auf Basis des wenigen Lichts, das der Zivilprozess in 53  Vgl.

§§ 1565 ff. BGB.



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung59

das Dunkel einer Ehe bringt, kann nicht angenommen werden, die Verhandlungssituation der Eheleute korrekt zu rekonstruieren, insbesondere nicht wegen des regelmäßig ganz erheblichen Zeitmoments zwischen ehelicher Vereinbarungen und „Störungsfall“ Scheidung. Es ist schlicht nicht aufklärbar, welcher Partner welchen Eigenschaften des anderen Partners welchen besonderen Wert beimaß. Ebenso lässt sich nicht klären, ob die Partner die Verbindung zueinander entsprechend den ehevertraglichen Vereinbarungen als Kompromiss eingeordnet haben, ohne den eine Ehe erst gar nicht eingegangen worden wäre. Diese Sichtweise der Partner ist auch nicht illegitim, denn gerade historisch betrachtet war die Ehe eher ein wirtschaftlicher als emotional motivierter Zusammenschluss zweier Partner. Im Kaufvertrag kann der Wert des Vertragsgegenstandes objektiv bestimmt werden. So dogmatisch konsequent diese Bestimmung für die Ehe auch wäre, so klar ist sie dem Staat wegen der hierfür notwendigen Eröffnung des verfassungsrechtlich geschützten Intimbereichs der Partner untersagt. Eine in dem Verhältnis der Ehegatten angelegte Disparität ist damit nur ganz begrenzt geeignet, zur Sittenwidrigkeitsbestimmung herangezogen zu werden, soll nicht zugleich die verfassungsrechtlich geschützte Intimsphäre der Partner verletzt werden. Die gesamte rechtliche Stringenz einer durch die Wissenschaft und Rechtsprechung abgelehnten objektiven Bestimmung54 der Sittenwidrigkeit erschließt sich erst vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung des subjektiven Elements der Wirksamkeitskontrolle bei Eheverträgen. Streng von der zuvor erörterten ehebezogenen Disparität ist eine eheunspezifische Disparität zu unterscheiden. Eine allgemeine, eheunspezifische Disparität kann in der Sprachunkundigkeit55 eines Ehegatten liegen. Diese Disparitätslage kann ohne Eingriff in den Intimbereich der Eheleute bestimmt und abgewendet werden. Eheunspezifische Disparitätslagen können daher auch weiterhin bei der Wirksamkeitskontrolle unberührt bleiben. Diese Form der Disparität muss schlicht im Rahmen der notariellen Form überwunden werden. 54  Zur Kritik der wohl h. M. an: OLG Hamm FamRZ 2006, 337 ff.: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu §§ 1408 ff. Rn. 14. 55  Wendt ZNotP 2006, 2, 3 m. V. a. OLG Nürnberg FamRZ 2003, 634 ff.: Wendt zur „Beratungsqualität“ der beurkundenden Notarin. Fall zur Sprachunkundigkeit trotz Dolmetschers. Besonders interessant – leider ohne grundsätzliche juristisch Vertiefung – ist die durch die Notarin im späteren Verfahren grundsätzlich unwidersprochen gebliebene Einlassung, nach der die Notarin den Ehevertrag mitsamt Pflichtteilsverzicht insoweit relativierte, dass der „Vertrag im Übrigen nur Papier sei“. Die notarielle Form soll dagegen über die Tragweite der Erklärungen aufklären. Soweit diese Formwirkungen systematisch unterlaufen werden, dürfte auf eine Wirksamkeit der beurkundeten Erklärungen grundsätzlich nicht erkannt werden.

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C. Ehevertragsrechtsprechung

3. Disparität – Geschäftsunfähigkeit light a) Gemeinsame Anknüpfungsmomente von Sittenwidrigkeit und Geschäftsunfähigkeit Die Grenzen zwischen Sittenwidrigkeit und Geschäftsunfähigkeit verschwimmen mit dem Festhalten an ehebedingter Disparität als Teil der Wirksamkeitskontrolle. Auf Rechtsfolgenseite sehen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB, partielle Geschäftsunfähigkeit gemäß § 105 Abs. 2 BGB und die volle Geschäftsunfähigkeit gemäß § 105 Abs. 1 BGB mit der Nichtigkeit die gleiche Rechtsfolge vor. Auf Tatbestandsebene fällt eine klare Abgrenzung durch das Merkmal der ehebedingten Disparität bei der Sittenwidrigkeitsprüfung zunehmend schwer. Äquivalenzstörungen und besondere Nachteiligkeit eines Ehevertrages für einen Partner lassen zumindest erhebliche Rückschlüsse auf ein Vorliegen des subjektiven Elements der Sittenwidrigkeit zu.56 Die wechselseitige Beziehung von Disparität einerseits zur Sittenwidrigkeit und andererseits zur fehlenden Geschäftsfähigkeit wegen einer in der Disparitätslage wurzelnden irrationalen Eheausgestaltung, stellt die Selbstbestimmungsfähigkeit der Eheleute in Frage. Die exakte Bestimmung der Geschäftsfähigkeit sichert eine funktionierende Privatautonomie57 und ist für die Herstellung weitgehender Rechtssicherheit58 unerlässlich. Der objektiv einen Gatten einseitig benachteiligende Ehevertrag, die Konsequenz individueller Eheausgestaltung, ist der Ausgangspunkt für die Unterstellung einer persönlichen Unfähigkeit eines Ehegatten seine rechtlichen Verhältnisse sachgerecht und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können. Durch den Blick von außen auf die Ehe wird nicht nur die konkrete Eheausgestaltung als unbillig eingestuft, sondern hierüber wird auch das Unvermögen einer „vernünftigen“ autonomen Ausgestaltung der Ehe durch zumindest einen der Partner abgeleitet. Fundament des Vertragsrechts ist der zu achtende freie Wille der Handelnden.59 Ein Anknüpfen an das Unterlegen sein eines Ehegatten bei der Sittenwidrigkeit stellt dies zunehmend in Frage. Die Rechtsfolge der Sittenwidrigkeit mag den „unterlegenen“ Ehegatten schützen. Erreicht wird dieser 56  Wagenknecht, Eheverträge, S. 132: Zum „Institut der tatsächlichen Vermutung“ des subjektiven Elements. 57  Knothe in: Staudinger (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) Vorbem. zu §§ 104–115 Rn. 19. 58  Knothe in: Staudinger (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) Vorbem. zu §§  104–115 Rn.  19 m. w. N. 59  Grds. auch Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 56 f.: Zur rechtspolitischen Bedeutung des Eingriffs in den Vertrag über § 313 BGB (anlässlich des Pflichtteilsverzichts).



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung61

Schutz durch ein faktisches Absprechen der Fähigkeit, die eigene Ehe noch angemessen auszugestalten. Der Schutz des „unterlegenen“ Ehegatten stellt damit gleichzeitig einen Eingriff in die freie Eheausgestaltung dar. Das damit aufgeworfene Problem der „Grundrechtsmündigkeit“60 wurde bisher im Zusammenhang mit der Geschäftsfähigkeit diskutiert. Über die Disparität wird es auch ein Problem der Sittenwidrigkeit. Die notwendige Abgrenzung zwischen Sittenwidrigkeit und Geschäftsfähigkeit als grundlegend verschiedene Nichtigkeitsgründe wird durch die für die Selbstbestimmungsfähigkeit der Eheleute besondere Problematik der Grundrechtsmündigkeit verdeutlicht. Den Schutz eines der Ehegatten über die Nähe zur Grundrechtsunmündigkeit zu suchen, birgt erhebliche Gefahren für die freie Ausgestaltung der Ehe und die Rechtssicherheit. Die konsequente Betrachtung und Entwicklung ehelicher Disparität führt zu einer bedenklichen Annäherung der tatbestandlichen Voraussetzungen von Sittenwidrigkeit und Geschäftsunfähigkeit. Geschäftsfähigkeit kennzeichnet das Imstandesein zur freien Willensbildung, die sich unbeeinflusst von Geistesstörungen vollzieht.61 Die freie Willensbildung ist dann nicht mehr gewährleistet, wenn die Willensbildung nicht mehr auf rationalen Erwägungen, sondern auf unkontrollierbaren Trieben oder Vorstellungen beruht.62 Für ehebezogenes Handeln muss nicht der Regelfall einer auf die ganze63 Person bezogene Geschäftsunfähigkeit vorliegen. So kann die Geschäftsunfähigkeit „gegenständlich“64 auf einzelne Bereiche beschränkt sein. Eifersuchtswahn65 oder sexuelle Abhängigkeit66 sind durch die Rechtsprechung anerkannte Gründe für eine auf einzelne Bereiche beschränkte Geschäftsunfähigkeit. Eifersucht und sexuelle Abhän60  So für die Geschäftsfähigkeit frühzeitig als Problem erkannt durch: Krüger FamRZ 1956, 329 ff.; Knothe in: Staudinger (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) Vorbem. zu §§ 104–115 Rn. 102 m. V. a. ebd. 61  Definition eng nach: J. Schmitt in: MünchKomm, Band 1 (2012), § 104 Rn. 14. 62  Definition eng nach: J. Schmitt in: MünchKomm, Band 1 (2012), § 104 Rn. 14 m. w. N.; BGH NJW 1970, 1680, 1681; BGHZ 18, 184, 186 f.; BGHZ 30, 112, 117 f. m. w. N. 63  J. Schmitt in: MünchKomm, Band 1 (2012), § 104 Rn. 15 m. w. N. u. a. BGHZ 10, 266 ff. = BGH NJW 1953, 1342 ff. (Die Rechtsprechung ist bei der Anerkennung der partiellen Geschäftsunfähigkeit zurückhaltend.). 64  Knothe in: Staudinger (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) §  104 Rn. 14 m. V. a. Gebauer AcP 153 (1954) 332, 343 ff. (zur partiellen und relativen Geschäftsunfähigkeit). 65  Knothe in: Staudinger (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) §  104 Rn. 14 m. V. a. RG JW 1912, 872 f. 66  Knothe in: Staudinger (Allgemeiner Teil 3), (Aug. 2011) § 104 Rn. 14 m. V. a. zuletzt BGH NJW-RR 2002, 1424.

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C. Ehevertragsrechtsprechung

gigkeit sind ebenfalls Gründe, die ehebedingte Disparität im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung nahelegen.67 Hiermit verschwimmen die Grenzen zwischen Sittenwidrigkeit und Geschäftsfähigkeit nicht nur, es bestehen schon erste Schnittmengen. b) Kein Mensch ist Herr im eigenen Haus68 Das Vordringen in Kernbereiche menschlicher Willensbildung durch das Element der Disparität bei der Sittenwidrigkeitsprüfung von Eheverträgen wirft komplexe Fragen auf: Ist der menschliche Wille überhaupt frei? Wie weit ist dieser Wille frei? Auch für den Pflichtteilsverzicht wird der freie Wille als Fundament des Vertragsrechts gesehen.69 Die Hirnforschung kann hier keine klare Antwort auf die Frage der Freiheit des menschlichen Willens geben. Moderne von dem Gehirn bei Entscheidungsprozessen bildgebende Forschungsmethoden der Medizin lassen jedoch grundsätzliche Zweifel an der Freiheit des menschlichen Willens keimen. Es scheint, als ob die Entscheidung schon vor dem bewussten Willensentschluss des Menschen vorgegeben und damit nicht „frei“ ist.70 Schon um Zweifel am Sinn des Strafverfahrens und der Vertragsfreiheit als Säule des Zivilrechts nicht noch weiter zu befördern, pflegt die Rechtsprechung wohl eine fern dieser wissenschaftlichen Zweifel liegende, sehr pragmatische Handhabung von Schuld-71 und Geschäftsfähigkeit.72 Mit „normalem Richterverstand“ hat sich das Gericht mit psychiatrischen Gutachten zur Geschäfts- bzw. Schuldfähigkeit auseinanderzusetzen und eine Entscheidung für die Lebenswirklichkeit zu treffen.73 67  Zu ähnlichen und vergleichbaren Fallgruppen: Wagenknecht, Eheverträge, S. 141. 68  Zu der auf Sigmund Freund zurückgehenden These: Kein Mensch ist Herr seiner selbst bzw. Kein Mensch ist Herr im eigenen Haus: Quindeau/Sigusch, Freud und das Sexuelle, S. 27 m. w. N. 69  Grds. dahingehend auch: Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 56 f. 70  Vgl. Braus, EinBlick ins Gehirn: Eine andere Einführung in die Psychiatrie (2011), S. 67. 71  Zu den grundsätzlichen Berührungspunkten zwischen Disparität und Schuldunfähigkeit: Streng in: MünchKomm StGB, Band 1 (2011), zum Schwachsinn: § 20 Rn. 12, 38, 48, 65; intellektuelle Minderbegabung: § 20 Rn. 35, 38 f., 103; pragmatisch sozialer Schuldbegriff und Neurowissenschaft: Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 7.2.2 (S. 80 ff.). 72  Vgl. zur Geschäftsunfähigkeit: Knothe in: Staudinger (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) § 104 Rn. 10. 73  Exemplarisch am Beispiel des Strafverfahrens: Streng in: MünchKomm StGB, Band 1 (2011), § 20 Rn. 177; Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 7.2.2 (S. 80 ff.).



I. Angehörigenbürgschaftsrechtsprechung63

Ehe, Familie und Intimleben sind besonders anfällig für irrationale Entscheidungen. Liebe macht blind – sagt schon der Volksmund. Für diese Erkenntnis bedarf das Gericht oder der beurkundende Notar nicht des sachverständigen Rats eines Psychologen oder Psychiaters. Auch der Gesetzgeber kennt psychische Ausnahmesituationen. Eine solche sah der Gesetzgeber in der Situation der das Neugeborene tötenden unehelichen Mutter. Die strafrechtliche Privilegierung des § 217 StGB a. F. wegen der psychischen Ausnahmesituation der uneheliche Mutter trug dem Rechnung. Dieser pragmatische Umgang mit der menschlichen Willensbildung durch die Justiz droht durch die ehebedingte Disparität zusehends aufgegeben zu werden. Ehe und Familie betreffen Kernfragen der menschlichen Existenz. Wenn der Hirnforschung tatsächlich der Beweis gelingen sollte, dass der menschliche Wille in Teilbereichen nicht frei ist, besteht zumindest eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Entscheidungen mit Bezug auf den auch unterbewusst gesteuerten Intimbereich und damit die in der Ehe zum Ausdruck kommende Partnerwahl davon erfasst sind. Der bisherige pragmatische und rechtsstaatliche Umgang mit der Freiheit des menschlichen Willens darf durch eine immer weitere Ausdehnung ehebedingter Disparität langfristig nicht in Frage gestellt werden. Privatautonomie, Rechtssicherheit und damit das Recht der freien ehelichen Vermögensausgestaltung werden sonst langfristig in Frage gestellt. Einerseits scheint der Bundesgerichtshof mit seinem (selbstverständlichen) Appell nach bestmöglichem Schutz der schwächer anmutenden Ehevertragspartei über das Beurkundungsverfahren die grundlegende Problematik einer irrationalen ehelichen Vermögensausgestaltung zu erfassen.74 Anderseits mutet der Weg zu diesem Ziel über eine immer weitere Stärkung75 der Bedeutung der Disparität als subjektives Element der Sittenwidrigkeit wie die Quadratur des Kreises an. Können Disparitäten über das Beurkundungsverfahren nicht beseitigt werden, findet Schutz über die Sittenwidrigkeit allerdings nur insoweit statt, als eine typisierbare und anerkennenswerte Disparitätslage vorliegt.

74  So interpretiert Siegler die Rechtsprechung zu Recht: BGH DNotZ 2013, 528 ff., mit Anmerkung Siegler 538, 541. 75  Eine „zunehmende[…] Tendenz“ des Ausschlags der subjektiven Seite bei der Sittenwidrigkeitskontrolle erkennt Siegler: BGH DNotZ 2013, 528 ff., mit Anmerkung Siegler 538, 540.

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C. Ehevertragsrechtsprechung

II. Überwindung ehebedingter Disparität durch das Beurkundungserfordernis? Die Disparität stellt auf ein Verhandlungsungleichgewicht zwischen den Ehegatten als Vertragspartner ab. Mit der notariellen Form geht nicht nur eine Beweis-, sondern auch eine Beratungs- und Warnfunktion einher.76 Grundsätzlich können über die Beratungs- und Warnfunktion Disparitäten zwischen Vertragspartnern überwunden werden. Als Kernstück des Beurkundungsverfahrens wird § 17 Abs. 1 BeurkG verstanden, der auf die Willenserforschung und das Vermeiden von Zweifeln und Irrtümern zielt.77 Damit hat das mit der notariellen Beurkundung einhergehende Verfahren erhebliches Potential zur „Kontrollfestigkeit“ ehevertraglicher Vereinbarungen beizutragen. Zugleich hat die notarielle Beurkundung immanente Grenzen beim Überwinden von Disparitätslagen. Potential und Grenzen des notariellen Verfahrens sind daher auszuloten. 1. Vertragsgerechtigkeit durch das notarielle Verfahren? Vertragsgerechtigkeit durch Vertragsfreiheit kann in der Ehe praktisch kaum78 sichergestellt werden. Weder kann noch soll Vertragsgerechtigkeit über die Generalklauseln erreicht werden.79 Auch ist das notarielle Verfahren in seinen gesetzlichen Grenzen nur begrenzt in der Lage, Vertragsgerechtigkeit herzustellen. Der Notar berät die Eheleute und warnt diese möglicherweise vor den Rechtsfolgen der gewünschten Vermögensausgestaltung der Ehe. Dabei setzt das notarielle Standesrecht dem Notar zugleich Grenzen. Nach § 14 Abs. 1 BNotO ist der Notar unabhängiger und unparteiischer Betreuer der Beteiligten. Mit der notariellen Unparteilichkeit wäre es nicht vereinbar, wenn der Notar sich im Interesse einer vermeintlich bestmöglichen Vertragsgerechtigkeit bei der ehelichen Vermögensausgestaltung zum Beschützer des vermeintlich unter76  Vgl. Krug, Erbrecht, S. 158; Hertel in: Staudinger (§§ 125–129, (BeurkG)), (Oktober 2011) Vorbem. zu §§ 127a, 128 Rn. 6 ff. 77  Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 1 m. V. a.: (vorherige Auflage): Lerch, Beurkundungsgesetz (2011), § 17 Rn. 1: ebenfalls mit der wohl erstmaligen Einschätzung des § 17 BeurkG als Kernstück des BeurkG. 78  Vgl. Zweigert, „Rechtsgeschäft“ und „Vertrag“ heute, S. 493, 503 m. w. N. in: Caemmerer u. a. (Hrsg.), Festschrift für Max Rheinstein zum 70. Geburtstag (1969), Band 2: Der Festschriftenbeitrag bezweifelt Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit vor einer unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Stellung der Vertragsparteien. Die nicht enden wollende Diskussion um die Disparität bei Eheleuten ist Ausprägung der beschriebenen Grundproblematik. 79  Vgl. B. III. 1.



II. Überwindung ehebedingter Disparität durch Beurkundungserfordernis?65

legenen Ehegatten aufschwingen würde. Gleichwohl ist das volle Ausschöpfen des Potentials der notariellen Form zur Gewährleistung einer möglichst ausgeglichen Verhandlungssituation der Partner und damit weitgehender Vertragsgerechtigkeit geboten. Vertragsgerechtigkeit und Sittenwidrigkeit sind über die Disparitätslage als Anknüpfungspunkt der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB eng verwoben. Der Bundesgerichtshof80 wies die Forderung aus den Reihen des Notariats81 nach einer weitgehenden Privilegierung notarieller Urkunden bei der richterlichen Inhaltskontrolle zurück. Münch82 räumt als Notar selbst am Beispiel des durch das Bundesverfassungsgericht entschiedenen Falls zum Ehevertragsschluss durch eine schwangere Frau die begrenzte Leistungsfähigkeit der Beurkundung beim Überwinden von Disparitätslagen ein. Dies begründet Münch mit einer durch das Bundesverfassungsgericht letztlich festgestellten psychischen Zwangslage der Ehefrau, die auch durch das notarielle Verfahren nicht zu überwinden war. Einerseits kann hierin die Aufgabe83 des Anspruchs auf die vertragliche Richtigkeitsgewähr erkannt werden. Andererseits kann hierin auch die tatsächliche Reichweite des durch die notarielle Form zu gewährleistenden und damit gesetzlich bestimmten Umfangs84 der Richtigkeitsgewähr abgelesen werden. Der Anspruch an die vertragliche Richtigkeitsgewähr kann nur relativer Natur sein. In einem Rechtsstaat findet ein durch den Gesetzgeber ausgestaltetes Vertragsverfahren zwangsläufig dort seine Grenzen, wo es die im Intimbereich wurzelnde Irrationalität des Einzelnen überwinden möchte. Weder darf ein rechtsstaatliches Verfahren diese Bereiche obligatorisch offenlegen noch darf es sich über die im Intimbereich angelegten irrationalen Wünsche hinwegsetzen, also im Intimbereich wurzelnde Wünsche wegen objektiver „Vertragsungerechtigkeiten“ weggestalten.85 Der Verzicht auf ehebedingte Disparität bei der Sittenwidrigkeitsprüfung ist daher wünschenswert sowie notwendig. Unter einer ehebedingten Disparität sind sol80  BGHZ 158, 81, 92 = BGH NJW 2004, 930, 933 f. (Zurückweisung der Forderung Langenfelds (DNotZ 2001, 272, 279) nach einer Privilegierung notarieller Urkunden bei der Inhaltskontrolle.). 81  Langenfeld DNotZ 2001, 272, 279: Langenfeld dennoch mit systematisch richtigem Ansatz, das Potential der notariellen Form zur Gewähr einer „freien“ Entscheidung auszuschöpfen. 82  Münch DNotZ 2004, 901, 913. 83  So Grziwotz FamRB 2004, 199, 201, demnach biete die „notarielle Beurkundung keine Richtigkeitsgewähr (mehr)“. So auch ebd. Grziwotz interpretierend: Münch DNotZ 2004, 901, 913 Fn. 83. 84  So Münch DNotZ 2004, 901, 913 (mit Fn. 83) entgegen Grziwotz FamRB 2004, 199, 201. 85  Vgl. B. III. 1. e).

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C. Ehevertragsrechtsprechung

che Disparitätslagen zu verstehen, die in dem persönlichen Verhältnis der Ehegatten zueinander wurzeln. Hierunter fallen Disparitäten wegen emotionaler oder sexueller Abhängigkeit. Für allgemeine Disparitätslagen muss der Anspruch bestehen bleiben, diese über die notarielle Form weitgehend einzuebnen. Unter allgemeinen Disparitätslagen sind nicht auf das persönliche Verhältnis der Eheleute als Partner zurückzuführende Disparitäten zu verstehen. Praktisch relevant kann eine Disparität wegen mangelhafter deutscher Sprachkenntnisse sein. Bei einer derartigen Disparitätslage bestehen keine rechtsstaatlichen Bedenken, diese bei der Verhandlung zu dem Ehevertrag durch das notarielle Verfahren zu überwinden. Im Gegenteil: Es ist gerade Ausdruck des Rechtsstaats, das Vertragsrecht derart auszugestalten, dass die Vertragsparteien im Bewusstsein aller rechtlichen Konsequenzen in Eigenverantwortung von ihrer Vertragsfreiheit Gebrauch machen. Auch wenn ein Verzicht auf die ehebedingte Disparität bei der Wirksamkeitskontrolle wünschenswert wie konsequent wäre, wird bei der weiteren Untersuchung des Potentials der notariellen Form mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von der Erheblichkeit ehebedingter Disparität für die Wirksamkeitskontrolle ausgegangen. Es wird geklärt, wie die notarielle Beurkundung zu wirksam abgegebenen Erklärungen und deren Dokumentation beitragen kann. 2. Präambeln als Chance für mehr Rechtssicherheit Gleichwohl muss angesichts einer ehebedingten und allgemeinen – nicht ehebedingten – Disparität als Element der Sittenwidrigkeitsprüfung betrachtenden Rechtsprechungspraxis versucht werden, über das Beurkundungsverfahren weitest möglich allen Disparitätslagen zu begegnen. Die gesetzlichen Möglichkeiten der notariellen Beurkundung müssen in der Praxis voll ausgeschöpft werden. Vertragsgerechtigkeit und die Wirksamkeit der Erklärungen kann durch die Weiterentwicklung des Inhalts der notariellen Urkunden bzw. von deren Nebenakten sowie über das Beurkundungsverfahren selbst gefördert werden. Konkret wird von der Literatur die Erforschung der Motivlage mitsamt deren Dokumentation sowie einer dementsprechend angepassten Beratung der Eheleute durch den Notar empfohlen. Dieses Verfahren soll etwaige Disparitätslagen zwischen den Eheleuten offenlegen und überwinden helfen.86 Gegen die Dokumentation der Motive in der notariellen Urkunde hegt Bengel mit dem Hinweis auf den Zweck der notariellen Form 86  Für den Pflichtteilsverzicht: insbes. Wachter ZErb 2004, 306 ff. Allgemein auf Eheverträge bezogen: Volmer ZNotP 2005, 242, 244 („Vertragswirksamkeit wegen Belehrung“, etwa: Überlegungsfrist, Einschaltung eines Rechtsanwalts) m. w. N. in Fn.  40 u. a.: Bredthauer NJW 2004, 3072, 3074, 3076.



II. Überwindung ehebedingter Disparität durch Beurkundungserfordernis?67

in Gestalt der Beurkundung von Willenserklärungen (§ 8 BeurkG) grundsätzliche Bedenken.87 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Die Motive der Parteien müssen nach dem BeurkG grundsätzlich nicht durch den Notar festgehalten werden. Gleichwohl stimmt Bengel der Aufnahme von Motiven in notarielle Urkunden für Eheverträge zu. Für den Pflichtteilsverzicht lehnt er dies unter dem Hinweis auf den genannten Zweck des notariellen Verfahrens wiederum ab. Diese Position lässt sich aus der Verantwortung der Notare nachvollziehen, als Teil der vorsorgenden Rechtspflege88 wirksame Willenserklärungen zu beurkunden. In der Vergangenheit ist das mit gutem Erfolg gelungen. Trotz Bengels kritischer Haltung gegenüber dem Aufnehmen von Motiven in notariellen Urkunden lässt seine Offenheit für die Dokumentation von Motiven in Eheverträgen erkennen, dass diese dann legitim und sogar geboten ist, wenn es dem Festhalten wirksam abgegebener Willenserklärungen dient. Über die Dokumentation der Motive der Eheleute und der Umstände bezüglich des Ehevertrages kann das Fehlen von Disparität anzeigenden Umständen rechtssicher in der notariellen Urkunde dokumentiert werden. Dies ist konsequent: Die notariell beurkundeten Willenserklärungen sollen wirksame Erklärungen sein.89 Die notarielle Form selbst stellt keinen Automatismus dar, der wirksame Willenserklärungen hervorbringt. Bisher gewährleistete die geübte besondere Umsicht der Notare stets die Wirksamkeit der beurkundeten Erklärungen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Notarhaftung gebietet dem Notar, stets den sichersten Weg zu wählen und die Parteien auch dahingehend zu beraten. Nach dieser Rechtsprechung ist eine fortlaufende Überprüfung und Weiterentwicklung des notariellen Verfahrens im Rahmen der rechtlichen Grenzen dieser Form geboten.90 Das volle Ausschöpfen des Potentials der notariellen Form zur Überwindung von Disparitäten ist gerade deshalb geboten, da die notarielle Form kein Selbstzweck ist. Die erfolgte notarielle Beurkundung als solche ist nicht geeignet, die Grundrechtswirkungen auf die von den Eheleuten abgegebenen Erklärungen und deren Zustandekommen zu relativieren.91 Vielmehr ist die Beurkundung besonden Pflichtteilsverzicht: Bengel ZEV 2006, 192, 197. § 1 BNotO. 89  Zur Amtsverweigerungspflicht des Notars bei Überzeugung der Unwirksamkeit des Geschäfts nach § 4 BeurkG bzw. § 14 Abs. 2 BNotO: Frenz in: Eylmann/ Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 24. 90  Vgl. insgesamt Münch DNotZ 2004, 901, 910 m. V. a. Limmer, Vertragsgerechtigkeit notarieller Urkunden und europäischer Verbraucherschutz, S. 15, 41 (Vgl. dort zur fortlaufenden Ausweitung der Belehrungspflichten und zur Haftungsrechtsprechung des BGH.) in: Rheinische Notarkammer (Hrsg.): Notar und Rechtsgestaltung: Tradition und Zukunft; Jubiläumsfestschrift des Rheinischen Notariats (1998). 91  Im Ergebnis dies auch anerkennend: Münch DNotZ 2004, 901, 905 f. 87  Für

88  Vgl.

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ders geeignet, die sich aus der Grundrechtswirkung ergebenden Anforderungen an wirksame Erklärungen umzusetzen. Die notarielle Form sichert Beratungs-, Warn- und Beweisfunktion.92 Hieran muss sich jedes konkrete Beurkundungsverfahren messen lassen. Die Beweisfunktion der notariellen Form zielt auf die dokumentierte Abgabe von wirksamen Erklärungen der Eheleute und ist damit untrennbar mit der Beweiserheblichkeit und damit der Wirksamkeit der Willenserklärungen verbunden. Die notarielle Form hat das Potential, eben dies zu gewährleisten: So können zum einen Disparitätslagen durch das notarielle Verfahren mit seiner Beratungs- und Warnfunktion überwunden werden und zum anderen in der Urkunde93 gegen Disparitäten sprechende Umstände dokumentiert werden. Letzteres setzt voraus, dass über die Erklärungen der Parteien hinaus persönliche Umstände, Motive und das intendierte Ehemodell aufzunehmen sind oder zumindest aufgenommen werden können. Damit kann der Grundlage für ein späteres Bezweifeln der Wirksamkeit der Vereinbarung über die Wirksamkeitskontrolle in ihrer derzeitigen Ausgestaltung der Boden entzogen werden. Die so erreichte Rechtssicherheit bzw. Rechtsklarheit ist ein Beitrag zur Vertragsgerechtigkeit durch Sicherung der Vertragswirksamkeit. Ansonsten bleibt trotz der notariellen Form Raum für Zweifel an der Wirksamkeit der notariell beurkundeten Erklärungen, die das Fundament für durch Rechtsunsicherheit motivierte Prozessvergleiche im Rahmen eines späteren Scheidungsverfahrens schafft. Gerade dies führt zu Vertragsungerechtigkeit: Der Grundsatz pacta sunt servanda wird durch aus Rechtsun­ sicherheit geborene Vergleichsvereinbarungen ausgehöhlt, die den ursprünglichen Vertrag der Parteien abändern. Die Aufnahme der Motivlage der Eheleute im notariellen Verfahren bietet auch jenseits der Feststellungen zu Disparitäten einen weiteren Vorteil im Hinblick auf die Vertragsgerechtigkeit. Soweit ein nicht geplanter Verlauf der Ehe zu einer Anpassung ehelicher Vereinbarungen über § 242 BGB führt, kann diese Anpassung leichter und potentiell am engsten an dem mutmaßlichen Willen der Eheleute erfolgen. Allerdings birgt die weitgehende Aufnahme von Umständen und Motiven in der notariellen Urkunde auch Rechtsrisiken. Richtig weist Bengel94 auf die Problematik unvollständiger Motivangaben und die sich daraus ergebenden Beweisnöte und die Rechtssicherheit beeinträchtigender Anfechtungspoten­ tiale hin. Werden nicht alle Motive und Umstände durch den Notar dokumentiert, wird es bei einem späteren Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Verein92  Vgl. Krug, Erbrecht, S. 158; Hertel in: Staudinger (§§ 125–129, (BeurkG)), (Oktober 2011) Vorbem. zu §§ 127a, 128 Rn. 6 ff. 93  Beziehungsweise unter nachfolgenden Einschränkungen auch in Nebenakten. 94  Bengel ZEV 2006, 192, 197.



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barung schwierig werden, sich auf die die Wirksamkeit anzeigenden, aber nicht dokumentierten Umstände zu berufen. Unter dem Eindruck der Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen gesteht Bengel die Aufnahme von Gründen und Motiven für den Ehevertrag Langenfeld95 grundsätzlich zu. Für den Pflichtteilsverzicht soll dies allerdings wohl deshalb nicht gelten, weil hier eine vergleichbare Inhaltskontrolle nicht stattfindet. Diese Einschränkung ist gerade bei den oftmals langen Zeiträumen zwischen der Abgabe der Erklärung und der konkreten Rechtserheblichkeit nicht unbedenklich. Solche Zeiträume finden sich nicht nur bei Eheverträgen, sondern entsprechend wegen der oftmals zeitgleichen Protokollierung auch für den ehelichen Pflichtteilsverzicht. Die notarielle Pflicht, eine möglichst sichere Gestaltung und Belehrung zu wählen,96 verlangt Offenheit gegenüber diesem zugegeben unbequemen Protokollierungsverfahren. Diese Pflicht zur Wahl des sichersten Weges gebietet auch die Antizipation einer möglichen Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts durch die Gerichte analog zur Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen mitsamt einem Abstellen auf Disparitäten zwischen den Eheleuten. Die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung der ordentlichen Gerichte folgte auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001, der ein 1976 beurkundeter Ehevertrag zu Grunde lag.97 Die konkrete Möglichkeit einer Sittenwidrigkeit des Ehevertrages über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte war dem 1976 den Ehevertrag protokollierenden Notar wahrscheinlich nicht bekannt. Gerade dies verdeutlicht die Notwendigkeit der Wachsamkeit gegenüber der grundlegenden Problematik. Auch ohne die tiefgreifende Erforschung von konkreten Auswirkungen der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auf die Inhaltskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung werden schon derzeit praktisch relevante Grenzen des Pflichtteilsverzichts in der für Notare einschlägigen Fachliteratur diskutiert und angenommen.98 Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der eheliche Pflichtteilsanspruch und der Zugewinnausgleichanspruch Ausprägungen einer durch Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten ehelichen Treue und Solidarität sind. Damit kann ein teleologischer Konnex zu den Grundlagen der Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Zumindest die Möglichkeit von Grenzen der Vertragsfreiheit kann nicht ausgeschlossen werden. Zur Herleitung haftungsrechtlicher Ansprüche gegen den beurkundenden 95  Langenfeld

ZEV 2004, 311, 315; Bengel ZEV 2006, 192, 197 m. V. a. ebd. den insbesondere auch haftungsbewährten Pflichten des Notars: Münch DNotZ 2004, 901, 909 f. m. w. N. 97  Vgl. BVerfGE 103, 89, 94. 98  Wachter ZErb 2004, 238, 245 f. 96  Zu

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Notar müssen Grenzen des Verzichts auf den Pflichtteil und güterrechtliche Ausgleichsansprüche nicht erst absolut gewiss sein. So hat der Notar auf leicht durchführbare Maßnahmen zur Risikobegrenzung hinzuweisen.99 Haftungsrechtliche Ansprüche könnten aus einem nicht von dem Notar erteilten Rat zur Risikobegrenzung abgeleitet werden. Ein konkrete Maßnahme zur Risikobegrenzung könnte etwa die Dokumentation der Motive der Eheleute sein. Selbstverständlich würde eine in diesem Rahmen erfolgte Belehrung über die rechtliche Tragweite grundsätzlich der Unparteilichkeit des Notars nicht entgegenstehen.100 Stilistisch erscheint es gewiss wünschenswert, eine notarielle Urkunde von der schnell unübersichtlichen Aufnahme derartiger Umstände in einer Präambel zu entlasten. Die Aufnahme weiterer Umstände als die Aufnahme der Willenserklärungen selbst sind dem notariellen Verfahren auch nicht grundsätzlich fremd: § 28 BeurkG sieht die Aufnahme der Wahrnehmungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vor.101 Anstelle einer Aufnahme von Motiven und Beweggründen in die Urkunde selbst bleibt die Möglichkeit, diese in Nebenakten des Notars zur notariellen Urkunde zu dokumentieren. Wachter102 sorgt sich bei einem solchen Vorgehen allerdings um den Informationsverlust durch die Vernichtung103 von Nebenakten, die in der Regel nach 7 Jahren erfolgt. Um dem entgegenzuwirken, schlägt sein Kollege Münch104 einen Vermerk über eine längere Aufbewahrungsfrist vor. Soweit die Dokumentation nicht in der Urkunde selbst erfolgt, gebietet es die notarielle Vorsicht, sicherzustellen, dass Urkunde und erhebliche Nebenakten das gleiche Schicksal hinsichtlich ihrer physischen Existenz teilen. Die Dokumentation in der notariellen Urkunde selbst ist gegenüber der Dokumentation in Nebenakten vorzugswürdig. Zum einen wird hierdurch einem Informationsverlust durch die Vernichtung der Nebenakten wirksam begegnet und zum anderen sind die dokumentierten Motive und Beweggründe der Eheleute wesentliches Element einer Inhaltskontrolle des Ehevertrages. Zweifel an der Wirksamkeit des Ehevertrages 99  Zur notariellen Pflicht auf Schadensabwendung mittels kurzen Hinweises: Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 8; zur Hinweisund Beratungspflicht bei Unwirksamkeit wegen Rechtsverstoß: Frenz in: Eylmann/ Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 9, 11 m. V. a. BGH DNotZ 1995, 494 ff. 100  Frenz: in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 12. 101  Vertiefend zu einem verallgemeinerbaren Rechtsgedanken des § 28 BeurkG: C. II. 3. 102  Wachter ZErb 2004, 306, 306. 103  Vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 DONot. 104  Zur Sicherung der Beweisbarkeit: Münch DNotZ 2004, 901, 912.



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können über die in der Präambel dokumentierten Beweggründe und Motive geklärt werden. Aus der Urkunde selbst sollte sich die Wirksamkeit der Erklärungen herauslesen lassen. Insgesamt ist im Rahmen einer Vorbesprechung eine, wie von Wachter105 detailliert beschriebene, präventive Inhaltskontrolle zu empfehlen und zu dokumentieren. Hierzu zählt Wachter insbesondere eine Vorbesprechung, die Klärung der persönlichen Verhältnisse wie der Vermögensverhältnisse, die Erörterung möglicher Kompensationsleistungen für den Verzicht auf Rechtspositionen und eine anwaltliche Beratung mitsamt Überlegungszeit. Soweit Disparitäten zwischen den Parteien nicht fern liegen, ist die umfassende Sachverhaltsaufklärung und Beratung sowie deren Dokumentation auch bei der Beurkundung von Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht geboten. 3. Präambeln und die Geschäftsfähigkeit der Eheleute Das Verschwimmen der Grenzen von ehebedingter Disparität und Geschäftsunfähigkeit lässt ebenfalls die Aufnahme von Präambeln empfehlenswert erscheinen.106 Die Abgrenzungsproblematik von Geschäftsunfähigkeit und Disparität veranschaulicht schon der von dem Bundesverfassungsgericht entschiedene Ausgangsfall zur Ehevertragsrechtsprechung. Zu Recht weist Münch darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht der schwangeren Mutter im Ergebnis eine „seelische Zwangslage“ attestiert.107 Schon die Terminologie einer Zwangslage legt eine unfreie Willensbildung und damit eine Geschäftsunfähigkeit108 nach § 104 Ziff. 2 BGB nahe. Der sichere Umgang mit der Geschäftsfähigkeit ist die Basis privatautonomen Handelns.109 Die große rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung letztwilliger Verfügungen und die mit dem Ableben des Erblassers einhergehende Beweisnot bezogen auf dessen Geschäftsfähigkeit bei seiner letztwilligen Verfügung spiegelt § 28 BeurkG wieder. Diese Norm sieht die Niederschrift der Wahrnehmungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit des Erblassers vor. § 28 BeurkG zeugt von dem Anliegen des Beurkundungsverfahrens, Rechtssicherheit hinsichtlich möglicher Unwirksamkeitsgründe zu schaffen. Eine unwirksame letztwillige Verfügung hat wegen der erbrechtlichen Universal105  Wachter

ZErb 2004, 306 ff. C. I. 3. 107  Münch DNotZ 2004, 901, 913. 108  Zur Fähigkeit der freien Willensbildung als Voraussetzung des Geschäftsfähigkeit: Knothe in: Staudinger, (§§ 90–124; 130–133) (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) § 104 Rn. 11. 109  Knothe in: Staudinger, (§§ 90–124; 130–133) (Allgemeiner Teil 3), (August 2011) Vor §§ 104–115 Rn. 19. 106  Vgl.

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sukzession unmittelbare Auswirkungen auf die dingliche Rechtslage des Nachlasses. § 28 BeurkG hilft, den Rechtsverkehr nicht mit Unsicherheiten hinsichtlich der dinglichen Rechtslage zu belasten. Der Rechtsverkehr ist bei Unklarheiten über die Wirksamkeit des Erbverzichts der Ehegatten nach § 2346 Abs. 1 BGB in ähnlicher Weise wie bei einer unwirksamen letztwilligen Verfügung belastet. Der Erbverzicht beinhaltet nach § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB den Pflichtteilsverzicht und führt zum Ausschluss des überlebenden Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge nach § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein wirksamer Erbverzicht schließt den überlebenden Gatten eines ohne letztwillige Verfügung versterbenden Ehegatten von dessen Rechtsnachfolge aus. Insofern hat die Fragestellung der Wirksamkeit des Erbverzichts zur Klärung der Rechtsnachfolge des Erblassers eine ähnliche Bedeutung wie es die Frage der Wirksamkeit von letztwilligen Verfügungen hat. Zudem gibt es wirtschaftliche Parallelen in Bezug auf die Bedeutung der Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen einerseits und andererseits hinsichtlich der Wirksamkeit von Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung. Wirtschaftlich betrachtet können ein Pflichtteilsrechtsanspruch und der Anspruch auf Zugewinnausgleich die wesentlichen Vermögenspositionen eines Menschen darstellen. Weiter kann eine ganz erhebliche Zeitspanne zwischen der Abgabe der jeweiligen Willenserklärungen und dem Streit über die Wirksamkeit von letztwilligen Verfügungen, Pflichtteilsverzicht und Ausschluss des Zugewinnausgleichs liegen. Mit dieser Zeitspanne gehen erhebliche Beweisprobleme einher. Im Zweifel kann eine tatsächlich vorgelegene Testier- bzw. Geschäftsunfähigkeit durch einen beweispflichtigen Kläger nicht bewiesen werden. Gegen eine Ausweitung der Dokumentation der Wahrnehmungen zur Geschäftsfähigkeit entsprechend dem Rechtsgedanken des § 28 BeurkG kann auch nicht vorgebracht werden, dass § 28 BeurkG lediglich eine nicht zu verallgemeinernde Ausnahmevorschrift ist. § 28 BeurkG darf als das gesetzgeberische Anliegen verstanden werden, Rechtssicherheit hinsichtlich möglicher Unwirksamkeitsgründe bei rechtlich und wirtschaftlich bedeutenden Erklärungen zu vermeiden. Die Inhaltskontrolle von Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht kann aus in der Person der Erklärenden liegenden Umständen zur Feststellung der Unwirksamkeit führen. Ebenfalls können in der Person des Erblassers liegende Gründe zur Testierunfähigkeit und damit Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen führen. Dabei weist die Inhaltskontrolle von Eheverträgen Berührungspunkte zur von § 28 BeurkG erfassten Geschäftsfähigkeit auf. Insgesamt besteht bei einem Vermerken von Wahrnehmungen zur erforderlichen Geschäftsfähigkeit des Erblassers und einer umfassenden Dokumentation der Motive und Beweggründe der Eheleute in der Urkunde eine vergleichbare Interessenlage. Deshalb ist es mit dem Rechtsgedanken des § 28 BeurkG empfehlenswert, bei Pflichtteilsverzicht und Vereinbarung der Gütertrennung Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit und zu Motiven und Beweggründen zu treffen.



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Qualitativ hochwertige Feststellungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit können einen bedeutenden Beitrag zur Rechtssicherheit bei der gegebenenfalls nachträglich vorzunehmenden Beurteilung der Geschäftsfähigkeit darstellen. Die Beweiswirkung des § 418 ZPO erstreckt sich auf konkrete Tatsachenfeststellungen des Notars.110 Die Schlussfolgerungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit nehmen nicht an der Beweiswirkung teil.111 Die Notwendigkeit derartiger Feststellungen wird auch durch die im Rahmen der Ausführungen zur Geschäftsfähigkeit und freien Willensbildung bereits vorgestellten Entwicklungen in der Medizin unterstrichen.112 Die modernen gehirnbildgebenden Verfahren in der Medizin erhöhen die Beweismöglichkeiten einer schon in der Vergangenheit existenten Geschäftsunfähigkeit durch den Nachweis langfristig angelegter pathologischer Veränderungen im Gehirn. Neue Unsicherheiten für die Wirksamkeit notariell beurkundeter Willenserklärungen eröffnen sich dadurch. Der regelmäßig lange Zeitraum zwischen Abgabe der Pflichtteilsverzichtserklärung oder der Vereinbarung der Gütertrennung und dem tatsächliche Eintritt des Erbfalls bzw. der Scheidung führt regelmäßig zu einem nicht erbringbaren Beweis der Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt der Abgabe der gestaltenden Willenserklärungen. Durch die neuen diagnostischen Möglichkeiten ist eine wesentlich höhere praktische Relevanz der Geschäftsunfähigkeit zu erwarten. Einen unmittelbaren Einfluss auf das notarielle Verfahren haben diese neuen Beweismöglichkeiten nicht. Allerdings eröffnen sie neue Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit notariell beurkundeter Erklärungen und provozieren Rechtsstreitigkeiten. Klare Feststellungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit sind der beste Weg, um nachträglichen Streit über die Geschäftsfähigkeit im Keim zu ersticken. Die Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit sind vor diesem Hintergrund ein wichtiger Beitrag der Notare zur Entlastung der Gerichte. Die nicht unerheblichen praktischen Herausforderungen113 für das 110  BayObLG DNotZ 1975, 555, 555; Limmer in: Eylmann/Vaasen, BNotO/ BeurkG (2004), § 11 BeurkG Rn. 8 m. w. N. u. a. ebd. BayObLG; (hier erweitert zitiert:) Zimmermann BWNotZ 2000, 97, 99 f.: Hinweise zum Verfahren und zu der sich nur auf die tatsächlichen Wahrnehmungen des Notars erstreckende Beweiswirkung. Keine Beweiswirkung für das daraus folgende Urteil des Notars, etwa zur Testierfähigkeit. 111  Zutreffend die restriktiven Bemerkungen zur Beweiswirkung: Limmer in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 11 BeurkG Rn. 8 arg ex §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO (i. V. m. § 348 StGB) m. w. N.: zumindest im Umkehrschluss BGHSt 47, 39, 41 ff. = BGH NJW 2001, 3135, 3136 f. 112  C. II. 3. 113  Parallel wird die notarielle Praxis vermehrt mit den Folgen des demographischen Wandels konfrontiert. Geschäftsunfähigkeit wegen Demenz wird verbreiteter anzunehmen sein. Auch ist ein Ausnutzen des mangelnden Urteilsvermögens zu selbstbegünstigenden letztwilligen Verfügungen durch Dritte zu befürchten.

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Notariat bei der Gewinnung der notwendigen Tatsachenfeststellungen sollen hier nicht kleingeschrieben werden. Die Kenntnisse zu Umfang und Gewinnung der für die Feststellung der Geschäftsfähigkeit erheblichen Tatsachen reichen in den Bereich psychiatrischen Fachwissens hinein. Diese Tatsachenfeststellungen zu gewinnen, unter gleichzeitiger Wahrung der Stellung des Notars als neutrale Vertrauensperson, stellen eine hohe Herausforderung an die soziale Kompetenz und zu wahrende Unparteilichkeit der Notare dar. 4. Grenzen des notariellen Verfahrens bei der Überwindung von Disparitätslagen Die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen verlangt praktisch eine umfassende Auseinandersetzung mit den dem Ehevertrag zugrundeliegenden Umständen und Motiven beider Partner. Die Feststellungen zum persönlichen und sachlichen Hintergrund sind daher conditio sine qua non für die der notariellen Form immanenten Beratung. Dies gilt besonders für die Überprüfung auf bedenkliche Disparitäten. Willenserforschung, Belehrung und das Vermeiden von Zweifeln und Irrtümern sieht § 17 Abs. 1 BeurkG als Kernstück114 des Beurkundungsverfahrens vor. Diese mit der notariellen Form einhergehenden Kernfunktionen bilden die Grundlage der an die Beachtung der Form geknüpften Wirksamkeitsvoraussetzung durch das materielle Recht.115 Nachvollzogen werden kann die Sorge um die Gefahr116 einseitigen Einflusses auf die Willensbildung durch den Notar und damit eine dem Notar fremde Parteilichkeit. Letztlich gehört die Unparteilichkeit des Notars ebenso wie ein auf die Beurkundung wirksamer Willenserklärungen gerichtetes Verfahren zum Wesen der notariellen Form. Im Rahmen der Erfüllung seiner Amtspflichten muss im Zweifel die Amtspflicht des Vermeidens des Anscheins der Parteilichkeit hinten angestellt werden.117 Die Bedenken hinsichtlich eines möglichen Eindrucks einer Parteilichkeit des Notars sind untergeordnet, soweit es um die Sicherung der Wirksamkeit der Erklärungen und die Wahrnehmung notarieller Pflichten aus § 17 Abs. 1 BeurkG als „Kernnorm“ des Beurkundungsverfahrens geht.118 114  Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 1 m. V. a.: (vorherige Auflage): Lerch, Beurkundungsgesetz (2011), § 17 Rn. 1: ebenfalls mit der wohl erstmaligen Einschätzung des § 17 BeurkG als Kernstück des BeurkG. 115  Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 1. 116  Bengel ZEV 2006, 192, 197. 117  Grundsätzlich auch dahingehend: Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 12. 118  Grundsätzlich auch dahingehend: Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 1, 12.



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Disparitäten müssen im Rahmen der notariellen Form auch aus einem weiteren Umstand ausgeräumt werden. Die notarielle Beurkundung kann sich nicht allein in der unzweideutigen Beurkundung von Willenserklärungen erschöpfen. Andernfalls könnte der Gesetzgeber auch die einfache Erklärung von Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht gegenüber den Amtsgerichten als bürgernahe und kostengünstige Alternative eröffnen. Mit dem Führen von Güterstandsregistern und der amtlichen Verwahrung von Testamenten wären notwendige Grundstrukturen vorhanden, die rechtssicher die Abgabe eindeutiger Willenserklärungen dokumentieren könnten. So könnte etwa die Erklärung des Verzichts auf den Pflichtteil oder die Vereinbarung der Gütertrennung durch einfache Erklärung gegenüber den Amtsgerichten erfolgen. Der Gesetzgeber hat jedoch den besonderen Schutz durch die dem notariellen Verfahren immanente umfassende Beratung gewählt. Vor der jüngsten, teils heftigen Kritik119 an der konkreten Wahrnehmung notarieller Pflichten bleibt nur, eben diesen Sinn und Zweck der notariellen Form zu betonen. Die Kritik der Literatur an einer diese Ziele untergrabenden Amtsführung der Notare ist heftig. So wird etwa im Schrifttum zu finanziellen Eigeninteressen des protokollierenden Notars spekuliert. Diese finanziellen Eigeninteressen sollen zu einer Protokollierung trotz erkennbarer Anhaltspunkte für eine Disparitätslage und damit verbundener möglicher Unwirksamkeit führen.120 Diese Einschätzung darf bezweifelt werden. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 BeurkG müsste der Notar seine Zweifel an der Wirksamkeit des Geschäfts zumindest mit den Beteiligten erörtern und dies auch dokumentieren, um Amtspflichtverletzungen und einer möglichen zivilrechtlichen Haftung zu begegnen. Privatautonomie funktioniert nur auf Basis der Selbstbestimmung.121 Nach Flume eröffnen die Funktionen der Beurkundungspflicht sogar dort wieder Privatautonomie, wo ohne die Funktionen der notariellen Form eine Selbstbestimmung und damit eine wirksame privatautonome Gestaltung nicht mehr gewährleitet wäre.122 Dem ist zuzustimmen. Beispielsweise kann über den von Wachter123 vorgeschlagenen Katalog zur Ausgestaltung 119  So sieht etwa Wagenknecht (Eheverträge, S. 149) teils durch eigene finanzielle Interessen geleitete Notare; Ludyga (Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 28) bezweifelt eine Prüfung einseitiger Bedrängnis oder Lastenverteilung durch alle Notare. 120  Wagenknecht, Eheverträge, S. 149. 121  BVerfGE 81, 242, 254 f. = BVerfG NJW 1990, 1469, 1470; Münch DNotZ 2004, 901, 905 m. V. a. ebd. 122  Flume: Festvortrag: Die Vertragsfreiheit – Möglichkeit und Grenzen – aus der Sicht der Kautelarjurisprudenz, S. 30, 35 in: 18. Deutscher Notartag Köln 1969, Sonderheft der Deutschen Notar-Zeitschrift, München 1969; grds. ebenso: Münch DNotZ 2004, 901, 911 m. V. a. ebd. Flume mit wörtlichem Zitat (oben mit weiter präzisierter Fundstelle). 123  Wachter ZErb 2004, 306 ff.

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des notariellen Verfahrens für den Pflichtteilsverzicht im Ergebnis Disparität überwunden, die Geschäftsfähigkeit der Eheleute festgestellt und dies jeweils dokumentiert werden. Im Mittelpunkt von Wachters Verfahrenskatalog steht eine Vorbesprechung zur Beurkundung mit gegebenenfalls anwaltlicher Vertretung des Verzichtenden. Dies schließt weitgehend eine Disparität wegen Überrumpelung eines intellektuell überforderten Ehegatten aus. Auch ist eine Erörterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zur Verdeutlichung der wirtschaftlichen Tragweite der Erklärungen nach Wachter vorzunehmen. Gleiches gilt hinsichtlich einer möglichen Abfindung für den Pflichtteilsverzicht. Eine auf dieser Grundlage vereinbarte eheliche Vermögensausgestaltung führt nicht nur zu dem Bewusstsein aller rechtlichen Konsequenzen bei den Ehegatten, sondern hilft auch eine krass einseitige Lastenverteilung in der Ehe zu erkennen und Regelungen zu deren Kompensation und damit der Kontrollfestigkeit der Erklärungen zu treffen. Sittenwidrigkeit wegen Sprachbarrieren als Disparitätsmoment kann mit diesem Verfahren einer aktiven Einbindung der Parteien die praktische Relevanz genommen werden.124 Auch klärt das empfohlene Vorgespräch zur Beurkundung über die rechtliche und wirtschaftliche Tragweite auf.125 Ergänzend zu Wachter ist auf die Effizienz und Bedeutung des Vorgesprächs zum Einebnen von Disparitätslagen hinzuweisen. Disparitäten zwischen Eheleuten werden durch die mit dem Vorgespräch einhergehende Überlegungsfrist entscheidend reduziert.126 Im Übrigen können gesetzliche Widerrufsrechte nicht als Beleg127 für eine mangelnde Effizienz einer Überlegungsfrist angeführt werden. Das Widerrufsrecht setzt gerade keine mit der notariellen Form einhergehende Beratung zu den rechtlichen Konsequenzen des Vertrages voraus. Zudem ist ein Widerrufsrecht schlicht mit der Bedeutung notariell beurkundeter Willenserklärungen kaum vereinbar. Notariell beurkundete Willenserklärungen müssen auch Rechtssicherheit vermitteln. Auch ein kurzer Zeitraum zwischen notarieller Vorbesprechung und Beurkundung unterstreicht die bevorstehenden rechtlichen Konsequenzen eindeutig. 124  Zu Sprachbarrieren trotz Dolmetschers in der notariellen Praxis und der Erwartungshaltung eines Bundesrichters an das notarielle Verfahren: Wendt ZNotP 2006, 2 ff. 125  Hervorgehoben durch: Wachter ZErb 2004, 306, 306. Dagegen grob fehlerhafte Relativierung der Bedeutung der abgegebenen Erklärungen im notariellen Verfahren: Besprochen bei: Wendt ZNotP 2006, 2 ff. 126  So auch Wendt ZNotP 2006, 2, 3 m.  V. a. Volmer ZNotP 2005, 242, 244 m. w. N. in Fn.  40. 127  Zur Tendenz zur Widerrufsfrist anstelle einer Überlegungssicherung anlässlich der Inhaltskontrolle von Eheverträgen: Münch DNotZ 2004, 901, 908 f.



II. Überwindung ehebedingter Disparität durch Beurkundungserfordernis?77

Soweit ein Entwurf vorab zur Gewähr einer Überlegungszeit übersandt wird,128 empfiehlt sich ein Begleitschreiben,129 aus dem sich die Rechtsfolgen unmissverständlich auch für den Laien erschließen.130 Lässt eine einseitig motivierte und belastende Erklärung eine formal ausgewogene Verhandlungssituation weiterhin zweifelhaft erscheinen, sollte eine anwaltliche Interessenwahrnehmung131 für den sich seiner Rechte begebenden Ehegatten zur Herstellung von „Waffengleichheit“ angeregt werden. Anwaltliche Beratung stellt zwar keine Garantie für Parität dar.132 Andererseits ist die Rechtsprechung133 bei der Disparitätsfeststellung zurückhaltend, wenn anwaltlicher Rat oder eigene Interessenwahrnehmung trotz Hinweis und Möglichkeit nicht eingeholt wurden. Mehr Selbstverantwortung kann das bestehende Beurkundungsverfahren nicht sichern. Mehr Selbstverantwortung als Grundlage der Privatautonomie bedarf es auch nicht. Verantwortung ist untrennbar mit der Verantwortlichkeit für eigenes Handeln verbunden. Von dieser Verantwortung und den damit einhergehenden Risiken kann der Einzelne in einer privatautonomen Gesellschaftsordnung nicht entbunden werden. Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass die besseren Gründe für ein Ausblenden ehebedingter Disparität bei der Wirksamkeitskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung sprechen. Durch Art. 2 Abs. 1 GG wird die „Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben“134 gewährleistet. In Bezug auf eheliche Vertragsverhandlungen wird dies grundsätzlich durch den spezielleren Art. 6 GG gewährleistet.135 Damit ist grundsätzlich eine unbe128  Allgemein auf Eheverträge bezogen: Volmer ZNotP 2005, 242, 244 („Vertragswirksamkeit wegen Belehrung“, etwa: Überlegungsfrist, Einschaltung eines Rechtsanwalts) m. w. N. in Fn. 40 u. a.: Bredthauer NJW 2004, 3072, 3074, 3076. 129  Zur notwendigen Nachvollziehbarkeit der Belehrung für den juristischen Laien: Frenz in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG (2004), § 17 BeurkG Rn. 14. 130  Zur Problematik der Fehleinschätzung von der Bedeutung des Pflichtteilsverzichts: Wachter ZErb 2004, 306, 306. Ist entsprechend auf den Ausschluss des Zugewinnausgleichs übertragbar. 131  Offen hinsichtlich weiterer Maßnahmen zur Sicherung einer formal ausgewogenen Verhandlungssituation: Wachter ZErb 2004, 306, 307. Zur Anregung der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts: Bredthauer NJW 2004, 3072, 3074. 132  Auch die notarielle Praxis: Münch ZEV 2008, 571, 572 m. V. a. BVerfG NJW 2001, 957 ff. = BVerfGE 103, 89 ff. 133  OLG Hamm NJW 2006, 3012, 3013: Verzicht auf anwaltliche Beratung zur Kostenersparnis. 134  Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, § 152 Rn. 58 (S. 1210) m. w. N., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 6 (2001). 135  Vgl.: Ausdrücklich sei Art. 2 Abs. 1 GG von Art. 6 Abs. 1 GG bei ehevertraglichen Regelungen verdrängt: Di Fabio in: Maunz/Dürig, (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103. Ebenfalls aus Art. 6 Abs. 1 GG wird das Recht hergeleitet, die Ehe frei von

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C. Ehevertragsrechtsprechung

einflusst von ehelichen Disparitätslagen stattfindende eheliche Vermögensausgestaltung verfassungsrechtlich geschützt. Die Selbstbestimmungsfähigkeit beider Eheleute kann jedoch kaum im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens erreicht werden. Vielmehr wird die Inhaltskontrolle dabei ad absurdum geführt. Auf das Merkmal ehelicher Disparität bei der Inhaltskontrolle sollte verzichtet werden.

III. Fazit Bei der Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen bzw. der ehelichen Vermögensausgestaltung darf an eine ehebedingte Disparität nicht angeknüpft werden. Bei einem Offenlegen ehebedingter Disparitätslagen, die in der persönlichen Beziehung der Eheleute zueinander wurzeln, greift der Staat mit zweifelhaftem Nutzen in die Beziehung der Eheleute zueinander ein. Zudem bestehen Schnittstellen zwischen einer auf ehebedingter Disparität aufbauenden Inhaltskontrolle und der Geschäftsfähigkeit der Eheleute. Letztlich wird den Eheleuten die Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen ehevertraglichen Ausgestaltung ihrer Verhältnisse abgesprochen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berücksichtigt bei der Inhaltskontrolle hingegen alle Formen von Disparität zwischen den Eheleuten. Das Gebot notarieller Vorsicht verlangt, das Potential des notariellen Verfahrens voll auszuschöpfen und Disparitätslagen zwischen den Eheleuten, gleich welchen Ursprungs, weitgehend einzuebnen. Allgemeine, nicht ehebedingte Disparitätslagen, wie etwa Sprachbarrieren können weiter Element der Inhaltskontrolle sein und müssen über das notarielle Verfahren überwunden werden. Eine an den Grundrechten ausgerichtete Inhaltskontrolle muss nach dem Ausschluss ehebedingter Disparität bei der Inhaltskontrolle in objektiver Hinsicht klären, inwieweit das eheliche Pflichtteilsrecht und eine güterrechtliche Teilhabe unabdingbar durch die Verfassung geschützt werden.

gesetzlichen Vorgaben auszugestalten: Badura in: Maunz/Dürig, (April 2012) Art. 6 Abs. 1 Rn. 50a. Vgl. ebenfalls die sich grds. eng an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht orientierende Kommentierung bei: Leibholz/Rinck, (Juli 2003) Art. 6 Rn. 131, 132.

D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle I. Das konkrete verfassungsrechtliche Spannungsfeld des ehelichen Erb- und Güterrechts Eine durch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte geprägte Inhaltskontrolle des ehelichen Pflichtteilsverzichts bzw. der ehelichen Vermögensausgestaltung setzt zunächst die Bestimmung der verfassungsrechtlichen Positionen voraus, die bei dieser Inhaltskontrolle in Ansatz zu bringen sind. Die Rechtsprechung stellt dabei auch auf eine Disparitätslage zwischen den Eheleuten bei den Verhandlungen der ehelichen Vermögensausgestaltung als ein Element der Inhaltskontrolle ab. Grundsätzlich lässt sich eine Berücksichtigung von Disparitätslagen als Ausdruck einer freien und selbstbestimmten Ausgestaltung der Ehe durch Art. 2 Abs. 1 GG oder auch durch Art. 6 Abs. 1 GG als verfassungsrechtlicher Wert aus dem Grundgesetz entnehmen.1 Gleichwohl führt die ehebedingte Disparität als Element der Wirksamkeitskontrolle diese ad absurdum.2 Mit einem folglich konsequenten Ausschluss ehebedingter Disparität bei der Inhaltskontrolle erreicht der verfassungsrechtliche Stellenwert von ehelichem Pflichtteil, güterrechtlicher Teilhabe und ehelicher Vertragsfreiheit zentralen Einfluss bei der Ausfüllung der Generalklauseln über die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Hierbei ist zu klären, ob und inwieweit diese Rechte den Schutz der Verfassung genießen. Insbesondere für das eheliche Pflichtteilsrecht ist der Schutz durch die Verfassung offen. Nicht allein der verfassungsrechtliche Schutz dieser Rechte als solcher, sondern deren Beziehung bzw. Nähe zum Wesenskern der Ehe ist von besonderem Interesse bei der Bestimmung der Reichweite dieser etwaig auch verfas1  Das Bundesverfassungsgericht scheint auf Art.  2 Abs.  1 GG abzustellen: BVerfGE 103, 89 = BVerfG NJW 2001, 957. Vgl. auch: Ausdrücklich sei Art. 2 Abs. 1 GG von Art. 6 Abs. 1 GG bei ehevertraglichen Regelungen verdrängt: Di Fabio in: Maunz/Dürig, (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103. Ebenfalls aus Art. 6 Abs. 1 GG wird das Recht hergeleitet, die Ehe frei von gesetzlichen Vorgaben auszugestalten: Badura in: Maunz/Dürig, (April 2012) Art. 6 Abs. 1 Rn. 50a. Vgl. ebenfalls die sich grds. eng an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht orientierende Kommentierung bei: Leibholz/Rinck, (Juli 2003) Art. 6 Rn. 131, 132. 2  Vgl. C. I. 2.

80 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

sungsrechtlich abgesicherten Rechtsinstitute bei der Inhaltskontrolle. So könnte im Bereich des verfassungsrechtlichen Wesenskerns von erbrecht­ licher und güterrechtlicher Beteiligung zugleich die Grenze ehelicher Vertragsfreiheit liegen. Hierbei gilt es zu erforschen, inwieweit ein verfassungsrechtlich „unantastbarer“ Wesensbereich eines zivilrechtlichen Rechtinstituts bestehen kann. Die Bestimmung eines verfassungsrechtlichen Wesenskerns erinnert an die zivilrechtliche Kernbereichslehre. Die Kernbereichslehre zieht bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit ehevertraglicher Vereinbarungen die Nähe der aufgegebenen Rechte dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts als wesentliches Kriterium heran.3 Dieser denkbare verfassungsrechtliche Wesenskern von Zugewinnausgleich und Pflichtteilsrecht wird wahrscheinlich nicht deren gesamte Ausgestaltung durch das Bürgerliche Recht erfassen. Ein ebenfalls verfassungsrechtlich „unantastbarer“ Wesenskern ehelicher Selbstbestimmung und damit Vertragsfreiheit wird den etwaigen verfassungsrechtlichen Wesenskern güterrechtlicher und erbrechtlicher Teilhabe begrenzen. Damit bilden einerseits Pflichtteilsrecht und Güterrecht und andererseits die eheliche Vertragsfreiheit gegenläufige Blöcke. Mit dem Herausschälen eines etwaigen ehelichen Wesenskerns von Pflichtteilsrecht und Güterrecht geht eine möglichst genaue Bestimmung von deren Funktionen einher. Dies erlaubt gegebenenfalls eine Gewährleistung dieser Funktionen über andere Rechte des Bürgerlichen Rechts. Hierdurch könnte der eigentliche Pflichtteilsverzicht und die Gütertrennung unberührt bleiben. Zur Verdeutlichung der Grenzen von Zugewinnausgleich und Pflichtteilsverzicht wird von einem unentgeltlichen Pflichtteilsverzicht bei der nachfolgenden Erörterung ausgegangen. Ein entgeltlicher Pflichtteilsverzicht kann je nach den Umständen der konkreten Ehe eine Unterhalts- oder auch eine Teilhabefunktion haben. Es gilt gerade herauszuschälen, inwieweit derartige Funktionen durch ein verfassungsrechtlich abgesichertes Erbrecht gewährleistet werden. Für das Pflichtteilsrecht und den Zugewinnausgleich können Schnittmengen bei den Funktionen dieser Rechtsinstitute nicht ausgeschlossen werden. Das eheliche Pflichtteilsrecht kennt das Bürgerliche Recht schon seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1900. Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft mit dem gesetzlichen Zugewinnausgleich wurde erst auf Grund der Wertentscheidungen des Grundgesetzes in den späten 1950er Jahren in das BGB aufgenommen. Das Pflichtteilsrecht ist auch historischer Ausdruck ehelicher Solidarität einer durch den Tod beendeten ehelichen Lebensgemeinschaft. Die genauen zivilrechtlichen und verfassungsrechtlichen Funktionen des Pflichtteilsrechts 3  BGH

MittBayNot 2005, 308, 309.



I. Das konkrete verfassungsrechtliche Spannungsfeld81

des Ehegatten sind weitgehend offen und ungeklärt. Allgemein stellt das zivilrechtliche Pflichtteilsrecht, das den nächsten Angehörigen eine wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass sichert, einen Kompromiss zwischen dem historischen Familienerbrecht und der Testierfreiheit des Erblassers dar.4 Zumindest aus verfassungsrechtlicher Sicht gewährt Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG den Abkömmlingen ein Pflichtteilsrecht in Form einer grundsätzlich unentziehbaren und bedarfsunabhängigen Mindestbeteiligung am Nachlass. Offen ist, ob auch das Pflichtteilsrecht des Ehegatten überhaupt und wenn inwieweit durch die Verfassung geschützt ist.5 Der Zugewinnausgleich sieht seinem zivilrechtlichen und verfassungsrechtlichen Wesen nach eine Beteiligung an dem ehelich aufgebauten Vermögen vor. Grundgedanke des Zugewinnausgleichs ist die Gleichwertigkeit der Beiträge der Eheleute zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft und des ehelichen Vermögensaufbaus.6 Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist unmittelbare Konsequenz des grundgesetzlichen Leitbildes einer Ehe von gleichberechtigten Ehegatten.7 Auch erkennt das Bundesverfassungsgericht in Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 GG einen grundsätzlich Anspruch der Eheleute auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten.8 Die bedeutenderen oder zumindest allgemeineren Funktionen sind für das Pflichtteilsrecht zu erwarten, weil es nicht offensichtlich auf einen ehebedingten Vermögenszugewinn des verstorbenen Partners verkürzt ist. Das Herausarbeiten der jeweiligen Funktionen der Rechte beginnt mit der Darstellung des vermeintlich „umfassenderen“ Pflichtteilsrechts, da für dieses ältere Rechtsinstitut Schnittmengen zur Teilhabefunktion des Zugewinnausgleichs an ehelich Erwirtschaftetem nicht ausgeschlossen werden kann. Im Rahmen der Erforschung der verfassungsrechtlichen Tiefe des Ehegattenpflichtteilsrechts ist zunächst die verfassungsrechtliche Reichweite des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge zu behandeln. Das Pflichtteilsrecht des Gatten und das der Abkömmlinge stehen in ihrer Gesamtheit in Konkurrenz zur (materiellen)9 Testierfreiheit des Erblassers. Das Pflichtteilrecht begründet nach §§ 2303 Abs. 1, 2317 Abs. 1 BGB lediglich einen schuldrecht4  Vgl.

B. I.

5  BVerfGE

112, 332 ff. = BVerfG ZEV 2005, 301 ff. B. I. 7  Vgl. E. II. 8  BVerfGE 105, 1, 12 = BVerfG FamRZ 2002, 527, 528 f. 9  Auch wenn das schuldrechtliche Pflichtteilsrecht (vgl. § 2317 Abs. 1 BGB) die Testierfreiheit formal unberührt lässt, wird die Testierfreiheit wirtschaftlich durch das Pflichtteilsrecht ausgehöhlt. 6  Vgl.

82 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

lichen Anspruch. Die dingliche Wirkung letztwilliger Verfügungen lässt das Pflichtteilsrecht unberührt. Der Gesetzgeber baute die erbrechtliche und pflichtteilsrechtliche Stellung des Gatten über einen langen Zeitraum beharrlich aus.10 Diese Tendenz hat verfassungsrechtliche Grenzen. Das schuldrechtlich wirkende Pflichtteilsrecht kann ersichtlich nicht immer weiter ausufern und so die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Testierfreiheit11 wirtschaftlich aushöhlen, indem den Abkömmlingen und Gatten des Erblassers ein immer größerer Teil des Nachlasses wirtschaftlich betrachtet vorbehalten bleibt. Diese Problematik erkennt auch das Bürgerliche Recht. Der Pflichtteilsanspruch von Abkömmlingen und Ehegatten kann nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB nur die Hälfte des Nachlasses ausmachen. Eine Erhöhung der Erbquote des Ehegatten lässt den Pflichtteilsanspruch der Abkömmlinge absinken.12 So wird erreicht, dass aus der wirtschaftlichen Perspektive des Erblassers nicht mehr als die Hälfte13 des Nachlasses durch Pflichtteilsansprüche gegen den Willen des Erblassers abfließen kann. Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten wird daher einerseits durch die (materielle) Testierfreiheit des Erblassers aus Art. 14 Abs. 1 GG und andererseits durch den schon grundsätzlich durch das Bundesverfassungsgericht14 bestätigten Schutz des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge begrenzt. Der unklare verfassungsrechtliche Schutz des Pflichtteilsrechts des Ehegatten sowie dessen Reichweite können erst bestimmt werden, wenn Klarheit über die Reichweite des Pflichtteilsrechts der Kinder und der Testierfreiheit des Erblassers als das Ehegattenpflichtteilsrecht verdrängende Grenzsteine positioniert sind. Das Ehegattenpflichtteilsrecht kann ähnlich dem Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge verfassungsrechtlich durch das mit Art. 14 Abs. 1 GG gewährte historische Erbrecht geschützt sein, wie auch durch den besonderen Schutz der Ehe durch die staatliche Ordnung über Art. 6 Abs. 1 GG. Eine etwaige zwingende güterrechtliche Beteiligung tritt nicht in Konkurrenz zur materiellen Testierfreiheit des Erblassers. Diese materielle Testierfreiheit des Erblassers kann sich nur auf den „Nettonachlass“ beziehen. Alle „Nachlassschulden“ sind bei der Bestimmung der Quote der materiellen 10  Vgl.

D. IV. 5. Papier in: Maunz/Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn. 303. 12  Die Erbquote der Kinder nach § 1924 Abs. 1 BGB wird um die Erbquote des Gatten nach § 1931 BGB gemindert. Dies setzt sich nach § 2303 Abs. 1, 2 BGB im Pflichtteilsrecht fort. 13  Von besonderem Interesse ist die Frage, ob die faktische Halbteilung des Nachlasses im bürgerlichen Erbrecht zwischen Nachlassteilhabe der nächsten Angehörigen und materieller Testierfreiheit verfassungsrechtlich abgesichert ist. 14  BVerfGE 112, 332 ff. = BVerfG ZEV 2005, 301 ff. 11  Hierzu:



II. Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichten83

Testierfreiheit in Abzug zu bringen. Bezüglich des Zugewinnausgleichs sprechen die stärkeren Gründe für ein Einordnen dieses Teilhaberechts als „Nachlassschuld“: Der Versorgungsausgleich ist die konsequente Weiterentwicklung des Zugewinnausgleichs und sollte bisherige Lücken in der gleichen Berechtigung beider Partner am ehelich Erworbenen schließen.15 Das Bundesverfassungsgericht stellte für den Versorgungsausgleich schon eine in der Ehe angelegte Belastung des Eigentums mit potentiellen Ausgleichsansprüchen fest.16 Überträgt man diesen Rechtsgedanken auf den Zugewinnausgleich, den der Versorgungsausgleich ergänzen sollte, folgt hieraus eine Belastung des Nachlasses durch etwaig verfassungsrechtlich bedingte güterrechtliche Teilhaberechte. Folglich ist ein unmittelbarer Einfluss auf die materielle Testierfreiheit nicht anzunehmen.

II. Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichten Schon die Eröffnung der Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts ist nicht unumstritten. Durch die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen wurde die vertragsgestaltende Praxis aufgeschreckt17 und treibt seitdem die Diskussion um die Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts voran. Das Landgericht Ravensburg erntete deutliche Kritik, als es Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht nach unterzogener Inhaltskontrolle als sittenwidrig einstufte. Zum einen soll das Landgericht nicht den höchstrichterlichen Vorgaben zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen gefolgt sein und zum anderen soll das Urteil hinsichtlich des Übergreifens der Nichtigkeit des Ehevertrages auf den Pflichtteilsverzicht nicht substanziell begründet worden sein.18 Durch den besonderen Rechtscharakter des Pflichtteilsverzichts als abstraktes und damit grundsätzlich wertneutrales Verfügungsgeschäft19 wird schon die grundsätzliche Zulässigkeit einer Inhaltskontrolle regelmäßig thematisiert.20 15  BVerfGE

53, 257, 294 f. = BVerfG NJW 1980, 692, 694 f. 53, 257, 296 m. w. N. = BVerfG NJW 1980, 692, 694 m. w. N. 17  Zu den Befürchtungen der notariellen Praxis nach einer Übertragung der Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen auf Erb- und Pflichtteilsverzichte anlässlich des Urteils des OLG München MittBayNot 2006, 428 f.: Kapfer MittBayNot 2006, 385 ff. 18  Vgl. Kritik von Bergschneider: LG Ravensburg FamRZ 2008, 1289 ff., 1291 mit Anmerkung Bergschneider; auch: Münch ZEV 2008, 571 ff. 19  Zur Rechtnatur des Erbverzichts: Schotten in: Staudinger, (§§ 2346–2385), (April 2010) Einl. zu §§ 2346–2352 Rn. 15 ff.; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Vorschriften des Erbverzichts auf den Pflichtteilsverzicht: Wendt ZNotP 2006, 2, 6. 20  Etwa: Münch ZEV 2008, 571, 576 ff.; mit einer Auflistung der für- und widersprechenden Argumente der Inhaltskontrolle: Wachter ZErb 2004, 238, 243 ff. 16  BVerfGE

84 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Wachter21 sprach sich schon früh für eine Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts aus und relativierte Argumente gegen eine Inhaltskontrolle. So erkennt er ein funktional eng verwobenes Ehegattenerb- und Ehegattengüterrecht, das den ehelichen Pflichtteilsverzicht tendenziell in die Nähe einer durchgreifenden Inhaltskontrolle rückt.22 Der Einfluss der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auf den verzichtsfreundlichen Wortlaut des Bürgerlichen Gesetzbuchs23 relativiert dessen Aussagekraft. Zudem kommt, anders als bei der Gütertrennung, die gesetzgeberische Erwartung einer Entgeltlichkeit des Erbverzichts durch § 2310 Satz 2 BGB zum Ausdruck. Nach § 2310 Satz 2 BGB wird in der Erwartung einer Entgeltlichkeit des Erbverzichts der Verzichtende nicht mehr bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt.24 Der historische Gesetzgeber ging davon aus, dass der Erbverzicht regelmäßig nur gegen eine Abfindung zugunsten des Verzichtenden erfolgt. Der Nachlasswert ist demnach bereits durch den entgeltlichen Verzicht reduziert worden. Auf Basis dieser Annahme ist es konsequent, den Verzichtenden nach § 2310 Satz 2 BGB auch nicht mehr bei der Bestimmung der Quoten der verbleibenden Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen, da der Nachlasswert durch den entgeltlichen Verzicht schon reduziert ist.25 Gewiss gehen die Wirkungen des umfassenden Erbverzichts weiter als die des Pflichtteilsverzichts. Die gesetzgeberische Erwartung nach einer Entgeltlichkeit des Erbverzichts deutet tendenziell einen Maßstab für die Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts an. An einer möglichen durchgreifenden Inhaltskontrolle sollten nach dem Aufsatz des Richters am Bundesgerichtshof Wendt26 keine grundsätzlichen Zweifel mehr bestehen: Mit dem Hinweis auf eine Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts hält dieser eine Ausübungskontrolle nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für möglich. Mit einer Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts ist die Brücke zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen an Hand der Kernbereichslehre geschlagen. Der Verzicht von kernbereichsnahen Unterhaltsansprüchen ist bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen besonders problematisch. Spätestens nach dem Urteil des Landgerichts Ravensburg27 ist die Problemstellung in der notariellen Praxis angekommen. Dieses hat aus einer Ge21  Wachter

ZErb 2004, 238, 245. ZErb 2004, 238, 238. 23  Vgl. zur Systematik: B. III.; auf den Pflichtteilsverzicht bezogen: Wachter ZErb 2004, 238, 243. 24  Vgl. Krug, Erbrecht (2009), S. 157. 25  Die Ausführungen der gesetzgeberischen Erwartung der Entgeltlichkeit des Erbverzichts nach Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) § 2310 Rn. 15 f. m. w. N. 26  Wendt, ZNotP 2006, 2, 6 ff. 27  LG Ravensburg FamRZ 2008, 1289 ff., 1291 mit Anmerkung Bergschneider. 22  Wachter



II. Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichten85

samtwürdigung von Ehevertrag und Erb- und Pflichtteilsverzicht auf die Nichtigkeit aller Regelungen erkannt. Hierbei hat das Gericht auch die Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts in die Gesamtwürdigung mit einbezogen. Grundsätzlich ist bei der Inhaltskontrolle von dem Beibehalten der allgemeinen für den Ehevertrag entwickelten Systematik der Generalklauseln auszugehen, unter besonderer Berücksichtigung des Charakters des Pflichtteilsverzichts als abstraktes Verfügungsgeschäft.28 Von Seiten der Vertragsgestalter wird eine Inhaltskontrolle in Form einer Gesamtschau von Pflichtteilsverzicht und Ehevertrag befürchtet.29 Gegen eine solche Inhaltskontrolle werden verbreitet die unterschiedlichen Regelungsinhalte von Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht vorgetragenen.30 Dem kann nur beigepflichtet werden. Zweifelhaft erscheint aber, ob das Pflichtteilsrecht durch eine Gegenüberstellung mit dem nach der Kernbereichslehre kernbereichsfernen Zugewinnausgleich „keinesfalls“31 in dem Kernbereich der Eherechte anzusiedeln ist. Die Schnittmenge von Kernbereichslehre und Pflichtteilsrecht findet sich in einem Abstellen auf nacheheliche Treue und Solidarität. Insbesondere die nach der Kernbereichslehre als besonders wichtig eingeordnete Unterhaltsfunktion des Scheidungsfolgenrechts ist Ausdruck nachehelicher Treue und Solidarität. Dem ehelichen Pflichtteilsrecht kann ebenfalls eine vergleichbare Unterhaltsfunktion zukommen und damit eine durchgreifende Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts nach sich ziehen. Eine Gesamtschau der Rechtswirkungen der ehelichen Vermögensausgestaltung erscheint damit grundsätzlich nicht fernliegend. So werden die Wechselwirkungen zwischen nachehelichem Unterhaltsanspruch und erfolgtem Pflichtteilsverzicht an Hand des § 1586b Abs. 1 BGB diskutiert. Nach dieser Norm haften die Erben für den Unterhaltsanspruch als Nachlassverbindlichkeit nur bis zur Höhe des potentiellen Pflichtteilsanspruchs des Ehegatten.32 Damit ist eine Verbindung zwischen 28  So schon Wendt ZNotP 2006, 2, insbes. 6 ff.; umfassend werden die Grundlagen zusammengefasst bei: Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 33 ff. zu § 138 Abs. 1 BGB; S. 53 ff. zu den §§ 242 bzw. 313 BGB. Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 172 ff.: Zu den sich aus dem Charakter des Pflichtteilsverzichts ergebenden Besonderheiten für Pflichtteilsverzicht und Kausalvertrag. 29  Vgl. Kapfer MittBayNot 2006, 385, 389, insbes. Fn 43 m. V. a. J. Mayer FPR 2006, 129, 134 dort: Ziff. IV. Fn. 44 m. V. a. Wendt ZNotP 2006, 2, 3. 30  Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 36 m.  V. a.: Kapfer MittBayNot 2006, 387, 389; Münch ZEV 2008, 571, 576 ff.; Weidlich NotBZ 2009, 149, 158 f.; J. Mayer in: Bamberger/Roth, Band 3 (hier aktuelle Auflage 2012), § 2346 Rn. 39. Allgemeiner Hinweis zur Inhaltskontrolle: Schotten in: Staudinger, (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 197. 31  Dahingehend jedoch: Bengel ZEV 2006, 192, 196 (Ziff. 3.5.). 32  Im Überblick zu dem Meinungsstand und mit der Empfehlung der Regelung des rechtlichen Schicksals des Unterhaltsanspruchs in der notariellen Urkunde:

86 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Unterhaltsfunktion und Pflichtteilsrecht sichtbar, die das Pflichtteilsrecht – übertragen auf die Inhaltskontrolle von Eheverträgen – in der Nähe des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts erscheinen lassen. Soweit die Ehe durch den Tod beendet wird, wiegt der Grundsatz nachehelicher Treue sogar ungleich schwerer, als bei der gewollten Beendigung der Ehe durch eine Scheidung. Die Befürchtung33 einer einfachen Übertragung der bereits entwickelten Grundsätze der Ehevertragskontrolle auf den Erb- und Pflichtteilsverzicht können nicht geteilt werden. Gegen eine einfache Übertragung der Grundsätze werden Argumente mit verschiedenen Stoßrichtungen vorgetragen: Soweit die Kernbereichslehre pflichtteilsverzichtsfreundlich erscheint, wird auf die Trennschärfe zwischen Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht nicht beharrt. So fordert Bergschneider, die „großzügige“ Behandlung der bei der Inhaltskontrolle isoliert betrachteten Gütertrennung auch auf den Erb- und Pflichtteilsverzicht zu übertragen.34 Andererseits wird auf eine Entkoppelung des Pflichtteilsverzichts von einer Inhaltskontrolle nach der Kernbereichslehre geachtet. Eine isolierte Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts nach Maßgabe der Kernbereichslehre wird grundsätzlich abgelehnt.35 Hierfür wird die unterschiedliche Interessenlage des Pflichtteilsverzichts im Vergleich zu der Ehevertragssituation und auf den Risikocharakter des nach dem Gesetzgeber immerhin unentgeltlich möglichen Pflichtteilsverzichts angeführt.36 Die grundsätzlich unterschiedlichen Einsatzmomente von Zugewinnausgleich und Pflichtteilsrecht ließen ein Übertragen des Gedankens der ehevertraglichen Inhaltskontrolle auf den bei Tod des Gatten relevanten Pflichtteilsverzicht nicht zu. Frenz ZEV 1997, 450, 451. Wohl angestoßen durch die Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts, sieht Münch mit beachtlichen Argumenten eine vordringende Meinung, nach der Unterhaltsansprüche durch den Pflichtteilsverzicht unberührt bleiben: Münch ZEV 2008, 571, 574 f. insbes. m. V. a. auch ebd. Frenz und auch Keim FPR 2006, 145, 146: dieser auch mit Beschreibung der Voraussetzungen der Normen: „Gem. § 1586b Abs. 1 BGB geht mit dem Tod des Verpflichteten die Unterhaltspflicht auf die Erben über, jedoch der Höhe nach beschränkt auf den fiktiven Pflichtteil, der dem Berechtigten zustünde, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre.“ 33  Die allgemeine Verunsicherung unter den Vertragsgestaltern beschreibend und stellvertretend für diese: Kapfer MittBayNot 2006, 385, 389, insbes. Fn 43 m. V. a. J. Mayer FPR 2006, 129, 134 dort: Ziff. IV. Fn. 44 m. V. a. Wendt ZNotP 2006, 2, 3. 34  LG Ravensburg FamRZ 2008, 1289 ff. mit Anmerkung Bergschneider: S. 1292 (dort: Ziff. 2.). 35  Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 36 m. w. N. 36  Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 197.



II. Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichten87

Während der Zugewinnausgleich an dem ehelich Erworbenen bei der Scheidung der Ehe ansetzt, greift das Pflichtteilsrecht unabhängig einem ehelichen Erwerb bei der Beendigung durch den Tod eines der Gatten ein.37 Die Kernbereichsferne des Pflichtteilsrechts ergebe sich schon daraus, dass dieses spätestens mit der Scheidung der Ehe erlischt. Dagegen gehen die im Ehevertrag geregelten Rechte grundsätzlich nicht mit der Scheidung unter. Deshalb soll das Pflichtteilsrecht nicht zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehören können.38 Auch soll eine Wesensverschiedenheit des Erb- und Pflichtteilsrechts zu dem Scheidungsfolgenrecht aus der nur dem Scheidungsfolgenrecht eigentümlichen Kompensation ehebedingter Nachteile folgen.39 Wegen des dem Erblasser durch das Bürgerliche Recht eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums müsse dieser grundsätzlich keine Rücksicht auf eine Familienbindung oder die Versorgung naher Angehöriger nehmen, wohingegen das Scheidungsfolgenrecht auf eine Versorgung des Gatten ziele.40 Auch wird der Zugewinnausgleichsanspruch über § 1375 Abs. 3 BGB besonders abgesichert. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich wird demnach grundsätzlich nicht durch unentgeltliche Verfügungen oder Verschwendung des Ausgleichspflichtigen innerhalb der letzten 10 Jahre vor Beendigung des Güterstandes gemindert.41 Der schwache Schutz der Pflichtteilsberechtigten durch § 2325 Abs. 3 BGB vor beeinträchtigenden lebzeitigen Verfügungen durch den Erblasser zeuge zudem von der Gestaltungsfreiheit des Erblassers.42 Zweifelhaft erscheint, ob auf den nunmehr schwachen zeitlichen eingeschränkten Schutz vor beeinträchtigenden Verfügungen durch § 2325 Abs. 3 BGB verwiesen werden kann, da erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dieser Erosion des durch § 2325 Abs. 3 BGB vermittelten Schutzes bestehen.43 Zudem soll das bedarfsunabhängige 37  Insbesondere auf die unterschiedlichen Schutzwecke ebenso verweisend, sowie auf die Grenzen der Übertragbarkeit der Funktionen des Unterhaltsrechts auf den Pflichtteilsverzicht abstellend: Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 36 etwa m. V. a. (angepasst): Kapfer MittBayNot 2006, 385, 387, 388, 389; Münch ZEV 2008, 571, 576 ff.; Weidlich NotBZ 2009, 158 f.; J. Mayer in: Bamberger/Roth, Band 3 (hier aktualisiert 2012), § 2346 Rn. 38, 39. 38  Kapfer MittBayNot 2006, 385, 387; J. Mayer in: Bamberger/Roth, Band 3 (2012), § 2346 Rn. 39 m. w. N. u. a.: ebd. Kapfer; Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 36 m. V. a. ebd. (Vorauflage). 39  So: Weidlich NotBZ 2009, 149, 158 m. V. a. Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte (2007), Rn. 777; auch: Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 36 m. V. a. ebd. Weidlich. 40  Weidlich NotBZ 2009, 149, 158  f.; grds. auch Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 36 m. V. a. ebd. Weidlich. 41  Näher hierzu Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1375 Rn. 29. 42  Weidlich NotBZ 2009, 149, 159. 43  D. V. 8.

88 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Pflichtteilsrecht schon nicht mit dem bedarfsorientierten Unterhaltsrecht vergleichbar sein.44 Insgesamt sollen die Grundätze der ehevertraglichen Inhaltskontrolle wegen der Wesensverschiedenheit von Scheidungsfolgenrecht und Pflichtteilsrecht nicht auf Letzteres übertragen werden können. Diese grundlegenden Annahmen, auf denen der Pflichtteilsverzicht einer effektiven Inhaltskontrolle entrückt werden soll, sind nicht unumstritten. So hält Wachter mit seinem unspezifischen Hinweis auf die Wechselwirkungen von Ehegattenerbrecht und Ehegattengüterrecht Funktionsschnittmengen zwischen diesen Rechtsinstituten nicht für ausgeschlossen.45 Wendt weist auf die der pflichtteilsrechtlichen Vermögensteilhabe eigentümliche Unterhaltssicherungsfunktion hin. Dabei erkennt Wendt trotz vielfach geäußerter Zweifel eine Unterhaltssicherungsfunktion in dem Pflichtteilsanspruch.46 Gegen die Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts wird insbesondere auch rechtstatsächlich argumentiert. Durch die gestiegene Lebenserwartung soll das Pflichtteilsrecht regelmäßig erst in einem Zeitpunkt entstehen, zu welchem dem Berechtigten regelmäßig die Bedürftigkeit als Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch durch den Aufbau einer eigenen Existenz fehlt.47 An die Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts knüpft Dutta an, wenn er die Sittenwidrigkeit des Verzichts des bedürftigen Pflichtteilsbedürftigen erkennt.48 Dabei orientiert sich die von ihm vorgeschlagene Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts stark an den historischen Ursprüngen der Inhaltskontrolle ehevertraglicher Vereinbarungen. Für eine durchgreifende Inhaltskontrolle auf Basis der Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts lassen sich auch die historischen Ursprünge der ehevertraglichen Inhaltskontrolle anführen. Mit dem Argument des Grundsatzes der Subsidiarität staatlicher Leistungen wurden schon vor der durch das Bundesverfassungsgericht aufgelösten Rechtsprechung zur Ehevertragskontrolle Unterhaltsverzichte zu Lasten des Sozialhilfeträgers als sittenwidrig eingestuft.49 44  Kapfer MittBayNot 2006, 385, 388; Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 36 m. V. u. a. a.ebd. Zu der entgegenstehenden verfassungsrechtlichen Versorgungsfunktion des Ehegattenpflichtteilsrechts: C. VI. 45  Wachters Einschätzung ist wohl im Zusammenhang mit dem güterstandsabhängigen Erbrecht nach § 1931 Abs. 4 BGB und dem pauschalen Zugewinnausgleich bei Beendigung des Güterstandes durch Tod nach § 1371 Abs. 3 BGB zu verstehen: Wachter ZErb 2004, 306, 306. 46  Wendt ZNotP 2006, 2, 7. 47  So verweist Wendt ZNotP 2006, 2, 7 auf J. Mayer MittBayNot 2005, 286, 288 und Haas ZEV 2000, 249, 251. 48  Dutta AcP 209 (2009), 760, 774 ff. 49  Vgl. hierzu: BGH FamRZ 1987, 152, 154 m. V. a. BGH FamRZ 1983, 137, 139 = BGHZ 86, 82, 86 f.; von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht § 2 Rn. 342 m. V. a. ebd. BGH.



III. Die abstrakte Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts89

Die bisherige Diskussion um eine Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts erfolgt nicht auf Basis einer konsequenten Einordnung der verfassungsrechtlichen Verankerung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte als maßgeblicher Maßstab der Inhaltskontrolle wird praktisch ausgeblendet. Eine belastbare Aussage zu einer durchgreifenden Inhaltskontrolle kann so nicht getroffen werden.

III. Die abstrakte Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts und die Inhaltskontrolle Es ist richtig und notwendig, die Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts an der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auszurichten. Gleichwohl ist die Übertragung grundrechtlicher Wertungen auf Inhaltskontrolle wegen der abstrakten Rechtsnatur nicht völlig unproblematisch. Zunächst ist deshalb zu klären, ob es Besonderheiten aus der Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts für die Inhaltskontrolle am Maßstab der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gibt. Der Blick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte darf nicht dazu verleiten, die Grundstrukturen des Pflichtteilsverzichts aus den Augen zu verlieren. Als abstraktes Verfügungsgeschäft weist der Pflichtteilsverzicht selbst nach allgemeiner Meinung keinen für die unmittelbare Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB erforderlichen Unwertgehalt auf.50 Mit dem abstrakten Charakter des Pflichtteilsverzichts grundsätzlich vereinbar ist nach der wohl herrschenden Meinung zumindest eine Anpassung des Pflichtteilsverzichts über die Ausübungskontrolle des § 242 BGB, beziehungsweise wegen Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zu Lebzeiten des Erblassers. Aus Gründen der Rechtssicherheit für die Erbengemeinschaft soll eine solche Anpassung nur bis zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls möglich sein.51 Die Grundstruktur des als abstraktes Verfügungsgeschäft wertneutralen Pflichtteilsverzichts kann nicht von den realen wirtschaftlichen Auswirkungen für den verzichtenden Ehegatten wegführen. Es überzeugt nicht, den Anwendungsbereich der Wirksamkeitskontrolle durch § 138 Abs. 1 BGB unter Hinweis auf die zivilrechtlich abstrakte Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts abzulehnen. Ansonsten könnte das Zivilrecht die Reichweite und den Schutz durch das Verfassungsrecht definieren. Eine andere Sichtweise 50  Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, (S. 37  f.) § 5 B. II.; insbes. Kuchinke FPR 2006, 125, 127. 51  Vgl. diesbezüglich und insbesondere zur wohl herrschenden Meinung: Wendt ZNotP 2006, 2, 6 f. m. w. N.; mit gleicher Einschätzung hinsichtlich des Erbverzichts zum Meinungstand auch Bengel ZEV 2006, 192, 193 m. V. a. ebd.

90 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

wäre mit übergeordnetem Verfassungsrecht nicht vereinbar. In diesem Zusammenhang ist auf die erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen zu verweisen. Der Erste Senat stellt in der Entscheidung knapp fest, dass das Oberlandesgericht die verfassungsrechtlichen Wertungen der Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 4 GG „verkannt“ hat und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung – unter Beachtung der von dem Senat ausgeführten verfassungsrechtlichen Wertungen – an das Oberlandesgericht zurück.52 Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die ordentlichen Gerichte nach § 31 Abs. 1 BVerfGG. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts kann einzig von verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und damit nicht von der zivilrechtlich abstrakten Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts geprägt sein. Die unabhängig von der abstrakten Rechtsnatur zu erfolgende verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten durch das Bundesverfassungsgericht dürfte durch die ordentlichen Gerichte nicht mit dem Verweis auf die lediglich zivilrechtliche Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts relativiert oder gar in Frage gestellt werden. Im Übrigen ist dem Zivilrecht ein unmittelbares „Durchschlagen“ auf den Pflichtteilsverzicht selbst nicht fremd: Dem unentgeltlichen Pflichtteilsverzicht liegt ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft sui generis zugrunde.53 Allgemein ist durch die Rechtsfigur der „Fehleridentität“ ein Durchschlagen des Verpflichtungsgeschäfts auf den abstrakten Pflichtteilsverzicht möglich.54 Die abstrakte Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts und die Notwendigkeit der Rechtssicherheit schließen die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf den Pflichtteilsverzicht damit nicht grundsätzlich aus. Auch soweit keine Fehler­ identität vorliegt, kann zumindest das dem Pflichtteilsverzicht zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft über die Generalklauseln eine „Anpassung“ erfahren.55 Ohne den Pflichtteilsverzicht als solches zu kassieren, kann der Abfindungsvertrag als dem Pflichtteilsverzicht zugrundeliegendes Verpflichtungsgeschäft angepasst werden und die hieraus folgenden Ansprüche auf den Nachlass bzw. die Erben erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen ha52  BVerfGE

103, 89 ff. in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 121: „Unentgeltliches Rechtsgeschäft sui generis“ wird als Art des Kausalgeschäfts angeführt. Kuchinke FPR 2006, 125, 127: Unentgeltlicher Verzicht ist einseitiges Rechtsgeschäft. 54  Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 180 und Rn. 172 ff. Zur Kondiktion des Verzichts Rn. 181 ff.; zur Kondiktion soweit ein Kausalgeschäft fehlt: Rn. 186 f. 55  Vgl. Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 190 f. Ausführlich Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 54 ff. 53  Schotten



III. Die abstrakte Rechtsnatur des Pflichtteilsverzichts91

ben.56 Der unentgeltliche Verzicht ist in der notariellen Praxis weit häufiger als gemeinhin angenommen.57 Damit dürfte regelmäßig die Frage aufgeworfen sein, inwieweit ein dem Pflichtteilsverzicht zugrundeliegender unentgeltlicher Vertrag sui generis eine Anpassung über die Ausübungskontrolle erfahren kann. Die praktische Relevanz gebietet schon, die regelmäßige Unentgeltlichkeit des Verzichts dem Verzichtenden nicht auch noch durch einen Ausschluss der Anpassung des Vertrages sui generis zum Nachteil gereichen zu lassen. Es ist davon auszugehen, dass das Rechtsgeschäft sui generis ebenso einer Anpassung unterliegen kann wie dies für das entgeltliche Kausalgeschäft möglich ist. Daneben wird auch eine dingliche Wirkung auf den Pflichtteilsverzicht wegen des nicht eingegrenzten Anwendungsbereichs des § 313 Abs. 1 BGB als möglich erachtet.58 Ebenso erscheint es wenig überzeugend, unter Hinweis auf das besondere Bedürfnis nach Rechtssicherheit, dass der Pflichtteilsverzicht nach dem Tod des Erblassers nicht mehr angefochten werden kann.59 Fundiert wendet Horn60 ein, dass Anfechtung und Ausschlagung letztwilliger Verfügungen ebenso die Erbfolge verändern. Die Argumente für eine Zulässigkeit der Anfechtung nach dem Tod des Erblassers lassen sich noch vertiefen: Die Anfechtung und die Ausschlagung letztwilliger Verfügungen können insbesondere auch durch Dritte erfolgen, die nicht unter dem besonderen Schutz von Ehe und Familie des Art. 6 Abs. 1 GG stehen. Die Pflichtteilsberechtigten hingegen stehen unter diesem besonderen Schutz und können auf ein berechtigtes Affektionsinteresse einer dinglichen Beteiligung am Nachlass verweisen. Es überzeugt gerade vor Art. 6 Abs. 1 GG nicht, die Anfechtung des Pflichtteilsverzichts mit Hinweis auf das Gut der Rechtssicherheit ins Leere laufen zu lassen, wenn die Rechtssicherheit in gleicher Weise durch 56  BGH ZEV 1999, 62, 63 f. m. w. N.; Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 191. 57  Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 120. 58  Ludyga sieht primär Anpassungen auf der Ebene des Kausalvertrages, gleichzeitig erachtet er wegen des nicht eingegrenzten Anwendungsbereichs des § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung des Pflichtteilsverzichts selbst als möglich: Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 56 f.; vgl. insbes. zu den Grundlagen auch Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 190 ff. 59  Umstrittene herrschende Meinung nach Schotten in: Staudinger (§§ 2346– 2385), (April 2010) § 2346 Rn. 106 m. w. N. u. a.: OLG Koblenz NJW-RR 1993, 708 f. Weiter: Gegen eine Einschränkung des Anfechtungsrechts Damrau in: Soergel (§§ 2274–2385) (2002), § 2346 Rn. 20; BayObLG MittBayNot 2006, 249 ff. mit kritischer Auseinandersetzung zu dem von dem BayObLG angenommenen Anfechtungsausschluss, Anmerkung Damraus S.  253 f. 60  Horn ZEV 2010, 295, 296.

92 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Anfechtung und Ausschlagung der Erbschaft durch Dritte beseitigt werden kann. Aus zivilrechtlicher Sicht wiegen die Bedenken gegen die Anpassung von Pflichtteilsverzicht und dessen Kausalgeschäft schwer.61 Insbesondere eine generelle Wirksamkeitskontrolle des Pflichtteilsverzichts würde dessen abstrakte Rechtnatur und damit die Systematik des Bürgerlichen Rechts weitgehend ignorieren.62 Andererseits erscheint es wiederum wenig aussichtsreich, über die Grundstrukturen des Bürgerlichen Rechts den Einfluss der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte begrenzen zu wollen: Ist dies möglich, so obläge es dem einfachen Gesetzgeber durch die rechtstechnische Ausgestaltung des Zivilrechts, das Schutzniveau der Grundrechte zu bestimmen. Wird konsequenterweise ein dingliches Durchschlagen der Drittwirkung der Grundrechte auf den Pflichtteilsverzicht selbst angenommen, so wiegt dies für den Erblasser besonders schwer. Dem Pflichtteilsverzicht liegt oftmals nicht nur der Wunsch nach wirtschaftlicher Vermögenstrennung der Eheleute zu Grunde.63 Regelmäßig soll der auf den Pflichtteil verzichtende Ehegatte nicht Teil der Erbengemeinschaft werden und mangels der Zugehörigkeit zur Erbengemeinschaft auch keinen empfindlichen Einfluss auf die Auseinandersetzung des Nachlasses oder dessen Verwaltung durch die Erbengemeinschaft nehmen können. Soweit der Pflichtteilsverzicht durch die Wirksamkeitskontrolle vollends kassiert wird und der Erblasser im Glauben an die Wirksamkeit des Pflichtteilsverzichts keine Verfügung von Todes wegen hinterlässt, bilden die Abkömmlinge und der Ehegatte eine Erbengemeinschaft. Das Anliegen des Erblassers läuft gleich doppelt ins Leere: Einerseits durch die wirtschaftliche Teilhabe des Gatten am Nachlass und andererseits durch die Eigenschaft des Gatten als Mitglied der Erbengemeinschaft. Letzteres wiegt dann besonders schwer, wenn eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht gewollt oder nur schwer durchzuführen ist, so etwa, wenn der Nachlass im Wesentlichen aus einem Unternehmen besteht. Dann sitzt der von dem Erblasser als „enterbt“ geglaubte Ehegatte als Entscheider mit am Tisch der Erbengemeinschaft. Die sich hieraus ergebenden praktischen Probleme sind offensichtlich.

auch Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S.  56 f. m. w. N. auch Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 33 ff. 63  Allgemein zur die Testierfreiheit erweiternden Wirkung des Pflichtteilsverzichts: Dutta AcP 209 (2009), 760, 762. 61  Dazu 62  Dazu



IV. „Gefahren“ für den Pflichtteilsverzicht93

IV. „Gefahren“ für den Pflichtteilsverzicht jenseits der mittelbaren Drittwirkung Auch schon unabhängig von der Drittwirkung der Grundrechte bei der Inhaltskontrolle folgen aus dem allgemeinen Zivilrecht diverse „Gefahren“ für die Wirksamkeit des Pflichtteilsverzichts: 1. Mögliche „Infektion“64 des Ehevertrages durch den Pflichtteilsverzicht Bisher wurde die Problematik einer Inhaltskontrolle des isoliert bzw. in einer Gesamtschau von Pflichtteilsverzicht und Ehevertrag betrachteten Pflichtteilsverzichts erörtert. Die Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichts scheint daneben auch durch § 139 BGB ausgelöst werden zu können. Regelmäßig werden in der notariellen Praxis ein Ehevertrag und der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht in einer Urkunde beurkundet. Damit stellt sich die Frage, ob und wie sich die Nichtigkeit des Ehevertrages auf den Pflichtteilsverzicht auswirken kann. Nach § 139 BGB ist bei der Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts im Zweifel vom einer Nichtigkeit des gesamten Geschäfts auszugehen, wenn nicht nach dem mutmaßlichen Willen der Parteien der andere Teil aufrechterhalten werden soll.65 Deshalb ist zu klären, inwieweit eine isoliert festgestellte Unwirksamkeit des Ehevertrages nach § 139 BGB auf den Pflichtteilsverzicht übergreifen kann. Zunächst ist festzuhalten, dass durch eine getrennte Beurkundung von Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung die Problematik nicht umgangen werden kann. Münch etwa will mit dem Hinweis auf eine „völlig getrennte[…] Zielrichtung“ von Ehevertrag einerseits und Pflichtteilsverzicht andererseits sowie mit dem ergänzenden Argument des Kostenvorteils durch die gemeinsame Beurkundung grundsätzlich keine Verbindung zwischen den Erklärungen sehen.66 Dieser Argumentation ist mit einer gewissen Skepsis gegenüberzutreten. Münch selbst erweckt – freilich in einem anderen Beitrag – den Eindruck, dass zwischen Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht ein innerer Zusammenhang besteht. So rät Münch in seinem „Handbuch für Münch ZEV 2008, 571, 571. in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 139 Rn. 1, 10, 14. 66  Münch ZEV 2008, 571, 577; ebd. mit dem Hinweis auf die Kostenvorteile durch § 46 Abs. 3 KostO; wie auf Gageik FPR 2005, 122, 129. Ähnlich auch Kühle, der unter Hinweis auf die Doppelfunktion des Pflichtteilsverzichts diesen in einen erbrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Teil aufspaltet und hierüber eine Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB ablehnt (Kühle ZErb 2013, 221, 224 f.). 64  Vgl.:

65  Ellenberger

94 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Vertragsgestaltung“: Soweit die Gütertrennung der Vermögenstrennung diene, sollte auch der Pflichtteilsverzicht im Rahmen der ehevertraglichen Beratung erörtert werden.67 Dementsprechend scheinen auch seine Kollegen Langenfeld und Bengel die Interessenlage einzuschätzen. So weist Bengel68 darauf hin, dass das Problem der Gesamtnichtigkeit über § 139 BGB wegen Teilunwirksamkeit durch einen nichtigen Ehevertrag „keinesfalls durch getrennte Beurkundung, also willkürliche Aufspaltung in zwei verschiedene Verträge, gelöst“ werden könne. Zudem mahnt Bengel zur Aufnahme einer Verknüpfungsabrede bei körperlicher Trennung von Vereinbarungen, die von einem einheitlichen Willen getragen werden. Auch Langenfeld69 sieht kaum Raum, durch eine pauschale salvatorische Klausel den mutmaßlichen Parteiwillen insoweit zu steuern, dass eine Gesamtnichtigkeit über § 139 BGB abgewendet werden kann. Langenfeld empfiehlt weitsichtig die Aufnahme sogenannter „spezieller salvatorischer Klauseln“, die ausdrücklich einen Erhaltungswillen der Eheleute für den Pflichtteilsverzichts festhalten. Gleichzeitig lässt er Vorsicht walten, wenn es darum geht, inwieweit die Gerichte diese „Patentlösung“ mittragen werden. Langenfelds70 „spezielle salvatorische Klausel“ bleibt allerdings eine pauschale, auf den allgemeinen Vertragsinhalt angepasste Klausel. Die spezielle salvatorische Klausel hält entweder den Aufrechterhaltungswillen der Gütertrennung im Ehevertrag oder den des Pflichtteilsverzichts neben einer ehevertraglichen Vereinbarung pauschal fest. Für Langenfelds Vorschlag spricht ein erfreulicher Gewinn an Rechtssicherheit, ohne dabei gleichzeitig andere Rechtsrisiken zu eröffnen. Gleichwohl bleibt diese „spezielle salvatorische Klausel“ lediglich eine pauschale Klausel, die keinen Bezug auf den konkreten, umstandsbasierten Willen der Eheleute aufweist. Einer mit den Feststellungen aus der in dieser Arbeit empfohlenen Präambeln für notariell beurkundete Erklärungen angereicherten „individuellen salvatorischen Klausel“ kann zumindest eine stärkere Durchschlagskraft für den konkreten Aufrechterhaltungswillen der Eheleute beigemessen werden. Wird die salvatorische Klausel durch die konkreten inneren und äußeren Beweggründe der Parteien für den Abschluss des Ehevertrages und des Pflichtteilsverzichts begründet, kann hierüber auch der konkrete Aufrechterhaltungswille der Eheleute für den Pflichtteilsverzicht für den Fall der Nichtigkeit des Ehevertrages festgehalten werden. 67  Münch,

Ehebezogene Rechtsgeschäfte (2007), S. 181 Rn. 804. ZEV 2006, 192, 196. 69  Langenfeld ZEV 2004, 311, 314. 70  Vgl. Langenfeld ZEV 2004, 311, 314. 68  Bengel



IV. „Gefahren“ für den Pflichtteilsverzicht95

Der Schritt von einer oftmals ohne konkrete Vorstellungen der Eheleute „gedankenverloren“ vereinbarten salvatorischen Klausel hin zu einer individuellen salvatorischen Abrede verleiht dem Aufrechterhaltungswillen ein ganz erhebliches Gewicht. Der Preis für diesen Zugewinn an Rechtssicherheit liegt in einem durchaus kalkulierbaren Risiko in Form der Dokumentation innerer und äußerer Beweggründe der Ehegatten: Ohne genaue Kenntnis einer etwaig für die Eheleute unabdingbaren verfassungsrechtlichen Absicherung von güterrechtlicher Teilhabe und Pflichtteilsverzicht, besteht das Rechtsrisiko, durch die Dokumentation innerer und äußerer Beweggründe der Eheleute den Boden für Korrekturen von Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht über Generalklauseln zu schaffen. 2. Präambeln als Ausgangspunkt für Anfechtung und Inhaltskontrolle Die Anfechtung des Pflichtteilsverzichts führt zu einem vollen Wegfall der Verzichtswirkungen. Dies gilt auch bei einer Anfechtung nach dem Versterben des Erblassers. Durch die erfolgreiche Anfechtung wird der ursprünglich auf den Pflichtteil Verzichtende vollwertiges Mitglied der Erbengemeinschaft. Ein Anfechtungsrisiko ist für den Erblasser daher besonders bedeutend. Deshalb werden im Folgenden noch für im Verhältnis der Eheleute zueinander besonders schnell zum Tragen kommende Anfechtungssituationen erörtert.71 Fehlvorstellungen vom Wert des Vermögens berechtigten den auf den Pflichtteil verzichtenden Gatten grundsätzlich nicht zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB wegen Irrtums hinsichtlich der Eigenschaften des Nachlasses.72 Aus der weiteren Vermögensentwicklung nach Abgabe der Verzichtserklärung kann wegen des Risikocharakters des Pflichtteilsverzichts nur in ganz besonders gelagerten Fällen eine Anpassung des Pflichtteilsverzichts oder des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrages begehrt werden.73 Für die Eheleute stellt sich zudem die Frage, ob eine ganz außergewöhnlich hohe Vermögensentwicklung eines Gatten nach Abgabe 71  Allgemeiner und umfassender Überblick bei: Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 174 ff. Vertiefend: Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S.  29 ff. 72  Vgl. Kollhosser AcP 194 (1994), 231, 254 f. (insbes. Fn 75); insbes. Lange/ Kuchinke, Erbrecht (2001), § 7 V 1 dort insbes. Fn. 102; Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 175 m. V. a. ebd.; zu den Anfechtungsgründen insges. auch: Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 30 f. 73  Zu Voraussetzung und Umsetzung einer denkbaren Störung der Geschäftsgrundlage: Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 178 m. w. N., 189 ff. (insbes. Rn. 191: Beispiel: Dem Erblasser fließt nach dem Erbver-

96 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

der Pflichtteilsverzichtserklärung nicht im Schwerpunkt die Problematik einer zwingenden güterrechtlichen Teilhabe aufwirft.74 In der Praxis ist die Motivation des Pflichtteilsberechtigten zur Abgabe einer Verzichtserklärung nicht ganz einfach: Durch Kollhosser75 wird anschaulich Selbstverständnis und Agieren „selbstbewusster Unternehmer“ und ihrer „Berater“ im Umgang mit Pflichtteilsberechtigten beschrieben. Dieses Gespann soll – so Kollhossers Kritik76 – unter Vorspielen des Ziels der Sicherung der Betriebssubstanz die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge zur Abgabe der Pflichtteilsverzichtserklärung bewegen. Durch die grundsätzlich empfehlenswerte Aufnahme von Präambeln in die Urkunde eröffnen sich für den von Kollhosser skizzierten selbstbewussten Unternehmertyp erhebliche Rechtsrisiken: Allgemein treffen den Erblasser keine Offenlegungspflichten hinsichtlich seines Vermögens im Rahmen der Entgegennahme einer Pflichtteilsverzichtserklärung.77 Horn78 rät deshalb, überhaupt keine Informationen über das Vermögen zu geben. Mit Horn79 muss wegen der prinzipiellen Fehleranfälligkeit davon abgeraten werden, Vermögensverzeichnisse als Grundlage von Verzicht und Abfindung aufzustellen. Ein Irrtum über die wertbildenden Merkmale oder über den Bestand des Erblasservermögens ermöglicht grundsätzlich eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB.80 Im Nähe- und Vertrauensverhältnis zwischen den Eheleuten ist es kaum möglich, eine wechselseitige Vorstellung von dem Vermögensbestand des jeweils anderen Partners zu vermeiden. Ein Erzeugen und Ausnutzen falscher Vorstellungen über das Vermögen des Partners ist in der engen Verbindung beider Partner durchaus angelegt.81 Damit eröffnen sich zicht in Folge der deutsch-deutschen Wiedervereinigung von 1990 ganz erhebliches Immobilienvermögen auf dem Gebiet der Ex-DDR zu.). 74  E. III. 75  Kollhosser AcP 194 (1994) 231, 255. 76  Kollhosser AcP 194 (1994) 231, 255. 77  Horn ZEV 2010, 295, 297 m. V. a. (so schon) Lange, Der entgeltliche Erbverzicht, S. 119, 131 in: Mikat (Hrsg.), Festschrift der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Julius-Maximilian-Universität Würzburg zum 75. Geburtstag von Hermann Nottarp (1961). 78  Horn ZEV 2010, 295, 297. 79  Horn ZEV 2010, 295, 297: Praxishinweis von Horn ohne Verweis auf die Rechtsprechung. 80  Definition eng nach: Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 177. 81  Zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB und § 123 Abs. 1 BGB und zur arglistigen Täuschung durch Verschweigen: Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 175 ff.



IV. „Gefahren“ für den Pflichtteilsverzicht97

konkrete Risiken für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB.82 Trotz des Pflichtteilsrechts entstanden in Deutschland bedeutende inhabergeführte Unternehmen. Offenbar gelingt es vielen Unternehmern, neben dem Unternehmen erhebliche Vermögenswerte zur Befriedigung pflichtteilsrechtlicher Ansprüche aus dem Nachlass aufzubauen. In einem dementsprechenden Umfeld kann ein etwa in der Präambel festgehaltenes Ziel nach der Sicherung der Unternehmenssubstanz durch den Pflichtteilsverzicht einen Anfechtungsgrund erzeugen, soweit Pflichtteilsberechtigte zum Fortbestand des Familienunternehmens auf ihre Rechte verzichten, obwohl zu erwarten ist, dass Pflichtteilsansprüche ohne Unternehmensgefährdung befriedigt werden können. Die Flucht in die oftmals vorliegende Verjährungseinrede des § 124 BGB bietet nur mäßigen Schutz vor der Anfechtung des Pflichtteilsverzichts, schließlich beginnt die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB erst mit der Entdeckung der Täuschung.83 Selbst wenn die Anfechtungsfrist verstrichen wäre, könnte der „helfende Richter“ über die § 242 BGB bzw. § 313 Abs. 1 BGB zumindest schuldrechtlich an den Wirkungen des Pflichtteilsverzichts hebeln. Anknüpfungspunkt für die Ausübungskontrolle könnte die in der Präambel dokumentierte Erwartung sein, dass Pflichtteilsansprüche in nicht das Familienunternehmen existentiell84 gefährdender Weise durch die Erben befriedigt werden können. Das nachvollziehbare und berechtigte Anliegen nach einer vollständigen Vermögenstrennung eines Gatten ist dem anderen Partner nicht leicht zu vermitteln. Insbesondere soweit Präambeln Aufnahme in die Urkunde finden, kann nur dringend davon abgeraten werden, die Abgabe der Pflichtteilsverzichtserklärung durch das Vorschieben unwahrer Tatsachen zu erreichen. Die Aufnahme von Präambeln in notarielle Urkunden kann die Anfechtung des Pflichtteilsverzichts ganz erheblich erleichtern. Dies gilt insbesondere, wenn der Verzichtende unter Vorspielen falscher Tatsachen oder auf Basis sich als falsch erweisender Umstände zur Abgabe der Pflichtteilsverzichtserklärung motiviert wird.

82  Zur arglistigen Täuschung durch Verschweigen: Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 175. 83  Die Anfechtungsfrist des § 124 BGB regelmäßig als gewissen Schutz vor der Anfechtung erkennend: Ludyga, Pflichtteilsverzichtsverträge, S. 31. 84  Die Möglichkeit der Stundung nach § 2331a BGB relativiert die Existenzgefährdung zudem.

98 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder – Grenzpfeiler für das Pflichtteilsrecht des Ehegatten In dem verfassungsrechtlichen Spannungsfeld85 aus dem Schutz von Testierfreiheit bzw. ehelicher Vermögensausgestaltungsfreiheit einerseits und andererseits dem Pflichtteilsrecht des Ehegatten bzw. der Kinder des Erblassers hat sich das Bundesverfassungsgericht schon dezidiert zu dem Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder des Erblassers geäußert. Das Bundesverfassungsgericht86 hat im Jahr 2005 in einer als „überraschend „dünn“ und insgesamt wenig überzeugend“87 kritisierten Entscheidung den verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder festgestellt. Ausdrücklich spricht das Bundesverfassungsgericht von einem „weiten Gestaltungsspielraum“88 des Gesetzgebers bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts der Kinder. Der durch den Senat hervorgehobene weite Gestaltungsspielraum dämpft die Erwartungen aus dieser Entscheidung Hinweise auf eine einen harten, etwaig indisponiblen Wesenskern des Pflichtteilsrechts herauslesen zu können. Auch Kleesang beklagt, dass aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Pflichtteilsrecht der Kinder für die Kautelarjurisprudenz eine „kaum lösbare Aufgabe einer Rechtsprechungsprognose“ in Bezug auf das Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsentziehungsgründe erwächst.89 Gleichwohl muss der Versuch unternommen werden, eine Auflösung des bereits skizzierten Spannungsfeldes, einer durch die Vertrags- und Testierfreiheit des Erblassers begrenzten verfassungsrechtlichen Verankerung des Pflichtteilsrechts von Kindern und Ehegatte zu erreichen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich schließlich dezidiert mit dem verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts befasst. Grundsätzlich dürfte eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den erbrechtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aufschlussreich sein. Dies zeigt die methodische Vorgehensweise von Otte90 bei der Beantwortung der Frage, ob und inwieweit eine verfassungsrechtliche Verankerung 85  Vgl.

D. I.

86  BVerfGE

112, 332 ff. = BVerfG ZEV 2005, 301 ff. NJW 2005, 2122, 2122. 88  BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77 = BVerfG ZEV 2005, 301, 304 Tz. 77 m. V. a. BVerfGE 67, 329, 340 f. Grundsätzliche Vorbehalte gegenüber dem weiten Gestaltungsspielraum wegen der nur wenigen ausdrücklichen Beispiele durch das Bundesverfassungsgericht auch: Kleesang ZEV 2005, 277, 280. 89  Kleesang ZEV 2005, 277, 282. 90  Otte AcP 202 (2002), 317, 318 ff. 87  Stüber



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder99

des Pflichtteilsrechts besteht. Otte gelingt es, auf der Basis einer nahezu messerscharfen Auslegung der bis dahin das Pflichtteilsrecht allenfalls streifenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dessen verfassungsrechtlichen Schutz im Wesentlichen soweit zu skizzieren, dass ihm die Antizipation der Entscheidung zum verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts gelang.91 Otte92 glaubt nicht an sinnfreie und bedeutungslose Ausführungen oder Passagen in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts weisen eine gewisse inhaltliche und methodische Kontinuität auf, durch die auch die Entscheidungen der ordentlichen Gerichte gekennzeichnet sind. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass das Bundesverfassungsgericht sich der einmal gewählten Methodik nicht sklavisch weiter bedient.93 Auch die Besetzung der Senate übt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die verfassungsrechtlich mögliche Varianz der Entscheidungen aus. Jenseits des Tenors kommt dem berichterstattenden Richter und dessen methodischer Handschrift ebenfalls ein ganz erheblicher Einfluss zu. Für die Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder kam dem Richter des Bundesverfassungsgerichts Papier die Funktion des Berichterstatters zu.94 Die dennoch bestehende grundsätzliche Kontinuität der Auslegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht verlangt eine fundierte Auseinandersetzung mit der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder. Gerade die historisch verengte und historisch überbordende Auslegung des Erbrechts durch das Bundesverfassungsgericht95 muss auf mögliche grundsätzliche Wertaussagen hin überprüft werden. Gleiches gilt für die als kursorisch und einseitig kritisierte Darstellung des Pflichtteilsrechts in den europäischen Rechtsordnungen durch das Gericht.96 Otte AcP 202 (2002), 317, 326. AcP 202 (2002), 317, 324: So hat Otte keine Zweifel an mit Bedacht gewählten Worten des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich das Pflichtteilsrecht streifenden Entscheidungen. 93  Insbesondere zum Wechsel zwischen „objektiver“ und „subjektiver“ Auslegung durch das BVerfG: Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I (2004), S. 45 Rz. 27 Fn. 9 m. w. N. u. a.: (wohl) BVerfGE 2, 266, 276; 4, 299, 304 f.; 9, 124, 128; 33, 125 ff., 152; 54, 277, 297 f.; 61, 149 ff., 200. 94  Gemäß Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts an den Verfasser. 95  So grds. die Kritik von Stüber (NJW 2005, 2122, 2123) an der Pflichtteilsrechtsentscheidung des BVerfGs. 96  Zur Kritik an dem Ausblenden wichtiger europäischer Tendenzen, die sich gegen das Pflichtteilsrecht richten: Lange ZErb 2005, 205, 206 m. w. N.: u. a.: Schlüter, Die Änderung der Rolle des Pflichtteilrechts im sozialen Kontext, S. 1047, 1066 (kursorisch), in: Canaris (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I (2000); Edenfeld ZEV 2001, 457, 459 f.; Pintens FamRZ 2003, 417, 421–424; Strätz FamRZ 91  Vgl. 92  Otte

100 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

1. Verfassungsrechtliche Verankerung des Pflichtteilsrechts der Kinder Die genaue Bestimmung der Grundrechte, die das Pflichtteilsrecht des Ehegatten möglicherweise schützen, ist für die Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts von entscheidender Bedeutung. Die konkrete verfassungsrechtliche Herleitung des Pflichtteilsrechts hat erheblichen Einfluss auf die verfassungsrechtliche Tiefe des Schutzes und gibt zudem Aufschluss über die genauen verfassungsrechtlichen Funktionen des ehelichen Pflichtteilsrechts. Diese verfassungsrechtlichen Funktionen strahlen auf die Inhaltskontrolle des ehelichen Pflichtteilsverzichts aus. Das Bundesverfassungsgericht erkannte den Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder in der Verbindung der Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG.97 Diese Einordnung war keineswegs zwingend. Das breite Schrifttum zum verfassungsrechtlichen Pflichtteilsrecht kann grundsätzlich in zwei diametral entgegengesetzte Lager geteilt werden: Ein Lager sieht durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Pflichtteilsrecht und verweist dabei auf ein angeblich in seiner gesellschaftlichen und familiären Funktion überholtes Pflichtteilsrecht. Diesem Lager wurde zumindest für das Pflichtteilsrecht der Kinder durch das Bundesverfassungsgericht eine deutliche Absage erteilt.98 Diejenigen, die das Pflichtteilsrecht als durch die Verfassung geschützt betrachten, kennzeichnet keine homogene dogmatische Herleitung dieser Auffassung. Die verfassungsrechtliche Dogmatik hält eine Vielzahl von Möglichkeiten der Herleitung des verfassungsrechtlichen Schutzes vor. Neben der Herleitung des Bundesverfassungsgerichts ist ebenfalls grundsätzlich denkbar, den verfassungsrechtlichen Schutz allein aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG oder auch parallel durch die genannten Grundrechte gewährt zu sehen.99 1998, 1553, 1565. Zu den Grenzen des Pflichtteilsverzichts bei Bedürftigkeit des Berechtigten nach französischem Erbrecht: Dutta AcP 209 (2009), 760, 774 f. 97  BVerfGE 112, 332, 332 = BVerfG ZEV 2005, 301, 301. 98  BVerfGE 112, 332, 335 [Tz. 22] = BVerfG ZEV 2005, 301, 301 [Tz. 22]. Weitergehende Hinweise zur Kritik an dem Pflichtteilsrecht: Haas ZEV 2000, 249, 253, 260 m. w. N. Zur Verfassungsmäßigkeit aus wissenschaftlicher Sicht auch: Tomfort, Pflichtteilsentziehungsgründe, S.  97 ff. 99  Ein Überblick zu den vertretenen Meinungen und dogmatischen Argumenten, ohne inhaltliche Verengungen nach der Entscheidung des BVerfGs zum Pflichtteilsrecht der Kinder, findet sich bei Haas ZEV 2000, 249, 253 (im Nachfolgenden im Wesentlichen identisch wiedergegeben): So wird eine Verankerung unmittelbar in dem durch Art. 6 Abs. 1 GG beeinflussten Art. 14 Abs. 1 GG vertreten (Otte in: Staudinger, (Januar 1994) Einl. zu §§ 1922 ff. Rn. 69, 91 (deutlich: Art. 14 Abs. 1 GG); BGHZ 109, 306, 313 = BGH JZ 1990, 697, 700, 702 m. Anm. Leipold (insbes. auch zu Boehmer); Steffen DRiZ 1972, 263, 266 f.). Konträr dazu wird die Herleitung allein aus Art. 6 Abs. 1 GG vertreten (Stein in: Soergel (§§ 1922–2385) (1992)



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder101

Insbesondere die Position des Bundesgerichtshofs ermöglicht die Herleitung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Pflichtteilsrechts durch die Verbindung aus Art. 14, 6 Abs. 1 GG oder auch hinsichtlich einer Gewähr isoliert durch jeweils jedes der Grundrechte.100 Die Erörterung der konkreten verfassungsrechtlichen Verankerung des Pflichtteilsrechts ist keineswegs eine Frage akademischer Natur. Vordergründig könnte man mit Otte auf die dem Zivilrechtler vertraute Anspruchsgrundlagenkonkurrenz verweisen und dementsprechend die Pflichtteilsgewähr durch Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 GG oder aus einer Verschränkung der Grundrechte nicht grundsätzlich problematisieren.101 Vorliegend handelt es sich aber gerade nicht offensichtlich um einen Fall, in dem ein und dieselbe verfassungsrechtliche Position durch verschiedene Grundrechte oder einer Kombination aus diesen geschützt wird. Vielleicht mag das Pflichtteilsrecht als solches über die jeweiligen Grundrechte verfassungsrechtlich verankert sein. Die konkrete Reichweite und Tiefe des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts der Kinder kann allerEinl. 1922 Rn. 7 f. (kritisch differenzierend); Lange/Kuchinke, Erbrecht (1995), § 37 III 4; Gerken Rpfleger 1989, 45, 45; Hetmeier, Grundlagen der Privaterbfolge in der Bundesrepublik und in der DDR (1990), S. 80 ff. Vermittelnd soll das Pflichtteilsrecht aus dem Zusammenspiel der Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG hergeleitet werden (BGH NJW 1990, 911, 913; Brox, Erbrecht (1998), Rn. 24 und aus der verfassungsrechtlichen Literatur Papier in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 244, 246). Dabei erscheint die Einordnung Papiers als Vertreter einer Verankerung des Pflichtteilsrechts durch das Zusammenspiel der Art. 14 Abs. 1 GG und des Art. 6 Abs. 1 GG zweifelhaft. Papier (in: Maunz/Dürig Art. 14 Rn. 302 (allerdings: Juni 2002)) sieht durch Art. 6 Abs. 1 GG eher nur den Kreis der Pflichtteilsberechtigten abgesteckt. Danach würde das Pflichtteilsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG folgen. Einer originären Verbindung des Art. 14 Abs. 1 GG zu Art. 6 Abs. 1 GG bedürfte es gerade nicht. Hierfür spricht auch, dass sich Papier maßgeblich auf Boehmer (in: Neumann (Hrsg.) u. a., Die Grundrechte, Band 2 (1968), S. 401, 418 ff.) stützt. Erst nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, deren Berichterstatter Papier war, wird für das Pflichtteilsrecht der Kinder auf die Verbindung aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG abgestellt (vgl. Papier in: Maunz/Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn. 302). Überblick auch bei: Tomfort, Pflichtteilsentziehungsgründe, S. 98 f.; breiter gefasst bei: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 52 ff. Im Überblick zu den konkret vertretenen Rechtsauffassungen: Haas ZEV 2000, 249, 253 mit dem Überblick über die dahingehende Literatur. 100  BGHZ 109, 306, 313 m. w. N. = BGH NJW 1990, 911, 913: „in einem gewissen Umfang auch unter dem Schutz der Art. 14, 6 Abs. 1 GG“. Kurz zuvor allerdings nur auf Art. 14 GG abstellend: „es [das Pflichtteilsrecht] steht in diesem gewissen Umfang auch unter dem Schutz des Art. 14 GG“: BGH NJW 1987, 122, 123 = BGHZ 98, 226, 233; gleichwohl den BGH „als ausdrücklich Stellung genommen“ [wohl Art. 14, 6 Abs. 1 GG] einordnend: Haas ZEV 2000, 249, 250. 101  Otte AcP 202 (2002), 317, 322.

102 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

dings von der konkret gewählten verfassungsrechtlichen Verankerung und den damit einhergehenden Funktionen abhängen. Die konkrete verfassungsrechtliche Herleitung des Pflichtteilsrechts schlägt spätestens bei der Beurteilung von Existenz und Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts des Ehegatten durch und ist damit für das eigentliche Interesse der Arbeit höchst relevant. Dies verdeutlicht schon Kleesangs Charakterisierung der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder als „Bemerkenswert […] rechtshistorisch und rechtsvergleichend“102. Jenseits der allgemeinen Herleitung des Pflichtteilsrechts aus der Verfassung nimmt das Bundesverfassungsgericht mit diesem Auslegungsschwerpunkt eine wesentliche Weichenstellung in Bezug auf die konkrete Gewährleistung des Pflichtteilsrechts der Kinder vor. Eine historische, tradierte Dimension kann das Pflichtteilsrecht nur über die historisch gewachsene Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG erlangen. Der über Art. 6 Abs. 1 GG vermittelte besondere Schutz von Ehe und Familie eignet sich schon dem Grunde nach nur eingeschränkt für eine rechtshistorische und rechtsvergleichende Herleitung des Pflichtteilsrechts. Die Relevanz der verfassungsrechtlichen Herleitung wird für ein etwaiges verfassungsrechtliches Pflichtteilsrecht des Ehegatten offensichtlich. Sollte das Ehegattenpflichtteilsrecht ebenfalls über die Verbindung aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG hergeleitet werden, drängen sich Zweifel auf, inwieweit dem Pflichtteilsrecht des Ehegatten das gleiche verfassungsrechtliche Gewicht wie dem der Kinder zukommen kann. Die stark historisch geprägte Herleitung des Pflichtteilsrechts der Kinder wirft die Frage nach einem historischen Gleichlauf der erbrechtlichen Stellung von Kindern und Gatten auf. Fehlt etwa dem Pflichtteilsrecht des Ehegatten die tiefe historische Verankerung des Pflichtteilsrechts der Kinder, so kann das nach der Methodik des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne Auswirkungen auf das verfassungsrechtliche Gewicht des Ehegattenpflichtteilsrechts bleiben. Die Herleitung einer Grundrechtsposition aus der Verbindung von Grundrechten ist in der Rechtsprechung nicht ungewöhnlich. Als prominentestes Beispiel hierfür lässt sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG anführen, zuletzt etwa das Grundrecht der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.103 Diese Entwicklung der Herleitung von Grundrechten aus der Verbindung einzelner Grundrechte ist dem Umstand geschuldet, dass der Grundrechtskatalog praktisch statisch ist, die Verfassung aber Menschenrechte für Menschen 102  Kleesang 103  BVerfGE

ZEV 2005, 277, 279. 120, 274 ff. = BVerfG NJW 2008, 822 ff.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder103

bieten muss, die in einer Gesellschaft leben, die sich im ständigen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Wandel befindet. Erst durch den Bezug zu der grundsätzlichen Wertentscheidung des Grundgesetzes lassen sich sich so ergebende Lücken schließen. Dem Grunde nach ließen sich aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG und den Rechtsstaatsprinzipien aus Art. 20 GG die meisten der Grundrechte des Grundgesetzes in ihren wesentlichen Zügen ableiten, insbesondere ließe sich so auch der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG herleiten.104 Zumindest für das Pflichtteilsrecht der Kinder hätten die Gründe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keines Rückgriffs auf den Art. 6 Abs. 1 GG für die verfassungsrechtliche Gewährleistung bedurft. So stellt der Erste Senat zwar fest, dass aus Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG das Pflichtteilsrecht der Kinder als grundsätzlich bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass folgt.105 Zugleich hebt der Senat hervor, dass Art. 14 Abs. 1 GG das Erbrecht als Rechtsinstitut und Individualrecht gewährt.106 Zu den tragenden Strukturprinzipien des Erbrechts wird das Pflichtteilsrecht der Kinder als tradiertes Kernelement des deutschen Erbrechts gezählt.107 Mit dieser Argumentation würde schon der verfassungsrechtliche Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder grundsätzlich allein aus Art. 14 Abs. 1 GG feststehen. Hierbei handelt es sich bei näherer Betrachtung um einen Zirkelschluss: Allein aus der tradierten bürgerlich rechtlichen Existenz des Pflichtteilsrechts wird zumindest eine verfassungsrechtlich geschützte wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass abgeleitet. Unklar bleibt jedoch die genaue Tiefe des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts. Durch diese grundsätzliche Herleitung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts über die erbrechtliche Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG liegt ein elementarer Unterschied zu den „geschaffenen“ Grundrechtspositionen, wie etwa dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Existenz dieser „geschaffenen“ Grundrechtspositionen hängt von der Verbindung bzw. Verschränkung von Grundrechten ab. Für die Gewährleistung des Pflichtteilsrechts hätte es gerade keiner Verbindung von einzelnen Grundrechten bedurft. 104  Zur Ewigkeitsgarantie und insbesondere Art.  6 GG: Ipsen, Staatsrecht I (2012), Rn. 1043 mit vermittelnder Ansicht, wonach ein Sozialstaat ohne den Schutz von Ehe und Familie nicht sozial sein kann. Stern, Staatsrecht, Band I (1984), § 5 IV 5 b (allerdings nicht so weit gehend wie Ipsen). 105  BVerfG ZEV 2005, 301, 301 (Leitsatz zu 1.), 302 Tz. 61 = BVerfGE 112, 332, 332, 348. 106  BVerfG ZEV 2005, 301, 302 Tz. 62 = BVerfGE 112, 332, 358 Tz. 62. 107  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 65 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz. 65.

104 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Insofern überrascht der Senat, wenn er zusätzlich noch auf Art. 6 Abs. 1 GG abstellt, nachdem er eine Gewährleistung des Pflichtteilsrechts der Kinder grundsätzlich schon durch Art. 14 Abs. 1 GG erkennt. So verweist der Senat auf den engen Sinnzusammenhang des Pflichtteilsrechts mit dem Schutz der Familie108 durch Art. 6 Abs. 1 GG. Gleich darauf nimmt der Erste Senat Bezug auf den Parlamentarischen Rat und will erkannt haben, dass dieser das Erbrecht ebenfalls durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt sehen wollte.109 Auf diesem Unterbau erkennt der Senat schließlich die „strukturprägenden Merkmale der Nachlassteilhabe“ als Ausdruck der Familiensolidarität des Art. 6 Abs. 1 GG.110 Neben einer Ausfüllung des Art. 14 Abs. 1 GG durch Art. 6 Abs. 1 GG können beide Artikel nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts durchaus auch in „Anspruchskonkurrenz“ das Pflichtteilsrecht der Kinder gewährleisten. Mit der durch das Bundesverfassungsgericht gewählten Konstruktion hat Karlsruhe ein grundsätzliches Bekenntnis zu einem starken Recht der Kinder auf Beteiligung am Nachlass und zugleich eine Möglichkeit der maßvollen Fortentwicklung dieses Rechts auf Beteiligung am Nachlass im Spiegel gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen gewählt: Art. 14 Abs. 1 GG schützt zwar grundsätzlich den Freiheitsraum des Erblassers, insbesondere die Testierfreiheit,111 jedoch schützt er nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge auch die den Erblasser beschränkende wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Abkömmlinge am Nachlass.112 Mit dieser Verwurzelung des Art. 14 Abs. 1 GG in einem überlieferten, starken Familienerbrecht zeugt er von der verfassungsrechtlichen Präsenz eines Pflichtteilsrechts im weiteren Sinn, während Art. 6 Abs. 1 GG Raum für eine den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen Rechnung tragendes Bedürfnis nach Flexibilität der starken historischen Nachlassbeteiligung der Kinder durch Art. 14 Abs. 1 GG eröffnet. Der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG kann je nach gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Entwicklung eine unterschiedliche wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass erfordern.

108  BVerfG

ZEV 2005, 301, 303 f. Tz. 71 ff. = BVerfGE 112, 332, 352 f. Tz. 71 ff. Würdigung der Auslegung des Willens des Parlamentarischen Rates: BVerfG ZEV 2005, 301, 304 Tz. 72 f. = BVerfGE 112, 332, 352 f. Tz 72 f. 110  BVerfG ZEV 2005, 301, 304 Tz. 73 = BVerfGE 112, 332, 352 Tz. 73. 111  BVerfGE 91, 346, 358. 112  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 65 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz 65. 109  Zur



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder105

2. Erbrechtsgewähr nach dem Wortlaut des Grundgesetzes und nach systematischer Auslegung Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 GG lässt mangels unmittelbarer Anhaltspunkte nicht auf den Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder durch diesen schließen. Die Erbrechtsgewähr des Art. 14 Abs. 1 GG lässt allenfalls mittelbar über die Gewährleistung des „Erbrechts“ das Pflichtteilsrecht erkennen; wenn nicht schon ein in Bezug auf den Schutz einer wirtschaftlichen Mindestbeteiligung am Nachlass ein völlig unergiebiger bzw. „offener“ Wortlaut der Norm zu konstatieren ist113. Hierin findet sich die Ursache, dass die genannten Artikel des Grundgesetzes über die Auslegung nach dem Wortlaut – ohne jegliche Bezüge zu einer systematischen und historischen Auslegung – kaum für die Auslegung zugunsten der Gewähr des Pflichtteilsrechts als konkrete Rechtsposition fruchtbar zu machen sind, was für das Grundgesetz mit seinem grundsätzlich abstrakten Grundrechtsschutz nicht unüblich ist. So kann ein Verschwimmen der Grenzen der verschiedenen Auslegungsmethoden auch vorliegend nicht vermieden werden. Soweit sich der Erste Senat in der Pflichtteilsrechtsentscheidung nicht in historischen Ausführungen ergeht, wähnt er sich auch durch die Auslegung des Grundgesetzes nach Wortlaut und Systematik bestätigt: In systematischer Hinsicht will der Senat in der gesonderten Erwähnung des Erbrechts in Art. 14 Abs. 1 GG, neben dem Eigentum, eine eigenständige Bedeutung des Erbrechts feststellen. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Zunächst liest das Bundesverfassungsgericht – grundsätzlich über den Wortlaut hinaus – in die Gewähr des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG die Gewährleistung der Testierfreiheit hinein.114 Der Schutz der Testierfreiheit folgt aus der Gewähr von Eigentum und Erbrecht durch Art. 14 Abs. 1 GG als Grundlage einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung, die mit dem Tod des Eigentümers nicht untergehen soll. Insoweit ergänzt die insbesondere im Interesse des Erblassers gewährleistete Erbrechtgarantie die Eigentumsgarantie und beide bilden die grundgesetzlich vorgegebene Grundlage der privaten Vermögensordnung.115 Ohne ein gleichzeitiges Recht des Erben auf Annahme der Erbschaft würde die Gewährleistung der Testierfreiheit sinnentleert. Auf dieser Basis argumentiert das Bundesverfassungsgericht weiter, dass die

113  Art. 14 Abs. 1 GG als im Wortlaut „offen“ eingeordnet von: Stüber NJW 2005, 2122, 2123. 114  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 66 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz. 66. 115  Insbesondere zum Schutz der Testierfreiheit: BVerfGE 91, 346, 358 = BVerfG 1995, 692, 695 f. m. V. a. BVerfGE 83, 201, 208 = BVerfG NJW 1991, 1807, 1807.

106 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Erwähnung des „Erbrechts“ in Art. 14 Abs. 1 GG eine durch das Erbrecht der Kinder geprägte Institutsgarantie erfassen soll.116 Dieser Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht lässt sich die ebenfalls vertretene gegenteilige Sichtweise genau so gut gegenüberstellen: Danach wird ein die Freiheit des Erblassers beschränkendes Pflichtteilsrecht gerade nicht durch das Grundgesetz garantiert. Mit der Gewähr von Eigentum und Erbrecht werden zwei Freiheitsrechte durch Art. 14 Abs. 1 GG nebeneinandergestellt. Damit lässt sich auch die Ansicht gut hören, dass die freiheitsbeschränkenden Rechtsfolgen des Pflichtteilsrechts nicht aus Art. 14 Abs. 1 GG erwachsen können.117 Das Fundament der systematischen Auslegung durch den Senat zur Herleitung des Pflichtteilsrechts der Kinder stellt keineswegs eine unverrückbare Basis dar. Bei näherer Betrachtung sind die Argumente des Bundesverfassungsgerichts nicht zwingend. Die zunächst lebzeitig wirkende Eigentumsgarantie ist auch ohne eine über das Leben hinaustragende Testierfreiheit gut denkbar. Allein aus der Gewährleistung des Eigentums muss damit nicht unbedingt auf die der Testierfreiheit geschlossen werden. Sofern die Testierfreiheit nicht schon aus der Gewährleistung des Eigentums folgt, entfällt auch der Anknüpfungspunkt für die Gewährleistung des Erbrechts über die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Ist die Testierfreiheit schon nicht über die Eigentumsgarantie geschützt, so ist auch konsequenterweise ein Recht des Erben auf Annahme der Erbschaft nicht vorauszusetzen. Mit Kleesang kann hier auf den kontroversen Meinungsstand der Naturrechtler verwiesen werden, der um die mögliche Trennung von Eigentum und Erbrecht kreist.118 Soweit Art. 14 Abs. 1 GG als reine Gewähr von Freiheitsrechten verstanden werden soll, erscheint die Zuweisung einer über den Tod hinausgehenden Vermögensfreiheit und damit die Gewähr der Testierfreiheit und des Pflichtteilsrechts durch die Erbrechtsgarantie sachgerechter.119 Auf der Ebene der Auslegung nach Wortlaut und Systematik kann die Diskussion weder überzeugend noch klar aufgelöst werden. Ohne ein Einbeziehen der Entstehungsgeschichte des Art. 14 Abs. 1 GG kann die syste116  BVerfG

ZEV 2005, 301, 303 Tz. 66 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz. 66. Argumentation bei: Wieland in: Dreier, Band I (2004), Art. 14 Rn. 67. Mit gleicher Zielrichtung gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch: Stüber NJW 2005, 2122, 2123. 118  Kleesang ZEV 2005, 277, 280 Fn. 31 m. w. N. 119  Das Bundesverfassungsgericht sieht in dem Erbrecht auch die Funktion, dass das Privateigentum als Grundlage einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung mit dem Tod nicht untergehen soll: BVerfGE 91, 346, 358. In der Literatur aufgegriffen: Kuhla, Testierfreiheit und Pflichtteilsrecht. Verfassungsrechtliche und prozessuale Überlegungen, S. 497, 498 in: Westermann u. a. (Hrsg.), Festschrift für Gerold Bezzenberger (2000). 117  Systematische



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder107

matische Auslegung in die Irre führen. Deshalb ist der kurze Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes unverzichtbar. Otte erinnert an den Umstand, dass erst durch den Verzicht des Grundgesetzes auf den in Art. 154 Abs. 2 WeimRV erwähnten „Anteil des Staates an dem Erbgut“, Erbrecht und Eigentum in der Form des Grundgesetzes in einem Artikel und einem Absatz zusammengefasst werden konnten. Durch den Verzicht des in Art. 154 Abs. 2 WeimRV festgehaltenen „Staatsanteil“ war der Weg zu einer gemeinsamen Schrankenformulierung geebnet.120 Deshalb erscheint es zweifelhaft, aus der durch diese entstehungsgeschichtliche Zufälligkeit bedingten Nebeneinanderstellung von Eigentum und Erbrecht ein systematisches Argument zugunsten einer grundsätzlichen Gewähr von Testierfreiheit und Erbrecht durch die Eigentumsgarantie herleiten zu wollen. 3. Die historische Verankerung des Pflichtteilsrechts als tragende Säule des verfassungsrechtlichen Schutzes Auf Basis der bereits erörterten Verfassungsauslegung nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung sieht der Erste Senat schon die tradierten Kernelemente des Erbrechts, und damit das Pflichtteilsrecht, als von der Verfassung geschützt.121 Vielleicht war dem Ersten Senat die nur eingeschränkte Überzeugungskraft seiner diesbezüglichen Argumentation bewusst, als dieser sein Auslegungsergebnis auch durch den Willen der Väter und Mütter des Grundgesetzes, dem Parlamentarischen Rat, bestätigt sehen wollte.122 Den Schwerpunkt der Argumentation des Senats zum Pflichtteilsrecht bildet eine bis in das Römische und Germanische Recht zurückreichende Darstellung der Verankerung des Pflichtteilsrechts. Dabei legt der Senat die zumindest unumstrittene Teilhabeposition der Kinder von den Partikularrechten bis hin zu den Beratungen der Kommissionen zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch dar.123 Schon Lange hat die breit angelegte, freilich recht kursorisch und selektiv angelegte Beschreibung der Rechtslage ausgewählter anderer europäischer Länder durch den Senat überrascht.124 Ob und was das Bundesverfassungs120  Vgl. insgesamt zu Auslegung und Reichweite der Eigentumsgarantie: Otte AcP 2002, 317, 323 m. v. A. JöR 1951 (NF Band 1), S. 1, 145 ff. 121  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 65, 66 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz. 65, 66. 122  BVerfG ZEV 2005, 301, 303, Tz. 69 = BVerfGE 112, 332, 351 Tz. 69. 123  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 67 ff. m. w. N. = BVerfGE 112, 332, 350 ff. Tz. 67  ff. m.  w.  N.; Einen objektiven Überblick etwa bei Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl zu §§ 2303 Rn. 6 ff.; mit tiefschürfenden historischen Darstellungen: Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938); Ebke, Pflichtteilsrecht, S.  6 ff.; Tomfort, Pflichtteilsentziehungsgründe, S. 7 ff. 124  So grds. auch empfunden durch: Lange ZErb 2005, 205, 206.

108 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

gericht damit zum Ausdruck bringen möchte, lässt sich nicht zweifelsfrei erschließen. Gewiss hat das historische deutsche Erbrecht, zumindest in der bei den Beratungen zu dem Grundgesetz vorliegenden Fassung, die Vorstellungen des Parlamentarischen Rates in einem gewissen Maß geprägt. Dann haben wiederum die Erbrechtsvorstellungen des Parlamentarischen Rates die Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes prägt. Diesen Einfluss auf das grundgesetzliche Erbrechtsverständnis auch für das einfachgesetzliche Erbrecht anderer europäischer Staaten annehmen zu wollen, erscheint eher abwegig. Auch deutet der Beschluss nicht an, dass die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG durch die Rechtsordnungen anderer souveräner Staaten beeinflussbar sei oder auch nur, dass es derartige Intentionen aus dem Parlamentarischen Rat heraus geben habe. Die historische Herleitung des Pflichtteilsrechts als tragende Säule ist einer kritischen Revision zu unterziehen. Das Bundesverfassungsgericht sieht einen Grundgesetzgeber, der an die „traditionelle Ausgestaltung des Erbrechts mit der grundsätzlichen Anerkennung eines Pflichtteilsrecht der Kinder … durch die Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG angeknüpft“125 hat. Trotz der breiten rechtshistorischen Ausführungen des Beschlusses fällt auf, dass der Senat keine Zeit darauf verwendet, Zwischentöne anklingen zu lassen. Karlsruhe nahm immerhin grundlegend zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Pflichtteilsrechts der Kinder Stellung. Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts als Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers rückte dabei auch die konkrete Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts der Kinder in den Focus. Dabei könnte sich die Frage stellen, ob das einfachgesetzliche Pflichtteilsrecht überhaupt einen verhältnismäßigen Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers darstellt. Schließlich dampft schon ein pflichtteilsberechtigtes Kind mit einem schuldrechtlichen Anspruch auf die Hälfte des Nachlasswertes die materielle Testierfreiheit des Erblassers zur Hälfte126 ein. Zur Verdeutlichung: Das einzige Kind eines ledigen Erblassers steht nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB ein schuldrechtlicher Pflichtteilsanspruch von der Hälfte des gesetzlichen Erbteils zu. Da das einzige Kind nach § 1924 Abs. 1 BGB alleiniger gesetzlicher Erbe wäre, kann es die Hälfte des Nachlasses geltend machen. Auf eine nähere Beschreibung der unterschiedlich ausgeprägten Pflichtteilsrechte in den verschiedenen Partikularrechten – die immerhin dem 125  BVerfG

a. E.

ZEV 2005, 301, 303 Tz. 69 a. E. = BVerfGE 112, 332, 351 Tz. 69

126  Zum konkreten Beispiel: Das einzige Kind eines ledigen Erblassers steht nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB ein schuldrechtlicher Pflichtteilsanspruch von ein Halb des gesetzlichen Erbteils zu. Da das einzige Kind nach § 1924 Abs. 1 BGB alleiniger gesetzlicher Erbe wäre, kann es ein Halb des Nachlasses geltend machen.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder109

Bürgerlichen Gesetzbuch vorausgingen – verzichtet der Senat ebenfalls.127 Auch blendet der Senat die Rechtsentwicklung nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 aus. Dabei griff die spätere Weimarer Reichsverfassung mit Art. 154 das Erbrecht – anders als das Grundgesetz – sogar in einem speziellen Artikel auf. Im Vergleich zu anderen Grundrechten war die Erbrechtsgewährleistung durch die Verfassung von Weimar relativ stark. Das Diktaturrecht des Reichspräsidenten nach Art. 48 Abs. 2 WeimRV und damit eine potentielle grundrechtliche Aushöhlung erstreckte sich auf das Eigentum, nicht aber auf das Erbrecht.128 Dieses Diktaturrecht erlaubt es dem Reichspräsidenten, unter bestimmten Voraussetzungen das durch Art. 153 WRV gewährleistete Eigentumsgrundrecht außer Kraft zu setzen. Regelrecht sonderbar mutet der Umstand an, dass der Senat auf einen Nachweis für das konkrete Anknüpfen des Parlamentarischen Rates an das überkommene Erbrecht verzichtet. Gerade an dieser tragenden Stelle verzichtet der Senat auf einen konkreten Hinweis auf die historischen Quellen. An anderer Stelle wird der Beschluss dagegen durch die Anführung der Akten und Protokolle des Parlamentarischen Rates als selbstverständlich unterlegt.129 So bemüht der Senat die Protokolle des Parlamentarischen Rates zum Nachweis der Intention der Räte, dass der Schutz der Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG auch über das Erbrecht erfolgen sollte.130 Tatsächlich hat das Mitglied des Parlamentarischen Rats von Mangoldt bei der Beratung von Eigentum und Erbrecht131 angemerkt, dass das Erbrecht als Schutz der Familie an anderer Stelle erörtert werden sollte. Ausdrückliche Zustimmung hat er für diese Position in der Beratung zum Grundgesetz nicht erhalten. Vielmehr wandte sich Weber132 ausdrücklich gegen eine solche Verengung des Erbrechts auf das Familienrecht. Im Übrigen sollte zur Diskussion ge127  Zu den einzelnen Partikularrechten: Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl zu §§ 2303 Rn. 7 m. w. N. 128  Vgl. insgesamt zur Stärke der Erbrechtsgewährleistung, insbesondere auch zum Diktaturrecht: Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 260 f. 129  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 72 a. E. = BVerfGE 112, 332, 352 Tz. 72 a. E. 130  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 72 a. E. = BVerfGE 112, 332, 352 Tz. 72 a. E. m. V. a. Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 147 f.: dort wörtlich: „Vors. [Dr. v. Mangoldt]: Das Erbrecht dient der Erhaltung und dem Schutz der Familie.“ 131  Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 147: ausdrücklich wird das Eigentum als Ausgangspunkt der Beratungen benannt. 132  Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 148: wörtlich als Reaktion auf den Vorstoß des Vorsitzenden Mangoldt: „Aber doch nicht nur im Familienrecht! Der einzelne hat doch auch ein Erbrecht“.

110 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

stellt bleiben, ob das einfachgesetzliche Pflichtteilsrecht tatsächlich dem Schutz der Familie dient. So kann auch bei beharrlicher Kontaktverweigerung des Pflichtteilsberechtigten zu dem Erblasser, letzterer das Pflichtteilsrecht nicht entziehen.133 Die durch das Pflichtteilsrecht weitgehend gewährte wirtschaftliche Mindestteilhabe muss den Familienzusammenhang also keineswegs fördern. a) Das Pflichtteilsrecht in den Beratungen des Parlamentarischen Rats Die von dem Bundesverfassungsgericht angeführte Debatte um die verfassungsrechtliche Verankerung des Pflichtteilsrechts kreist im Wesentlichen um mittelbare, stark interpretationsbedürftige Aussagen des Parlamentarischen Rates über das Pflichtteilsrecht. Ein starkes Argument für die Intention des Schutzes des Pflichtteilsrechts durch den Parlamentarischen Rat kann darin gerade nicht erkannt werden. In anderem Zusammenhang hat sich der Parlamentarische Rat sehr wohl mit dem Pflichtteilsrecht auseinandergesetzt. Die Beratungen des Parlamentarischen Rats zu dem Schutz unehelicher Kinder gerieten unglücklicherweise durch den Focus auf die vermeintlich für das Pflichtteilsrecht sachnäheren Protokolle zu Eigentum und Erbrecht in Vergessenheit. Bezüglich des Schutzes unehelicher Kinder fanden Beratungen zu einem verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteilsrecht statt. Der Vorstoß134 Bergsträßers zu einer pflichtteilsrechtlichen Ab133  Die Problematik schwingt auch in der Entscheidung des BVerfGs mit: BVerfG ZEV 2005, 301, 302, 306 Tz. 98 = BVerfGE 112, 332, 362 Tz. 98 a. E.: Der Erste Senat sieht korrekt in Entfremdung und erweiterter Kontaktverweigerung eine typische Pflichtteilssituation. Nach Auffassung des Verfassers darf ein verfassungsrechtlich geschütztes Pflichtteilsrecht nicht unter dem Vorbehalt der Öffnung zu einem persönlichen Kontakt zu dem Erblasser stehen. Es widerspräche dem Kernanliegen eines Pflichtteilsrechts, dieses nur außerhalb familiärer Konfliktsituationen zu gewähren. Zudem ist es nicht in Einklang mit dem grundgesetzlichen Bild des freien Menschen zu bringen. Ein so weitreichendes Pflichtteilsentziehungsrecht würde eine offene Kommunikation in der Familie staatlich erschweren. Zudem ist die schon aus der Disparität bekannte Problemstellung dem Grunde nach auch hier virulent. Der Staat kann und sollte nicht die Gründe für einen Kontaktabbruch bewerten. Auch ein Hinweis auf die von dem Ersten Senat in der vorgenannten Entscheidung bestätigten Pflichtteilsentziehungsgründe sind nicht geeignet, diese Einschätzung zu verrücken. Die Pflichtteilsentziehungsgründe knüpfen an objektive Umstände an. Das konkrete Verhältnis von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem wird gerade nicht zentral gewürdigt. Die regelmäßig auf strafrechtlich relevantes Verhalten abstellenden Pflichtteilsentziehungsgründe erlauben durch ihren grenzverletzenden Charakter, ein grundsätzliches Ausblenden des konkreten Verhältnisses von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem. 134  JöR, NF Band 1 (1951), S. 96 f.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder111

sicherung unehelicher Kinder135 stieß jedoch auf erhebliche emotionale Widerstände. Zwar lassen sich die – letztlich mit Erfolg – gegen ein verfassungsrechtlich verbürgtes Pflichtteilsrecht unehelicher Kinder mit der gegenwärtigen Lesart der Verfassung so nicht aufrechterhalten. Entscheidend ist jedoch: Der Parlamentarische Rat hat die Möglichkeit der Aufnahme des Pflichtteilsrechts in die Verfassung gesehen und im Ergebnis abgelehnt. Bei der Beratung lassen die Argumente des Abgeordneten Süsterhenn aufhorchen. Süsterhenn gesteht der Verfassung keine Kompetenz zur Regelung von Angelegenheiten des einfachen Rechts zu. So sei hinsichtlich der Förderung unehelicher Kinder lediglich an einen „Appell an den Gesetzgeber“ zu denken.136 Fragen des Erbrechts sollen sich in der Verfassung nicht regeln lassen.137 Danach liegt es nahe, dass es dem Verständnis des Grundgesetzes schon nicht entspricht, zu Detailfragen, wie dem Pflichtteilsrecht, Stellung zu beziehen. Wegen der dem Grundgesetz immanenten Gleichberechtigung von unehelichen und ehelichen Kindern könnte sogar geschlossen werden, dass ein Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder allgemein durch den Parlamentarischen Rat gerade nicht intendiert war. So weitreichenden Schlussfolgerungen ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Zurückweisung der Aufnahme eines Pflichtteilsrechts für uneheliche Kinder eher als eine Absage an die Regelung konkreter zivilrechtlicher Ansprüche in der Verfassung zu verstehen ist. Dies schließt den grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Schutz einer grundsätzlich unentziehbaren und bedarfsunabhängigen wirtschaftlichen Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass als solches durch die Verfassung nicht aus. b) Das Erbrechtsverständnis des Parlamentarischen Rats In dieses Bild fügen sich grundsätzlich auch die originären Beratungen zum Erbrecht im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG ein. Gleichwohl war zumindest vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Pflichtteilsrecht die verbreitete Ansicht, dass das Grundgesetz im Wesentlichen an die Grundzüge des historischen Bürgerlichen Rechts anknüpfen wollte.138 Dies 135  Es ist nicht zu erkennen, dass Abg. Bergsträßer auf ein konkret ausgestaltetes Pflichtteilsrecht abstellte. 136  JöR, NF Band 1 (1951), S. 97. 137  JöR, NF Band 1 (1951), S. 97: Abg. Süsterhenn wörtlich: „Diese Fragen (Namensrecht, Erbrecht, materielle und andere Pflichten des unehelichen Vaters) ließen sich jedoch nicht in der Verfassung regeln.“ 138  J. Mayer in: Bamberger/Roth, Band 3 (2003), § 2303 Rn. 2 f. m. w. N.: sieht insbes. auf Boehmer abstellend, nur einen „angemessenen Anteil“ verbürgt. Legt

112 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

wurde schon durch Stüber mit dem Hinweis auf die fehlende Protokollierung des Umfangs der Erbrechtsgarantie hinterfragt.139 Das auf nahezu detektivischer Arbeit beruhende hervorragende Präjudiz Ottes wurde schon hervorgehoben. Auch Otte stützt sich auf den Parlamentarischen Rat und legt dar, dass sich der Parlamentarische Rat einer durch Boehmer geprägten erbrechtlichen Institutsgarantie – einer Gewährleistung der wesentlichen Grundzüge des einfachgesetzlichen Erbrechts – zumindest in weiten Teilen gefolgt ist.140 Auch soll über ein durch Richard Thoma erstattetes Rechtsgutachten das Pflichtteilsrecht als Element der durch Boehmer geprägten verfassungsrechtlichen Institutsgarantie des Erbrechts Einzug in das Grundgesetz erhalten haben.141 Dies lässt sich grundsätzlich hören. Allerdings setzten sich die Räte mit dem Gutachten Thomas nicht in einer Tiefe auseinander, die Ottes Annahme als feste Basis erscheinen lassen. Auch ist Thomas Handschrift im Grundgesetz nicht mehr erkennbar.142 Der letztlich angenommene Art. 14 GG entfernt sich bis hin zur Unkenntlichkeit von Thomas Vorschlag. Im Ergebnis sieht Otte mit dem Verweis auf den durch den Abgeordneten Zinn bei den Beratungen zum Erbrecht gebrauchten Terminus der „Institution“ die Institutsgarantie des Erbrechts im Bewusstsein des Parlamentarischen Rats verankert.143 Gewiss mag man dem Parlamentarischen Rat trotz der vielen nicht juristisch vorgebildeten Räte auch ein gewisses normativ geprägtes erbrechtliches Vorverständnis144 attestieren. Der von Otte ins Feld geführte Abgeordnete Zinn ist als Kronzeuge für das Pflichtteilsrecht im jedoch faktisch das einfache Recht als groben Maßstab an. Dahingehend grundsätzlich auch: Otte AcP 202 (2002), 317, 321 mit der These, dass der Parlamentarische Rat sich in erheblichem Umfang Boehmer angeschlossen habe. 139  Stüber setzt sich über die skizzierte Kritik nicht mit den Protokollen und Akten des Parlamentarischen Rates dezidiert auseinander: Vgl. Stüber NJW 2005, 2122, 2123. 140  Otte AcP 202 (2002), 317, 321 mit der These, dass der Parlamentarische Rat sich in erheblichem Umfang Boehmer angeschlossen habe. 141  Otte AcP 202 (2002), 317, 320 f. 142  Zu Thomasʼ Vorschlag: Otte AcP 202 (2002), 317, 320 f. Fn. 15 m. V. a.: Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954) S. 401, 402 (im wörtlichen Zitat) m. V. a.: Drucksache Nr. 244: Gutachten Thoma vom 25.10.1948 mit Formulierungsvorschlag: „Unbeschadet der staatlichen Besteuerungs- und Sozialisierungsgewalt gewährleistet die Verfassung die Vermögensrechte, das Institut des Familienerbrechts und die Testierfreiheit.“. 143  Otte AcP 202 (2002), 317, 320 f. (Fn. 16) m. V. a. den von dem Abg. Zinn gebrauchten Terminus der „Institution“ des Erbrechts. 144  Zurückhaltend: Stüber NJW 2005, 2122, 2123. Zweifel an einem umfassenden erbrechtlichen Vorverständnis können jedoch nicht vollends unterdrückt werden. Die Aufnahme des Erbrechts wurde insbesondere auch durch juristisch nicht vorgebildete Räte beraten. Die nachfolgende Untersuchung gibt Einblick in die konkrete Vorstellung der Räte.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder113

Übrigen wenig geeignet: Zinn warb auf eine charmant unverblümte Art darum, das Erbrecht schon nicht in die Verfassung aufzunehmen.145 Zinn zweifelte etwa die Machbarkeit einer „vernünftigen Regelung“ zum Erbrecht an. Auch verwies er auf eine durch die hohe Steuerlast praktisch ohne Bedeutung bleibende „Institution“ des Erbrechts. Zudem ordnete er das Erbrecht schon nicht bei den „klassischen Grundrechte[n]“ ein, weil es „in seiner Wirkung so wandelbar“ sein soll.146 Aus dem Beratungszusammenhang ergibt sich auch, dass weder Zinn noch die anderen Räte die „Institution“ des Erbrechts im Sinne einer von Boehmer vertretenen Institutsgarantie des Erbrechts verstanden haben. Soweit eine Institutsgarantie des Erbrechts im Verständnis von Boehmer durch den Rat intendiert gewesen wäre, boten sich verschiede Problemfelder, um dies im Rat deutlich werden zu lassen. So wurde auch der Art. 154 Abs. 1 GG beraten:147 „Das Erbrecht wird nach Maßgabe des Bürgerlichen Erbrechtes gewährleistet.“

Der Wortlaut scheint das Erbrecht unter den Vorbehalt des einfachen Gesetzgebers zu stellen. Entsprechend diesem Wortlaut sah Anschütz in seiner historischen Kommentierung der Weimarer Reichsverfassung auch die tatsächliche Bedeutung der Erbrechtsgarantie als „sehr gering“ an und erkannte eine „freie Hand“ des Gesetzgebers.148 Boehmer dagegen liest in seiner historischen Kommentierung sinngemäß in den Wortlaut des Art. 154 Abs. 1 WRV, dass die wesentlichen Grundzüge des einfachen Erbrechts als Institutsgarantie gewährleistet sein sollen.149 Ein solches Bewusstsein fehlte 145  Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 148 f: kursorische, chronologische Wiedergabe der Wortmeldungen des Abg. Zinn: „Ich würde das Erbrecht weglassen. […] Wie wollen Sie anders formulieren? Zu einer vernünftigen Formulierung kommen wir nicht. […] Als Institution, so war es wohl gedacht, sollte das Erbrecht dadurch anerkannt werden. Aber durch die Steuergesetzgebung ist de facto von der Institution nichts übrig geblieben. Aber auch die Institution selbst ist in ihrer Substanz praktisch beeinträchtigt worden zum Beispiel durch die Erbhofgesetzgebung. Es paßt also schon gar nicht mehr in die klassischen Grundrechte hinein; es ist auch in seiner Auswirkung so wandelbar.“ 146  Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 148 f. 147  Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 148. 148  Während Anschütz (Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (14. Aufl. 1933; Neudruck 1987) Art. 154, S. 721) die tatsächliche Bedeutung der Erbrechtsgewährleistung als „sehr gering“ einstuft und eine „freie Hand“ des Gesetzgebers sieht, erkennt Otte (AcP 202 (2002), 317, 320 (insbes. Fn. 13 m. w. N.) in den letzten Jahren der Weimarer Republik eine Zustimmung für Boehmers Lehre und zeigt sich verwundert, dass Thoma während der Geltung der WeimRV der Institutsgarantie „nichts abgewinnen konnte“. 149  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 260 (zum offenen Wortlaut), insbes. S. 262 ff., Erg.: 275 (zur

114 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

zumindest dem Parlamentarischen Rat. Anders lässt sich der soeben skizzierte Verlauf der Beratungen kaum interpretieren. c) Dissens zwischen Parlamentarischem Rat und Bundesverfassungsgericht Im Gegensatz zu der grammatikalisch systematischen Auslegung des Bundesverfassungsgerichts war die Testierfreiheit damit für den Parlamentarischen Rat weder in der Eigentumsgarantie inbegriffen noch durch die Gewährleistung des Erbrechts als selbstverständlich gewährleistet. So teilte der Vorsitzende von Mangoldt bei den Beratungen zum Erbrecht dem Abgeordneten Heuss auf dessen kritische Nachfrage zum Ob des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts mit, dass die Testierfreiheit nach Maßgabe der bürgerlichen Gesetze von dem Erbrecht erfasst sei.150 Im weitesten Sinne könnte ein Einwurf des Abgeordneten Pfeiffer für eine erbrechtliche Institutsgarantie angeführt werden. So weist Pfeiffer auf die potentielle Bedeutung des Erbrechts als solches für im Ausland lebende Verwandte hin.151 Selbst wenn man dies weitestgehend als Garantie des Verwandtenerbrechts verstehen will, kann dies nicht mit der Garantie des Pflichtteilsrechts gleichgesetzt werden.152 „verfassungsmäßig sanktioniert[en] Gewährleistung des Erbrechts), 276 (zum „Institute des Erbrechts“). Boehmer stützt auch der Hinweis auf das sich nicht auf das Erbrecht erstreckende Diktaturrecht des Reichspräsidenten aus Art. 48 Abs. 2 WRV, nach dem der Reichspräsident unter engen Voraussetzungen etwa den grundrechtlichen Eigentumsschutz weitgehend außer Kraft setzen konnte (S. 260). 150  Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 149: Abgeordneter Heuss: „Ist denn im Erbrecht juristisch die Testierfreiheit begrifflich mit einbegriffen?“ Hierauf von Mangoldt: „Nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetz.“ 151  Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 148. 152  Auch Otte (AcP 202 (2002), 317, 325) will den verfassungsrechtlichen Schutz nicht schon deshalb durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt sehen, weil das Gericht (vor der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder) sich zu dem Prinzip des Verwandtenerbrechts bekannt hat. Dagegen will jedoch unabhängig von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Leisner (Erbschaftsbesteuerung (1970), S. 49), auf Boehmer (in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrecht und Grundpflichten, Band 3 (1930)) aufbauend, das Pflichtteilsrecht grundsätzlich als in dem Prinzip des Verwandtenerbrechts inbegriffen erkennen. Der Einordnung Leisners kann insoweit beigepflichtet werden, als das Pflichtteilsrecht eng verwandt mit dem Prinzip des Verwandtenerbrechts ist und zudem als Ausfluss dessen gelten kann. Eine Gleichsetzung erscheint vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bis zur Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder als zu weitreichend. Das Prinzip des Verwandtenerbrechts lässt sich in einen engeren Sinnzusammenhang mit der Testierfreiheit bringen. Die gesetzliche Erbfolge als Ausfluss des Verwandtenerbrechts bezeichnet den mutmaßlichen Testierwillen des Erblassers, den dieser durch



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder115

Damit sieht sich die Grundthese des Bundesverfassungsgerichts eines Anknüpfens des Parlamentarischen Rates an ein historisch geprägtes Pflichtteilsrechts durchgreifenden Zweifeln ausgesetzt. Gleiches gilt, soweit dieses Anknüpfen über die von Boehmer entwickelte Rechtsfigur der erbrecht­ lichen Institutsgarantie gewährleistet sein soll. Die vorliegend erarbeiteten Ergebnisse muss das Bundesverfassungsgericht in Hinblick auf eine etwaige Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Ehegatten nicht weiter irritieren. Die Auslegungsmethodik des Bundesverfassungsgerichts erlaubt diesem ein Negieren des tatsächlichen Willens des Parlamentarischen Rats. Das Bundesverfassungsgericht kann einerseits die Verfassung nach dem objektivierten, im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Wille auslegen.153 Andererseits kann das Bundesverfassungsgericht wiederum auf die (vermeintliche) Mehrheitsmeinung des Parlamentarischen Rates abstellen, also den subjektiven Willen des Verfassungsgebers.154 Die gewichtige Kritik an dieser Auslegungsmethodik durch Müller/Christensen lässt die Methodik des Bundesverfassungsrechts als ergebnisorientiert erscheinen.155 Auch wenn die Auslegungsmethodik des Bundesverfassungsgerichts über den tatsächlichen Willen des Parlamentarischen Rats hinweghelfen kann, Überzeugungskraft kann eine so gefundene Auslegung des Grundgesetzes kaum haben: Die Überzeugungskraft der historischen Auslegung liegt gerade darin, dass diese an tatsächliche historische Vorstellungen und Wertentscheidungen anknüpft. Lediglich mutmaßliche oder gar fingierte historische Vorstellungen haben nicht eine gleiche Überzeugungskraft. 4. Boehmers156 Handschrift in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Pflichtteilsrecht der Kinder Durch eine historische Auslegung sieht das Bundesverfassungsgericht das Pflichtteilsrecht der Kinder als Teil der „tradierten Kernelemente“ des Erbrechts als durch die Verfassung gewährleistet an.157 Die lange Tradition des Ausübung seiner durch das Grundgesetz gewährten Testierfreiheit auch positiv formulieren kann. Das Pflichtteilsrecht als freiheitsbeschränkendes Moment vor diesem Hintergrund in das Prinzip des Verwandtenerbrechts hereinlesen zu wollen, kann nicht überzeugend begründet werden. 153  Im Einzelnen: Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I (2004), S.  45 f. Rn.  27 f. 154  So und m. w. N.: Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I (2004), S.  45 f. Rn.  27 f. 155  Vgl. Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I (2004), S. 45 f. Rn. 27 f. 156  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954). 157  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 66 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz. 66.

