Eduard Norden - Die germanische Urgeschichte in Tacitus Germania

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I

KASPAR ZEUSS

Norden:

Die germanische Urgeschichte

DIE GERMANISCHE

URGESCHICHTE IN TACITÜS GERMANIA VON

EDUARD NORDEN Nirgends wo europäische Geschichte beginnt, hebt sie ganz von Frischem an, sondern setzt immer lange dunkle Zeiten voraus, durch welche ihr eine frühere Welt verknüpft wird

Jakob Grimm

IU-JIH?.

VERLAG VON B. G. TEUBNER LEIPZIG BERLIN 1920 •

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ALLE BECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN.

Druck von B. G. Teubner, Dresden.

ULRICH VON WILAMOWITZ-MOELLEOT)OKFF

HERMANN DIELS ZU IHREN 50JÄHRIGEN DOKTORJÜBILÄEN

Vorrede Si cui popido Heere oportet consecrare origines

popido Romano: diese

Worte

sitas,

ea

belli

gloria est

der livianischen Vorrede, angewandt auf

das deutsche Volk, schwebten mirVor, als ich während des ersten Kriegs-

Buch über die germanische Urgeschichte beEnde entgegenführte, standen mir die Worte derselben Vorrede vor der Seele: ego hoc quoque laboris praemium petam, ut me a conspectu malorum quae nostra tot per annos vidit aetas jahres das vorliegende

gann. Als ich es seinem

tantisper certe

dum

priora

illa tota

mente repeto avertam.

Der Gedanke, Vergangenheit und Gegenwart, Studium und Leben sich an einem der vaterländischen Geschichte entnommenen Forschungsgegenstande zu einer Einheit zusammenschließen zu lassen, reicht in meine Studentenjahre zurück, als ich an der Küste meiner ostfriesischen Heimat die mir von der Schule vertraute taciteische Darstellung der Feldzüge des Germanicus abermals las. Dann aber verlor ich den Plan fast drei Jahrzehnte lang gänzlich aus den Augen. Er tauchte erst wieder auf, als ich es ist meine letzte große Erinnerung aus der unter Löschkes Führung Zeit kurz vor dem Ausbruch des Krieges mit Wilamowitz, Ed. Meyer, dem Germanisten Roethe u. a. am Limes wanderte und mir von meinem alten Studienfreunde Emil Krüger das





Museums erschließen ließ: hier Anschauung auch der keltischen Kultur, die

Verständnis der Schätze des Trierer erhielt ich eine lebendige

in

einem Germanenbuche begreiflicherweise eine wichtige Rolle spielt. ist in der Hauptsache Traditionsgeschichte, es ist daher

Sein Inhalt

im wesentlichen philologisch

orientiert; die historischen

und ethno-

logischen Ergebnisse sind durch Analyse der antiken Überlieferung

gewonnen worden. Das besondere Arbeitsgebiet der Germanisten ist von mir nur einmal vorsichtig betreten worden, ich erhoffe aber grade auch von ihnen, daß sie die ethnologischen Ergebnisse des Buches an den Erkenntnissen ihrer eigenen Wissenschaft prüfen werden. Die in ihm durchmessene Strecke läßt sich literarisch etwa durch die Namen Poseidonios und- Prokopios, Caesar dessen ethnographischen Angaben naturgemäß ein wichtiger Platz angewiesen wurde und Jordanes begrenzen; aber die archäologische Forschung, mit der ich mich, so gut ich es vermochte, vertraut zu machen suchte, führte mich gelegentlich hinauf in sehr frühe, dem Beginn schriftlicher Überlieferung vorausliegende Zeiten. Es kann uns, wie ich glaube, nichts schaden,





Vorrede

VI wenn wir an

einer

Weltenwende

lebende Generation pflegt in der sein,

aber das

vielleicht

Ausmaßes

beispiellosen

auf möglichst große Zeiträume einstellen.

unseren Blick

Auge

und Wellentäler

Enge

des Gesichtsfeldes

Ij

Die

er-

ffan gen zu

der Forscher schweift über einzelne Wellenberge

in ozeanische

Unermeßlichkeit des Völkerlebens, und

da ihnen als periodisches Kolon erscheint, was Kur/sichtigere c\n harsches Anakoluth dünkt, so gewinnen sie durch solchen Einblick in

den Rhythmus des Geschehens Erbebung und Trost. Auch das Ortspanorama dieses Buches hat weite Grenzen: das Vaterland vom Rhein und seinen linken Zuflüssen bis zur Weichsel, von den Alpen bis zur Nordsee, dazu Teile der Nachbarländer Österreich, Schweiz, Holland, Belgien und Frankreich; selbst über den Belt und den Kanal wird der Blick des Lesers gelegentlich schweifen. In friedlicheren Zeiten hätte ich

mir nicht nehmen lassen, einige Gegenden zu bereisen, um an besonPunkten (so am Ober- und Niederrhein, ferner im östlichen Belgien) die literarische Überlieferung an der topographischen zu prüfen; aber das habe ich mir unter den obwaltenden Verhältnissen versagen müssen. Um so sorgfältiger habe ich das kartographische Material ausgewertet; die Leser werden es mit mir Herrn Dr. Hans Philipp Dank wissen, daß er durch die beigegebene Karte, die auch um ihrer selbst willen Beachtung verdient, das Verständnis einiger Abschnitte des Buches erleichtert hat. Leider war ich weiterhin nicht in der Lage, mir die während der letzten Kriegsjahre erschienene außerdeutsche Literatur, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zugänglich zu machen. Ich bedaure das um so mehr, als ich durch frühere Werke ausländischer Gelehrter erhebliche Förderung gewonnen habe: es sei hier nur der eine J. Dechelette genannt, dessen Tod für sein Vaterland der gesamten Wissenschaft der europäischen Völkerkunde eine schwere Wunde geschlagen hat. Ich empfinde es vor dem deutschen Lesepublikum als ein Bedürfnis, den Umfang dieses Buches zu entschuldigen. Es war in den weitaus meisten Teilen bereits so gut wie abgeschlossen, als unsere wirtschaftlichen Verhältnisse die verhängnisvolle Wendung nahmen, die auch uns Autoren äußerste Sparsamkeit zur Pflicht macht. Berechtigte Ausnahmen werden bestehen bleiben können und auch müssen: denn eben dadurch, daß wir anderen uns beschränken, verschaffen wir den Großen, deren Worte Gold wiegen, die Möglichkeit es voll auszumünzen und gewähren ferner unumgänglich notwendigen Unternehmungen es

ders wichtigen

(wie Fortsetzung der Inschriftenwerke, des lateinischen Thesaurus, des

Corpus medicorum, Inangriffnahme eines geplanten Corpus der griechischen Dichterfragmente., Ausführung der im Entstehen begriffenen

Vorrede

VII 1

Fragrnentsammlung der griechischen Historiker )) die Lebensbedingung. Nur auf Grund der erwähnten Tatsache, daß dieses Buch vor dem im Herbst 1917 las ich wirtschaftlichen Niedergang fast fertig war es F. Jacoby als bestem Kenner der antiken Ethnographie vor glaubte ich es vor mir und der Öffentlichkeit rechtfertigen zu können, doch kamen einige Andas Manuskript ohne erhebliche Kürzungen hänge in Wegfall, darunter ein mir von befreundeter Seite zur Verdem Herrn Verleger zu überreichen, der sich befügung gestellter reits im Jahre 1915 zur Entgegennahme bereit erklärt hatte. Wohl nur wenige machen sich einen rechten Begriff vou der auch in so unerhörten Zeiten bewährten Opferbereitschaft des Verlagsbuchhandels. Sie bedenken nicht, daß auch ihm durch die jetzigen Herstellungsverhältnisse wissenschaftlicher Werke Grenzen gezogen sind, die er, der auf die Dauer doch im ganzen allein auf kaufmännischer Grundlage bestehen kann, nur zum Schaden der Sache selbst außer acht lassen würde Diesen Umständen werden wir Autoren Rechnunotragen müssen. Nicht mehr um lange und bequeme Spaziergänge mit aussichtsreichen Umwegen und ergiebigem Ausruhen, sondern raschen und kurzen Lauf möglichst direkt aufs Ziel zu, nicht um ein freies Spiel der Kräfte, sondern ihr energisches Zusammenfassen wird es sich künftig handeln; ithiov rniiGv itavtös wird die Parole werden müssen, und. oft wird ein Drittel noch besser als die Hälfte sein. Zwischen mathematisch-naturwissenschaftlicher Formelsprache, die die literarische und historische Forschung ihrem Wesen nach nicht verträgt, und philologischen [leydka ßißUcc zu diesen gehören auch Ausgaben von Texten mit überwissenschaftlichem Luxusapparat — wird es doch eine Mittelstraße geben, auf der die pädagogisch wichtige Methode, die Leser den Gang der Beweisführung gewissermaßen miterleben zu lassen, nicht gefährdet wird: etwa die docta taciturnitas Franz Büchelers scheint mir einen solchen Weg zu weisen. In Zeiten, wo jeder Buchstabe, ja jedes Interpunktionszeichen Geld kostet, werden wir ich schließe mich ausdrücklich mit ein, da ich mich selbst mitschuldig fühle jeden Satz daraufhin prüfen müssen, ob er entbehrlich sei, werden uns besonders auch im Gebrauche von Anmerkungen jenen strengen schriftstellerischen Geboten unterwerfen müssen, die A. v Harnack (Reden und Aufsätze HI, 1911, 148 ff.) aufgestellt hat. Also Sparsamkeit überall, nur nicht gerade darin, wobei zum Schaden an Zeit und Kr.ift mit- und nachforschender Leser vielfach gespart wird:















Hätte das letztgenannte Werk, in dessen großartigen Plan ich Einsicht durfte, scbon vorgelegen, so würde das für einige Abschnitte meines Buches einen kaum abzuschätzenden Gewinn bedeutet haben. 1)

nehmen

yjj]

Vorrede

.

in der Genauigkeit der Buchzitate.

Was so zunächst aus der Not

geboren

zum Segen werden: durch die Macht der Umstünde erzogen, erziehen wir uns selbst; mögen dann spätere Geschlechter, die wieder die Freiheit der Wahl haben, zusehen, welche ist,

kann uns

vielleicht

Die mich kennen, werden wissen, daß mir Anmaßung, als Gesetzgeber auftreten zu wollen; aber ich habe diese Dinge in letzter Zeit wiederholt mit sachkundigen Männern durchgesprochen und wollte die Gelegenheit, ihr Urteil der Öffentlichkeit zu unterbreiten, bei Anlaß dieser Selbstapologie nicht vorübergehen lassen. Jedenfalls bin ich für meine

Art ihnen mehr

gefällt.

nichts ferner liegt als

die

Person entschlossen, künftighin aus der Notwendigkeit die Folgerungen zu ziehen. Ich habe dieses Buch den beiden miteinander engverbundenen Männern gewidmet, mit denen seit mehr als einem Jahrzehnt in dauerndem Gedankenaustausch vereint zu sein das höchste Glück meines wissenschaftlichen Lebens ist. Möchte mein Wunscb, ihnen zur fünfzigsten Jährung ihres Eintritts ins wissenschaftliche Leben eine Freude zu bereiten, in Erfüllung gehen.

Saxum

vorsat nitendo

neque proficit hilum: dieses lucilische Wort, mit dem der eine von ihnen seine Dissertation schloß, hat sich an seinem Lebenswerke so wenig bewährt wie an dem des anderen. An Mühsal habe auch ich es nicht fehlen lassen, aber das Urteil über ihren Erfolg

vorbehalten bleiben, die sich nicht scheuen, mich auf

muß

denen

dem langen und

streckenweise arg beschwerlichen Wege durch die Urwälder und Halden sowie über das Wattenmeer des alten Germaniens zu begleiten.

Berlin-Lichterfelde, April 1920.

Eduard Norden.

Inhaltsverzeichnis Seite

Einleitung

1

Erstes Kapitel

GERMANIA IM RAHMEN DER ETHNOGRAPHISCHEN LITERATUR DES ALTERTUMS

DIE

8

Zweites Kapitel

QUELLENKRITISCHES ZURETHNOGRAPHIE EUROPÄISCHER VÖLKER I.

II.

42

....

Die ältesten ethnographischen Berichte über Germanien

59

Poseidonios über Kimbern und Germanen Der Germanenexkurs in Caesars Bellum Gallicum

1.

2.

III.

42

Origo Germanorum

59 84

Poseidonios über Anthropologie der Nordvölker

105

IV. Schildgesang

115

V. Gefolgschaft

124

VI. Beratungen

beim Gelage

127

130

VII. Gastfreundschaft VIII.

Der Vermittler zwischen Poseidonios und Tacitus

142

Drittes Kapitel

....

HERAKLES UND ODYSSEUS IN GERMANIEN I.

II.

Die Lieder auf 'Hercules'



182

Die 'Ulixe3'-Reliquien 1.

Der Ulixesaltar

2.

Die Ulixesstadt Asciburgium Inschriften griechischen Alphabets auf der Grenze von Germanien und Raetien

3.

171

172

Herakles und Siegfried?

183 189

202

Viertes Kapitel

'•'

AUF DEN SPÜREN DER BELLA GERMANIAE DES PLINIÜS I.

II.

Gegenwart und der Vorzeit Der Rheinübergang der Kimbern und die Geschichte eines keltischen

Inschriften der

Kastells in der Schweiz

219

219

3.

Der Kimbernexkurs ia der Germania des Tacitus Der Durchgang der Kimbern durch die Nordschweiz (Helvetii) und die Franche-Comte (Sequani) Eine helvetische Episode in der Militärrevolution des Jahres 69 n. Chr.

4.

Geschichte des Kastells Tenedo (Zurzach)

225 250 256

und Mitteldeutschland

263

1. 2.

HI.

.

207

Volksstämme 1.

2. 3.

in Süd-

Helvetii, Boii

Chatti-Batavi

Hermunduri.

— Die

Grenze Germaniens gegen Baetien.

— Repu-

274

blikanische Münzsorten im freien Germanien

Norden:

Die germanische Urgeschichte

264 265

a*

X

Inhaltaverzeiehnia Seite

IV.

Die Kordseeküate J.

2. 3.

282

Bella Gernianiae und Naturalis historia.



Eine Epiaode aua den

Kriegen mit den Friaii Die Nordseeinscln Eine Episode aus den Kriegen mit den Chauci. Ilalligleute im Wattengebiet. — Römische Flottenbewegungen in den westfrieaischen Gewässern



282 287 291

Fünftes Kapitel DIE

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES GERMANENNAMENS: WORTINTERPRETATIONEN

Volk und Stamm II. Sprachliche Bezeichnung einer ethnischen Namenspropaganda III. Urspruugsbezeichnung eines Volksgesamtnamens. victor als technischer Begriff der Okkupation IV. Ursächliche Bezeichnung einer Volksbonennung V. Selbstbenennung eines Volkes I.

.

.

312 814 318



323 331

335

Sechstes Kapitol

ETHNOLOGISCHE, ONOMATOLOGISCHE UND GESCHICHTLICHE FOLGERUNGEN. BERÜHRUNGEN VON KELTEN- UND GERMANENTUM I. Germani als Stammname

351

352 353

2.

Das Belgaeproblem. Analyse eines Caesarischen Berichtes. Germani cisrhenani. Die älteste Besiedelung des linken Rheinuf'era

3.

durch die Germanen Germani- Tungri

379 396

1.

.

Germani als Volksname Erhebung von Stammnamen zu Volksnamen 2. Das Motiv der Benennung III. Germani als Selbstbezeichnung Schlußbetrachtung. Militärische und kaufmännische Berichte

.

405

II.

406 414

1.

423 als

Primär-

428

quellen

ANHÄNGE Zur Überlieferung der Germania 1. Der handschriftliche Titel 2. Eine Interpolation des V. Jahi-h II. Stiltechnisches zur Germania III. Eine Polemik des Poseidonios gegen Artemidoros über die Ethnologie der Kimbern. Die Anfänge der germanischen Völkerwanderung IV. Columnae Herculis. Die „Nordsäule" im Kanal V. Die helvetische Einwanderung. Ein Beitrag zur ältesten Geschichte der Schweiz. Von H. Philipp VI. Die ethnographischen Abschnitte Caesars über Suebi und Germani I.

und Literaturbericht) Zwei Stationennamen am Niederrhein 1. Onomatologisches zu Asciburgium. Mit einem Beitrage von Th. Siebs 2. Castra Herculis, eine Station zwiachen Leyden und Nymwegen . VIII. Alatnanni Stamm- und Volksname Nachträge und Berichtigungen (Dienst-

VII.

