Due Diligence und neues Insiderrecht: Die Problematik der Due Diligence vor außerbörslichen Paketerwerben unter besonderer Berücksichtigung der Auslegungsmethodik angeglichenen Rechts [1 ed.] 9783428523894, 9783428123896

Das Phänomen der Due Diligence hat in den letzten Jahren eine große Verbreitung erfahren: Mittlerweile werden vor allen

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Due Diligence und neues Insiderrecht: Die Problematik der Due Diligence vor außerbörslichen Paketerwerben unter besonderer Berücksichtigung der Auslegungsmethodik angeglichenen Rechts [1 ed.]
 9783428523894, 9783428123896

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 14

Due Diligence und neues Insiderrecht Die Problematik der Due Diligence vor außerbörslichen Paketerwerben unter besonderer Berücksichtigung der Auslegungsmethodik angeglichenen Rechts

Von

Lukas Kemnitz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

LUKAS KEMNITZ

Due Diligence und neues Insiderrecht

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 14

Due Diligence und neues Insiderrecht Die Problematik der Due Diligence vor außerbörslichen Paketerwerben unter besonderer Berücksichtigung der Auslegungsmethodik angeglichenen Rechts

Von

Lukas Kemnitz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-12389-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Caroline und Jan

Vorwort Zuallererst möchte ich meiner Frau Dr. Caroline Müller-Kemnitz für die vielfältige liebevolle Unterstützung während der Abfassung dieser Arbeit danken. Ohne ihre fortwährende Ermunterung und ihr grenzenloses Verständnis wäre diese Arbeit wohl nicht zustande gekommen. Darüber hinaus gilt mein besonderer Dank meinen Eltern, die mir durch die großzügige Unterstützung meines Studiums die Promotion erst ermöglicht haben. Des Weiteren danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Hanno Merkt herzlich für die Annahme und freundliche Betreuung der Arbeit; sowohl Prof. Merkt als auch meinem Zweitkorrektor Prof. Dr. Rolf Stürner bin ich außerdem für die schnelle Erstellung der Gutachten zu Dank verpflichtet. Außerdem danke ich Herrn Dipl.-Volksw. Thomas Deisenberger für die anregenden Diskussionen zu den wirtschaftspolitischen Hintergründen der Arbeit. Schließlich möchte ich noch der Friedrich-Ebert-Stiftung danken, die sowohl meine Promotion als auch mein Studium durch großzügige Stipendien gefördert hat, sowie e-fellows.net für den überaus hilfreichen kostenlosen Zugang zu juristischen Datenbanken. Toronto, im Januar 2007

Lukas Kemnitz

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung............................................................................................................ 13 B. Begriff und Institut der Due Diligence ............................................................. 15 I.

Herkunft und Bedeutung .............................................................................. 15

II. Die Due Diligence in Deutschland ............................................................... 16 III. Funktionen der Due Diligence...................................................................... 17 1.

Informationsbeschaffungsfunktion........................................................ 17

2.

Risikoermittlung.................................................................................... 18

3.

Wertermittlung, Tatsachengrundlage für Gewährleistungsregeln ......... 18

4.

Dokumentationsfunktion....................................................................... 19

C. Notwendigkeit der Due Diligence...................................................................... 20 I.

Grundlage für individuelles Gewährleistungsregime.................................... 20 1.

Unbefriedigende Rechtslage vor der Schuldrechtsreform ..................... 20

2.

Neue Rechtslage nach der Schuldrechtsreform ..................................... 22

3.

a)

Individuelles Gewährleistungsregime weiterhin notwendig .......... 22

b)

Problem des § 444 BGB ................................................................ 24

Zwischenergebnis.................................................................................. 25

II. Due Diligence vor M&A-Transaktion als Verkehrssitte?............................. 25 III. Due Diligence zur Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis ........................ 27 IV. Verkürzung der Gewährleistungsrechte des Erwerbers?............................... 29 V. Zwischenergebnis ......................................................................................... 30 D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben ........................ 32 I.

Aktienrecht – §§ 93, 404 AktG..................................................................... 32 1.

Die Ansicht Lutters ............................................................................... 33

2.

Die Gegenansicht .................................................................................. 34

3.

Stellungnahme....................................................................................... 34

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF............................................................. 36 1.

Exkurs: wirtschaftspolitische Zielsetzungen ......................................... 37 a)

Kapitalmarkttheoretische Argumente ............................................ 38

10

Inhaltsverzeichnis aa) Zweifel an der Notwendigkeit von Insiderhandelsverboten ... 38 bb) Die Gegenposition und das Modell Akerlofs ......................... 38 cc) Zwischenergebnis................................................................... 41

2.

3.

b)

Principal-Agent-Argumentation .................................................... 41

c)

Fazit............................................................................................... 42

Auf Seiten des Erwerbers: Verstoß gegen § 14 Abs. 2 WpHG aF?....... 43 a)

Negative Insidertatsachen .............................................................. 44

b)

Positive Insidertatsachen ............................................................... 45

Verstoß der Zielgesellschaft gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG?............. 46 a)

Die herrschende Meinung.............................................................. 46 aa) Die Gesetzesbegründung........................................................ 47 bb) Die zugrunde liegende EG-Richtlinie .................................... 47 cc) Berechtigte Interessen der Zielgesellschaft ............................ 48

4.

b)

Die Kritik der Mindermeinung ...................................................... 48

c)

Stellungnahme: Mindermeinung überzeugt nicht .......................... 49

Zwischenergebnis.................................................................................. 51

E. Neue Rechtslage.................................................................................................. 52 I.

Geänderter Normtext des § 14 WpHG.......................................................... 52

II. Auslegung, Auswirkungen: Stellungnahmen in der Literatur....................... 53 1.

Stellungnahme von Ziemons................................................................. 53

2.

Stellungnahme von Diekmann/Sustmann.............................................. 54

3.

Stellungnahme von Fromm-Russenschuck/Banerjea ............................ 55

4.

Die Rechtsauffassung der BaFin ........................................................... 56

5.

Kritik an den dargestellten Auffassungen ............................................. 57

6.

a)

Ziemons ......................................................................................... 57

b)

Diekmann/Sustmann...................................................................... 58

c)

Fromm-Russenschuck/Banerjea .................................................... 59

d)

Emittentenleitfaden der BaFin ....................................................... 60

e)

Fazit............................................................................................... 61

Zwischenergebnis: Notwendigkeit systematischer Analyse .................. 62

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF ......................................................... 63 1.

Auslegung der zugrunde liegenden Richtlinie ...................................... 63 a)

Auslegung europäischer Richtlinien im Allgemeinen.................... 64 aa) Grammatische Auslegung ...................................................... 64

Inhaltsverzeichnis

11

bb) Systematische und teleologische Auslegung .......................... 64 cc) Historische Auslegung ........................................................... 66 dd) Zusammenfassung.................................................................. 67 b)

Konkret: Auslegung der Marktmissbrauchsrichtlinie .................... 67 aa) Wortlaut ................................................................................. 67 (1) Art. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie ............................ 68 (2) Die Erwägungsgründe der Marktmissbrauchsrichtlinie .. 69 (3) Wortlaut-Auslegung im engeren Sinn............................. 71 (4) Zwischenergebnis ........................................................... 75 bb) Systematische Auslegung....................................................... 75 (1) Die Marktmissbrauchsrichtlinie selbst............................ 76 (2) Das Umfeld der Richtlinie .............................................. 77 (3) Zwischenergebnis ........................................................... 77 cc) Teleologische Auslegung ....................................................... 78 (1) Ermittlung des Zwecks der Vorschrift ............................ 78 (2) Vergleich mit den bisherigen Auslegungsschritten......... 80 (3) Teleologische Reduktion ................................................ 81 (a) Gefahren für Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts? .................................................................... 81 (b) Schutz des Vertragspartners? .................................. 86 (c) Konsequenz............................................................. 86 (4) Zwischenergebnis ........................................................... 89 dd) Historische Auslegung ........................................................... 89 ee) Fazit ....................................................................................... 92

2.

Auslegungsmethodik für angeglichene Norm nationalen Rechts .......... 92 a)

Zur Terminologie........................................................................... 93

b)

Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung...................... 94

c)

Voraussetzungen der richtlinienkonformen Auslegung................. 97

d)

Verhältnis zu anderen Auslegungsmethoden................................. 99 aa) „Vorrang“ der richtlinienkonformen Auslegung? .................. 99 bb) „Vorzug“ statt „Vorrang“....................................................... 100

e)

Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung............................... 102 aa) Wortlaut als Grenze der richtlinienkonformen Auslegung..... 102 bb) Differenzierte Lösung ............................................................ 103

12

Inhaltsverzeichnis 3.

Auslegung im konkreten Fall: Bedeutung des § 14 WpHG nF ............. 105 a)

Ermittlung der nationalen Auslegungsgrenzen .............................. 105 aa) Wortlaut und Systematik........................................................ 106 bb) Zweck der Vorschrift ............................................................. 108 cc) Zwischenergebnis................................................................... 110

b)

Richtlinienkonforme Auslegung innerhalb des Rahmens .............. 111 aa) Auslegung nach tradierten Kriterien ...................................... 111 bb) Determinierung durch Marktmissbrauchsrichtlinie................ 112

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................ 114 V. Ausblick........................................................................................................ 115 Literaturverzeichnis .................................................................................................. 118 Sachverzeichnis.......................................................................................................... 127

Die in dieser Arbeit verwendeten Abkürzungen orientieren sich an: Kirchner/Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl. 2003

A. Einleitung Das Phänomen der Due Diligence hat in den letzten Jahren eine große Verbreitung erfahren1. In der Praxis werden mittlerweile vor jedem größeren und auch mittleren Unternehmenskauf Due-Diligence-Prüfungen durchgeführt2. Dies ist allerdings nicht der einzige Anwendungsbereich; nur beispielhaft sei erwähnt, dass auch vor den in jüngster Zeit häufig durchgeführten Veräußerungen so genannter Non-Performing Loans üblicherweise Due-DiligencePrüfungen erfolgen3. Damit ist kaum verwunderlich, dass die Durchführung von Due-DiligencePrüfungen mittlerweile zum Standardrepertoire der großen Wirtschaftskanzleien und Unternehmensberatungen zählt. Das Beratungsangebot ist entsprechend differenziert: In der einschlägigen Literatur werden bis zu zehn verschiedene Varianten der Due Diligence unterschieden4. In rechtspraktischer Hinsicht hat sich die Due Diligence somit ohne Zweifel fest etabliert. Zwar war vor dem Hintergrund aktienrechtlicher und insiderrechtlicher Vorschriften zeitweise umstritten, inwieweit sich der Siegeszug der Due Diligence mit dem geltenden Recht vereinbaren lässt. Im Bereich der Due Diligence vor dem Erwerb von Anteilen an börsennotierten Aktiengesellschaften war hier zum einen problematisch, in wieweit der Vorstand eines Unternehmens Informationen preisgeben darf, ohne dabei gegen seine Verschwiegenheitspflichten zu verstoßen; zum anderen, ob Informationsweitergabe und anschließender Erwerb mit insiderrechtlichen Regelungen in Einklang gebracht werden konnten. Zwischenzeitlich werden diese Fragen jedoch sowohl für das Aktienrecht als auch für das Insiderrecht in der Literatur ganz überwiegend bejaht, und allenfalls in Randbereichen besteht noch Dissens5. Im Bereich des Insiderrechts wird dieser Befund jedoch durch jüngste Rechtsänderungen in Frage gestellt. Als Reaktion auf die EG-Marktmiss___________ 1 Marten/Köhler, FB (Finanz Betrieb) 1999, S. 337; Berens/Strauch, Die Wirtschaftsprüfung 2002, S. 511, 515 f. 2 Berens-Berens/Strauch, Due Diligence, S. 15; Berens/Strauch, Die Wirtschaftsprüfung 2002, S. 511, 515 f.; Hölters-Hölters, Teil I Rn. 149. 3 Kessler/Dettmeier, BB 2004, S. 2085 ff. 4 Berens-Berens/Strauch, Due Diligence, S. 14. 5 s. u. D.I., D.II.

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A. Einleitung

brauchsrichtlinie6 hat der Bundesgesetzgeber mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz7, in Kraft getreten zum 30.10.2004, den Verbotstatbestand des § 14 WpHG verändert: Wo es früher hieß, dass Erwerb oder Veräußerung „unter Ausnutzung“ von Insiderkenntnissen verboten sei (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF), spricht der Gesetzestext heute nur noch von Veräußerung oder Erwerb „unter Verwendung“ einer Insiderinformation (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nF). Damit ist die Frage nach der insiderrechtlichen Zulässigkeit der Durchführung einer Due Diligence neu aufgeworfen, und zwar in besonderem Maße vor einem sog. Paketerwerb, d.h. dem Erwerb eines größeren Aktienpakets zum Zwecke einer unternehmerischen Beteiligung8. Diese Fragestellung ist der Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Im Folgenden soll zunächst das Phänomen der Due Diligence näher dargestellt (dazu B.) und auf die zugrunde liegenden praktischen und rechtlichen Notwendigkeiten im Einzelnen eingegangen werden (dazu C.). Anschließend soll kurz die bisherige Rechtslage, insbesondere im Bereich des Insiderrechts, erörtert werden; in diesem Zusammenhang soll in einem Exkurs auch zu den ökonomischen Hintergründen des Insiderhandelsverbots Stellung genommen werden (dazu D.). Und schließlich soll dargestellt werden, inwieweit die jüngsten Änderungen durch das AnSVG den bisherigen Ansatz in Frage stellen; hierzu sollen zunächst die bisherigen Stellungnahmen in der Literatur zusammengefasst und ausgewertet werden. Den Hauptteil der Arbeit wird sodann die eigene Auslegung der neuen einschlägigen Vorschriften der Marktmissbrauchsrichtlinie und des Wertpapierhandelsgesetzes ausmachen (dazu E.).

___________ 6 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 vom 12.4.2003, S. 16. 7 Bundesgesetzblatt Nr. 56 vom 29.10.2004, S. 2630 ff. 8 Vgl. nur Liekefett, S. 154.

B. Begriff und Institut der Due Diligence I. Herkunft und Bedeutung Sowohl der Begriff als auch das Institut der Due Diligence sind Importe aus dem amerikanischen Rechtskreis. Der Begriff „Due Diligence“ bezeichnet für sich genommen einen Sorgfaltsmaßstab; wörtlich übersetzt bedeutet „Due Diligence“ etwa „gebotene Sorgfalt“ oder „verkehrsübliche Sorgfalt“1. Darüber hinaus findet der Begriff allerdings auch Verwendung als Kurzform für „Due Diligence Review“, d.h. für die vorbereitende (sorgfältige!) Prüfung des Kaufobjekts vor allem bei Unternehmenskäufen2. Als Unternehmensprüfung, die vor Durchführung einer M&A-Transaktion unter Zugang zu internen Informationsquellen der Zielgesellschaft durchgeführt wird, ist der Begriff „Due Diligence“ nun auch dem deutschen Recht geläufig3. Dass sich die amerikanische Bezeichnung der vorbereitenden Prüfung des Kaufobjekts an einen Sorgfaltsmaßstab anlehnt, hängt mit den Besonderheiten des Unternehmenskaufs nach amerikanischem Recht zusammen. Dort herrscht der Grundsatz des „caveat emptor“; jenseits arglistiger Falschinformation kann eine Haftung für Fehler des gekauften Unternehmens nur durch vertragliche Regelungen begründet werden, nach denen der Verkäufer für bestimmte Eigenschaften des Unternehmens einstehen will4. Zu diesem Zweck wird von den jeweiligen Parteien für jeden einzelnen Unternehmenskauf ein individuelles, umfassendes Gewährleistungsregime ausgearbeitet. Die Ausarbeitung dieses Gewährleistungsregimes erfolgt auf der Grundlage der vorherigen gründlichen Untersuchung des Kaufgegenstands. Bei dieser Untersuchung, der Due Diligence ___________ 1 Merkt, Unternehmenskauf, Rn. 854; Merkt, WiB 1996, S. 145; vgl. auch Garner et. al., Black’s Law Dictionary, S. 468: „due diligence. 1. The diligence reasonably expected from, and ordinarily exercised by, a person who seeks to satisfy a legal requirement or to discharge an obligation“. 2 Garner et al., Black’s Law Dictionary, S. 468: „2. […] A prospective buyer’s or broker’s investigation and analysis of a target company, or piece of property, or a newly issued security“. 3 Liekefett, S. 4; vgl. auch Berens-Berens/Strauch, Due Diligence, S. 12; Harrer, DStR 1993, 1673; Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, 174; Marten/Köhler, FB 1999, 337. 4 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 879 ff., 940; Merkt, Unternehmenskauf, Rn. 854; Merkt, FS Sandrock (2000), S. 657, 666; Merkt, WiB 1996, S. 145, 146.

16

B. Begriff und Institut der Due Diligence

Review, müssen die Führung des erwerbenden Unternehmens (Management und Board of Directors) und die beteiligten Berater, insbesondere Anwälte und Wirtschaftsprüfer, die erforderliche Sorgfalt – eben due diligence – walten lassen, um ihrer Pflicht dem eigenen bzw. dem beauftragenden Unternehmen gegenüber gerecht zu werden5.

II. Die Due Diligence in Deutschland Dass sich das Institut der Due Diligence auch in Deutschland fest etabliert hat, kann spätestens seit einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 1998 als gesichert gelten6. Diese Untersuchung, an der sich 377 Unternehmen beteiligten7, kam zu dem Ergebnis, dass bei Unternehmenskäufen in 96% der Fälle vorher eine Due Diligence durchgeführt wurde. Diese Entwicklung wurde auch durch eine weitere Untersuchung aus dem Jahr 2002 bestätigt8. Dass der Trend zur Due Diligence vor Unternehmenskäufen nicht nachlässt, lässt sich im Übrigen auch aus der aktuellen Wirtschaftspresse entnehmen9. Es steht also außer Zweifel, dass die Due Diligence im Bereich der M&A-Transaktionen auch in Deutschland einen festen Platz eingenommen hat. Dass sich Begriff und Institut der Due Diligence überhaupt in Deutschland eingebürgert haben, wird als Ausdruck einer allgemeinen Amerikanisierungstendenz im deutschen Wirtschaftsrecht gewertet10. Zurückzuführen ist das Vordringen amerikanischen Rechtsdenkens ins deutsche Wirtschaftsrecht auf die vorherrschende Stellung der amerikanischen Vertragspraxis, die ausdifferenzierte Problemlösungen gerade in solchen Bereichen anbietet, die von der deutschen Kautelarjurisprudenz selbst kaum entwickelt wurden11. Dabei liegt es auf ___________ 5 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, Due Diligence, S. 93; Merkt, WiB 1996, S. 145, 146. In ähnlichem Zusammenhang vgl. wiederum Garner et. al., Black’s Law Dictionary, S. 468: „A failure to exercise due diligence may sometimes result in liability, as when a broker recommends a security without investigating it properly“. 6 Marten/Köhler, FB (Finanz Betrieb) 1999, S. 337. 7 Marten/Köhler, FB (Finanz Betrieb) 1999, S. 337, 341; von den teilnehmenden 377 Unternehmen konnten letztlich 241 in die Untersuchung einbezogen werden. 8 Berens/Strauch, Die Wirtschaftsprüfung 2002, S. 511, 515 f. 9 Handelsblatt vom 27.04.2000, S. b09; Handelsblatt vom 20.11.2002, S. b02; Handelsblatt vom 21.11.2003, S. b02; zu beachten ist allerdings, dass die Artikel vom 20.11.2002 und 21.11.2003 von hauptamtlichen Wirtschaftsprüfern (und somit „in eigener Sache“) verfasst wurden. 10 Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841; Merkt, FS Sandrock (2001), S. 657, 658 f. Allgemein zur Amerikanisierung des Wirtschaftsrechts Merkt, Unternehmenskauf, Rn. 804 ff.; Stürner, FS Rebmann (1989), S. 839; Wiegand, FS Buxbaum (2000), S. 601. 11 Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841; Merkt, FS Sandrock (2001), S. 657, 658 f.

III. Funktionen der Due Diligence

17

der Hand, dass die Verpflanzung eines Konzepts aus seinem angestammten Rechtskreis in ein fremdes Rechtssystem mit Friktionen verbunden ist12; wenn auch die zu lösenden Probleme ähnlich sein mögen, so erfordern doch unterschiedliche Rechtssysteme oftmals auch verschiedene Lösungswege. So ist bei vielen aus den USA importierten Denkfiguren und Vertragsmustern fraglich, ob hierfür im deutschen Recht überhaupt eine Notwendigkeit besteht13. Während die Notwendigkeit der Due Diligence im amerikanischen Recht oben bereits kurz angesprochen wurde, soll im Folgenden in der gebotenen Kürze dargestellt werden, welche Funktionen die Due Diligence bei M&A-Transaktionen in Deutschland erfüllen soll und in wieweit auch hierzulande eine Notwendigkeit für die Durchführung einer Due Diligence vor M&A-Transaktionen besteht.

III. Funktionen der Due Diligence Gemeinhin werden der Due Diligence (mindestens) vier Funktionen zugedacht: Die Informationsbeschaffungsfunktion, die Risikoermittlungsfunktion, die Wertermittlungsfunktion und die Beweissicherungsfunktion14.

1. Informationsbeschaffungsfunktion Zuallererst dient die Due Diligence dazu, das Informationsungleichgewicht zwischen dem Käufer und dem meist weit besser informierten Verkäufer zu überwinden15. Dabei sollen auch die Vorstellungen des Käufers über den Kaufgegenstand einer kritischen Überprüfung unterzogen werden – oder, anders gewendet, überprüft werden, ob das Kaufobjekt den Vorstellungen des Käufers entspricht16. Bei der üblichen Vorgehensweise, d.h. einer detaillierten Prüfung des Zielunternehmens anhand sog. Due-Diligence-Checklisten17, kann sich der Kaufinteressent einen genauen Einblick in alle relevanten Geschäftsdaten des

___________ 12

Merkt, FS Sandrock (2001), S. 657, 659. Merkt, FS Sandrock (2001), S. 657, 666. 14 Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 842; Kiethe, NZG 1999, S. 776, 977; Körber, NZG 2002, S. 263, 264; Merkt, WiB 1996, S. 145, 147; Pollanz, BB 1997, S. 1351, 1354. 15 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 79. 16 Kiethe, NZG 1999, S. 976, 977; Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, S. 174, 175; Merkt, WiB 1996, S. 145, 147; vgl. auch Bihr, BB 1998, S. 1198. 17 Vgl. schon Wegen, WiB 1994, S. 291; Checklisten neueren Datums z.B. bei Merkt, Unternehmenskauf, Rn. 866; Picot-Picot, Teil I Rn. 47. 13

18

B. Begriff und Institut der Due Diligence

Zielunternehmens verschaffen. Die gesammelten Daten und Fakten ermöglichen es, im Anschluss an die Due Diligence eine informierte Entscheidung zu treffen.

2. Risikoermittlung In engem Zusammenhang mit der Informationsbeschaffung ist auch die Funktion der Risikoermittlung zu sehen: Auf der Grundlage der erlangten Informationen lässt sich abschätzen, welches unternehmerische Risiko mit einem Erwerb verbunden ist. Besonders hervorzuheben sind hier rechtliche Risiken, die der Zielgesellschaft anhaften, wie beispielsweise anhängige oder zu erwartende Rechtsstreitigkeiten mit Kunden, Zulieferern oder Mitarbeitern, die Eigentumsverhältnisse an Betriebsgrundstücken oder gesellschaftsrechtliche Fragen18; auch die Frage nach umweltrechtlichen Risiken kann von großer Bedeutung sein19.

3. Wertermittlung, Tatsachengrundlage für Gewährleistungsregeln Selbstverständlich bilden die ermittelten Informationen auch die tatsächliche Grundlage für eine möglichst belastbare Ermittlung des Unternehmenswerts20. Wie die Untersuchung von Berens/Strauch gezeigt hat, führt die Due Diligence in der Tat in mehr als zwei Dritteln der untersuchten Fälle zu einer Korrektur des Kaufpreises nach unten21. Anhand der ermittelten Risiken lässt sich darüber hinaus nach US-amerikanischem Vorbild ein eigenständiger Gewährleistungskatalog erarbeiten, der oftmals an die Stelle der gesetzlich vorgesehenen Gewährleistungsregeln tritt22; auf die rechtlichen Rahmenbedingungen wird an späterer Stelle einzugehen sein23.

___________ 18

Vgl. auch Vogt, DStR 2000, S. 2027, 2031. Kiethe, NZG 1999, S. 976, 977; Turiaux/Knigge, BB 1999, S. 377 ff. 20 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 79, 87; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 275; Kiethe, NZG 1999, S. 976, 977; Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, S. 174, 175; Loges, DB 1997, S. 955; Picot-Picot, Teil I Rn. 45; Süßmann, AG 1999, S. 162, 169. 21 Berens/Strauch, Die Wirtschaftsprüfung 2002, S. 511, 522. 22 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 79; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 275; Holzapfel/Pöllath, Rn. 15, 502; Loges, DB 1997, S. 955; Merkt, BB 1995, S. 1041, 1043; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032. 23 s. u. C.I. 19

III. Funktionen der Due Diligence

19

4. Dokumentationsfunktion Durch die Due Diligence wird der Ist-Zustand des Unternehmens und das Verfahren der Offenlegung als solches dokumentiert. Dies erleichtert spätere Beweisführungen und kann jedenfalls auf Tatsachenebene künftige Auseinandersetzungen vermeiden helfen24. Entsprechend den Erfordernissen des jeweiligen Unternehmenskaufs können bestimmte Aspekte bei der Prüfung in den Vordergrund rücken, andere dagegen in den Hintergrund treten oder ganz wegfallen. Dadurch unterscheiden sich auch die Zusammensetzungen der mit der Durchführung beauftragten (meist externen) Beraterteams25. In der Literatur werden bis zu zehn verschiedenen Varianten der Due Diligence unterschieden26; allerdings mag sich hierbei die Frage nach den Grenzen des Begriffs „Due Diligence“ stellen27. Für die Ziele dieser Untersuchung erscheint es zweckmäßig, nur solche Vorgänge unter den Begriff der Due Diligence zu fassen, die (jedenfalls auch) die rechtliche Überprüfung des Kaufgegenstands vor Vertragsschluss (oder zumindest vor dem „Closing“) zum Gegenstand haben; alle anderen Untersuchungen seien unter den mehr betriebswirtschaftlich geprägten Oberbegriff des „Pre-Acquisition Audit“ verwiesen.

___________ 24 Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 842; Merkt, WiB 1997, S. 145, 147; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032. 25 Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, S. 174. 26 Berens-Berens/Strauch, S. 14; Bihr, BB 1998, S. 1198; Wegmann/Koch, DStR 2000, S. 1027, 1029. 27 U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 193 f., Fn. 75.

C. Notwendigkeit der Due Diligence Im Folgenden soll erörtert erden, inwieweit es sich bei der Durchführung einer Due Diligence nicht nur um ein rein tatsächlich weit verbreitetes Phänomen, sondern auch um eine zwingende Notwendigkeit handelt.

I. Grundlage für individuelles Gewährleistungsregime Bereits bei der Darstellung der verschiedenen Funktionen wurde deutlich, dass die Due Diligence ein wichtiges Instrument zur Vorbereitung einer M&ATransaktion ist. Nachfolgend soll aber die Frage behandelt werden, ob die Durchführung einer Due Diligence nicht nur von (unbestreitbar hohem1) praktischem Nutzen, sondern auch rechtlich notwendig ist. Wie bereits oben angesprochen, sind die Ergebnisse der Due Diligence nicht nur die Grundlage der Kaufentscheidung – wobei eine Vorentscheidung schon vorher getroffen sein mag, die dann noch vor dem Hintergrund der durch die Due Diligence gewonnenen Informationen zu überprüfen ist2 – sondern auch die Grundlage für die Erarbeitung eines individuellen Gewährleistungsregimes, das an Stelle der als unbefriedigend empfundenen gesetzlichen Regelungen treten soll3.

1. Unbefriedigende Rechtslage vor der Schuldrechtsreform Vor der Schuldrechtsreform konnte als gesicherte Erkenntnis sowohl der Rechtsprechung als auch der Literatur gelten, dass die Vereinbarung eines individuellen Gewährleistungsregimes bei Abschluss einer M&A-Transaktion zwingend notwendig gewesen ist4. In Reaktion auf die Unzulänglichkeiten der bisherigen Regelungen hat die Rechtsprechung die §§ 459 ff. BGB aF im Bereich des Unternehmenskaufs bis___________ 1

s. o. B.III. Vgl. u. D.II.4., E.II.5.c). 3 s. o. B.III.3. 4 Bihr, BB 1998, S. 1198; Merkt, FS Sandrock (2000), S. 657, 670 mwN. 2

I. Grundlage für individuelles Gewährleistungsregime

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her sehr eng ausgelegt5. Die Literatur hat dieser Praxis weitgehend zugestimmt6, insbesondere unter dem Hinweis darauf, dass gerade die Wandlung, die der Käufer bei Mangelhaftigkeit wählen konnte, und die damit verbundene Rückabwicklung des Unternehmenskaufs nahezu undurchführbar seien. Außerdem wurde die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB aF wie in vielen anderen Bereichen, so auch im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen als unbillig empfunden7. Stattdessen hat die Rechtsprechung die Mehrzahl der Fälle über die cic gelöst. Auch dies war jedoch nicht unproblematisch. Zum einen trat damit an die Stelle der als zu kurz empfundenen Verjährung des § 477 BGB aF die lange 30jährige Regelverjährung; außerdem wurde die dogmatische Unterscheidung zwischen der Haftung aus vorvertraglicher Pflichtverletzung und pflichtwidriger Vertragserfüllung völlig außer Acht gelassen und damit auch das eigentlich für das Kaufrecht vorgesehene System einer Haftung, die einerseits verschuldensunabhängig, andererseits aber nur auf verkehrswesentliche und zugesicherte Eigenschaften beschränkt war, durch eine allgemeine Haftung für einfache Fahrlässigkeit verdrängt8. Vor dem Hintergrund dieser und anderer Defizite hat auch der BGH selbst – und dies ist bemerkenswert – die Empfehlung ausgesprochen, dass bei Unternehmenskäufen die Haftungsfrage zwischen den Parteien durch einen individuell erstellten Katalog geregelt werden sollte9. Dass ein individuelles Gewährleistungsregime den gesetzlichen Regelungen unbedingt vorzuziehen ist, war bisher wohl auch einhellige Meinung in der einschlägigen Literatur10. Dieses Ergebnis kann angesichts der angesprochenen Defizite der gesetzlichen Regelungen auch nicht angezweifelt werden.

___________ 5

BGH DB 1970, S. 42; WM 1974, S. 51; NJW 1977, S. 1536; WM 1988, S. 1700; NJW-RR 1996, S. 429. 6 U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 192 mwN. 7 Kiethe, DStR 1995, S. 1756, 1757 mwN. 8 Gaul, ZHR 166 (2002), S. 35, 42 ff. 9 BGHZ 65, S. 246 f.; BGH NJW 1977, S. 1538. 10 Vgl. Nachweise bei Merkt, FS Sandrock (2000), S. 657, 670.

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C. Notwendigkeit der Due Diligence

2. Neue Rechtslage nach der Schuldrechtsreform a) Individuelles Gewährleistungsregime weiterhin notwendig Auch nach der Schuldrechtsreform hat sich nichts daran geändert, dass das System des BGB nicht auf die Konfliktlösung bei Unternehmenskäufen ausgerichtet ist. Das Kaufrecht des BGB unterscheidet auch weiterhin nicht zwischen dem Kauf des sprichwörtlichen „Brötchens beim Bäcker“11 und dem Kauf eines gesamten am Wirtschaftsleben teilnehmenden Unternehmens; auf die spezifischen Notwendigkeiten des Unternehmenskaufs wird auch nach der Reform nicht eingegangen12. Insbesondere wurde auf die Kodifizierung eines UnternehmensKaufrechts verzichtet. Zwar sind einige bisherige Unzulänglichkeiten entfallen oder zumindest entschärft worden; so ist etwa die bisher problematische Abgrenzung zwischen Sach- und Rechtskauf entfallen und die kurze Verjährung des § 477 BGB aF durch eine Zwei-Jahres-Frist ersetzt worden. Trotzdem können aus dem Blickwinkel des Unternehmenskaufs auch die neuen Regelungen nicht überzeugen. Problematisch ist schon die kaufrechtliche Grundnorm des § 434 BGB nF: Unabhängig von der Frage, wie der neue Begriff der Beschaffenheit im Einzelnen auszulegen ist, fehlt es für Unternehmen an einer „üblichen Beschaffenheit“, die zugrunde gelegt werden könnte13; auch ein „vereinbarter Zweck“, zu dem das verkaufte Unternehmen taugen soll, wird sich kaum ohne weiteres ausmachen lassen. Erfolg versprechend kann allenfalls ein Vorgehen über den subjektiven Fehlerbegriff des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB nF sein; dafür ist aber die Festlegung aller relevanten Daten des Kaufgegenstands unumgänglich. Hier sei angemerkt, dass schon für eine derartige detaillierte „Beschaffenheitsvereinbarung“ wohl realistischerweise eine vorherige Due Diligence notwendig wäre, da jedenfalls bei größeren Transaktionen davon auszugehen ist, dass eine solche Vereinbarung einer soliden Tatsachengrundlage bedarf. Es ist allerdings ohnehin anzunehmen, dass auch nach der Schuldrechtsreform weiterhin das Bedürfnis besteht, bei Unternehmenskäufen ein individuelles Gewährleistungsregime auszuhandeln.

___________ 11

Krüger/Kalbfleisch, DStR S. 1999, 174. Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, S. 52 f.; U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 223; U. Huber, aaO., Fn. 145 zu ursprünglich weitergehenden Plänen der Schuldrechtskommission; K. J. Müller, NJW 2002, S. 1026; Wolf/Kaiser, DB 2002, S. 411. 13 Gaul, ZHR 166 (2002), S. 35, 48; Gierke/Paschen, GmbHR 2002, S. 457, 459; Ulmer, AcP 202 (2002), S. 179, 212 f. 12

I. Grundlage für individuelles Gewährleistungsregime

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Zwar könnte man argumentieren, dass der im § 434 Abs. 1 S. 1 BGB nF verankerte subjektive Fehlerbegriff ja gerade darauf ausgerichtet sei, alle Abweichungen von der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache zu regeln; auch wird von einer starken Meinung vertreten, dass der Begriff der Beschaffenheit weiter zu verstehen sei als die bisher von der Rechtsprechung eng ausgelegten Begriffe des Fehlers und der zusicherungsfähigen Eigenschaft14. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Vereinbarung eines eigenen Gewährleistungsregimes anstelle der (neuen) gesetzlichen Regelung künftig überflüssig wäre. Hier ist jedoch zu beachten, dass ein Übel der bisherigen Regelungen – jedenfalls unter dem hier maßgeblichen Aspekt der Anwendung auf Unternehmenskäufe – erhalten geblieben ist: Neben der Minderung besteht weiterhin die Möglichkeit der Rückgängigmachung des Kaufvertrages und damit die schon bisher als unlösbar angesehene Rückabwicklungsproblematik. Und auch bei Minderung und Schadensersatz ist weiterhin festzustellen, dass ein vorher ausgehandeltes, fein abgestuftes Gewährleistungssystem bessere (und vor allem: gerechtere) Ergebnisse erzielt als der Versuch, nachträglich festgestellten „Mängeln“ einen Wert in Relation zum Gesamtvolumen zuzuordnen. Da die nun kodifizierte cic in den Rechtsfolgen der kaufrechtlichen Gewährleistung weitgehend gleicht – zwar besteht keine Möglichkeit zur Minderung, dafür aber (verschuldensabhängig) Recht auf Schadensersatz und (verschuldensunabhängig) Recht zum Rücktritt – ist auch das Verhältnis der beiden Rechtsinstitute bei praxisorientierter Betrachtung von untergeordneter Bedeutung; auch bei § 311 BGB nF bestehen die gleichen Kritikpunkte wie soeben dargestellt. An dieser Stelle braucht zum Streit zwischen den Befürwortern der Beibehaltung des Status quo15 und den Verfechtern einer Verdrängung der cic durch die neuen kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln16 daher nicht näher eingegangen werden. Da es bei beiden Lösungsmöglichkeiten bei den inhärenten Defiziten der gesetzlichen Regelung bleibt, ist auch nach wie vor die Ausarbeitung eines individuellen Gewährleistungsregimes notwendig. Die Erstellung eines individuellen Gewährleistungsregimes – als Kontrast zur nur äußerst abstrakt gehaltenen Haftung nach §§ 434 ff. und § 280 BGB nF – ist indes nur möglich auf der Basis konkreter Informationen über den Kaufgegenstand17. Vorsorge für individuelle Risiken lässt sich nur treffen, wenn diese Risiken den Parteien – und insbesondere dem Käufer – bewusst sind; dies er___________ 14 MünchKomm-Westermann, § 453 Rn. 31; Gaul, ZHR 166 (2002), S. 35, 46; Wolf/Kaiser, DB 2002, S. 411, 412. 15 U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 211 ff. 16 Gaul, ZHR 166 (2002), S. 35, 46; Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, S. 52, 53; Wolf/Kaiser, DB 2002, S. 411, 416. 17 Vgl. Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 109 f.; Loges, DB 1997, S. 965.