116 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Pflichtteilsrechts will der Senat durch eine kursorische Darstellung der Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts in anderen europäischen Rechtsordnungen belegen. Die Kriterien für die Auswahl der durch den Senat dargestellten Rechtsordnungen erschließen sich dem Leser kaum. Jedenfalls stellt die Auswahl des Senats einen verzerrten Blick auf die Rechtslage in Europa dar. Zu Recht moniert Kleesang ein Ausblenden von Rechtsordnungen, die das Pflichtteilsrecht nicht kennen.158 Dementsprechend grenzt sich die Auswahl der durch den Ersten Senat angeführten Rechtsordnungen auch deutlich von der Auswahl von Haas159 anlässlich dessen Erörterung der Verfassungsmäßigkeit des Pflichtteilsrechts ab. Dementsprechend lässt der Beschluss im Hinblick auf die historische Herleitung des Pflichtteilsrechts „Fragezeichen“160 bei Kleesang zurück. Dogmatisch scheint der Beschluss des Ersten Senats damit zu enttäuschen. Auch liegt nahe, dass dem Senat die Widersprüche in seinem Argumentationsstrang nicht entgangen sein können. Trotzdem ist an die Arbeitsthese Ottes161 zu erinnern, dass sinngemäß in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kein Jota zu viel oder zu wenig festgehalten wird. Unterstellt, dem sei so, stellt sich die Frage auf welcher dogmatischen Grundlage der Senat sich zur Anerkennung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts entschied. Dieses eigentliche dogmatische Fundament des Beschlusses muss dann einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Ausgangspunkt der Suche nach dem gedanklichen Ausgangspunkt des Beschlusses zum Pflichtteilsrecht ist die Kommentierung des Art. 14 Abs. 1 GG durch den berichterstattenden Richter des Bundesverfassungsgerichts Papier in dem von Maunz und Dürig begründeten Kommentar zum Grundgesetz. In der aktuellen Fassung des Kommentars wird die verfassungsrechtliche Verankerung des Pflichtteilsrechts der Kinder freilich zentral auf die hier besprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestützt.162 Zum Zeitpunkt der Vorauflage lag diese Entscheidung noch nicht vor und so musste Papier die Verankerung des Pflichtteilsrechts auf Boehmers Kom158  So moniert Kleesang, dass das Bundesverfassungsgericht Rechtsordnungen ausspart, denen das Pflichtteilsrecht fremd ist: Kleesang ZEV 2005, 277, 279 m. V. a. BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 68–70 = BVerfGE 112, 332, 350 ff. Tz. 68–70 und den Hinweis auf eine umfassende Darstellung bei: Ebenroth, ErbR (1992), Rn. 997 ff. (mit nahezu erschöpfender, rechtsvergleichender Vorstellung der grds. relevanten Rechtsordnungen) und Edenfeld ZEV 2001, 457, 459. 159  Haas ZEV 2000, 249, 256. 160  Stüber NJW 2005, 2122, 2123: Stüber setzt schon Fragezeichen für die Bezugspunkte bei der historischen Auslegung durch den Senat. 161  Otte AcP 202 (2002), 317, 323 f. 162  Papier in: Maunz/Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn. 302.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder117

mentierung des Erbrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG stützen.163 Neben Papier sieht auch Otte in Boehmer den Begründer für die herrschende Auffassung zum grundgesetzlichen Verständnis der Erbrechtsgarantie.164 Den Grundstein für dieses Verständnis legte Boehmer schon in dessen Kommentierung der Erbrechtsgarantie des Art. 154 Abs. 1 WeimRV. Damit liegt zumindest eine Beeinflussung der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht durch Boehmer nahe. Gegen einen solchen Einfluss spricht der Umstand, dass ein maßgeblicher Einfluss Boehmers durch das Bundesverfassungsgericht nicht offengelegt wird. Grundsätzlich sind zwei Gründe denkbar, wegen derer das Bundesverfassungsgericht vom unmittelbaren Bezug auf Boehmer abgesehen hat. Zum einen erscheint es als möglich, dass der Zweite Senat den pauschalen Hinweis auf den Willen des Parlamentarischen Rates als tragender einordnete als dies eine dekonstruierte Argumentation Boehmers vermag. Allerdings übte Papier in seiner Kommentierung des Art. 14 Abs. 1 GG im Maunz / Dürig keine grundsätzliche Kritik an Boehmer, die ein Ausblenden Boehmers und das Einblenden des Parlamentarischen Rats nachvollziehen ließe. Grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der Person Boehmers sind dagegen nicht sehr wahrscheinlich: Soweit das Pflichtteilsrecht durch den Senat über eine durch Art. 6 Abs. 1 GG geforderte Familiensolidarität gestützt wird, bezieht sich das Bundesverfassungsgericht dagegen sehr wohl auf Boehmer.165 a) Argumentationsstruktur des Ersten Senats parallel zu Boehmer Das Bundesverfassungsgericht und Boehmer sehen durch das Grundgesetz eine Institutsgarantie des Erbrechts gewährleistet, also die wesentlichen Grundstrukturen des einfachgesetzlichen bürgerlichen Erbrechts. Durch Art. 14 Abs. 1 GG wird das Erbrecht als Individualrecht und als Rechtsinstitut geschützt.166 In subjektiver Hinsicht wird zugunsten des Einzelnen insbesondere das Verfügungsrecht des Erblassers, die Testierfreiheit und das 163  Papier in: Maunz/Dürig (Juni 2002) Art. 14 Rn. 302 Fn. 7 mit dem Hinweis auf Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 417. Weiter wird auf Leisner (Erbschaftsbesteuerung (1970), S. 49) verwiesen, dessen Ausführungen auf Boehmer aufbauen. Auch in der neuen Bearbeitung des Maunz/Dürig (Juli 2010) findet sich weiter der Verweis Papiers auf Boehmer. 164  Otte AcP 202 (2002), 317, 319 (schon auf Boehmers Erbrechtskommentierung der WRV abstellend). 165  Vgl. BVerfG ZEV 2005, 301, 304 Tz. 73 a.  E. = BVerfGE 112, 332, 353 Tz.  73 a. E. m. V. a. Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 414, 416. 166  BVerfGE 91, 346, 358 m. w. N.; Papier in: Maunz/Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn.  295 m. w. N.

118 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Eigentumserwerbsrecht des Erben geschützt.167 Über die Gewährleistung des Erbrechts als Rechtsinstituts wird der „Wesensgehalt des Erbrechts“ geschützt: Hierzu zählen die tradierten Wesenszüge des deutschen Erbrechts, wie die Testierfreiheit, das Verwandtenerbrecht und grundsätzlich das Pflichtteilsrecht.168 Dabei hat auch die Besteuerung der Erbschaft grundsätzlich diese Grundstrukturen zu wahren.169 Hierin bestehen Parallelen zwischen der Rechtsansicht des Bundesverfassungsgerichts und der Boehmers. In der Argumentationsstruktur scheint es dagegen keine Parallelen zu geben. Dies kann auch nicht weiter verwundern. Boehmer verfasste seine Texte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der heute sperrig wirkende Wortlaut Boehmers ist heute nur noch eingeschränkt dem Leser zugänglich. Boehmers eigentliches Verdienst war es, dass er in die Erbrechtsgewährleistung der Weimarer Reichsverfassung einen verfassungsrechtlich „sanktionierten“ Erbrechtskern hineinlas. Damit erweiterte Boehmer die Reichweite der verfassungsrechtlichen Erbrechtsgarantie elementar. Dabei war sich Boehmer seiner erweiternden Auslegung der Weimarer Reichsverfassung bewusst. Anlässlich der Kommentierung des Grundgesetzes erfolgte das Eingeständnis des „Fehlens einer ausdrücklichen Vorschrift“ für ein verfassungsrechtlich „sanktioniertes“ Erbrecht in der Weimarer Reichsverfassung.170 Dieses verfassungsrechtlich „sanktionierte“ Erbrecht entspricht in der Dogmatik des Grundgesetzes der „Wesensgehaltsgarantie“.171 Auf eine feste Wesensgehaltsgarantie wie der des Art. 19 Abs. 2 GG konnte Boehmer bei der Bildung seiner Grundthesen für die Weimarer Reichsverfassung nicht aufbauen. Boehmer erachtete den „grundsätzliche[n] Inhalt des heutigen Erbrechts“ als verfassungsrechtlich geschützt.172 Das Bundesverfassungsgericht reduziert das Erbrecht nicht auf ein einfaches Indivi­ dualrecht. Ein Individualrecht schützt in erster Linie die Interessen der 167  Papier

in: Maunz/Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn. 297 f. m. w. N. ZEV 2005, 301 ff. m. w. N. = BVerfGE 112, 332 ff. m. w. N.; insbesondere zum Wesensgehalt des Erbrechts: Papier in: Maunz/Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn.  299 ff. m. w. N. 169  BVerfGE 93, 165, 173 = BVerfG NJW 1995, 2624, 2625; Papier in: Maunz/ Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn. 304 m. w. N. 170  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 254 ff., insbes. 275 auch Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 404 (mit Eingeständnis des „Fehlens einer ausdrücklichen Vorschrift“). 171  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 404, 417 zum verfassungsrechtlich gewährleisteten „Wesensgehalt“. 172  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 275. Das Grundgesetz habe sich wiederum „zu denselben leitenden Prinzipien bekannt, die in der WeimRV Ausdruck gefunden hatten“: Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 410. 168  BVerfG



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder119

Bürger. Die Auslegung als Individualrecht würde grundsätzlich dem Geist des Grundgesetzes entsprechen, das sich an der Menschenwürde und den Menschenrechten ausrichtet. Der Erste Senat sieht das Erbrecht dagegen als „Rechtsinstitut“173 gewährleistet. Das Pflichtteilsrecht als „tragendes Struk­turprinzip“174 gehört zum Kern des Erbrechts, das als Rechtsinstitut gewährleistet wird. Das Bundesverfassungsgericht baut die tragenden Strukturprinzipien dieser Institutsgarantie des Erbrechts, ähnlich wie Boehmer, auf den erbrechtlichen Ursprüngen aus dem Römischen und Germanischen Recht, bis über die Partikularrechte hin zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch auf.175 Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Bestimmung des Kreises der Pflichtteilsberechtigten elegant durch Art. 6 Abs. 1 GG vor, der „die aus Eltern und Kindern bestehende Familiengemeinschaft“ schützt.176 Im Rahmen einer Entscheidung zur Bestellung eines Vormundes nach § 1779 BGB stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG auch die familiäre Bindung zwischen Großeltern und ihren Enkelkindern erfasst.177 Auch diesen Kreis der Pflichtteilsberechtigten nahm Boehmer bereits vorweg. Boehmer sieht den durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten engen Familienkreis durch den Kreis der „Kleinfamilie, des deutschen ‚Hauses‘ “ definiert.178 Wie das Bundesverfassungsgericht trieb auch schon Boehmer das Spannungsfeld zwischen Testierfreiheit und Pflichtteilsrecht um.179 Dieses Spannungsverhältnis sah Boehmer aus verfassungsrechtlicher Sicht durch das einfache bürgerliche Recht weitgehend abgesteckt. Selbst den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB spart Boehmer bei seinen verfassungsrechtlichen Abhandlungen nicht aus und legt damit nahe, dass das verfassungsrechtlich garantierte Erbrecht bis in die Verästelungen des einfachen 173  BVerfG

ZEV 2005, 301, 302 f. Tz. 62 = BVerfGE 112, 332, 348 Tz. 62. ZEV 2005, 301, 303 Tz. 65 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz. 65. 175  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 67–69 = BVerfGE 112, 332, 350 f. Tz. 67–69. Zum vereinzelten Einfließen historischer Wertungen: Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 272 a. E., 275. 176  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 72 = BVerfGE 112, 332, 352 Tz. 72. Zum durch Art. 6 Abs. 1 GG bestimmten grundsätzlich „engen Familienkreis“ für familienrechtliche Ansprüche auch: Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 415. 177  BVerfG FamRZ 2014, 1435 ff. 178  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 415; dementsprechend grds. schon Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 268. 179  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 271. 174  BVerfG

120 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Pflichtteilsrechts reichen soll.180 Dem einfachen Gesetzgeber will Boehmer nur noch Raum zur „übrige[n einfachgesetzlichen] Ausgestaltung“181 neben den grundsätzlichen erbrechtlichen Wertungen belassen. Das Bundesverfassungsgericht betont dagegen anders als Boehmer trotz der Beschränkungen durch die tragenden Strukturprinzipien des Erbrechts den „weiten Gestaltungsspielraum“182 des Gesetzgebers. Soweit der Zweite Senat konkrete Beispiele für diesen weiten Gestaltungsspielraum nennt, weisen diese Beispiele erstaunliche Parallelen mit den wenigen von Boehmer skizzierten Gestaltungsmöglichkeiten auf. So führt der Erste Senat die Möglichkeit an, anstelle des schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruchs ein Noterbrecht zu implementieren.183 Boehmer lehnte die „rigorose und starre materialistische Degradierung“ auf einen schuldrechtlichen Anspruch offen ab.184 Damit steht auch Boehmer einem dinglichen Noterbrecht offen gegenüber. Auch hinsichtlich der Bestimmung der Höhe zweifelt Boehmer die Richtigkeit des starren Quotensystems des Bürgerlichen Rechts offen an. Vielmehr fordert er unter Hinweis auf andere Rechtsordnungen, eine auch die Anzahl der Kinder reflektierende Regelung bei der Bestimmung der Pflichtteilsquote.185 In dieser Hinsicht können auch die von der Literatur bisher kaum einzuordnenden Ausführungen zur europäischen Rechtslage des Zweiten Senats gedeutet werden. So beschreibt der Beschluss etwa die italienische Rechtsordnung, die die Ansprüche der Pflichterben mit der Anzahl der Kinder korrelieren lässt.186 Unterstellt, die ausgewählte und kursorische Darstellung des Pflichtteilsrechts in Europa durch den Senat folgt einer inneren Logik, könnte hierin die Offenheit des Bundesverfassungsgerichts für eine zu der Anzahl der Kinder des Erblassers korrelierende Pflichtteilsquote angedeutet werden.

180  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 272. 181  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 275. 182  BVerfG ZEV, 301, 304 Tz. 77 m.  w. N. = BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77 m. w. N. 183  BVerfG ZEV, 301, 304 Tz. 77 = BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77. 184  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 417. 185  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 417 f. 186  BVerfG ZEV, 301, 303 Tz. 70 = BVerfGE 112, 332, 351 Tz. 70.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder121

b) Würdigung Gustav Boehmers Boehmer hat nicht nur das deutsche Erbrechtsverständnis wesentlich geprägt, seine Handschrift führt auch wie ein roter Faden durch die Entscheidung zum verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder. Hervorzuheben ist Boehmers Präjudiz. Mit dem verfassungsrechtlich garantierten Kern des Erbrechts zeichnete er die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG vor. Auch seine Forderung187 nach einer Stärkung des Voraus für den Ehegatten wurde umgesetzt. Bei der güterrechtlich bedingten Reform des Ehegattenerbrechts konnte er an diese Vorreiterrolle nicht mehr anknüpfen. Boehmer wandte sich gegen eine Stärkung des Ehegattenerbrechts und gegen eine Vermischung von güter- und erbrechtlichen Elementen durch die Reform des Güterrechts.188 Diese allgemein als unglücklich189 empfundene Vermischung von Güter- und Erbrecht wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch genauer zu beleuchten sein. Auch soll Boehmer bei den Studierenden ein überaus geachteter und beliebter Professor gewesen sein.190 Dennoch findet sich kein Hinweis in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auf Boehmers grundlegende Arbeiten zu dem Verständnis einer verfassungsrechtlichen Institutsgarantie des Erbrechts. Möglicherweise findet sich der Grund für ein Ausblenden Boehmers durch das Bundesverfassungsgericht in seiner nationalsozialistischen Vergangenheit. 1933 trat er der NSDAP und dem NS-Rechtswahrerbund bei.191 In das Bild des Nationalsozialisten passt dagegen nicht, dass er sich schon 1934 gegen die Rechtsbenachteiligung von Juden wandte. Daraufhin wurde Boehmer als Universitätsprofessor suspendiert.192 Für den Fortgang dieser Arbeit bedarf es nicht der Entscheidung, ob der Stab über Boehmer als Person zu brechen ist. Zumindest Dauner-Lieb hält Boehmer durch seinen nationalsozialistischen Hintergrund als derart ideologisch belastet, dass er „zum Kronzeugen für die Notwendigkeit der Erhaltung des geltenden Pflichtteilsrechts“ nicht mehr geeignet sei.193 Dagegen will Otte politische Verdächtigungen gegen 187  Vgl. Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 417. 188  Boehmer, Gleichberechtigungsgesetz und Familienrechtsänderungsgesetz (1962): Vgl. dort die weitgehend verhallte Kritik Boehmers: S.  23 ff. 189  Vorab: Coing in: Ständige Deputation (Hrsg.), Gutachten für den 49. Deutscher Juristentag (1972), Band I Teil A, A 33, 53 f.: Inwieweit die Auflösung der Grenzen zwischen Güter- und Erbrecht eine glückliche Entscheidung war. 190  Thieme NJW 1970, 131. 191  Klee, Personenlexikon (2003), S. 60. 192  Müller-Freienfels JZ 1961, 332, 333 m. V. a. Boehmers Werk. 193  Dauner-Lieb FF 2000, 110, 117 = FF Sonderheft 2001, 16, 23.

122 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Boehmer wegen „eines Satzes“194 in seinem Werk nicht gelten lassen.195 Allerdings ist zu konstatieren, dass es bei Boehmer nicht nur bei einem Satz blieb. Boehmer warb in seinem Werk „Vorschläge für die gesetzliche Neuordnung der gesetzlichen Erbfolge (BGB §§ 1924–1936)“ für eine erbund unterhaltsrechtliche Entrechtung der aus „rasseschänderischem Verkehr“ stammenden Kinder.196 Zu dieser Zeit und zu seiner Rolle dürfen durchaus klärende Worte vermisst werden, wenn Boehmer im Rahmen der Kommentierung der grundgesetzlichen Erbrechtsgarantie die „ungeheuerlichen Beschränkungen der Menschenwürde und der Menschenfreiheit in der nationalsozialistischen Zwischenzeit“197 geißelt. Rechtlich und politisch ist Boehmers Wirken auf dem Gebiet des Erbrechts zumindest höchst problematisch. Dies könnte der Grund dafür sein, dass das Bundesverfassungsgericht im Bereich des originären Erbrechts des Art. 14 Abs. 1 GG nicht auf Boehmer verwies. Grundsätzliche Vorbehalte gegen die Person Boehmers sind allerdings unwahrscheinlich, da der Erste Senat im Rahmen seiner erbrechtlichen Ausführungen im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 GG Boehmer zitiert.198 5. Die Belastbarkeit von Boehmers Thesen für die Erbrechtsgewährleistung Hinter der besprochenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Pflichtteilsrecht der Kinder steht Gustav Boehmer als geistiger Vater. Die Vorstellung einer Institutsgarantie des Erbrechts wurde durch diesen geprägt. Hierüber leitet sich zentral der verfassungsrechtliche Schutz eines historisch tradierten Pflichtteilsrechts ab. Selbst die wenigen in der Entscheidung für den angeblich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers genannten Beispiele lassen sich mit Boehmers Erbrechtsverständnis in Verbindung setzen. Dieser maßgebliche Einfluss von Boehmers Werk gebietet 194  Dauner-Lieb FF 2000, 110, 117 = FF Sonderheft 2001, 16, 23 stellt auf Boehmer AcP 144 (1938), 249 f. ab. 195  Otte AcP 202 (2002), 317, 319 Fn. 8 zu: Dauner-Lieb FF 2000, 110, 117 = FF Sonderheft 2001, 16, 23. 196  Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 150: § 9 Abs. 6 des Gesetzentwurfs: Stammt das Kind aus strafbarem rasseschänderischem Verkehr des Vaters, so steht ihm ein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern und Großeltern des Vaters (Abs. 1 Satz 4) und ein Erbrecht (Abs. 2–5) nicht zu. § 9 Abs. 5 des Gesetzentwurfs: Soweit das Kind und seine Abkömmlinge erbberechtigt sind, haben sie auch ein Pflichtteilsrecht. 197  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 410. 198  BVerfG ZEV 2005, 301, 304 = BVerfGE 112, 332, 353.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder123

eine kritische Auseinandersetzung mit dessen Kernthesen und der Methodik, auf der das Verständnis des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts wesentlich beruht. Boehmer erkennt in der Gewährleistung des Erbrechts durch das Grundgesetz die verfassungsrechtliche Garantie der Grundzüge eines tradierten Erbrechts. Den ersten Brückenkopf in die historische Dimension dieses tradierten Erbrechts bildet die Kommentierung199 des grundgesetzlichen Erbrechts selbst. Bei der Kommentierung des Grundgesetzes lässt sich Boehmer von der Idee leiten, dass sich dieses „im wesentlichen zu denselben leitenden Prinzipien bekannt [hat], die in der WeimRV Ausdruck gefunden hatten“.200 Auch die Gewährleistung des Erbrechts durch Art. 154 Abs. 1 WRV hat Boehmer schon kommentiert, auf die er hiermit letztlich verweist. Zu diesem Fundament seines Verfassungsverständnisses gelangt Boehmer durch eine interessante Auslegung. So setzt sich Boehmer intensiv bei der Kommentierung des Grundgesetzes mit den augenscheinlichen Unterschieden der Erbrechtsgewähr durch das Grundgesetz und der Weimarer Reichsverfassung auseinander. Das Grundgesetz gewährleistet mit Art. 14 Abs. 1 das Erbrecht zusammen mit dem Eigentum in einem Artikel. Die Weimarer Reichsverfassung widmet mit Art. 154 der Gewährleistung des Erbrechts dagegen einen eigenen Artikel. Dass das Grundgesetz auf den Schutz des Erbrechts durch einen eigenständigen Artikel verzichtet, soll „selbstverständlich ohne sachliche Bedeutung [bleiben und] lediglich gesetzestech­ni­ sche[r] Stilistik“ geschuldet sein.201 Auf den schon erörterten tatsächlichen Hintergrund, der aus den Beratungen des Parlamentarischen Rats hervorgeht, geht Boehmer indes nicht ein: Weder die durch den Verzicht auf die erbschaftssteuerliche Regelung des Art. 154 Abs. 2 WRV ermöglichte gemeinsame Schrankenbestimmung von Eigentum und Erbrecht wird erörtert, noch die abschlägig beschiedene Beratung der Erbrechtsgewähr der Weimarer Reichverfassung durch den Parlamentarischen Rat.202 Stattdessen will Boehmer durch einen Vergleich der Gewährleistung des Erbrechts durch das Grundgesetz mit der Gewährleistung durch die Länderverfassungen letzte Zweifel am Umfang der grundgesetzlichen Erbrechtsge199  Boehmer 200  Boehmer

in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401 ff. in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401,

201  Boehmer

in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401,

410. 401.

202  Vgl.

D. V. 3.

124 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

währ zerstreuen. Insbesondere stellt Boehmer hierbei auf Art. 60 Landesverfassung Rheinland-Pfalz ab. Art. 60 Abs. 1 Landesverfassung RheinlandPfalz regelt in Bezug auf Eigentum und Erbrecht Folgendes: „Das Eigentum ist ein Naturrecht und wird vom Staat gewährleistet. Jedermann darf aufgrund der Gesetze Eigentum erwerben und darüber verfügen. Das Recht der Verfügung über das Eigentum schließt das Recht der Vererbung und Schenkung ein.“ (Hervorhebung durch den Verfasser)

Die Landesverfassung Rheinland-Pfalz sieht aber ausdrücklich vor, dass das „Recht der Vererbung“ als Teil der Eigentumsgarantie gewährt wird. Das Erbrecht ist damit keineswegs natürlicher Ausfluss der Eigentumsgarantie. Vielmehr drängt sich der Umkehrschluss auf, dass die gesonderte Erwähnung des Erbrechts nicht zwangsläufig zu der von Boehmer schon für die Weimarer Reichsverfassung vertretenen Institutsgarantie führt. Boehmer unterstellt dagegen für die Landesverfassung Rheinland Pfalz, dass diese „freilich, offenbar ungewollt, de[n]Anschein erwecket“, dass die Testierfreiheit und die Möglichkeit des Erbens als solches im Vordergrund steht.203 Eben diesen Eindruck erweckt die Rheinland-pfälzische Landesverfassung. Entsprechend der grundgesetzlichen Normenhierarchie kann in Art. 60 Abs. 1 Landesverfassung Rheinland-Pfalz auch das Verwandtenerbrecht nach dem Grundgesetz als geschützt erkannt werden. So sieht etwa Korger trotz der erörterten dogmatischen Hindernisse der Auslegung der Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes des Eigentums,204 die „Verwandtenerbfolge“ als von Art. 60 Abs. 1 Satz 2 Landesverfassung Rheinland-Pfalz erfasst an. Trotz der Unterschiede zum Grundgesetz sieht er keine grundsätzlich andere Bewertung, was darauf schließen lässt, dass er das Pflichtteilsrecht grundsätzlich auch als durch die Landesverfassung erfasst ansieht.205 Boehmer scheint sich bei der Verfassungsauslegung treu geblieben zu sein. Für die Kommentierung der Weimarer Reichsverfassung gesteht er ein, dass er „trotz Fehlens einer ausdrücklichen Vorschrift, die … These“ einer erbrechtlichen Institutsgarantie vertreten habe.206 Damit relativiert er zu203  Boehmer

in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401 f. insbesondere zur Grenze der Auslegung des „Eigentums“ nach Wortlaut und Systematik: D. V. 2. 205  Korger in: Busse, Praxis der Kommunalverwaltung, Landesausgabe Rheinland-Pfalz, Band A 1, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Kommentar (Januar 2008), Art. 60 Ziffer 2.3. 206  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 404. 204  Vgl.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder125

gleich die relativ starke Erbrechtsgewährleistung der Weimarer Reichsverfassung als sein stärkstes Argument für eine erbrechtliche Institutsgarantie der Weimarer Reichsverfassung.207 Wenn denn das Verständnis von der Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes auf dieser kaum belastbaren Behauptung eines Anknüpfens an die Erbrechtsgewährleistung der Weimarer Reichsverfassung aufgebaut ist, ergeben sich hierdurch erhebliche Konsequenzen für das Verständnis der Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes: Es erscheint zweifelhaft, ob die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG eine Erbrechtsgarantie im Sinne einer Institutsgarantie nach Boehmers fordert. Dass Boehmers Interpretation auf tönernen Füßen steht, wird das Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich dennoch nicht nachhaltig beeinflussen. Anders als Boehmer ist diesem die Möglichkeit einer maßvollen Nivellierung sich aufdrängender historischer Zweifel vorbehalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird das Erbrecht als Rechtsinstitut durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet.208 Es ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht vor diesem Hintergrund das verfassungsrechtliche Schutzniveau des Pflichtteilsrechts der Kinder zukünftig absenken wird. Die hier gefundenen Ergebnisse lassen zwar starke Zweifel an der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts aufkommen, das in dem Schutz des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge eine zwingende verfassungsrechtliche Konsequenz sieht. Die hier offengelegte tatsächliche Rechtslage führt jedoch keineswegs zwingend zu dem Schluss, dass die Verfassung ein Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge nicht schützt. Die historische Auslegung kann darauf verweisen, dass schon in der Weimarer Reichsverfassung der Schutz des Erbrechts im Vergleich zu anderen Grundrechten stark war. Auch bestehen keine durchgreifenden grundsätzlichen Bedenken gegen die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach dem das Erbrecht als Rechtsinstitut geschützt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat einen Auslegungsspielraum hinsichtlich des durch das Grundgesetz gewährleisteten „Erbrechts“. Bei der Bestimmung der Reichweite des als Rechtsinstitut gewährleisteten Erbrechts kann das Bundesverfassungsgericht auch weiterhin auf den Art. 6 Abs. 1 GG zurückgreifen und in dem Pflichtteilsrecht einen – historisch begründeten – Beitrag zum Schutz der Familie erkennen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum grundsätzlichen Schutz eines Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge werden damit grundsätzlich durch Art. 14 Abs. 1 GG wie auch durch Art. 6 Abs. 1 GG und erst recht aus einer Verbindung dieser Grundrechte getragen. Da­ 207  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 260 f.; vgl. vertiefend: D. V. 3. 208  BVerfG ZEV 2005, 301, 302 Tz. 62 = BVerfGE 112, 332, 348 Tz. 62.

126 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

rüber hinaus sei angemerkt, dass eine konstante Auslegung der Reichweite der Erbrechtsgarantie als eines der zentralen Grundrechte und der daraus folgende Vertrauensschutz der Bürger in den Grundrechtsschutz Merkmale eines Rechtsstaats sind. Für eine grundlegende Rechtsprechungsänderung zu Lasten des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts reichen die massiven historischen „Unstimmigkeiten“ zumindest nicht aus. 6. Der „weite“ Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers nach dem Bundesverfassungsgericht Der konkret verfassungsrechtlich geschützte Wesenskern des Pflichtteilsrechts der Kinder stellt den ersten begrenzenden Eckpfeiler für einen etwaig verfassungsrechtlich geschützten pflichtteilsrechtlichen Wesenskern des Ehegatten dar. Daneben wird dieser Raum für einen etwaig verfassungsrechtlich geschützten erbrechtlichen Wesenskern der wirtschaftlichen Mindestbeteiligung des Ehegatten am Nachlass auch noch durch die materielle Testierfreiheit des Erblassers, als zentrale Ausprägung des durch Art. 14 Abs. 1 GG vermittelten Schutzes, weiter begrenzt. Soll ein etwaig indisponibler verfassungsrechtlicher Kern des Pflichtteilsrechts des Ehegatten bestimmt werden, bedarf es zunächst einer möglichst genauen Bestimmung des verfassungsrechtlichen Wesenskerns des Erbrechts der Kinder als erstem Grenzpfeiler für die verfassungsrechtliche Reichweite des Ehegattenerbrechts. Allein das Wissen um den verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder als solches führt nicht substantiell weiter. Vielmehr ist von Interesse, bis zu welcher Tiefe das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge des Erblassers verfassungsrechtlich geschützt ist. Das Bundesverfassungsgericht erweckt mit der Betonung eines „weiten Gestaltungsspielraum[s]“209 des Gesetzgebers bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung den Eindruck, dass ein fester verfassungsrechtlicher Kern des Erbrechts für das Pflichtteilsrecht der Kinder kaum herausgeschält werden kann. Die Betonung des weiten Gestaltungsspielraums durch das Bundesverfassungsgericht könnte dazu verleiten, dass ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht nur hinsichtlich der Art, sondern auch der Höhe des Pflichtteilsrechts anzunehmen ist.210 Die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Spielraum für die Festsetzung des Pflichtteilsrechts durch den Gesetzgeber hat schon Haas beschäftigt.211 209  BVerfG

ZEV 2005, 301, 304 Tz. 77 = BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77. in der Höhe „angemessene“ Änderung der Pflichtteilsquote für möglich hält: Kleesang ZEV 2005, 277, 280 m. V. a.: BVerfG ZEV 2005, 301, 304 Tz. 77 = BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77. Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers in der Höhe: Lange ZErb 2005, 205, 206 f. 211  Haas ZEV 2000, 249, 255. 210  Eine



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder127

Mit Rauscher will dieser zumindest ein nur der Förmelei wegen existentes Pflichtteilsrecht auf 1 % der Nachlasssumme ablehnen.212 Diese Feststellung ist so wenig kritikfähig wie weiterführend. Allerdings vermittelt Haas im Rahmen seiner Abhandlung zur Verfassungsmäßigkeit des Pflichtteilsrechts durch die Beschreibung der internationalen Pflichtteilsrechtslage ein Gefühl davon, was noch als angemessen erachtet werden könnte,213 freilich ohne das ausdrücklich zu implizieren. Bei einem direkten Vergleich der Auswahl der durch das Bundesverfassungsgericht und der durch Haas beschriebenen Jurisdiktionen fällt auf, dass der Erste Senat auf eine solch umfangreiche und zudem ausgewogene Vorstellung der internationalen Rechtslage verzichtet.214 a) Vorbehalt- und bedingungsloses Pflichtteilsrecht der Kinder auf Teilhabe am Nachlass Wertvolle Hinweise zur Positionierung eines verfassungsrechtlichen Kerns des Pflichtteilsrechts der Kinder bietet der Erste Senat durch die Beschreibung des Rechtscharakters und des Telos des Pflichtteilsrechts der Kinder. Danach handelt es sich bei dem Pflichtteilsanspruch um eine „grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass“.215 Damit steht die zentrale Aussage fest. Einen Vorbehalt nötiger Alimentation oder Bedürftigkeit weist zumindest das Pflichtteilsrecht der Kinder nicht auf.216 Das Pflichtteilsrecht wird gerade vorbehalts- und bedingungslos gewährt. Kritiker des Pflichtteilrechts sehen das Pflichtteilsrecht in seiner Funktion als überlebt an. Hierbei wird auch darauf verwiesen, dass das Pflichtteilsrecht den Abkömmlingen wegen der gestiegenen Lebenserwartung der letzten 100 Jahre heute regelmäßig in einem Zeitpunkt zufällt, in dem diese schon selbst eine eigene Lebens- und Altersabsicherung aufgebaut haben.217 Dieses Argument lässt das Bundesverfassungsgericht schon durch die Ge212  Haas ZEV 2000, 249, 255 Fn. 107 m. V. a. Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts, Band I (1993), S. 95, 96. 213  Haas ZEV 2000, 249, 256 f. 214  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 70 = BVerfGE 112, 332, 351 f. Tz. 70. 215  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 61 = BVerfGE 112, 332, 348 Tz. 61. 216  So schon für das Pflichtteilsrecht des historischen BGB: Mertens, Entstehung BGB, S.  83 f. 217  BVerfG ZEV 2005, 301, 301 = BVerfGE 112, 332, 336 m. V. a.: Dauner-Lieb, Forum Familien- und Erbrecht 2001, 78, 79 f. (insbes. zur Akzeptanzkrise); Schlüter, Die Änderung der Rolle des Pflichtteilsrechts im sozialen Kontext, S. 1047, 1049 f. (insbesondere zu einem gesellschaftlich überlebten Pflichtteilsrecht) in: Canaris (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I (2000).

128 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

währ eines bedingungslosen Pflichtteilsrechts ins Leere laufen. Aber auch in der Sache greift diese Kritik an dem Pflichtteilsrecht zu kurz. Beachtenswert sind in diesem Zusammenhang insbesondere Ottes218 Untersuchungen, der sich mit der Entwicklung der Sterbetafeln erfreulich tiefgründig auseinandersetzt. Danach führt die stark gestiegene Lebenserwartung nicht linear zu einem höheren Lebensalter der Abkömmlinge beim Erbgang. Vielmehr ist die gestiegene Lebenserwartung auch in einem engen Zusammenhang mit der erheblich gesunkenen Säuglingssterblichkeit zu sehen. Auch waren Schul-, Ausbildungs- und Studienzeiträume beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs schon wegen des durchschnittlich geringeren Bildungsniveaus bedeutend kürzer als heute, so dass insgesamt auch seinerzeit Erben durchaus schon über eine finanziell gesicherte und gefestigte Lebensstellung beim Erbgang verfügen konnten.219 Zudem verbietet die evident historische Dimension des verfassungsrechtlichen Erbrechts eine zeitgeistgetriebene Reduktion der Bedeutung des Erbrechts mit dem Hinweis auf die Übernahme der Versorgung bei Bedürftigkeit durch den modernen Sozialstaat.220 Die gegenwärtige gesellschaftliche Diskussion um Altersarmut, trotz höheren Renteneintrittsalters und gebotener privater Vorsorge, lehren dies. Das Pflichtteilsrecht fällt den Abkömmlingen bar jeder Gegenleistung vollends unverdient zu und kann vor dem Hintergrund der durch § 2333 Abs. 1 BGB restriktiv ausgestalteten Pflichtteilsentziehungsgründe nur durch sehr hartnäckiges Fehlverhalten untergehen. Dementsprechend stark ist die verfassungsrechtliche Position der Kinder. Eine verfassungsrechtliche Beschränkung auf ein unter dem Vorbehalt der Bedürftigkeit stehendes Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge ist demnach nicht ersichtlich. b) Der Einfluss des tradierten Erbrechts auf einen verfassungsrechtlichen Wesenskern des Erbrechts Neben den teleologischen Aspekten sieht das Bundesverfassungsgericht das Pflichtteilsrecht der Kinder rechtsgeschichtlich verankert und damit verfassungsrechtlich angelegt. Auf die Belastbarkeit dieser These wurde 218  Im

335 ff.

Einzelnen hierzu und zum Nachfolgenden: Otte AcP 202 (2002), 317,

219  Insbes. auch zur Widerlegung der These einer tatsächlichen Unterhaltsfunk­ tion des historischen Pflichtteilsrechts: Otte AcP 202 (2002), 317, 338 ff., 349. 220  Zur Kritik an dem Pflichtteilsrecht durch eine angebliche Funktionslosigkeit durch die Sozialsysteme: BVerfG ZEV 2005, 301, 301 [Tz. 22] = BVerfGE 112, 332, 355 f. [Tz. 22]. Im Ergebnis wendet sich auch Otte gegen einen wirtschaftlichen Bedeutungsverlust des Erbrechts für die Erben bzw. die Pflichtteilsberechtigten: Otte AcP 202 (2002), 317, 343 f.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder129

schon hinreichend eingegangen. Das Pflichtteilsrecht der Kinder stellt demnach den Kompromiss zwischen deutschem Familienerbrecht und der dem Römischen Recht entspringenden Testierfreiheit dar.221 Wenn überhaupt geborene Pflichtteilsberechtigte anerkannt werden sollen, dann sind es auch aus Sicht der Kommissionsmitglieder zur Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs die Kinder des Erblassers.222 Die Ausgestaltung des Erbrechts mit dem Pflichtteilrecht der Kinder ist durch die historische Wertentscheidung einer Vermögensübertragung des Erblassers an sein „eigen Blut“ geprägt.223 Schon begrifflich geht aus diesem Verwandtenerbrecht des „eigenen Bluts“ die Berechtigung der Kinder hervor. Anders als für den Ehegatten bedarf es nicht eines Rückgriffs auf einen durch Otte als „untechnischen“, also nicht im Sinne von § 1589 BGB zu verstehenden Verwandtenerbrechtsbegriffs.224 Für das Germanische Recht225 lässt sich die Frage nach einem Pflichtteilsanspruch der Kinder schon nicht stellen. Ein Bewusstsein für die Testierfreiheit und damit für ein dieses zumindest materiell begrenzendes Pflichtteilsrecht war unbekannt.226 Auch gab es kein Bewusstsein eines Privatvermögens.227 Diese Sichtweise ist für ein autarkes und im Wesentlichen isoliertes Leben in der Sippe nur konsequent.228 Wegen der niedrigen Bevölkerungsdichte war Grund und Boden nicht knapp und zudem musste dieser Boden erst durch eine Gemeinschaftsleistung der Sippe bewirtschaftbar gemacht und gehalten werden. Das „Vermögen“ der Sippe war damit eine Gemeinschaftsleistung.229 Die Mitglieder des Personenkreises der Sippe 221  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 271. 222  Auch nach Mertens sinngemäß die Sichtweise der Kommission: Mertens, Entstehung BGB, S. 100. 223  Zum „natürlichen“ Familienerbrechtsgedanken: Mertens, Entstehung BGB, S. 35 m. w. N. u. a.: (hier im Nachdruck) Schubert, Erbrecht Teil 1, Nachdruck, S. 169: von Schmitt (Hrsg.), Begründung des Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, Berlin (1879), S. 53. Grundsätzlicher und zeitlich weiter gefasst: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 14 ff., insbes.: 24 ff. 224  Hierzu Otte AcP 202 (2002), 317, 320: zum verfassungsrechtlichen Verständnis des Verwandtenbegriffs: BVerfG 91, 346, 359. 225  Die hier dargestellte erbrechtliche Situation des Germanischen Rechts (90 n. Chr. – 600 n. Chr), im Wesentlichen nach: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 9. 226  Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 9 m.  V.  a. Beneke, Pflichtteilsrecht (1939), S. 11 (dort: Zur unbekannten Testierfreiheit). 227  Zum „Gesamtvermögen“ der Sippe: Beneke, Pflichtteilsrecht (1939), S. 9. 228  Zur gesellschaftlichen Lebensweise: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 9 m. w. N. 229  Zur praktisch nicht begrenzten Nutzungsmöglichkeit von Grund und Boden: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 9 m. V. a. (hier erweitert zitiert) Hesse, Entwicklung der

130 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

lassen sich nicht rechtlich genau bestimmen. Die Sippe ist vielmehr ein tatsächliches Gebilde einer verwandtschaftlichen nicht exakt abgrenzbaren Hausgemeinschaft.230 In ihrem Kern lässt sich die Sippe auf einen männlichen „Stammvater“ zurückführen.231 Beim Versterben eines Sippenmitgliedes kann so der „Erwerb“ der zur Verfügung stehenden Vermögensmasse durch die Sippe als unreflektiertes und natürliches Recht eingestuft werden.232 Die aus dem Germanischen Recht ableitbaren Rechtsgedanken sind demnach dahingehend, dass es ein umfassendes und vorbehaltloses Erbrecht der Familie gibt. Während des fränkisch-deutschen Rechts wurde durch kriegsbedingte Abwesenheit und auch wegen der dabei angeeigneten Wertgegenstände die Grundlage für ein Bewusstsein von Privateigentum ausgeprägt, die dann später die Grundlage für eine durch den Erblasser bestimmte gewillkürte Erbfolge jenseits des Familienerbrechts bildete.233 Erst im Hoch- und Spätmittelalter bildete sich die Rechtsfähigkeit des Einzelnen so weit heraus, dass ein Testieren zugunsten der Kirche möglich war.234 Mittels sogenannter Klerikertestamente konnte der grundsätzlich kinderlose geistliche Stand zugunsten der Kirche verfügen und so deren Finanzbedarf teils decken.235 Der Blut- und Sippenbindungsgedanke wird hier tatsächlich erstmals partiell aufgelöst.236 Die regelmäßige Kinderlosigkeit des geistlichen Standes eröffnet hier nur eine dogmatische Krücke von der Abkehr des Familienrechtsgedankens: Kinderlose Sippenmitglieder Testierfreiheit (1980), S. 8 ff. (zur Berechtigung insbesondere an Ackerland und Hausgut). 230  Kaufmann in: Werkmüller (Red.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Band 4 (1990), „Sippe“ S. 1669 f. 231  Kroeschell ZRG (GA) Band 77 (1960) 1, 2. 232  Zum Anfallprinzip: Wegmann, Die Begründung des Erbrechtsprinzips im 19. Jahrhundert (1969), S. 4 f. Allerdings waren aus kultischen Gründen persönliche Gebrauchsgegenstände als Grabbeilagen vorgesehen: Hesse, Entwicklung der Testierfreiheit (1980), S. 12. 233  Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 9 f. m. w. N.: Fränkisch Deutsches Recht (600–1000 n. Chr.): Dort zu den gesellschaftlichen Veränderungen und der Lockerung der Zustimmung der Sippe an Verfügungen des Einzelnen. 234  Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 10 m. V. a. Hattenhauer, Grundbegriffe des Bürgerlichen Rechts (2000), S. 206 (mit Beschreibung der Entwicklung der Verfügungsmacht). 235  Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 10 m. w. N. Beneke, Pflichtteilsrecht (1939), S. 11 (zum Testieren zugunsten der Kirche als „Gottessohn“; damit noch dogmatische Orientierung am Familienerbrechtsgedanken.). 236  Ebke (Pflichtteilsrecht, S. 10 m. w. N.) will wohl wegen der begrenzten Ausnahme für kinderlose Kleriker weiter ein grundsätzlich ausschließliches und unentziehbares Erbrecht der Angehörigen sehen.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder131

wurden bisher schließlich auch von der Sippe „beerbt“. Somit bleibt auch in dieser Epoche das Familienerbrecht und damit dessen Ausfluss über das Pflichtteilsrecht der Kinder das bestimmende Element des Erbrechts. Einen dogmatischen Boden für die Testierfreiheit und damit den Gegenpol zu einem unbeschränkten Familienerbrecht bereitet das Heilige Römische Reich deutscher Nation; das sich schon nach dem Wortsinn als Fortführung des Römischen Reichs und damit als Bewahrer Römischen Rechts sah.237 Damit war auch die Vorstellung der Testierfreiheit des Römischen Rechts präsent.238 Die Testierfreiheit nach Römischen Recht stellte den Gegenpol zu dem germanisch geprägten Familienerbrecht dar, wobei beide in ihrer Gegensätzlichkeit bis heute im Bürgerlichen Recht fortbestehen. Dabei lässt sich eine umfängliche und einschränkungslose Testierfreiheit nach Römischem Recht als Mythos dekonstruieren, denn die Testierfreiheit erodierte tatsächlich im Laufe der Rechtsentwicklung. So war es nicht bedachten Abkömmlingen auch unter dem Römischen Recht möglich, regelmäßig einen Teil des Nachlasses für sich zu beanspruchen.239 Haas240 will zwar nicht von einem Pflichtteilsrecht sprechen, das es als solches in der Tat nicht gab. Allerdings kannte die römische Klage für einen grundlos nahe Angehörige übergehenden Erblasser die Fiktion des nicht „gesunden Geistes“.241 Genauer ausgedrückt war Grundlage der Klage die Fiktion, dass ein nahe Angehörige übergehender Erblasser nicht „gesunden Geistes“242 oder nicht „zurechnungsfähig“243 sein sollte. Treffender für diesen dogmatischen Ansatzpunkt des Römischen Rechts ist nach meiner Auffassung244 die Bezeichnung einer „beschränkten Testierunfähigkeit“ des Erblassers. Durch

237  Allgemein: Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 9 (1997), „Heiliges Römisches Reich“; hierzu auch: Ebke, Pflichtteilsrecht, S.  10 f. m. w. N. 238  Zur Rezeption des Römischen Rechts: Ebke, Pflichtteilsrecht S. 10 ff. 239  Näher: Tomfort, Pflichtteilsentziehungsgründe, S. 8; Ebke, Pflichtteilsrecht, S.  6 ff. 240  Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl. zu §§ 2303 Rn. 6 m. V. a. RGZ 6, 247, 249. 241  Vgl. Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl. zu §§ 2303 Rn. 6 m. V. a. Mertens, Entstehung BGB, S. 83. 242  So etwa: Mertens, Entstehung BGB, S. 83 (nächste Angehörige übergehender Erblasser sei „wahnsinnig“) und sich diesem anschließend Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl. zu §§ 2303 Rn. 6 m. w. N. 243  So Tomfort, Pflichtteilsentziehungsgründe, S. 8 m. w. N. 244  Somit verdeutlicht auch das Römische Recht die tatsächliche Nähe von Sittenwidrigkeit letztwilliger Verfügungen und der Geschäfts- bzw. Testierunfähigkeit des Erblassers. Ähnliche Schnittmengen von Sittenwidrigkeit und Geschäftsunfähigkeit weist die auf Disparitätslagen aufbauende Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen auf. Vgl. C. I. 3.

132 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

dieses Rechtsinstitut konnten Verwandte einen Bruchteil der Intestaterbschaft245 geltend machen.246 Der hierüber geschaffene Rechtszustand kommt dem des gegenwärtigen Pflichtteilsrechts erstaunlich nahe: Schon aus dem Umstand des Übergehens naher Angehöriger können diese praktisch eine Beteiligung am Nachlass erwirken. Gegen den Willen des Erblassers nehmen die nahen Angehörigen dann wirtschaftlich am Nachlass teil. Dem Bürgerlichen Recht gingen die zersplitterten Partikularrechts­ ordnungen voraus, in denen das Pflichtteilsrecht der Kinder fest verankert war.247 So überrascht es nicht, dass das Bürgerliche Gesetzbuch ebenfalls das Pflichtteilsrecht kodifiziert hat. Gerade der für das Erbrecht zuständige Redaktor von Schmitt sah in dem Bürgerlichen Recht die Aufgabe, die Partikularrechtsordnungen zu kodifizieren.248 Die Kommission für das Erbrecht knüpfte an die Preisaufgabe der Juristischen Gesellschaft Berlin von 1874 und an den 14. Deutschen Juristentags von 1878 an.249 Das Bundesverfassungsgericht verschweigt in seiner Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge, dass seinerzeit gewichtige und vehement vertretene Argumente gegen das Pflichtteilsrecht vertreten wurden. Bruns etwa forderte einen Verzicht auf das Pflichtteilsrecht als Gegenpol zu kommunistischer Eigentumsnegierung und erkannte in dem Pflichtteilsrecht eine Gefahr für die aufblühende Wirtschaft.250 Trotz dieser kritischen Stimme ist dagegen entscheidend, dass die Kommissionsmitglieder mit breiter Mehrheit fest hinter dem Pflichtteilsrecht standen.251 Die eigentliche juristische Heraus245  Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht (2008), § 65 Rn. 11 (S. 347): Die Intestaterbfolge ist die bei Fehlen eines Testaments eintretende Erbfolge. 246  Vgl. Tomfort, Pflichtteilsentziehungsgründe, S. 7 f., insbesondere zu den unterschiedlichen „Quoten“ mit Verweis auf Kipp/Coing, Erbrecht (1990), S. 52 f. Zur Herbeiführung der Ungültigkeit des Testaments und so der Intestaterbfolge: Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338) (Juni 2006) Einl. zu §§ 2303 Rn. 6 m. V. a. RGZ 6, 247, 249. 247  So BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 67 = BVerfGE 112, 332, 350 Tz. 67. 248  Mertens, Entstehung BGB, S. 11. 249  Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 24 f. zu den Grundlagen der Verhandlungen zu dem BGB. 250  Bruns, Gutachten über die Frage, ob und in wieweit die Testierfreiheit mit Rücksicht auf eine Pflichtteilsberechtigung beschränkt werden soll, in: Schriftführeramt (Hrsg.), Verhandlungen des 14. Deutschen Juristentages (1878), S. 72–112; insbes. S. 90 f.: gerade für kleine Unternehmen; S. 97: freies „Eigenthum [als] … sehr wirksames Gegengewicht gegen den Communismus“. 251  So schon BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 68 = BVerfGE 112, 332, 350 Tz. 68.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder133

forderung für das Pflichtteilsrecht war die Suche nach einer dogmatisch befriedigenden Rechtfertigung für den damit verbundenen Eingriff in die materielle Testierfreiheit.252 Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts einer tradierten Institutsgarantie war den Kommissionen des Bürgerlichen Rechts verwehrt. Erst die Kommissionen zementierten das Fundament des historischen Erbrechts, auf dem das Bundesverfassungsgericht heute wesentlich aufbaut. Die durch das Pflichtteilsrecht intendierte Stärkung des Familiensinns253 war kein starkes dogmatisches Argument, weil es seinerzeit an dem staatlichen Schutzauftrag von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG fehlte. Und so fand von Schmitt in der Selbstbindung des Erblassers durch die Zeugung von Kindern ein hinreichendes zusätzliches Argument für die Freiheitsbeschränkung durch das Pflichtteilsrecht.254 Dogmatisch sollte dieses Argument mit der Testierfreiheit korrespondieren, die ebenfalls Ausprägung der freien Selbstbestimmung ist. Ein aus freien Stücken Kinder zeugender Erblasser hat sich damit auch eines Teils seiner materiellen Testierfreiheit begeben. Tatsächlich war jedoch die Aufrechterhaltung eines schon als untergegangen beklagten deutschen Familienrechtsgedankens willensbestimmend für die Aufnahme des Pflichtteilsrechts in das Bürgerliche Gesetzbuch.255 Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch die unverrückbar starke Stellung des Pflichtteilsrechts der Kinder. Dies gilt nicht nur für das Bürgerliche Erbrecht, sondern auch für das Grundgesetz. Historisch wurde das Pflichtteilsrecht auch bis zu einem gewissen Maß als Ausdruck der Sicherung des Traditionsvermögens gesehen. So wurde das Risiko des Vermögensabflusses in eine fremde Familie durch das Erbrecht des Ehegatten bei der Kodifizierung des BGB diskutiert.256 Um das zu verdeutlichen, kann schon an dieser Stelle nicht auf ein Beleuchten des Ehegatten verzichtet werden. Präziser sollte von einem Erbrecht der Ehefrau gesprochen werden, denn die Gutachter und Kommissionsmitglieder hatten das seinerzeit noch eher typisierbare Bild einer Familie mit drei bis vier 252  Zur Suche nach einer tragfähigen Begründung und den einzelnen diskutierten Rechtfertigungsansätzen: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 24 f. 253  Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 23 m. w. N. 254  Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 25 mit kursorischer Darstellung der vorgetragenen Argumente bei der Suche nach einer dogmatischen Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts. 255  Schubert (Hrsg.), Teil 1, Nachdruck, S. 172: von Schmitt (Hrsg.), Begründung des Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, Berlin (1879), S. 56; auch zum Teil wörtlich zitiert bei: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 24 f. 256  Vgl. Mertens, Entstehung BGB, S. 74.

134 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Kindern und einer den Ehegatten beerbenden Ehefrau vor Augen.257 Auf dieser Basis wurde das Risiko eines Vermögensabflusses zu Lasten der blutsverwandten Abkömmlinge durch ein starkes Ehegattenerbrecht diskutiert, das letztlich als gering eingeschätzt wurde.258 Bis heute steht gemäß § 1931 BGB die erbrechtliche Stärke des Ehegatten in Abhängigkeit von dem Zusammentreffen mit Abkömmlingen des Erblassers. Soweit Abkömmlinge direkt nach dem erstversterbenden Elternteil erben, ist das Risiko eines ausbleibenden weiteren Vermögensrückflusses nach dem versterben des überlebenden Gatten gebannt. Die Pflichtteilsquote von der Hälfte des gesetzlichen Erbrechts entsprach zum einen einer verbreiteten Quote.259 Zum anderen bewirkt die Quote von einem schuldrechtlichen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts, dass die vermeintliche salomonische Mitte, zwischen wirtschaftlich freier Vermögensverfügung des Erblassers und erbrechtlicher Beteiligung der Kernfamilie gewahrt wird.260 Auch wurde überlegt, ob die Höhe des den Erblasser in seiner materiellen Testierfreiheit einschränkenden Pflichtteilsrechts abhängig von der Anzahl seiner Kinder sein sollte.261 Seinerzeit war man jedoch besonders um die „Produktivität der Ehe“ und damit die gesellschaftliche Basis des jungen deutschen Kaiserreichs bedacht.262 Insgesamt sollte die wiederholte Kinderzeugung sich für den Erblasser nicht freiheitsbeschränkend auswirken, weshalb derartige Überlegungen verworfen wurden.263 c) Der tatsächliche Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Vor diesem Hintergrund lassen sich auch die – nur scheinbar – zusammenhanglosen und kursorischen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu einem europäischen Rechtsvergleich deuten. So könnte das Bundesverfassungsgericht mit seiner „ausgewählten“ Darstellung der internationalen Gesetzeslage eine verfassungsrechtliche Offenheit für eine Abhängig257  Zum Familienaufbau: Mertens, Entstehung BGB, S. 72 m. w. N. Zum Familienbild gerade auch die Gutachten des 14. Deutschen Juristentages (1878), auf dem die Kommissionen aufbauten: Überblick (mit z. T. wörtlichen Zitaten) bei: Ebke, Pflichtteilsrecht, S.  21 ff. 258  Mertens, Entstehung BGB, S. 74. 259  Mertens, Entstehung BGB, S. 105. 260  Die Quote als „annehmbare[r] Ausgleich“ zwischen Erblasserfreiheit und Verwandtenrecht: Mertens, Entstehung BGB, S. 105 m. w. N. 261  Mertens, Entstehung BGB, S. 104. 262  Mertens, Entstehung BGB, S. 72: insbesondere für die Erbquote des Ehegatten relevant. 263  Mertens, Entstehung BGB, S. 104.



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder135

keit der Höhe des Erbrechts und damit des Pflichtteilsrechts der Kinder von deren Anzahl signalisieren. Diese Abhängigkeit weist das von dem Zweiten Senat beschriebene Recht der italienischen „Pflichterben“ auf oder auch das französische Noterbrecht.264 Mit diesem materiellrechtlichen Noterbrecht kommt zugleich eine Offenheit des Bundesverfassungsgerichts für das auch von Boehmer bevorzugte Noterbrecht zum Ausdruck.265 Auch beschreibt der Senat das polnische Erbrecht, das minderjährigen und damit regelmäßig besonders bedürftigen Kindern eine Erhöhung der Pflichtteilsquote von der Hälfte auf ⅔ des gesetzlichen Erbteils zubilligt. Damit steht sogar eine Familienbindung des Vermögens von mehr als der Hälfte des Nachlasses im Raum. Auch hier ist an Boehmer266 zu erinnern, der das „rigorose und starre … Pflichtteilsrecht“ trotz der damit verbundenen Rechtssicherheit als wenig zweckgerecht ablehnte. Nur schwer kann sich dem Eindruck entzogen werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Vorstellungen Boehmers von dem verfassungsrechtlich eröffneten Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers in eine rechtsvergleichende Darstellung „übersetzt“ hat. Dies würde auch die zu Recht als kursorisch und unausgewogen kritisierte Auswahl europäischer Rechtsordnungen erklären. Klar geht zumindest aus allen unmittelbaren und mittelbaren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts hervor, dass die Kinder die eigentlichen, geborenen Pflichtteilsberechtigten sind. In besonderen Bedarfssituationen, wie etwa typischerweise bei Minderjährigkeit, erscheint sogar die von Haas267 intendierte Grenze von etwa der Hälfte des Nachlasses für Pflichtteilsberechtigte als überschreitbar. Von einem weiten Gestaltungspielraum des einfachen Gesetzgebers kann angesichts dieser herausgeschälten verfassungsrechtlichen Dominanz bis in Detailfragen der Höhe des Pflichtteilsrechts kaum noch gesprochen werden. Dies ließ schon die Wortwahl des Bundesverfassungsrechts anklingen, als dieses anmerkte, dass die „Höhe des Pflichtteils … [scilet: nur die Höhe] nicht verfassungsrechtlich strikt [Hervorhebung durch Verfasser] vorgegeben“ sei.268

264  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 70 = BVerfGE 112, 332, 351 f. Tz. 70 m. V. a. Art. 536 ff. CC/J und Art. 913 ff. CC/F. 265  BVerfG ZEV 2005, 301, 304 Tz. 77 = BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77. Zur Ansicht Boehmers in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 417. 266  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 417 f. 267  Haas ZEV 2000, 249, 260. 268  BVerfG ZEV 2005, 301, 304 Tz. 77 = BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77.

136 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

7. Halbteilung zwischen materieller Testierfreiheit und Familienerbrecht Neben dem verfassungsrechtlich geschützten Kern des Pflichtteilsrechts der Kinder bildet der verfassungsrechtlich geschützte Kern der materiellen Testierfreiheit des Erblassers den nächsten begrenzenden Eckpfeiler für ein etwaig verfassungsrechtlich geschütztes Pflichtteilsrecht des Ehegatten. Inwieweit das in diesem Gefüge zu bestimmende verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht des Ehegatten durch die Privatautonomie der Eheleute in Form des Erb- und Pflichtteilsverzichts übersteuert werden kann, ist hiervon zu unterscheiden. Fraglich erscheint nun, ob es aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Halbteilung des Nachlasses zwischen potentiell für die Pflichtteilsberechtigten vorbehaltenen Nachlassvermögens und der materiellen Testierfreiheit des Erblassers gibt? Die Grundproblematik einer Halbteilung zwischen frei und vorbehaltlos dem Berechtigten zur Verfügung stehendem Vermögen und einem belasteten oder vorbehaltenen Vermögen findet sich in verschiedenem Gewand: Einer Halbteilung kann besonders im Familien- und Erbrecht kaum ausgewichen werden. Mit dem Grundsatz der Halbteilung im Unterhaltsrecht269 und dem Zugewinnausgleich270 wird sich noch genauer im Rahmen der güterrechtlichen Teilhabe zu beschäftigen sein. Die Halbteilung in Form des Pflichtteilsrechts, als Antwort der Kommissionen auf die Konkurrenz von materieller Testierfreiheit und Familienerbrecht, wurde schon vorgestellt. Boehmer sieht darin den Ausdruck des Kompromisses zwischen Individualund Familieneigentum.271 Auch Haas sieht ein Pflichtteilsrecht von „bis zu 50 % des Nachlasses … [als] im Grundsatz (noch) verfassungsgemäß“ an.272 Auch das Bundesverfassungsgericht rief schon den Halbteilungsgrundsatz im Steuerrecht aus. Etwa bei der Hälfte sah das Bundesverfassungsgericht die Grenze der Besteuerung.273 Böckenförde274 drückt in einem bemerkenswerten Sondervotum grundsätzliche Zweifel an einem Halbteilungssatz im Steuerrecht und dessen Bindungswirkung aus: Weder seien die Aussagen 269  Näher

2. h).

270  Vgl.

zum Grundsatz der Halbteilung im Unterhaltsrecht insbesondere: E. III.

hierzu: E. III. 2. h). in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 416. Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 271. 272  Haas ZEV 2000, 249, 260; vgl. insbesondere auch 255. 273  BVerfGE 93, 121 ff. = WM 1995, 1506 ff. 274  BVerfGE 93, 121, 149 ff. = WM 1995, 1506, 1514 ff. 271  Boehmer



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder137

des Senats zu diesem Thema durch das konkrete Verfahren veranlasst gewesen, noch sei der erkennende Senat nach der Geschäftsverteilung des Bundesverfassungsgerichts zur Entscheidung berufen, weshalb die Bindungswirkung der Entscheidung anzuzweifeln sei. In der Sache könne der Senat sich weder auf Art. 14 Abs. 1 GG oder andere Vorschriften der Grundgesetzes, noch auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen: Vielmehr stütze sich der Senat auf „eigene, durch die Verfassung nicht ausgewiesene Angemessenheitserwägungen“. Eine steuerrechtlich erdrosselnde Wirkung wirkt auf den Steuerpflichtigen ähnlich freiheitsbeschränkend wie die Beschränkung der materiellen Testierfreiheit auf den Erblasser. In beiden Fällen wird eine dem Grunde nach schon zugunsten eines Berechtigten bestehende Vermögensposition wirtschaftlich dessen freier Verfügung entzogen: Ein konkreter Teil des Vermögens bzw. ein Teil des Nachlasses, über den der Erblasser sonst frei verfügen könnte. Der schuldrechtliche Anspruch des Pflichtteilsberechtigten bzw. die Steuerschuld zugunsten des Staates droht eine verfassungsrechtlich zu beanstandende, freiheitsbeschränkende Wirkung herbeizuführen. Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Schutzes vor vermögensrechtlichen Ansprüchen macht das Bundesverfassungsgericht mit dem Satz „Geld ist geprägte Freiheit“ griffig.275 Die Bedeutung der Freiheit des Einzelnen ist weit größer, als es dieser Satz zum Ausdruck bringen kann. Tatsächlich geht der Satz auf den spielsüchtigen Fjodor Dostojewski zurück,276 der seine Reisekasse in der Spielbank Wiesbaden verspielte.277 Diese Freiheit will das Grundgesetz weniger hervorheben. Mit dem steuerrechtlichen Halbteilungssatz278 entfernt sich das Bundesverfassungsgericht zudem von den tatsächlichen Vorstellungen des Parlamentarischen Rats hinsichtlich der Erbschaftssteuer. Bei den Beratungen zur Aufnahme des Erbrechts in das Grundgesetz setzen sich die Räte auch mit einer tatsächlich nahezu kassatorisch und damit erdrosselnd wirkenden Erbschaftsteuer auseinander, ohne mit verfassungsrechtlichen Initiativen erkennbar konkret gegensteuern zu wollen.279 Eine Halbteilung für das ­ 275  BVerfG NJW 1998, 1934, 1937 = BVerfGE 97, 350, 371: mit der Begründung, dass Geld frei in Gegenstände eingetauscht werden kann. 276  Vgl. Dostojewski, Aufzeichnungen aus einem Totenhaus (1994), S. 25. So auch Kirchhof, Erwerbsstreben und Maß des Rechts, § 169 Rn. 7 Fn. 3 in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.) Handbuch des Staatsrechts, Band VIII (2010): mit dem Hinweis auf Dostojewski (Aufzeichnungen aus einem Totenhaus (1994), S. 25); hierzu schweigend: BVerfG 97, 350, 371. 277  Meyer/Bachmann, Spielsucht (2005), S. 9. 278  BVerfGE 93, 121 ff. = WM 1995, 1506 ff. 279  Zu den Beratungen: Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 149: dort wörtlich: Abg. Zinn: … durch die Steuergesetzgebung ist von der Institution [des Erbrechts] nichts übrig geblieben.

138 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

„Erbrecht des Staates“ postulieren zu wollen, scheint nicht ohne weiteres möglich. Dennoch darf für die materielle Testierfreiheit und das Familienerbrecht grundsätzlich von einer annähernden Halbteilung ausgegangen werden. Die bisherigen Untersuchungen unterstreichen gerade die zentrale Bedeutung der Testierfreiheit. Auch betont das Bundesverfassungsgericht anlässlich des Pflichtteilsrechts, dass dem Erblasser ein hinreichend großer vermögensmäßiger „Freiheitsraum“ verbleiben müsse.280 In diese Richtung deutet auch die Feststellung des Ersten Senats, dass keine „Verpflichtung“ des Gesetzgebers bestehe, das Pflichtteilsrecht zugunsten der Kinder weiter auszudehnen.281 Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch kein striktes Verbot. Allerdings bedarf es bei einer Überschreitung des Halbteilungssatzes eines deutlich erhöhten Rechtfertigungs- und Darlegungsbedarfs, der für ein bedarfsunabhängiges Pflichtteilsrecht wohl nicht zu erbringen ist. Andernfalls würde der Erblasser vom starken zum schwachen Rechtsinhaber mutieren. Soweit allerdings eine konkret erhöhte Schutzwürdigkeit besteht, scheint eine Überschreitung des Halbteilungssatzes nicht ausgeschlossen. So deutet es etwa das Bundesverfassungsgericht mit dem Verweis auf die polnische Rechtslage an, die für regelmäßig bedürftige minderjährige Pflichtteilsberechtigte eine Quote von ⅔ des gesetzlichen Erbteils vorsieht.282 Hierfür spricht auch die begrenzte Leistungsfähigkeit des Staates,283 der die Folgen materieller Testierfreiheit des Erblassers bei bedürftigen Pflichtteilsberechtigten über die Sozialkassen zu stemmen hat. Auch das immer stärkere Auseinanderdriften der Nachlasswerte macht eine typisierende Funktionszuordnung des Pflichtteilsrechts kaum noch möglich. Während ein kleiner Teil der Erben mit einer hohen Erbschaft rechnen darf, besteht in rund der Hälfte der Erbfälle der Gesamtnachlass aus höchstens 50.000 EUR.284 So 280  BVerfG 281  BVerfG

a. E.

282  BVerfG

ZEV 2005, 301, 304, Tz. 76 = BVerfGE 112, 332, 354 Tz. 76. ZEV 2005, 301, 304 Tz. 77 a. E. = BVerfGE 112, 332, 355 Tz. 77

ZEV 2005, 301, 303 Tz. 70 = BVerfGE 112, 332, 351 Tz. 70. den Grenzen der staatlich getragenen Freiheit durch die Staatsverschuldung: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt als Teil des Vertrages von Maastricht sieht nach Anlage 12 zu Art. 126 AEUV eine maximale Staatsverschuldung von 60 % des BIP vor. Mit einer kontinuierlich steigenden Quote jenseits dieser Grenze verletzt Deutschland dieses Kriterium signifikant. Die ökonomischen Herausforderungen der Gemeinschaftswährung und der demographische Wandel werden einen Schuldenabbau unter Wahrung der Geldwertstabilität und ohne erdrosselnde Steuern nicht erleichtern. 284  Zu dem konkreten Nachlassvolumen und deren Verteilung: Braun, Erben in Deutschland (2011), S. 22: Die hohen Nachlässe des reichsten Zehntels der Erblasser erlauben lebzeitige Vermögensverschiebungen ohne signifikante Abstriche im Lebensstandard. 283  Zu



V. Verfassungsrechtliche Dominanz des Pflichtteilsrechts der Kinder139

muss für die Mehrheit der Pflichtteilsberechtigten angenommen werden, dass deren konkreter Lebensbedarf den Pflichtteilsanspruch deutlich übersteigt. 8. Verfassungswidrigkeit der Reform des Pflichtteilsergänzungsanspruchs Durch den neugefassten Pflichtteilsergänzungsanspruch des § 2325 Abs. 3 BGB hat der Gesetzgeber das rechtstatsächliche Schutzniveau des Pflichtteilsrechts empfindlich abgesenkt. Sofern diese Absenkung des Schutzniveaus des Pflichtteilsrechts verfassungskonform ist, lässt dies auch Rückschlüsse auf die verfassungsrechtliche Stärke des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge zu. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit des neugefassten § 2325 Abs. 3 BGB in Bezug auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Abkömmlinge verdeutlicht dagegen die verfassungsrechtliche Verankerung des Pflichtteilsrechts der Kinder. Der Gesetzgeber hat die starre „Ausschlussfrist“285 für Pflichtteilsergänzungsansprüche des § 2325 Abs. 3 BGB auf eine „pro-rata-Regelung“ umgestellt.286 Danach erstrecken sich grundsätzlich Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht mehr voll auf die das Pflichtteilsrecht beeinträchtigenden Verfügungen des Erblassers der letzten 10 Jahre vor dessen Ableben, sondern der Anspruch bezogen auf die jeweilig beeinträchtigende Verfügung schmilzt über 10 Jahre jährlich um ein Zehntel ab.287 Die neue Regelung mag gewiss der bedenklichen, systemimmanenten Zufälligkeit der „Ausschlussfrist“ entgegenwirken,288 gleichwohl müssen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Reform angemeldet werden. Die alte Regelung stellte insbesondere bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs praktisch sicher, dass der Pflichtteil durch den Erblasser nicht leicht ausgehöhlt werden konnte. Historisch stellten gerade große Landgüter bedeutende Vermögenswerte dar. Das Geldvermögen als weitere wichtige Nachlassposition war durch die goldunterlegte Goldmark systemisch begrenzt. Zudem befanden sich Industrieunternehmen gerade erst in einer Epoche des rasanten Aufbaus. Der Erblasser bewirtschaftete diese Landgüter selbst regelmäßig bis in ein Alter, das eine anschließende 285  Olshausen in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) § 2325 Rn. 51 ff.: dementsprechend auch nachfolgende Beschreibung. 286  Lange in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2325 Rn. 60 ff.: dementsprechend auch nachfolgende Beschreibung. 287  Lange in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2325 Rn. 60. 288  Olshausen in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) § 2325 Rn. 51 ff.

140 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Verfügung zur Vermeidung potentieller Pflichtteilsergänzungsansprüche kaum möglich machte.289 Besonders die in den letzten Jahrzehnten signifikant verbesserten Vermögensverhältnisse290 erlaubten es den Erblassern verbreitet, Vermögen lebzeitig zu übertragen, ohne gleichzeitig sich selbst empfindlichen Vermögenseinbußen auszusetzen. Mit der Bedarfsunabhängigkeit291 des Pflichtteilsrechts der Kinder betont das Bundesverfassungsgericht die erbrechtliche Vermögensteilhabe der Kinder, die durch den Pflichtteilsergänzungsanspruch abgesichert wird. Genau dieser Effekt scheint auch verfassungsrechtlich intendiert zu sein: Erst durch die erhöhte Lebenserwartung und das gestiegene Vermögen dürften sich erhebliche Probleme durch die daraus erwachsene Zufälligkeit der „Ausschlussfrist“ ergeben haben. Bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs dürften pflichtteilsaushöhlende Vermögensverfügen angesichts der begrenzten Geldmenge und das Vermögen bis kurz vor dem Ableben bewirtschaftenden Erblassern selten gewesen sein. Statt einer zusätzlichen gesetzlichen Erosion des Schutzes des Pflichtteilsrechts, hätte der Reformgesetzgeber die Frist von 10 Jahren erhöhen müssen. Nur durch eine Verlängerung der Ausschlussfrist könnte der historische Schutz des Pflichtteils­ ergänzungsanspruchs sichergestellt werden. Dies gilt insbesondere, soweit man auch hier Boehmers maßgebliche Einordnung des Pflichtteilsrechts bei der Kommentierung der Erbrechtsgarantie des Grundgesetzes heranzieht. Die starke Stellung des Pflichtteilsrechts wurde schon hinreichend erörtert. Auch Boehmer geht auf die sichernde Wirkung der Pflichtteilsergänzungsansprüche nach den §§ 2325 ff. BGB im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Kommentierung ein.292 Damit kann davon ausgegangen werden, dass auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch als tatsächliche Absicherung des Pflichtteilsrechts über die verfassungsrechtlich erbrechtliche Institutsgarantie gewährleistet ist. Der Reformgesetzgeber hat nicht nur den tatsächlichen historischen Schutz des Pflichtteilsrechts nicht wieder hergestellt, sondern auch noch das Schutzniveau mit der „pro-rata-Regelung“ empfindlich abgesenkt. In der Gesamtbetrachtung ist zu konstatieren, dass der Gesetzgeber hiermit den ihm eröffneten Gestaltungsspielraum überschritten hat. 289  So blieb das Renteneintrittsalter als Vergleichswert mit grundsätzlich 65 Jahren unverändert. Die Lebenserwartung der das Rentenalter erreichenden stieg dagegen signifikant an: Zur Lebenserwartung: Otte AcP 202 (2002), 317, 336 f. 290  Zur Vermögensentwicklung auch: Otte AcP 202 (2002), 317, 336 ff. 291  BVerfG ZEV 2005, 301, 302 Tz. 61 = BVerfGE 112, 332, 348 Tz. 61. 292  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 416. Ebenfalls schon in der Kommentierung der WeimRV: Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 272.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten141

Die Gründe der Verfassungswidrigkeit des abgesenkten rechtstatsächlichen Schutzes des Pflichtteilsergänzungsanspruchs verdeutlichen die verfassungsrechtliche Tiefe des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge.

VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten Nachdem die verfassungsrechtlich dominierende Stellung der Abkömmlinge des Erblassers an der Nachlassbeteiligung herausgearbeitet wurde, ist das verfassungsrechtliche Gewicht des Ehegatten bei der Nachlassteilhabe zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht lediglich zum Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder geäußert.293 Selbst wenn man mit Kuchinke294 aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder auch auf den des Ehegatten schließt, führt das hinsichtlich der eigentlichen Frage nach dem konkreten Umfang und den Funktionen eines etwaig verfassungsrechtlich geschützten Ehegattenpflichtteilsrechts nicht substantiell weiter. Grundlegende Rückschlüsse auf den verfassungsrechtlichen Wesenskern des Erbrechts des Ehegatten lassen sich allein aus der Anerkennung des verfassungsrechtlichen Schutzes als solches nicht ziehen. Ohne das Wissen um diesen verfassungsrechtlichen Wesenskern lässt sich nicht klären, inwieweit auf das Pflichtteilsrecht durch die privatautonome Ausgestaltung der Ehe verzichtet werden kann. Die vielfältigen Unwägbarkeiten bei der Prognose verfassungsrechtlicher Entscheidungen wurden im Rahmen der Analyse des Pflichtteilsrechts der Kinder schon hinreichend beklagt. Gleichwohl soll analog zum dort herausgearbeiteten dogmatischen Verständnis und den wesentlichen Wertentscheidungen das Pflichtteilsrecht des Ehegatten verfassungsrechtlich herausgeschält werden. Hierbei offenbaren sich sogleich hohe Hürden vor einer etwaigen verfassungsrechtlichen Gleichschaltung des Pflichtteilsrechts der Kinder mit dem des Ehegatten. Der fundamentale Unterschied zwischen den Abkömmlingen des Erblassers und dessen Ehegatten ist augenscheinlich: Der Ehegatte kann schon rein biologisch nicht als geborener Pflichtteilsberechtigter wie die Abkömmlinge des Erblassers eingeordnet werden. Gerade im Hinblick auf die historische Herleitung des Pflichtteilsrechts der Kinder durch das Bundesverfassungsgericht und damit die Vermögensweitergabe an das „eigene Fleisch und Blut“ des Erblassers erscheint eine unreflektierte Erstreckung des Pflichtteilsrechts auf den Ehegatten als problematisch. Es ist nicht 293  BVerfG

ZEV 2005, 301 ff. = BVerfGE 112, 332 ff. FPR 2006, 125, 126.