Register

451 451 451

454 457 466 470 472 484

488 492 495 498 500

EINLEITUNG^ Zeuß, Müllenhoff und

Mommsen: den Namen dieser drei, denen die sie auf dem Fundamente griechisch-

deutsche Altertumskunde, soweit

römischer Überlieferung ruht, den reichsten Gewinn verdankt, werden die Leser dieser

am

Untersuchungen

31 jähriger seiner Grammatica

häufigsten begegnen.

Zeuß

ließ

durch die er im Jahre 1853 einer neuen Wissenschaft „Vater und Schöpfer" wurde so nannten als

Celtica,



ihn nach seinem schon im fünfzigsten Lebensjahre erfolgten Tode 1 (1856) die Schüler )



,

wie eine Art von Vorarbeit vorangehen das

Buch „Die Deutschen und

ihre

Nachbarstämme" (1837), dem

alle

Späteren einen beträchtlichen Teil ihres Wissens von nord- und mittel-

zum Ende

europäischer Ethnologie bis

Das

nahmen.

neue Problemstellungen wohl 1)

„Whetley Stokes

orphischen

der Völkerwanderung ent-

literarische Tatsachenmaterial hat sich seitdem

preist

vertieft,

aber

kaum

durch

erheblich vermehrt

ihn mit den begeisterten Worten

des

alten

Hymnus Zavg

Kuhn

Ky^jJ,

Zavs

fitfftfor,

4i.bg ö'

ex Ttävxcc zzzvxTat,"

zum hundertjährigen Gedächtnis

in der Münchener Akademie 1906 gehaltenen Festrede. Die Wiederkehr von Zeuß' hundertstem Geburtsjahre hat ihm die Ehrungen reichlich gespendet, an denen sein Leben, eine fast ununterbrochene Kette von Enttäuschungen und Kümmernissen, so karg war. Der genannten Rede Kuhns, ferner der sehr gründlichen, viel ungedrucktes Material verwertenden Abhandlung von A. Dürrwächter, dem damaligen Inhaber des Zeußischen historischen Lehrstuhls am Bamberger Lyzeum, im Hist. Jhb d. Görres-Ges. XXVII (1906) 561 ff., endlich der gehaltvollen Skizze Edw. Schroeders in der Allg. deutschen Biogr. XLV 1900 verdanke ich vielseitige Belehrung. Zu der am 2L Juli 1906 in Bamberg stattfindenden Zeuß-Feier hatte die Academie

sagte E.

in

seiner

des Inscriptions et Beiles- Lettres de

de Jubainville abgeordnet, der,

1'

am

Institut de

France ihr Mitglied H.d'Arbois

persönlichen Erscheinen verhindert, Zeilen

hoher Anerkennung über den großen deutschen Gelehrten schrieb (Revue celtique

XXVII

Der K. Bayerischen Akademie bin

1906, 347 f.).

ich für die Erlaubnis,

das vorliegende Buch mit einem Bilde zu zieren, das nach einer photogra-

phischeu Aufnahme des im Besitze der Akademie befindlichen Ölgemäldes angefertigt

dem

worden

Alter, in

Norden:

ist,

dem

zu besonderem Danke verpflichtet; es zeigt Zei:ß etwa

er sein großes Erstlingswerk soeben verfaßt hatte.

Die germanische Urgeschichte

1

in

Einleitung

2

— höchstens durch die Byzantinistik

ist

eine Anzahl früher unbekannter,

ethnographisch wichtiger Quellen erschlossen worden



,

das iuschrift-

liche und archäologische hat allerdings so beträchtlichen Zuwachs

halten, die Sprachvergleichung so viel neue Ergebnisse gefördert

unsere Kenntnis

vom Gange und

der Glaubwürdigkeit der Überliefe-

sich derartig bereichert, daß eine

rung

Neubearbeitung des Germanen-

buches, wie sie das Keltenbuch durch H.Ebel erfuhr und durch

abermals

kaum möglich

erfahren sollte,

er-

und

erscheint,

selbst

H.Zimmer wenn sich

Wissen auf historischem, literarischem und linguistischem Gebiete je wieder in einer und derselben Persönlichkeit verAber auch in seiner alten Form, die durch einen Abdnu-k einigte. im Jahre 1904 eine Erneuerung erhielt, wird das Buch, wie sich so gewaltiges

ein namhafter Vertreter der Prähistorie ausdrückte, „ewig jung" bleiben,

Urkunden- 'und Quellenwerk ersten Ranges.

ein volkskundliches

Die

allgemeine Erfahrung, daß eine bedeutende Leistung durch Ergänzung

An und Widerspruch fördernd wirkt, hat sich auch da bewährt Zeuß knüpfte Müllenhoff allenthalben an. Aber jenem diktierte nur seine gewaltige Gelehrsamkeit und sein erleuchteter Verstand; Müllenhoff lauschte auch mit innerer Anteilnahme dem Rauschen des Überlieferungsstromes, der von Homer bis zu dem Goten Jordanes durch die Jahrtausende wallte: daß er die deutsche

eingeschaltet hat, arbeit, die er in

kam

ist

erhellte.

Aufschwung der römischen Altertumsstudien

durch deren Strahlen

So

ist

Mommsen

es Müllenhoff,

sämtliche Nachbargebiete

der sich als

J.

Grimms Nachfolger,

Lachmanns Schüler und Haupts Freund bekannte, und der drei

fast

in ihn

Seiner Lebens-

den 50 er Jahren des vorigen Jahrhunderts begann,

der gleichzeitige

zugute,

Altertumskunde

sein unvergängliches Verdienst.

Jahrzehnte demselben Wirkungskreise wie

seit

1858

Mommsen

an-

gehörte, vergönnt gewesen, durch eindringende Quellenanalysen, die

Zeuß noch gänzlich fernlagen 1 ), den klassischen Philologen gewisse 1)

So nannte er

(S. 144)

den Poseidonios, dessen Bedeutung Müllenhoff erDie Forschungsart von Zeuß war über-

wies, einen „leichtfertigen Griechen".

haupt ganz unpersönlich essierten ihn nicht y.olia J.



,



ein

Menschen

Symptom

wird mit daran schuld gewesen

Grimm

nie

als

seiner

weise ganz entfremdet hat.

daß er zu dem milden, seelenvollen gewinnen können, ja, sich ihm zeit-

sein,

ein näheres Verhältnis hat

Träger einer Überlieferung interWesensart überhaupt: seine Sv6-

Geschichte der Germaniainterpretation

3

Gegenden ihres Forschungsgebietes recht eigentlich gangbar zumachen. Aus seinen Untersuchungen zur antiken Geographie und Ethnographie

manches gesicherter Besitz unserer Wissenschaft geworden, anderes bedarf der Nachprüfung: da, wo Müllenhoff sich mit Mommsen und er hatte eine Neigung auf dessen eigensten Arbeitsgebieten maß ist

freilich



zum Widerspruch gerade gegen ihn —~, hat er sich, wie wir gelegentlich sehen werden, der Mommsenschen Intuitionskraft nicht gewachsen gezeigt. Übrigens muß man sich immer gegenwärtig halten, daß uns die „Deutsche Altertumskunde" zum größten Teile in einer Fassung die

vorliegt,

die

letzte

Durchsicht ihres Verfassers nicht erfahren

Der Plan des Werkes war so weit angelegt, daß es, da sein Begründer sich in Erarbeitung und Überprüfung des einzelnen nie genug tun konnte und von der Überfülle der sich vor seinem Forscherhat.

auge immer neu auftürmenden Probleme erdrückt zu werden drohte,

Vollendung ihm

ein Torso bleiben mußte, dessen

Aber auch

längerem Leben nicht geglückt wäre. Zustande

auch bei

Band aus Müllenhoffs Nachlaß heraus-

der als vierter

ist

vielleicht

in diesem unfertigen

gegebene Kommentar zur Germania des Tacitus eine Leistung, in jahrzehntelanger

von Sprach- und Sachkunde

1

)



nur den Fortschritten der archäo-

logischen Forschung brachte Müllenhoff kein



entgegen

die,

Arbeit herangereift, infolge ihrer Vereinigung Verständnis

rechtes

einen Ehrenplatz auf diesem Gebiete behauptet, soviele

Bearbeiter es auch vorher und nachher gefunden hat.

Denn keine

lateinische Prosaschrift ist in Deutschland öfters

Gegenstande eingehender Betrachtung gemacht worden.

Drucke (1470

in Venedig,

1473

in

irgendwie nachweisbaren Einfluß:

Nürnberg) blieben der deutsche

zum

Ihre ersten freilich

Humanismus

ohne hatte

damals die Kinderschuhe noch nicht abgelegt, er bedurfte eines Vermittlers

zum Verständnis

stand in Enea Silvio Piccolomini, bei den Deutschen:

dem

„Apostel des

1) 'Excellit

2) Vgl.

nisten

er-

Humanismus"

schon 1458 verfaßte, aber erst 1496 in

seine

Leipzig gedruckte 'Germania' machte die

zum Jordanes

Ein solcher

der fremden Gedankenwelt.

rerum linguarumque

Bahn

notitia' sagt

frei.

Mommsen

2 )

Begreiflicher-

von ihm im Index

(1882) S. 139.

H. Tiedemann, Tac.

(Di lyovGiv. Diese Auffassung des unbegreiflich mißdeuteten Fragments wird durch dessen Vorlage X 121 ff. gewährleistet. Daß in fr. 2 'l66T\8ol XccitrjGiv &yaXX6{iEvot, rccvccy6t, und 4 %airrj6iv Xäßiot, (von einem anderen Volke) gerade auf die Haartracht Bezug genommen wird, ist bemerkenswert. Wir fanden das schon in dem Homerischen Troerkatalog (o. S. 16, 2), und es ist bei den Ethnographen ein ständiges Motiv seit Herodot (IV 175. 180 u. ö.), fehlt ja auch nicht in der Germania (c. 38). Dank dem Fortleben der Tradition über die



Das Aristeasepos

21

den Extremen der modernen Forschung, die alles glaubt oder

Die Grundlage

verwirft.

Mitteilungen,

die

dem

Diese waren

hatten.

ist

geschichtlich,

Verfasser

selbst

zugetragen

fernen Gegenden

jene

in

alles

wird gebildet durch

Kaufleute

hellenische

zwar nicht

gelangt, aber sie hatten die

sie

Kunde von dem Volke durch

skythische,

der hellenischen Sprache mächtige Händler 1 ) empfangen, die auf den

Karawanenstraßen so weit gezogen waren: für solche, im Zwischenan binnländischen Stapelplätzen oder in Umschlagshäfen

handel

gewonnene Kunde geschichte

und

antike

die

bietet

zahlreiche

moderne Entdeckungs-

Kunde

Diese

Beispiele.



griff

der Verfasser

Er fingierte %oiicav syrjös, wie Herodot, den Sachverhalt durch das Wort scharf betonend, sagt (IV 16) 2 ) Aristeas sei „von Phoibos ergriffen" 3), also kraft einer ekstatides Aristeasepos auf.



schen

Vision,

selbst

jene

in

Gegenden

gelangt,

habe

dort

die

Issedonen besucht, die Eigenart des Volkes durch Autopsie kennengelernt 4 )

und von ihnen Kunde über gewaltige Völkerverschiebungen Wanderung der Kimmerier die Küsten

erhalten, deren Ausläufer in der

des „eüdlichen Meeres" (des Pontos Euxeinos) erreichten.

uns

— wenigstens

in der Paraphrase

Herodots

Male der Begriff der „Völkerwanderung" 5 )

als

Haartracht der alten Athener darch Thukydides

(I 6,

die

13)



Hier

zum

tritt

ersten

gewaltiges geschicht-

3)

sind

wir auch über

der Franken und Avaren durch Agathias und den Chronographen Theo-

phanes genau unterrichtet in

(c.

dem 1)

2)

o. S. 14,

(die Stellen aus

2 zitierten

Werke, Bd.

II,

den beiden Byzantinern bei Dieterich S. 9.

19).

Solche gab es bezeugtermaßen: Herod. IV 24.

Nur aus dem Umstände, daß man dies übersah, vermag ich es zu erGedanken kamen, „Aristeas" habe die abenteuerliche

klären, daß viele auf den

Reise in persona ausgeführt. 3) (poiß6la.ybTtxog

Dabei

muß man

Herod. IV 13

ysvoiisvog

(vgl. E.

an des Empedokles Worte iya

ä'

Rohde, Psyche 1

383,

1).

viüv ftsög &{ißQOTog, ovkbti

9vr}t6g denken. 4)

Die Sonderung der

merkenswert:

sie

ist

otpig

dann

in

von der äxo% die Herod. IV 16 bezeugt, ist beder ethnographischen Literatur seit Hekataios

(Jacoby, R. E. VII 2677) konstant.

Die Formulierung hat aber vielleicht erst

Herodot in die Worte des „Aristeas" hineingetragen. 5) Die Bezeichnung als solche ist nicht antik, sie stammt aus der modernen, aber noch in lateinisches

Gewand

gentium': vgl. A. Dove, Stud. 1916) 18.

z.

sich kleidenden Historiographie:

Vorgesch.

d.

'migratio

deutschen Volksnamens (Heidelb.

Kap.

22

lichcs

I.

Die Germania im

Rahmen

der etbnograph. Literatnr des Altertums

Das

Geschehnis entgegen.

einen

gestattet

weiten Ausblick.

Die Steppen zwischen Südural und Kaukasus wurden später von den

Alanen bewohnt,

die,

von den Hunnen bedrängt, den Anstoß zu den

die nordeuropäischen Völkerverhältnisse revolutionierenden Verschie-

Die Anfänge dieser Völkerbewegung hat

bungen gaben.

einem

in

be-

rühmten, durch Gust. Freytags Übersetzung allen gebildeten Deutschen vermittelten Berichte der byzantinische Historiker Priskos geschildert

(Exe. de leg.

I

122 ff. de Boor), der im Jabre 448 als Gesandter in Ungarn, unweit der Theiß) gekommen war;

Attilas Hof'lager (im östl.

er hat sich dabei die

ihm aus Herodot bekannte Erzählung

des Aristeas-

von den großen Völkerschüben der Vergangenheit

epos

zum Vorbild genommen. Stilvermögen

eines

ersichtlich

Hier hat einmal das unzulängliche eigne

hervorragenden

freilich

Historiographie weltgeschichtliche

der

Vertreters

Zusammenhänge

späten

eines Jahr-

fast

zum Ausdruck gebracht. Das Aristeasgedicht wies in seiner Mischung von Phantastik und Gegenständlichkeit die Kennzeichen jenes psychischen Gärungsprotausends

zesses

auf,

der

einem

großen Teile der Literatur des VI. Jahrh.

gab. Es stammte aus einer Zeit, da Epos schon „zersungen" war. und trug, wie noch uns die wenigen Fragmente bestätigen, den Stempel der Minderwertigkeit. ; Die Zeit war reif dazu geworden, daß nun wie die poetische Götterund Heldensage so auch die poetische Periegese durch die prosaische abgelöst wurde: hat doch Hekataios dieses Epos, das ja auch auf ein

eigenartiges

Gepräge

das

1

den für Ethnographisches

aller

Art empfänglichen Sinn des Aiscbylos

wirkte, aller Wahrscheinlichkeit nach benutzt. 2 )

von Routenberichten, den, wie wir sahen,

Der

schlichte

Ton

der Odyssee

die Dichter

nicht prägten, sondern der Sprache des Lebens nachbildeten, klingt

dem Xenophontischen

auch in jüngerer Prosa immer wieder an.

In

Berichte über den Marsch des Kyros und den

Rückmarsch der Hellenen

wiederholt sich zur Freude unserer Schuljugend stationenmäßig die 1)

Das abfällige Urteil des

seebs Verse

(s. o.