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C. Notwendigkeit der Due Diligence

fordert eine gründliche Untersuchung des Kaufgegenstands. Auch nach der Schuldrechtsreform bleibt es also bei Unternehmenskäufen bei der Notwendigkeit der Due Diligence.

b) Problem des § 444 BGB Allerdings ist im Zuge des durch die Schuldrechtsreform ebenfalls geänderten § 443 BGB aF – jetzt § 444 BGB nF – die Frage aufgeworfen worden, ob ein individuelles Gewährleistungsregime hier zu gänzlich unvorhergesehenen Konsequenzen führen könnte18: So wurde die Befürchtung geäußert, dass eine individuelle Gewährleistungsvereinbarung als umfassende „Garantie“ im Sinne des § 444 BGB nF ausgelegt werden könnte, was dann das ungewollte Ergebnis bringe, dass der Verkäufer sich nicht mehr auf eigentlich ebenfalls vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen könnte. Diese Befürchtung erscheint jedoch unbegründet. Denn § 444 BGB nF geht es nur darum, das Verbot des „venire contra factum proprium“ ausdrücklich im Gewährleistungsrecht zu verankern19: Von Zusagen, die der Verkäufer abgegeben hat, soll er sich nicht durch eine globale Freizeichnungsklausel wieder lösen können. Dies hat jedoch nichts damit zu tun, dass die gegebene „Garantie“ nicht schon von vornherein begrenzt sein kann. Dies geht auch schon aus der Gesetzesbegründung hervor, die zur Frage nach dem Umfang der Ansprüche des Käufers aus der Garantie auf deren Wortlaut „im Einzelfall“ verweist. Tatsächlich würde es auch völlig widersinnig erscheinen, würde § 444 BGB nF tatsächlich zu einer alles umfassenden Garantie zwingen. Aus diesem Grund – und als Reaktion auf die hervorgerufene Unsicherheit gerade im Bereich des Unternehmenskaufs – hat der Gesetzgeber die Formulierung des § 444 BGB nochmals geändert20. Hieß es bisher, der Verkäufer könne sich auf Ausschluss oder Einschränkung nicht berufen, „wenn“ er eine Garantie abgegeben habe, wurde dies durch die neue Formulierung „soweit“ ersetzt21. Dies macht deutlich, dass keineswegs ein Alles-oder-nichts-Prinzip gelten soll, und stützt die schon bisher herrschende Auslegung. ___________ 18

Gierke/Paschen, GmbHR 2002, S. 457, 459; v. Westphalen, ZIP 2001, S. 2107; v. Westphalen, ZIP 2002, S. 545 ff. 19 MünchKomm-Westermann, § 444 Rn. 14; U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 238; K. J. Müller, NJW 2002, S. 1026; aA Staudinger/Matusche-Beckmann, § 444 Rn. 53 (i. E. aber vergleichbar). 20 BT-Drucks. 15/3483 vom 30.6.2004, S. 22. 21 Art. 2 Nr. 6 FernAbsÄndG, BGBl. I 2004 S. 3102, 3103.

II. Due Diligence vor M&A-Transaktion als Verkehrssitte?

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Es bleibt also dabei, dass es Käufer und Verkäufer in ihrer Vertragsgestaltung überlassen bleibt zu entscheiden, für welche Umstände der Verkäufer einstehen muss und für welche nicht22. § 444 BGB nF steht einem individuell vereinbarten Gewährleistungsregime – und damit einem Hauptzweck der Durchführung einer Due Diligence – daher nicht im Wege.

3. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass auch nach der Schuldrechtsreform die Ausarbeitung individueller Gewährleistungsvereinbarungen bei M&A-Transaktionen unabdingbar ist. Wie dargelegt, kann dies nur auf der Grundlage umfassender Tatsachenkenntnis erfolgen; hierfür ist die Durchführung einer Due Diligence unverzichtbar.

II. Due Diligence vor M&A-Transaktion als Verkehrssitte? Bereits früh wurde die Frage aufgeworfen, ob die Durchführung einer Due Diligence nicht nur notwendig ist, um ein mehr zu erreichen – nämlich eine belastbare Grundlage für die Ausarbeitung eines individuellen Gewährleistungsregimes – sondern auch, um ein weniger zu verhindern, genauer: den Ausschluss der Verkäuferhaftung durch § 442 Abs. 1 S. 2 BGB nF bzw. § 460 S. 2 BGB aF23. Zu einem solchen Ausschluss kommt es dann, wenn der Käufer einen Mangel infolge grober Fahrlässigkeit nicht entdeckt hat. Da nur grob fahrlässiges Übersehen eines Mangels die Gewährleistung ausschließt, besteht grundsätzlich keine Obliegenheit des Käufers, den Kaufgegenstand vor Vertragsabschluss zu untersuchen24; wie im Umkehrschluss aus § 377 HGB hervorgeht, der eine Untersuchungspflicht erst nach Ablieferung der Kaufsache vorsieht, gilt dies sogar für geschäftsgewandte Personen25. Von ___________ 22 MünchKomm-Westermann, § 444 Rn. 15; Staudinger-Matusche-Beckmann, § 444 Rn. 54; Gaul, ZHR 166 (2002), S. 35, 62 f.; U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 238 f.; K. J. Müller, NJW 2002, S. 1026; Westermann, ZHR 169 (2005), S. 248, 258. 23 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 113; Berens-Fleischer/Körber, S. 236 f.; Loges, DB 1997, S. 965, 968; Merkt, FS Sandrock (2000), S. 657, 672 f.; Merkt, WiB 1996, S. 145, 148; Merkt, BB 1995, S. 1041, 1047; bestehen einer Verkehrssitte bejaht bei Barthel, DStZ 1999, S. 365, 375; Hölters-Semler, Teil VI Rn. 43; Vogt, DStR 2000, S. 2027, 2031. 24 RGZ 131, S. 343, 353; MünchKomm-Westermann, § 442 Rn. 9; StaudingerMatusche-Beckmann, § 442 Rn. 23. 25 Staudinger-Matusche-Beckmann, § 442 Rn. 24; Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 844.

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C. Notwendigkeit der Due Diligence

grober Fahrlässigkeit bei Nichtuntersuchung – und damit, anders gewendet, einer Untersuchungsobliegenheit – wird aber dann gesprochen, wenn die Untersuchung des Kaufgegenstands seiner Art nach der Verkehrssitte entspricht. Eine Verkehrssitte, nach der für bestimmte Kaufsachen eine vorherige Untersuchung zu fordern ist, wird dann angenommen, wenn es sich um eine Kaufsache handelt, bei der typischerweise mit Mängeln gerechnet werden muss: Die Mangelhaftigkeit der konkreten Kaufsache muss sich zwar nicht aufdrängen, dies aber typischerweise nach der Lebenserfahrung nahe liegen26; ein hoher Kaufpreis allein reicht hingegen noch nicht aus27. Außerdem muss die vorherige Untersuchung einer ständigen und hinreichend verfestigten Übung entsprechen28. Eine den Käufer zur Untersuchung der Kaufsache verpflichtende Verkehrssitte wird beispielsweise angenommen, wenn es um den Kauf eines Gebrauchtwagens geht: Auch vom technischen Laien wird erwartet, den Wagen zumindest Probe zu fahren29. Ähnliches gilt für Immobilien, die im Außenbereich errichtet wurden30: Anders als bei Gebäuden im Innenbereich liegt hier typischerweise der Verdacht nahe, dass es an der erforderlichen Baugenehmigung fehlt; auch besteht eine entsprechend verfestigte Übung, sich über die baurechtliche Situation Gewissheit zu verschaffen. Wendet man diese Grundsätze auf M&A-Transaktionen an, liegt die Annahme einer Verkehrssitte jedenfalls nicht fern: Eine „latente Mangelhaftigkeit“ ist eingedenk des Gebrauchtwagen-Beispiels beim komplexen Gebilde Unternehmen sicherlich ebenfalls zu bejahen, und angesichts der geschilderten ubiquitären Verbreitung von Due-Diligence-Prüfungen vor Unternehmenskäufen könnte man hier auch an eine entsprechend gefestigte Praxis denken. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Due Diligence nicht um eine einseitig vom Käufer durchzuführende Untersuchung handelt, sondern eine detaillierte, nachhaltige Untersuchung, die zuallererst auch der aktiven Mitwirkung des Verkäufers bzw. der Organe des zu verkaufenden Unternehmens bedarf. Die Frage, ob überhaupt und in welchem Ausmaß eine Due Diligence stattfinden kann, führt nicht selten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Käufer und Verkäufer31; Loges hat hierzu bemerkt, dass die Durchführung einer Due Diligence nicht selten vom Erwerber „erkauft“ werden müs___________ 26

Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 845. BGH NJW-RR 1988, S. 1290. 28 Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 846. 29 MünchKomm-Westermann, § 442 Rn. 11 (einschränkend); Staudinger-MatuscheBeckmann, § 442 Rn. 30; Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 845. 30 MünchKomm-Westermann, § 442 Rn. 10; Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 845. 31 Berens-Picot, S. 259 f.; Werner, ZIP 2000, S. 989, 990. 27

III. Due Diligence zur Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis

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se, etwa mit dem Verzicht auf vertragliche Rechte32. Außerdem ist nicht zu vergessen, dass Kosten und Aufwand zur Durchführung der Due Diligence immens sind33. Will man den Maßstab der groben Fahrlässigkeit nicht überspannen, wird man schwerlich davon ausgehen dürfen, dass das Zurückschrecken vor diesen Kosten gleich den Verlust der Gewährleistungsrechte nach sich ziehen soll. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass es auch bislang an einem einheitlichen Standard für die Durchführung einer Due Diligence fehlt; es wurde bereits oben angesprochen, dass in der Literatur bis zu zehn Varianten unterschieden werden34. Die Bejahung einer Verkehrssitte wäre aber auch an das Vorhandensein eines etablierten Standards gebunden35. Letztlich muss die Frage, ob es sich bei der Durchführung einer Due Diligence vor Unternehmenskäufen um eine Verkehrssitte handelt, somit verneint werden36. Daher kann jedenfalls unter diesem Blickwinkel auch nicht von zwingender Notwendigkeit der Durchführung einer Due Diligence gesprochen werden.

III. Due Diligence zur Haftungsbegrenzung im Innenverhältnis Speziell bei Unternehmenskäufen durch Aktiengesellschaften stellt sich die Frage, ob der Vorstand der erwerbenden Gesellschaft im Innenverhältnis zur vorherigen Durchführung einer Due Diligence bei der Zielgesellschaft verpflichtet ist, auch wenn eine solche Verpflichtung im Außenverhältnis zu verneinen ist37. Denn gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG sind die Mitglieder des Vorstands einer AG verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführungstätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Hierbei kommt den Vorstandsmitgliedern im Grundsatz ein weiter Ermessensspielraum zu; ohne einen solchen Spielraum wäre unternehmerisches Handeln auch kaum vorstell-

___________ 32

Loges, DB 1997, S. 965, 968. Vgl. auch Gaul, ZHR 166 (2002), S. 35, 64. 34 s. o. A. (Fn. 4). 35 Westermann, ZHR 169 (2005), S. 248, 364. 36 So auch Berens-Picot, S. 260; Gaul, ZHR 166 (2002), S. 35, 64; Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 846; Holzapfel/Pöllath, Rn. 17; U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 201; Loges, DB 1997, S. 965, 968; Werner, ZIP 2000, S. 989, 990. 37 Vgl. Westermann, ZHR 169 (2005), S. 248, 266. 33

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C. Notwendigkeit der Due Diligence

bar38. Geht es um Unternehmenskäufe, stellt sich jedoch die Frage, inwieweit dieser Ermessensspielraum eingeschränkt wird. Der Kauf eines Unternehmens oder wesentlicher Beteiligungen an Unternehmen ist mit einem besonderen Risiko verbunden: Zum einen erfordern Unternehmenskäufe eine relativ hohe Investitionssumme. Zum anderen sind die gewachsenen Strukturen des ins Auge gefassten Erwerbsobjekts in aller Regel nicht ohne weiteres zu durchschauen, und Mängel sind oft nur schwer erkennbar39. Und gerade in der jüngeren Vergangenheit hat sich erwiesen, dass Unternehmenskäufe das gesteckte Ziel auch durchaus verfehlen und hohe finanzielle Einbußen nach sich ziehen können. So wird in der Praxis davon ausgegangen, dass etwa jeder zweite Unternehmenskauf die Erwartungen nicht erfüllt und in einem Fehlschlag endet40. Dieses besondere Risiko muss bei der Beurteilung des unternehmerischen Beurteilungsspielraums des Vorstands Berücksichtigung finden. Ganz allgemein geht man davon aus, dass Vorstandsmitglieder bei ihrer Tätigkeit Maßnahmen zur Risikoprophylaxe treffen müssen41; die Anforderungen an die Intensität dieser Maßnahmen orientieren sich am konkreten Einzelfall, steigen jedoch naturgemäß mit dem Ausmaß des abzusichernden Risikos42. Legt man hierbei das dargestellte besonders hohe Risiko bei Unternehmenskäufen zugrunde, sind damit auch besonders hohe Anforderungen an den Umfang der Risikoprophylaxe zu stellen. Die Due Diligence hat sich hier als übliches Mittel zur Risikoprophylaxe herausgebildet43. Sie liefert die Tatsachengrundlage, auf der die konkreten Risiken eingeschätzt und gegen die prognostizierten Vorteile abgewogen werden können44. Die Due Diligence ist auch alternativlos: Ein Sich-Verlassen auf gesetzliche Haftungsvorschriften scheidet schon deshalb aus, weil diese nur reaktiv zum Tragen kommen können, d.h. dann, wenn das sprichwörtliche Kind bereits in den Brunnen gefallen ist; zum anderen stellt sich beim Vertrauen auf gesetzliche Haftungsvorschriften auch stets die Frage, ob überhaupt ein solventer Anspruchsgegner zu finden ist45. Hierzu kommen noch Kosten und Zeitaufwand für einen zu führenden Prozess. Auch vertragliche Gewährleistungsregeln an___________ 38

BGHZ 135, S. 244; Werner, ZIP 2000, S. 989, 991. Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 276; Kiethe, NZG 1999, S. 976, 981. 40 U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 203. 41 Eschenbruch, Rn. 4070. 42 Kiethe, NZG 1999, S. 976, 981; Werner, ZIP 2000, S. 989, 991. 43 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 94; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 277. 44 s. o. B.III.2. 45 Kiethe, NZG 1999, S. 976, 982. 39

IV. Verkürzung der Gewährleistungsrechte des Erwerbers?

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stelle der gesetzlichen Vorschriften sehen sich den gleichen Bedenken ausgesetzt, ganz abgesehen davon, dass auch ein vertragliches Gewährleistungsregime ohne die robuste Tatsachengrundlage einer vorherigen Due Diligence nicht über allgemein gehaltene Vereinbarungen hinaus gelangen kann46. Daher muss im Ergebnis davon ausgegangen werden, dass die Vorstandsmitglieder der erwerbenden Aktiengesellschaft nur dann die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers anwenden, wenn sie das zu erwerbende Unternehmen vorher im Wege der Due Diligence einer sorgfältigen Prüfung unterziehen; der unternehmerische Entscheidungsspielraum der Vorstände ist insoweit auf null reduziert47. Anders ausgedrückt: Der Vorstand handelt nur dann nach pflichtgemäßem Ermessen, wenn er seine Entscheidung auf solider Tatsachengrundlage trifft; diese Tatsachengrundlage ist im Wege der Due Diligence zu ermitteln48. Dies hat zur Folge, dass eine M&A-Transaktion ohne vorherige Due Diligence eine Schadensersatzhaftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft auslösen kann. In dieser Hinsicht ist also von zwingender Notwendigkeit der Due Diligence auszugehen.

IV. Verkürzung der Gewährleistungsrechte des Erwerbers? Auch im Rahmen dieser Untersuchung sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Due Diligence für den Erwerber auch haftungsrechtliche Nachteile mit sich bringen kann49. Es wurde bereits angesprochen, dass gemäß § 442 Abs. 1 S. 2 BGB eine Haftung des Verkäufers für solche Mängel ausscheidet – soweit nicht Arglist vorliegt oder eine Garantie gegeben wurde –, die dem Käufer infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind. Hier wurde die Frage erörtert (und letztlich verneint), inwieweit eine vorherige Due Diligence als Verkehrssitte anzusehen ist und ob damit die Nichtdurchführung einer Due Diligence als grobe ___________ 46

Kiethe, NZG 1999, S. 976, 982; Mertens, AG 1997, S. 541, 543. Berens-Fleischer/Körber, S. 237; U. Huber, AcP 202 (2002), S. 179, 203; Kiethe, NZG 1999, S. 976, 982 f.; Krömker, NZG 2003, S. 418, 420; Werner, ZIP 2000, S. 989, 990 f. 48 Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 277; Westermann, ZHR 169 (2005), S. 248, 266. 49 Vgl. Barthel, DStZ 1999, S. 365, 375; Berens-Picot, S. 256 f.; Holzapfel/Pöllath, Rn. 17; Loges, DB 1997, S. 965, 968; Merkt, WiB 1996, S. 145, 148; Westermann, ZHR 169 (2005), S. 248, 263. 47

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C. Notwendigkeit der Due Diligence

Fahrlässigkeit im Sinne des § 442 Abs. 1 S. 2 BGB zu werten ist (vgl. oben C. II.). In § 442 Abs. 1 S. 1 BGB – gewissermaßen dem Grundfall – ist indes vorgesehen, dass Gewährleistungsansprüche des Käufers auch ausgeschlossen sind, soweit diesem ein Mangel positiv bekannt war. Die Due Diligence führt dazu, dass der Erwerber einen sehr detaillierten Einblick in das Unternehmen erlangt. Damit erhält der Erwerber auch Kenntnis von Umständen, die einen Mangel darstellen können. Allerdings reicht dies allein für § 442 Abs. 1 S. 1 BGB nicht aus: Der Käufer muss auch erkannt haben, dass sich aus dem jeweiligen Umstand ein Mangel ergibt50. Dies indes muss der Verkäufer – denn dieser wird durch die Nom begünstigt – beweisen51. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass die Durchführung einer Due Diligence automatisch zu einer Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche führt. Soweit allerdings nach den konkreten Umständen des Einzelfalls § 442 Abs. 1 S. 1 BGB doch eingreift, werden die Auswirkungen ohnehin gering sein, ist es doch – wie oben dargestellt – gängige Praxis, auf Grundlage der Due Diligence ein individuelles Gewährleistungsregime zu vereinbaren52. Und selbst wenn man diesen Aspekt außer acht ließe, würden die Vorteile der Due Diligence – ganz abgesehen von der oben dargestellten Notwendigkeit – den Nachteil einer punktuellen Verkürzung der gesetzlichen Gewährleistung überwiegen. Denn gerade durch die Möglichkeit, auf Grundlage des ermittelten Tatsachenmaterials eine solide Risikoprognose erstellen zu können, die dann zur Basis einer informierten Entscheidung wird, kommt der Due Diligence ein überragender Wert zu53.

V. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es sich bei der Durchführung einer Due Diligence vor Unternehmenskäufen nicht nur um ein weit verbreitetes Phänomen, sondern auch um eine zwingende Notwendigkeit handelt. Dies trifft sowohl in praktischer als auch in rechtlicher Hinsicht zu: Zwar handelt es sich bei der Durchführung der Due Diligence (jedenfalls nach derzei___________ 50 MünchKomm-Westermann, § 442 Rn. 4 f.; Palandt-Putzo, § 442 Rn. 7; Staudinger-Matusche-Beckmann, § 442 Rn. 6; Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 847. 51 MünchKomm-Westermann, § 442 Rn. 21; Staudinger-Matusche-Beckmann, § 442 Rn. 49. 52 s. o. B.III.3. 53 Fleischer/Körber, BB 2001, S. 841, 847; Loges, DB 1997, S. 965, 969.

V. Zwischenergebnis

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tigem Rechtszustand) nicht um eine Verkehrssitte, sie ist jedoch zur Haftungsreduzierung im Innenverhältnis dringend geboten. Nachteile sind hingegen kaum zu befürchten; auch werden die eventuellen Nachteile durch die dargestellten Vorteile bei weitem aufgewogen.

D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben Im Folgenden soll zunächst die Zulässigkeit der Due Diligence nach bisheriger Rechtslage dargestellt werden. Zunächst soll kurz auf die aktienrechtliche Situation eingegangen und danach die bisherige Rechtslage im Kapitalmarktrecht behandelt werden; hierbei soll auch in einem Exkurs auf die ökonomischen Hintergründe des Insiderhandelsverbots eingegangen werden.

I. Aktienrecht – §§ 93, 404 AktG Ausgangspunkt der aktienrechtlichen Beurteilung ist, dass der Erwerber im Rahmen der Due Diligence notwendigerweise Einblick in sensible Informationen der Zielgesellschaft erhält. Beispiele hierfür sind Unterlagen über Unternehmensplanung, Marktanteile, geplante Akquisitionen und Organisationspläne1. Damit stellt sich die Frage, ob die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft die Durchführung einer Due Diligence überhaupt zulassen dürfen, sind sie doch gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG verpflichtet, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren. Hierbei werden solche Tatsachen als Geheimnisse angesehen, die nicht offenkundig, d. h. nur für einen bestimmten Personenkreis zugänglich sind, und an denen ein objektives Geheimhaltungsbedürfnis besteht2; vertrauliche Angaben sind Informationen, die ein Vorstandsmitglied in dieser Eigenschaft erlangt hat und deren Weitergabe im Unternehmensinteresse nachteilig ist3. Ausgehend von den eingangs genannten Beispielen liegt es nahe, dass die über eine Due Diligence abgefragten Informationen zu einem regelmäßig nicht unerheblichen Teil unter eine der genannten Definitionen fallen4. ___________ 1

Bihr, BB 1998, S. 1198. BGHZ 64, S. 325, 329; Hüffer, § 93 Rn. 7; Kölner Kommentar-Mertens, § 93 Rn. 76, § 116 Rn. 43; Meincke, WM 1998, S. 749, 750; MünchKommAktGHefermehl/Spindler, § 93 Rn. 46. 3 Hüffer, § 93 Rn. 7; MünchKommAktG-Hefermehl/Spindler, § 93 Rn. 49; ähnlich Kölner Kommentar-Mertens, § 93 Rn. 76, § 116 Rn. 45. 4 Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1033. 2

I. Aktienrecht – §§ 93, 404 AktG

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Sollte demgemäß durch die Weitergabe sensibler Daten im Rahmen einer Due Diligence gegen die Schweigepflicht verstoßen werden, könnte die Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 AktG Schadensersatzforderungen geltend machen; außerdem kann ein Verstoß gegen die Pflicht aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG ein wichtiger Grund sein, der gemäß § 84 Abs. 3 AktG den Widerruf der Bestellung und die Kündigung des Anstellungsvertrages ermöglicht. Nicht zuletzt stellt § 404 AktG die unbefugte Offenbarung von Gesellschaftsgeheimnissen sogar unter Strafe. Allerdings gilt die Geheimhaltungspflicht des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG trotz des restriktiven Wortlauts nicht absolut; sie muss mit der Stellung des Vorstands aus § 76 AktG in Beziehung gesetzt werden. Gemäß dieser Vorschrift liegt die Leitung der Gesellschaft in der eigenen Verantwortung des Vorstands. Dies bedeutet, dass dem Vorstand ein Ermessensspielraum eingeräumt ist5. Hierbei ist der Vorstand zur sachgerechten Wahrnehmung der in der Gesellschaft und ihrem Unternehmen zusammentreffenden Interessen verpflichtet6. In Literatur und Rechtsprechung wird daher davon ausgegangen, dass die Pflicht zur Wahrnehmung der Gesellschafts- und Unternehmensinteressen die Pflicht zur Verschwiegenheit begrenzt; Im Übrigen soll zwischen beiden Vorstandspflichten eine Abwägung vorgenommen werden7. Allerdings ist streitig, welcher Stellenwert den konkurrierenden Belangen zukommen soll.

1. Die Ansicht Lutters Lutter vertritt hier die Ansicht, dass der Schweigepflicht ein besonders hoher Wert zukäme. Deswegen sei eine Offenbarung von „globalen Daten“ – d.h. von Daten, die nicht nur bestimmte Unternehmensbereiche betreffen, sondern sich auf das gesamte Unternehmen beziehen und typischerweise in einer Due Diligence erhoben werden – nur in absoluten Ausnahmefällen zu gestatten8. Als Beispiel nennt Lutter hierfür eine „einmalige und unwiederbringliche Chance“9. Andere Autoren, die sich dieser Auffassung angeschlossen haben, nennen die ___________ 5 BGHZ 125, S. 239, 246; Hüffer, § 76 Rn. 12; Kölner Kommentar-Mertens, § 76 Rn. 10; MünchKommAktG-Hefermehl/Spindler, § 76 Rn. 25. 6 Hüffer, § 76 Rn. 12; Kiethe, NZG 1999, S. 976; Knöfler, S. 84; Kölner KommentarMertens, § 76 Rn. 14, 16 ff.; MünchKommAktG-Hefermehl/Spindler, § 76 Rn. 2; Schander/Posten, ZIP 1997, S. 1534, 1535. 7 BGHZ 135, S. 244; Hendling, ZHR 169 (2005), S. 274, 278 ff.; Hüffer, § 93 Rn. 8; Knöfler, S. 84 f.; Kölner Kommentar-Mertens, § 93 Rn. 82; Meincke, WM 1998, S. 749, 750; MünchKommAktG-Hefermehl/Spindler, § 93 Rn. 63; Fleischer, ZIP 2004, S. 685. 8 Lutter, ZIP 1997, S. 613, 617. 9 Lutter, ZIP 1997, S. 613, 617.

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

Zuführung neuen benötigten Kapitals oder die Integration in einen Konzern zur Sicherung der Überlebensfähigkeit der Gesellschaft als weitere Beispiele10. Für diese restriktive Ansicht spricht, dass Unternehmenskäufe häufig zwischen konkurrierenden Unternehmen stattfinden; die Gefahr, dass die aus einer Due Diligence erlangten Informationen gegen die Zielgesellschaft verwendet werden, ließe sich so weitest möglich minimieren11.

2. Die Gegenansicht Dieser restriktiven Ansicht wird jedoch von der herrschenden Meinung widersprochen12. Lutters Argumentation wird vor allem entgegengehalten, dass er die Bedeutung des Leitungsermessens des Vorstands verkenne. Tatsächlich komme der Schweigepflicht kein eigener, absoluter Wert zu13; sie sei lediglich eine relative Schranke für die Ausübung des Leitungsermessens durch den Vorstand14, die aber gegenüber anderen Interessen keinen generellen Vorrang beanspruchen dürfe15.

3. Stellungnahme Die letztere Ansicht hat sich mittlerweile berechtigterweise weitgehend durchgesetzt und sieht sich auch im Einklang mit der Rechtsprechung16. Demnach kommt es (lediglich) darauf an, dass der Vorstand im konkreten Fall eine sorgfältig abgewogene Entscheidung darüber trifft, ob im Rahmen einer Due ___________ 10

Ziemons, AG 1999, S. 492, 495. Vgl. Knöfler, S. 87. 12 Berens-Fleischer/Körber, S. 227; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 280 f.; Hüffer, § 93 Rn. 8; Mertens, AG 1997, S. 541, 547; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3453; MünchKommAktG-Hefermehl/Spindler, § 93 Rn. 63; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1034; Stoffels, ZHR 165 (2001), S. 61, 372; Treeck, FS Fikentscher (1998), S. 434, 448. 13 Bihr, BB 1998, S. 1198, 1199; Jäger, JZ 2003, S. 1048, 1050 f.; Mertens, AG 1997, S. 541, 547; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3453; MünchKommAktGHefermehl/Spindler, § 93 Rn. 63; Schander/Posten, ZIP 1997, S. 1534, 1535; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2162; Spieker, NJW 1965, S. 1937, 1943 (bezogen auf Aufsichtsrat); Stoffels, ZHR 165 (2001), S. 362, 372; Ziegler, DStR 2000, S. 249, 252. 14 Stoffels, ZHR 165 (2001), S. 362, 372. 15 Bihr, BB 1998, S. 1198, 1199; Jäger, JZ 2003, S. 1048, 1050 f.; Mertens, AG 1997, S. 541, 547; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3453; MünchKommAktGHefermehl/Spindler, § 93 Rn. 63; Schander/Posten, ZIP 1997, S. 1534, 1535; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2162; Stoffels, ZHR 165 (2001), S. 362, 372; Ziegler, DStR 2000, S. 249, 252. 16 BGHZ 64, S. 325, 330; DStR 1997, S. 881. 11

I. Aktienrecht – §§ 93, 404 AktG

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Diligence Unternehmensgeheimnisse offenbart werden können. In diese Abwägung können (und sollen) verschiedene Gesichtspunkte eingestellt werden17: Auf der einen Seite ist das Interesse der Zielgesellschaft an einer Übernahme oder einem Paketerwerb durch den Interessenten zu bestimmen. Hier wird von Belang sein, ob die Gesellschaft durch die Transaktion erwarten kann, Zugang zu neuen Märkten zu erhalten, oder ob bzw. welche Synergieeffekte wahrscheinlich sind18. Auch die Möglichkeit, strategische Allianzen oder andere Kooperationen einzugehen oder zu stärken, mag hier als positiver Aspekt Berücksichtigung finden19. Außerdem kann die Gesellschaft ein Interesse daran haben, dem Erwerbsinteressenten möglichst viele Informationen zur Verfügung zu stellen, um einen angemessenen Preis zu ermöglichen, da andernfalls ein Risikoabschlag zu befürchten sein kann20. Ein niedriger Kaufpreis indes deutet auf einen niedrigen Unternehmenswert hin und kann damit nicht nur für den Verkäufer, sondern auch für das verkaufte Unternehmen selbst von Nachteil sein, da der Markt daraus negative Rückschlüsse auf Solvenz und Überlebensfähigkeit der Gesellschaft ziehen kann21. Kommt es zu einer derart veränderten Wahrnehmung der Gesellschaft am Markt, wären zukünftig höhere Kapitalkosten zu erwarten22. Auf der anderen Seite wird zu überlegen sein, wie die Erfolgsaussichten des Geschäfts23 und die Motivation des Interessenten einzuschätzen sind, insbesondere ob die Erwerbsabsichten als ernsthaft zu bewerten sind24; wenn es sich um einen Konkurrenten handeln sollte, wird auch dies zu berücksichtigen sein. Und letztlich ist in die Abwägung einzustellen, welche Informationen nachgesucht werden und welche Schutzmöglichkeiten gegen eine missbräuchliche Verwendung ergriffen werden können25.

___________ 17

Vgl. zum Folgenden auch den „Abwägungsfahrplan“ von Meincke (WM 1998, S. 749, 751). 18 Bihr, BB 1998, S. 1198, 1199; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3453; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1034. 19 K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3453; Knöfler, S. 89. 20 Knöfler, S. 88; Holzapfel/Pöllath, Rn. 17; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1034; Ziegler, DStR 2000, S. 249, 252. 21 Knöfler, S. 88; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1034. 22 Knöfler, S. 88. 23 Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 280. 24 Jäger, JZ 2003, S. 1048, 1050; Ziegler, DStR 2000, S. 249, 252. 25 Vgl. Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1034; dieser spricht sich gegen die Notwendigkeit einer „vendor Due Diligence“ (durchgeführt durch neutralen Dritten) aus und hält einfache Geheimhaltungsvereinbarungen im Regelfall für ausreichend.

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

Soweit der Vorstand nach diesem Muster eine ordnungsgemäße Abwägung der konkreten Interessen vornimmt und ggf. Maßnahmen gegen missbräuchliche Verwendung trifft26, ist die Entscheidung, eine Due Diligence zuzulassen, nicht zu beanstanden. Dies ist auch dann der Fall, wenn sich einzelne in die Abwägung eingestellte Prognosen im Nachhinein als unzutreffend erweisen, da unternehmerisches Handeln notwendigerweise auch das Treffen falscher Entscheidungen einschließt27. Allerdings ist klarzustellen, dass es je nach Sachlage bei der Abwägung auch dazu kommen kann, dass nur eine einzige Lösung als vertretbares Abwägungsergebnis verbleibt: Auf der einen Seite können zu hohe, nicht durch Sicherungsmaßnahmen eingrenzbare Risiken die Zulassung einer Due Diligence ausschließen28, während auf der anderen Seite auch eine Pflicht zur Genehmigung der Due Diligence bestehen kann, etwa wenn sich die Gesellschaft in einer existentiellen Notlage befindet, dringend auf einen Investor angewiesen ist und dieser auf vorheriger Durchführung einer Due Diligence besteht29. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass in jüngerer Zeit eine derartige Reduzierung des Ermessensspielraums auch im Zusammenhang mit einem möglicherweise bestehenden Informationsoffenbarungsanspruch eines veräußerungswilligen Paketaktionärs diskutiert wird.30 In jedem Fall ist festzuhalten, dass bei Beachtung der dargestellten Grundsätze die Genehmigung einer Due Diligence durch den Vorstand der Zielgesellschaft keinen Verstoß gegen §§ 93 Abs. 1 S. 2, 404 AktG darstellt.

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF Das im Rahmen dieser Untersuchung im Vordergrund stehende Problem ist jedoch die Frage, inwieweit die Durchführung einer Due Diligence vor Unternehmensakquisitionen mit dem Kapitalmarktrecht, genauer: den Normen des Insiderrechts, vereinbar ist. Diese Frage stellt sich bei der Übernahme, dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung oder beim (sonstigen) Paketerwerb von Anteilen an börsennotierten Aktiengesellschaften. Nach einem Exkurs zu den Zielsetzungen des Insiderrechts soll in diesem Abschnitt zunächst die bisherige Rechtslage – d.h. das bis zum Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsge___________ 26 Jäger, JZ 2003, S. 1048, 1050; Linker/Zinger, NZG 2002, S. 497, 501; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3454; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1034; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2163; Stoffels, ZHR 165 (2001), S. 362, 376 f. 27 K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3453; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2163. 28 U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2163. 29 Linker/Zinger, NZG 2002, S. 497, 501 f. 30 Krömker NZG 2003, S. 418 ff.

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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setzes (AnSVG) am 30.10.2004 geltende Recht – erörtert werden; die neue Rechtslage und deren Auswirkungen gerade auf den Paketerwerb wird anschließend unter E. behandelt.

1. Exkurs: wirtschaftspolitische Zielsetzungen Das Insiderrecht will verhindern, dass Insider aus ihren besonderen Kenntnissen selbst einen Sondervorteil erwerben oder ihre Kenntnisse an andere weitergeben, die dann ihrerseits einen Sondervorteil erzielen könnten – soweit die Quintessenz der gesetzlichen Regelung, wie sie sich aus § 14 WpHG aF ableiten lässt und, dies sei hier zumindest behauptet, auch nach der Neufassung bestehen bleibt. Aufgabe des Juristen ist es, von den bestehenden Regelungen auszugehen, diese auszulegen und den konkreten Sachverhalt unter die einschlägige Regelung zu subsumieren. Im Vordergrund steht hierbei, dass der Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat31. Warum der Gesetzgeber eine Regelung getroffen hat, verschwindet dagegen oft aus dem juristischen Blickfeld32. Zwar spielt die gesetzgeberische Intention im Rahmen der Auslegung selbstverständlich eine Rolle; hier geht es jedoch in aller Regel um die gesetzgeberische Reaktion auf ein gesellschaftliches Problem, nicht um das Problem als solches. Konkret auf das Insiderrecht bezogen bedeutet lässt sich sagen: Der Gesetzgeber bezweckt den Schutz des Kapitalmarktes, eine ganz andere Frage ist jedoch, ob der Kapitalmarkt dieses Schutzes überhaupt bedarf. Wie die obigen Überlegungen anklingen lassen, handelt es sich hierbei nicht um eine primär juristische, sondern vielmehr um eine ökonomische Fragestellung. Obwohl damit an sich „fachfremd“, soll diese Frage im Folgenden kurz erörtert werden, liegt sie doch der Problematik zugrunde33 – und nicht zuletzt soll daran erinnert werden, dass das Recht stets nur Mittel zum Zweck, nämlich zur Bewältigung realer oder befürchteter gesellschaftlicher Problemlagen sein kann.

