135 32 10MB
German Pages 129 [137] Year 1982
Band 189 (1981)
ISSN 0044-3409
Heft 4
ZEITSCHRIFT FÜR
PSYCHOLOGIE mit Zeitschrift für angewandte Psychologie
Schriftleitung Friedhart Klix, Berlin • H a n s - D i e t e r Schmidt, Berlin • Hubert Sydow, Berlin Redaktion:
Jürgen Mehl, Berlin • Friedrich Kukla, Berlin
Unter Mitwirkung
von
G. Clauß, Leipzig H. Düker, Marburg H.-J. Eysenck, London P. Fraisse, Paris J. J. Gibson, Ithaca, N. Y. f W. Hacker, Dresden J. Helm, Berlin H. Hiebsch, Jena A. Kossakowski, Berlin
|
D. Koväc, Bratislava B. F. Lomow, Moskau D. A. Oschanin, Moskau J. Piaget, Genf f H. D. Rösler, Rostock W. P. Sintschenko, Moskau W. Straub, Dresden M. Vorwerg, Leipzig D. Wendt, Hamburg
®
Z. Psychol.
EVP 12,50 M je Heft
JOHANN
AMBROSIUS
BARTH
LEIPZIG
INHALT F . , E . R E B E N T I S C H , R . M A I E R und E V A P R E S B E R (Berlin). Psychophysiologische Untersuchungen von Strukturkomponenten kognitiver Prozesse. Mit 3 Abbildungen LANDER, H.-J. (Leipzig). Modeliansulz zu einer linearen Prä-Posttest-Analyse. Mit 2 Abbildungen BOLOTOWA, A L L A KONSTANTINO WA (Odessa). Der Einfluß von Störungen auf die Wahrnehmung der Dauer eigener Bewegungen EYSENCK, H. J . (London). Psycholicism as a Dimension of Personality: A reply to Kasielke K A S I E L K E , E D I T H (Berlin). Erwiderungen zu „ I I . J . Eysenck: Psycholicism as a Dimension of Personality — a reply to Kasielke" EICHHORN, H . , CHRISTEL NISCHAN und G . R O S E N F E L D (Berlin/Ueckermünde). Zur Erfassung des Therapieerlebens in offenen und geschlossenen Gruppen mit dem G R P J Q von Speierer. Mit 7 Abbildungen GUNTHER, CHRISTINE und R. GÜNTHER (Rostock). Zur Bedienungsanalyse von Intelligenztestleistungen Erwachsener — Eine Untersuchung mit einem Langzeitlerntest KÖHLE, P. (Klingenthal). Befähigung von Eltern zur supporliv-kommunikaliven Streßbewältigungsintervention HENNING, J . (Bonn). Suche und Validierung kognitiver Strukturen. Entwicklungsscqueiizcn und Lern-/Verhaltenshierarchien mithilfe probabilistischer Modelle. Mit 4 Abbildungen Buchbesprechungen Hinweise für Autoren Register zu Band 189/1981 erscheint 1982 KLIX,
349 362 374 381 387
392 407 422 437 462 478
Manuskripte für Originalabhandlungen und Buchbesprechungen werden an Dr. J. Mehl, Sektion Psychologie der Humboldt-Universität, DDR -1020 Berlin, Oranienburger Str. 18 erbeten. Für diese Zeitschrift werden grundsätzlich nur Arbeiten angenommen, die vorher weder im Inland noch im Ausland veröffentlicht worden sind. Mit der A n n a h m e des Manuskriptes und seiner Veröffentlichung geht das alleinige Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und Ubersetzung auf den Verlag über. Von Originalarbeiten liefert der Verlag an Stelleeines Honorars 50 Sonderdrucke. Buchbesprechungen werden nicht vergütet, dafür wird das Besprechungsexemplar Eigentum des Referenten. Beachten Sie bitte die Hinweise für die Manuskriptgestaltung! Der Bezugspreis beträgt für den Band mit 4 Heften 50,— M zuzüglich Postgebühren. Auslandspreise sind den Zeitschriftenk a t a l o g e n des Außenhandelsbetriebes Bucliexport zu entnehmen. Bestellungen nehmen entgegen: In der DDR der Postzeitungsvertrieb und der Verlag J o h a n n Ambrosius Barth. In den sozialistischen Ländern der z u s t ä n d i g e Postzeitungsvertrieb, in der BRD/Berlin (West) die F i r m a Zeitungsvertrieb Gebr. P e t e r m a n n , Kurfürstenstr. 111 D - 1000 Berlin (West) 30 und der örtliche Buch- und Zeitschriftenhandel. In allen anderen Staaten der örtliche Buch- und Zeitschriftenhandel. Bestellungen des Buch- und Zeitschriftenhandels sind zu richten an Buchexport Volkseigener Außenhandelsbetrieb der DDR, DDR - 7010 Leipzig, Leninstr. 16, Postfach 160. Die Lieferung erfolgt regelmäßig bis zur Abbestellung, die für das Ende des Quartals erfolgen muß, so daß sie zu dem gewünschten Termin noch berücksichtigt werden kann. Die vergriffenen Bände 1 (1890) bis 176 (1969) der Zeitschrift sind nachgedruckt worden und lieferbar bei: Sweets & Zeitlinger B. V. Backsets Department Heereweg 347—b, P.O. Box 810, 2160 SZ Lisse-Holland Adresse des Verlages: J o h a n n Ambrosius Barth, DDR-7010 Leipzig, Salomonstr. 18 b, Postfach 109, Ruf 76 11. Anzeigen werden erbeten für Inland a n : DEWAG LEIPZIG, D D R - 7 0 5 0 Leipzig, Oststr. 105, Ruf 797 4 3 0 3 ; für Ausland a n : Interwerbung GmbH — Gesellschaft für W e r b u n g und Auslandsmessen der DDR, DDR-1157 Berlin-Karlsliorst, Hermann-Duncker-Str. 89, Ruf 5 09 09 81. Für die Anzeigenpreise gelten die Festlegungen gemäß Preiskatalog Nr. 286/1 vom 1. 7.1975.
ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOLOGIE Band 1S9, 19S1
Heft 4
mit Zeitschrift für angewandte Psychologie
Band 95
Aus der Sektion Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften der D D R
Psychophysiologische Untersuchungen von Strukturkomponenten kognitiver Prozesse V o n F . K L I X , E . REBENTISCH, R . MAIER u n d EVA P R E S B E R Mit 3 Abbildungen
1. Einleitung' In den letzten J a h r e n haben psychophysiologische Begleitforschungen zu Analysen kognitiver Prozesse und Leistungen stark zugenommen (RÖSLER, 1 9 8 0 ; THATCHER, 1979). Im Vordergrund stehen bislang elektrophysiologisch ableitbare Reaktionen, die in Zusammenhang mit Reizeinwirkungen oder mit Formen der Reizverarbeitung stehen. E s ist dann ein kleiner Schritt, die weitergehende Frage zu stellen, ob sich einigermaßen bekannte, rein interne kognitive Prozesse ebenso in ableitbaren Hirnrindenpotentialen abbilden, wie das für sensorisch ausgelöste Potentiale gilt. Dieser Frage sind wir nachgegangen. Eine der wesentlichen methodischen Voraussetzungen besteht dabei in der genauen Kenntnis der zeitlichen Verhältnisse eines ablaufenden kognitiven Vorganges. Um uns von sensorisch evozierten Potentialen zu lösen, wurde eine Versuchsanordnung gewählt, die einen sensorischen Reiz für die Triggerung der kognitiven Leistung vermeidet (KLIX und REBENTISCH, 1979). Die Anforderung beinhaltet die Erinnerung bildlicher und verbaler Items aus einer zuvor gelernten Itemmenge zu einem e x a k t bestimmten Zeitpunkt. Im gemittelten E E G konnten wir rhythmische Potentiale finden, die für ca. 2 s (eine Zeit, die für die Bewältigung der Erinnerungsaufgabe erforderlich war) mit hinreichender Stabilität erhalten blieben. Die Periodendauer dieser Potentiale erlaubte es, die beiden Bedingungen — Erinnerung von bildlichen und verbalen Items — zu untérscheiden. I m Falle der Erinnerung verbaler Items lag die Periodendauer bei 220—250 ms. Inwieweit nun Beziehungen zwischen diesen Wellen und bestimmten Prozeßeigenschaften bestehen, kann z. Z. noch nicht definitiv entschieden werden. Bei den untersuchten Prozeßeigenschaften liegt es aber immerhin nahe, an die Realisierung der Anforderung in sukzessiven Teilschritten zu denken, die elementaren Charakter haben. Damit deuten sich Möglichkeiten an, Aussagen über Elementarprozesse in kognitiven Vorgängen durch E E G - P o t e n t i a l e ergänzen zu können. In diesem Zusammenhange muß 24 Z. Psychologie 189-4
ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOLOGIE Band 1S9, 19S1
Heft 4
mit Zeitschrift für angewandte Psychologie
Band 95
Aus der Sektion Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse der Akademie der Wissenschaften der D D R
Psychophysiologische Untersuchungen von Strukturkomponenten kognitiver Prozesse V o n F . K L I X , E . REBENTISCH, R . MAIER u n d EVA P R E S B E R Mit 3 Abbildungen
1. Einleitung' In den letzten J a h r e n haben psychophysiologische Begleitforschungen zu Analysen kognitiver Prozesse und Leistungen stark zugenommen (RÖSLER, 1 9 8 0 ; THATCHER, 1979). Im Vordergrund stehen bislang elektrophysiologisch ableitbare Reaktionen, die in Zusammenhang mit Reizeinwirkungen oder mit Formen der Reizverarbeitung stehen. E s ist dann ein kleiner Schritt, die weitergehende Frage zu stellen, ob sich einigermaßen bekannte, rein interne kognitive Prozesse ebenso in ableitbaren Hirnrindenpotentialen abbilden, wie das für sensorisch ausgelöste Potentiale gilt. Dieser Frage sind wir nachgegangen. Eine der wesentlichen methodischen Voraussetzungen besteht dabei in der genauen Kenntnis der zeitlichen Verhältnisse eines ablaufenden kognitiven Vorganges. Um uns von sensorisch evozierten Potentialen zu lösen, wurde eine Versuchsanordnung gewählt, die einen sensorischen Reiz für die Triggerung der kognitiven Leistung vermeidet (KLIX und REBENTISCH, 1979). Die Anforderung beinhaltet die Erinnerung bildlicher und verbaler Items aus einer zuvor gelernten Itemmenge zu einem e x a k t bestimmten Zeitpunkt. Im gemittelten E E G konnten wir rhythmische Potentiale finden, die für ca. 2 s (eine Zeit, die für die Bewältigung der Erinnerungsaufgabe erforderlich war) mit hinreichender Stabilität erhalten blieben. Die Periodendauer dieser Potentiale erlaubte es, die beiden Bedingungen — Erinnerung von bildlichen und verbalen Items — zu untérscheiden. I m Falle der Erinnerung verbaler Items lag die Periodendauer bei 220—250 ms. Inwieweit nun Beziehungen zwischen diesen Wellen und bestimmten Prozeßeigenschaften bestehen, kann z. Z. noch nicht definitiv entschieden werden. Bei den untersuchten Prozeßeigenschaften liegt es aber immerhin nahe, an die Realisierung der Anforderung in sukzessiven Teilschritten zu denken, die elementaren Charakter haben. Damit deuten sich Möglichkeiten an, Aussagen über Elementarprozesse in kognitiven Vorgängen durch E E G - P o t e n t i a l e ergänzen zu können. In diesem Zusammenhange muß 24 Z. Psychologie 189-4
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betont werden, daß die Ableitbarkeit dieser rhythmischen Potentiale an die spezielle Versuchsbedingung (Vermeidung eines optischen Reizes) gebunden war. Die erzielten Resultate lassen es angebracht erscheinen, ähnliche rhythmische Phänomene bei internen Informationsverarbeitungsprozessen zu suchen, für die Modellvorstellungen erarbeitet wurden, die mit großer Wahrscheinlichkeit sequentiellen Charakter zu tragen scheinen. Den Untersuchungsgegenstand bildeten verschiedene Realisierungen von zwei kognitiven Grundprozessen, für die die Voraussetzung dieser sequentiellen Realisierung (zumindest bei einfachen Anforderungen) zuzutreffen scheint: 1. Suchprozesse im Gedächtnis. Hier wird angenommen, daß im Gedächtnis gespeicherte Relationen zwischen Begriffen die Basis bilden, durch deren Aktivierung Begriffsbeziehungen aufgefunden werden können. Nach unserer Auffassung ( K u x , 1980) werden die im Gedächtnis eingetragenen Beziehungen zu anderen Begriffen zu möglichen Wegen für das Auffinden anderer Begriffe. 2. Operationen, die an den Merkmalseigenschaften von Begriffen ansetzen und Beziehungen zwischen ihnen aus vergleichbaren Merkmalen abzuleiten gestatten. Wir nehmen hier an (vgl. ob. zit. 1980), daß vor allem Vergleichsprozeduren zwischen Merkmalseigenschaften von Begriffen bestimmte Beziehungen zu erkennen erlauben. Es läßt sich gut begründen, daß semantische Relationen auf Grund dieser beiden verschiedenen Erkennungsformen (Such- vs. Vergleichsprozesse) unterschieden werden können. Dabei ist es natürlich für das methodische Vorgehen höchst wesentlich, Bedingungen zu schaffen, unter denen die beiden genannten Grundprozesse in möglichst reiner Form die Beziehungserkennung bestimmen. Eine solche psychologische Eindeutigkeit in den Bedingungen und ihren Wirkungen ist um so wichtiger, wenn physiologische Untersuchungen zur Objektivierung psychologischer Befunde eingesetzt werden. Denn die Interpretierbarkeit psychophysiologischer Größen hängt eindeutig von der Exaktheit und Sicherheit der psychologischen Hypothesenbildung ab. Unter dieser Voraussetzung freilich kann dann das psychophysiologische Ergänzungsexperiment einen hohen zusätzlichen Aussagewert über die psychologische Seite und ihre Hintergründe enthalten. In unserem Falle kann man unterschiedliche Prozesse bei der Erkennung der verschiedenen Arten von Begriffsbeziehungen als gut gesichert voraussetzen. 2. Die Methodik 2.1. Yersuchsanlorderung E s mußte eine sehr einfache und gut reproduzierbare Anforderung ausgewählt werden. Die geplante EEG-Auswertung erfordert hohe Gleichartigkeit bei der Reproduktion. Die Anforderung bestand in der Erkennung bestimmter Arten begrifflicher Beziehungen. In der Instruktion wurden die Vpn mit den spezifischen Eigenschaften von vier verschiedenen Relationen vertraut gemacht. Dabei wurde
F. K l i x u. a., Untersuchungen von Strukturkomponenten kognitiver Prozesse
351
jede Relation in Form eines Wortpaares dargeboten. Die Zugehörigkeit zu einer der 4 Klassen war nach dem Lernversuch v o n der V p vorzunehmen. Nach dem Tastendruck, der die Erkennung signalisiert, war die jeweilige Klasse verbal anzugeben. Eine Übersicht der Anforderungen ist in der Tab. I gegeben. Tabelle I. Schematische Übersicht über die verwendeten Yersuchsbedingungen Relation im Gedächtnis explizit gespeichert
Relation im Rahmen von Merkmalsvergleichen hergestellt
Semantische Relationen 1 Mögliche Subjekt-Handlungs-Relation (z. B. Hund — fressen) 2 Nicht mögliche Subjekt-Handlungs-Relation (z. B. Hund — schreiben)
3 Über-/Unterordnungsrelation (z. B. Obst — Apfel) 4 Nebenordnungs-Relation (z. B. Apfel — Birne)
Relationen mit a priori bestimmtem Lösungsmodus 5 Reproduktion der Itemsequenz in einer Wortliste
6 Identifikation einer Zahl in einer Zahlenmenge
Es wurden folgende 4 semantische Relationen verwendet: 1. Die Handlungsträgerrelation mit einer möglichen (i.e. gespeicherten)
Subjekt-
Handlungs-Relation (z. B. Hund — fressen). Die Zuordnung zu einer sehr t y p i schen, das Subjekt definierenden Handlung (wie Hund — bellen) wurde vermieden. 2. Handlungsträgerrelation mit unmöglicher
(i.e. nicht gespeicherter) Subjekt-
Handlungs-Relation (z. B. Hund — schreiben). Die Relationen 1 und 2 werden nach psychologischen Annahmen durch einen kognitiven Prüfprozeß erkannt, der Suchcharakter trägt. Relationen dieser A r t werden auch als zwischenbegriffliche Relationen bezeichnet. 3. Die Über-Unterordnungsrelation im Sinne einer Ober-Unterbegriffsbeziehung (z. B. Obst - Apfel). 4. Die Nebenordnungsrelation, bei der beide Begriffe in gleicher Hierarchieebene zu einem Oberbegriff liegen (z. B. A p f e l — Birne). W i r haben in den zitierten Untersuchungen eine gewisse Evidenz dafür gefunden, daß die Relationstypen [3] und [4] durch kognitive Prozesse identifiziert werden, die auf Vergleichsprozeduren zwischen begrifflichen Merkmalen beruhen. I m Falle der Über-Unterordnungsrelation sind die Merkmale des Unterbegriffs partiell mit denen des Oberbegriffs identisch. Neben den gemeinsamen Merkmalen besitzt der Unterbegriff weitere, seine eigene Klasse spezifizierende Merkmale. Die beiden Begriffe der Nebenordnungsrelation haben jeweils spezifische Merkmale. Ihre gemeinsame Funktion könnte darin bestehen,
daß
sie
als
(Komplex-)Merkmale
Beispiele im Klassifizierungsraum des gemeinsamen Oberbegriffs sind. In diesem 24*
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Falle (für den es zahlreiche Hinweise (HÄUSER, 1980) gibt) wäre eine kognitive Feststellungsprozedur bei der Relationserkenntnis die einzig vernünftige Annahme. Denn auf Grund multipler Klassifizierungsleistungen könnten niemals alle Unterbegriffe zu jedem denkbaren Oberbegriff zugleich gespeichert sein 1 . Nun wollten wir uns nicht nur mit der psychophysiologischen Unterscheidbarkeit der beiden Klassen semantischer Relationen begnügen. Es sollte vielmehr versucht werden, auch von der psychophysiologischen Seite her eine gewisse Evidenz für die Natur des zugrunde liegenden kognitiven Prozesses zu gewinnen. Aus diesem Grunde wurden zwei Parallelexperimente durchgeführt. Hier waren Anforderungen gegeben, für deren Erfüllung mit ziemlicher Sicherheit gerade jene zwei Prozeduren erforderlich sein mußten, deren Einsatz für die Erkennung der Begriffsbeziehungen angenommen worden war. Wenn sich hier prozedurspezifische psychophysiologische Parameter nachweisen ließen, so mußten die gleichen Parametereigenschaften — alles andere als gültig vorausgesetzt — auch bei der semantischen Relationserkennung unterschieden werden können. Hier nun die beiden charakteristischen Anforderungen: a) Die Vpn haben 4 Listen von Wortpaaren zu lernen, wobei die Reihenfolge berücksichtigt werden mußte. Die durch die Wortpaare bestimmten semantischen Beziehungen waren gleichverteilt über den Listen. Im Kontrollexperiment wurde ein Wortpaar dargeboten, und die Ypn hatten das in der Liste übernächste zu nennen. Dieser Anforderung liegt eine im Gedächtnis fixierte Listenstruktur zugrunde. Das übernächste Wort kann — wie wir annehmen — nur über einen Suchprozeß gefunden werden. b) Unter einer Menge systematisch angeordneter Zahlen muß eine vorgegebene Zahl aufgefunden werden. Gedächtnisbesitz wird hierbei nicht aktualisiert. Die Zahlen werden auf einem Diapositiv dargeboten. Die Aufgabe wird durch Vergleichsprozesse mit der kritischen Zahl gelöst. In dieser Anforderung wird auf sprachliches Material verzichtet. Bei einem Wortvergleich, der lediglich hinsichtlich Identität geführt werden soll, wäre z. B. eine Aktivierung von Beziehungen zu anderen Begriffen nicht auszuschließen gewesen. Die höchstmögliche Eindeutigkeit der ablaufenden Prozesse ist aber gerade die Grundintention der beiden Zusatzversuche (in Tab. I mit 6 bezeichnet). 2.2. Zur EEG-Auswertung Zur Begründung, der EEG-Auswertung muß ein Ergebnis vorweggenommen werden. Das ist die Feststellung, daß im gemittelten E E G keine stabilen rhythmischen Potentiale gefunden werden konnten. Ob eine hinreichende Synchronizität, als Voraussetzung für die Mittelung überhaupt gegeben ist, kann nicht entschieden 1 So gehört z. B. der Begriff „ S t u h l " gleichzeitig zu Oberbegriffen wie „Möbel", „Hölzernes", „Brennbares", „Käufliches", „Verschenkbares" usf. In diesem Sinne haben Stuhl und Sofa, Stuhl und Gebäck, Stuhl und Schokolade, Stuhl und Dachpappe usf. gemeinsame denkbare Oberbegriffe.