294  Kuchinke

142 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

selbstverständlich, dass das Bundesverfassungsgericht dieses – sprachliche – Hindernis durch den Rückgriff auf ein „untechnisches“ Verständnis des Verwandtenerbrechts überwinden wird.295 Ohne an dieser Stelle schon in rechtsgeschichtliche Tiefen einsteigen zu müssen, fällt der fortwährende Wandel der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten auf. Eine grundlegende Zäsur hat die erbrechtliche Beteiligung des Ehegatten im Zuge der zwingenden grundgesetzlich geforderten Gleichberechtigung von Mann und Frau erfahren.296 Seit der hierdurch bedingten Reform des Güterrechts in den späten 1950er Jahren wird die konkrete erbrechtliche Stellung durch den Güterstand, in dem die Eheleute lebten, beeinflusst.297 Damit ist fraglich, ob eine rein erbrechtliche Betrachtung des Ehegatten noch weiterführend sein kann. Zuletzt sprach sich der Deutsche Juristentag 2010 mit der Empfehlung einer güterstandsunabhängigen Erbrechtsquote des Ehegatten von ½ neben Abkömmlingen für eine signifikante Stärkung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten und des eingetragen Lebenspartners aus.298 1. Wahrscheinliche Verankerung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten Die konkrete Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten hat erheb­ lichen Einfluss auf dessen verfassungsrechtliches Schutzniveau. Grundsätzlich kommen auch für die verfassungsrechtliche Verankerung des Ehegatten die schon bei der Besprechung der Kinder vorgestellten Grundrechte sowie Kombinationen und Verbindungen aus diesen Grundrechten in Betracht.299 295  Vgl.: BVerfGE 91, 346, 359. Zur Terminologie: Otte AcP 202 (2002), 317, 320 m. V. a. Kritik am Verständnis des BVerfGs: BVerfG ZEV 2000, 447 m. Anm. J. Mayer. 296  Vgl. Art 117 Abs. 1 GG; grundlegend hierzu: E. 297  Vgl. Gleichberechtigungsgesetz, 18. Juni 1957, BGBl. Teil I, 1957, S. 609 ff. Zum pauschalierten Zugewinnausgleich im gesetzlichen Güterstand: § 1371 Abs. 1 BGB. Zu der Erbquote des Ehegatten bei Gütertrennung: § 1931 Abs. 4 BGB. 298  Beschlüsse des 68. Deutschen Juristentages Berlin 2010: Abteilung Zivilrecht II. 7.: „Empfiehlt es sich, das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners auf ½ als güterstandsunabhängige Quote (§ 1931 BGB) neben einem oder mehreren Kindern und neben übrigen Verwandten auf ¾ zu erhöhen (Streichung des § 1931 Abs. 3 BGB)? angenommen 50:15:6“. 299  Insgesamt: D. V. 1.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten143

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bei den Kindern für Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG entschieden. Gleichzeitig dürfen die Ausführungen des Ersten Senats so verstanden werden, dass jeder der Artikel den Grundrechtsschutz der Kinder parallel gewähren kann. Mit dem bei der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder berichterstattenden Richter des Bundesverfassungsrechts Papier300 ließe sich der Kreis der Pflichtteilsberechtigten aus Art. 6 Abs. 1 GG ableiten, während das Pflichtteilsrecht als solches in der erbrechtlichen Institutsgarantie verhaftet ist.301 Es wurde schon konstatiert, dass es keine justiziable materielle oder gar methodische Selbstbindung des Bundesverfassungsgerichts gibt.302 Die für die Kinder gewählte Herleitung des Pflichtteilsrechts eröffnet dem Verfassungsgericht einen weiten Gestaltungsspielraum. Durch die Verankerung des Pflichtteilsrechts über die starke und historisch gewachsene Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG kann das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich eines weitreichenden und starren Schutzes des Pflichtteilsrechts argumentieren. Mit dem dagegen nicht derart historisch definierten Schutzauftrag von Ehe und Familie des Art. 6 Abs. 1 GG wird eine wertungsorientierte Auslegung eröffnet. Dies ermöglicht eine gewisse Flexibilität bei der Auslegung des tradierten durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Erbrechts. Für die Anerkennung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Kinder bedurfte es dieses weiten Gestaltungsspielraums nicht. Ohne den weiten Spielraum aus Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG bzw. über eine Gewähr des Ehegattenpflichtteilsrechts allein durch Art. 6 Abs. 1 GG dürfte das Erkennen des verfassungsrechtlichen Schutzes des Ehegattenpflichtteils nicht leicht fallen. Die im Vergleich zu Kindern evident schwächere historische Verankerung wurde schon angerissen und lässt ernsthafte Zweifel keimen, ob das Pflichtteilsrecht des Gatten von der historisch geprägten erbrechtlichen Institutsgarantie erfasst wird. Selbst wenn der Kreis der Pflichtteilsberechtigten über Art. 6 Abs. 1 GG bestimmt wird, bleiben Zweifel an einer im Vergleich zu den Kindern des Erblassers starken oder auch nur präsenten erbrechtlichen Stellung des Ehegatten. Auch verbleiben grundsätzliche Bedenken, aus der in Bezug auf das Erbrecht oder gar auf das Pflichtteilsrecht unspezifischen Formulierung des Art. 6 Abs. 1 GG das spezielle Pflichtteilsrecht ableiten zu können. Zumindest bleiben Zweifel, ob ein insbesondere in Art. 6 Abs. 1 GG 300  Berichterstattender Richter des BVerfGs in der Entscheidung zu dem Pflichtteilsrecht der Kinder; gemäß Mitteilung des BVerfGs an den Verfasser. 301  Vgl. Papier in: Maunz/Dürig (Juli 2010) Art. 14 Rn. 302. 302  Müller/Christensen, Juristische Methodik, Band I (2004), S. 45  f. Rn. 27 f. Zum Ganzen: Sachs, Die Bindung des Bundesverfassungsgerichts an seine Entscheidungen (1977), S. 91 ff., 104.

144 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

erkanntes Ehegattenpflichtteilsrecht erhebliches verfassungsrechtliches Gewicht zukommen kann, neben dem Freiheitsrecht des Erblassers auf selbstbestimmte letztwillige Vermögensweitergabe und dem starken Pflichtteilsrecht der Kinder. 2. Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten und Wortlaut und Systematik des Grundgesetzes Auch an dieser Stelle kann weitgehend auf die Ausführungen zum Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge verwiesen werden.303 Art. 6 Abs. 1 GG ist auch auf den Ehegatten bezogen aus seinem Wortlaut heraus wenig bis nicht ergiebig. Weder für die Abkömmlinge noch für den Ehegatten lässt sich ein Schutz des Pflichtteilsrechts aus dem Wortlaut entnehmen. Für die Gewährleistung des Erbrechts durch Art. 14 Abs. 1 GG bleibt zu konstatieren, dass ohne tiefgreifende rechtshistorische Kenntnisse und eine teleologische Auslegung dessen Wortlaut ebenfalls unmittelbar kaum für die konkrete Auslegung zugunsten eines verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts fruchtbar zu machen ist: Die Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder kann grundsätzlich so verstanden werden, dass die Testierfreiheit schon als Ausfluss des ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Eigentums gewährt wird.304 Mit dem Bundesverfassungsgericht könnte die Eigentumsgewährleistung sowohl als lebzeitige wie auch als postmortale Eigentumsgewährleistung verstanden werden: Die Eigentumsgarantie gewährleistet demnach auch die Testierfreiheit. Mit dem Schutz der Testierfreiheit wird die Eigentumsgarantie auch postmortal verstanden, die – um nicht sinnentleert zu sein – grundsätzlich neben einem Recht zum Vererben auch spiegelbildlich ein Recht auf Annahme des Erbes, mithin ein Erbrecht, beinhaltet. Wenn die Gewährleistung des Eigentums schon ein Erbrecht gewährt, so kann aus der gesonderten Erwähnung des Erbrechts mit dem Bundesverfassungsgericht in systematischer Auslegung geschlossen werden, dass eine grundsätzlich umfassende Erbrechtsgewährleistung intendiert ist. In dieser umfassenden Erbrechtsgewährleistung könnte der Schutz des Pflichtteilsrechts beinhaltet sein.305 Der Senat darf so verstanden werden, dass aus dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 GG mit der Erwähnung des Erbrechts eine erbrechtliche Institutsgarantie gewährt wird.306 Der Inhalt dieser Institutsgarantie kann spätestens 303  D.

V. 2.

304  BVerfG

ZEV 2005, 301, 303 Tz. 66 = BVerfGE 112, 332, 349 Tz. 66. insbesondere hinsichtlich der erbrechtlichen Reichweite schon durch die Eigentumsgewährleistung: D. V.; BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 66 = BVerfGE 112, 332, 349 f. Tz. 66. 305  Vgl.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten145

nicht mehr über den Wortlaut, sondern nur mit rechtshistorischen Kenntnissen ausgefüllt werden. Zudem ist auf die zweifelhafte Begründung der erbrechtlichen Institutsgarantie zu verweisen, die wesentlich auf Boehmers Kommentierung der Weimarer Reichsverfassung zurückgeht.307 Durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG werden mit der Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht Freiheitsrechte nebeneinander gestellt, was gegen den Schutz des für den Erblasser freiheitsbeschränkenden Pflichtteilsrechts spricht.308 Die Auslegung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Erbrechts nach Wortlaut und Systematik lässt keine eindeutigen Rückschlüsse auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts des Ehegatten über Art. 14 Abs. 1 GG zu. Offen ist der Schutz des Ehegattenpflichtteilsrechts ebenfalls nach der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG. Der Wortlaut der Norm, nach dem die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt wird, ist unmittelbar für den Schutz des Pflichtteilsrechts des Ehegatten wenig ergiebig. 3. Das Pflichtteilsrecht der Ehegatten und der Wille der Eltern des Grundgesetzes Den Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder entsprechend der erbrechtlichen Institutsgarantie sieht das Bundesverfassungsgericht durch den Willen des Parlamentarischen Rats bestätigt.309 Es ist nicht zu erkennen, warum das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Entscheidung über das Pflichtteilsrecht der Ehegatten von diesem grundsätzlichen Ausgangspunkt einer verfassungsrechtlich anerkannten Institutsgarantie des Erbrechts abrücken sollte. Zwar hat die Besprechung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts der Kinder gezeigt, dass gerade die historische Argumentation des Senats zweifelhaft ist und erst die Methodik des Bundesverfassungsgerichts einen Willen des „Grundgesetzgebers“310 zum Schutz einer umfassenden erbrechtlichen Institutsgarantie fingiert. 306  BVerfG

ZEV 2005, 301, 303 Tz. 66 = BVerfGE 112, 332, 349 f. Tz. 66. D. V. 2.–5. 308  Systematisch starkes Auslegungsergebnis von: Wieland in: Dreier, Band I (2004), Art. 14 Rn. 67. Mit gleicher Zielrichtung gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch: Stüber NJW 2005, 2122, 2123. 309  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 69 = BVerfGE 112, 332, 351 Tz. 69; Vgl. grundlegend hierzu: D. V. 3. 310  Zur Intention des Schutzes des Pflichtteilsrechts der Kinder durch den Parlamentarischen Rats, trotz der im Ergebnis unergiebigen Protokolle: BVerfG ZEV 307  Vgl.

146 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Gewiss mag der Schutz der Familie durch das Erbrecht von dem Parlamentarischen Rat intendiert gewesen sein,311 ob deshalb aber auch gleich das Pflichtteilsrecht des Ehegatten einbezogen sein sollte und wenn in welchem Umfang, bedarf einer genaueren Beleuchtung. Tendenziell gegen einen verfassungsrechtlichen Schutz des Ehegattenpflichtteilsrechts über eine durch den Grundgesetzgeber intendierte erbrechtliche Institutsgarantie spricht, dass die Beratungen des Parlamentarischen Rates keineswegs von einem dahingehenden Bewusstsein zeugen. Das schon für das Pflichtteilsrecht der Kinder Gezeigte,312 gilt entsprechend auch für ein Pflichtteilsrecht des Ehegatten. Auch ist an die bisher in der wissenschaftlichen Diskussion und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts untergegangene ausdrückliche Zurückweisung einer Aufnahme eines Pflichtteilsrechts für uneheliche Kinder in die Verfassung durch den Parlamentarischen Rat zu erinnern. Hierbei wurde im Rat angeführt, dass die Verfassung derartige Regelungen nicht leisten könne.313 4. Die vorkonstitutionelle Entwicklung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten Das Bundesverfassungsgericht leitete den verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder vornehmlich aus der aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Institutsgarantie des Erbrechts ab. Diese Institutsgarantie wird maßgeblich durch das historische Bürgerliche Erbrecht geprägt. Dieses wurde einerseits durch deutschrechtliche Einflüsse aus dem Germanischen Recht bis hin zu den Partikularrechten und andererseits durch Einflüsse der Rezeption des Römischen Rechts geprägt. Unter diesem Maßstab ist auch das Erb- bzw. Pflichtteilsrecht des Ehegatten zu messen. 2005, 301, 303 Tz. 69 = BVerfGE 112, 332, 351 Tz. 69. Zur Bestimmung des „Grundgesetzgebers“: Der Parlamentarische Rat hat das GG am 8. Mai 1949 beschlossen, nach Art. 144 Abs. 1 GG haben die Volksvertretungen das Grundgesetz kurz darauf lediglich angenommen (vgl. Präambel des GG (1949)). Da die Volksvertretungen das Grundgesetz lediglich angenommen haben, kann mit einem von dem Parlamentarischen Rat abweichenden Willen der Volksvertretungen nur schwer argumentiert werden. 311  BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 72 a. E. = BVerfGE 112, 332, 352 Tz. 72 a. E. m. V. a. Pikart/Werner, Der Parlamentarische Rat, Band 5/I, S. 147 f.: dort wörtlich: „Vors. [Dr. v. Mangoldt]: Das Erbrecht dient der Erhaltung und dem Schutz der Familie.“ 312  D. V. 3. 313  JöR, NF Band 1 (1951), S. 97: Abg. Süsterhenn (CDU) zu der Forderung des Abg. Bergsträßer nach einem Pflichtteilsrecht für uneheliche Kinder wörtlich: „Diese Fragen (Namensrecht, Erbrecht, materielle und andere Pflichten des unehelichen Vaters) ließen sich jedoch nicht in der Verfassung regeln.“



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten147

Es erweckt schon einen falschen Eindruck, wenn von einem historischen Erbrecht des Ehegatten gesprochen wird. Aus dem historischen Blickwinkel betrachtet, kann von einem auf beide Ehegatten zugeschnittenen Erbrecht nicht gesprochen werden. Allgemein sollte das historische Erbrecht des Ehegatten besser als „Witwenerbrecht“ beschrieben werden, da vornehmlich die erbrechtliche Beteiligung der Ehefrau geregelt wurde.314 Die im Folgenden besprochenen historischen Rechtsordnungen stellen die grundlegende und weichenstellende Wertentscheidung für ein tradiertes Erbrechtsverständnis dar. Bereits aus den Erörterungen des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge geht hervor, dass diese die „natürlichen“ Erben sind und diesen die dominierende erbrechtliche Stellung zufällt.315 Hierdurch ist schon vorgezeichnet, dass die erbrechtliche Stellung des Gatten schwächer ausfallen muss. Dieses Bild kann auch nicht durch eine andere Auswahl der historischen Rechtsordnungen verfremdet werden, die ein anderes erbrechtliches Bild des Gatten zeichnen würden. Der entscheidende Einfluss auf das historische Bürgerliche Erbrecht erfolgte nun einmal deutsch- und römischrechtlich. Selbst unterstellt, matriarchalisch geprägte Rechtskreise räumten konsequenterweise der Ehefrau eine dominierende erbrechtliche Stellung ein, so bleibt dies für die Bestimmung der Nähe des Erbrechts des Ehegatten zum Wesenskern des Erbrechts ohne Bedeutung: Matriarchalisch geprägte Rechtskreise hatten keinen Einfluss auf die Ausbildung des tradierten Erbrechtsverständnisses unter dem Grundgesetz. Dieses Bild kann auch nicht mit Hilfe eines christlich geprägten Menschenbildes verzerrt werden. Stöcker sieht die archaischen Wurzeln des Ehegattenerbrechts mit dem christlichen Menschenbild für nicht vereinbar. Die germanischen Wurzeln des Erbrechts werden dabei in die Nähe der indischen Sitte der Witwenverbrennung gerückt.316 Vor diesem Hintergrund skizziert Stöcker ein romantisches Bild der Ehe, das ein grundsätzliches Alleinerbrecht des Ehegatten nahelegen soll.317 Es darf jedoch der Blick von der archaischen, germanischen Verankerung des Erbrechtsverständnisses nicht abgewendet werden. Das Bürgerliche Recht beschäftigt sich im Kern mit Vermögensverschiebungen und nicht mit Fragen emotionaler Verbundenheit oder gar der Liebe.318 Das einfache Recht spiegelt damit auch 314  Auch im weiteren Sinne von einem „Witwenerbrecht“ ausgehend: Stöcker FamRZ 1970, 444, 446 m. w. N. in Fn. 19. 315  D. V. 316  Zum aufgeworfenen Spannungsfeld: Stöcker FamRZ 1970, 444, 447. 317  Stöcker FamRZ 1970, 444, 449 ff. 318  Haas sinngemäß: „Für das Bürgerliche Recht ist die Ehe ein Hort von Vermögensverschiebungen.“

148 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

nicht die vergleichsweise junge Entwicklung der Ehe hin zu einer vornehmlich romantischen und emotionalen Verbindung wider.319 Soll die Auslegung des Grundgesetzes nicht dem Vorwurf der Beliebigkeit ausgesetzt werden, verbieten sich abrupte Systemwechsel. Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig hilfreich, mit der weit hergeholten indischen Sitte der Witwenverbrennung indirekt die archaischen Wurzeln des deutschen Erbrechts in Frage stellen zu wollen.320 Gleichwohl findet sich der Ansatz des Abstellens auf das christliche Menschenbild auch in der Verankerung des Pflichtteilsrechts in Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG wieder. Während Art. 14 Abs. 1 GG mit dem tradierten Erbrecht die archaischen Elemente des Erbrechts repräsentiert, fließt über den staatlichen Schutzauftrag von Ehe und Familie des Art. 6 Abs. 1 GG das christliche Menschenbild in das Erbrechtsverständnis ein. Auf den Prüfungsmaßstab der durch das historische Erbrecht geprägten erbrechtlichen Institutsgarantie bleibt dies indes ohne Einfluss: a) Das Ehegattenerbrecht seit dem Germanischen Recht bis zu den Partikularrechten Bei der Einordnung des „Erbrechts“ der Frau kann auf den schon für die Kinder erarbeiteten Grundlagen des Erbrechts seit dem Germanischen Recht bis zum Ende des Spätmittelalters aufgebaut werden.321 Das Germanische „Erbrecht“ ist von einem natürlichen und unreflektierten Zugriff der Sippe – und damit auch der Witwe – auf den Nachlass geprägt, soweit der Nachlass des Verstorbenen nicht schon als dessen Grabbeilage dem realen Zugriff der Sippe entzogen ist.322 Die Vorstellung einer Testierfähigkeit323 war schon mangels eines Bewusstseins von der persönlichen Rechtsfähigkeit324 nicht ausgeprägt. Und so existierte auch keine dem gegenwärtigen Erb- und Pflichtteilsrecht angenäherte Berechtigung der Witwe.325 Indiziell spricht Entwicklung der „Ehe“ zur „Liebesehe“: Wolter, Liebesehe, S. 3. FamRZ 1970, 444, 446 ff. 321  Zu dem historischen Recht schon: D. V. 6. b): dort mit Einzelnachweisen. Einen chronologischen Überblick mit den wesentlichen prägenden Zügen der jeweiligen Epochen findet sich bei Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 9 ff.; eine umfassende und überschaubare Darstellung der Rechtsordnungen mit europäischem Anspruch bei Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 102 ff. 322  Grds. auch: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 9 f. 323  Im Ergebnis ebenso m.  w.  N. Haas in: Staudinger, (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl. zu §§ 2303 Rn. 7. 324  Ein Bewusstsein einer persönlichen Rechtsfähigkeit entwickelte sich erst unter dem Fränkischen Recht durch die kriegsbedingte Abwesenheit und den Erwerb werthaltiger Kriegsbeute: Ebke, Pflichtteilsrecht, S.  9 f. m. w. N. 325  So auch Stöcker FamRZ 1970, 444, 446 m. w. N. in Fn. 20. 319  Zur

320  Stöcker



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten149

weiter gegen eine starke Teilhabe der Witwe, dass teilweise davon ausgegangen wird, dass der Sippenälteste bzw. Sippenführer Inhaber des Sippenguts, dem Vermögen der Sippe, war.326 Selbst der spätere Sachsenspiegel kannte kein originäres Ehegattenerbrecht.327 Eine rechtliche Besserstellung konnte die Ehefrau eigenartiger Weise erst über Besonderheiten des Ehegüterrechts erfahren.328 Trotz lokaler Besonderheiten ist die Intention für den Ehegatten in den Rechtsordnungen des Hoch- bzw. Spätmittelalters deutlich:329 Lediglich eine Alterssicherung der Frau sollte erreicht werden.330 Ein dem Nießbrauch ähnliches Recht an der Wohnung und ein Unterhaltsanspruch gegenüber den Kindern stellte dieses Anliegen sicher.331 Nur ein (überlebensnotwendiger) Teil der persönlichen Gebrauchsgegenstände fielen der Frau zu.332 Die Partikularrechte standen dann schon unter dem Einfluss der Rezeption des Römischen Rechts.333 Boehmer arbeitete als historische Essenz für das Ehegattenerbrecht heraus, dass die Stellung der Ehefrau neben Kindern keineswegs elementar, sondern schwach ausgeprägt war. Das verbreitete Nießbrauchsrecht des Gatten und die den Kindern gebührende eigentliche Substanz des Familienvermögens zeugen von dieser schwachen erbrecht­ lichen Stellung.334 b) Das Erbrecht der Ehefrau im Römischen Recht Durch die Rezeption des Römischen Rechts hat dieses ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf das Erbrecht. Das Römische Erbrecht kannte nicht nur die seit der Rezeption des Römischen Rechts verklärte Testierfreiheit. Bei der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder stellte das BundesStreitstand: Kroeschell ZRG (GA) Band 77 (1960) 1, 2 m. w. N. Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 104 Ziff. 3. 328  Näher: Förster, Preußisches Privatrecht, Band IV, § 262 I. 329  Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 104 Ziff. 3 m. V. a. den Sachsenspiegel und – über Siegel, Erbrecht, S. 144 Fn. 595 – auf die Rechte von Magdeburg (Jahr 1261) und Görlitz (Jahr 1304). 330  Vgl. im Ergebnis: Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 104. 331  Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 104 m.  V. u. a. a.: Siegel, Erbrecht, S. 144 Fn. 595 (dort mit wörtlicher Wiedergabe der historischen Rechtsquellen, Rechtslage nach Magdeburg (Jahr 1261) und Görlitz (Jahr 1304); Görlitz (Jahr 1304) § 20: „sie [die Witwe] besizet an dem gute. [als sinngemäße Umschreibung eines Nießbrauchs] vnde die kinder sullen ihr gebe ihre notdurft. [als sinngemäße Umschreibung eines Unterhaltsanspruchs]). 332  Vgl. zu diesem Themenkomplex: Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S.  104 m. w. N. 333  Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 105 m. w. N. 334  Vgl. zum Ganzen: Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 105. 326  Zum 327  Vgl.

150 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

verfassungsgericht ausdrücklich auch auf den schon im Römischen Recht angelegten Rechtsgedanken des Pflichtteilsrechts ab.335 Tatsächlich brachte das Römische Recht ein in seiner Wirkung dem Pflichtteilsrecht durchaus nahe kommendes Rechtsinstitut hervor. Pflichtwidrig bzw. „grundlos“ übergangene nächste Angehörige konnten im Wege einer Anfechtungsklage gegen das Testament vorgehen.336 Die erbrechtliche Stellung der Frau blieb allerdings stets schwach ausgebildet.337 Unter dem Zwölftafelgesetz338 konnte die Frau durch das Eingehen einer gewaltunterworfenen Ehe, also dem völligen Übertritt in die Familie des Mannes, die erbrechtliche Stellung einer Tochter erlangen.339 Das Prätorische Recht340 berief den Ehegatten erst nach allen Verwandten zum Erbe,341 während in der byzantinischen Zeit342 die bedürftige Witwe ein auf 100 Pfund Gold begrenztes Viertel des Nachlasses erhalten konnte.343 Eine freie und eigenständige Stellung der Frau an dem Nachlass, zum Nachteil der Abkömmlinge, kann im Römischen Recht nicht gefunden werden. Insbesondere die absolute Deckelung der Höhe des Erbrechts unter dem byzantinischen Recht verdeutlicht, dass eine Vermögensnachfolge des Erblassers durch dessen Ehefrau neben Abkömmlingen nicht intendiert ist.

335  BVerfG

ZEV 2005, 301, 303 Tz. 67 = BVerfGE 112, 332, 350 Tz. 67. in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl. zu §§ 2303 Rn. 6 m. w. N.; zum Ganzen auch: D. V. 6. b). 337  Eine umfassendere Übersicht zur Entwicklung des römischen Ehegattenerbrechts: Griem, Ehegattenerbrecht, S. 3 ff. 338  Etwa um 450 vor Christus entstandene Gesetzessammlung, die auf 12 Tafeln das Recht kodifiziert; vgl.: Creifelds, Rechtswörterbuch (2011), „Zwölftafelgesetz“. 339  Vgl. Griem, Ehegattenerbrecht, S. 3 (Dort auch mit einer näheren Beschreibung zu den Voraussetzungen.) m. V. a. Jörs, Römisches Recht (Dritte Aufl.), S. 308: Zum Erbrecht der in die Familie des Ehemanns übergetretenen Ehefrau, der „uxor in manu“. 340  Das Prätorische Recht bildete sich bis zum Ersten Jahrhundert vor Christus voll aus: Fögen, Römische Rechtsgeschichten, S. 199. 341  Nahezu wörtlich auch: Werner in: Staudinger (Erbfolge) (November 2007) § 1931 Rn. 3. 342  Das Byzantinische Recht bildete sich maßgeblich bis etwa ins Sechste Jahrhundert nach Christus aus: „Byzantinische Kultur, dort bei: Recht“ in: Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 4 (1997). 343  Novelle 117 Kaiser Justinian (6. Jahrhundert nach Christus): Stöcker FamRZ 1970, 445, 447 f. m. w. N.). Zu den einzelnen Voraussetzungen und den jeweils näheren Ausgestaltungen: Griem, Ehegattenerbrecht, S. 4; sowie Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 103. 336  Haas



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten151

c) Das historische Bürgerliche Gesetzbuch als Fundament der erbrechtlichen Institutsgarantie Die grundgesetzliche Institutsgarantie des Erbrechts wird elementar durch das von den Kommissionen ausgeformte historische bürgerliche Erbrecht geprägt.344 Bei der Darstellung des Erb- und Pflichtteilsrechts der Kinder wurde schon mit der Arbeitsweise der Kommissionen und mit den die Kommissionen maßgeblich beeinflussenden dogmatischen Grundlagen vertraut gemacht.345 Die im Zusammenhang mit den Kindern kennengelernten Wertentscheidungen der Kommissionen sind eng mit denen für die Ehegatten verflochten. Nur soweit der Ehegatte nicht mit Kindern des Erblassers als pflichtteilsberechtigten Mitgliedern der „Kleinfamilie“ konkurrieren musste, fiel den Verfassern des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine starke erbrechtliche Stellung des Ehegatten durch die gewährten „großzügigeren“ gesetzlichen Erbquoten sichtbar leicht. Die eigentliche Tiefe der erbrechtlichen Verankerung des Ehegatten lässt sich erst herausschälen, wenn das aus dem Zusammentreffen von Kindern des Erblassers als gesetzliche Erben und Ehegatten entstehende Konkurrenzverhältnis beleuchtet wird. Die Verhandlungen der Kommissionen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Erbrecht und damit die vorherrschenden Argumentationsstrukturen zur erbrechtlichen Gewichtung von Ehegatten und Kindern wurden bereits wissenschaftlich nachvollzogen.346 Trotz dieses umfassenden Einblicks bleibt zu beklagen, dass auch bei den Verhandlungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch hinter juristisch verbrämten Argumenten andere Intentionen und Wertungen stehen. Ähnliches musste schon für die Beiträge des Abgeordneten Zinn in den Beratungen des Parlamentarischen Rates um die Aufnahme des Erbrechts beobachtet werden. Auch seinerzeit wurde erkannt, dass um das Erbrecht dogmatische Scheingefechte geführt werden: Wenn etwa mit dem „Rechtsbewusstsein unseres Volkes“347 auf dem den Kommissionen des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorausgehenden 14. Deutschen Juristentag348 argumentiert wurde, wurde der Wortmeldung entgegengehalten, dass diese eher auf einem nicht 344  BVerfG

ZEV 2005, 301, 303 = BVerfGE 112, 332, 350 f. V. 6. b). 346  Mertens, Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht (1970). 347  Petersen, Stenographische Berichte, Zweite Sitzung der Ersten und Zweiten Abteilung am 30. August 1878, S. 67, in: Schriftführeramt (Hrsg.), Verhandlungen des vierzehnten deutschen Juristentages (1878). 348  Der 14. DJT als Vorarbeit für die Kommission: Ebke, Pflichtteilsrecht, S. 23 f. 345  D.

152 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

juristisch belastbar zu machenden eigenen Wertempfinden beruhte.349 Diese Argumentationsmuster scheinen sich dem Zeitgeist entsprechend spiegelbildlich bis in die Gegenwart fortzusetzen, gleich ob das Pflichtteilsrecht historisch „tief im Volksempfinden“350 verankert sein sollte oder ob dieses gegenwärtig in einer Akzeptanzkrise351 stecken soll; juristisch und insbesondere verfassungsrechtlich lassen sich solche Aussagen kaum fruchtbar machen. Dies gilt schon ungeachtet der möglichen gesellschaft­lichen Richtigkeit. Bei den Beratungen der Kommissionen zum Erb- und Pflichtteilsrecht kristallisierten sich zwei empathisch und juristisch nahezu völlig getrennte und konträr liegende Lager heraus: einerseits das Lager um den Redaktor für das Familienrecht Planck und andererseits das um den Redaktor für das Erbrecht von Schmitt. An den von beiden Redaktoren repräsentierten und ausgefochtenen Grundhaltungen zur erbrechtlichen Einordnung des Ehegatten lässt sich eine bis heute fortwährende Zerrissenheit festmachen. Der historisch als Argumentationsbasis schlicht fehlende Art. 6 Abs. 1 GG ließe sich heute für Plancks empathisches und pathetisches Begreifen der Ehe als „innige und vollständige Lebensgemeinschaft zweier Menschen“ und seine daraus erwachsenden Gesetzesvorschläge anführen. Während das weitgehend frei jeder Empathie, stark konservative und historische Erbrechtsverständnis von Schmitts zumindest einen, wenn auch seinerzeit als schwach eingeschätzten, rechtstatsächlichen Anknüpfungspunkt findet.352 Von Schmitt gelang es, die Beratungen zum Bürgerlichen Erbrecht elementar zu prägen und damit Plancks Vorstöße aus dem Familienrecht, nach einer substantiellen erbrechtlichen Besserstellung der Ehefrau, ins Leere laufen zu lassen. Von Schmitt verstand den Arbeitsauftrag der Kommissionen in der Kodifizierung der bisherigen Partikularrechte.353 Damit konnte ein Systembruch durch das Bürgerliche Gesetzbuch nicht erwartet werden, 349  Makower auf Petersen: „mit dem Volksbewusstsein [könne man nicht „operieren“] …; denn Jeder erklärt für Volksbewusstsein, was seine Ansicht ist“: Makower, Stenographische Berichte, Zweite Sitzung der Ersten und Zweiten Abteilung am 30. August 1878, S. 78, in: Schriftführeramt (Hrsg.), Verhandlungen des vierzehnten deutschen Juristentages (1878); ebenfalls darauf hinweisend: Ebke, Pflichtteilsrecht, S.  21 f. 350  Seibert, Stenographische Berichte, Zweite Sitzung der Ersten und Zweiten Abteilung am 30. August 1878, S. 81, in: Schriftführeramt (Hrsg.), Verhandlungen des vierzehnten deutschen Juristentages (1878). 351  Dauner-Lieb Forum Familien- und Erbrecht 2001, 78, 79. 352  Zu den Gesetzesinitiativen und Kontroversen der „Lager“ um von Schmitt und Planck: Mertens, Entstehung BGB, insbes. S. 64 ff. 353  Ausdrücklich: Schubert (Hrsg.) Nachdruck, S. 177: von Schmitt (Hrsg.), Begründung des Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten153

der mit einer zentralen erbrechtlichen Stellung der Ehefrau vollzogen worden wäre. Dies korrespondiert auch mit von Schmitts konservativer Werteordnung,354 die sich an einem Pflichtteilsrecht als letzten „Rest des deutschen Familienrechtsgedankens“ ausrichtete.355 Jede eigenständige erbrechtliche Vermögensstellung des Ehegatten setzt das Traditionsvermögen der Familie einem Abflussrisiko in eine andere Familie aus.356 Dass die Ehefrau überhaupt eine eigenständige Vollerbstellung erhalten sollte und nicht etwa nur ein schwaches Nießbrauchsrecht oder gar einen Unterhaltsanspruch, ist mit der verbreiteten Erbenstellung in den wichtigen Partikularrechten, wie dem ALR und dem SächsBGB, zu erklären.357 Die durch das Bürgerliche Recht intendierte Rechtsvereinheitlichung konnte um ein Erbrecht des Ehegatten nicht herumkommen. Dogmatisch wurde das Ehegattenerbrecht wegen der „Würde und … Bedeutung“, sowie wegen des „Wesens“ der Ehe als gerechtfertigt betrachtet.358 Der Terminus „gerechtfertigt“359 versinnbildlicht die schwelenden emotionalen Widerstände gegen diesen voll erbberechtigten Status der Ehefrau in den Kommissionen. Wahrscheinlich blieb es bei der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten auch, weil das Vermögensabflussrisiko durch Wiederheirat der Ehefrau nach dem Erbfall seinerzeit als praktisch gering eingeschätzt360 wurde. Trotz der erbrechtlich formalen Gleichbehandlung von Mann und Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch bleibt Raum, hinter dieser formalen Gleichheit geschlechtsspezifische Funktionen zu sehen. Boehmer führt dies deutlich aus, wenn dieser die Funktion des Erbrechts für die Ehefrau darin erkannte, Entwurfes eines Einführungsgesetzes, Berlin, 1879, S. 1; ebenso m. V. a. ebd. (hier im Nachdruck) Mertens, Entstehung BGB, S. 11. 354  Zu von Schmitts Argumentation und Werten: Mertens, Entstehung BGB, S.  66 f. 355  Schubert (Hrsg.), Nachdruck, S. 172: von Schmitt (Hrsg.), Begründung des Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, Berlin, 1879, S. 56. 356  Mertens, Entstehung BGB, S. 74: Auf Basis der historisch besser typisierbaren Ehe konnte das Vermögensabflussrisiko durch das Ehegattenerbrecht in eine andere Familie als gering eingeschätzt werden. 357  Zu der Erbenstellung des Ehegatten in den Partikularrechten: Mertens, Entstehung BGB, S. 64 f.; vgl. auch Werner, der die Erbenstellung des Ehegatten in den bedeutenden Partikularrechten des ALR und des SächsBGB benennt, in: Staudinger (Erbfolge) (November 2007) § 1931 Rn. 5. 358  Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1931 Rn. 5 m. V. a. Motive, Band V, S. 369. 359  Terminus bei Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1931 Rn. 5. 360  Mertens, Entstehung BGB, S. 74: Das Risiko des Vermögensabflusses wurde als real gering eingeschätzt.

154 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

von der „Hinterlassenschaft“ des Mannes leben zu können. Dagegen sollte der Ehemann sich aus seinem Erbteil den Haushalt führen lassen können.361 Für das erbrechtliche Viertel des Ehegatten neben Kindern nach § 1931 Abs. 1 BGB362 sprach gleich eine Reihe von Argumenten. Eine feste Erbquote in Höhe eines Viertels für Witwe und Witwer entsprach der intendierten klaren und rechtssicheren Regelung.363 Auch reflektiert die Erbenstellung grundsätzlich die bedeutenden Partikularrechte364 und erinnert zudem an die Quart des Byzantinischen Rechts, die allerdings der Höhe nach auf 100 Pfund Gold bzw. auf einen Kindesteil begrenzt war.365 Derartige Beschränkungen wurden auch bei den Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch diskutiert. Ursprünglich sollte der Gatte nur einen Kindesteil, begrenzt auf ein Viertel erhalten. Mit einer derartigen Regelung wurde der nicht gewünschte Verzicht auf die Zeugung von Kindern für möglich gehalten, weshalb von der Aufnahme einer solchen Regelung Abstand genommen wurde.366 Bei den Beratungen konnte ein typisiertes Bild einer Ehe mit drei bis vier Kindern zugrunde gelegt werden. Damit war auch dem historischen bürgerlichen Recht der Gedanke einer für die große Mehrheit der Ehen praktischen Begrenzung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten auf ein Kindeserbteil immanent.367 Die Behandlung der Frau entsprechend einer Tochter kannte auch schon das Zwölftafelgesetz.368 Auf eine bis in die Gegenwart vermisste Differenzierung der Erbquote nach Ehedauer, Alter und Anzahl der Abkömmlinge oder Herkunft des Erblasser361  Zur Funktion für Witwer bzw. Witwe: Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S.  93 f. 362  § 1931 BGB in der Fassung vom 1. Januar 1900: (Abs. 1) [Satz 1] Der überlebende Ehegatte des Erblassers ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertheile, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. [Satz 2] Treffen mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammen, so erhält der Ehegatte auch von der anderen Hälfte den Antheil, der nach § 1926 den Abkömmlingen zufallen würde. (Abs. 2) Sind weder Verwandte der ersten oder der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft. 363  Mertens, Entstehung BGB, S. 64 ff. grds. auch zu Nachfolgendem. 364  Zu den im Detail abweichenden Partikularrechten: Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1931 Rn. 4: So sah das ALR (II 1 §§ 623–627) grundsätzlich ein Viertel für den Ehegatten neben Kindern vor. Allerdings nicht mehr als ein Kindesteil. 365  Zu den Voraussetzungen der Quart im Byzantinischen Recht und einer Deckelung auf 100 Pfund Gold: Griem, Ehegattenerbrecht, S. 4; sowie Boehmer, Vorschläge zur Erbfolge (1938), S. 103: Ebenso zum römisch-byzantinischen Recht. 366  Mertens, Entstehung BGB, S. 72 m. w. N. 367  Mertens, Entstehung BGB, S. 72 m. w. N. 368  Vgl. Griem, Ehegattenerbrecht, S. 3. Dort auch mit einer näheren Beschreibung zu den Voraussetzungen.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten155

vermögens verzichteten die Kommissionen zugunsten des Leitgedankens einer einfachen und klaren Rechtslage.369 Den Verfassern des BGB mussten solche Differenzierungen als zu unzweckmäßig und konfliktträchtig sowie der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit abträglich erschienen sein.370 Mit dem erbrechtlichen Viertel des Ehegatten endete dann auch schon „Wesen … Würde und … Bedeutung …“ der Ehe.371 Eigentlich hätte erwartet werden können, dass aus der Ehe eine gewisse Solidarität und Fürsorgepflicht erwächst, die es gebietet, dem Ehegatten auch neben Kindern den Voraus als gewisse Mindesthaushaltsabsicherung nach § 1932 BGB a. F.372 uneingeschränkt zukommen zu lassen. Tatsächlich gewährte § 1932 BGB a. F. dem Ehegatten neben Abkömmlingen als Erben erster Ordnung den Voraus nicht. Zu Lasten des „Blutes“ nahm der historische Gesetzgeber für kleine Nachlässe keine Versorgung bzw. Grundsicherung des Ehegatten in Kauf.373 Besonders Planck warb mit der emotionalen Verbindung der Eheleute für eine Besserstellung des Ehegatten,374 wie auch später wieder Stöcker, der für ein Alleinerbrecht des Ehegatten bei der Reform des Erbrechts unter dem Grundgesetz argumentierte.375 Allerdings sorgte sich selbst Planck nur um die Lebensabsicherung des Gatten und wollte die Erbquote grundsätzlich möglichst gering halten.376 Plancks Ansinnen einer Besserstellung des 369  Leipold

in: MünchKomm, Erbrecht, Band 6 (1982), § 1931 Rn. 4 f. Konfliktpotential einer Nießbrauchsstellung statt einer erbrechtlichen Stellung des Ehegatten: Mertens, Entstehung BGB, S. 70 m. V. a.: (hier im Nachdruck) Schubert (Hrsg.), Nachdruck, S. 730: von Schmitt (Hrsg.), Begründung des Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, Berlin, 1879, S. 614. Zu dem Ansatz einer streng formalistischen statt individuellen Erbquotenregelung des historischen Gesetzgebers: Coing in: Ständige Deputation (Hrsg.), Gutachten für den 49. Deutscher Juristentag (1972), Band I Teil A, A 35 f. 371  Grundsätzlicher Maßstab für das Ehegattenerbrecht: Motive, Band V, S. 369. 372  § 1932 BGB in der Fassung vom 1. Januar 1900: [1] Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm außer dem Erbtheile die zum ehelichen Haushalte gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Hochzeitsgeschenke als Voraus. [2] Auf den Voraus finden die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften Anwendung. 373  Die Belastung aus erbrechtlichem Viertel und Voraus wurde als zu große Belastung der Abkömmlinge eingeschätzt: Motive, Band V, S. 373. 374  Mertens, Entstehung BGB, S. 66: Planck begriff die Ehe emotional als „innige und vollständige Lebensgemeinschaft zweier Menschen“. 375  Die Einzigartigkeit der ehelichen Verbindung als Argument für eine erbrechtliche Besserstellung des Ehegatten: Stöcker FamRZ 1970, 444 ff. 376  Zu Plancks Initiative einer Kombination aus Erbrecht und Nießbrauch: Mertens, Entstehung BGB, S. 69 m. V. a. wiederholt zu diesem Thema geführte Debatte in der Zweiten Kommission: Mertens, Entstehung BGB, S. 76 f. 370  Zum

156 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Ehegatten bei den Beratungen des historischen Bürgerlichen Erbrechts war letztlich mit dem Hinweis auf die schon erreichte Besserstellung praktisch chancenlos.377 Die Gewähr eines Nießbrauchs neben dem Erbteil des Ehegatten passte mit dessen kapitalbindender Wirkung ohnehin wenig in die Phase des wirtschaftlichen Aufbruchs gegen Ende des 19. Jahrhunderts.378 Auch eine sich auf den Zeitgeist stützende Initiative für ein Ehegattenerbrecht von der Hälfte des Nachlasses neben Erben der ersten Parentel war praktisch ohne Chance auf Umsetzung.379 Vielmehr sollte das erbrechtliche Viertel des Ehegatten wohl nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers noch die im Güterrecht erkannten Unbilligkeiten für die Ehefrau mit abgelten. Im gesetzlichen Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft war die Frau in Vermögensfragen einerseits praktisch entmündigt und andererseits partizipierte sie nicht wie in dem gegenwärtigen Güterstand der Zugewinngemeinschaft an dem ehebedingten Vermögensaufbau. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass diese Benachteiligung zu einem über das Erb- oder Pflichtteilsrecht auszugleichenden Rechtsanspruch führen sollte.380 Diese im Verhältnis zu den Kindern schwache erbrechtliche Stellung des Ehegatten setzt sich bei der Bestimmung der Pflichtteilsquoten und damit bei dem Pflichtteilsanspruch des historischen Bürgerlichen Erbrechts fort. Auch hier wurde mit der Quote von der Hälfte der gesetzlichen Erbquote für alle Pflichtteilsberechtigten zumindest auf eine in der Mehrzahl der überkomme377  Mertens,

Entstehung BGB, S. 77. nur: Mertens, Entstehung BGB, S. 66 f. (insbesondere zu dem familiären Konfliktpotential des Nießbrauchs und der ablehnenden Haltung von Schmitts aus seiner Vorstellung eines unemotionalen Wesens der Ehe); Mertens, Entstehung BGB, S. 79 (zur zeitlich nachfolgenden und noch weitergehenden Forderung einer Stärkung der erbrechtlichen Beteiligung des Ehegatten durch Gierkes). 379  Coing in: Ständige Deputation (Hrsg.), Gutachten für den 49. Deutschen Juristentag (1972), Band I Teil A, A 41. m. V. a.: Protokolle bei Mugdan, Band V, S. 395 (insbes. Ablehnung eines dahingehenden Vorstoßes aus gesetzgeberischer Vorsicht wegen des Risikos eines Vermögensabflusses an Stiefkinder nach dem überlebenden Ehegatten). 380  Mertens, Entstehung BGB, S. 75 m. V. a. Schröder, Das Familiengüterrecht in dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1889), S. 28 (Sehr glücklicher Ausgleich von Härten und Schwierigkeiten aus der Verwaltungsgemeinschaft, jedoch ohne nähere Ausführungen worin diese Härten bestehen (vgl. zum historischen gesetzlichen Güterstand daher: E. II. 1.); Mitteis, Bemerkungen zum ehelichen Güterrecht nach dem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, S. 616 in: Grünhuts Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, Band 16 (1889), S. 545–616 (Mitteis hingegen sieht in dem konkreten Ehegattenerbrecht keine originär güterrechtlichen, sondern lediglich „moralische[…] Ansprüche“ als „natürliche Ergänzung“ des lebzeitigen Güterrechts.). Vergleichbares Argumentationsmuster für das Ehegattenerbrecht auch außerhalb des Zusammentreffens mit Abkömmlingen des Erblassers: Mertens, Entstehung BGB, S.  68 m. w. N. 378  Vgl.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten157

nen Rechtsordnungen verbreitete Quote zurückgegriffen.381 Durch die starren und gleichen Quoten für alle Pflichtteilsberechtigten, die sich nach dem gesetzlichen Erbrecht bestimmen, setzt sich die schwache erbrechtliche Stellung des Ehegatten im Pflichtteilsrecht fort. Bähr rückte die Quotenfestsetzung seinerzeit schon mangels belastbarer Argumente für die konkrete Höhe in die Nähe einer willkürlichen Entscheidung.382 Aus den auch mit Blick auf die Folgewirkungen für die Abkömmlinge des Erblassers geführten Beratungen zum bürgerlichen Erbrecht, kann die tatsächlich schwache Vermögensbeteiligung des Ehegatten durch diese salomonische Mitte von der Hälfte der gesetzlichen Erbquote nicht als Zufall eingeschätzt werden. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Erblassers, den Voraus dem Erben zu entziehen, wurde dem Voraus durch den historischen Gesetzgeber schon ein pflichtteilsrechtlicher Charakter abgesprochen.383 Durch diese Möglichkeit des Vorenthaltens des Voraus wurde dem Pflichtteilsrecht des Ehegatten eine Mindestlebensstandardsicherung als primäres Ziel zugleich abgesprochen. Der ohnehin restriktiv ausgestaltete Voraus des § 1932 BGB a. F. lässt die tatsächliche Bedeutung der Leerformel von „der Würde und der Bedeutung der Ehe“384 erkennen. Das eheliche Versprechen einer lebenslangen wechselseitigen Fürsorge scheint nur eingeschränkt Geltung zu haben. Tatsächlich willensbestimmend für den historischen Gesetzgeber war die Vorstellung, den Nachlass des Erblassers für die Kinder sichern zu wollen. Über die Aufrechterhaltung des Lebensstils sollte das Erb- und Pflichtteilsrecht des Gatten neben Kindern regelmäßig nicht reichen. Selbst der Lebensstil sollte nicht zulasten der Abkömmlinge gesichert werden, hiervon zeugt der dem Ehegatten neben Abkömmlingen weder als gesetzlicher Erbe noch als Pflichtteilsberechtigter gewährte Voraus.385 Die relativ schwache Vermögensnachfolge des Erblassers durch den Gatten liegt auch an dem rein tatsächlichen Zusammenspiels von gesetzlichen Regelungen und dem Vermögensaufbau und dessen Verteilung in der Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts. Der goldunterlegten Goldmark war die gegenwärtige zumindest theoretisch entgrenzte Papier- bzw. Buchgeldmenge 381  Mertens,

Entstehung BGB, S. 105 m. w. N. in Fn. 12. Entstehung BGB, S. 105 m. V. a. u. a. die Einschätzung Bährs, Zum Erbrecht des bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 141, 209 in: Kohler (Hrsg.) Archiv für bürgerliches Recht, III. Berlin (1890), (Sieht keine „durchschlagenden Gründe“ für die verschiedenen, diskutierten Quoten. Bähr sieht das Pflichtteilsrecht bedarfsabhängig, wenn er an der Angemessenheit der hohen Quote für große Nachlässe zweifelt). 383  Zum Rechtscharakter des Voraus: Motive, Band V, S. 374. 384  Als Maßstab für die Bestimmung des Erbrechts des Ehegatten: Motive, Band  V, S. 369. 385  Hiervon zeugen die Beratungen: Mertens, Entstehung BGB, S. 68 f. 382  Mertens,

158 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

grundsätzlich fremd. Große und besonders werthaltige Industrieunternehmen entstanden erst in der Epoche der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Beratungen zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch erfolgten. Das Gros der Bevölkerung hatte weder mittelbare Beteiligung durch Aktien oder Aktienfonds noch unmittelbare Beteiligungen an den entstehenden Industrieunternehmen. Es gab keine solch breite industrielle Wirtschaftslandschaft während der Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Ähnliches gilt auch für das Immobilienvermögen. Erst mit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 1951 wurde Immobilieneigentum weiten Teilen der Bevölkerung dadurch zugänglich, dass relativ günstig eine einzelne Wohnung erworben werden konnte und nicht stets das ungleich teurere Grundstück mit dem gesamten Wohngebäude gekauft werden musste.386 Vor diesem Hintergrund stellten vor allem Landgüter zu Beginn der Beratungen die bedeutenden Vermögensmassen dar. In den breiten Gesellschaftsschichten, die aus den beschriebenen Gründen keine größeren Vermögen besaßen, sorgte das erbrechtliche Viertel des Ehegatten regelmäßig nicht für eine über das eigene Leben des überlebenden Ehegatten hinaustragende Vermögensstellung. Erst recht nicht der von dem erbrechtlichen Viertel abgeleitet Pflichtteilsanspruch. Selbst wenn in den Nachlass ein besonders werthaltiges Landgut fallen sollte, so bewahrte das Ertragswertmodell des § 2312 BGB für die pflichtteilsrechtliche Wertbemessung zumindest als Rechtsreflex die Kinder vor, sich ohne die Ertragswertberechnung nach § 2312 BGB ergebenden, hohen Pflichtteilsansprüchen des zurückbleibenden Ehegatten. § 2312 BGB schützt den ein Landgut übernehmenden Erben, sofern er selbst zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählt (§ 2312 Abs. 3 BGB), vor übermäßig hohen Zahlungsverpflichtungen an Pflichtteilsberechtigte.387 Die Norm soll den Verkauf bzw. die Überschuldung des Landguts wegen hoher Pflichtteilsansprüche verhindern und so die ungeschmälerte Fortführung des Landguts in der Familie sicherstellen. Der Gesetzgeber trägt mit der Norm dem regelmäßig hohen Veräußerungswert eines Landguts bei dessen Zerschlagung und dem gleichzeitig verhältnismäßig niedrigen Ertragswert eines Landguts bei dessen Fortführung Rechnung. Aus den Erträgen des Landguts könnte der Erbe die sich nach dem Veräußerungswert des Landguts berechnenden Pflichtteilsansprüche nicht bedienen.388 386  Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) vom 15. März 1951, BGBl. I S. 175 ff. 387  Vgl. hierzu und insbesondere zu den nachfolgenden Ausführungen Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) § 2312 Rn. 1 ff. 388  Vgl. zu den vorstehenden Ausführungen zu den Voraussetzungen und der Wirkungsweise des § 2312 BGB: Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) § 2312 Rn. 1 ff.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten159

Insgesamt ist für die erb- und pflichtteilsrechtliche Stellung des Ehegatten festzuhalten, dass das historische Bürgerliche Gesetzbuch keine bedarfsunabhängige Teilhabe am Nachlass oder gar eine eigenständige und dauerhafte Vermögensnachfolge des Ehegatten intendierte. Der Ehegatte sollte möglichst versorgt sein. Nicht jedoch zum Nachteil der Kinder des Erblassers. Selbst die schlichte Aufrechterhaltung des Lebensstandards aus dem Nachlass stand schlicht unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Werthaltigkeit des Nachlasses. Ein zumindest den Hausstand absichernden Voraus neben Abkömmlingen des Erblassers wurde nicht gewährt. Mit dem Ertragswertmodell des § 2312 BGB zur Bestimmung von pflichtteilsrechtlichen Ansprüchen konnte eine wirtschaftliche Teilhabe an Landgütern als die seinerzeit bedeutenden Vermögenswerte effektiv abgewendet werden. Gleichwohl handelt es sich insgesamt lediglich um eine bedarfsunabhängige erb- bzw. pflichtteilsrechtliche Regelung, die typischerweise zu den beschriebenen lediglich auf eine Versorgung gerichteten Folgen in dem Gros der Ehen führte. Das Ziel eines möglichst klaren, einfachen und zweckmäßigen Erb- und Pflichtteilsrechts hielt den historischen Gesetzgeber womöglich auch vor dem Aufstellen weiterer Hürden zur Begrenzung des Erb- und Pflichtteilsrechts der Höhe nach ab. 5. Entwicklung des Ehegattenerbrechts unter dem Grundgesetz Das Erb- und Pflichtteilsrecht des Ehegatten hat unter der Geltung des Grundgesetzes substantielle Verbesserungen erfahren und setzte damit den rechtlichen Trend zur erbrechtlichen Verbesserung der Stellung des Gatten fort. Dies kann vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Werteordnung nicht überraschen. Der staatliche Schutzauftrag für die Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG und auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau durch Art. 3 Abs. 2 GG ließen eine tendenzielle erb- bzw. güterrechtliche Besserstellung bei Beendigung der Ehe durch den Tod eines der Partner erwarten. Fraglich erscheint nun, ob und inwieweit Besserstellungen durch Reformen des Bürgerlichen Gesetzbuchs von der durch das historische Bürgerliche Recht maßgeblich bestimmten Institutsgarantie für das Erbrecht erfasst sind. Die gesetzlichen Neuerungen müssen von der Verfassung mitgetragen werden können. Mit Rücksicht auf die historisch gewachsene Institutsgarantie des Erbrechts liegt der Schluss nahe, dass die originär schwache und auf Absicherung gerichtete389 erbrechtliche Stellung des Gatten neben Ab389  Den Versorgungsgedanke (auch in historischer Dimension) vorsichtig in § 1931 BGB vermutend: Kühne JR 1972, 221, 222. Allgemein zum Versorgungsgedanken: Werner in: Staudinger, (Erbfolge), (November 2007) § 1931 Rn. 2.

160 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

kömmlingen einer substantiellen Stärkung der erbrechtlichen Beteiligung des Ehegatten entgegensteht. Hier spielt die schon für das Pflichtteilsrecht der Kinder von dem Bundesverfassungsgericht herangezogene Verbindung aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG ihr gesamtes Flexibilität eröffnendes Potential aus. Unter dem Grundgesetz als lebendiger Verfassung muss und wird die erbrechtliche Institutsgarantie durch die Verfassung stets erneuert. Damit besteht eine verfassungsrechtliche Öffnung zumindest hinsichtlich einer langsamen Anpassung an einen gesellschaftlichen Wandel. Diesen Wandel vollzieht der Gesetzgeber, gleichzeitig wird dieser durch die grundsätzlichen historischen erbrechtlichen Wertentscheidungen in zeitlicher und inhaltlicher Sicht begrenzt. Die Wertentscheidungen aus der erbrechtlichen Institutsgarantie können im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG fortgeschrieben und so grundsätzlich dem gesellschaftlichen Wandel angepasst werden. Damit ebnet Art. 6 Abs. 1 GG den Weg zu einem Verständnis einer sich erneuernden erbrechtlichen Institutsgarantie. Insbesondere der Grundgedanke der Ehe als Keimzelle der Gesellschaft390 stärkt konkret die Position des Ehegatten. Die sich schon im historischen Bürgerlichen Erbrecht widerspiegelnde Forcierung der Familie auf die Kleinfamilie391 der nächsten Familienangehörigen hat sich unter dem Grundgesetz weiter verstärkt. Die aus „Eltern und Kindern bestehende Familiengemeinschaft“ wird durch die „wertentscheidende Grundsatznorm“ des Art. 6 Abs. 1 GG geschützt.392 Hierzu steht auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der familiären Bindungen zwischen Großeltern und Enkeln durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht in Widerspruch.393 Grundsätzlich partizipieren die Enkelkinder über die Eltern am Vermögen der Großeltern. Besonders der „Schutz“ der Ehegatten als Keimzelle der Kleinfamilie ist damit von dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag erfasst. Damit öffnet sich der Raum für eine substantielle Stärkung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten. Die in der Institutsgarantie des Erbrechts angelegte schwache Lebensabsicherung des Gatten kann grundsätzlich überwunden werden. 390  BVerfGE 6, 55, 71; Leibholz/Rinck (Juli 2006) Art. 6 Rn. 11 m. w. N. u. a. ebd. BVerfG. grundlegende Entscheidung des BVerfGs. Vgl. auch differenzierend: Di Fabio NJW 2003, 993, 995. 391  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154, S. 270. 392  So das BVerfG anlässlich des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts der Kinder: BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 72 = BVerfGE 112, 332, 352 Tz. 72. 393  BVerfG FamRZ 2014, 1435 ff.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten161

a) Voraus des Ehegatten auch neben den Kindern Erst durch das Gleichberechtigungsgesetz von 1958 stehen dem überlebenden Ehegatten als gesetzlichem Erbe nach § 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB neben Abkömmlingen des Erblassers die Haushaltsgegenstände zu, die er zur angemessenen Haushaltsführung benötigt.394 Mit dem Vorbehalt der Bedürftigkeit des überlebenden Ehegatten für das Vermächtnis der Haushaltsgegenstände wird die erbrechtliche Stärke des Ehegatten relativiert, aber zugleich die Bedeutung nachehelicher Solidarität betont. Die von Boehmer395 in der Kommentierung der Erbrechtsgarantie durch das Grundgesetz geforderte Gewähr des Voraus des Ehegatten neben Abkömmlingen war schon in der Bewertung der Ehe durch das historische Bürgerliche Gesetzbuch dem Grunde nach angelegt. Allerdings hielten es die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit dem Wesen der Ehe vereinbar, den überlebenden Gatten beim Zusammentreffen mit Abkömmlingen mit der besonderen Härte der „Herausgabe … des einzigen Bettes“ zu konfrontieren, da der Ehegatte dann keinen Anspruch auf den Voraus hatte.396 Der besondere Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG und der damit einhergehende Gedanke ehelicher Versorgung trägt den Ausbau des Voraus zugunsten des Ehegatten. Dabei handelt es sich keineswegs um eine unproblematische Grundsatzentscheidung. Schließlich erstreckt sich regelmäßig der Voraus bei einem bescheidenen Nachlass auf den größten Teil des Nachlasses.397 Trotz der verbreiteten Vermögensbildung während der Wirtschaftswunderjahre dürfte der 1958398 neugefasste Voraus durch seine Gewähr auch neben Abkömmlingen das Erbrecht vieler Kinder tatsächlich empfindlich ausgehöhlt haben. Ein erheblicher Teil des nach der Währungsreform von 1949 erarbeiteten Vermögens dürfte in einer durchschnittlichen Familie in Haushaltsgegenstände wie Möbel oder ein Fernsehgerät geflossen sein. Das schwierige Problemfeld der Erbbeeinträchtigung der Kinder durch den Voraus kann auch nicht ein gegenwärtig allgemein hoher gesellschaftlicher Wohlstand zuschütten. Schließlich fällt der Hälfte aller Erben wegen der hohen Zahl kleiner oder überschuldeter Nachlässe kein substantielles Erbe 394  Werner: in Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1932 Rn. 1 ff., insbesondere Rn. 4 zur Gesetzesgeschichte des Voraus. 395  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 401, 417. 396  Motive, Band V, S. 373. 397  Vgl.: § 1932 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach erstreckt sich der Voraus des Gatten auf die Haushaltsgegenstände, die zur Führung eines angemessenen Haushalts notwendig sind. 398  Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1932 Rn. 1 ff., insbesondere Rn. 4 zur Gesetzesgeschichte des Voraus.

162 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

zu.399 In diesen Erbfällen kann der Voraus einen ganz erheblichen Anteil des Nachlasses ausmachen. Auf den Pflichtteilsverzicht wirkt sich diese grundlegende Wertentscheidung einer Besserstellung des bedürftigen Ehegatten zu Lasten der Abkömmlinge des Erblassers nicht aus. Der Gesetzgeber vollzog diese grundlegende Wertentscheidung der Stärkung der ehelichen Solidarität nur unzureichend. Nach wie vor kann der Ehegatte den Voraus nur als gesetzlicher Erbe, nicht jedoch als Pflichtteilsberechtigter verlangen. Bleibt der konkrete Wert des schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruch hinter dem Wert des Voraus zurück, wird der Ehegatte als Pflichtteilsberechtigter wirtschaftlich nicht einmal mit den Haushaltsgegenständen abgesichert. Damit verbleibt allerdings auch der nicht ganz unbedeutenden Anzahl weitgehend mittelloser Erblasser400 eine gewisse materielle Testierfreiheit. Wäre der Voraus nach § 1932 BGB von dem Pflichtteilsrecht des Ehegatten voll erfasst, wäre es dem lediglich einen angemessenen Hausstand hinterlassenden Erblasser nicht möglich, einen weitgehend wertlosen Gegenstand an Kinder oder einen guten Freund zu vermachen. Ein von den Ehegatten jeweils abwechselnd während Schachabenden mit einem besten Freund genutztes Schachspiel könnte als Andenken weder an ein Kind noch an den Schachfreund des Erblassers vermacht werden. Der über das eigene Leben wirkende Gestaltungsspielraum des Einzelnen kann nicht zugunsten Angehöriger auf null reduziert werden. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die durch die Reform des Voraus bedingte erbrechtliche Besserstellung des Ehegatten zumindest im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG vom Grundgesetz getragen und als Ausdruck ehelicher Treue und Solidarität wohl auch gefordert wird. b) Das güterrechtliche Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB Das mit der Reform des Güterrechts im Jahr 1958401 den im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten zugesprochene sogenannte güterrechtliche Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB führte in Addi­ tion mit dem erbrechtlichen Viertel neben Erben der ersten Ordnung gem. § 1931 Abs. 1 BGB zu einer signifikanten Verbesserung der breiten Mehrheit der überlebenden Ehegatten. 399  Zu dem konkreten Nachlassvolumen: Braun, Erben in Deutschland (2011), insbes. S. 23 ff.: Dort auch zu dem Wunsch der Erben, Konsumwünsche durch das Erbe zu bestreiten (zur Tendenz des Auseinanderklappens der Nachlasshöhe: direkter Vergleich mit: Braun, Erben in Deutschland (2002), insbes. S. 11 ff.). 400  Braun, Erben in Deutschland (2011), S. 23: in etwa ¹⁄ 0 der Erbfälle übersteigt ¹ das Nachlassvolumen nicht die Grenze von 0 €. 401  Vgl. Gleichberechtigungsgesetz, 18. Juni 1957, BGBl. Teil I, 1957, S. 609 ff.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten163

Diese Besserstellung des Ehegatten löste das durch Art. 117 Abs. 1 GG geforderte neue Güterrecht aus. Mit den grundgesetzlichen Wertungen, insbesondere der Gleichberechtigung von Mann und Frau aus Art. 3 Abs. 2 GG, bedurfte es einer neuen Interpretation der schon aus den Motiven zum historischen Bürgerlichen Gesetzbuch bekannten Leerformel vom „Wesen der Ehe“402. Die grundgesetzliche Forderung nach einer Gleichberechtigung der Eheleute hätte ein tradiertes, vor allem in Art. 14 Abs. 1 GG verankertes, Erbund insbesondere Pflichtteilsrecht unberührt lassen können. Für das Pflichtteilsrecht der Kinder hat das Bundesverfassungsgericht schon festgestellt, dass dieses auch wegen der regelmäßig zumindest ideellen und damit begrenzt vermögenswirksamen Beiträge der Kinder gerechtfertigt ist.403 Rechtstatsächlich steht das Pflichtteilsrecht nicht unter der Bedingung solcher tatsächlicher Beiträge durch die Kinder. Auch das Erb- und Pflichtteilsrecht der Ehegatten wird nach dem Verständnis des überkommenen bürgerlichen Erbrechts nicht durch vermögenserhebliche Beiträge im engeren Sinne verdient. Damit ist das Erbrecht von güterrechtlichen Ansprüchen entkoppelt, die das historische Bürgerliche Gesetzbuch für den gesetzlichen Güterstand auch nicht kannte. Gegen diese Sichtweise kann auch nicht die Begründung der Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das erbrechtliche Viertel des Ehegatten eingewandt werden. Das seinerzeit mehrheitlich in den Beratungen zum Ende des 19. Jahrhunderts als hoch empfundene erbrechtliche Viertel wurde mit der güterrechtlichen Benachteiligung der Frau im historischen Bürgerlichen Gesetzbuch nahezu entschuldigt.404 Eine Vermischung von Güter- und Erbrecht kann durch dieses bloße güterstandsunspezifische Hilfsargument nicht in das erbrechtliche Viertel hineininterpretiert werden. Dementsprechend heftig war auch die Kritik, als die Reform des Güterrechts zu einer „unglücklichen Vermischung“ von Güter- und Erbrecht 402  So

schon Motive, Band IV, S. 104. ZEV 2005, 301, 304 Tz. 73 = BVerfGE 112, 332, 353 Tz. 73. 404  Mertens, Entstehung BGB, S. 75 m. V. a. Schröder, Das Familiengüterrecht in dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1889), S. 28 (sehr glücklicher Ausgleich von Härten und Schwierigkeiten aus der Verwaltungsgemeinschaft, jedoch ohne nähere Ausführungen worin diese Härten bestehen.); Mitteis, Bemerkungen zum ehelichen Güterrecht nach dem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, S. 616 in: Grünhuts Zeitschrift für das Privatund öffentliche Recht der Gegenwart, Band 16 (1889), S. 545–616 (Mitteis hingegen sieht in dem konkreten Ehegattenerbrecht keine originär güterrechtlichen, sondern lediglich „moralische[…] Ansprüche“ als „natürliche Ergänzung“ des lebzeitigen Güterrechts.); vergleichbares Argumentationsmuster für das Ehegattenerbrecht auch außerhalb des Zusammentreffens mit Abkömmlingen des Erblassers: Mertens, Entstehung BGB, S. 68 m. w. N. 403  BVerfG

164 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

führte.405 Freilich ist bei der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch den Tod auch der Zugewinnausgleich auszugleichen. Dieser Ausgleich wird durch die pauschale Erhöhung der Erbquote um ¼ nach § 1371 Abs. 1 BGB erreicht. Dieser pauschale Ausgleich befreit den überlebenden Ehegatten von Beweisschwierigkeiten und einem folgenden Verfahren zur Geltendmachung des tatsächlichen Zugewinnausgleichs.406 Schon der erste Blick auf den letzten Halbsatz des § 1371 Abs. 1 BGB lässt in die Kritik an der Norm als „rechtspolitischer [und] … systematischdogmatischer Fehlgriff“407 einstimmen. § 1371 Abs. 1 2. Hs BGB stellt klar, dass das güterrechtliche Viertel nicht unter dem Vorbehalt eines tatsächlich erzielten Zugewinns des Ehegatten steht. Nicht nur, dass der gesetzlich erbende Gatte das güterrechtliche Viertel nach dem Gesetz klar ohne die Voraussetzung eines sich tatsächlich zu seinen Gunsten ergebenden Zugewinnausgleichsanspruchs erhält, die Erben des verstorbene Gatten können einen sich rein rechnerisch im Zeitpunkt des Erbfalls zugunsten des Erblassers ergebenden Zugewinnausgleich gegen den durch das güterrechtliche Viertel begünstigten Gatten nicht beanspruchen.408 Wohl nicht ganz ohne Hohn legte Boehmer409 einem potentiell zugewinnausgleichsberechtigten, morbiden Ehegatten die Scheidung nahe oder ein anspruchsrettendes Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich nach §§ 1385 ff. BGB einzuleiten.410 Ein originäres oder erweitertes Erbrecht aus der grundsätzlich schon in der Ehe angelegten „Arbeitsgemeinschaft“ der Eheleute gibt es weder, noch kann ein solches aus der „Arbeitsgemeinschaft“ Ehe hergeleitet werden. Ein etwa angezeigter Ausgleich hat über andere Instrumente stattzufin405  Coing in: Ständige Deputation (Hrsg.), Gutachten für den 49. Deutschen Juristentag (1972), Band I Teil A, A 33, 53 f.: Insbesondere zu der Frage inwieweit die Auflösung der Grenzen zwischen Güter- und Erbrecht eine glückliche Entscheidung war; allgemein zur Kritik: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu § 1371 Rn. 5, 10; scharfe Kritik durch: Boehmer, Gleichberechtigungsgesetz und Familienrechtsänderungsgesetz (1962), insbesondere S. 24: zu den unzureichenden Ausgleichsmechanismen bei der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines der Gatten: „Grundgedanken des Zugewinnausgleichs denaturiert“. Dort mit grundlegender dogmatischer Kritik. 406  Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1931 Rn. 35. 407  Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) Vorbem. zu §  1371 Rn. 10. 408  Grds. auch zu unmittelbar davor Stehendem: Boehmer, Gleichberechtigungsgesetz und Familienrechtsänderungsgesetz (1962): S. 23 f. 409  Boehmer, Gleichberechtigungsgesetz und Familienrechtsänderungsgesetz (1962): S. 24. 410  Boehmer, Gleichberechtigungsgesetz und Familienrechtsänderungsgesetz (1962): S. 24.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten165

den. Zudem ist der Ehe als solche eine gewisse eheliche Solidarität und Unterstützung immanent, die nicht gesondert auszugleichen wäre.411 Dass es bei dem güterrechtlichen Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB um eine verdeckte originäre Besserstellung des Ehegatten geht, verdeutlicht auch Boschs412 Kritik anlässlich seiner Besprechung des durch das NEhelG 1970 angefügten § 1931 Abs. 4 BGB. § 1931 Abs. 4 BGB sieht für die im Güterstand der Gütertrennung überlebenden Ehegatten bei Zusammentreffen mit ein oder zwei Kindern für Abkömmlinge und Ehegatten gleich hohe Erbquoten vor. Damit hat der mit einem Abkömmling zusammentreffende Ehegatte eine Erbquote von ½. Dies entspricht auch der durch das Güterrechtliche Viertel erreichten Erbquote des im gesetzlichen Güterstand überlebenden Ehegatten. Bosch sieht mit dieser Stärkung des Erbrechts der in Gütertrennung lebenden Ehegatten neben einem Kind des Erblassers „im Grunde die Rechtfertigung für die „Zusatzquart“ des § 1371 I“413 entfallen, ließe man die Erbrechtsstärkung des § 1931 Abs. 4 BGB güterstandsunabhängig greifen. Mit dem auch als „Bonner Quart“414 bezeichneten güterrechtlichen Viertel ist auch das Risiko des Vermögensabflusses aus dem Familienstammvermögen signifikant gestiegen. Mit dem pauschalen güterrechtlichen Ausgleich wird auch die Frage nach der Reichweite des konkreten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers aufgeworfen. Für die Kommissionen war das Bild einer den Ehemann mit drei bis vier ehelichen Kindern überlebenden Ehefrau gewiss realistisch. Dies gilt mit einer etwas geringeren Kinderzahl auch noch für Ehen im Deutschland der späten 1950er Jahre. Wesentliche Vermögenswerte aus dem Nachlass des oft alleinerwerbstätigen und vorversterbenden Ehemannes wären potentiell zugunsten der Ehefrau zugewinnausgleichpflichtig gewesen. Mit den Verfassern des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann man eine Erhöhung der erbrechtlichen Beteiligung des Ehegatten durch die sinkende Anzahl aus der Ehe hervorgehender Kinder als vermeintlich angemessen betrachten. Die gesetzgeberische Vorstellung eines aus ehelicher Erwerbsarbeit gespeisten Nachlasses überlebt sich jedoch zusehends. Die Anzahl nicht oder wenig werthaltiger Nachlässe zeugt von der Schwierigkeit Vermögen durch Erwerbsarbeit aufzubauen. Besonders werthaltige Nachlässe setzen sich bei den Erben fort, ohne dass der ererbte Vermögenszuwachs wegen der Privilegierung des § 1374 Abs. 2 BGB seinerseits in der Ehe der Erben potentiell zugewinnausgleichspflich411  So grds. schon im Rahmen der Erbquotenerhöhung für die in Gütertrennung lebenden Eheleute, insbesondere zur ehelichen „Arbeitsgemeinschaft“: Braga FamRZ 1972, 105, 110. 412  Insgesamt: Bosch FamRZ 1969, 505, 506. 413  Insgesamt: Bosch FamRZ 1969, 505, 506. 414  So nach Boehmer der Juristenjargon zu dem güterrechtlichen Viertel: Boehmer, Gleichberechtigungsgesetz und Familienrechtsänderungsgesetz (1962): S. 24.

166 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

tig wäre. Die mit der gegenwärtig konstant hohen Scheidungsquote einhergehenden Wiederverheiratungen nach teils abgeschlossenem Vermögensaufbau erschüttern zudem die von dem historischen Gesetzgeber vorgefundene und seinerzeit noch deutlich typisierbarere Ehewirklichkeit. Für die Zukunft wird damit die Frage aufgeworfen, ob der sich auch auf die Typisierung von zur gesetzlichen Auflösung von Lebenssachverhalten erstreckende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten wird, wenn sich eben die historische gesetzgeberische Typisierung zwischenzeitlich überlebt hat. Eine überlebte gesetzliche Typisierung verliert ihre innere Rechtfertigung, die darin besteht, dass zugunsten der Rechtssicherheit regelmäßig die materielle Richtigkeit im Einzelfall nur in einem untergeordneten Maß beeinträchtigt ist. Mit § 1371 Abs. 1 BGB unterstellte der Gesetzgeber der jungen Bundesrepublik eine den Ehemann überlebende Ehefrau, die einen potentiellen Zugewinnausgleichsanspruch hat. Eben dieses Bild lässt sich in seiner generalisierenden Art nicht mehr aufrechterhalten. Je tiefer in verfassungsrechtliche Positionen – wie der materiellen Testierfreiheit des Erblassers und dem Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge – eingegriffen wird, desto niedriger sollten die Anforderungen an den Nachweis eines zwischenzeitlich überlebten gesetzlich typisierten Ehebildes sein. Das Güterrechtliche Viertel stellt einen solchen tiefgreifenden Eingriff in das verfassungsrechtlich verbürgte Pflichtteilsrecht der Kinder dar und zudem bestehen starke Indizien, dass sich das dem güterrechtlichen Viertel zugrundeliegende Bild der Ehe überlebt hat. Angesichts der offensichtlichen dogmatischen Schwächen des § 1371 Abs. 1 BGB besteht der Anschein, dass über den güterrechtlichen Umweg die schon seit den Beratungen der Kommissionen diskutierte Erhöhung des Ehegattenerbteils auf die Hälfte des Nachlasses neben Abkömmlingen verwirklicht werden sollte. Eine grundsätzliche erbrechtliche Auseinandersetzung um die erbrechtliche Positionierung des Ehegatten konnte so umgangen werden. Damit gewinnt die Aufnahme des güterrechtlichen Viertels eine andere Wendung. Mit dem von Boehmer dargelegten systemischen Risiko eines Abflusses von Familienstammvermögen findet in vielen Erbfällen eine faktische Fortentwicklung des Ehegattenerbrechts von der reinen Lebensstandardabsicherung415 hin zu einem tendenziell auf eine eigenständige starke Teilhabe416 gerichteten gesetzlichen Ehegattenerbrecht statt. Vielleicht kann 415  Vgl. Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1931 Rn. 53; als Ziel der Ehegattenerbquote neben Abkömmlingen: Mertens, Entstehung BGB, S. 68 f. 416  Leipold etwa hält scheinbar selbstverständlich die erbrechtliche Gleichwertigkeit von Ehe und blutsmäßiger Verwandtschaft fest, Leipold in: MünchKomm, Band 9 (2010), 1931 Rn. 2.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten167

diese Stärkung des Ehegattenerbrechts für die gesetzliche Erbfolge noch mit dem potentiellen Willen des Erblassers gerechtfertigt werden.417 Das güterrechtliche Viertel kann sich allerdings auch gegen den konkreten Willen des Erblassers auf die Nachlassteilhabe auswirken. Gewiss kann der überlebende Ehegatte nach § 1371 Abs. 3 BGB nur den konkreten Zugewinn neben einem nach erfolgter Ausschlagung geltend gemachten Pflichtteil geltend machen oder nachdem er von dem Erblasser nicht bedacht wurde. Soweit der Ehegatte allerdings Erbe oder Vermächtnisnehmer wird, kann er grundsätzlich den sogenannten „großen Pflichtteil“ geltend machen.418 Dann berechnet sich der Pflichtteil bzw. Zusatzpflichtteil aus § 2305 BGB nach der aus § 1371 Abs. 1 BGB güterrechtlich pauschal um ¼ erhöhten gesetzlichen Erbquote.419 Bei der Bestimmung der Pflichtteilsquote nimmt § 2303 Abs. 2 Satz 2 BGB auf § 1371 BGB Bezug. Hierdurch ergeben sich zwei Möglichkeiten der Pflichtteilsberechnung: Entweder der Ehegatte macht den „kleinen Pflichtteil“, bestehend aus dem Pflichtteil als Ehegatten und daneben dem konkreten Zugewinnausgleich, geltend oder der Ehegatte kann – soweit er Erbe oder Vermächtnisnehmer ist – den „großen Pflichtteil“ geltend machen. In diesem Fall berechnet sich die Pflichtteilsquote nach dem durch das güterrechtliche Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten gesetzlichen Erbteils des Ehegatten.420 Auch wenn der Erblasser den Ehegatten unterhalb der Summe aus kleinem Pflichtteil und konkretem Zugewinnausgleich bedacht hat, sind für den überlebenden Ehegatten Pflichtteilsansprüche aus der dann dominanten, erhöhten erbrechtlichen Stellung denkbar. Allein aus dieser dogmatischen Schwäche421 des güterrechtlichen Viertels kann ein grundsätzlicher gesetzgeberischer Wandel von einem lebensstandardabsichernden Ehegattenerbrecht, hin zu einem auf eine starke Teilhabe gerichteten Erbrecht, nicht sicher erkannt werden. Eine originäre güterstandsunspezifische Stärkung des Ehegattenerb- bzw. Pflichtteilsrechts hat der Gesetzgeber mit dem güterrechtlichen Viertel insgesamt nicht vollzogen, womit eine Fortentwicklung der erbrechtlichen Institutsgarantie nicht in Frage steht: Das güterrechtliche Viertel des § 1371 417  Stöcker

FamRZ 1971, 609, 610 ff. unter Einbeziehen einer EMNID-Umfrage. großen Pflichtteil bzw. Zusatzpflichtteil (§ 2305 BGB) nach: BGHZ 35, 58 ff.; Weidlich in: Palandt, (73. Aufl., 2014), § 2303 Rn. 16 m. V. a. ebd. BGH; Weidlich in: Palandt, (73. Aufl., 2014), § 2307 Rn. 6. 419  Weidlich in: Palandt, (73. Aufl., 2014), § 2303 Rn. 16. 420  BGHZ 37, 58, 60 ff. = BGH NJW 1962, 1719, 1720; Darstellung zum kleinen und großen Pflichtteil nach Haas in: Staudinger (Juni 2006) § 2303 Rn. 85 ff., 89 m. w. N. und m. V. a. ebd. BGH. 421  Zu der vornehmlich durch Wissenschaft und Rechtsprechung ausgestalteten Problematik: Haas in: Staudinger (Juni 2006) § 2303 Rn. 87 ff., insbes. Rn. 89. 418  Zum

168 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Abs. 1 BGB findet seinen Ursprung und seine grundsätzliche Rechtfertigung in dem güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch. Das güterrechtliche Viertel ist dem Anliegen eines einfachen und rechtssicheren Zugewinnausgleichs bei Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines der Ehegatten geschuldet. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die das güterrechtliche Viertel ursprünglich als sachgerechte Variante des Zugewinnausgleichs erschienen ließen, haben sich gewiss überlebt. Hierdurch kann jedoch allenfalls eine notwendige Revision des güterrechtlichen Viertels, nicht jedoch eine vom Gesetzgeber intendierte güterstandsunabhängige Stärkung des Ehegattenerb- und Pflichtteilsrechts abgeleitet werden. c) Verortung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten nach der Anfügung des § 1931 Abs. 4 BGB Zumindest formal unabhängig von güterrechtlichen Ausgleichsansprüchen und damit originär erbrechtlich wurde das Erbrecht der in Gütertrennung lebenden Ehegatten gestärkt. § 1931 Abs. 4 BGB sieht für die im Güterstand der Gütertrennung überlebenden Ehegatten bei Zusammentreffen mit ein oder zwei Kindern für Abkömmlinge und Ehegatten gleich hohe Erbquoten vor. Die Besserstellung des § 1931 Abs. 4 BGB für Ehegatten soll sich aus den gleichen Gründen wie dem zeitgleich im Jahr 1970 eingefügten § 2057a BGB erklären lassen.422 § 2057a BGB sieht eine begrenzte erbrechtliche Ausgleichung für konkrete unentgeltliche Mitarbeit der Kinder vor, während § 1931 Abs. 4 BGB das originäre Erbrecht der in Gütertrennung lebenden Ehegatten neben einem oder zwei Abkömmlingen als gesetzliche Erben diesen gleichstellt und damit gegenüber der bisherigen Rechtslage verbessert.423 Neben einem Kind fällt dem Ehegatten also die Hälfte, neben zwei Kindern fällt dem Ehegatten wie den Kindern ein Drittel des Nachlasses zu.424 Ab drei Kindern aufwärts gilt wieder das erbrechtliche Viertel des § 1931 Abs. 1 BGB.425 Der Pflichtteil nach § 2303 Abs. 1, 2 BGB beträgt für einen mit einem Abkömmling zusammentreffenden Ehegatten ein Viertel des Nachlasses. Der Bericht des Rechtsausschusses räumt unvermittelt als Gesetzesziel ein, dass es auch um eine Verbes422  Werner in: Staudinger (Erbfolge), (November 2007) § 1931 Rn. 44. m. V. a. BT-Drucksache V 4179, 29, Ber. 5, 6. Vgl. auch: Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Bericht des Abg. Stammberger) – Zu Drucksache V 4179, insbes. Nr. 81b ff. 423  Vgl. insgesamt so noch: Edenhofer in: Palandt, (61.  Aufl., 2002), § 1931 Rn. 12. 424  So noch: eng an Edenhofer in: Palandt, (61. Aufl., 2002), § 1931 Rn. 12. 425  So noch: eng an Edenhofer in: Palandt, (61. Aufl., 2002), § 1931 Rn. 12.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten169

serung der erbrechtlichen Position der in Gütertrennung lebenden Ehegatten geht.426 Auch Coing sieht aus dem Wesen der Ehe den Ausbau des Ehegattenerbrechts gerechtfertigt.427 Unabhängig von den Grenzen der durch Art. 6 Abs. 1 GG eingeräumten Flexibilität hinsichtlich der Weiterentwicklung der erbrechtlichen Institutsgarantie lässt sich das zunächst hören. Vor dem Hintergrund gesunkener Geburtenraten entspricht dies auch dem historischen Kommissionsgedanken, dass der Ehegatte und die Kinder etwa gleiche428 Quoten erhalten. Allerdings bestätigt dieses historische Argument tatsächlich oftmals gleicher Erbquoten von Ehegatten und den regelmäßig drei bis vier gemeinsamen Kindern nur die intendierte schwache erbrechtliche Stellung des Gatten. Einfachgesetzlich betrachtet darf die erbrechtliche Stellung von Kindern und Ehegatten gewiss als formal gleichwertig eingestuft werden.429 Allein aus dieser formalen Gleichwertigkeit bei Zusammentreffen mit bis zu zwei Abkömmlingen kann weder eine originär unabhängige und eigenständige erbrechtliche Stellung des Ehegatten wie für die Abkömmlinge noch ein Wandel zu einem solchen Ehegattenerbrechtsverständnis abgelesen werden. Auch wenn sich die historische Versorgungsfunktion des § 1931 BGB weitgehend überlebt haben soll,430 kann in § 1931 BGB nicht eine umfangreiche Funktion der Vermögensteilhabe interpretiert werden. Auch erfolgte mit § 1931 Abs. 4 BGB keine grundsätzliche gesetzgeberische Wertentscheidung, da die Besserstellung sich allein auf die im Güterstand der Gütertrennung lebenden Ehegatten bezieht. Die Stärkung des Ehegattenerbrechts durch § 1931 Abs. 4 BGB bedeutet durch das akzessorische Pflichtteilsrecht grundsätzlich einen Eingriff in die materielle Testierfreiheit des Ehegatten. Die Sicht auf den Ehegatten, als einen entsprechend dem mutmaßlichen Erblasserwillen aus persönlicher Verbundenheit zu dem Erblasser nächstberufenen gesetzlichen Erben,431 kann zumindest für das Pflichtteilsrecht nicht greifen. Sofern der in Gütertrennung lebende Ehegatte den Pflichtteil geltend macht, ist dieser von dem vorversterbenden Ehegatten deutlich hinter das gesetzliche Erbrecht zurückgesetzt worden. Der mutmaßliche Erblasserwille ist als Argument im Bereich des Pflichtteilsrechts nicht geeignet. 426  Schriftl. Bericht d. Rechtsauschusses (Abg. Stammberger), BT-Drucksache V 4179, Zu Nr. 81 b. So grundsätzlich auch: Bosch FamRZ 1969, 505, 506 f. 427  Im Ergebnis: Coing in: Ständige Deputation (Hrsg.), Gutachten für den 49. Deutschen Juristentag (1972), Band I Teil A, A 24. 428  Zur historischen Intention: Mertens, Entstehung BGB, S. 72. 429  Zur Gleichwertigkeit: Leipold in: MünchKomm, Band 9 (2010), 1931 Rn. 2. 430  Kühne JR 1972, 221, 222. 431  Dahingehend: Stöcker FamRZ 1970, 444, 445 f.