S. 20, 3) betrifft

Verf. %. vip. 10, 4 über die von

erhaltenen sechs zeigen ängstliche Anlehnung an die Odyssee.

zwölf Versen

ein

so

schlecht gebauter wie dieser ist:

£%ov6i yccQ %Qycc itovrjQa, ist auch bezeichnend. 2)

Jacoby

a. a.

0.

ihm

zitierten

offenbar niebt nur diese: aueb die weiteren uns

(o. S. 16, 1)

-.1708.

Daß

dv6TT}voi

unter nur

xivig

sleiv

Routenberichte

23

Formel *£vrev&sv e^sXavvsi so und so weit', die ähnlich auch in Herodots Erzählung über die Feldzüge des Sesostris vorkommt. 1 ) Das ist



nur umgesetzt ia die dritte Person

— wieder

nichts anderes als jene

Formel in der Reiseerzählung des Odysseus (t, x, (i), mit der, wie bemerkt, der Schulknabe des Altertums wegen ihrer Faßlichkeit die Homerlektüre begann: ev&ev de TCQortQco selnd mit sv&sv

ö'

svvr^iao q)SQÖ ui]v. t

in der militärischen Berichterstattung sogar

hvTsi&av

verfolgen:

,

III.

Euergetes in seinem Berichte über

den Syrischen Krieg (vom Jahre 246 Aizi processimus Traianus in 2

von Königen und Kaisern

de Sio&ivfig ävu%&bvtts ytccQaysvö(isd a slg n)v

2sXevx£iuv schreibt Ptolemaios

(seit

mehrere Male wech-

JiXeo^isv,

Derartiges läßt sich dann weithin

dem

v. Chr.),

inde Berzobim, deinde

seinigen über die dakischen Kriege

es, wie wir aus Xenophon schließen Erwähnung von allerlei Mirabilien und Curiosa Auch Nearchos hatte, wie wir noch durchzogenen Strecke. 3

101

n. Chr.).

Dabei fehlte

)

dürfen, nicht an der

auf der

)

aus den Exzerpten in der des Jahres 325

(Strabo

1

Wurzeln

i

Arrians erkennen, seine Expedition

diesem schlichten Stile geschildert, und dasselbe

in

müssen wir voraussetzen Eratosthenes

'Ivftixrf

Ungenannten, deren Aufzeichnungen

für die

kostbare Vermächtnisse von Augenzeugen verwertete

als

Das waren Triebe desselben Stammes, aus dessen Epos erwachsen war. Reflek-

69).

einst die Reiseer/ähluug des

Denken der Spätzeit

tierendes

die ursprüngliche Einheit der

stellte

Entwicklung längst gesonderten Gattungen künstlich wieder

in ihrer

her: Arrianus, der „neue

Xenophon", hat in dem Berichte über seine

Inspektionsreise

an der Küste des Pontos die

fuhren wir mit

dem vom

1)

II

102 iv&svrsv 3h ag

im.6TQE'ipag OTtiaa 2)

alte

Weise „von da

Flusse her wehenden Morgenwinde" mit

oitlöco

aitiy.£XQ ig

Aiyvnrov

.

.

.,

103 iv&SVTSV öh

r\iz.

Stellenangaben im Anh.

I

meines Agnostos Theos 320 f., wo mehr Bei-

spiele dieser Art zu finden sind. 3)

Es

sei

nur

an

diu

pontischen Küste erinnert (V

drastische 4,

Soff.),

Schilderung der Mossynoiken an der

von denen

es

zusammenfassend

seien von allen Völkerschaften, denen die Hellenen auf

beißt, sie

dem Rückwege begeg-

ßaQßaQmrarov xai iiXslarov rwv EXXrivixwv vopcov xs%

(ihv ovv' qprjCi

xov Evßo^ov icroQiag

tt/s 'Ißriglag

slxbg siSivui

hat

Abb. 'Strabos Erdkunde von Libyen' (Quellen u. Forsch, z. alt. Gesch. u. Geogr. H. 28, 1913) 33f. geschlossen, daß Poseidonios seine Erkundung über die Expeditionen des Eudoxos, die Strabo in einem sehr langen und wichtigen Referat aus Poseidonios mitteilt (S. 98—100), gerade nicht in Gades angestellt habe, da er sonst nicht gesagt haben würde „Weiteres F. Strenger in seiner gehaltreichen

wissen vermutlich die Leute in Gades und in Spanien". Das ist m. E. anders zu beurteilen: Kaufleute haben es sich immer angelegen sein lassen, neue

Handelswege geheim zu halten, Poseidonios hat sich also vergeblich bemüht, Näheres von ihnen zu erfahren. Die Worte Sprengers „seine Erkundung fällt nach der spanischen Reise, denn sonst hätte er dort, in Spanien, weitere Nach-

empfangen und mitgeteilt" halte ich also nicht für richtig; wo anders Gades hätte denn auch Poseidonios die ganz detaillierten, von Strabo unmittelbar vor den zitierten Worten stehenden Angaben über Bauart und Ausrüstung des Expeditionsschiffes des Eudoxos erlangen können? richten als

in

Zur Entdeckungsgescbichte des Westens

dem

deren Gründung Timaios auf die Zeit kurz nach Herakliden, also

um

33 Einfall der

1100, angesetzt hatte, ließ sich Poseidonios von

dem Schauer umwehen, den

eine graue,

in

ihren Ausläufern noch

Aber Er benutzte, wieder im Gefolge Scipios 134—133 —

faßbare Vergangenheit auf den Forschersinn auszuüben

pflegt.

auch die Gegenwart ließ er zu ihrem Rechte kommen.

wie vor ihm Polybios — dieser und Artemidoros, und wie sein Zeitgenosse Asklepiades von Myrleia

römischen Waffenerfolge in Spanien zu einer Erforschung dieses

die

geheimnisvollen Landes.

Die das ganze dritte Buch Strabos um-

fassende Beschreibung Spaniens,

eine verständige

Zusammenfassung

der Forschungsergebnisse der vier genannten Reisenden, darf als das

Bedeutendste bezeichnet werden, was uns von antiker Arbeit auf

diesem Wissenschaftsgebiete erhalten sagte Niebuhr

„Wenn

is4.

Sie Strabo lesen,"

alte Länder- und Völkerkunde, „so verschaffen Sie sich ein unauslöschliches Bild von Spanien " in seinen

Vorlesungen über

Ozeanographie, Oro- und Hydrographie, Klimatologie, Flora, der

Mensch

in

seinem Kampfe mit der

w lden

Fauna und

Gebirgsnatur, in

seinem Bündnisse mit gesegneten Landstrichen, in seiner Auswertung edler Bodenschätze, dazu die Kultur

im weitesten Sinne, von primitiven

Siedlungen in Dörfern bis zur Gründung großer Handelszentren für

Aus- und Einfuhr, von urtümlich düsterem Opferritual der Steinzeit

Verehrung

zur

bis

lichter



dies

alles

wird zu

ca.

Auch nach Osten zu reise

Hellenengötter

Anschauung O gebracht.

lebendiger O

Scipios

in

weitete sich der Blick.

den Jahren 140

— 139/8

*)

Die Gesandtschafts-

führte

seinen

Begleiter

Panaitios über Alexandreia nilaufwärts bis nach Memphis, dann über

Rhodos, Kypros, Syrien bis nach Ekbatana und Babylon; der schöne Reisebericht, den Poseidonios in seinem Geschichtswerke auf

Grund

der Erzählungen des Panaitios gab 2 ), läßt uns erkennen, daß die Ge-

sandten über ihrer politischen Aufgabe die wissenschaftlichen Interessen

nicht

vernachlässigten,

Leuten ihre

sondern der Eigenart von Land und

Aufmerksamkeit

schenkten.

von Cichorius a.a.O. 203 ff.

1)

Die Zeit

2)

Erhalten bei Diodor XXXIII 28 a

Zeile, ja,

ist

man möchte sagen

dem wissen wir aus einem

=

Pompeius' festgestellt

Feldzüge

worden.

Exe. de leg. p. 406 f. de Boor.

jedes Wort, verrät den Geist des Poseidonios.

Jede Zu-

direkten Zitat bei Athen. XII 549D, daß Poseidonios

die Reise ausführlich berichtet hat.

Norden:

er-

Die germunische Urgeschichte

JJ

34

Kap.

I.

Die Germania im Rahmen der ethnograph. Literatur des Altertums '

schlössen die Völker in Ost-Pontos und

am Kaspischen Meere: wieder

war es ein Grieche, Theophanes von Mytilene, der Reisebegleiter des Pompeius, der die neuen Erkenntnisse verwertete. An dem, was Strabo

im elften Buche aus ihm wiedergibt, merkt man zwar, daß die große Forschung auch auf diesem Gebiete im Niedergänge begriffen ist, aber die Griechen sind sich auch in der Periode des Abstiegs der

Verpflichtung bewußt geblieben, die

Erbes mit sich brachte.

die

Verwaltung eines großen

Strabo selbst gehört freilich nur in sehr

bedingtem Sinne in diese Reihe: von selbständiger Forschung bei

ihm kaum

die Rede.

Freilich darf bei

einer an sich

er infolge

Überschätzung



angegeben

dem maßlosen

gesunden Reaktion gegen ebenso maßlose

jetzt vielfach findet

— Müllenhoff hat

den Ton dazu

bemüht

nicht vergessen werden, daß er sich

,

ist

Tadel, den

hat, die

Linien der von ihm verarbeiteten älteren Forschung, allerdings mit

Ausschluß der mathematisch -astronomischen Grundlage, Zeit weiterzuführen,

indem

er gelegentlich Feldzugs-

Aber

der Gegenwart hineinarbeitete.

genug —

in

Rom, wo

es keine

er schrieb



dies eine besagt

Wissenschaft mehr gab, und im wesent-

lichen für Römer, die sie nicht verlangten; sein

Handbuch hat

alter abgeschlossenes

bis auf seine

und Reiseberichte

sich

erst

im höchsten Greisenzu einer Zeit,

wo

es

mit der selbständigen Forschung auf diesem Gebiete auch bei den Griechen gänzlich vorbei es

m.

W.

niemand.

unbekümmert

um

war, durchgesetzt:

vor Athenaeus

zitiert

Bis dahin war die wissenschaftliche Geographie ihren Redaktor weitergegangen.

ihrer Art ein freilich nur ganz ungefähres Bild zu

verdanken wir ausschließlich dem Plinius, der schen Büchern seiner Naturgeschichte benutzte.

Daß wir uns von machen vermögen,

sie in

den geographi-

Wir erkennen

daraus

nicht bloß den guten Willen, sondern auch noch die durch lange

Überlieferung gefestigte Kraft, die durch römische Waffen und neuen

Handelsverkehr bereicherte Kenntnis der Oikumene wissenschaftlich auszuwerten.

Auch Germanien

ist

dabei nicht vergessen

worden:

Graeci recentiores werden von Plinius für eine Längenbestimmung der Nordseeküste und für die

manicum mare 1) Plin.

angeführt. 1 )

IV 98 Graeci

St coniectare permittitur ,

Benennung einer Inselgruppe im GerEs ist immerhin nichts Geringes, daß

quidam nostri \XXV\ orain Germaniae tradiderunt haud multum ora deerit Graecorum opinioni. 103 in

et

Germanicam mare sparsae Glaeaiae qua* Electridas Graeci

.

.

recentiores appellavere.

Zur Entdeckungsgeschichte des Westens

Epigonen

diese

35

von Eratosthenes der Forschung zugänglich

die

machte Reisebeschreibung des Pytheas,

die,

seitdem Polybios

sie

ge-

zum

Lügenberichte gestempelt hatte, meist nur mit grimmiger Polemik

den „Schwindler"

o-espen

ward, ohne eine solche verwertet haben

zitiert

(ob aus erster Hand, bleibe dahingestellt).

dem

massaliotischen

Kaufmann durch

den römischen Eroberungen zuteil wurde,

dem Venezianer Marco Polo

die

dem

ist

Angaben

bestätigen-

derjenigen zu vergleichen,

widerfuhr, dessen Reisebericht aus

über das innere und östliche

XIII. Jahrh.

letzten Viertel des

Die Ehrenrettung, die

die seine

Asien nach vielfachem Mißtrauen an seiner Glaubwürdigkeit durch die

Entdeckungsreisen des XVI. und XVII. Jahrh. glänzend gerechtwurde.

fertigt

recentiores,

Die Reihe jener noch selbständig forschenden Graeci

der Nachfahren einer großen Vergangenheit, schloß Mari-

ab. Er, dessen Jugend sich mit dem Greisennoch gerade berührt haben mag, und der seine Lebensarbeit fortführende und abschließende Ptolemaios von Alexandreia haben das sphärische Weltbild, zu dem die Forschung von Anaximandros bis Hipparchos gelangt war, festgehalten und einer fernen

nos von Tyros würdig alter des Tacitus

ist doch Columbus durch eben noch kenntliche Fäden mit Eratosthenes und Poseidonios verknüpft, die gewußt haben, daß man von Spanien oder Gallien nach Indien segeln könne, „wenn man nur ein Schiff bekomme und günstige Windrichtung habe". 1 )

Zukunft vermacht:

Unmittelbar vorher waren

zitiert

Pytheas

et

Isidorus.

scheint, ein jüngerer Zeitgenosse Strabos war, so in etwas spätere Zeit gehören.

nius von einer nach

dem

Das bestätigt

Wenn

Isidoros,

wie

es

werden diese „neueren Griechen" sich durch

XXXVII

42,

wo

Pli-

dort gefundenen Bernstein Glaesaria genannten Insel

die durch die Flottenoperationen des Germanicus in der Nordsee bekannt geworden sei; auf diese Stelle werden wir im vierten Kapitel dieses Buches (Abschn. V) zurückkommen. Zu jenen Graeci recentiores gehörte, wie ich glaube, zeigen zu können, der von Plinius dreimal im Text, einmal in einem Autorenregister genannte Philemon, der meiner Überzeugung nach irrtümlicherweise allgemein in die hellenistische Zeit gesetzt wird; doch muß ich mir den Nachweis für eine andere Gelegenheit aufsparen. spricht,

1)

Vgl. Eratosthenes bei Strabo

yo«g ixwXvs, xav -ulslv

Seneca

rjfiäg

ix tfjg

I

64

si

fii]

xo (tiys&og xov 'AxXavxi-/.ov 7isXä-

'Ißr}oiccg slg xr\v 'lvSixr\v

nach Poseidonios

8iu xov ctvxov TiecoaX-

n. h. VI 57) quod ab ultimis litoribus Hispaniae usque ad Indos iacet? paucissiutorum dicrum (dies eine Übertreibung Senecas selbst) spatium, si navetn suus

).>]lov.

quantwn

nat. qu. I pr. 13

(vgl.

diesen bei Plinius

est

/erat venius.

Vgl. A. Elter,

Columbus

u. die

Geogr. der Griechen, Bonner Fest-

rede 1902.

3*

36

Kap.

Die Germania im Rahmen der ethnograph. Literatur des Altertums

I.

Dagegen haben die Herren des „Erdkreises" an dem orbis, dem 'AV/.Xoe. festgehalten, obwohl schon Aristoteles, einen Ausdruck Herodot(IV 36) aufgreifend, gesagt hatte, Karten mit kreisförmigem Erdbilde seien „lächerlich" (Meteor. III 5. 362b 12); zeigte doch die Erdkarte des Agrippa, die Augustus ausstellen ließ, eben dieses Bild, noch dazu, wie unlängst erwiesen worden ist 1 mit Orientierung nach Süden. Die nationale Propaganda der augusteischen Zeit mit ihrem Programm „die Wissenschaft den Hellenen, der Staat den Römern" Vergil hat es in den denkwürdigen Versen Aen. VI 847 ff. am bündigsten formuliert hat für alle Folgezeit eine Verantwortung auf sich geladen, deren Schwere sich durch hellenenfreundliche Strömungen unter einzelnen Caesaren nicht mehr wesentlich verringern ließ. Wie sämtliche Wissenschaftszweige im westlichen Teile des Imperiums verkümmerten, so wurde die Geographie, das stolze Vermächtnis des ),





Eratosthenes, hier für fast anderthalb Jahrtausende auf das Niveau

von Kursbüchern und Mappaemundi herabgedrückt.