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werden. Deshalb wurde ein Auswertungsverfahren gewählt, das sich auf das einzelne EEG bezieht, eine Mittelung also vermeidet. Außerdem sollte versucht werden; eine Analyse mit zeitlicher Charakteristik vorzunehmen, um Feststellungen über zeitliche Koinzidenzen zwischen EEG und Phasen der Anforderungsbewältigung machen zu können. Ein periodischer Prozeß kann im EEG repräsentiert sein durch die rhythmische Änderung beliebiger abgeleiteter Parameter. Dabei schließen wir die Möglichkeit einer nichtlinearen Transformation einer physiologisch prozeßtriggernden Funktion ein. Dies läßt sich z. B. in Verbindung mit Quellpotentialen im Theta-Bereich annehmen. Funktionell bedeutsame Zeitkonstanten — die z. B. in Potentialen subkortikaler Strukturen oder des Hippokampus ihre Quelle haben — müssen deshalb nicht notwendig einen spektralen Anteil des EEG bilden, sondern können z. B., wie im Falle der Amplitudenmodulation einer Trägerfrequenz, in Form von Seitenbändern sichtbar werden. Damit ist die zeitliche Variabilität des EEG, insbesondere die höherer Frequenzen — oberhalb des Theta-Rhythmus — angesprochen. Es wurde untersucht, ob kurzfristige Frequenzänderungen (zu berechnen z. B. über den Wert der mittleren Frequenz innerhalb kleiner Zeitintervalle von 100 ms) bestimmte Eigenschaften, z. B. Rhythmizität, besitzen. Damit wird ein Ansatz benutzt, dem die Variation des Spektrums über kleinen Zeitabschnitten und nicht, wie in anderen Untersuchungen, ein über einen größeren Zeitabschnitt von einigen Sekunden gemitteltes Spektrum zugrunde liegt. Damit können dann Charakteristika der benutzten Spektralparameter in ihrer Zeitabhängigkeit (z. B. auch bezogen auf bestimmte, in ihrer zeitlichen Lage aber zunächst unbekannte Abschnitte des EEG) bestimmt werden. Hypothesen über die erwähnten nichtlineare Transformation können auf diese Weise leichter verifiziert werden, als wenn nur ein mittleres Spektrum über ein größeres Zeitintervall vorliegt. Es erschien deshalb sinnvoll, einen Parameter, der von HJORTH (1975) beschrieben wurde und als „Mobilität" bezeichnet wird, zu verwenden. Dieser Parameter gibt die mittlere Frequenz einer Funktion im Berechnungsintervall wieder. Allerdings unter der Voraussetzung, daß die analysierte Funktion zusammengesetzt werden kann aus Impulsreaktionen eines Systems 2. Ordnung. Diese Voraussetzung ist für das EEG nicht unbedingt erfüllt. Der Parameter ist aber leicht berechenbar und mit Erfolg für die EEG-Analyse benutzt worden. Er ergibt sich als Quotient der Varianz der 1. Ableitung und der Varianz der Zeitfunktion (s. Abb. 1). Der Parameter wurde bestimmt für Zeitintervalle von 100 ms. Dieses Berechnungsintervall wurde sukzessiv um 50 ms verschoben. So wurde ein Maß der mittleren Frequenz — wegen des Berechnungsintervalls von 100 ms unter größerer Bewichtung höherer Frequenzen — in Abhängigkeit von der Zeit erhalten. Der Zeitverlauf dieses Parameters der mittleren Frequenz zeigte in unseren Experimenten rhythmische Änderungen über der Zeit. Diese Periodizität wurde mittels einer einfachen Form der Frequenzanalyse ausgewertet. Dabei wurde eine Periodenverteilung, die nur die GrundWelle im Parameterverlauf berücksichtigt, bestimmt. Für die Berechnung dieser Periodenverteilung wurde das Intervall von
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Z. P s y c h o l . B d . 189 (1981) H . 4 / rtOOms Sto'lt)] [ F
*
w ]
'
m
2dt
umrns J[300 ms — also wenn der Leseprozeß abgeschlossen ist. Wenn die Reaktion innerhalb des 2 sec — Intervalls erfolgt (wir haben hier allerdings nur eine Messung), dann ändert sich diese Art der Regularität nach der Antwort. Ahnliche Regularitäten finden wir im Falle der Zahlenvergleichsanforderungen. Genauere Kenntnis •der gefundenen typischen Abhängigkeiten und Zusammenhänge vermittelt Abbildung 2. %
20 -
semantische Relation I i i ) mit Suchcharakteristik
v-X-'N 10-
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2010-
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V
semantische Relation mit Vergleichscharakteristik
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Reproduktion der ( 5 ) Item-Sequenz (reiner Suchprozeß)
i—I—I—I—r % 2010-
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Vergleich von2ahlen C~6~) (reiner Vergleichsprozeß)
\
X—x -I—1—|—|—I—I—I—| 100
200 300 m Periodendauer Ableitung: temporal links
ms
Abb. 2. Normierte Periodenverteilung für die 4 Bedingungsklassen. Die Verteilungen 1, 2 und 5 unterscheiden sich von den Verteilungen 3, 4 und 6 mit p-=0,05
Sie zeigt die Verteilung der Periodizitäten im Parameterverlauf für alle Anforderungstypen. Dazu wurden die Werte aller Vpn und aller Einzelversuche unter den verschiedenen Anforderungsbedingungen ausgewertet. Bei Ableitungen ohne kognitive Anforderung fanden wir eine große Variationsbreite unseres kritischen Parameters. Bei der Erkennung von Begriffsbeziehungen, für die wir vor allem Vergleichs-
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prozesse zwischen Merkmalen annehmen, dominieren Periodizitäten zwischen 200 und 250' msec. Bei der Anforderung „Zahlerkennung", wo wir mit großer Wahrscheinlichkeit von sequentiellen Vergleichsprozessen beim Erkennungsvorgang ausgehen können, zeigt sich die gleiche Eigenschaft: Bei etwas kürzerer Periodik (200 msec) dominiert eine Vorzugsfrequenz. Dort hingegen, -wo wir bei der kognitiven Erkennung von Begriffsbeziehungen Suchprozesse angenommen haben, findet sich eine derartige Vorzugsfrequenz nicht. Perioden zwischen 100 msec und 450 msec treten mit annähernd gleicher Häufigkeit auf. Wie bereits erwähnt, waren im gemittelten EEG keine Periodizitäten vergleichbarer Art festzustellen. Aber nach dem Abklingen der sensorisch ausgelösten Potentiale zeigten sich relativ langsame negative Potentiale. Einschränkend muß hier vorab bemerkt werden, daß die Auswertbarkeit unserer EEG-Befunde bezüglich langsamer Potentiale begrenzt ist. Die Registrierung erfolgte mit einer Zeitkonstanten von ca. 1,5 s. Diese Grenzen beachtend, finden sich doch deutliche Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Negativierung und Suchprozeß, die wir noch weiter untersuchen wollen. Stärkere negative Verläufe (MW 6,3 bis 9,7 fiY), die auch länger erhalten blieben, waren nur unter zwei Bedingungen festzustellen: Bei der Erkennung der semantischen Relation „Handlungsträger" (und zwar bei möglicher Realisierung) sowie bei der Instruktion „Reproduziere das übernächste Itempaar". Das sind jene beiden Anforderungen, zu deren Realisierung wir Suchprozesse als wesentlich angenommen hatten. Ferner gilt, daß diese Art der Negativierung unter drei Bedingungen fehlt: [1] bei Überordnung sowie Nebenordnung von Begriffen und [2] bei Zahlenerkennung durch Vergleich. Sie fehlt aber auch [3] bei der Erkennung einer „unmöglichen" Handlungsträger-Beziehung. Wir vermuten, daß unter solchen Bedingungen auch kein Suchprozeß stattfindet. Bekanntlich kann man über nicht gespeicherte Information unter bestimmten Bedingungen sehr rasch entscheiden, ohne daß ein entsprechendes semantisches Terrain erst abgesucht werden müßte. Wir entnehmen diesem Befund, daß sich Eigenschaften kognitiver Suchprozesse in Negativierungen der Hirnoberfläche abbilden und bei Vertexableitungen registrierbar sind. (Zum quantitativen Vergleich ist in Abbildung 3 die Fläche unter dem negativen Potentialverlauf als relatives Maß (bezogen auf die registrierte maximale Auslenkung) gewählt worden. Die Zahlen sind Prozentwerte dieses Maximums). Man könnte vermuten, daß diese Negativierung vielmehr mit dem allgemeinen Schwierigkeitsgrad der Anforderung und weniger mit den kognitiven Eigenschaften der Erkennungsprozedur zusammenhängt. Aus diesem Grunde haben wir einen Schätzversuch durchgeführt. Die Vpn hatten die Komplexität der einzelnen Anforderungen (und mithin deren Schwierigkeit) durch Bildung einer Rangreihe zu ordnen. Die mittleren Rangplätze sind in Abbildung 3 (unten) angegeben. Alle 10 Vpn beurteilen die Anforderung 5 als schwierigste, 7 von 10 bewerteten die Anforderung 1 als leichteste. In der Klasse mit großen negativen Potentialaus-
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©
mögliche Subjekt HandlungsRelatioh
©
Reproduktion der Itemsequenz
©
Vergleich von Zahlen
Rangordnung der subjektiven Schwierigkeit
Ableitung:
(ED Über-IUnterordnung und Nebenordnung
S L — ~
charakteristische Form des gemittelten Potentials negative Fläche (normiert)
©
nicht mögliche Subjekt- Handlungs- Relation
357
100%
9 4%
1
5
J4%
4
27%
29%
2
3
Vertex
Abb. 3. Resultate der EEG-Mittelung während der Aüfgabenlösungsphase (charakteristische Form der gemittelten Potentiale, gesamte negative Fläche, Rangordnung der subjektiven Schwierigkeit) bei den verschiedenen Yersuchsbedingungen
prägungen waren die komplexeste und die einfachste Anforderung vereinigt. E s existiert mithin (und unter unseren Versuchsbedingungen) kein monotoner Zusammenhang zwischen der Komplexität (i. e. Kompliziertheit) der gewählten Anforderungen und dem Auftreten negativer Potentiale. 4. Diskussion Als Versuchsbedingung wurden zwei Anforderungen gewählt, deren Realisierung nach psychologischer Hypothesenbildung auf zwei grundverschiedenen kognitiven Mechanismen beruhen sollte. Bei einem Typ semantischer Relationen (Handlungsträger) wird stationäre Speicherung der Information angenommen. Folglich kann auch die Aktualisierung eines anderen Begriffs durch Aktivierung dieser gespeicherten Beziehung zustande kommen. Dies würde einem Suchprozeß entsprechen. Andererseits wurden Begriffsbeziehungen gewählt, für deren Zusammenhangserkennung Vergleichsprozeduren angenommen werden können (begriffliche Nebenordnung sowie Ober-Unterbegriffsbeziehungen). Vergleichsprozesse sind algorithmische (oder besser: algorithmisch darstellbare) Prozeduren, für die auch im Kognitiven das Prinzip der Taktung bei der Informationsverarbeitung zu gelten scheint. In einschlägigen psychologischen Experimenten (KLIX und van der MEER,
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1980; RESCHKE, 1979) wurden Grundzeiten für Vergleichsoperationen gefunden, •die zwischen 220 und 240 msec zu liegen scheinen. (Die Streuungen sind nicht unerheblich und lassen derzeit keine genaueren Messungen zu.) Dort, wo wir Vcrgleichsprozesse angenommen hatten, wurden schon früher Oszillationen im E E G gefunden, die eine gleichartige Frequenzcharakteristik hatten. Dem sollte nun genauer nachgegangen werden. Daher wurden zwei psychologisch nachgerade triviale Anforderungen gewählt. Ein Suchprozeß bei serialem Listenlernen und ein Vergleichsprozeß beim Erkennen eines bekannten Zeichens in einer Zeichenmenge. Ganz triviale Anforderungen also, simpel unterschieden in dem, was zu ihrer Lösung aufgebracht werden muß. Aber vom Typ her klar: Listensuche und Figurvergleich. Beide Male wurde das E E G auf gleiche Weise abgeleitet. Ein Auswertungsverfahren, das auch die zeitliche Variabilität von Spektralparametern berücksichtigt, bringt Gemeinsamkeiten wie Unterschiede zutage: Gemeinsamkeiten, \vo jeweils Vergleichsprozesse angenommen wurden (Symbolerkennen, Ober- und Nebenbegriffsbestimmungen) mit der Häufung von Frequenzanteilen mit 200— 250 msec Periodendauer. Gemeinsamkeiten auch (und nur), wo Suchprozesse an-, genommen wurden. Suchprozesse im semantischen Gedächtnis scheinen mit Oberflächennegativierungen zusammenzuhängen. Den genaueren Beziehungen zwischen Suchaufwand und Negativierungsgrad muß noch nachgegangen werden. Unterstrichen wird diese Hypothese durch Darbietung von Begriffspaaren, zwischen denen keine semantische Brücke im Gedächtnis besteht (z. B . Hund — schreiben), wo die Begriffswahl aber vom gleichen Typ ist wie die such- und findbare Form (z. B . Hund — fressen). I m semantisch unmöglichen-Falle bleibt die Negativierung bei richtiger Erkennung aus. Dies scheint ein Indikator für die Erfassung psychologisch interessanter Suchcharakteristiken zu sein. Allerdings sind hier methodische Verfeinerungen in der Auswertungstechnik erforderlich. Die Tatsache, daß die Negativierungen nicht von- der Komplexität der Aufgabe abhängen, sondern eindeutig mit dem kognitiven Suchprozeß verbunden sind, bestimmt unsere Vermutung nach einer Verallgemeinerbarkeit dieses Befundes. Eine Erklärung von Zusammenhängen zwischen kognitiver Informationsverarbeitung, psychophysiologischen Parametern und hirnphysiologischen Hintergrundsfunktionen ist derzeit nicht möglich. Gleichwohl gibt es einige Zusammenhänge mit Befunden aus der Literatur sowie mit Modellvorstellungen. Das verstärkte Auftreten von EEG-Wellen im Theta-Bereich bei bestimmten kognitiven Anforderungen ist schon beschrieben worden. Erwähnt seien die Ergebnisse von BALEWSKI und GANOWSKI (1977), die das E E G sowohl unter gewöhnlichen als auch unter Relaxationsbedingungen bei einer kognitiven Anforderungsbewältigung untersuchten. Während sich unter gewöhnlichen Bedingungen eine Reduktion im Theta-Bereich und eine Erhöhung im B e t a - B a n d ergaben, wichen die Resultate unter Relaxationsbedingungen wesentlich davon ab. Hier war nur ein Anstieg im unteren Theta-Bereich zu finden. Die Anforderungsleistungen wiesen eine Verbesserung unter Relaxationsbedingungen auf. In diesem Zusammenhang
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359
sei auch an die Ergebnisse von VINOGRADOWA (1976) erinnert, die einen Zusammenhang zwischen Periodizitäten im hippokampalen Theta-Rhythmus und dem „Einlesen" von Information in kortikalen Arealen herstellte. Auch ELTJL (1972) nimmt für seine Theorie der Entstehung des E E G im Rahmen einer sequentiellen Abtastung des Kortex elementare Zeitabschnitte um 250 msec an. Nach seiner Vorstellung sollen Neuronenpopulationen jeweils über konstante Zeitintervalle synchron tätig sein. Bei
Analogieanforderungen
konnten
KLIX,
REBENTISCH
und
MAIER
(1980)
einen erhöhten Leistungsanteil im Theta-Bereich bei innerbegrifflichen Relationen {erkennbar über Vergleichsprozeduren) finden. Unser Resultat der zeitlichen Variation der mittleren Frequenz läßt sich mit der Beobachtung langsamer Wellen im E E G in Zusammenhang bringen: E s kann vermutet werden, daß subkortikale Strukturen oder auch Hippocampusgebiete selbst eine Frequenzmodulation der kortikalen Potentiale erzeugen. Thetapotentiale aus diesen Regionen, die eine Art Frequenzmodulation bewirken, sind wegen ihrer geringen Amplitude bei Ableitungen von der Schädeloberfläche nur schwer und bei variabler Phasenbeziehung zu einem durch das Experiment festgelegten Triggerzeitpunkt (für Mittelungszwecke) nicht erfaßbar. E s ist zu bedenken, daß bei der Frequenzmodulation einer Trägerfrequenz die frequenzmodulierende Funktion im Spektrum selbst nicht auftritt, sondern nur in Form von Seitenbändern beobachtbar ist. Damit liegt dem verwendeten Auswertungsansatz ein spezieller nichtlinearer Funktionszusammenhang zugrunde, der hier nicht weiter analysiert werden soll. Die gefundenen Periodenverteilungen entsprechen den Hypothesen über Zeitkonstanten der zugrunde liegenden kognitiven Elementarprozesse, insbesondere der Annahme, daß Vergleichsprozesse eine relativ einheitliche Taktung zu besitzen scheinen. Bei den durch einen Suchprozeß klassifizierten Begriffspaaren wird eine größere Streuung der von elementaren Prozessen benötigten Zeit als eine Art Materialabhängigkeit verstanden, z. B. entsprechend der Speicherung in bestimmten Teilen einer semantischen Netzkonfiguration. Wir haben noch ohne explizite Begründung eine Korrespondenz zwischen psychologisch verifizierten Zeitkonstanten und rhythmischen Potentialen bzw. speziellen Eigenschaften abgeleiteter Parameter unterstellt. Eine substantielle Begründung ist tatsächlich schwierig. Die aus der Literatur zitierten Befunde und die dargestellten Zusammenhänge bei Vergleichs- und Suchprozessen weisen zwar in diese Richtung, eine definitive physiologische Begründung der Befunde erscheint derzeit jedoch verfrüht. Zusammenfassung Mit Hilfe von EEG-Ableitungen wird eine Hypothese über zwei verschiedene kognitive Prozeß klassen g e p r ü f t : sequentielle Taktung in Erkennungs- gegenüber Suchprozessen in Begriffsnetzen. Zwei Kontrollexperimente werden durchgeführt, die die beiden Anforderungstypen auf triviale Weise realisieren. Psychophysiologisches Parameterverhalten und kognitiver Anforderungstyp gehen H a n d in H a n d : Der sequentiellen Taktung bei der kognitiven Informationsverarbeitung
360
Z. Psychol. B d . 189 (1981) H. 4
lassen sich etwa frequenzgleiche Rhythmen in bestimmten Funktionen von E E G - K o m p o n e n t e n zuordnen. Suchprozesse sind von analogen Negativierun gen (wenigstens im Vertexbereich) begleitet. Mögliche Zusammenhänge zwischen psychophysiologischen Parametern und kognitiven. Prozeßeigenschaften werden diskutiert.