170 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten bleibt in seinen historischen Wurzeln systemisch begrenzt. Sollte dagegen das in seiner Wirkung einzigartig freiheitsbeschränkende Pflichtteilsrecht von seiner Verwurzelung des unauflösbaren Blutbandes der Familie fortentwickelt und damit verselbständigt werden, verliert das Pflichtteilsrecht seine Grundlage und damit seine verfassungsrechtliche Berechtigung. § 1931 Abs. 4 BGB bewegt sich schon in diesem Grenzbereich hin zu einer eigenständigen und starken Vermögensteilhabe des Ehegatten am Nachlass. Der durch Art. 6 Abs. 1 GG über die Solidarität der Eheleute untereinander abgesicherte Unterhaltsgedanke lässt sich nicht zu einem staatlichen Schutzauftrag in Form der Gewähr einer vorbehaltlosen Vermögensteilhabe im Nachlassweg umdeuten. Damit scheint nur die insbesondere durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete historische Dimension des Pflichtteilsrechts einen starken Eingriff in die materielle Testierfreiheit des Erblassers rechtfertigen zu können. Ein dahingehendes rudimentäres Problembewusstsein musste bei dem Reformgesetzgeber des § 1931 Abs. 4 BGB ausgeprägt gewesen sein. So wird die Stärkung des Ehegattenerbrechts nicht emotional begründet, sondern soll durch den Gedanken des Ausgleichs ehelicher Mitarbeit wesentlich getragen werden.432 Dieses Argument greift nicht. Die Eheleute haben mit der Wahl des Güterstandes der Gütertrennung gerade keinen Ausgleich für einen Zugewinn oder anderweitig geleistete Arbeit gewünscht. Jede andere Sichtweise stellt die autonome eheliche Güterrechtsgestaltung per se in Frage. Auch führt der Reformgesetzgeber als Argument nicht eine gesetzliche Neufassung eines historisch geprägten Ehegattenpflichtteilsrechts im Lichte jüngerer gesellschaftlicher Entwicklungen an. § 1931 Abs. 4 BGB stellt anders als der zeitgleich eingeführte § 2057a BGB nicht auf konkrete Arbeitsleistungen ab. Wohlwollend attestiert Braga dem Reformgesetzgeber, gerecht und sozial zu erscheinen, dabei aber auf ein nicht existierendes Erbrecht aus einer ehelichen Arbeitsgemeinschaft aufzubauen.433 Braga verweist korrekt auf die in den allgemeinen Ehewirkungen geregelte Pflicht zur Mitarbeit des Ehegatten nach § 1356 Abs. 2 BGB434. Demnach wird nach Braga eine Mitarbeit im Rahmen des Üblichen schon von den allgemeinen Ehewirkungen und eine Mitarbeit über das üb432  Schriftl. Bericht d. Rechtsauschusses (Abg. Stammberger), BT-Drucksache V 4179, Zu Nr. 81 b. 433  Braga FamRZ 1972, 105, 110. 434  § 1356 BGB in der Fassung vom 1. Juli 1958–1. Juli 1977 (Abs. 1) Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist. (Abs. 2) Jeder



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten171

liche Maß von der Ehegatteninnengesellschaft als Ausgleichsinstrument erfasst. Insgesamt komme es zu einer doppelten Berücksichtigung der Mitarbeit des Ehegatten durch § 1931 Abs. 4 BGB.435 Zudem erinnert er an die richterrechtlich entwickelten [und in den letzten Jahrzehnten noch weiter ausgebauten] Ausgleichsinstrumente für konkrete überobligatorische Mitarbeit des Gatten.436 Soweit der Ehegatte nur den Pflichtteil geltend machen kann, stellt § 1931 Abs. 4 BGB oftmals Ehegatten wirtschaftlich besser, die Gütertrennung und damit gerade keine engen ehelichen Vermögenswirkungen vereinbart haben.437 Dies relativiert die mit der Gütertrennung durch die Eheleute beabsichtigten Wirkungen bzw. Vorteile aus der güter- und vermögensrechtlichen Trennung. Im Ergebnis führt dies zu einer fragwürdigen gesetzgeberischen Beeinflussung der güterrechtlichen Wahlfreiheit der Eheleute zugunsten des gesetzlichen Güterstandes. § 1931 Abs. 4 GG zeugt von einem Gesetzgeber, der grundsätzliche güterrechtliche und damit autonome eheliche Wertentscheidungen der Eheleute nur inkonsequent respektiert. Wenn Ehegatten sich in der autonomen Vermögensausgestaltung der Ehe gegen den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft entscheiden, sollte der Gesetzgeber diese Entscheidung nicht bei Beendigung der Ehe durch den Tod mit einem pauschalen Ausgleich für geleistete Mitarbeit aushöhlen. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt es dem Gesetzgeber, auch dem Gerechtigkeitsdenken zuwider wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln.438 Soweit der Gesetzgeber mit § 1931 Abs. 4 BGB die erbrechtliche Stellung des Ehegatten allgemein verbessern wollte, kann er andere Güterstände nicht außen vor lassen. Gerade dies wäre durch den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gefordert.439 Mit dem verfassungsrechtlich zweifelhaften § 1931 Abs. 4 BGB geht insgesamt keine allgemeine Stärkung des Ehegattenerbrechts hin zu einem mit den Kindern vergleichbaren bedarfs- und leistungsunabhängigen Erbund Pflichtteilsrecht einher: Die Norm gilt lediglich für die im Güterstand der Gütertrennung lebenden Ehegatten und damit schon nicht allgemein für Ehegatte ist verpflichtet, im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten mitzuarbeiten, soweit dies nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist. 435  Hierzu: Braga FamRZ 1972, 105, 111. 436  Braga FamRZ 1972, 105, 111: etwa die Ehegatteninnengesellschaft. 437  Bosch FamRZ 1972, 169, 171: insbesondere soweit der Erblasser nur einen Abkömmling hinterlässt. 438  Jarass in: Jarass/Pieroth, GG (2012), Art. 3 Rn. 7, 28. 439  Vgl. auch Bosch, der ebenfalls eine Gleichstellung anspricht: Bosch FamRZ 1969, 505, 506.

172 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

die Eheleute. Mit der gesetzgeberischen Begründung eines Ausgleichs für eheliche Mitarbeit – freilich auch ohne, dass eine solche jemals erfolgte – höhlt der Gesetzgeber die autonome, auf Vermögenstrennung gerichtete Güterstandsausgestaltung der Eheleute aus. Vor diesem Hintergrund scheint die Norm den Gleichheitssatz in Bezug auf die in anderen Güterständen verheirateten Eheleuten zu verletzen. Auch spiegelt sich der durch eine Erbquote von ½ neben einem Abkömmling auf eine gewisse tatsächliche Vermögensteilhabe gerichtete § 1931 Abs. 4 BGB nicht in Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG. Eine auf Vermögensteilhabe gerichtete erbrecht­ liche Stellung geht weit über den Schutzauftrag von Ehe und Familie des Art. 6 Abs. 1 GG hinaus. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete historische Erb- und Pflichtteilsrecht sieht ebenfalls keine Vermögensteilhabe des Gatten vor. Mithin entwickelte der dogmatisch wenig stringente § 1931 Abs. 4 BGB die verfassungsrechtliche Institutsgarantie des Erbrechts in Bezug auf das allgemeine Ehegattenerbrecht nicht fort. Im Übrigen stellt auch die Kombination aus dem zeitversetzt eingeführten güterrechtlichen Viertel gem. § 1371 Abs. 1 BGB und dem § 1931 Abs. 4 BGB keinen grundsätzlichen gesetzgeberischen oder gar verfassungsrechtlichen Wandel dar: Das Erbrecht des Ehegatten wird aus den beschriebenen unterschiedlichen Motiven jeweils für im Güterstand der Zugewinngemeinschaft bzw. der Gütertrennung lebenden Gatten gestärkt. Das Erbrecht des Ehegatten wird nur für in dem jeweiligen Güterstand lebende Gatten gestärkt, ohne dass ein über alle Güterstände hinweggreifender Plan zur Änderung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten als solches im Bürgerlichen Recht oder in der Verfassung zu erkennen ist. Indiziell lässt sich für eine nur eingeschränkte, auf eine Versorgung gerichtete Versorgung des Ehegatten auch der im Jahr 1977 eingeführte § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB440 anführen. Nach dieser Norm haftet der Erbe für nacheheliche Unterhaltsansprüche nicht über den Betrag hinaus, der dem unterhaltsberechtigten Gatten als Pflichtteil zustünde, wäre die Ehe nicht geschieden worden. Nach § 1586b Abs. 2 BGB bleiben Besonderheiten aus dem Güterstand in dem die Ehegatten lebten bei der Berechnung des Pflichtteils außer Betracht. Eine Versorgung zu Lasten der Erben über den hypothetischen Pflichtteilsanspruch ist demnach nicht vorgesehen. Allerdings hat der § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB nur eingeschränkte Aussagekraft hinsichtlich der erb- bzw. pflichtteilsrechtlichen Stellung des Ehegatten: Der § 1586b BGB Abs. 1 Satz 3 BGB regelt Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten. Diese Situation ist mit einem zum Tragen kommenden Pflichtteilsverzicht des verheirateten Ehegatten gerade nicht vergleichbar. Weder hat der geschie440  Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts, (1. EheRG), vom 14. Juni 1976, BGBl. I S. 1421 ff.; Inkrafttreten am 1. Juli 1977.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten173

dene Ehegatte einen Pflichtteilsanspruch, noch sind die geschiedenen Ehegatten ebenso schutzwürdig wie verheiratete Eheleute. Gleichwohl beinhaltet der § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB die grundsätzliche Wertaussage, dass Unterhaltsansprüche des (geschiedenen) Ehegatten nicht zu Lasten der Erben und Pflichtteilsberechtigten erfüllt werden sollen.441 Im Übrigen sah schon das historische Bürgerliche Gesetzbuch mit § 1586b Abs. 2 BGB a. F.442 eine Begrenzung der Haftung des Erben für Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten vor. Nach dieser Norm war der Vermögensstamm noch stärker zu Gunsten von Erben und Pflichtteilsberechtigten geschützt. Der Unterhaltsanspruch war auf die Hälfte der Einkünfte gedeckelt, die der Erblasser bei dessen Tod aus seinem Vermögen generierte. d) Grenzen der Fortbildung der erbrechtlichen Institutsgarantie zugunsten des Ehegatten Sofern das Bürgerliche Gesetzbuch um die Beschlüsse des Deutschen Juristentages aus dem Jahr 2010 mit einer güterstandsunabhängigen Ehegattenerbquote von ½ neben Abkömmlingen „bereichert“ werden sollte, wäre ein Paradigmenwechsel für den Ehegatten vollzogen. Die ganze Tragweite und damit Problematik der geforderten Veränderung erschließt sich erst aus einer erb- und güterrechtlichen Gesamtbetrachtung. Der neben Abkömmlingen gesetzlich erbende Ehegatte würde ¾ des Nachlasses auf sich vereinen. Wegen der in der Praxis eher selten vereinbarten Gütertrennung würde die geforderte Erhöhung der gesetzlichen Erbquote von ½ und das wohl unveränderte güterrechtliche Viertel dem Ehegatten die zentrale Stellung einräumen.443 Damit ist schon eine im historischen Bürgerlichen Gesetzbuch an441  Baumann in: Staudinger (Geschiedenenunterhalt), (Oktober 2013), § 1586b Rn. 9 m. V. a. BT-Drucksache 7/650, S. 153. 442  § 1582 BGB in der Fassung von 1900 (Abs. 1) Die Unterhaltspflicht erlischt nicht mit dem Tode des Verpflichteten. (Abs. 2) Die Verpflichtung des Erben unterliegt nicht den Beschränkungen des § 1579. Der Berechtigte muß sich jedoch die Herabsetzung der Rente bis auf die Hälfte der Einkünfte gefallen lassen, die der Verpflichtete zur Zeit des Todes aus seinem Vermögen bezogen hat. Einkünfte aus einem Rechte, das mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses erlischt, bleiben von dem Eintritte des Zeitpunkts oder des Ereignisses an außer Betracht. (Abs. 3) Sind mehrere Berechtigte vorhanden, so kann der Erbe die Renten nach dem Verhältniß ihrer Höhe soweit herabsetzen, daß sie zusammen der Hälfte der Einkünfte gleichkommen. 443  Zu der in der Praxis eher selten vereinbarten Gütertrennung: Mangels hinreichender rechtstatsächlicher Untersuchungen die mutmaßliche Verbreitung der Vereinbarung der Gütertrennung nach: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu §§ 1408 ff. Rn. 33 ff.; Beschlüsse des 68. Deutschen Juristentages Berlin 2010: Abteilung Zivilrecht II. 7.: „Empfiehlt es sich, das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners auf ½ als güterstandsun-

174 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

gedachte quotenmäßig gleiche Beteiligung des überlebenden Ehegatten und der Abkömmlinge des Erblassers nicht mehr vorgesehen. Die erbrechtliche Dominanz des Ehegatten wäre so groß, dass auch eine weiter sinkende Geburtenquote hieran nichts ändern kann. Zudem wird das von den Vätern des Bürgerlichen Rechts genau abgewogene Risiko des Verlusts des Familienvermögens an eine fremde Familie ausgeblendet. Konstant hohe Scheidungsquoten und damit einhergehende erneute Eheschließungen im fortgeschrittenen Alter lassen erwarten, dass die Abkömmlinge des Erblassers nicht auch die des überlebenden Ehegatten sind. Damit ist ein Vermögensrückfluss an die Abkömmlinge des Erblassers nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten immer unwahrscheinlicher. Dieses in der Gegenwart evident gestiegene Vermögensabflussrisiko zum Nachteil der Kinder des Erblassers ließe eher die Schwächung des Ehegattenerbrechts erwarten, nähem der Gesetzgeber die in der Institutsgarantie des Erbrechts angelegten Wertentscheidungen ernst. Für eine gesetzliche Schwächung spricht auch eine weitere gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Entwicklung. Die historisch schwache pflichtteilsrechtliche Vermögensteilhabestellung des Ehegatten im Bürgerlichen Recht wird durch den gegenwärtig leerlaufenden historischen Rechtsreflex des Ertragswertmodels des § 2312 BGB nicht mehr sichergestellt. Besonders werthaltige Nachlässe bestehen gegenwärtig nicht mehr aus Landgütern, sondern anderen Vermögenswerten, die ihrerseits nicht von dem Pflichtteilsansprüche erodierenden Ertragswertverfahren erfasst werden.444 Der die Nachlassteilhabe faktisch schwächende Rechtsreflex des Ertragswertverfahrens nach § 2312 BGB ist auch nur schwer einer analogen Anwendung oder einer erweiternden Auslegung zugänglich. Die schon bei dem güterrechtlichen Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB und bei § 1931 Abs. 4 BGB für das Erbrecht der in Gütertrennung lebenden Ehegatten angeklungene Kritik ist für die Beschlüsse des Deutschen Juristentages mit gleicher Stoßrichtung weiter zu vertiefen. Soweit der Erblasser einen erheblichen Nachlass hinterlässt, kann der überlebende Partner schon nach geltender Rechtslage mit einem über die Lebensabsicherung hinaustragenden Erbe rechnen. Dieser Effekt soll nach abhängige Quote (§ 1931 BGB) neben einem oder mehreren Kindern und neben übrigen Verwandten auf 3⁄4 zu erhöhen (Streichung des § 1931 Abs. 3 BGB)? angenommen 50:15:6“; Röthel, Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß?, in: Ständige Deputation (Hrsg.), Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages, Band I, A 50 ff.: Im Einklang mit internationalen Entwicklungen soll wegen der emotionalen Verbindung der Ehegatten zueinander das Ehegattenerbrecht schwerer wiegen, als „das Interesse, Vermögen im Familienstamm zu erhalten“. 444  Vgl. vertiefend: D. VI. 4. c).



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten175

den Vorschlägen des Deutschen Juristentages 2010 noch verstärkt werden. Das gilt auch für das akzessorische allgemeine Pflichtteilsrecht, wie auch für den Fall, dass der sogenannte große Pflichtteil geltend gemacht werden kann. Besonders problematisch erscheint, dass es nach dem Versterben des überlebenden Gatten bei sogenannten Patchworkfamilien nur zu dem eingangs beschriebenen unwahrscheinlichen Rückfluss des Vermögens an die Abkömmlinge des Erstverstorbenen kommt. Die Zufälligkeit des Erstversterbens eines der Ehegatten kann damit maßgeblich die wirtschaftliche Werthaltigkeit des Erbes der Kinder nach allen Elternteilen in einer Patchworkfamilie beeinflussen. Schon dieser Effekt gebietet ein Überdenken des zweifelhaften güterrechtlichen Viertels des § 1371 Abs. 1 BGB. Die schon beschriebene überlebte Gesellschafts- bzw. Ehewirklichkeit wird durch die weitere Verbreitung der sogenannten Doppelverdienerehe noch verstärkt werden. In Doppelverdienerehen werden regelmäßig nicht mehr so stark divergierende potentiell ausgleichpflichtige Vermögenspositionen der Gatten aufgebaut werden. In der Gesamtschau aller dieser Faktoren überspannen die Beschlüsse des Deutschen Juristentages 2010 eine auch durch Art. 6 Abs. 1 GG eingeräumte Flexibilität bei der Fortentwicklung der erbrechtlichen Institutsgarantie zum Schutze der Eheleute. Eine so weitreichende Besserstellung des Ehegatten würde sich in dem gegenwärtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld endgültig von den historischen Wurzeln des Pflichtteilsrechts lösen. Ein solches einfachgesetzliches Pflichtteilsrecht hätte sich von dem historischen Verständnis und der historischen Reichweite des Pflichtteilsrechts abgekapselt und verselbständigt. Dieses Pflichtteilsrecht wäre folglich auch nicht mehr über die Institutsgarantie des Erbrechts durch Art. 14 Abs. 2 GG gerechtfertigt oder gar geschützt. Ebenfalls scheidet eine Rechtfertigung oder gar ein Schutz über Art. 6 Abs. 1 GG aus. Der Schutz der Ehe als Keimzelle der Gesellschaft rechtfertigt eine Fortführung des konkreten ehelichen Lebensstandards, jedoch keine umfassende Vermögensnachfolge. Diese durch das Pflichtteilsrecht dann teils abgesicherte Vermögensnachfolge würde die materielle Testierfreiheit des Erblassers als Freiheitsrecht empfindlich einschränken. Soweit das Pflichtteilsrecht einen konkreten Unterhaltsbedarf des überlebenden Ehegatten decken soll, ist es wegen des staatlichen Schutzauftrags zugunsten der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt das Vermögensteilhaberecht der Kinder aus Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich niedriger einzustufen. Wegen des Schutzauftrages zugunsten der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG ist es auch gerechtfertigt den Halbteilungsgrundsatz zwischen materieller Testierfreiheit und zwingendem Familienerbrecht etwas zurückzudrängen. Der staatliche Schutzauftrag für

176 D. Das verfassungsrechtliche Pflichtteilsrecht als Säule der Inhaltskontrolle

die Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG fordert und schützt ein auf eine Mindestabsicherung des Ehegatten gerichtetes Pflichtteilsrecht. Dieser Schutzauftrag wird seinerseits begrenzt durch über Art. 14 Abs. 1 GG abgesicherte starke Grundrechtspositionen. Aus dem staatlichen Schutzauftrag für die Ehe lässt sich keine wie von dem Juristentag geforderte starke und eigenständige pflichtteilsrechtliche Stellung des Ehegatten rechtfertigen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken445 hinsichtlich des neugefassten § 2325 Abs. 3 BGB lassen sich dem Grunde nach auch auf das von dem Deutschen Juristentag 2010 vorgeschlagenen Ehegattenerbrecht und damit auf das akzessorische Pflichtteilsrecht des Ehegatten übertragen. Steht für die Kinder die Unentziehbarkeit der bedarfsunabhängigen Beteiligung am Nachlass im Vordergrund, ist es für den Ehegatten die Absicherung des Lebensstandards, auch wenn diese auf coupiertem Niveau durch die Pauschalierung des Pflichtteilsrechts erfolgt. Die durch die gegenwärtigen Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen verstärkte Erosion der Vermögensbasis des Pflichtteilsrechts der Kinder ist verfassungsrechtlich zweifelhaft. Die Institutsgarantie des Erbrechts ist zumindest schon mangels einer gesetzlichen Umsetzung der Beschlüsse des Deutschen Juristentages nicht dementsprechend fortgeschrieben worden. e) Fazit: Verfassungsrechtlicher Schutz eines auf Absicherung gerichteten ehelichen Pflichtteilsrechts Das auf Absicherung bzw. Versorgung gerichtete Pflichtteilsrecht des Ehegatten wird nach dem Verständnis einer über Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten tradierten Institutsgarantie des Erbrechts durch das Grundgesetz geschützt. Dies gilt trotz der schwachen historischen Wurzeln des Erbrechts des Gatten bzw. der Ehefrau einerseits im Germanischen bzw. „Deutschen“ Erbrecht und andererseits im Römischen Recht. Maßgeblich für das Verständnis einer historischen Institutsgarantie des Erbrechts sind die Wertentscheidungen des historischen Gesetzgebers des Bürgerlichen Rechts. Danach kommt dem Ehegattenerbrecht und erst Recht dem akzessorischen und gegenüber dem Erbrecht coupierten Pflichtteilsrecht eine gewisse Versorgungsfunktion zu. Der neben Abkömmlingen dem Ehegatten im historischen Bürgerlichen Recht schon als gesetzlicher Erbe nicht gewährte haushaltsabsichernde Voraus nach § 1932 BGB zeugt zudem davon, dass die Versorgung des Ehegatten nicht zum Nachteil der Vermögensteilhabe der Kinder sichergestellt werden sollte. Eine eigenständige und dauerhafte Vermögensnachfolge durch den Ehegatten wurde nicht intendiert. Hierauf war und ist 445  D.

V. 8.



VI. Verfassungsrechtliche Einordnung des Pflichtteilsrechts des Ehegatten177

das Erb- bzw. Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge gerichtet. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sorgten zudem für eine schwache Vermögensteilhabe des Ehegatten. Die im späten 19. Jahrhundert systemisch begrenzte Goldmarkgeldmenge und vor allem die aus Landgütern bestehenden großen Nachlässe bedingten dies. Wegen des Ertragswertverfahrens im Pflichtteilsrecht gem. § 2312 BGB für Landgüter und wegen der durch die goldunterlegte Währung begrenzte Geldmenge war die für den Ehegatten relevante Nachlassmasse tatsächlich begrenzt. Der Reformen des Gesetzgebers unter dem Grundgesetz und damit insbesondere unter Art. 6 Abs. 1 GG änderten an diesem Bild nichts. Das güterrechtliche Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB für die in Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten und die Erhöhung der Erbquote für in Gütertrennung lebende Ehegatten durch § 1931 Abs. 4 BGB führten lediglich zu einer güterstandsspezifischen und damit nicht allgemein erbrechtlichen Besserstellungen des Gatten. Zum anderen können diese dogmatisch zweifelhaften und wenig stringenten Normen keine Grundlage für eine grundsätzliche Weiterentwicklung der erbrechtlichen Institutsgarantie des Ehegatten darstellen. Dies verdeutlicht auch § 1371 Abs. 3 BGB, nach dem der überlebende Ehegatte neben dem Pflichtteil nur den konkreten Zugewinnausgleich fordern kann. Eine originär pflichtteilsrechtliche Stärkung wurde mit dem Güterrechtlichen Viertel des § 1371 Abs. 1 BGB für die Mehrheit der im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten gerade nicht implementiert. Lediglich die Gewähr des haushaltssichernden Voraus gem. § 1932 BGB neben Abkömmlingen seit 1958 rückt den Solidaritätsgedanken der Eheleute in den Vordergrund. Diese Veränderung wird von Art. 6 Abs. 1 GG mitgetragen. Da das Pflichtteilsrecht des Ehegatten den Voraus nicht erfasst, bleibt diese Verbesserung jedoch ohne Auswirkungen auf das Ehegattenpflichtteilsrecht. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass über die erbrechtliche Institutsgarantie eine Versorgung des Ehegatten über das Pflichtteilsrecht sichergestellt werden soll. Diese Versorgungsfunktion ist insoweit begrenzt, dass diese grundsätzlich nicht auf Kosten der Vermögensteilhabe der Abkömmlinge geht. Der besondere Schutzauftrag des Staates für die Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG schützt und fordert, unabhängig von der über Art. 14 Abs. 1 GG gewährten erbrechtlichen Institutsgarantie, ein ebenfalls auf Absicherung bzw. Versorgung gerichtetes Pflichtteilsrecht als Ausdruck ehelicher Solidarität.446

446  Vgl.

D. VI. 5. d).

E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des verfassungsrechtlich geschützten Wesenskerns der Ehe? I. „Nichts ist riskanter als die Eingehung der Ehe“1 Mit diesem Satz leitete die Vorsitzende des Familienrechtssenats des Bundesgerichtshofs Hahne ihren Vortrag zu den Grenzen ehevertraglicher Gestaltung auf der Jahresversammlung des Rheinischen Notarvereins 2003 ein. Dieses Risiko bezieht sich nicht nur auf das Scheitern der Ehe, sondern auch auf die nachfolgende Rechts- und Lebensstellung der geschiedenen Ehegatten. Gemessen an der durch den Familienrechtssenat unter dem Vorsitz Hahnes ausgeurteilten Leitlinien2 zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen soll Hahnes Analyse nicht widersprochen werden. Die durch die Kernbereichslehre geprägte Rechtsprechung bietet grundsätzlich eine Absicherung der Ehegatten. Demnach werden nach dem Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahr 2004 der Vertragsfreiheit dort Grenzen gezogen, wo die ehe­ liche Lastenverteilung evident einseitig (objektives Element) und unter verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist (subjektives Element). Diese Unzumutbarkeit wird gestuft nach dem Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB, sodann dem Alters- und Krankheitsunterhalt nach § 1571, 1572 BGB und dem Versorgungsausgleich als Ausprägung vorweggenommenen Altersunterhalts. Erst dann folgen weitere Unterhalts­ 1  Hahne

DNotZ 2004, 84, 84. zur Vertragsfreiheit im Familienrecht aus obergerichtlicher Sicht: Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S. 181 ff. in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt; Überblick zu den grundsätzlichen Entscheidungen: Zentral: BGH NJW 2004, 930 ff. = BGHZ 158, 81 ff.; Vertiefend: BGH NJW 2005, 137 ff.; BGH NJW 2005, 139 ff., BGH NJW 2005, 1370 ff.; BGH NJW 2005, 2386 ff.; BGH NJW 2005, 2391 ff.; BGH NJW 2006, 2331 ff.; BGH NJW 2006, 3142 ff.; BGH NJW 2007, 904 ff. = BGHZ 170, 77 ff.; BGH NJW 2007, 907 ff.; BGH NJW 2007, 2848 ff.; BGH NJW 2007, 2851 ff.; BGH NJW 2008, 1076 ff.; BGH NJW 2008, 1080 ff.; BGH NJW 2008, 3426 ff.; BGH NJW 2009, 842 ff. = BGHZ 178, 322 ff.; BGH NJW 2009, 2124 ff.; hervorgehoben OLG Celle NJW-RR 2008, 881 f. = OLG Celle FamRZ 2008, 2115 ff. m. Anm. Bergschneider; Rechtsprechung nach Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 587 insbes. Fn. 35; vgl. im Übrigen zur Rechtsprechung auch B. I.-II. 2  Grundsätzliches



I. „Nichts ist riskanter als die Eingehung der Ehe“179

tatbestände wegen Erwerbslosigkeit und Ausbildung und zuletzt der einer vertraglichen Preisgabe am weitestgehenden zugängliche Zugewinnausgleich.3 Bei der Inhaltskontrolle scheint es jedoch ohne Bedeutung zu sein, wenn die Eheleute den Zugewinnausgleich ausschließen. Der Zugewinnausgleich lässt den Ehegatten an dem ehebedingten Vermögensaufbau partizipieren.4 Der Zugewinnausgleich ist ein Scheidungsfolgenanspruch der anders als die Unterhaltsansprüche nicht unter dem Vorbehalt der Bedürftigkeit steht. Der Versorgungsausgleich, als Form des vorweggenommenen Altersunterhalts5 unterstellt ebenfalls eine gewisse Bedürftigkeit des Ehegatten im Alter und wird dementsprechend als kernbereichsnah6 eingestuft. Der Zugewinnausgleich hat von den Scheidungsfolgenrechten eine eigene Rechtsqualität. Durch den Zugewinnausgleich wird eine Teilhabe an ehebedingt aufgebautem Vermögen vermittelt. Ein Deckelung des Anspruchs der Höhe nach oder gar ein Vorbehalt der Bedürftigkeit besteht nicht. Damit handelt es sich um den einzigen Scheidungsfolgenanspruch, der das Potential hat, dem Ehegatten eine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit jenseits der Fragen der Lebensbedarfsdeckung zu vermitteln. Dieser durch den Zugewinnausgleich vermittelten Sicherheit und Freiheit kommt bei der Inhaltskontrolle praktisch kein Gewicht zu.7 Das Risiko im Fall einer Scheidung nicht an einem etwaigen vermögenswirksamen Erfolg der Ehe zu partizipieren, haben die Eheleute nach dieser Rechtsprechung weiter selbst zu tragen. Die Kompensation besonderer Belastungen und Nachteile aus ehe- und familienbedingter Arbeit wird vor allem über Unterhaltsansprüche und Rentenanwartschaften gesucht. Die Kompensation ehebedingter Nachteile in der Erwerbsbiographie kann statt über Unterhaltsansprüche auch durch Einmalzahlungen oder die Übertragung von Immobilien bzw. anderen Vermögenswerten erfolgen.8 Insofern kann die durch den Zugewinnausgleich bedingte Geldzahlung eine Bedeutung haben. Der eigentliche auf eine Teilhabe am Vermögensaufbau gerichtete Zugewinnausgleichs3  Grundsatzentscheidung: BGH FamRZ 2004, 601 ff. Darstellung entsprechend: von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 342 ff. (S. 139 ff.), § 3 Rn.  60 ff. (S.  222 f.); Gernhuber (Begr.), Familienrecht (2010); § 32, insbes. zum Güterrecht § 36 Rn. 21 ff.; vgl. auch B. I.–II. 4  Vgl. näher zum Zugewinnausgleich: B. I. 5  Hahne DNotZ 2004, 84, 92. 6  Von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 344 (S. 140). 7  Über die Gesamtnichtigkeit des Ehevertrages kann es gewiss zum Zugewinnausgleich kommen. Der Zugewinnausgleich selbst spielt aber bei der Beurteilung der Nichtigkeit des Ehevertrages wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle. Vgl. B. I.–II. 8  Vgl. zur Kompensation von wirtschaftlich nachteiligen Folgen des Ausschlusses des Scheidungsfolgenrechts durch Übertragung von Vermögenspositionen: BGH FamRZ 2014, 629 ff.

180

E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

anspruch scheint bei der Inhaltskontrolle dagegen keine Bedeutung zu haben.9 Durch die Reform des Unterhaltsrechts 2008 ist das Risiko Eheschließung und Familie für beide Ehegatten rechtlich wieder angestiegen. Der Reformgesetzgeber wollte die Eigenverantwortung der Eheleute stärken, was spiegelbildlich mit einer Schwächung der Unterhaltsansprüche einhergeht: Der die Kinder betreuende Ehegatte ist nun zu einer deutlich früheren Aufnahme einer Erwerbsarbeit gehalten. Dieser nunmehr durch den Gesetzgeber deutlich geschwächte Betreuungsunterhalt bildet nach der Kernbereichslehre den innersten Punkt der Kernbereichslehre. Nun wird der Verlust des Kerns der Kernbereichslehre durch das Zusammenstreichen unterhaltsrechtlicher Ansprüche aus dem bisherigen Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts beklagt.10 Mit dem Focus der Kernbereichslehre auf einzelne Ansprüche bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen geht ein empfindliches Absenken des Schutzniveaus der Kontrolle von Eheverträgen einher. Das allgemein abgesenkte Niveau des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts spiegelt sich damit unmittelbar im Schutzniveau der Inhaltskontrolle von Eheverträgen wider. Die Inhaltskontrolle von Eheverträgen fußt auf den zentralen Scheidungsfolgenrechten, die dem Wesen der Ehe angelegten Kernmerkmalen und Funktionen entspringen. Grundsätzlich kann der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe über Art. 6 Abs. 1 GG einem gesetzgeberischen Wandel unterliegen. Unter dem Vorbehalt der Anerkennung durch das Bundesverfassungsgericht kann der Gesetzgeber damit das verfassungsrechtliche Verständnis von Ehe veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anpassen.11 Ein möglichst genaues Umreißen der konkreten Stellung des Zugewinnausgleichs in dem bürgerlichen Scheidungsfolgenrecht ist damit geboten. Gleichzeitig ist zu klären, ob und inwieweit der Zugewinnausgleich Ausprägung des Wesens der Ehe nach dem Grundgesetz ist. Im Kern ist damit zu klären, ob die Teilhabe an 9  Vgl. B. I.; auch Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S. 181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt; von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 344 (S. 140). 10  Dauner-Lieb AcP 2010 (210), 580, 589, dort insbes. Fn 52 m.  w. N. u. a. Schwab, Trennungs- und Scheidungsvereinbarungen vor dem Hintergrund der Unterhaltsreform, S. 68 ff., insbes. S. 70 ff. m. V. a. Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3189): Zur möglichen „Kernschmelze“ der Kernbereichslehre durch die Unterhaltsrechtsreform, in: Limmer (Hrsg.) Scheidung, Trennung – Scheidungs- und Trennungsvereinbarungen (2008); Bergschneider DNotZ 2008, 95, (insbes. 107: Bergschneider mahnt das Vorsichtsprinzip bei der Vertragsgestaltung an). 11  Zu dem Wandel der Ehe durch den Gesetzgeber und seine Grenzen: Badura in: Maunz/Dürig (August 2000) Art. 6 Rn. 36, 37.



I. „Nichts ist riskanter als die Eingehung der Ehe“181

ehebedingtem Vermögensaufbau kennzeichnend für die Ehe im verfassungsrechtlichen Verständnis ist. Sofern dies der Fall ist, muss weiter geklärt werden, inwieweit diese grundsätzliche Teilhabe der Eheleute an ehebedingtem Vermögensaufbau ein so wesentliches Merkmal der verfassungsrechtlichen Ehe ist, dass weder der Gesetzgeber noch die Eheleute in der privatautonomen Vermögensausgestaltung der Ehe diese grundsätzliche Teilhabe ganz abbedingen können. Ein konkreter unauflösbarer verfassungsrechtlicher Schutz des Zugewinnausgleichs in der ehevertraglichen Inhaltskontrolle setzt eine Verankerung der Teilhabe an ehelich Erwirtschaftetem im Wesenskern der Ehe voraus. Unter diesem Wesenskern der Ehe ist der Bereich der verfassungsrechtlichen Ehe zu verstehen, dessen Auflösung durch den Gesetzgeber oder die Eheleute selbst zu einem Ehebild führt, das die Grundwerte des verfassungsrechtlichen Eheverständnisses nicht mehr widerspiegelt. Dieser Wesenskern der Ehe sind die innersten wesentlichen Strukturen des bürgerlichen Ehe- und Familienrechts, die durch die verfassungsrechtliche Institutsgarantie der Ehe geschützt sind.12 Dieser Kern der verfassungsrechtlichen Ehe ist für den Bereich der güterrechtlichen Beziehungen der Ehe bisher noch nicht klar herausgeschält worden. Grundsätzlich steht wertentscheidend für die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute fest, dass diese auf der Gleichberechtigung von Mann und Frau aufbauen und diese Gleichberechtigung sich auch nach der Auflösung der Ehe an dem den Eheleuten gemeinsam gehörenden Vermögen fortsetzt.13 Die Problematik lässt sich im Kern auf K. Schmidts14 grundsätzliche Frage zurückführen, ob denn dispositives Recht oder zumindest Teile dieses dispositiven Rechts zwingend und damit nicht bei der ehelichen Vermögens­ ausgestaltung durch die Eheleute disponibel sein können. Im Grunde stellt sich für den Gesetzgeber die gleiche Frage. Der Gesetzgeber darf das einfache Scheidungsfolgenrecht nur verfassungskonform ausgestalten und den Eheleuten über das einfache Recht nur grundsätzlich verfassungskonforme Möglichkeiten der Eheausgestaltung vorschlagen: Für das eheliche Güterrecht bedeutet das, dass die gesetzlich geregelten Güterstände nicht grundsätzlich gegen die Verfassung verstoßen dürfen. 12  Zur Institutsgarantie als Kern des Familienrechts: Leibholz/Rinck GG (Juli 2006) Art. 6 Rn. 6. 13  Leibholz/Rinck GG (Juli 2006) Art. 6 Rn. 6 m.  w. N.; vgl. insbesondere zur Ehe als gleichberechtigte Verbindung von Mann und Frau (BVerfGE 3, 225, 242; 10, 59, 67; 42, 64, 77; 61, 319, 347) und zur gemeinsamen Berechtigung am Vermögen (BVerfGE 42, 64, 77). 14  Schmidt, Gesellschaftsrecht (2002), § 5 III 1. c) (S. 111); ebenfalls zitiert durch Dauner-Lieb (AcP 210 (2010), 580, 591) mit dem Hinweis, dass die familienrechtliche Kernbereichslehre durch die gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre inspiriert ist.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

Die Unterhaltsrechtsreform 2008 erfolgte ohne breite Diskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Begrenzung von Unterhaltsansprüchen. Insbesondere bei Ehen von langer Dauer und dem damit verbundenen Vertrauensschutz hätte sich eine grundlegende Diskussion aufdrängen müssen.15 Mit der Reform des Unterhaltsrechts ist der Gesetzgeber durchaus für Ehen von langer Dauer in einen Bereich vorgestoßen, der ein Mindestmaß ehelicher Solidarität repräsentiert.16 Gewiss unterliegt das verfassungsrechtliche Verständnis der Ehe innerhalb der Grenzen der verfassungsrechtlichen Institutsgarantie einem durch den Gesetzgeber zu gestaltenden Wandel.17 Trotz der hier geäußerten Bedenken bezüglich der Unterhaltsrechtsreform von 2008 ist eine Verfassungswidrigkeit des Scheidungsfolgenrechts nicht anzunehmen: Der Gesetzgeber darf und muss Ehe und Familie fördernde Rahmenbedingungen setzen und dabei gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen. Dabei darf der Gesetzgeber auch Ehe und Familie grundsätzlich fördernde Wertentscheidungen treffen. Der Gesetzgeber hat die Eigenverantwortung der Eheleute gestärkt und dadurch einerseits Unterhaltsansprüche spürbar herabgesetzt und andererseits den Unterhaltspflichtigen entlastet und ihm dadurch auch die erneute Ehe- und Familiengründung erleichtert.18 Angesichts konstant niedriger Geburtenzahlen lag eine solche grundsätzliche Wertentscheidung im verfassungsrechtlich zu billigenden Ermessen des Gesetzgebers. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht schon mit dem neuen Unterhaltsrecht ohne Beanstandungen grundsätzlicher Art befasst.19 Letztlich kann auch ein isolierter Blick auf einzeln betrachtete Normen nicht als Ausgangspunkt für die Beurteilung einer etwaigen Verfassungswidrigkeit dienen. Ein solcher Ansatz, der die Gesamtheit des Scheidungsfolgenrechts nicht widerspiegelt, würde dem Wesen der Ehe nicht gerecht werden. Hausratsverteilung, Versorgungs- und Zugewinnausgleich sind ebenfalls Teil eines sich nur in der Gesamtheit erschließenden gesetzlichen Gesamtkonzepts ehelicher Solidarität. Der isolierte Ausschluss des Zugewinnausgleichs zog bisher noch nicht die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages nach sich.20 Hieraus kann dem Zugewinnausgleich nicht vorschnell die vermeintliche Bedeutungslosigkeit eines Appendix zugeschrieben werden. So kann der Zugewinnausgleich im Rahmen des gesetzlichen Gesamtkonzepts durch ein geringeres Schutzniveau des übrigen 15  Zur retrospektiven Kritik an der Reform, insbesondere für Ehen von langer Dauer: Wagner-Kleinkauf FPR 2012, 154 f. 16  Grundsätzlich zumindest auch mit starker Kritik an der Reform: WagnerKleinkauf FPR 2012, 154 f. 17  Badura in: Maunz/Dürig (April 2012) Art. 6 Rn. 37. 18  Langenfeld, Eheverträge (2011), 3. Kapitel § 1 I. Rn. 424 m. w. N. 19  BVerfG NJW 2011, 836 ff. = BVerfGE 128, 193 ff. 20  OLG Hamm ZNotP 2006, 387 f.; BGH ZNotP 2008, 205 ff.



I. „Nichts ist riskanter als die Eingehung der Ehe“183

Scheidungsfolgenrechts an Bedeutung gewinnen. Damit könnte der Zugewinnausgleich im Ranking der Scheidungsfolgenrechte der Kernbereichslehre zum Kernbereich aufschließen. Die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages oder die Verfassungskonformität des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts kann nicht an einzelnen Ansprüchen an Hand deren pauschalierter Nähe zu dem Wesenskern der Ehe bestimmt werden. Vielmehr ist dieses Näheverhältnis nicht statisch, sondern korreliert mit der allgemeinen Reichweite des jeweiligen übrigen Scheidungsfolgenrechts und der konkreten Bedeutung des Anspruchs in der jeweiligen Ehe. So kann der Zugewinnausgleich verhältnismäßig nahe an den Wesenskern heranrücken. Der Zugewinnausgleich kann nur sicher ausgeschlossen werden, wenn dieser nicht gewichtige Wesensmerkmale der Ehe repräsentiert. Selbst dem vermeintlich funktionslosen Appendix könnten überlebenswichtige Funktionen zukommen. In der Medizin wird etwa vermutet, dass sich die Darmflora nach schweren Darmerkrankungen aus dem vermeintlich funktionslosen Appendix regenerieren kann.21 Gegen die Verortung des Zugewinnausgleichs als kernbereichsfern und damit einer individualvertraglichen Vereinbarung weitgehend zugänglich hegte die Literatur zuletzt Zweifel.22 Nährboden dieser Zweifel ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Ehevertragsfreiheit.23 Es verwundert daher nicht, dass der Bundesgerichtshof sich veranlasst sieht, seine Rechtsprechung zur ehevertraglichen Disposition des Zugewinnausgleichs unter Hinweis auf das Verfassungsrecht zu bestätigen. So will der XII. Senat seine Rechtsprechung mit der Behauptung auf ein verfassungsrechtliches Fundament stellen, dass die Regelungen des Zugewinnausgleichs „deutlich“ „über die teleologischen Grundlagen des Teilhabeanspruchs – die verfassungsrechtlich verbürgte Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit“ hinausginge.24 Der Senat vermisst weiter eine verfassungsrechtlich überzeugende Herleitung, nach der die eigenverantwortliche Ausgestaltung der Vermögenssphäre der Eheleute eingeschränkt sein könnte.25 Das Urteil offenbart die praktische Dominanz des Verfassungsrechts auf die Reichweite ehelicher Vertragsfreiheit und die Inhaltskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung. Trotz der von dem Senat erkannten erheblichen 21  Kirsch,

Taschenlehrbuch Anatomie (2011), S. 54. Kritik der Literatur im Überblick durch Münchs: BGH FamRZ 2013, 269 ff. = BGH MittBayNot 2013, 235 ff., mit Anmerkung Münch MittBayNot 2013, 246, 246. 23  BVerfG FamRZ 2002, 527  ff. = BVerfGE 105, 1 ff. Ebenso Bergschneider: BGH FamRZ 2013, 269 ff. mit Anmerkung Bergschneider 273, 273. 24  BGH MittBayNot 2013, 235, 236 = BGH FamRZ 2013, 269, 270. 25  BGH MittBayNot 2013, 235, 237 = BGH FamRZ 2013, 269, 270. 22  Die

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

verfassungsrechtlichen Bedeutung lässt das Urteil eine substantielle Aus­ einandersetzung mit dem Verfassungsrecht vermissen. In konsequenter Fortführung dieses Urteils wird die nachfolgende Untersuchung den Einfluss des Verfassungsrechts auf die güterrechtliche Vertragsfreiheit in den Focus nehmen.

II. Der Weg zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft 1. Die Zugewinngemeinschaft – lediglich eine Wiederentdeckung? Nach der Lektüre der Ausführungen Meders26 zu den Ursprüngen der Zugewinngemeinschaft keimt der Gedanke, dass das eheliche Güterrecht ähnlich historisch geprägt ist wie das Erbrecht. So wird27 auf die bis ins Mittelalter zurückreichenden Wurzeln des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft hingewiesen. Es ist keine grundlegend neue güterrechtliche Wertentscheidung, dass das „aus beyder Eheleute[…] Nahrung und Fleiß herrühren[de diesen zu] gleichen Theil[en]“ zustehen soll.28 Schon Art. 68 des nur lokal geltenden Stad- und Budjadinger Landrechts ordnete das Verhältnis der Ehegatten untereinander wie zitiert ein und damit dem Grunde nach so wie es auch der Güterstand der Zugewinngemeinschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorsieht. Neu ist jedoch die Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand29 auf dem Gebiet der gesamten Bundesrepublik Deutschland, die damit den grundlegenden Rechtsgedanken dieses alten regionalen Güterstandes aufgreift. Das rückblickend wegweisende Güterrechtsmodell des Stad- und Budjadinger Landrechts konnte das gesetzliche Güterrecht des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs weder prägen noch hatte es einen Einfluss auf dieses Güterrecht: Eine Übernahme des Güterrechtsmodells des Stad- und Budjadinger Landrechts in das historische Bürgerliche Recht entsprach nicht dem Anspruch des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das Bürgerliche Gesetz26  Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S.  11 m. V. a. Stad- und Budjadinger Landrecht von 1664. 27  Zum Ganzen: Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 11 m. V. a. Stad- und Budjadinger Landrecht von 1664. 28  Vgl. Art. 68 Statt- und Buttjadinger Landrecht (ursprüngliche Schreibweise), in: Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 123. 29  Vgl. §§ 1363 ff. BGB.



II. Der Weg zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft185

buch sollte eine einheitliche Rechtslage für das Deutsche Reich herstellen.30 Dies wurde durch ein Zurückführen der regional31 bedeutenden32 Güterstände auf einige wenige erreicht, zu denen das Stad- und Budjadinger Landrecht nicht zählte.33 Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 kannte neben dem ordentlichen gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes (§§ 1363 ff. BGB a. F.) auch die Gütertrennung (§§ 1426 ff. BGB a. F.), die Allgemeine Gütergemeinschaft (§§ 1437 ff. BGB a. F.), die Errungenschaftsgemeinschaft (§§ 1519 ff. BGB a. F.) und die Fahrnisgemeinschaft (§§ 1549 ff. BGB a. F.) als weitere Güterstände, die im Nachfolgenden kurz im Hinblick auf das Güterrecht skizziert werden:34 Der ordentliche gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes sah keine Beteiligung der Frau an ehelich erworbenem Vermögen vor. Nach § 1363 BGB a. F. wurde das Vermögen der Frau bei Eheschließung grundsätzlich der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterstellt (eingebrachtes Gut). Der Frau stand gem. § 1365 ff. BGB a. F. grundsätzlich lediglich die Verwaltung des Vorbehaltsguts zu, das regelmäßig aus den persönlichem Gebrauch dienenden Gegenständen bestand und dem, was die Ehefrau durch ihre Arbeit erworben hat.35 Nach Beendigung des Güterstandes hatte der Mann der Frau das eingebrachte Gut grundsätzlich herauszugeben (§ 1421 BGB a. F.).36 Bei der Gütertrennung blieben die Vermögen der Gatten in jeder Hinsicht getrennt und das Vermögen der Ehefrau wurde prinzipiell durch diese selbst verwaltet.37 Nach wie vor kennt das heutige Bürgerliche Recht die Gütertrennung: Während der heutige § 1414 BGB sich inhaltlich auf die Aussage beschränkt, dass bei der Gütertrennung keine „spezifischen ehegüterrechtlichen Beziehungen bestehen“, regelte das historische Bürgerliche Recht etwa 30  Vgl.

Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 56 ff. in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorb. zu §§ 1408

31  Thiele

Rn. 10. 32  Zur statistisch motivierten Auswahl der Güterstände: Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 6 m. V. a. Motive, Band IV, S. 145, 146. 33  Zum Entstehungsprozess: Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 56 ff. und 62 ff. 34  Im Überblick: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht) (Februar 2007) Vor § 1408 Rn. 10; vertiefende Darstellung: Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 62–95; nach Lehmann der folgende Überblick. 35  Vgl. ausführlich: Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 64 ff. m. w. N. 36  Vgl. näher zur Beendigung des Güterstandes: Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S.  72 ff. m. w. N. 37  Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 76 ff. m. w. N.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

den ehelichen Aufwand.38 Nach § 1927 Abs. 1 BGB a. F. hatte der Ehemann die Kosten des ehelichen Aufwands – alle Kosten der ehelichen Lebensgemeinschaft39 – zu tragen.40 Für die allgemeine Gütergemeinschaft war die Bildung eines Gesamtgutes nach § 1438 Abs. 1 BGB a. F. kennzeichnend. Grundsätzlich bestand das Gesamtgut aus dem bei Eheschließung vorhandenen Vermögen der Eheleute und dem während der Gütergemeinschaft erworbenen Vermögen. Bei der Beendigung der Gütergemeinschaft wurde das Gesamtgut grundsätzlich zu gleichen Teilen unter den Eheleuten gem. § 1576 BGB a. F. aufgeteilt. Im Fall der Beendigung des Güterstandes durch Scheidung konnte der nicht schuldige Teil grundsätzlich die Auseinandersetzung in Form der Rückerstattung des Werts der eingebrachten Teile verlangen (§ 1478 BGB a. F.).41 Die heutige Gütergemeinschaft nach §§ 1415 ff. BGB entspricht dem Grunde nach noch immer der (allgemeinen) Gütergemeinschaft des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Zuge des Gleichberechtigungsgesetzes wurde in den 1950er Jahren die Gütergemeinschaft dem Grundsatz der Gleichberechtigung angepasst.42 Das Sondergut wird nun nach § 1417 BGB Abs. 3 BGB durch jeden Ehegatten selbst für Rechnung des Gesamtgutes verwaltet.43 Während zuvor der Ehemann sein eigenes Sondergut und das seiner Ehefrau verwaltete.44 Kennzeichnend für die Errungenschaftsgemeinschaft war, dass nach § 1519 BGB a. F. nur während der Ehe erworbenes Vermögen gemeinschaftlich wurde (Gesamtgut), ansonsten galt Gütertrennung. Bei Beendigung des Güterstandes wurde das Gesamtgut zu gleichen Teilen unter den Ehegatten gem. § 1546 BGB a. F. i. V. m. §§ 1475, 1476 BGB a. F. geteilt.45 Die Fahrnisgemeinschaft verweist grundsätzlich auf die Vorschriften der allgemeinen Gütergemeinschaft (§ 1549 BGB a. F.). Kennzeichnend für die Fahrnisgemeinschaft ist, dass sich das Gesamtgut einerseits aus dem während der Ehe erwirtschafteten Vermögen und andererseits aus allen beweglichen Sachen der Eheleute zusammensetzte.46 38  Thiele/Rehme in: Staudinger, (Eheliches Güterrecht) (Februar 2007), Vorbemerkung zu § 1414 Rn. 1. 39  Planck, BGB, Familienrecht, (3. Aufl., 1906), § 1389 Rn. 1. 40  Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 76. 41  Darstellung nach: Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 79 ff. m. w. N. 42  Thiele in: Staudinger, (Eheliches Güterrecht) (Februar 2007), Vorbemerkung zu § 1415 ff. Rn. 7, 8 m. V. a. Bärmann AcP 157 (1958/1959), 145, 204–206. 43  Bärmann AcP 157 (1958/1959), 145, 205. 44  Vgl. Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 81: § 1439 BGB a. F. i. V. m. §§ 1519–1525 BGB a. F. 45  Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 87 ff. m. w. N., vgl. dort insbesondere zur Wirkung der Gütertrennung. 46  Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 91 ff. m. w. N.



II. Der Weg zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft187

Der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Ehefrau, von der das Stad- und Budjadinger Landrechts von 1664 durch die prinzipiell gleiche Berechtigung der Eheleute am ehelich Erarbeiteten zeugt, kam insbesondere bei der Erarbeitung des gesetzlichen Güterstandes47 des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs keine zentrale Bedeutung zu. Nach diesem gesetzlichen Güterstand trug der Ehemann die ehelichen Lasten,48 wobei die Ehefrau durch das Gesetz vor ihrer mangelnden Geschäftserfahrung49 geschützt werden sollte. Der Protest gegen dieses „System des Mannesegoismus“50 verhallte erfolglos. Nur die Errungenschaftsgemeinschaft als vertraglicher Güterstand des historischen bürgerlichen Gesetzbuchs ist mit dem heutigen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft annähernd vergleichbar. Mit der Aufteilung des ehelichen Überschusses zu gleichen Teilen finden sich Parallelen51 zum Zugewinnausgleich. Schon wegen der zur Auswahl stehenden gesetzlich geregelten vertraglichen Güterstände war die Ehevertragsfreiheit im historischen Bürgerlichen Gesetzbuch angelegt. § 1432 BGB a. F. ermöglichte Wahl und Anpassungen des Güterstandes.52 Die gesetzlichen Güterstandsregelungen wurden nur als „prinzipiell richtig[…]“53 angesehen. Mit der Ehevertragsfreiheit sollte den konkreten wirtschaftlichen Verhältnissen der Eheleute und der ehelichen Verantwortung Rechnung getragen werden können.54 Die Ehevertragsfreiheit wurde als ein „von jeher anerkannt[es]“ Recht angesehen, das seine Grenzen im „Wesen der Ehe“ findet.55 47  Im Überblick: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht) (Februar 2007) Vor § 1408 Rn. 10; vertiefende Darstellung: Lehmann, Die Ehefrau und Ihr Vermögen, S. 62–95. 48  Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 14. 49  Jastrow, Das Recht der Frau nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Berlin (1897), S. 27, zitiert nach: Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S.  14 f. 50  Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 12, der die historische Kritik von Bähr zitiert: Bähr, Zur Beurtheilung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, München (1888), insbes. S. 143– 154, 145. 51  Zum genauen Rechtscharakter der historischen Errungenschaftsgemeinschaft: Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, S. 87 ff. 52  Vgl. zum Ganzen: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu § 1408 Rn. 10–11. 53  Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu §  1408 Rn.  11 m.  V.  a. Erwägungen zur Rechtsvereinheitlichung bei: Motive, Band IV, S. 139. 54  Ähnlich schlussfolgernd auch: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu §§ 1408 Rn. 11.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

Ein Ausdruck der Gleichberechtigung der Ehegatten kann in der historischen Ehevertragsfreiheit nicht erkannt werden. Auch wenn durch diese Ehevertragsfreiheit eine gleiche Berechtigung der Eheleute am ehelich Hinzuerworbenen vereinbart werden konnte. Durch die Ehevertragsfreiheit sollten konkrete wirtschaftliche Beiträge der Ehegatten gewürdigt werden können. Gerechtigkeit nach wirtschaftlichen Maßstäben wurde ermöglicht. Eheliche Gleichberechtigung sollte nicht geschaffen werden. Diese Wurzel der Ehevertragsfreiheit steht in Widerspruch zu dem gegenwärtigen Verständnis einer Ehevertragsfreiheit, als Ausdruck der selbstbestimmten Ehe gleichberechtigter Eheleute. Buschendorf beschreibt die historische Entwicklung der Vertragsfreiheit im Ehevermögensrecht.56 Demnach flottiert die Vertragsfreiheit im Eherecht seit der Antike zwischen einer einerseits staatlich vorgegebenen und definierten Ehe und einer andererseits individuell ausgestaltbar überstaatlichen Ehe.57 Der Mechanismus dieses Wechselspiels bleibt weitgehend im Verborgenen. Die Ehe des historischen Bürgerlichen Gesetzbuches war nicht durch individuelle Freiheit, sondern überindividuell durch eine sittlich rechtliche Ordnung geprägt.58 Aufklärung und Liberalismus bereiteten den Weg für ein allgemeines Bewusstsein „from status to contract“59.60 Das Bewusstsein sich gleichberechtigt gegenübertretender Ehegatten war dabei nicht prägend. Hieran konnte auch Art. 119 Abs. 1 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung nichts Elementares ändern. Zwar sah dieser die Gleichberechtigung beider Ehegatten vor. Erstaunlicherweise wurde auch güterrechtlich eine Berechtigung beider Gatten am ehelich Hinzugewonnenen als geboten erkannt.61 Mangels vorbehaltsloser Geltung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau konnte diese im gesetzlichen Güterrecht jedoch keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfalten: Art. 109 Abs. 1 Satz 2 Weimarer Reichverfassung regelte die allgemeinen staatbürgerlichen Rechte und Pflichten von Männer und Frauen. Danach bestanden lediglich „grundsätzlich dieselben“ Rechte für beide Geschlechter. Der einfache Gesetzgeber konnte im Verständnis 55  Schubert (Hrsg.), Nachdruck 1983, S. 746: Planck, Familienrecht Teil 1, Eingehung und Wirkung der Ehe, Eheverträge, S. 594. 56  Buschendorf, Grenzen der Vertragsfreiheit, S. 49 ff. 57  Buschendorf, Grenzen der Vertragsfreiheit, 88 ff. 58  Buschendorf, Grenzen der Vertragsfreiheit, S. 90 m.  V. a. Mugdan, Band IV, S. 301 (Beschreibung eines christlichen Ehebildes). 59  Maine, Ancient Law, New York (1871), S. 165. 60  Buschendorf, Grenzen der Privatautonomie, S. 51 m.  V. a. etwa Fischer, Der Begriff der Vertragsfreiheit, S. 25 (Vertiefend zu den ideologischen Wurzeln). Buschendorf zitiert ebf. Maine. 61  Wieruszowski in: Nipperdey, Grundrechte und Grundpflichten, Band 2 (1930), Art. 119 § 2 V. 8. (S. 87).



II. Der Weg zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft189

der Weimarer Reichsverfassung einerseits Ausnahmen zu dem Grundsatz der Gleichberechtigung vorsehen und andererseits entfaltete die Weimarer Reichsverfassung schon keine unmittelbaren Rechtswirkungen auf konfligierendes Bürgerliches Recht. Mit diesem Verfassungsverständnis war die verfassungsrechtliche Gleichberechtigung von Mann und Frau praktisch „funktionsleer“.62 Die Ehe blieb wegen dieses verfassungsrechtlich leerlaufenden Schutzes von überkommenen Wertvorstellungen geprägt. Teilweise wirken diese bis heute fort. So sollte die Versorgungswirkung des historischen Scheidungsfolgenrechts die Subsidiarität staatlicher Leistungen sichern.63 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen zulasten des Sozialhilfeträgers zeugt bis heute von diesem Einfluss.64 Auch ist dies der Inhaltskontrolle von Eheverträgen de lege lata nicht fremd. Die finanzielle Absicherung der Ehegatten durch die Inhaltskontrolle von Eheverträgen entlastet den Steuerzahler zumindest als Rechtsreflex. In Teilbereichen war der grundgesetzliche Gedanke von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Beiträge der Partner dem historischen Familienrecht überraschenderweise sogar bekannt. Ein der Ehefrau alles durch die Eheleute Erworbene zusprechender Ehevertag wurde schon vor Geltung des Grundgesetzes unter dem historischen Bürgerlichen Recht als sittenwidrig eingestuft.65 An der durch einen derartigen Ehevertrag beabsichtigten reinen Einseitigkeit der Chance auf güterrechtliche Teilhabe hat sich auch das Oberlandesgericht Stuttgart66 schon vor der Ehevertragsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestoßen. Soweit also nur in der Person eines Ehegatten Zugewinnausgleichsansprüche entstehen können sollen, kann hierüber an einen Verstoß gegen die guten Sitten des § 138 Abs. 1 BGB angeknüpft werden. Soweit also die Ehefrau vermeintlich durch einen Ehevertrag übervorteilt wurde, galt auch unter dem historischen Bürgerlichen Recht faktisch die Gleichberechtigung bei der Kontrolle güterrechtlicher Vereinbarungen. Und 62  Im Einzelnen: Mehnert, Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht und im Ehegattenunterhaltsrecht, S.  18 f. m. w. N. 63  Motive, Band IV, S. 617 (Sorge um „eine Mehrung der öffentlichen Armenlast“). 64  Vgl. B. I. 65  Strohal (Hrsg.), Planck’s Kommentar zum BGB, Band IV (1928), § 1432, S. 325 (9. b.); Bartolomäus JW 1902, 247 (Grenzen der güterrechtlichen Vertragsfreiheit durch Teilverlust der Rechtsfähigkeit des Mannes). 66  OLG Stuttgart FamRZ 1983, 498 ff. (insbesondere aber an den verschleiernden Wortlaut des Ehevertrages anknüpfend.) – vgl. Besprechung bei Schröder, Gestaltung eines Güterstandes, S. 38.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

das ohne auf die grundgesetzlichen Wertentscheidungen der Art. 3 Abs. 1, 2 und Art. 6 Abs. 1 GG abzustellen oder gar abstellen zu können. Im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart kann zumindest festgehalten werden, dass das Urteil die verfassungsrechtliche Wertentscheidung der Gleichberechtigung beider Partner reflektierte, als die durch das Grundgesetz vermittelten Werte noch nicht in die gegenwärtige allgemeine Inhaltskontrolle von Eheverträgen mündete. Allgemein lässt sich zusammenfassen, dass sich Rückschlüsse aus dem historischen Güterrecht auf die Kontrolle gegenwärtiger güterrechtlicher Vereinbarungen verbieten: Hierfür ursächlich sind die nicht auf dem Fundament der grundgesetzlichen Werteordnung der Art. 3 Abs. 1, 2 und Art. 6 Abs. 1 GG erfolgten Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Die historischen Güterstände des Bürgerlichen Gesetzbuchs mussten sich nicht an der grundgesetzlichen Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der Beiträge beider Ehegatten messen lassen, die Grundlage des gegenwärtigen gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft sind. Weder das Güterrecht noch die Vertragsfreiheit wurden von der Gleichberechtigung der Eheleute historisch betrachtet erfasst. Deshalb sah der Parlamentarische Rat mit Art. 117 Abs. 1 GG das Außerkrafttreten des verfassungswidrigen Familienrechts und damit das Außerkrafttreten des gesetzlichen Güterrechts vor. 2. Die Zugewinngemeinschaft – Güterstand des Grundgesetzes Ob und welche güterrechtliche Teilhabe unmittelbar durch den Gleichheitssatz des Grundgesetzes gefordert ist, hätte die Rechtsprechung nach dem Außerkrafttreten des verfassungswidrigen Güterrechts des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs nach dem 1. April 1953 gem. Art. 117 Abs. 1 GG beantworten müssen. Die Gleichberechtigung der Eheleute sah grundsätzlich schon Art. 119 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung vor. Tatsächlich konnte die Weimarer Reichsverfassung an dem beklagten, den Frauen angetanen Unrecht67 nichts ändern.68 Der Parlamentarische Rat wollte weder die Konstruktionsfehler der juristisch nicht auf das Bürgerliche Recht durchschlagenden Weimarer Reichsverfassung übernehmen, noch den Zustand nicht verwirk67  BVerfGE 10, 59, 67: m. V. a. Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, 70. Sitzung am 30. Juli 1919, Prot. S. 2087, 2126: Baum macht geltend, dass „durch [das] Bürgerliche Gesetzbuch[…] den Frauen und damit der Ehe vielfach Unrecht geschehen“ sei. Zu der für das BGB folgenlos bleibenden WRV: E. II. 1. 68  Mehnert, Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht und im Ehegattenunterhaltsrecht, S.  18 f.



II. Der Weg zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft191

lichter Gleichberechtigung beider Geschlechter weiter fortschreiben.69 Art. 117 Abs. 1 GG verlieh mit seiner umstrittenen und nicht unbedenklichen70 Rechtsfolge, des Außerkrafttretens von mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbarem Recht, dieser Forderung vehement Nachdruck. Auch das dem Gleichheitssatz widersprechende gesetzliche Güterrecht musste ersichtlich in den Regelungsbereich des Art. 117 Abs. 1 GG fallen.71 Die Befürworter dieses durch Art. 117 Abs. 1 GG erhöhten verfassungsrechtlichen Umsetzungsdrucks konnten sich bestätigt sehen, als erst 1958 mit dem Gleichberechtigungsgesetz die Zugewinngemeinschaft als dem Gleichheitssatz entsprechender verfassungskonformer Güterstand Lebenswirklichkeit wurde. a) Unmittelbare Verfassungsbindung der Justiz durch Art. 117 Abs. 1 GG Mit dem Verstreichen lassen der durch Art. 117 Abs. 1 GG gesetzten Umsetzungsfrist trat das verfassungswidrige Güterrecht außer Kraft und die Gerichte waren seit dem 1. April 1953 unmittelbar an die verfassungsrechtlich garantierte Gleichberechtigung von Mann und Frau gebunden.72 Damit oblag es der Rechtsprechung, die verfassungsrechtlich geforderte Gleichberechtigung eigenständig umzusetzen. Diese unmittelbare Verfassungsbindung überforderte allerdings die Justiz. In der Zeit zwischen Außerkrafttreten des verfassungswidrigen Güterrechts und dem Inkrafttreten des nachfolgenden Gleichberechtigungsgesetzes 1958 litt erstaunlicherweise die materielle Gerechtigkeit mehr als die Rechtssicherheit.73 Die Gefahr der Rechtsunsicherheit vor Augen billigten die Gerichte entgegen der sonst festzustellenden allgemeinen Tendenz hin zu materieller Gerechtigkeit lieber im Lichte der Gleichberechtigung unbillige Ergebnisse.74 Die Rechtsprechung aus dieser Zeit der verfassungsunmittelbaren Geltung ist von der Vorstellung durchdrungen, ein möglichst einheitliches Güterrecht anzuwenden. Das Oberlandesgericht Celle erkannte dieses Güterrecht in der 69  BVerfGE 10, 59, 68: m.  V. a. auf den Abg. Strauss: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschlusses (1948/49), 42. Sitzung am 18. Januar 1949, S.  538 f. 70  JöR 1951, Art. 117, S. 828: Abg. Süsterhenn scheute die „unhaltbare Lage“ für die Justiz durch ein Außerkrafttreten verfassungswidrigen Rechts, während Abg. Zinn einer bloßen Umsetzungsverpflichtung des Gesetzgebers nur „graue Theorie“ abgewinnen konnte. 71  Vgl. Ausführungen zu dem auf männlicher Dominanz aufbauenden gesetz­ lichen Güterrecht des historischen Bürgerlichen Gesetzbuch: E. II. 1. 72  Vgl. BVerfG NJW 1954, 65 ff. = BVerfGE 3, 225 ff. 73  Kropholler, Gleichberechtigung und Richterrecht, S. 79. 74  Kropholler, Gleichberechtigung und Richterrecht, S. 79 f.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

zu modifizierenden Errungenschaftsgemeinschaft.75 Der Bundesgerichtshof wollte dagegen gleichberechtigungswidrige Normen des gesetzlichen Güterrechts außer Kraft gesetzt sehen und näherte sich über diesen Weg einer faktischen Gütertrennung an.76 Auch die Literatur77 stritt kontrovers um Gütertrennung und Errungenschaftsgemeinschaft. Auch wurde in dem Zeitraum zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes durch die Rechtsprechung kein Zugewinnausgleich zugesprochen, mit dem Argument, dass dies die Übergangsregelungen so erkennen ließen.78 Die Rechtsprechung urteilte so, obwohl eine Teilhabe der Ehegatten am ehelich erwirtschafteten Vermögen aus verfassungsrechtlicher Sicht erkennbar geboten war. So entschied der Bundesgerichtshof79 schon vor dem Außerkrafttreten des verfassungswidrigen Güterrechts 1952, dass bei der Beendigung der Ehe die Eheleute einen Auseinandersetzungsanspruch „an den Ergebnissen ihrer gemeinsamen Arbeit“ haben müssen. In diesem Fall vereinbarten die Eheleute den Güterstand der Gütertrennung. Die Ehefrau arbeitete in dem Gastwirtsbetrieb ihres Mannes weit über das durch die allgemeinen Ehewirkungen geregelte übliche Maß nach § 1356 Abs. 2 BGB a. F.80. Auch vor dem Hintergrund der vereinbarten Gütertrennung führte der Bundesgerichtshof allgemein aus, dass eine Beteiligung an den gemeinsam erwirtschafteten Ersparnissen dem „Wesen der ehelichen Gemeinschaft“ entspricht. Das eben diese Entscheidung aufgreifende Bundesverfassungsgericht durfte damit die ordentliche Gerichtsbarkeit in die Lage versetzt sehen, der sich aus der verfassungsunmittelbaren Grundrechtsbindung ergebenden Gestaltungsverantwortung gerecht zu werden.81 Das 75  OLG

Celle NJW 1953, 986, 987 f. Mehnert, Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht und im Ehegattenunterhaltsrecht, S. 92 f. m. V. a. BGHZ 10, 266 ff. = BGH NJW 1953, 1342 ff. Das Außerkrafttreten verfassungswidriger Normen des gesetzlichen Güterrechts als Annahme des Güterstandes der Gütertrennung durch den BGH wertend: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Einl. zu §§ 1363 Rn. 19. 77  Darstellung bei Mehnert, Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht und im Ehegattenunterhaltsrecht, S.  90 ff. 78  Kropholler, Gleichberechtigung und Richterrecht, S. 38 m.  V. a. OLG Celle FamRZ 1958, 108 f.; OLG Schleswig FamRZ 1958, 218 f.; LG Hamburg FamRZ 1957, 322 ff. 79  BGHZ 8, 249, 255 = BGH NJW 1953, 418, 419 (allgemeine Ausführungen zum Wesen der Ehe). 80  § 1356 BGB a.  F. (Abs. 1) Die Frau ist, unbeschadet der Vorschriften des § 1354, berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten. (Abs. 2) Zu Arbeiten im Hauswesen und im Geschäfte des Mannes ist die Frau verpflichtet, soweit eine solche Thätigkeit nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist. 81  BVerfG NJW 1954, 65, 68 = BVerfGE 3, 225, 246 f. 76  Vgl.



II. Der Weg zum gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft193

Bundesverfassungsgericht durfte davon ausgehen, dass die ordentlichen Gerichte nach dem Außerkrafttreten des verfassungswidrigen Güterrechts auf eine Teilhabe an dem ehebedingten Vermögensaufbau erkennen. Es kann nur gemutmaßt werden, warum die Justiz nicht einen dem Zugewinnausgleich ähnlichen Rechtszustand nach dem Außerkrafttreten des verfassungswidrigen Güterrechts geschaffen hat. Ein Erklärungsversuch wäre, dass es an einem eindeutig formulierten obergerichtlichen Halbteilungssatz bzw. einer anderen Quote als Anhaltspunkt für eine Teilhabe an ehebedingt Erreichtem fehlte. Nicht minder groß musste die Unsicherheit schon bei der Bestimmung dessen gewesen sein, was als ehebedingt Erreichtes anzusehen ist. Nur hierauf kann sich die eheliche Berechtigung beziehen. Möglicherweise nahm die Justiz wegen der hieraus folgenden Rechtunsicherheit von dem Ausurteilen einer konkreten Vermögensteilhabe Abstand. Von dem Bundesgerichtshof konnte die Vorgabe einer starren Halbteilung oder einer anderen Quote etwa als Untergrenze der Teilhabe nicht ohne weiteres erwartet werden. Ein Verwischen der Kompetenzen der einzelnen Staatsgewalten durch richterliche Gesetzesschöpfung hätte an die grob mangelhaft ausgeprägte Rechtsstaatlichkeit der seinerzeit jüngsten Deutschen Geschichte erinnert. Die Zurückhaltung des Bundesgerichtshofs lässt sich auch aus dem Verhältnis des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht zu den Tatsachengerichten begreifen. Ohne starre82 verfassungsrechtlich vorgegebene Quote kann auch gut vertreten werden, dass die konkrete Ausgestaltung der Teilhabe entsprechend einer Ermessensentscheidung den Berufungsgerichten als Tatsacheninstanz obliegt. Allerdings hätte der Bundesgerichtshof rechtsfehlerhafte und erst recht fehlende Ausführungen der Berufungsgerichte zur Teilhabe an ehelich Erworbenem rügen müssen.83 b) Verfassungsunmittelbare Verantwortung der ordentlichen Gerichte: Ein Vorschlag zur Auflösung der Problematik Ein angemessenerer Umgang mit den Herausforderungen der durch Art. 117 Abs. 1 GG ausgelösten verfassungsunmittelbaren Geltung des Grundgesetzes konnte von der Justiz erwartet werden. Gewaltenteilung, 82  Zum

2. h.

Nichtbestehen eines allgemein verbindlichen Halbteilungssatzes: E. III

83  De lege lata allgemein zum Prüfungsumfang des Revisionsgerichts: Baumbach (Begr.), Zivilprozessordnung (1956), § 549 2) F. m. V. a. Einl. III 4) B.; bei unverändertem Normtext: Wenzel in: MünchKomm ZPO, Band 2 (2007), §§ 511– 945, § 546 Rn. 14 ff.; Grunsky in: Stein/Jonas, Band 5, Teilband 1, §§ 511–591 (1994), § 549, 550 IV Rn. 20 ff.

194

E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

Rechtssicherheit und Gleichberechtigung hätte entsprochen werden können. Der in Art. 117 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende unbedingte Geltungswille des Gleichheitssatzes übersteuert die Gewaltenteilung zur zeitnahen Verwirklichung eines vollwertigen Rechtsstaats. Mit dem Argument der Verletzung der Gewaltenteilung durch ein Ausurteilen der unmittelbar gesetzlich nicht vorgesehenen Teilhabe an ehelich Erworbenem kann die unbefriedigende, verfassungswidrige Rechtslage nach 1953 nicht gerechtfertigt werden. Erst mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau wird der dem Rechtsstaat immanente Gleichheitssatz gelebt. Als selbstverständlich stufte der Regierungsentwurf für das Gesetz zur Gleichberechtigung von Mann und Frau den Konsens dahingehend ein, dass die Ehefrau (sic) an dem in der Ehe Verdienten in irgendeiner Form beteiligt werden muss.84 Eine im Rechtsleben verwirklichte Gleichberechtigung wäre der letzte wichtige Schritt zum gelebten Rechtsstaat des Grundgesetzes. Ohne gelebte Gleichberechtigung kann der Rechtsstaat nicht beflügelt werden. Dem Erfordernis der Rechtssicherheit hätte die Justiz auch mit der Anwendung von Teilen des normierten Güterstands der Errungenschaftsgemeinschaft Rechnung tragen können. Mit der Gewähr einer Überschussbeteiligung entsprechend der Errungenschaftsgemeinschaft könnte zudem der Justiz kein Versuch der abschließenden Verfassungsinterpretation unterstellt werden. Zwar sieht der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft die Teilung der Errungenschaft vor. Aus der Anwendung dieser Normen muss auch nicht der Rückschluss auf eine von Verfassungs wegen gebotene oder gar zwingende Halbteilung gezogen werden. Nicht eine verfassungsrechtliche Wertentscheidung auf Halbteilung hätten die Gerichte vollzogen, sondern diese hätten die Rechtssicherheit durch Anwendung bereits existierender Normen der Errungenschaftsgemeinschaft gewahrt und die gebotene Beteiligung der Gatten an dem ehelich Erworbenen sichergestellt. Die Anwendung dieser Normen hätte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs85 verfassungsrechtlich wertvoll ergänzt. Die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle setzte dagegen die verfassungsunmittelbare Geltung des Grundgesetzes durch die Anwendung einer modifizierten Errungenschaftsgemeinschaft um.86 Diese Rechtsprechung trug einerseits der notwendigen Rechtssicherheit durch die partielle 84  Mehnert, Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht und im Ehegattenunterhaltsrecht, S. 86 f., dort mit Besprechung des Regierungsentwurfs BT-Drucksache (1952) I/3802. 85  BGHZ 10, 266 ff. = BGH NJW 1953, 1342 ff. Zur Rechtsprechung insgesamt: Mehnert, Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht und im Ehegattenunterhaltsrecht, S.  92 ff. 86  OLG Celle NJW 1943, 986, 987 f.



III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe195

Anwendung der gesetzlichen Normen der Errungenschaftsgemeinschaft Rechnung und andererseits setzte sie die grundlegenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen für die Rechte der Ehefrauen um. Diese Rechtsprechung hätte dem Bundesgerichtshof als goldene Brücke dienen können. Stattdessen blieb es bei einer unzureichenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die verfassungswidrigen Normen des gesetzlichen Güterrechts außer Kraft getreten sind und so faktisch die, bezogen auf das ehelich Erworbene, teilhabefreie Gütertrennung herrschte. Die Kombination von Normen aus Gütertrennung und Errungenschaftsgemeinschaft hätte Gewaltenteilung, Rechtsicherheit und Gleichberechtigung entsprochen. Der Bundesgerichtshof ist der sich aus der verfassungsunmittelbaren Geltung des Grundgesetzes ergebenden Verantwortung nicht so gut wie einerseits möglich und andererseits geboten gerecht geworden. Der wenig souveräne Umgang der Justiz mit Art. 117 Abs. 1 GG begrenzt den Aussagegehalt der Rechtsprechung einer verfassungsrechtlich gebotenen Teilhabe nach dem Verständnis der ordentlichen Gerichte erheblich. Entsprechend des Telos des Art. 117 Abs. 1 GG wäre der Vollzug des Gleichberechtigungsgesetzes und damit des neuen gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft mit Verkündung87 des Gesetzes durch die Gerichte geboten gewesen. Stattdessen wurde bis zum Inkrafttreten88 des Gleichberechtigungsgesetzes der Wille des Grundgesetzes ignoriert.

III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe 1. Das Wesen der Ehe in einem normgeprägten Grundrecht Bei der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Schutzes des Zugewinnausgleichs schlagen die systematischen rechtsstaatlichen Bedenken bei der Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG vehement durch. Die heftige Kritik der ehemaligen Richterin des Bundesverfassungsgericht Hohmann-Dennhardt89 an der höchstpersönlichen Vorstellung von Ehe und Familie ihres „Richterkolle­ ge[n]“ Di Fabio90 impliziert, dass diese höchstpersönlichen Vorstellungen auch in die Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG einfließen und damit zu Verfassungsrecht erstarken können. Wegen der Dogmatik des Art. 6 Abs. 1 GG lässt sich diese Kritik weder vollends zurückweisen noch beweisen. Die Strukturprinzipien des Schutzes von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG sind 87  Verkündung:

18. Juni 1957 (BGBl. Teil I, 1957, S. 609, 640). 1. Juli 1958 (BGBl. Teil I, 1957, S. 609, 640). 89  Hohmann-Dennhardt FF 2006, 15, 21. 90  Di Fabio, Die Kultur der Freiheit, S. 142 f. 88  Inkrafttreten:

196

E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

auch außerrechtlich91 zu finden, was die Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG gegenüber vermeintlicher persönlicher Wertvorstellungen der Richter des Bundesverfassungsgerichts öffnet. Damit kann für Art. 6 Abs. 1 GG schwerlich messerscharf bestimmt werden, was allgemeine oder schon persönliche Wertvorstellungen sind. Zudem ist praktisch nicht vorhersehbar, um welche Strukturprinzipien der außerrechtlichen Lebensstellung das Bundesverfassungsgericht die grundgesetzliche Gleichberechtigung von Mann und Frau als Strukturelement der Ehe ergänzt oder präzisiert.92 Unklarheit besteht schon dahingehend, wie die Ehe exakt zu begreifen ist, die der Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG zu schützen hat. Einerseits sollen sich die Strukturprinzipien von Ehe und Familie außerrechtlich finden lassen93, andererseits soll Art. 6 Abs. 1 GG ein normgeprägtes Grundrecht sein.94 Viele der bürgerlichen Normen zur Ehe sind dementsprechend tatsächlich im 19. Jahrhundert herausgebildet worden.95 Für das gesetzliche Güterrecht gilt dies jedoch nicht. Das gesetzliche Güterrecht ist nicht durch historische Normen des einfachen Rechts geprägt, sondern durch die Normen des Grundgesetzes und deren verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen. Insgesamt muss festgehalten werden, dass aus dem historischen Verständnis der Ehe kein tiefschürfender Erkenntnisgewinn für eine etwaige Wechselbezüglichkeit von Zugewinnausgleich und einem durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Wesenskern der Ehe gezogen werden kann. Selbst bei einem gesamtheitlichen Blick auf das Scheidungsfolgenrecht, ist der Zugewinnausgleich Konsequenz der verwirklichten Gleichberechtigung von Mann und Frau unter dem Grundgesetz. Ohne diese grundgesetzliche Wertentscheidung ist der Zugewinnausgleich nicht zu verstehen. Der bürgerliche Kern der Ehe des 19. Jahrhunderts ist nicht von dieser Wertentscheidung erfasst. Nichts anderes gilt für das gesetzliche Güterrecht.96 Zwischen dem Zugewinnausgleich des gesetzlichen Güterstands unter dem Grundgesetz und dem Kern der bürgerlichen Ehe des 19. Jahrhunderts kann kaum ein substantieller Zusammenhang bestehen, weil der Wesenskern der Ehe sich durch die grundgesetzliche Gleichberechtigung der Eheleute elementar gewandelt hat. Der Einfluss des einfachen Rechts auf die Ehe führt dazu, dass das Wesen der Ehe nicht statisch ist. Der Gesetzgeber schafft Rahmenbedin91  BVerfGE

10, 59, 66. zum Zusammenspiel von Gleichberechtigung und „außerrechtlicher Lebensstellung“ als verfassungsrechtliche Strukturprinzipien: BVerfGE 10, 59 ff. 93  BVerfGE 10, 59, 66. 94  Zur Normprägung: Badura in: Maunz/Dürig (April 2012) Art. 6 Rn. 34, 50. 95  Zu den Normen: Badura in: Maunz/Dürig (April 2012) Art. 6 Rn. 50. 96  Vgl. Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Güterstandes des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs: E. II. 2. 92  Vgl.