Was

den Siegern,

die,

wie einer der Unterworfenen sich empört

zäv 'EXXrivav xakd, mit

ausdrückte, „die hellenische Herrlichkeit"', rä

Füßen

schaft, die

wo

es sich

nehmen

bringen

sie ist

da,

zulänglich." 1)

Gegenden handle,

die

dem

Gesichts-

die

römischen Schriftsteller ahmen

aber es reicht nicht weit: was

sie

näm-

von den Hellenen herüber, von sich selbst keine rechte Wißbegierde (to yiXeCdrjfiov) heran. Infolge-

sagen,

2)

um

„Denn

größer.

freilich die hellenischen nach,

dessen

Voraussetzung zur Wissen-

der Hellenen entrückt seien, werde die Unsicherheit der Be-

richterstattung

lich

die

Strabo sagt bei Gelegenheit der Ethnographie

Wißbegierde.

Spaniens (III 166): kreise

war

traten, zumeist fehlte, das

wo

sie

versagen, die Ergänzung seitens dieser un-

jene

Die Berechtigung dieser bemerkenswerten Worte 3 ) er-

A.Eiter, De forma urbis Romae, Ind. lect., Bonn 1891. Das Wort cpilsid-rmav kommt bei Strabo noch öfters

die Stellen

vor,

Strabonianae (Berl. 1852) 134 behandelt. Sonst wohl nur noch bei Cicero ad Att XII 6 me von magis über ipse (Tyrannion ä? gl

hat

A. Meineke,

Vindiciae

%Q06(aSiwv) delectabit

quam tua odmiratio

delectavit ;

teque istam tarn tenuem &sq3qiccv tarn valde

amo enim

admiratum

icdvra cpileiörjfLoya

esse gaudeo.

(Die Hss.

schwanken, soviel sich darüber sagen läßt, bevor der Tatbestand durch Sjögren vorgelegt sein wird, zwischen cprtsdrifiov und (ptloSt]^ov diese Corruptel auch ,

in der Strabostelle IX 397. )

ebenfalls eine hellenistische

Gleichwertig

dem

Wortprägung

Begriffe q>iXeidr}[iov ist (fiXo[iä.9 r\6ig,

(cpiXoncc&rjg

,

und

cpiloticc&ic:,

echte

Worte

Zur Entdcckungsgeschichte des Westens

37

kennen wir allenthalben. Für Cicero ist die Geographie eine öbscuriw scientia (de or. I 59); den Plan, yscoyQacpixdc zu schreiben, gab er auf, da er sich

dem Eratosthenes gegenüber

befand (ad Att. ihn nicht

II 4, 3.

6,

1):

in

vollkommener Ratlosigkeit

übrigens verzeihlich, da auch Strabo

mehr verstand und daher

wie schon bemerkt, aus seinem

die

Werke

mathematische Geographie, Die im Alter-

ausschaltete.

tum berühmten ethnographischen Exkurse

des Sallustius, von denen

wir den einen, den libyschen, im iugurtha (18. 19) vollständig lesen, die beiden anderen, iS.

den sardinischen und pontischen,

in

den Historien

60 ff-, 134 ff. Maur.) auf weite Strecken hin rekonstruieren können,

bestätigen durch ihre Unselbständigkeit das Urteil Strabos.

nien mußte geradezu die Probe darauf bilden, was die

eignem Können zu

leisten fähig waren.

Germa-

Römer

aus

Denn nur andeutungsweise

waren Grundlinien auch hier von hellenischen Forschern gezogen Sobald das seltsame Volk der Kimbern auf der Bildfläche

worden.

erschienen war,

und Poseidonios die

bald daraus zu verschwinden, hatten Artemidoros

die

mit einigen Strichen

Gelegenheit ausgenutzt,

Wesensart dieses Volkes und des nebelhaften Landes, aus dem

sie in die

Daß

um

es

südeuropäische Kulturwelt eingebrochen waren, zu zeichnen.

sich

dabei

um Germanen

handle, war den genannten For-

schern, wie wir späterhin genauer sehen werden, noch unbekannt.

Hier galt

es

nun, diese unzureichenden Skizzen, nachdem die

Kunde

von den germanischen Völkerschaften sich erheblich erweitert hatte und die Zugehörigkeit der Kimbern zu ihnen erkannt worden war, zu einem Gemälde auszuführen, für das die wesentlichen selbst zusammentragen

Römer

die

Farben im

mußten, denn der griechische

Forschergeist war inzwischen in das Stadium des Niedergangs

Wir werden

ge-

im Verlaufe dieses Werkes sehen, daß ein griechischer Schriftsteller, zwar kein großer mehr, aber doch einer, der in den Spuren des Poseidonios weiter zu wandeln sich bemühte, treten.

freilich

den Römern Material für germanische Ethnographie das

zu

dem

wichtigsten

überhaupt gehört:

der Sophistenzeit, sind schon bei Piaton nachweisbar).

dem

der

geboten hat,

Wissenschafissinn

Dieses

Wort

findet sieb,

oben (S. 32) erwäbnten Berichte des Herkulanensischen Stoikerverzeichnisses über die Forschungsreise des Polybios und Panaitios, also gerade in einem Zusammenhange, für den Strabo to yiXsidrinov

wie es scheint, nur in

braucht.

bereits

38 Kap.

Die Germania im Rahmen der ethnograph. Literatur des Altertums

I.

Volkes war auch in den Epigonen untilgbar.

dieses

noch

Schriftsteller, der



Aber dieser war dann

in die frühaugusteische Zeit gehört,

abgesehen etwa von den vorhin erwähnten (Jraeci

rccentiores, die

das Germanische jedoch nur in Kiistenbeschreibungen des „äußeren"



Meeres berührten

auch der

letzte.

Germanien lag von da ab

dem

so

Kein Band

gut wie völlig außerhalb des hellenischen Gesichtskreises.

arm an Spuren Münzen von griechischen Freistädten und Königen, von deren Funden früher viel gefabelt wurde, gehören auf dem Gebiete des freien Germaniens in den Bedes Inschriftencorpus

ist

nächst

britannischen so

griechischen Daseins wie der germanische. 1 )

reich der Phantasie; vereinzelte Produkte griechischen Kunstgewerbes

Wie

sind durch keltische oder römische Händler verschleppt worden.

haben nun die Römer ihre Aufgabe gelöst?

Es wäre ungerecht, nur

zu tadeln und die Ansätze zu gutem Willen zu Caesar, der

summus auctorum

in der langen, vergleichenden

geleistet hat, ist so

Behandlung der

und Germanen

Gallier

bemerkenswert, daß wir in besonderem Zusammen-

hange darauf zurückkommen müssen.

Er hat nach seinem eignen

Zeugnisse (VI 24) die hellenische Wissenschaft, Eratosthenem

dam

Was

übersehen.

divus Iulius, wie ihn Tacitus nennt,

Graecos, zu Rate gezogen 2 ), hat aber, zumal in

et

quos-

dem germanischen

ihm innerNach ihm kamen von anderen, die uns nicht mehr kenntlich sind, und einer bloß umrißartigen Behandlung Germaniens in der Chorographie des Pomponius Mela (III 3) abgesehen Livius, Plinius und Tacitus. Über die Livianische Skizze wird später zu reden sein. Wenn schon Teile seiner Skizze, den Stoff so erheblich vermehrt, daß

halb der römischen Ethnographie ein Ehrenplatz gebührt.





1) Ausradierte griech. Inschrift auf einem wohl aus Gallien verschleppten Sarkophagdeckel XIII 7239, eine lateinische 7084, wo ein Athenodorus natione Rhodius genannt ist, beide in Mainz. Das ist wohl alles. Ganz im Einklänge dazu steht, daß die Spuren des Christentums vorkonstantinischer Zeit in Ger-

manien



Mission

u.

im Gegensatz zu Gallien

der ptolemäischen

kommen



rsQficcvia

ueydXri,

v. Harnack, Der Reichtum

ganz geringfügig sind (A.

Ausbreit, d. Christentums II S, Leipz. 1915,

auf die

277 f.).

wir noch

öfters

zu

sprechen

werden, beruht durchaus auf Angaben römischer Militärs und Kauf-

leute. 2)

Den Eratosthenes hat

die anderen

bei Poseidonios,

ganz großen Namen.

er

schwerlich aufgeschlagen: er fand ihn sowie

seinem Gewährsmann,

zitiert;

er nennt nur

den

Zur Entdeckungsgesehichte des Westens ihr Verlust für uns empfindlich

ist,

39

Maße

so gilt das in verstärktem

von dem der Plinianischen Bella, die das reichste volks- und landes-

Werk

kundliche Material enthalten haben müssen; auch auf dieses

werden wir weiterhin einzugehen haben. Also selbst bei den Römern hat es wenigstens an Ansätzen zur ethnographischen Forschung in

hellenischem Geiste nicht durchaus gefehlt: das ganz Wenige, was

von Senecas Schrift über Indien sagen

sich

läßt,

bestätigt

dieses

1

Aber Tacitus lag selbst dieses bescheidene Maß der Forschung ganz und gar nicht, seine Interessen waren sozusagen viel zu romisch orientiert. Mit Recht wird zwar allgemein angenommen, daß der zweite Teil der Germania die Benutzung einer Karte vorausUrteil.

)

Was Plinius VI 60 aus Senecas Schrift über Indien berichtet: Seneca apud nos temptata Indiae commentatione LX amnis eius prodidit, gentis CXVIII, erweckt deshalb eine günstige Vorstellung, weil die letztere Angabe 1)

etiam

auf Megasthenes zurückgeht (Arrianus Ind. enthielt,

7,

1).

Was

eine Schrift dieser Art

können wir uns nicht bloß an derjenigen Arrians, sondern auch an

dem Exzerpt

des Curtius VIII 9 aus Kleitarchos, das trotz seiner Dürftigkeit noch immer eine Vorstellung vom Reichtum des Originals bietet, einigermaßen klarmachen. Senecas wissenschaftlicher Horizont ging, bei aller Rhetorik, über

den des Tacitus ganz erheblich hinaus, und er hat, was Indien

doch

betrifft,

ihm verstanden und der Erwähnung für Bemerkung verdient auch, daß er nat. qa. IVa 2, 4

eine geniale Intuition der Großen vor

wert befunden:

s. 0.

S. 35, 1.

die commercia Ivdici maris erwähnt, d. h. die dortigen Handelsfaktoreien (für

Bedeutung von commercium = forum gibt der Thes. 1. 1. III 1873 f. mehrere ihm Lucanus X 314 qua dirimunt nostrum rubro commercia ponto. Das sind die in einem späteren Abschnitt zu erwähnenden i^ncogia des nsQlnlovg rijg igv&Q&g ftccldoGrig aus vespasianischer Zeit. Auch in den Tragödien prunkt diese

Belege): aus

er gern mit geographischen

dient die früheste

Namen

(besonders viel indischen;

Erwähnung der Alanen Thyest.

630).

Bemerkung

Diese Neigung

ver-

teilt er

ja mit der jüngeren Poesie überhaupt, aber über diese geht hinaus das merk-

würdige anapästische Chorlied Med. 369 ff.

Hier wird zunächst die Aufhebung

der Völkergrenzen durch die Weltkultur gepriesen, ein Gedankengang,

man durch die Worte des Plinius (n. h. XIV 2) communicatus maiestate Bomani imperii paraphrasieren könnte; dann wird so venient

annis

saecula

seris,

quibus

Prophetie der Entdeckung

fortgefahren.

Oceanus vincula rerum laxet

pateat tellus Tethysque novos detegat orbes nee

sit terris

den

orbis terrarum

et

ingens

ultima Thule.

Diese

neuen Erdteils wird ihm wohl durch eine Spekulation hellenischer Forscher eingegeben worden sein. Der Begriff novus orbis wird uns weiterhin in einem Gedicht augusteischer Zeit begegnen, dort freilich nicht von transozeanischen Ländern, sondern von solchen des nördlichen Europas.

eines

Kap.

40

1

setzt );

I.

Die Germania im Rahmen der ethnograph. Literatur des Altertums

aber die Ausnutzung dieses Materials

unzulänglich 2 ):

das

Landeskundliche

ist

ist

bei Tacitus

ganz

zugunsten des Volkskund-

und seinen Lesern unterhaltsamer war, meist nur andeutungsweise und in allgemeinen, ziemlich unbestimmt gehaltenen Ausdrücken zu Gehör gebracht worden und verwehrt eine Rekonstruktion seines Kartenbildes. Die paar Seiten Strabos über Germanilichen, das

ihm

faßlicher

sches (VII 290— 92) sind in dieser Hinsicht ergiebiger und vor allem schärfer

von dem gerade auch für Germanien beträchtlichen

umrissen,

Reichtum der Ptolemäischen Geographie gar nicht zu reden. Warum hören wir bei Tacitus nichts von der Entdeckungsgeschichte des Landes, warum fast nichts von Beinen Flußläufen und Gebirgsformationen,

und Kulturprodukten, über

seinen Bodenschätzen

die

wir aus gelegentlichen Angaben der Plinianischen Naturgeschichte

mehr lernen als aus den oberflächlichen Bemerkungen der Germania? Mangel an Interesse für so wichtige Dinge pflegt ein Ergebnis des Mangels an Fassungsvermögen zu sein. Einmal (c. 45) spricht dieser 3 Schriftsteller von dem Tagbogen der Sonne. ) Diese Hückständigkeit der Anschauung wirkt um so empfindlicher, als sie mit der Erwähnung des ^geronnenen Meeres' verbunden ist, dessen Kenntnis dem Pytheas also ein naturwissenschaftliches Kuriosum verdankt wurde; dies





die einzige,

ist

fast

noch dazu durch Unwissenheit des Berichterstatters

unkenntlich gemachte Spur, die die ergebnisreiche Erforschung

des germanischen Nordens in seinem

Werke

hinterlassen hat,

während und

doch Plinius uns, wenngleich aus Mittelquellen, einige wichtige

genaue Angaben aus dem Ozeanbuche des großen Entdeckers erhalten Einige der seiner Ausgabe S. 29. 1) Vgl. A. Gudemau in der Einl. zu technischen Ausdrücke der Germania wie ultra hos, proxivii, iuxta, a tergo, a fronte, in totere, retro, trans usw. finden sich teils genau, teils ähnlich in

den Büchern

III

— VI

des Plinius, in deren Statistiken anerkanntermaßen karto-

graphisches Material verwertet worden

ist, ja, noch in der sog. ravennatischen Kosmographie, in der Mommsen eben auf Grund davon Benutzung einer Karte erschlossen hat Ges. Sehr. V 301). Wie Tacitus c. 41 sagt, er gehe bei der Aufzählung der Völkerschaften den Flußläufen nach (ut quo modo paulo ante Rhenum, sie nunc Danuvium sequar), so heißt es bei dem Ravennaten (p. 233) v

iuxta praenominatum fluvium Moseila. 2)

Gymn.

Vgl. L.Schumacher,

3) J. Partsch, d.

De Tacito Germaniae geographo,

Progr. d. Fr. Wilh.

Berl. 1886.

Die Grenzen der Menschheit, I. 2. Heft

Sachs. Ges., phil.-hist. Kl. LXVIII 1916,

Die antike Oikumene (Ber. S. 3, 4).

Zur Entdeckungsgeschichte des Westens

4}

Die Erkenntnis von der Inselgestalt Britanniens, die erst durch

hat.

von Agricola im Jahre 84

unternommene militärische Rekogewonnen wurde (Agr. 10. 38), wird zwar von Tacitus vermerkt; aber was er über die geographische Lage der Insel, Vorgänge in der Atmosphäre und ozeanische Strömungen vorbringt, würde ein Hellene auch nur von Durchschnittsbildung belächelt die

gnoszierungsfahrt

haben.

Wenn Mommsen dem wir

dem

in

abfälligen Urteil über die Germania,

von

bei dieser Betrachtung ausgingen, ihren zu geringen Wissen-

im Auge

schaftsgehalt

hatte, so

müssen wir ihm

beipflichten.