Summary B y means of E E G recordings a hypothesis on two different classes of cognitive processes is being tested: sequential sampling in recognition processes against search processes in conceptual networks. Two control experiments were carried out, realizing the both requirements in a simple way. Psychophysiological parameters and the t y p of cognitive requirement are corresponding: In case of sequential processes of cognition information processing rhythms occured in certain functions of E E G with frequencies about adequate the period duration of sequential sampling. Search processes are attended by slow negative potentials. Relationships between psychophysiological parameters and cognitive process properties a r e discussed. Pe3H>M6 C noMombio OTBeneHHö 3JieKTpo.3Hiie(|>ajiorpaMMa npoBepiijm rHnoTe3y o fflByx pa3jiiiHHbi x KorHHTHBHHx KJiaccax upcmeccoB : CepHüHoe TaiiTnpoBaniie B npoi;eccax YAHABAMIN B cpaB H6HHH c npcmeccaMH noficita B noHHriiftHtix ceTKax. IIPOBOHHJIH «Ba KOHTPOJIBHHX aKcrrepiiM eHTOB, PEAJIH3HPYIOMHX RBa Tiraa 3anaHHii. ncHxo$H3HooiorHHecKoe noBeRemie napaMeTpoB H KOTHHTHBHHÖ THIÏ 8aji;aHHH COBna^aitH : CepHitHOMy faKTHpOBâHHH) KOrHHTHBHOÜ OÔpaÔOTKH HH$OpMaHIÏHH COOTBftïCTBylOT n p i l 6 j I H 3 H T e j I k H O p a B H H G no HaCTOTe pHTMM B OnpeflejieHHUX $yHKm i a x K0Mn0HeHT0B 8JieKTpo3Hi;e (fianorpaMMu. ripcmeccu noiina conpoBowtnawTCH aH ajiornHHiiMH HeraTHBaiiHHMH (no MeHtHiea Mepe B oSjiacTH ManyiuKH). OCCYWAAIOT B03M0)«Htie CBH3H MEJK^y ricHxo(f)H3Ho;iorHiecKHMM napaMeTpaMH H KOFHHTHBHHMH CBOüCTBaMH npoi;eccoB.
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Friedhabt Klix,
D r . E . REBENTISCH, D i p l . - P s y c h . EVA PRESBER
Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin, DDR-1020 Berlin, Oranienburger Str. 18;
Dr. R. Maieb
Zentralinstitut für Kybernetik und Informationspro/.esse der Akademie der Wissenschaften der D D R DDR-1060 Berlin, Kur Str. 34
Aus der Sektion Psychologie der Karl-Marx-Universität Leipzig
Modellansatz zu einer linearen Prä-Posttest-Analyse V o n H . - J . LANDER Mit 2 Abbildungen
I. Mit dem folgenden Modellansatz zur Prä-Posttest-Analyse (PPA) soll» ein Verfahren der Veränderungsmessung vorgestellt werden, das es gestattet, dasAusmaß einer behandlungsintendierten psychischen und/oder physiologischen Zustandsänderung über eine oder mehrere Veränderungsdimensionen auf ein definiertes Ziel hin statistisch abzuschätzen u n d zu beurteilen. Unter Behandlung (Treatment) soll hier jede Form einer zielgerichteten pädagogischen, therapeutischen oder trainingsbedingten Einflußnahme auf ein Behandlungsobjekt verstanden werden. Mit dieser Gegenstandsbestimmung ist zugleich das Anliegen des folgenden Beitrages zur Veränderungsmessung umrissen. Dieses besteht darin, ganz im R a h men der klassischen Testtheorie und auf der Grundlage einer linearen PPA, eine intendierte Zustandsveränderung — sei sie auf der Leistungs-, Verhaltens- oder auf einer internen Ebene — in zwei Richtungen statistisch zu beurteilen. Die Richtung der Beurteilung ist dabei durch die Lage des eingetretenen Zustandes zwischen Ausgangs- und Zielzustand bestimmt. Insofern sind f ü r die Beurteilung der eingetretenen Zustandsänderung zwei Differenz- oder Abweichungsmaße charakteristisch: zum einen der Abstand vom Ausgangs- (oder Prätest-)Wert, zum anderen der Abstand zum Ziel. Der erste soll als Prä-Posttest-Differenz (PPD) oder Veränderungswert, der zweite als Verlaufswertdifferenz (VWD), die Summe beider Abstandsmaße als Ausgangswertdifferenz (AWD) bezeichnet werden. Das Verfahren soll speziell zur Beurteilung des Behandlungserfolges (künftig Z-Effekt genannt) söwie der Behandlungswirkung (künftig T-Effekt genannt) dienen. Dabei wird der Z-Effekt durch ein Zielkriterium (Z-Schranke genannt), der T-Effekt durch ein ausgangswertabhängiges Veränderungswertkriterium (T-Schranke genannt) bestimmt. Die darzustellende P P A ist also als ein 2-Schranken-Test konzipiert, wobei die jeweilige Testschranke festlegt, wann ein T-Effekt bzw. wann ein Z-Effekt oder wann beides (T-Z-Effekt) vorliegt. II. Der Modellansatz basiert auf 5 Grundannahmen, die für das Verfahren u n d für seine Anwendungsmöglichkeiten konstitutiv sind: 1. Die Ausgangswertveränderung (Veränderung der Prätestwerte) erfolgt unidirektional auf ein behandlungsintendiertes Ziel hin. 2. Die behandlungsintendierte, unidirektionale Ausgangswertveränderung erfolgt
H.-J. LAKDEK, Modellansatz zur linearen Prä-Posttest-Analyse
363
kontinuierlich auf einer oder auf mehreren (in- oder externen) Veränderungsdimensionen. Qualitative Veränderungen werden mit diesem Ansatz nicht erfaßt. 3. Dem Modellansatz liegt eine 3-faktoriell-determinierte Ausgangswertveränderung zugrunde. Die Veränderung kommt zustande durch: — die Behandlung — eine natürliche Remissionstendenz, deren Wirkung künftig als R - E f f e k t bezeichnet werden soll sowie durch einen — Versuchs- und Meßfehler, künftig E-Effekt genannt. Der R-Effekt ist über eine behandlungsfreie Stichprobe kontrollierbar unter d e r Voraussetzung, daß die Veränderungsdimensionen in der Kontroll- und Versuchsgruppe annähernd gleich remissibel sind. 4. Die Posttestwerte (in KG und VG) gehen aus den Ausgangs- oder Prätestwerten bis auf Zufall durch eine lineare Transformation hervor. Von daher die Bezeichnung lineare P P A . Diese Transformation oder Zustandsänderung ist remissionsund/oder treatmentbedingt. Die Transformationsgleichungen haben die u n t e r (1) und (2) angegebene F o r m ; Gleichung (1)
y v = ( l - 6 v ) Y0+byXv
,
i
v
s Y
s Y
0
s y
v
v
stellt die Verlaufswertefunktion, Gleichung (2) die .Xy Yv Yh Y0 ¿>v bR
Y^it-b^Yo+b^v,
^ y
R
Remissionsfunktion dar. In Gleichung (1) und (2) bezeichnen: — den Ausgangs- oder Prätestwert, — den geschätzten Verlaufs- oder Posttestwert, — den geschätzten Remissionswert, — die Zielgröße — den Anstieg der Verlaufswertegeraden und — den Anstieg der Remissionsgeraden.
Der Anstieg bR kann, wie gesagt, über eine Kontrollgruppe (KG) abgeschätzt werden. Aus Gleichung (1) und (2) folgt die unter Formel (3) dargestellte Remissionsfunktion : (3)
Yr=(1-A)'*v+AYv
Der unter (4)
A=(1-6r)/(1-6v),
A=[0,1],
angegebene Faktor wird als linearer Trenn- oder Remissionsfaktor bezeichnet. 5. Gemäß Annahme 3 ist die P P D in 3 faktoriell-bedingte Differenzanteile additiv zerlegbar, was in Formel (5)
ßy=Dr+DR+DE
angegeben ist. Hier bezeichnet: j Y v - X v - die P P D oder den Veränderungswert, DT= Yy — Y n — den treatment-bedingten (oder Behandlungsanteil),
364
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
Z)R = y R - X v — den remissions-bedingten (oder Remissionsanteil) und DK — — Yv — den error-bedingten Differenzanteil (oder Fehleranteil) an der P P D der Versuchsgruppe (VG). Hierbei bezeichnen die mit einem Dach ( ) versehenen Symbole die Meßwerte, die ohne Dach die Schätzwerte. Aus (5) folgt das unter Formel (6)
ED\=
ED\+
ED 2R+ EDTDR+
ED\
angegebene Varianztheorem der linearen PPA. Hierbei bedeuten die Glieder:
ED\. EDR EDTDR EDg
— der. treatment-bedingte, — der remissions-bedingte, — der gemischte und — der error-bedingte Varianzanteil an der Varianz der Veränderungswerte.
Soweit die Formulierung der Grundannahmen. III. Um die Testschranke zur Prüfung des T-Effektes (T-Schranke) und des Z-Effektes (Z-Schranke) festzulegen, bilden wir zunächst erst einmal die Testgröße zur Prüfung des T-Effektes. Diese Testgröße ist in Formel
EDl+EDj+EDl [
j
EDl+EDl ED% EDl+EDl
angegeben. Das gemischte Glied EDT DR ist bei der Formulierung der Testgröße unberücksichtigt geblieben. Unter der Voraussetzung, daß die Veränderungswerte der K G (DK) und VG (Dy) in der Grundgesamtheit angenähert normal verteilt sind, ist die Prüfgröße in (7) F-vert.eilt mit Fgv=nv— 1 und Fgk = nk— 1 Freiheitsgraden, wobei n v und nk die Stichprobenumfänge in der VG bzw. KG sind. U m eine ausgangswertabhängige Testschranke zur Prüfung des T-Effektes zu erhalten, lösen wir Gleichung (7) für festes F nach ED\ auf, wobei wir EDR+ ED\ durch den Erwartungswert ED^ der remissions-bedingten Veränderungs-werte in der KG ersetzen. Ziehen wir aus dem so erhaltenen Ausdruck die Wurzel, dann weisen alle Verlaufswerte, für die die in Formel (8)
?
T
sy
H
+y(F-i)£Ä|
angegebene Ungleichung gilt, bzw. alle Verlaufswertdifferenzen, für die die in Formel (9)
Dz^bRi>0Y-l/(F-l)EDl
angegebene Ungleichung gilt, einen T-Effekt auf. Dabei werden die in Ungleichung (9) eingehenden Größen:
jD0w—Y0 — A v als Ausgangswertdifferenz (AWD) und D z = Y 0 — T y als Verlaufswertdifferenz (VWD) bezeichnet. E s ist der Abstand
tf.-J. L a n d e r , Modellansatz zur linearen Prä-Posttest-Analyse
365
der P r ä - bzw. Posttestwerte zur Zielgröße ( Y 0 ) . Betzen wir die rechte S e i t e v o n Ungleichung (9) gleich Null und lös'en den Ausdruck nach D o v auf, so erhalten wir die unter Gleichung ]/(F—1) Eß 2K/bR
(10)
=sz
angegebene und mit sz bezeichnete Testschranke für den Nachweis eines B e h a n d lungserfolges. E i n Z - E f f e k t liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit v o n a / 2 n i c h t vor, gdw. die VWD in der VG größer als sz gemäß (10) ist. Setzen wir die rechte Seite der Ungleichung (9) gleich s T , so erhalten wir unter Berücksichtigung von Gleichung (10) die unter (11)
M A ) V - * Z ) = *T
angegebene Testschranke für den Nachweis einer Behandlungswirkung. E i n T - E f f e k t liegt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von a / 2 vor, gdw. die V W D der VG kleiner oder gleich der Größe s T gemäß (11) ist. Die T - S c h r a n k e ist a u s g a n g s wertabhängig festgelegt, d. h., je größer die Ausgangswertdifferenz D o v in der VG ist, u m so größer muß auch der Veränderungswert D y sein, damit ein T - E f f e k t vorliegt. Beide Testschranken sind einseitig definiert infolge unidirektionaler Veränderung der Ausgangswerte z u m Ziel g e m ä ß der ersten A n n a h m e . Außerdem basiert die Festlegung beider Testschranken auf dem gleichen /^-Test-Kriterium. Die in Gleichung (10) und (11) eingehende Größe bR k a n n aus der Verlaufswertefunktion
Y
(12)
K
= ( i - b J Y 0+
bRXK
der K G abgeschätzt werden. Subtrahiert m a n von beiden Seiten der Gleichung (12) den Ausgangswert und bildet anschließend den E r w a r t u n g s w e r t über die so erhaltenen Differenzwerte, dann erhält m a n mit
bR=l-Ei>K/ED0K
(13)
eine Schätzgleichung für den Anstieg der Remissionsgeraden gemäß Gleichung (2) Dabei bezeichnen:
EDK EDOK
— den Erwartungswert über den Veränderungswerten und — den Erwartungswert über den A W D in der K G .
