Dramatische Bilder aus Straßburgs Vergangenheit: Band 1 [Reprint 2020 ed.]
 9783112373248, 9783112373231

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Dramatische Bilder aus

Straßburgs Vergangenheit von

Ludwig Spach.

Erster Band.

Iiraßburg, Verlag von Karl I. Trübner.

1876.

Inhalt drr ersten Bandes.

Seite Hi schart, oder der Zürcher Hirsbrey..............................

3.

Peter Lwarber, oder die unruhige Woche.................

105.

Der Zürcher Hirsbrey. Ein historisches Singspiel in vier Aufzügen.

Personen.

Hans Fischart. (40 Jahre.) David Gryger, ein Straßburger Rathsherr, Schiedsrichter beim Schützenfeste. (55 Jahre.)

Thoman, Oberbaumeister in Zürich. (40 Jahre.) Hans Jmwörth, ein Zürcher Rathsherrensohn. (30 Jahre.)

Der Wildschütz von Kannstatt. (60 Jahre.) Philippine, Grygers Tochter. (30 Jahre.)

Anna Herzog, ihre Base. (20 Jahre.)

Trute, eine Zürcher Köchin. (50 Jahre.)

Zürcher Schützen. — Schaarwächter. — Zürcher und Straßburger Jungfrauen.

Zeit der Handlung: 20—24 Juni 1576 u. ff. Monate.

Xrptr >»h»9Erste Scene. Ein öffentlicher Platz zu Zürich, am Ufer der Limmat. — Der Waßer- oder Wellenthurm in Mitte der Limmat; Aussicht auf den See und die fernen Glarneralpm. —

Ein langes Ruderschiff liegt vor Anker am Staden. «hör der Zürcher Lchühen.

Es bleichet schon der Morgenstern, Der Sonnentag ist nicht mehr fern. Der Seewind wehet frisch und kühl; Uns winkt ein ferngestecktes Ziel; Doch Schiff und Ruder sind bereit, Und wir bezwingen Raum und Zeit. Wohlauf! Wohlan! Der Tag bricht an.

Im Keffel brodelt schon der Brey, Wie Kuchen duftig, fest wie Bley,

6 Für Straßburgs Mägen wohl bedacht, Von Zürcher Schützen überwacht; Ein Wort ein Mann, ein Mann ein Wort, Vor Abend sind wir wohl im Port. Wohlauf! Wohlan! Der Tag bricht an. Nicht über Stock, nicht über Stein, Auf Limmat, Aar und wildem Rhein Erreichen wir, nicht müd und matt, Pfeilschnell die treue Bundesstadt, Und trinken dort im Frauenhaus, Die methgefüllten Humpen aus. Wohlauf! Wohlan! Der Tag bricht an! (Die Schützen zerstreuen sich im Hintergrund, linker Hand. Der Wieder­ schein des Kesielfeuers fällt dort durch die Koulisten auf das Theater.)

Zweite Scene. Hanr Zischart und Kaspar Thoman treten vorwärts.

Thom an. Laßt sie dahinten sich ausjubeln; die Stimme wird ihnen im Schweiße des Tages schon ausgehn. Und nun, ein Wort unter uns, Meister Hans Fischart. Ihr habt kein kleines Werk durchge­ führt .... Was unser Hans Jmwörth hier fruchtlos gewünscht, den widerspenstigen Rath habt ihr über­ redet .... Was unsere Großväter vor 120 Jahren

7 im Taumel der Jugendlust an

vollbracht, das

Straßburgs

einem Schützenfeste

wiederholen wir

jetzt,

quasi euch zu Gefallen.... Ja! Gott sehs gedankt, wir wieder­

Fischart. holen

aus

eine

alte

Weise

fidele

Freundlichkeit,

erneuern ein altes Bündniß....

Thom an.

Und bringen euch womöglich in einem

Zug noch heute, siedendheiß,

Hülfebereitschast,

den

Symbol

als

Hirsbreh

in

euere

unserer

Mauern.

Doch warum liegt euch, mein ehrenwerther Freund, warum liegt

euch dem

vielgereisten, vielgepriesenen

Poeten, so viel an diesem Zuge? Fischart.

Wenn ich nun ein großes Verlangen,

eine Nöthigung hätte, solche Fahrt zu beschreiben?...

Thoman. Zu besingen, meint ihr? Sehr schön! Als ob

euch

anderwärüge

Materie

abgienge!

Der

kecke Versifex, der in dem winzigen, quälenden, sprin­ genden Flohvolk eine Vorlage zu

Poema sand,

der

Er suchte solchen

wäre um

in der

einem satyrischen

Stoff

tollkühnen

verlegen?....

Fahrt

einiger

Wildfänge? ....

Fischart.

Und wenn dem so

wäre? Dichter­

launen und Weiberlaunen sind sprichwörtlich. damit Hinhalten will ich euch nicht,

Doch

euch den wohl­

bewährten Freund. Gekommen bin ich von Straßburg

nach Zürich als Botschafter, weil ich. . . . seht mich

nicht spötttsch an... . weil ich verliebt bin. Thoman.

Hier, in Zürich?

Fischart.

Nein, in Straßburg.

8 Thoman.

Sonderbarer Umweg!

Fischart.

Alle Wege führen nach Rom.

Thoman.

Erklärt euch deutlicher.

Fischart.

Das will ich;....

ich werbe um

Anna Herzog. Die wunderschöne Tochter des Chro­

Thoman.

nisten und Hanaulichtenbergischen Amtmanns? Fischart.

Dieselbe.

Ihr findet das ungereimt?

Nicht wahr? Ich bin zu alt!

verjüngt euch.

Ein Vierziger!

Ihr sagt es, nicht ich.

Thoman.

Der Ruhm

Seit Cäsars Zeit verdeckt der Lorbeer

dünne Locken und alternde Sttrnen.

Aber, um Him­

melswillen, wie hängt Anna Herzog mit unserer Reise­

fahrt zusammen? Fisch art.

So nah und eng, wie Milch und

Butter, wie Bienen und Honig.

Herr Bernhard Herzog ist ein Mann Der manches weiß und vieles kann, Doch eines das versteht er nicht: Macht irgend einer ein Gedicht,

Der ist zu keinem Werke gut; Er bleibt vor ihm auf seiner Huth. Drum hat er meine Lieb^ erschwert, Unmöglich-scheinendes begehrt.

Ich bin für ihn ein Dichterling, Ein unnütz wesenloses Ding; Doch soll' er mir bald eingestehn:

Er habe schief und falsch gesehn.

9 Thoman: Ihr seyd ein großer Mann, fürwahr!

In euerm Auge leuchtend klar, Da spiegelt sich die weite Welt, Und wenn der Kläffer unten bellt, So wandelt ihr auf heitrer Höh, Und spottet über irdsches Weh.

Die Geißel schwinget ihr am Rhein, Hoch über groß und über Hein;

Und daß Herr Bernhard euch verkannt, Beweist's ihm vor dem ganzen Land;

Und soll er endlich eingestehn

Er habe schief und falsch gesehn. Zu Zweyen: Fürwahr, er soll einst eingestehn;

Er habe schief und falsch gesehn.

Thoman.

Nun was begehrt er denn von euch?

Fischart.

Wie in dem Feenmärchen: dreyerley.

Thoman.

Das ist?

Fischart.

Für's erste, ihm zu beweisen, daß

ich in irdischen, politischen Geschäften mich umzuthun weiß, haben Herr Amtmann Bernhard Herzog mir

die Erneuerung des Zürcher und Sttaßburger Vereins anbefohlen.

Versteht ihr nun, weßhalb ich, per fas

et nefas, an den Thüren eilerer Stadtgemeinde und Herrschaft anklopfte? Warum ich bei Jung und Alt, Männlein und Weiblein, wie ein Amtskandidat mich

um die Zusage dieser Rheinfahrt bewarb?

10 Thoman (ihn unterbrechend) .... Warum ihr die Säkularfreundschast aus dem Grabe heraufbeschwört....

Fi schart. Warum ich die gute alte Dame heraufbemühte, .... Nun, sie kann mirs zu Danke wissen.... es ergieng ihr wie den abgeschiedenen Helden des Homerus, sie langweilte sich entsetzlich im Schattenlande. Thoman. Schon gut! kommt ihr, wie ich hoffe, glücklich zu Schiffe nach Straßburg, so habt ihr bei Vater Herzog schon einen Punkt gewonnen. Aber ihr spracht von dreyfacher Bedingung....

Fischart. Zum Zweiten, soll ich beym Straß­ burger Schützenfest dreymal Schlag auf Schlag ins Schwarze treffen. Thoman. Das heißt viel.... ich kerme euch als guten Armbrustschützen.... Unsern Telleschühen thatet ihr's ehedem gleich. Als junger Mann huldigtet ihr zugleich dem Mars und der Minerva. Ihr habt nicht wie andre tintenklecksende Stubenhocker euch die Augen und Nieren verdorben und ausgetrocknet; aber ... Fischart. Aber, denkt ihr, mein Gesicht ist blöde worden, und mein Arm schlaff. Das soll sich zeigen.

Steh' ich auf den: Münsterdome Ueber Straßburgs alter Stadt, Seh' ich mich am Gotthardsstrome, Und an fernen Bergen satt;

11 In dem Strome jede Welle, Auch den kleinsten Fischerkahn, Vor den Häusern jede Schwelle, In dem fernen Teich den Schwan

Thoman.

Euern Lieblingsvogel?

Fischart.

Nicht doch, es ist noch nicht an der Zeit. (Er fährt in seiner Arie fort.)

In der Ebne, Busch und Felder, Jeden Weiler, Nein und groß,

In dem Wasgau, Fels und Wälder, Auf dem Felsthron, Thurm und Schloß.

Anna senkt die Augenlieder Seh' ich sie von weitem an,

Und der Himmel steigt mir nieder , Darf' ich ihrem Blicke nahn.

Thoman.

Sie liebt euch?

Fi schart.

Ich wage zu hoffen.

Thoman.

Und die dritte Bedingung?

Fischart.

Die Rheinfahrt soll ich, noch ehe das

Schützenfest zu Ende,

meisterhaft, zu aller Befrie­

digung besingen.

Thoman.

Das

ist

euch

ein

leichtes.

schüttet Verse und Prosa nach Belieben

Ihr

aus euerm

Aermel, wie der Sämann den Weizen und die Rog­

gensaat. Fisch ar t.

Nicht so ganz. Herr Bernhard Herzog

verbieten mir in

solches Poema....

wie soll ich

12 sagen.... irgend ein unziemliches, pantagruelisches

Wort einzumischen.... und ihr wißt.... Ja, ich weiß,

Thoman.

die Sprachmengereh

ist euch zur zweiten Natur geworden; eher entsagt ihr wohl dem Essen und Trinken und Athmm. verzeiht mir,

Dann,

dann haltet ihr nicht immer keuschen

Mund. Fischart.

nicht

geboren,

Ja, leider! Zum Puritaner bin ich

und

habe

doch,

seit bald zwanzig

Jahren, mich dazu hergeliehen und den Puritanern

Pfefferwürze gegen ihre Widersacher geliefert.

Doch,

eine Braut zu erkämpfen, was thut man nicht? Ich spüle mir morgen in Straßburg den Mund mit Eiswasser aus, und vertreibe den Dämon Rabelais durch

ein Stoßgebet an die keusche Luna-Diana. Thoman.

Ihr habt keinen Mitbewerber?

Fischart.

Doch.

(Es entsteht ein heftiges Stimmengewirr im Hintergrund der Bühne, in der Gegend, wo der Brehkefsel in die Coulissen zu stellen ist.)

Fischart.

Was soll das?

13 Dritte Scene. (Trule, die Köchin und ein Dutzend Schützen kommen in den Vordergrund; einige Schützen Haven den Hans im

Moritz

an

beiden

gewaltsam vorwärts.

Händen

gefaßt;

und

ziehen

ihn

Thoman und Kischart sehen die

Gruppe verwundert und fragend an.

Trute: Ich saß auf meinem Sessel Am Keffel Und rührte Wohl den Hirsenbreh, Da kam der Herr Jmwörth Vorbey; Und sprach zu mir: Bleib ungestört Frau Trute! Du Gute! Doch laß mich sitzen hier, Ich helfe dir Zu schüren den Brand, Zu rühren den Brey, Denn Mcine Hand Ist rührig und kräftig und frisch und frey, Und neu Fegt jeder Besen gut.

Tutti: Er sprach zu dir: Ich helfe dir Zu schüren den Brand Zu rühren den Brey, Denn neu Fegt jeder Besen gut.

14 Trute:

Ich saß. auf meinem Sessel Am Kessel,

Da fuhr mein Herr zu schüren fort Und häufet Holz auf Scheite Holz.

„ Ein Wort; „ Mein Herr! so rief ich stolz. „ Die Trute

„ Die Gute, „ Kanu zürnen, glaubet mir! „ Sie herrschet hier,

„ Und schüret den Brand „ Und rühret den Brey „ Doch euere Hand „ Verdirbt den allerbesten Breh, „ Und neu „ Da kocht kein Lehrling gut."

Tutti: Du, schüre den Brand!

Du, rühre den Breh, Denn seine Hand Verdirbt uns die beste Gasterey,

Und neu

Da kocht kein Lehrling gut. Trute:

Ich schob erzürnt den Sessel Vom Kessel;

15 Er aber rührte keck und blind Den Brey mit einem Feuerbrand; Im Mnd

Hinflog »d»r Aschensand.

Ich fluchte (Sie unterbricht sich, weil sie die Schützen lachen sieht, und spricht:)

Ja, ja ich fluchte .... Und suchte

Mir Hülfe bei der Schützenschaar,

Denn um ein Haar Ward branzig(^) der Breh,. Und eure Gastrey Zum Teufel gar;

Ja! schmierig der gute Hirsenbrey;

Denn neu Da kocht kein Lehrling gut.