Aber

wahrscheinlich hat er weniger dies gemeint als dasjenige, an dessen

Kenntnis ihm zumal zur

Zeit,

da er im V. Bande seiner Geschichte

das Kapitel *Da3 römische Germanien und die freien Germanen' schrieb,

besonders gelegen sein mußte: das Verwaltungstechnische, das Mili-

Sicherung des Grenzschutzes durch Anlage von Kastellen,

tärische,

Straßen- und Wallbauten.

dergleichen aus

wie

er

In diesem Falle wäre aber zu sagen, daß

dem Rahmen

nun einmal

der Ethnographie eines Barbarenlandes,

jahrhundertelanger

in

Überlieferung

gespannt

worden war, herausgetreten wäre, und man könnte dem Schriftsteller höchstens den Vorwurf machen, daß er ihn nicht gesprengt hätte. Sieht man davon billigerweise ab, so muß man sagen, daß die Genauigkeit des Volkskundlicheu durchaus der Gewissenhaftigkeit entspricht, die ihn

überhaupt auszeichnet.

Aus der Zugehörigkeit der Germania zur ethnographischen Literatur ergibt sich die Verpflichtung, das reiche volkskundliche Material des

Altertums zu ihrer Erklärung in umfassenderem Maße heranzuziehen, tds das bisher

1)

geschehen

ist

1 ).

Ein paar nützliche Zusammenstellungen (auf Grund meines Hinweises

der Einl. in die Altertumswiss.

I

2

455) bei

digressionibus, Diss. Berl. 1912, 24 ff. erst führen

lassen,

wenn

die

W.

Theißen,

De

in

Sallustii Livii Taciti

Abschließend wird sich die Untersuchung

ethnographischen Fragmente

der griechischen

Sammlung der Historikerfragmente Wissowa in der Rezension des Gude-

Literatur in der von F. Jacoby vorbereiteten

torliegen

werden.



S. jetzt

lnanschen Kommentars, Gott, ?

(o. S. 8, 1)

146

ff.

auch G. gel.

Anz. 1916,

65(5,

und

bes.

Trüdinger

a. ».

0.

Kap.

42

II.

Quellenkritisches zur Ethnographie europäischer Völker

ZWEITES KAPITEL

QUELLENKRITISCHES ZUR ETHNOGRAPHIE EUROPÄISCHER VÖLKER ORIGO GERMANORUM I.

Auf Landes

die (c.

topographischen

Bemerkungen über

Grenzen des

welcher der oben bezeich-

1) folgen die Kapitel, innerhalb

nete Satz steht,

die

mit dessen Deutung wir uns vorzugsweise zu be-

Er

schäftigen haben werden.

betrifft

seinem Zusammenhange

Namen

den

nimmt

des Volkes.

Wer

von vornherein die Möglichkeit, ihn zu beleuchten. Ich gebe hier daher den Text von c. 2—4; er ist ohne nennenswerte Verderbnis überliefert, und ihn aus

löst,

einzelnes wird bei Gelegenheit zur Sprache

kommen.

die

seit

Lipsius

übliche

beigefügt

beigegeben

ist;

in



diese



Kapiteleinteilung

in Abschnitte, deren ist

jedoch

Um

die

Kompo-

Text ohne Rücksicht auf

sition zu veranschaulichen, zerlege ich den

Klammern

sich

die

Zahlen sind in

jedem eine Übersetzung 1 )

der fragliche Satz vorderhand

nicht einbezogen worden.

A. (2) Jpsos Germanos indigenas crediderim minimeque aliarum gentium adventibus

et

hospitiis

mixtos,

quia nee terra olim sed classibus

advehebantur qui miliare sedes quaerebant sie

et

immensus

ultra utque

dixerim adversus occanus raris ab orbe nostro navibus aditur.

quis porro, praeter periculum horridi

Africa

aut ltalia

relicta.

et

Germaniam

ignoti maris, peteret

Asia aut

informem

terris

asperam caelo tristem eultu aspectuque, nisi si patria sit. Die Germanen selbst sind meiner Meinung nach Ureingeborene, von Zuwanderungen sowie Gastverkehr mit anderen Völkern gänzlich unberührt geblieben. Denn in der Urzeit pflegten Völker, die ihre Wohnsitze zu wechseln beabsichtigten, nicht den Land-, sondern den Seeweg zu wählen, und der Ozean, der sich dort in grenzenloser Unendlichkeit sozusagen bis in die entgegengesetzte Hemisphäre ausdehnt, wird nur selten von einem Schiffe aus unserer Zone besucht. Aber auch abgesehen von den Gefahren eines wilden, unbekannten Meeres, wer hätte es sich einfallen lassen, Asien, Afrika oder Italien zu verlassen, um nach Germanien 1) In einzelnen Wendungen habe ich mich hier und sonst an die im ganzen wohlgelungene Übersetzung von A. Bacmeister (2. Aufl., Stuttg. 1881)

angeschlossen.

Kompositionsanalyse der Archäologie der Germanen

43

zu wandern, in diese garstigen Landschaften mit ihrem rauhen Klima, ihrem Mangel an Kultur, ihrer Trostlosigkeit für jeden, der in ihnen nicht eben sein Vaterland sieht?

B

l

unum apud Mos memoriae

Celebrant carminibus antiquis, quod et

annalium genus

Mannum, nantf

est,

Tuistonem deum terra editum;

Manno

originem gentis conditoremqus,

ei filium

tris filios assig-

quorum nominibus proximi oceano Ingaevones, medio

e

quidam, ut in

licentia

vetustatis, pluris deo ortos plurisque gentis appellationes,

Marsos

Rermiones,

ceteri Istaevones vocentur.

Vandilios affirmant, eaque vera

Gambrivios Suebos

ceterum Germaniae vocabulum recens

nomina.

tum, quoniam

qui primi

Rhenum

transgressi

Tungri tunc Germani vocati

ac nunc

se ipsis invento



antiqua

nationis normen

primum a

non gentis evaluisse paidatim, ut omnes meium, mox etiam a

et

nuper addi-

Gallos expulerint

Ha

sint;

et

victore

ob

nomine Germani vocarentur.

das

ist

unter diesem Volke das einzige

Hilfsmittel geschichtlicher Erinnerung



von einem erdgeborenen Gotte

Sie singen in alten Liedern

seinem Sohne Mannus, dem Urahnen und Gründer ihres Geschlechts; ihm -weisen sie drei Söhne zu, nach denen die dem Ozean zunächst Wohnenden sich Ingaevonen, die mittleren Hermionen, die Tuisto und



Urzeit gibt ja weiten Spielraum

wesen sein und mehr Stämme Marsen, alten

B2

(a)

Sueben,

Gambrivier,

Namen.

— — —

Fuisse apud eos

virorum fortium

et



Nach der Versicherung einiger sollen es mehr Göttersöhne

übrigen Istaevonen nennen.

sich

nach ihnen benannt haben, die

Vandilier:

das

allein

relatu,

seien

echten

die

Hercidem memorant primumque omnium sunt Ulis haec quoque

ituri in proelia canunt.

carmina quorum

die

ge-

quem barditum

vocant, accendunt

animos

fuiuraeque pugnae fortunam ipso cantu augurantur: tcrrent enim trepidantve, prout sonuit acies,

nee tarn vocis

ille

quam

concentus videtur; affeetatur praeeipue asper itas soni

murmur,

obiectis

cussu intumescat.

Mo

et

terras,

eolitur

ob

os scutis,

ceterum

quo plenior et

TJlixen

et

et

virtutis

fractum

gravior vox reper-

quidam opinantur longo Germaniae

fabuloso errore in hunc oceanum delatum adisse

Asciburgiumque quod in ripa RJieni situm hodieque ab

Mo

constitutum nominatumque;

aram quin etiam

in-

Ulixi

consecratam adiecto Laertae patris nomine codem locoolimrepertam,

monumentaque

et

tumulos quosdam graecis

confmio Germaniae Raetiaeque adhuc extare.

litteris

inscriptos in

quae neque can-

Kup.

44

11.

Quellenkritisches zur Ethnographie europäischer Volker

firmare argummtis neque refeilere in animo

est:

ex ingenio suo

qnisque demat vel addat fidem.

ihm

so heißt es, unter anderen Herkules bei ihnen gewesen,

Es

sei,

als

der Helden Erstem singen sie heim Aufmarsch zur Schlacht.

und

Sie haben noch eine andere Art von Kriegsgesan^, durch dessen Vortrag,

Schon sein bloßer sie sich zum Kampfe begeistern. Wahrzeichen für den Ausgang der Schlacht gebeutet: durch die Schlachtreihen dröhnt, gilt der Schrecken den

Barditus genannt,

Klang wird je

nachdem

als

es

Feinden oder ihnen

selbst:

es ist,

Zusammenklang der Stimmen

als

als einen

ob

sie

darin nicht so sehr einen

Tapferkeitschor vernehmen.

Sie

haben es dabei vor allem auf Rauheit des Klanges und dumpf dröhnenden Widerhall abgesehen, und um diesen zu erzeugen, halten sie die Schilde vor den Mund: so bricht sich der Ton in der Wölbung und Auch Ulixes soll nach schwillt mit verdoppelter Kraft und Tiefe an.

dem Glauben

einiger,

auf

Sagenreichen Irrfahrt in das

seiner langen

Nordmeer verschlagen, das germanische Festland betreten haben; Asciburgium, noch heutzutage ein bewohnter Ort

am

Ufer des Rheins, verdanke

ihm Gründung und Namen; ebendort habe sich vorzeiten sogar ein von Ulixes, unter Beifügung des Namens seines Vaters Laertes, geweihter Altar gefunden, und Grabdenkmäler mit griechischen Inschriften sollen Aber noch jetzt auf der rätisch -germanischen Grenzmark stehen. diese Vermutungen beabsichtige ich mit Gründen weder zu stützen noch zu widerlegen: mag das jeder nach eigenem Gutdünken für Dichtung oder Wahrheit nehmen.

C

(

4)

Ipse eorum opinionibus accedo qui Germaniae populos nullis alia-

rum nationum

conubiis infectos

proprium

et

sinceram

et

tantum

sui similem gentem extitisse arbitrantur. unde habitus quoque cor-

porum, tamquam in tanto hominum numero, idem omnibus: truces et caerulei oculi, rutilae comae, magna corpora et tantum ad im-

petum

valida. laboris atque

sitim

aestumque

tolerare,

operum non eadem patientia, minimeque frigora

atque

inediam

caelo

solove

assueverunt.

nach deren Dafürhalten die BeStämmen durch Heiraten verDaher sind auch quickt, sondern rasserein und einzig in ihrer Art ist. alle und das in Anbetracht einer so zahlreichen Menschenmasse von einem und demselben Körperschlag: trotzige blaue Augen, rotblondes Haar, mächtiger Wuchs, eine Kraft, die allerdings nur zum stürmenden Angriff geschaffen, anhaltender Anstrengung und Arbeit nicht in gleichem Ich

selbst schließe

mich denen

an,

völkerung Germaniens nicht mit fremden





Maße gewachsen gestählt;

gewöhnen

ist.

Am

allerwenigsten sind sie gegen Durst

dagegen hat Klima und Boden lassen.

sie sich

und Hitze

an Frost und Hunger

Konipositionsanalyse der Archäologie der Germanen

45

Die Kunst der Gesamtkomposition liegt vor Augen.

Das zwei-

B*B 3

teilige Mittelstiick

sind,

,

dessen Teile von annähernd gleicher Größe

wird umrahmt von einem Vorsatz- und einem Schlußstücke

AC, Umfang aufweisen. Diese Responsion ist ähnliche Worte und Motive zum Ausdruck

die untereinander denselben

auch durch gleiche oder



A

und C beginnen mit ipsos dem crediderim in A eorum opinionibus in gebracht:

hospitiis

A

mixtos in

ipse; weiterhin entspricht

C,

dem aliarum gentium

.

.

aliarum nationum conubiis infectos in C; beide

dem Hinweis auf das rauhe Klima. B 1 und B 2 beginnen Erwähnung von Liedern auf einen Gott und einen Heros

schließen mit

mit der

und führen, genau in gleichem Abstände von ihrem Anfang, einen Gedanken mit ceterum ein. In beiden heben sich von einem Hauptberichte Einlagen ab, die mit quidam quid am opinantur afftrmant Der Hauptbericht in B 1 umfaßt einen kürzeren eingeleitet werden. .

.



.



vocentur): Lieder auf Tuisto, und einen längeren Satz (celebrant dreifache StammesgKederung und Benennung nach dessen drei Söhnen: die Einlage, durchweg in abhängiger Rede gegeben, nimmt den ganzen Rest ein: Mehrzahl der Gliederung und Benennung, der Name Gerc

mani'; sie endet, vocarentur.

Auch

dem

vocentur des Hauptberichts entsprechend, mit

der Hauptbericht; in

und einem längeren Satze

(fuisse

B

ä

besteht aus einem kürzeren

— intumescat): Lieder auf Herkules,

Barditus; die Einlage, wieder ganz in abhängiger Rede, reicht bis extare:

Ulixes in Germanien, griechische Inschriften auf der Grenze



von Germanien und Raetien.

Das Sätzchen quae neque confirmare fidem leitet zu dem Schlußstück C über. So gleicht das Ganze einer mächtioen dreiteiligen Periode, deren Ende zum Anfang zurückkehrt Dem Formalen entspricht das Inhaltliche. A und C bezeugen den Glauben des Schriftstellers an die Autochthonie und Rassenreinheit des Volkes, jenes in einer die gegenteilige Ansicht ausschließenden

Diskussion, dieses durch anthropologische Folgerungen.

B

2

In

B und 1

wird das Problem durch Vorlegung reichhaltigen Überlieferungs-

materials erörtert:

B

1

bringt durch die

Erwähnung originaler Gesänge Stammesnamen Gründe für

auf eine Landesgottheit und epichorischer die Ureingesessenheit,

B2

läßt durch

wesenheit hellenischer Heroen

Hinweise auf die angebliche An-

und auf griechische Inschriften

Möglichkeit von Zuwanderungen offen. Beweiskraft der in

B2

die

Die Entscheidung über die

wiedergegebenen Behauptungen wird dem Leser

Kap.

46 ,

in

Quellenkritisches zur Ethnographie europäischer Völker

II.

dem zu C

Sätzchen anheimgestellt; aber über die

überleitenden

Ansicht des Schriftstellers

durch das Vorsatz- und das Schlußstück

ist

kein Zweifel gelassen.

In dieser Monumentalität des Aufbaues, verbunden mit der schriftstellerischen Kunst, die

Anteilnahme des Lesers an einem interessanten

Stoffe zu erwecken und ihn zu selbsttätigem Denken anzuregen, hat

Tacitus

innerhalb

keinen seinesgleichen.

der lateinischen Literatur

hatte in diesem Abschnitt, wie wir im Verlaufe unserer Untersuchungen sehen werden, Eignes gar nicht zu sagen: um so mehr war er bemüht, dem entlehnten Material künstlerische Form zu geben

Er

und ihm den Stempel baumeisterliche Kunst

seines Geistes aufzuprägen.

im Anhang

sollen

gemacht werden. Der Gesamtinhalt der Kapitel 2

II einige

— 4 läßt sich

als

Über

diese seine

näheren Angaben

Abriß der germani-

1 schen Urgeschichte, agxaioXoyCa ) rsQ^iavizt], Origo Germanorum, bezeichnen. In die römische Literatur war Sache und Wort von Cato

eingeführt worden: schon bei ihm bedeutet origo im engeren Wortsinne den Ursprung, den anfänglichen Eintritt eines Volkes in geschichtliches Leben, die Kolonisation des

von ihm bewohnten Landes 2 ),

Anfänge bedingten kulturellen DaseinsDementsprechend faßt Tacitus den Gesamtinhalt des ersten Teiles der Schrift an dessen Schlüsse (c. 27) durch die Worte de omnium Germanorum origine ac moribus zusammen. Dabei seine durch diese

im weiteren

verhältnisse (mores).

geht origo, in jenem engeren Wortsinne, auf den Inhalt der uns beschäftigenden drei Kapitel, denen ein Einleitungskapitel über die

Topographie

Eine

vorausgeht.

solche

origo

findet

sich

den

in

1) Das Wort findet sich zuerst, und gleich in diesem Sinne, von Hippias gebraucht im Hipp, maior 285 B tisqI xwv ytvcbv, a> ZlmxQaxBg, xwv xe rigäuv

xal x&v av&Q(Ö7Cav xal x&v xccxoixioscov, ag xb aQ%cciov y.al

&m'tf9'7] ccl itöXzig.