Soweit die sehr k n a p p e Darstellung des Modellansatzes u n d der betreffenden TestGrößen bzw. -Schranken zur Prüfung des T- u n d des Z - E f f e k t e s . IV. Die Durchführung des Verfahrens ist relativ einfach u n d bei kleinen S t i c h proben auch numerisch nicht sehr aufwendig. Im folgenden soll das A b l a u f s c h e m a für die E r m i t t l u n g der beiden Testschranken zur P r ü f u n g der T-, Z- u n d T-ZE f f e k t e angegeben werden. D a n a c h wird ein Demonstrationsbeispiel gegeben. Die Auswertung der P P A - D a t e n beginnt zunächst m i t der Festlegung der Zielgröße Y 0 . S ä m t l i c h e P P A - W e r t e u n d die daraus ableitbaren Differenzmaße werden dann in Tabelle I zusammengestellt. D a s V G - S c h e m a enthält als n v -te Werte die arithmetischen Mittel ( X v , F v ) der n v - l Prä-Posttest-Meßwerte. S u m m i e r t werden nur die S p a l t e n (4), (4') u n d (5) 25
Z. Psychologie 189-4
366
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
des KG-Schemas (in der Tabelle mit dem Index (K) bezeichnet). Die nächste» Schritte bestehen in der Berechnung des Erwa-rtungswertes der Quadrate der Veränderungswerte in der KG nach Formel (7) E&K=(Z£>l)/nk sowie des Anstieges der Remissionsgeraden oder Geraden der Veränderungswertegemäß (8) 6 H =l-(ZÖ K )/(i7D O K Danach wird die Testschranke F nach (9) F=F(x/2, Fgv—nv—i, Fgk = nk—1) festgelegt. Die Testschranke s z für den Nachweis des Behandlungserfolges bestimmt man dann nach folgender Formel: (10) sz = \{F-l) (EÖ2K)/bR Die T-Schranke s T für den Nachweis der Behandlungswirkung wird für die nachfolgende graphische Darstellung der Testergebnisse an der Stelle Dow = sz und für einen beliebig großen Wert von Doy bestimmt nach Formel (11)
* T = M A > V - « Z )
Diese beiden Punkte werden dann durch eine Gerade miteinander verbunden. Die PPA-Ergebnisse werden nun in Form einer graphischen Darstellung (Abb. 1) veranschaulicht. Die Darstellung erfolgt in einem Normalwertdifferenz-KoordinatenSystem. Als Normalwertdifferenzen werden die AWD (hier die Abzisse) und die VWD (hier die Ordinate) bezeichnet. Das hat den Vorteil, daß die Zielgröße in dieser Darstellung gleich Null ist, denn das Ziel ist erreicht, wenn die VWD gleich Null ist. Die PPA-Graphik enthält die AWD-Gerade, die Z-Schranke, sowoh' präals auch posttestseitig in die Graphik eingetragen, die T-Schranke, beginnend bei Dov—sz, sowie alle Prä-Posttest-Meßwerte der Behandlungsstichprobe (VG). Durch die prätestseitige Eintragung der Z-Schranke (parallel zur Ordinate im Abstand von sz) kann ermittelt werden, welche Ausgangs- oder Prätestwerte bereits im Zielbereich liegen. Diese Werte werden in die weitere statistische Beurteilung dann nicht mehr miteinbezogen. Die auf der AWD-Geraden liegenden Werte sind gleichbedeutend mit einer verteilungsidentischen Replikation dieser Werte, was immer dann eintreten würde, wenn weder ein R- noch ein T-Effekt bei einer Zweitmessung aufgetreten ist. Alle Posttestwerte (hier die VWD D z ) können gemäß der verfahrensintendierten Veränderungsrichtung entweder nur auf der AWD-Geraden (wenn keine Änderung vorliegt) oder unterhalb der Geraden liegen. Da der Erwartungswert der Prä-Posttest-Werte der VG mit in die Analyse einbezogen wird, lassen sich aus der Darstellung sowohl die Einzeleffekte als auch der Gruppeneffekt bzgl. Behandlungswirkung und -erfolg ersehen. Im Anschluß an die graphische Darstellung werden die PPA-Ergebnisse in Form eines 4-Felder-Schemas tabellarisch zusammengefaßt. Den 4 Feldern des Schemas entsprechen die mit römischen Ziffern bezeichneten 4 Felder der PPAGraphik. Die Elemente des 4-Felder-Schemas (Tab. II) sind die relativen Auftritts-
H.-J. LANDER, Modellansatz zur linearen Prä-Posttest-Analyse
3(17
Tabelle I. Zusammenstellung der PPA-Ergebnisse in VG und KG (2)
(3)
(4)
ADV(K)
-XV (K)
y V(K)
•°V(K)
i n v(k)-l
|
1
^
™v(k)
< in
05 S
Dl
Dz
VWD
AWD
1 2
Posttestwerte (Verlaufs werte)
"oT t? *«
(6)
Vcränderungs werte
(5)
(T,Z))
als Schätzfehler von f\. Hierbei bezeichnen: p(T) — die relative Auf tri ttshäufigkeit aller Veränderungs werte bzw. V WD für die ein T-Effekt vorliegt und p(T) = 1 —p(T); p(T, Z) — die relative Auftrittshäufigkeit aller Veränderungswerte bzw. VWD für die weder ein T- noch ein Z-Effekt gemeinsam vorliegt. Durch die Angabe des Schätzfehlers a n ist es möglich z. B. mittels i-Test für inhomogene Varianzen mehrere PPA-Stichprobenergebnisse paarweise zu vergleichen. Werden mehrere Veränderungsdimensionen in die PPA einbezogen, so lassen sich die Analyseergebnisse in dem 4-Felder-Schema anschließend zusammenfassen und auswerten. — Eine gute Effizienz liegt vor, wenn etwa 7 0 % und mehr einen T-Effekt (entspricht den Feldern I und II) und nur 15% und weniger keinen gemeinsamen T-Z-Effekt (entspricht Feld IV) aufweisen. In diesem Falle nimmt der Koeffizient (12) einen Wert von 17^0,6 an. Eine niedrigere Effizienz kann sowohl Stichproben- als auch verfahrensbedingt oder durch beides verursacht auftreten. Das muß von Fall zu Fall gesondert ermittelt werden. V. Ich möchte zum Abschluß anhand eines Beispiels Durchführung und Ergebnis einer univariaten PPA nach dem vorgestellten Modellansatz demonstrieren. Das Beispiel ist der unveröffentlichten Dissertation von F. LANGE (1979) zur „Entwicklung und Anwendung eines Trainingsprogramms in der Leiterkaderentwicklung der sozialistischen Industrie zur Verbesserung des Schöpfertums von Leitern und ihrer Kollektive" entnommen. Zunächst kurz einige Worte über Zielstellung und Methodik. 1. Trainingsaufgabe und -ziel bestanden in der Steigerung der Denkbeweglichkeit von Industriekadern der mittleren Leitungsebene. Das Niveau der Denkbeweglichkeit wird hier als ein konstitutiver Faktor für die effektive Bewältigung von Leitungsanforderungen angesehen. 2. Die Operationalisierung und Prüfung des Konstrukts „Denkbeweglichkeit" erfolgte mittels einer modifizierten F o r m des PMT von RAVEN. Die Modifikation wurde so vorgenommen, daß die Denkbeweglichkeit als eine faktorielle Größe in die Bewältigung der modifizierten PMTAnforderungen eingeht. 3. Der modifizierte PMT bestand aus zwei parallelen Formen zu je 29 Testaufgaben (PMTMustern), die vor (als Prätest) und nach (als Posttest) der Trainingsdurchführung zur Operationalisierung der Denkbeweglichkeit eingesetzt wurden. J e ein Muster (Item) wurde als Instruktion sbeispiel in beiden Formen verwendet. 4. Als Kontrollvariable für den Nachweis eines Trainingseffektes diente die Anzahl der korrekt gelösten Testaufgaben im Prä- und im Posttest bei einer vorgegebenen Lösungszeit für alle Aufgaben von 25 Minuten. Als Zielgröße galt die Gesamtanzahl der zu lösenden Testaufgaben pro Parallelform. Die Zielgröße war daher mit Y a = 29 Aufgaben angesetzt. Sie entspricht der oberen Testdecke. 5. Die Trainings- oder Versuchsgruppe (VG) bestand aus 31, die Vergleichs- oder Kontrollgruppe (KG) aus 39 Vpn. Die K G diente zur Kontrolle des Ä-Effektes, der im vorliegenden Falle retestbedingt ist.
H.-J. LANDEB, Mödellansatz zur linearen Prä-Posttest-Analyse
369
6. Ziel der Untersuchung war es, den Trainingseffekt (T-Effekt) sowie den Trainingserfolg (ZEffekt) bei der Untersuchungsstichprobe zu ermitteln.
Der Gang der Analyse erfolgt entsprechend dem in Abschnitt IV vorgezeichneten Ablaufschema. Tabelle Ia. Zusammenstellung der PPA-Ergebnisse in der KG (1) Vp 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 n k = 39 Z
(5)
(2)
(3)
Yk
¿OK 20 20 19 18 18 17 17 17 16 16 15 15 15 14 14 14 13 13 13 12 12 10 10 10 9 9 9 9 8 8 8 8 7 6 6 6 6 5 4
9 9 10 11 11 12 12 12 13 13 14 14 14 15 15 15 16 16 16 17 17 19 19 19 20 20 20 20 21 21 21 21 22 23 23 23 23 24 25
466
•/.
12 14 12 13 12 15 13 14 19 16 14 16 15 15 19 17 17 18 19 20 19 19 21 21 21 21 20 23 22 21 24 23 24 24 23 24 25 24 26
Dk
(4)
(4') 2 K
3 5 2 2 1 3 1 2 6 3 0 2 1 0 4 2 1 2 ' 3 3 2 0 2 2 1 1 0 3 1 0 3 2 2 1 0 1 2 0 1
9 25 4 4 1 9 1 4 36 9 0 4 1 0 16 4 1 4 9 9 4 0 4 4 1 1 0 9 1 0 9 4 4 1 0 1 4 0 1
70
198
»
370
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
(7)
£ £ £ = 1 9 8 / 3 9 = 5,08
(8)
ÒR= 1-70/466=0,85
Tabelle Ib. Zusammenstellung der PPA-Ergebnisse in der YG
(5)
(1) Yp
¿OY
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 n v = 32
(9) (10)
(11)
20 19 19 19 19 18 17 17 17 17 16 16 15 14 14 14 14 13 12 12 11 11 10 9 8 8 7 7 7 6 5 |
13,3
(2) Xv
(3) Yy
9 10 10 10 10 11 12 12 12 12 13 13 14 15 15 15 15 16 17 17 18 18 19 20 21 21 22 22 22 23 24
15 16 18 21 23 18 15 18 20 25 20 23 23 18 21 25 21 22 22 23 20 24 24 24 25 26 24 25 26 27 27
15,7
21,9
F = F (a/2 = 0 , l % , Fgv=31,
(6)
i)v
ì>z
6 6 8 11 13 7 3 6 8 13 7 10 9 3 6 10 6 6 5 6 2 6 5 4 4 5 2 3 4 4 3
14 13 11 8 6 11 14 11 9 4 9 6 6 11 8 4 8 7 7 6 9 5 5 5 4 3 5 4 3 2 2
6,2
Fgk=38)
s z = ( V ( l , 2 2 ) (5,08))/(0,85) = 2,93 % 3 s T = (0,85) (20 —3) = 14,5
(4)
7,1
= 2,22
(Testaufgaben)
(Testaufgaben an der Stelle D o v = 20)
H.-J. LANDER, Modellansatz zur linearen Prä-Posttest-Analyse
371
Die PPA-Ergebnisse sind in der folgenden Abbildung veranschaulicht
Die Kreuze markieren die Meßergebnisse, der eingekreiste Punkt den Erwartungswert. Wie zu ersehen, liegt im Mittel zwar ein T-Effekt vor, jedoch keine Zielerreichung. Das folgende 4-Felder-Schema gibt eine zusammenfassende Darstellung der erreichten T-, Z- sowie T-Z-Effekte. Tabelle II. Tabellarische Darstellung der PPA-Ergebnisse p%
4) 3a> + W _ f-L -
— — — —
Z-Effekte +
27
9,4
I
II
71,9
81,3
3,1
III
IV
15,6
18,7
12,5
87,5
100
Aus der tabellarischen Darstellung der PPA-Ergebnisse ist ersichtlich, daß nur 9,4% der Ypn einen gemeinsamen T-Z-Effekt aufweisen, daß 15,6% überhaupt keinen gemeinsamen T-Z-Effekt aufweisen, daß immerhin 81,3% einen T-Effekt und nur 12,5% einen Z-Effekt erzielt haben.
372
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
Das Ergebnis ist wegen der geringen Z-Effekte noch nicht als sehr zufriedenstellend zu bezeichnen. Das Ergebnis kann entweder trainingsbedingt oder stichprobenbedingt zustande gekommen sein. Die Verfahrens-Effizienz beträgt aber immerhin gemäß (12)
rj = (0,813)/(I + 0,156) = 0,703
und hat gemäß (13) einen Schätzfehler von (13)
(}/((0,813) (0,187)+(0,156) (0,844) (0,495))/32)/(l,156)=0,071 Zusammenfassung
E s wird im Rahmen der klassischen Testtheorie ein Verfahren zur Veränderungsmessung(lineare Prä-Posttest-Analyse) vorgestellt, das es gestattet, sowohl die Behandlungswirkung ausgangswertabhängig als auch zielbezogen den Behandlungserfolg getrennt abzuschätzen Und statistisch zu beurteilen. Beides erfolgt auf der Basis eines einheitlichen F-Test-Kriteriums. Das Verfahren ist daher als ein Zwei-Schranken-Test (Treatmentschranke, Zielschranke) konzipiert Und ist nur anwendbar, wenn eine Zielgröße für die Behandlung (Training, Therapie usw.) angebbar Und ein Kontrollgruppenvergleich mittels einer behandlungsfreien Stichprobe möglich ist. Außerdem ermöglicht das Verfahren nicht nur eine Abschätzung und Beurteilung des Gesamteffekts sondern ebenso der Einzeleffekte hinsichtlich Behandlungswirkung Und -erfolg; Außer der Verfahrensentwicklung wird ein leicht handhabbares und numerisch wenig aufwendiges Ablaufschema zur Bestimmung der Testschranken dargestellt und das Ganze an einem überschaubaren. Beispiel aus der sozialpsychologischen Trainingsforschung demonstriert.
Summary Within the framework of the classical theory of testing the author presents a procedure for measuring change (linear pre/post test analysis) which enables a separate estimation and statistical evaluation both of the treatment effect as a function of the initial score, and the success of treatment with reference to the goal. Both are done on the basis of a uniform F test criterion. The procedure was therefore devised as a two-bound test (treatment bound, goal bound) and cannot be applied unless an effect variable of the treatment (therapy, training etc.) can be specified and a control group comparison using a treatment-free sample is feasible. In addition to the estimation and evaluation of the total effect, the procedure makes it possible to estimate and evaluate single effects as far as the treatment effect and the success of treatment are concerned. The article describes not only the preparation of the procedure but also a convenient and numerically parsimonious algorithm for determining the test bounds. In illustration of this, the author describes a handy instance from social psychological training research.