Tutti:

Du, lösche den Brand, Verdünne den Breh,

Denn seine Hand Verdirbt uns die schöne Gastereh, Und neu,

Da kocht kein Lehrling gut. (Trute entfernt sich in den Hintergrund.)

(1) Ein Provinzialismus: Verbrannt, angebrannt.

16 Thoman

(zu Jmwörth)

Euer Betragen, Herr Jmwörth, ist nicht zu recht­ fertigen.

Ersparen konntet ihr uns die Ehre euerer

Gesellschaft, wenn Ihr Aschermittwochsstreiche mischt

in unsere Johannisfeher.

Jmwörth

(etwas verlegen).

Ich

meinte es gut,

Herr Oberrathsbaumeister! da ich die Trute so roth

angelaufen vor Eifer erblickte,

glaubte ich ein ver­

dienstlich Werk zu thun. Thoman.

Fast

sollten

wir

das

Gegentheil

meinen! Ein so wohl ausgesonnener Plan! Ihr ver-

spätigt uns um mehrere Stunden. Fi schart.

Nicht doch! um keine Minute! Wir

nehmen den Kessel und seinen Inhalt im jetzigen Zu­

stand.

Trute kömmt mit.

Herr Jmwörchs Versehen

läßt Wohl im Laufe des Tags keine Spur zurück. Ein klein wenig Aschensalz ist keine üble Würze für diesen Riesenbrey.

Thoman.

Dank, Meister Fischart, daß ihr die

Sache so leicht hinnehmt. Fischart.

Nicht so

ganz! ich hätte noch ein

Wort privatim mit Herrn Störenfried zu sprechen.

Thoman Fischart.

(sieht ihn fragend an) . . . . ?

O! seyd ganz ruhig! ich weiß, was

ich hier für genoßene Gastfreundschaft schuldig bin. Nur, ehe wir zusammen in demselben Schiffe fahren, muß zwischen Herrn Jmwörth und mir eine ganz kleine

Angelegenheit ins Reine gebracht seyn.

Fünf Minuten,

nicht mehr; unterdessen schafft ihr den Kessel zu Schiffe.

17 Jmwörth (trotzig). Ich stehe zu Diensten, Meister Fischart! lieber hier auf Schweizerboden, als auf der

Aar oder dem Rheine. (Die Schützen entfernen fich nach dem Hintergrund.)

Vierte Scene. Iischart. Imwörtl,. Fisch art. Jmwörth.

Fischart.

Ihr erlaubt mir also eine Frage? Je nachdem ihr sie stellt.

Ihr habt Anna Herzog im vergan­

genen Frühjahr hier mit Ihrem Vater gesehen und

gesprochen: ihr haltet an um ihre Hand?

Jmwörth.

Und wenn es wäre! was kümmert

es euch? Fischart.

Ihr wißt sehr

Wohl warum..

Ganz gut; nur bitt ich, mit den Engländern zu sprechen, UM fair play. Jmwörth.

Fischart.

Das wäre? Ehrliche Bewerbung! Ihr habt den

Vater für euch; für mich ist hoffentlich die Tochter.

Jmwörth. Fischart. denn ihr seyd

Das wißt ihr so bestimmt?

Der Vater stellt euch keine Bedingung, ein RathNherrensohn; ich bin von

Nirgendheim; ihr seyd

ich lebe von der Feder.

mit Glücksgütern gesegnet;

18 Jmwörth. Fischart.

Jmwörth.

Ihr blamirt euch selber. Nicht daß ich wüßte!

Worauf soll das alles hinaus?

Fischart. Mir die Wiederholung eines Knaben­ streiches zu verbitten.

Jmwörth.

Ihr seyd sehr keck, Meister Fischart.

Fischart. Dazu gebt ihr das Zeichen. eiteln wolltet ihr soeben unfern Fahrplan.

Ver­

Jmwörth. Wer mich dessen zu beschuldigen wagt, den pack' ich am Kragen. In meinem Kopfe entsprang die Idee zur Hirsbreyfahrt, nicht in Eurem.

Fischart. Es scheint, ihr seyd bei eueren Mit­ bürgern nicht so gut angeschrieben als ich, der Fremde, bei Straßburgs Bundsgenossen. Der Plan aus eurer Hand ward verworfen.

Jmwörth. Zum Letztenmal, Meister Fischart, bringt mich nicht in Harnisch. In Saint-Germain und in Paris Da gieng ich in die Schule, Und träumte mich ins Paradies Bei mancher fränkschen Buhle.

Und was den Ehrenpmckt betrifft, Da soll mich niemand lehren. Ich tränke lieber wälsches Gist, Ms mich bei Seite scheeren.

19 Fischart.

In Saint-Germain und in Paris Da war ich Wohl zu Hause, Und lebte dort, o glaubt mir dies, Ja nicht in einer Klause.

Und Den Und Und

wenn es seyn muß, weiß ich Wohl Flederwisch zu brauchen, nehme Eicheln nicht für Kohl, seh' von weitem rauchen.

Fischart. im Wörth, ich Straßburg, und Einmischung in legenheiten.

Kurz und gut! gnädigster Herr Hans verbitte mir unterwegs von hier nach in Straßburg selber, jede unritterliche meine Privat- und öffentlichen Ange­

Jmwörth. Und ich jede schulmeisterliche Inter­ ferenz in meine Geschäfte. Fischart. Haltet euch auf jeden Fall ruhig im Schiffe; ihr dürftet dort sehr vereinzelt euer Wesen treiben, und gegen Muthwille und Unredlichkeit sichert dort ein unwillkührliches Sturzbad.

Jmwörth. Auf guten Rath, folgt befferes Wort. Nehmt euch in Straßburg auf dem Schützen­ rain , in den Zechstuben und.... anderswo zusammen; ein freyer Ausfall gegen mich, und ich ziehe euch das

Fell über die Ohren. Fischart. Meines dürste fester halten als das eure; das habm die Pariserbuhlen schon lange mürbe gemacht.

20 Jmwörth und Fischart. Bei Straßburg treffen wir uns wieder, Wenn's euch gefällt; Und gerben uns die Glieder Im fteyen Feld.

Für heißes Blut geziemt, ich denke,

Ein Aderlaß. Was soll das Wortgezänke Um dies und das?

Mit seinem Gegner sich zu schlagen

Auf Stoß und Hieb,

Wer sollte das nicht wagen,

Der Braut zu lieb? Da greift die Hand nicht mehr zur Feder, Nein! zum Rapier!

Und ziehet keck vom Leder, Sey's dort, seh's hier. (Sie legen die Hand an den Degens

Fünfte Scene. Thoman und Lchühen eilen herbei, mit Trute'n. Thoman

(zu Fischart,.

Ihr

müßt

dem

Herm

Hans im Wörth nichts nachtragen; der Breh ist köst­ lich; nur eine Schwierigkeit giebts noch zu besiegen;

die Trute will nicht mit.

21 Fischart. Geht's nicht mit Güte, so brauchen wir Gewalt. Sie muß ihren Theil haben von der Gasterey und dem Ruhme. (Nnterdeffen ist das Morgenroth angebrochen. Das Theater erhellt sich; der Brehkestel wird hinten über die Bühne ins Schiff getragen.)

Trute: Ich würde gerne mich bequemen Mit einer Bank Vorlieb zu nehmm, Doch so allein, allein, mit Euch Ihr Herrn, Hinabzuziehn ins Reich, Dazu verbindet keine Pflicht; Das schickt sich nicht. Das schickt sich nicht. Jmwörth.

Wenn solche Fahrt ihr Unheil brächte! Die Trute ist in ihrem Rechte. Ihr Herren, ehrt, das bringt Gewinn, Den reinen jüngferlichen Sinn. Mit euch zu ziehn, ruft keine Pflicht; Es schickt fich nicht, Es schickt sich nicht. Zu Zweien: Trute und Jmwörth.

Mit euch zu zichn, ruft keine Pflicht Es schickt fich nicht, Es schickt fich nicht.

22 Fischart.

Herr Jmwörth ist in vollem Rechte! Wenn solche Fahrt ihr Unheil brächte! Herr Jmwörth ehrt, das bringt Gewinn, Den reinen, jüngferlichen Sinn. Zu Dreyen:

Fischart, Jmwörth, Trute: Mit uns zu zieh«, rüst keine Pflicht

Trute.

(Mit euch). Es schickt sich nicht, Es schickt sich nicht.

Thoman: Die Trute ist in vollem Rechte! Wenn solche Fahrt ihr Unheil brächte! Wir ehren hoch — das bringt Gewinn — Der Trute jüngferlichen Sinn.

Quatuor: Fischart, Jmwörth, Thoman und Trute.

Mit

| zu stehn, rüst keine Pflicht

Es schickt sich nickt. Es schickt sich nickt. Thoman. Theure Reisegefährten! ich mache einen Vorschlag in Güt. Ihren Antheil muß die

23 Köchin haben. Sie komme, auf unsre, auf meine Kosten, mit einer Eilfuhre nach. Sie trifft uns sicher noch in Straßburg. Mehrere Stimmen: Trefflicher Rath! herr­ licher Rath! Trute macht euch zur Stunde reiseferttg.

Im Wörth. wir uns wieder.

Auf dem Schießrain, Trute, sehn

Trute. Ohne Kochkessel, ohne Holzscheit und und ohne Feuerbrand, Herr Jmwörth. (Ein Halbdutzend Schützen, die sich bis jetzt mit dem Stellen des Kessels

b'eschästigt, treten vorwärts und fingen.)

Das Schiff, die Ruder sind bereit; Mit Glühsand ist der Brey umstreut In fester Tonne! Voran! voran! Im Osten zeigt sich schon die Sonne. (Die Glarner Schneegipfel röthen fich im Hintergrund. Das Theater

ffiUt fich mit einer Menge Zuschauer.

Die Schützen begeben fich

ins Schiff.)

Cher der Lchützen: Voran, voran! Es steht der Brey Verwahrt in seiner festen Tonne;

Im Osten flammt die Morgensonne; Drum drauf und dran Auf unsrer Wasserbahn! (Das Schiff stößt vom Ufer.)

24 Gesang des Polkes am -lfer. Ja! drauf und dran! Auf glatter Wafferbahn! Und nehmet unsre Grüße mit:

Chrr d'er Schlitzen aus der Kerne. Wir nehmen eure Grüße mit.

Chor des Polkes. Und haltet euch von Sorgen quitt!

Chor der Schützen. Wir halten uns von Sorgen quitt, Deß dürst ihr sicher sehn! Wir halten urs von Sorgen quitt, Dazu verhilft )er Perlenwein Bon unserm Seegestade. (Die letzten Töre verklingen in der Ferne.)

Cho' des Polkes. Von unserm Zeegestade Da senden wir euch Grüße nach Und unsrer Bmdeslade. (Ein Lhor der Jugfrauen zieht über die Bühne.)

Freut euch des Lebens Weil noch das Lämpchen glüht, PMcket dieRose Eh' sie vevlüht. (l) (11)

Usteri.

25 Sin Theil des Aolkschors. Sie halten sich von Sorgen quitt Daß dürfen wir sicher sehn;

Sie halten sich von Sorgen quitt, Sie nehmen Wein und Rosen mit Von unserm Seegestade.

Ein andrer Theil des Volkes. Von unserm Seegestade

Da senden wir die Wünsche nach

Für unsre Bundeslade. Tutti: Wir senden heiße Wünsche nach

Für unsre Bundeslade.

26

Sechste Seene. Tas Theater verwandelt sich. — Rheingegend bei Breysach.

— Das glückhafte Schiff in vollem Laufe im Hinter­ grund, auf dem Rheine; Zischart steht am Steuer­

ruder. — Vier Musikanten im Vordertheile des Schiffes.

Der Kessel in einer Tonne, mitten im Schiffe, theilt

die rudernden Schützen in zwey Partheyen. — Thoman und Imwörth

nehmen Theil an der Arbeit; der

Letztere in der Nähe der Musikanten, die eine Tanz­

musik aufspielen. C)

Thoman (röcitatif).

Hans Fischart! Gebet uns ein Lied zum besten! Die Sonne brennt! Wir athmen, so ihr uns Zur Arbeit Muth und neue Kräfte leiht. Fischart.

O welch ein Jubeltag! Hört ihr die Wellen dröhnen Bey jedem Ruderschlag? Sie rufen euch, den Söhnen, Der stehen Schweiz: Willkommen!

(1) Der Maschinist und der Dekorateur haben hier für die Auf­ gabe im letzten Hintergründe eine stäte Fortsetzung von nahen Hügeln und fernem Schwarzwalde zu entrollen, das Schiff, bleibt in Realität stationär; aber der schnell abgerollte Hintergrund läßt daffelbe, durch eine optische Täuschung, als hinuntergleitend erscheinen.

27 Willkommen! Bey jedem Ruderfchlag! O welch ein Jubeltag! Chor.

O welch ein Jubeltag!

Fischart. Das hehre Himmelszelt Grüßt uns die Argonauten

Der neuverjüngten Welt. Vom Ufer her, da schauten Anwohner, alt und jung Auf uns Den kecken Schützenschlag! O welch ein Jubeltag! Chor.

O welch ein Jubeltag! Fischart.

Ihr Brüder, saht ihr nicht Am User die Najaden — Das zierliche Gezücht — Im Strome spielend baden? Das Heidenvolk ersteht

Für uns Mit jedem Ruderschlag, Oh welch ein Jubeltag!