III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe197

gungen, in denen Ehe und Familie ihre soziale Funktion in der Gesellschaft entfalten können.97 Einen verfassungsrechtlichen „Wandel“ von Ehe und Familie kann grundsätzlich nur der Gesetzgeber vollziehen,98 der damit auch rechtspolitische Ziele und Zwecke verfolgen kann.99 Der Gesetzgeber kann demnach die Ehe fortentwickeln, soweit er dies als erforderlich ansieht. Aus dem von der verfassungsrechtlichen Institutsgarantie der Ehe100 erfassten Wesenskern darf die gesetzgeberische Gestaltung die Ehe nicht herausführen. Die verfassungsrechtliche Gleichberechtigung der Eheleute ist als Bestandteil dieses ehelichen Wesenskerns anzusehen.101 Dies lässt sich zumindest im Umkehrschluss aus der zentralen verfassungsrechtlichen Wertentscheidung des Art. 117 Abs. 1 ableiten, nach der das gegen den Gleichheitssatz von Mann und Frau verstoßende Güterrecht unter dem Grundgesetz außer Kraft trat. Vom zentralen Bekenntnis zu einer gleichberechtigten Ehe nach dem Grundgesetz zeugt der in Art. 117 Abs. 1 GG unbedingt fundamentierte Wille der Verfassung. Inwieweit die durch den Güterstand der Zugewinngemeinschaft festgelegte Halbteilung auch zwingende Ausprägung der in dem Wesen der Ehe angelegten Beteiligung an ehelich Erworbenem ist, muss im weiteren Gang der Untersuchung noch erforscht werden. 2. Zugewinnausgleich und verfassungsrechtlich geprägte Inhaltskontrolle von Eheverträgen Die durch den Zugewinnausgleich gewährte Halbteilung an ehelich Erworbenem ist das Ergebnis grundgesetzlicher Wertentscheidungen. Bei der Bestimmung von Funktion und Wesenskernnähe des Zugewinnausgleichs ist damit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zugewinngemeinschaft als am verfassungsrechtlich aussagekräftigsten anzusehen. Im Vergleich zu dem den Zugewinnausgleich ergänzenden102 Versorgungsausgleich befasst sich das Gericht allerdings nur gelegentlich mit dem Zugewinnausgleich.103 97  Pirson

in: Bonner Kommentar zum GG (Nov 1988) Art. 6 Abs. 1 Rn. 97. in: Maunz/Dürig (April 2012) Art. 6 Rn. 37. 99  Badura in: Maunz/Dürig (April 2012) Art. 6 Rn. 33. 100  Badura in: Maunz/Dürig (August 2000) Art. 6 Rn. 67, 50. 101  Badura in: Maunz/Dürig (August 2000) Art. 6 Rn. 50, 67; Leibholz/Rinck GG (Juli 2006) Art. 6 Rn. 6: Zur Institutsgarantie. 102  Badura in: Maunz/Dürig (April 2012) Art. 6 Rn. 52; Ruland, Versorgungsausgleich (2011), 1. Kapitel I. 2. Rn. 3. 103  Zu den mehrfachen verfassungsrechtlichen Beanstandungen des Versorgungsausgleichs: Rüfner in: Bonner Kommentar zum GG (November 1992) Art. 3 Abs. 1 Rn. 513. 98  Badura

198

E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

Wegen dieser nur wenigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Güterrecht bzw. zur Zugewinngemeinschaft wird zunächst überprüft, ob und inwieweit das einfache Bürgerliche Recht im Zugewinnausgleich den Wesenskern der Ehe widerspiegelt. Besonderes Augenmerk ist auf die Gefahr des Zirkelschlusses104 zu richten: Der konkret zivilrechtlich dem Zugewinnausgleich zugesprochene Schutz der Eheleute muss nicht zugleich die verfassungsrechtliche Funktion und Bedeutung des Zugewinnausgleichs abbilden. Will sagen: Von dem einfachen Bürgerlichen Recht kann nicht auf das Verfassungsrecht und von dem Verfassungsrecht nicht unreflektiert auf das Bürgerliche Recht geschlossen werden. Konkret kann eine verfassungsrechtlich gebotene gleiche Berechtigung der Eheleute an ehelich Erworbenem nicht mit der Umsetzung dieser Vorgaben durch das Bürgerliche Recht gleichgesetzt werden. Insbesondere ist das durch die Eheleute in der Ehe verfassungsrechtlich gemeinsam Erwirtschaftete nicht entsprechend dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach den §§ 1373 ff. BGB zu verstehen. Auch kann die exakt hälftige Aufteilung des den Zugewinn des anderen Ehegatten übersteigenden Zugewinns nicht als verfassungsrechtlich unabdingbar gleichgesetzt werden. Die dem Zugewinnausgleich tatsächlich durch die zivilrechtliche Literatur und Rechtsprechung zugebilligte Bedeutung für das Wesen der Ehe lässt sich nicht genau erkennen. Zweifelhaft ist schon, inwieweit dem Zugewinnausgleich überhaupt eine eigenständige, originär dem Wesenskern der Ehe entspringende Funktion zugesprochen wird. Die Bedeutung und Aussagekraft der ursprünglichen Kernbereichslehre ist bei der Inhaltskontrolle des Zugewinnausgleichs nur noch von untergeordneter Bedeutung. Nach der Kernbereichslehre wurde der Zugewinnausgleich zunächst als kernbereichsfern bewertet, womit dieser am weitesten einer vertraglichen Vereinbarung zugänglich sein soll.105 Dauner-Lieb106 selbst betont heute rückblickend die von ihr selbst seinerzeit nur vorläufige Einordnung des Zugewinnausgleichs als kernbereichsfern im Gefüge der Kernbereichslehre. Mit Wiemer107 distanziert sie sich mittlerweile von der Kernbereichslehre und betont die den 104  Vgl. zur Gefahr des Zirkelschlusses: Gröschner in: Dreier, Band I (2004), Art. 6 Rn. 36. 105  BGH FamRZ 2004, 601 ff. = BGHZ 158, 81 ff.; Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S. 181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt; von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 344 (S. 140). 106  Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 588 Fn. 46 mit Hinweis auf die nur vorläufige Einordnung des Zugewinnausgleichs durch: Dauner-Lieb AcP 201 (2001), 295, 320. 107  Zur grundsätzlichen Kritik an der Kernbereichslehre: Wiemer, Eheverträge, insbes. auch zum Zugewinnausgleich: S. 177 f. Zur existentiellen Kritik an der Kernbereichslehre und Wiemer aufgreifend, auch Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 589.



III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe199

einzelnen Scheidungsfolgeansprüchen zukommende Funktion und konkrete Wirkung für deren Relevanz im Rahmen des Kernbereichs der Ehe. Die Kernbereichslehre musste insbesondere wegen der Bewertung des Zugewinnausgleichs gewichtige Kritik erfahren. So wird auf die Bedeutung des Zugewinnausgleichs für die nacheheliche Selbständigkeit hingewiesen und der Zugewinnausgleich dementsprechend im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingeordnet.108 Selbstkritisch bemerkt der damalige Bundesrichter Wagenitz109 schon im Jahr 2004 die „verschlungenen Pfade[…]“ der Rechtsprechung bei der ehelichen Vermögensauseinandersetzung schon außerhalb des Güterrechts. Hierbei zielt seine Kritik auf die völlig verschiedenen Wirtschaftsstrukturen der individuellen ehelichen Lebensverhältnisse, die sich kaum pauschal durch Rechtsfiguren wie die der ehebedingten Zuwendungen oder der Ehegatteninnengesellschaft auflösen lassen. Die verschlungenen Pfade im Güterrecht sind durch die konsequente Ausrichtung und Weiterentwicklung der ehevertraglichen Inhaltskontrolle unter dem Aspekt eines möglichst umfassenden Ausgleichs ehebedingter Nachteile110 weiter ausgetreten worden. Das Scheidungsfolgenrecht erweckt gewiss den Eindruck, eheliche Solidarität sicherstellen zu wollen.111 Dieser ausfüllungsbedürftige Begriff der ehelichen Solidarität soll sich jedoch nicht auf eine gegenseitige Vermögensbeteiligung erstrecken.112 Nacheheliche Solidarität soll insbesondere grundsätzlich mit einer Bedarfslage einhergehen und dementsprechend auch keine gegenseitige dem Rechtscharakter nach bedarfsunabhängige Vermögensbeteiligung bedingen.113 Die den Prozess um die Inhaltskontrolle güterrechtlicher Verträge begleitenden Stimmen verstehen den Begriff der ehelichen Solidarität eng. Dieser grundsätzlich enge Focus von Wissenschaft und Justiz auf einseitige Lastenverteilung114 lenkt den Blick von möglichen 108  Vgl. Nachweis bei Wiemer, Eheverträge, S. 136, insbes. Fn. 550 m. V. a. die hier wiedergegebene Argumentation von Coester-Waltjen: Gernhuber (Begr.), Familienrecht (2006), § 26 II 2, Rn. 20, S. 238. 109  Wagenitz, Vermögensrechtliche Auseinandersetzung unter Ehegatten außerhalb des Güterrechts, S. 161, 179 f. in: Schwab/Hahne (Hrsg.) Familienrecht im Brennpunkt; ebf. auch zitiert bei: Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 608. 110  Die Kompensation ehebedingter Nachteile als Schutzziel des Scheidungsfolgenrechts: Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 604 f. 111  Soweit: Hahne DNotZ 2004, 84. 112  Hahne DNotZ 2004, 84, 93 mit Hinweis auf Schwab DNotZ-Sonderheft 2001, 9, 16: Schwab verkürzt eheliche Solidarität faktisch durch die Voraussetzung einer Bedarfslage. 113  Schwab DNotZ-Sonderheft 2001, 9, 16. 114  Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 68 ff.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

weitergehenden Funktionen des Scheidungsfolgenrechts als verfassungsrechtliche Ausprägung des Wesens der Ehe ab. Der Begriff der (nach)ehelichen Solidarität wird zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung wie selbstverständlich verwendet. Eine greifbare und handhabbare Definition muss jedoch vermisst werden.115 Das ist besonders problematisch, denn anscheinend zielt eheliche Solidarität über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinaus: Jüngst weist Verschraegen darauf hin, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der ehelichen Solidarität eine immer größere Bedeutung bei der Begründung von Unterhaltsansprüchen zukommt. Insbesondere soll eheliche Solidarität nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile beschränkt sein.116 Aus verfassungsrechtlicher Sicht besteht ohnehin kein Grund auf eine Verendung der ehelichen Solidarität auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass die verfassungsrechtliche eheliche Solidarität auf eine unbedingte güterrechtliche Teilhabe an den Früchten der Ehe abstellt. Der möglicherweise fehlgeleitete Blick auf die güterrechtliche Teilhabe sichert die Stellung des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs als nahezu „Heilige Kuh“ vor der ehevertraglichen Inhaltskontrolle.117 Diese privilegierte Stellung des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs bei der Inhaltskontrolle geht einher mit dem damit angeblich einhergehenden Schutz mittelständischer Betriebe vor den Gefahren güterrechtlich bedingter existenzgefährdender Kapitalabflüsse.118 Damit wird die Disponibilität des Zugewinnausgleichs wegen der zentralen Bedeutung des Mittelstandes für die deutsche Wirtschaft in den Rang gesamtvolkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung gehoben. Solche anerkennens- und schützenswerten Belange ließen sich auch über einen für Unternehmer in der notariellen Praxis oft geübten, modifizierten Güterstand der Zugewinngemeinschaft erreichen. Etwa durch Ausklammern des mittelständischen Betriebs bei der Zugewinnermittlung. Hierdurch würden mittelständische Unternehmen effektiv geschützt. Auch kann nur gegen vermeintliche güterrechtliche Denkverbote angeschrieben werden. Parallelen von güterrechtlichen zu pflichtteilsbedingten Kapitalabflüssen sind evident. Trotz der durch das Pflicht115  Vgl.

BGH FamRZ 2013, 770, 771. in: Staudinger (Geschiedenenunterhalt), (Oktober 2013), § 1578b Rn. 65 m. V. a. BGH NJW 2010, 1598 m. w. N. 117  Mit dem Argument der Gütertrennung als „statusbildender Vertrag“ soll die Gütertrennung der Inhaltskontrolle grundsätzlich weitgehend entzogen werden: ­Braeuer FamRZ 2014, 77, 83. Mit der Interessenlage der Eheleute gegen einen Wertschöpfungsausgleich durch die Ausübungskontrolle des Ausschlusses des Zugewinnausgewinnausgleichs argumentierend: Kanzleiter FamRZ 2014, 998, 1000. 118  Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S.  181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 116  Verschraegen



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teilsrecht bedingten mittelbaren Kapitalabflüsse bei Unternehmen ist die Bundesrepublik durch eine starke mittelständische Wirtschaft geprägt. Das Unbehagen mittelständischer Unternehmer am Zugewinnausgleich ist nachvollziehbar. So finden sich dementsprechende ehevertragliche Vereinbarungen in der Praxis häufig für die Ehen von Unternehmern. Diese Ehen sind durch eine atypische Vermögensversorgungslage geprägt, die jenseits der pauschalen Funktionszuordnung119 der Anspruchsgrundlagen des Scheidungsfolgenrechts liegt. Gerade in der Unternehmerehe, die am häufigsten auf den Ehevertrag zurückgreift, greift die pauschalierte Funktionszuordnung der gesetzlichen Ansprüche am wenigsten. Oftmals sorgen Unternehmer nicht durch Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Alter vor. Der alternativ durch andere Investitionen erfolgte Kapitalaufbau für das Alter durch Immobilien oder ähnliches wird dagegen regelmäßig von dem Versorgungsausgleich nicht erfasst.120 Dies verlangt nach einer Neubewertung der Zugewinngemeinschaft bei der Kontrolle von Eheverträgen. Daneben gewann der Anspruch auf Zugewinnausgleich durch die Unterhaltsrechtsreform 2008121 neue Relevanz bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen.122 Der Gesetzgeber erleichterte mit der Reform die Gründung von sogenannten Zweitfamilien nach einer Scheidung.123 Dies steht grundsätzlich im Einklang mit der dem Gesetzgeber obliegenden auf die Förderung der Ehe gerichteten Ehe- und Familienpolitik.124 Die Eigenverantwortlichkeit der geschiedenen Ehepartner wird durch die Reform erhöht. Hierdurch können bei dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Gatten Finanzmittel verbleiben, die eine erneute Ehe- und Familiengründung erleichtern. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die eheliche Solidarität als solche durch die Reform des Unterhaltsrechts aushöhlen wollte. Wegen des gleichwohl durch die Unterhaltsrechtsreform faktisch herabgesetzten Schutzniveaus soll nun dem Zugewinnausgleich im Rahmen der ehevertraglichen Inhaltskontrolle eine kompensierende Funktion bei dem 119  Zur pauschalen Funktion, insbesondere entsprechend der Kernbereichslehre: Wiemer, Eheverträge, S. 126 ff.; Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S. 181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 120  Vgl. Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 603. 121  Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts (UÄndG) vom 21. Dezember 2007, BGBl. I. 3189 ff., in Kraft getreten am 1.1.2008. 122  Allgemein zum Verlust des Kernbereichs der Kernbereichslehre: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 589. 123  Langenfeld, Eheverträge (2011), 3. Kapitel § 1 I. Rn. 424 m. w. N. 124  Allgemein zu der Reichweite der dem Staat obliegenden gesetzlichen Ausgestaltung der Ehe: Badura in: Maunz/Dürig (April 2012) Art. 6 Rn. 33.

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Ausgleich ehebedingter Nachteile zukommen.125 Dies erscheint mit der verbreitet angenommenen Wechselbezüglichkeit von ehelicher Solidarität und ehelichem Nachteilsausgleich schlüssig. Damit soll der Zugewinnausgleich schon jenseits der Fragestellung einer verfassungsrechtlich gebotenen Teilhabe an ehelich Erwirtschaftetem eine zentrale Rolle bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen spielen. a) Partielle Gleichwertigkeit von Zugewinn- und Versorgungsausgleich Die ehevertragliche Kontrolldichte des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs soll wegen allgemeinen zivilrechtlichen Funktionen des Zugewinnausgleichs ansteigen. Hierbei wird nicht auf allgemein dem Zugewinnausgleich immanente Funktionen, sondern auf die dem Zugewinnausgleich in bestimmten Ehemodellen zukommende Bedeutung abgestellt: Konkret wird darauf hingewiesen, dass der Zugewinnausgleich bei bestimmten Ehemodellen Funktionen des kernbereichsnahen Versorgungsausgleichs hat.126 In einer Unternehmerehe findet die Altersversorgung regelmäßig nicht durch den Aufbau von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung statt, sondern durch den Aufbau von Vermögen, das unter den Zugewinnausgleich, nicht jedoch unter den kernbereichsnäheren Versorgungsausgleich fällt. Mit steigendem Vermögen sinken Abhängigkeit und Bedürfnis nach regelmäßig ausgekehrten kleineren Bezügen der gesetzlichen oder privaten Rentenversicherungen als Altersabsicherung, die grundsätzlich dem Versorgungsausgleich unterliegen würden. Häufig finden sich stattdessen Immobilien und Wertpapiere oder Ähnliches.127 Der in der Unternehmerehe zum Schutz des Unternehmens vor Kapitalabfluss besonders häufig ausgeschlossene Zugewinnausgleich lässt damit eine empfindliche Schutz- und Versorgungslücke zurück. In der so skizzierten Unternehmerehe kommt dem Zugewinnausgleich regelmäßig eine grundsätzlich den Versorgungsausgleich ersetzende Bedeutung zu. DaunerLieb schlägt deshalb die Gleichstellung von Versorgungs- und Zugewinnausgleich in der Kernbereichslehre vor, soweit die Altersversorgung mangels nennenswerter Versorgungsanwartschaften über die Vermögensbildung erfolgt.128 Aus pragmatischen Gründen kann dem noch zugestimmt werden. 125  Vgl. nur: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 604 ff. Zur Bewertung des Zusammenspiels von Zugewinnausgleich und Ausgleich ehebedingter Nachteile: E. III. 2. 126  BGH NJW 2015, 52, 54 f.; BGH FamRZ 2013, 269, 271; Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 603. 127  Grds. zu dem Vorstehenden und zu den Vermögenswerten und Vermögensaufbau der Unternehmer auch: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 603. 128  Vorstehendes im Wesentlichen Basis für die Forderung durch: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 604.



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Dem Zugewinnausgleich kommt dabei allerdings bei der güterrechtlichen Inhaltskontrolle keine eigenständige, seinen auf Teilhabe an ehelichem Vermögensaufbau gerichteten Charakter widerspiegelnde Bedeutung zu. Der Zugewinnausgleich erfolgt bedarfsunabhängig.129 Dies gilt rechtstechnisch betrachtet grundsätzlich auch für den Versorgungsausgleich.130 Auch über den Versorgungsausgleich soll in der Ehe erwirtschaftetes Vermögen in Form von Versorgungsanwartschaften ebenso gleichmäßig aufgeteilt werden, wie dies durch den Zugewinnausgleich geschieht.131 Damit scheint grundsätzlich einer Gleichsetzung beider Scheidungsfolgenrechte nichts entgegenzustehen. Dem Versorgungsausgleich kommt bei der Absicherung konkreter Lebensbedürfnisse allerdings eine weit größere Bedeutung zu, als dies für den Zugewinnausgleich der Fall ist. Diesen Umstand reflektierte auch die Kernbereichslehre, wenn diese den Versorgungsausgleich als kernbereichsnäher im Vergleich zu dem Zugewinnausgleich einordnete. Diese ursprüngliche Einordnung war mit Bedacht gewählt. Obwohl der Versorgungsausgleich bedarfsunabhängig erfolgt, erfüllt er doch regelmäßig eine konkrete Unterhaltsfunktion und steht damit dem Kernbereich regelmäßig tatsächlich nahe. Wahrscheinlich führt der dem Versorgungsausgleich auch zugrundeliegende angenommene antizipierte Bedarf im Alter dazu, dass sich das Bundesverfassungsgericht so oft mit dem Zugewinnausgleich beschäftigen muss. Damit ist der Versorgungsausgleich rechtstatsächlich primär auf einen antizipierten Bedarf im Alter gerichtet, wogegen der daneben gewährte Zugewinnausgleich auf eine bedarfsunabhängige Vermögensteilhabe an dem ehelich Erwirtschafteten gerichtet ist. Dauner-Liebs Vorstoß zur Gleichstellung von Zugewinn- und Versorgungsausgleich sollte daher so verstanden werden, dass nur der Teil des Zugewinns dem Versorgungsausgleich gleichgestellt werden soll, der üblicherweise in den Aufbau von Anwartschaften für die Alterssicherung geflossen wäre. Die typisierende Kernbereichslehre spiegelt die bürgerliche Ehe wider. Gesetzliche Rentenanwartschaften werden in dieser durch private Vorsorge ergänzt. Soweit noch weiterer Vermögensaufbau gelingt, ermöglicht dieser die Verwirklichung von Wünschen jenseits des durch die Anwartschaften abgesicherten Lebensbedarfs. Alternativ soll das so aufgebaute Vermögen schlicht vererbt werden. Eben dieser Teil des Vermögens muss 129  Wiemer,

Eheverträge, S. 143 f. rechtlichen Charakter des Versorgungsausgleichs: Rehme in: Staudinger (Versorgungsausgleich), (Januar 2004), Vorbem. zu §§ 1587–1587p Rn. 7, 17 f. 131  Zum Versorgungsausgleich: Uhle in: Epping/Hillgruber, Grundgesetz (2009), Art. 6 Rn. 31; Zum Schließen von Lücken des Zugewinnausgleichs durch den Versorgungausgleich: Ruland, Versorgungsausgleich (2011), 1. Kapitel I. 2. Rn. 3. Zur gleichen Berechtigung am ehelich Erworbenen: BVerfGE 53, 257, 296 = BVerfGE NJW 1980, 692, 694. 130  Zum

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nicht im Zusammenhang mit ehelichem Nachteilsausgleich oder ehelicher Solidarität stehen. Für den besonders wohlhabenden Unternehmer ist das potentiell dem Zugewinnausgleich unterfallende Vermögen regelmäßig kein antizipierter Altersbedarf, sondern dient zum bedarfsunabhängigen Vermögensaufbau. Der regelmäßig weit überschießende Teil dieses potentiell zugewinnausgleichspflichtige Vermögen ist zum Vererben bestimmt. Diese scheinbar einheitliche Vermögensmasse des Zugewinns ist nach Funktion und Bedeutung strikt zu trennen. Eine pauschale Gleichstellung von Versorgungs- und Zugewinnausgleich verfehlt den besonderen Charakter des Zugewinnausgleichs. Eine solche Weiterentwicklung beantwortet nicht eine etwaige Bedeutung des Zugewinnausgleichs für den Wesenskern der Ehe. b) Zugewinnausgleich und Unterhalt Mit der soeben erörterten grundsätzlichen Funktionsschnittmenge von Versorgungs- und Zugewinnausgleich rückt letzterer noch weiter zum Kern der Ehe auf. Zumindest nach der Definition des Kerns der Ehe mit einer Unterhaltsfunktionen durch die Kernbereichslehre. Das Bundesverfassungsgericht und der Gesetzgeber sehen in dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs die Rücknahme bereits während der Ehe durch den Aufbau von Anwartschaften geleisteten Unterhalts.132 Der Unterhaltsbezug des Versorgungsausgleichs und damit mittelbar des Zugewinnausgleichs bei Funktionsäquivalenz ist dabei streng genommen mehrfach gegeben. Zunächst kann der Versorgungsausgleich eine Unterhaltsbedürftigkeit des Gatten im Alter abwenden und rückt mit dieser Funktion nah an den durch Rechtsprechung und Kernbereichslehre hoch „gerankten“ Unterhalt wegen Alters aus § 1571 BGB heran.133 Indem das Bundesverfassungsgericht und der Gesetzgeber im Ausschluss des Versorgungsausgleichs die Rücknahme bereits geleisteten Unterhalts erkennen, rückt der Zugewinnausgleich ebenfalls deutlich in Richtung des Kernbereichs der Ehe, sofern soweit dem Zugewinnausgleich in der konkreten Ehe eine Altersversorgungsfunktion entsprechend dem Versorgungsausgleich zukommt. Damit steht nicht mehr „bloß“ eine nacheheliche Solidari132  So ausdrücklich unter Bezugnahme auf die BT-Drucksache 7/4361, S. 18 f.: BVerfGE 53, 257, 295. 133  Rakete-Dombek NJW 2004, 1273, 1275 mit dem Hinweis auf den auf Brambring (Fortbildungsveranstaltung der AG Familien- und ErbR im DAV am 8. und 9.3.2004 in Warth) zurückgehende Bezeichnung des „Ranking“.



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tät im Raum. Es wird vielmehr eine Verbindung der konkret verwirklichten und schon gelebten Ehe hergestellt, indem die dem Zugewinnausgleich im Einzelfall zukommende Versorgungswirkung auf eine Stufe mit der Rücknahme bereits geleisteten Altersunterhalts gestellt wird. Zeitlich wird dieser bereits in der Ehe durch den Aufbau von Versorgungsanwartschaften geleistete Unterhalt noch vor dem Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB eingeordnet. Dessen Bedeutung darf schon nicht unterschätzt werden. Weitgehende ehevertragliche Modifikationen des Trennungsunterhalts können leicht die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages auslösen. Der Trennungsunterhalt ermöglicht die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensverhältnisse während einer Trennung. Durch diesen Schutz der ehelichen Verhältnisse wird eine endgültige Trennung noch nicht vorweggenommen. Der hierin zum Ausdruck kommende Schutz der Ehe sollte Grund genug sein, auf diesbezügliche ehevertragliche Modifikationen zu verzichten. Soweit dem Zugewinnausgleich eine den Versorgungsausgleich ersetzende Wirkung zukommt und zugleich eine konkrete Bedürftigkeit im Alter besteht, ist von einer hohen ehevertraglichen Inhaltskontrolldichte auszugehen. Der eigenständige Charakter des Zugewinnausgleichs und dessen etwaige Bedeutung werden hiervon jedoch nicht reflektiert. c) Der Zugewinnausgleich jenseits der Sicherung des Hausstandes Dem Zugewinnausgleich wird eine weitere Funktion zugeschrieben, nach der dieser ebenfalls eine zumindest tatsächliche Versorgungsfunktion haben kann. Regelmäßig übernimmt der Zugewinnausgleich die Absicherung des Lebensstandards und hat somit Versorgungscharakter.134 Soweit Gegenstände als Hausrat verteilt werden können, unterliegen diese nicht dem Zugewinnausgleich.135 Die Hausratsverteilung erfolgt güterstandsunabhängig gemäß § 1568b BGB in der Scheidung.136 Für die Übertragung von Hausrat ist eine Ausgleichszahlung nach § 1568b Abs. 3 BGB vorgesehen. Die damit verbundenen Belastungen kann der Zugewinnausgleich abfangen. Die Bildung eines eigenen Hausstandes für den geschiedenen Ehegatten wird damit allenfalls durch den Zugewinnausgleichsanspruch erleichtert. Der im Alleineigentum137 134  Im Ergebnis: Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 73 m. V. a. (wohl) Anm. Borth zu BGH FamRZ 2004, 601, 609, 611. 135  BGHZ 89, 137, 142 f. = BGH NJW 1984, 484, 485 f.; Koch in: MünchKomm, Band 7/1. Halbband FamR I (2010), § 1375 Rn. 7. 136  Wellenhofer in: MünchKomm, Band 7/1. Halbband FamR I (2010), § 1568b Rn. 30. 137  Die Vermutung des § 1568 Abs. 2 BGB relativiert die Wirkung des Ausschlusses von im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Hausrats. Nach dieser Norm gilt in der Ehe erworbener Hausrat als gemeinsames Eigentum der Ehegatten.

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eines Ehegatten stehende Hausrat wird nicht mehr von dem neugefassten § 1568b BGB erfasst, was die Absicherungsfunktion der Hausratsverteilung nach § 1568b BGB relativiert. Der Zugewinnausgleich wird als angemessener Ausgleich für derartige Fälle betrachtet.138 Somit füllt der Zugewinnausgleich auch bei der Absicherung der nachehelichen Lebensgrundlagen nach der gesetzgeberischen Konstruktion vermehrt die Funktion ehelicher Solidarität aus. Insgesamt geht die Tendenz von Gesetzgeber und Literatur dahin, dass der Zugewinnausgleich Aufgaben im Bereich der ehelichen Solidarität ergänzend zu dem geschwächten sonstigen Scheidungsfolgenrecht ausfüllt. Das erfasst den bedarfsunabhängigen Charakter des Zugewinnausgleichs nur in Teilbereichen. Der eigentliche bedarfsunabhängige Charakter des Zugewinnausgleichs wird davon nicht erfasst und auch nicht gleichzeitig als fern oder nah des Wesenskerns der Ehe verifiziert. d) Kompensation ehebedingter Nachteile In Wissenschaft und Rechtsprechung scheint mittlerweile schon Konsens dahingehend zu herrschen,139 dass auf evident einseitiger Lastenverteilung beruhende ehebedingte Nachteile über die Inhaltskontrolle von Eheverträgen tendenziell ausgeglichen werden können. Mittel und Umfang des Ausgleichs sind noch offen. So will die Rechtsprechung eher die Gütertrennung unberührt lassen und einen Ausgleich durch das Unterhaltsrecht schaffen.140 Dessen Ausgleichsfunktion ist durch § 1577 BGB mit der Voraussetzung der Bedürftigkeit des Berechtigten systemisch nur begrenzt dazu geeignet, Nachteile abzufangen. Mit einem solchen, stark relativierten Nachteilsausgleich will sich die Wissenschaft nicht begnügen. Die Kernbereichslehre soll danach von einem 138  Vgl. zur Thematik: BR-Drucksache v. 29. August 2008, 635/08, S. 48 (Gesetzentwurf der Bundesregierung). 139  Im Überblick zum Rechtsstand: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 600  ff. Dagegen: Braeuer FamRZ 2014, 77, 82: ebenfalls mit der hier vertretenen Auffassung an der Bestimmbarkeit ehebedingter Nachteile zweifelnd. 140  BGH NJW 2008, 1076, 1079 f. Rn. 34: mit deutlichen Vorbehalten dazu: Wagenitz, Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle bei Eheverträgen – ein Überblick über die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, S. 1, 19 f. (insbes: „clear break“ zwischen den Eheleuten durch Einmalzahlung statt Unterhaltsanspruch ad infinitum. [Hinzu kommen Grenzen des Ausgleichs durch die bei der Veröffentlichung des Aufsatzes noch nicht in Kraft getretene Unterhaltsrechtreform 2008 durch das dadurch einhergehende erodierte unterhaltsrechtliche Schutzniveau.]) in: Höland/Sethe (Hrsg.), Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen (2007); ebenfalls zu diesen: Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 602.



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Ranking der einzelnen Scheidungsfolgenrechte hin zu einem Ausgleichsmechanismus für unzumutbare ehebedingte Vermögensnachteile – auch bei vereinbarter Gütertrennung – weiterentwickelt werden.141 Mit ähnlicher Stoßrichtung, aber anderer Argumentation verficht Meder den Ausgleich ehe- und familienbedingter Nachteile trotz ausgeschlossenen Zugewinnausgleichs über das Güterrecht. Nicht wegen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG, sondern durch das (allgemeine) Gleichberechtigungsgebot von Mann und Frau des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG soll die Privatautonomie dahingehend eingeschränkt sein.142 Damit würde der durch die Ehevertragskontrolle zugelassene Korridor individueller Vermögensausgestaltung der Ehe die durch die Unterhaltsrechtsreform von 2008 gestiegene Bedeutung des Zugewinnausgleichs aufnehmen und über den Zugewinnausgleich an das tatsächliche Schutzniveau vor der Reform anknüpfen. Eine „Überkompensation“ aller denkbaren ehebzw. familienbedingten Nachteile soll über den Zugewinnausgleich nicht intendiert werden. Schon der Gesetzgeber hat im Scheidungsfolgenrecht sowohl eine Über- wie eine Unterabsicherung zu vermeiden.143 Ein zu üppig ausfallendes Scheidungsfolgenrecht böte mit dem Schutzauftrag für die Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht hinnehmbare Anreize, die Ehe in einer Krise nicht fortsetzen zu wollen. Zu weitreichende Scheidungsfolgenrechte können auch zu einer Ablehnung der Eheschließung durch den im Fall der Scheidung potentiell zahlungspflichtigen Partner führen. Auf die Ehevertragsfreiheit als Argument der Möglichkeit zu weitreichende gesetzliche Scheidungsfolgenrechte abzubedingen, kann nicht verwiesen werden. Der Gesetzgeber hat im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe eheentschließungsfreundlich auszugestalten und kann die Ehegatten nicht auf einen erhebliche Spannungen auslösenden potentielle Scheidungsfolgenrechte kassierenden Ehevertrag verweisen. Umgekehrt kann ein zu restriktives Scheidungsfolgenrecht dagegen dazu führen, dass die mit einem Scheitern von Ehe und Familie verbundenen materiellen Risiken zu einem Verzicht auf die Eheschließung führen können.144 Die Untergrenze der gesetzlichen und 141  Diese Tendenz sieht Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 607 grundsätzlich zusammen mit: Herr, Kritik der konkludenten Ehegatteninnengesellschaft; Sanders, Dynamische Vertragsbeziehung und Wiemer, Eheverträge. 142  Meder FPR 2012, 113, 116. 143  Zu dem Spannungsfeld im Bürgerlichen Recht und den nachfolgenden Ausführungen: Pirson in: Bonner Kommentar zum GG, (Oktober 1990) Art. 6 Rn. 116– 121. 144  Ausdrücklich auch: Pirson in: Bonner Kommentar zum GG, (Oktober 1990) Art. 6 Rn. 116.

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vertraglichen Absicherung wird durch die Ehevertragskontrolle zunehmend eingeebnet. Rechtfertigen lässt sich dies über den Schutz von Ehe und Familie als Keimzelle145 der Gesellschaft. Auch entspricht das Schutzniveau dem eheimmanenten146 Lebenszeitversprechen mit dem damit einhergehenden starken Vertrauenstatbestand. Ehebedingte Nachteile werden endgültig bei Scheidung der Ehe realisiert. Ein ehebedingter Karriereverzicht und ein dadurch bedingter nicht erfolgter Aufbau eigenen Vermögens kann bei einem endgültigen Scheitern der Ehe nicht mehr kompensiert werden. Während der Ehe sind die Eheleute an dem Vermögen gleich berechtigt und können die Ehe und damit deren Vermögensgrundlage gemeinsam ausgestalten. Damit kann die Auffassung nachvollzogen werden, dass ein ehebedingte Nachteile kompensierender Zugewinnausgleichsanspruch im ehevertragsresistenten Kernbereich der Ehe angesiedelt ist.147 aa) Fiktive Erwerbsbiographie Die während der Ehe durch deren typisch dynamischen Verlauf entstandenen ehebedingten Nachteile148 sollen von einer korrigierenden Vertragskontrolle erfasst und hierüber grundsätzlich kompensiert werden.149 Nicht planbare Ereignisse können eine ursprünglich nicht geplante Familienarbeit eines Gatten erfordern oder eheliche Solidarität ist zur Förderung der Karriere eines Partners erforderlich. Der fiktiven Erwerbsbiographie einer unterstellt nicht eingegangenen Ehe150 kommt bei der Ermittlung ehebedingter Nachteile eine zentrale Stellung zu. Auf dieser Basis soll dann die ei145  Leibholz/Rinck (Juli 2006) Art. 6 Rn. 11: BVerfGE 6, 55, 71 (grundlegend); BVerfGE 24, 119, 149. 146  Badura in: Maunz/Dürig (Februar 2005) Art. 6 Abs. 1 Rn. 50. 147  So Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 605 grds. m. V. u. a. a.: Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 83 ff. (Meder regt zudem eine gesetzliche Regelung gegen unangemessene Benachteiligung im Güterrecht an.); Wagenitz, Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle bei Eheverträgen – ein Überblick über die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, S. 1, 22 (grds. offen durch die Forderung der Orientierung an ehebedingten Nachteilen statt konkreter Ansprüche) in: Höland/Sethe (Hrsg.), Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen (2007). 148  Zur Dynamik der Ehe und den daraus folgenden Anpassungsbedarf: Sanders, Dynamische Vertragsbeziehung, S.  307 ff. 149  Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 605 f.: im Folgenden werden die wesentlichen Grundzüge Dauner-Liebs Vorschlag vorgestellt. 150  Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 605.



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gene private Vermögensbildung des ausgleichsberechtigten Ehepartners errechnet werden.151 Dauner-Lieb152 zweifelt selbst an der Leistungsfähigkeit und Gerechtigkeit dieser von ihr eingeforderten Methode. So zweifelt sie ein nachvollziehbares Verfahren mit rechtssicherem Maßstab an. Auch muss ihrem Unbehagen beigepflichtet werden, dass damit Familienarbeit endgültig „auf niedrigste[m] Niveau … kommerzialisiert“ wird. Nämlich in Form des alternativ auf dem Arbeitsmarkt erzielbaren Vermögenswerts in dem angestammten Beruf.153 Soweit gerade bei vielen „Frauenberufen“ überhaupt ein nennenswerter eigenständiger Vermögensaufbau aus diesem Einkommen heraus angenommen werden kann. Zur Veranschaulichung ehebedingter Nachteile bedient sich Dauner-Lieb eines Beispiels:154 „M und F haben nach Abschluss ihres BWL-Studiums geheiratet und Gütertrennung vereinbart. In kurzem Abstand werden eine Tochter und die Zwillingssöhne geboren. Da F ihre noch in der Startphase stehenden unternehmerischen Aktivitäten nicht reduzieren will, verzichtet M auf eine internationale Karriere als Investmentbanker; er übernimmt die Familienarbeit, organisiert die gesellschaftlichen Netzwerke der F und bewältigt mehrere Ortswechsel im In- und Ausland. F baut einen höchst erfolgreichen, international agierenden Konzern auf und verfügt bei Scheitern der Ehe 15 Jahre nach Eheschließung über ein luxuriöses Familienheim, Immobilien und Wertpapiere zur Altersversorgung sowie ein umfangreiches unternehmerisches Vermögen.“

Dem verhinderten Investmentbanker will Dauner-Lieb155 Altersversorgung und Vermögensbildung zuerkennen, wie „M bei Fortsetzung seiner Karriere als internationaler Investmentbanker nach normalem Lauf der Dinge erreicht hätte“. Dauner-Liebs Zweifel an der Praktikabilität der fiktiven Erwerbsbiographie können nur untermauert werden, nachdem das von Ihr gebildete Beispiel einmal durchexerziert ist: Die Bandbreite einer fiktiven Erwerbsbiographie könnte wohl nicht größer sein als bei dem jungen verhinderten Investmentbanker. In Up or Out Systemen von Investmentbanken ist von jährlichen Boni in zweistelliger Millionenhöhe bis hin zur unerwarteten, sofortigen „Freisetzung“ des Investmentbankers alles möglich. In groben Zügen lässt sich sicher die Besol151  Dauner-Lieb

AcP 210 (2010), 580, 605. AcP 210 (2010), 580, 608. 153  Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 608. 154  Dauner-Lieb (AcP 210 (2010), 580, 586) bildete den Fall leicht verfremdet der familienrechtlichen Praxis nach. 155  Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 605: freilich soll die Teilhabe begrenzt durch den Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs sein. 152  Dauner-Lieb

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

dung156 eines Richters und damit dessen Einkommens- und auch Vermögensbildung nachzeichnen. Dies gilt jedoch gerade nicht für die Einkommens- und Vermögensentwicklung des „M“. Grundsätzlich sinnvoll bleibt gewiss eine Typisierung. Wird das Einkommen eines Bankdirektors unterstellt, so wird „M“ das möglicherweise als weit untersetzt ansehen. „M“ wird seinen Karriereweg hin zu zweistelligen Millionenboni fortgesetzt sehen. „F“ wird „M“ wahrscheinlich bei der Ermittlung der fiktiven Erwerbsbiographie weder als Bankdirektor, noch als höchst erfolgreichen Investmentbanker einschätzen. Sie wird den potentiellen Karriereverlauf des „M“ eher mit einem Pappkarton in Händen vor dem Hochhaus einer Investmentbank in New York oder London als vorzeitig beendet nachzeichnen. Damit sind grundsätzliche Zweifel an der Eignung eines Ausgleichs ehebedingter Nachteile an Hand der fiktiven Erwerbsbiographie anzumelden.157 bb) Relativer Schutz vor ehebedingten Nachteilen Zweifelhaft ist, ob die Fokussierung auf ehebedingte Nachteile bei der Inhaltskontrolle die Bedeutung und die Reichweite der ehelichen Solidarität richtig einordnet. Im Unterhaltsrecht stellt die Rechtsprechung schon bei der Gewähr von Unterhaltsansprüchen zunehmend auf eheliche Solidarität ab.158 Weiter offen bleibt, was unter diesem unbestimmten Begriff der ehelichen Solidarität genau zu verstehen ist. Lipp erkennt in der Solidarität auch keinen Rechtsbegriff, sondern eine in der sozialen Wirklichkeit ausgeprägte tatsächliche Form der Unterstützung und des Beistandes zwischen Familienangehörigen.159 Diese gegenseitige Unterstützung kann sich dem Wortsinn nach auf die Unterstützung bei erlittenen Nachteilen, wie auch auf eine Unterstützung durch die Teilhabe an Vorteilen beziehen. Letztere werden im Verständnis ehelicher Solidarität bei der Inhaltskontrolle im Güterrecht konsequent ausgeblendet. Dies kann in Anbetracht des zivilrechtlichen Verständnisses der Zugewinngemeinschaft nicht weiter verwundern: In der durch die Verwirklichung der Erwerbschancen beider Partner geprägten Doppelverdienerehe fällt Muscheler160 schon die „Legitimität“ des Zugewinnausgleichs, und damit zwangsläufig auch eine aus ehelicher Solidarität begründete Teilhabe, schwer. Folgerichtig besteht in der Doppelverdienerehe 156  Vgl.

Besoldungsordnungen R der Länder und des Bundes. mit der hier vertretenen Auffassung an der Bestimmbarkeit ehebedingter Nachteile zweifelnd: Braeuer FamRZ 2014, 77, 82. 158  BGH NJW 2010, 1598 ff. m. w. N.; Verschraegen in: Staudinger (Geschiedenenunterhalt), (Oktober 2013), § 1578b Rn. 65 m. V. a. ebd. BGH. 159  Lipp, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 53. 160  Zumindest im Umkehrschluss: Muscheler, Familienrecht (2012), Rz. 336. 157  Ebenfalls



III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe211

auch kein Raum für über den Zugewinnausgleich zu kompensierende ehebedingte Nachteile. Allerdings können auch in einer vollschichtigen Doppelverdienerehe Gatten ehebedingte Einkommens- und Vermögensnachteile erleiden. Gewiss werden durch den Zugewinnausgleich gerade Vermögensnachteile aus einer Einverdienerehe, wie etwa typischerweise einer sogenannten Diplomatenehe161 ausgeglichen. Auch das Ehebild der sogenannten Diplomatenehe hat sich gewandelt und kann zur Verdeutlichung von ehebedingten Einkommens- und Vermögensbildungsnachteilen in einer Doppelverdienerehe dienen. Ein Ehepartner kann durchaus an den jeweiligen Karrierestationen des als Diplomat international tätigen Partners vollerwerbstätig arbeiten. Wegen der nicht von ihm bestimmten Ortswechsel kann er dabei regelmäßig eigene denkbare Karrierechancen nicht vollumfänglich verfolgen. Ein Ausgleich für verpasste Karrierechancen wird mit der Fokussierung auf ehebedingte Nachteile bei der Inhaltskontrolle gleichwohl nicht gewährt werden. Diese Diplomatenehe bei voller Erwerbstätigkeit beider Partner könnte wirtschaftswissenschaftlich, als durch den „komparativen Vorteil“ geleitet, evaluiert werden. Nach der Wirtschaftstheorie ist ein solches Verhalten auch für den schwächeren Partner vorteilhaft, weil der Gesamtnutzen aus der Erwerbstätigkeit beider Partner insgesamt betrachtet maximiert wird.162 Bei Scheitern der Ehe hat regelmäßig keiner der vollschichtig arbeitenden Ehegatten ehebedingte Nachteile erlitten. Kein Ehegatte kann auf eine etwa durch Familienarbeit unterbrochene Erwerbsbiographie hinweisen. Allerdings hat der dem Diplomaten nur hinterherreisende Gatte nie die Möglichkeit gehabt, eigene überobligatorische Karrierechancen wahrzunehmen oder auch nur zu fokussieren. An dem Erfolg der Ehe nimmt dieser Gatte ebenfalls nicht teil. Die einseitige Fokussierung auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile ignoriert dies. Diese Konstellation verdeutlicht wie wenig griffig eine an „ehebedingten Nachteilen“ ausgerichtete Inhaltskontrolle ist. Am Beispiel des jungen Investmentbankers wurde schon verdeutlicht, dass – im Einzelfall – eine fiktive Erwerbsbiographie nur schwer nachgezeichnet werden kann.163 Ehebedingte Nachteile sind allgemein grundsätzlich alle Nachteile in Bezug auf die Erwerbs- und Altersversorgungsbiographie, die auf 161  Zur Diplomatenehe auch: Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S. 181, 197 f. in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 162  Der Brockhaus, Wirtschaft (2004), Schlagwort: „komperative Kosten“: Nach der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie des komparativen Kostenvorteils entsteht Außenhandel zwischen Volkswirtschaften, weil die jeweiligen Volkswirtschaften bei der Produktion von bestimmten Gütern Kostenvorteile haben. 163  Vgl. E. III. 2. d) aa).

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

Ehe- und Familienarbeit zurückzuführen sind.164 Soweit auch ehebedingte Nachteile in der Doppelverdienerehe ausgeglichen werden sollten, sind rechtstaatlich befriedigende Ergebnisse nicht zu erwarten. Völlig offen bleibt in einer Doppelverdienerehe, ob sich wegen der ehebedingten Wohnortwechsel überhaupt Karrierenachteile verwirklicht haben. In einer fortlaufend die Leistungen des Einzelnen evaluierenden Wirtschaft entscheidet die ununterbrochene Betriebszugehörigkeit regelmäßig nicht mehr über die nächsten Karrierestufen. Möglicherweise kann der häufige Wechsel des Arbeitsortes sogar dabei helfen, dass tatsächlich nicht erreichte Leistungsziele durch den Arbeitgeber erfasst werden. Vor diesem Hintergrund kann bei einem (lediglich) durchschnittlichen Karriereverlauf kaum ein ehebedingter Nachteil erkannt werden. Beweislastregeln stehen schon der erfolgreichen Darlegung des Anspruchs entgegen. In der Praxis ist der Beweis für ein hypothetisches Verwirklichen sich möglicherweise ergebender überobligatorischer Erwerbschancen nur schwer erbringbar. Die Beschränkung auf die Kompensation ehebedingter Nachteile lässt ebenfalls unberücksichtigt, dass es sich stets nur um einen relativen Ausgleich ehebedingter Nachteile handelt. Die Finanzkraft der Ehegatten ist nicht die einer Schadensversicherung. Umfassender Nachteilsausgleich wird nicht garantiert. Nur bis zu der Höhe des fiktiven Zugewinnausgleichs und damit gegebenenfalls unterhalb des Niveaus ehebedingter Nachteile soll es zu einer Nachteilskompensation kommen.165 Der bei der Hälfte166 des fiktiven Zugewinnausgleichs begrenzte Nachteilsausgleich geht mit einem empfindlichen Absenken des Schutzniveaus einher. Hier findet der Ausgleich von ehebedingten Nachteilen eine absolute Grenze. e) Nebengüterrecht und Nachteilsausgleich Grundsätzlich zu begrüßen ist die Forderung, das sogenannte Nebengüterrecht in die Kontrolle von Eheverträgen zu integrieren.167 Bei dem Nebengüterrecht handelt es sich um die güterstandsunabhängigen ehelichen Vermö164  Definitionen und Kasuistik zur Frage, ob ein ehebezogener Nachteil anzunehmen bzw. abzulehnen ist: Maurer in: MünchKomm, Band 7, (2013), § 1578b Rn.  12 ff. 165  Zur Begrenzung des Nachteilsausgleichs in der Höhe des fiktiven Zugewinnausgleichs: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 605. 166  Zur zwingende Grenze der Halbteilung durch das grundsätzliche Verbot den Stärkeren zum Schwächeren zu machen: Balzer, Zugewinnausgleich, S.  36 f.: BVerfGE 66, 324, 330 f. (zum Schutz des sozial schwächeren Ehegatten). 167  Forderung von Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 607. Ebenda (S. 590) mit Hinweis zum Nebengüterrecht: Herr, Kritik der konkludenten Ehegatteninnengesellschaft (2008), S. 520.



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gensausgleichinstrumente der Ehegatteninnengesellschaft, der ehebezogenen Zuwendungen und des familienrechtlichen Kooperationsvertrages.168 Das Nebengüterrecht ermöglicht einen Vermögensausgleich trotz vereinbarter Gütertrennung. So kann eine Vermögensbeteiligung an dem ehelich betriebenen Ladengeschäft über den familienrechtlichen Kooperationsvertrag hergeleitet werden.169 Die Grundlagen des Nebengüterrechts und des verwandten Richterrechts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft liegen auch nicht im Wesen der Ehe. Sonst würde die richterrechtliche Rechtsfortbildung das vereinbarte Güterrecht der Eheleute unterlaufen, ohne sich mit der Wirksamkeit des konkret geltenden Güterrechts der Eheleute auseinandersetzen. Dem Neben­ güterrecht liegen vielmehr allgemeine eheunspezifische wirtschaftliche Wertungen zu Grunde. Die Bezeichnung der Ehegatteninnengesellschaft verdeutlicht schon deren Verwandtschaft zur güterstandsunabhängigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Damit kann über die durch das Nebengüterrecht vermittelte „Vermögensteilhabe“ nicht auf eine dem Wesen der Ehe entspringende Teilhabe geschlossen werden. Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann sich ebenfalls nicht aus dem Wesen der Ehe ableiten. Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wollten sich ja gerade nicht den Rechtsfolgen unterwerfen, wie sie durch die Ehe grundsätzlich begründet werden. Das Nebengüterrecht ist dabei nicht auf einen reinen Nachteilsausgleich gerichtet. Heute schon wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft durch die Rechtsprechung an einem „Wertschöpfungsausgleich“170 gemessen. Ein Ausgleich ist nicht auf einen konkret erlittenen Schaden beschränkt. Nebengüterrechtliche Ansprüche werden neben der Ehe erworben. Deshalb zielt das Nebengüterrecht weder zwingend auf eheliche Solidarität ab, noch hat es Einfluss auf Bedeutung und Stellung des Zugewinnausgleichs bei der ehevertrag­ lichen Kontrolle. f) Eigentlicher Charakter des Zugewinnausgleichs Insgesamt ist festzuhalten, dass der eigentliche, auf eine Teilhabe an dem ehelich Erwirtschafteten gerichtete Charakter des Zugewinnausgleichs sich 168  Nach Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 589: Ehegatteninnengesellschaft, ehebezogene Zuwendungen und Kooperationsvertrag. 169  Vgl. BGHZ 84, 361 ff. = DNotZ 1983, 180 ff.; BGHZ 127, 48 ff. = DNotZ 1995, 668 ff.; Hahne DNotZ 2004, 84, 92 f. m. V. a. ebd. BGH. 170  BGH NJW 2008, 3277 ff. = BGHZ 177, 193 ff.; Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 607 m. V. u. a. a.: ebd. BGH; Bespr. aus notarieller Sicht: von Proff NJW 2008, 3266 ff.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

weder in der Praxis der ehevertraglichen Inhaltskontrolle noch in den Vorschlägen der Literatur zur Erweiterung der Inhaltskontrolle wiederfindet. Dies ist solange unproblematisch, als der Teilhabecharakter des Zugewinnausgleichs nicht zumindest partiell Elemente aus dem Wesenskern der Ehe abbildet. Der Zugewinn ist von der Teilhabe an ehebedingtem Vermögensaufbau171 geprägt. Der vollends bedarfsunabhängige Zugewinnausgleich setzt ein Erleiden ehebedingter Nachteile durch einen Gatten nicht voraus. Selbst eine Entwicklung hin zu einem Ausgleich ehebedingt verpassten Vermögensaufbaus läuft hinsichtlich des Charakters des Zugewinnausgleichs ins Leere, da auch dann nicht eheliche Vermögensteilhabe, sondern Nachteilskompensa­ tion gewährt wird. Jenseits des auf Nachteilsausgleich beschränkten Systems der Ehevertragskontrolle gelingt kaum noch ein souveräner Umgang mit dem eigenständigen Charakter des Zugewinnausgleichs. Mit der Funktion einer freiheitssichernden Wirkung172 gelingt noch eine konkrete Vorstellung von der genauen Bedeutung des Zugewinnausgleichsanspruchs. Sobald in dem Zugewinnausgleich dann „gerechtigkeitsorientierte Ziele“173 im weiteren Sinn erkannt werden, ist die juristische Handhabbarkeit des Zugewinnausgleichs bei der Inhaltskontrolle stark eingeschränkt. Der Teilhabegedanke des Zugewinnausgleichs und dessen verfassungsrechtliche Wertigkeit werden zwar anscheinend grundsätzlich erkannt,174 ein Einfügen der nach dem Bundesverfassungsgericht gleichen Berechtigung der Partner an dem ehelich Erworbenen175 in die ehevertragliche Kontrolle gelingt jedoch nicht recht. Zu der nach dem Wortlaut des Bundesverfassungsgerichts vermeintlich starken Stellung von Teilhabe und damit Zugewinnausgleich passt wiederum nicht der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers176 in Güterrechtssachen. Eine Teilhabe im Sinne des Zugewinnausgleichs kann schon deshalb in der Ehevertragskontrolle nicht als zwingend angesehen werden, weil das Bundesverfassungsgericht den Zuge171  Meder,

Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 27 ff. Eheverträge, S. 132 m. V. a. BVerfG FamRZ 1980, 326, 332 f. = BVerfGE 53, 257, 290 (allgemein zur freiheitssichernden Funktion von Eigentum). 173  Wagenknecht, Eheverträge, S. 31. 174  Vgl. BVerfG FamRZ 2002, 527  ff. = BVerfGE 105, 1 ff.; BVerfG FamRZ 2003, 1173 ff. m. w. N.; Wiemer, Eheverträge, S. 131 f., 142 f., 147 f., 150 f., der sich grundsätzlich gegen die Möglichkeit eines weitgehenden Abbedingens des Zugewinnausgleichs sperrt. 175  BVerfGE 10, 59, 67. 176  Zum ehelichen Gestaltungsspielraum: Coester-Waltjen in: Münch/Kunig (2012) Art. 6 Rn. 27. 172  Wiemer,



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winnausgleich ersichtlich nicht als zwingend einstuft. Das Bundesverfassungsgericht sieht zwar eine grundsätzlich gleiche Berechtigung am ehelich Erworbenen, gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss des Zugewinnausgleichs per se nicht moniert. Dies ist eine belastbare Ausgangssituation für diejenigen, die in der Ehe keine zwingende Vermögensgemeinschaft erkennen:177 Scheinbar hat die güterrechtliche Teilhabe keinen Einfluss auf das Verständnis von Ehe und nachehelicher Solidarität. In diesem Umfeld kann Hahne178 – ohne Verweis auf das Grundgesetz – argumentieren, dass aus dem Gedanken nachehelicher Solidarität eine gegenseitige Vermögensbeteiligung nicht gefordert ist. Das Wesen der Ehe und die Gleichberechtigung der Partner lassen sich allerdings nicht soweit verengen, als dass dem Teilhabegedanke nur dann Gewicht zukommt, wenn die Partner den Zugewinnausgleich selbst „mitverdient“ haben. Der Zugewinnausgleich gewährt eine Teilhabe aus dem Wesen der Ehe mit gleichberechtigten Partnern. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer Teilhabe, die sich aus konkreten wirtschaftlichen Beiträgen der Ehepartner ableitet. So etwa bei einem Zugewinnausgleich in einer Ehe, in der die Gatten gemeinsam ein Ladengeschäft als Kleinunternehmer führten.179 Hier kann gegenwärtig grundsätzlich schon das nicht auf eine unbedingte eheliche Teilhabe gerichtete Nebengüterrecht einen Ausgleich schaffen.180 g) Teilhabegedanke im Wesen der Ehe Nach anfänglichem Zögern gegenüber dem Autor dieser Arbeit181 lässt anwaltliche Vorsicht182 den Widerstand gegen ein Einbeziehen des Charakters des Zugewinnausgleichs in die Ehevertragskontrolle überwinden. Der Hinweis Bergschneiders auf den Widerspruch in der Einordnung der Wertigkeit von Gleichberechtigung und Teilhabe in der Rechtsprechung von 177  So etwa ausdrücklich Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S. 181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 178  Hahne, Vertragsfreiheit im Familienrecht, S.  181, 194 in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt. 179  Diederichsen FamRZ 1992, 1, 9: So allerdings wohl die Sicht des den „neuen gesetzlichen Güterstand“ schaffenden Gesetzgebers. 180  Nebengüterrecht nach Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 589: Ehegatteninnengesellschaft, ehebezogene Zuwendungen und Kooperationsvertrag. 181  Im Gespräch mit dem Verfasser am Rande des Symposiums des Instituts für Notarrecht an der Universität Würzburg 2008 zweifelte Bergschneider gerade unter Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung der Gütertrennung noch praktische Konsequenzen aus der vorgetragenen Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts zur gleichen Berechtigung der Ehegatten an ehelich Erworbenem an. 182  Bergschneider FamRZ 2010, 1857, 1858.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht kann nur bekräftigt werden. So sieht das Bundesverfassungsgericht eine „gleiche Teilhabe [beider Ehegatten] am gemeinsam Erwirtschafteten“. Auch erkennt das Bundesverfassungsgericht eine grundsätzliche Berechtigung am „gemeinsamen Vermögen[…]“ nach Beendigung der Ehe durch die Scheidung.183 Auch Hahnes Nachfolger im Vorsitz des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, Dose, reduziert nunmehr nacheheliche Ausgleichsansprüche nicht auf nacheheliche Solidarität, sondern betont auch deren Funktion als Ausdruck nachehelicher Teilhabegerechtigkeit.184 Die gleichberechtigte Teilhabe kann sich dabei nur auf einen „ehebedingten“185 Vermögensaufbau beziehen. Der Grundgedanke des Zugewinnausgleichs ist die Beteiligung des hauptsächlich Familienarbeit leistenden Ehegatten an dem Gewinn, den der Partner aus der durch diese Arbeitsteilung begünstigten erwerbwirtschaftlichen Tätigkeit erzielen kann. Der so erzielte Gewinn ist grundsätzlich als „ehebedingt“ einzuordnen.186 Ein allgemeiner „eheunbedingter“ Vermögensaufbau fällt grundsätzlich nicht unter den Teilhabegedanken aus dem Wesen der Ehe als Verbindung gleichberechtigter Partner nach Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1, 2 GG. Die Grundlagen des Nebengüterrechts, insbesondere der Ehegatteninnengesellschaft, liegen im Schwerpunkt außerhalb des Wesens der Ehe, in allgemeinen zivilrechtlichen Erwägungen. Das Nebengüterrecht knüpft weder an die Verbindung der Partner als Ehegatten, noch an eine eheliche Unterstützung, sondern an eine gemeinsame auf einen wirtschaftlichen Erfolg gerichtete „geschäftliche“ Verbindung der Eheleute an, die diese auch zu beliebigen Dritten hätten eingehen können.187 Für den Zugewinnausgleich gilt, dass dieser Teilhabe ist und kein Lohn oder Entgelt für den Gatten.188 Dagegen können Ansprüche über die Ehegatteninnengesellschaft tendenziell als „Lohn“ oder „Entgelt“ begriffen werden. Die dem Wesen der Ehe entsprechende Teilhabe kann sich nur auf ein enges Verständnis eines ehebedingten Vermögensausbaus beziehen. Nur dieser eng zu verstehende ehebedingte Vermögensaufbau kann im Wesens183  Bergschneider FamRZ 2010, 1857 mit Hinweis auf BVerfG FamRZ 2002, 527 = BVerfGE 105, 1. 184  Dose FamRZ 2011, 1341, 1342. 185  Zur „Ehebedingtheit“ als Kriterium des gesetzlichen Zugewinnausgleichs: Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 27 ff. 186  Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 27. 187  Zu den allgemeinen (zivilrechtlichen) Voraussetzungen der Ehegatteninnengesellschaft: BGH FamRZ 1999, 1580 ff. = BGHZ 142, 137 ff.; Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich (2009), C. II. 8. a) Rz. 456 m. V. a. ebd. BGH und m. w. N. 188  Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu § 1371 vor Rn. 5.



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kern der Ehe verankert sein. So lässt sich der vermeintliche Widerspruch zwischen dem einerseits eingeräumten weiten Spielraum bei dem Abbedingen des Zugewinnausgleichs und der andererseits betonten gleichen Berechtigung der Partner am ehelich Erwirtschafteten auflösen. Diese enge ehebedingte Teilhabe bezieht sich auf den im Wesen der Ehe als Schicksalsgemeinschaft189 bedingten Vermögenszuwachs. In guten wie in schlechten Zeiten wollen die Partner zueinanderzustehen. Gerade dieses Ehebekenntnis versinnbildlicht die Ehe als Schicksalsgemeinschaft. Die Ehe bietet nicht die Sicherheit, wie sie vielleicht eine Versicherung vermitteln kann. Die Sicherheit ist nur relativ. Die Sicherheit ist einerseits begrenzt durch die Leistungsfähigkeit des Partners und andererseits durch die sich mit der Grenze der Halbteilung190 im Zugewinnausgleich ergebende maximale Ausgleichsmasse, soweit bei der Ehevertragskontrolle die ehevertraglich vereinbarte Gütertrennung angetastet wird. Die Teilhabe bezieht sich damit nicht auf den schon vor der Eheschließung angelegten und als relativ gesichert zu betrachtenden Vermögensaufbau. Die Verwirklichung eines als sicher anzusehenden Einkommens ist kein Ausdruck ehelichen Vermögensschicksals. Nur auf den Vermögensaufbau, der nicht schon vor der Ehe angelegt war und dessen Realisierung relativ sicher erwartet werden konnte, kann sich eine aus dem Wesen der Ehe bedingte Teilhabe beziehen. Insofern kann die Ehe mit einer Seilschaft verglichen werden. Die Seilschaft ist eine Gefahrengemeinschaft, deren Mitglieder untereinander eine gegenseitige Beschützergarantenstellung im Strafrecht191 teilen. Beschützergaranten192 sind ebenfalls die Ehegatten untereinander. Die Eheleute erwarten in der Ehe gute und schlechte Zeiten, so wie die Seilschaft leichte und gefährliche Passagen auf dem Weg zum Gipfelkreuz erwartet. Der Bildung der Seilschaft liegt die stillschweigende Erwartung gegenseitiger Unterstützung bei dem gemeinsamen Weg zu Grunde. Ebenso wie ein gemeinsames Beherrschen und damit auch ein Verantwortenkönnen von Gefahrensituationen durch die gegenseitige Unterstützung. Kein Mitglied aus der Seilschaft wird in Gefahr zurückgelassen, wenn nicht dem Rest der Seil189  Zur allgemeinen Idee der familiären Schicksals-, Verantwortungs- und Solidargemeinschaft: Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) Einl. zu §§ 2303 Rn. 24a. 190  Zur Begrenzung des Nachteilsausgleichs in der Höhe des fiktiven Zugewinnausgleichs: Dauner-Lieb AcP 210 (2010), 580, 605; zur zwingenden Grenze der Halbteilung durch das grundsätzliche Verbot den Stärkeren zum Schwächeren zu machen: Balzer, Zugewinnausgleich, S. 36 f.: BVerfGE 66, 324, 330 f. (zum Schutz des sozial schwächeren Ehegatten). 191  Stree/Bosch in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch (2010), § 13 Rn. 23 ff. 192  Wohlers in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, Band 1 (2010), § 13 Rn. 57.

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

schaft Gefahr für Leib und Leben droht. Damit bietet die Seilschaft wie die Ehe durch den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des anderen Gatten und Grenze der Halbteilung des Zugewinns, nur relative Sicherheit. Am Erreichen des Gipfelkreuzes nimmt dann regelmäßig die gesamte Seilschaft teil. Chancen und Risiko sind für die Mitglieder der Seilschaft ausgewogen. Diese gegenseitige Unterstützung in der Seilschaft ist Ausdruck von Solidarität, die sich in dem gemeinschaftlichen Erfahren von Chancen und Tragen von Risiken manifestiert. In der Ehe hingegen soll Solidarität eine Teilhabe an den güterrechtlichen Chancen aus der Ehe nicht gewähren. Dies ist mit dem Charakter der Ehe als Schicksalsgemeinschaft nicht vereinbar. Wesentliches Strukturelement der Ehe durch alle Epochen war und ist die auf Lebenszeit angelegte Verbindung von Mann und Frau in guten und schlechten Zeiten. Es kann nur erstaunen, wenn eheliche Solidarität auf einen Ausgleich ehebedingter Nachteile verstanden werden soll. Diese Praxis steht sogar in Widerspruch zur Rechtsprechung193 zur Ehevertragskontrolle aus der Zeit vor den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts194 zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen. Diese Rechtsprechung knüpfte an die einseitige Chancenverteilung in der Ehe an, die darin zum Ausdruck kam, dass ein etwaiger Zugewinn nur durch einen Ehegatten geltend gemacht werden konnte. Der Maßstab des Ausgleichs ehebedingter Nachteile und eine in der Ehe als Schicksalsgemeinschaft wurzelnde ehebedingte Teilhabe bei der Inhaltskontrolle sind im Hinblick auf Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit nur bedingt befriedigend auflösbar. Die Bestimmung der ehebedingten Teilhabe gestaltet sich besonders schwierig. Ehebedingte Nachteile können im Vergleich dazu oftmals noch relativ praktikabel durch einen Vergleich der fiktiven Erwerbsbiographie des Gatten ohne geschlossene Ehe und der tatsächlichen Erwerbsbiographie ermittelt werden. Dieses Ermitteln ehebedingter Nachteile gelingt jedoch nur bei leicht vorzuzeichnenden Karrieren, wie etwa bei einer verbeamteten Tätigkeit. In der freien Wirtschaft muss dagegen konstatiert werden, dass beruflicher Erfolg und Misserfolg zum einen nur schwer zu prognostizieren und zum anderen die Ursachen für besonderen Erfolg nur schwer nachzuvollziehen sind. 193  OLG Stuttgart FamRZ 1983, 498 ff. (insbesondere aber an den verschleiernden Wortlaut des Ehevertrages anknüpfend.) – vgl. Besprechung bei Schröder, Gestaltung eines Güterstandes, S. 38; vgl. auch: Strohal (Hrsg.), Plancks Kommentar zum BGB, Band IV (1928), § 1432, S. 325 (9. b.); Bartolomäus JW 1902, 247 (Grenzen der güterrechtlichen Vertragsfreiheit durch Teilverlust der Rechtsfähigkeit des Mannes). 194  BVerfG NJW 2001, 957 ff. = FamRZ 2001, 343 ff.= DNotZ 2001, 222 ff. = BVerfGE 103, 89 ff.; BVerfG NJW 2001, 2248 = FamRZ 2001, 985 = DNotZ 2001, 708 ff.



III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe219

Grundsätzlich teilen sich fiktive Erwerbsbiographie und überobligatorischer Vermögensaufbau die gleichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Bestimmbarkeit. Eine transparente und materiell richtige Ermittlung gestaltet sich schwierig. Zu fiktiven Karriere- und Vermögensverläufen lässt sich naturgemäß nur schwer Beweis erbringen. Ohne Pauschalierungen kann kaum zu handhabbaren Ergebnissen gekommen werden. Hier gleichen sich die Bedenken und Zweifel jedoch gegenseitig aus: Nach diesen Maßstäben der Inhaltskontrolle ist in der beispielhaft von Dauner-Lieb195 beschriebenen Ehe des jungen Investmentbankers und der aufstrebenden Unternehmerin nicht die denkbare Karriere des Mannes als Investmentbanker als ehebedingter Nachteil in Ansatz zu bringen. Dagegen kann der Mann an dem Teil des nicht absehbaren enormen Geschäftserfolgs seiner Frau teilhaben. Dies muss auch nicht lediglich auf den in der Ehe als Schicksalsgemeinschaft ruhenden Charakter zurückzuführen sein. In dem Beispiel Dauner-Liebs ist nicht absehbar, ob die Frau ohne die Pflege gesellschaftlicher und privater Netzwerke durch ihren Ehemann diesen außerordentlichen beruflichen Erfolg gehabt hätte. Auch ist offen, inwieweit die Frau ohne die eheliche Unterstützung die Kraft für die beruflichen Herausforderungen gehabt hätte, deren Bestehen letztlich zu dem außerordentlichen Vermögenserfolg der Ehe führten. Auch sind Ehe und Familie oftmals wesentliche Beweggründe bei dem Aufbau solch großer Vermögen. Der wesentliche Teil des enormen Vermögenserfolgs der Ehefrau in Dauner-Liebs Beispiel wird als schicksalhafter Vermögensaufbau zu werten sein: Die Ehefrau ist studierte Betriebswirtin, was grundsätzlich für eine gewisse berufliche Karriere und einen dementsprechenden Vermögensaufbau spricht. Weiter kann auch davon ausgegangen werden, dass die Ehegatten wohl davon ausgingen, dass die Ehefrau ein äußerst rentables Geschäft aufbaut. Zumindest haben die Eheleute die Erträge aus dem Unternehmen wohl als voraussichtlich höher eingeschätzt, als die ebenfalls sehr hohen Einkommenschancen eines Investmentbankers. Das durch die Ehefrau aufgebaute Vermögen ist insgesamt in einer Höhe, die nicht mehr als planbar oder vorgezeichnet zu betrachten ist. Damit ist dieser nicht vorgezeichnete Teil des Vermögensaufbaus schicksalhaft und grundsätzlich auszugleichen. h) Keine zwingende Halbteilung Aus dem Wesen der Ehe folgt keine exakt bestimmbare Quote für die Beteiligung an dem soeben grundsätzlich als teilhabepflichtig eingeschätzten ehelich erwirtschafteten Vermögen. 195  Dauner-Lieb (AcP 210 (2010), 580, 586) bildete den Fall leicht verfremdet der familienrechtlichen Praxis nach. Oben wiedergegeben: D. III. 2. d) aa).

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E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

Von einer durch Gerichte oder dem Gesetzgeber bestimmten Quote der Teilhabe ist eine durch die Eheleute im Rahmen der ehevertraglichen Vermögensausgestaltung autonom bestimmten Teilhaberegelung zu unter­ scheiden. Allgemein scheint das Familienrecht durch einen Grundsatz der Halbteilung dominiert zu werden. Grundsätzlich starr an die Halbteilung gebunden sind Zugewinn- und Versorgungsausgleich. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Ehegatten, wie durch den Zugewinnausgleich geregelt, grundsätzlich auch zu gleichen Teilen an dem ehelich Erworbenen berechtigt.196 Auch Wiemer197 erkennt mit dem Bundesverfassungsgericht einen grundsätzlichen Anspruch auf Freiheitssicherung durch Teilhabe. Die Halbteilung am Zugewinn ist zumindest grundsätzlich schon das Maximum der Beteiligung. Das Verbot, den stärkeren, ausgleichspflichtigen Gatten über den Zugewinnausgleich bzw. die gewährte Teilhabe zum schwächeren Partner zu wandeln, steht einer größeren Teilhabequote als der Hälfte im Weg.198 Sollte die Halbteilung zudem auch etwa die untere Grenze der Beteiligung abbilden, wären der Gestaltungsspielraum bzw. das Ermessen von Gesetzgeber und Justiz empfindlich gegen Null eingeschränkt. Eine umfassende Halbteilung ist jedoch schon gesetzlich nicht in der Zugewinngemeinschaft verwirklicht. Die tatsächliche Quote der Beteiligung an dem in der Ehe Hinzugewonnen kann ganz erheblich schwanken. Abhängig ist die Quote von der Definition der in den Zugewinnausgleich fallenden Vermögenswerte. So privilegiert § 1374 Abs. 2 BGB bestimmte Formen des Zugewinns, die nicht in die Berechnung des ausgleichspflichtigen Zugewinns einfließen. Diese Privilegierung bezieht sich auf „eheneutralen“ Zugewinn eines Ehegatten. Für den „Zugewinn“ aus einer Erbschaft eines Gatten mag das einleuchten. Rechtspolitisch ist jedoch die analoge Anwendung auf weitere Arten des Vermögenszugewinns, etwa auf einen Lottogewinn, umstritten.199 Das Bundesverfassungsgericht sieht anlässlich einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich die gleiche Berechtigung am ehelichen Vermögen nicht als geboten oder zwingend, sondern die damit einhergehende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums als lediglich durch Art. 6 GG i. V. m. 196  BVerfGE 10, 59, 67; jüngst im Rahmen einer Unterhaltssache: BVerfG FamRZ 2002, 527, 529 = BVerfGE 105, 1, 11. 197  Wiemer, Eheverträge, S. 131 f. insbes. Fn. 540. 198  Balzer, Zugewinnausgleich, S. 36 f.: BVerfGE 66, 324, 330 f. (zum Schutz des sozial schwächeren Ehegatten). 199  Nahezu erschöpfende Darstellung des § 1374 Abs. 2 BGB: Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft, S. 27 ff.; BGH FamRZ 1977, 124 = BGHZ 68, 43 (keine analoge Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB).



III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe221

Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt200 an. Balzer liest aus Wortwahl und Systematik des Bundesverfassungsgerichts auch kein Gebot auf Halbteilung, sondern allenfalls eine als Halbteilungsprinzip bezeichnete Teilhabeform ab.201 Die von der Justiz nicht gewährte Teilhabe an ehelich Erworbenem während der verfassungsunmittelbaren Bindung der Justiz an Art. 3 GG kann wegen der erheblichen Kritik an dieser Rechtsprechung allenfalls als Indiz gegen eine zwingende verfassungsrechtliche Halbteilung gesehen werden.202 Zuletzt erweckte das Bundesverfassungsgericht jedoch mit einer jüngeren Entscheidung eher den Eindruck, dass die Halbteilung verfassungsrechtlich weniger durch Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt, als vielmehr geboten ist. So liest das Bundesverfassungsgericht den Halbteilungsgrundsatz für den den Zugewinnausgleich ergänzenden Versorgungsausgleich unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 2 GG heraus.203 Tatsächlich wird richterliches Ermessen nur bedingt durch den Rückgriff auf eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Gleichberechtigung und eine damit einhergehende gleiche Berechtigung an ehebedingtem Zugewinn geleitet. Der richterrechtliche Halbteilungsgrundsatz des Unterhaltsrechts204 gilt tatsächlich nur eingeschränkt. Allgemein wird im Recht des nachehelichen Unterhalts aus der Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit eine grundsätzlich hälftige Beteiligung an dem Erwerbseinkommen abgeleitet.205 Die Funktion der Gerichte im Unterhaltsrecht beschränkt sich im Empfinden vieler Familienrichter / innen nur auf die Verteilung des Unterhaltsmangels auf die Unterhaltsberechtigten. Gerade in diesem Bereich ist ein Abweichen von der Halbteilung durch den Erwerbstätigenbonus von bis zu 1⁄5206 zur Honorierung und Festigung von Erwerbsanstrengungen des Unterhaltspflichtigen207 nötig. Außerhalb dieser potentiellen Mangelsitua­ tion endet die grundsätzliche Halbteilung zwischen den Gatten abrupt. So 200  So für den Versorgungsausgleich, der vergleichbar mit dem Zugewinnausgleich in Rechtspositionen eingreift: BVerfGE 53, 257 = BVerfG NJW 1980, 692. 201  Balzer, Zugewinnausgleich, S. 35. 202  Vgl. D. II. 3. 203  So insbesondere auch gesehen durch: Balzer, Zugewinnausgleich, S. 35 Rn. 89 m. w. N. zum aus dem GG gelesenen Halbteilungsgrundsatz bzgl. des Versorgungsausgleichs (BVerfG FamRZ 2006, 1000, 1001). Nach Balzer existiert lediglich eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Halbteilung. 204  von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, §  2 Rn. 198 (S. 90) m. V. a. BGH FamRZ 2008, 1911 ff. m. w. N. = BGHZ 177, 365 ff. m. w. N. 205  von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 293 (S. 119) m. V. a. BGH FamRZ 2001, 986, 990 = BGHZ 148, 105, 117. 206  von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, §  2 Rn. 206 (S. 96) m. V. a. BGH FamRZ 1979, 692, 694. 207  von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, §  2 Rn. 205 (S. 96) m. V. a. BGH FamRZ 1991, 304, 305.

222

E. Güterrechtliche Teilhabe als Teil des Wesenskerns der Ehe?

wird selbst bei Zusammentreffen von hohem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und einem ausschweifenden ehelichen Lebensstil der nacheheliche Unterhalt weit unterhalb der Halbteilung berechnet.208 Dies verdeutlicht ein nahezu kleinliches zivilrechtliches Verständnis von ehelicher Solidarität. Eheliche Solidarität in Form des Halbteilungsgrundsatzes beruht eher auf der Bedarfsdeckung, statt auf Gleichberechtigung der Gatten. Eine tatsächliche Halbteilung wird also bei größeren Einkommen und Vermögenswerten weder gelebt noch ist diese verfassungsrechtlich zwingend. Dies lässt sich auch auf die dem Wesen der Ehe folgende Teilhabe an ehebedingtem Erwerb übertragen. So kann von einer verfassungsrechtlich gebotenen Quote deutlich unterhalb der Halbteilung ausgegangen werden. Auch für eine durch die Eheleute im Wege des Ehevertrages bestimmte Teilhabequote gilt nichts anderes. Auch kann die Gleichberechtigung der Eheleute und die Gleichwertigkeit ihrer Beiträge zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Partner grundsätzlich nicht daran hindern, „eigene ökonomische Bewertungen“ ihrer ehelichen Beiträge vorzunehmen.209 Eine Grenze für die zulässige autonome Teilhabeausgestaltung durch die Eheleute ist allerdings dort zu setzen, wo der Teilhabegedanke der ehelichen Schicksalsgemeinschaft völlig ausgehöhlt wird oder schlicht umgangen werden soll. Dies wird nicht nur bei einer Minimalquote von 1 % anzunehmen sein, soweit aus dieser Quote schon nicht zu schließen ist, dass sie nicht positiv eine Teilhabe regeln soll, sondern eine etwaig an der Halbteilung ausgerichtete richterliche Quote abwenden soll. Eine ehevertragliche Regelung der Teilhabe muss auf eine substantielle Teilhabe von in der Ehe als Schicksalsgemeinschaft ehelich Erworbenem gerichtet sein. Die Regelung könnte sich an dem Verständnis der „Halbteilung“ im Unterhaltsrecht orientieren: Soweit eine Teilhabe sich noch auf die konkrete Lebenssituation des Ehegatten auswirkt ist eine Halbteilung mit angemessenem Bonus für den Erwerbstätigen vorzunehmen. Bei hohem schicksalhaft, ehebedingt Hinzugewonnen entfernt sich die Teilhabe – wie bei der Unterhaltsbemessung – von dem Halbteilungsgrundsatz. Eine Vermögensteilhabe nur ihrer selbst wegen muss nicht eingeräumt werden. Auch die Unterhaltshöhe entkoppelt sich bei hohen Einkommen von der tendenziellen Halbteilung. 208  BGH FamRZ 1987, 691 ff.; BGH FamRZ 1990, 280 ff.; von Heintschel-Hei­ negg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 199a (S. 91) m. w. N. u. a. ebd. BGH; eingehender: Gerhardt in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht (2008), 6. Kapitel Rn. 272 (S. 730). 209  So BGH NJW 2004, 930, 934 = BGHZ 158, 81, 99; auch Dauner-Lieb AcP 210 (2010) 580, 601 m. w. N.: BGH NJW 2007, 2851 ff.; BGH NJW 2008, 1076 ff.; vgl. insbesondere F.



III. Zugewinn und Wesenskern der Ehe223

i) Fazit Mit dem Stad- und Budjadinger Landrecht kann der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft vermeintlich auf eine ebenfalls lange Tradition zurückschauen, wie auch das Familienerbrecht. Der historische, wie der heutige gesetzliche Güterstand beteiligen den Ehegatten grundsätzlich an ehelich Erworbenem. Dennoch ist der Güterstand der Zugewinngemeinschaft ein Kind des Grundgesetzes und logische Folge der grundgesetzlichen Wertentscheidung einer aus gleichberechtigten Ehegatten bestehenden Ehe: Der gegenwärtige gesetzliche Güterstand ist durch das historische Güterrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht geprägt. Das historische Güterrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs folgte dem Anspruch, zuvor verbreitetes Güterrecht zu kodifizieren und auf weniger Güterstände zurückzuführen. Der Teil des Zugewinnausgleichs, der das verfassungsrechtlich geschützte Wesen der Ehe als gleichberechtigte Partner widerspiegelt, ist daher nach grundgesetzlichen Maßstäben zu bestimmen. Durch die Kernbereichslehre des Bundesgerichtshofs wird der Zugewinnausgleich als von den Scheidungsfolgenrechten am entferntesten zum Kernbereich stehend eingeordnet. Der Zugewinnausgleich soll nach dieser Lehre von allen Scheidungsfolgenrechten einer vertraglichen Disposition grundsätzlich am weitesten offenstehen. Die bisherigen Vorschläge der Literatur, den Zugewinnausgleich für die Inhaltskontrolle fruchtbar zu machen, zielen darauf ab, über den Zugewinnausgleich ehebedingte Nachteile zu kompensieren. Der Zugewinnausgleich soll im Ergebnis das zuletzt abgesenkte Schutzniveau nachehelicher Unterhaltsansprüche kompensieren. Von den Vorschlägen erscheint sachgerecht, den Zugewinnausgleich in der Unternehmerehe insofern als funktionsäquivalent mit dem Versorgungsausgleich einzuordnen, als in der konkreten Unternehmerehe keine Anwartschaften, sondern stattdessen nur andere Vermögenswerte aufgebaut wurden. Der in der Literatur vertretene Ansatz spiegelt insgesamt den verfassungsrechtlichen Charakter eines auf Teilhabe gerichteten Zugewinnausgleichs nicht wieder. Charakteristisch für die auf Lebenszeit angelegte Ehe ist deren Charakter als Schicksalsgemeinschaft. Damit teilen sich die Ehegatten Chancen und Risiken. Auch die Inhaltskontrolle kann ehebedingte Nachteile nur insoweit ausgleichen, als der stärkere Ehegatte solvent ist. Der lediglich relative Schutz durch die Ehe gebietet es gem. Art. 6 Abs. 1 GG, dem Charakter der Ehe als Schicksalsgemeinschaft entsprechend, dem anderen Ehegatten eine grundsätzliche Teilhabe an dem Vermögensaufbau zu gewähren, der nicht durch den Bildungs- oder Berufsweg vorgezeichnet oder vorhersehbar war.

F. Eheliche Vertragsfreiheit Der Zugewinnausgleich und der Pflichtteil der Ehegatten ist in Teilen im Wesenskern der Ehe verankert. Diese Elemente strahlen dominierend auf die zivilrechtliche Kontrolle dieser Verzichte und Vereinbarungen aus. Ob in dem Wesenskern der Ehe eine absolute Grenze für die Vermögensausgestaltung durch die Eheleute zu erkennen ist, hängt von der Reichweite des den Eheleuten ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf selbstbestimmte Eheausgestaltung ab. Im Folgenden wird erörtert inwieweit die privatautonome Vermögensausgestaltung durch die Eheleute selbst durch die Verfassung geschützt ist. Von besonderem Interesse ist die Frage, inwieweit dieses Recht selbst im Wesenskern der Ehe verankert ist und ob die privatautonome Eheausgestaltung ein Abbedingen von im Wesenskern der Ehe angesiedelter Elemente des Pflichtteilsrechts und des Zugewinnausgleichs zulässt.