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H.-J. LANDER, Modellansatz zur linearen Prä-Posttest-Analyse
373
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A u s dem Lehrbereich Psychologie der Met sehn ikow-Universität Odessa
Der Einfluß von Störungen auf die Wahrnehmung der Dauer eigener Bewegungen 1 * V o n ALLA KONSTANTINOWNA BOLOTOWA
Eine wesentliche Voraussetzung der Rationalisierung von Arbeitsprozessen ist die psychologische Tätigkeitsanalyse hinsichtlich der Anforderungen an Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Wahrnehmung des Arbeitenden sowie die Prognose verschiedener psychologischer Veränderungen, bedingt durch die Entwicklung der modernen Technik, den Einsatz von schnell laufenden Anlagen und Fernsteuersystemen (HACKER 1 9 7 3 ) . In Verbindung mit dieser, einer der wichtigsten Fragestellungen der Psychologie der Arbeit und Berufsausbildung, steht auch das Problem der Bewegungswahrnehmung durch den, die Steuerung und Bedienung komplizierter Maschinensysteme gewährleistenden Menschen. Die vorliegende Arbeit ist der experimentellen Untersuchung obengenannten Problems, insbesondere der Erforschung des Einflusses von Störfaktoren auf die Wahrnehmung der Bewegungsdauer gewidmet. Motorische Funktionen des Menschen waren in den vergangenen zehn Jahren weit seltener Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen als perzeptive und intellektuelle (HACKER, 1 9 7 6 ; K L I X , 1 9 7 6 ) . Fragen der Wahrnehmung der Bewegungsdauer gewinnen an praktischer Aktualität, denn der Mensch muß fähig sein, seine Tätigkeit in der Zeit einzuteilen, auf äußere Signale mit einer bestimmten Bewegungsgeschwindigkeit zu reagieren sowie Geschwindigkeit und Präzision dieser Bewegung bezüglich der Zeitparameter zu verändern (TSCHAIDZE, 1 9 7 0 ) . Unter Produktionsbedingungen hat die Differenzierung der Bewegungsdauer des Werktätigen eine große Bedeutung, Fehleinschätzungen haben oft schwerwiegende Folgen, besonders in Berufen, die mit der Steuerung von Hochgeschwindigkeitsanlagen und dem Transport verbunden sind. Außerdem hängen adäquate Wahrnehmung der Bewegungen, Handlungseffektivität und Arbeitsfähigkeit des Menschen in vielem von den gegebenen Produktionsbedingungen ab, die stets mit einer Vielzahl von „Hintergrund-Reizen" verbunden sind und auf die seine Tätigkeit einen stimulierenden oder hemmenden Einfluß ausüben, was die Durchführung präziser und operativer Handlungen erschwert (LOMOV, 1 9 6 6 ) . Die Erforschung der Wahrnehmungsmechanismen 1
Übersetzung aus dem Russischen von SONJA FÜSSEL.
der Bewegungsdauer,
des
ALLA K . BOLOTOWA, Störungen auf die W a h r n e h m u n g eigener B e w e g u n g e n
37O
Einflusses verschiedener, die adäquate zeitliche Wahrnehmung störender bzw. erschwerender exogener und endogener Faktoren sowie der Methoden zur Minimierung dieses Einflusses, können eine effektive Bekämpfung verschiedener Störungen begünstigen und damit zur Verminderung von Ermüdbarkeit und zur Steigerung der Arbeitsproduktivität beitragen. Da bei fast allen Tätigkeitsformen des Menschen die Bewegungswahrnehmung unter den Bedingungen störender Reizeinflüsse vollzogen wird, war es uns wichtig, nicht nur Geschwindigkeit und Genauigkeit der Bewegungen des Menschen bezüglich zeitlicher Parameter, sondern auch Veränderungen jn der Angemessenheit dieser Handlungen unter Einwirkung von „Hintergrund-Reizen" zu untersuchen. Experimentelle Forschungen auf diesem Gebiet eröffnen Möglichkeiten zur Herabsetzung der Störanfälligkeit, zur Erhöhung von Genauigkeit, Schnelligkeit und anderer Parameter der menschlichen Arbeitshandlungen im System „Mensch-Maschine". Ohne Zweifel ist die Untersuchung der sensorischen Möglichkeiten eine der wichtigsten Seiten der Steuerung vön Bewegungen und der Ausbildung von Produktionsfertigkeiten des Menschen. Wie in einer Reihe von Forschungsergebnissen gezeigt wurde (LOMOV, 1966; T S C H E B Y S H E V A , 1 9 6 9 ; T S C H A I D Z E , 1 9 7 0 ) , basiert der hohe Automatisierungsgrad der Handlungen auf einer genauen Analyse der Bewegungen in ihrer temporalen und räumlichen Komponente. Dabei spielt die kinästhetische Sensibilität in der Analogie der Bewegungsdauer die größte Rolle. Die Bedeutung der menschlichen Hand als eines der wichtigsten komplexen Organe bei der Realisierung der Handlung wurde erstmals von I. M. S E T S C H E N O W hervorgehoben,-dem auch das Verdienst zukommt, die sensorische Funktion der Hand bei der Differenzierung räumlicher und zeitlicher Beziehungen nachgewiesen zu haben. Von großer Wichtigkeit für die Ausführung dieser Verschiedenen sensomotorischen Funktionen der Hand ist die kinästhetische Sensibilität, das heißt das Feedback in Form kinästhetischer Signale über die vollzogenen Bewegungen und deren zeitliche Dauer. Gegenstand unserer Aufmerksamkeit waren auch Fragen der Kreisbewegung der Hand, der Wahrnehmung ihrer Dauer und ihre Regelmechanismen unter verschiedenen ungünstigen Bedingungen, d. h. dem Einfluß von Störfaktoren. Die unter Laborbedingungeii durchgeführten Untersuchungen erforderten eine Modifikation des SHUKOWSKI-Kinematometers, indem durch Zuschaltung eines streng synchron laufenden Chronoskops die vor- und wiedergegebene Bewegungsdauer registriert wurde. Entsprechend der Versuchsanordnung wurde dabei dem an einer speziellen Vorrichtung des Kinematometers fixierten rechten Arm der Versuchsperson eine Viertelkreisbewegung vermittelt, die sie mit geschlossenen Augen wahrnahm. Während der zurückgelegte Weg der passiven Armbewegung konstant blieb, variierte die Zeit in einer relativ weiten Spanne von 0 , 6 — 4 , 5 sec. Diese vorgegebene Bewegung sowie die von der Versuchsperson mit größtmöglicher Genauigkeit bezüglich der Zeit aktiv wiederholte werden aufgezeichnet und verglichen. Für eine präzise Wiedergabe der Bewegungsdauer ist die Aktivität des kinästheti-
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Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
sehen Analysators von Bedeutung. Die Angaben über die Dauer der eigenen Handbewegung kommen von den Muskelrezeptoren und Gelenken der oberen Extremitäten in Form kinästhetischer Signale. Die aufgezeichneten Daten über die tatsächliche Bewegungsdauer und die von den Vpn. geschätzte wurden statistisch ausgewertet. Im ersten Teil der Untersuchung widmeten wir uns dem Studium einiger Besonderheiten, die bei der Wahrnehmung der Dauer eigener Bewegungen unter Bedingungen ohne störende Einflüsse auffallen. Dabei kam die oben beschriebene Methodik zur Anwendung. Wir erhielten statistisch signifikante Daten, die davon zeugen, daß die Mehrzahl der Vpn. (85%) die Bewegungsdauer nicht adäquat wahrnimmt. Die durchschnittliche Fehlergröße beträgt 22,7%. Nur bei 15% der Probanden finden wir eine fast fehlerfreie Wahrnehmung der Bewegungsdauer. Die kinästhetische Wahrnehmung der Bewegungsdauer trägt bei der Mehrzahl der Probanden inadäquaten Charakter: handelt es sich um eine zeitlich kurze Bewegung, so ist deren Wahrnehmung durch eine Überbewertung gekennzeichnet, bei großen zeitlichen Intervallen durch eine Unterbewertung. Wichtig ist, daß die berufliche Tätigkeit einen gewissen Einfluß auf eine adäquate Wahrnehmung ausübt. J e ähnlicher die Art der Wahrnehmung dem Tätigkeitsinhalt ist, desto präziser wird die Wiedergabe der Zeitintervalle sein. Durch die berufliche Tätigkeit erwirbt der Mensch differenzierte Fähigkeiten in bezug auf die Zeitwahrnehmung, was einen bestimmenden positiven Einfluß auf die Differenzierung zeitlicher Parameter der eigenen Bewegungen ausübt. Gesetzmäßig ergibt sich daraus die Frage, wie sich die Qualität der Wahrnehmungsprozesse der Bewegung unter Störungsbedingungen verändert. Wie wirkt sich der Einfluß verschiedener äußerer und innerer Faktoren auf die Genauigkeit der Bewegungswahrnehmung beim Menschen aus? Im Unterschied zu den vorangegangenen Versuchen wurde die Wahrnehmung der Bewegungsdauer in den Experimenten dieses Teils der Untersuchungen durch konstante Einwirkung äußerer und sogenannter innerer Störungen beeinflußt. Als äußere Störungen werden in unseren Versuchen Störungen akustischer Modalität verwendet. Zu diesem Zweck wurde vor Beginn der Versuche im Versuchsraum ein Motor, der ein Geräusch von 82—84 db erzeugte, eingeschaltet. Wie die erhaltenen Resultate zeigen, ist die Wahrnehmung der Bewegungsdauer bei Beeinflussung durch äußere akustische Störungen durch bedeutende Veränderungen gekennzeichnet: Die mittlere Fehlergröße erreicht 39,4%, während sie ohne Störungseinflüsse nur bei 22,4% liegt, d. h. unter Störungsbedingungen steigt die mittlere Fehlergröße um 18-20%. Die größten Abweichungen und Veränderungen bei der Bewertung der Dauer der vollzogenen Bewegung werden jedoch von den sogenannten inneren Störungen hervorgerufen. Wir wissen, daß der Mensch bei der Ausführung verschiedener Tätigkeiten nicht nur der Einwirkung äußerer Reize ausgesetzt ist, sondern daß wir neben den äußeren auch sogenannte innere Störungen unterscheiden können.
ALLA K . BOLOTOWA, Störungen auf die Wahrnehmung eigener B e w e g u n g
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S o erfordert die Überwachung automatischer Systeme ein gleichzeitiges Ausführen verschiedener Handlungen, das gleichzeitige Lösen verschiedener Aufgaben. Und dabei kann nun die eine Handlung als innere Störung für eine andere auftreten. In unseren Versuchen stellt solche innere Störung das Lösen unterschiedlich schwerer Denkaufgaben, im Sinne von geistigen Handlungen dar. Die Methodik der Untersuchung besteht in folgendem: Dem Probanden werden Denkaufgaben unterschiedlichen Schweregrades zur Lösung gegeben. Auf einer der Etappen der Lösung dieser Aufgabe gibt der VI entsprechend der beschriebenen Methodik mit Hilfe des Kinematometers eine Bewegung bestimmter Dauer vor, die vom Probanden mit größtmöglicher Genauigkeit nachvollzogen werden muß. Gleichzeitig muß von der Vp die gefundene Lösung der Denkaufgabe angegeben werden. Die Lösung der Aufgaben und die gleichzeitige Ausführung der Bewegung mit vorgegebener Dauer rufen die Notwendigkeit ständiger geistiger Anspannung hervor, was sich negativ auf die Prozesse der Bewegungswahrnehmung auswirkt. Die gewonnenen experimentellen Daten zeigen, daß unter diesen Störungsbedingungen (innere Störungen) bei fast allen Vpn (98%) ein erheblicher Anstieg der Fehler bei der Bewertung der Dauer zu beobachten ist. Die mittlere Fehlergröße übersteigt beim Vorhandensein innerer Störungen die 50%-Grenze und beträgt 54,8%. Es verändert sich nicht nur die Fehlergröße, sondern auch der Charakter der Fehler — alle Bewegungen werden hierbei hinsichtlich ihrer Dauer wesentlich überbewertet. Man kann annehmen, daß die inneren Störungen einen sehr starken Störfaktor darstellen. Durch ihn wird ein Herd optimaler Erregung in der Hirnrinde hervorgerufen, der den Herd, der mit einer adäquaten Bewertung der Bewegungsdauer verbunden ist, hemmt. Auf Grund der von uns erhaltenen Resultate kann man folgendes konstatieren: Wie die äußeren, so haben auch die sogenannten inneren Störungen eine negative Wirkung auf die Wahrnehmungsprozesse der Bewegungsdauer, indem sie eine bedeutende Veränderung der Größe und des Charakters der Fehler bei der Bewertung der Dauer hervorrufen. Solche Fehler können bei der Ausführung einer bestimmten Tätigkeit die Produktivität dieser im negativen Sinne beeinflussen und unter Produktionsbedingungen schwere Folgen, z. B. Havariesituationen, auslösen. Deshalb ist es notwendig, rationale Methoden zur Beseitigung des Einflusses der aufgezeigten Störungen, Möglichkeiten des Trainings zur Verminderung der Störanfälligkeit, zu finden und experimentell zu erproben. Die Ergebnisse der weiteren experimentellen Forschungen zeigten, daß ein Weg zur Erhöhung der Störresistenz das planmäßige Training unter rational organisierten Bedingungen ist. Hierbei bekommt der Proband über jede der im Laufe des Trainings vollzogenen Bewegung eine umfassende Information über Größe und Art des Fehlers, den er bei der Bewertung der Bewegungsdauer gemacht hat. Mit jedem Probanden wurden etwa 10—12 individuelle Trainingsversuche durchgeführt.
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Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
Die Analyse der gewonnenen Resultate zeugt davon, daß nach einem so organisierten Training die Störanfälligkeit wesentlich geringer wird: Die mittlere Fehlergröße verringert sich nach dem Training von 39,4% auf 9,9% hei den äußeren akustischen Störungen, bei den'inneren Störungen von 54,4% auf 25,2%. Der hohe Grad richtiger Bewertungen der Bewegungsdauer ist möglicherweise damit zu erklären, daß im Falle einer zusätzlichen Rückmeldung die Möglichkeit zum Vergleich gegeben ist. Jedoch bleibt die Anfälligkeit für innere Störungen auch nach dem Training unter den gegebenen Bedingungen ziemlich hoch. Deshalb müssen zur Verminderung des Einflusses der sogenannten inneren Störungen etwas andere Mittel gefunden werden, was auch den Gegenstand der Untersuchung in den folgenden Serien unserer Versuchsreihe bildete. Dabei gingen wir davon aus, daß die Mechanismen der Antizipation für das Erlernen von jeglichen Arbeitsoperationen von ganz entscheidender Bedeutung sind. Deshalb stellten wir uns die Aufgabe der experimentellen Untersuchung der Rolle der Antizipation (gedankliche Vorwegnahme zukünftiger Handlungen und Ergebnisse) im Prozeß der Ausbildung einer adäquaten Zeitwahrnehmung. Eine solche gedankliche Vorwegnahme künftiger Handlungen und deren Ergebnisse spielt als eine der Formen der Widerspiegelung der objektiven Realität eine bedeutende Rolle bei den Prozessen der Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten allgemein. Sie ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausführung einer Tätigkeit. LOMOV bezeichnet die Vorstellung vom zukünftigen Produkt der Arbeit als „spezifischen Regulator des Arbeitsaktes". Nach Meinung dieses Autors besteht die Hauptaufgabe der Arbeitspsychologie in der Untersuchung der Frage, wie sich die Vorstellungen über das zukünftige Produkt der Tätigkeit entwickeln und wie dank dieser Vorstellungen die Regulierung der Arbeitshandlungen verwirklicht wird (LOMOV, 1 9 7 7 ) .
Den Anfang einer systematischen Erforschung der Rolle der Antizipation für die psychische Tätigkeit machte P. K . ANOCHIN. Er führte den Begriff der afferenten Synthese ein. Dadurch können die Rückafferentationen analysiert werden und die Übereinstimmung dieser mit dem vorgezeichneten Handlungsprogramm bestimmt werden. Nach ANOCHIN ist solch ein Komplex afferenter Impulse („Handlungsakzeptor") Grundlage für die Schaffung eines Abbildes der geplanten Handlung und für die Festlegung der Wege, die zum gewünschten Endresultat führen. Die Antizipation ermöglicht die Herausbildung eines adäquaten Handlungsabbildes lange vor Beginn der Ausführung der Bewegung. Begründet auf dieser theoretischen Konzeption beschlossen wir, auf experimentellem Weg die Rolle der Antizipation bei der Verminderung der Störanfälligkeit zu untersuchen. Die Trainingsversuche wurden im Verlaufe von 5 Tagen mit jeweils 3—4 Versuchen am Tag nach einer Methodik, der die Bildung eines internen Abbildes zugrunde liegt, durchgeführt. Die erhaltenen Daten zeigen, daß sich nach dem Training die mittlere Fehlergröße bei der Wahrnehmung der Bewegungsdauer entschieden verringert (von 39,4% auf 8,2% bei den akustischen Störungen, von 54,4% auf 14,8% bei den inneren Störungen). Im
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Trainingsprozeß erhöht sich also die Störresistenz bezüglich verschiedener Störungsarten wesentlich. Das interne Abbild, das auf Grundlage der Antizipation entsteht, h a t eine positive Wirkung auf eine Erhöhung der Störresistenz des kinästhetischen Analysators. Der effektivste und rationalste Weg zur weitgehenden Beseitigung des Einflusses von Störungen unterschiedlicher Modalität ist jedoch ein Training, das unter Ausnutzung der Mechanismen der Antizipation und mit zusätzlicher verbaler Information über die begangenen Fehler verläuft. Ein Training unter diesen Bedingungen ermöglicht eine Korrektur und Kontrolle der eigenen Bewegungen nicht nur in Übereinstimmung mit der verbalen Information über Größe und Art der Fehler, sondern gibt außerdem die Möglichkeit, im Verlauf der Herausbildung des internen Abbildes der Handlung die eigenen Handlungen über Selbstkontrolle ziemlich genau zu bewerten. Die Rückmeldung in Form von verbaler Information und Selbstkontrolle begünstigt eine schnelle und präzise Wahrnehmung zeitlicher Parameter der eigenen Bewegungen bei allen Probanden, die an dieser Versuchsreihe teilnahmen. Im Resultat hat sich der mittlere Fehler bei der Bewertung der Bewegungsdauer auf ein Minimum verringert lind betrug nun entsprechend 6 , 2 % bzw. 9,3%. Auf diese Weise zeigten sich die im Verlauf der Experimente überprüften Trainingsmethoden als recht effektiv. Besonders bewährt hat sich die Methode zur Verminderung der Störanfälligkeit, die auf der Herausbildung eines „vorwegnehmenden Handlungsabbildes" basiert. Durch die Trainingsmethoden wird die Genauigkeit der Bewertung der Bewegungsdauer wesentlich erhöht. Unsere Untersuchung zeigte die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer zielgerichteten Herausbildung einer adäquaten Bewegungswahrnehmung, skizzierte praktische Wege der Aktivierung der sensorischen Sphäre des Menschen bei der Produktionstätigkeit, wc die Resistenz gegenüber Störungen unterschiedlicher Art eine der entscheidenden Bedingungen für eine hohe Produktivität ist. Zusammenfassung Die Arbeit ist der Untersuchung des Einflusses von Störungen auf den Prozeß der Wahrnehmung der Dauer eigener Bewegungen und der Klärung der Frage nach den effektivsten Wegen und Trainingsmethoden zur Hebung der Störresistenz gewidmet. Es wurde auf experimentellem Weg die Möglichkeit einer zielgerichteten Herausbildung adäquater perzeptiver Prozesse mit Hilfe spezieller Trainingsmethoden geprüft. Bei den Trainingsvarianten wurde einerseits mit Rückmeldungen über die gemachten Fehler gearbeitet und andererseits die Prozesse der Herausbildung eines „vorwegnehmenden Handlungsabbildes" ausgenutzt.