28 Chor. O welch' ein Zubeltag! Fischart (rGcitatif).

Herr Jmwörth! Mit Vergunst! ihr rudert falsch, Ihr hemmt das Schiff, statt seinen Lauf zu fördem. Dreh Ruderer wie Ihr, und unsre Wett' ist null, Und nicht am Fuß von Straßburgs Münsterdome, Nein, schon bey Rheinau stranden Abends wir.

Jmwörth. Ich rudre, wie ich kann! wir sind hier freye Leute, Nicht Schiffer lohngedingt! behagt euch nicht Die Hand, der Arm wie ich sie regen kann, So laß ich meinen Sitz und strecke mich Ruhselig auf des Schiffes Boden hin. (Er läßt das Ruder fallen, und setzt sich zu den Musikanten.)

Fischart.

Ständ ich am Steuer nicht, ihr kämt fürwahr Nicht ungestraft aus dieser Probe heim. Thoman. Ihr Herren, Fried' nnd Ruh! Wir schiffen hier Um Abends einen Bundesschmaus zu feyern. Vertagt den Zwist, und beffer noch, vertragt ihn. (Er gibt ein Zeichen; die Musik fällt ein.)

29 Chor.

O welch ein Jubeltag! Hört ihr die Wellen rauschen, Mit jedem Ruderschlag? Seht ihr Najadm lauschen Am Ufer halb versteckt, Im Busch? O welch' ein schöner Schlag I O welch ein Jubeltag! (Der Vorhang fällt.)

30

Irvritrk Inf;«Erste Scene. Ein Zimmer bei David Gryger, in Straßburg. — Zwey Fenster, im Hintergrund, haben die Aussicht auf die

Jll, dem Rheingießen gegenüber. Zwey Thüren, in den Coulissen, rechter und linker Hand, kommuniziren, die eine, mit den Zimmern des HauseS, die andre mit der Außenseite.

Beym Aufrollen des Vorhangs ist das Theater leer.

Vom

Staden und Rheingießen herauf vernimmt man ein wirres Treiben der Volksmassen und einen Chorgesang :

Hallo! Hallo! Kommen die Züricher Schützen bald, Werden wir doppelt froh, Jubeln wir alle so, Laut wie die Jagd im Wald: O Hallo, o Hallo!

31 Kommen die Züricher Schützen nicht,

Mit dem verheißenen

Hirsengericht, Fehlt uns das Beste

Beym heutigen Feste, Ohe! dann gähnen wir! Ohe! dann sehnen wir

Uns von dem Schmause

Nach Hause, Jubeln da nicht mehr so

Keck wie die Jagd, und froh O Hallo! o Hallo!

Zweite Scene. David Gryger und seine Tochter treten auf, durch die Thür links. — Gryger hält einen offenen Brief in der Hand.

Gryger.

Lieb Töchterchen Philippine, Bernhard

Herzog bleibt aus; da sagt er mir im letzten Augen­ blicke ab; Amtsgeschäfte halten ihn zu Wörth.

Philippine.

Mir nicht unlieb; der Griesgram

hätte unser Fest gestört.

Gryger. willst; seine

Du magst denken und sagen was du

Gegenwart

hätte

unserm

Feste

einen

öffentlichen Charakter ausgeprägt; er wäre als Abge­ sandter von seinem reichsgräflichen Herrn, dem Hanau-

32 Lichtenberger gekommen. Ueberdies läßt er uns, oder vielmehr dir, eine heikliche Aufgabe. Philippine. Gryger.

Die wäre?

Deine Base Anna umzustimmen.

Philippine.

Wie versteht ihr das, Herr Vater?

Gryger. Auch wenn Fischart alle Bedingungen, die ihm der Amtmann gestellt, erMen sollte, wünscht unser Schwager die angebahnte Verbindung mit Anna zu hintertreiben.

Philippine. Das wird schwer halten. Anna hält an Fischarten, auch wenn er die Bedingnngen nicht erfüllt. Ihr Kopf ist klein, aber fest, und ihr Herz schlägt nur nach dem einen Takte. Gryger. Herzog wünscht den jungen Raths­ herrensohn von Zürich zum Eidam; und im Grunde hat er Recht; Fischart ist bedeutend älter als Anna; er würde sich besser für dich schicken.

Philippine (Mrt). Ich bin dem Fischart nicht abhold, und begreife Anna's Vorliebe für ihn; aber, ich dächte. . . . Gryger.

Was denkst du, lieb^ Kind?

Philippine. Daß mein gestrenger Herr Vater mir nicht, bey jeder Gelegenheit, die Jahrzahl meiner Geburt aus dem Kirchenregister Vorhalten sollte. Warum bin ich nicht schon lang unter der Haube?... Weil unsere Glücksumstände nicht der Art.... Gryger. Keinen trüben Rückblick, Philippine; ich bitte...........Wir brauchen für die Festtage heitre

33 Gesichter.... i»ann brauchen wir unsers Schwagers

Gunst und Hülfe.

Bearbeite immerhin deine Base,

du arbeitest dabey auf eigne Rechnung.... Philippine (v-ri-g-n).

Wie so? Wie so? ... . du

Gryger (ahmt ihre Stimme nach).

weißt es so gut als ich. Fällt Fischart bei Anna durch,

so ist er froh an dir einen Rückhalt zu finden.

Ein

fränkisches Sprichwort sagt: Fängst du keinen Kramets-

vogel, nimm mit einer Amsel vorlieb. Philippine. Gryger.

Vater, ihr seyd unerträglich... .

Weil ich

durchschaue? . .. .

junge

Fischart,

und alte Mädchen

glaub'

mir, hat eine

schönere Zukunft als Amtmann Herzog sich träumen

läßt. Er ist am Kammergericht zu Speyer gut ange­

schrieben , und sein Poetenruf geht durch ganz Deutsch­ land. Philippine.

Ihr braucht mir seine Verdienste

nicht herauszustreichen, Vater; doch an unsrer Base

begehen wir kein gutes Werk. Gryger.

Wir üben keinen Zwang, und handeln

blos als väterliche Bevollmächtigte. Philippine.

Da kömmt sie.

34

Dritte Seene. Anna Ijerpg tritt auf, weißgekleidet, eine Sommerrose im Haar und eine am Busen.

Grhger.

Schön Bäschen, der Vater schreibt er

könne nicht abkommen.

Vorlieb nehmen müßt ihr

nun mit uns allein, das heißt mit Philippinen.... Anna.

O! ich weiß! gnädiger Herr Oheim, ihr

seyd vielfach bey diesem Feste beschäftigt.

Ihr habt

heute Abend Schweizergäste zu empfangen, und euer

Amt als Schiedsrichter am Schützenrain.... kümmert euch

nicht um mich; ich bin

nicht

übel

versorgt.

(Sie legt ihre Hand auf Philippinen's Arm.)

Anna.

Ihr nehmt mich auf, in euer Haus; Sie nimmt mich auf an ihre Brust. Werf ich den Blick zum Fenster hinaus,

Tönt mir entgegen Freud und Lust. Es wogt da draußen hin und her. Ein buntes, wirres Völkermeer.

Vogesen, Baden, Schweiz und Rhein Sie senden ihre Vertreter herein. Zu Dreyen.

Vogesen. Baden, Schweiz und Rhein Sie senden ihre Vertreter herein.

35 Anna. Komm ich vom Land und Vaterhaus,

Komm ich aus stiller Kammer her, In euren wirren Saus und Braus

Wähn^ ich versunken mich ins Meer,

Doch hier an eurer Freundesbrust,

Ist mir das Eine doch bewußt: Auf dem bewegten Erdenrund

Giebt Liebe festen Ankergrund.

Zu Drehen.

Auf dem bewegten Erdenrund Giebt Liebe festen Ankergrund.

Je nachdem man die Liebe versteht,

Gryger.

schön Bäschen.

Philippine wird euch darüber bessere

Auskunft geben als ich. Straße.)

lLärm, verwirrte Stimmen auf der

Ihr erlaubt mir, daß ich mich entferne; muß

sehen, was es giebt da draußen. Anna.

Bitte, lieber Onkel.

tGryger geht ab.)

Vierte Scene. Anna und Philippine. Anna.

Was meint dein Vater damit?

Auch

du, Philippine, scheinst mir etwas fremd und verlegen? (Aengstlich.)

Ist meinem Vater etwas zugestoßen?

sprich doch....

So

36 Philippine. — Durchaus nicht.... Dienst­ sachen .... du kennst ja deines Vaters Pünktlichkeit — er behandelt die Geschäfte, wie die Vorfahren, die er ins hundertste Glied aufzählt.

Anna

«schmollend».

Nichts

übles

vom

Vater,

Philippine.

Philippine. Mir ist schon lieb, daß deine kind­ liche Ehrfurcht stark ist wie dein Glaube, daß sie jeder ftemden Einflüsterung Trotz bietet, dmn, gerade heute, habe ich dir, von Vater und Onkel, einen, wie soll ich sagen.... einen.... Auftrag, welcher dir in keiner Weise erfteulich seyn wird.,

Anna.

Du erschreikst mich.

Philippine. Das will ich keineswegs; nur vorbereiten will ich dich, auf etwaige Einwendungen.

Ann.a. Einwendungen? .... gegen waS? ist in meinem Betragen etwas, das meinem Vater nicht gefällt? Warum durch euch? Warum nicht er selber?

Philippine. Du ereiferst dich, du erröthest?.... die Rose in deinem Haare wird beschämt.

«Lächelnd.»

Anna. O! keinen frostigen Spott in diesem Augenblick, Base; du marterst mich.... «sie greift an ihren Busen.)

Philippine. Fischart liegt dir sehr am Herzen, nicht wahr, arme Anna? Anna. Nun dmn, heraus damit.... der Vater will nicht....

37 Philippine.

Du

sagst

es,

der

Vater

will

nicht.... Bedingungen, seltsame, hat er vorgeschrieben, und wollte zuvörderst nur Aufschub.... aber er mag

den berühmten Mann nicht leiden; nie giebt er, frey­ willig, sein Jawort zu diesem Bunde. Anna

(bricht in Thränen aus.)

Philippine Anna.

(faßt theilnehmend ihre Hand.)

Laß mich! ihr seyd alle gegen mich und

ihn verschworen. Was werft ihr ihm vor? Er ist um zwanzig Jahre älter als ich, nicht wahr?

Er be­

kleidet kein öffentliches Amt, nicht wahr? Er ist nicht reich? Hab ich mir nicht selber alles das hundertmal

vorgesagt? Und doch lieb ich ihn.........Doch weiß ich, so sicher als ich lebe, daß ich an seiner männerfesten Hand, an seiner treuen, redlichen Brust mehr Glück finden würde, als in der Ehe mit manchem rosenrothen aber windigen Jüngling.

Weißt du, wie ich

ihn lieben lernte?.... Auf dem Lichtenberger Schloße

war's, das wir zusammen mit dem Vater besuchten. Da standen wir, oben auf der Terrasse, und schauten

auf die Waldberge und in die fruchtbare Ebene hinaus, gegen Buchsweiler und den Hagenauerforst hin.

Er­

hielt mich an der Hand, und erklärte mir alles....

und da kam die Rede auf die arme Barbara von Ottenheim,

die

junge

Geliebte

des

alten

Grafen

Jakob's, die vor hundert Jahren als Hexe verbrannt

wurde.... Philippine (lächelnd).

Nun, was hat die Barbara

mit dir und ihm gemein?

38 Anna. Er sagte, sie seye unschuldig verbrannt worden; es seye ein unverantwortlicher Gerichtsmord; die Barbara hätte den alten Grafen in treuer Liebe

gepflegt, seh ihm ins geheim angetraut gewesen, und habe ihm die letzten Lebensjahre als treuer Schutzengel versüßt.... und da sagte er mir über die heilige Ehe,

Worte, die mir das Herz im tiefsten Busen umkehrten;

und ich fühlte, augenblicklich, daß ich ihm, dem Viel­ geprüften, die zweyte Lebenshälfte ebenso verschönern möchte.

Philippine.

Du

bist

ein

Kind,

Anna....

Fischart ist nicht nur viel geprüft, er hat auch viel gelebt.

Anna.

Was meinst du damit?

Philippine. Die weite Welt hat er durchflogen — und wohl Stücke seines Herzens, wie das Schaaf

seine Wolle,

an mancher Hecke

am

Wege hängen

lassen. Anna.

ihn kenne!

O! wenn du ihn kennen wirst, wie ich Wir hören so viel reden von den Gold-

niinen der neuen Welt! sein Herz ist reicher als alle....

Philippine. Und fein Haar bleicht! und seine Stirne wird kahl.... an Jahren ungleiche Eheleute.... Anna.

Du überredest mich nicht. Anna.

Ich könnte wörtlich wiederholen

Was er vom Ehebündniß sprach.

39 Es tönt, vom Wirbel bis zur -Sohlen In meinem innern Wesen nach. Er selber, war, wie tief! ergriffen; Ich fühlte seines Glaubens Schwung. O! mit ihm durch das Leben schiffen Ist Vorschmack ew'ger Heiligung.

Philippine.

Mein armes Kind! so sprechen viele, — Und ehrlich glauben sie zu sehn, So lange sie, entfernt vom Ziele, An Paradieses Eingang stehn. Doch öffnet sich die Gnadenpforte, Der Eintritt in das Friedensthal, Vernimmt man keine Segensworte, Der heilige Bund, er wird zur Qual. Anna. Und sollten wir uns beyde trügen, Auch kurzer Irrthum ist ein Glück, In deinen letzten Athemzügen Kehrst du zum Jugendtraum zurück. Wohl gleichet dann der Abendschimmer Dem ersten frühen Morgenroth, Und auf zerstörter Liebe Trümmer Erhebt sich, faltergleich, der Tod.