___________ 31

Hopt, AG 1995, S. 353, 355; Oberender/Daumann, ORDO 43 (1992), S. 255. Hierzu Assmann in nicht zu überbietender Deutlichkeit: „[…] haben die Verabschiedung der EG-Insiderrichtlinie und die Umsetzung derselben in geltendes deutsches Recht der Frage nach dem Regelungsbedarf vorläufig jeden Grund entzogen“ (AG 1994, S. 196, 202). 33 Während diese Diskussion sicherlich zur Zeit des Erlasses der Insiderrichtlinie (89/592/EWG) ihren Höhepunkt erreichte, ist diese grundlegende Frage angesichts der neuen Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) heute wieder aktuell. 32

38

D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

a) Kapitalmarkttheoretische Argumente aa) Zweifel an der Notwendigkeit von Insiderhandelsverboten Tatsächlich finden sich in der volkswirtschaftlichen Literatur nicht wenige Stimmen, die die Insiderproblematik als solche überhaupt verneinen34. Zusammengefasst vertreten diese Stimmen die Meinung, dass es sich bei Informationsasymmetrien, die aus dem privilegierten Zugang zu Informationen resultieren, um ein normales Phänomen des Marktgeschehens handele, das als solches auch durch die Marktkräfte reguliert werde. Letztlich komme es nur darauf an, dass die Informationen überhaupt in den Wirtschaftskreislauf gelangen und nutzbar gemacht würden35.

bb) Die Gegenposition und das Modell Akerlofs Dieser Auffassung wurde und wird jedoch mit Nachdruck entgegen getreten. Die Verfechter der Gegenposition36 berufen sich insbesondere auf das vom Nobelpreisträger George A. Akerlof schon in den 1970er Jahren beschriebene Phänomen des „Lemon Market“37. Nach Akerlofs Theorie führen Qualitätsunterschiede und Informationsasymmetrien zu höheren Transaktionskosten, zur Verdrängung höherwertiger Güter und in letzter Konsequenz zum Zusammenbruch des Marktes; die Ergebnisse seiner Untersuchung sind insbesondere für die Wertpapiermärkte von herausgehobener Bedeutung. Zur Verdeutlichung der Problematik sei Akerlofs Ansatz hier kurz skizziert. Dem Modell liegt ein vereinfachter Markt für Kraftfahrzeuge zugrunde. Akerlof unterteilt dabei die gehandelten Fahrzeuge in zwei Kategorien: Solche, die den Qualitätserwartungen des Marktes entsprechen, und solche, die diese nicht erfüllen, die so genannten „Lemons“38. Während Akerlof einem „guten“ Fahrzeug

___________ 34

Siehe etwa Manne, Insider Trading and the Stock Market; Manne, Regulation, Vol. 24 (2001) Issue 4, S. 8 ff.; Manne, Challenge, Vol. 15 (1967) Issue 3, S. 4 ff.; Manne, Harvard Business Review, Vol. 44 (1966) Issue 6, S. 113 ff.; Oberender/Daumann, ORDO 43 (1992), S. 255, 261, 263; D. Schneider, DB 1993, S. 1429; Shaw, Business And Society Review, 1988, Issue 66, S. 34 ff. 35 Oberender/Daumann, ORDO 43 (1992), S. 255, 261 mwN; D. Schneider, DB 1993, S. 1429, 1434. 36 Nachweise bei Hopt, AG 1995, S. 353, 357; vgl. auch Manove, Quarterly Journal of Economics, Vol. 104 (1989) Issue 4, S. 823 ff. 37 Akerlof, Quarterly Journal of Economics, Vol. 84, No. 3 (Aug., 1970), S. 488. 38 Übersetzt etwa „Montagsautos“.

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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einen fiktiven Wert von 1000 Einheiten zuweist, bewertet er die „Lemons“ mit 500 Einheiten. Akerlof geht nun in seinem Modell davon aus, dass es für den potentiellen Käufer nicht erkennbar sei, ob es sich bei einem angebotenen Fahrzeug um ein „gutes“ Auto oder eine „Lemon“ handelt; diese Information habe nur der Verkäufer, der das Auto ja vorher besessen habe und dabei die Möglichkeit hatte, das Fahrzeug zu bewerten. Da der Käufer nicht weiß, wie es um die Qualität eines beliebigen Fahrzeugs steht, wird er bei Abwesenheit von Informationsmöglichkeiten statistische Erwägungen heranziehen müssen, um einen Maximalpreis zu bilden. Er muss davon ausgehen, dass der volle Preis von 1000 zu hoch sein muss, da es sich ja genauso gut um eine „Lemon“ im Wert von nur 500 handeln könnte. Für einen Preis von 500 wird der Verkäufer hingegen nicht verkaufen, da dieser nahe liegender Weise behaupten wird, es handele sich um ein „gutes“ Fahrzeug im Wert von 1000. Als Ergebnis dieser Erwägungen wird der Käufer entsprechend seiner persönlichen Risikoeinschätzung einen Preis zwischen beiden Positionen anstreben, also beispielsweise 750. Orientiert sich der Verkäufer an den gleichen Erwägungen, kommt er zu folgendem Ergebnis: handelt es sich bei dem von ihm angebotenen Fahrzeug um eine „Lemon“, macht er ein gutes Geschäft, denn während er selbst behaupten wird, dass es sich um ein „gutes“ Fahrzeug handele, hat der Käufer keine Möglichkeit, das Gegenteil herauszufinden; will er ein Auto kaufen, wird er deswegen 750 zahlen und dem Verkäufer einen Gewinn von 250 bescheren. Handelt es sich hingegen tatsächlich um ein „gutes“ Fahrzeug, kann der Verkäufer nur einen Verlust machen: Da der Käufer auch diesen Umstand nicht überprüfen kann, aus den genannten Erwägungen aber misstrauisch sein muss, wird er nur 750 zahlen wollen. Bei einem tatsächlichen Wert von 1000 müsste der Verkäufer also einen Verlust von 250 hinnehmen. Die Konsequenz ist, dass der Verkäufer ein „gutes“ Auto nicht verkaufen wird; auf den ganzen Markt ausgeweitet führt dies dazu, dass letztlich überhaupt nur „Lemons“ angeboten werden. Legt der Käufer – bzw. legen alle potentiellen Käufer – diese Überlegungen zugrunde, wird konsequenterweise niemand mehr kaufen – der Markt bricht zusammen. Akerlof hat sein Modell am Beispiel des Kraftfahrzeugmarkts entwickelt. Wirkt das Modell für den Nichtökonomen auf dieser Grundlage reichlich akademisch – eine derartige totale Informationsasymmetrie erscheint in der Realität kaum vorstellbar – so ist die Übertragung auf den Wertpapiermarkt doch umso eindrücklicher. Denn während die Einstufung als „gutes“ Auto oder „Lemon“ sicherlich objektiviert werden und bestehende Informationsasymmetrien vergleichsweise leicht überwunden werden können, ergibt sich bei Wertpapieren ein eindeutigeres Bild.

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

Entscheidend über die Einstufung als „gutes“ Wertpapier oder „Lemon“ – um die Terminologie beizubehalten – ist allein die Frage der künftigen Kursentwicklung. Der Insider hat zwar keine genaue Kenntnis über die künftige Kursentwicklung, die ihm bekannten Insiderinformationen legen es jedoch nahe, dass der derzeitige Kurs entweder – bei negativen Insiderinformationen – erheblich zu hoch oder – bei positiven Insiderinformationen – erheblich zu niedrig ist. Alle übrigen Anleger, die über diese Informationen nicht verfügen, können die künftige Kursentwicklung nur ungleich schwerer vorhersagen; die Informationsasymmetrie, die zwischen dem Anleger – in Akerlofs Bild dem Autokäufer – und dem Insider besteht, ist aus Sicht des Anlegers kaum zu überwinden. Nutzt der Insider diese Informationsasymmetrie aus, kann er die seinen Informationen nach wahrscheinlich überbewerteten Wertpapiere an andere Anleger verkaufen oder wahrscheinlich unterbewertete Wertpapiere von anderen Anlegern erwerben und damit einen Gewinn erwirtschaften39 – auf Kosten der anderen Anleger40. Dies muss sich auf die Risikokalkulation der anderen Anleger auswirken: Sie müssen zunächst von einem „normalen“ Risiko ausgehen, überbewertete Papiere zu kaufen oder unterbewertete Papiere zu verkaufen. Ein erhöhtes Risiko besteht jedoch für solche Wertpapiere, mit denen Insider auf Kosten der übrigen Anleger Gewinne erwirtschaften, indem sie gezielt überbewertete Papiere abstoßen oder unterbewertete Papiere aufkaufen. Da der Anleger nicht weiß, ob es sich bei seinem Vertragspartner um einen Insider handelt oder nicht, kann er nicht einschätzen, ob er bei einer beliebigen Transaktion lediglich dem normalen oder einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist. Wie in Akerlofs Modell wird der Anleger daher eine Risikokalkulation zugrunde legen, die beidem Rechnung trägt und – soweit er überhaupt noch zum Kauf bereit sein sollte – seinen Preis entsprechend reduzieren bzw. erhöhen41; in jedem Fall steigen also die Transaktionskosten. Hierbei sei betont, dass mit „Anleger“ nicht lediglich Kleinanleger gemeint sind; wie Schmidt dargelegt hat, sind in besonderem Maße die sog. „Market Makers“ betroffen, die deswegen in ihrer Preiskalkulation auch die höheren Risiken durch Insidergeschäfte berücksichtigen müssen42.

___________ 39

Vgl. Lahmann, S. 22. H. Schmidt, in: Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, S. 22, 23. 41 Manove, Quarterly Journal of Economics, Vol. 104, Issue 4 (Nov. 1989), S. 823, 824; Weston/Chung/Hoag, S. 561. 42 H. Schmidt, in: Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, S. 22, 26 mwN. 40

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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cc) Zwischenergebnis Diese Überlegungen zeigen, dass ein in dieser Hinsicht „liberalisierter“ Wertpapiermarkt auf Dauer mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert wird43; dass Insiderregelungen notwendig und wichtig sind, ist daher schon unter markttheoretischen Gesichtspunkten einleuchtend.

b) Principal-Agent-Argumentation Neben der oben skizzierten kapitalmarkttheoretischen Argumentation – freie Märkte könnten sich selbst regulieren – wird gegen die Notwendigkeit insiderrechtlicher Vorschriften auch die sog. „Agency Theory“ ins Feld geführt44. Nach dieser Theorie obliegt es dem Auftraggeber („Principal“) und dem Auftragnehmer („Agent“), d.h. der Gesellschaft und dem angestellten Organ, die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Verwertung von Insiderinformationen individualvertraglich zu regeln. Daraus ergäbe sich der Vorteil, dass der „principal“ durch die Zulassung von Insidergeschäften einen Leistungsanreiz für den „agent“ schaffen könne; auch könne ein geringeres Gehalt vereinbart werden, da der „agent“ zusätzlich zu seinem Gehalt aus Insidergeschäften Gewinne erwirtschaften könne. Soweit die aus Insiderhandel zu erwartenden Gewinne und die entsprechende Reduktion der sonstigen Bezüge einander ausgleichen, entsteht – so die Theorie – für die Anleger auch kein Nachteil45. Dieser auf den ersten Blick einleuchtenden Überlegung stehen jedoch ebenfalls schwerwiegende Argumente entgegen. Zunächst einmal ist nicht zu ermitteln, welcher Wert der Befugnis, Insiderinformationen auszunutzen, überhaupt zugewiesen werden kann46. Dies ist jedoch ein Problem, das auch bei anderen, etwa optionsbasierten Vergütungsmodellen auftreten kann. Problematisch ist jedoch, dass eine echte Wahl zwischen voller Vergütung ohne Insiderhandelsbefugnis und reduzierter Vergütung mit Insiderhandelsbefugnis nur dann besteht, wenn Kontrollmechanismen bereitstehen, die die Einhaltung eines individualvertraglich vereinbarten Insiderhandelsverbots überwachen können. Dies wäre in der Praxis nur schwer zu erreichen; der „agent“ kann also davon ausgehen, Insiderinformationen ohnehin ausnutzen zu ___________ 43 Vgl. Hopt, AG 1995, S. 353, 357; Manove, Quarterly Journal of Economics, Vol. 104, Issue 4 (Nov. 1989), S. 823; Rudolph, FS Moxter (1994), S. 1335, 1337; Weston/Chung/Hoag, S. 561 f. 44 Vgl. Hopt, AG 1995, S. 353, 355 mwN. 45 Vgl. Ott/Schäfer, ZBB 1991, S. 226, 230. 46 Hopt, AG 1995, S. 353, 355 f.; Ott/Schäfer, ZBB 1991, S. 226, 230.

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

können, und hat daher auch wenig Anreiz, für die ausdrückliche Befugnis auf einen Teil seines festen Einkommens zu verzichten47. Ein weiteres Problem ist, dass der „agent“ auch negative Insiderinformationen gewinnbringend verwerten kann; die Interessen von „principal“ und „agent“ sind insoweit nicht kongruent48. In diesem Zusammenhang wird von „moral hazard“ gesprochen49. Noch weitergehend ist die Überlegung, dass der „agent“ negative Insiderinformationen nicht lediglich ausnutzen, sondern deren Entstehung passiv dulden oder sogar aktiv schaffen könnte („perverse incentive“)50. Dass derartige Befürchtungen nicht ganz abwegig sind, zeigen beispielhaft die Fälle Enron51 und Worldcom52; in beiden Fällen haben Entscheidungsträger sich persönlich bereichert, z. T. durch Veräußerung großer Aktienpakete, bevor bewußt zurückgehaltene negative Informationen publik wurden. Und letztlich besteht selbst dann, wenn die Insiderinformation im Interesse des „principals“ liegt, stets die Gefahr, dass nicht nur der eigentlich Verantwortliche von der Insiderinformation profitiert, sondern dass auch dritte, die von den Informationen Kenntnis erlangen – beispielsweise Mitarbeiter, Angehörige von Aufsichtsgremien, externe Berater, Banken – von der Insiderinformation profitieren53. Zusammenfassend lassen die dargestellten Schwachpunkte erkennen, dass individualvertragliche Vereinbarungen über die Verwertung von Insiderinformationen weder als Leistungsanreiz noch als Vergütungsbestandteil geeignet sind. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass auch der „principal-agent“Ansatz nicht geeignet ist, die Notwendigkeit einer allgemeinverbindlichen Regelung der Insiderproblematik in Zweifel zu ziehen.

c) Fazit Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Insiderhandel einerseits die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts beeinträchtigen kann, andererseits aber auch für das ___________ 47

Hopt, AG 1995, S. 353, 356; Ott/Schäfer, ZBB 1991, S. 226, 230. Ott/Schäfer, ZBB 1991, S. 226, 232; Rudolph, FS Moxter (1994), S. 1335, 1343; Weston/Chung/Hoag, S. 560. 49 Hopt, AG 1995, S. 353, 356. 50 Franke, in: Hopt/Wymeersch, European Insider Dealing, S. 273, 284; Ott/Schäfer, ZBB 1991, S. 226, 232; Rudolph, FS Moxter (1994), S. 1335, 1344. 51 Vgl. New York Times vom 13.07.2005, S. 2C; Handelsblatt vom 08.07.2002, S.14; Handelsblatt vom 25.01.2002, S. 15. 52 Vgl. Handelsblatt vom 06.11.2002, S. 17. 53 Ott/Schäfer, ZBB 1991, S. 226, 234. 48

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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einzelne Unternehmen keine Vorteile mit sich bringt. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist es daher richtig und notwendig, Maßnahmen zur Unterbindung von schädlichem Insiderhandel zu implementieren. Dies beendet den Exkurs zu den wirtschaftspolitischen Zielsetzungen des Insiderhandelsverbots; im Folgenden soll dargestellt werden, inwieweit sich die bisherigen Regelungen des § 14 WpHG auf die Due Diligence vor Paketerwerben auswirken.

2. Auf Seiten des Erwerbers: Verstoß gegen § 14 Abs. 2 WpHG aF? Der Erwerb von Anteilen an einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach Durchführung einer Due Diligence ist nach der ganz herrschenden Meinung zur bisherigen Rechtslage als insiderrechtlich unbedenklich anzusehen54. Zwar handelt es sich hierbei um einen Vorgang, der dem Grundsatz nach vom Insiderrecht erfasst wird: Die Informationen, die dem Erwerber durch die Due Diligence bekannt werden bzw. bekannt geworden sind, können oftmals auch Insidertatsachen i. S. d. § 14 Abs. 2, § 13 Abs. 1 WpHG aF enthalten55. Nach bisheriger Legaldefinition handelt es sich dabei um Tatsachen, die sich auf Emittenten von Wertpapieren beziehen, nicht öffentlich bekannt sind und außerdem geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen (§ 13 Abs. 1 WpHG aF); von einem erheblichen Beeinflussungspotential wurde bei einer zu erwartenden Kursschwankung von mehr als 5% ausgegangen56. Wie bereits ausgeführt57, liegt das Ziel der Due Diligence regelmäßig darin, wesentliche Risiken und wertbildende Faktoren der Zielgesellschaft in Erfahrung zu bringen58. Derartige Informatio___________ 54

Vgl. Assmann/Schneider-Assmann/Schäfer, § 14 Rn. 88a f.; Hammen, WM 2004, S. 1753, 1754; Jäger, JZ 2003, S. 1048, 1053; Lutter/Scheffler/Schneider-Assmann, Rn. 12.28 f.; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3456; Roschmann/Frey, AG 1996, S. 449, 454; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1812; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2165; Schwark-Schwark, § 14 WpHG Rn. 18; Süßmann, AG 1999, S. 162, 171; Weinmann, DStR 1998, S. 1556, 1560; Werner, ZIP 2000, S. 989, 992; Ziegler, DStR 2000, S. 249, 253. 55 Kiethe, NZG 1999, S. 976, 980; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1035; Roschmann/Frey, AG 1996, S. 449, 452. 56 Kiethe, NZG 1999, 976, 980; Knöfler, S. 98; Kümpel, Rn. 16.120; K. J. Müller, NJW 2000, 3452, 3456; Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 107 Rn. 25; U. Schroeder, DB 1997, 2161 (2164). 57 s. o. B.III.2. 58 Knöfler, S. 98.

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

nen sind in der Regel auch geeignet, die Kursentwicklung erheblich zu beeinflussen, d.h. eine Schwankung von 5% oder mehr auszulösen59. Der Erwerber ist zwar regelmäßig kein Insider i. S. d. § 13 Abs. 1 WpHG aF, wird aber als „Dritter“ mit Kenntniserlangung über die Insidertatsachen zum Sekundärinsider und fällt damit in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 WpHG aF. Bei einem anschließenden Wertpapiererwerb kommt es zunächst nicht darauf an, ob dieser über die Börse oder außerbörslich (d.h. als sog. „Face-to-Face“-Geschäft) abgewickelt wird; auch der außerbörsliche Erwerb von Aktien börsennotierter Gesellschaften wird schon nach bisheriger Rechtslage grundsätzlich vom Insiderrecht erfasst60. Um den Verbotstatbestand des § 14 Abs. 2 WpHG aF zu erfüllen, müsste der Erwerb der Aktien allerdings „unter Ausnutzung“ der erlangten Informationen erfolgen. Ein Ausnutzen wurde bislang dann angenommen, wenn der (Sekundär-)Insider die erlangte Insidertatsache verwerten und hierdurch für sich oder andere einen Sondervorteil schaffen wollte, den er nicht erlangen könnte, wenn die Tatsache öffentlich bekannt wäre61. Im Folgenden soll erörtert werden, wie die Frage des Ausnutzens zu beurteilen ist, wenn der Erwerber durch die Due Diligence Kenntnis von negativen (dazu a) bzw. positiven Insidertatsachen erhält (dazu b); schon vorweg sei allerdings festgehalten, dass die ganz überwiegende Meinung in der Literatur bei den hier zu untersuchenden Konstellationen ein Ausnutzen allenfalls in Sonderfällen (wie z.B. bei sog. AlongsideKäufen62) angenommen hat63.

a) Negative Insidertatsachen Erwerb oder Veräußerung „unter Ausnutzung“ scheiden aus, wenn es sich bei den erlangten Insidertatsachen um „negative“ Informationen handelt, also z.B. bisher versteckte Risiken aufgedeckt werden. Entschließt sich der Interessent, von dem geplanten Erwerb Abstand zu nehmen, ist der Tatbestand nicht einschlägig: denn den Tatbestand der Norm erfüllt nicht das Ausnutzen als solches, sondern nur Erwerb oder Veräußerung unter Ausnutzung von Insider___________ 59

Knöfler, S. 98. Lutter/Scheffler/Schneider-Assmann, Rn. 12.19; Assmann, AG 1997, S. 50, 55; Wastl, NZG 2000, S. 505, 510; Weinmann, DStR 1998, S. 1556, 1560. 61 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 25; Schäfer, § 14 Rn. 11. 62 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn 33; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 285; Wegmann, DStR 1998, S. 1556, 1560; Schäfer, § 14 WpHG Rn. 64; Schwark, § 14 Rn. 18. 63 s. sogleich. 60

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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kenntnissen. Auch ein unechtes Unterlassungsdelikt nach § 13 StGB kommt somit nicht in Betracht, denn dies würde Erwerb oder Veräußerung durch Unterlassen erfordern – dies ist freilich praktisch nicht vorstellbar64. Das bloße Unterlassen des Erwerbs ist also mangels entsprechender Vorschrift nicht strafbar65. Wird die Transaktion trotz der Kenntnis um die negativen Insidertatsachen durchgeführt, hat sich die Information nicht ausgewirkt; sie ist für den Kauf nicht ursächlich geworden und konnte daher auch nicht ausgenutzt werden. Zwar wurde hier die Frage aufgeworfen, ob ein Ausnutzen nicht schon dann gegeben sein könne, wenn der Erwerber mit Hilfe der negativen Insidertatsachen einen niedrigeren Kaufpreis durchsetzen konnte66; die herrschende Meinung hat ein Ausnutzen jedoch bislang verneint, wenn die Kenntnis der Insidertatsache lediglich auf das wie – also Kaufpreis oder Vertragsgestaltung – nicht aber auf das ob der Transaktion Einfluss hatte67.

b) Positive Insidertatsachen Doch auch dann, wenn im Wege der Due Diligence „positive“ Informationen erlangt werden, soll nach der herrschenden Meinung zu § 14 Abs. 2 WpHG aF ein Ausnutzen nicht in Betracht kommen. Denn wenn nach der Due Diligence der Erwerb stattfinde, so sei darin – so die bisher vorherrschende Ansicht – die Umsetzung des bereits vor der Durchführung der Due Diligence getroffenen Kaufentschlusses zu sehen68. Darauf, ob der Erwerber in seinem Entschluss durch die Kenntnis der Insiderinformationen bestärkt werde, komme es nicht an69. Der ursprüngliche Entschluss wird zwar oftmals ebenfalls eine Insidertatsache sein, unterfällt aber als selbst geschaffene Insidertatsache nahe liegender Weise nicht dem Insiderhandelsverbot70. ___________ 64

Schwark-Schwark, § 14 Rn. 8. Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn 9; Hölters-Semler, Teil VI Rn. 69; Weinmann, DStR 1998, 1556, 1560. 66 Vgl. Weinmann, DStR 1998, S. 1556, 1560. 67 Assmann/Schneider - Assmann/Cramer, § 14 Rn. 27a; Hölters-Semler, Teil VI Rn. 69; Schäfer-Schäfer, § 14 WpHG Rn. 12; Schwark-Schwark, § 14 WpHG Rn. 40. 68 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 31; Schäfer-Schäfer, § 14 Rn. 12; Schimansky/Bunte/Lwoski-Hopt, § 107 Rn 60; Schwark-Schwark, § 14 WpHG Rn. 18. 69 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 31 mwN (Fn 2), 33; HöltersSemler, Teil VI Rn. 69; Schäfer-Schäfer, § 14 WpHG Rn. 12; Schimansky/Bunte/Lwoski-Hopt, § 107 Rn 61; Schwark-Schwark, § 14 WpHG Rn. 40; Wastl, NZG 2000, S. 505, 511. 70 Hopt, ZHR 159 (1995), S. 135, 154; Wastl, NZG 2000, S. 504, 511. 65

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

Ein Ausnutzen der Insidertatsache komme nur dann in Betracht, wenn der nach der Due Diligence stattfindende Erwerb nicht mehr vom ursprünglichen Erwerbsentschluss gedeckt sei, also etwa dann, wenn der Erwerber mehr Anteile erwirbt als ursprünglich geplant oder aufgrund seiner Kenntnisse weitere Anteile auf andere Rechnung (z.B. für sich persönlich oder für Dritte) erwirbt71.

3. Verstoß der Zielgesellschaft gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG? Mitglieder des Vorstands der Zielgesellschaft sind funktionsbedingt Primärinsider gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF72. Sie unterliegen daher gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF dem Verbot, einem anderen Insidertatsachen unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen.

a) Die herrschende Meinung Die herrschende Meinung zu § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG aF legt das Merkmal „unbefugt“ eng aus. Die große Mehrzahl der Autoren geht damit davon aus, dass die Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen einer Due Diligence vor einem Unternehmenskauf, dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung oder einer wesentlichen Beteiligung jedenfalls beim außerbörslichen (Face-to-Face)73 Erwerb nicht als unbefugt anzusehen sei74. Die herrschende Meinung stützt sich dabei im Wesentlichen auf drei Argumente: Die Befugnis zur Weitergabe von Insiderinformationen vor den erwähnten Transaktionen ergebe sich aus der Gesetzesbegründung; sie folge außerdem aus der zugrunde liegenden EG-Insiderrichtlinie; und sie trage im Übrigen den ___________ 71

Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn 33; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 285; Wegmann, DStR 1998, S. 1556, 1560; Schäfer, § 14 WpHG Rn. 64; Schwark, § 14 Rn. 18. 72 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 88a; U. Schroeder, DB 1997, S. 2163 ff. 73 Banerjea (ZIP 2003, S. 1730, 1733) sieht auch beim Paketerwerb über die Börse keinen Verstoß gegen § 14 WpHG aF. 74 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn 88b; Lutter/Scheffler/SchneiderAssmann, Rn. 12.28; Assmann, AG 1997, S. 50, 56; Bihr, BB 1998, S. 1198, 1201; Jäger, JZ 2003, S. 1048, 1052 f.; Körber, NZG 2002, S. 263, 266; Linker/Zinger, NZG 2002, S. 497, 500; Merkt, WiB 1996, S. 145, 150; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3456; Roschmann-Frey, AG 1996, S. 449, 453; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1810; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2165; Treeck, FS Fikentscher (1998), S. 435, 440 f.; Werner, ZIP 2000, S. 989, 992; Ziegler, DStR 2000, S. 249, 253; mit Einschränkungen: Wastl, NZG 2000, S. 505, 510; Ziemons, AG 1999, S. 492, 499.

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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Bedürfnissen der Zielgesellschaft (und des Erwerbers) Rechnung, ohne die Interessen der übrigen Anleger zu beeinträchtigen.

aa) Die Gesetzesbegründung Die Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG aF erklärt, es sei unbedenklich, wenn sich der potentielle Erwerber einer Unternehmensbeteiligung im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Unterlagen des zu veräußernden Unternehmens vorlegen lasse und hierdurch Kenntnis von Insidertatsachen erhalte, die anschließend ausschließlich im Zusammenhang mit dem geplanten Paketerwerb verwendet würden75. Hierdurch wird von der herrschenden Meinung gefolgert, dass im Umkehrschluss auch das aktive Vorlegen durch die Organe der Zielgesellschaft unbedenklich sein müsse76.

bb) Die zugrunde liegende EG-Richtlinie Außerdem stützt sich die herrschende Meinung auf die bisherige EGRichtlinie zum Insiderrecht77. In Art. 3 lit. a der Richtlinie heißt es, Personen sei die Weitergabe einer Insiderinformation untersagt, „soweit dies nicht in einem normalen Rahmen in Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder in Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht“. Hierzu wird überwiegend vertreten, dass die Weitergabe von Informationen aber bereits dann im Rahmen der normalen Berufsausübung oder Aufgabenerfüllung erfolge, wenn die Mitglieder des Vorstands hierbei ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten beachten; eine gem. § 93 Abs. 1 AktG zulässige Offenbarung könne damit auch nicht gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstoßen78. Überwiegend wird hier allerdings noch verlangt, dass das gehandelte Paket mehr sein müsse als die Summe der wirtschaftlichen Einzelwerte79; dies sei ein Indiz dafür, dass mit dem Paketerwerb ein unternehmerischer Einfluss auf das Unternehmen verbunden sei80. Erst dies ___________ 75

BT-Drucks. 12/6679 vom 27.1.1994, S. 47. Assmann, AG 1997, S. 50, 56; K. J. Müller, NJW 2000, S. 3452, 3453 f.; SchmidtDiemitz, DB 1996, S. 1809, 1810; Schäfer, § 14 WpHG Rn. 63; Schwark, § 14 WpHG, Rn. 36. 77 Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989. Zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, Abl. EG Nr. L 334/30 vom 18.11.1989. 78 Linker/Zinger, NZG 2002, S. 497, 500; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1810. 79 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 88c; Assmann, AG 1997, S. 50, 56; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1810. 80 Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1810. 76

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

könne eine Privilegierung rechtfertigen81. Hier ist allerdings fraglich, ob es sich dabei um ein zusätzliches Kriterium handelt, da ein abwägungsrelevantes Interesse der Gesellschaft i. S. d. § 93 Abs. 1 S. 2 und § 76 AktG an der Offenbarung von Informationen wohl ohnehin nicht gegeben sein wird, wenn vom Erwerber keine unternehmerische Beteiligung bezweckt wird82.

cc) Berechtigte Interessen der Zielgesellschaft Darüber hinaus müsse es der Zielgesellschaft erlaubt sein, an einen potentiellen Erwerber insbesondere negative Insiderinformationen mitzuteilen, um eine spätere Schadensersatzhaftung zu vermeiden83. Interessen der übrigen Anleger würden hingegen nicht verletzt, da der Erwerber keine Sondervorteile erhalte und für die übrigen Aktionäre nachteilige Kursbewegungen ausblieben84.

b) Die Kritik der Mindermeinung Die dargestellte herrschende Ansicht hat von einzelnen Autoren Kritik erfahren. Insbesondere von Weinmann wurde hierzu vorgebracht, dass die herrschende Auffassung dem Ziel der Insidervorschriften, einen möglichst weitgehenden Marktfunktionsschutz zu erreichen, nicht ausreichend Rechnung trage. Folge man der Argumentation der herrschenden Meinung, würde die informationelle Besserstellung der Pakterwerber diesen günstigere Transaktionen ermöglichen als anderen Marktteilnehmern; dies sei mit dem Gebot informationeller Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren85. Im Übrigen seien auch die aus der Gesetzesbegründung und dem Text der Richtlinie abgeleiteten Argumente nicht stichhaltig: Was den Verweis auf die EG-Richtlinie betreffe, könne bei der Veräußerung von Anteilen nicht von Beruf oder Aufgabe gesprochen werden; und selbst wenn man den Begriff der Aufgabe weit auslegen wolle, so sei doch die Veräußerung keinesfalls normal, sondern vielmehr außergewöhnlich86. Auch die Gesetzesbegründung eigne sich nicht als Basis für die Argumentation der herrschenden Meinung, da der Um___________ 81

Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1810. Ziemons, AG 1999, S. 492, 499. 83 Assmann, AG 1997, S. 50, 56; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1811. 84 Roschmann/Frey, AG 1996, S. 449, 453; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2165; Ziegler, DStR 2000, S. 249, 253. 85 Weinmann, DStR 1998, S. 1556, 1560. 86 Weinmann, DStR 1998, S. 1556, 1561. 82

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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kehrschluss keinesfalls zwingend sei; auch werde die Gesetzesbegründung in einen falschen Kontext gesetzt, da sich die entsprechende Stelle nur auf die Veräußerung eines gesamten Unternehmens, nicht aber auf Paketverkäufe beziehe87. Der Erwerber sei lediglich nicht genötigt, nach Erhalt von Insiderinformationen von seinem Kaufvorhaben Abstand nehmen zu müssen; dies dürfe aber nicht als Freibrief für den Vorstand der Zielgesellschaft missverstanden werden, so dass dieser Insiderinformationen uneingeschränkt offenbaren dürfe88.

c) Stellungnahme: Mindermeinung überzeugt nicht Die dargestellte Kritik kann allerdings vor dem Hintergrund des bisherigen Rechtszustands nicht überzeugen. Zunächst ist klarzustellen, dass der Funktionsschutz des Kapitalmarkts keinen absoluten Wert an sich darstellt, sondern in Wechselwirkung zu anderen Zielen steht89. Es kann also durchaus berechtigte Interessen geben, die in Relation zum Ziel des Marktfunktionsschutzes ein größeres Gewicht beanspruchen. Beim außerbörslichen Pakethandel sind in der Tat eine Vielzahl von Interessen vorstellbar, die eine informationelle Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermögen: So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass gerade in Sanierungsfällen eine dringende Notwendigkeit besteht, sich zunächst anhand einer Due Diligence ein Bild über die Sanierungsfähigkeit zu verschaffen, um dann zeitnah – und ohne die Verzögerung durch vorherige Veröffentlichung der erlangten Informationen – einen Sanierungsplan umsetzen zu können90. Auch sonst sind schützenswerte Interessen an einer vorherigen umfassenden Informationsübermittlung sowohl auf Erwerberseite als auch auf Seiten des Zielunternehmens anzuerkennen. Was die Situation eines Erwerbers betrifft, der unternehmerischen Einfluss ausüben will, liegt auf der Hand, dass dies nur auf der Grundlage von belastbaren Informationen über das Unternehmen geschehen kann91; der Erwerber muss sich in seiner Planung auf die konkrete Situation des Unternehmens einstellen können. Dies stellt auch aus der Perspektive anderer Anleger eine besondere Rechtfertigung für eine informatorische Privilegierung dar und lässt damit keine Beeinträchtigung des Vertrauens in den Kapitalmarkt befürchten; dies gilt umso mehr, als der außerbörslich abgewickelte Pakethan___________ 87

Hasselbach, NZG 2004, S. 1087, 1089. Weinmann, DStR 1998,S. 1556, 1561. 89 Schneider/Singhof, FS Kraft (1998), S. 585, 590; Ziemons, AG 1999, S. 493, 499. 90 Ziegler, DStR 2000, S. 249, 253. 91 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 88b. 88

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D. Bisherige Zulässigkeit der Due Diligence vor Paketerwerben

del in der allgemeinen Wahrnehmung auch als vom amtlichen Handel deutlich abgesetzt empfunden wird und die Interessen der übrigen Anleger nicht tangiert92. Es ist dann nur folgerichtig, dem Vorstand der Zielgesellschaft auch die Möglichkeit einzuräumen, dem berechtigten Informationsinteresse des Erwerbers zu entsprechen. Auf der anderen Seite hat auch die Zielgesellschaft ein Interesse daran, dass der Erwerber seine Entscheidung auf einer möglichst soliden Informationsgrundlage treffen kann: Sollte sich die Investition später als Fehlentscheidung herausstellen, wäre damit zu rechnen, dass der Erwerber versuchen würde, seine Anteile baldmöglichst wieder zu veräußern; hierbei bestünde eine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit von Kursverlusten, die wiederum höhere Kapitalkosten nach sich ziehen könnten93. Eine derartige Entwicklung wird die Zielgesellschaft schon im Ansatz verhindern wollen. Außerdem wurde bereits angesprochen, dass ohne Due Diligence davon ausgegangen werden muss, dass der Erwerber einen Risikoabschlag vornimmt94; wie gezeigt, kann sich dies auf allgemeine Einschätzung von Solvenz, Überlebensfähigkeit und damit Kreditwürdigkeit der Zielgesellschaft sehr nachteilig auswirken95. Auch in anderen Punkten geht die geäußerte Kritik fehl. So wurde bezweifelt, dass die Veräußerung von Anteilen – allenfalls mit der Ausnahme von großen Beteiligungsgesellschaften – als Aufgabe angesehen werden könne96. Diese Überlegung mag richtig sein, sie ist jedoch deplaziert, wenn es um die Gewährung einer Due Diligence durch den Vorstand der Zielgesellschaft geht; dann ist nicht zu fragen, ob die Veräußerung Aufgabe der betroffenen Vorstandsmitglieder ist, sondern allein, ob die Informationsweitergabe zu den Aufgaben zählt. Wie bereits oben dargestellt97, haben die Vorstandsmitglieder im Interesse der Gesellschaft zu agieren und vor dem Hintergrund ihrer aktienrechtlichen Pflichten eine Abwägung zu treffen; dies ist sogar eine Kernaufgabe der Vorstandstätigkeit. Zu diskutieren bleibt allenfalls, inwieweit es sich hierbei um eine Tätigkeit im normalen Rahmen der Aufgabenerfüllung handelt. Hier wurde schon früh aufgezeigt, dass mehrere Auslegungen denkbar sind98: Abgestellt werden kann ___________ 92

Assmann, AG 1997, S. 50, 56; Roschmann/Frey, AG 1997, S. 449, 453; U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2165. 93 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 88b; Banerjea, ZIP 2003, S. 1730, 1731; Ziemons, AG 1999, S. 492, 498. 94 s. o. D.I.3. 95 s. o. D.I.3. 96 Weinmann, DStR 1998,S. 1556, 1561. 97 s. o. D.I.3. 98 U. Schroeder, DB 1997, S. 2161, 2164.