Summary Author analyzes the influence of disturbances on the process of perceiving the duration of ones own movements with the aim to develop training methods to increase the resistance against these disturbances. The training program consists on the one hand in feedback methods in respect to error performances and on the other hand in shaping a "prospective internal representation rsp. image of action regulation".
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From the Institute of Psychiatry, Department of Psychology, University of London
Psychoticism as a dimension of personality: A reply to Kasielke B y H . J . EYSENCK
In a recent article, KASIELKE (1980) has raised certain important questions regarding the application of questionnaire measures in relation to clinical psychiatric work, diagnostic usefulness, and application to personality research. While agreeing with her on many points (such as the uselessness of the MMPI for these purposes), I also have some fundamental criticisms of both her theoretical discussion, and the empirical work put forward. These will here be briefly presented, although of course much more could be said about each point; it is hoped that readers will consult the references given. (1) KASIELKE demonstrates that German translations of the MMPI fail to give good agreement between questionnaire scales, or combinations of scales, and psychiatric diagnosis; she argues from this to various defects of the MMPI. While agreeing that the construction of the MMPI is faulty, for the reasons given by KASIELKE, I would suggest that what is even more faulty is the criterion used, namely psychiatric diagnosis. COOPER et al. (1972) have summarized the results of work done by the US/UK Diagnostic Unit, in which video psychiatric interviews and diagnostic sessions with psychiatric patients were seen by many experienced psychiatrists, who then made diagnoses on the basis of the films. It was found that the diagnosis: "Schizophrenia" was made 5 times as frequently by American as compared with English psychiatrists! In other words, the nationality of the psychiatrist was far more important than anything said or done by the patient; prediction of diagnosis on the basis of psychiatrist's nationality would have been many times more successful than prediction on the basis of the MMPI. This demonstrates the essential meaningless of the categorical diagnostic practices currently in use (EYSENCK, 1970), and also accounts for the failure of American-based norms to give any kind of agreement with German practices of diagnosis; the defects of the MMPI scale in comparison are probably less responsible for the overall failure than the defects of modern psychiatric practices (GOLDBERG, 1972). (2) KASIELKE criticizes my personality theories of Extraversión and Neuroticism on the grounds of "weitgehende Negierung von Umwelteinflüssen" and "einseitigem Hereditatsbezuge"; in relation to the new concept of psychoticism (P) she says explicitly that "Umwelteinflüsse für die Entwicklung von Psychosen faktisch negiert (werden)." All this is inaccurate, and KASIELKE's account suggests a failure to understand the statistical basis of our analysis of the twin data on which our 26
Z. Psychologie 189-4
382
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
conclusions are based (FULKER, 1 9 8 1 ) . Heritability estimates go as high as 8 1 % , but this is of course a variance estimate; for proper comparison we must take the square root, suggesting that heredity is twice as important as environment — this leaves much room for environmental influence and manipulation. The whole of behaviour therapy operates very successfully within this area! (KAZDIN and W I L SON, 1 9 7 8 ) . (3) Work on the genetic architecture of personality (FTJLKER, 1981; EYSENCK,. 1976 a) has led to many findings regarding the specific, environmental componentswhich have to be taken into account, consideration of which differentiates personality from intelligence ( E A V E S and EYSENCK, 1975,1976a, 1976b, 1977; E A V E S et al., 1977; LOEHLIN and NICHOLS, 1977; YOUNG et al. 1980). Thus dominance plays nopart in personality genetics, and neither does assertative mating; both are present on the intellectual side. Within-family environmental effects are all-important in relation to personality, while between-family environmental effects are almost, entirely absent; this is the opposite to the state of affairs in intelligence, where between-family environmental effects are twice as important as within-family environmental effects (EYSENCK, 1979). Thus it is quite untrue to say that our work has concentrated exclusively on genetic factors, to the exclusion of environmental ones; we have paid equal attention to both. ' (4) K A S I E L K E suggests that "es gibt für dieses genetische Modell bisher keinerlei Belege"; this is untrue. EYSENCK (1972) already published data in support of the genetic theory of P, and the large-scale work of EAVES and EYSENCK (1977) gives a very detailed discussion and analysis, using the most up-to-date methods of biometrical genetical analysis, of data from 5 5 4 pairs of twins. K A S I E L K E does not mention this important and very relevant study; she suggests instead that we were content "eine hochgradige genetische Determiniertheit zu postulieren". We did not postulate the degree of heritability in question, but discovered it empirically. Nor would it be correct to say, as K A S I E L K E does, that our finding "ist mit einer marxistischen Personlichkeitskonzeption unvereinbar"; careful reading of M A R X , ENGELSand LENIN suggests that this view is quite mistaken. (5) KASIELKE raises the question of how the relationship between psychoticism and psychopathy/criminality can be integrated with the earlier view implicatingE and N. The answer is given in detail in EYSENCK ( 1 9 7 7 ) and EYSENCK & EYSENCK ( 1 9 7 8 ) , and relates to the well-established difference between primary and secondary psychopathy. It has also to do with the well-known lack of homogeneity of prison populations; different types of crimes attract different combinations of personality types (EYSENCK, RUST & EYSENCK, 1 9 7 7 ) . KASIELKE fails to deal with the empirical evidence in her critique, which hence cannot be taken too seriously. Nor does the addition of P to E and N, as relevant to antisocial behaviour, raise "sich daraus ergebende Probleme für die Orthogonalitat der Faktoren"; the orthogonality of factors can only be decided on the basis of obliquely rotated factor analyses. (6) We must next turn to the work of KRÜCK (1978) described by K A S I E L K E . This is based on a translation of the EPQ, but it is clear that the proper method
383
H. J . EYSENCK, Psychoticism of Personality: reply to Kasielke
of trans-cultural adaptation of a questionnaire has not been followed. W e have been involved in a large number of such adaptations, involving many different cultures and nationalities
(DIMITRIOU e t a l . , 1 9 7 8 ;
H . J . EYSENCK e f a l . ,
1980;
S. B. G.
E Y S E N C K e t a l . , 1 9 7 7 ; IWAWAKI e t a l . , 1 9 8 0 ; L O J K e t a l . , 1 9 7 9 ; RAHMAN e t a l . , 1 9 8 0 ; SAKLOFSKE e t a l . , 1 9 7 8 ; TARRIER e t a l . , 1 9 8 0 ) , a n d h a v e f o u n d t h a t p r o v i d e d t h e
correct procedure is followed, application of the E P Q in foreign languages produces identical factors to those originally found in England. Briefly, the procedure calls for translation into the foreign language, backtranslation into English to be checked very carefully by the authors of the questionnaire; application to large samples of at least 500 male and 500 female subjects in the foreign country; factor analysis followed by calculation of indices of factor comparison (EYSENCK and EYSENCK, 1969). If these are above .95, or preferably above .98, the factors are considered sufficiently similar to the original English ones to be used for further research. To make them scorable in the foreign country, a new weight matrix has to be drawn up, eliminating individual items from each scale which show different loading patterns from the original. (For direct comparisons between countries, a reduced weight matrix has to be calculated which includes only items sharing common loadings to both countries). In the absence of this minimum procedure, no translation can- be considered to be admissible as scientific evidence about the usefulness of the E P Q in a foreign country. As apparently none of these steps were included in the KRÜCK translation, we would automatically rule out results obtained from it as being capable of falsifying our theories concerning P. (7) KRÜCK apparently found that older persons have lower P scores than younger ones, and males higher P scores than females; these correlations are cited by KASIELKE as evidence of a situation which "der EYSENCK'schen Hypothese nicht entspricht". This again is quite untrue; we found identical results, and linked P with male hormone secretion as a possible causal factor. I t might be said that had there been an absence of differentiation between males and females in KRÜCK'S work, then this would indeed have been contradictory to our hypothesis! The general link between masculinity and P has been demonstrated many times (EYSENCK and EYSENCK, 1976; EYSENCK, 1976b) and its genetic basis has been explored (MARTIN and EYSENCK, 1976). The correlation with age, too, has been considered from the theoretical point of view, and may bö linked with the hormonal changes in androgen which take place with age (EYSENCK and EYSENCK, 1976). There is nothing in KRÜCK'S work to contradict our findings or theories. (8) Differences between psychotic groups and normals (and other psychiatric groups) have been found many times (EYSENCK and EYSENCK, 1976; VERMA and EYSENCK, 1 9 7 3 ; EYSENCK, WHITE a n d EYSENCK, 1 9 7 6 ) , also in o t h e r
countries;
these studies relate both to between-group differences as also to within-group differences. VERMA and EYSENCK, for instance, found that P correlated significantly with severity of psychosis within a psychotic population; GATTAZ (1981) found a relationship between the presence or absence of a human leucocyte antigen ( H L A B 27) and P in a psychotic sample (it is known that this antigen is found more 26*
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frequently in schizophrenics than in normals — M C G U F F I N , 1 9 7 9 ) ; L A T J N A Y and S L A D E ( 1 9 8 1 ) have shown that hallucinatory experiences in a non-psychiatric prison population are significantly correlated with P, both in males and in females. K R Ü C K ' S failure to find significant relationships between diagnosis and P may be due to many causes, from poor translation to poor diagnosis; it can hardly form the basis of a general conclusion to the effect "daß psychotische Gruppen mit Hilfe des E P Q nicht identifizierbar sind." A properly translated Greek version of the E P Q showed psychotics to be equally well differentiated from normals in Greece as they were in England ( D I M I T R I O T T and E Y S E N C K , 1 9 7 8 ) . It will be clear from the few points here made very briefly that K A S I E L K E ' S critique is untenable. She fails to quote most of the relevant literature; misunderstands or misquotes existing work on genetic and environmental factors; uses a German study of very poor quality, failing to follow minimum requirements as regards translation and adaptation of questionnaires to foreign conditions; erroneously considers age and sex correlations for P as contradicting the original hypothesis put forward by the author; and generally fails to deal with perfectly straightforward objections to her interpretations. I t must be concluded that her critique leaves the position of P as a dimension of personality unassailed. Work is now nearing completion that will make available a proper translation and standardization of the E P Q in German; psychologists wishing to use this scale are invited to obtain pre-publication copies from the author. Further work on the concept of P as a dimension of personality is urgently needed, but such work should be of a higher scientific quality than that offered b y K A S I E L K E . Summary Criticisms made by KASIELKE of the psychoticism scale and its use in clinical and abnormal psychology, are considered in the light of the available evidence. It is concluded that most of these criticisms are based on a misreading of the original theory, on faulty translation of the scale, on mistaken understanding of the techniques of biometrical genetical analysis, and on general disregard for published evidence. On the whole, the criticisms leave the concept of psychoticism as a major dimension of personality unaffected.
Zusammenfassung Die von KASIELKE vorgebrachte Kritik an der Psychotizismus-Skala und ihrer Anwendung in der Klinischen Psychologie und in der Psychopathologie wird im Lichte der vorliegenden Beweise erörtert. Der Verfasser kommt zu der Schlußfolgerung, daß der größte Teil dieser Kritik auf einem Mißverständnis der ursprünglichen Theorie, auf falschen Übersetzungen der Skala, auf Mißverständnissen der Techniken biometrischer genetischer Analysen und einer allgemeinen Mißachtung der veröffentlichten Beweise beruht. Im ganzen wird von dieser Kritik das Konzept des Psychotizismus als einer Hauptdimension der Persönlichkeit nicht berührt.
H. J . EYSENCK, Psychoticism of P e r s o n a l i t y : r e p l y t o Kasielke
385
Pe3H)Me
OßcyjKHaioT KpHTHKy aBTopa KASIELKÉ OTHOCHTEJIBHO limanti ncnxoTni;iiaMa H eè npnueEeHUH B KJiHHHHecKoíl ncHxoJiorHH H ncnxonaTonorHH B CBeTe naHHLJX HOKaaaTemcTB. ABTop npeRiHBJIEHHOÑ paöoTH cflenaeT BHBOÄ, HTO 6ojn>maA iacTB KPHTHKH npoHBoiiraa BCJieRCTBHe BesopaayMCHHH Hcxoanoit TeopHH, He npaBHJiBHHx nepeBOROB limanti, HeflopasyMeHUH TCXHUKH GnoMeTpHHecKHx rGHGTHHecKHX aHajiH30B H oßmero HeyBa»eHHH onySjiHKOBaHHHX AOKasaTemcTB. Booöme KpnTHKa He TporaeT KOHI;enT nchxoTHijH3Ma KaK raaBHoro H3MepeBHH JIHMHOCTH. References COOPER, J. E., KENDELL, R. E., GURLAND, B. J., SHARPE, L., a n d COPEL AND, J. : P s y c h i a t r i c diagnosis in New Y o r k a n d London. London : O x f o r d U n i v e r s i t y Press 1972. DMITRIOU, E . C., a n d EYSENCK, S. B. G. : N a t i o n a l differences in p e r s o n a l i t y : Greece a n d E n g land. I n t e r n . J . intercult. relations 2 (1978) 2 6 6 - 2 8 2 . EAVES, L., a n d EYSENCK, H. J . • The n a t u r e of e x t r a v e r s i ó n : A genetical analysis. J . Pers. & Soc. Psychol. 32 (1975) 1 0 2 - 1 1 2 . EAVES, L., a n d EYSENCK, H. J . : Genetic a n d e n v i r o n m e n t a l c o m p o n e n t s of inconsistency a n d u n r e p e a t a b i l i t y in t w i n s ' responses t o a neuroticism questionnaire. B e h a v . Genet. 6 (1976) 145-160. EAVES, L., a n d EYSENCK, H . J . : G e n o t y p e x age i n t e r a c t i o n for neuroticism. B e h a v . G e n e t . 6 (1976) 3 5 9 - 3 6 2 . EAVES, L. J . , and EYSENOK, H . J . : A g e n o t y p e - e n v i r o n m e n t a l m o d e l for psychoticism. A d v a n c e s B e h a v . Res. Ther. 1 (1977) 5 - 2 6 . EAVES, L. J . , MARTIN, N. G., a n d EYSENCK, S. B. G. : A n application of t h e analysis of covariance s t r u c t u r e s t o t h e psychogenetical s t u d y of impulsiveness. Brit. J . Math, a n d S t a t i s t . Psychol. 30 (1977) 185-197. EYSENCK, H . J . : A dimensional system of psychodiagnosis. In : New a p p r o a c h e s t o p e r s o n a l i t y classification. Hrsg. MAHRER, A. R. London : Columbia U n i v e r s i t y Press 1970. P p . 169—208. EYSENOK, H. J . : An e x p e r i m e n t a l a n d genetic model of schizophrenia. In : Genetic F a c t o r s in " S c h i z o p h r e n i a " . Hrsg. KAPLAN, A. R. Springfield: C. C. T h o m a s 1972. P p . 504-515. EYSENCK, H. J . : Genetic f a c t o r s in personality d e v e l o p m e n t . In : H u m a n behavior genetics. Hrsg. KAPLAN, A. R. Springfield: C. C. T h o m a s 1976a. P p . 1 9 8 - 2 2 9 . EYSENCK, H. J . : S e x u a l i t ä t u n d Persönlichkeit. Berlin : Ullstein 1976 b. EYSENCK, H. J . : K r i m i n a l i t ä t u n d Persönlichkeit. Wien : E u r o p a Verlag 1977. EYSENCK, H. J . : Intelligenz: S t r u k t u r u n d Messung. Berlin: Springer-Verlag 1979. EYSESCK, H. J . , a n d EYSENCK, S. B. G.: Personality s t r u c t u r e a n d m e a s u r e m e n t . L o n d o n : R o u t l e d g e & Kegan P a u l 1969. EYSENCK, H. J . , and EYSENCK, S. B. G . : P s y c h o p a t h y , personality a n d genetics. I n : P s y c h o p a t h i c behaviour. Hrsg. HARE, R. D., and SCHALLING, D. L o n d o n : J o h n Wiley & Sons 1978. EYSENCK, H. J., EYSENCK, S. B. G., GATJGTTELIN, M., GAUGTTELIN, F., PASCAL, C., a n d PASCAL, D. : La s t r u c t u r e de la personalità chez des Francais c o n f r o n t e e a celle des Anglais: comparaison "cross-culturelle". La Personalità 1 (1980) 7 - 2 9 . EYSENCK, S. B. G., ADELAJA, O., a n d EYSENCK, H . , J . : A c o m p a r a t i v e s t u d y of personality in Nigerian a n d English subjects. J . Soc. Psychol. 102 (1977) 1 7 1 - 1 7 8 . EYSENCK, S. B. G., RTJST, J., a n d EYSENCK, H. J . : P e r s o n a l i t y a n d t h e classification of a d u l t offenders. Brit. J . Criminol. 17 (1977) 169-179. EYSENCK, S. B. G., WHITE, P. O., and EYSENCK, H. J. : P e r s o n a l i t y a n d m e n t a l illness. Psychol. R e p . 39 (1976) 1011-1022.