Philippine. Mein Kind, du bist nicht mehr zu retten; Im Wasser steckst du bis an Hals;

40 So träume dich in Blumenbetten, Und iß dann schwarzes Brod mit Sah. Nimm statt des Vaters Schutz und Segen Als Mitgift seinen Tadel heim; Dich tröstet ja, bey Schicksalsschlägen, Der Mtterwochen Honigseim. Zu Zweyen.

Anna.

Wohl tröstet mich bei Schickfalsschlägen Der Flitterwochen Honigseim.

Philippine.

Dich tröstet ja «.

Philippine. Du bist nun einmal mit Fischart behaftet. — Wenn du dich auf den Zürcher Jniwörth besännest; er ist jung, vermögend, ein Patrizier....

Anna. O ja! er hat uns mehr als einmal zu wiflen gethan, daß sein Urgroßvater in Zürich die Schindeldächer in Ziegeldächer umwandelte; er über­

redet sich wohl am Ende, es komme ihm das verdienst­ liche Werk selber zu. Ein widerwärttger Mmsch! Philippine. Ja! gegen den hast du nun ein­ mal eine Abneigung.

Anna.

Ich überlaste ihn dir.

Philippine. nähme?

Anna.

Sehr gnädig; und wenn ich ihn

Desto bester; dir gefällt er also?

41 Philippine. mancher andre.

Nicht mehr und nicht weniger als

Aber zu einem Ehegatten wäre er

immer noch gut. Anna.

Base, das ist abscheulich.

Philippine. Und weil wir doch auf dem Wege der Abscheulichkeiten sind, nimm dir etwas von meiner

Erfahrung weg.

Wenn die ersten Jugendträume ver­

rauchen, weißt du, wie wir bey vorrückenden Jahren

auf unsre Versorgung bedacht sind?

Sehn müssen?

wir haben keine Klöster mehr.

Anna.

Eine leidige Versorgung!

Philippine.

In

manchen

Fällen

erwünscht.

Genug, laß dich bedeuten. (Man hört ein Hurrahrufen auf der Straße, Philippine eilt an den Erker.)

Philippine. — So komm doch! das Zürcher Schiff ist nicht mehr ferne.... eine große Bewegung geht durch das Volk; sie schwenken Hüte und Tücher....

so komm doch! Anna. Ich komme nicht.... ich mag nicht....

ich bin beklommen....

Wie werd' ich mit diesem

Schmerzgefühle Fischarten begegnen?....

Philippine. Begehst du gegen ihn einen Fehler, wenn du über das väterliche Gebot nachdenklich wirst? (Man vernimmt von der Straße her die Töne einer freudigen Bolksmufik... einige weiß gekleidete Jungfrauen betreten das Erkerzimmer.)

42 Chor der Jungfrauen.

Um Einlaß bitten wir! Laßt uns in eurem Erker stehn, Das Freudenfest mit anzusehn, Um Einlaß bitten wir. Philippine.

Ihr seyd willkommen hier; Ihr bringt bei diesem Saus und Braus Den schönsten Schmuck in unser Haus, Willkommen seyd ihr hier. (S)ie Jungfrauen stellen sich in den Erker und an die bleibt allein im Vordergrund, und wirst fich, einen Lehnstuhl. Philippine wendet fich Halbweg weg gegen die Außenseite, und beginnt mit ihr pelgefang:)

Fenster. Anna verdrießlich, in gegen fie, Halb­ folgenden Dop-

Philippine. Komm! sieh mit an! so komm doch her.

Chor.

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Mir ist das Herz gedrückt und schwer.

Anna.

Philippine. Sie landen an, sie steigen aus.

Chor.

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«bei Seite).

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Warum betrat ich dieses Haus?!

Philippine. Sie stellen sich in Reih und Glied.

Chor. Anna.

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Ich finde nicht mehr Ruh und Fried.

Philippine. Sie grüßen froh mit Hand und Hut. ßh or.

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43 Anna.

O mich verzehrt des Fiebers Glut.

Philippine. Das Volk, die Jugend strömt herbey.

Chor. Anna.

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Mir bricht das arme Herz entzweh.

Philippine. Und hörst du nicht den Jubelchor?

Chor.

Anna.

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Mir schwirrt es dumpf in Hirn und Ohr.

Philippine. Sie tragen einen Kessel schwer In ihrem Freudenzuge her. Was faßt der Kessel weit und groß?

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Chor. Anna.

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O bärge mich der Erde Schooß!

Fünfte Srene. Die Vorigen, Lkischart tritt herein.

Fischart (röcitatif). Sey mir, o Freundin, tausendmal gegrüßt!

Erfüllet ist der schwerste Punkt, den mir Dein Vater vorgezeichnet.... Mit Gottes Hülfe soll es mir gelingen Die andern zwey thatkräftig zu vollbringen.

Anna

. schart ! Fischart. Arrest, (ab.)

Fischart! Meister Fi­

Nicht doch! ich begebe mich in meinen

Gryger (aUeinj. Verwünscht! Ich bin verloren! Wie hat er das erfahren? Die verfluchte^ Skriben­ ten, sie kommen hinter alles! und die öffentliche Meinung — irregesührt — sie wird eine Macht der Jmwörth der steht gut am Hofe der Valois, der muß um etwas wissen. Ich will ihn rufen. (®ie et sich gegen die Thüre zum obern Stockwerke kehrt, kömmt von der Straße her ein wirres Geräusch)

Das leidige Schützenfest!

Wieder etwas neues ....

(Man vernimmt einen freudigen

Triumpfmarsch; die Straßenthüre wird aus den Angeln gehoben. Es stürmen herein: Zürcherschützen, als avant-garde, dann auf einer mit grünem Laubwerk verzierten Tragbahre und auf einem improvifirten Throne fitzend: Der Kannstatter Wildschütz; hinter ihm her eine zwehte Schützenschaar, worunter Thom an; von dem Lärm herbehgelockt, kommen aus dem obern Stockwerk beyde Jungfrauen und Jmwörth.)

74 Siebente Scene. Thoman (recitatif). Er hat getroffen ins Schwarze! Dreymal! dreymal! dreymal! Schlag aus Schlag! Er ist der Schützenkönig, Ertheilt ihm die Ehrengabe, Er hat sie überlei verdient. Chor der Schützen:

Er hat getroffen ins Schwarze! Dreymal! Gebt ihm die Ehrengabe! Der alte brave Knabe Mit einem Fuß im Grabe Er zielet wie der Tell. Daß wir ihn schnöd- verkannten, Aus unsrer Mitte bannten,

Wird ihm zum Freudenquell. Gryger.

Thoman.

Wie so?

Nun, hätten wir ihm gastlich eine

Nachtherberge im Hirzen gegönnt, wäre er wohl nicht auf seinem Rechte bestanden, nach dem ersten Treffer gleich den zweiten, nach dem zweiten, den dritten zu

thun; die Rangordnung wäre ganz anders ausgefallen.

75 Gryger

euch

in

l,um Wildschützen).

solenner Weise

Der Ehrenpreis soll

ertheilt

werden;

hundert

und dreißig Gulden, mit Pergament und Denkmünze.

Ihr seyd ein Kannstätter, das weiß ich; aber wie heißt ihr?

Der Wildschütz.

Das fragt nur bey den Damen Die dort am Hofe sind. Ich habe keinen Namen, Ich bin ein Findelkind. Ihr dürft mir sicher glauben

Ich sey aus nobelm Blut; Ich lasse mich nicht schrauben,

Ich ziel' und schieße gut.

Ich führe mit dem Wilde Im Feld und Walde Krieg;

Auf meinem Wappenschilde Steht eingegraben: Sieg! Und Wolf und Bär und Eber

Die schlug ich dutzendweis, Im kalten Schneegestöber,

Aus Feldern starr von Eis. Doch zielt' ich nie auf's arme,

Zu todtgehetzte Reh';

Und fiel's von fremdem Arme,

Begrub ich's tief im Schnee.

76 Gryger. Ihr seyd ein sentimentaler Schütze, das läßt sich nicht bestreiten. Wildschütz. Bitte.

Gryger.

Als solcher, thu ich an euch eine

Die wäre?

Wildschütz. Läßt es eure Schützenordnung zu, daß der Schützenkönig seinen Rang, sein Ehrenperga­ ment, seine Belohnung auf einen andern übertrage?

Gryger. Es streitet kein Artikel dagegen; zuge­ tragen hat es sich aber wohl nie. Wozu das? Wildschütz. Weil ich finde, daß mein abgetra­ gener Kittel und meine unsichere Abkunft in der That nicht gut zu dem Amte eines Königs, und wäre es eines Bohnenkönigs, fich anläßt. Ich wäre somit gesonnen, meine Würde an einen bestem Stellvertreter abzugeben.

Jmwörth (bet aufmerksam wird). Nicht doch, Freund Wildschütz von Kannstatt; nicht doch, Herr Oberschiedsrichter. Ihr müßtet, scheint's mir, bey eurem Magistrate anfragen, ehe ihr so was, außer­ halb der Regel, beschließt. Gryger. Aber, bester Freund und Bundsge­ nosse , hören dürfm wir doch, was und wen der Wild­ schütz meint. Zuvörderst kömmt die Entscheidung den Schützen selber zu. Wenn es der Gilde ansteht, daß die Königswürde auf einen andern als den Treffer

77 kann fich kein Rath und Magistrat

selber übergehe,

dem widersetzen. Wen meint ihr denn zu begünstigen,

Freund Wildschütz und lieber Kannstätter? Wildschütz. — Von Gunst ist keine Rede. Wenn ihr meine Anfrage gewährt, übergebe ich meine Rechte

insgesammt dem Meister Hans Fischart. Die anwesenden Schützen vrechen unwillkürlich in den Juvelruf auS:

Ss lebe Hans Zischart, der Kchühenkonig. Die Mufik Begleitet daS Vivat!

Gryger (,u Jmwsrth». Das heißt man, unter uns Juristen, ein Plebiszit! Ihr nehmt die Sache sehr leicht,

Jmwörth.

und mir sehr unerwartet.

Gryger. Wildschütz,

Wie sollte ich nicht? — aber, Freund

dürfen

wir

nicht

wissen,

warum

ihr

Meister Hans Fischarten bezeichnet? — Denkt ihr so die genossene Gastlichkeit zu bezahlen? Fischart wird

euern Beutel nicht annehmen.

Wildschütz.

Er mag handeln nach Gutdünken,

wenn er nur das übrige Benefiz der Würde nicht ausschlägt. Ich bin sein Schuldner.

Thoman. Wildschütz.

Wie so denn?

Das will ich erzählen, so bündig

Ich hatte vor Jahren den Wunsch mich zu verheurathen, gieng dem Hange nach, und als ich kann.

78 heurathete ein bitterböses Weib. Sie plagte mich wie ein wahres Hausteufelchen, ich fuhr aus der Haut, und war mehr in Wald und Gebirge, als im Forsthaus. Da fiel mir ohnlängst zu Stuttgart das Ehezuchtsbüchlein von Meister Fischart in die Hand; ich bracht es meiner Ehehälfte; sie ist — ich will sagen, sie war eine studirte Schulmeisterstochter; sie las und las das herrliche Büchlein von dem Segen eines guten Ehebündnisses, das schon so viel gute Früchte getragen und Einung gestiftet; sie las und las, und ward umgewandelt, wahrlich, wie durch ein Wunder; ihre Galle ward zu Taubenblut; unsre Hölle zum Himmel; und dann hat die gute, liebe Frau dem ganzen die Krone aufgesetzt, und das zeit­ liche gesegnet. Somit sehet ihr, wie ich dem Fischart allewege verbunden bin.

Ich hatt' ein bitterböses Weib, Sie quälte mich zum Zeitvertreib, Denn sie war hochstudiert, Und stolz wie sichs gebührt; Und ich war nur ein wilder Schütz, Mit wenig Geld und wenig Grütz. Da kam des Fischart's Mahnungsbuch, Und nahin von unserm Haus den Fluch. Es ward zum Paradies Des Bettes Nachtverließ; Drum lös ich gern den Schuldverband Noch an des nahen Grabes Rand.

79 Thoman.

Wir müssen dem Hans Fischart die

gute Botschaft bringen, und seine Einwilligung ein­ holen.

Wer geht mit?

Wir alle (ab).

Die Schützen.

Achte Scene. Anna; Philippine; Imwörth; Sryger. Jmwörth.

Um Vergebung, Herr Gryger; ihr

nehmt da eine sonderbare Stellung.

Um Vergebung, Herr Jm­

Gryger (verlegen).

wörth, wie könnte ich Wohl anders bey dem allge-

gemeinen Ausspruche.

Ich hätte mich

öffentlichem

Tadel ausgesetzt, Stadt und Land gegen mich aufge­ bracht.

Jmwörth.

Ihr respektirt, wie ich

öffentliche Meinung,

die



sehe, die

mit Vergunst,

ehren-

werthe Jungfrauen — die gemeine Dirne.

Philippine

(einschmeichelnd).

Straßburgs

Lage,

lieber Herr Jmwörth ist ganz eigen. Zürich gilt auch

für eine freye Stadt, aber bey euch, hab ich gehört,

wird dem Ansehen

der

Geburt

bey

weitem

mehr

Rechnung getragen, als bey uns; denn unsre patri-

zischen Geschlechter müssen die bürgerlichen, besonders

80 seit fünfzig Jahren, sehr schonend behandeln.

Glück­

lich wer in Zürich leben darf, an den Ufern seines schönen See's, am Fuße der hohen Schweizeralpen.

Jmwörth (mit einem giftigen Seitenblick auf Anna, zu Philippine,.