I. Bedeutung der konkreten Verankerung der Vermögensausgestaltungsfreiheit Von besonderem Interesse ist die genaue verfassungsrechtliche Verankerung der Vertragsfreiheit der Eheleute in Fragen der ehelichen Vermögensausgestaltung. Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit im Rahmen der Inhaltskontrolle ehelicher Vereinbarungen steht in Relation zu dem verfassungsrechtlichen Gewicht des gewährenden Grundrechts. Damit hängt die inhaltliche Reichweite der Vertragsfreiheit maßgeblich von dem jeweils einschlägigen Grundrecht ab. Soweit die Vertragsfreiheit (auch) aus dem grundsätzlich als Auffanggrundrecht wirkenden Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird, kann dessen Gewichtigkeit nicht ohne weiteres an die über spezielle Grundrechte wie Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 2 GG oder Art. 14 Abs. 1 GG gewährten Garantien auf Teilhabe und Versorgung heranreichen. Schon das historische Bürgerliche Gesetzbuch kannte den Pflichtteilsverzicht und die güterrechtliche Selbstbestimmung der Eheleute. Damit kommt dieser Ausprägung der Vertragsfreiheit grundsätzliches Gewicht im Bürgerlichen Recht zu. Eine verfassungsrechtlich geschützte allgemeine oder ehebezogene Vertragsfreiheit gab es bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Rechts



I. Bedeutung der Verankerung der Vermögensausgestaltungsfreiheit225

noch nicht. Die historische Vertragsfreiheit des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll sich nach verbreiteter Meinung an dem seinerzeitigen liberalen Wirtschaftsverständnis ausgerichtet haben, nicht aber entsprechend den erst später gewährten Verfassungspositionen.1 Das historische Gewicht der nicht wirtschaftsbezogenen ehelichen Vermögensausgestaltung im Bürgerlichen Recht ist dagegen weitgehend offen. Die Gewichtigkeit der Vertragsfreiheit im Rahmen einer Inhaltskontrolle über Generalklauseln des Bürgerlichen Recht hat sich wegen des Einflusses der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ohnehin an dem verfassungsrechtlichen Stellenwert der konkret betroffenen verfassungsrechtlich gewährten Vertragsfreiheit zu orientieren. 1. Mögliche Verankerung der güterrechtlichen Ehevertragsfreiheit Die konkrete Reichweite der verfassungsrechtlich geschützten „Vertragsfreiheit“ der Eheleute ist im Bereich des Güter- und ehelichen Pflichtteilsrechts offen. Es ist schon umstritten aus welchen Grundrechten dieses Verfassungsrecht ehelicher „Vertragsfreiheit“ herzuleiten ist. Soweit spezielle Grundrechte einschlägig sind, sollen diese aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete gleichlaufende Grundrechtspositionen sperren.2 Dies leitet sich aus dem allgemeinen Prinzip der Anwendungssubsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht ab. Ansonsten könnte der Grundrechtskatalog mit seiner ausdifferenzierten Schutzbereichs- und Schrankendogmatik über den stets eingreifenden Art. 2 Abs. 1 GG ausgehebelt werden.3 Nach einem gewichtigen Teil der Literatur wird die güterrechtliche Ausgestaltung als Element der selbstbestimmten Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG garantiert. Di Fabio und Badura sehen den Schutz ehevertraglicher Regelungen über Art. 6 Abs. 1 GG gewährt, zugleich wird Art. 2 Abs. 1 GG nach Auffassung Di Fabios verdrängt.4 Damit weicht die Kommentierung durch den vormaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts Di Fabio und durch Badura von der Recht1  Grundlegend zum Mythos der Vertragsfreiheit des historischen Bürgerlichen Rechts: Hofer, Freiheit ohne Grenzen?: privatrechtstheoretische Diskussionen im 19. Jahrhundert (2001). 2  Vgl. nur: Di Fabio in: Maunz/Dürig (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103; zum Verhältnis vorrangiger leges speciales auch: Dreier in: Dreier, Band 1 (2004) Art. 2 Abs. 1 Rn. 38; Starck in: von Mangoldt, Band 1 (2010), Art. 2 Rn. 146 f. 3  Vgl. zur Dogmatik: Di Fabio in: Maunz/Dürig (Juli 2001) Art.  2 Abs. 1 Rn.  21, 103 m. w. N. 4  Vgl.: Ausdrücklich ist Art. 2 Abs. 1 GG von Art. 6 Abs. 1 GG bei ehevertraglichen Regelungen nach Auffassung Di Fabios verdrängt; in: Maunz/Dürig (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103; ebenfalls aus Art. 6 Abs. 1 GG wird das Recht hergeleitet, die Ehe frei von gesetzlichen Vorgaben auszugestalten: Badura in: Maunz/

226

F. Eheliche Vertragsfreiheit

sprechung des Bundesverfassungsgerichts ab, das in der grundlegenden Entscheidung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen noch auf eine Verbindung von Art. 6 GG und Art. 2 Abs. 1 GG abstellte.5 Vor der Entscheidung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen ordnete das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1989 „Das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten […] in finanziellen Beziehungen untereinander [isoliert] durch Art. 2 Abs. 1 GG [als] verfassungsrechtlich geschützt“ ein.6 In Anbetracht der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Gewichtigkeit des Art. 2 Abs. 1 GG als bloßes Auffanggrundrecht und des Art. 6 Abs. 1 GG handelt es sich bei der Frage der konkreten verfassungsrechtlichen Herleitung nicht bloß um eine akademische Fragestellung. Dies verdeutlicht nicht nur der Charakter des Art. 6 Abs. 1 GG als spezielles Grundrecht, sondern ebenfalls dessen mögliche Eigenschaft als ein von der verfassungsrechtlichen Ewigkeitsgarantie erfasstes Grundrecht. Die genaue verfassungsrechtliche Verankerung des Art. 6 Abs. 1 GG ist demnach zu klären. 2. Mögliche Verankerung der verfassungsrechtlichen Freiheit zu Erb- und Pflichtteilsverzicht Unübersichtlicher im Vergleich zur Güterrechtsfreiheit gestaltet sich Herleitung und Reichweite des Rechts auf Erb- und Pflichtteilsverzicht unter Eheleuten. Schon die Herleitung der verfassungsrechtlichen Gewähr des Pflichtteilsrechts ist umstritten. So wird entgegen der in dieser Arbeit mit Teilen der Literatur vertretenen Herleitung des Pflichtteilsrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG und auch aus Art. 14 Abs. 1 GG das eheliche Pflichtteilsrecht mehrheitlich insbesondere aus der Verschränkung der Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitet, sofern der verfassungsrechtliche Schutz des Pflichtteilsrechts überhaupt anerkannt wird.7 Für die spiegelbildliche Problematik der Verortung eines verfassungsrechtlich geschützten Rechts der Eheleute auf Abbedingen des Pflichtteilsrechts ist das verfassungsrechtliche Spannungsfeld ähnlich gelagert, wie bei der verfassungsrechtlich geschützten Güterrechtsfreiheit der Eheleute. Fraglich erscheint auch für den Pflichtteilsverzicht, ob und inwieweit Art. 6 Dürig (April 2012) Art. 6 Abs. 1 Rn. 50a; vgl. auch: Leibholz/Rinck (Juli 2003), Art. 6 Rn. 132. 5  Vgl. BVerfG NJW 2001, 957 = BVerfGE 103, 89. 6  BVerfGE 81, 1, 10 = BVerfG NJW 1990, 175, 176; Dreier in: Dreier, Grundgesetz, Band 1 (2004) Art. 2 Abs. 1 Rn. 63. 7  Vgl. zur verfassungsrechtlichen Verankerung: D. V. 1.; D. VI. 1.; kein Schutz des Pflichtteilsrechts: Wieland in: Dreier, Grundgesetz, Band 1, (2004) Art. 14. Rn. 67 – allerdings vor der Entscheidung des BVerfGs zum Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge: BVerfG ZEV 2005, 301 ff. = BVerfGE 112, 332 ff.



I. Bedeutung der Verankerung der Vermögensausgestaltungsfreiheit227

Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG den subsidiären Art. 2 Abs. 1 GG verdrängen. Gegen die isolierte Herleitung eines verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf Erb- und Pflichtteilsverzichts aus Art. 14 Abs. 1 GG bestehen schwerwiegende Bedenken. Selbst Boehmer, der geistige Vater des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts als Element der verfassungsrechtlichen Institutsgarantie des Erbrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG ging wohl nicht von einer so weitgehenden Institutsgarantie aus. Zumindest ist im Werk Boehmers nicht erkennbar, dass Erb- und Pflichtteilsverzicht in der gegenwärtigen einfachgesetzlichen Form an der Institutsgarantie des Erbrechts teilhaben müssen. Nach Di Fabio sollen erbvertragliche Regelungen durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. GG geschützt werden.8 Ein Erbvertrag ist mit den ihn kennzeichnenden vertragsmäßigen Verfügungen von Todes wegen kein Vertrag im eigentlichen Sinne.9 Damit ist der Erbvertrag dogmatisch mit der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Testierfreiheit10 enger als mit der Vertragsfreiheit verwandt. Die rechtliche Ausgangsituation eines durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Erbvertrages ist jedoch eine andere als diejenige beim Pflichtteilsverzicht: Der Erbvertrag ist eine letztwillige Verfügung in Vertragsform.11 Deshalb ist der Schutz über Art. 14 Abs. 1 GG nachvollziehbar. Dem Pflichtteilsverzicht fehlt die unmittelbare Verbindung zu Art. 14 Abs. 1 GG: Weder ist er klarer Bestandteil der erbrechtlichen Institutsgarantie, noch ist er Verfügung von Todes wegen und zudem lässt er das gesetzliche Erbrecht unberührt.12 Damit verbliebe grundsätzlich Raum für eine Gewähr des Verzichts über Art. 2 Abs. 1 GG,13 sofern nicht Art. 6 Abs. 1 GG als spezielleres Grundrecht einschlägig ist. Gewichtige Gründe sprechen für den Schutz des Pflichtteilsverzichts über Art. 6 Abs. 1 GG: Das eheliche Pflichtteilsrecht selbst ist zumindest auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Der zum Schutz des Pflichtteilsrechts spiegelbildliche Verzicht 8  Di

Fabio in: Maunz/Dürig, (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103. zur Dogmatik: Krug, Erbrecht, S. 37 ff.; Kanzleiter in: Staudinger (§§ 2265–2338) (Juni 2006) Einl. zu §§ 2274 ff. Rn. 3 ff. 10  Papier in: Maunz/Dürig, (Juli 2010) Art. 14 Rn. 303 ff. 11  Weidlich in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 2274 Rn. 1. 12  Pflichtteilsverzicht ändert gesetzliche Erbfolge nicht: Weidlich in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 2346 Rn. 16. 13  Auch wegen mangelndem Schutz des Eigentumserwerbs durch Art. 14 Abs. 1 GG wird auf die grundsätzliche Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG hingewiesen: Di Fabio in: Maunz/Dürig, (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103 m. V. a. BVerfGE 30, 292, 335. Zum grundsätzlich aus Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht auf Eigentum und Erbrecht zu verzichten: Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994), § 86 II 5 (S.  908 f.). 9  Insbesondere

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

auf das Pflichtteilsrecht wird durch die Ehegatten als Pflichtteilsberechtigte erklärt. Weiter ist der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht, das eine Ausprägung des staatlichen Schutzauftrags der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG ist, eine autonome Ausgestaltung der ehelichen Verhältnisse. Diese Freiheit zur Ausgestaltung der Ehe frei von staatlichen Einflüssen wird grundsätzlich durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt.14

II. Gegenpole: Vertrags- und Verfassungsrecht Die vielfach behauptete und dementsprechend empfundene Inkompatibilität von Vertrags- und Verfassungsrecht15 beruht wesentlich auf der Annahme, dass gesetzliche Regelungen nicht nur eine Entlastungs-, sondern eine privatautonom kaum disponible Leitbildfunktion16 haben. Praktisch ist demnach die Frage zu stellen, ob durch den Gesetzgeber als dispositiv geschaffenes Recht, das einen angemessenen und „gerechten“ Interessenausgleich schaffen soll, beliebig durch die Eheleute ersetzt bzw. ausgeschlossen werden darf.17 Es mutet paradox an, dass dispositives Recht für die Bürger letztlich nicht dispositiv sein soll. Die Theorien zu einer Leitbildfunktion und damit begrenzten Disponibilität dispositiven Rechts basieren wesentlich auf der These einer Gleichschaltung von staatsgerichteten Abwehrrechten mit einer Grundrechtsbindung der Bürger. Aus dieser These der Grundrechtsbindung der Bürger folgt deren grundsätzliche Bindung an das dispositive Recht, das einen angemessenen Interessenausgleich darstellt. Insbesondere wenn durch das dispositive Recht ein grundrechtsrelevanter Sachverhalt – wie im Bereich der ehelichen Vermögensausgestaltung – geregelt wird, erstarkt die beschriebene Gleichschaltung von staatsgerichteten Abwehrrechten zur Grundrechtsbindung der Bürger.18 Danach wäre privatautonomes Handeln mit dem gleichen wie an den Gesetzgeber anzulegenden Maßstab zu messen. Hierauf aufbauend ist grundsätzlich eine enge Bindung 14  Zum Recht der Ehegatten auf freie Selbstbestimmung: Badura in: Maunz/ Dürig, (April 2012) Art. 6 Abs. 1 Rn. 4. 15  Überblick bei Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 344 m. w. N. 16  Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung zwischen zwingendem Recht und richterlicher Inhaltskontrolle, S. 49, 56 in: Schmoeckel/Kanzleiter (Hrsg.), Vertragsschluss – Vertragskontrolle – Vertragstreue: m.  V.  a. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band (1959), 301 f. (Mit grundlegender Kritik an der bisherigen Methodik der Bestimmung der Sittenwidrigkeit). 17  Vgl. Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung zwischen zwingendem Recht und richterlicher Inhaltskontrolle, S. 49, 56 m. w. N. in: Schmoeckel/Kanzleiter (Hrsg.), Vertragsschluss – Vertragskontrolle – Vertragstreue. 18  So insbesondere nahezu wörtlich zur Gleichschaltung von staatsgerichteten Abwehrrechten mit einer Grundrechtsbindung der Bürger: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 344.



II. Gegenpole: Vertrags- und Verfassungsrecht229

der Eheleute an einfaches Recht denkbar, soweit dieses verfassungsrecht­ licher Ausprägung ist. Die enge verfassungsrechtliche Verzahnung von Güter- und Pflichtteilsrechts ließe mit dieser Dogmatik eine erhebliche Einschränkung für die Vertragsfreiheit annehmen, ohne dass die genaue Herleitung der Vermögensgestaltungsfreiheit feststeht. Gegen eine so weitgehende Einschränkung spricht die mit der Verfassung ebenfalls eng verzahnte Vertragsfreiheit der Eheleute. Die Vertragsfreiheit der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit lässt sich nicht auf einen Ausfluss von Vertragsfreiheit des Bürgerlichen Gesetzbuchs reduzieren. Das kann schon nicht deren verfassungsrechtlichen Bedeutung gerecht werden. Der einerseits durch das Güter- und Pflichtteilsrecht vermittelte Schutz der Ehe und andererseits deren Ausgestaltung durch die Ehepartner selbst können nur als Einheit begriffen werden. Sie prägen jeweils verschiedene Seiten einer Münze und sind so aber trotz der juristischen Herausforderungen untertrennbar und zwangsläufig miteinander vereinbar. 1. Grundrechtsverzicht und die Grenze der Vertragsfreiheit Die Problematik des Grundrechtsverzichts wird aufgeworfen, wenn ein gleich wie ausgeprägtes Mitwirken des Bürgers zu einem Zurückbleiben hinter grundsätzlich durch die Verfassung garantierten Grundrechtspositionen gegenüber dem Staat oder anderen Bürgern erfolgt.19 Dabei suggeriert der unglücklich gewählte Begriff des Verzichts fälschlich, dass es sich ähnlich dem Verzichtsbegriff im Zivilrecht um die vollumfängliche Preisgabe einer Rechtsposition handelt.20 Die Zulässigkeit eines solchen Grundrechtsverzichts wird kontrovers diskutiert.21 Teils wird unter Verweis auf die staatskonstitutive Funktion des Art. 1 Abs. 2 GG die Möglichkeit des Verzichts 19  Eine abschließende Definition des Grundrechtsverzichts wird in der Literatur weitgehend vermieden. Hintergrund dürfte die schwere Grenzziehung des umfassenden Verzichtsbegriffs sein. Vorliegende Definition entsprechend: Bleckmann JZ 1988, 57, 58; Pietzcker, Der Staat Band 17 (1978), S. 527, 531; Pieroth/Schlink, Grundrechte (2011), Rn. 146 ff. 20  Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994) § 86 I 1 (S. 887): insbesondere zur Kritik an der Terminologie des „Grundrechtsverzichts“ – besser „zumindest teilweises Nichtausüben von Grundrechten“ m. V. a. Pietzcker, Der Staat Band 17 (1978), S. 527, 531: dort mit dem Vorschlag: „individuelle Verfügung über Grundrechtspositionen“. Die grundsätzliche Problematik bleibt hiervon unberührt: Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994) § 86 II 2. (S. 903). 21  Vgl. zum Ganzen: Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994), §  86 Der Grundrechtsverzicht (insbes. § 86 I 5); Dreier in: Dreier, Band I (2004), Vorb. 129.

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

generell in Frage gestellt.22 Mit Art. 1 Abs. 2 GG bekennt sich das deutsche Volk zu unverletzlichen und unveräußerbaren Menschenrechten.23 Die Problematik des Grundrechtsverzichts erstreckt sich nicht selbstverständlich auf die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit. Dort stehen sich unmittelbar die Eheleute und nicht unmittelbar Bürger und Staat gegenüber. Das Über- Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger scheint zunächst unberührt zu sein. Wie schon bei der Erörterung der mittelbaren Drittwirkung festgestellt, ist der Staat stets durch die Rechtsschutzgewähr für die rechtsverbindliche eheliche Vermögensausgestaltung der Eheleute als Bürger mit einbezogen.24 Ohne justizielles Anerkenntnis des „Verzichts“ der Eheleute auf im Wesenskern der Ehe verankertes einfaches Recht gibt es rechtstatsächlich gerade keinen Verzicht auf diese Rechte zwischen den Eheleuten. Bei den Grenzen der Verzichtsmöglichkeit ist zwischen Grundrechten zu unterscheiden, die dem Schutz personaler Rechtsgüter dienen und solchen, die „öffentliche[n]“ bzw. institutionellen Charakter haben.25 Zulässigkeit und Reichweite des Grundrechtsverzichts sind an die Dispositionsfähigkeit und damit an die Grundrechtsberechtigung gekoppelt.26 Art. 14 Abs. 1 GG etwa schützt personale Rechtsgüter und ist demnach weitgehend für die Eheleute disponibel.27 Hingegen hat Art. 6 GG mit dem Schutzauftrag von Ehe und Familie an den Staat zumindest auch einen öffentlich institutionellen Charakter, der dieses Grundrecht grundsätzlich dispositionsfeindlich28 macht. Die Eheleute können als Privatpersonen nicht über die Bindung des Staates an den Auftrag zum Schutz der Ehe disponieren. Die Ehe als Institution wird im öffentlichen Interesse geschützt. Das Handeln des Staates ist auf den Schutz der Ehe als Institution und nicht nur auf den Schutz der konkreten Eheleute gerichtet. Damit verfolgt der Staat Ziele, die über die Belange der konkreten Eheleute hinausgehen. Dies un22  Stern/Sachs,

Staatsrecht, Band III/2 (1994), § 86 I 5 a) alpha) (S. 894). in: Dreier, Band I (2004), Vorb. 129 m. w. N.; Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994), § 86 I 5 a) alpha) (S. 894): m. V. a. den grundlegenden Koellreutter, Deutsches Staatsrecht (1953), S. 52: Koellreutter fordert, dem Sinn des Grundgesetzes entsprechend, die Möglichkeit freiwilliger Grundrechtsbeschränkungen eng auszulegen. 24  Vgl. B. III. 1. c) bb). 25  Vgl. hierzu: Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994), § 86 II 5 c) alpha) (S. 911). 26  Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994), § 86 II 6 a) (S. 913). 27  Insbesondere zum Rechtscharakter des Art. 14 Abs. 1 GG: Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994), § 86 II 5 c) alpha) (S. 911). 28  Dreier in: Dreier, Band I (2004), Vorb. Rn. 133: häufiger als „verzichtsfeindlich“ beschrieben. 23  Dreier



III. Die erb- und güterrechtliche „Vertragsfreiheit“ im Bürgerlichen Recht231

terscheidet die Situation bei der Preisgabe von über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums- oder Erbrechtspositionen. Der Verzicht auf solche Positionen betrifft den Verzichtenden grundsätzlich nur als Privatperson.29 Dementsprechend sind der ehelichen Preisgabe von Zugewinnausgleich und Pflichtteilsrecht Grenzen gesetzt durch deren verfassungsrechtliche Gewähr zumindest über die Institutsgarantie der Ehe des „verzichtsfeind­ lichen“30 Art. 6 GG. Diese Bewertung ist unabhängig von einer zusätzlichen Verankerung des Pflichtteilsrechts über Art. 14 Abs. 1 GG bzw. über die Verschränkung von Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG. Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten wird stets durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährt, dessen öffentlich institutioneller Charakter nicht verdrängt werden kann. 2. Zeitpunkt von Ehevertrag bzw. Pflichtteilsverzicht unerheblich Für die Beurteilung der Wirksamkeit von Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht ist das tatsächliche Aushöhlen des Wesenskerns der geführten Ehe entscheidend. Dies bedarf einer Rechtfertigung durch eine starke verfassungsrechtliche Position. Ohne Einfluss auf etwaige Grenzen der Vertragsfreiheit bleibt der Zeitpunkt der Vereinbarung der Eheleute. Dies gilt insbesondere für einen vorehelich vereinbarten Ausschluss von gesetzlichen Ansprüchen, die erst mit der Eheschließung Wirkung entfalten können. Unerheblich ist, inwieweit modifizierende Vereinbarungen oder Verzichte der Eheleute potentielle gesetzliche Ansprüche nie entstehen oder etwa eine juristische Sekunde nach Eheschließung erlöschen lassen.31 Auch hier gilt: Allein das verfassungsrechtlich vermittelte Schutzniveau ist Maßstab der Inhaltskontrolle.

III. Die erb- und güterrechtliche „Vertragsfreiheit“ im historischen Bürgerlichen Recht Die denkbaren verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Vermittlung des Schutzes ehelicher Vermögensausgestaltungsfreiheit sind mit Art. 6 Abs. 1 GG bzw. auch Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG, wie gezeigt, eben29  Zumindest im Umkehrschluss: Stern/Sachs, Staatsrecht, Band III/2 (1994), § 86 II 5 (insbes. S. 911 ff.). 30  Dreier in: Dreier, Band I (2004), Vorb. 133. 31  Zur Rechtswirkung von Erb- und Pflichtteilsverzicht: Schotten in: Staudinger (§§ 2346–2385) (April 2010) Einl. zu §§ 2346–2352 Rn. 35: Anspruch entsteht nicht, § 2346 Rn. 74; Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 19.

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

so vielfältig wie schwer einzuordnen. Grundsätzlich sind das verfassungsrechtlich geschützte Pflichtteilsrecht und die verfassungsrechtlich geschützte güterrechtliche Teilhabe nicht über das bürgerliche Recht, sondern ausschließlich über das Verfassungsrecht zu verstehen. Dies gilt aber nicht vorbehaltlos: Die Reichweite der erbrechtlichen Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG kann in wesentlichen Teilen über das historische Bürgerliche Recht nachvollzogen werden. Von diesem Ausgangspunkt gesehen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die verfassungsrechtliche (eheliche) Vertragsfreiheit auf der Grundlage des Verständnisses der (ehelichen) Vertragsfreiheit des Bürgerlichen Rechts zumindest in Teilen nachvollzogen werden kann. Gerade weil schon eine Bestimmung des Grundrechts schwerfällt, das die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit schützt, ist zunächst die bürgerlich rechtliche Bedeutung und Reichweite der Vertragsfreiheit zu erörtern. Auf dieser Grundlage ist dann die verfassungsrechtliche Einordnung der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit vorzunehmen. Die eheliche Vertragsfreiheit im Güterrecht kannte schon das historische Bürgerliche Gesetzbuch.32 Die Eheleute konnten nicht nur gemäß § 1432 BGB a.F das Güterrecht selbst bestimmen, sondern auch entsprechend dem bis heute fortgeltenden § 2346 Abs. 2 BGB auf den Pflichtteil verzichten. Zu signifikanten Einschränkungen dieser Rechte durch die Judikative kam es nicht. Im zivilrechtlichen Verständnis nimmt die Vertragsfreiheit einen zentralen Stellenwert ein. Minderjährigenschutz, Abstraktionsprinzip und Vertragsfreiheit sind gemeinhin überragende Grundprinzipien des Bürgerlichen Rechts. Die Beratungen zum Bürgerlichen Gesetzbuch begannen in zeitlicher Nähe zu epochalen wirtschaftlichen Veränderungen. Bis in das 19. Jahrhundert regelten Zünfte33 den Zugang zu vielen Berufen mitsamt der Preisbildung. Wirtschaftliche Entfaltung und Fortschritt, intensiviert durch den Wettbewerb des freien Marktes, waren elementar eingeschränkt. Die Gewerbeordnung von 1869 hat diese Strukturen endgültig entflechtet und ist Sinnbild des wirtschaftlichen Liberalismus.34 In diesem Umfeld schritt die von England ausgehende Industrialisierung in Deutschland entschieden voran. Die Vertragsfreiheit ist das einzige Medium, in dem sich 32  E.

II. 1. der Bedeutung der durch das Bürgerliche Gesetzbuch vermittelten Freiheit als Abkehr von dem alten freiheits- und marktzutrittsbeschränkenden Zunftsystem zeugt noch das Vorwort in: Palandt in: Palandt, (7. Aufl., 1949), Einleitung I. Abschnitt 19 (S. 2); vgl. zum Ganzen: Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 24 (1999), „Zünfte“, S. 652. 34  Vgl.: Frotscher, § 1 Gewerberecht, S. 1, 6 f. in: Liszt, v. (Begr.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, BT 1 (1995); Gröschner, Das Überwachungsverhältnis, S. 5 ff. 33  Von



III. Die erb- und güterrechtliche „Vertragsfreiheit“ im Bürgerlichen Recht233

der unternehmerisch denkende und tätige homo oeconomicus voll entfalten kann. Kurzum: Vertragsfreiheit ist das „Glaubensbekenntnis“35 des Bürgerlichen Rechts. Ein Glaubensbekenntnis, dem sich grundsätzlich auch der Bundesgerichtshof verpflichtet fühlt.36 Dass das historisch geprägte Leitbild vermeintlich unbeschränkter Vertragsfreiheit des 19. Jahrhunderts durch Hofer37 als Mythos entpuppt wurde, bleibt auf das tief verwurzelte Anspruchsdenken der Zivilrechtler38 auf nahezu uneingeschränkte Vertragsfreiheit ohne substantielle Auswirkungen. Überraschenderweise liegen keine historischen Quellen vor, die unmittelbaren Aufschluss über das Verständnis der Reichweite der Vertragsfreiheit im 19. Jahrhundert geben können. Hofer beleuchtete deshalb das historische Verständnis der Vertragsfreiheit im Spiegel mittelbarer Quellen. Insbesondere über das historische Wirtschaftsverständnis konnte Hofer zeigen, dass das Verständnis der Vertragsfreiheit nicht grenzenlos war.39 Ungeachtet der grundsätzlichen Untersuchungen Hofers zu der rückblickend betrachtet überbewerteten Vertragsfreiheit enthält das Bürgerliche Gesetzbuch für den Pflichtteilsverzicht und güterrechtliche Verträge auch systemische Argumente gegen eine weitreichende Vertragsfreiheit. 35  Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 59 m. V. a. Schwerdtner, Das Persönlichkeitsrecht in der deutschen Zivilrechtsordnung, S.  131: dort zu den „Glaubensbekenntnisse[n]“. 36  BGH NJW 1984, 2150, 2151: So betont der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum die „überragende Bedeutung“ der Vertrags- und Testierfreiheit in der „Wertordnung des Bürgerlichen Gesetzbuches“. Ob der Bundesgerichtshof hier bewusst nur von „Wertordnung“ oder das obiter dictum nur ungenau nicht von „Werteordnung“ spricht, ist schwer zu ergründen. Mit dem Wortlaut und der Aussage des obiter dictums ist es durchaus vereinbar, dass Vertrags- und Testierfreiheit den „Wert“ des Bürgerlichen Gesetzbuchs darstellen und der Singular nicht zufällig gewählt wurde. Freilich kennt das Bürgerliche Gesetzbuch auch noch andere Werte wie Minderjährigenschutz oder den sachenrechtlichen Typenzwang. Dabei handelt es sich jedoch um Werte, die typischerweise keine Inhaltskontrolle eröffnen oder im Hinblick auf den sachenrechtlichen Typenzwang den wirtschaftlichen Inhalt von Rechtsgeschäften unterbinden. Ebenfalls besprochen bei: Kroppenberg Freiheit von Todes wegen, S. 58. 37  So durch: Hofer, Freiheit ohne Grenzen? (2001), S. 1 ff., 275 ff.; Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 59 sieht den Mythos als „dekonstruiert“: m. V. a. ebd. 38  Zur Ansicht umfassender Vertragsfreiheit bei notarieller Form: Reimann: „From contract to status – Vertragsfreiheit und Vertragstreue vor neuen Grenzen?“ S. 65, 79 f. in: Schmoeckel/Kanzleiter, Vertragsschluss – Vertragstreue – Vertragskontrolle. 39  Hofer, Freiheit ohne Grenzen? (2001), S. 1  ff., 268 ff., 275 ff., insbesondere auch Umschlagtext des Werks.

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Eine systematisch entgrenzte Vertragsfreiheit der Eheleute geht aus dem historischen Bürgerlichen Gesetzbuch nicht hervor. Der mit der notariellen Form für güterrechtliche Vereinbarungen gem. § 1434 BGB a. F. und dem Pflichtteilsverzicht gem. § 2348 BGB zumindest auch von dem historischen Gesetzgeber bezweckte40 Schutz vor Übereilung und Schutz durch Aufklärung unterstreicht die Bedeutung der gesetzlichen Rechtsinstitute. Die Generalklauseln als Ausnahmeregelungen können und sollten die Vertragsfreiheit nicht zugunsten einer vermeintlichen materiellen „Gerechtigkeit“ verdrängen.41 Der dem historischen bürgerlichen Recht untergeschobene allgemeine Glaube an materielle Richtigkeit durch freie Vertragsgestaltung lässt sich wegen des notariellen Formerfordernisses und der damit einhergehenden Beratungs- und Warnfunktion nicht vorbehaltlos auf den Pflichtteilsverzicht und güterrechtliche Verträge übertragen. Der Gesetzgeber bringt durch das Formerfordernis auch Zweifel an der vertraglichen Richtigkeitsgewähr zum Ausdruck. Aus der Systematik des Bürgerlichen Rechts betrachtet können Pflichtteils- und Erbverzicht zudem nicht ohne weiteres als Ausfluss der Vertragsfreiheit betrachtet werden. Die Rechtsnatur des Erb- und Pflichtteilsverzicht als abstraktes Verfügungsgeschäft42 bleibt auch durch einen dem Verzicht zu Grunde liegenden Kausalvertrag unberührt. Jenseits dieser Besonderheit aus der Rechtsnatur des Verzichts finden die Verhandlungen über einen Verzicht wie bei einem schuldrechtlichen Vertrag statt. Die Nähe zum beidseitigen Vertrag wird besonders deutlich, sobald der stets ein abstraktes Rechtsgeschäft bleibende Pflichtteilsverzicht aufgrund bzw. wegen einer Abfindungsvereinbarung43 erfolgt. Pflichtteilsrecht, Pflichtteilsverzicht und Testierfreiheit können nur als systematische Einheit verstanden werden. Im Unterschied zur auf beidseiti40  Schon nach den historischen Quellen: Hertel in: Staudinger (Beurkundung), (Oktober 2011) Vorbem. zu §§ 127a, 128 (BeurkG) Rn. 7 ff. zur Warnfunktion und Rn. 11 zur notariellen Belehrung. (Rn. 7) m. V. a. Mugdan, Band I, S. 451: Die Warnfunktion war für den historischen Gesetzgeber ein klarer Schwerpunkt. 41  Vgl. zur Funktion der Generalklauseln: B. III. 42  Zur Rechtsnatur und Terminologie nach konkretem Umstand: Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 37: Erb- und Pflichtteilsverzicht als „abstraktes Verfügungsgeschäft“. Schotten in: Staudinger (2346–2385), (April 2010) Einl. zu §§ 2346–2352 Rn. 17: nach allg. Meinung: „erbrechtliches Verfügungsgeschäft“. Schotten in: Staudinger (2346–2385), (April 2010) Einl. zu §§ 2346–2352 Rn. 19: abstraktes Rechtsgeschäft. Zum Pflichtteilsverzicht als Unterfall des Erbverzichts: Schotten in: Staudinger (2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 31. 43  Wegerhoff in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2346 Rn. 21 ff.: zur rechtlichen Einordnung der Abfindungsvereinbarung. Eingehend zum Kausalgeschäft des Erbverzichts: Schotten in: Staudinger (2346–2385), (April 2010) § 2346 Rn. 115.



III. Die erb- und güterrechtliche „Vertragsfreiheit“ im Bürgerlichen Recht235

gem Handeln beruhenden Vertragsfreiheit kann sich der Glaube an die vertragliche Richtigkeitsgewähr nicht auf die nur auf einseitigem Handeln beruhende Testierfreiheit erstrecken. Die Grundannahme von in den Vertragsverhandlungen ihre Interessen sachgerecht wahrnehmenden Parteien lässt sich nicht auf das einseitige Handeln des Testierenden übertragen. In letzter Konsequenz ist das auch die Auffassung des historischen Gesetzgebers: Zwar erwartete er einerseits, dass der Erblassers die mit der Testierfreiheit einhergehende Freiheit nicht „mißbrauchen“ werde, andererseits sah der Gesetzgeber sich dennoch veranlasst, einen Missbrauch der Testierfreiheit zulasten der Familie durch ein Pflichtteilsrecht abzusichern.44 Für die Aufnahme des Pflichtteilsrechts in das Bürgerliche Gesetzbuch sprach neben dieser Intention auch der Arbeitsauftrag an die Kommissionen einer Kodifikation der verbreiteten Partikularrechte, die eben das Pflichtteilsrecht kannten.45 Das Pflichtteilsrecht stellt eine rechtstechnische Besonderheit des Bürgerlichen Rechts dar: Das Pflichtteilsrecht gewährt den Pflichtteilsberechtigten einen schuldrechtlichen Anspruch, der seine Grundlage darin findet, dass der Erblasser seine Testierfreiheit zum Nachteil der Familie „mißbraucht“ hat. Statt ein Pflichtteilsrecht zu gewähren, hätte der „Mißbrauch“ des Pflichtteilsrechts auch als sittenwidrig eingeordnet werden können. Hierdurch hätte über die Generalklauseln die gesetzliche Erbfolge herbeigeführt werden und so eine Beteiligung naher Angehöriger an dem Nachlass erreicht werden können. Alternativ hätte im „Mißbrauch“ der Testierfreiheit auch eine „beschränkte Testierunfähigkeit“ erkannt werden können, die wiederum die gesetzliche Erbfolge auslöst. Eine solche Absicherung der erbrechtlichen Beteiligung der Familie wäre vergleichbar mit dem Römischen Recht als allgemeines dogmatisches Vorbild des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Das Römische Recht schützte übergangene nahe Angehörige nicht durch ein spezielles Pflichtteilsrecht, sondern durch die Fiktion der Geisteskrankheit des nahe Angehörige übergehenden Testators.46 Die Pflichtteilsberechtigten wurden nach dem historischen Bürgerlichen Recht auch mit § 2325 Abs. 3 BGB a. F. effektiv vor pflichtteilsaushöhlenden Verfügungen des Erblassers geschützt. Während des jungen Bürgerlichen Gesetzbuchs war ein Vereiteln solcher Pflichtteilsergänzungsansprüche durch 44  Motive, Band V, S. 387: Das Pflichtteilsrecht als „Kehrseite … [der] Rechtspflicht“, die „Testierfreiheit nicht zu mißbrauchen“: bespr. bei: Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 61 insbes. Fn. 29, 30: ebd. erörtert auch die Testierfreiheit aus dem Blickwinkel, aus dem die Testierfreiheit auf dem Vertrauen auf den Gerechtigkeitssinn des Erblassers beruhen soll (unter Bezug auf hier in aktualisierter Auflage zitierten: Leipold in: MünchKomm, Band 9 (2010), Einleitung Rn. 19 vor §§ 1922–2385). 45  Vgl. D. VI. 4. c). 46  Vgl. D. V. 6. b).

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die Kombination von geringerer Lebenserwartung47 und geringerem Vermögensaufbau48 massiv erschwert.49 Zur Relativierung der Bedeutung des Pflichtteilsrechts kann auch nicht angeführt werden, dass die Testierfreiheit formal betrachtet durch das Pflichtteilsrecht unberührt bleibt. Das Pflichtteilsrecht wirkt wirtschaftlich gesehen auf die letztwillige Verfügungsfreiheit des Erblassers ebenso wie das bei den Beratungen ebenfalls als Alternative diskutierte und verfassungsrechtlich unbedenkliche materielle Noterbrecht.50 Die Handlungsfähigkeit der Erbengemeinschaft wird mit dem schuldrechtlich wirkenden Pflichtteilsanspruch nicht belastet. Die Beteiligung durch ein Noterbrecht würde die Erbengemeinschaft demgegenüber durch die unmittelbare Beteiligung übergangener Angehöriger regelmäßig schwer belasten. Dies ließ das Pendel zugunsten des Pflichtteilsrechts ausschlagen.51 Auch hatte der historische Gesetzgeber einen unentgeltlichen Pflichtteilsverzicht nicht als Regelfall angesehen. Vielmehr ging der Gesetzgeber von einem entgeltlich umfassenden Erb- und Pflichtteilsverzicht aus. Für den Erbverzicht sah schon das historische bürgerliche Recht mit § 2310 Satz 2 BGB die gesetzgeberische Erwartung der Entgeltlichkeit vor. In der Erwartung einer Abfindung aus dem Vermögen des Erblassers an den auf das gesetzliche Erbrecht Verzichtenden, wird dieser nicht mehr bei der abstrakten Berechnung der Pflichtteilsquote als Erbe mitgezählt. Hierdurch erhöhen sich die Pflichtteile, was den Vermögensabfluss an den auf das Erbrecht Verzichtenden kompensiert.52 Auch ist nicht ersichtlich, dass das Pflichtteilsrecht als spezialgesetzliche Regelung den Anwendungsbereich der Generalklauseln auf nahe Angehörige übergehende Verfügungen verdrängen sollte. Die mit der besonderen gesetzlichen Absicherung des Pflichtteilsrechts einhergehenden Wertentscheidungen ließen vielmehr im Gegenteil den Schluss zu, dass nahe Ange47  Otte AcP 2002 (202), 315, 335 ff. – beachte die Anmerkungen Ottes zu relativierenden Effekten der absolut gestiegenen Lebenserwartung. 48  Exemplarisch: Das Geldvermögen der goldunterlegten „Goldmark“ war schon natürlich begrenzt, entgegen der heute theoretisch unbegrenzten Geldschöpfung. 49  Eingehend zur Bedeutung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs und zu den verfassungsrechtlichen Zweifeln an dem neugefassten § 2325 Abs. 3 BGB: D. V. 8. 50  Zu den Beratungen der Kommissionen und zur Sichtweise auf das materielle Noterbrecht: BVerfG ZEV 2005, 301, 303 Tz. 67, 68, 70 = BVerfGE 112, 332, 350 ff. Tz. 67, 68, 70. 51  Vgl. Mertens, Entstehung BGB, S. 92 f. 52  Krug, Erbrecht, S. 158  f.; Lange in: MünchKomm, Band 9 (2010), § 2310 Rn. 9: Nach allg. Meinung wird mitgezählt, wer nur auf das Pflichtteilsrecht verzichtet (§ 2436 Abs. 2 BGB). Zur Problematik durch den der Einfachheit geschuldeten Verzicht auf eine konkrete „Abfindung“: Haas in: Staudinger (§§ 2265–2338), (Juni 2006) § 2310 Rn. 15.



III. Die erb- und güterrechtliche „Vertragsfreiheit“ im Bürgerlichen Recht237

hörige übergehende letztwillige Verfügungen einer besonders strengen Inhaltskontrolle unterliegen. In seiner Gesamtheit kann das Pflichtteilsrecht als gesetzgeberische Aussage dahingehend verstanden werden, dass die Testierfreiheit bzw. die Vertragsfreiheit bei dem Verzicht auf das Pflichtteilsrecht nicht grenzenlos ist: Das Pflichtteilsrecht verdeutlicht das Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber dem Erblasser, von der gewährten Testierfreiheit zugunsten der Familie Gebrauch zu machen. Aus der besonderen Absicherung der erbrechtlichen Beteiligung der Familie über das Pflichtteilsrecht kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass der Verzicht auf dieses für den Gesetzgeber wichtige Recht nicht der Kontrolle über die Generalklauseln entzogen sein sollte. Entgegen dem in dem Pflichtteilsrecht zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Misstrauen in die Ausübung der Testierfreiheit entwickelte sich nicht die Testierfreiheit, sondern die Privatautonomie unter Lebenden sukzessiv zum begrenzenden Eckpfeiler der Vertragsfreiheit im Bürgerlichen Recht.53 Die Testierfreiheit wurde dagegen tatsächlich entgrenzt.54 Der Pflichtteilsverzicht und letztwillige Verfügungen teilen sich eine weitreichende Freiheit vor einer zivilrechtlich durchgreifenden Inhaltskontrolle. Entgegen der beschriebenen Gesetzessystematik und der historischen Intention des Gesetzgebers erkennt die maßgebliche zivilrechtliche Literatur grundsätzlich keine allgemeine Rechtspflicht des Erblassers an, die Testierfreiheit nicht zum Nachteil der Pflichtteilsberechtigten zu missbrauchen.55 Hiermit korrespondiert auch die Vorstellung, dass die Eigenschaft Erbe zu sein keine natürliche, sondern eine überobligatorische Rechtsstellung sei, die sich der Pflichtteilsberechtigte „verdienen“ müsse.56 Ungeachtet der historischen und systematischen Intentionen orientiert sich die bei der Kontrolle des Pflichtteilsverzichts gewährte zivilrechtliche Freiheit an dem Mythos einer historisch verklärten unbegrenzten Vertragsfreiheit. 53  Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 59 Fn. 11 m.  V. u. a. a. Leisner, Grundrechte und Privatrecht (1960), S. 323 f.: „Geschichte der Vertragsfreiheit als Geschichte ihrer Beschränkungen“, mit historischer und verfassungsbezogener Beschreibung der Entwicklung. 54  Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 59 Fn. 12 m. V. a. § 1 A., S. 13 ff., B., S.  25 ff. 55  Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 61. 56  Grds. auch und insbesondere zur Erblasserfreiheit: Nehlsen, Die Einwirkung von Grundrechten auf die Gültigkeit von Verfügungen von Todes wegen am Beispiel von Heiratsklauseln – ein Beitrag zur Wirksamkeit erbrechtlicher Potestativbedingungen, S. 26, 28 in: Schmoeckel (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im Familien-, Erb- und Gesellschaftsrecht.

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

Auch das vertragliche Güterrecht kann nur ganz begrenzt in Verbindung zu der historisch überhöhten liberalen Wirtschaftsvertragsfreiheit des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs gebracht werden. Eine Verbindung zu der – historisch verklärten – Wirtschaftsvertragsfreiheit ist zu erkennen, soweit das Vertragsgüterrecht den Eheleuten erlauben soll, den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen und Beiträgen entsprechende Vereinbarungen zu schließen.57 Mit diesem Ausgangspunkt lässt sich durchaus ein Bezug zu einem wirtschaftlichen Vertragsfreiheitsverständnis herstellen. Den Ehegatten wird ermöglicht, den eigenen Beiträgen zur Ehe eine wirtschaftliche Bedeutung zuzumessen. Dieser wirtschaftliche Bezug kann jedoch nicht zu einer Überhöhung der Bedeutung der ehevertraglichen Vertragsfreiheit führen. Es ist nicht erkennbar, dass der historische Gesetzgeber eine entgrenzte eheliche Vertragsfreiheit intendierte, die außerhalb der Kontrolle der Generalklauseln stehen sollte. Zudem ist das historische Vertragsfreiheitsverständnis, wie durch Hofer gezeigt, schon nicht grenzenlos gewesen und deshalb die eheliche Vertragsfreiheit nicht der Kontrolle durch die Generalklauseln zu entziehen. Auch gewährte das historische Bürgerliche Gesetzbuch Vertragsfreiheit in Güterrechtssachen, weil die überkommenen Deutschen Rechtsordnungen diese kannten und das Bürgerliche Recht die Rechtsordnungen vereinheitlichen sollte.58 Die Aufnahme der güterrechtlichen Vertragsfreiheit in das Bürgerliche Recht wegen deren Verbreitungsgrad in den lokalen Rechtsordnungen bedeutet keine grundsätzliche Wertentscheidung des Bürgerlichen Rechts in Bezug auf die Vertragsfreiheit: Das allgemeine Verständnis der Reichweite der Vertragsfreiheit wird durch die Gewähr der ehevertraglichen Vertragsfreiheit aus dem Motiv deren bisherigen Verbreitung nicht beeinflusst. Zudem können die lange vor der Auflösung der Zünfte gebildeten Rechtsordnungen schon nicht in Zusammenhang mit der fälschlich überhöhten liberalen Wirtschaftsvertragsfreiheit des 19. Jahrhunderts gesehen werden. Auch hier konnte die ohnehin verklärte historische Wirtschaftsvertragsfreiheit für die vertragliche Güterrechtsfreiheit der Eheleute nicht Pate stehen. Abschließend betrachtet können weder der Pflichtteilsverzicht noch die Güterrechtsfreiheit mit der historisch verklärten Vertragsfreiheit des historischen Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung gebracht werden. Das Pflichtteilsrecht stellt eine Besonderheit im System des Bürgerlichen Rechts dar. Durch die besondere Absicherung der wirtschaftlichen Beteiligung naher Angehöriger am Nachlass durch das Pflichtteilsrecht bringt der Gesetz57  Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Vorbem. zu §  1408 Rn.  11 m.  V.  a. Erwägungen zur Rechtsvereinheitlichung bei: Motive, Band IV, S. 139. 58  E. II. 1.



IV. Erb- und güterrechtliche Ausgestaltungsfreiheit239

geber gerade zum Ausdruck, dass er an die Richtigkeitsgewähr der Testierfreiheit in Bezug auf die Einsetzung naher Angehöriger nicht glaubt. Nichts anderes gilt entsprechend für den Pflichtteilsverzicht. Auch hier kommen die Zweifel des historischen Gesetzgebers an der Richtigkeitsgewähr durch die zwingende notarielle Form zum Ausdruck. Zwar erfolgt der Verzicht regelmäßig nach Verhandlungen zwischen Erblasser und dem Grunde nach potentiell Pflichtteilsberechtigten. Der historische Gesetzgeber war sich der grundsätzlichen Beratungs- und Warnfunktion der notariellen Form bewusst und wollte auf diese ersichtlich nicht verzichten. Die durch den Notar als unparteiischem Dritten vermittelte Beratungs- und Warnfunktion kann nicht absolut, sondern durch dessen Stellung nur bedingt wirken, so dass es bei der beschränkten Richtigkeitsgewähr des Zustandekommens des Verzichts bleibt. Auch die durch das historische Bürgerliche Gesetzbuch gewährte Güterrechtsfreiheit war vor allem dem Ziel der Kodifikation überkommenen Partikularrechts geschuldet. Der Mythos der erst Ende des 19. Jahrhundert keimenden Wirtschaftsvertragsfreiheit spiegelt sich in der Güterrechtsfreiheit der Eheleute ebenfalls nicht.

IV. Erb- und güterrechtliche Ausgestaltungsfreiheit im Spiegel des Zeitgeistes Bei der verklärten Wirtschaftsvertragsfreiheit des historischen Bürger­ lichen Rechts handelt es sich schon um einen Mythos. Zudem ist dieser Mythos der Wirtschaftsvertragsfreiheit des Liberalismus nicht auf den im Erb- und Familienrecht wurzelnden Pflichtteilsverzicht und güterrechtliche Verträge übertragbar. Das Verständnis von Vertragsfreiheit und ehelicher Vermögensausgestaltungsfreiheit scheint jedoch nicht statisch zu sein. Erkenntnisse zu den historischen Einflussfaktoren auf die Entwicklung des Freiheitsverständnisses im Bürgerlichen Recht können Aufschluss über die Auslegung und Anwendung der Generalklauseln in der Gegenwart geben. Gleichzeitig können diesbezügliche Kenntnisse auch dabei helfen, das verfassungsrechtliche Verständnis von Vertragsfreiheit und ehelicher Vermögensausgestaltungsfreiheit nachzuvollziehen und zu dekonstruieren. Das Erbrecht ist besonders anfällig für dogmatische Vereinnahmungen mit seiner Janusköpfigkeit einer vermeintlich „römisch-unsoziale[n] und deutschsoziale[n] Rechtsanschauung“.59 Je nach politischer Intention wird einem dieser vermeintlichen Gegensätze weit überwiegende Bedeutung zugemessen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde etwa die Familienbindung des Familien- und Erbrechts hochgehalten, insbesondere durch den National59  Kroppenberg,

Freiheit von Todes wegen, S. 61.

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sozialismus.60 Diese nationalsozialistischen Vereinnahmungen zu Lasten der Selbstbestimmung der Eheleute und einzelner Familienmitglieder endete ­unter Geltung des Grundgesetzes. Dementsprechend wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis hin in das neue Jahrtausend die Testierfreiheit zugunsten des Wohles der Familie nicht mehr so stark eingeschränkt. Die wiederentdeckte Freiheit soll von dem Vertrauen in das Gerechtigkeitsstreben des einzelnen Erblassers getragen sein, das sich in der Testierfreiheit voll entfaltet.61 Eine Familienbindung der Testierfreiheit soll folgerichtig nicht bestehen.62 Gesellschaftlich und politisch fügt sich dieses Freiheitsverständnis in das grundgesetzliche Bild des freien Menschen ein. Dieses Freiheitsverständnis mündete in Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Pflichtteilsrechts, die das Bundesverfassungsgericht mit seinem umfassenden Bekenntnis zumindest zum Pflichtteilsrecht der Kinder zerstreute.63 Dies verdeutlicht schon das nur begrenzte Einwirken allgemeiner, politischer und zivilrechtlicher Entwicklungen auf das verfassungsrechtliche Verständnis von Ehe und Familie. Insbesondere schlug der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vordringende Freiheitsgedanke im Bürgerlichen Recht nicht auf die Auslegung der Verfassung durch. Das Bundesverfassungsgericht hat den verfassungsrechtlichen Schutz des Pflichtteilsrechts der Kinder aus seiner historischen Verwurzelung hergeleitet und sich dabei von einem möglichen Freiheitsgeist in Gesellschaft und Politik des 20. Jahrhunderts gänzlich unbeeindruckt gezeigt. Wirtschaftspolitische Tendenzen und Entwicklungen schlagen letztendlich nicht einmal auf das bürgerlich-rechtliche Freiheitsverständnis im Familienund Erbrecht durch. 60  Vgl. etwa: Diederichsen: Nationalsozialistische Ideologie in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Ehe- und Familienrecht, S. 241 ff. in: Dreier/Sellert (Hrsg.), Recht und Justiz im „Dritten Reich“ (1989); zum nationalsozialistischen Gesetzgeber: Schubert, Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus: ausgewählte Quellen zu den wichtigsten Gesetzen und Projekten aus den Ministe­ rialakten (1993); allgemein auch: Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 61. 61  Zu den jüngsten gescheiterten Vereinnahmungsversuchen zum Wohle der Familie: Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 61 insbes. auch Fn. 29, 30. 62  Die Testierfreiheit sei „kein pflichtgebundenes Recht, das nur zum Wohl der Familie ausgeübt werden dürfe“: Otte in: Staudinger (§§ 1922–1966), (Januar 2008) Einl. zum ErbR Rn. 54. Hierzu auch: Kroppenberg, Freiheit von Todes wegen, S. 61 Fn. 30 mit Würdigung von ebd. Otte (in Vorauflage). 63  BVerfG ZEV 2005, 301, 301 = BVerfGE 112, 332, 335 f.: das BVerfG weist die am Pflichtteilsrecht geübte Kritik zurück: Dauner-Lieb, Forum Familien- und Erbrecht 2001, 78, 79 f. (insbes. zur Akzeptanzkrise); Schlüter, Die Änderung der Rolle des Pflichtteilsrechts im sozialen Kontext, S. 1047, 1049 f. (insbesondere zu einem gesellschaftlich überlebten Pflichtteilsrecht) in: Canaris (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band I (2000).



IV. Erb- und güterrechtliche Ausgestaltungsfreiheit241

Während des Wirtschaftsliberalismus der Kaiserzeit herrschten strenge Sittenvorstellungen, die zur Sittenwidrigkeit der Konkubinentestamente führten.64 Umgekehrt wurde erst während der aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet weniger liberalen sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik das Sittenwidrigkeitsverdikt des Konkubinentestaments weitgehend überwunden. Die im Ersten und Zweiten Weltkrieg auf die Produktion kriegswichtiger Güter staatsgelenkte Wirtschaft ließ das grundlegende erb- und eherechtliche Freiheitsverständnis grundsätzlich unberührt. Eine Ausnahme bildete die Hausratsverordnung aus dem Jahr 1944. Die durch die Bombardierung deutscher Städte begründete Wohnungsknappheit hat den nationalsozialistischen Gesetzgeber dazu veranlasst, die Möglichkeit der Zuweisung von Ehewohnung und Hausrat an die Eheleute bei Scheidung zu eröffnen.65 Unter dem Grundgesetz schlägt das Wirtschaftsverständnis ebenfalls nicht auf das zivilrechtliche und verfassungsrechtliche Verständnis der Freiheit im Erb- und Familienrecht durch. Auf dem Höhepunkt der wirtschaftspolitischen Finanzmarktderegulierung66 setzte das Bundesverfassungsgericht mit den Entscheidungen zu Eheverträgen einerseits in der Vertragsfreiheit und mit dem Bekenntnis zu einem starken Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge andererseits der Freiheit des Erblassers freiheitsbegrenzende Eckpfeiler. Das Erb- und Güterrecht unterliegt langfristigen Entwicklungen. Der Einfluss von stets im Fluss bleibenden politischen und wirtschaftlichen Wertvorstellungen bleibt überschaubar. Es ist eher die tatsächliche Lebenssituation von Ehe und Familie, die auf das Rechtsverständnis einwirken kann. Die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Ehe als Keimzelle der Gesellschaft wird das Rechtsverständnis auch weiterhin prägen. Für die Zukunft kann allenfalls erahnt werden, wo sich erhebliche Spannungsfelder auftun und wie diese aufgelöst werden können. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels67 ist eine schwierigere Versorgungssituation im Alter zu erwarten. Dies lässt die Bedeutung des Pflichtteilsrechts für den einzelnen Ehegatten steigen. Ein ebenfalls demographisch bedingter Verlust an staatlichem Gestaltungsspielraum lässt ein bereitwilliges 64  Vertiefend zur diesbezüglichen Rechtsprechungsentwicklung: Sack/Fischinger in: Staudinger (Allgemeiner Teil 4a), (September 2011) § 138 Rn. 137, 604–607. 65  Spiegel der Knappheit an zivilen Gütern: HausRVO vom 21. Oktober 1944 (RGBl I S. 256). Zu den Wirtschaftseingriffen: Zorn, Wirtschaftsgeschichte, S. 55, 78 in: Albers, Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Band 9 (1982). 66  Mit dem 1.–4. Finanzmarktförderungsgesetz wurden zwischen 1990 und 2002 Beschränkungen der Finanzwirtschaft erodiert. 67  Zum demographischen Wandel in Deutschland: Halder, Demographischer Wandel, S.  36 ff.

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

staatliches Schließen von Versorgungslücken unwahrscheinlich erscheinen. Der schon die Beratungen des Bürgerliche Rechts prägende Grundsatz der Subsidiarität hoheitlicher Unterstützung könnte gestärkt wiederentdeckt werden.68 Diese Gedanken lassen sich entsprechend auf das Güterrecht übertragen. Auch güterrechtliche Teilhabe ist geeignet, einen konkreten Bedarf zu decken. Schon wegen der steigenden Lebenserwartung und konstant hohen Scheidungsquoten69 werden durch Wiederverheiratung Patchworkfamilien immer wahrscheinlicher. So kann immer seltener davon ausgegangen werden, dass die Kinder eines Erblassers nach dem Versterben des überlebenden Ehegatten diesen beerben. Ein Weiterfließen des Erblasservermögens an seine Abkömmlinge nach dem Versterben des überlebenden Ehegatten wird damit unwahrscheinlicher. Das Risiko des Abflusses ehelich erwirtschafteten Vermögens an Dritte wird voraussichtlich steigen. Dies lässt in der Gesamtschau vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich starken Pflichtteilsrechts der Kinder vermuten, dass die freie Vermögensgestaltung der Ehe langfristig kritischer durch die Justiz oder auch den Gesetzgeber beäugt werden wird. Insgesamt ist die Freiheit in der Vermögensausgestaltung der Ehe trotz des angeblichen Glaubensbekenntnisses des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Vertragsfreiheit nicht statisch.70 Die auf das Freiheitsverständnis einwirkenden und es bestimmenden Mechanismen bleiben dabei weitgehend im Verborgenen und können nicht sicher mit dem jeweiligen gesellschaftlichen oder gar politischen oder wirtschaftlichen Freiheitsverständnis in Verbindung gebracht werden. Zumindest sind keine langfristigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Tendenzen seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ersichtlich, die möglicherweise geeignet wären, ein Verfassungsverständnis der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit fortzuentwickeln. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen und zum Schutz des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge verdeutlicht, dass es keine klaren Wechselwirkungen zwischen Verfassungsverständnis und den kaum rekonstruierbaren oder auch nur vorzeichenbaren Entwicklungen im Zivilrecht gibt.

68  Zum ehelichen Scheidungsfolgenrecht: Motive, Band IV, S. 617 (Sorge um „eine Mehrung der öffentlichen Armenlast“). 69  Vgl. statistische Angaben bei: Rauscher in: Staudinger (Scheidung der Ehe) (Juni 2010) Vorbem. §§ 1564 ff. Rn. 41 ff. 70  F. III.



V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit243

V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit 1. Keine Gewähr der Vertragsfreiheit durch ein spezielles Grundrecht Auf den ersten Blick lässt das Grundgesetz die Suche nach dem Schutz der Vertragsfreiheit ins Leere laufen. Weder eine allgemeine Wirtschaftsvertragsfreiheit noch die Freiheit auf das Abbedingen von Pflichtteilsverzicht und Zugewinnausgleich ergeben sich für den unversierten Leser aus dem Wortlaut des Grundgesetzes. Damit scheint das Grundgesetz nicht von der Vertragsfreiheit geprägt zu sein. Ganz im Gegenteil zu dem Bürgerlichen Recht, das den Pflichtteilsverzicht und die Güterrechtsfreiheit regelt. Dem ersten Anschein nach scheint das Grundgesetz die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit nicht hoch zu gewichten. Dies ist jedoch grundsätzlich Voraussetzung für ein wirksames privatautonomes Abbedingen von Pflichtteilsrecht und güterrechtlicher Teilhabe durch die Eheleute. Anderweitig ist von einer auf die eheliche Vermögensausgestaltung durchgreifenden Inhaltskontrolle auszugehen. 2. Verfassungsrechtliche Entwicklung der Vertragsfreiheit Die formal schwach erscheinende Stellung der Vertragsfreiheit im Grundgesetz erstaunt. Ähnlich dem Erbrecht und auch dem Pflichtteilsrecht ist auch die Vertragsfreiheit rechtshistorisch verankert. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob ähnlich der Erbrechtsgarantie auch ein historisches Verständnis der Vertragsfreiheit in das Grundgesetz ausstrahlt. a) Ausdrücklicher Schutz der Vertragsfreiheit in der Weimarer Verfassung Die liberale Wirtschaftsordnung während der Zeit der Weimarer Reichsverfassung71 spiegelte der Art. 152 Abs. 1 der WRV mit der Gewährleistung der Vertragsfreiheit wider. Ausdrücklich wird dabei die Vertragsfreiheit auf den Wirtschaftsverkehr beschränkt. Nach der Kommentierung der Weimarer Reichsverfassung wird die Vertragsfreiheit als derart selbstverständlich betrachtet, dass deren Aufnahme in die Verfassung „nichts Neues“72 ergeben 71  Apelt,

Geschichte der Weimarer Reichsverfassung (1964), S. 349 f. Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933), Art. 152 Ziff. 1. 72  Anschütz,

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

soll. Hierzu wird angeführt, dass Vertragsfreiheit den Rechtsverkehr allgemein und nicht nur den Wirtschaftsverkehr kennzeichne.73 Nach dieser Interpretation ist ein weites Verständnis und damit eine umfassende Gewähr der Vertragsfreiheit denkbar. Demnach wären der Pflichtteilsverzicht und die güterrechtliche Ausgestaltung schon durch Art. 152 Abs. 1 der WRV geschützt gewesen. Der Schutz der Vertragsfreiheit kann dagegen richtigerweise nur aus der Kernaussage der Weimarer Reichsverfassung als Absage an den Kommunismus heraus verstanden werden.74 Eigentum, Erbrecht, Wirtschaftsvertragsfreiheit und Ehe sind als Elemente der Zurückweisung Weimars gegen die kommunistischen Lebens- und Wirtschaftslehren zu verstehen. Die Erbrechtsgewährleistung ist systematisch in dem Abschnitt „Das Wirtschaftsleben“ eingeordnet. Der Schwerpunkt liegt damit nicht in den Rechten des Einzelnen oder in der Familie.75 Dementsprechend ist die Gewähr des Erbrechts nach Art. 154 Abs. 1 WRV, des Eigentums nach Art. 153 Abs. 1 WRV und der Vertragsfreiheit im Wirtschaftsverkehr gem. Art. 152 Abs. 1 WRV im Zweiten Hauptteil, Fünfter Abschnitt: „Das Wirtschaftsleben“ (Art. 151 bis 165 WRV) eingeordnet, was die Bedeutung des Schutzes dieser Rechte für den Einzelnen ganz erheblich relativiert.76 Die nach Art. 119 Abs. 1 WRV besonders zu schützende Ehe ist hingegen im Zweiten Hauptteil, Zweiter Abschnitt: „Das Gemeinschaftsleben“ (Art. 119 bis 134 WRV) angesiedelt und stand damit schon systematisch fern zur Vertragsfreiheit des Wirtschaftslebens. Auch konnten die Bürger aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe als Institution77 durch Art. 119 Abs. 1 WRV keine subjektiven Rechte herleiten.78 Grundsätzlich zielte der Regelungsbereich des Art. 119 Abs. 1 73  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933), Art. 152 Ziff. 1. 74  Vgl. hierzu: Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933), Art. 119 Ziff. 1; Art. 154; Vorbem. Fünfter Abschnitt, Das Wirtschaftsleben, Art. 151–165. 75  Vgl. insbesondere zur Absage an den Kommunismus: Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933), Art. 119 Ziff. 1, Art. 154. 76  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933), insbes. Art. 154; Vorbem. Fünfter Abschnitt, Das Wirtschaftsleben, Art. 151–165: Die Weimarer Verfassung stelle eine Absage an den Kommunismus und nicht einen effektivem Grundrechtsschutz der Bürger dar. 77  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933), Art. 119 Ziff. 1. 78  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933), Art. 119 Ziff. 3; Wieruszowski in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 2 (1930), Art. 119 I. 2. (S. 73).



V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit245

WRV auf den Staat durch seine Intention der „bevölkerungspolitische[n] Gesichtspunkte“.79 Im Übrigen forderte der Art. 119 Abs. 1 WRV die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Auf dieser Grundlage wurde eine Beteiligung beider Gatten am Ehegewinn als geboten erachtet.80 Sein Schutzpotential konnte Art. 119 Abs. 1 der WRV jedoch wegen der fehlenden Vermittlung subjektiver Rechte für die Eheleute nicht ausspielen. Dementsprechend ist auf den politischen Ansatz der Weimarer Verfassung ebenfalls nicht die freie Ausgestaltung der Ehe durch die Partner selbst als Ausdruck der Eigenverantwortung und freien Ausgestaltung der Eheleute übertragbar. Auch aus der Erbrechtsgarantie des Art. 154 Abs. 1 WRV lässt sich weder die Gewährleistung des Pflichtteilsverzichts noch das Recht der vertraglichen Ausgestaltung bzw. des Verzichts selbst auf das Pflichtteilsrecht herleiten. So stand auch für das Erbrecht das Bekenntnis zum Erbrecht als Teil einer Wirtschaftsordnung als Absage an kommunistische Ideen im Vordergrund.81 Der tatsächliche Schutz durch die Gewährleistung des Erbrechts war gering, weil dem Gesetzgeber nach dem Wortlaut des Art. 154 Abs. 1 WRV bei Erbrecht und Erbschaftssteuer „freie Hand“ verblieb. So oblag es dem Gesetzgeber, das Erbrecht „nach Maßgabe“ des durch diesen selbst ausgestaltete Bürgerliche Recht zu gewährleisten. Dementsprechend konnte der Staat auch die Erbschaftsbesteuerung als den „Anteil des Staates am Erbgut“ festlegen.82 Boehmer hat gleichwohl gegen den Wortlaut der Weimarer Reichsverfassung die Grundsätze des Bürgerlichen Erbrechts als durch die Erbrechtsgewährleistung der Weimarer Reichsverfassung geschützt angesehen.83 Boehmer gesteht bei der Kommentierung des Grundgesetzes selbst ein, dass des für diese von ihm vertretene These keine ausdrückliche Vorschrift in der Weimarer Reichsverfassung gibt.84 Selbst unterstellt, die These Boehmers wäre richtig, so geht aus seinem Werk nicht der Schutz des Pflichtteilsverzichts hervor. 79  Wieruszowski in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 2 (1930), Art. 119 § 1 I. (S. 75). 80  Wieruszowski in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 2 (1930), Art. 119 § 2 V. 8. (S. 87). 81  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14.  Aufl. 1933) Art.  154; Vorbem. Fünfter Abschnitt, Das Wirtschaftsleben, Art. 151–165. 82  Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, (14. Aufl. 1933) Art. 154. 83  Boehmer in: Nipperdey (Hrsg.), Grundrechte und Grundpflichten, Band 3 (1930), Art. 154 § 1 A. II. 1. (S. 254). 84  Boehmer in: Neumann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Band 2 (1954), S. 404.

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

Die bloß auf den Wirtschaftsverkehr gerichtete Vertragsfreiheit der Weimarer Reichsverfassung ist derart eingeschränkt, dass hierin eine verallgemeinerungsfähige Aussage nicht erkannt werden kann und damit die Vertragsfreiheit auch nicht auf den Bereich des Güter- und Pflichtteilsrechts übertragen werden kann. Die Freiheit im Wirtschaftsverkehr ist vielmehr vollkommen losgelöst von einer Vertragsfreiheit im Güter- und Erbrecht zu verstehen. Schon die germanischen Sippen kannten einen Tauschhandel, dieser Tauschhandel blieb jedoch ohne Auswirkungen auf das germanische Familienerbrecht. Ein Erbvertrag oder ähnliches war seinerzeit nicht denkbar. Die Anfänge wirtschaftlicher Vertragsfreiheit sind von einer erbrechtsbezogenen Vertragsfreiheit oder Testierfreiheit klar abzugrenzen. Insgesamt kann zumindest kein ausgeprägter verfassungsrechtlicher Schutz der Vertragsfreiheit für das Güterrecht und den Pflichtteilsverzicht in der Weimarer Verfassung erkannt werden. Parallel hierzu gewährte einfachrechtlich das Bürgerliche Recht mit § 1432 BGB a. F. im Güterrecht Vertragsfreiheit und sah mit § 2346 Abs. 2 BGB die Möglichkeit des Pflichtteilsverzichts vor. b) Die Vertragsfreiheit des Grundgesetzes Das Grundgesetz verzichtet entgegen der Weimarer Reichsverfassung auf den Schutz der Vertragsfreiheit über ein spezielles Grundrecht. Und das obwohl die Wirtschaftsvertragsfreiheit der Weimarer Reichsverfassung mit seinem Wucherverbot des Art. 152 Abs. 2 GG „das soziale Gewissen des Liberalismus“85 widerspiegeln sollte und sich so grundsätzlich auch für die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik mit seiner sozialen Marktwirtschaft angeboten hätte. Der Parlamentarische Rat beriet das Grundgesetz unter dem Eindruck der negativen Auswirkungen der bis 1945 gebildeten Kartelle und Syndikate, wie etwa der I.G. Farben oder des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats.86 Eben diese Kartelle und Syndikate fielen grundsätzlich unter den Schutz der Wirtschaftsvertragsfreiheit der Weimarer Reichsverfassung.87 So konnte leicht ein expliziter Schutz der Wirtschaftsvertragsfreiheit über ein spezielles Grundrecht im Grundgesetz als zu weitgehend empfunden werden. Auf eine liberale Vertragsfreiheit nach dem Vorbild von Weimar 85  Apelt,

Geschichte der Weimarer Reichsverfassung (1964), S. 350. Beispiel: Kartell der Kali- und Zementindustrie. 87  Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 11 (1997): Kartell dort: K-Geschichte. 86  Weiteres



V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit247

waren die Beratungen zum Grundgesetz deshalb auch nicht gerichtet. Zumindest geben die Protokolle zu den Beratungen zum Grundgesetz keine belastbaren Anhaltspunkte hierfür. Zentrales Ziel war die Implementierung einer missbräuchliche Machtstellungen unterbindenden Rechts- und Wirtschaftsordnung. Insbesondere die Bildung und das „Ausnutzen der Lücken im Recht“88 zur Bildung von Kartellen sollte ausgeschlossen sein.89 Die Vertragsfreiheit im Wirtschaftsleben durch ein eigenes Grundrecht abzusichern, würde den gegenteiligen Eindruck erwecken können. Gleichwohl muss die Vertragsfreiheit verfassungsrechtlichen Schutz genießen, weil das Grundgesetz eine grundsätzlich marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung vorsieht, der Vertragsfreiheit immanent ist.90 Das subsidiäre Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG schützt zumindest die Vertragsfreiheit im Wirtschaftsleben als Unterfall der allgemeinen Handlungsfreiheit.91 Diese systematisch denkbar schwache Stellung der wirtschaftlichen Vertragsfreiheit im Grundgesetz spiegelt die überragende Bedeutung der Vertragsfreiheit im Rechtsleben nicht wider. Das Bundesverfassungsgericht kompensiert dies dadurch, dass es faktisch der Vertragsfreiheit eine Wesensgehaltsgarantie beimisst.92 Grundsätzlich kennt das Bundesverfassungsgericht keine allgemeine Wesensgehaltsgarantie.93 Die Wesensgehaltsgarantie schützt Grundrechte vor weitgehenden gesetzlichen Einschränkungen, so dass der geschützte grundrechtliche Kern durch den Gesetzgeber nicht zur Unkenntlichkeit geschrumpft werden kann. Das Bundesverfassungsgericht erkennt entsprechend der Systematik der Art. 19 Abs. 1, 2 GG eine Wesensgehaltsgarantie gem. Art. 19 Abs. 2 GG nur für von Art. 19 Abs. 1 GG erfasste Grundrechte an. Art. 19 Abs. 1 GG regelt formale und materielle Voraussetzungen für solche Grundrechte „die auf Grund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen“. Hierunter fallen etwa Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel gem. Art. 8 Abs. 2 GG.94 Die von Art. 2 Abs. 1 GG erfasste Vertragsfreiheit wird nicht von diesem Einschränkungsvorbehalt des Art. 19 Abs. 1 GG erfasst,95 womit diese auch nicht von der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 der Abg. Strauß – JöR 1951, Neue Folge Band 1, S. 517. Wirtschaftsordnung: Vgl. JöR 1951, Neue Folge, Band 1, S. 517 f. 90  Zur grundsätzlichen marktwirtschaftlichen Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes: Di Fabio in: Maunz/Dürig (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 88 m. V. a. BVerfGE 18, 315, 327; BVerfGE 32, 311, 317. 91  Jarass in: Jarass/Pieroth, GG (2012), Art. 2 Rn. 4. 92  Vgl. BVerfGE 8, 274, 328 = BVerfG DVBl. 1959, 171, 178. 93  Krebs in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Band 1: Präambel bis Art. 69 (2012) Art. 19 Rn. 27 f. 94  Vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG (2012); Art. 19 Rn. 4 m. w. N. 95  Im Umkehrschluss: Jarass in: Jarass/Pieroth, GG (2012); Art. 19 Rn. 4. 88  So

89  Zur

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

Abs. 2 GG erfasst ist. Die Übertragung der Grundsätze der Wesensgehaltsgarantie auf die Vertragsfreiheit als nicht unmittelbar von Art. 19 Abs. 1, 2 GG erfasste Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG verdeutlicht die Bedeutung der Vertragsfreiheit.96 Systematisch betrachtet bleibt das verfassungsrechtliche Gewicht der Vertragsfreiheit im Grundgesetz gering. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu den durch Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 GG vermittelten Grundrechtspositionen. aa) Wirtschaftsvertragsfreiheit und die eheliche Vertragsfreiheit Die formale Vertragsfreiheit ist das klassische Instrument des Wirtschaftsliberalismus.97 Der Marktwirtschaft ist ein wirtschaftlicher Egoismus immanent, der dennoch insgesamt das Allgemeinwohl fördern soll.98 Über die durch den wirtschaftlichen Egoismus maximierte wirtschaftliche Leistung des Einzelnen, soll sich die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung zum Nutzen aller erhöhen. Auf dieser Grundannahme basiert auch die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes. Einer Auseinandersetzung mit der Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft bedarf es an dieser Stelle nicht, weil sich selbst diese als wahr und richtig unterstellten Grundannahmen nicht auf die Ehe und deren Ausgestaltung durch die Partner übertragen lassen. Die Ehe ist verfassungsrechtlich ersichtlich nicht auf die Maximierung des addierten Zugewinns beider Partner ausgerichtet. Dementsprechend ist die Wirtschaftsvertragsfreiheit schon nicht auf die Vermögens­ ausgestaltung der Ehe übertragbar. Berührungspunkte der Wirtschaftsvertragsfreiheit der Marktwirtschaft und des damit verbundenen Ansatzes der Maximierung des gesamtwirtschaft­ lichen Wohlstandes gibt es gleichwohl. So können die Vereinbarung von Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht die ökonomische Basis eines mittelständischen Unternehmens sichern. Gleichwohl können diese Reflexe der ehelichen Vermögensausgestaltung auf die Wirtschaft nicht zu dem Schluss führen, dass die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit auch durch die Wirtschaftsvertragsfreiheit geschützt wird. 96  Vgl. zur Systematik des Bundesverfassungsgerichts: Jarass in: Jarass/Pieroth, GG (2012); Art. 19 Rn. 8, m. V. a. BVerfGE 13, 97, 122; BVerfGE 31, 58, 69. 97  Nahezu wörtlich: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 358 m. V. u. a. a. Roscher, Vertragsfreiheit und Verfassungsproblem, S. 7 f. (zu den rechtsphilosophischen Wurzeln der Wirtschaftsvertragsfreiheit). 98  Grundsätzlich zur Thematik so auch: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 358.



V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit249

Das Grundgesetz stellt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt.99 Den Auftrag des Art. 6 Abs. 1 GG auf Schutz der Ehe erfüllt der Staat nicht nur durch allgemeines gesetzgeberisches Handeln, sondern insbesondere auch durch den grundsätzlichen Schutz jeder einzelnen konkreten Ehe. Sofern der im Wesenskern der Ehe angelegte Schutz ausgehöhlt wird, schlagen die Rechtswirkungen unmittelbar auf die konkrete Ehe durch. Eben hiervor hat der Staat jede einzelne Ehe so gut als möglich zu schützen. Dieser Schutz kann auch nicht durch staatliche Transferleistungen anstelle der durch das Bürgerliche Recht grundsätzlich vorgesehenen Rechte erfolgen. Selbst unterstellt, der Egoismus der Wirtschaftsvertragsfreiheit fördert den gesamtwirtschaftlichen Wohlstand und damit die staatliche Leistungsfähigkeit am intensivsten. Wegen des Grundsatzes der Subsidiarität staatlicher Leistungen und des Grundsatzes der sparsamen Haushaltsführung wird sich das Niveau der staatlichen Leistungen eher an einer Grundsicherung als an den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen orientieren. bb) Vertragsfreiheit und die unmittelbare Grundrechtsbindung nach Art. 117 Abs. 1 GG Der Umgang der Justiz während der Zeit der unmittelbaren Grundrechtsbindung kann grundsätzlich ebenfalls bei der Einordnung der verfassungsrechtlichen Reichweite der ehelichen Vertragsfreiheit helfen. Der Gesetzgeber nutzte die durch Art. 117 Abs. 1 GG gesetzte Frist zur Einführung eines neuen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau widerspiegelnden Güterrechts nicht. Mit Verstreichen der Frist trat das verfassungswidrige gesetzliche Güterrecht im Jahr 1953 außer Kraft und die Justiz musste bis zum Inkrafttreten des neuen gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft 1958 unmittelbar dem Grundgesetz entsprechendes Recht sprechen. Deshalb mussten Eheverträge als Ausdruck autonomer ehelicher Vermögensausgestaltung an dem Gleichheitssatz von Mann und Frau des Art. 3 Abs. 2 GG und an dem Schutzauftrag der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG gemessen werden. Nach dem Bundesgerichtshof soll mit der Gleichberechtigung nach „Art. 3 Abs. 2 GG kein Eingriff in die Vertragsfreiheit bezweckt“ gewesen sein.100 Die Ehegatten sollten auch weiterhin das Recht haben, dem Grundsatz der Gleichberechtigung widersprechende Güterstände vereinbaren zu können. 99  BVerfGE 24, 119, 144: Die Verfassung (GG) stellt „die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertesystems“. 100  BGH FamRZ 1957, 247, 248: Der BGH sieht in Rechtsprechung und Schrifttum die „einhellige Meinung“, dass mit Art. 3 Abs. 2 GG kein Eingriff in die Vertragsfreiheit verbunden sei: BGH m. V. a. Reinicke NJW 1953, 681, 684 und wohl auf: Dölle JZ 1953, 353, 360. Dölle (vgl. S. 360) baut wiederum auf Reinicke auf.

250

F. Eheliche Vertragsfreiheit

Der Widerspruch zur Verfassung sei dann auf die Ausübung der Vertragsfreiheit durch die Ehegatten zurückzuführen, in die Art. 3 Abs. 2 GG nicht eingreife.101 Die Gleichberechtigung von Mann und Frau steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem güterrechtlichen Wesenskern der Ehe.102 Den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Vertragsfreiheit kommt erhebliches Gewicht bei der Bestimmung der Reichweite der Vertragsfreiheit der Eheleute zu, sofern sich dessen Ausführungen erhärten lassen. Tatsächlich sieht auch der Gesetzgeber in Art. 117 Abs. 1 GG grundsätzlich keinen Anlass, vor 1953 vereinbartes vertragliches Güterrecht vollumfänglich außer Kraft zu setzen.103 Art. 8 Abs. 1 Nr. 2–7 GleichberG regelte die Überleitung der vor Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes existenten Güterstände in das neue Güterrecht. Danach werden der gesetzliche Güterstand wie die Gütertrennung und die Allgemeine Gütergemeinschaft als vertragliche Güterstände übergeleitet. Dagegen werden die ebenfalls vertraglich vereinbarten Güterstände der Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaften nicht in die Zugewinngemeinschaft übergeleitet.104 In der Überleitung der Güterstände hat der Gesetzgeber keinen grundsätzlichen Eingriff in die Vertragsfreiheit gesehen. Der Gesetzgeber wollte den Eheleuten keinen Güterstand gegen deren Willen aufzwingen. Vielmehr sah der Gesetzgeber die Überleitung der Güterstände als zweckmäßig an und zudem soll die Überleitung nur zu geringen Eingriffen in die Vertragsfreiheit geführt haben, die einerseits durch den Grundsatz der Gleichberechtigung als geboten erachtet und andererseits den Mann nur gering belastet haben sollen.105 Zuzustimmen ist Felgenträger,106 dass der Verfassungsgesetzgeber grundsätzlich nicht in den Vertragswillen der Eheleute eingreifen wollte. Felgenträger überspannt diese These jedoch mit der Ansicht, dass der Verfassungsgesetzgeber eine eheliche Vertragsfreiheit intendierte, die gegen Art. 3 Abs. 2 GG evident verstoßende Eheverträge ermöglicht. So sollen die den 101  Reinicke NJW 1953, 681, 684: von dem BGH als Konsens erachtet: BGH FamRZ 1957, 247, 248. 102  Vgl. E. III. 2. 103  Überblick zu übergeleiteten und aufrechterhaltenen vertraglichen Güterständen bei Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Einl. zu §§ 1363 ff. Rn. 26: m. V. a. gesamte gesetzliche Grundlage: Art. 8 Abs. 1 Nr. 2–7 GleichberG. 104  Hier komprimierte Wiedergabe der Darstellung von: Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Einl. zu §§ 1363 ff. Rn. 26: m. V. a. gesamte gesetzliche Grundlage Art. 8 Abs. 1 Nr. 2–7 GleichberG. 105  Thiele in: Staudinger (Eheliches Güterrecht), (Februar 2007) Einl. zu §§  1363 ff. Rn.  26 m. w. N. 106  Felgenträger in: Staudinger (§§ 1363–1588) (10./11. Aufl.) Einl. zu §§ 1363 ff. Rn. 56.



V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit251

Gleichheitssatz missachtenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse entsprechend dem alten verfassungswidrigen Eherecht vereinbart werden können.107 Im Wesentlichen lässt sich diese These Felgenträgers auf Reinicke zurückführen.108 Nach diesem soll Art. 3 Abs. 2 GG die Vertragsfreiheit nicht einschränken und der Gleichberechtigung widersprechendes Güterrecht grundsätzlich vereinbart werden können.109 Reinicke stützt sich dabei nicht unmittelbar auf den Parlamentarischen Rat. Vielmehr liegt Reinickes These die pauschale Behauptung zu Grunde, dass die „freie[…] Entschließung der Ehegatten“ von Art. 3 Abs. 2 GG unberührt bleiben soll.110 Insgesamt handelt es sich damit um eine Rechtsauffassung, nach der die umfassende Ehevertragsfreiheit unberührt bleiben soll. Ein zwingender Wille der Verfassung kann nicht erkannt werden. Dies gilt gerade deshalb, da Reinicke sich nicht mit dem durch das Außerkraftsetzen des verfassungswidrigen Güterrechts durch Art. 117 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden unbedingten Willen der Gleichberechtigung auseinandersetzt. Gleiches gilt für die Überleitung der grundsätzlich gegen den Gleichheitssatz verstoßenden durch die Eheleute vereinbarten Güterstände der allgemeinen Gütergemeinschaft und der Gütertrennung in die Zugewinngemeinschaft. Entgegen der tatsächlichen Übung der Gerichte kommt in der Verfassung ein starker Wille auf die tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Ausdruck. Es ist nicht erkennbar, dass eine diese Ziele vollends aushöhlen könnende Vertragsfreiheit durch das Grundgesetz geschützt werden sollte. cc) Evolution von der Vertragsfreiheit zur Privatautonomie Die bisherige Beleuchtung einer verfassungsrechtlich geschützten ehelichen Vertragsfreiheit hat nur ein unscharfes Bild ergeben. Die allgemeine Vertragsfreiheit wird durch das Grundgesetz im Verhältnis zu den speziellen 107  Felgenträger in: Staudinger (§§ 1363–1588) (10./11. Aufl.) Einl. zu §§ 1363 ff. Rn. 57: Demnach wäre es ehevertraglich zulässig, die Ehefrau wieder entsprechend dem verfassungswidrigen alten Ehezuschnitt zu dem „entmündigten“ Ehegatten zu degradieren. Dies würde ein Grundanliegen des Grundgesetzes unterlaufen. Zumindest mittelbar auch für eine enge Verknüpfung der freien Eheausgestaltung und der Gleichberechtigung der Partner: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, (Juli 2003) Art. 6 Rn. 131. 108  Felgenträger in: Staudinger (§§ 1363–1588) (10./11. Aufl.) Einl. zu §§ 1363 ff. Rn. 57 zitiert nicht unmittelbar Reinicke NJW 1953, 681, 683 f. Jedoch verweist Felgenträger auf Dölle JZ 1953, 353, 360, der inbes. in Fn. 43, 45 auf Reinicke aufbaut. 109  Reinicke NJW 1953, 681, 683 f. 110  Reinicke NJW 1953, 681, 684.