GvXXi]ߧT]V %Ü6r\g xfjg a.Q%aio%oyLag r/diöro: uxgo&vxai., toOzs tycoys Si ccvxovg

^vayxatffuu fxfigfiaö'TjJCEWt xs xai

exiisiisXExrjxivcci

itävxa xk xoiavxa.

Es

ist

gemäße Wortprägung. Näheres: Agnostos Theos 372 f., wo hinzuzufügen: Strabo XI 530 über Armenien (aus Tbeophanes von Mytilene, eine der alten Sophistik

der unmittelbar vorher zitiert

Josephus anführt 2)

Es

ist

Polybios (IX Gesch.

ist):

ccQxaioXoyla

oivmuxtj un%aioXoyia eines Hieronymos 6 Alyvnxiog, die

xoiocvxt},

d.

1,

röm.

(F.

Jacoby, R. E. VIII 1560).

der xqoiiog 4.

2,

1)

Lit. 293.

Ttsgl

xctg

aitoixiccg

Kai xxiasig xai 6vyysvsiag,

von seiner Darstellung ausschließen

will.

den

Vgl. F.Leo,

Tacitus' britannische

Taciteischen

und judäische Urgeschichten

Werken noch zweimal. Im Agricola

graphie (Britanniae Situs) des

c.

47

folgt auf die

Topo-

10 die Erörterung, „welche Menschen

Britannien zu Anfang bewohnt haben, eingeborene oder zugewanderte" 1

(c.

In der Beschreibung Judäas

II)- )

Grunde

die

V 2 ff.) geht aus besonderem

(hist.

Ethnographie und Kolonisationsgeschichte der Topographie

voraus: der Schriftsteller hat weiterhin von Jerusalems Schicksal zu

und strebt daher über das Volks- und Besiedelungsgeschichthinweg zu der Topographie von Land und Stadt. Allen drei liche Taciteischen Urgeschichten gemeinsam ist die reichliche Auseinandersetzung mit mehreren, untereinander abweichenden Quellenberichten erzählen

über die Art der Besiedelung.

Überall

Bewohner Eingeborene (avTÖ%&oveg, advecti) oder Mischlinge

([iiyccdss, mixtt),

Worte mit

die griechischen

dieselbe Frage: sind die

ist es

Zu Wanderer

indigenae),

(i7iijXvdsc 7

denn wir müssen hier gleich

einsetzen, da die in griechischer Sprache

verfaßten jüngeren Ethnographien die Erörterung in analoger Weise bieten 2 ): das Quellenmaterial wird in der

abweichenden Ansichten

Wenn

nimmt. 3 ) 1)

(1867)

Die Ähnlichkeit der Disposition 145 hervorgehoben -worden.

61

ff.

Form

einer Diskussion der

denen

der

Autor Stellung

dem

wir uns aber jetzt von diesem Allgemeinen

graphien hinzunehmen, hist.

zu

vorgelegt,

wo

schon von E. Wölfflin, Philol.

ist

Man maß

XXVI

die beiden Sallustischen Ethno-

sich dieselbe Reihenfolge findet: lug. 17, 3

ff.

(Libyen),

(Pontos).

2) Der Typus erhielt sich bis über die Grenzen des Altertums hinaus, Aus dem oben (S. 14,2) zitierten Werke K. Dieterichs (II 12) ist mir eine Ethnographie der Türken bekannt, herrührend von einem ausgezeichneten byzanti-

nischen Historiker Laonikos Chalkondylas, der



ein geborener

Athener

— in

der Mitte des XV. Jahrh. weitblickend genug war, sein Hauptinteresse nicht

mehr der Vergangenheit des gefallenen Reiches von Byzanz, sondern der jungen Osmanenmacht zuzuwenden (K. Krumbacher, Gesch. d. byz. Lit. 2 302). Die verschiedenen Ansichten über den Ursprung der Türken werden ganz nach antikem

Schema

erörtert;

hier ist

Anlehnung au Herodots skytbische Archäologie, die

wir gleich kennen lernen werden, handgreiflich. 3)

Um

sich der Identität der

Beweisführung bewußt zu werden, vergleiche der germanischen Archäologie die

man mit den entsprechenden Ausdrücken der judäischen: memorant

.

.

.,

quidam

.

.

.,

plerique

.

.

.,

sunt qui tradant

.

.,

plurimi auctores consentiunt (man merkt, wie viel reichlicher der Strom der Überlieferung für das seit alters bekannte Juden- als für das Germanenvolk floß). Das ganze zweite Kapitel und der größte Teil des dritten der judäischen Archäologie ist in indirekter Rede abgefaßt wie die beiden Kapitel der ger-

manischen.

Kap.

43

Quellenkritisches zur Ktlmographie europäischer Völker

II.

einzelnen zuwenden, so werden wir von

dem „Vater

der Geschichte'

Belehrung empfangen.

selbst

etwas umgesehen hat,

in dieser Literaturgattung

Jedem, der sich

wird für den Gang der Taciteischen Beweisführung auf weite Strecken die Herodoteische Archäologie der

Skythen (IV 5

— 15)

einfallen 1 ), die

ausführlichste uns aus alter Zeit in einem förmlichen System erhaltene.

Die Übereinstimmung im Ganzen und in Einzelheiten

Herodot beginnt

genau.

Nationalsage 2 ); ihre Quelle vaters

5

(c.

— 7)

erstaunlich

Die Eltern des Volks-

eine Kultlegende.

ist

ist

mit dem Referat der skythischen

Der

waren Zeus und eine Tochter des Stromgottes Borysthenes.

Volksvater war ein

Mann

(kvtjq)

mit

Namen

Er

Targitaos.

hatte drei

Söhne, von denen die drei Volksgruppen der Skythen sich ableiteten (sie

werden mit ihren

namen gab

es

Namen

Neben

aufgezählt).

diesen drei Gruppen-

noch einen Volksnamen, mit dem sich

{Gv^navtsg) bezeichnete.

„Dies

ist",

die Gesamtheit

schließt der Schriftsteller, „die

Stammesgeschichte nach skythischer Tradition."

Diesem skythischen

Xöyog entspricht fast Schritt für Schritt der germanische bei Tacitus, der aus epichorischer Sage abgeleitet wird.

Vater des Volksvaters

war Tuisto. Dieser „Zwillich"— das besagt der Name 3 t)

Jacoby in dem Artikel

F.

einzige,

dem

dieser

„H er0( iotos" j n

Zusammenhang

setzt sich aus vier X6yoi

(j

er

;

— zeugt den Volks-

ß j^

Suppl.

II

431

ist

der

nicht entging: „Die Archäologie der Skythen

zusammen, deren

geführt wird und wohl so gut 'skythisch"

erster auf die

ist,

Skythen selbst zurück-

wie die Archäologie der Germanen

Germania 'germanisch'." In derj Tat geht der erste Teil der TaciDarlegung auf einen epichorischen Bericht zurück. AVir kommen

in Tacitus'

teischen

später darauf zurück. 2) i7ti%wQios

3)

loyog wird derartiges genannt VII 197.

Diese Deutung von Tuisto („Zwitter") stammt von

Anthropogonie

d.

Germanen,

Z.

f.

W. Wackernagel,

deutsch. Alt. VI (1848)

religionsgeschichtlicher Parallelen beibrachte.

19,

Sie ist von Müllenhoff in der-

selben Ztschr. IX (1853) 260 gebilligt worden, der auf altn.

W.

Scherer,

schriftlich

Die

der eine Fülle

tvisto,

sowie von

Sitzungsber. d. Berl. Ak. 1884, 573, der auf den inzwischen in-

bezeugten



Namen

der friesischen Völkerschaft

Tui-hanti hinwies

Näheres unten im sechsten Kap., Abschn. III); ohne Kenntnis dieser Parallele auch F. Solmsen, Z. f. vergl. Sprachf. N. F. XVII (1904) 20. Wir brauchen uns, wie mir scheint (auch Th. Siebs, Ztschr. f. deutsch. Philol. XXIX 396 ist dieser Ansicht), den Gott nicht notwendig audrogyu zu denken: über die Vorstellung eines mit sich selbst gedoppelten Gottes hat H. Usener, Rh. Mus. LVIII (1903) 345 t lehrreich gehandelt: „Die Arier" — sagt er u. a. hatten einen 'Zwilling' als Himmelsgott, ir.d. Yama eran. Yvma = lat. geminus (sicher die

„Zwei"

:



.

.

.

Herodots skyfchische und vater

Maimus. 1 ) Von dessen

ihre

Namen

Neben

ab.

germanische Urgeschichte

Tacifcus'

drei

diese

Söhnen leiteten Gruppennamen

die drei trat

49

Volksgruppen

in jüngerer Zeit

Volksname, mit dem sich die Gesamtheit (omnes) bezeichnete. Bemerkenswert ist innerhalb dieser Übereinstimmung auch die Einzelein

daß in beiden Referaten das Alter oder die Jugend der Überliefe-

heit,

rung hervorgehoben wird (vsgjzcctov

xoGuvra

Auf

— carminibus antiquis

.

.

.,

.

.

.,

antiqiia

erscc

%iUa)v ov JC?Ja, aXXä

nomina

.

.

.,

vocabuliim recens).

Herodot die der pontischen Hellenen dieser ging der Ursprung des Volkes auf Nach

die skythische Tradition läßt

folgen

(c.

8

— 10

.

Herakles zurück, der mit einer Ortsnymphe drei Söhne zeugte; ein-

wird dieser Xöyog mit den Worten: „Herakles

geleitet

Land gekommen."

Auch

sei

in dieses

bei Tacitus folgt auf die epichorisch- ger-

manische Version die fremdländische, die ganz entsprechend so befuisse apud eos et Herculem memorant; dann wird hier aber

ginnt:

Odysseus' Anwesenheit

Herodots (11



12),

am

Niederrhein hinzugefügt. Der dritte Xoyog

den er

Hellenen und Barbaren gemeinsam

als

beruht auf der Vorstellung, daß die Skythen ein aus

bezeichnet,

Asien eingewandertes Nomadenvolk gewesen seien, das die Kimmerier aus ihren Sitzen verdrängt habe;

als

Beweise dafür, daß das spätere

im Besitze der Kimmerier gewesen sei, gelten Überreste, die noch jetzt (neu vvv) sichtbar seien: „Kimmerische Erdwälle, eine Landschaft namens Kimmerie, ein Grabhügel kimmerischer Könige." Auch diese Tradition, die sich im Gegensatze zu den zwei legendarischen als die geschichtliche bezeichnen läßt, hat Skythenland

bei

einst

Tacitus eine Entsprechung:

erschlossen aus Überresten,

die

Berührungen mit Hellenen werden noch

jetzt (adhuc)

vorhanden

seien,

nämlich Denkmale und Hügelgräber mit griechischen Inschriften auf der Grenze Germaniens und Rätiens.

Herodot

erklärt, er halte

den

Sein nächster Verwandter

ist der römische Innus geminus" und der germanische werden hinzufügen dürfen ich habe ihn demgemäß „Zwillich" übersetzt. Eine andere Deutung, die u. a. S. Feist, Indogerm. und Germanen (Halle 1914) 64,3 vertritt, geht von der La. Tuisconem aus: * Tiwiskon „der Göttliche" zu germ. * Tiwaz (altisl. Tyr, ahd. Ziu) „Gott" aus idg. *deiwos (lat. divus usw.).

Tuisto, wie wir

;



Jedoch steht

die Überlieferung weist durchaus auf t, nicht auf c hin: Tuisconem nur im cod. Aesinas, dem in der Germania keinerlei Bedeutung zukommt

Ed. Hermann, Sachliches

1)

d. Gott.

heros

u.

Sprachliches zur idg. Großfamilie (Nachr.

macht auf die Parallele eines indisch -iranischen Stammauimerksam der ursprünglich als 'Urmensch' aufgefaßt worden sei

Ges. 1918) 228

Manu

Kordon:

,

Die germanische Urgoaehi, Ute

.{

Kap.

50

Qnellenkritisches zur Ethnographie europäischer Völker

X6yog für richtig (rö

dritten

Audi

II.

nimmt

[ic/.Äiöra

Isyofitva uvxog

xy6(yy.£L[iai).

ihm vorAutochthonentum (ipse eorum opinioni accedo qui usw.). Herodot bringt noch einen vierten loyog (c. 13—15), der, wie er selbst sagt, in der Hauptsache (Völkerverschiebungen) mit dem dritten sich berührt, und geht dann zur Beschreibung des Landes und seiner Bewohner über (c. 16 ff.) Er behandelt zuerst die einzelnen Stämme des Volkes, dann das Volk in seiner Gesamtheit Tacitus

Stellung, aber für die erste der von

getragenen Ansichten,

das

59 stavtsg Sxv&ai); dazwischen steht etwas über das

(28 Tca6a

Xcöqt),

Klima (28

— 31).

Tacitus beginnt mit

dem Klima

(5),

behandelt dann

das Volk als Ganzes (6



Stämme

commune de omnium Germanorum

(27 haec

in

27), darauf die Besonderheiten der einzelnen

moribus accepimus, nunc singularum gentium instituta

Das Dispositionsprinzip die (die

ist also

auch

in

.

.

.

origine ac

expediam).

diesem Teile dasselbe, nur

Der Umfang der Herodoteischen JZxv&ixd Exkurse enthalten) mag dem der Taciteischen

Reihenfolge anders. kleinere

einige

Germania ungefähr entsprechen. Bevor wir dazu übergehen, weitere Übereinstimmungen der Taciteischen Ethnographie mit anderen Herodoteischen aufzuzeigen, sei

der germanischen

und der skythischen Archäologie

diejenige des dritten

großen nordeuropäischen Volkes, der Kelten, an die Seite

Wir verdanken

ihre Kenntnis

gestellt.

dem Ammianus Marcellinus (XV

9),

der

genug war, den damals selbst im Osten des Reiches schon seltenen, im Westen gewiß längt vergessenen Namen Da wir im Verlaufe seines Gewährsmannes nicht zu verschweigen. unserer Untersuchungen wiederholt Gelegenheit haben werden, sie in Betracht zu ziehen, so empfiehlt es sich, sie in ihrem, ganzen Wortlaute dem Leser vor Augen zu führen; bei allen Abweichungen im gewissenhaft oder

einzelnen,

die

eitel

durch die Besonderheiten des Keltenvolkes bedingt

niemand dem Eindruck einer gewissen Verwandtund teilweise auch Beweismaterial entziehen können, zumal wenn er dabei in Rechnung zieht, daß Ammianus, seinem eigenen Zeugnisse nach, den Originalbericht erheblich übersind, wird

sich

schaft in Beweisführung

arbeitet hat.

Ammianus Marc.

XV

9,

2 ambigentes super

oriyine

Gallorum

scriptores veteres notitiam reliquere negotii

sed postea

Timagenes,

ei

diligentia

Graecus

et

prima

semiplenam;

lingua, haec quae

Tirnagenes' keltische Urgeschichte

diu sunt ignorata secuti, obscuritate 3.

muUiplicibus

ex

collegil

5l cuius fiden;

libris.

dimota, eadem distincte docebimus

Äborigines primos

his

in



quidam

regionibus

firmarant, Celtas nomine regis amdbilis

et aperte.

esse

visos

matris eins vocdbulo

et

enim Gallos sermo graeeus appellat Doriensis antiquiorem 1 ) secutos Herculem oceani locos

Gdlatas dictos atii

ita

— in-

habitasse confines.

Dryidae 2) memorant re vera fuisse populi partem

4.

digenam, fructibus

sed

quoque

alios

transr/ienanis,

ab

extimis

insulis

crebritate

beUorum

in-

confluxisse

et

adluvione fermdi

et

maris sedibus suis expidsos.

quidam paucos post

aiunt

5.

excidium

Troiae

fugitantes

Graecos 3) ubique dispersos loca haec occupasse tunc vacua.

regionum autem incolae id magis omnibus adseverant^),

6-

quod etiam nos legimus in monumentis eorum incisum, Amphitryonis filium D.