In der That, schöne Jungfrau, ihr wäret

nicht ungeneigt, überzusiedeln?

Philippine.

Es wäre die Erfüllung des schön­

sten Wunsches meiner Kinderzeit.... und die Gegen­

wart hat diesen Wünschen neue Flügel angeheftet. Es sollte nicht schwer halten, den

Jmwörth. Zephyrwind

herbeyzurufen,

der

eueres

Wunsches

Schwingen entfaltete, und in die Höhe trüge.

Philippine.

Meint ihr?

Neunte Scene. Aer Wildschütz, Thoman und die Zürcherschützen kommen

zurück; eine stürmische Symphonie verkündet ihr Auf­ treten.

Thoman (röcitatif). Verschlossen ist in seiner Wohnung

Der Meister, will nichts von uns hören;

Wir baten, fleheten um Einlaß;

Verrammelt ist die Thür, die Fensterläden Geschlossen wie in tiefster Nacht.

81 Gryger (unruhig».

Ihr habt ihn nicht bey Namen aufgerufen? Ihm nicht bedeutet: frohe Botschaft komme?

Thoman. Wir riefen wie Besessene , ringsum strömten Die Bürger her, und schrie'n mit uns: Es lebe hoch der Schützenkönig Fischart k

Grhger. Und er?

Thoman. Kein Lebenszeichen. Anna.

Weh mir!! Wenn er willig aus dem Leben scheidet!

Thoman. Das, Jungftau, fürchtet nicht! Das eigne Weh bezwingt der starke Fischart. Ihn sucht wohl jetzt die Freundin Muse heim, Und er besinget unser „ glückhaft Schiff."

Gryger (iu großer Umruhi, bei Seite).

Daß dich! er schreibt die Schmähschrift gegen mich.

6

82 Chor. Was mag es sehn, daß jetzt der Meister In sein Musäum sich verschließt? Beschwört er seiner Dichtung Geister? Jst's Götterkost, die er genießt.

David Grhger und Jmwörth. — Jst's Sathrkost die er genießt. — Anna. Heilige Musen, Liebliche Tauben, Bringt ihm die Botschaft,

Die fröhliche zu! Bringt dem beklommnen Unruhigen Busen, Bringet, o bringet Ihm Frieden und Ruh. Grhger und Jmwörth.

Spöttische Musen, Geißelnde, kecke, Tragt ihm die Botschaft Die fröhliche zu! Nehmet den Stachel Den giftigen von ihm,

Lullt den Erzürnten In Frieden und Ruh.

83 Ehvr lGrhger und Jmwörth ausgenommen).

Wen auch der Meister jetzt bewirthe, Seh's Musen, sey's der Faunen Schaar, Er flechte Lorbeerkranz und Myrthe, Sich bald um Stirn und Lockenhaar. (Der BorhanL füllt).

84

Wirrtrp JufjuS.

(Der Schießrain. flaggt.

Im Hintergrund die Schießhütte, be­

Vor der Hütte, auf einem Rasenpostament f

der Hirsbreykessel, bunt mit Blumen und Eichenlaub

verziert.

Fähnlein mit dem Stadtwappen im Weißen

Felde, auf den vier Flanken des Postaments. Ulmen-

Bäume bilden den Vordergrund).

Erste Scene. Sljeman und Sryger. Gryger.

Ihr laßt euch also nicht länger zurück­

halten ? Thoman. Nein! es ist fürwahr hohe Zeit, daß wir fortkommen, sonst gerathen wir in eine

85 wahre Schlemmerey. Das geht seit diesen dreh Tagen in einem fort, von Schmaus zu Schmaus; wo denkt ihr mit uns hin? Wir brauchen fünf bis sechs Tage für den gemächlichen Rückmarsch zu Fuß; es sind einige junge Familienväter in unserer Schützenschaar; ausbleiben dürfen sie nicht länger.

Gryger. weltbekannt.

Die

Tugend der Zürcherfrauen ist

Thom an. Zugegeben; aber hier laufen die verehligten und die ledigen Gefahr für Herz und Lebensruhe. Gryger. So bleibt doch wenigstens, bis wir wissen was Fischart in seinen vier Mauern treibt. Mir ist bang um ihn .... und s nicht mehr. Der Brief gehört Dem Herren Betschold. Betschold (erbricht das Siegel).

.... Roland, Vogt von Chillon, schreibt Im Namen seines Herrn, des Herzogs Amadäus. Ihr Herren, wollt ihr nicht, da ihr versammelt seyd, Die Botschaft hören — wichtig scheint sie mir; Sie ist es für euch alle. Einige Stimmen. ........ Lasset hören.

Betschold (liest). „ Euer Liebden sehe zu wissen gethan, daß im „ Laufe letzter Dezembertage ein Rabbiner von Toledo „ durch Thonon am Lemansee gezogen, dort in nächt„ licher Weile mit Balavigny, einem wälschen jüdischen „Chirurgen, konferirt, eiligst'in stürmischer Nacht „weggefahren, über den See, gen Basel und gen „ Straßburg. Nun hat bewußter Balavigny stark „ beargwohnt und gefänglich eingezogen, in Genf, dem „ Grafen Amadäus, nach vorgenommener Question, „gestanden, daß ihm der Jude Jakob von Toledo

200 „ mit Ausschluß aus der Gemeinschaft Israels ge„ droht, sofern er sich nicht bequemen wollte als Arzt, „ den ihm empfohlenen Christen Gift behzubringen, „ und auf jede Weise zu schädigen; er habe dem „ Abreisenden höllische Latwergen mitgegeben auf deu „ Weg, zu ähnlicher Benutzung, doch ausdrücklich an „ den Juden Higgins in Kolmar, den Juden Süßkind „und Abraham, und Jakob den Reichen, Sänger „ der Synagoge seinen Eidam, in Straßburg; was „ er, Jakob von Toledo, dann mit Eidesleistung auf „ den Pentateuch gelobt und seines Weges fortgezogen. „ — Solches meld' ich, im Namen des grünen Grafen „von Savoyen, meines Herrn, zur gültigen Be„ Nutzung. Es nimmt bey uns das Sterben über„ hand, wovor euch Gott und dessen Gnadenmutter

„ wohl bewahren möge. Lebet wohl." (Nach Ablesung des Briefs entsteht ein Gemurmel unter den Anwesenden).

Eine Stimme aus der Gruppe der Fleischer. Da haben wir's! Vertheidiget sie noch, Die Judenschweine!

Marx. Mit euch ruf' ich laut: Da haben wir's! Nach alledem, wer wagt es

Für sie die Stimme zu erheben?

201

Swarber. Ich-' Ich will's — der Brief des Vogts von Chillon lautet Geich ähnlichen Episteln nnd Berichten Ans Rheinland, Schwaben und der deutschen Schweiz. Dieselbe Antwort auf dieselben Fragen, Und überall die nämliche Beschuld'gung. Der schriftgelehrte Jakob von Toledo Ist in ganz Spanien, im Maurenland Berühmt, geschätzt — ich wag' es auszusprechen In dieser Schreckenszeit — Der Rabbi Jakob ist Ein Ehrenmann! Herr Berthold von Buchegg, Der milde Kirchenfürst wird mir nicht zürnen,

Berufen darf ich mich auf deffen Zeugniß; Denn unser Bischof ist mit den Doktoren Des alten Bundes eben so vertraut Wie mit den Vätern unsrer Christenkirche. Der Bischof stellt, ich weiß es, für Toledo Als Bürge sich. Dankt, wenn ihr wollt, dem Vogte Von Chillon für den wohlgemeinten Rath; Doch laßt euch nicht zur Grausamkeit verleiten; Behandelt nicht den Wandrer aus Kastilien Zum Willkomm hier als landesflücht'gen Schwärmer.

202 Marx. Sprecht für euch selbst, Herr Swarber, und gebraucht Die feurige Beredsamkeit, In euren eignen Sachen. Habt ihr wohlgethan Vom Unheil, das uns droht, euch fernzuhalten Durch raschen Austritt aus dem Ehrenamte, Gebt keine Blößen euch, um andrer Fehl Mitleidig zu bemänteln. Seyd gewiß: Der neugewählte Rath, die neuen Meister Sie werden für das Weitre Sorge tragen. Herr Betschold, was beschließet ihr?

Betschold. Begebt euch Mit Männern unsrer wohlerprobten Zunft Ins Judenviertel, fordert sieben Geißeln; Und aus des Kantors Wohnung nehmt den Rabbi, Den „Schriftgelehrten" von Toledo zum Verhör Auf unser Rathhaus: dorthin gehen wir. t Zu Swarber gewendet.)

Und ihr, Herr Altammeister, in Verwahrsam Geruht zu bleiben unter eurem Dach, Bis wir euch rufen. (Alle ab).

203

Achte Steile. (Lwarber und MrsuLa.)

Ursula.

Ihnen schuldest du, Nicht Dank und nicht Gehorsam! o! verlaß die Stadt! Ich bitte dich! Sie wollen dir ans Leben! Du hast von jeher grausam sie beleidigt Durch deine stolzen, rücksichtslosen Reden. Sie dulden dich nicht länger hier als Zeugen Der Frevel, die sie ungestraft begehn. Swarber.

Um mich besorgt bist du, mein theures Weib?! Nun da mich alle meiden, stehest du Alleine für mich ein! hab Dank! sey ruhig! Nicht an mein Leben wollen sie, nur Hab' und Gut Kommt ihnen wohl gelegen. Nun! vertheid'gen Muß ich das Meine. Soll ich dich der Raubsucht Der Unverschämten opfern? und wohin ent­ kommen ? Die Wege sind verlegt. Hier ist nicht alles Verloren: stündlich harrt der Landgraf Auf Botschaft von dem Luxemburger Karl, Der itzt in Frankfurt weilt. Der Name Des Römerkönigs hat noch guten Klang.

204 Ursula. Maria nehme dich in ihren Schuh: Auf Königshülfe wag^ ich nicht zu bauen.

Neunte Scene. (Ein Gerichtsbote. — Die Vorigen.)

Bote. Herr Altammeister, ihr seyd vorgeladen. Swarber

(zu Ursula).

Leb wohl! und foUf ich in Gewahrsam bleiben, Darf ich an dich, die vielgeprüfte Hausfrau Noch eine Bitte wagen? — Ursula.

Was du willst. Swarber (führt sie einige Schritte bey Seite und spricht leise). Vom Glück verblendet und berauscht, entzog ich In bessern Tagen dir die Treue Des Herzens, die am Altar ich gelobt. Ich habe einer Tochter Israels gehuldigt. Doch unverwüstlich blieb mir deine Nachsicht; Nie kam ein herbes Wort aus deinem Mund.

205 Ursula. Du fandest dort, was ich, die Bürgerstochter, Nicht geben konnte, fandest dort bey ihr Nach Tages Müh' und Last, die beff're Nah­ rung Für deinen hohen Geist. Ich konnte nur an dir Aufblicken; — für dich beten, — Für dich, in unsrer Muttersprache beten.

Swarber. Du sammelst glühende Kohlen auf mein Haupt.

Ursula. Das will ich nicht. Nur eines laß mich sagen: Sie soll mir Schwester seyn, wenn du es willst. Swarber.

Du reine, fromme Seele, habe Dank! Leb wohl. — (Er entfernt sich mit dem Boten; Ursula tritt in daS Haus zurück.)

206

Wirrtkl- FufzuA.

Erste Scene. (Rathhaus in Straßburg. — Der Saal der frühern Scenen.

— Ael sch old mit vier neuernannten Stettmeistern tritt herein. — Der Ammeister nimmt den mittlern Stuhl

ein; auf jeder Seite, rechts und links, zwey Stett-

meister.)

Betschold.

Ihr habt mit mir Geständniß der Verhörten In euerm Sinn erwogen und geprüft. Der Rabbi von Toledo giebt den Ausschlag. Ammeister Swarber stand mit Balavignh

207 Dem Wölfchen Arzt von Thonon in Verbindung; Der Jakob überbrachte Gift, vertheilt' es In Städten, die er unterwegs berührt, Und gab sich her zum Sämann des Verderbens. Dem Peter Swarber blieb nicht Zeit Sich selber zu betheiligen — allein Es ist genug geschehn, den strengen Spruch Des Rathes zu begründen. — Alle seyd ihr, denk' ich, Mit meiner Meinung eins; dem Vorgelad'nen Kann ich mit leichtem Herzen die Sentenz VerWndigen. Bulach.

Ich muß der Mehrheit mich Gehorsam unterwerfen, doch zu Protokoll Wünsch ich gebracht, daß mir Mitwissenschast Des Altammeisters zweifelhaft erscheint, Und daß Tortur allein, nicht ftei Geständniß Der Arrestanten obiges verbürgt.

Betschold. Der Herr Kollege hätte Wohl gethan Bevor man schritt zur neuen Wahl, Bekennt­ niß Der Sympathie für Juden abzulegen, Die jetzt bey ihm zu Tage tritt. Ihr steht Nicht mehr auf unsrer Seite, seyd nicht mehr Gewillt der bessern Einsicht Raum zu geben.

208

Bulach.

Ich folge nicht durch dick und dünn, Herr Bet­ schold. Indem ich gegen Swarber, den Verfolger Des Hauses Bulach stimmte, glaubt ich mich Gerechtem Wesen eng verbunden, sehe jetzt Daß ich im Irrthum, daß vom Regen Ich in die Traufe kam. Es werde nicht gesagt: „ Im hohen Rath erhob sich keine Stimme Zu ruhiger Betrachtung." Ich verlange noch­

mals : Es werde meine Meinung, meine Weigerung Getreu zu Protokoll gebracht. Betschold. Ihr kommt Zu spät. Im Rathe hattet ihr das Recht, Verpflichtung hattet ihr zu sprechen, jetzt nicht

mehr. So seyd ihr alle! Wenn die Herrn in corpore Zusammensitzen, und die Augen aller Auf euch geheftet sind, verstummt die WiderredeMan schweigt, und stimmt gefügig mit den Andern; Man macht die Faust im Sack — und dann im kleinen Zirkel Da kommt der Muth zurück.