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Author's address: Prof. Dr. H. J. E Y S E N C K , Institute of Psychiatry, Department of Psychology Maudsley Hospital, University of London, London/England
Aus der Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin
Erwiderung zu „H. J. Eysenck: Psychoticism as a Dimension of Personality - a reply to Kasielke" V o n EDITH KASIELKE
EYSENCKS Erwiderung auf meinen B e i t r a g zu einigen P r o b l e m e n der P e r s ö n l i c h k e i t s d i a g n o s t i k im R a h m e n klinisch-psychologischer Fragestellungen
(KASIELKE,
1 9 8 0 ) g i b t mir Gelegenheit, einige meiner dort g e ä u ß e r t e n S t a n d p u n k t e noch zu •verdeutlichen. Z u n ä c h s t j e d o c h eine V o r b e m e r k u n g : E s k o n n t e natürlich
nicht
Anliegen des o. g. B e i t r a g e s sein — noch ist das in diesem R a h m e n möglich — eine g r u n d s ä t z l i c h e Auseinandersetzung mit der Persönlichkeitstheorie EYSENCKS ZU i ü h r e n , vielmehr ging es mir darum, auf einige P r o b l e m e bei der Anwendung v o n Persönlichkeitsfragebogen
bei klinisch-differentialdiagnostischen
Fragestellungen
hinzuweisen u n d vor einer unkritischen Ü b e r n a h m e bisher n i c h t genügend fundiert e r V e r f a h r e n zu warnen. D a b e i ist es j e d o c h unumgänglich, auch über die t h e o retische B a s i s einiger P r o b l e m e zu sprechen, und hier h a b e ich in der T a t grundsätzlich andere Auffassungen als EYSENCK, die ich im folgenden kurz skizzieren will, ohne auf alle E i n w ä n d e im Detail eingehen zu k ö n n e n . Z u n ä c h s t zur Diskussion u m die Anwendbarkeit des M M P I : I c h s t i m m e EYSENCK voll zu i m H i n b l i c k auf die P r o b l e m a t i k psychiatrischer Diagnosen. I c h h a b e m i c h verschiedentlich hierzu detailliert g e ä u ß e r t (vgl. u. a. KASIELKE u n d MATJSS, 1 9 7 6 ; KASIELKE, 1 9 8 1 ) . I c h plädiere wie er prinzipiell für die E r s e t z u n g des kategorialen durch
einen
dimensionalen
Ansatz.
Daß
jedoch
Kriterien-
und
Normierungs-
probleme n i c h t die H a u p t q u e l l e für die mangelnde Differenzierungsfähigkeit des Verfahrens darstellen — wie EYSENCK m e i n t — k o n n t e n wir eben m i t einer in der D D R a d a p t i e r t e n und n o r m i e r t e n K u r z f o r m (im B e i t r a g P P K V g e n a n n t ) eindeutig zeigen. Übrigens verwendet EYSENCK in eigenen wie in den von ihm zum Beweis seiner Thesen herangezogenen
U n t e r s u c h u n g e n ebenfalls ständig
psychiatrische
D i a g n o s e n ! ( v g l . z. B . E Y S E N C K u n d E Y S E N C K , 1 9 7 6 ) .
Nun zur Diskussion u m das EYSENCKsche P e r s ö n l i c h k e i t s k o n z e p t , speziell das P s y c h o t i z i s m u s k o n z e p t . H i e r m u ß ich die E i n w ä n d e EYSENCKS k l a r zurückweisen. E r b e h a u p t e t , meine Aussage, daß er Umwelteinflüsse f a k t i s c h negiere, b e r u h e auf e i n e m falschen Verständnis des Heritabilitätswertes. I c h weiß n a t ü r l i c h , wie solche W e r t e b e r e c h n e t werden. D o c h schon S ä t z e wie „. . . p o t e n t i a l l y identifiable env i r o n m e n t a l factors now a c c o u n t for 19 per cent of t h e reliable Variation of P ' t h e r e m a i n i n g 8 1 per c e n t being due t o genetical Variation . . . " (EYSENCK und EYSENCK, 1976;
S . 153) erlauben wohl u n m i ß v e r s t ä n d l i c h
diese I n t e r p r e t a t i o n , noch
ein-
388
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
deutiger und klarer aber spiegelt der folgende Satz die Meinung der Autoren zur Rolle von Umweltfaktoren wider: „The main conclusion to be derived from these computations is of course that the contribution of potentially identifiable environmental factors is desperately small." (S. 153, Hervorhebungen von mir. E . K . ) Wie anders als ein undifferenziertes Unterschätzen von Umweltfaktoren kann auch die Tatsache' verstanden werden, daß in einem zu dieser Thematik grundlegenden Werk (EYSENCK und EYSENCK, 1976) auf den 232 Seiten zwar sehr viel über genetische Faktoren gesagt wird, Geschlechtsunterschiede ausschließlich auf hormonelle Faktoren zurückgeführt werden, Umwelteinflüsse aber pauschal auf ,Unterschiede zwischen und innerhalb Familien' im Rahmen von Zwillingsuntersuchungen abgehandelt werden. Kein Wort findet man darüber, welche Umwelteinflüsse mit genetischen Faktoren wie interagieren und damit zur Entstehung von Krankheiten beitragen können. Damit werden die Erkenntnisse z. B. sozialpsychiatrischer R i c h t u n g e n ( i c h v e r w e i s e n u r a u f SCHWARZ u n d M i t a r b . , 1 9 7 1 ; W E I S E u n d THOM,
1968; KABANOW, 1974; BACH und Mitarb., 1974) weitgehend negiert. Auf diesem Hintergrund ist es fast überraschend, auch solche Sätze von EYSENCK (1980) im Zusammenhang mit der Diskussion der Ursachen der Psychopathien zu finden: „Insgesamt gesehen scheint wenig Zweifel zu bestehen, daß Psychopathie, Kriminalität und antisoziales Verhalten eine starke genetische Komponente besitzt, obwohl es natürlich absurd sein würde, die Bedeutung von Umgebungsfaktoren zu leugnen. Diese müssen natürlich immer mit den genetischen Faktoren interagieren, um das phänotypische Verhalten hervorzurufen, was wir dann in unserer Untersuchung beobachten können." (S. 332). Gerade weil diese Interaktion das E n t scheidende ist, erscheint uns die Frage, ob Erbe oder Umwelt stärker ein Verhalten determinieren, sekundär (vgl. auch IRLE, 1975). Sie muß vielmehr heißen: Unter welchen Bedingungen sind welche Persönlichkeitsmerkmale in welchem Maße modifizierbar? Natürlich negieren marxistische Persönlichkeitspsychologen nicht d a s V o r h a n d e n s e i n v o n E r b a n l a g e n (vgl. u . a . RUBINSTEIN, 1 9 6 2 ; LEONTJEW, 1 9 6 4 ; SCHMIDT, 1 9 7 0 , 1 9 7 2 ; HIEBSCH u n d VORWERG, 1 9 7 2 ; SÈVE, 1 9 7 2 ; TOBACH, 1 9 7 6 ;
VORWERG und SCHRÖDER, 1980), nur ist eben die Wechselwirkung zwischen Dispositionen und deren Modifizierbarkeit durch eine Vielzahl interner und externer Faktoren außerordentlich kompliziert und die „simple Annahme der Zwillingsmethode, gleiche Umwelten führten zu gleichartiger Ausprägung, différente Umwelten zu unterschiedlicher Ausprägung einer Eigenschaft, ist viel zu unspezifisch" (IRLE, 1975; S. 209) i . Auch und gerade im klinisch-psychologischen Problembereich geht es um die differenzierte Aufklärung dieser Wechselwirkung, um Therapie und Prophylaxe gezielter einsetzen zu können. In diesem Zusammenhang ist die diagnostische Erfassung relevanter Persönlichkeitsmerkmale, die im psychopathologischen Bereich differenzieren, eine wichtige Aufgabe. Trotz der genannten Einwände gegen das genetische Konzept sind die 1 Auf die Angabe weiterer methodischer Einwände gegen die Zwillingsmethode sei hier verzichtet, der interessierte Leser sei u. a. auf IRLE, 1975; ScHEPANK, 1974; CATTELL und Mitarb., 1980 verwiesen.
EDITH KASIELKE, Erwiderung zu H . - j . E y s e n c k
389
Untersuchungen E Y S E N C K S zur E - und N-Dimension durch ihren neuartigen Ansatz (dimensionales Vorgehen), ihre weitgehende empirische und experimentelle Fundierung auf psychologischer und physiologischer Ebene außerordentlich fruchtbar für die Entwicklung gerade auch der klinisch-psychologischen Diagnostik gewesen. Eine Erweiterung des diagnostischen Inventars um eine möglicherweise für weitere Störungsformen relevante Grunddimension ist daher in jedem Falle überprüfenswert. E Y S E N C K hat zweifellos Recht mit dem Einwand, die Untersuchung von KRTTCK (1978) allein reiche nicht aus, um die Unbrauchbarkeit einer Psychotizismusdimension nachzuweisen. Er hat jedoch die Zielstellung dieser Untersuchung mißverstanden. Da die P-Skala schon nach einer inhaltlichen Analyse im Gegensatz zu den E-, N- und L-Skalen recht inhomogen erschien, mußte zunächst geprüft werden, ob sich die von E Y S E N C K zitierte sehr aufwendige Prozedur der Adaptation des Verfahrens überhaupt lohne. In Übereinstimmung mit Ergebnissen inzwischen veröffentlichter Untersuchungen mit einer Vorform des E P I (BATJMANN und D I T T R I C H , 1975, 1976), die auf hinreichenden Adaptationsprozeduren basierten, sowie der kürzlich erschienenen Studie von B A U M A N N und R Ö S L E R (1981), die wie wir die übersetzte, überarbeitete Fassung der P-Skala benutzten, aber an Normalpersonen arbeiteten, kann leider nur wieder bestätigend festgestellt werden, daß es sich bei dieser Skala keineswegs um eine genügend homogene, „Psychotizismus" genau erfassende, im Normal- und im psychopathologischen Bereich hinreichend differenzierende Skala handelt. Alle Faktorenanalysen weisen nicht eindeutig auf das Vorliegen eines P-Faktors hin. Gegen den Einwand von EYSENCK, unsere negativen Ergebnisse seien allein durch eine unzureichende methodische Bearbeitung zu erklären, spricht weiterhin, daß die E - und N-Skalen, die in gleicher Weise wie die P-Skala nur übersetzt und an unserer Population normiert wurden, in gewohnt guter Weise differenzierten und eindeutige Faktoren ergaben. Die bisher im Vergleich zu E und N theoretisch wie empirisch weniger gute Fundierung der P-Skála dürfte also dafür verantwortlich sein. So interessant die nunmehr von E Y S E N C K (1980) vorgenommene Einteilung in primäre und sekundäre Psychopathien ist und damit eine Auflösung des von mir angegebenen Widerspruchs zu früheren Veröffentlichungen (EYSENCK und RACHMAN, 1967) versucht wurde, scheint mir doch gerade die Zusammenstellung der empirischen und experimentellen Befunde ebenfalls zu zeigen, daß die Psychotizismusdimension noch sehr wenig belegt ist. Wir sollten uns also davor hüten, uns durch die Verwendung auf stark vereinfachten und damit nicht haltbaren Konzepten (Psychosedisposition) basierender Verfahren den. Zugang zum Verständnis und zur Erfassung psychopathologischer Phänomene zu verschließen. Wir sollten vielmehr gemeinsam weiter daran arbeiten, alle Bedingungen für die Entstehung psychischer Störungen schrittweise aufzuklären und ein differenzierendes diagnostisches Inventar zu schaffen, das den von mir dargestellten Zielstellungen zu genügen vermag (KASIELKE, 1980; S. 416).
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
390
Zusammenfassung E Y S E N C K S kritische Einwände werden diskutiert und zurückgewiesen. Wohl in weitgehender Unkenntnis marxistisch fundierter Persönlichkeitskonzepte mißversteht E Y S E N C K unsere Kritik seiner zu einseitig genetisch orientierten Konzeption. Die Bedeutung von Interaktionsmodellen sowie die Fragwürdigkeit der Anwendung der Zwillingsmethode werden daher nochmals hervorgehoben. Ergebnisse inzwischen veröffentlichter weiterer Untersuchungen mit der P-Skala bestätigen unsere Befunde und Aussagen über die Unbrauchbarkeit dieser Skala.
Summary E Y S E N C K S critical objections are discussed and rejected. Missing knowledge of Marxist personality theories may have.resulted in hi§ mistaken understanding of our critical discussion of his onesided genetical analysis. Therefore the importance of models of interaction and the questionable application of the twin method is being emphasized once more. The results of further investigations which have been published in the meantime are in correspondence with our own findings and statements and confirm the uselessness of the /'-Scale.