II. Kapitalmarktrecht – § 14 WpHG aF

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entweder auf die „normale“ Vorstandstätigkeit im Sinne alltäglicher Verrichtungen oder auf eine „normale“ Vorgehensweise im Sinne von üblichen Verfahrensabläufen. Mittlerweile scheint sich jedoch durchzusetzen, dass auch die Frage nach der „Normalität“ einer Informationsweitergabe von einer Interessenabwägung abhängig ist99. Legt man die spezifische Interessenlage beim Erwerb einer wesentlichen Beteiligung zugrunde (s. o.), so ist demnach in diesen Konstellationen auch in aller Regel von einer „normalen“ Weitergabe auszugehen.

4. Zwischenergebnis Es kann daher festgestellt werden, dass nach bisheriger Rechtslage der Erwerb von Aktien börsennotierter Aktiengesellschaften nach Durchführung einer pre-acquisiton Due Diligence auch bei Erlangung von Insiderinformationen jedenfalls unter den folgenden Voraussetzungen keinen Verstoß gegen die insiderrechtlichen Vorschriften des § 14 WpHG aF darstellt: (1.) Es handelt sich um den Erwerb (mindestens) einer wesentlichen Beteiligung, d.h. eines Anteils, der eine unternehmerische Einflussnahme ermöglicht; (2.) der Erwerb findet außerbörslich, d.h. als Face-to-Face-Transaktion statt.

___________ 99

Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 48d ff.

E. Neue Rechtslage Vorstehend wurde festgehalten, dass die Durchführung einer Due Diligence vor einer Unternehmenstransaktion auch unter dem Blickwinkel des Kapitalmarktrechts bisher prinzipiell möglich war. Mit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) zum 30.10.2004 wird dieser Befund jedoch grundsätzlich in Frage gestellt. Durch das AnSVG wurden einige Änderungen in das WpHG aufgenommen: Genannt seien etwa der Wegfall der Unterscheidung zwischen Sekundär- und Primärinsider auf Tatbestandsebene, die sich auch im geänderten Wortlaut des § 14 WpHG widerspiegelt, und der neue Begriff der Insiderinformation (statt Insidertatsache), der ebenfalls in § 14 WpHG Eingang gefunden hat. Auch wurde die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung in § 13 Abs. 1 S. 2 WpHG dahingehend legaldefiniert, dass ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Im hier gegebenen Zusammenhang ist jedoch eine weitere Änderung des § 14 WpHG weitaus interessanter – und sorgt in der Praxis für erhebliche Verunsicherung:

I. Geänderter Normtext des § 14 WpHG In § 14 Abs. 1 WpHG hieß es bisher: „[es ist] verboten [...], (1.) unter Ausnutzung [...] einer Insidertatsache Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern“.

Der neue Text des § 14 WpHG lautet dagegen: „Es ist verboten, (1.) unter Verwendung einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern“.

Damit wurde der Wortlaut der Vorschrift deutlich verschärft; legt man nur den Text zugrunde, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die Schwelle, ab der der Verbotstatbestand des § 14 WpHG eingreift – und damit auch die strafrechtliche Verantwortung gemäß § 38 WpHG – jetzt deutlich niedriger liegt. Damit wird grundlegend in Frage gestellt, ob die bisherige Praxis der Due Diligence weiter aufrecht erhalten werden kann: Denn während die Vorschriften zur Weitergabe von Insiderinformationen im Wesentlichen unverändert geblieben

II. Auslegung, Auswirkungen: Stellungnahmen in der Literatur

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sind1, könnte sich der Wechsel vom „Ausnutzen“ zur „Verwendung“ nachhaltig auf die Rechtsstellung des Erwerbers auswirken. Diese Frage gilt es im weiteren Verlauf der Arbeit zu untersuchen.

II. Auslegung, Auswirkungen: Stellungnahmen in der Literatur Es verwundert nicht, dass sich in jüngster Zeit zahlreiche Autoren dieses Problems angenommen haben2. Während einige Autoren das Problem vorerst nur anreißen, ohne einen Lösungsvorschlag anzubieten, sollen im Folgenden drei Beiträge dargestellt werden, die sich als erste eingehender mit Auslegung und Auswirkungen des neugefassten § 14 WpHG auseinander gesetzt haben3.

1. Stellungnahme von Ziemons Ziemons4 äußert die Befürchtung, dass durch den neuen § 14 WpHG die bisherige Praxis der Durchführung einer Due Diligence vor Unternehmenskäufen teilweise unzulässig werden könne. Ziemons führt zunächst aus, dass sich das tatsächliche Ausmaß der Veränderung nicht auf den ersten Blick erschließe: So könne man bei unbefangener Betrachtung zu dem Ergebnis kommen, dass der neue Wortlaut „unter Verwendung“ auch weiterhin voraussetze, dass die Insiderinformation zumindest für die folgende Transaktion kausal sein müsse5. Aus der zugrunde liegenden EGRichtlinie und deren Erwägungsgründen ergebe sich jedoch, dass schon jedes Handeln im Besitz einer Insiderinformation eine Nutzung im Sinne der Richtlinie sei; dieser Befund werde auch durch die Entstehungsgeschichte der EGRichtlinie gestützt6. Allerdings führt Ziemons als Beleg für diese Einschätzung ___________ 1

Vgl. v. Falkenhausen/Widder, BB 2005, S. 225, 227. Zu nennen sind hier u. a. Baur, Die Bank 2004, Nr. 10, S. 14; Bürgers, BKR 2004, S. 424, 425; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929 ff.; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425; Hammen, WM 2004, S. 1753, 1759; Hasselbach, NZG 2004, S. 1087; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 283 ff.; Holzborn/Israel, WM 2004, S. 1948, 1951; Kuthe, ZIP 2004, S. 883, 884; S. Koch, DB 2004, S. 267, 269; Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1035 f.; Rodewald/Tüxen, BB 2004, S. 2249 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2004, S. 346, 354; Ziemons, NZG 2004, S. 537, 538 ff. 3 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929 ff.; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425; Ziemons, NZG 2004, S. 537, 538 ff. 4 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 538 ff. 5 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 6 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 2

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E. Neue Rechtslage

im Folgenden lediglich aus, dass die Materialien erkennen ließen, dass jeder Hinweis auf Zweck oder Vorsatz unterbleiben solle7. Im Folgenden nimmt Ziemons zu den vorgesehenen Ausnahmen vom Insiderhandelsverbot Stellung. Sie führt aus, dass die Erfüllung einer vor Erhalt der Insiderinformationen eingegangenen Verpflichtung nicht vom Insiderhandelsverbot erfasst sei; dies ergebe sich jedenfalls aus der Gesetzesbegründung, wenn auch nicht aus der Vorschrift selbst8. Weiterhin sei der Verkaufs- oder Erwerbsentschluss als solcher auch in Zukunft eine Insiderinformation, der darauf folgende Verkaufs- oder Erwerbsvorgang allerdings wie bisher kein verbotenes Insidergeschäft9. Fraglich sei jedoch, ob auch zukünftig ein Paketerwerb nach Durchführung einer Due Diligence zulässig sei: Lege man die vorgesehenen Ausnahmen zugrunde, müsse davon ausgegangen werden, dass ein derartiges Vorgehen nur dann insiderrechtlich unbedenklich sei, wenn es im Rahmen eines auf Kontrollerwerb ausgerichteten öffentlichen Übernahmeangebots erfolge10. Für Konstellationen, in denen erst nach Vereinbarung eines zum Kontrollerwerb führenden Paketverkaufs ein Pflichtangebot durchgeführt werde, und erst Recht dann, wenn lediglich eine Minderheitsbeteiligung erworben werden solle, seien hingegen keine Ausnahmen vorgesehen11. Das bisherige Verständnis, dass der Erwerber den Kaufentschluss ja grundsätzlich schon vor Durchführung der Due Diligence getroffen habe und deswegen die neuen Informationen nicht ausnutze, sei nicht mehr anwendbar; schließlich komme es nicht auf ein „Ausnutzen“ an, sondern das bloße „Verwenden“ oder „Nutzen“ reiche aus – dies sei jedoch schon bei einem Handeln in Kenntnis der Insiderinformationen gegeben12.

2. Stellungnahme von Diekmann/Sustmann Diekmann/Sustmann13 deuten die Gesetzesänderung im Ergebnis in ähnlicher Weise, allerdings mit einer anderen Argumentation. Sie erläutern, warum das Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ durch den der „Verwendung“ ersetzt wurde, weisen aber darauf hin, dass nach dem Regie___________ 7

Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 9 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 10 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 11 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 540. 12 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539 f. 13 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929 ff. 8

II. Auslegung, Auswirkungen: Stellungnahmen in der Literatur

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rungsentwurf auch das „Verwenden“ verlange, dass der Täter die Information in sein Handeln mit einfließen lasse14; dies unterscheidet sich von der von Ziemons vorgebrachten Argumentation, dass nicht einmal Kausalität zur Erfüllung des Tatbestands erforderlich sei15. Nach Meinung der Autoren könne das Erfordernis des „einfließen Lassens“ jedoch nicht als Einschränkung verstanden werden. Denn auch wenn die aus einer Due Diligence gewonnenen Informationen durch den Erwerber, der den Kaufentschluss im wesentlichen schon vorher getroffen habe, nicht ausgenutzt würden, so wäre es doch nicht vorstellbar, dass der Erwerber die Informationen in seine Entscheidung (überhaupt) nicht einfließen lasse: Schließlich dienten die Informationen doch gerade dazu, die zuvor getroffene Kaufentscheidung zu bestätigen16. Auf dieser Grundlage stellen auch Diekmann/Sustmann fest, dass eine Beibehaltung der bisherigen Praxis problematisch erscheint. Als Konsequenz werfen sie die Frage auf, ob sich die Vorschrift nicht im Wege der teleologischen Reduktion entschärfen lasse17, verfolgen diesen Aspekt jedoch nicht weiter. Letztlich erörtern die Autoren noch folgendes: Unterstelle man, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie keine Verschärfung beabsichtigt habe, so seien zumindest Due-Diligence-Prüfungen vor öffentlichen Übernahmeangeboten zulässig (so auch Ziemons, s. o.). Die Konstellation der Due Diligence vor Paketerwerb sei hiermit vergleichbar; die Autoren halten es deswegen für „wünschenswert“, wenn auch diese bisherige Praxis nicht unter das Insiderhandelsverbot fiele18, führen dies jedoch nicht weiter aus.

3. Stellungnahme von Fromm-Russenschuck/Banerjea Der dritte der hier darzustellenden Beiträge stammt von Fromm-Russenschuck/Banerjea19. Im Gegensatz zu den soeben besprochenen Aufsätzen vertreten diese Autoren eine Auslegung, die weitgehend an der bisherigen Praxis und der herrschenden Meinung zur Rechtslage vor Inkrafttreten des AnSVG festhält. ___________ 14

Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 16 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. 17 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. 18 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. 19 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425. 15

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E. Neue Rechtslage

Wie Diekman/Sustmann – und anders als Ziemons – sind auch FrommRussenschuck/Banerjea der Auffassung, dass ein „Verwenden“ zwar kein subjektives Element, aber doch Kausalität zwischen Insiderinformation und anschließendem Erwerb des Insiderpapiers erfordere; dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut, der sonst – d.h., sollte die Auffassung von Ziemons richtig sein – „im Besitz“ lauten müsse20. Auch könne sich diese Ansicht auf Hinweise in der Gesetzesbegründung stützen, etwa das bereits von Diekmann/Sustmann zitierte „Einfließen“ oder die Formulierung „auch ohne“ (Letzteres bezogen auf die Erfüllung einer Verbindlichkeit)21. Allerdings sprechen sich die Autoren vehement gegen die Ansicht von Diekmann/Sustmann aus, dass eine im Wege der Due Diligence erlangte Insiderinformation regelmäßig in den Kaufentschluss einfließe: Der Kaufentschluss sei schon vor Durchführung der Due Diligence getroffen22. Eine Kausalität sei allenfalls dann gegeben, wenn neben dem schon vor der Due Diligence geplanten Erwerb weitere Insiderpapiere gekauft würden (sog. AlongsideKäufe)23. Allerdings sei in diesen Fällen an eine teleologische Reduktion zu denken, und zwar dann, wenn sowohl auf Seiten des Erwerbers als auch des Veräußerers Insiderkenntnisse gegeben seien, da in dieser Konstellation die Integrität des Marktes nicht gefährdet sei24. Zusammenfassend erklären die Autoren, dass die Änderung des WpHG nicht dahingehend missverstanden werden dürfe, dass internationale Gepflogenheiten der M&A-Praxis in Deutschland verboten werden sollten25.

4. Die Rechtsauffassung der BaFin Die BaFin vertritt in ihrem Emittentenleitfaden26 die Rechtsauffassung, dass sich die Rechtslage (auch) in Bezug auf Paketerwerbe unterhalb der 30%Kontrollschwelle nach Durchführung einer Due Diligence durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz nicht geändert habe27. Der Emittentenleitfaden beruft sich hierbei auf die „Schutzrichtung der Strafnorm“28: Wie sich aus Erwä___________ 20

Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2426. Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427. 22 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427. 23 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427. 24 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427. 25 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2428. 26 Veröffentlicht am 15.7.2005. 27 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 28. 28 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 27. 21

II. Auslegung, Auswirkungen: Stellungnahmen in der Literatur

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gungsgrund 13 der Marktmissbrauchsrichtlinie, aber auch schon aus Erwägungsgrund 3 der Insiderrichtlinie ergebe, sei dies das Vertrauen der Öffentlichkeit „in die Integrität und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes“29. Bei außerbörslichen Paketerwerben, bei denen nach einer Due-Diligence-Prüfung beide Parteien den gleichen Kenntnisstand hätten, sei dieses Schutzgut aber jedenfalls dann nicht betroffen, wenn der Erwerber lediglich einen schon zuvor gefassten Erwerbsentschluss umsetze. Damit fiele der Erwerb auch dann nicht unter § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, wenn dabei durch die Due Diligence erlangte Insiderinformationen „verwendet“ würden30. Diese Beurteilung steht allerdings in auffälligem Gegensatz zu der zunächst im Entwurf des Emittentenleitfadens geäußerten Auffassung31: Hier war zu lesen, dass auch dann, wenn die durch eine Due Diligence erlangten Insiderinformationen den Erwerber in seinem Entschluss bestärken, von einem „Verwenden“ im Sinne des 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auszugehen sei. Eine Ausnahme sei nur für den in Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie vorgesehenen Fall anzuerkennen, dass ein öffentliches Übernahmeangebot mit dem Ziel eines Kontrollerwerbs oder des Zusammenschlusses zweier Unternehmen bezweckt sei; Paketerwerbe unterhalb der Kontrollschwelle seien hingegen ausnahmslos vom Insiderhandelsverbot erfasst32.

5. Kritik an den dargestellten Auffassungen Diese ersten Stellungnahmen ermöglichen eine vorläufige Orientierung zu Stand und Ausmaß des Problems, weisen jedoch einige Schwachstellen auf.

a) Ziemons Der Beitrag von Ziemons33 enthält zwei grundsätzliche Mängel: Zum ersten wird zwar überzeugend dargelegt, dass mit der Verdrängung des früheren Tat___________ 29 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 27; tatsächlich lautet Erwägungsgrund 13 der Marktmissbrauchsrichtinie: „Eine neue Richtlinie ist auch erforderlich, um Lücken im Gemeinschaftsrecht zu schließen, die […] das Vertrauen der Öffentlichkeit untergraben und das reibungslose Funktionieren der Märkte beeinträchtigen“ [Hervorhebung hinzugefügt]. 30 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 27. 31 BaFin, Entwurf des Emittentenleitfadens, Stand 22.12.2004, S. 24; vgl. Merkner/Sustmann, NZG 2005, S. 729, 732. 32 BaFin, Entwurf des Emittentenleitfadens, Stand 22.12.2004, S. 24. 33 Ziemons, NZG 2004, S. 537.

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E. Neue Rechtslage

bestandsmerkmals des „Ausnutzens“ durch das neue „Verwenden“ ein besonderes subjektives Element (im Sinne einer überschießenden Innentendenz) für die Erfüllung des § 14 WpHG nicht mehr erforderlich ist34. Daraus allerdings zu folgern, dass es auch auf eine Kausalität nicht mehr ankomme, erscheint voreilig und im Mindesten begründungsbedürftig; die Autorin verwischt hier den Unterschied zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand. Zwar ist positiv, dass Ziemons die Interrelation von Richtlinie und angeglichener deutscher Rechtsnorm herausstellt und hierbei auch auf den besonderen Charakter der Erwägungsgründe zur Richtlinie eingeht35. Problematisch erscheint allerdings, dass bei der Darstellung der sich aus der Richtlinie und ihren Erwägungsgründen ergebenden Ausnahmen nicht darauf eingegangen wird, warum die angesprochenen Ausnahmen als abschließend anzusehen sind, obwohl dies anscheinend von der Autorin vorausgesetzt wird36. Auch drängt sich insgesamt die Frage auf, ob denn einerseits der europäische, andererseits der deutsche Normgeber tatsächlich eine Verschärfung des Insiderrechts dergestalt bezweckte, dass in der Praxis bisher weit verbreitete und allgemein anerkannte Vorgehensweisen plötzlich mit Strafdrohung belegt sein sollen. Die Erörterung dieses Problems kommt leider zu kurz.

b) Diekmann/Sustmann Der Beitrag von Diekmann/Sustmann37 stellt knapp aber einleuchtend dar, dass auch bei Wegfall eines besonderen subjektiven Elements für die Strafbarkeit erforderlich ist, dass eine Kausalität zwischen der Kenntnis über die Insiderinformation und dem Erwerb der Insiderpapiere besteht38. Auch die Feststellung, dass eine Kausalität im Sinne eines „einfließen Lassens“ in aller Regel gegeben sein wird, die Kausalität also kaum als begrenzendes Merkmal angesehen werden kann39, ist schlüssig. Problematisch ist allerdings, dass die sich hieraus ergebenden Konsequenzen nur angedeutet werden. Die Autoren werfen wichtige Fragen auf – etwa nach der Zulässigkeit von Übernahmeangeboten einerseits und dem Erwerb wesentli___________ 34

Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 36 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539 f. 37 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929. 38 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931; so auch Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 285; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2426 f.; Schlitt/Schäfer, AG 2004, S. 346, 354. 39 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. 35

II. Auslegung, Auswirkungen: Stellungnahmen in der Literatur

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cher (Minderheits-)Beteiligungen nach Due Diligence andererseits40 –, liefern für deren Beantwortung allerdings nur erste Ansatzpunkte: Die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion wird zwar angesprochen, aber nicht näher erörtert; zur Situation bei der Due Diligence vor Paketerwerb wird lediglich der Wunsch geäußert, dies möge auch weiterhin zulässig sein41. Damit bleiben die wichtigsten Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Änderung des § 14 WpHG stellen – insbesondere nach den Auswirkungen auf die Praxis – unbeantwortet.

c) Fromm-Russenschuck/Banerjea Die Stellungnahme von Fromm-Russenschuck und Banerjea42 greift als Prämisse die Einschätzung von Diekmann/Sustmann auf, dass das bisherige Erfordernis eines besonderen subjektiven Elements aufgegeben wurde und es nach neuer Rechtslage nur noch auf Kausalität ankomme43; dies ist in Anlehnung an das oben Ausgeführte nicht zu beanstanden. Allerdings wird sodann behauptet, dass eine Kausalität im Sinne eines „Einfließen-Lassens“ der Kenntnis der Insiderinformation in den Erwerbsentschluss in aller Regel nicht gegeben sei; schließlich sei der Kaufentschluss schon vorher getroffen44. Diese „Alles-oder-nichts“-Betrachtung steht in auffälligem Gegensatz zu der nur wenig vorher gefundenen Erkenntnis der Autoren, dass die Informationen zukünftig nur „irgendeine Form der Auswirkung auf [das] Handeln“ des Erwerbers haben müssten45. Dies wird wohl kaum in dieser Absolutheit verneint werden können. Selbstverständlich wird eine Due Diligence erst durchgeführt, wenn jedenfalls im Grundsatz ein Erwerbsentschluss getroffen ist. Vorher wäre dies angesichts der oben dargestellten Interessen der Vertragsparteien auch gar nicht möglich: Wie dargestellt, bedarf die Zulassung der Due Diligence durch den Vorstand der Zielgesellschaft einer sorgfältigen Abwägung, und auch bei einem nur relativen Wert der Geheimhaltungspflichten wird ein Überwiegen der Argumente für die Due Diligence erst dann anzunehmen sein, wenn das Erwerbsinteresse hinreichend konkret ist46. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass es erst durch die Due ___________ 40

Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. 42 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425. 43 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2426 f. 44 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427; ähnlich Brandi/ Süßmann, AG 2004, S. 642, 644. 45 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2426. 46 s. o. D. I. 41

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E. Neue Rechtslage

Diligence ermöglicht wird, Chancen und Risiken der geplanten Akquisition auf Grundlage belastbarer Informationen abwägen zu können47. Dass das Ergebnis trotzdem keinen Einfluss – also auch nicht irgendeine Form der Auswirkung – auf die Erwerbsentscheidung haben soll, da diese ja bereits (abschließend?) getroffen sei, ist kaum vorstellbar. Zwar ist den Autoren darin Recht zu geben, dass nicht automatisch und in jedem Einzelfall davon auszugehen sein wird, dass das Kausalitätserfordernis erfüllt ist; tatsächlich wird dies nach allgemeinen Grundsätzen im jeweiligen Einzelfall zu untersuchen sein. Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob eine Kausalität im geschilderten Sinne – dass die Information irgendeine Form der Auswirkung auf das Handeln des Erwerbers hat – nicht bei rechtstatsächlicher Betrachtung zumindest nahe liegt. Die Bejahung dieser Frage (dies haben Diekmann/Sustmann getan48) ist auch keinesfalls mit einer „rechtsstaatswidrigen Beweislastumkehr“49 gleichzusetzen. Die Ausführungen zur Frage der teleologischen Reduktion50 sind – wohl auch, weil die Autoren hierfür im Regelfall keine Notwendigkeit sehen – eher kursorisch. Gerade die dargestellte Situation, dass beiden Marktteilnehmern eine Insiderinformation bekannt ist und deswegen keine Beeinträchtigung des Marktes zu erwarten ist, geht wohl am eigentlichen Problem vorbei: Denn Schwierigkeiten treten ja gerade dann auf, wenn der Erwerber die Insiderinformationen erst im Wege der Due Diligence (deren Funktion entsprechend) erhalten hat. Der Verweis darauf, dass der Gesetzgeber ohnehin keine Änderung der Rechtslage für Face-to-Face-Geschäfte bezweckt habe51, vermag gerade vor diesem Hintergrund in seiner apodiktischen Kürze nicht zu überzeugen.

d) Emittentenleitfaden der BaFin Es ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass der Emittentenleitfaden der BaFin für die Praxis eine herausgehobene Bedeutung einnehmen wird. Zwar wird die Position der Bundesanstalt nur in geringem Maße argumentativ unterstützt; dies ist indes bei einem praxisorientierten Leitfaden auch nicht anders zu ___________ 47 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 87; Picot-Picot, Teil I Rn. 45; SchmidtDiemitz, DB 1996, S. 1809, 1812; vgl. auch Kiethe, NZG 1999, S. 976, 977; Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, S. 174, 175; Merkt, WiB 1996, S. 145, 147. 48 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931; vgl. auch S. Koch, DB 2005, S. 267, 269; Weber, NJW 2004, S. 3674, 3676. 49 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427. 50 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427. 51 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427.

II. Auslegung, Auswirkungen: Stellungnahmen in der Literatur

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erwarten und wird seiner Bedeutung im Übrigen auch keinen Abbruch tun. Auch die unvermittelte Aufgabe der noch im Entwurf vertretenen restriktiven Position wird hieran nichts ändern, umso mehr, als die neue Rechtsansicht nun mit teleologischen Erwägungen begründet wird52. Dennoch liegt auf der Hand, dass der Emittentenleitfaden eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik nicht ersetzen kann. Gerade der offenkundige – und letztlich nur sehr knapp begründete – Meinungswechsel legt es hier nahe, dass die Frage der Zulässigkeit des außerbörslichen Paketerwerbs nach Due Diligence weiterer Erörterung bedarf, um zu einem belastbaren Ergebnis gelangen zu können.

e) Fazit Nach alledem wird deutlich, dass die bisher vorliegenden Stellungnahmen aus der Literatur zwar durchweg erkennen lassen, dass die Änderungen des § 14 WpHG das Potential haben, die bisherige Praxis der Due-DiligencePrüfungen vor Unternehmensakquisitionen grundsätzlich in Frage zu stellen. Trotzdem lassen die Beiträge eine systematische Analyse vermissen; zwar sind zu wichtigen Fragen viel versprechende Ansätze gegeben, etwa die nähere Auseinandersetzung mit EG-Richtlinie, Erwägungsgründen und Gesetzesbegründung bei Ziemons53 oder die Ausführungen zum Kausalitätsproblem bei Diekmann/Sustmann54 und Fromm-Russenschuck/Banerjea55. Allerdings werden aufgeworfene Fragen, etwa nach der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion, nicht ausreichend erörtert. Auch leidet die praktische Verwertbarkeit durch Mängel der Argumentation im Detail. Und letztlich ist nicht zu verkennen, dass die knappen Beiträge schon durch ihren begrenzten Umfang nicht in der Lage sein können, die aufgeworfenen Probleme einer abschließenden Klärung zuzuführen. Der Emittentenleitfaden der BaFin hingegen verfolgt einerseits konsequent den Weg der teleologischen Auslegung und ist andererseits auch sicherlich von großer Bedeutung für die Praxis. Wie dargestellt, bleibt aber auch diese Stellungnahme naturgemäß hinter einer abschließenden Klärung der Thematik zurück. ___________ 52

Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 27; BaFin, Entwurf des Emittentenleitfadens, Stand 22.12.2004, S. 24. 53 Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539 f. 54 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931. 55 Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427.

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E. Neue Rechtslage

6. Zwischenergebnis: Notwendigkeit systematischer Analyse Vor dem Hintergrund der großen praktischen Bedeutung und nicht zuletzt auch der oftmals gegebenen zwingenden Notwendigkeit der Durchführung einer Due Diligence vor Unternehmensakquisitionen ist es jedoch unerlässlich, zu einem sicheren Verständnis der neuen Rechtslage zu kommen. Wie gezeigt, haben die bisherigen Beiträge zur Neufassung des § 14 WpHG dieses Ziel noch nicht erreicht. Gerade angesichts der verbreiteten Unsicherheit in der Praxis erscheint es daher notwendig, durch eine systematische Analyse zu mehr Rechtssicherheit beizutragen. Hier wird man sich zuerst mit dem Problem auseinandersetzen müssen, nach welchen Maßstäben eine an europäisches Recht angeglichene deutsche Rechtsnorm auszulegen ist. Diese Frage ist auch in der europarechtlichen Literatur und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt56; während einige Stimmen die Auffassung vertreten, dass sich die europäische Dimension der tradierten deutschen Auslegungsmethodik unterzuordnen habe und nur innerhalb dieser Berücksichtigung finden könne57, sind andere der Meinung, dass bei angeglichenem Recht die Auslegung ganz allein an den europäischen Vorgaben auszurichten sei58. Hier wird auch zu untersuchen sein, inwieweit aus der Rechtsprechung des EuGH eine Richtschnur zu dieser Fragestellung entwickelt werden kann. Soweit sich eine Methode zur „richtigen“ Auslegung des § 14 WpHG als angeglichener Rechtsnorm feststellen lässt – dies wird dann der Fall sein, wenn sich hinreichende Sicherheit für eine Akzeptanz des zu erwartenden Auslegungsergebnisses durch Literatur und Rechtsprechung bietet – bleibt im Rahmen der Auslegung zu untersuchen, welche Motive die Rechtsänderung begleitet haben, und zwar – ausgerichtet an der Bedeutung für die Auslegung – sowohl auf Seiten des europäischen als auch des nationalen Normgebers. Hier kann insbesondere von Belang sein, inwieweit sich ein möglicherweise fehlender Wille, bestimmte Bereiche der bisherigen Praxis einer schärferen Verbotsnorm zu unterstellen, gegen den Wortlaut der Vorschrift durchsetzen kann. Letztlich wird zu untersuchen sein, welche Auswirkungen der Rechtsänderung auf die Praxis zu erwarten sind. Hier wird das Hauptaugenmerk darauf zu legen sein, in welchen Konstellationen – soweit überhaupt – damit zu rechnen ist, dass die neuen Vorschriften künftig der Durchführung einer Due Diligence vor einem Paketerwerb entgegenstehen. ___________ 56

R. Schulze, ZfRV 1997, S. 183. Brechmann, 265 ff., 273; Bernhard, FS Kutscher (1981), S. 17; Di Fabio, NJW 1990, S. 947. 58 Everling, ZGR 1992, S. 376; Grundmann, ZEuP 1996, S. 399; M. Schmidt, RabelsZ 1995, S. 569. 57

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF Wie bereits angesprochen, handelt es sich bei § 14 WpHG um eine Rechtsnorm, die zur Umsetzung einer europäischen Richtlinie erlassen wurde. Dies erweitert den bekannten Auslegungskanon – klassischerweise bestehend aus dem Zusammenspiel von grammatischer, systematischer, teleologischer und historischer Auslegung59 – um (mindestens) eine weitere Dimension, gilt es doch, der europarechtlichen Herkunft Rechnung zu tragen. Es ist daher erforderlich, zum einen herauszuarbeiten, inwieweit die zugrunde liegende europäische Richtlinie – hier die Marktmissbrauchsrichtlinie – die Auslegung der angeglichenen Norm des deutschen Rechts determiniert, und zum anderen festzustellen, wie die zugrunde liegende Richtlinie selbst auszulegen ist. Im Folgenden soll daher zunächst geprüft werden, wie europäische Richtlinien – zunächst allgemein und dann konkret die Marktmissbrauchsrichtlinie – auszulegen sind (dazu 1.). Ist hier ein Ergebnis gefunden, soll in einem zweiten Schritt untersucht werden, in welcher Weise die Auslegung einer angeglichenen Vorschrift des nationalen Rechts durch die zugrunde liegende Richtlinie geprägt wird (dazu 2.). Im letzten Schritt wird dann auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse § 14 WpHG nF selbst auszulegen sein (dazu 3.).

1. Auslegung der zugrunde liegenden Richtlinie Während für das nationale deutsche Recht ein Auslegungskanon zur Verfügung steht, der sich seit Savigny60 weiterentwickelt und gefestigt hat, war die Auslegung des vergleichsweise jungen Europarechts schon in den Grundsätzen lange Zeit umstritten. So wurde beispielsweise lange diskutiert, ob sich die Auslegung europäischer Rechtsnormen – vor allem, aber nicht nur, des Primärrechts – an den für völkerrechtliche Verträge anerkannten Auslegungsregeln oder an den Auslegungsregeln des nationalen Rechts zu orientieren habe61. Während diese Frage heute als geklärt gelten darf – nach der mittlerweile ganz herrschenden Meinung ist der Anlehnung an die Auslegungsmethoden des nationalen Rechts der Vorzug zu geben62 – ist doch fraglich, ob auch insgesamt von der Existenz eines gefestigten Auslegungssystems ausgegangen werden kann. Um ein sicheres und reproduzierbares Ergebnis bei der Auslegung der Marktmiss___________ 59

Larenz/Canaris, S. 141 ff. Savigny, Methodenlehre, passim; vgl. auch Larenz/Canaris, S. 11 ff. 61 R. Bernhardt, FS Kutscher (1981), S. 17, 18. 62 R. Bernhardt, FS Kutscher (1981), S. 17, 19 f.; P. P. Meyer, Jura 1994, S: 455 f.; Oppermann, Europarecht, Rn. 680. 60

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E. Neue Rechtslage

brauchsrichtlinie erzielen zu können, muss daher zunächst untersucht werden, ob überhaupt ein verlässlicher Maßstab für die Auslegung von europäischen Richtlinien gefunden werden kann. Grundlage hierfür wird neben der europarechtlichen Literatur zum Thema in besonderem Maße die Rechtsprechung des EuGH sein.

a) Auslegung europäischer Richtlinien im Allgemeinen aa) Grammatische Auslegung Außer Zweifel steht, dass jede Normauslegung mit dem Wortlaut der Norm beginnt. Dies gilt selbstverständlich auch für das Europarecht und die Auslegung europäischer Richtlinien63. Allerdings stellt sich hierbei ein spezifisches Problem: Da das Europarecht nicht nur eine, sondern – nach der jüngsten Erweiterung auf jetzt 25 Mitglieder – gleich 20 Amtssprachen kennt, ist die Feststellung des Wortlauts mitunter von besonderer Schwierigkeit. Der EuGH folgt dem Grundsatz, dass alle sprachlichen Fassungen zu berücksichtigen sind64; es darf also kein Mindeststandard gebildet werden, sondern die verschiedenen Versionen müssen kumuliert werden65. Es wird daher auch zu untersuchen sein, ob sich bei der Marktmissbrauchsrichtlinie (jedenfalls) beim Vergleich repräsentativ ausgewählter sprachlicher Fassungen (deutsch, englisch, französisch) sprachliche Diskrepanzen ergeben.

bb) Systematische und teleologische Auslegung Aus dem nationalen Recht ist bekannt, dass der Wortlaut einer Vorschrift einerseits die Grundlage, andererseits aber auch die Grenze der Auslegung darstellt66. Auch der EuGH sieht den Wortlaut als ersten Anhaltspunkt, an den die weitere Auslegung anknüpft; die Urteile des Gerichtshofes lassen aber unschwer ___________ 63 Oppermann, Europarecht, Rn. 682; R. Schulze, Auslegung, S. 13; Hommelhoff bei R. Schulze, Auslegung, S. 29. 64 EuGH Slg. 1982, S. 3415, 3430; vgl. VO Nr. 1 des Rates zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vom 15.04.1958, Abl. EG 17 385. Deutsche Gerichte sind bei der Heranziehung der unterschiedlichen Sprachfassungen bislang eher zögerlich, vgl. Roth, Festgabe, Bd. II, S. 847, 874. 65 Bleckmann, ZGR 1992, S. 364, 366. 66 BVerfGE 8, S. 28; st. Rspr.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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erkennen, dass der Schwerpunkt der Auslegung in der systematischen und, damit oftmals verquickt67, in der teleologischen Auslegung liegt68. Inwieweit der Wortlaut auch bei der Auslegung von Richtlinien die „äußerste Grenze“ darstellt, bleibt unten zu erörtern. In der Rechtsprechung des EuGH werden systematische und teleologische Auslegungsansätze oft miteinander verschmolzen69; auch ist nicht immer klar, wie der Gerichtshof den „Telos“, der die Auslegung leiten soll, ermittelt. Deshalb wurde in der Literatur auch verschiedentlich bemängelt, die Auslegung des EuGH folge letztlich gar keinem System und sei daher auch nicht voraussehbar70. Tatsächlich ziehen sich jedoch Grundlinien durch die Rechtsprechung des EuGH, die diesen Vorwurf – oder aus der Perspektive des Auslegenden: diese Befürchtung – zumindest teilweise entkräften können. So ist der EuGH bemüht, sich bei der Auslegung von Richtlinien am europäischen Primärrecht und an den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Gemeinschaft auszurichten71; auch wenn dies nicht immer ausdrücklich klargestellt wird, so wird doch in aller Regel deutlich, dass der Gerichtshof die Ziele einer Richtlinie nahe liegender Weise den in der Präambel niedergelegten Gründen entnimmt72. In systematischer Hinsicht versucht der Gerichtshof nicht nur, ein System innerhalb der einzelnen Bestimmungen der auszulegenden Richtlinie zu ermitteln, sondern ist auch bestrebt, die auszulegende Richtlinie mit anderen Richtlinien des gleichen Bereichs in Relation zu setzten, soweit dies im Einzelfall möglich erscheint73; soweit keine sachlichen Unterschiede bestehen, determiniert dabei die Auslegung der früheren die Auslegung der späteren Richtlinie. Darüber hinaus werden auch die gemeinschaftsrechtliche Ermächtigungsgrundlage und deren normatives Umfeld in die Auslegung mit einbezogen74. Auch der bekannte Grundsatz des „Effet Utile“ ist ein wichtiges Kriterium der Auslegung75. Über diesen Grundsatz finden häufig auch Praktikabilitätser___________ 67

P. Meyer, Jura 1994, S. 455, 456; Oppermann, Europarecht, Rn. 685. Bleckmann, ZGR 1992, S. 364, 365. 69 P. Meyer, Jura 1994, S. 455, 456; Oppermann, Europarecht, Rn. 685, mwN. 70 Hommelhoff bei R. Schulze, Auslegung, S. 29, 38. 71 Bleckmann, ZGR 1992, S. 364, 365. 72 Vgl. etwa EuGH Slg. 1996, S. 6028, 6034 f.; Hommelhoff bei R. Schulze, Auslegung, S. 29, 37; vgl. auch Zuleeg, VersR 1995, S. 861, 862. 73 Bleckmann, ZGR 1992, S. 364, 369, mwN. 74 M. Schmidt, RabelsZ 1995, S. 569, 577. 75 EuGH Slg. 1955/56, S. 302, 313; Slg. 1970, S. 825, 838, st. Rspr.; Oppermann, Europarecht, Rn. 686. 68

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E. Neue Rechtslage

wägungen Eingang in die Auslegung des Gerichtshofs76. Zwar bekräftigt der EuGH, dass auch Erwägungen dieser Art nicht die „Objektivität des Rechts“ sprengen dürften77; dies könnte dahin verstanden werden, dass auch für die Auslegung europäischer Richtlinien der Wortlaut als äußerste Grenze anzuerkennen sei. Tatsächlich hat der EuGH in der Vergangenheit jedoch im Einzelfall durchaus die Bereitschaft gezeigt, den Wortlaut „berichtigend“ auszulegen78. Hier ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der EuGH solche Auslegungen ablehnt, die zu willkürlichen Ergebnissen führen würden79. Auch hat der EuGH betont, dass Vernunfts- und Billigkeitsgründe die Annahme von Ausnahmen rechtfertigen, die in der auszulegenden Vorschrift nicht explizit genannt sind80; im konkreten Fall hatte der EuGH dies sogar angenommen, obwohl in der auszulegenden Vorschrift anderweitige Ausnahmen vorgesehen waren81. Die „Wortlautgrenze“ als Sperre der Auslegung wird also im Europarecht weitaus durchlässiger gesehen als dies aus dem deutschen Recht bekannt ist.

cc) Historische Auslegung Die historische Auslegung hat zwar bei der Interpretation von europäischem Primärrecht einen eher untergeordneten Stellenwert, ist bei der Auslegung von Sekundärrecht aber durchaus relevant. Wie bereits angesprochen, greift der Gerichtshof als Grundlage der teleologischen Auslegung in aller Regel auf die in den Präambeln niedergelegten Beweggründe des Rates oder der Kommission zurück82. Darüber hinaus geht der EuGH allerdings auch bei der Auslegung von Sekundärrecht nur dann auf die Entstehungsgeschichte ein, wenn die zu berücksichtigenden Umstände sich aus Dokumenten (Vorentwürfen, Protokollen etc.) ergeben, die jedermann zugänglich sind83. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass die vorhergehenden Fassungen eines Rechtssatzes stets berücksichtigt werden können84; gerade in diesem Zusammenhang hat der EuGH betont, dass es einen allgemeinen, aus dem römischen Recht abgeleiteten Rechtssatz gibt, nach dem bei einer Gesetzesänderung mangels eines ausdrücklich ent___________ 76

Bleckmann, NJW 1982, S. 929, 931, mwN. EuGH Slg. 1976, S. 455, 480. 78 EuGH Slg. 1980, S. 535; M. Schmidt, RabelsZ 1995, S. 569, 576, 579. 79 EuGH Slg. 1977, S. 1473, 1483. 80 EuGH Slg. 1976, S. 153, 159. 81 EuGH Slg. 1976, S. 153, 159. 82 Bleckmann, NJW 1982, S. 1177, 1178 f.; P. Meyer, Jura 1994, S. 455, 457. 83 Bleckmann, NJW 1982, S. 1177, 1178 f.; P. Meyer, Jura 1994, S. 455, 457. 84 Bleckmann, NJW 1982, S. 1177, 1178 f. 77

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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gegenstehenden Willens des Gesetzgebers diejenige Auslegung zu wählen ist, bei der die Kontinuität der Rechtsstrukturen gewährleistet ist85.

dd) Zusammenfassung Bei der Auslegung von Richtlinien im Allgemeinen ist festzustellen, dass die teleologische und systematische Auslegung einen herausgehobenen Stellenwert einnehmen. Die Auslegung nach Sinn und Zweck kann es nach der Auffassung des Gerichtshofs im Einzelfall auch erfordern, sich vom Normtext zu lösen, etwa wenn es darum geht, willkürlich erscheinende Ergebnisse zu vermeiden oder als notwendig erachtete Ausnahmen anzuerkennen. Die historische Auslegung spielt eine eher untergeordnete Rolle; sie ist jedoch insoweit erheblich, als der EuGH bei Änderungen des Normtexts eine Kontinuitätsvermutung zu Grunde legt.

b) Konkret: Auslegung der Marktmissbrauchsrichtlinie Nachdem die methodischen Prämissen oben dargelegt wurden, gilt es jetzt, die Marktmissbrauchsrichtlinie selbst auszulegen. Ausgehend vom Fokus dieser Arbeit ist auch hier das Hauptaugenmerk darauf zu legen, inwieweit die Durchführung einer Due Diligence vor Paketerwerben dem in der Richtlinie vorgesehenen Insiderhandelsverbot unterfällt. Hierbei wird es zum einen darauf ankommen, ob der außerbörsliche (Paket-)Handel, sog. Face-to-Face-Geschäfte, überhaupt von den Regelungen der Richtlinie umfasst ist; zum anderen – dies wird den Schwerpunkt darstellen – ist zu untersuchen, wie sich die Änderungen des Wortlauts in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie auswirken.

aa) Wortlaut Wie oben dargelegt, sind in einem ersten Schritt die verschiedenen sprachlichen Fassungen zu vergleichen. Zunächst sollen die einschlägigen Richtlinienbestimmungen selbst herangezogen werden, in einem zweiten Schritt folgen sodann die Erwägungsgründe, in weiteren Schritten die ergänzend heranzuziehenden Materialien.