1)

h. „älter als

tionis (vgl. H.

Herculem ad Geryonis

ihm

hier,

Taurisci saevnm 5 ) tyran-

Ob Amrnianus

der dorische".

für

den

Geriet,

compara-

Rönsch, Itala u.Vulg. 435 f.), den auch Apuleius und Tertullianns

kennen, andere Beispiele er

et

bei

bietet,

vermag ich nicht zu sagen;

unmittelbarer Übersetzung aus

dem

jedenfalls lag

Griechischen,

beson-

ders nahe. 2)

Die Namensform

ist

unsicher:

Caesarstudien (Leipz. 1910) 121,

2,

der Fuldensis hat drasidae;

Wortes in der Literatur genau handelt, schlägt dryidae 3)

Troiae

et

der Fuldensis,

A. Klotz,

der über die verschiedenen Schreibungen des vor.

Troiae Gelenius; Graeeos

ist

das zu fugitantes

gehörige Objekt, gemeint sind also Trojaner auf der Flucht vor den Griechen:

De Francorum Gallorumque

origine Troiana, Eh. Mus. LI (1896) 525, 2. Berufung auf einen inixägiog löyos bei Herodot Vtt 197 (o.S. 48, 2). Im Ausdruck ist nächstverwandt PliniusV 13 indigenae tarnen tradunt: das stammt sicher aus Polybios XXXIV, der von Plinius kurz vorher (§ 9) zitiert ist (vgl F. Strenger, Strabos Erdkunde von Libyen, Berl. 1913, 31).

Th. Birt,

4) Vgl.

5)

die

So der Fuldensis, Gelenius saevorum;

wird saevium geschrieben.

aus leichten Verderbnissen der weitig

aber

nicht

seit

der Ausgabe von H.Valesius(1636)

Die Nebenform saevis

nachweisbar

fclss.

ist in

der vita Hadriani

21, 3

mit Sicherheit hergestellt worden, ander-

(aus

der Plautinischen

Anomalbildung des

Adverbs saeviter auf das Vorhandensein eines Adjektivs auf -is zu schließen, wäre ein Fehler). Ob sie in den Ammianustext eingeführt werden darf, ist mir doch zweifelhaft, obwohl er einmal (XX

6, 6)

die

Stelle

XXIX

5,

infirmis für -us hat.

Jedenfalls

Ammianeae, i'rag 1896, 9 t'.), und 48 truculentum eum adpellans et dirum et supplü orw

sagt er sonst nur aaevus (vgl. R. Noväk, Curae

Kap.

52

II.

Qne'lenkritirfcbes zur Ethnographie europäischer Völker

norum pernidem

qiwrum

festinasse,

ambobus

superatisque

infestabat,

suscepisseque iiberos plures,

nominibus appellasae. i

Wir fahren nunmehr Stellen

fort.

et eos

aller Jlispanias, alter Galiläa

coisse

partes

cum generosis femvnis quibm imperitabcmt suis

)

in der

Betrachtung anderer Herodoteischen

Herodot sagt von dem skythischen Volksstamme der

BovÖlvoi (IV 108): „Der Stamm, so groß und zahlreich er in seiner Gesamtheit ausgesprochen helle

farbe" (ßirvog £bv

ist,

rtollov ykavzöv re Ttäv iö%vQäs iöxi

xccl

hat

rötliche Hauty.u

Worte des Tacitus vergleichen lassen: Habiquoque corporum, tamquam in tanto hominum numero, idem Omni-

TtvQQÖv), tus

(liycc

Augen und

womit

bus: truces

et

sich diese

caerulei oculi, rutilae comae.

Freilich

spricht Herodot

von der Haut-, Tacitus von der Haarfarbe, aber beide heben

als be-

merkenswert hervor, daß das Kolorit „bei dem ganzen großen Volke" 2 saevuvi

repertorem,

wo saeoum

=

saevorum

verstanden

werden kann

)

(dira

supplicia.Y eig.), scheint mir diese Erklärung auch für unsere Textstelle zu

empfehlen. Diese Genetivendung

ist

von ihm wohl gewählt worden,

um

dadurch

das Fomoioptoton saevorum tyrannorum (suppUciorum) zu vermeiden, wie es die Schule schon des Altertums lehrte: an Schulmäßiges

muß man

bei Ammianus.,

der das Latein nicht als seine Muttersprache schrieb, ja stets denken. 1)

Das Weitere



Gründung von Massilia

als griechisches

Kulturzentrum,

keltische Kulturpropaganda durch bardi, euhages (= ovärsig Poseidonios-Tima-

genes bei Strabo IV 197), dryidae



geht uns hier, so viel Interessantes es

sonst bietet, nicht weiter an. 2)

Im Tacitustext schwankt

die Überlieferung zwischen

tamquam und

quant-

quam, aber zugunsten des ersteren, für dessen Richtigkeit entscheidend is1 bist. I 8 et hie quidem Bomae, tamquam in tanta multitudine, habitus animoruiu fuit („wie bei einer so großen Bevölkerung zu erwarten war" Heraeus; vgl. auch G. Andresen, W. f. kl. Philol. 1916, 1137). Sonst wird ut in diesem Sinne („nach Maßgabe", ,,in Anbetracht") so gebraucht. Mit der Germaniastelle ist von P. Persson, Zur Interpretation der Germ, des Tac. (in: Minneskrift af forna lärjungar tillägnad Prof. Axel Erdmann, Uppsala- Stockholm 1913) 171 f., verglichen worden die oft erörterte in Horaz sat. I 6, 77 f. vestem servosque sequentis, in magno ut populo, siqui vidisset, avita ex re praeberi sumptus mihi credertt Mos, aber die einschränkende Bedeutung, die er an dieser Stelle mit anderen annimmt, ist schon von Kießling-Heinze mit Recht, wie mir scheint, bestritten worden (nicht: „soweit dies bei einer so zahlreichen Bevölkerung möglich war", sondern: „wie begreiflich in Anbetracht einer großen Volksmenge", mit crederet zu verbinden). Der Sprachgebrauch verdiente wohl genauere Untersuchung; mir ist gerade zur Hand Ovid tr. III 231 f. denique ut in tanto, quantutn n&n extitit umquam, corpore pars nulla est, quae labet, imperii, wo doch von einer

Herodot, Hippokrates und Tacitns

53

das gleiche sei; sie stimmen also in einer eigenartigen

Tönung

des

Gedankens überein.

Herodot behandelt IV 28

— 31

das skythische Klima und dessen

Einfluß auf die Fauna: „Die skythischen Rinder", sagt er

(c.

verkümmert und hörnerlos"; „Das Vieh

infolge der Kälte

nien", heißt es bei Tacitus (c. 5), „ist infolge des feuchten

Klimas meist von kleinem Schlag, selbst dem Hornvieh

wohnte

stattliche

bis auf die

Aussehen und der

einstimmend mit Herodot öißovxai 'Egiizrjv pv.liöxa Galliern):

V

Germaund rauhen

fehlt das ge-

stolze Stirnschmuck": gleichartig

dem Römer eignende glänzende

Deorum maxime Mercurium

29), „sind in

Stilisierung. 1

)

c. 9,

wörtlich über-

7 (von den Häuptlingen

der Thraker):

colunt sagt Tacitus

fracoi'")

sowie mit Caesar VI 17, 1 (von den

deum maxime Mercurium colunt Was

es zu

bedeuten hat, der

Caesarischen Ethnographie hier zu begegnen, wird später klar werden.

Aus den bisher betrachteten Kongruenzen 3 ) ergibt sich, daß eine Anzahl von Gedankenreihen der Taciteischen Ethnographie aus Herodoteischen Ethnographien, insbesondere der skythischen, abgeleitet

Nun

aber

sich

stellt



erhöhtes Interesse



und dadurch

Spuren bei Tacitus zu finden man dürfte: der

erhält diese

neben Herodot ein anderer erst

Beobachtung ein

alter Ionier, dessen

recht nicht gewärtig sein

unbekannte Verfasser des im Hippokratischen Schriften-

corpus überlieferten klimatologischen Buches einschränkenden Bedeutung keine Rede sein kann. sich etwa vergleichen

anißxov tö

ist.

itXrjd'og

Thukyd.

(izsql

ccsqcjv

vddrcov

Aus dem Griechischen xwv artoQ-ccvövrcov,

III 113, 6 apitfyi.ov 'iyQcetya.

ließe Siöri

Xsyezai uitoXsG&cci £vvTca, ort ovx eöviv

olxijpccxcc,

all? hv äfit.i^0iv oixevöiv

ai yvvccixsg

ötKnevvxa^ avxol

Von den Germanen

d'

.

.

.

hv xuvxrfii [ihv ovv

cc

a(x^6iv

t

by^vvxon ol avögsg).

lintcov

£

allein

dieser Wissenschaft

ins

Altertum hinaufreichten.

iS'ur

erteilten sie

die Lorbeeren, die Poseidonios gebühren, Strabo 8 ), der ihnen

immer

war wie dem ausgehenden Altertum und dem griechischen Mittelalter, umstrahlt „von hellem Wissensglanz und leuchtenden Gedanken". 3 Es wäre zu wünschen, daß dieses Vornoch

yzojygucpos

6

)

von dem sich die Altertumswissenschaft längst befreit hat 4

urteil,

Strabo

einer richtigeren Erkenntnis allgemein wiche.

Ehrenolatz gewahrt bleiben, der ihm gebührt

ein

vielfacher einzelner Kehlgriffe

,

mag immerhir

als

einem

trot:.

im ganzen verständnisvollen Verwalter

klug ausgewählter vorzüglicher Quellenwerke, unter denen das Ozean-

buch und

ozeanographische und

dessen

weil

Art

philiströsen

Strabos

In seinen „Ideen"

1)

kung hat

des Poseidonios

die Historien

es

historische

gelegentlich

Buch VII Kap.

auch deshalb hervorragen,

Ethos

3 ,.Was ist

Schriften

und

der etwas

enthusiastischen

Klima? und welche Wir-

auf die Bildung des Menschen an Körper und Seele?" preist er

Kippokrates und weist Montesquieus Übertreibungen zurück. 2) Selbst Pöhlmann schließt seine Seite 61, 2 genannte Schrift S. 80ff. mit einem Enkomion auf Strabo, der als einziger die Synthese naturwissenschaftlicher und geschichtlicher Betrachtung vollzogen habe. Darauf beruft sich dann

Ratzel

a. a.

3)

schnitt

0. I 68.

Worte 0. Peschels, „Das Naturwissen

humoristische J.

Partsch

Verh.

d.

dem

Art,

Gesch. d.

d.

mit der ein

Erdkunde*

(Münch. 1877; in dem Ab-

Damit vergleiche man die vom Altertum herkommender Kenner wie

Alten"

(S.

62 ff.).

„alten Herrn" Strabo bedenkliche Fehler nachweist: Ber. üb. d.

Sachs. Ges., phil.-hist. Kl.

LXIX

(1917) 69,

3.

Es verdient vielleicht darauf hingewiesen zu werden, daß als der eigentliche Bahnbrecher der Straboanalyse A. H.L.Heeren zu gelten hat: in seiner großen Abhandlung De fontibns geographicorum Strabonis (in den Commentationes soc. reg. scient. Gottingensis recentiores V 1823, 97 100) sind einige wichtige Positionen, die jetzt als Allgemeingut gelten, erstmalig gewonnen, beispielsweise auch Poseidonios als ein Hauptgewährsmann Strabos scharf erkannt worden. In Deutschland ist das jetzt wohl nur wenigen mehr bekannt, vielleicht eben deshalb, weil hier die Forschung besonders durch Müllenhoff und B. Niese (1877) so weit über Heeren hinausgelangt ist; aber ein französischer Gelehrter, M. Dubois, hat in seinem Examen de la geographie de Strabon (Paris 1831) dem alten deutschen Forscher die gebührende Beachtung geschenkt. 4)



Poseidonios' Anthropogeographie

Schwung, seinem nüchternen

Stile Bilderreichtum,

65 Glanz und

Wärme

verliehen haben, Vorzüge, die auch der nicht viel jüngere Verfasser

der Schrift über den

Werkes

Kosmos

Benutzung des meteorologischen im Sinne eines Ent-

seiner

des Poseidonios verdankt.,

deckertums wird

mau auch

Originalität

Poseidonios nicht zuerkennen dürfen, aber

er hat — und

von welchem Hellenen der sullanischen und caesarischen das Erbe der Ahnen so verwaltet, sich Gleiches sagen?

Zeit ließe



daß er den Besitz nicht bloß verständnisvoll gewahrt, sondern

selbst-

forschend gemehrt hat. Poseidonios nun hat die Hippokratische Schrift

Werken, besonders in der Schrift TtSQL dtxsuvov, ausgiebig benutzt. Dieser Nachweis ist in weittragenden Untersuchungen neuerer Zeit erbracht worden. ) Wo immer wir bei späteren Autoren dem Gedanken, den Formenwechsel der belebten Natur, insbesondere der Menschen- und Tierrassen 2 ) vom Klima herin seinen naturwissenschaftlichen

1

zuleiten,

Galenos

begegnen, wie bei Cicero (de fato

3 ),

5),

Vitruvius,

Strabo.

Kleomedes, Ptolemaios, wandeln wir in seinen Spuren.

Die Begründung der mathematischen Geographie durch Eratosthenes 1) Fr. Boll,

Studien über Claudius Ptolemaeus, Jahrb.

(1894) 200 ff. E. Oder, Quellensucher

im Altertum,

Auch auf diese ging Poseidonios iTtrccov xccl ßowv ccgsral xal äV.cov 2)

die

f.

Philol. Suppl.

ein: in der Schrift itsgi oixsavov

gmcov aus

Ursprungsländer abgeleitet worden: Strab.

XXI

Philol. Suppl. VII (1899) 307

II 103.

dem Klima

ff.

waren

der xönoi ihrer

Damit vergleiche man,

um

wieder die Zusammenhänge einerseits, die Erweiterung anderseits zu erkennen, was oben S. 53 über die skythische Hindernisse aus dem Hippokrateer und

Herodot mitgeteilt wurde. 3)

Plat.

V

Bei diesen beiden 5 (vol.

genannt.

V 464

Einzelne

K.



= 472

Sätze

Strab. II 96. J.

Müller)

102—104, Galen, de

plac. Hippocr. et

— wird Poseidonios" Name

der Stelle des Galenos

ausdrücklich

werden weiter unten aus-

Das Strabonische Exzerpt betrifft die Schrift -xegi axeavov. von besonderem Interesse die aus dem geophysischen Teile dieser speziell der Zonenlehre, stammende Bemerkung II 96: „Deshalb (näml.

geschrieben werden.

Darin Schrift,

ist

wegen der Trockenheit des Klimas in den Tropenzonen) entstehen kraushaarige und krausgehörnte, dicklefzige und plattnasige Geschöpfe, indem ihre äußeren Teile sich zusammendrehen" (öiüttsq ovX6xqi%as xccl ovXoxtQa? xccl rrpozEtAor..xccl

TtlarvQQivag yevvü6&ca' tä yocQ

clxqcc

ccvzcav

Hier können

6V6TQScps6\)'cci).

Fäden, die Poseidonios mit seinen Vorgängern verknüpfen, greifen: das Argument der Kraushaarigkeit und Plattnäsigkeit fanden wir oben (S. 62,2) für Nearchos und die Aristotelischen Probleme bezeugt, und zwar

wir nämlich

die

stand es bei jenem in demselben

Zusammenhang wie

bei Poseidonios, näml. in

der Diskussion über Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der Inder von den

Äthiopen (Strab.

102).

Xorden: Die germanische

Urgeschichte

.">

Kap.

ßg

II.