209 Bulach. Besinnung wollt ihr sagen. So ist^s, ich höre noch das Angstgeschrey Der Märtyrer mir in die Ohren gellen. Noch seh ich vor mir die verrenkten Glieder. Verzeiht, Herr Betschold mir; ich habe nie Aus einer Ochsenstirn die Axt erprobt, Rie an die Kehle des unschuldigen Lamms Das Messer angelegt. Zur ehrbaren Metzgerzunft Gehört ich nicht.

Betsch old

(wüthend).

Nein! ihr gehört zur Zunft Der allbarmherzigen Schwestern. Schreibt euch ein! Laßt mich in Ruh. Aus unserm Kreise tretet, So ihr der Juden Winseln und Geheul Nicht hören könnt, und nicht bedenken wollt, Daß sie die Christenkinder meuchlings morden, Daß sie unschuldiges Blut vermischen mit dem Teige Des Paschabrods.

Bulach. Unsinniger Wahn! Verläumdung!

210 Betschold.

Beglaubigt durch Erfahrung, hundertjährig! — Und läugnet ihr etwa das wucherische Gebühren? daß sie schwer erworbenes Gut Der Christenhäuser schmählich unterwühlen, Den fetten Grund in ihre Maulwurfshölen Abtragen, unser Lebensmark aussaugen? Das alles läugnet ihr? das alles und noch mehr Bedenkt ihr nicht?

Bulach. O! ich bedenke wohl, daß Junker-Hoffahrt Verschwenderisch, auf Schulden Schulden häuft Daß sie der Väter schönes Erbe thörigt An Pferde, Hunde, Dirnen rasch vergeuden, Dem Juden schmeicheln, bis geöffnet sich der Beutel, Und dann mit Fußtritt und mit Hohn be­ gegnen , Sobald Rückforderung erfolgt.

Betschold. Ihr seyd des ganzen Judenpacks vorabbestellter Und feu^r'ger Anwalt, seyd es für den Swarber, Der jetzt, als armer Sünder, vor uns tritt.

211

Zweite Scene. (Lwarber, die Vorigen.)

Swarber.

Das Heft habt ihr in Händen, ich erscheine Bor euch, weil ihr gebietet. Was beschließt Ihr über mich. Betschold. Der Rath ist überzeugt: Ihr habt mit wälschen, habt mit span'schen Juden Seit langem euch befaßt, habt Gelder Und Kostbarkeiten ausgenommen, mit Verpflich­ tung Die hiesigen Juden bestens zu beschützen. Ihr wähntet, weil das Geld aus fremden Ländern kam, Hier jedem Argwohn zu entgehen, jeder Strafe Zu trotzen; eure Pläne sind gescheitert; Der sündigen Verschwörung Zwischenträger Sie lieferten sich selbst in unsre Hand.... Die heilige Jungfrau mit dem heiligen Laurentius bewahrten unsre Stadt Vor großem Mißgeschick: Zur Büßung wird Das heutige verworfene Geschlecht Der Mörder Jesu mitleidslos gezogen; Und ihr zuvor! der Rath beschließt : Es ist

212 Den zünftigen Stadtbürgern euer Hab Und Gut verfallen, Ihr seyd schmählich ausgewiesen Aus unsern Mauern; im Bereich Von dritthalb Meilen laßt euch nimmer sehn, So ihr nicht ewigem Gefängniß, oder streng'rem Gericht verfallen wollt. Das merket Wohl. Swarber. Ich merke was ihr meint! Kein Segen haftet An meinem Gute fürderhin, es soll euch In eurer Hand wie Marterfeuer brennen. Bevor ich euerm Spruch mich unterwerfe Berufs ich mich auf kaiserlichen Schutz, Und auf des Bischofs Schirm. — In Form des Rechtens köllnt Ihr nimmer mich verbannen — nur verstoßen könnt ihr; Die Arme werd' ich schlingen um die Linde, Die sich erhebt vor meinem Haus. Ihr habt In schlimmer Zeit euch dorten Raths erholt; — Dort werdet ihr mich finden; .... weiter treiben,.... Aus dem Gewölbe meines Hausbesitzes Die Pergamente schleppen, die mein Recht Das angestammte, mir verbriefen; Das alles könnt und werdet ihr. Ich wieder­

hol' es; Ihr seyd die Herrn, nicht eingesetzt von Gott, Nein! aufgedrungen mit dem Kolbenschlag Der ehrenwerthen Fleischer.

213 Betschold. Schweigt, Herr Swanber! Es find der Jahre siebzehn schon verflossen, Seitdem Gewalt die Schlüssel unsrer Stadt Den Händen unsrer adligen Geschlechter Entriß. Herr Zorn von Bulach, der so eben, — Verhehlen will ich's nicht — für euch daS Wort geführt, Er könnte Wohl etwas davon erzählen. Ich habe nicht wie ihr, Herr Peter Swarber, In Büchern viel gelesen, habe nicht am Klang Der wälschen Reime mich ergözt, (gegen Bulach gewendet)

ich habe nur Das Beil geschwungen auf des Stieres Nacken, Das Messer nur geprüft am Hals unschuld'ger Lämmer Die mich ernähren. — Eines doch hab' ich gelernt Vom Münsterpfaffen, in der Kirchen spräche, Daß Gleiches stets mit Gleichem wird vergolten, Daß euch gemeffen wird nach euerm Maß.

214

Dritte Srene. (Der Bischof tritt herein, in vollem Kirchenornat. — Alle Rathsherrn erheben sich von ihren Sitzen. —

Ueber Hwarbers Angesicht verbreitet sich ein weh­

müthiges Lächeln.)

Der Bischof. Der Schluß des Rathes ist zu mir gedrungen. Auf Windesflügeln trug die öffentliche Stimme In meine halbverlass^ne, stille Wohnung, Was ihr, von Leidenschaft gespornt, beschlossen. Ich weiß es wohl, ich bin euch nicht genehm. Wie ferne sind wir von den Heldentagen, Da Straßburg mir in meinen Fehden beistand Und ich mit eurer braven Mannschaft Hülfe Gen Schwanau zog, den frechen Ritter dort, Den Burgherrn aus dem Moor und Schloß vertrieb, Und seine Helfershelfer an den Galgen, Zum Schrecken ihresgleichen, knüpfen ließ. Ja! eure Bäter hatten Sinn für Äecht; Sie straften unerhörte Missethat. Ihr wüthet auf die Schöpfer-eurer Wohlfahrt; Ihr bannet aus den Mauern eurer Stadt Ungastlich, undankbar den Biedermann Der euch beim Kaiser und im deutschen Reich Und weit im Süd zu hohem Ansehn brachte, Und seinen Namen den Geschlechtern Des stolzen Adels gleichgestellt. — Ich komme —

215 Betschold.

Herr Bischof, wir errathen schon, weßhalb. Ihr wollt den Widerruf des Richterspruchs; Für Swarber, wollt ihr Aufschub und. Ver­ zeihung. Verfallen ist dem Staate sein Vermögen; Das wollt ihr retten, ihn belaßen in dem Hof, Dem Nest, worin er Ränke schmiedete; Ihn wieder führen in den hohen Rath Den er betrog; das können wir nicht dulden, Ersparet euch und uns die Hin- und WiderRede; Sie führt uns nicht mehr zum erwünschten Ziel.

Swarber. Zu danken ziemet mir, Herr Bischof, wenn gleich Hochwürden hier zu tauben Ohren sprach. Erbitten muß ich nun die angebot'ne Freystätt, Bis ich ersehen mag, wo ich mein Haupt in

Frieden Zum letzten Schlummer niederlegen kann. Bischof.

Die Wahl ist euch gelassen, wißt ihr wohl, Das hohe Stift und ich, wir öffnen euch die Pforten Der Schlöffer in der Ebne, auf den Bergen,

216 Wohin ihr wünscht — doch nicht allein um euch Bin ich herbeigeeilt. Die Landesehre gilt's Zu retten, Pflichten treulich einzuhalten Die wir, wenngleich mit Andersgläubigen, Vor kaiserlichen Zeugen eingegangen. Von Stadt und Land verlang ich Sicherheit Für unsre todtgequälte Judenschast.

Betschold.

Verzeiht, daß ich dem Anwalt unsrer Feinde Im Namen aller Zünfte widerspreche. Die Kassen eures Stifts und eurer Zöllner Sie füllten bis zum Rande sich mit Summen Die euch der Jude spendet; nicht gehalten Seyd Ihr, mit uns auf sie zu fahnden — Wir aber sind.enthoben jeden Dankes; Wir fühlen nur die Schuldenlast; wir athmen Nur Pestluft, bringen nur mit Gist gemischtes

Wasser An unsern scheuen Mund. Verpflichtet find wir Für uns und unsre Kinder wegzuschaffen Aus unsrer Näh' die tückischen Gesellen. Bischof. Wenn ihr dem tollen Vorwurf Glauben behmeßt,

Seyd ihr unmünd'gen Kindern gleich gestimmt; Und glaubt ihr nicht, muß ich der Heuchelei, Der schwärzesten Verläumdung euch bezicht'gm.

217 Betschold.

Es schützet euch, Herr Bischof, euer Kreuz Und euer priesterlich Gewand; wir alle müssen Geduldsam hören euren Vorwurf, aber Nach eigner Einsicht handeln müssen wir, So lang die Diener Gottes blind verschmähn Zu warten Ihres Amts, und schnöden Goldes

halber, Von selbst zu Landverderbern übergehn.

Bischof.

Auch ihr, Ammeister, findet es bequem Den Rathsherrn-Mantel kecklich vorzuhalten, Wenn ench gerechter Vorwurf trifft. Ich glaube Die Menschlichkeit hier zu vertreten, und befolge Des Gottessohns Gebot; ich segne, die mir fluchen.

Vierte Scene. (Die ®otigen. — Der Landgraf Ludwig von Kettingen.)

Landgraf.

Ein kaiserlich' Reskript, aus Frankfurt; ich

verlange Es mitzutheilen.

218

Betschold.

Wir, wir sind bereit zu hören; Des Kaisers Majestät verehren wir....

Bischof. Ihr seyd bereit Befehle zu vernehmen, Doch ob ihr sie befolgt, ist eine zweite Frage. Was brachten euch die Boten mit, Herr Land­ graf?

Landgraf. Ein Aufruf ist es an die Zünfte Straßburgs, Den grundlos Angeklagten vorerst Kein Haar zu krümmen. Seine Majestät Wird mit euch über Mittel sich berathen, Die Gläub'ger und die Schuldner zu versöhnen. Mir wird der schwierig ehrenvolle Auftrag Der Untersuchung in der Brunnensache. Mein Ausspruch wird dem Kaiser unterbreitet. Betschold.

Maßgebend ist für uns die Schrift aus Chillon, Und überzeugend das Geständniß aller Verhörten.

219 Landgraf. Unser Herr und Kaiser wird Auf kein erzwungenes Geständniß horchen; Und so ihr euch erkühnet peinliches Gericht zu halten über pflichtgetreue Vasallen , die des Reiches Säckel Men, Und mit der Außenwelt bequem verkehren, Und nicht, wie manche Reichsstadt sich erheben, — Dem Recht und jeder Billigkeit zuwider, — Der kaiserlichen Gnade seyd ihr dann Auf lange hin, auf immerdar verlustig.

Betschold. Daß Seine Majestät verbrecherische Juden Mit seinem Königsmantel deckt Nicht wundern darf es uns; Wohl ist bekannt Me Karl von Luxemburg zu Würde kam; Fragt einmal nach bey Frankfurts Bürgerschaft,

Auf wessen Anlaß und Begehr der Doktor Frei­ dank Dem edlen Günther von der Schwarzburg Einen Erwünschten Schlaftrunk behgebracht, der ihn

Zu rechter Zeit hinziehen ließ, dem Luxemburger Die Wege bahnend zu den widerspänst'gen Kurfürsten! Karl von Luxemburg soll uns nicht lehren Was recht und billig ist — das Stadtgebiet Von widerwärt'gem Aussatz reinigen, Das wollen wir, auch gegen Königswillen.

220 Swarber. Herr Landgraf, lasset ab mit feilen Richterrr

Euch zu besprechen, die vorab gesonnen Und die gekommen sind, aus grader Zahl

Die Ungerade pfiffig abzulösen,

Vergönnt, daß ich den Staub — o nein, den Koth

Der Sündenstadt abschüttle, ungesäumt,

Und mich auf meine Wanderschaft begebe So weit mich meine müden Füße tragen.

Allein zu segnen ist mir nicht geboten, Mir schließt den Mund kein priesterlicher Schmuck.

Ich fluche diesem Pharisäernest. Es breche über diese Stadt der Zorn Des großen Rächers los; ihr Sündenmaß ist

voll!

Der Todesengel breite über sie

Die rabenschwarzen Flügel aus; und Mann und Weib Und Kind und Greis erliege seinem Odem.

An den geheimsten Theilen ihrer Leiber breche Die schwarze Beule auf! nur Moderduft Um sich verbreitend, scheuche sie die Lebenden Vom Bett der Sterbenden hinweg; der Tod

Erfasse dann auf ihrer Flucht die Feigen, Und werfe sie auf^s Straßenpflaster nieder.