___________ 85

EuGH Slg. 1969, S. 43.

68

E. Neue Rechtslage

(1) Art. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie Während Art. 3 der Insiderrichtlinie (89/592/EWG) praktisch unverändert übernommen wurde, hat der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 einige Änderungen erfahren. Der deutsche Wortlaut war bisher „Jeder Mitgliedstaat untersagt den Personen, die als Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums des Emittenten, durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten oder aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben zu dieser Information Zugang haben, über eine Insider-Information verfügen, unter Ausnutzung derselben in Kenntnis der Sache für eigene oder fremde Rechnung entweder selbst oder indirekt die Wertpapiere des bzw. der von dieser Information betroffenen Emittenten zu erwerben oder zu veräußern.“

Nunmehr lautet der Text in der deutschen Fassung: „Die Mitgliedstaaten untersagen Personen im Sinne von Unterabsatz 2, die über Insider-Informationen verfügen, unter Nutzung derselben für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Information bezieht, zu erwerben oder zu veräußern oder dies zu versuchen. Unterabsatz 1 gilt für Personen, die […]“.

Nach dem oben Ausgeführten ist dies mit den Fassungen in den anderen offiziellen Sprachen zu vergleichen. Selbstverständlich würde es hier den Rahmen sprengen, alle Fassungen gegenüberzustellen; deswegen seien im Rahmen dieser Untersuchung nur die Fassungen auf Englisch und Französisch herangezogen. Die englische Fassung des Art. 2 Abs. 1 lautet wie folgt: „Member States shall prohibit any person referred to in the second subparagraph who possesses inside information from using that information by acquiring or disposing of, for his own account or for the account of a third party, either directly or indirectly, financial instruments to which that information relates. The first subparagraph shall apply to any person who possesses that information: […].“

In der französischen Fassung lautet der Text des Art. 2 Abs. 1: „Les États membres interdisent à toute personne visée au deuxième alinéa qui détient une information privilégiée d’utiliser cette information en acquérant ou en cédant, ou en tenant de acquérir ou de céder, pour son compte propre ou pour le compte d’autrui, soit directement, soit indirectement, les instruments financiers auxquels se rapporte cette information. Le premier alinéa s’applique à toute personne qui détient une telle information: […].“

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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Die Gegenüberstellung der drei ausgewählten Fassungen des einschlägigen Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie fördert auf den ersten Blick keine spektakulären Erkenntnisse zu Tage. Ein Schlüsselbegriff soll jedoch nochmals in allen drei Fassungen herausgestellt werden: Während die deutsche Nutzung vom Verbot spricht, „unter Nutzung… zu erwerben…“, liest man auf Englisch „using… by acquiring…“ und auf Französisch „d’utiliser … en acquérir…“ (Hervorhebungen hinzugefügt). Erinnert man sich an die oben86 angesprochene Kontroverse, ob es im Rahmen des § 14 Abs. I Nr. 1 WpHG auf Kausalität der Insiderkenntnisse für die Kaufentscheidung ankomme, so scheinen doch die französische und insbesondere die englische Fassung einen stärker ausgeprägten Zusammenhang nahe zu legen – für den die deutsche Fassung („unter Verwendung“) auch durchaus offen zu sein scheint.

(2) Die Erwägungsgründe der Marktmissbrauchsrichtlinie Da sich die einschlägigen Regelungen der Marktmissbrauchsrichtlinie in Art. 2 Abs. 1 erschöpfen, seien nun die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen der Erwägungsgründe näher betrachtet. Von Interesse können im hier gegebenen Zusammenhang die Erwägungsgründe Nr. 1, 2, 3, 18, 19 und 24 sein, außerdem Nr. 29 und 30. Der in Erwägungsgrund Nr. 1 in der deutschen Fassung verwendete, etwas wolkige Begriff des „echten Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen“ findet sich so auch in der englischen und französischen Fassung wieder, und zwar als „genuine Single Market for financial services“, resp. „véritable marché unique pour les services financiers“. Auch in Erwägungsgrund Nr. 2 sind keine Diskrepanzen erkennbar; dies gilt für alle drei Sätze. Insbesondere sind im zweiten Satz die nicht notwendigerweise gleichgerichteten „Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand“ (engl. „prerequisites for economic growth and wealth“, frz. „préalables indispensables à la croissance économique et à la prospérité“) – nämlich „reibungsloses Funktionieren der Wertpapiermärkte“ („Smooth functioning of securities markets“, „bon fonctionnement des marchés des valeurs mobilières“) sowie „Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte“ („public confidence in markets“, „confiance du public en ces marchés“) – in allen drei Fassungen mit der Konjunktion „und“ („and“, „et“) verbunden, was somit – ohne der weiteren Auslegung vorgreifen zu wollen – übereinstimmend auf eine Gleichstellung hindeutet.

___________ 86

s. o. E.II.1.

70

E. Neue Rechtslage

Eine mögliche Diskrepanz findet sich jedoch in Erwägungsgrund 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie. Während in der deutschen Fassung von „Zielen“ die Rede ist, sprechen englische und französische Fassung von „actions“ bzw. „actions“. Allerdings kann schon hier bezweifelt werden, ob diese sprachliche Differenz für die Auslegung erheblich ist: Ob die Einführung einer Richtlinie gegen Marktmissbrauch als Ziel oder als notwendige Maßnahme genannt wird – letzteres käme der Bedeutung von „action“ (englisch) bzw. „action“ (französisch) wohl näher – bleibt ohne praktische Bedeutung. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich auch die sprachlichen Versionen des Erwägungsgrundes Nr. 18 unterscheiden. Auf Deutsch liest man hier – in einer etwas unsicheren „Kann“-Formulierung – unter welchen Umständen ein „Ausnutzen“ vorliege (bzw. vorliegen könne) und wann dies nicht der Fall sei; dies ist schon deshalb erstaunlich, weil doch im einschlägigen Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie von einem „Ausnutzen“ überhaupt nicht mehr die Rede ist! Englische und französische Fassung sprechen demgegenüber wie auch in Art. 2 Abs. 1 von „use“ bzw. „utiliser“87. Weitgehend gleich sind deutsche, englische und französische Fassung wiederum in Erwägungsgrund 19; das deutsche „sofern es sich um Marktmissbrauch gemäß den Definitionen dieser Richtlinie handelt“ findet sich im englischen „where it constitutes market abuse under the definitions contained in this directive“ und im französischen „lorsque cette pratique constitue un abus de marché au sens des définitions figurant dans la présente directive“ wieder. Auch bei Erwägungsgründen 29 und 30, die im hier gegebenen Zusammenhang ebenfalls relevant sein können, stimmen die sprachlichen Fassungen überein. So verwenden alle Fassungen in Erwägungsgrund 29 den Konjunktiv: „sollten als solche nicht als Insider-Geschäft gelten“ in der deutschen Version, „should not in itself be deemed to constitute insider trading“ in der englischen Version und „ne devrait pas être réputé constituer en soi une opération d’initié“ auf Französisch. Allerdings fällt auch hier auf, dass die deutsche Version – anders als die Fassungen in englischer und französischer Sprache – ein weiteres Mal von der Formulierung „unter Nutzung“ aus Art. 2 Abs. 1 abweicht88; während in Erwägungsgrund 18 von „ausnutzen“ gesprochen wurde, findet sich in Erwägungsgrund 29 der Begriff „Verwendung“. Auch hier bleiben englische und französische Fassung bei „use“ bzw. „utiliser“. Abschließend ist daher festzustellen, dass sich innerhalb der verschiedenen sprachlichen Fassungen der hier interessierenden Erwägungsgründe kaum Differenzen feststellen lassen. Umso mehr fällt aber auf, dass die deutsche Version ___________ 87 88

So auch schon Cahn, Der Konzern 2005, S. 5. Vgl. Cahn, Der Konzern 2005, S. 5.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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mit uneinheitlichen Formulierungen aufwartet; gerade die Verwendung des Begriffs der „Ausnutzung“ von Insiderinformationen in Erwägungsgrund 18 fällt besonders ins Auge89. Gerade hier besteht jedoch ein Unterschied zur englischen und französischen Fassung, da diese durchweg einheitliche Begriffe verwenden; der Vergleich der verschiedenen sprachlichen Fassungen legt daher im Ergebnis nahe, die Diskrepanzen innerhalb der deutschen Version in der weiteren Auslegung nur sehr zurückhaltend zu bewerten.

(3) Wortlaut-Auslegung im engeren Sinn Bei der Auslegung des neuen Wortlauts des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie gilt es also in erster Linie, die Bedeutung der neuen Formulierung „unter Nutzung zu erwerben oder zu veräußern“ unter Beachtung der Formulierungen in den anderen europäischen Amtssprachen – bzw. im hier gegebenen Rahmen jedenfalls der englischen Formulierung „to use“ und der französischen Formulierung „utiliser“ – zu untersuchen. Die gemeinschaftsrechtlich gebotene Gesamtschau der unterschiedlichen sprachlichen Fassungen spricht hier dafür, „unter Nutzung“ so zu verstehen, dass zwischen der Insiderkenntnis und der anschließenden Transaktion jedenfalls Kausalität zu bejahen sein muss. Denn während schon das deutsche „Nutzen“ ein voluntatives Element, d.h. planmäßiges Handeln voraussetzt und als „zweckgerichtetes Einsetzen“ verstanden werden muss90, wird dieses Verständnis bei Heranziehung der englischen Formulierung „use“ (Synonyme: utilize91, employ92) und des französischen „utiliser“ (Synonyme: employer93, profiter94) unterstützt. Die alte Formulierung „Ausnutzen“ deutete dagegen auf das Erfordernis einer überschießenden Innentendenz, genauer dem Streben nach einem Sondervorteil; während durch den Übergang zum „Nutzen“ dieses Erfordernis wegfällt, entfällt nicht das voluntative Element als solches. Dies ergibt sich bei näherer Betrachtung allerdings auch schon aus dem deutschen Text allein, da sonst eine Dopplung eintreten würde95: Im Text des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie heißt es, „die Nutzung wird „Per___________ 89

Vgl. Cahn, Der Konzern 2005, S. 5. Vgl. Duden Universalwörterbuch, S. 1675. 91 Merriam-Webster Thesaurus, S. 654; Merriam-Webster Dictionary, S. 575. 92 Merriam-Webster Thesaurus, S. 654; Merriam-Webster Dictionary, S. 575. 93 Petit Robert, S. 2726. 94 Petit Robert, S. 2726. 95 Vgl. Cahn, Der Konzern 2005, S. 5, 9. 90

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E. Neue Rechtslage

sonen [untersagt], die über eine Insider-Information verfügen“. Zu trennen sind also einerseits das „Verfügen“, also die rein tatsächliche Kenntnis einer Insiderinformation, und das anschließende „Nutzen“, also die Verwertung der Kenntnis96. Damit muss einerseits davon ausgegangen werden, dass die Umsetzung eines schon vorher getroffenen Kaufentschlusses nicht allein deshalb unter Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie fällt, weil der Erwerber zwischenzeitlich Kenntnis von Insiderinformationen erlangt hat. Denn in diesem Fall ist die Kenntnis der Insiderinformationen nicht kausal und wird – erst recht – auch nicht zweckgerichtet eingesetzt. Anders sieht es aber – jedenfalls dem Wortlaut nach! – dann aus, wenn die (etwa durch eine Due Diligence erlangten) Insiderinformationen in die Kaufentscheidung einfließen. Hiervon kann dann ausgegangen werden, wenn die Informationen entweder auf das Zustandekommen des Vertrages als solchen, oder aber auch auf dessen Konditionen Einfluss haben97. In diesem Fall legt der Wortlaut der Vorschrift nahe, dass der Tatbestand des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie erfüllt wäre: Nach der Due Diligence verfügt der Erwerber über Insiderkenntnisse, die er sodann in Gestalt der (endgültigen) Kaufentscheidungen oder im Rahmen der Verhandlungen über die Vertragskonditionen zweckgerichtet einsetzt und somit nutzt. Dies wird in der Praxis regelmäßig zu bejahen sein. Denn erst durch die Due Diligence wird der Käufer in eine Position versetzt, die es ihm ermöglicht, Chancen und Risiken des ins Auge gefassten Erwerbs auf Grundlage belastbarer Informationen abwägen zu können98, und selbst wenn der Kaufentschluss tatsächlich schon feststehen sollte, so wäre es doch sehr verwunderlich, wenn der Käufer die erlangten Informationen nicht einsetzen würde, um den Kaufpreis zu seinen Gunsten zu beeinflussen99. Die frühere Argumentation, ein Ausnutzen scheide aus, da der Kaufentschluss schon vor Durchführung der Due Diligence getroffen sei, wird daher

___________ 96

Vgl. Duden Universalwörterbuch, S. 1675. Vgl. Cahn, Der Konzern 2005, S. 5, 10; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1812. 98 Berens-Berens/Schmitting/Strauch, S. 87; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1812; vgl. auch Kiethe, NZG 1999, S. 976, 977; Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, S. 174, 175; Merkt, WiB 1996, S. 145, 147; vgl. auch den Ratschlag bei Picot, Teil I Rn. 45, möglichst vor Abgabe eines „bindenden“ Kaufangebots eine Due Diligence durchzuführen. 99 Berens/Strauch haben hierzu ermittelt, dass sich bei 67,4% der untersuchten Akquisitionen der Kaufpreis nach Durchführung der Due Diligence verringerte (Die Wirtschaftsprüfung 2002, S. 511, 522). 97

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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nach der Umstellung von „Ausnutzung“ zu „Nutzung“ jedenfalls bei reiner Betrachtung des Wortlauts in den meisten Fällen nicht weiterführen können100. Eine Einschränkung dieses Befunds könnte sich aber durch Unterabsatz 2 ergeben. Zwar sei klargestellt, dass sich der Inhalt dieses Unterabsatzes nahezu wortgleich auch schon in Art. 2 Abs. 1 der Insiderrichtlinie101 fand. Allerdings legen die an anderer Stelle vorgenommenen Änderungen und deren mögliche Konsequenzen auch hier eine Neubetrachtung nahe. Es stellt sich also die Frage, ob in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 unter Umständen ein Ansatzpunkt zur restriktiven Auslegung angelegt ist. Man stelle sich beispielsweise den Fall vor, dass ein Industrieunternehmen ein Aktienpaket eines anderen, börsennotierten Unternehmens erwerben will und vorher eine Due Diligence durchgeführt hat, bei der – wie zu erwarten – Insiderkenntnisse erworben wurden: Handelt es sich dann bei dem erwerbenden Unternehmen um eine (juristische) Person im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2? Die erste Gruppe des Unterabs. 2 – Mitglieder von Verwaltungs-, Aufsichtsoder ähnlichen Organen – ist nicht einschlägig, ebenso wenig (mangels bisheriger Kapitalbeteiligung) die zweite Gruppe. Eine „kriminelle Aktivität“ (hier kann es sich, um einen Zirkelschluss zu vermeiden, nur um eine anderweitig strafbare Handlung handeln) scheidet ebenfalls aus. Damit kommt nur die dritte Gruppe in Betracht. Hat das erwerbende Unternehmen also aufgrund „seiner Arbeit, seines Berufs oder seiner Aufgaben“ Zugang zu der betreffenden Information? Dies erscheint doch zweifelhaft: Denn ist es „Aufgabe“ oder gar „Beruf“ – der Begriff der „Arbeit“ ist bei juristischen Personen ohnehin problematisch – eines Industrieunternehmens, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen? Ist „Aufgabe“ nicht eher die Produktion von und der Handel mit Fertiggerichten, Fahrzeugkomponenten oder Feinstrumpfhosen, um einige willkürlich herausgegriffene Beispiele zu nennen? Zwar mag bei institutionellen Investoren anderes gelten. Im hier gewählten Beispiel bestehen jedoch nach dem bisher Gesagten Zweifel an der Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2. Da aber Unterabs. 1 nur für die in Unterabs. 2 genannten Personen gilt, könnte dies die Anwendbarkeit des Insiderhandelsverbots des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie bei den hier interessierenden Fällen bedeutend einschränken.

___________ 100

Koch, DB 2005, S. 267, 269. Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989, ABl. EG Nr. L 334 vom 18.11.1989, S. 30. 101

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E. Neue Rechtslage

Spätestens an dieser Stelle ist es jedoch angezeigt, den Blick von der scheinbar abschließenden Aufzählung des Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 ab- und Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie zuzuwenden: Denn wie auch schon Art. 4 der Insiderrichtlinie weitet Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie den personellen Anwendungsbereich erheblich aus. Allerdings wurde auch hier der Wortlaut nochmals erweitert. Hieß es bislang, das „[…] Verbot in Artikel 2 [gilt] auch für andere als in jenem Artikel genannten Personen […], die in Kenntnis der Sache über eine Insider-Information verfügen, die unmittelbar oder mittelbar nur von einer in Artikel 2 genannten Person stammen kann“,

so lautet der Text des Art. 4 nun: „[…] Artikel 2 und 3 auch für nicht in diesen Artikeln genannte Personen gelten, die über Insider-Informationen verfügen, sofern diese Personen wussten oder wissen müssen, dass es sich um Insider-Informationen handelt.“

Es kommt also nach dem neuen Wortlaut nicht mehr darauf an, auf welche Weise die betreffende Person in den Besitz der Insiderinformationen gelangt ist, noch darauf, dass – wie dies unter der früheren Richtlinie galt – positive Kenntnis gegeben ist, dass es sich überhaupt um eine Insiderinformation handelt; ein „Kennen-müssen“, mithin also Fahrlässigkeit, reicht dem neuen Wortlaut nach aus. Diese neue, weiter gehende Formulierung wirft die Frage auf, welchen Zweck die Auflistung des Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 noch erfüllen soll und kann. In jedem Fall kann aber in unserem Beispiel des kaufwilligen Industrieunternehmens über den Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 keine Einschränkung des Insiderhandelsverbots erreicht werden. Auch sonst ist davon auszugehen, dass sogar bei einer restriktiven Auslegung des Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 keine Fälle vorstellbar sind, bei denen die „Nutzung“ von Insiderinformationen nach Due Diligence nicht zumindest über die weite Auffangregel des Art. 4 dem Insiderhandelsverbot unterfällt. Letztlich sei auch noch festgehalten, dass die Marktmissbrauchsrichtlinie auch die Entscheidung, ob Face-to-Face-Geschäfte dem Insiderhandelsverbot unterfallen, nicht mehr den nationalen Gesetzgebern überlässt: Art. 9 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie ersetzt die bisherige Möglichkeit, hier nach Art. 2 Abs. 3 Satz 2 der Insiderrichtlinie eine Ausnahme vorzusehen, und bestimmt, dass auch außerhalb der geregelten Märkte getätigte Geschäfte den Bestimmungen der Richtlinie unterliegen. Konsequenz der Änderungen ist somit, dass das Insiderhandelsverbot – jedenfalls dem Wortlaut nach – nunmehr umfassende Gültigkeit beansprucht.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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(4) Zwischenergebnis Ergebnis der Wortlaut-Interpretation ist also, dass die Durchführung einer Due Diligence, bei der der Erwerber Insider-Informationen erlangt, den anschließenden (auch außerbörslichen) Paketerwerb in aller Regel zu einem verbotenen Insidergeschäft gem. Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie machen würde; dies jedenfalls dann, wenn die Insiderinformationen in irgend einer Weise für den anschließenden Erwerb kausal geworden sind. Dies wird jedoch schon dann anzunehmen sein, wenn entweder noch kein endgültiger Kaufentschluss vor Durchführung der Due Diligence bestand, oder auch dann, wenn das Ergebnis der Due Diligence oder genauer die erlangten Insider-Informationen zu einer Preisanpassung geführt haben.

bb) Systematische Auslegung Doch wie eingangs festgestellt, ist die Auslegung des Wortlauts nur der Ausgangspunkt der Auslegung. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die systematische Auslegung der Richtlinie; es ist also eine Gesamtschau der Richtlinie vorzunehmen, außerdem die neue Norm mit dem früheren Rechtszustand zu vergleichen und andere, weiterhin gültige Normen des gleichen Rechtsgebiets heranzuziehen. Ein Vergleich mit der vorhergehenden Norm, der Insiderrichtlinie, wurde bereits oben im Rahmen der Wortlautauslegung angestellt; dort wurde als Ergebnis festgehalten, dass der Wechsel vom Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ zum bloßen „Nutzen“ zu einer Verschärfung dahingehend geführt hat, dass der Verbotstatbestand dem Wortlaut nach immer dann eingreift, wenn die Insiderinformationen in die Kaufentscheidung einfließen. Ein neuerlicher Vergleich der alten und neuen Vorschrift, jetzt unter den Vorzeichen der systematischen Auslegung, vermag dem nichts hinzuzufügen. Im hier gegebenen Zusammenhang stellt sich jedoch eine andere Frage: Wenn der Wortlaut tatsächlich eine grundsätzliche Verschärfung nahe legt, so bleibt zu untersuchen, in wieweit dies ausnahmslos gelten soll. Im Rahmen der systematischen Auslegung soll hierzu zunächst eine Gesamtschau der Richtlinie angestellt und die neue Richtlinie als solche betrachtet werden; anschließend ist noch auf andere Richtlinien im Umfeld der Marktmissbrauchsrichtlinie einzugehen.

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E. Neue Rechtslage

(1) Die Marktmissbrauchsrichtlinie selbst Wie dargelegt, soll zur Beantwortung der Frage, inwieweit das Insiderhandelsverbot ausnahmslos gelten soll, zunächst eine Gesamtschau der Richtlinie angestellt werden. Hierbei stellt sich allerdings die Frage, welcher Stellenwert den Erwägungsgründen zukommen muss. Auch wenn die Erwägungsgründe oben im Rahmen der Wortlautauslegung bereits prominente Berücksichtigung gefunden haben, so bleibt doch grundsätzlich zu klären, in welcher Weise sie die Auslegung der Richtlinie determinieren. Insbesondere ist zu überlegen, inwieweit sie das auszulegende System prägen können. Hier sei zunächst an Savigny erinnert, der den Standpunkt vertrat, dass die Angabe des Grundes durch den Gesetzgeber nur den Zweck haben könne, die erlassene Rechtsnorm zu erklären; es sei daher falsch, den Gesetzgebungsgrund auch selbst praktisch anwenden zu wollen102. Demgegenüber wird in der heutigen europarechtlichen Literatur vertreten, den Erwägungsgründen komme quasi-Normqualität zu103. Der Normgeber behandle sie auch nicht – wie die Bezeichnung als „Erwägungs-Gründe“ im Savigny’schen Sinne ja nahe legen würde – als bloße Handreichungen zur Erklärung der Norm, sondern gehe von einer rechtssatzgleichen Bedeutung aus104. Dass dies in der Tat der Fall ist, lässt sich auch am Beispiel der Marktmissbrauchsrichtlinie selbst erkennen105: Während das Parlament den Wunsch äußerte, für öffentliche Übernahmeangebote Ausnahmen vom Insiderhandelsverbot vorzusehen106, wurde dies von der Kommission mit der Begründung zurückgewiesen, dass dies doch bereits in Erwägungsgrund 29 geschehen sei107. Dies deckt sich auch damit, dass der Europäische Gerichtshof den Erwägungsgründen (ohne hier freilich nach Systematik oder Zweck zu unterscheiden) bei der Auslegung von Richtlinien einen besonders hohen Stellenwert einräumt108. Damit bleibt festzuhalten, dass den Erwägungsgründen in der Tat eine Bedeutung zukommt, die die einer bloßen Interpretationshilfe weit übersteigt und hinter der eigentlichen Norm kaum – wenn überhaupt – zurückbleibt. ___________ 102

Savigny, Methodenlehre, S. 40 f. Lutter, JZ 1992, S. 593, 600; Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 104 Lutter, JZ 1992, S. 593, 600; Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 105 Vgl. Ziemons, NZG 2004, S. 537, 539. 106 Standpunkt des Europäischen Parlaments (1. Lesung) vom 14. 3. 2002; ABl. EG Nr. C 47 E vom 27. 2. 2003, S. 511, 518. 107 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 50/2002 des Rates vom 19. 7. 2002, ABl. EG Nr. C 228 E vom 25. 9. 2002, S. 19, 31. 108 Vgl. nur EuGH Slg. 1996, S. 6028, 6034 f. 103

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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Kehrt man also zurück zum konkreten Auslegungsproblem, stellt sich die folgende Frage: Ist die in Erwägungsgrund 29 niedergelegte Ausnahme als einzige Ausnahme anzusehen, und gilt das – dem Wortlaut nach jetzt weitergehende – Insiderhandelsverbot ansonsten unumschränkt? Dafür spricht zum einen, dass sich an keinem Punkt erkennen lässt, dass es sich hierbei nur um eine Ausnahme im Sinne eines Regelbeispiels handeln könne. Dies zeigt insbesondere der Vergleich innerhalb der Richtlinie als Regelungssystem. Während Erwägungsgrund 20 für den Fall der Marktmanipulation (neben dem Insiderhandel der zweite Unterfall des Marktmissbrauchs) die Möglichkeit vorsieht, dass die das Geschäft abschließende Person sich auf legitime Gründe berufen könne, nennt Erwägungsgrund 29 nur einen einzigen, genau umschriebenen Grund: ein „öffentliches Übernahmeangebot mit dem Ziel, die Kontrolle über dieses Unternehmen zu erwerben oder einen Zusammenschluss mit ihm vorzuschlagen“. Weitere Gründe finden hier offensichtlich keinen Platz; gerade der Vergleich mit der dargestellten Formulierung in Erwägungsgrund 20 spricht insoweit für Ausschließlichkeit.

(2) Das Umfeld der Richtlinie Für das (vorläufige) Ergebnis, dass die Ausnahme in Erwägungsgrund 29 restriktiv ausgelegt werden muss, spricht auch die Einbeziehung des normativen Umfelds. In diesem Zusammenhang ist in erster Linie auf die im Rahmen der 2. Stufe des Komitologieverfahrens109 als „Durchführungsmaßnahme“ erlassene Richtlinie 2003/124/EG einzugehen. Hier sind in Art. 3 Abs. 1 „berechtigte Interessen“ aufgeführt, die Ausnahmen von der in Art. 6 der Marktmissbrauchsrichtlinie geregelten Veröffentlichungspflicht darstellen. Dass es sich hierbei um Beispiele handelt, wird in aller wünschenswerten Klarheit deutlich gemacht, und zwar gleich zweifach: Der Text des Art. 3 Abs. 1 spricht davon, dass sich berechtigte Interessen „insbesondere“ aus „folgenden nicht erschöpfenden Fallbeispielen“ ergeben könnten.

(3) Zwischenergebnis Damit ist also festzuhalten, dass nicht nur bei Betrachtung des Wortlauts, sondern auch unter systematischen Gesichtspunkten davon auszugehen ist, dass ___________ 109

Vgl. Schlussbericht des Ausschusses der Weisen unter dem Vorsitz von Baron Alexandre Lamfalussy über die europäischen Wertpapiermärkte (Lamfalussy-Bericht) vom 15.2.2001; hierzu v. Buttlar, BB 2003, S. 2133, 2134.

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E. Neue Rechtslage

die Marktmissbrauchsrichtlinie von den Mitgliedstaaten verlangt, jeden Erwerb, der sich als Nutzung von Insiderinformationen darstellt – mit der ausdrücklichen, aber einzigen Ausnahme von öffentlichen Übernahmeangeboten und der Umsetzung des Kaufentschlusses als selbst geschaffener Insiderinformationen – zu untersagen.

cc) Teleologische Auslegung Der Befund aus den bisherigen Auslegungsschritten ist jedoch sehr problematisch, wenn man die bereits angesprochene tatsächliche Verbreitung und praktische Bedeutung der Due Diligence in Betracht zieht. Es drängt sich daher die Frage auf, ob das bisherige Ergebnis auch mit dem Zweck der Richtlinie übereinstimmt. Dies ist im Folgenden zu untersuchen.

(1) Ermittlung des Zwecks der Vorschrift Wie bereits dargelegt, ist der Telos einer europäischen Richtlinie in erster Linie aus den Erwägungsgründen zu ermitteln. Hier ist auf den ersten Blick klar, dass der „Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit“ einen Hauptzweck der Marktmissbrauchsrichtlinie darstellt; der Vertrauensschutz wird gleich in Erwägungsgrund 2 genannt und als „Voraussetzung von Wirtschaftswachstum und Wohlstand“ identifiziert. Dass dies durchaus seine Berechtigung hat, wurde bereits oben erörtert110: Insidergeschäfte führen zu einem Verlust an Vertrauen, und Vertrauensverluste in der Öffentlichkeit ziehen Risikoaufschläge und damit erhöhte Kapitalkosten nach sich. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass Erwägungsgrund 2 keinesfalls allein den Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit als Wachstums- und Wohlstandsvoraussetzung identifiziert: Tatsächlich wird gewissermaßen im gleichen Atemzug das „reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte“ genannt. Wachstum und Wohlstand, der Formulierung nach als übergeordnetes Ziel zu verstehen, sind augenscheinlich sowohl vom Vertrauen der Öffentlichkeit als auch vom reibungslosen Funktionieren der Kapitalmärkte abhängig. Diese beiden Voraussetzungen sind allerdings nicht notwendigerweise gleichgerichtet111. Zwar ist es sicherlich richtig, dass die Wertpapiermärkte nur dann funktionieren können, wenn das Vertrauen der Öffentlichkeit sichergestellt ist; insoweit sei auf die oben gemachten Ausführungen zum wirtschaftspoliti___________ 110 111

Vgl. oben D.II.1. A.A. Schimansky/Bunte/Lwowski-Hopt, § 107 Rn. 4.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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schen Hintergrund des Insiderrechts verwiesen112. Andererseits stellen Insiderhandelsverbote und -überwachung, so notwendig sie für das Vertrauen der Öffentlichkeit sein mögen, für den einzelnen Marktteilnehmer zunächst einmal leidige Verpflichtungen dar; wie jeder regulatorische Eingriff führen auch die Insiderhandelsverbote zu Friktionen im Marktgeschehen113. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies insbesondere für das strafbewehrte Insiderhandelsverbot gilt. Dies wird besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung deutlich: Gerade das neue Anlegerschutzverbesserungsgesetz hat zu erheblicher Verunsicherung geführt und damit jedenfalls nach Auffassung vieler Praktiker zumindest einen dämpfenden Effekt114. Es ist auch nicht fern liegend, dass Unternehmen, die angesichts der derzeitigen Unsicherheiten auf die Durchführung einer Due Diligence verzichten, nur nach Vornahme eines Risikoabschlags zum Erwerb eines Aktienpakets bereit sein werden115. Nach diesen Überlegungen ist festzuhalten, dass die beiden genannten Voraussetzungen des Ziels, Wachstum und Wohlstand zu fördern, jedenfalls in Teilen in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Ausgehend von diesem Spannungsverhältnis ist weiter zu fragen, ob möglicherweise ein Über- oder Unterordnungsverhältnis besteht. Nach den bisherigen Auslegungsschritten könnte hier insbesondere nahe liegen, dass der Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit gewissermaßen als „Hauptzweck“ anzusehen ist. Dies erscheint bei näherer Betrachtung jedoch als zweifelhaft. Ein Grund hierfür ist, dass die Effizienz der Kapitalmärkte auch an einigen anderen Stellen in den Erwägungsgründen der Marktmissbrauchsrichtlinie ausdrückliche Erwähnung findet: Bereits im ersten Satz des Erwägungsgrundes 2 wird von einem „effizienten Finanzmarkt“ gesprochen und dieser erkennbar als gesetzgeberisches Ziel gesehen. In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass die Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse in Erwägungsgrund 43, 7. Spiegelstrich dazu angehalten wird, auf eine Senkung der Kapitalkosten und einen erleichterten Zugang zum Kapital hinzuwirken; hiermit wäre es kaum in Einklang zu bringen, wenn die Richtlinie im Übrigen eine signifikante Erschwerung bezwecken bzw. in Kauf nehmen würde. Auch Spiegelstrich 8 spricht dagegen, dass das Ziel, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken, einseitig zu Lasten der Markteffizienz im Übrigen gehen soll: Hier wird gefordert, dass die Kommission bei Durchführungsmaßnahmen ___________ 112

s. o. D.II.1. Vgl. Ott/Schäfer, ZBB 1991, S. 226, 236. 114 Dreyling, Der Konzern 2005, S. 1; Weber, NJW 2004, S. 3674, 3676. Eine empirische Untersuchung zum Thema liegt bislang nicht vor. 115 Vgl. oben D.I.3., D.II.2.c). 113

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E. Neue Rechtslage

auf ein langfristig ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Marktteilnehmer achten solle. Sollte schon die Richtlinie selbst einen einseitig kostentreibenden Effekt haben – wie bereits erwähnt würde die Untersagung der Due Diligence aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem signifikanten Risikoabschlag und damit deutlich höheren Kosten führen116 –, ließe sich dies mit dieser Weisung wohl kaum vereinbaren. Letztlich wird in Spiegelstrich 9 die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Finanzmärkte als zu förderndes Ziel identifiziert. Ein faktisches Verbot der Due Diligence auf den europäischen Finanzmärkten würde dem allerdings diametral entgegenlaufen; schon aufgrund der oben angesprochenen Innenhaftung117 sind Investoren gehalten, ihre Investitionsentscheidungen auf der Grundlage belastbarer Informationen zu treffen. Wird dies im europäischen Raum deutlich erschwert, ist zumindest mit einem starken Attraktivitätsverlust der hiesigen Finanzmärkte zu rechnen. Nach alledem muss davon ausgegangen werden, dass beide Ziele – der Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit einerseits und das reibungslose Funktionieren der Kapitalmärkte andererseits – dem Grundsatz nach gleich geordnet sein sollen. Mit dieser Gleichordnung ist eine Auslegung, die das eine Ziel zugunsten des anderen in der gezeigten Weise benachteiligen würde, nur sehr schwer zu vereinbaren.