Quellenkritischeß zur Ethnographie enropiiißcher Völker

ermöglichte es ihm, den klimatologischen Grundgedanken der Hippokratischen Schrift zu

dem

Satze zu erweitern, daß unter gleichem

Breitengrade Fauna und Flora gleichartig seien, also die Polhöhe den

Wechsel der belebten Natur bedinge. Vor der einseitigen Auffassung des Hippokrateers, daß die physische und psychische Eigenart der Völker ausschließlich aus klimatischen Voraussetzungen zu erklären sei,

bewahrte ihn die Weite seines Interessenkreises, die Tiefe seines

durch peripate tische Studien erworbenen Wissens, der kosmopolitische

So erkannte

Geist der Stoa.

botenen

neben der durch die Umwelt ge-

er

Naturnotwendigkeit die Freiheit der Volksindividualitäten

als treibende

Kräfte geschichtlichen Werdens, versenkte sich mit liebe-

Hingabe in die Wesensart der Völker und breitete, Naturforscher, Philosoph und Historiker in einer Person, in seinen 'IötoqCui die voller

erstaunliche

Forschung

Fülle

aus.

seiner

Über

ethnographischen und

die Völker des

kulturhistorischen

Westens und Nordens

ließ sich

vor ihm nur hypothetisch oder in Näherungswerten reden; jetzt waren Iberer

und Kelten

in volle geschichtliche

Beleuchtung getreten, ger-

am

geographischen Horizonte

manische Stämme zum ersten Male -

aufgetaucht.

Sofort ging er daran, die wissenschaftliche Hypothese

an dem neu gewonnenen Beobachtungsstoffe zu prüfen. Germanische Stämme haben, wie wir weiterhin sehen werden, seine Aufmerksamkeit in besonders

hohem Maße

erweckt, und ihre Eigenart hat er aus

der Unwirtlichkeit ihres Landes, der Rauheit ihres Klimas abgeleitet.

Hier haben wir die Synthese, die wir suchten. steller,

Einen anderen Schrift-

der beide vorhin aufgestellten Forderungen, Benutzung der

Hippokratischen Schrift und Behandlung von Germanischem, hat es innerhalb der uns erhaltenen oder kenntlichen Literatur darf mit Zuversicht behauptet werden

— nicht

gegeben.

erfüllte,

— dies

Wenn

wir

mithin nicht eine gänzlich unbekannte Größe, noch dazu von so besonderer Art, in die Rechnung einsetzen wollen, so ergibt sich als not-

wendige Folgerung: jene bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen

dem Hippokrateer und

Tacitus

ist

irgendwie durch Poseidonios ver-

mittelt wodren.

Diese Feststellung

muß

zunächst genügen; die Art der Vermitt-

lung zu ergründen, dazu wird

es

noch eines langen Weges durch

Geschichte der Überlieferung bedürfen.

Wohl

die

aber werfen wir schon

hier die Frage auf, ob die in jenem Ausdruck niedergelegte Ansicht,

Poseidonios über die Ethnographie der Kimbern

die

Germanen

seien ein unvermischtes

ß7

Volk von ausgeprägter Eigenart,

der Auffassung des Poseidonios nach dem, was wir sonst von ihr wissen, entsprochen habe.

Plutarch hat in seiner Lebensbeschreibung des Marius teilungen über die Ethnographie der

an der Stelle,

wo

er sie in

11 Mit-

c.

Kimbern aufbewahrt, wohl genau

den 'Iöxoglai des Poseidonios

ethnographischen Verhältnisse dieses Volkes

als

der die

las,

Einleitung zu seiner

Erzählung des Kimbernkrieges eingehend besprochen hatte. ) Den Namen des Poseidonios nennt Plutarch freilich nicht, er begnügt 1

sich vielmehr mit

einem allgemeinen aXXoi 8i

der Ansicht, das er diesen

worden

festgestellt

Worten folgen

yccGi.

wie längst Gegenstück in einer

läßt, findet,

sein teilweise wörtliches

ist,

Aber das Referat

viel kürzeren Bemerkung Strabos II 102 (ergänzt VII 292. 293), und da ist Poseidonios als Gewährsmann ausdrücklich bezeichnet (ohne Namensnennung außer Plutarch auch Diodor V 32, 4). Für Einzelheiten, die uns hier nichts angehen, kann auf Müllenhoff ver-

nur

wiesen werden, der das Kapitel Plutarchs einer eindringenden, wenn

auch nicht in allen Punkten zutreffenden Analyse unterzogen hat (D. A. II 167 ff.). Uns interessieren hier nur diejenigen Angaben, die Plutarch nach Poseidonios von der Eigenart dieses Volkes macht. „Infolge ihres Mangels an Verkehr mit anderen des Landes, das sie überzogen, wußte

das seien, und von

wo

sie

rs %G)Q8

seien es als

Quellenkritisches zur Ethnographie europäischer Völker

II.



dies stellte der vorsichtige Historiker aber ausdrücklich

Vermutung

hin')



die

der nur wenig entstellte

Homerischen Kimmerier gewesen, worauf

Name

führen könne. 2 )

Abgelehnt wird die

Ansieht, daß es „Keltoskythen" gewesen seien, und daß „von dorther

Mischung

eine

erfolgte" (vMxel&av xa yivi] f.i£(ilyd-(ci): es läßt sich

machen, daß

wahrscheinlich

diese

von Poseidonios mit Recht be-

kämpfte Auffassung die des Artemidoros von Ephesos war, der sich



als erster

faßt ihr

3 )



sein Periplus

über das neue,

Ansturm mit einer gewaltigen Flutwelle,

verglichen u. dgl. m.

um

war vermutlich

ganz vor kurzem

Vgl. die dankenswerte

die Jahre 102/1 ver-_ in

seihst

sie

Sehweite

gelangte

werden mit Giganten G. Kudbcrg, Forsch,

Sammlung von



Das vorliegende u>6-ztQ viyog ist eine ff. Reminiszenz an eine berühmte Stelle der Demosthenischen Kranzrede 188 xovxo

zu Poseidonios (Upsala 1918) 164 rö

aJjjyqpKT/ic:

virpog.

rbv tors ry TtoXsi ueqiotccvtcc

xlvdwov

xcCQzXfistv ixoir asv StßTtBQ t

In einem späteren Kap. des Putarchischen Marius (45) heißt es in einem

Namen

mit Poseidonios"

signierten

längeren Exzerpt:

riXog

dh

ä>g

i\/.i

xig

anayyiXav: offenbar Anklang an das berühmte (i-ajtiQcc (ihr yäp i)v), ^xe 6' ayytXXav rig (de cor. 169). Der Demosthenesreminiszenz wöttbq viyog unmittelbar voran gehen die Worte rlvsg ovxeg üv&Qwitav

tto&sv ÖQfiri&bvzBg: darin

/}

wird jeder die Paraphrase des Homerischen rig xo&cv

flg &v5qö>v

erkennen; wie

da er gleich darauf von den Homerischen Kimmeriern Poseidonios war ein großer Künstler des Stils, in dem der volle Glanz

hübsch

ist

das,

nischer Kultur sich spiegelte.

dere Freude: sie können,

wo

An sie

redet. helle-

speziösen Vergleichen hatte er seine beson-

innerhalb einer Erzählung der von ihm be-

handelten Zeitereignisse begegnen, geradezu als Kriterium seiner Benutzung mitverwertet werden.

So heißt es in der Erzählung des bellum Oetavianum

Jahre 87 bei Appianns b.

c. I

i[ntt6u)v v.xX.\ der Bericht

(G. Busolt, Jhb.

f.

Philol.

64, 29 'Oxxäoviog

.

.

.

oia %£i\iäQQOvg ig

xr\v

vom

ayogav

geht durch eine Mittelquelle auf Poseidonioa zurück

CXLI

1890, 429); ein analoger Schluß wird weiter unten

(Abschn. VIII dieses Kap.) die Zurückführung eines Stücks der Appianischen Iberika auf Poseidonios bestätigen. Der Plutarchische Vergleich der Kimbern mit Giganten (Mar. 23) steht auch bei Diodor XXXVII 1 (Prooemium zum marsischen Krieg): ein Beweis mehr, daß beide dem Poseidonios folgen. 1)

Die Kongruenz von Strabo

tlnä^n Si

(sc.

I

41

sixdfcet

ys

Uocziömviog) VII 293 IIoGtiöcoriog ov

Sr

t

(sc.

IIoßEtdmriog)

-/.axöbg elitärst

II

102

mit Plutarch

a. a. 0. aXXa xccvxcc [ihv eixae^äi (läXXov ?} xaxcz ßsßator Ißroglav ?Jyext: neque mvltum frumento, serf maximal» partem lade atqne peeore virunt.

Kap.

78

II.

Qaellenkritiscbes zur Ethnographie europäischer Völker

bei den Reichen in der Fortsetzung des keltischen Poseidoniosexzerpts bei

Athenaeus ausführlich die Rede

aus Massalia eingeführt

er

ist:

Jeder, der diese

werde

Wort

teils

für

aus Italien,

Wort

in

tvxi}v

41. 63.

xccl

ffwfta

XXXVII

22,

(auch das

verbunden

6.

verwertete er den in seinem Geschichtswerke niedergelegten

Bericht über die Entdeckung des Silbers in Iberien durch einen Waldbrand (Diod.

Seneca

V

35, 3.

Strabo

ep. 90, 12 ihn

III

147) auch in einer philosophischen Schrift, aus der

uns erhalten hat.

Kap.

122

Quellenkritisches zur Ethnographie europäischer Völker

II.

Er hatte

gefahndet. 1 )

sich ferner, darin sein

Studium des Aristoteles

nicht verleugnend, gewöhnt, den Ursachen der Erscheinungen nach-

iön

zuspüren: nolv

zb ulxLoXoyiy.bv neu/ avxCa

rö 14qi6tot8XC£,ov

v.al

(Straho II 104), und auf das „Deuten" der Vorgänge war er als Stoiker

Wie mußte

stets erpicht.

ihn da der Germanenbrauch interessieren,

ihm berichteten ursächlich so Stimme der Prophetin in Delphi wurde durch ein

der sich mit einem hellenischen, von

eng berührte: die künstliches Mittel

— eine kreisförmige, durchbrochene Scheibe (ol — derartig entwickelt, uoc.

t

dem Becken des Dreifußes lag Klang, von dem Metall zurückgeworfen,

cortina), die auf

daß ihr fen,

Schauer

Wirkung

{(pcjCxog,

erzielten

dere Frage

die

Mund

ihren vor den ist,

sich zu einem

dump-

tremor) erregenden Dröhnen steigerte. 2) Dieselbe

Germanen dadurch, daß

sie

die

Stimmen an

gehaltenen Schilden abprallen ließen.

Eine an-

ob die mantische Deutung, die Poseidonios dem ger-

manischen Brauche gab, dessen Wesen entsprach.

Ich vermag daran

nicht recht zu glauben, da ethnologische Analogien, wie mir von

kundiger Seite versichert

wird,

deres als die Nachricht über den

desselben

wird

Die

gänzlich zu fehlen scheinen.

dem Poseidonios zugekommene Überlieferung Brauch

seine eigne Zutat sein.

enthielt schwerlich an-

als solchen,

Wir werden

die

Deutung

also

mit der

Wahrscheinlichkeit zu rechnen haben, daß er hier ein Opfer seines Bestrebens wurde, die Vorgänge nicht nur zu ergründen, sondern



auszudeuten.

Ausdrucksweise 1)

Die nee

in

tarn

blendende Antithese

eine vocis

ille

Besonders bemerkenswert Diodor

quam

virhdis

gefaßte

kühne

concentus

vide-

XXXIV/V2 (in der Erzählung des ersten dem Heimatsorte des Poseidonios,

Sklavenkrieges) über einen aus Apomeia, also

stammenden Syrer: „Er war ein Zauberer und Wundertäter, der aus Träumen weissagte, aber auch im Wachen Götter zu sehen und von ihnen die Zukunft zu hören vorgab" usw., eine auch religionsgeschichtlich wichtige Stelle.

auch

XXXVII

28,

wo

ein geschichtliches

Vgl.

Vorkommnis aus dem marsischen Kriege

den Lehrsatz „daß die menschlichen Seelen an der göttlichen Natur teilhaben, manchmal die Zukunft prophezeien" erhärtet. Ausführlich über eine syrische Prophetin namens Martha: Plutarch Mar. 17 aus Poseidonios. 2) 0. Müller hat das in seinem Göttinger Antrittsprogramm de tripode Delphico

kraft deren sie

1820 dargelegt,

wo

er das Ergebnis so formuliert (S. 21): 'cortinae ipsius tripodis

non ob aliam causam immissae esse videntur; nisi ut sonum resonando efficerent ampliorem/ Lateinische Dichter bezeichnen die Klangwirkung als ein mugire, z. B. Verg. Aen. III 92 visa mugire adytis cortina reclusis VI 99 (Sibylla) horrendas canit ambages antroque remugit (mehr in meinem Kommentar z, d. St.).

lebeti

.

.

.

Mantisehe Deutung des Schildgesangs durch Poseidonios

bewahrt möglicherweise Farben des Originals. Jedenfalls würde

lnr l )

dem

12 S

Stilisten, der die

Gedanken gern

ebenso angemessen sein wie

dem

in

prunkende Stilgewänder

Stoiker,

und dem Ethnographen, der magnas

der

den Äußerungen der

Aufmerksamkeit

auch bei Barbarenvölkern seine

ägstrj

virtutes

sie

kleidete,

zuwandte,

gerade auch der nordischen

Barbaren physiologisch begründete. 2 )

Um

Interesse

das

des Poseidonios

an Äußerungen der Mantik

bei Barbarenvölkern zu veranschaulichen,

geführt werden, bei

mag noch

ein Beispiel an-

dem wir auf germanischem Boden

bleiben.

Strabo

294 aus Poseidonios von den Prophetinnen der Kimbern: „Ihre dem Heereszuge sich anschließenden Frauen waren begleitet von Priesterinnen mit grauen Haaren, weißen Gewändern, linnenen, berichtet VII

durch eine Spange befestigten Oberkleidern, einem Gürtel aus Erz.

Mit nackten Füßen schritten

sie

den Gefangenen durch das Lager

gezückten Schwertes entgegen, bekränzten

einem

ehernen,

und führten

etwa zwanzig Amphoren fassenden Kessel.

der Priesterinnen

einen nach

sie

stieg

sie

zu

Eine

auf einer Stufe hinauf, ließ die Gefangenen

dem anderen emporheben, über das Becken beugen und dann die Kehle ab. Aus dem in den Kessel strömenden

schnitt ihnen

Blute veranstalteten

sie

eine Art

von Wahrsagung, während andere

den Leib aufschnitten und aus der Eingeweideschau den Ihrigen den Sieg verkündeten. 3 )

Kämpfen aber schlugen

sie

auf Häute,

H. Stracke, ein einstiges Mitglied meines Seminars, hat sich im Felde

1)

eitrig

In den

mit der Germania beschäftigt und. mir einige wohlgelungene Übersetzungs-

proben und Konjekturen zugesandt; die letzteren hat er in der W. f. kl. Piniol. 1917 veröffentlicht; in demselben Jahre ist er im Westen gefallen. Sein Änderungsversuch der vorliegenden Stelle (nee tarn voces UJae quam virtutis coneentus videntur) hebt aber die beabsichtigte Kühnheit des

togovtov (pavf}q oöov

Gedankens

auf:

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ccQSzfjg 6vvr\yrr\6vz.

Bei Vitruvius in den oben (S. 110) angeführten Worten. Unverkennbar dieselbe Hand ist es, die von den Kelten schrieb (Diodor V31): ,,Sie bedienen sich auch Seher, die bei ihnen in großem Ansehen stehen. Diese sagen vermittels der Vogelschau und der Opferung von Schlachttieren Vor allem bei die Zukunft voraus und haben das Gehör der ganzen Menge. Verhandlungen über wichtige Angelegenheiten beobachten sie eiuen merkwürdigen, fast unglaublichen Brauch. Einen Menschen, den sie zur Opferspende weihten, schlagen sie mit einem Messer in der Gegend des Zwerchfells und erkennen aus dem Falle des Getroffenen, seinen Gliederzuckungen sowie dem 2)

3)

Hlutflusse die Zukunft."

Kap

124

Quellenkritisches zur Ethnographie europäischer Völker

II.

über das Fleohtwerk der Reisewagen gespannt waren,

die

ein absonderliches Getöse verursacht wurde. "

wodurch

Dieser ipöqiog &,al)g

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