Nicht Kirche, nicht Kapelle, nicht Altar, Nicht Beichtstuhl schütze sie! kein Wasser lösche

221 Den brennend-heißen Durst, kein Priester stehe Den hingekauerten in letzter Stunde bey, Und wehrt fich hie und da ein riesenhafter, Ein starker Mann im Angeficht des Rächers, So sey er späterhin verflucht im Enkel Und büße zehnfach die verjährte Schuld. (Die Umstehenden Haven fich vergebens bemüht, mit Gebärden und

Händen den Ausbruch des Zürnenden zu besänftigen. — Swarber

stürzt ermattet in den Arm eines Rathsdieners, und wird, auf einen Wink des Betschold, hinausgeführt.)

Betschold.

Herr Bischof, wenn ihr nicht in Swarbers Wuth Das Schuldbewußtsein des Verbannten leset, Muß ich der Hoffnung ganz entsagen, Euer Hochwürden eines Bessern zu belehren. Die Strafe deßhalb zu verschärfen, ziemt Dem Richter keineswegs. Die altbewährte Regel: Dem Abgeurthelten sey eine Gnadenstunde Vergönnt den Richter zu beschimpfen, zu ver­

fluchen , Die Regel kennnen wir. Des Fluches Folgen Befürcht' ich nicht; ich nehme sie auf mich. Bischof.

Ihr thätet besser euch auf Gottes Strafgericht Gefaßt zu halten, durch freywillige Buße Sie abzuwenden.

222 Hier ist meines Bleibens nicht. Im Schloß zu Avignon will ich berichten Wie hier am Bischofssitz des heiligen Arbogast, Des Freundes und des Vaters aller Armen, Der Kranken und Verwaisten, wie die Duldung, Die Jesus Christ gebeut, allhier gehalten wird; Wie freche Habsucht unter das Gewand Des Glaubenseifers sich verbirgt, wie Ketzer, Gottlose, frey umhergehn, unbeirrt, Und wie dem Volk, das zu Jehovah betet Dem einzigen, dem heiligen Gott, wie diesem Volk Fallstricke drohn und Kolbenschläg' und schlimmres Bereitet wird. kAb.)

Landgraf.

Ammeister, denkt an mich! Ihr leistet Vorschub aufgeregtem Pöbel; Ihr grabt dem wilden Strom bequemes Rinnsal, Die Ueberschwemmung wird euch selbst ereilen. Gewinn, den ihr in euren Beutel zieht Und dort zu wahren hofft, er wird wie Flug­ sand Durch eure Hände gleiten. Nochmals, denkt an mich! (Ab.)

223 Betschold

(ju feinen Kollegen).

Unwürd'ge Mahner find wir los! Gott sey's gedankt! Wollt' ihr, Herr Zorn von Bulach, selbigen folgen? Es steht euch frey. Herr Marx von Eckwersheim Erhielt nach euch die meisten Stimmen; willig Wird Er an uns sich schließen, Mittel suchen Dem schwarzen Tod bey uns den Weg zu sperren, Abrechnung halten mit den Gläubigern, Daß kein Gelüste dieser Art auftauchen soll In Zukunft. Zorn von Bulach.

Ihr verstoßt mich? Gut! ich büße Den kurzen Irrthum Eines Tags; sreywillig Kehr' ich der Stadt des Aufruhrs meinen Rücken. Betschold.

Ja! zieht nach Frankfurt oder Prag, Und bettelt dort Ersatz und Gnadenketten. Für unser Weiterkommen laßt uns sorgen, In dieser Stadt des Auftuhrs. Geht zum Teufel! (Zorn von Bulach geht ab; die Sitzung wird tumultuarisch aufgehoben; durch die Forteilenden drängt sich Marx von Eckwersheim.)

224

Fünfte Scene. (Marr, Ketschold. Die dreh Stettmeister.) Betschold. Herr Marx, ihr kommt uns recht. Euch melden wollt' ich, Daß ihr in Zukunft Sih und Stimme habt In unsrer Mitte; Herr von Bulach scheidet, Und meinet uns zu schäd'gen. Eines Feiglings Entledigen wir uns. — Wie steht's im Juden­ viertel ?

Marx. Sehr schlecht. Es gilt dort schleunig einzu­ schreiten. Ich war zufällig dort.... Zufällig, nein — Ich wollte noch einmal mit meinem Gläubiger In Güte mich berathen, da vernahm' Ich aus der Straße wirres Schreyn, und eile

rasch Hinaus! „Der Bischof und der Landgraf sehen „Mit kaiserlichen Briefen schon versehn", — So murmelten die Haufen unter sich — „Das Privileg' sey wieder aufgefrischt, „Und ausgedehnt!" Woher die Botschaft kam, Das weiß nur Gott! genug, das ganze Viertel, Das Männliche, fünf hundert Köpfe stark,.

225 Sie drängen sich zum Eingang ihrer Gaffen;

Beilen sind sie wohl versehn, und brechen vorgespannten Ketten durch, und widersetzen Wache sich, die wir dort aufgestellt. wollen ausziehn, allesammt, mit Weib und Kind Auf das Gebiet des Bisthums.

Mit Die Der Sie

Betschold. Dank euch, Junker, Für euren Wink! laßt schnell die Thore schließen, Und mit der Zünfte Mannschaft dicht besetzen. Nicht Mann noch Maus soll uns entrinnen; Gott, Der Christengott treibt sie in unsre Hand. Sie unterschreiben selbst ihr Todesurtheil. Ans Meffer unsrer Fleischer, an den Piken Und Schwertern unsrer Bürger soll der Auflauf Der frechen Meuterey ohnmächtig scheitern. (Zu Marx bei Seite.)

Die Vorkehrung, ist sie getroffen? Ist Im Maurerhof das nöthige Holz geschichtet; Wie's einem großen Freudenfeste ziemt? Marx. Rach Wunsch seyd ihr bedient. Die Ahnung

Es gelte Ihnen, hat im Judenvolk Des Zornes Ausbruch, denk ich, heut beschleunigt. 15

226 Betschold (laut). Eilt in den Gürtlerhof; beflügelt eure Schritte; Vom Dom herab laß ich das Zeichen geben Zum Aufbruch für uns alle. Seyd bereit Zum letzten Schlag auf die verworfne Race. (Alle ab.)

Sechste Scene. (Die Synagoge.

— Die Tribune der Frauen bildet den

Hintergrund des Theaters. — Im Vordergrund die

Tribune des Kantors. — Der Saal füllt sich mit der männlichen Bevölkerung; alle in Trauermänteln. —

Iakob von Toledo wird auf einer Bahre liegend

hereingebracht und am Fuß der Tribüne niedergelassen. — Iakob der Sänger stürzt herein.)

Jakob (zu seinem Schwiegervater).

Und die Gefährten Eures Leidens, wo sind Sie? Sie sind denn nicht wie ihr, der Freyheit wieder Zurückgegeben? Rabbi von Toledo (richtet fich mühsam mit halbem Körper auf.)

Fragt nicht weiter nach.

227 Jakob. Sie leben nicht mehr? Rabbi von Toledo.

Me sind gesammelt Zu ihren Vätern! o! sie ruhen sanft Nach schwerer Marter jetzt in Abrahams Schooß. Mich hat der Herr zu größrer Pein erlesen; Ich soll den Heimgang» unsrer Brüder künden; Mit euch, bedingungslos, mich unsern Feinden Ausliefern, mich ergeben. Jakob. Da seh Gott vor l Wir sind zurückgedrängt in unsre Straßen; Und doch verzweifelt nicht! Wir haben Freunde Im Chriftenlager selbst. Daß sie nicht allsobald In unsrer Wohnung Innerstes uns folgten, Das ist ein Zeichen naher Hüls'; Ludwig Der Landgraf läßt uns nicht in ihre Hände fallen; Im kaiserlichen Rath ist unsre Rettung Beschloffen.

Rabbi von Toledo.

Sprecht und handelt nicht wie Knaben, Wie Männer seyd gefaßt! bereitet euch Auf's Schlimmste!

228 Ihr BiS Und Wir Ein Des

sahet nicht wie ich, vom Fuß der Pyrenäen hier ins Elsaß aufgewühlte Rotten; zögen wir gen Osten und gen Norden, treffen überall die Wüthriche! kleines Häuflein schwinden wir im Wogen Vülkermeers. Ein Wunder nur, ein Riesen­ arm Kann uns erretten, aus der neuen Sündfluth. Jakob

i »«steigt die Tribüne).

Herr Gqst Zebaoth Errette uns aus Angst und Noth! Du führtest die Väter aus Egyptenland Durch die Fluthen des Meeres, durch Wüsten­ sand! Aus den Felsen sprudelte silberhell Für die Schmachtenden reichlich ein Lebensquell; Den Hungernden reichtest du Manna hin, Und ließest gestärket sie weiter zieh« In das Land wo Milch und Honig fließt, Und des Jordans kühle Fluth sich ergießt. Aus gegenwärtiger, herber Noth Errett' uns, errett' uns Herr Zebaoth.

229 Siebente Seene. (Deborah stürzt mit bleichen verstörten Zügen herein.)

Deborah. Verzeihung daß ich wage, unbefugt Im abgeschloss'nen Raum der Männer zu erscheinen. Die Noth kennt kein Gesetz. Ich rette mich In eure Mitte, draußen lauert Mord, Und zuchtlos offene Gewalt. Beschützet, Vertheidigt eure Töchter, Frau'n und Mütter.

Chor der M.änner. Hier sind wir in Jehovas Schutz.

Chor der Frauen (von der Tridü«« h«r-bz Errett' uns all' aus Angst und Noth Herr Zebaoth.

Rabbi von Toledo (richtet sich auf.) O Tochter! Schmerzenstochter! Vertrau' und stütze dich auf ihn! Bey Menschen ist nicht Hülfe mehr. Jakob der Sänger. Du sagst es, alles Mitleid ist Erstorben in der Brust der Menschen.

230 Wir büßen unsrer Väter Schuld, Vergieb! vergieb uns Sündern allen. Chor der ganzen Gemeinde.

Aus Angst und Noth Errett uns Herr Gott Zebaoth! Jakob der Sänger < steigt von der Tribüne, nähert sich Deborah und ergreift ihre Hand)>.

Vergieb^ mir, Schmerzensgattin, daß aus ferner, Aus schöner Heimath ich in unser Elend Dich hergezogen, daß vom Satansengel Geblendet und verführt, ich dem Bezirk Der reinen Häuslichkeit entfloh, und dir — Ich klage mich vor sämmtlicher Gemeinde Des schweren Fehlers an — und dir Deborah, Nicht unverwandt, und treu zur Seite blieb. O! daß ich leiden dürfte für uns alle, Für euch, allein, zum Opfer ausersehn, Mein Haupt zur Sühne bieten für euch alle. (Zu dem Rabbi.)

Verzeih' mir, väterlicher Freund! — verzeiht Ihr alle. Chor der Männer.

Mit Schuld beladen find wir alle. Wir haben ost vor Gott gefchlt

231 Uns alle trifft verdiente Strafe! Doch auf die Mörder wartet auch des Rächers Hand. Ja trinken und leeren sollen sie bis auf die Hefe Des Trübsals Kelch. Auch ihre Tage sind gezählt. Chor der Frauen und Mädchen. Unsre Schmach, unser Leiden Es falle aus sie zurück!

Achte Scene.

(Sevilla stürzt herein.), Sevilla. Sie kommen! sie folgen mir auf dem Fuße nach, Die Häscher! Sie kommen, sie holen dich, Deborah!

Deborah. Nicht einen Schritt von hier! Wer darf es wagen Dom Vater und vom Gatten mich zu trennen. Sie können tödten, doch entführen nicht.

232 Rabbi von Toledo. Was will die Heidin hier in unsrer Mitte? Was will sie hier in unserm Heiligthum? Dii Heidin jaget fort!

Chor der Frauen und Mädchen. Die Heidin, die Verworf'ne jaget fort! Was will sie hier?

Deborah. Sevilla! fürchte nichts I Das allgemeine Unglück wandelt dich Zur Schutzbefohlenen .... Bleib, und fürchte nichts! Jakob der Sänger.

Deborah, du, du bist der Friedensengel, Der fie beschützt. Ich dachte nimmermehr Auf dieser Erde sie zu sehn. Das Kind der Lust und Freude kömmt zu uns Als ernste Mahnerin, als Todesbote. Seht her! sie trägt aus tiefgefurchter Stirn Ein Warnungszeichen, trägt ein Aschenkreuz. O l Seht ihr nicht?

Sevilla. Sie haben mich soeben

Zur Münsterkirche fortgeschleppt; mein Haar,

233 Mein thränenschweres Haupt mit grauer Asche Und Hohn bestreut, zum Eingang eurer Schule Mich hergezogen, mir in's Ohr geraunt: „So zeig' dich Ihnen mit dem neuen Schmuck; Vergebung künde, wenn sie Buße thun, Und niederknie'n am heiligen Altar Der Schützerin der Stadt, und ungesäumt Ein christliches Bekenntniß'reuig stammeln."

Chor der Männer und Frauen. Nimmer, nimmermehr! Der Gott der Väter wehret uns den Abfall Von seinem unbefleckten Heiligthum Zur sündenbeladenen Kirche Unserer Dränger und Mörder. Nimmer! nimmermehr! Sevilla

(gegen die Tribüne der Frauen gewendet).

So bleibet ihr Der Schande, dem Tode verfallen. Deborah und die Frauen.

Sprich für dich! wir sünd'gen nicht gegen den Herrn! Den Leib können sie martern; unsre Seele bleibt rein Und gottergeben.