(2) Vergleich mit den bisherigen Auslegungsschritten Die bisherigen Auslegungsschritte – Interpretation nach Wortlaut und System – ließen auf eine Verschärfung des Insiderhandelsverbots schließen; dies steht zwar im Einklang mit dem Ziel, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Finanzmärkte zu stärken, droht aber andererseits die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte im Übrigen und allgemein die Attraktivität der europäischen Finanzplätze zu beeinträchtigen118. Denn nach dem bisher Gesagten ist zu befürchten, dass eine etablierte und allgemein als notwendig empfundene Marktpraxis119 – die Durchführung einer Due Diligence vor außerbörslichen Paketerwerben – in vielen Fällen unmöglich gemacht würde120; dies würde den Handel mit Aktienpaketen deutlich erschweren. Dass die Verfolgung des Ziels, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken, derart massiv zu Lasten des in Teilen kon___________ 116

s. o. D.I.3., D.II.2.c). s. o. C.III. 118 D. Schneider, DB 2005, S. 2678, 2679. 119 s. o. C.V. 120 s. o. E.III.1.b)aa)(4). 117

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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kurrierenden Ziels eines reibungslosen Funktionierens des Kapitalmarktes gehen sollte, ist indes unter Zweckgesichtspunkten zu bezweifeln. Schon bei Erlass der Insiderrichtlinie und des ursprünglichen WpHG erinnerte Assmann daran, dass „Insiderrecht die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte fördern und nicht unterdrücken soll“121; es ist daher zu überlegen, ob das bisherige Auslegungsergebnis teleologisch zu reduzieren ist122.

(3) Teleologische Reduktion Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob eine derartige Belastung der Märkte überhaupt notwendig ist, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken. Denn auch wenn beide Ziele in mancherlei Hinsicht konträr laufen, so ist doch nicht von vornherein auszuschließen, dass das öffentliche Vertrauen auch dann effektiv geschützt werden kann, wenn auf einschneidende Maßnahmen zu Lasten mancher Marktteilnehmer verzichtet wird.

(a) Gefahren für Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts? Die Gefahr, die der Insiderhandel für das Funktionieren der Märkte darstellt, wurde bereits oben diskutiert123 und auch in diesem Kapitel nochmals angesprochen. Kurz zusammengefasst sei gesagt: Muss ein Marktteilnehmer befürchten, einem Insider gegenüber zu stehen, wird er das durch die mögliche Informationsasymmetrie bedingte Risiko über den Preis abzufedern versuchen; das Ergebnis sind steigende Kapitalkosten124. Wie das Modell Akerlofs gezeigt hat, ist als Extremfall sogar das Zusammenbrechen des Marktes denkbar125. Zu beachten ist allerdings, dass die diskutierten Modelle stets davon ausgehen, dass Insider und andere Marktteilnehmer im Markt aufeinander treffen können126. In diesem Fall wirkt sich die Informationsasymmetrie aus: Der Insider hat einen Sondervorteil, den er ausnutzen kann und – soweit es an einem wirkungsvollen Verbot fehlt – auch ausnutzen wird; der andere Marktteilnehmer muss sich hierauf einstellen, er wird das Risiko entweder ganz scheuen oder ___________ 121

Assmann, AG 1997, S. 50. Vgl. Cahn, Der Konzern 2005, S. 5, 11; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, S. 929, 931; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427; Koch, DB 2005, S. 267, 269; Zumbansen/Lachner, BB 2006, S. 613, 616 f. 123 s. o. D.II.1. 124 s. o. D.II.1.a). 125 s. o. D.II.1.a). 126 s. o. D.II.1.a). 122

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E. Neue Rechtslage

einen Risikoaufschlag einkalkulieren. Woher die Insiderinformationen kommen – ob aus einer besonderen Organstellung, einer Straftat oder einer Due Diligence –, bleibt hierbei irrelevant. Wichtig ist lediglich, dass Insider und andere Marktteilnehmer aufeinander treffen können. Doch wie ist es, wenn ein solches Aufeinandertreffen von vornherein ausgeschlossen ist? Denn dies ist der Fall, wenn die Transaktion, an der der oder die Insider beteiligt sind, nicht an der Börse, sondern als Face-to-FaceGeschäft abgewickelt wird; der andere Marktteilnehmer weiß dann zwar, dass Insider möglicherweise mit Papieren handeln, die auch er selbst erwirbt oder veräußert. Da es aber an einer direkten Kontaktmöglichkeit fehlt, ist der Einfluss der „Wissenden“ auf die Kursentwicklung nur einer von vielen anderen äußeren Einflüssen; bleibt der Insider außerhalb des Kreises möglicher Geschäftspartner, muss hierfür auch kein Risikoaufschlag kalkuliert werden. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts wird somit nicht beeinträchtigt127. Der Marktteilnehmer, der nicht selbst über Insiderkenntnisse verfügt, wird erst dann betroffen, wenn diejenigen, die außerhalb des Marktes erwerben oder veräußern, ihr Wissen auch bei Transaktionen innerhalb des Marktes einsetzen. Hier könnte man einwerfen, dass Chancengleichheit auch über das unmittelbare Aktionsfeld hinaus gelten müsse; denn auch wenn der einzelne Anleger sich keiner realen Gefahr ausgesetzt sähe, die einen Risikoaufschlag (bzw. Risikoabschlag) rechtfertigen würde, so könne doch ein nachteiliges psychologisches Moment entstehen, wenn bestimmte Geschäfte von den allgemeinen Regeln ausgeklammert wären; das Prinzip – bzw. die den Anlegern gegebene „Zusicherung“128 – der Anlegergleichbehandlung129 könnte an Überzeugungskraft verlieren. Darüber hinaus wäre auch der Gefahr zu begegnen, dass die am geregelten Markt bestehenden Insiderhandelsverbote durch die Wahl des Face-toface-Geschäfts umgangen würden. Was die erste Befürchtung angeht, ist folgendes zu überlegen: Ein Verlust des Vertrauens in die Prinzipien der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung aller Anleger ist nur dann zu befürchten, wenn eine Gleichbehandlung nicht stattfindet, obwohl dies von der Anlegeröffentlichkeit erwartet worden wäre. Oder anders gewendet: Wo nicht mit Gleichbehandlung gerechnet wird, kann Ungleichbehandlung auch nicht zu einem Vertrauensverlust führen; diese ___________ 127 Vgl. schon Hopt, ZHR 141 (1977), S. 389, 430; in neuerer Zeit Jäger, JZ 2003, S. 1048, 1053. 128 So in der ursprünglichen Insiderrichtlinie (89/592/EWG), Erwägungsgrund 5; vgl. auch Assmann/Cramer-Assmann/Schneider, § 14 Rn. 40; Assmann, AG 1994, S. 198, 202. 129 Assmann/Cramer-Assmann/Schneider, § 14 Rn. 40; Assmann, AG 1994, S. 198, 202; Knöfler, S. 102.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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Erkenntnis findet sich auch im deutschen Verfassungsrecht, dessen in Art. 3 GG niedergelegter Gleichheitsgrundsatz nur verlangt, dass „Gleiches gleich und Ungleiches ungleich“ behandelt wird130. Damit ist die Frage zu stellen, ob außerbörslicher Kauf und Verkauf von Unternehmensbeteiligungen im Vergleich mit sonstigen, anlageorientierten Transaktionen, die an der Börse abgewickelt werden, als „gleich“ oder „ungleich“ zu qualifizieren sind. Zweifellos führt schon die Tatsache, dass Erwerb und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen außerbörslich erfolgen, zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung131. Allerdings lassen sich auch noch andere triftige Gründe finden: So ist ein weiterer sehr wichtiger Unterscheidungspunkt, dass es dem Erwerber einer unternehmerischen Beteiligung nicht um die Erzielung kurzfristiger Kursgewinne, sondern um die Verfolgung längerfristig orientierter Vermögens- und Gewinninteressen geht132. Wie bereits angesprochen, ist der Käufer dabei auf präzise Informationen angewiesen, um seine Investitionsentscheidung treffen zu können133; dass das Risiko sonst ungleich höher wäre als bei einer bloßen Vermögensanlage, liegt nicht nur an den bei Unternehmens- oder Beteiligungskäufen typischerweise sehr hohen Volumina, sondern auch in der Natur einer unternehmerischen Entscheidung. Hinzu kommt, dass sich Fehlentscheidungen durch die deutlich eingeschränkten Veräußerungsmöglichkeiten großer Aktienpakete nur schwer – wenn überhaupt – korrigieren lassen134. Darüber hinaus ist ebenfalls zu beachten, dass dieses Risiko auch die entscheidenden Organe auf Käuferseite trifft; wie bereits oben erörtert wurde, muss das Management damit rechnen, im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig zu werden, wenn sich eine auf unzureichender Informationsgrundlage getroffene Investitionsentscheidung als Fehlschlag entpuppt135. Und nicht zuletzt muss berücksichtigt werden, dass beim außerbörslichen Erwerb von Aktienpaketen in aller Regel ein Paketaufschlag gezahlt wird136. Auch dies trägt dazu bei, dass sich außerbörsliche, unternehmerisch motivierte Paketerwerbe von anlageorientierten Börsentransaktionen abgrenzen lassen. ___________ 130

BVerfGE 42, S. 64, 72; BVerfGE 3, S. 58, 135; st. Rspr. Kiethe, NZG 1999, S. 976, 980; Knöfler, S. 104; Süßmann (AG 1999, S. 162, 171) vertritt sogar die Ansicht, es bestehe überhaupt keine Notwendigkeit, den Pakethandeldem Insiderhandelsverbot zu unterwerfen. 132 Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 284; Kiethe, NZG 1999, S. 976, 980; Werner, ZIP 2000, S. 989, 992. 133 s. o. B.I.2., C.I.2.a), C.III. 134 Vgl. Banerjea, ZIP 2003, S. 1730, 1735. 135 s. o. C.III. 136 Süßmann, AG 1999, S. 162, 169. 131

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E. Neue Rechtslage

Auch dass der Erwerb einer unternehmerischen Beteiligung außerhalb der Börse erfolgt, ist ohne weiteres einsichtig. Denn diese Praxis folgt nicht dem Ziel, bestehende Verbote zu umgehen137 – dies ist im Übrigen auch schon nach gegenwärtiger Rechtslage nicht möglich – sondern ergibt sich aus zwingenden Notwendigkeiten: Ein Verkauf oder Ankauf über die Börse ist oftmals nur unter Inkaufnahme großer Kursschwankungen möglich, die in aller Regel nicht nur für die Vertragsparteien, sondern auch für das Zielunternehmen selbst nachteilig sind138. Damit bleibt allerdings noch zu klären, wann vom Erwerb einer unternehmerisch orientierten Beteiligung gesprochen werden kann. Denn die genannten Argumente setzten voraus, dass sich unternehmerischer und rein anlageorientierter Beteiligungserwerb nicht nur prinzipiell, sondern auch im konkreten Fall trennen lassen139. Es ist also zu fragen, ob sich eine klare Trennlinie finden lässt, anhand derer sich unternehmerisch orientierte Paketerwerbe von rein anlageorientierten Transaktionen unterscheiden lassen. Als Faustformel wurde hierzu vorgeschlagen, dass das in Frage stehende Paket „mehr sein [müsse] als die Summe der wirtschaftlichen Einzelwerte der zum Paket gehörenden Aktien“140. Allerdings liegt es in der Natur einer Faustformel, dass eine trennscharfe Abgrenzung damit nicht erreicht werden kann. Auch wurde erst jüngst die Kritik geäußert, die Anforderung, das Paket müsse „mehr sein“ als die Einzelwerte – mit anderen Worten, der Preis müsse über dem jeweiligen Kurswert liegen – mache es vom Willen der Parteien abhängig, wie die Transaktion einzustufen sei141. Vorzugswürdig ist daher eine zahlenmäßig definierte Abgrenzung. In Betracht kommt hier die Entlehnung eines Schwellenwertes aus dem deutschen Kapitalmarktrecht: Zu denken ist an § 21 Abs. 1 WpHG, der eine Mitteilungspflicht ab einer Beteiligung von mindestens 5% vorsieht142.

___________ 137

Hammen, WM 2004, S. 1753, 1759. Hammen, WM 2004, S. 1753, 1758. 139 Banerjea, ZIP 2003, 1730, 1736 hält das Kriterium der unternehmerischen Beteiligung hingegen ganz für überflüssig. 140 Assmann, AG 1997, S. 50, 56; Krömker, S. 69; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1810; Wastl, NZG 2000, S. 505, 506; so auch – eine zahlenmäßige Grenze aber ausdrücklich ablehnend – Ziemons, AG 1999, S. 492, 498 f. 141 Liekefett, S. 155. 142 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn. 88e; Schneider/Singhof, FS Kraft (1998), S. 585, 602; Süßmann, AG 1999, S. 162, 168. 138

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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Gegen die Verwendung dieses Schwellenwerts zur Abgrenzung von unternehmerisch motivierten und anlageorientierten Beteiligungserwerben wurde allerdings unlängst eingewandt, dass dieser Wert einerseits bei kleinen Aktiengesellschaften ein zu geringes Investitionsvolumen darstelle, bei größeren Aktiengesellschaften andererseits keine ausreichende Möglichkeit zur Einflussnahme einräume; vorzugswürdig sei demgegenüber ein Schwellenwert von 30%. Erst mit Erreichen der faktischen Hauptverhandlungsmehrheit sei eine unternehmerische Einflussmöglichkeit sichergestellt143. Diese hohe Schwelle erscheint jedoch zu restriktiv. Denn es darf nicht übersehen werden, dass damit eine unternehmerisch orientierte Beteiligung erst dann anerkannt würde, wenn der Erwerber die faktische Kontrolle über das Unternehmen innehätte. Tatsächlich geht es aber nur um eine unternehmerische Beteiligung, nicht aber um Unternehmensherrschaft. Ziel ist es lediglich, eine einleuchtende, hinreichend deutliche Abgrenzung zur rein anlageorientierten Beteiligung zu definieren, nicht aber, eine möglichst hohe Hürde für unternehmerische Beteiligungen aufzubauen. Tatsächlich ist der Schwellenwert des § 21 Abs. 1 WpHG hierfür völlig ausreichend. Denn indem die betroffenen Aktionäre mit besonderen Pflichten belastet werden, sind sie von den anderen Aktionären deutlich abgesetzt144; durch die ab der Grenze von 5% einsetzenden Offenlegungspflichten fallen sie aus der ansonsten weitgehend anonymen Masse der Aktionäre heraus145. Damit ist also mit der 5%-Grenze ein Schwellenwert gefunden, der einerseits Raum für unternehmerisch orientierte Beteiligungen unterhalb der faktischen Kontrollschwelle offen hält, andererseits aber auch für die notwendige Abgrenzbarkeit Sorge trägt. Damit bleibt festzuhalten, dass auch aus der Sicht der übrigen Anleger der außerbörsliche Erwerb von Unternehmensbeteiligungen klar vom börslichen Erwerb von Wertpapieren zu Kapitalanlagezwecken unterschieden werden kann146; in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit lassen sich also ein Markt für Unternehmensbeteiligungen und ein Markt für Kapitalanlagen trennen147. Dies bedeutet, dass unterschiedliche Praktiken nicht dazu führen müssen, dass das Prinzip der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung der Anleger in Frage gestellt wird. Dass im Vorfeld von außerbörslichen Paketverkäufen detaillierte ___________ 143

Liekefett, S. 155. Schneider/Singhof, FS Kraft (1998), S. 585, 602. 145 Schneider/Singhof, FS Kraft (1998), S. 585, 602. 146 Vgl. Banerjea, ZIP 2003, S. 1730, 1734; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 284. 147 Vgl. Banerjea, ZIP 2003, S. 1730, 1735, der mit ähnlicher Argumentation auch den Erwerb über die Börse einbeziehen möchte. 144

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E. Neue Rechtslage

Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, ist daher auch aus der Perspektive der Anlegeröffentlichkeit einsichtig und führt nicht zu einem Verlust des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Kapitalmärkte.

(b) Schutz des Vertragspartners? Es ist also davon auszugehen, dass Anleger, die an der Börse handeln, weder tatsächlich noch psychologisch durch Paketveräußerungen betroffen werden, die außerhalb der Börse unter Verwendung von Insiderinformationen durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist daher kein negativer Effekt für den Kapitalmarkt zu befürchten. Allerdings wurde in der Vergangenheit die Frage aufgeworfen, ob nicht auch der jeweilige Vertragspartner im außerbörslichen Handel davor geschützt werden müsse, dass der andere Vertragsteil Insiderwissen ausnutze148. Eine solche Situation läuft jedoch konträr zum hier diskutierten Problem: Bei der Due Diligence geht es ja gerade (auch) darum, Informationsasymmetrien zu überwinden! Tatsächlich ist davon auszugehen, dass nach Durchführung der Due Diligence beide Vertragspartner sich prinzipiell auf dem gleichen Informationsstand befinden149. In dieser Situation ist von vornherein nicht zu befürchten, dass ein Insider seinen Vertragspartner übervorteilt.

(c) Konsequenz Diese Überlegungen legen nahe, Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie teleologisch zu reduzieren. Hierzu ist zu erwägen, ob bereits bestehende Ausnahmen erweiternd ausgelegt werden können; zu denken ist an den bereits mehrfach angesprochenen Erwägungsgrund 29, der eine Ausnahme für öffentliche Übernahmeangebote vorsieht. Die der Ausnahme in Erwägungsgrund 29 zugrunde liegende Situation weist eine ähnliche Struktur auf: Während auf der einen Seite ein nachvollziehbares Interesse des Erwerbers besteht, sich im vorhinein zu informieren – auch wenn dabei möglicherweise Insiderinformationen erlangt werden –, ist auf der anderen Seite eine Gefährdung des Vertrauens der Öffentlichkeit nicht zu befürchten, da die Interessen der übrigen Marktteilnehmer durch die Angebotspflicht geschützt werden. ___________ 148 149

Schneider/Singhof, FS Kraft (1998), S. 585, 589. Claussen, ZBB 1992, S. 267, 282; Hopt, ZHR 141 (1977), S. 389, 430.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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Vergleicht man also die hier diskutierte Situation mit der Situation des Erwägungsgrundes 29, ergibt sich folgendes Bild: Auf der einen Seite steht in beiden Fällen ein nachvollziehbares und unmittelbar einleuchtendes Interesse des Erwerbers, eine belastbare Informationsgrundlage zu erlangen. Auf der anderen Seite findet sich jeweils eine hinreichende Trennung von regulären, anlageorientierten Börsengeschäften: Beim (börslichen) Erwerb durch öffentliches Übernahmeangebot ist dies in erster Linie durch die besonderen Schutzmechanismen, die mit dem öffentlichen Übernahmeangebot einhergehen, gegeben. Der außerbörsliche Paketerwerb bleibt zwar unter der Schwelle, ab der der besondere Schutz durch die Angebotspflicht einsetzen würde; wie gezeigt, sorgen hier jedoch in erster Linie die außerbörsliche Abwicklung, daneben der in aller Regel vereinbarte Paketaufschlag und die Wahrnehmung als unternehmensbezogene Investition für eine hinreichende Trennung. Diese Parallelität spricht dafür, dass eine erweiternde Auslegung dieses Ausnahmetatbestands – mit dem Ziel der teleologischen Reduktion des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie – möglich sein muss. Allerdings wurde oben gezeigt, dass die in Erwägungsgrund 29 vorgesehene Ausnahme bei systematischer Auslegung an und für sich als abschließend angesehen werden sollte. Demgegenüber muss aber auch berücksichtigt werden, dass die Richtlinie bei enger, nur an Wortlaut und Systematik orientierter Auslegung droht, die Erreichung der selbst gesteckten Ziele nicht nur zu verfehlen, sondern sogar zu erschweren150. Hier muss an den Grundsatz des „Effet Utile“ erinnert werden151: Nach den bisherigen Überlegungen ist eine Zweckerreichung nur dann möglich, wenn das vorherige Auslegungsergebnis korrigiert wird; eine teleologische Reduktion ist daher unumgänglich. Inwieweit Wortlaut und Systematik dem entgegenstehen können, bleibt zu erörtern. Dass eine derartige, durch teleologische Erwägungen geforderte Korrektur prinzipiell auch über den Wortlaut hinaus denkbar ist, hat der EuGH bereits im Fall „Fegezucker“ klargestellt152. Hier hatte der Gerichtshof eine Ausnahme, die für die Wahrung des Effet Utile erforderlich erschien, auch ohne ausdrücklichen Anhaltspunkt im Text der betreffenden Vorschrift angenommen; dies sogar, obwohl in der einschlägigen Richtlinie ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen waren, die an sich ausschließliche Geltung beanspruchten153.

___________ 150

s. o. (b). EuGH Slg. 1955, S. 302, 313; Slg. 1970, S. 825, 838, st. Rspr.; Oppermann, EuropaR, Rn. 686. 152 EuGH Slg. 1976, S. 153. 153 EuGH Slg. 1976, S. 153, 159. 151

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E. Neue Rechtslage

Gerade im Hinblick auf den Grundsatz des Effet Utile ist eine restriktive Auslegung des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie bzw. eine extensive Auslegung der Ausnahme in Erwägungsgrund 29 auch geradezu zwingend. Denn abgesehen davon, dass sich das Ergebnis von wörtlicher und systematischer Auslegung mit den erklärten Zielen der Richtlinie schwerlich in Einklang bringen lässt, wären auch die praktischen Konsequenzen kaum tragbar. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, führt die Neuregelung bereits jetzt zu einer erheblichen Verunsicherung der Marktteilnehmer154. Wäre tatsächlich davon auszugehen, dass die Durchführung einer Due Diligence vor außerbörslichen Paketverkäufen hinfort gegen die Marktmissbrauchsrichtlinie bzw. das daraus abgeleitete nationale Recht verstoßen würde, hätte dies kaum absehbare Konsequenzen – handelt es sich doch hierbei um eine international anerkannte und weit verbreitete Praxis, die überdies zwingenden Erfordernissen geschuldet ist155. Es wäre ernstlich zu befürchten, dass der Paketerwerb als Transaktionsform an den europäischen Finanzplätzen nicht mehr aufrechterhalten werden könnte156. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls daran zu erinnern, dass auch der EuGH Praktikabilitätserwägungen in seine Auslegung europäischer Richtlinien mit einbezieht157. Insbesondere hat der EuGH klargestellt, dass eine Auslegung, die zu willkürlichen Ergebnissen führen würde, korrigiert werden müsse158. Genau dies ist jedoch hier der Fall: Wie dargelegt wurde, gibt es keinen einsichtigen Grund, die bisherige Praxis der Due Diligence zu untersagen; eine derartige Auslegung wäre somit nicht nur schädlich, sondern mangels tragfähiger Grundlage auch willkürlich. Die vorgebrachten Argumente – Zweckerreichung, Praktikabilität, Willkürfreiheit – rechtfertigen es, hier dem Vorbild des EuGH zu folgen und sich von einer strengen Wortlautinterpretation zu lösen; unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint die restriktive Auslegung bzw. die Annahme einer weiteren Ausnahme als geradezu zwingend.

___________ 154

s. o. E.III.1.b)cc). s. o. C.I. 156 Rittmeister, NZG 2004, S. 1032, 1035; vgl. zu ähnlichen Erwägungen zu § 14 WpHG aF Stoffels, ZHR 165 (2001), S. 362, 380; Süßmann, AG 1999, S. 162, 169. 157 EuGH, Slg. 1976, S. 153, 159; vgl. auch Bleckmann, NJW 1982, S. 929, 931. 158 EuGH Slg. 1980, S. 535; M. Schmidt, RabelsZ 1995, S. 569, 576, 579. 155

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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(4) Zwischenergebnis In Übereinstimmung mit den oben erörterten Grundsätzen für die Auslegung europäischer Richtlinien ist daher hier als Zwischenergebnis festzuhalten, dass Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie teleologisch zu reduzieren ist. Dies muss dergestalt erfolgen, dass in Anlehnung an den bisherigen Rechtszustand auch weiterhin ein Paketerwerb nach Durchführung einer Due Diligence jedenfalls dann keinen verbotenen bzw. zu verbietenden Insiderhandel darstellt, wenn es sich dabei um den Erwerb einer unternehmerischen Beteiligung (mindestens 5% der Anteile)159 handelt und dieser außerbörslich erfolgt160. Hierbei handelt es sich um eine weitere, ungeschriebene Ausnahme neben der in Erwägungsgrund 29 genannten Ausnahme für öffentliche Übernahmeangebote.

dd) Historische Auslegung Neben grammatischer, systematischer und teleologischer Interpretation soll der neue Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie auch aus dem Blickwinkel der historischen Auslegung betrachtet werden. Es spricht viel dafür, dass das Ergebnis der teleologischen Auslegung – Art. 2 Abs. 1 ist teleologisch zu reduzieren bzw. die in Erwägungsgrund 29 vorgesehene Ausnahme ist erweiternd auszulegen – bei Heranziehung der historischen Auslegung bestätigt wird. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt161, hat der EuGH schon in einer sehr frühen Entscheidung auf den römisch-rechtlichen Grundsatz verwiesen, dass eine signifikante Änderung des Rechts nur dann angenommen werden könne, wenn sich auch Belege für eine entsprechende Intention des Gesetzgebers finden ließen162. Es ist daher zunächst von der früheren Rechtslage auszugehen und nach Belegen zu suchen, ob diese im Laufe des Rechtssetzungsprozesses geändert werden sollte. Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Tatsächlich spricht nichts dafür, dass es die Intention der beteiligten Organe gewesen sein könnte, die bisherige Praxis der Durchführung einer Due Diligence vor Paketerwerben hinfort als verbotenes Insidergeschäft anzusehen163. ___________ 159

s. o. E.III.1.b)cc)(3)(a). s. o. E.III.1.b)cc)(3)(a). 161 s. o. E.IV.1.a)cc). 162 EuGH Slg. 1969, S. 43. 163 Eine solche Intention wäre auch sehr problematisch, erschiene es doch befremdlich, aus insiderrechtlichen Erwägungen den außerbörslichen Beteiligungserwerb völlig neu strukturieren zu wollen – vgl. Assmann, AG 1997, S. 50. 160

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E. Neue Rechtslage

Hier ist zunächst der ursprüngliche, den Startpunkt des Rechtssetzungsverfahrens markierende Entwurf der Kommission heranzuziehen164. In der Begründung165 führt die Kommission zunächst allgemein aus, warum sie die neue Richtlinie für notwendig erachtet: Es gebe bisher auf EU-Ebene noch keine Vorkehrungen gegen Marktmanipulation, die bisherigen Regelungen gegen Marktmissbrauch seien von Land zu Land unterschiedlich und zum Teil seien die Zuständigkeiten innerhalb der nationalen Behörden unklar; dies führe zu Wettbewerbsverzerrungen und stelle ein Hemmnis für die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Finanzmarkts dar; durch neue Technologien, Produkte und Derivatinstrumente werde diese Situation weiter verschärft. Auch wenn es sich hierbei um sehr allgemeine Ausführungen handelt, fällt doch auf, dass es in erster Linie darum geht, eine neue Regelungsmaterie hinzuzufügen – den Bereich der Marktmanipulation – und dies mit bisher getroffenen Regeln zu vereinheitlichen; dass eine Verschärfung der bisherigen Regeln auf dem Gebiet des Insiderrechts beabsichtigt sein könnte, lässt sich hingegen nicht erkennen. Das gleiche gilt für die Begründung zu den geplanten Änderungen der Artikel 2 – 4. Hier wird zunächst klargestellt, dass der Inhalt dieser Artikel auf denen der Insiderrichtlinie beruht. Sodann werden drei Änderungen erläutert: die Streichung des Tatbestandsmerkmals „in Kenntnis“, die Ersetzung von „Wertpapieren“ durch „Finanzinstrumente“ und die Streichung der Voraussetzung, dass ein Berufshändler eingeschaltet sein muss. Die Streichung der Einschränkung „unter Einschaltung eines Berufshändlers“ darf hier nicht missdeutet werden: Diese Änderung ist letztlich nicht erheblich, da eine Ausdehnung auf außerbörsliche Geschäfte schon bisher gem. Art. 6 der Insiderrichtlinie möglich war und z.B. der deutsche Gesetzgeber hiervon in § 1 WpHG aF auch Gebrauch gemacht hatte. Nicht erwähnt hingegen werden Änderungen, die das Merkmal „unter Ausnutzung“ betreffen – dies ist auch in der Tat nicht weiter verwunderlich, da der Kommissionsentwurf sich insoweit nicht vom ursprünglichen Text unterscheidet. Hier war daher ersichtlich auch keine Verschärfung bezweckt. Auch die Stellungnahmen der Europäischen Zentralbank166 und des Wirtschafts- und Sozialausschusses167 lassen nicht erkennen, dass im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Bereich eine Änderung für erforderlich gehalten ___________ 164

ABl. EG Nr. C 240 E vom 28.8.2001, S. 265 ff. Begründung (nicht im Amtsblatt abgedruckt) veröffentlicht u. a. unter http:// www.ecb.de/ecb/legal/pdf/de_501pc0281.pdf. 166 ABl. EG Nr. C 24 vom 26.1.2002, S. 8 ff. 167 ABl. EG Nr. C 80 vom 3.4.2002, S. 61 ff. 165

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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oder gar bezweckt worden sei. Insbesondere die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses spricht davon, dass die Standards für Marktintegrität im Wertpapierbereich EU-weit anzuheben seien und Schlupflöcher bereinigt werden müssten168; dennoch wird in dieser Stellungnahme kein Anstoß daran genommen, dass auch in Zukunft nur das „Ausnutzen“ verboten sei169. Eine „Anhebung des Standards der Marktintegrität“ wird gerade in diesem Zusammenhang also offensichtlich nicht für notwendig erachtet. Tatsächlich wird die bisherige Formulierung „unter Ausnutzung“ erst in der Stellungnahme des Parlaments vom 14.3.2002 durch „unter Verwendung“ ersetzt. Das Parlament hat hierbei auch den bisherigen170 Erwägungsgrund 11 deutlich erweitert und dabei u. a. auch ein Beispiel („kann“) für die Verwendung von Insider-Informationen genannt. Hier liegt der Fokus darauf, eine griffige Formulierung zu finden, die sich von den zuständigen Verwaltungsstellen leicht handhaben lässt – diese sollen sich der Einfachheit halber daran orientieren, „was eine normale und vernünftige Person […] wüsste oder hätte wissen müssen“171. Es geht also darum, die Arbeit der Verwaltungsbehörden zu erleichtern – nicht aber darum, internationale Gepflogenheiten beim Paketerwerb zu kriminalisieren172. Dass „unter bestimmten Umständen und aus vollkommen einsichtigen wirtschaftlichen Gründen“ Ausnahmen von den Verboten der Richtlinie zuzulassen sind, wird im Übrigen auch in der allgemeinen Begründung173 klargestellt; diese Begründung wurde insoweit unverändert aus dem Kommissionsentwurf übernommen. Betrüblich ist lediglich, dass augenscheinlich übersehen wurde, dass die neue Formulierung es erfordert hätte, zur Klarstellung eine weitere Ausnahme aufzunehmen. Dass eine solche Änderung nicht bezweckt war, lässt sich dennoch nicht bezweifeln. Die durch das Parlament vorgenommene Änderung des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie findet sich auch im vom Rat festgelegten gemeinsamen Standpunkt vom 19.7.2002174 und bleibt über das gesamte weitere Normsetzungsverfahren bestehen. Wie bereits im Rahmen der Wortlautauslegung erwähnt, wird in der deutschen Version interessanterweise in den Erwägungsgründen statt „Verwendung“ – dies war der Vorschlag des Parlaments – ___________ 168

ABl. EG Nr. C 80 vom 3.4.2002, S. 61. ABl. EG Nr. C 80 vom 3.4.2002, S. 62. 170 Bezug nehmend auf den Vorschlag der Kommission (ABl. EG Nr. C 240 E vom 28.8.2001, S. 265 ff.) 171 ABl. EG Nr. C 47 E vom 27.2.2003, S. 511, 513. 172 Hemeling (ZHR 169 (2005), S. 274, 284) beschreibt den Gedanken einer derartigen Kriminalisierung als „schlichtweg nicht tragbar“. 173 Abgedruckt in ZBB 2002, S. 144, 146. 174 ABl. EG Nr. C 228 E vom 25.9.2002, S. 19, 24. 169

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E. Neue Rechtslage

weiterhin „Ausnutzung“ verwendet; diese Diskrepanz findet sich allerdings in der französischen und englischen Version nicht wieder. Festgehalten werden soll aber, dass die potentielle Bedeutung der vom Parlament vorgeschlagenen Änderung des Wortlauts des Art. 2 Abs. 1 weder gesehen, geschweige denn bezweckt wurde. Zusammenfassend ist daher zu sagen: Dafür, dass mit der Formulierung „Verwendung“ anstelle von „Ausnutzen“ eine Kriminalisierung des Paketerwerbs nach Due Diligence intendiert worden wäre, finden sich keine Belege. Auch dies spricht dafür, dass der neue Wortlaut in dieser Hinsicht teleologisch reduziert werden muss.

ee) Fazit Nach den verschiedenen Auslegungsschritten hat sich zunächst ein gespaltenes Bild ergeben: Während nach Wortlaut und Systematik der Vorschrift vieles dafür spricht, dass der Paketerwerb nach Due Diligence regelmäßig ein verbotenes Insidergeschäft darstellt, lässt dies sich weder mit dem Telos noch mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift vereinbaren. Wie gezeigt wurde, sprechen jedoch gerade im Hinblick auf die Zwecksetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie viele Argumente dafür, dass sich der bisherige Rechtszustand insoweit tatsächlich nicht geändert hat; Zweck der Vorschrift, Praktikabilitätserwägungen und das Gebot der Willkürfreiheit zwingen zur teleologischen Reduktion. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass auch nach dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsrichtlinie der unternehmerisch motivierte175, außerbörsliche176 Erwerb eines Aktienpakets nach Durchführung einer Due Diligence – und zwar auch dann, wenn Insiderinformationen erlangt wurden – kein verbotenes Insidergeschäft darstellt. Auch wenn dem Wortlaut nach ein „Nutzen“ gegeben sein mag, handelt es sich hierbei neben der Ausnahme für öffentliche Übernahmeangebote um eine weitere – wenn auch ungeschriebene – Ausnahme.

2. Auslegungsmethodik für angeglichene Norm nationalen Rechts Die entscheidende Frage ist jedoch, wie sich dieses Auslegungsergebnis auf die Auslegung des nationalen Rechts – also des § 14 WpHG nF – auszuwirken hat. Dass bei der Auslegung von nationalen Vorschriften, die in Umsetzung europäischer Richtlinien erlassen wurden – sog. angeglichenem Recht – die ___________ 175 176

s. o. E.III.1.b)cc)(3)(a). s. o. E.III.1.b)cc)(3)(a).