252

F. Eheliche Vertragsfreiheit

Grundrechten durch das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nur schwach geschützt. Wechselwirkungen zwischen dem zivilrechtlichen Verständnis und dem verfassungsrechtlichen Verständnis von Vertragsfreiheit im Spiegel von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen sind ebenfalls nicht zu erkennen. In Art. 117 Abs. 1 GG bringt der Verfassungsgeber lediglich tendenziell seinen starken Willen einer im Rechtsleben gelebten tatsächlichen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zum Ausdruck. Dies lässt auf eine nicht grenzenlose Vertragsfreiheit schließen. Damit verbleibt nur die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vertragsfreiheit um die verfassungsrechtliche Gewichtung und Reichweite der Vertragsfreiheit zu konkretisieren. Häufig finden Privatautonomie und Vertragsfreiheit im Sprachgebrauch synonyme Verwendung und Bedeutung.111 Ob diese synonyme Verwendung der Begriffe auch bedeutet, dass die beiden Begriffe die gleiche Bedeutung haben, ist zu bezweifeln. Zu Recht weist Di Fabio darauf hin, dass die Vertragsfreiheit lediglich ein Element der umfassenderen Privatautonomie ist.112 Zumindest ist die Vertragsfreiheit der ältere Begriff. Nach dem Wortsinn der Vertragsfreiheit steht eine nicht näher hinterfragte Freiheit, auf Abschluss eines Vertrages mit beliebigem Inhalt im Vordergrund. Dagegen setzt Privatautonomie nach Flume einen tatsächlich freien, selbstbestimmten Willen voraus: „Privatautonomie nennt man das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach eigenem Willen. Die Privatautonomie ist ein Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen. Das Prinzip ist nach dem Grundgesetz als ein der Rechtsordnung vorgegebener und in ihr zu verwirklichender Wert durch die Grundrechte anerkannt.“113

Die von Di Fabio beschriebene synonyme Verwendung von Vertragsfreiheit und Privatautonomie kennt auch das Bundesverfassungsgericht. Eine klare Abgrenzung der Begriffe kann gerade in den frühen Entscheidungen nicht erkannt werden. Gleichwohl zeichnet sich eine gewisse Entwicklung in der Terminologie und in der verfassungsrechtlichen Herleitung ab. So stützt sich das Bundesverfassungsgericht in frühen Entscheidungen zu111  Di

Fabio in: Maunz/Dürig (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 101. Fabio in: Maunz/Dürig (Juli 2001), Art. 2 Abs. 1 Rn. 101. 113  Flume, Rechtsgeschäft und Privatautonomie, in: Caemmerer (Hrsg.), FS Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Band I. (1960), S. 135, 136 f. ebenfalls zitiert bei: Dauner-Lieb, Vertragsgestaltung, S. 49, 49 in: Schmoeckel/Kanzleiter, Vertragsschluss-Vertragstreue-Vertragskontrolle m. V. u. a. a.: Raiser, Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, S. 101 ff., in: Caemmerer (Hrsg.), FS Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Band I. (1960); Wieacker, „Das Bürgerliche Recht im Wandel der Gesellschaftsordnungen“, S. 1 ff., in: Caemmerer (Hrsg.), FS Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Band II. (1960). 112  Di



V. Das Grundgesetz und die Vertragsfreiheit253

nächst114 auf die Vertragsfreiheit und verwendet später115 Vertragsfreiheit und Privatautonomie gleichermaßen. Eine absolut lineare Entwicklung der Terminologie der Senate kann nicht dargelegt werden. Die Entwicklung der Begrifflichkeit kann trotzdem nicht überzeugend mit Zufälligkeiten oder Ungenauigkeiten in der Arbeitsweise der Senate erklärt werden. Wahrscheinlicher ist eine Entwicklung des Privatrechtsverständnisses des Bundesverfassungsgerichts. Schon früh stellte Karlsruhe fest, dass Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit Kernelemente des Rechtsstaats sind.116 Privatautonomie setzt zumindest die Chance auf eine materielle Gerechtigkeit widerspiegelnde Vertragsgestaltung voraus. Dies kann Vertragsfreiheit allein aus sich heraus vor dem Hintergrund denkbarer Machtgefälle und insbesondere Disparitätslagen zwischen Eheleuten als Vertragspartnern nicht gewährleisten. Die Wirtschaftsvertragsfreiheit der Weimarer Reichsverfassung mit der Bildung von Kartellen lehrt, dass es der reinen Vertragsfreiheit immanent ist, sich ins Gegenteil zu verkehren. Mit der Bildung der Kartelle verkümmerten die Mechanismen der Vertragsfreiheit zur bloßen Formalie.117 Verhandlungsdisparitäten bei der Vereinbarung von Eheverträgen misst das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2001 am verfassungsrechtlichen Maßstab der den Eheleuten eingeräumten Privatautonomie.118 Den Maßstab der Vertragsfreiheit hat der Senat nicht mehr angelegt.119 Die Privatautonomie der Eheleute entspringt nicht isoliert aus Art. 2 Abs. 1 GG als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern diese folgt aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 4 GG.120 Das hohe verfassungsrechtliche Gut der Privatautonomie bzw. der Selbstbestimmung der Ehe wird damit nicht mehr lediglich aus dem Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern über die Verschränkung mit speziellen Grundrechten hergeleitet. Die Unzulässigkeit von Erfolgshonorarvereinbarungen durch Rechtsanwälte wird dann in einer nachfolgenden Entscheidung aus dem Jahr 2006 schon ohne den Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG beurteilt. Der Art. 12 114  Vgl.

BVerfGE 8, 274, 328; BVerfGE 12, 341, 347; BVerfGE 65, 196, 210. etwa: BVerfGE 73, 261, 270. 116  Ausführlich: BVerfGE 74, 129, 152 m. V. a. die grundlegenden Entscheidungen: BVerfGE 7, 89, 92 (ausdrücklich); BVerfGE 49, 148, 164 m. w. N.; BVerfGE 63, 215, 223; BVerfGE 65, 196, 215. 117  Zur Bedeutung der Kartellbildung für das Wirtschaftsleben: Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 11, Mannheim (1997): Kartell dort: K-Geschichte. Aus Sicht des Parlamentarischen Rats: JöR 1951, Neue Folge Band 1, S. 517 f. 118  BVerfGE 103, 89, 100 m. w. N. 119  BVerfGE 103, 89, 93–99: Die Vertragsfreiheit wird in den Tz. 7, 17, 26 nicht mit dem konkret gewährten Verfassungsschutz erörtert. 120  BVerfGE 103, 89, 100 Tz. 28. 115  Vgl.

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

Abs. 1 GG genügt dem Bundesverfassungsgericht dabei schon zur Herleitung der „Vertragsfreiheit“ im Verhältnis von Rechtsanwalt und Mandant und zur Beurteilung der Grenzen der Vertragsfreiheit in diesem Vertragsverhältnis.121 Die terminologische und dogmatische Tendenz in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist damit klar: Nicht mehr über die allgemeine Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, sondern zunehmend über die spezielleren Grundrechte wird die Freiheit der Ausgestaltung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse geschützt soweit spezielle Grundrechte eine Ausgestaltung von Rechtsverhältnissen durch die Bürger implizieren. Die Berufsfreiheit ermöglicht dem Rechtsanwalt das Eingehen des Mandatsverhältnisses. Zugleich setzt Art. 12 Abs. 1 GG ihm als unabhängiges Organ der Rechtspflege Grenzen bei der Ausgestaltung des Mandatsverhältnisses. Art. 6 Abs. 1 GG bewahrt die Eheleute einerseits vor Eingriffen in die selbstbestimmte Ehe und setzt andererseits parallel der Erosion des Wesens der besonders geschützten Ehe durch die Partner Grenzen. Je sensibler das zu schützende verfassungsrechtliche Gut ist, umso weitreichender sind die Schutzpflichten122 und damit erhöht sich die potentielle Begrenzung der Vertragsfreiheit. Im Lichte zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Honorarvereinbarungen von Rechtsanwälten erscheint es fraglich, ob die Freiheit zu Eheverträgen sich noch auf die Verbindung des Art. 6 Abs. 4 GG mit dem schwachen Art. 2 Abs. 1 GG stützen würde. Der vormalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Di Fabio will die „Vertragsfreiheit“ allein aus Art. 6 GG herleiten.123 Für die Verschränkung von Art. 6 GG mit Art. 2 Abs. 1 GG spricht auch nicht der enge Bezug der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grundfunktionen der Privatautonomie. Allgemein mahnte das Bundesverfassungsgericht wiederholt eine gerichtliche Prüfung auf das Vorliegen selbstbestimmter Verträge nach Art. 2 Abs. 1 GG an.124 Diese vertragliche 121  Vgl.

BVerfGE 117, 163, 181. Schutzbedarf nach Wertigkeit der Grundrechte: Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, § 111 Rn. 141, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.) Handbuch des Staatsrechts, Band V (1992); ebenfalls zitiert bei Langer, Problematik der Geltung der Grundrechte, S. 127. 123  Vgl.: Ausdrücklich ist Art. 2 Abs. 1 GG von Art. 6 Abs. 1 GG bei ehevertraglichen Regelungen verdrängt: Di Fabio in: Maunz/Dürig, (Juli 2001) Art. 2 Abs. 1 Rn. 103. Ebenfalls aus Art. 6 Abs. 1 GG wird das Recht hergeleitet, die Ehe frei von gesetzlichen Vorgaben auszugestalten: Badura in: Maunz/Dürig, (April 2012) Art. 6 Abs. 1 Rn. 50a. Vgl. ebenfalls die sich grds. eng an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientierende Kommentierung bei: Leibholz/Rinck, (Juli 2003) Art. 6 Rn. 131, 132. 124  BVerfGE 81, 242, 255; BVerfGE 89, 214, 232; Dreier: in Dreier, Grundgesetz, Band 1 (2004), Art. 2 Abs. 1 Rn. 63 m. V. a. ebd. BVerfG. 122  Zum



VI. Fazit255

Selbstbestimmung kann auch als ein durch Art. 6 Abs. 1 GG geschütztes originäres Recht auf eine durch die Eheleute frei und gleichberechtigt ausgestaltete Ehe erkannt werden. Danach wird der Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsrecht und güterrechtliche Vereinbarungen der Eheleute als solches durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Dies gilt unabhängig von der Herleitung des ehelichen Pflichtteilsrechts. Der Schutz des ehelichen Pflichtteilsrechts erfolgt zumindest auch durch eine Verschränkung des Art. 6 GG mit Art. 14 Abs. 1 GG. Die eheliche Teilhabe ist neben dem Ausfluss der durch Art. 3 Abs. 2 GG geschützten Gleichberechtigung von Mann und Frau zumindest auch Ausdruck des Wesens der Ehe, das durch die Gleichberechtigung von Mann und Frau geprägt ist. Somit erfolgt die eheliche Vermögensausgestaltung als solches unabhängig vor der umfassenden und weitreichenden Wirtschaftsvertragsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Das eigentliche Zustandekommen der ehelichen Vermögensausgestaltung kann an den Grundsätzen der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie gemessen werden. Die in dieser Arbeit geforderte Differenzierung zwischen allgemeiner (eheunbezogener) und ehebezogener Disparität bleibt nicht ohne Auswirkung auf die verfassungsrechtlichen Grenzen der Vertragsfreiheit.125 Nur soweit allgemeine, eheunspezifische Verhandlungsdisparitäten betroffen sind, bleibt Raum für den wirtschaftsbezogenen Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG. Nach den dort entwickelten Grundsätzen ist der speziellere Art. 6 Abs. 1 GG auszulegen. Diese allgemeinen – etwa für Sprachbarrieren – durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bleiben unberührt. Für nicht in dem besonderen Verhältnis der Eheleute zueinander wurzelnde Disparitäten bestehen keine durchgreifenden Gründe, diese Disparitäten der richterlichen Vertragskontrolle zu entziehen. Dagegen sind ehebezogene Disparitätslagen, insbesondere wenn diese ihren Ursprung im Intimbereich der Eheleute haben, bei der Wirksamkeitskontrolle nicht zu berücksichtigen.

VI. Fazit Das eigentliche Recht auf autonome eheliche Vermögensausgestaltung wird den Eheleuten über Art. 6 Abs. 1 GG gewährt. Der Schutz über Art. 6 Abs. 1 GG entspricht der Tendenz des Bundesverfassungsgerichts, „Vertragsfreiheit“ nicht mehr durch oder über eine Verschränkung mit dem 125  Beispiel für eine ehelosgelöste Disparitätslage: Sprachbarriere eines Ehegatten bei Ehevertragsschluss: Wendt ZNotP 2006, 2 ff. Zur Differenzierung ehe- und nichtehebezogener Disparität auch: C. I. 2.–3.; C. II.

256

F. Eheliche Vertragsfreiheit

Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG zu gewähren. Dies ist konsequent: Während Art. 152 Abs. 1 WeimRV die Vertragsfreiheit im Wirtschaftsleben noch durch ein spezielles Grundrecht schützte, fehlt ein solcher ausdrücklicher Schutz durch das Grundgesetz. Die Systematik des Grundgesetzes spiegelt damit die Bedeutung der Vertragsfreiheit im Wirtschaftsleben schon nicht wider. Im Übrigen würde einer lediglich durch das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit kaum Gewicht im Vergleich zu den über spezielle Grundrechte wie Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 2 GG abgesicherten Grundrechtspositionen zukommen. Aber auch die über Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit ist kein verfassungsrechtliches Schwergewicht. Deshalb ist dieser Form der Privatautonomie auch keine weitgehende „Bewegungsfreiheit“ einzuräumen. Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter besonderen staatlichen Schutz und ist damit ein Grundrecht, das nicht nur personalen Rechten der Eheleute als solche dient, sondern auch den Schutz der Ehe als Institution im öffentlichen Interesse bezweckt. Die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit kann damit nicht grenzenlos sein und insbesondere reicht diese nicht soweit, dass durch die Eheleute der verfassungsrechtliche eheliche Wesenskern, der in den verfassungsrechtlichen Funktionen von Pflichtteilsrecht und güterrechtlicher Teilhabe zum Ausdruck kommt, aufgelöst werden könnte. Im Übrigen entspricht diese verfassungsrechtliche Einordnung auch den Wertungen des Bürgerlichen Rechts: Der Mythos der Vertragsfreiheit des historischen Bürgerlichen Rechts wurde bereits durch Hofer dekonstruiert. Nichts anderes gilt insbesondere auch für den Bereich des Erbrechts und des ehelichen Güterrechts. Der historische Gesetzgeber ging wegen der mit dem Erfordernis der notariellen Beurkundung von Pflichtteilsverzicht und güterrechtlicher Vereinbarungen einhergehenden Beratung nicht von einer umfassenden Richtigkeitsgewähr der einfachen Vertragsfreiheit aus. Zudem zeugt das Pflichtteilsrecht davon, dass der Gesetzgeber keineswegs von einem „sachgerechten“ Gebrauch der Testierfreiheit durch den Erblasser im Sinne des Familienerbrechts ausging. Insgesamt ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber den Erb- und Pflichtteilsverzicht einer Inhaltskontrolle durch die Generalklausen entziehen wollte. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Erwartung, dass der Erbverzicht entgeltlich erfolgt. Auch aus der güterrechtlichen Vertragsfreiheit sind im Ergebnis keine anderen Schlüsse in Bezug auf das Vertragsfreiheitsverständnis zu ziehen: Die güterrechtliche Vertragsfreiheit ist vor allem eine Konsequenz des Auftrags an das Bürgerliche Gesetzbuch, die verbreiteten bisherigen Güterstände zu kodifizieren. Eine grundlegende Wertaussage des Bürgerlichen Rechts zugunsten einer grenzenlosen Vertragsfreiheit im Güterrecht kann daraus nicht gezogen werden.



VII. Eheliche Vermögensausgestaltung257

VII. Eheliche Vermögensausgestaltung im Grundrechtskonflikt des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG 1. Multipolarer Grundrechtskonflikt Das Pflichtteilsrecht der Eheleute, die güterrechtliche Teilhabe und das Recht auf höchstpersönliche Ausgestaltung von Erb- und Güterrecht durch die Eheleute sind zumindest auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Dieses Spannungsfeld ist ähnlich schwierig aufzulösen, wie dies für multipolare Grundrechtskonflikte gilt. Bei einem multipolaren Grundrechtskonflikt handelt es sich um das Zusammentreffen von zumindest zwei grundrechtlich geschützten Positionen, die für einen Lebenssachverhalt relevant sind. Regelmäßig handelt es sich dabei um Grundrechtspositionen, die durch verschiedene Grundrechte gewährleistet werden.126 Die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit kann durch die Berichterstattung über Privatpersonen mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrecht kollidieren.127 In der Literatur wurde schon die schematische Unauflösbarkeit multipolarer Grundrechtskonflikte beklagt:128 So etwa, dass die bisherigen Strategien zu einem Maß „literarisch produktive[r] Unzufriedenheit … angeschwollen“ sein sollen.129 Das sich vorliegend eröffnende Spannungsfeld aus verfassungsrechtlich verbürgten Pflichtteilsrechtsfunktionen, güterrechtlicher Teilhabe und autonomer ehelicher Vermögensgestaltung stellt einen Sonderfall des multipolaren Grundrechtskonflikts dar. Die widerstreitenden Grundrechtspositionen entstammen nicht verschiedenen Grundrechten, sondern alle verfassungsrechtlichen Positionen lassen sich zumindest auch auf Art. 6 Abs. 1 GG zurückführen. Die jeweiligen durch Art. 6 Abs. 1 GG verbürgten Güter von Verfassungsrang stehen in der Problematik der Auflösung des Konflikts den sich abstoßenden Polen eines multipolaren Grundrechtskonflikt in nichts nach. Zudem wird die Perplexität des Konflikts noch durch den Rechtscharakter des Art. 6 Abs. 1 GG erhöht, der Abwehr- und Schutzrecht130 zugleich in sich vereint. Der Staat darf der Aushöhlung des ge126  Vgl. grds. hierzu: Dreier in: Dreier, GG, Band I (2004), Vorbem. Rn. 140 f., 157 f.; Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 315 f. 127  Vgl. BVerfGE 35, 202 ff. = BVerfG NJW 1973, 1226 ff. (Lebach). 128  Zum Grundrechtskonflikt: Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 315 ff. 129  Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 315. 130  Insbesondere zum grundrechtlich atypischen Schutzpflichtcharakter des Art. 6 Abs. 1 GG: von Münch, Drittwirkung (1998), S. 26 f.

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F. Eheliche Vertragsfreiheit

setzlich normierten verfassungsrechtlichen Schutzes durch Private nicht tatenlos gegenüberstehen.131 2. Der Einheitsschutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG Damit prägt das starke Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG das im Wesen der Ehe verwurzelte eheliche Pflichtteilsrecht mit seiner Versorgungsfunktion und die güterrechtliche Teilhabe. Zugleich gewährt der Art. 6 Abs. 1 GG die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit hinsichtlich dieser Rechte. Die drei Elemente sind Teil des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG. Eheliche Solidarität und Teilhabe wirken nicht erdrückend auf die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit. Keine der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Grundrechtspositionen kann zugunsten einer anderen aus dem Einheitsschutzbereich durch ein Zurückdrängen bis zur Unkenntlichkeit verdrängt werden. Könnte eines der drei Elemente vollends verdrängt werden, so droht eine mit dem öffentlichen, verzichtsfeindlichen Grundrechtscharakter des Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Funktionseinschränkung der Ehe als Keimzelle der Gesellschaft. Der sich für Eheleute konkret ergebende Ausgestaltungskorridor korrespondiert zu den konkreten ehelichen Lebensverhältnissen. Der Wesenskern der drei Elemente muss gewahrt bleiben. Die Vertragsfreiheit der Eheleute findet im einheitlichen Schutzbereich ihre Grenze in der zwingenden güterrechtlichen Teilhabe und in der ehelichen Solidarität bei Beendigung der Ehe durch den Tod eines Partners. Die güterrechtliche Teilhabe korreliert an dem teilhabepflichtigen, in der Ehe als Schicksalsgemeinschaft wurzelnden Vermögenszugewinn.

VIII. Konsequenzen für die Kautelarpraxis 1. Rechtstechnische Absicherung des Wesenskerns des ehelichen Erbrechts Der erbrechtliche Wesenskern der Ehe kann nicht pauschal bestimmt werden. Vielmehr ist bei der Bestimmung auf die Merkmale zurückzugreifen, auf die das Bürgerliche Recht bei der Bestimmung der Erbquote des Ehegatten der Rechtsklarheit wegen bewusst verzichtete.132 So können et131  von

Münch, Drittwirkung (1998), S. 26. das historische BGB: Leipold in: MünchKomm, Erbrecht, Band 6 (1982), § 1931 Rn. 4 f.: Nachfolgend für die Bestimmung des Wesenskerns aufgegriffen. 132  Für



VIII. Konsequenzen für die Kautelarpraxis259

wa Ehedauer oder Herkunft des Vermögens des Erblassers die Dauer und Höhe der verfassungsrechtlich intendierten Lebensabsicherung maßgeblich beeinflussen. Ein etwaiger Unterhaltsanspruch korreliert zur Dauer der Ehe, ehelichem Lebensstandard und konkretem Bedarf. Die durch das tradierte Recht und die Entwicklung des Erb- bzw. Pflichtteilsrechts unter dem Grundgesetz geprägte Institutsgarantie ist für den Ehegatten dabei nur auf eine bedingte Versorgungsfunktion gerichtet. Eine starke eigenständige Vermögensteilhabe bzw. Vermögensnachfolge des Erblassers ist nicht intendiert: Die natürlichen Erben des Erblassers sind dessen Abkömmlinge. Nur diese haben auch als Pflichtteilsberechtigte ein starkes Pflichtteilsrecht, das völlig bedarfsunabhängig auf eine Vermögensnachfolge des Erblassers gerichtet ist. Die erbrechtliche Position und das Pflichtteilsrecht des Ehegatten sind nicht auf eine bedarfsunabhängige Vermögensnachfolge gerichtet. Vielmehr wird eine auf Versorgung gerichtete Bedarfsdeckung als Ausprägung ehelicher Treue in den Grenzen der starken Vermögensteilhabe der Abkömmlinge gewährt.133 Diese je nach den Umständen des Einzelfalls mehr oder weniger tiefgreifende Versorgungsfunktion legitimiert durch die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte vermögensrechtliche Eheausgestaltungsfreiheit der Eheleute ihrerseits nicht zu einer Aushöhlung des Wesenskerns der Ehe.134 Damit ist bei einem geplanten unentgeltlichen Pflichtteilsverzicht der Eheleute eine vertragliche Regelung zu empfehlen, wie im Fall der Bedürftigkeit des Partners ein angemessener Lebensstandard abgesichert werden soll. Zu grundsätzlich ähnlichen wie in dieser Arbeit vertretenen Grenzen der Vertragsfreiheit für den bedürftigen Pflichtteilsberechtigten kommt Dutta auf der Basis rein zivilrechtlicher Wertungen. Dementsprechend können die Vorschläge Duttas zur zivilrechtlichen Absicherung der Unterhalts- bzw. Versorgungsfunktion für die Umsetzung der vorliegend erkannten verfassungsrechtlichen Versorgungsfunktion herangezogen werden. Dutta hebt ebenfalls die Unterhaltsfunktion des Pflichtteilsrechts hervor. Weiter verweist er auf das nahezu umfassende Unterhaltsverzichtsverbot des § 1614 Abs. 1 BGB als zivilrechtliche Wertentscheidung. Nach dieser grundsätzlichen Wertentscheidung ist der Pflichtteilsverzicht des bedürftigen Pflichtteilsberechtigten unzulässig.135 Dutta will die so gezogenen Grenzen der Vertragsfreiheit in das aus der Ehevertragskontrolle bekannte System einer zweistufigen Inhaltskontrolle einbetten.136 133  Vgl.

D. VI. 5. e). zur Reichweite der Vertragsfreiheit: F. 135  Dutta AcP 209 (2009), 760, 774 ff.: Dies gilt ausdrücklich nur, soweit die Abhandlung Duttas den Ehegatten betrifft. 136  Dutta AcP 209 (2009), 760, 792 ff. 134  Grundlegend

260

F. Eheliche Vertragsfreiheit

Sofern im Zeitpunkt des Pflichtteilsverzichts eine spätere Bedürftigkeit des Verzichtenden offenkundig ist und der Erblasser keine diese Bedürftigkeit kompensierende Maßnahmen ergreift, so ist gem. § 138 Abs. 1 BGB auch nach Dutta zumindest das dem Pflichtteilsverzicht zugrundeliegende Kausalgeschäft unwirksam. Dies führt zu einem Wertersatzanspruch des Pflichtteilsberechtigten in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs.137 Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1585 Abs. 2 BGB kann etwa eine Einmalzahlung in Höhe des voraussichtlichen Unterhaltsbedarfs eine ersichtliche Bedürftigkeit kompensieren.138 Die mit dieser Arbeit vorgeschlagene grundsätzlich rein objektiv verfassungsrechtliche Inhaltskontrolle kommt zu keinem anderen Ergebnis, falls sich diese durchsetzen sollte: Soweit im Zeitpunkt des Pflichtteilsverzichts nicht absehbar ist, dass der Pflichtteilsberechtigte bedürftig sein wird, wird die verfassungsrechtlich gebotene Versorgungsfunktion des Ehegattenpflichtteils nicht verletzt und eine Sittenwidrigkeit liegt nicht vor. Wird der Verzichtende dagegen erst nach dem Pflichtteilsverzicht bedürftig, so wird gem. § 242 BGB entweder der Pflichtteilsverzicht selbst oder das diesem zugrunde liegende Kausalgeschäft hieran angepasst. Dem Verzichtenden ist dann ein Unterhaltsanspruch gegen die Erben einzuräumen, der dem Gesamtwert nach entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1586b Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BGB auf die Höhe des hypothetischen Pflichtteilsanspruchs begrenzt ist.139 Im Übrigen ist es, um Zufallsergebnisse zu vermeiden, unerheblich, ob der Verzichtende im Zeitpunkt des Todesfalls oder erst später bedürftig wird.140 Offen bleibt, wie dieser einzuräumende Unterhaltsanspruch konkret zivilrechtlich umzusetzen ist. Aus verfassungsrechtlicher Sicht handelt es sich um einen Unterhaltsanspruch, der auf eine Bedarfsdeckung des Ehegatten gerichtet ist. Eine Vermögensteilhabe oder gar eine Vermögensnachfolge des Erblassers soll durch diesen Unterhaltsanspruch nicht erreicht werden. Ein solcher Unterhaltsanspruch findet sich im Gefüge der im Bürgerlichen Recht geregelten Unterhaltsansprüche nicht: Die Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten nach §§ 1570 ff. BGB erfassen zwar auch Unterhaltsansprüche nach Beendigung der Ehe, jedoch ist die Bedeutung ehelicher Treue und Solidarität bei einer geschiedenen Ehe weniger ausgeprägt als bei einer durch den Tod beendeten Ehe. 137  Dutta

AcP 209 (2009), 760, 796 ff., 805. AcP 209 (2009), 760, 800 m. V. a. Wiemer, Eheverträge, S. 176 f. 139  Insbesondere auch zu dem nach § 242 BGB zu gewährenden Unterhaltsanspruch: Dutta AcP 209 (2009), 760, 792 ff., 805 f. 140  Dutta AcP 209 (2009), 760, 800. 138  Dutta



VIII. Konsequenzen für die Kautelarpraxis261

Endet die Ehe durch den Tod eines der Gatten, liegt im Gegensatz zur Scheidung keine Entscheidung der Eheleute zur willentlichen Beendigung der Ehe vor. Das Schutzniveau der Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten spiegelt diese Entscheidung der Eheleute wider. Eine entsprechende Anwendung des Unterhaltsrechts geschiedener Ehegatten ist auch wegen des Grundsatzes der Eigenverantwortung nach §§ 1569, 1570  ff. BGB nicht sachgerecht: Die Anwendung dieses Grundsatzes würde dazu führen, dass der hinterbliebene Ehegatte mit der Beendigung der Ehe durch den Tod des Erblassers seinen Unterhalt selbst aufbringen müsste, sofern er dazu in der Lage ist. Eine analoge Anwendung dieser Unterhaltsansprüche scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage insgesamt aus. Von einer nicht durch eine Scheidung beendeten Ehe geht der Unterhalt bei Getrenntleben gem. § 1361 BGB aus. Aber auch eine Gewähr von Unterhalt entsprechend § 1361 BGB ist nicht interessengerecht: Der Unterhalt bei Getrenntleben geht davon aus, dass das Band der Ehe zwischen den Gatten noch besteht und eine Versöhnung der Ehegatten noch möglich ist. Das Vertrauen des bedürftigen Ehegatten auf weiteren Bestand der ehelichen Planung wird durch diesen Anspruch besonders geschützt.141 Dies rechtfertigt auch die Beibehaltung des ehelichen „status quo“, der etwa eine Aufteilung der Beiträge zum Familienunterhalt gem. § 1370 BGB in Form der Haushaltsführung durch einen Gatten und in Form von Erwerbsarbeit durch den anderen Ehegatten vorsieht.142 Diese Regelungen können jedoch nicht auf den Fall der Beendigung der Ehe durch den Tod eines der Gatten übertragen werden: Zum Einen ist die Ehe durch den Tod endgültig beendet, weshalb es auch nicht eines besonderen Schutzes bedarf, der die Fortführung der ehelichen Gemeinschaft ermöglichen soll. Zum Anderen besteht durch die endgültige Beendigung der Ehe auch keine Notwendigkeit an der ehelichen Arbeitsteilung festzuhalten, die eine Haushaltsführung durch einen Ehegatten vorsieht. Nacheheliche Treue und Solidarität kann insgesamt kaum gegen die Aufnahme einer Erwerbsarbeit in angemessener Zeit nach dem Tod des Erblassers vorgebracht werden. Mangels entsprechend anwendbarer gesetzlicher Regelungen ist mit gem. § 242 BGB der auf eine Versorgung gerichtete verfassungsrechtlich geforderte Unterhaltsanspruch zu gewähren. Dieser Unterhaltsanspruch leitet sich in Art und Höhe von dem individuellen Bedarf des Gatten und den ehelichen Lebensverhältnissen ab. Freilich ist, mit Dutta, der Gesamtbetrag von Unterhaltsleistungen entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1586b Abs. 1 141  BGH NJW 1981, 1214, 1215; Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1361 BGB Rn. 1 m. v. A. ebd. BGH. 142  BGH FamRZ 1990, 283, 286 m. w. N.; Brudermüller in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 1361 BGB Rn. 1 m. w. N. und m. V. a. ebd. BGH.

262

F. Eheliche Vertragsfreiheit

Satz 3, Abs. 2 BGB auf das potentielle Pflichtteilsrecht begrenzt.143 Von dem anspruchsberechtigten Ehegatten kann grundsätzlich in angemessenem Abstand zur Beendigung der Ehe durch den Tod des Erblassers die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erwartet werden. Insbesondere kann sich der Anspruchsberechtigte mit der Beendigung der Ehe durch den Tod des Erblassers nicht mehr auf die eheliche Arbeitsteilung einer Haushaltsführung durch den Unterhaltsberechtigten entsprechend § 1360 BGB berufen. Grundsätzlich ist den Ehegatten zu empfehlen, bei Vereinbarung des Pflichtteilsverzichts auch eine Regelung für den Fall der Unterhaltsbedürftigkeit nach Beendigung der Ehe durch den Tod eines Gatten zu treffen: Die Ehegatten können etwa einen konkreten monatlichen Unterhaltsanspruch vereinbaren. Zudem können die Ehegatten vereinbaren, inwieweit der Unterhaltsberechtigte ein „Schonvermögen“ haben soll, das er zu seiner Bedarfsdeckung nicht einsetzen muss. Ebenfalls ist es sinnvoll zu regeln, innerhalb welchem Zeitraum nach dem Erbfall der Unterhaltsberechtigte erstmals einen konkreten Unterhaltsbedarf anmelden muss: Mit Dutta ist davon auszugehen, dass ein zufälliger Unterhaltsbedarf bei Erbfall nicht darüber entscheiden kann, ob der Pflichtteilsberechtigte einen Unterhaltsanspruch hat.144 Die Erben des Erblassers müssen deshalb auch Jahre später mit der überraschenden Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs rechnen. Mit der Beendigung der Ehe durch den Tod des Erblassers nimmt mit der Zeit die Bedeutung der durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten nachehelichen Treue und Solidarität ab, so dass eine den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen Rechnung tragende Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ebenfalls möglich ist. 2. Rechtstechnische Absicherung güterrechtlicher Teilhabe Eine in dem Wesenskern der Ehe verankerte Teilhabe bezieht sich auf den nicht zu Beginn der Ehe abschätzbaren bzw. als sicher einzuschätzenden Vermögensaufbau. Die ebenfalls durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit reicht dabei nicht so weit, dass die Eheleute diese im Wesenskern der Ehe verankerte Teilhabe abbedingen könnten. Legt man diesen Maßstab bei der etablierten zweistufigen Inhaltskontrolle an, so wird auf der Ebene der Wirksamkeitskontrolle eine Unwirksamkeit regelmäßig an dem nicht vorliegenden subjektiven Element scheitern: We143  Insbesondere zu dem nach § 242 BGB zu gewährenden Unterhaltsanspruch: Dutta AcP 209 (2009), 760, 792 ff., 805 f. 144  Vgl. zur Problematik insgesamt: Dutta AcP 209 (2009), 760, 800.



VIII. Konsequenzen für die Kautelarpraxis263

gen des für die Eheleute nicht absehbaren bzw. nicht vorgezeichneten und „schicksalhaften“ Vermögensaufbaus durch eigene Leistung wird eine Unwirksamkeit der vereinbarten Gütertrennung in einer so verlaufenen Ehe nicht anzunehmen sein. Mangels Vorhersehbarkeit eines schicksalhaften ehebedingten Vermögensaufbaus und wegen des in solchen Fällen fehlenden Bewusstseins dieses Vermögensaufbaus liegen die subjektiven Voraussetzungen für die Annahme der Sittenwidrigkeit regelmäßig nicht vor. Das Risiko der Sittenwidrigkeit wegen der isoliert betrachteten Gütertrennung bei der Inhaltskontrolle bzw. auch bei der Gesamtbetrachtung des Ehevertrages darf damit als tendenziell gering eingeschätzt werden. Anders könnte diese Risikoanalyse jedoch ausfallen, falls sich die hier vorgeschlagene grundsätzlich rein objektiv verfassungsrechtliche Wirksamkeitskontrolle durchsetzt. Im Rahmen einer objektiv verfassungsrechtlichen Wirksamkeitskontrolle kann argumentiert werden, dass auf jegliche subjektiven Merkmale bei der Sittenwidrigkeitsprüfung zu verzichten ist. Damit ist die Annahme der Sittenwidrigkeit möglich. Eine positive ehevertragliche Regelung der in dem Wesenskern der Ehe verankerten Teilhabe ist geeignet, die fehlenden Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB zu dokumentieren und entspricht dem Gebot notarieller Vorsicht.145 Sofern der in dieser Arbeit vertretenen Empfehlung zur Aufnahme von Präambeln in die notarielle Urkunde entsprochen wird, ist die Erörterung und Regelung der Teilhabe geboten. Andernfalls sind die im notariellen Schrifttum146 angebrachten grundsätzlichen Bedenken gegen Präambeln zu teilen. Schweigen hinsichtlich der Teilhabe könnte als bewusstes Absprechen jedweder Teilhabe ausgelegt werden. Darüber könnten die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit erkannt werden und der Anwendungsbereich des § 138 Abs. 1 BGB eröffnet sein. Dem Wunsch eines Ehegatten nach Gütertrennung liegt regelmäßig die Erwartung eines eben zugewinnausgleichspflichtigen Vermögenszuwachses zu Grunde. Soweit es tatsächlich auch zu einem verfassungsrechtlich betrachtet teilhabepflichtigen Vermögensaufbau kommt, kann dieser nicht als reine Zufälligkeit relativiert werden. Zunächst steht der Vermögensaufbau in direkter Abhängigkeit zu dem ehelichen Konsumverhalten.147 Auch werden sich oftmals Chancen auf besonders hohen Vermögenserwerb schon bei Ehevertragsabschluss absehen lassen. Regelungsbedürftig scheint eine Teilhabe am ehelich Erworbenen gerade dann, wenn deren Verwirklichung durch eheliche Solidarität erst 145  Zur grundsätzlich relevanten notarrechtlichen Haftungsrechtsprechung des BGH im Überblick: Münch DNotZ 2004, 901, 909 f. m. w. N. 146  Bengel ZEV 2006, 192, 197. 147  Weitgehend auf die Ehe als Konsumgemeinschaft abstellend: Battes FuR 1990, 311, 314 ff.

264

F. Eheliche Vertragsfreiheit

ermöglicht oder zumindest wesentlich gefördert wird. Typischerweise ist dies in der von Dauner-Lieb148 skizzierten Ehe des auf die eigene Karriere verzichtenden Investmentbankers und der aufstrebenden Jungunternehmerin gegeben. Realisieren sich solche absehbaren Chancen tatsächlich, erscheint es möglich den Anscheinsbeweis für das Vorliegen der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB zu führen: Teilhabe an absehbarem außerordentlichen Vermögensaufbau, der durch eheliche Solidarität gefördert wurde, sollte nicht eingeräumt werden. Der Beweis der Sittenwidrigkeit ist dann nicht fernliegend. Jenseits solcher regelmäßig nicht vorliegenden Konstellationen ist eine Teilhabereglung149 ebenfalls sinnvoll. Eine ehevertragliche Regelung kann die richterliche Inhaltskontrolle nach § 242 BGB abwenden bzw. nach den Vorstellungen der Eheleute lenken. Nicht nur bei der konkreten Quotenbestimmung der Teilhabe können die Eheleute eine selbstbestimmte Regelung treffen. Daneben können die Ehegatten Einfluss darauf nehmen, was als teilhabeberechtigter Vermögensaufbau gelten soll. Das Bewusstsein der Bedeutung von ehelicher Solidarität und Teilhabe sowie ehelichen Konsumverhalts kann die eheliche Lebensgemeinschaft zudem stärken. Konkret könnten die Eheleute bestimmen, ob aus einer bestimmten beruflichen Tätigkeit aufgebautes Vermögen zu einer durch die Eheleute festgelegten Quote auszugleichen ist. So können die Eheleute etwa bestimmen, dass aus einem Dienstverhältnis als Beamter heraus aufgebautes Vermögen nicht „ausgeglichen“ wird. In einer Unternehmerehe könnte vereinbart werden, dass der nicht als Unternehmer tätige Ehegatte ab einem bestimmten Vermögenszuwachs des Unternehmers an diesem Vermögensaufbau beteiligt wird. Die Ehegatten könnten einen „Freibetrag“ bestimmen, innerhalb dessen eine Beteiligung am aufgebauten Vermögen nicht stattfindet. Dieser Freibetrag könnte dem durchschnittlichen jährlichen Vermögensaufbau entsprechen, den der Unternehmer aus den durchschnittlich zu erwartenden Einnahmen prognostiziert. Für den Fall eines Vermögensaufbaus über den Freibetrag hinaus können die Ehegatten beispielsweise eine Ausgleichung zu Gunsten des schwächeren Ehegatten in Höhe von 1/3 dieses Vermögens vereinbaren. Solange der 148  Dauner-Lieb (AcP 210 (2010), 580, 586.) bildete den Fall leicht verfremdet der familienrechtlichen Praxis nach. 149  Kornexl FamRZ 2011, 692  ff.: Kornexl unterbreitete einen Vorschlag zur kautelarjuristischen Umsetzung von allgemeiner Teilhabegerechtigkeit in der Diskrepanzehe bei Ausschluss des Zugewinnausgleichs. So schlägt Kornexl eine durch die Eheleute individuell gestaltete Vermögensteilhabe mittels eines „Haushaltskontos“ vor. Dieses Haushaltskonto soll aus Beiträgen beider Gatten gespeist werden. Bleibt am Monatsende, etwa durch Konsumverzicht, ein Überschuss, teilen sich die beiden Ehegatten diesen.



IX. Einheitsschutzbereich265

schwächere Ehegatte grundsätzlich an schicksalhaft aufgebautem Vermögen beteiligt wird, sind die Ehegatten bei der Quotenbestimmung nicht an eine etwa hälftige Quote gebunden. Darüber hinaus muss eine Beteiligung auch nicht um deren selbst Willen erfolgen. Das bedeutet, dass bei sehr hohem schicksalhaften Vermögensaufbau eine Beteiligung nicht bis in eine Vermögenshöhe erfolgen muss, die praktisch keine Auswirkungen mehr auf die konkrete Lebensstellung des schwächeren Ehepartners hat.150 Dementsprechend kann das Unternehmerehepaar etwa ein Stufenmodell der Ausgleichung bestimmen: Die erste auszugleichende Million wird mit einer Quote von 1/3 ausgeglichen, die zweite Million mit einer Quote von ¼ und so weiter.

IX. Einheitsschutzbereich: „ ‚Abwägung überall‘ – Gefahr für den Rechtsstaat“151 Der Einheitsschutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG eröffnet einen weiteren Weg zu einem Mehr an Abwägung im Zivilrecht. Hiervon ist nun das Pflichtteils- und Güterrecht betroffen, das bisher weitgehend von einer Inhaltskontrolle und einer damit einhergehenden Abwägung verschont war. Wird Recht durch richterliche Abwägung gefunden, lässt fundamentale Kritik nicht lange auf sich warten. Wenn der Richter im Namen der Gerechtigkeit ein durch das Gesetz vermeintlich vorgegebenes Ergebnis „eben doch noch korrigiert“, um Konsens zu fingieren,152 dann ist Rüthers Warnung vor „Richteroligarchen“153 oder dem „Anfang vom Ende des Rechtsstaats“, mit der diesen prägenden Gewaltenteilung, nicht verfehlt.154 Dieser Kritik kann sich eine durch den Einheitsschutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG geprägte Inhaltskontrolle grundsätzlich nicht entziehen. Einerseits stellt diese Inhaltskontrolle die Beachtung unabdingbaren Verfassungsrechts sicher. Andererseits sichert der Einheitsschutzbereich auch eine verfassungsrechtliche Mindestfortgeltung aller zumindest auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Grundrechtspositionen. Dadurch werden stets die gegenläufigen Interessen der Eheleute in einem Mindestmaß geschützt: Der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit verbleibt ein hinreichender An150  E.

III. 2. h).

Überschrift des Aufsatzes von: Leisner NJW 1997, 636 ff. die wörtliche Beschreibung durch: Leisner NJW 1997, 636, 637. 153  So prägnant zusammengefasst durch Rieble NJW 2011, 819, 820 m. V. a. den grundlegenden: Rüthers („Demokratischer Rechtsstaat oder oligarchischer Richterstaat?“) JZ 2002, 365 ff.; Rüthers JZ 2008, 446 ff. 154  So die Sicht auf Rüthers durch: Simon, Vom Rechtsstaat in den Richterstaat, S. 4. 151  Gleichlautende 152  So

266

F. Eheliche Vertragsfreiheit

wendungsbereich. So kann dem Wunsch nach Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung eines der Partner grundsätzlich entsprochen werden. Aber auch die Versorgungsfunktion des ehelichen Pflichtteilsrechts bleibt wie ein Mindestmaß an güterrechtlicher Teilhabe zugunsten des Partners gewahrt, der den Pflichtteilsverzicht erklärt bzw. sich eines potentiellen Rechts auf Zugewinnausgleich begibt. Rechtsreflex des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG ist damit in der Tat eine kompromissgeprägte Konsensstruktur in der ehelichen Vermögensausgestaltung. Die vorgetragenen Bedenken gegen die Korrektur vermeintlich vorgegebenen positiven Rechts geht fehl. Einerseits erfolgte die Abwägung auf Basis des Grundgesetzes als oberstes Gesetz. Andererseits ist eine Konsensstruktur geeignet, die notwendige Akzeptanz eines Rechtssystems durch die Bevölkerung zu erhöhen. Die unter Entscheidungszwang stehende Judikative steht einer durch Abwägung gefundenen Rechtsfindung so offen gegenüber, wie dieser Haltung vehemente Ablehnung durch die Rechtstheoretiker entgegenschlägt. Unter dem unmittelbaren Eindruck nationalsozialistischer „Rechtsfindung“155 suchte schon der erste Präsident des Bundesgerichtshofs Weinkauff156 nach einer Verankerung des Naturrechtsgedankens in der Rechtsprechung und damit nach einer dogmatischen Möglichkeit, positives Recht zugunsten einer „gerechten Rechtsanwendung“ außer Kraft zu setzen. In der Gegenwart sieht der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofs Hirsch das Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung nicht als eines von Herrn zu Diener, sondern eher zwischen Komponist und Pianist. Der gegenwärtige Gesetzgeber überlässt bewusst unzureichend präzisierte Gesetze der Rechtsprechung zur Konkretisierung. Unter diesem Eindruck ist die Metapher und der Eindruck Hirschs nicht verfehlt, dass die Rechtsprechung als Pianist die Musik macht.157 Die vehemente Kritik an Hirschs Position durch Simon als „peinliche[…] Uninformiertheit“ der wissenschaftlich minutiösen Widerlegung der Radbruchschen Formel lässt sich nicht auf die Abwägungsentscheidung im 155  Zum Einfluss auf Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe und unveränderten Gesetzen, vgl.: Dreier, Die Radbruchsche Formel – Erkenntnis oder Bekenntnis?, insbesondere: S. 117, 126 in: Mayer (Hrsg.), Staatsrecht in Theorie und Praxis, Festschrift Robert Walter zum 60. Geburtstag (1991). 156  Weinkauff NJW 1960, 1689 ff. – zur Kritik und Widerlegung der Wehrlosigkeitsthese: Rückert, Justiz und Nationalsozialismus: Bilanz einer Bilanz, S. 181 ff. (insbes. S. 189 ff., 203 m. w. N.) in: Möller (Hrsg.), 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte (1999). 157  Hirsch ZRP 2005, 161: Hirsch nennt als Beispiel den § 28 Abs. 1 E-VVG, den die Rechtspolitik bewusst der Rechtsprechung als ausfüllungsbedürftige Norm zur praktisch handhabbaren Ausgestaltung überlassen hat.



IX. Einheitsschutzbereich267

Rahmen des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG übertragen.158 Nach der Radbruchschen Formel ist der Konflikt zwischen Gerechtigkeit und Rechtssicherheit derart aufzulösen, dass sich der Richter über solche Gesetze hinwegsetzen kann, deren Anwendung zu einem unerträglichen Maß an Ungerechtigkeit führt.159 Mit der Auflösung des Spannungsfeldes ehelicher Vermögensausgestaltung durch den Einheitsschutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG geht diese und auch die Kritik Leisners160 fehl, dass Menschen statt Gesetze im „Rechtsstaat“ herrschen. Eine Abwägung im Rahmen des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG ist eine Abwägung von Grundrechten mit Gesetzesqualität. In Replik auf die rechtsstaatlichen Unzulänglichkeiten hat Leisner161 eine Liste mit den drei dringlichsten Verbesserungsvorschlägen aufgestellt: (1) „Die Normgeber müssen, weit mehr, nachvollziehbar die Belange gewichten, welche sie schützen wollen.“ Diese Forderung Leisners162 baut auf einer grundsätzlich nicht fernliegenden Kritik an Abwägungsentscheidungen auf, die auf einer „Mischung von Banalität und Unbewältigtem“ beruhen soll. Für Abwägungsentscheidungen im Rahmen des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG geht diese Kritik weitestgehend fehl. Zunächst muss schon festgestellt werden, dass der Gesetzgeber das sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebende Spannungsfeld nicht befriedigend auflösen kann. Zwingende gesetzliche Regelungen zur Absicherung ehelicher Solidarität und Teilhabe in Erb- und Güterrecht durch die Setzung unabdingbaren Rechts würden die eheliche Vermögensausgestaltungsfreiheit mehr als die Inhaltskontrolle über Generalklauseln inhaltlich einschränken. Die so wünschenswerten wie wenig weiterführenden gesetzlich geregelten Korridore für die Ehevertragsfreiheit wurden ebenfalls schon beklagt.163 Dem Rechtsstaat würde ein Bärendienst über diesen Lösungsansatz erwiesen. 158  Simon verweist im Rahmen der Kritik an Hirsch auf Rüthers Werk „Die unbegrenzte Auslegung“: Simon, Vom Rechtsstaat in den Richterstaat, S. 4. 159  Radbruch SJZ 1946, 105, 107. 160  Leisner sieht im Abwägungsstaat Menschen- und nicht Gesetzesherrschaft: Leisner, NJW 1997, 636, 638. Zur Gesetzeseigenschaft des Grundgesetzes: vgl.: Creifelds, Rechtswörterbuch (2011), „Gesetz 6. a)“. 161  Vgl. die von Leisner aufgestellten Forderungen (1)-(3) = Leisner, NJW 1997, 636, 639. 162  Vgl. hierzu: Leisner NJW 1997, 636, 638. Zur Kritik auch: Rüthers JZ 2002, 365 ff.; Rüthers JZ 2008, 446 ff.; Rieble NJW 2011, 819 ff. 163  B. III. 1. e).

268

F. Eheliche Vertragsfreiheit

Ein absolutes und formalistisches Verständnis von Gewaltenteilung und Rechtssicherheit würde auf Kosten der Freiheit gesichert. Dabei sollen Gewaltenteilung und Rechtssicherheit gerade der Freiheit der Bürger dienen. Zuletzt sei angemerkt, dass die dem Verfassungsrecht entspringenden abwägungserheblichen Belange auch tatsächlich hinreichend konkretisiert sind. Die historischen Quellen und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erlaubt eine Konkretisierung der abwägungserheblichen Belange, wie dies in kaum einem anderen Rechtsgebiet der Fall sein dürfte. Auch Leisners zweiter Forderung kann entsprochen werden: (2) „Abwägung, Berufung auf Verhältnismäßigkeit muß, für … [die] Gerichtsbarkeit, eindeutig ultima ratio bleiben, „ultimissima“, und sie sollte auf Randkorrekturen sich beschränken.“ In der Gesamtbetrachtung ist die Korrektur über Generalklauseln als minimalinvasiv zu klassifizieren. Das gilt auch für die von den zivilrechtlichen Generalklauseln ausgehende kassatorische Wirkung. Regelmäßig wird der nur regelnde § 242 BGB und nicht der kassatorisch wirkende § 138 Abs. 1 BGB eingreifen. Sofern es nicht bei den von Leisner geforderten „Randkorrekturen“ bleibt, geht dies nicht unmittelbar auf die durch zwingendes Verfassungsrecht geschuldete Abwägung zurück. Vielmehr führt die Dogmatik der zivilrechtlichen Generalklauseln zu einschneidenden Rechtsfolgen. § 138 Abs. 1 BGB sieht auf der ersten Stufe der Inhaltskontrolle für sittenwidrige Rechtsgeschäfte die Nichtigkeit als Rechtsfolge vor. Auf der zweiten Ebene der Inhaltskontrolle eröffnet § 242 BGB dagegen eine das Rechtsgeschäft als solche schonende Anpassung. Damit sind über die Nichtigkeitsrechtsfolge geschuldete umfassende Eingriffe in die eheliche Vermögensausgestaltung originäre Konsequenz zivilrechtlicher Dogmatik und nicht der dem zwingenden Verfassungsrecht geschuldeten Abwägung anzulasten. Auch ist die Abwägungsentscheidung „ultimissima“. Freiheit gibt es nicht ohne Verantwortung. Die größte Freiheit verspricht nicht eine gesetzliche Auflösung des im Einheitsschutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG liegenden Spannungsfeldes ehelicher Vermögensausgestaltung. Ein von den Eheleuten selbstverantworteter Umgang mit dem Wesenskern der Ehe eröffnet diesen wesentlich weitergehende Freiräume. So können die Eheleute einen Unterhaltsanspruch gegen den Nachlass bei Beendigung der Ehe durch den Tod weitgehend selbst ausgestalten. Ebenfalls können die Eheleute weitgehend frei eine Quote bezüglich der Beteiligung an ehelichem Zugewinn bestimmen. Andernfalls ist ein durch den Richter ausgeurteilter Unterhaltsanspruch bzw. eine Halbteilung des teilhabepflichtigen Zugewinns wahrscheinlich. Die den Eheleuten statt einer gesetzlichen Auflösung des verfassungsrecht-



IX. Einheitsschutzbereich269

lichen Spanungsfeldes eingeräumte Freiheit kann nicht grenzenlos sein. Wer die Freiheit überreizt und nicht vor dem Schnitt der Atropos164 innehält, dem wird die vertragliche Freiheit über § 138 Abs. 1 BGB und § 139 BGB auf null gekürzt. Zu Leisners letztem Verbesserungsvorschlag: (3) „Jede Abwägungsentscheidung muss so sorgfältig und bis ins einzelne begründet werden, daß sie nachvollzogen und überprüft werden kann.“ Nachvollziehbar und überprüfbar sind verfassungsrechtliche Abwägungen. Die Abwägungskritiker könnten der hier vorgeschlagenen Auflösung des Spannungsfeldes ehelicher Vermögensausgestaltung durch den Einheitsschutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG vorwerfen, dass durch systematische Winkelzüge nur die tatsächlich fehlende Bindung des Richters an das positiv formulierte Gesetz verschleiert wird.165 Eine dahingehende Kritik würde eine grundsätzliche Problemstellung aufwerfen. Berechnen oder vorauszeichnen lassen sich Abwägungsentscheidungen naturgemäß nicht, wie das vielleicht für Naturgesetze gelten mag. Selbst die vermeintlich schematischen, naturwissenschaftlichen Gesetze müssen nicht notwendig für die Ewigkeit richtig sein. Die Entdeckung des Quantensprungs in der Physik ließ Anfang des 20. Jahrhunderts reihenweise Naturgesetze zu Makulatur werden.166 Nur weil juristische Gesetze von Menschen gemacht sind, muss es deshalb keinen Endpunkt von Erkenntnis oder Fiktion geben. In dem Punkt bleibt Rechtswissenschaft ganz Wissenschaft. An eine Abwägungsentscheidung kann nicht die Erwartung geknüpft werden, dass diese sich quasi wie mit dem Geodreieck vorzeichnen lässt. Einer solchen Erwartungshaltung kann letztlich nur eine sich durch klare Regelungen kennzeichnende gesetzliche Reglung gerecht werden. Mit einer gesetzlichen Regelung geht allerdings die umfassendere freiheitsbeschränkende Wirkung einher. Wer die Freiheit will, muss auch mit der sich aus der Abwägungsentscheidung des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG einhergehenden Verantwortung leben können. 164  Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, Band 15, (1998): „Moiren“, „Moira“: Die Moiren Klotho, Lachesis und Atropos sind griechische Schicksalsgöttinnen. Atropos schneidet den von ihren Schwestern gesponnenen Lebensfaden auf das zugeteilte Los hin ab. 165  Vgl. Simon, Vom Rechtsstaat zum Richterstaat, S. 5: Zu den „Anstrengungen unserer Theoretiker“ in den letzten 200 Jahren aus der „faktische[n] Nichtbindung“ des Richters an das Gesetz, eine methodische Bindung vorzugaukeln. 166  Vgl. Cohen-Tannoudji/Diu/Laloè, Quantenmechanik, Band 1, (2007), S. 32.

G. Resümee1 I. Inhaltskontrolle von Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht am Maßstab der Drittwirkung der Grundrechte Eine korrigierende Inhaltskontrolle von Eheverträgen über die Generalklauseln hat während der ersten 100 Jahre praktisch nicht stattgefunden. Dies gilt erst Recht für den Pflichtteilsverzicht unter Eheleuten, der als abstraktes Verfügungsgeschäft grundsätzlich keinen eigenen Unwertgehalt hat und als solches nur schwer einer Inhaltskontrolle am Maßstab der Sittenordnung und von Treu und Glaube unterzogen werden kann. Unter Geltung des Grundgesetzes werden Generalklauseln mit deren charakteristischen unbestimmten Rechtsbegriffen insbesondere durch grundrechtliche Wertungen ausgelegt. Dementsprechend ist die Inhaltskontrolle von Eheverträgen auch durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts angestoßen worden. Die so angestoßene Inhaltskontrolle von Eheverträgen konzentriert sich aktuell vornehmlich auf die Überprüfung einer gleichberechtigten Ehevertragsverhandlung der Eheleute und nimmt dabei eine ungleiche Verteilung ehelicher Lasten in den Blick. Nach der herrschenden Kernbereichslehre kommt insbesondere den Unterhaltsansprüchen eine zentrale Bedeutung bei der Kompensation von ehebedingten Nachteilen zu. Die für die effektive Vermögenstrennung der Eheleute wichtige Gütertrennung und der Pflichtteilsverzicht spielten in dieser Inhaltskontrolle bisher keine entscheidende Rolle. Durch die bei der Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Tod ohne eine effektive Gütertrennung drohenden Vermögensabflüsse können gerade mittelständische Unternehmen in ihrem Fortbestand gefährdet werden. Zuletzt kamen in Wissenschaft und Praxis vermehrt Zweifel auf, ob die Gütertrennung und der Pflichtteilsverzicht praktisch von einer Inhaltskontrolle ausgeschlossen sind. Einerseits kommt dem Zugewinnausgleichsanspruch des gesetzlichen Güterstandes vor dem Hintergrund des durch die Unterhaltsrechtsreform abgesenkten Niveaus nachehelicher Unterhaltsansprüche eine erhöhte praktische Bedeutung zu, andererseits hat 1  Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im Rahmen des Resümees auf die wiederholte Angabe von Quellen und vertiefenden Hinweisen verzichtet. Diesbezüglich ist die Lektüre des Haupttextes unerlässlich.



II. Ausblenden ehebedingter Disparität bei der Wirksamkeitskontrolle271

eine instanzgerichtliche Entscheidung die Praxis aufgeschreckt: Aus einer Gesamtbetrachtung von Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht erkannte das Gericht die Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichts. Unter der Geltung des Grundgesetzes hat die Inhaltskontrolle von Eheverträgen am Maßstab der Drittwirkung der Grundrechte zu erfolgen. Nach Art. 1 Abs. 3 GG sind grundsätzlich nur die Staatsgewalten an die Grundrechte gebunden, nicht jedoch die Eheleute als Staatsbürger. Die eheliche Vermögensausgestaltung wird jedoch durch den Staat gesetzlich ermöglicht, bei der Vermögensausgestaltung selbst werden die Eheleute durch den Notar als Amtsperson beraten und staatliche Gerichte setzen die Vermögensausgestaltung der Eheleute durch. Damit sind die an die Grundrechte gebundenen Staatsgewalten unmittelbar in die eheliche Vermögensausgestaltung mit eingebunden. Insbesondere die Rechtsprechung hat dabei die Inhaltskontrolle mit ihren unbestimmten Rechtsbegriffen durch grundrechtliche Wertungen aufzufüllen. Auf die Inhaltskontrolle von Gütertrennung und Pflichtteilsverzicht strömen gleich mehrere Grundrechtspositionen ein: Die eheliche Privatautonomie mit einem Schutz durch Art. 6 GG. Aber auch ein verfassungsrechtlicher Schutz des Pflichtteilsrechts der Gatten zumindest durch Art. 6 GG und ein ebenfalls durch Art. 6 GG geschütztes Recht auf güterrechtliche Teilhabe. Eine grundrechtlich geprägte Inhaltskontrolle muss damit gleich mehrere Grundrechtspositionen gewichten und abwägen: Ein multipolarer Grundrechtskonflikt ist im Rahmen der Inhaltskontrolle aufzulösen. Gerade auch weil zwischen ehemaligen Richtern des Bundesverfassungsgerichts eine Kontroverse geführt wird, die den Eindruck erweckt, dass persönliche Vorstellungen von Ehe und Familie deren verfassungsrechtliches Verständnis von Art. 6 GG prägen können. Vor diesem Hintergrund ist eine exakte Bestimmung und Gewichtung der Grundrechtspositionen von besonderer Bedeutung. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Erforschung eines möglicherweise zentralen, unverzichtbaren Wesenskerns der einzelnen Grundrechtspositionen, deren Preisgabe bei der Inhaltskontrolle nicht gebilligt werden darf.2

II. Ausblenden ehebedingter Disparität bei der Wirksamkeitskontrolle Die Wirksamkeitskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung über § 138 Abs. 1 BGB wird durch ein objektives und ein subjektives Element geprägt. Damit wird neben der objektiven besonderen Nachteiligkeit auch 2  Vgl.

A.; D. I.; F. VII. 1.–2.

272

G. Resümee

auf die subjektiven Beweggründe bzw. Umstände der Eheleute für die konkrete ehevertragliche Vermögensausgestaltung abgestellt.3 Diese Prüfung aus objektiven und subjektiven Elementen lehnt sich an die Systematik des Wuchertatbestandes des § 138 Abs. 2 BGB an. Grundsätzlich bestehen für eine die konkrete Beziehung der Eheleute auch reflektierende Wirksamkeitskontrolle gute Gründe: Die Beziehung der Eheleute zueinander ist derart irrational geprägt, dass die allgemein für den Austauschvertrag des Wirtschaftslebens bestehende Richtigkeitsvermutung von Verträgen auf den Ehevertrag kaum übertragen werden kann. Rechtsprechung und Wissenschaft haben für die Rechtssicherheit unverzichtbare Fallgruppen herausgearbeitet, die der Einzelfallgerechtigkeit wegen immer weiter aufgefächert werden. Zuletzt wurde sexuelle Abhängigkeit als ein Fall von Disparität diskutiert. Hierbei kommt die Wirksamkeitskontrolle nicht mehr ohne die Kenntnisse der Psychologie aus und macht auch vor der Offenlegung des Intimlebens der Eheleute und damit der Verletzung der Intimsphäre keinen Halt. Dies ist nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht abzulehnen. Den Schutz der Ehegatten durch die Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Intimsphäre zu suchen, ähnelt dem Versuch der Quadratur des Kreises. Daneben stellen derartige Tendenzen auch ganz erhebliche Gefahren für die Rechtssicherheit dar. Ohne psychologische bzw. psychiatrische Begutachtung könnten Verträge zwischen Eheleuten bald kaum noch rechtssicher geschlossen werden. Ständige Neuerungen in der Rechtsprechung durch neue Erkenntnisgewinne in der Psychologie sind zudem wahrscheinlich. Auch verschwimmen die Grenzen der Wirksamkeitskontrolle ehelicher Vermögensausgestaltung und der Geschäftsfähigkeit der Eheleute. Zwischen sexueller Abhängigkeit als mögliches Element der Wirksamkeitskontrolle von Eheverträgen und Eifersuchtswahn als Beispiel für eine partielle Geschäftsunfähigkeit dürften Berührungspunkte, wenn nicht sogar Schnittmengen bestehen. Konsequenterweise sollte die Inhaltskontrolle rein objektiv an Hand verfassungsrechtlicher Rechtspositionen unter Ausblenden ehebedingter Disparitäten erfolgen.4

III. Ausschöpfen des Potentials der notariellen Form Notarielle Vorsicht gebietet es gleichwohl, ehebedingte Disparitäten so gut als möglich im notariellen Verfahren zu überwinden. Die Gewähr von Überlegungszeit, die Anregung anwaltlicher Vertretung, die umfassende 3  von Heintschel-Heinegg, Materielles Scheidungsrecht, § 2 Rn. 344 (S. 140); BGH FamRZ 2004, 601, 606 = BGHZ 158, 81, 99 f. 4  C. I.; C. II.



III. Ausschöpfen des Potentials der notariellen Form273

Erörterung des Hintergrundes der ehelichen Vermögensausgestaltung und eine eben dies reflektierende Beratung sind dabei die wichtigsten Mittel. Dieser Beurkundungsprozess sollte entweder in Präambeln oder Nebenakten zur Urkunde dokumentiert werden. Sofern eine Dokumentation der Beweggründe und Umstände der ehelichen Vermögensausgestaltung erfolgt, muss diese besonders sorgfältig erfolgen. Über eine solche Dokumentation kann die eheliche Vermögensausgestaltung effektiv vor einer späteren – den Vertrag kassierenden – Wirksamkeitskontrolle geschützt werden.5 Auch kann über die Dokumentation der Beweggründe und Ziele der Ehegatten eine eventuelle Ausübungskontrolle der ehelichen Vermögensausgestaltung im Sinne der Eheleute gelenkt werden.6 Auch sollten die Ehegatten im Beurkundungsverfahren klar auf die möglichen Folgen von vorgeschobenen Gründen für die eheliche Vermögensausgestaltung oder von falschen Angaben belehrt werden. Die Präambeln können Gründe und Beweismittel zugleich für die Anfechtung der ehelichen Vermögensausgestaltung liefern.7 Sofern die Eheleute Gütertrennung und den Pflichtteilsverzicht vereinbaren, sollte in die Urkunde eine individuelle salvatorische Klausel aufgenommen werden, die den konkreten Willen der Eheleute zur Aufrechterhaltung der ehelichen Vermögensausgestaltung bei der Unwirksamkeit einzelner Klauseln dokumentiert. Die Problematik der Gesamtnichtigkeit, wegen Teilnichtigkeit der ehelichen Vermögensausgestaltung durch die Anwendung des § 139 BGB wird in der Praxis erkannt. Nach § 139 BGB kommt es bei Teilnichtigkeit der ehelichen Vermögensausgestaltung auf den mutmaßlichen Willen der Eheleute zur Aufrechterhaltung der übrigen ehevertraglichen Ausgestaltung an.8 Bisher werden schon spezielle salvatorische Klauseln vorgeschlagen, die ausdrücklich den Erhaltungswillen der Gütertrennung festhalten sollen. Hierbei handelt es sich letztlich dennoch um pauschale und damit „gedankenverlorene“ Klauseln. Durch die für die Präambeln ohnehin zu treffenden Feststellungen sollte durch eine individuelle Klausel der konkrete mit Beweggründen unterlegte Aufrechterhaltungswille der Parteien für die Gütertrennung und den Pflichtteilsverzicht dokumentiert werden. Hiermit kann der Anwendungsbereich für die Gesamtnichtigkeit wegen Teilnichtigkeit über § 139 BGB entscheidend zurückgedrängt werden.9

5  C.

II. VIII. 7  D. IV. 2. 8  Vgl. Ellenberger in: Palandt (73. Aufl., 2014) § 139 Rn. 1, 10, 14. 9  D. IV. 1. 6  F.

274

G. Resümee

IV. Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung in den Grenzen des Einheitsschutzbereichs des Art. 6 GG Bei der Inhaltskontrolle des ehelichen Pflichtteilsverzichts und der Gütertrennung spielen gleich eine Vielzahl von Grundrechtspositionen und Verankerungen eine Rolle. Das eheliche Pflichtteilsrecht wird grundsätzlich zumindest auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt.10 Auch bei der güterrechtlichen Teilhabe fließt Art. 6 Abs. 1 GG in die Kontrolle mit ein.11 Bei der Preisgabe dieser Rechte im Rahmen der autonomen Vermögensausgestaltung der Eheleute kommt eine Gewähr zumindest auch durch Art. 6 Abs. 1 GG in Betracht.12 Gemeinsam ist damit allen relevanten verfassungsrechtlichen Positionen, dass diese zumindest auch durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet werden. Art. 6 Abs. 1 GG ist ein auch im öffentlichen Interesse bestehendes Grundrecht, das damit tendenziell verzichtsfeindlich ist und somit über die Drittwirkung der Grundrechte erheblichen Einfluss auf die Inhaltskontrolle ausübt.13 Der pflichtteilsrechtliche bzw. der güterrechtliche Wesenskern des Art. 6 GG kann durch die Eheleute nicht preisgegeben werden. Gleichzeitig kann der Schutz dieses Wesenskerns nicht so weit gehen, dass das ebenfalls durch Art. 6 GG geschützte Recht auf autonome eheliche Vermögensausgestaltung vollends kassiert wird. Dadurch entsteht ein Korridor, in dem die Eheleute die Ehe vermögensrechtlich ausgestalten können: Der durch Art. 6 GG geschützte unverzichtbare erbrechtliche Wesenskern zielt auf die Versorgung des bedürftigen Ehegatten. Dieses verfassungsrechtliche Ergebnis deckt sich mit der auf der Basis zivilrechtlicher Wertungen bereits diskutierten Inhaltskontrolle. Dem Ehegatten ist regelmäßig gem. § 242 BGB ein dementsprechender Unterhalt durch die Erben des Erblassers zu gewähren. Eine vertragliche Regelung eines Unterhaltsanspruchs des auf den Pflichtteil verzichtenden, bedürftigen Gatten empfiehlt sich insbesondere wegen der Rechtsunsicherheiten aus einer denkbaren Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts selbst bzw. des dem abstrakten Pflichtteilsverzicht zugrundeliegenden Kausalgeschäfts.14 Ebenfalls wird durch Art. 6 GG eine grundsätzliche Teilhabe an einem schicksalhaften ehelichen Zugewinn gewährt. Hierbei handelt es sich um einen Zugewinn, der nicht schon bei Eingehung der Ehe vorgezeichnet bzw. 10  D. 11  E. 12  F.

13  F. 14  F.

VI. II.; F. VII. 1.–2. VIII. 1.



IV. Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung275

absehbar war. Konkret ist das ein Vermögensaufbau, der nach dem Bildungs- oder Berufsweg des Erblassers nicht zu erwarten war bzw. außergewöhnlich hoch ist. Hierunter dürfte regelmäßig das Vermögen fallen, das ein in einer Bank tätiger Diplom-Betriebswirt durch die Bestellung als Vorstandsmitglied aufbauen kann. Auch hier empfiehlt sich eine ehevertragliche Regelung der Teilhabe an diesem Zugewinn, da eine durch den Richter vermittelte Teilhabe im Rahmen der Ausübungskontrolle sich wahrscheinlich tendenziell in der Nähe der Halbteilung dieses Zugewinns orientieren würde.15 1. Pflichtteilsrechtliche Grundabsicherung des Ehegatten Das Pflichtteilsrecht des Ehegatten ist verfassungsrechtlich neben Art. 14 Abs. 1 GG auch durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt. Dabei ist das Pflichtteilsrecht des Ehegatten nur insoweit dem Wesenskern nach geschützt, als eine Versorgungs- bzw. Grundabsicherungsfunktion für den Ehegatten durch das Pflichtteilsrecht gewährleistet wird. Dies ist insbesondere Ausdruck der durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten ehelichen Treue und Solidarität.16 Das verfassungsrechtlich geschützte Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge des Erblassers und das des Ehegatten wird in seiner Reichweite maßgeblich durch die ebenfalls zugunsten des Erblassers geschützte materielle Testierfreiheit begrenzt. Danach kann wirtschaftlich betrachtet nur ein Teil des Nachlasses für die Familie vorbehalten sein.17 Dieser für nahe Angehörige vorbehaltene Teil wird maßgeblich durch die Abkömmlinge des Erblassers beherrscht. Zumindest durch die verfassungsrechtliche Institutsgarantie des Erbrechts steht den Abkömmlingen ein unbedingtes, auf eine Vermögensteilhabe bzw. Vermögensnachfolge gerichtetes Pflichtteilsrecht zu.18 Die verfassungsrechtlich dominierende Stellung der Abkömmlinge hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt. Das Bundesverfassungsgericht sieht das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge in dieser Ausprägung wesentlich durch eine historische Auslegung des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Demnach ist das Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge durch die erbrechtliche Institutsgarantie durch das Grundgesetz geschützt. Bei dieser Auslegung sieht sich das Bundesverfassungsgericht durch den Willen des Parlamentarischen Rates bestätigt. Tatsächlich müssen jedoch Zweifel an dieser These 15  F.

VIII. 2. VI. 5. 17  D. V. 7. 18  D. V. 16  D.

276

angemeldet Vorstellung Zudem hat geschütztes

G. Resümee

werden: Im Parlamentarischen Rat war eine stark ausgeprägte einer umfassenden erbrechtlichen Institutsgarantie nicht präsent. sich der Parlamentarische Rat gegen ein verfassungsrechtlich Pflichtteilsrecht unehelicher Kinder ausgesprochen.19

Ohne dies ausdrücklich offenzulegen, ist das erbrechtliche Verfassungsverständnis in der Entscheidung zum Pflichtteilsrecht der Kinder maßgeblich durch die von Gustav Boehmer entwickelte erbrechtliche Institutsgarantie geprägt. Durch diese Institutsgarantie werden die tradierten Wesensmerkmale des Bürgerlichen Erbrechts durch das Grundgesetz geschützt. Es ist nur bedingt möglich, diese Theorie Boehmers – die dieser grundsätzlich auch schon für die Weimarer Reichsverfassung vertreten hat – verfassungsrechtlich belastbar zu machen. Der dem Gesetzgeber durch das Bundesverfassungsgericht zugesprochene Gestaltungsspielraum weist ebenfalls erhebliche Parallelen zu Boehmers Wertentscheidungen auf. Tatsächlich muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber im Bereich des Pflichtteilsrechts der Abkömmlinge nur einen geringen Gestaltungsspielraum hat.20 Vor diesem Hintergrund ist die Schwächung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs durch die Reform des § 2325 Abs. 1 BGB verfassungsrechtlich zweifelhaft.21 Die pflichtteilsrechtliche Position des Ehegatten nach einer durch das historische Recht geprägten erbrechtlichen Institutsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist tendenziell schwach und zielt ebenfalls nur auf eine Versorgungsfunktion ab. Auch ist eine denkbare, maßvolle Weiterentwicklung der erbrechtlichen Institutsgarantie in Bezug auf das Pflichtteilsrecht des Ehegatten nicht erfolgt.22 Das historische Bürgerliche Recht sah für den Ehegatten keine erb- oder gar pflichtteilsrechtliche Absicherung auf Kosten der Nachlassteilhabe der Abkömmlinge des Erblassers vor. Der Voraus wurde dem Gatten neben Abkömmlingen nach § 1932 BGB a. F. nicht gewährt. Auch wegen der historischen Familien- und Vermögensstrukturen war eine starke erb- bzw. pflichtteilsrechtliche Stellung des Ehegatten nicht intendiert.23 Unter der Geltung des Grundgesetzes wurde die erb- und pflichtteilsrechtliche Position des Gatten beständig – in Einklang mit Art. 6 Abs. 1 GG – gestärkt, ohne jedoch hierbei generell den grundsätzlichen Charakter der Stellung des Ehegatten zu ändern. Das sogenannte güterrechtliche Viertel 19  D.

V. 3. V. 6. 21  D. V. 8. 22  D. VI. 23  D. V. 3.–4. 20  D.



IV. Pflichtteilsverzicht und Gütertrennung277

nach § 1371 Abs. 1 BGB ist primär güter- und nicht erbrechtlicher Prägung.24 Eine weitere elementare Stärkung des Ehegattenerbrechts neben Abkömmlingen des Erblassers ist verfassungsrechtlich – auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG – kaum vermittelbar.25 2. Güterrechtliche Teilhabe Der güterrechtliche Wesenskern kann trotz der historischen Vorläufer der Zugewinngemeinschaft nicht historisch bestimmt werden, da die Zugewinngemeinschaft auf dem grundgesetzlichen Werteverständnis einer Ehe von gleichberechtigten Eheleuten beruht. Auch aus der Zeit der unmittelbaren Bindung der Rechtsprechung an die Verfassung durch das Außerkrafttreten des verfassungswidrigen alten Güterrechts nach Art. 117 Abs. 1 GG kann nichts Substantielles abgeleitet werden. Die Rechtsprechung setzte seinerzeit nur unzureichend die grundgesetzlichen Wertungen um.26 In der aktuellen Diskussion um die Inhaltskontrolle rückt der Zugewinnausgleich in den Focus des Interesses. Dabei soll der Zugewinnausgleich tendenziell zum Ausgleich ehebedingter Nachteile herangezogen werden. Daneben weist der Zugewinnausgleich gerade in der Vermögensstruktur der Unternehmerehe eine partielle Funktionsidentität mit dem Versorgungsausgleich auf. Insofern soll die Bedeutung des Zugewinnausgleichs bei der Inhaltskontrolle gestärkt werden. Während der Bundesgerichtshof allgemein die Grundsätze der bisherigen Inhaltskontrolle beibehalten will, werden die Tendenzen in der Literatur zur Fortentwicklung der Inhaltskontrolle in Bezug auf den Zugewinnausgleich dem Charakter des auf eine bedarfs- bzw. schadensunabhängige Teilhabe gerichteten Zugewinnausgleichs nicht gerecht. Die Kompensation ehebedingter Nachteile findet ihre Grenze in dem hypothetischen Zugewinnausgleich und bietet daher nur einen relativen Schutz. Dieser begrenzte Schutz ist typisch für die Ehe als Schicksalsgemeinschaft. Konsequenterweise muss dieser relative Schutz durch die grundsätzliche Teilhabe an einem unerwarteten schicksalhaften Zugewinn kompensiert werden. Ein nicht in dem Ausbildungs- oder Berufsweg eines Ehegatten vorgezeichneter außergewöhnlicher Vermögensaufbau stellt einen solchen schicksalhaften Vermögensaufbau dar. Eine grundsätzliche Teilhabe an diesem Vermögensaufbau kompensiert den nur relativen Schutz der Ehe.27 24  D.

VI. 5. b). VI. 5. d)–e). 26  E. II. 27  E. III. 25  D.

278

G. Resümee

3. Das Gewicht ehelicher Privatautonomie in der Vermögensausgestaltung Die Möglichkeit zum Pflichtteilsverzicht und der Vereinbarung der Gütertrennung sind durch Art. 6 GG als Recht der autonomen ehelichen Vermögensausgestaltung geschützt. Durch diese Verankerung kommt der ehelichen Vertragsfreiheit ein ganz erhebliches, aber begrenztes Gewicht zu, das es nicht erlaubt, die erb- und güterrechtlichen Elemente des Art. 6 GG vollends zu verdrängen.28 Das verfassungsrechtliche Gewicht der Vertragsfreiheit ist, allgemein betrachtet, nicht besonders hoch. Im Gegensatz zu Art. 152 Abs. 1 WRV verzichtet das Grundgesetz auf den Schutz der Vertragsfreiheit durch einen speziellen Artikel. Das Grundgesetz greift bei dem Schutz der – allgemeinen – Vertragsfreiheit auf das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG zurück. Hierbei ist eine klare Tendenz in der Terminologie und Systematik des Grundgesetzes festzustellen: Das Bundesverfassungsgericht spricht zunehmend von der Gewähr von Privatautonomie durch das Grundgesetz und nicht von einer (vermeintlich grenzenlosen) Vertragsfreiheit. Zudem neigt das Bundesverfassungsgericht dazu, Privatautonomie nicht durch das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern durch die Verbindung des Auffanggrundrechts mit speziellen Grundrechten zu erkennen.29 Dieses allgemein begrenzte verfassungsrechtliche Verständnis der Vertragsfreiheit ist auch kennzeichnend für die Reichweite ehelicher Vermögens­ ausgestaltungsfreiheit des Art. 6 Abs. 1 GG und steht im Übrigen nicht in grundsätzlichem Widerspruch zum zivilrechtlichen Verständnis der ehelichen Vermögensausgestaltungsfreiheit. Die angeblich überragende Bedeutung der Vertragsfreiheit für das historische Bürgerliche Gesetzbuch wurde bereits als Mythos dekonstruiert. Zudem sollten die Eheleute durch das notarielle Form­erfordernis für den Pflichtteilsverzicht und für güterrechtliche Vereinbarungen besonders geschützt werden.30

V. Schlussbetrachtungen Wieder einmal wirken sich grundrechtliche Wertungen maßgeblich auf die Privatautonomie aus. Nach den grundlegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen konzentrierten sich Wissenschaft und Rechtsprechung auf den Schutz des im wesentlichen 28  F.

VII. V. 30  F. III. 29  F.



V. Schlussbetrachtungen279

aus Unterhaltsansprüchen bestehenden Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts und auf die Absicherung eines „fairen“ Verfahrens zum Eingehen von Eheverträgen außerhalb von Disparitätslagen. Der wirtschaftlich bedeutende Zugewinnausgleich und das eheliche Pflichtteilsrecht wurden hingegen bei der Inhaltskontrolle weitgehend ausgeblendet. Als schließlich der Zugewinnausgleich und das eheliche Pflichtteilsrecht in das wissenschaftliche Interesse rückten, erfolgten Vorschläge zur Inhaltskontrolle, die sich an zivilrechtlichen Wertungen orientierten und dadurch den Ursprung der Inhaltskontrolle ehelicher Vereinbarungen, die Grundrechte, grundsätzlich ausblendeten. Es kann auch nicht überraschen, dass die auf zivilrechtlichen Wertungen unterbreiteten Vorschläge zur Inhaltskontrolle des Verzichts auf den Zugewinnausgleich und den ehelichen Pflichtteil nicht umgesetzt werden: Warum sollte der Bundesgerichtshof jetzt eine Inhaltskontrolle des Pflichtteilsverzichts einführen, die er bei nahezu unveränderter Gesetzeslage über 100 Jahre nicht durchführte? Für den seit seiner Einführung als gesetzlichen Güterstand in den 1950er Jahren ehevertraglich abdingbaren Zugewinnausgleich gilt Entsprechendes. Die grundrechtlich bedingten Auswirkungen auf die Inhaltskontrolle des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs und des Pflichtteilsverzichts sind nicht fundamental. Regelmäßig wird eine Sittenwidrigkeit nicht zu erkennen sein. Dennoch ist zur Wahrung der Rechtssicherheit den Ehegatten zu empfehlen, eine verfassungsrechtlich gebotene Versorgung des bedürftigen Pflichtteilsberechtigten ebenso vertraglich zu regeln, wie eine verfassungsrechtlich gebotene güterrechtliche Teilhabe. Andernfalls können verfassungsrechtlich bedingte Überraschungen bei der Inhaltskontrolle nicht ausgeschlossen werden.

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Sachwortregister Disparität –– Abgrenzung zur Geschäftsunfähigkeit  60 ff., 79 ff., 78, 272 –– Disparitätslagen  47, 50 ff., 53 f., 56, 59, 60, 66, 68, 74 f., 78 f., 255 –– Grenzen bei der Disparitätsfeststellung  56 ff., 60 f., 64 ff., 255 –– Überwindung von Disparität im notariellen Verfahren  64 ff., 272 –– Verzicht auf Feststellung von Disparitätslagen  65 ff., 77, 78, 79, 255 Generalklauseln –– allgemein  15 ff., 19 ff., 64 f., 234, 237 f., 239, 268, 270 –– Drittwirkung der Grundrechte  33 ff., 39 ff., 41 ff. –– Historische Entwicklung der Auslegung 31 ff. Gesamtnichtigkeit (§ 139 BGB)   93 f., 273 Grundrechtskonflikt (multipolarer)   38 f., 45, 257 f., 271 Grundrechtsverzicht bei Grundrechten mit öffentlichem Charakter  229 ff. Inhaltskontrolle –– allgemein  15 ff., 19 ff., 28 ff., 31 ff., –– Eröffnung der Inhaltskontrolle beim Pflichtteilsverzicht  83 ff., 89 ff., 279 –– Kernbereichslehre  15 f., 23 ff., 80, 84, 86, 178, 180, 198 ff., 270 –– status quo  19 ff. –– zweistufige Inhaltskontrolle  24 ff., 259 ff., 262 ff.

Kautelarpraxis –– Güterrecht  262 ff. –– Pflichtteilsverzicht  258 ff. –– Präambeln  66 ff., 71 ff., 95 ff., 272 f., 93 f., 95 f. Pflichtteilsrecht –– Anfechtbarkeit des Verzichts  95 ff., 68 f., 273 –– Absicherungsfunktion bei Ehegatten  159, 176 f., 258 ff., 275 f. –– Ehegatte (historisches Erbrecht)  146 ff. –– Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers  134 f. –– Gustav Boehmer (Person)  121 f. –– Güterrechtliche Schnittstellen  162 ff. –– Kinder (verfassungsrechtlicher Schutz) 98 ff., 126 ff., 139 ff. –– Parlamentarischer Rat  104, 107 ff., 145 f., 276 –– Wesenskern (Ehegatte)  173 ff., 176 f., 258 f., 274 Salvatorische Klausel (individuelle)  95, 273 Testierfreiheit vs. Familienerbrecht  136 ff., 173 ff., 257 ff. Verfassungsrechtliches Spannungsverhältnis  38 f., 79 ff., 100 ff., 136 ff., 151 ff. Vertragsfreiheit –– Grundrechtsschutz  224 f., 225 f., 243, 246 ff., 278 –– historisches Bürgerliches Recht  231 ff.

Sachwortregister299 –– Privatautonomie des Grundgesetzes  251 ff. –– Vertragsfreiheit und Zeitgeist  239 ff., 248 f. –– Weimarer Reichsverfassung  243 ff. Zugewinnausgleich –– Bedeutung nach der Unterhaltsrechtsreform 2008  180 –– Grundgesetz  190 ff., 195 ff.

–– Halbteilung  19 ff. –– historische Entwicklung  184 ff. –– relativer Schutz vor ehebedingten Nachteilen  206 ff. –– Teilhabe (unabdingbare)  215 ff. –– Unterhalt  204 f. –– Versorgungsausgleich (partielle Gleichwertigkeit)  202 ff. –– Zirkelschlussgefahr: Verfassungsrecht und Bürgerliches Recht  197 f.