234 Chor der Männer.

Fürchtet nichts! der Herr wird euch schützen gegen der Dränger Uebermnth; er breitet die Fittige der Erzengel aus über die Reinen. Nur die Schuld­ beladenen, Unreinen trifft sein Fluch! nur sie leeren den Kelch der Wermuth bis auf die Hefe. Ihnen allein wird früheres Vergehen heute zur bittern Qual.

Neunte Srene. (Marr von Sckwersheim mit einer Schaar von bewaff­

neten Zunftgenoffen.

Er schreitet auf Pedorah los,

und legt die Hand auf ihre Schulter.)

Marx.

Im Namen unsres hohen Raths! Deborah, Die Tochter Jakobs von Toledo bleibt verhaftet. Ihr Vater ist der Schuld der Seinen einge­ ständig. Rabbi von Toledo irafft fitz empor».

Verruchter! laß sie los, ich widerrufe . Was mir die Qual der Folter ausgepreßt. Marx. Nichts gilt der Widerruf; du predigst tauben Ohren.

235 Deborah! Bis rauh Hier ihre In euerm

folge willig mir, und warte nicht und rücksichtslos, die Zunftgenossen Hand an deine Reize legen, Heiligthum, vor Männern und vor Frauen. Komm, folge mir in sicheres Gewahrsam, Und fürchte nichts.

Deborah.

Das Schicksal meines Volkes, Das meine sey^s — dir aber folg^ ich nicht. (Man hört die Schläge der Münsterglocke.)

Marx. Du hörst des Domes Glocke dröhnen....

Hörst du? Dem Feuertod ist deine ganzx Sippschaft Verfallen; nur noch wenige Momente, Und jeder Winkel ihrer Höhlen wird durchspürt;

Zum Richtplatz werden alle sie geschleift. Du aber folge mir. Ich rette dich. Deborah. Mit meinem Volke leb' ich, will ich sterben.

Jakob der Sänger und der Rabbi von Toledo. Fluch über euch, der Unschuld Mörder, Fluch I

236 Marx. Bringt mir den Alten und den Jüngern da

Zum Schweigen.

«Auf Deborah weisend..

Leget Hand an! fort mit ihr! (Deborah wird gewaltsam von den Bewaffneten fortgeschleppt.) -

Sevilla

(folgt der Deborah nach.)

Verderben über euch! dreyfacher Fluch! Marx

(»u den Bewaffneten.,

Ergreift die Freudendirne! schleppt sie mit!

Wie früher leiste sie die Sklavendienste Bey ihrer Herrin! — mit den beiden fort! (Der Vorhang fällt.)

237

Jöiifür Aufzug.

Erste Scene. (Zimmer im Hause des Marr van «ckwrrvheim. — Marr, Deborah, Levilla.)

Marx.

Deborah! hier dein Wohnsitz! dein Geschick Hast du in eigner Hand. Die Herrin kannst dn seyn In meinem Hause, — kannst das Loos des Kantors theilen. Dir bleiben wenig Stunden zur Bedenkzeit. Deborah.

Ihr kennet meine Wahl. Bewerbt euch nicht Um meine Gunst. Ich hast' euch. Mit Verach­ tung

238 Ist mir der Busen angefüllt. Ihr widert mich Mehr als die Kröten in dem Wiesensumpf, Der sich um Straßburgs Mauern allseits dehnt.

Marx.

Das wird sich geben, wenn der Holzstoß flammt. Am Fuße noch des Brandhofs ftetP ich dir Anheim, in meinen Arm und in den Schooß Der allgemeinen Kirche noch zu kehren.

Deborah. Laßt mich allein mit ihr (auf Sevilla deutend)

Und martert nicht Durch eure Gegenwart! und lieber bringt mich Zum Richtplatz hin, zum Todtenbett der Meinen.

Marx. Sevilla hängt gewiß an ihrem jungen Leben; Sie wird dich schnell zu beff^rer Einsicht bringen. (Av.)

239

Zweite Scene. (Aeborah, Levilla.) Sevilla.

Verehrte Herrin, wollt ihr mir vertrauen?

Deborah. Wie? darf ich?

Sevilla.

Sündhaft hab^ ich mich vergangen; Vergüten will ich, so ihr mir vergebt. Deborah.

Was kannst du für mich thun, für meine Ehre? Sevilla.

Nicht retten kaun ich aus der Hand der Mörder; Allein dem Frevelhaften, Schändlichen Der sich heranwagt, frech, an eure Reinheit, Ihn kann ich treffen auf dem Sündenpfade. Deborah. Was willst du thun? wir find in seiner Hand.

Sevilla. Bey eurer ältern Namensschwester kann ich Erlernen, wie die Frauen sich benehmen,

240 Die euer Gott als Werkzeug auserwählt Zu tugendhafter Heldenthat. Deborah.

Du wolltest.... ?

Sevilla. Deborah schlug auf's Haupt den Sissara; Und was Deborah in der Schlacht begonnen, Von Jasl ward' es nächtlich ausgeführt.

Deborah. Es stehet im Gesetz: Du sollst nicht tödten.

Sevilla. Es steht geschrieben aus der Tafel des Gesetzes: Nicht ehebrechen sollst du, nicht begehren Des Nachbars Weib. Der Junker, der Verruchte, Er will zum Frevel euch Herunterziehn; Entwürdigen will er euch. Laßt mich, o Herrin, An eurer Stelle Jael seyn; laßt mich das Amt Der Wittwe von Bethulia versehen.

Deborah

Daß ich der Armen denke Geliebte Gattin, zürne du mir nicht. lUrsula ergreift seine Hand.)

252 Bulach. Sie starb als Märtyrin; sie ist die Heil'ge, Verklärte; sie umschlang den Vater und den Gatten, Und auf des riesigen Katafalkes Gipfel Ertönt' aus ihrem Mund der Klagepsalm, Wie Siegesruf! Aus dieser Noth Errettet uns der Väter Gott Herr Zebaoth!

Swarber.

Hab' Dank! seh mir gegrüßet du Mit deiner Hiobspost; sie lehrt mich freudig sterben.

Kuno.

Die Gluth nimmt ab fr der hohe Münsterdom Verfinstert sich. Bulach. Es endet alles, auch Das Gräßliche. Es zehrt' das Feuer jetzt am letzten Knochenbau

Der Opferschaar. Die Asche wird im Fluß Versenkt, allein Erinnrung nicht zugleich. Mitbürger laßt mich jammern, jammert mit.

253 Die Schmach wird nie vergessen. Dort wo heut' Das Volk von Israel in Rauch und Qualm vergeht, Wird einst in später Zeit die Kriegesfackel wieder, Aufflackernd, Mitternacht in Hellen Tag ver­ wandeln ; Des Todesboten Sichel wird zum Tage des Gerichts Auf jenem sattgedüngten Leichenacker Sich neue Garben sammeln. O! verwünscht, Verflucht seh jene Stätte immerfort. Dein Zornfluch, Swarber, gellt noch in mein Ohr. Ich stimme mit dir!

Swarber. Nicht doch Unglücksbote! O fluche nicht! nein, widerrufe mit mir. Die milde Vaterhand verscheuche die Gefahren Die meine Vaterstadt bedräun! sie lasse Auf morschem Stamm erneute Sprossen wurzeln, Ein besseres Geschlecht aus wüstem Schutt erstehn. «Alle ai.)

254

Sechste Scene. (Das Rathhaus in Straßburg. — Aelschold, die drey Stettmeister. Zwey Diener, mit verschlossener Kasse und einem Koffer.) Betschold lzu

den Dienern.)

Legt ab! entfernt euch! (Er öffnet Kaffe und Kiste.)

Meine Herrn Kollegen! Ihr habt den Schluß des Rathes schon ver­

nommen. Ihr stimmet alle damit überein: Die Liegenschaft und fahrende Habe Swarbers Fällt unsrer Bürgerschaft — der Unbemit­ telten — Anheim. Von vorgefund'ner Baarschast Die ich mir nun in eurer Gegenwart, Erlauben darf pfundweise hier zu zählen, Wird eine Hälfte Swarber'n zugewiesen, Zum Lebensunterhalt; die andre unter uns Des Rathes Gliedern redlich ausgetheilt. Beliebt es euch, so schreiten wir sogleich Zur Rechnung.

Gosse Engelbrecht. Wenn es euch beliebt, Ammeister, Verschonet uns, und nehmt die Theilung vor

255 Nach eurem Sinn; auf meinen Part entsag' ich Zu Gunst und Benefiz der Wittwe des Ver­ bannten.

Hans zum Trübet. Deßgleichen ich.

Kleinsritsch.

Das Geld muß ich verweigern. So ich's annähme, würde mir zu Muthe Als hätt' ich glühnde Kohlen in der Hand. Betfchold.

Ihr seyd gewiffenhast, doch mit Verlaub: Ihr seyd mit Gütern dieser Welt gesegnet. Wollt ihr aus Großmuth nun die Strafe mindern, Der richterliche Spruch erschiene tadelnswerth. Hans zum Trübet.

Das hattet ihr zum Voraus zu erwägen. Was ihr vermuthet wird sich schnell erfüllen, In Maffe wird die Weigerung erfolgen. Der Raches Glieder schämten heute sich, Und wagten kaum die Augen aufzuschlagen; Nur wen'ge, glaubt mir, nehmen ihren Theil.

256

Betschold.

Das ist nicht Milde, nicht Barmherzigkeit; Das ist verrückte Feigheit; meine Zünftler Ertragen nimmer solche Heucheley. Sie nennen euch das Kind beym rechten Namen; Den Wagen brachtet ihr zum Abwärtsrollen, Und schiebet nun zu spät den Hemmschuh vor. Das ist nicht ehrlich Spiel, das ist Verrath. Laßt euch gesagt sein; ihr verliert den Kopf, Der Einsatz ist bedenklich.

Gosse Engelbrecht. Was mir gestern Gesetzgemäß erschien, es zeigt sich heut Gestempelt wie von roher Schreckenshand. Wir sind gewappnet nicht, wie ihr, Herr Betschold; Und nicht gefeit; es schlägt ein Herz in unsrev

Brust. Auf lange Zeiten hin sind unsre Nerven Erschüttert, unser Blick getrübt. Wollt ihr Das Sündengeld, wollt ihr durchaus vernichten Die Schuldverschreibung, aufgehäuft vor uns In dieser Kiste, nun, so nehmt den Judaslohn, Verwahrt das Silber wohl in eurer Fleischerkasse Die Pergamente hier, die gleich beredten Klägern

257 Sich gegen uns erheben, tragt sie fort, Hinüber auf des Friedhofs letzte Scheiter, Nicht alle sind verkohlt — und mengt die Asche Des Ehrenwortes mit der letzten Asche Der Ebenbilder Gottes.

Betschold.

Dank für eure Lehre, Herr Gosie Engelbrecht — ich dank' im Namen Der Zunftgenoffen. Schöne Friedenstage Verleben wir zusammen bald im Rathhaus, Dem reingesegten, wenn die Einigkeit Schon am Beginn der neuen Laufbahn sich So lieblich ausspricht. Habet nochmals Dank.

Siebente Srene. (Landgraf Lu-wig von Vettingen. — Die Vorigen.)

Landgraf.

Herr Betschold, Herrn Stettmeister allesammt, Hochwürden haben Euch an Ihren Hof berufen. Der Bischof will sofort dem Römerkönig Bericht abstatten, will Protest einlegen.

Auf keinem Blatt der großen Weltgeschichte Ist solch ein schändlich' Morden eingeschrieben.

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258 Der Türken Sultan, der in Bruffa lagert, Die Stadt Byzanz bedroht, er würde, zög er, Was Gott verhüten mag, in jene Residenz, Er würde bey dem griechischen Christenvolke Nicht Hausen wie bey Schutzbefohlnen Ihr! Den Angstschrey eurer Opfer wird der Westwind Forttragen über Deutschland bis ans Meer, Und eine Makel bleibt in Zukunft haften An Straßburgs Namen.

Betschold. 'Mit der Litanei

Verschonet uns, Herr Landgraf, allergnädigst! Sie ziemet wohl für eines Pfaffen Lippe, Allein aus eurer Kehle tönt sie hohl, Ein wahres Spottlied! bitte, Herr, verschont uns! Gosse Engelbrecht.

Der Landgraf ist in vollem Recht. Ich bringe Dem Herren Bischof-eilig die Erklärung Die ich so eben abgelegt vor euch. An eurer Pfändung nehm' ich keinen Theil. Hans zum Trübel und Kleinfritsch. Wir stimmen bey, wir gehen mit Herrn Goffe,

Und stellen uns Herrn Ludwig zur Verfügung.

259 Landgraf.

Ich seh' euch, Herrn Stettmeister, nur zu dreien.... Wo bleibt Herr Zorn von Bulach?

Gosse Engelbrecht. Ist verschwunden Er zieht, so wird gemeldet, den Verbannten Ins Bisthum nach. Landgraf .)

Ihr werdet Mühe haben, Herr Betschold, eure Willkühr zu beschvn'gen.

Betschold.

Nun, das ist meine Sache. Hat das Feuer Die Luft gereinigt, und befreit vom Alpdruck, So werden uns, da ihr den Dank verweigert, Die reingewaschnen Schuldner all' verpflichtet. Sie werden athmen, frei, wie Vögel in dem Wald, Und ihren Kindern erblich alles Gut, Das angestammte, pfandlos, überliefern.

Gosse Engelbrecht.

Verprassen werden ste's. Ich kenne unsre Vögel.

260 Sie leben wie Hans Ohnesorge hin; Und kömmt die Wintersnoth, da hilft der hohe Rath. (Ein Bote tritt mit einem Brief herein.)

Betschold. Erlaubt, ihr Herrn! gestattet mir, Herr Land­ graf. Landgraf. Ihr spaßt, Herr Betschold; seid ihr nicht im Amt?

Betschold