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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zugrunde liegende Richtlinie eine Rolle spielen muss, liegt auf der Hand. Die Notwendigkeit der sog. richtlinienkonformen Auslegung ist nahezu unumstritten177 und auch von der Rechtsprechung anerkannt178. Trotzdem ist festzustellen, dass bei dieser Frage auch nach langjähriger Diskussion noch vieles im Unklaren ist179.

a) Zur Terminologie Ein den inhaltlichen Differenzen der verschiedenen vertretenen Ansichten vorgelagertes Problem ist jedoch, dass schon der Begriff der „richtlinienkonformen Auslegung“ nicht einheitlich verwendet wird. Der Hierarchie des Europarechts folgend, wird verschiedentlich betont, dass es sich bei der richtlinienkonformen Auslegung um einen Unterfall der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung handele, bei dem sich die Auslegung nationalen Rechts nicht lediglich am europäischen Primärrecht, sondern eben – nahe liegender Weise – an europäischen Richtlinien orientiere180. Einige Autoren scheinen aber davon auszugehen, dass sich dieser Unterfall in erster Linie darauf beziehe, solches Recht, das nicht in Umsetzung der Richtlinie erlassen wurde, „richtlinienkonform“ auszulegen181; das Ziel müsse sein, Konflikte im nationalen Recht zwischen der zur Umsetzung ergangenen Norm und den übrigen nationalen Rechtsnormen zu vermeiden182. Das umgesetzte Recht müsse hingegen lediglich gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden. Wie gleich im Anschluss zu behandeln sein wird, folgen jene Autoren, die den Terminus der richtlinienkonformen Auslegung auf diese Bedeutung reduzieren wollen, auch der Theorie, dass eine Auslegung unter Berücksichtigung der Richtlinie nur mit Hinblick auf das nationale Recht – nicht jedoch auf die Richtlinie selbst – geschuldet sei; das dargestellte eingeschränkte Verständnis ___________ 177

Vgl. Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 49 mwN. Aus der deutschen Rechtsprechung: BVerfGE 75, S. 223, 227; BGHZ 138, S. 55, 60 ff.; BGHZ 107, S. 296; BGHZ 87, S. 59, 61 f.; BGHZ 63, S. 261, 264 f.; für das Recht anderer Mitgliedstaaten vgl. etwa Craig, ELR 1997, S. 519, 530 ff. (Großbritannien); VfGH, ÖJZ 1997, S. 234 (Österreich). 179 Vgl. hierzu Craig, ELR 1997, S. 519, 527: „… an area not presently renowned for its pristine clarity“. 180 Basedow, FS Brandner (1996), S. 651, 657; Rodriguez Iglesias/Riechenberg, FS Everling (1995), Bd. II, S. 1213, 1215; Roth, Festgabe (2000), Bd. II, S. 847, 874. 181 Ehricke, EuZW 1999, S. 553, 554; so wohl auch Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 231. 182 Ehricke, EuZW 1999, S. 553, 554; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), S. 598, 613. 178

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E. Neue Rechtslage

des Schlüsselbegriffes der richtlinienkonformen Auslegung ist daher nur konsequent – jedenfalls bei ergebnisorientierter Betrachtung. Im Folgenden soll der Begriff jedoch so verstanden werden, wie es auch sein Wortlaut nahe legt: Richtlinienkonforme Auslegung beschreibt die Auslegung einer Norm des nationalen Rechts, orientiert an den Vorgaben einer europäischen Richtlinie – unabhängig davon, ob es sich bei der nationalen Norm um angeglichenes oder sonstiges nationales Recht handelt. Ob hierzu eine Verpflichtung besteht, ob diese europäischer oder national-rechtlicher Natur ist, und in welchem Verhältnis diese Auslegung zu den tradierten Auslegungsregeln steht, wird – unter anderem – im Folgenden zu behandeln sein.

b) Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung Die Frage, warum eine richtlinienkonforme Auslegung notwendig ist, ist weiterhin umstritten. Streit herrscht hier zum einen darüber, auf welchen Normen die Verpflichtung basiert, zum anderen – hiermit untrennbar verbunden – wer (d.h. welche staatlichen Stellen bzw. Organe) der Verpflichtung unterfällt. Die vertretenen Positionen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der EuGH183 und die herrschende Meinung184 vertreten die Auffassung, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des angeglichenen nationalen Rechts primär europarechtlichen Regelungen – insbesondere Art. 249 Abs. 3 EGV, ergänzend aber auch der Generalklausel des Art. 10 EGV – geschuldet sei und alle staatlichen Organe treffe. Die Mindermeinung geht hingegen davon aus, dass eine richtlinienkonforme Auslegung allein aufgrund nationaler Normen in Betracht komme, da die zitierten Art. 249 Abs. 3 und Art. 10 EGV nicht Exekutive und Gerichte verpflichten könnten185. Die Vertreter der Mindermeinung begründen ihre Auffassung damit, dass sich der „Umsetzungsbefehl“ aus Art. 249 Abs. 3, aus Art. 10 EGV und aus der jeweiligen Richtlinie selbst nur an die Legislative der Mitgliedstaaten richte. Sobald eine Umsetzung aber stattgefunden habe, sei diesem Umsetzungsbefehl ___________ 183

EuGH Slg. 1987, S. 3969, 3986; 1984, S. 1891, 1909; 1984, S. 1921, 1942. Basedow, FS Brandner (1996), S. 651, 654; Callies-Rüffert, Art. 249 EGV Rn. 108; Everling, ZGR 1992, S. 376, 380; Jarass, Grundfragen, S. 93; Klauer, Europäisierung, S. 49 ff.; Langenfeld, DÖV 1992, S. 955, 964; Rüffler, ÖJZ 1997, S. 121, 123; M. Schmidt, RabelsZ 59 (1995), S. 569, 591. 185 Dänzer-Vanotti, DB 1994, S. 1052; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), S. 598, 614 f., 643; Ehricke, EuZW 1999, S. 554; Grundmann, ZEuP 1996, S. 399, 420 f.; Grundmann, JZ 1996, S. 274, 282; Herber, EuZW 1991, S. 401, 403; Klein, FS Everling (1995) Bd. I, S. 646 f.; Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 231 f.; in diese Richtung tendierend auch Hommelhoff, Festgabe (2000), Bd. II, S. 889, 892. 184

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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Genüge getan; eine darüber hinausgehende Wirkung komme europäischen Richtlinien grundsätzlich nicht zu186. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Richtlinie ausnahmsweise unmittelbare Wirkung beanspruchen könne187. Soweit eine derartige Situation jedoch nicht vorliege, habe die Auslegung der nationalen (Umsetzungs-)Normen nach nationalem Recht, d.h. nach den tradierten nationalen Auslegungskriterien zu erfolgen188. Auch hierbei sei die zugrunde liegende Richtlinie zwar in aller Regel zu berücksichtigen, allerdings lediglich im Rahmen der historischen bzw. teleologischen Auslegung189. Da eine unmittelbare Verpflichtung von Exekutive und Judikative nicht gegeben sei, komme bei einer Auslegung, die der Richtlinie aus europäischer Sicht nicht ausreichend Rechnung trage, nur die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission in Betracht190. Freilich geht der EuGH in seiner Rechtsprechung zur richtlinienkonformen Auslegung davon aus, dass auch die Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Auslegung nationalen Rechts die jeweiligen Richtlinien soweit als möglich zu berücksichtigen haben191. Hierzu wird jedoch vertreten, dass diese Rechtsprechung über Art. 249 Abs. 3 und Art. 10 EGV hinausgehe; es handele sich hier um eine Rechtsfortbildung des Gerichtshofs, deren Zulässigkeit zweifelhaft sei192. Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Auffassung, dass die Notwendigkeit der richtlinienkonformen Auslegung lediglich auf dem Umsetzungswillen des nationalen Gesetzgebers beruhe, weist einige fundamentale Schwächen auf. Denn tatsächlich gibt es keine Grundlage dafür, davon auszugehen, dass die Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV nur bestimmte Organe – nämlich die Legislative – der Mitgliedstaaten treffe; dies gilt umso mehr für Art. 10 EGV. Hier wurde die Befürchtung geäußert, dass bei einem anderen Verständnis möglicherweise andere Organe, insbesondere die Judikative, Aufgaben der Legislative übernehmen könnte193. Eine derartige Argumentation ist jedoch in sich fehlerhaft, schüttet sie doch das Kind mit dem Bade aus – und angesichts der Rechtsprechung des EuGH auch gar nicht notwendig, ___________ 186 Dänzer-Vanotti, DB 1994, S. 1052, 1053; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), S. 598, 614 f., 643; Hommelhoff, Festgabe (2000), Bd. II, S. 889, 892. 187 Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 232. 188 Dänzer-Vanotti, DB 1994, S. 1052, 1053; Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 231. 189 Dänzer-Vanotti, DB 1994, S. 1052, 1053; Di Fabio, NJW 1990, S. 947, 951; Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 231. 190 Dänzer-Vanotti, DB 1994, S. 1052, 1053; vgl. auch Hommelhoff, Festgabe (2000), Bd. II, S. 889, 892. 191 EuGH, Slg. 2000, S. 4941, 4975; Slg. 1993, S. 6911, 6932; Slg. 1990, S. 4135, 4159; Slg. 1984, S. 1921, 1943; Slg. 1984, S. 1891, 1909. 192 Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 232. 193 Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 232.

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E. Neue Rechtslage

hat dieser doch klargestellt, dass die Gerichte zur richtlinienkonformen Auslegung nur innerhalb ihrer Zuständigkeitsgrenzen194 – d.h. innerhalb der durch das nationale Recht definierten Kompetenzgrenzen!195 – verpflichtet sind. Weitaus schwerwiegender sind jedoch die praktischen Implikationen, die bei einem derart eingeschränkten Verständnis der Art. 249 Abs. 3 und Art. 10 EGV zu befürchten wären. Hier sei in Erinnerung gerufen, dass die europäische Rechtsangleichung in Form von Richtlinien eine systembedingte Schwäche aufweist: Durch den mehr oder minder großen Freiraum, der den einzelnen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der jeweiligen Richtlinienbestimmungen gewährt wird, ergibt sich die reale Gefahr, dass auf der zweiten Stufe – d.h. der auf Grund der Richtlinie erlassenen nationalen Regelung – die eigentlich gewollte Vereinheitlichung wieder in mehr oder minder stark von einander differierende nationale Regelungen zerfällt196. Sind nun die Gerichte in ihrer Auslegung nicht kraft Europarechts zur Berücksichtigung der Richtlinie angehalten, würde dies den Erfolg des europäischen Harmonisierungsprojekts grundlegend in Frage stellen: Denn nur dann, wenn auch die Rechtsanwender, also Verwaltung und Gerichte, auf das gemeinsame Ziel der Rechtsangleichung verpflichtet werden, kann dieses Ziel auch erreicht werden197. Geht man aber davon aus, dass diese Pflicht lediglich der Legislative obliegt, ist ein Scheitern vorprogrammiert: Denn einerseits steht kaum zu erwarten, dass der Gesetzgeber selbst in der Lage sein wird, die Voraussetzungen für eine zuverlässig richtlinienkonforme Auslegung der betroffenen nationalen Normen in allen Fällen sicherzustellen. Und andererseits wäre auch die Perspektive, Versäumnisse auf diesem Gebiet allein durch die Kommission und das Vertragsverletzungsverfahren ahnden zu können, alles andere als ermutigend. Und letztlich darf auch nicht vergessen werden, dass eine richtlinienkonforme Auslegung nicht nur des gerade in Umsetzung einer Richtlinie erlassenen Rechts notwendig ist, sondern dass auch das sonstige nationale Recht richtlinienkonform auszulegen ist; dies ist spätestens seit der MarleasingEntscheidung des EuGH198 allgemein anerkannt199. Stellt man hier nur auf den Umsetzungswillen des nationalen Gesetzgebers ab, wäre eine Grundlage für die richtlinienkonforme Auslegung kaum zu erreichen – denn auch der beflissenste ___________ 194 EuGH, Slg. 2000, S. 4941, 4975; Slg. 1993, S. 6911, 6932; Slg. 1990, S. 4135, 4159; Slg. 1984, S. 1921, 1943; Slg. 1984, S. 1891, 1909. 195 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 56; Jarass, Grundfragen, S. 94; Rüffler, ÖJZ 1997, S. 121, 126. 196 Basedow, FS Brandner (1996), S. 651, 655 f. 197 Basedow, FS Brandner (1996), S. 651, 655 f. 198 EuGH Slg. 1990, S. 4135. 199 Vgl. Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 50, 73.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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nationale Gesetzgeber wird spätere Richtlinien kaum in seine gesetzgeberische Intention aufgenommen haben. Damit sprechen nicht nur rein rechtliche, sondern auch praktische Erwägungen dafür, die richtlinienkonforme Auslegung als eine durch das europäische Gemeinschaftsrecht vermittelte Pflicht zu begreifen, die nicht nur der Legislative, sondern gerade auch den Rechtsanwendern in den Mitgliedstaaten obliegt200.

c) Voraussetzungen der richtlinienkonformen Auslegung Nachdem festgestellt wurde, dass eine umfassende Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts besteht, bleibt vor Erörterung der Methode der richtlinienkonformen Auslegung noch eine weitere Vorfrage zu beantworten: In der Literatur wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit eine Richtlinie bestimmte Kriterien erfüllen muss, um eine richtlinienkonforme Auslegung zu erfordern. Hier wurde zum Teil vertreten, dass die gleichen Grundsätze anzuwenden seien wie bei der Frage nach der sog. unmittelbaren Wirkung einer Richtlinie201. Die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie wurde bereits oben angesprochen202. Seit der Entscheidung Verbond des EuGH203 ist anerkannt, dass Richtlinien unmittelbare Wirkung zukommen kann, wenn sie hinreichend bestimmt und vorbehaltlos formuliert sind und die Umsetzungsfrist verstrichen ist. Seit der Entscheidung Marshall204 beruft sich der Gerichtshof hier ausschließlich205 auf das Argument des venire contra factum proprium, da sich ein Mitgliedstaat nicht darauf berufen könne, dass eine anspruchsbegründende Regelung fehle, wenn er zu deren Schaffung europarechtlich verpflichtet war. Der EuGH hat jedoch stets betont, dass eine solche unmittelbare Wirkung nur im Verhältnis Bürger-Staat eintreten könne206. Auf das Verhältnis Bürger-Bürger (sog. horizontale Wirkung) oder auch auf das spiegelbildliche Staat-Bürger-Verhältnis ___________ 200 Basedow, FS Brandner (1996), S. 651, 654; Callies-Rüffert, Art. 249 EGV Rn. 108; Everling, ZGR 1992, S. 376, 380; Jarass, Grundfragen, S. 93; Klauer, Europäisierung, S. 49 ff.; Langenfeld, DÖV 1992, S. 955, 964; Rüffler, ÖJZ 1997, S. 121, 123; M. Schmidt, RabelsZ 59 (1995), S. 569, 591. 201 Di Fabio, NJW 1990, S. 947, 953; Rüffler, ÖJZ 1997, S. 121, 124. 202 s. o. E.III.2.b). 203 EuGH, Slg. 1977, S. 113, 126 f. 204 EuGH, Slg. 1986, S. 723. 205 In vorherigen Entscheidungen wurden auch andere Argumente herangezogen, vgl. EuGH Slg. 1979, S. 1629, 1642; Slg. 1982, S. 53, 71. 206 EuGH, Slg. 1996, S. 3603, 3617; Slg. 1994, S. 3325, 3353 f.; Slg. 1990, S. 4135, 4158; Slg. 1986, S. 723, 749.

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E. Neue Rechtslage

trifft die dargestellte Argumentation des venire contra factum proprium auch ersichtlich nicht zu; in diesen Konstellationen kommt die Annahme unmittelbarer Wirkung also nicht in Frage. Eine Verkürzung der Rechte des Bürgers kommt nur dann in Betracht, wenn die betreffende Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde; dieses müsste dann nach dem oben gesagten richtlinienkonform ausgelegt werden. An dieser Stelle melden sich jedoch einige Stimmen mit der Befürchtung, durch die richtlinienkonformen Auslegung könne es zu einer unmittelbaren Wirkung zu Lasten Privater „durch die Hintertür“ kommen; die Beschränkung der unmittelbaren Wirkung auf das Verhältnis Bürger-Staat drohe umgangen zu werden207. Gleichzeitig werde der Gestaltungsspielraum, der dem nationalen Gesetzgeber bei Umsetzung der Richtlinie zugestanden sei, faktisch zunichte gemacht208. Dies könne nur damit ausgeschlossen werden, dass auch die richtlinienkonforme Auslegung den Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung unterworfen werde209. Diese Argumentation leidet jedoch an einem logischen Fehler. Denn wenn die Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung erfüllt sind, stellt sich die Frage nach einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts nicht mehr – sind die Voraussetzungen erfüllt, wird nationales Recht durch das unmittelbar anwendbare Europarecht derogiert und braucht folglich auch nicht mehr ausgelegt zu werden! Es ist daher festzuhalten, dass Mindestanforderungen, wie sie für die unmittelbare Wirkung angenommen werden, für die richtlinienkonforme Auslegung nicht gelten210. Allerdings sei klargestellt, dass durchaus nicht jede Richtlinienbestimmung taugt, die Auslegung nationaler Normen zu leiten; dies liegt etwa bei fakultativen Bestimmungen oder bloßen Hinweisen in der Natur der Sache211. Trotzdem ist abschließend festzuhalten, dass die zugrunde liegende Befürchtung, dass durch die richtlinienkonforme Auslegung die bisher der unmittelbaren Wirkung gesetzten Grenzen zu verwischen drohen, nicht von der Hand zu weisen ist. Hierbei handelt es sich jedoch um ein Problem, das nicht auf der Ebene des ob, sondern des wie zu lösen ist; es kommt darauf an, welche Gren___________ 207

Rüffler, ÖJZ 1997, S. 121, 124. Di Fabio, NJW 1990, S. 947, 951. 209 Di Fabio, NJW 1990, S. 947, 953; Rüffler, ÖJZ 1997, S. 121, 124; Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 232. 210 Callies-Rüffert, Art. 249 EGV Rn. 111; Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 77; Klein, FS Everling (1995), S. 641, 647 f. 211 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 77. 208

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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zen der richtlinienkonformen Auslegung gesetzt sind212. Dies wird im Folgenden zu untersuchen sein.

d) Verhältnis zu anderen Auslegungsmethoden Die zentrale Frage, in welchem Verhältnis das Gebot richtlinienkonformer Auslegung zu den tradierten nationalen Auslegungsmethoden steht, war und ist Gegenstand heftiger Diskussionen. Hier wurden und werden eine Vielzahl unterschiedlicher Meinungen vertreten; bemerkenswert ist jedoch, dass trotz der unterschiedlichen Ansätze und oft leidenschaftlicher Argumentation die Differenzen im Ergebnis – dies soll hier jedenfalls behauptet werden – oft marginal bleiben.

aa) „Vorrang“ der richtlinienkonformen Auslegung? Eine frühe Kontroverse entzündete sich an der Frage, ob der richtlinienkonformen Auslegung gegenüber den nationalen Auslegungsmethoden ein „Vorrang“ zukomme. Dies wurde etwa von Schmidt und Spetzler bejaht213; auch Grundmann scheint diese Position nach wie vor zu vertreten214. Diese Autoren stellen sich auf den Standpunkt, dass die richtlinienkonforme Auslegung am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben müsse und daher die nationalen Auslegungsregeln derogiere. Dem ist insbesondere Di Fabio entgegengetreten215. In einem kontrovers diskutierten Artikel vertrat er die Auffassung, die richtlinienkonforme Auslegung – soweit sie denn überhaupt vorzunehmen sei – habe sich in den nationalen Auslegungskanon einzufügen; letztlich handele es sich nicht um ein imperatives, andere Auslegungsregeln überspielendes Interpretationsgebot, sondern lediglich um einen Unterfall der historischen bzw. teleologischen Auslegung216. Denn der Vorrang des Gemeinschaftsrechts könne nur dann gelten, wenn Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts zur unmittelbaren Anwendung kommen; für eine Vorrangstellung der richtlinienkonformen Auslegung finde sich hingegen nach ___________ 212

Jarass, Grundfragen (1994), S. 91; Jarass, EuR 1991, S. 211, 221. M. Schmidt, RabelsZ 59 (1995), S. 569, 590; Spetzler, RIW 1991, S. 579, 580. 214 Grundmann, ZEuP 1996, 399, 421; Grundmann, JZ 1996, S. 274, 282. 215 Di Fabio, NJW 1990, S. 947 ff. 216 Di Fabio, NJW 1990, S. 947, 953; so auch Dänzer-Vanotti, DB 1994, S. 1052, 1053. 213

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E. Neue Rechtslage

geltendem Recht keine Grundlage. Hier sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum verbleiben solle; eine (europarechtlich determinierte) richtlinienkonforme Auslegung drohe diesen Gestaltungsspielraum leer laufen zu lassen217.

bb) „Vorzug“ statt „Vorrang“ Die Diskussion, ob die richtlinienkonforme Auslegung einen Vorrang beanspruchen könne, leidet jedoch – wie so viele Problemstellungen am Schnittpunkt von Europarecht und nationalem Recht – unter terminologischen Unsicherheiten. Denn tatsächlich wird wohl Di Fabio darin Recht zu geben sein, dass der richtlinienkonformen Auslegung kein Vorrang zukommen kann – allerdings weniger im Hinblick auf den möglicherweise gefährdeten Umsetzungsspielraum der nationalen Gesetzgeber, sondern schon deswegen, weil der Begriff des Vorrangs nicht passt. Denn tatsächlich handelt es sich hierbei um einen terminus technicus, der beim Aufeinandertreffen zweier Normen Anwendung findet. Vorrang kommt dann der höherrangigen Norm zu – trifft Europarecht auf nationales Recht, so ist dies die europarechtliche Norm. Ein Beispiel hierfür wäre eine unmittelbar anwendbare (weil hinreichend bestimmte und vorbehaltlos formulierte) Richtlinie, die entgegenstehendes nationales Recht derogiert. Diese Konstellation ist aber gerade nicht gegeben, wenn es allein um die Auslegung einer nationalen Norm geht. Die richtlinienkonforme Auslegung kommt ja gerade nur in solchen Fällen in Betracht, in denen die Richtlinie nicht unmittelbar anwendbar ist, ein Normen- oder Rangkonflikt also gar nicht besteht; der Begriff des Vorrangs hat hier also von vornherein keinen Platz. Die Frage ist daher anders zu formulieren: Wenn die einschlägige Richtlinie – wie im Regelfall – nicht unmittelbar anwendbar ist und ihr daher auch auf Normenebene kein Vorrang zukommen kann, gebührt dann zumindest auf der Auslegungsebene der richtlinienkonformen Auslegung der Vorzug? Dass dies so sei, wird etwa von Canaris vertreten. Zwar handele es sich bei einer nicht unmittelbar anwendbaren Richtlinie nicht um ein „lex superior“ im eigentlichen Sinne, deswegen komme auch ein normenhierarchischer Vorrang nicht in Betracht. Doch wenn auch kein „lex“, so sei die Richtlinie doch auf der Auslegungsebene „superior“; sie nehme jedenfalls in dieser Hinsicht an der

___________ 217

Di Fabio, NJW 1990, S. 947, 951.

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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Vorrangstellung des Europarechts auf Normebene teil und müsse deswegen auch im Rahmen der Auslegung mit Vorzug behandelt werden218. Dies wird damit begründet, dass auch ohne eine unmittelbare Wirkung doch zumindest die Umsetzungsverpflichtung der Richtlinie dem nationalen Recht vorgehe; auch ohne direkte innerstaatliche Wirkung binde der Normsetzungsbefehl der Richtlinie den Rechtsanwender als objektiv-rechtliches Kriterium219. Der richtlinienkonformen Auslegung komme damit ein ähnlicher Stellenwert zu wie der sog. verfassungskonformen Auslegung220. Hierzu sei in Erinnerung gerufen, dass nach der ursprünglichen Savigny’schen Lehre allen tradierten Auslegungsansätzen – grammatisch, historisch, systematisch, teleologisch – grundsätzlich das gleiche Gewicht beigemessen wurde221; die Ergebnisse bildeten sodann die Grundlage einer argumentativen Gesamtabwägung, bei der einzelne Elemente durchaus zurücktreten konnten. Dieser Grundsatz wurde jedoch bereits durch die Lehre der verfassungskonformen Auslegung durchbrochen: Die verfassungskonforme Auslegung ist nicht Bestandteil eines beweglichen Systems, dem im Rahmen der Abwägung mal mehr, mal weniger Gewicht zugewiesen werden könnte; innerhalb der Grenzen, die der Auslegung überhaupt gesetzt sind – zu diesen später222 – setzt sie sich gegen die anderen Auslegungsmethoden durch, indem sie im Zweifel nur das verfassungskonforme Ergebnis gelten lässt223. Tatsächlich liegt es nahe, bei der richtlinienkonformen Auslegung entsprechend zu verfahren. Denn wie bereits oben festgestellt, handelt es sich hierbei um eine gemeinschaftsrechtliche Pflicht, die in Art. 249 III, aber auch Art. 10 EGV wurzelt; die Mitgliedstaaten haben sich wirksam zur Umsetzung des Richtlinienrechts verpflichtet224. Wäre die richtlinienkonforme Auslegung nur Teil der Gesamtabwägung, könnte der Wille zur Umsetzung der Richtlinie durch andere Aspekte überlagert werden – dies würde zum einen das bereits angesprochene Ziel der Rechtsangleichung in Frage stellen225, zum anderen wäre ___________ 218

Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 69. Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 69. 220 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 69; so auch Ehricke, RabelsZ 59 (1995), S. 612, 622 f.; Jarass, Grundfragen (1994), S. 95; Jarass, EuR 1991, S. 211, 214; Lutter, JZ 1992, S. 593, 604; im Ergebnis auch Dänzer-Vanotti, DB 1994, S. 1052, 1054. A.A. Grundmann, ZEuP 1996, S. 399, 418; M. Schmidt, RabelsZ 59 (1995), S. 569, 589 f. 221 Savigny, Methodenlehre, passim. 222 s. u. E.III.2.e)bb). 223 BVerfGE 2, S. 266, 282; st. Rspr. 224 s. o. E.III.2.b). 225 Vgl. oben E.III.2.b). 219

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aber auch die Verpflichtung als solche weitgehend entwertet; auch das Verbot des venire contra factum proprium muss hier eine Rolle spielen226. Es ist also festzuhalten, dass die richtlinienkonforme Auslegung nach dem Muster der verfassungskonformen Auslegung gegenüber den anderen, herkömmlichen Auslegungsmethoden – nach Wortlaut, Systematik, Telos und Historie – bevorzugt zu berücksichtigen ist.

e) Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung Die besondere Stellung der richtlinienkonformen Auslegung gegenüber den tradierten nationalen Auslegungsmethoden deckt sich auch mit der oftmals zitierten Formel des EuGH, die Rechtsanwender in den Mitgliedstaaten (in der EuGH-Rechtsprechung die Gerichte) seien verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts „soweit wie möglich“ am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten227. Die Formulierung „… wie möglich“ lässt allerdings erkennen, dass auch der richtlinienkonformen Auslegung – trotz der herausgehobenen Stellung gegenüber den übrigen Auslegungsmethoden – Grenzen gesetzt sind; dieser Umstand bedarf auch keiner weiteren Erklärung, da sonst in der Tat jeder Unterschied zur unmittelbaren Wirkung entfallen würde. Fraglich ist allerdings, wo diese Grenze zu ziehen ist.

aa) Wortlaut als Grenze der richtlinienkonformen Auslegung Häufig ist zu lesen, dass sich die richtlinienkonforme Auslegung innerhalb der Grenzen halten müsse, die durch den Wortlaut bzw. den äußersten Wortsinn der nationalen Norm gesetzt werden228; teilweise wird dies auf Fälle beschränkt, in denen der Wortlaut eindeutig sei229. Die dafür sprechenden Argumente liegen auf der Hand: Gerade bei einer dem Bürger nachteiligen Wirkung muss die Rechtssicherheit im Vordergrund stehen; dies ist mit ein Grund dafür, warum auch eine dem Bürger nachteilige unmittelbare Wirkung von Richtlinien abzu___________ 226

Vgl. Lutter, JZ 1992, S. 593, 605. EuGH, Slg. 2000, S. 4941, 4975; Slg. 1993, S. 6911, 6932; Slg. 1990, S. 4135, 4159; Slg. 1984, S. 1921, 1943; Slg. 1984, S. 1891, 1909. 228 Ehricke, RabelsZ 59 (1995), S. 598, 643; Klein, FS Everling, (1995), Bd. I, S. 646, 649. 229 Basedow, FS Brandner (1996), S. 651, 658; Brechmann, Auslegung, S. 266 f. 227

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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lehnen ist230. Rechtssicherheit setzt voraus, dass die möglichen Rechtsfolgen mit dem Wortlaut vereinbar sind, mehr noch, sich aus diesem ergeben231. Dennoch gibt es Stimmen, die auch eine richtlinienkonforme Auslegung über den Wortlaut der nationalen Norm hinaus für zulässig halten. So vertritt Grundmann die Auffassung, dass eine Auslegung, die auch über die Wortlautgrenze hinausgehe, jedenfalls dann zulässig sei, wenn der nationale Gesetzgeber die Richtlinie habe umsetzen wollen232. Auf den ersten Blick könnte man hieraus schließen, dass nicht die richtlinienkonforme Auslegung als solche, sondern erst damit verbunden weitere konkrete Anhaltspunkte, die sich im Wege der historischen Auslegung ergeben, ein Normenverständnis auch über den Wortlaut hinaus ermöglichen sollen. Grundmann geht jedoch noch weiter, indem er davon ausgeht, dass im Regelfall von einem Umsetzungswillen des Gesetzgebers auszugehen sei. In Konsequenz könne der Wortlaut der nationalen Norm daher nur in solchen – seltenen! – Fällen eine Auslegungsgrenze sein, in denen ein Wille des Gesetzgebers zur Schaffung richtlinienwidrigen Rechts nachgewiesen sei233. Diese Auffassung ist sehr problematisch, lässt sie in ihrer „Beweislastumkehr“ doch den oben angesprochenen Aspekt der Rechtssicherheit gänzlich außer Betracht; die Grenzen zur – in dieser Konstellation doch abzulehnenden! – Rechtsfigur der unmittelbaren Wirkung234 wären praktisch nicht mehr erkennbar. Eine derart weitgehende Priorität der richtlinienkonformen Auslegung lässt sich wohl auch mit dem besonderen Rang des Gemeinschaftsrechts nicht rechtfertigen.

bb) Differenzierte Lösung Die Auffassung Grundmanns vermag daher nicht zu überzeugen. Auch der richtlinienkonformen Auslegung müssen Grenzen gesetzt sein, könnte doch sonst schwerlich von „Auslegung“ gesprochen werden – diese grundlegende Erkenntnis sollte nicht vergessen werden. Auch wenn daher die angesprochene „Wortlautgrenze“ nach den dargelegten rechtstheoretischen Erwägungen nahe liegt, bleibt doch die praktische Frage, wo diese genau verläuft. Denn der Wortlaut an sich lässt eine trennscharfe Ab___________ 230

s. o. E.III.2.c). BVerfGE 7, S. 89, 92; BVerfGE 13, S. 261, 271. 232 Grundmann, ZEuP 1996, S. 399, 420; Grundmann, JZ 1996, S. 274, 282. 233 Grundmann, ZEuP 1996, S. 399, 421. 234 Vgl. oben E.III.2.c). 231

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grenzung nicht zu. Er kann nur aus seinem Kontext verstanden werden und ist insoweit selbst ausfüllungsbedürftig235. Auch die engere Formulierung, der „äußerste Wortsinn“ müsse die Grenze darstellen236, führt hier nicht entscheidend weiter. Hier hat Canaris eine überzeugendere Lösung angeboten: Sich lösend von der definitorisch schwer zu fassenden Wortlautgrenze geht Canaris zunächst von der EuGH-Rechtsprechung aus, die verlangt, dass der Rechtsanwender den gesetzlichen Spielraum „im Rahmen seiner Zuständigkeit … soweit wie möglich“237 ausschöpft. Canaris erklärt nun, dass für den Rechtsanwender die Grenze des Möglichen genau dann erreicht sei, wenn er eine „Auslegung“ contra legem vornehme238. Die contra-legem-Grenze sei – auch im Hinblick auf die zitierte EuGH-Rechtsprechung – funktionell zu verstehen239: Eine Rechtsanwendung contra legem liege dann vor, wenn der Rechtsanwender seine eigene Kompetenz überschreite und sich die Befugnisse des Gesetzgebers anmaße240. Diese Trennlinie könne nicht schon durch den Wortlaut der Norm markiert werden241; den Gerichten sei als Teil des ihnen zugewiesenen Kompetenzbereichs auch eine analoge Anwendung, also Rechtsfortbildung möglich (und im Übrigen werde dies auch vom EuGH erwartet)242. Dies umso mehr, da in anderen Mitgliedstaaten die deutsche Unterscheidung zwischen Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung nicht bekannt sei243. Ausschlaggebend sei deshalb nicht allein der Wortlaut, sondern eine Kombination von Wortlaut und Zweck244. Diese Grenze könne nicht durch ersten Anschein ermittelt werden, sondern müsse ihrerseits in einem ersten Schritt im Wege der Auslegung gewonnen werden. Vorgeschlagen wird also eine zweistufige Vorgehensweise: Auf der ersten Stufe wird vor der eigentlichen (richtlinienkonformen!) Auslegung bestimmt, wie weit diese auf der zweiten Stufe gehen darf; der Spielraum, den es auszu___________ 235

Brechmann, Auslegung, S. 266 f.; Depenheuer, Wortlaut, S. 41. Klauer, Europäisierung, S. 51. 237 EuGH, Slg. 2000, S. 4963; 1990, S. 4135, 4159; Slg. 1984, S. 1921, 1943; Slg. 1984, S. 1891, 1909. 238 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 91; Klauer, Europäisierung, S. 51; ähnlich Brechmann, Auslegung, S. 273; Jarass, Grundfragen, S. 95 f. 239 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 91. 240 Vgl. Neuner, S. 180. 241 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 94. 242 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 81 f.; Roth, Festgabe (2000), Bd. II, S. 847, 874 f.; a.A. Rüffler, ÖJZ 1997, S. 121, 127. 243 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 81. 244 Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 94. 236

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schöpfen gilt, muss zuerst ermittelt und abgesteckt werden. Auf diesem Wege kann sichergestellt werden, dass der Rechtsanwender bei der Auslegung im Rahmen der ihm zugewiesenen Kompetenzen agiert und nicht diejenigen des Gesetzgebers übernimmt; von der europäischen Warte aus gesehen bleibt die Souveränität des nationalen Gesetzgebers bei der Richtlinienumsetzung gewahrt. Nicht zuletzt wird so auch dem Gebot der Rechtssicherheit genüge getan. Wichtig ist, dass der erste Schritt nur unter Heranziehung der nationalen Auslegungsmethoden erfolgen darf. Dies ist folgendermaßen zu erklären: Würde man bei der Ermittlung der Grenze, die der richtlinienkonformen Auslegung gesetzt ist, diese selbst heranziehen, käme dies einem Teufelskreis gleich245. Denn auch wenn der Prozess der Auslegung oft als „Hin- und Herwandern des Blicks“ charakterisiert wird246, ist es gerade im hier gegebenen Zusammenhang wichtig, die Ermittlung der Grenzen, die das nationale Recht der Auslegung setzt, streng von der Auslegung als solcher zu trennen. Dass das Europarecht die Auslegung auf allen Ebenen beeinflusse247, kann daher in diesem Zusammenhang nicht gelten. Ist die Grenze festgestellt und damit der tatsächlich gegebene Spielraum definiert, kann die eigentliche Auslegung durchgeführt werden – jetzt unter bevorzugter Heranziehung der richtlinienkonformen Interpretation.

3. Auslegung im konkreten Fall: Bedeutung des § 14 WpHG nF Diese eben dargelegte zweistufige Auslegungsmethode ist nun bei der Auslegung des § 14 WpHG nF zur Anwendung zu bringen.

a) Ermittlung der nationalen Auslegungsgrenzen Zunächst ist zu bestimmen, innerhalb welcher Grenzen eine richtlinienkonforme Auslegung möglich ist. Wie gezeigt, ist hier die Richtlinie zunächst nicht mit einzubeziehen248.

___________ 245

Canaris, FS Bydlinski (2002), S. 47, 97. Brechmann, Auslegung, S. 258; Engisch, Studien, S. 15; Everling, ZGR 1992, S. 376, 381. 247 So allgemein Roth, Festgabe, Bd. II, 847, 874 f.; ähnlich diesem Everling, ZGR 1992, S. 376, 381. 248 s. o. E.III.2.e)bb). 246

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aa) Wortlaut und Systematik Erster Anhaltspunkt ist der Wortlaut der Vorschrift249. Wie bereits mehrfach zitiert, heißt es statt der bisherigen Formulierung „unter Ausnutzung“ in § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nun, Erwerb oder Veräußerung „unter Verwendung“ von Insiderinformationen seien verboten. Geht man zunächst vom allgemeinen Sprachgebrauch250 aus – hier also von der allgemeinen Bedeutung des Wortes „verwenden“ – handelt es sich hierbei um eine „Nutzung für einen bestimmten Zweck“251; als Synonyme kommen „benutzen“252 und „gebrauchen“253 in Betracht. Demgegenüber wird der bisherige Wortlaut „ausnutzen“ im allgemeinen Sprachgebrauch dahin gehend definiert, dass der Ausnutzende aus einer günstigen Situation „bedenkenlos seinen Vorteil zieht“254 oder auch „(unberechtigt) Gewinn zieht“255. Die Vorsilbe „aus-“ erweitert also ein zweckgerichtetes Tun – eben ein „Nutzen“ oder synonym „Verwenden“ – um eine Dimension moralischer Fragwürdigkeit. Als erstes Zwischenergebnis der Wortlautauslegung lässt sich daher festhalten: Geht man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus, so entfällt mit der Änderung des Wortlauts vom „Ausnutzen“ zur „Verwendung“ nur ein Element der Verwerflichkeit, es bleibt aber trotzdem bei einem zweckgerichteten Handeln. Selbstverständlich muss die allgemeine Bedeutung eines Ausdrucks nicht mit seiner Bedeutung in der Rechtssprache übereinstimmen256. Dass es sich bei der Formulierung „Verwendung“ um einen terminus technicus mit einer eigenständigen, fachspezifischen Bedeutung handeln könnte, ist allerdings nicht ersichtlich; ein Überblick über den bisherigen Gebrauch dieses Begriffs legt den Schluss nahe, dass allgemeine und fachspezifische Bedeutung übereinstimmen. So findet sich der Begriff der „Verwendung“ in so unterschiedlichen Vorschriften wie dem Branntweinmonopolgesetz257, der Bundeswahlgeräteverordnung258 ___________ 249

Larenz/Canaris, S. 141. Larenz/Canaris, S. 141. 251 Duden Universalwörterbuch, S. 1675. 252 Duden Deutsch als Fremdsprache, S. 1004. 253 Mackensen, S. 1128. 254 Duden Universalwörterbuch, S. 185. 255 Mackensen, S. 107. 256 Larenz/Canaris, S. 141. 257 §§ 43 – 57 BranntwMonG. 258 § 4 BWahlGV. 250

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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und dem Lebensmittelfarbengesetz259; dafür, dass hier von einer besonderen, der Rechtssprache eigenen Bedeutung auszugehen wäre, findet sich in keiner der zitierten Vorschriften ein Anhaltspunkt. Geht man also davon aus, dass allgemeine und rechtsspezifische Bedeutung übereinstimmen, führt die Wortlautauslegung zu folgendem Zwischenergebnis: Eine Verwendung liegt nur vor, wenn die Insiderinformationen zweckgerichtet eingesetzt werden. Dies kann nicht der Fall sein, wenn zwar in Kenntnis, aber nicht beeinflusst durch die Insiderinformationen Transaktionen durchgeführt werden – etwa in Situationen, in denen eine Erwerbsentscheidung bereits vor Kenntnis getroffen wurde und nun dem ursprünglichen Plan entsprechend umgesetzt wird. Erfolgt eine Transaktion hingegen in Umsetzung einer Insiderinformation – etwa dann, wenn die Insiderinformation für die Erwerbsentscheidung kausal ist – so ist auch von einem zweckgerichteten Einsetzen, mithin von Verwendung im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auszugehen. Allerdings wird von einem Verwenden auch dann auszugehen sein, wenn die Kenntnis der Insiderinformationen in anderer Weise in den Erwerb einfließt, etwa dann, wenn der Käufer mit Hilfe der Insiderkenntnisse eine Preisanpassung zu seinen Gunsten durchsetzt. Denn auch in diesem Fall legt der Wortsinn nahe, dass es sich hierbei um ein zweckgerichtetes Einsetzten, mithin also um ein Verwenden handelt. Bezieht man systematische Aspekte mit ein, so ist festzustellen, dass sich in § 14 Abs. 2 WpHG nF die einzige ausdrückliche Ausnahme vom Insiderhandelsverbot findet: Hier wird erklärt, dass der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Preisstabilisierung in Übereinstimmung mit den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 keinen Verstoß darstellt. Interessant ist hier die Formulierung, diese Maßnahmen stellen „in keinem Fall“ einen Verstoß dar. Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass es andere Verhaltensweisen oder Maßnahmen gibt oder geben kann, die in manchen, aber nicht allen Fällen als Verstoß zu werten sind. In jedem Fall aber gibt es keinen Anhaltspunkt, dass es sich bei § 14 Abs. 2 WpHG nF um eine ausschließliche Ausnahme handeln sollte; insbesondere fehlt es an eingrenzenden Ausdrücken wie beispielsweise „allenfalls“, „lediglich“, etc. Wortlaut und Systematik scheinen daher folgende Auslegungsgrenzen vorzugeben: Einerseits muss – gewissermaßen als untere vom Wortlaut vorgegebene Grenze – ein zweckgerichtetes Handeln vorliegen, um einen Verstoß bejahen zu können; andererseits ist allerdings nicht ersichtlich, dass ausnahmslos jede „Verwendung“ in diesem Sinn den Tatbestand erfüllen muss. ___________ 259

§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 4 Abs. 2 LMFarbG.

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bb) Zweck der Vorschrift Wie eingangs dargelegt260, kann die Grenze der richtlinienkonformen Auslegung nicht schon durch den reinen Wortlaut definiert werden; die Grenze kann sich nur aus einer Kombination von Wortlaut und Zweck erschließen. Tatsächlich ließ sich hier aus dem Wortlaut allein lediglich eine Mindestanforderung folgern. Was die hier besonders interessierende Frage nach Ausnahmen angeht, lässt sich anhand des Wortlauts des § 14 Abs. 2 WpHG nF – „in keinem Fall“ – lediglich ableiten, dass weitere Ausnahmen grundsätzlich möglich sind. Dieses Ergebnis ist so aber noch zu vage und bedarf weiterer Spezifizierung. Freilich ist die Ermittlung des Zwecks der Vorschrift schwer zu objektivieren, fehlen doch – anders als bei Normen auf europäischer Ebene – Erwägungsgründe mit Normqualität. Zwar existiert selbstverständlich die amtliche Gesetzesbegründung, hier vermischen sich allerdings Aspekte der historischen und der teleologischen Auslegung; denn Zweck der Vorschrift und (subjektiver) Wille des Gesetzgebers sind bekanntermaßen nicht notwendigerweise deckungsgleich261. Dem Problem mangelnder Objektivierbarkeit des Gesetzeszwecks kann jedoch in folgender Weise begegnet werden: Ausgehend vom Telos der bisherigen Regelung lässt sich im Wege der historischen Auslegung ermitteln, ob bzw. inwieweit der Gesetzgeber hier Änderungen vornehmen wollte. Die bisherige Regelung verfolgte den Zweck, das Vertrauen der Anleger und damit die Funktionsfähigkeit des Marktes zu sichern; dabei sollte sichergestellt werden, dass alle Anleger auf gleiche Behandlung vertrauen dürfen262. Nicht bezweckt hingegen war ein Verbot der Ausführung unternehmerischer Entscheidungen263. Fraglich ist nun, inwieweit – oder ob überhaupt – der Gesetzgeber diese Zwecksetzung mit der Kodifikation des neuen § 14 WpHG abändern wollte. Ein Indiz, dass hier keine Änderungen bezweckt waren, findet sich schon am Anfang der Gesetzesbegründung: Unter Punkt A. V. steht zu lesen, dass jenseits der Kosten für die Erstellung von Prospekten keine negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu befürchten seien264. Wie schon eingangs gezeigt, wäre ___________ 260

E.III.2.e)bb). Vgl. schon Savigny, Methodenlehre, S. 19; aus neuerer Zeit Larenz/Canaris, S. 149 f. 262 Assmann, AG 1994, S. 196, 201; Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14, Rn. 40; Schäfer, § 14 WpHG, Rn. 15. 263 s. o. D.II.3.c), D.II.4.; vgl. auch Assmann, AG 1994, S. 196, 203. 264 BT-Drucks. 15/3174, S. 26, 28. 261

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dies bei einer nachhaltigen Ausweitung des Insiderhandelsverbots – insbesondere bei Abschaffung der bisher allgemein anerkannten Ausnahme für den Paketerwerb nach Due Diligence – aber sehr wohl der Fall265. Wäre eine derartige Änderung bezweckt gewesen, so muss auch davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben wären; in diesem Fall wäre unter der Überschrift „Auswirkungen auf die Wirtschaft“ mit Sicherheit mehr als die hier erwähnten dürren Worte zu erwarten gewesen. Dieser Befund wird durch die Erläuterungen zu § 14 Abs. 1 WpHG bestätigt. Hier wird ausgeführt, Hauptmotiv der Änderung des Wortlauts seien „Beweisschwierigkeiten“ bei der Durchsetzung der bisherigen Norm gewesen.266 Die Bedeutung dieser Aussage darf nicht verkannt werden: Es geht also nicht darum, dass der Kreis der missbilligten Verhaltensweisen weiter gefasst werden sollte; insbesondere war nicht bezweckt, eine etablierte und vielfach beobachtete Praxis zu kriminalisieren267. Ziel ist es also allein, die Verfolgung schon bisher verbotener Handlungsweisen zu vereinfachen! Dem könnte entgegengehalten werden, dass die Begründung auch davon spricht, dass es auf Tatbestandsebene nicht mehr auf den „Zweck“ des Handelns ankomme268; hing es doch bisher gerade vom Zweck ab, ob eine Transaktion als verbotenes „Ausnutzen“ angesehen wurde oder nicht. Hier ist allerdings festzuhalten, dass auch diese Erläuterung in ihrem Zusammenhang gesehen werden muss: Es geht um die Erleichterung der Verfolgung schon bisher verbotenen Handelns. Zwar ist es ohne Zweifel problematisch, dass hier ein an sich notwendiges Unterscheidungskriterium aus dem Tatbestand gestrichen werden soll. Dies ändert aber nichts daran, dass sich der Zweck der Vorschrift nicht ändert. Denn letztlich darf eine handwerkliche Unsicherheit nicht als Hinweis auf einen veränderten Willen des Gesetzgebers verkannt werden. Dass die Begründung auch im Übrigen von Unsicherheiten geprägt ist, wird noch an anderer Stelle deutlich: So ist der Begründung zu entnehmen, dass die Schwierigkeiten in der Beweisführung darauf zurückzuführen seien, dass der bisherige Wortlaut „Ausnutzung“ als zweckgerichtetes Handeln zu verstehen sei; dies sei beim neuen Begriff „Verwendung“ nicht der Fall. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wird aber auch der Begriff der „Verwendung“ gerade als zweckgerichtetes Einsetzen definiert269; der einzige Unterschied zum „Ausnut___________ 265

s. o. E.III.1.b)cc)(1). BT-Drucks. 15/3174, S. 26, 34. 267 Eine derartige Kriminalisierung wäre nach Hemeling (ZHR 169 (2005), 274, 284) auch „schlichtweg nicht tragbar“. 268 Vgl. BT-Drucks. 15/3174, S. 26, 34. 269 Vgl. oben aa). 266

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zen“ liegt darin, dass „Verwenden“ wertneutral ist, eine subjektive Komponente ist jedoch beiden Begriffen eigen. Letztlich scheint dies aber auch dem Gesetzgeber bewusst zu sein, heißt es doch weiter in der Begründung, der Täter müsse „ungeachtet dessen … die Information in sein Handeln mit einfließen lassen“. Allem Anschein nach wurde also das Ziel verfolgt, dass die bisher erforderliche überschießende Innentendenz – der Wille, einen Sondervorteil zu erreichen270 – entfallen solle, und dies, wie ausgeführt, um die Verfolgung schon bisher strafbarer Taten zu erleichtern. Wie auch die Vorschrift selbst trägt allerdings auch die Begründung wenig dazu bei, das Verständnis der gesetzgeberischen Zielsetzung zu erleichtern. In jedem Fall ist festzuhalten: Auch nach der Neufassung des § 14 Abs. 1 WpHG bleibt der Telos der Norm unverändert – bezweckt ist der Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts.

cc) Zwischenergebnis In diesem ersten Schritt war aus der Verbindung von Wortlaut und Zweck der Rahmen zu bestimmen, der der richtlinienkonformen Auslegung des § 14 Abs. 1 WpHG gesetzt ist. Was den Wortlaut des § 14 Abs. 1 WpHG angeht, wurde eine graduelle Verschärfung festgestellt; auch wird in § 14 Abs. 2 WpHG nur eine einzige Ausnahme vom Verbot des Verwendens von Insiderinformationen ausdrücklich genannt, wobei allerdings andere Ausnahmen nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Der Zweck der Vorschrift bleibt hingegen im Vergleich zum früheren Rechtszustand unverändert. Damit ist der „Rahmen“ für die richtlinienkonforme Auslegung verhältnismäßig weit zu ziehen: Auch ohne konkreten Anhaltspunkt im Text – dieser wurde bisher in der Formulierung „Ausnutzen“ gesehen – ist es unter teleologischen Gesichtspunkten auch weiterhin möglich, den an sich verschärften Wortlaut einschränkend auszulegen; dies insbesondere im Rückgriff auf § 14 Abs. 2 WpHG, der mit der Formulierung „in jedem Fall“ die Tür für weitere aus dem Verbotstatbestand herausfallende Konstellationen einen Spalt weit offen gelassen hat. Diesen Rahmen gilt es bei der richtlinienkonformen Auslegung des § 14 Abs. 1 WpHG auszuschöpfen.

___________ 270

Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, WpHG, § 14 Rn. 25.

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b) Richtlinienkonforme Auslegung innerhalb des Rahmens Eingangs wurde die Formulierung des EuGH zitiert, Vorschriften des nationalen Rechts müssten „soweit wie möglich“ europarechtskonform ausgelegt werden271. Der Rahmen des Möglichen wurde im vorangegangenen Abschnitt definiert; nun gilt es, als zweiten Schritt die Ergebnisse der Auslegung der Marktmissbrauchsrichtlinie innerhalb des definierten Rahmens in die Auslegung des § 14 Abs. 1 WpHG einfließen zu lassen. Hierbei sind wie oben dargelegt272 selbstverständlich auch die tradierten Auslegungsansätze zu berücksichtigen, d.h. die Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Telos und Historie. Der Primat des Europarechts273 verlangt allerdings, dass innerhalb des definierten Rahmens der Marktmissbrauchsrichtlinie eine bevorzugte Stellung eingeräumt wird.

aa) Auslegung nach tradierten Kriterien In praktischer Hinsicht bedeutet die zweistufige Auslegung allerdings nicht, dass die Auslegung nach den herkömmlichen nationalen Auslegungsmethoden, hier insbesondere nach Wortlaut und Zweck, erneut bei null beginnen müsste. Hier liegt es nahe, zunächst auf die im ersten Schritt gefundenen Ergebnisse zurückzugreifen. Dort wurde festgestellt, dass der Wortlaut für sich genommen – d.h., die neue Formulierung „Verwenden“ in § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nF – nunmehr jedes zweckgerichtete Einsetzen einer Insiderinformation erfasst274. In systematischer Hinsicht fiel auf, dass zwar nur eine Ausnahme ausdrücklich benannt ist, aufgrund der Wortwahl aber weitere, nicht benannte Ausnahmen nicht zwingend ausgeschlossen sind275. In teleologisch-historischer Hinsicht wurde schließlich festgestellt, dass eine Änderung des Zwecks der Vorschrift zu verneinen ist276. Allerdings muss in teleologisch-historischer Hinsicht ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden, der bei der Definition des Auslegungsrahmens im ersten Schritt notwendigerweise außer Acht bleiben musste: In der Gesetzesbegründung wird explizit darauf hingewiesen, dass Art. 1 des AnSVG der Umsetzung ___________ 271

EuGH, Slg. 2000, S. 4941, 4975; Slg. 1993, S. 6911, 6932; Slg. 1990, S. 4135, 4159; Slg. 1984, S. 1921, 1943; Slg. 1984, S. 1891, 1909; vgl. oben E.IV.2.e). 272 s. o. E.III.2. 273 s. o. E.III.2.d)bb). 274 E.III.3.a)aa). 275 E.III.3.a)aa). 276 E.III.3.a)bb).

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E. Neue Rechtslage

der Marktmissbrauchsrichtlinie dient277. Damit schließt sich der Bogen zur oben diskutierten Frage, auf welcher Grundlage die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung steht278: Die Verpflichtung folgt nicht nur aus Art. 249 und Art. 10 EG, sondern ist auch in Art. 1 AnSVG selbst unmittelbar enthalten. Zweck des § 14 Abs. 1 WpHG ist also zunächst einmal der Schutz des Vertrauens des Publikums, insbesondere die Sicherstellung des Anlegergleichbehandlungsgrundsatzes – wie bereits oben festgestellt, hat sich hier im Vergleich zur vorherigen Fassung des § 14 WpHG nichts geändert – und andererseits ganz allgemein die Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie. Nicht bezweckt ist hingegen – auch hier sei wieder auf die obigen Ausführungen verwiesen279 – eine Kriminalisierung bisher erlaubter Verhaltensweisen. Schon dies spricht dafür, § 14 Abs. 1 WpHG einschränkend auszulegen. Auch unter dem Blickwinkel der historischen Auslegung ergeben sich keine Anhaltspunkte, die für eine intendierte Verschärfung der Rechtslage – und damit gegen eine einschränkende Auslegung – sprechen würden. Insbesondere der Bundesrat schien in seiner Stellungnahme280 zum AnSVG nicht davon auszugehen, dass sich durch die Neufassung des § 14 WpHG signifikante Änderungen ergeben würden – angesichts der bereits angesprochenen knappen Ausführungen in der Begründung der Gesetzesvorlage281 wäre hier sonst sicherlich mit einer Stellungnahme zu rechnen gewesen, tatsächlich wird § 14 WpHG (bzw. Art. 1 § 14 AnSVG) mit keinem Wort erwähnt.

bb) Determinierung durch Marktmissbrauchsrichtlinie Ein besonders starkes Argument für eine teleologische Reduktion liefert jedoch die richtlinienkonforme Auslegung: Es wurde dargelegt, dass die Richtlinie die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts als Ergebnis eines Zusammenspiels unterschiedlicher Faktoren begreift282. Das Vertrauen der Öffentlichkeit ist hierbei zwar ein herausgehobener Aspekt, trotzdem aber nur einer von mehreren Faktoren. Dies wird besonders vom bereits oben zitierten Erwägungsgrund 2 der Marktmissbrauchrichtlinie prägnant zum Ausdruck gebracht: „Das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öf___________ 277

BT-Drucksache 15/3174, S. 1. s. o. E.III.2.b). 279 s. o. E.III.3.a)bb). 280 BT-Drucksache 15/3355. 281 BT-Drucksache 15/3174. 282 s. o. E.III.1.b)cc)(1). 278

III. Eigene Auslegung des § 14 WpHG nF

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fentlichkeit sind Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand“283. Gerade dies lässt erkennen, dass dem reibungslosen Funktionieren des Kapitalmarkts im Übrigen – also jenseits des hier sicherlich auch eine Rolle spielenden Vertrauens der Öffentlichkeit – ein gleich hoher Stellenwert eingeräumt wird284. Die hierzu angestellten Überlegungen haben zu dem Ergebnis geführt, dass an einer teleologischen Reduktion des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie kein Weg vorbeigeht285: Denn wie gezeigt, hätte eine Auslegung, die den Paketerwerb nach Durchführung einer Due Diligence zur verbotenen Insidertransaktion stempeln würde, einerseits auf das Vertrauen der Öffentlichkeit keine positiven Auswirkungen, andererseits aber für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und die Attraktivität der europäischen Finanzplätze im Allgemeinen ernsthafte Konsequenzen286. Als Ergebnis der teleologischen Reduktion wurde demgemäß festgehalten, dass auch unter dem neuen Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie Paketerwerbe nach Due Diligence nicht als Insidergeschäfte anzusehen sind, soweit sie unternehmerisch motiviert sind (d.h., ein Anteil von mindestens 5% angestrebt wird) und außerbörslich erfolgen287. Dieses unzweideutige Ergebnis muss auch die Auslegung des angeglichenen § 14 WpHG nF prägen. Hier sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass die richtlinienkonforme Auslegung nicht bloß einen Faktor unter vielen darstellt, der dann im Rahmen einer Gesamtabwägung berücksichtigt und hier auch gegebenenfalls von anderen Erwägungen verdrängt werden könnte. „Soweit wie möglich“ – d.h. solange der vom nationalen Recht aufgezogene Rahmen nicht überschritten wird und es nicht zu einer Auslegung praeter legem kommt288 – setzen sich die Vorgaben der Richtlinie durch. Aus diesem Grund ist trotz des veränderten Wortlauts auch bei der Auslegung des § 14 Abs. 1 WpHG nF nur ein Ergebnis denkbar: Auch weiterhin muss es möglich sein, vor außerbörslichen Paketerwerben eine Due Diligence durchzuführen, ohne dass bei der anschließenden Transaktion gegen § 14 Abs. 1 WpHG verstoßen wird. Das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung zwingt auch hier zur teleologischen Reduktion. Eine solche ist auch innerhalb des vom nationalen Recht aufgezogenen Rahmens möglich: Wie gezeigt, ist der Wortlaut des § 14 WpHG für weitere (unge___________ 283

Richtlinie 2003/6/EG, Erwägungsgrund 2. s. o. E.III.1.b)cc)(1). 285 s. o. E.III.1.b)ee). 286 s. o. E.III.1.b). 287 s. o. E.III.1.b)ee). 288 s. o. E.III.1.b)cc)(2). 284

114

E. Neue Rechtslage

schriebene) Ausnahmen durchaus offen289, und auch der Telos der deutschen und der europäischen Vorschrift ist weitestgehend kongruent290. Damit kann das Auslegungsergebnis des Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie trotz des auf den ersten Blick restriktiven Wortlauts des § 14 WpHG auch die Auslegung der deutschen Vorschrift prägen. Festzuhalten ist daher, dass beim außerbörslichen Paketerwerb auch dann keine rechtswidrige Verwendung von Insiderinformationen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG vorliegt, wenn bei einer vorher durchgeführten Due Diligence dem Erwerber Insiderinformationen bekannt geworden sind und diese die Entscheidung in irgend einer Weise beeinflusst haben; dies wohlgemerkt unter den bereits mehrfach genannten Voraussetzungen eines unternehmerisch motivierten, außerbörslichen Erwerbs.

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse Wie eingangs dargelegt wurde, ist die Durchführung einer Due Diligence vor Paketerwerben nicht nur etablierte Praxis, sondern auch vor dem Hintergrund praktischer und zwingender rechtlicher Erwägungen nicht mehr wegzudenken. Nachdem diese Praxis nach bisher geltendem Recht einhellig für zulässig befunden wurde, haben der Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie und die Novellierung des § 14 Abs. 1 WpHG durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz Zweifel aufkommen lassen, ob dies auch weiterhin der Fall ist; diese Zweifel beruhen im Wesentlichen darauf, dass der Wortlaut von Marktmissbrauchsrichtlinie und § 14 WpHG von der bisherigen Formulierung „Ausnutzen [von Insidertatsachen]“ zu „Verwenden“ bzw. „Nutzen [von Insiderinformationen]“ geändert worden ist. Wie gezeigt wurde, stehen in Zukunft jedoch weder die Marktmissbrauchsrichtlinie noch der darauf beruhende § 14 WpHG nF der Due Diligence entgegen. Beide sind teleologisch zu reduzieren. Was die Marktmissbrauchsrichtlinie, insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 angeht, wurde herausgearbeitet, dass sich ein eng am Wortlaut orientiertes Verständnis nicht mit der Zwecksetzung der Richtlinie in Einklang bringen lässt. Wie gezeigt, spricht auch die historische Auslegung deutlich für die Beibehaltung des bisherigen Rechtszustands und damit eine teleologische Reduktion des Wortlauts. Dies wirkt sich in Übereinstimmung mit den dargelegten Grundsätzen der richtlinienkonformen Auslegung angeglichenen Rechts auch auf die Interpretation des § 14 Abs. 1 WpHG nF aus: Auch der neue Wortlaut des § 14 Abs. 1 WpHG nF muss teleologisch ___________ 289 290

s. o. E.III.3.a)cc). s. o. E.III.1.b)cc), E.III.3.b)aa).

V. Ausblick

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reduziert werden. Neben den angesprochenen teleologischen und historischen Erwägungen ist dies in besonderem Maße den Vorgaben der richtlinienkonformen Auslegung geschuldet; bei jeder anderen Auslegung würden nicht nur die Zielsetzungen des deutschen Gesetzgebers verkannt, sondern die Erreichung wichtiger Ziele der Marktmissbrauchsrichtlinie gefährdet. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist daher, dass die Due Diligence vor unternehmerisch motivierten außerbörslichen Paketerwerben auch weiterhin mit geltendem Recht vereinbar ist; dies gilt sowohl für Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie als auch für § 14 Abs. 1 WpHG nF.

V. Ausblick In wieweit sich diese Ansicht durchsetzt, bleibt abzuwarten. Ein starkes Indiz für die zukünftige Praxis ist sicherlich der im Juli 2005 erschienene EmittentenLeitfaden der BaFin. Hierin vertritt die BaFin die Rechtsauffassung, dass sich die Rechtslage für den außerbörslichen Erwerb von Aktienpaketen unterhalb der 30%-Kontrollschwelle nach Due Diligence nicht geändert habe291; dies deckt sich weitestgehend mit der hier vertretenen Auffassung. Sollte allerdings tatsächlich die auch bisher schon vereinzelt anzutreffende Meinung an Boden gewinnen, dass Paketerwerbe nach Durchführung einer Due Diligence mit der neuen Rechtslage unvereinbar seien, würde dies die Praxis vor große Herausforderungen stellen; letztlich ist kaum zu erwarten, dass Aktienpakete künftig als „Katze im Sack“ erworben werden. Ein Ansatz zur Lösung des Problems wäre der Abschluss des Kaufvertrags vor Durchführung der Due Diligence – dies würde ausschließen, dass Insiderinformationen in die Kaufentscheidung einfließen – allerdings mit einer großzügigen Öffnungsklausel. Diese Gestaltungsform stellt bisher eher die Ausnahme dar292. Damit wäre es allerdings denkbar, dass unerwartete negative Ergebnisse einer „post-acquisition“ (bzw. post-completion293) Due Diligence dazu führen, dass sich der Käufer vom Vertrag lösen kann. Diesem Ansatz begegnen allerdings in mehrfacher Hinsicht Bedenken: Zum einen kann die Auflösung des Vertrags – insbesondere dann, wenn die postacquisition Due Diligence längere Zeit in Anspruch nehmen sollte – zu Komplikationen führen; hier sei an die oben angesprochenen Probleme bei der Rückabwicklung von Unternehmenskäufen erinnert. Außerdem ist nicht zu un___________ 291

BaFin, Emittentenleitfaden, S. 28. Vgl. Berens/Strauch, Die Wirtschaftsprüfung 2004, S. 511, 517. 293 Liekefett, S. 4. 292

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E. Neue Rechtslage

terschätzen, dass die Due Diligence eine belastbare Tatsachengrundlage als Basis der Verkaufsentscheidung schafft; ob dies durch das Vertrauen in die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit einer Öffnungsklausel ersetzt werden kann – im Hinblick auf alle praktischen und rechtlichen Implikationen294 – mag zu bezweifeln sein. Auch darf nicht übersehen werden, dass eine derartige Gestaltung gerade dann, wenn sie am erfolgreichsten funktioniert – also dann, wenn der Käufer sorglos die Ergebnisse der post-acquisition Due Diligence abwarten kann, im Vertrauen, sich bei unvorteilhaftem Ergebnis sofort vom Vertrag lösen zu können – als Scheingeschäft gemäß § 125 BGB angesehen werden könnte; denn hier läge das Argument nahe, der eigentliche Vertrag werde erst nach Durchführung der Due Diligence geschlossen. Denn tatsächlich könnte bei einer zu weiten Öffnungsklausel der Verdacht aufkommen, dass es am Bindungswillen gefehlt habe. Eine weitere, noch zu klärende Frage wird sein, inwieweit neben dem außerbörslichen Paketerwerb nach Durchführung einer Due Diligence Zukäufe an der Börse möglich sind (sog. Alongside-Käufe). Dies wurde bisher allgemein verneint295, jedenfalls soweit nicht ein vorheriger Kaufentschluss vorliegt, der auch die an der Börse getätigten Zukäufe deckt. Brandi/Süßmann vertreten hierzu nun die Auffassung, dass auch solche Alongside-Käufe, die auf der Grundlage positiver Insiderinformationen getätigt werden, nicht als Verwendung von Insiderinformationen anzusehen seien296. Dies erscheint allerdings fraglich, ist doch einerseits davon auszugehen, dass die neuen Informationen in die Kaufentscheidung einfließen, andererseits die Grundlage für eine teleologische Reduktion hier weitaus dünner: Geschieht ein (auch) durch Insider-Informationen motivierter Wertpapiererwerb an der Börse, sind hier durchaus negative Auswirkungen auf das Vertrauen der Öffentlichkeit zu befürchten297. Außer Zweifel steht jedenfalls, dass auch weiterhin solche Alongside-Käufe verboten sind, die nicht im Zusammenhang mit dem geplanten Beteiligungserwerb stehen, aber auf Grundlage der durch die Due Diligence erlangten (In___________ 294

Man denke etwa an die oben angesprochen Haftung des Vorstands der erwerbenden Gesellschaft (s. o. C.III.) und die wohl noch immer nicht entschiedene Debatte, ob es sich bei der Due Diligence um eine Verkehrssitte handelt (s. o. C.II.). 295 Assmann/Schneider-Assmann/Cramer, § 14 Rn 33; Hemeling, ZHR 169 (2005), S. 274, 285; Wegmann, DStR 1998, S. 1556, 1560; Schäfer, § 14 WpHG Rn. 64; vgl. auch Banerjea, ZIP 2003, S. 1731, 1737. 296 Brandi/Süßmann, AG 2004, S. 642, 645. 297 Die BaFin hält Alongside-Käufe, die nicht vom ursprünglichen Erwerbsentschluss gedeckt sind, auch weiterhin für unzulässig (Emittentenleitfaden, S. 27 f.); so auch Hasselbach, NZG 2004, S. 1087, 1091.

V. Ausblick

117

sider-)Informationen durchgeführt werden – ein typisches Beispiel wäre ein Vorstandsmitglied, das aufgrund privater Motivation auf eigene oder fremde Rechnung Wertpapiere erwirbt298.

___________ 298 Vgl. Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, S. 2425, 2427; zum früheren Recht Assmann, WpHG, § 14 Rn. 88c; Schmidt-Diemitz, DB 1996, S. 1809, 1810.

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Sachverzeichnis Abwägung zwischen Wahrnehmungsund Verschwiegenheitspflicht 28 Agency Theory 36 Alongside-Kauf 53, 118 Amerikanisierungstendenz 11 Anlegerschutzverbesserungsgesetz 9, 32, 49, 53, 54, 78, 113, 115 Aufgabenerfüllung 44, 47 Auslegung 61, 99 – Erwägungsgründe 75 – grammatisch 19, 49, 50, 53, 60–64, 66, 71, 73–76, 79, 87–89, 91, 92, 94, 102–108, 110–112, 115, 116 – historisch 61, 65, 89, 92, 112, 116 – systematisch 59–61, 63, 65, 74, 76, 87, 89, 108, 112 – teleologisch 53, 61, 63, 65, 77, 87, 88, 89, 92, 102, 109, 111–113, 115, 116, 118 – teleologische Reduktion 52, 54, 56, 58, 59, 87, 88, 92, 113–116, 118 – Wortlautgrenze 64, 103, 104 Ausnutzen (von Insidertatsachen) siehe Insidertatsachen Berufsausübung 43 Beschaffenheit 17 Beschaffenheitsvereinbarung 17 caveat emptor 10 Closing 14 culpa in contrahendo (cic) 16, 18 Due Diligence 8–32, 38–42, 45–47, 49–61, 66, 71–74, 77–81, 86, 88, 89, 92, 109, 114–118, 126 – Beweissicherungsfunktion 12, 14 – Due Diligence Review 10 – Informationsbeschaffungsfunktion 12 – Kosten 22 – Risikoermittlungsfunktion 12, 13

– – – – –

Standards der Durchführung 22 ursprüngliche Bedeutung 10 Varianten 8, 14 Vorkommen 11 Wertermittlungsfunktion 12, 13

Effet Utile 64, 87 Erhebliche Kursbeeinflussung 39 Ermessensspielraum des AG-Vorstands 28, 29 – Abwägung 30, 31 – Ermessensreduzierung 31 Erwägungsgründe siehe Auslegung Erwerbsentschluss siehe Kaufentschluss Face-to-Face-Transaktion 39, 42, 48, 58, 66, 73, 81 Garantie 19, 25 Geheimhaltungspflicht 28 Geheimnisse 27 Gleichbehandlungsgebot 45, 82, 85 Grammatische Auslegung siehe Auslegung Informationsasymmetrie 35, 81 Insiderinformation 9, 38, 43, 49–51, 53, 56–58, 70, 73, 107, 112, 118 – Besitz 51, 53, 73 – negative Informationen 37, 40, 41, 44 – Nutzung 51, 67, 69, 70, 71, 73, 74, 77, 106 – positive Informationen 41 – Verfügen 70 – Verwendung 9, 10, 31, 49–53, 55, 68, 69, 84, 85, 91, 92, 106–108, 110, 112, 115, 116, 118 – Weitergabe 27, 28, 42, 43, 47, 50 Insiderpapier 39, 49, 53, 56

128

Sachverzeichnis

– Erwerb 8, 9, 13, 32, 38–42, 47, 48, 53, 54, 56, 74, 77, 82, 83, 85, 86, 88, 92, 106, 107, 116 Insiderrichtlinie 43, 54, 66, 71–74, 80, 90 Insidertatsache 39–43, 49, 115 – Ausnutzen 40–42, 50–52, 55, 68, 70, 71, 74, 91, 92, 107, 110, 111, 115 – bisherige Definition 39 Kapitalkosten 30, 46, 77, 79, 81 Kaufentscheidung siehe Kaufentschluss Kaufentschluss 51–54, 57, 58, 71, 74, 107, 118 Kausalität 52, 53, 55–58, 67, 70 Komitologieverfahren 76 Kontrollerwerb 51, 55, 76 Kooperation 30 Lemon Market 34 Markt für Kapitalanlagen 85 Markt für Unternehmensbeteiligungen 85 Marktintegrität 54 Marktmissbrauchsrichtlinie 9, 54, 55, 61, 62, 66–78, 86–89, 91, 92, 112– 116 – Ziele 68 Marktzugang 30 Mehrheitsbeteiligung 32, 42 Minderheitsbeteiligung 51 Minderung 18 Moral Hazard 37 Negative Insiderinformationen Insiderinformation Non-Performing Loans 8 Öffentliches Übernahmeangebot 53, 55, 76, 77, 86

siehe

51,

Paketaufschlag 83, 86 Paketerwerb 9, 30, 32, 38, 43, 44, 51, 53, 54–56, 61, 66, 74, 80, 83, 86, 88, 89, 91, 92, 109, 114–117 Pakethandel 45, 46 Perverse Incentive 37

Pflichtangebot 51 Positive Insiderinformationen Insiderinformation Pre-Acquisition Audit 14 Principal-Agent-Modell 36, 38

siehe

Risikoabschlag 30, 46, 78, 79, 81 Risikoaufschlag 77, 81 Rückabwicklung 16, 18, 117 Schadensersatz 18 Schuldrechtsreform 15–17, 19, 20 Schweigepflicht 28 Sondervorteil 40, 44 Sorgfalt bei Unternehmenskäufen 23 Strategische Allianz 30 Subjektiver Fehlerbegriff 17 Synergieeffekte 30 Systematische Auslegung siehe Auslegung Teleologische Auslegung siehe Auslegung Teleologische Reduktion siehe Auslegung Übernahme 32 Überschießende Innentendenz 55, 70 Unternehmensgeheimnisse 30 Unternehmenskauf 10, 14–17, 19 Unternehmenszusammenschluss 55 Unternehmerische Beteiligung 9, 44, 47, 82–84, 88 Untersuchungspflicht 21 – Obliegenheit 21 venire contra factum proprium 19, 97, 102 Vereinbarter Zweck 17 Verkäuferhaftung 21 Verkehrssitte 21–23, 25, 26 Vertrauliche Angaben 27 Verwendung (von Insiderinformationen) siehe Insiderinformation Wandlung 16 Wortlaut siehe Auslegung, grammatisch Zusicherungsfähige Eigenschaft 18