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SCHEPANK,
Anschrift des Verfassers: D o z . D r . s c . EDITH KASIELKE,
Sektion Psychologie der Humboldt-Universität Berlin, DDR-1020 Berlin, Oranienburger Str. 18
Aus den Neurologisch-Psychiatrischen Kliniken des Städtischen Klinikums Berlin-Buch und dem Bezirksfachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Ueckermünde
Zur Erfassung des Therapieerlebens in offenen und geschlossenen Gruppen mit dem GRP20 von
SPEIERER
V o n H . EICHHORN, CHRISTEL NISCHAN u n d G . R O S E N F E L D
1. Zu Problemen der Psychotherapieforschung Die Psychotherapie hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine stürmische E n t wicklung genommen, die sich vor allem in einer Verbreitung psychotherapeutischen Denkens und Handelns in der ärztlichen und psychologischen Praxis erkennen läßt. Es läßt sich aber nicht übersehen, daß diese — sehr begrüßenswerte — Entwicklung quantitativer Art von einer gleichzeitigen Vernachlässigung der theoretischen Integration begleitet ist. In der zugänglichen psychotherapeutischen Forschung scheinen sich abzuzeichnen: 1. Psychotherapieforschung auf dem Boden der klinischen Praxis, mit großem Praxisbezug bei gleichzeitiger Vernachlässigung theoretischer — insbesondere sozial- und klinisch-psychologischer Grundlagen (sogenannte „naturalistische" Forschung) und 2. Psychotherapeutische Laborforschung auf hohem theoretischem Niveau und mit großer methodischer Exaktheit, aber geringer Praxisrelevanz (sogenannte „experimentelle" Forschung). Die Tendenz, praktische Arbeit am Patienten mit Forschungsfragen zu verbinden (sogenannte „semiexperimentelle" Forschung) — somit gleichsam in situ zu forschen und damit unmittelbare Praxiswirksamkeit zu erreichen — gehört noch zu den selteneren Erscheinungen, so daß leider eine große Zahl von Veröffentlichungen aus den psychologischen Laboratorien für die klinische Praxis kaum bedeutsam sind. Wir meinen ausdrücklich, daß sich die psychotherapeutische Forschung mehr der praktischen Ebene nähern sollte. Die Analyse der „natürlichen", „praxisrelevanten", „klinischen" Variablen als potentielle Einflußfaktoren auf den Therapieverlauf halten wir für den besonderen Vorzug solcher „Feldexperimente". Die dabei gewonnenen Ergebnisse könnten dem theoretischen Streit von der „Widerläufigkeit pragmatischer Relevanz und methodischer Sauberkeit" (GRAWE, 1976, S. 56) ein Ende bereiten. Auch KIESLER (1977, S. 116) hält ein solches Vorgehen für durchaus legitim und f ü h r t es auf das Grundanliegen zurück, die Frage nach der Wirksamkeit der Psychotherapie zu beantworten: „Die Frage nach der Psychotherapie als einer handwerklich-praktischen Tätigkeit ließe sich möglicherweise dadurch beantworten, wenn Gesellschaft oder Therapiepraktiker sich auf Werte zur eindeutigen Be-
H. EICHHORN U. a., Therapiecrleben mit dem G R P 2 0 von Speierer
393
Stimmung von Kriterien einigen könnten, mit deren Hilfe praktizierende Therapeuten zu bewerten wären. Diese Frage ist für die Wissenschaft von keiner unmittelbaren Bedeutung. Die Frage nach der Psychotherapie als Wissenschaft von der Verhaltensmodifikation kann erst durch die künftige Entwicklung von Theorie und Forschung im Bereich der Verhaltensmodifikation beantwortet werden, aber auch dann nie endgültig." Bemühungen, die „Gretchenfrage" der Psychotherapie zu beantworten, führten zu einer großen Anzahl von Arbeiten mit „Alibicharakter" und erstaunlich ähnlichen Ergebnissen bei völlig verschiedenartigen Techniken. B e trachtungen über Therapievariablen und différentielle Aspekte wurden meist nicht angestellt. KIESLEB hat 1966 mit der Theorie vom „Homogenitätsmythos" der Patienten und Therapeuten und seinem „Gitter-Modell für die psychotherapeutische Theorie und P r a x i s " (1969) einen entscheidenden Schritt nach vorn getan. I m Anschluß an die von S TRUPP und BERGIN (1969) aufgeworfenen Probleme hält er es für erforderlich, die komplexe Fragestellung „welche Behandlung, durch wen, ist für dieses Individuum mit diesem spezifischen Problem unter welchen Bedingungen am effektivsten?" zu bearbeiten. Aber auch KIESLER — wie die meisten Psychotherapieforscher — übersieht dabei, daß Krankheit und Gesundheit gesellschaftliche Phänomene sind und daß es deshalb bei solchen Untersuchungen zusätzlich darauf ankommt, den K o n t e x t der gesellschaftlichen Bedingungen zu beachten und in die Analyse der Ergebnisse einzubeziehen. Sein Gittermodell bedarf deshalb u. E . einer Erweiterung um die soziale Dimension. Gerade in eihem Bereich wie der Psychotherapie erscheint es uns wichtig festzustellen, daß Medizin nicht wertfrei ist, was somit auch in der Forschung berücksichtigt werden muß. Eine effektive Psychotherapieforschung ist u. E . deshalb nur denkbar, wenn sich psychotherapeutische Praktiker, methodische Theoretiker und Experimentatoren sowie Gesellschaftswissenschaftler zu gemeinsamen Studien zusammenschließen könnten. Da gegenwärtig weder die Beantwortung der KlESLERschen Fragen noch die Erfüllung der zuletzt genannten Forderungen möglich ist, werden Forschungsergebnisse nur einzelne Teilquadranten im „Gitter-Modell" ausfüllen können, mit der problematischen Reduktion auf wissenschaftsimmanente Gesichtspunkte (HOLZKAMP, 1972). Sehr wesentlich stehen die Schwierigkeiten der Verwirklichung des Forschungsplanes von KIESLER mit der Diskrepanz zwischen diagnostischer und therapeutischer Forschung in Zusammenhang. Die beiden Bereiche haben sich bislang weitgehend unabhängig voneinander entwickelt, ohne zu beachten, daß „die Diagnostik und Behandlung von Verhaltensstörungen . . . jedoch ein ineinanderübergehendes System . . . ist . . ., dessen Unterteilungen wechselseitig voneinander abhängig sind" (BASTINE, 1970, S. 553). Die
Ergebnisse
der Gesprächspsychotherapieforschung
(TAUSCH, 1 9 7 4 ,
HELM,
1978, FROHBURG, 1974) weisen darauf hin, daß die sogenannten Prä-Post-Erhebungen zu möglicherweise invaliden Ergebnissen führen, da lediglich die Annahme eines linearen Therapieverlaufes ein solches Vorgehen rechtfertigen könnte. Es ist erforderlich, diagnostisch-therapeutische Meßmittel zu schaffen, die in der
394
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
Lage sind, den Veränderungsprozeß kontinuierlich zu erfassen. E s sollte sich dabei um therapiezielorientierte Veränderungen handeln, von denen angenommen wird, daß sie auch therapieextern reproduzierbar bzw. für den Patienten und sein sozialesUmfeld förderlich sind. E s gibt dann keinen Widerspruch Erfolgs- versus Prozeßforschung, beides ist unmittelbar verbunden. Die Entwicklung geeigneter Meßmittel scheiterte bisher am „Erfolgs-Homogenitätsmythos" (KIESLER) in den verschiedenen Theoriegefügen, bzw. an der fälschlichen Annahme einheitlicher Kriterien für psychotherapeutische Prozesse und Erfolge. F ü r die Mehrheit der psychotherapeutischen Techniken, Methoden und Systeme gibt es keine spezifischen Veränderungsmeßinstrumente. Am weitesten sind die Bemühungen im Bereich der Gesprächspsychotherapie gediehen (HELM, 1978). Gruppenpsychotherapieiorschung Das, was für Psychotherapieforschung insgesamt gilt, muß auch und sogar b e sonders für die Erforschung gruppenpsychotherapeutischer Prozesse gelten. Während die Therapieprozesse der Dyade relativ überschaubar stattfinden, sind die Verhältnisse in der Gruppe verwickelter. Die Zahl der Variablen ist größer, viele Variablen sind weitgehend unbekannt und die Komplexität des Geschehens ist sehr schwer kontrollier- und steuerbar. Differentielle Aspekte im Sinne KIESLERS sind gegenwärtig noch nicht erforscht. Auch HÖCK und HESS (1979") betonen diesen Aspekt, bauen aber selbst einen neuen „Gruppenhomogenitätsmythos" auf, indem sie davon ausgehen, daß es die Gruppe an sich gibt, in der der Gruppenprozeß eine förderliche Wirkung auf den Patienten ausübt. Als Möglichkeit für die Erforschung des „komplexen und komplizierten Prozesses" sehen sie im wesentlichen drei Ansätze: 1. Erfassung des Gruppenprozesses unter formalem Aspekt (z. B . Interaktionshäufigkeiten) 2. Erfassung des Gruppenprozesses unter inhaltlichem Aspekt (z. B . Interaktionsanalysen) 3. Erfassung des Gruppenprozesses unter strukturellem Aspekt (z. B . Gruppensoziogramme) U. E . berücksichtigt dieser Forschungsansatz in ungenügendem Maße die Individualität des Einzelnen in der Gruppe und die Dialektik seiner Beziehungen zur Gruppe. Nicht analysiert wird der Verlauf des Einzelnen und die Beziehung des Prozesses des Einzelnen zum Therapieerfolg. W i r meinen, daß auch das perfekteste Design eines Gruppenprozesses für den Einzelnen irrelevant sein kann, bzw. daß die Entwicklung des Einzelnen durchaus nicht immer zum Gruppenprozeß konkordant verlaufen muß. Wir messen deshalb dem Selbsterleben des Einzelnen in der Gruppentherapie große Bedeutung zu. ENKE und LERMER (1978) rechnen zu den Meßmitteln und Meßverfahren, die das Erleben der Gruppenmitglieder zu erfassen suchen, neben der Soziometrie, Distanzkonfigurationen und Befindensfragebögen auch die Messung von Erlebniskorrelaten durch soziophysiologische Verfahren. Erleben beziehen sie dabei auf Selbst- und Fremderleben.
H. EICHHORN U. a., Therapieerleben mit dem G R P 2 g v o n Speierer
395
Theoretische Einordnung des eigenen Ansatzes und Fragestellung Unsere Überlegungen basieren auf der Annahme des differenten, nämlich individuellen Erlebens eines möglicherweise einheitlichen Gruppenprozesses. Diese Arbeitshypothese könnte die differenten Therapieergebnisse nach Gruppenpsychotherapie erklären, bedarf aber der Untermauerung. Die Komplexität des Untersuchungsfeldes zwingt zur didaktischen Auflösung. Wir sind gezwungen, eine Reduktion der offenen Fragen auf die, die wir zu bearbeiten in der Lage sind, sowie auch die Auflösung in notwendige Teilschritte vorzunehmen. Wir betonen dabei ausdrücklich, daß wir ein in der klinischen Praxis sich bewährendes Verfahren anstreben, und keine „Mehr-desselben-Lösung" (WATZLAWICK et al., 1974), die eine bloße Verfeinerung der Design-Techniken darstellt. Mit anderen Worten: Es geht uns nicht um das Verfahren an sich, sondern um dessen Anwendbarkeit. Wir schließen uns H O L Z K A M P (1972, S. 13) an, der schreibt: „Die Hoffnung, daß die Relevanz und Integration psychologischer Forschungsresultate sich allmählich schon von selbst einstellen wird, wenn man nur auf demselben Wege der immer größeren Präzisierung der Design-Techniken und der Meßund Prüfmethodik konsequent fortfährt, muß als Utopie bezeichnet werden." Für die Abbildung des Gruppenprozesses sind insbesondere durch HÖCK. und H E S S (1976) eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt worden und praktikable Instrumente vorgestellt worden. Es kann aber bisher nicht davon ausgegangen werden, daß es für das Erleben der Teilnehmer geeignete Meßmittel gibt, bzw. daß dazu in der DDR Erfahrungen und Ergebnisse publiziert wurden. Wir standen vor der Aufgabe, eine für Gruppenmitglieder geeignete Methode zur messenden Erfassung des Erlebens zu finden und diese für unsere Therapieform zu überprüfen. Der zweite Schritt muß auf den Nachweis zielen, daß dieses therapieinterne Erleben mit dem Therapieerfolg korreliert. Wir wollen hier über unser Vorgehen bei der Erfüllung des ersten Schrittes berichten. 2. Beschreibung des Untersuchungsverfahrens Um die Änderungsrelevanz von Gruppenprozessen beurteilen zu können — denn es kann ja nicht darum gehen, daß der Patient irgendwelche Gruppenerlebnisse sammelt und verarbeitet und daß das Erleben einer Gruppe schlechthin therapeutisch wirksam ist — müssen ,die Prozeßvariablen operational definiert und quantitativ erfaßt werden. Auf der Suche nach einem praktikablen Verfahren fiel unsere Wahl auf den von S P E I E R E R ( 1 9 7 6 ) entwickelten Gruppenprozeßstundenbogen GRP2O, den wir routinemäßig bei offenen und geschlossenen Gruppen einsetzen, die über 1 0 Wochen eine intendierte dynamische Gruppentherapie nach H Ö C K durchlaufen. Wir teilen auf vierjährigem Datenmaterial beruhende Erfahrungen mit, da der G R P inzwischen auf breites Interesse gestoßen ist und auch Versuche seiner Modifikation unternommen werden, ohne daß unseres Wissens für die DDR eine Analyse und Überprüfung des Fragebogens in seiner vorliegenden Form erfolgte.
396
Z. Psychol. B d . 189 (1981) H. 4
Beim G R P handelt es sich um eine in der klinischen Praxis anwendbare, relativ einfache methodische Kontrollmöglichkeit zur Erfassung der Gruppenprozesse von der Erlebensseite der Teilnehmer her. Der G R P objektiviert „einen Ausschnitt sozialer Erfahrung, der . . . nicht nur vom klientenzentrierten Konzept der Selbsterfahrungsgruppe, sondern auch von der sozialpsychologischen Kleingruppenforschung sowie der Gruppenpsychotherapieforschung anderer therapeutischer Richtungen als bedeutsam angesehen wird". (SPEIERER, 1976, S. 85) Diese Offenheit des Verfahrens bietet die Chance, Gruppenprozesse und Prozeß-Ergebnis-Beziehungen unter verschiedenen Formen der Gruppenleitung zu beschreiben und zu vergleichen. Im einzelnen werden folgende fünf faktorenanalytisch definierte Bereiche des Gruppen- und Therapieerlebens erfaßt: Faktor 1 : Sympathie, Vertrauen, Verständnis und Hilfe (Gruppensolidarität) Faktor 2 : Freiheit von Angst und Streß Faktor 3 : Offenheit, Auseinandersetzung und Feedback Faktor 4 : Transparentwerden fremden und eigenen Erlebens Faktor 5 : Hilfe und Nähe des Gruppentherapeuten Item Nr. 8 : Bewertung des psychologischen Nutzens der Gruppensitzung.
3. Fragestellungen, Methodik und Ergebnisse 3.1. Überprüfung der Faktorenstruktur des GBP 2 o Zur Überprüfung der Reliabilität und faktoriellen Validität unter unseren gesellschaftlichen Verhältnissen wurden Faktorenanalysen durchgeführt. Sie zielten auch daraufhin, Hinweise für eine eventuell notwendige Überarbeitung des Verfahrens zu gewinnen. Die lineare Struktur des GRP20 wurde entsprechend dem Faktorenmodell von THURSTONE in 5 Stichproben (133 Probanden je Stichprobe, das sind 17 Gruppen insgesamt) untersucht. Wir wählten die 10. bis 14. Sitzung von 30 Sitzungen ä 90 Minuten, um zu überprüfen, ob die Reliabilität der Faktoren, die von S P E I E R E R für den Beginn der Gruppenentwicklung nachgewiesen werden konnte, auch für den mittleren Teil bestätigt werden kann. Im Vergleich zu S P E I E R E R ist unsere Stichprobe homogener, was die therapeutische Orientierung, die formale Gestaltung der Sitzungen und die Probanden angeht — es handelt sich um Psychotherapiepatienten geschlossener-Gruppen. Nach dem Scree-Test waren 6 Faktoren zu extrahieren, die mit der Hauptkomponentenmethode berechnet wurden. Das orthogonale Faktormuster wurde nach dem Varimaxkriterium von K A I S E R ZU einer Einfachstruktur rotiert. 1 1 Die teilweise selbstgeschriebenen Programme sowie die Rechenunterlagen können von Interessenten eingesehen werden.
H. EICHHORN U. a., Therajiieerleben mit dem GRP2Q von Speierer
397
Tabelle I. Orthogonales F a k t o r m u s t e r einer Stichprobe. In den Spalten stehen die Ladungen der F a k t o r e n Faktoren
Items 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 *3 14 15 16 17 18 19 20 Varianzen
Kommunalit ät
.57 .16 -.02 -.07 .35 -.03 -.11 .33 -.07 -.16 -.07 .09 .28 .03 .73 .76 .08 .16 .18 .26
.11 .14 -.01 -.15 .77 .17 -.09 .17 .20 .65 .67 .09 .17 .21 -.01 .00 .01 .46 -.04 .31
-.02 -.23 -.39 -.60 .08 -.00 -.13 -.03 -.33 -.06 .14 -.11 .14 -.07 .15 .03 .02 .15 .12 .15
-.11 -.68 -.04 -.01 -.14 -.36 .65 -.16 -.03 -.07 -.25 -.53 -.75 -.31 -.20 -.13 .01 -.14 -.11 -.29
-.05 .10 .02 .13 .10 .06 -.21 .03 -.29 -.16 .10 .13 .01 .59 .09 .27 .16 .18 .69 .19
1.94
2.01
0.84
2.24
1.22
-.11 .02 .07 .00 -.11 .14 .16 .08 • .46 .21 .26 .04 .10 -.01 .14 .11 .55 -.19 .15 .07
.36 .67 .39 .41 .75 .54 .55 .45 .46 .56 .67 .33 .69 .49 .63 .68 .34 .34 .57 .49
0,81
Die Gesamtkommunalität beträgt 10,39, das sind 52% des durch die Faktoren erklärten Anteils an der gesamten standardisierten Varianz (Abb. 1). Weiterhin wurde die Signifikanz der Faktormuster geprüft. Die Häufigkeitsverteilungen der Residuenkorrelationen sind Normalverteilungen mit Mittelwerten, die nicht signifikant von Null abweichen, und deren Varianzen kleiner als 0,07 sind. Danach sind 6 Hauptkomponenten zur Reproduktion der Korrelationsmatrix ausreichend (ÜBERLA, 1968). Die vom faktorenanalytischen Ansatz her entwickelte P r ü f g r ö ß e y2 = (N— 1) In
\R+\
|i?+| — Determinante der reproduzierten Korrelationsmatrix Ii?] — Determinante der beobachteten Korrelationsmatrix N — Stichprobengröße ergab für alle 5 Stichproben signifikante Werte (WEBER, 1974). E r s t F a k t o r m u s t e r m i t 7 und m e h r Faktoren zeigten keine Signifikanzen und damit eine v o m statistischen S t a n d p u n k t her befriedigende Übereinstimmung von beobachteter und reproduzierter Korrelationsmatrix. J e d o c h sind bei Faktorlösungen mit mehr als 6 Faktoren die Beiträge zusätzlicher Faktoren zur G e s a m t k o m m u n a l i t ä t gering ( 4 , 5 ° / 0 ) u n d ihre Interpretation schwierig. Es wurde d a r u m die zu gut i n t e r pretierende 6Faktorenlösung für die wsitere Analyse bevorzugt. Die Signifikanz der Prüfgröße yp bei 6 Faktoren könnte im Zusammenhang stehen mit der Empfindlichkeit des Testes gegen A b weichungen von der Normalverteilung. 27
Z . P s y c h o l o g i e 189-4
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
398
5 13 16 2
Kommunalitäten
11
15 19
I
E
10
7 6 20
E
i)
19 9 8
U 1
17 18
d
MEinzelrestvarianteTv
12
3
Gesamt - Kommu nal it ä t - G e s a m t - V a r i a n z — Abb. 1. GRP-Kommunalitäten und Einzelrestvarianzen (orthogonales Faktorenmuster 2. Stichprobe
Um die Reliabilität des Faktormusters zu untersuchen, wurden die Ähnlichkeitskoeffizienten nach GEBHARDT (1967) zwischen den Faktormatrizen und die Ähnlichkeitskoeffizienten der einzelnen Faktoren nach WRIGLEY und NEUHAUS (1960) zueinander berechnet. Es wurden die Faktormatrizen linear so transformiert, daß der Abstand zwischen ihnen minimal wird (ROPPERT, FISCHEK, 1965). Der Abstand ist definiert als Spur [(AL-B) (AL—B) T ] A, B-Faktormatrizen L-Transformationsmatrix Danach erfolgte die Berechnung der Koeffizienten (Abb. 2 und 3). Alle Werte der Ähnlichkeitskoeffizienten zwischen den Matrizen liegen über 0 , 8 . Nach GEBHARDT (1967) sind die Matrizen als ähnlich zu beurteilen. Das Faktorenmuster scheint für die Stichprobenpopulation stabil zu sein, so daß man sich auf die Analyse einer Matrix beschränken kann.
H.
E I C H H O R N U.
a., Therapieerleben mit dem GRP20 von Speierer
Stichprobe 1 2 3 4 5
1
2
3
4
.89 .89 .88 .82
.88 .86 .81
.84 .83
.83
399
5
Abb. 2. Ähnlichkeitskoeffizienten R der fünf Faktormatrizen
Faktoren 1 1 2
2
3
4
5
6
.98 .90
3 c
01 T_
O
L
^
15
.93 .90
6
Abß. u. Knnlichkeitskoeffizienten zwischen den einzelnen Faktoren (Medianwert der 5 Stichproben)
Die Ähnlichkeitskoeffizienten der Faktoren zueinander zeigen teilweise hohe Werte. Diese Faktoren sind offenbar stabil. Dagegen sind die Koeffizienten für die Faktoren 3 und 6 deutlich niedriger. Beide Faktoren stehen in Zusammenhang mit dem Gefühl der Angst. Diese Seite des Erlebens scheint durch den GRP 2 o nicht zuverlässig abgebildet zu werden. Nachdem sich insgesamt die Reliabilität des GR.P20 über fünf Gruppenstunden in der Mitte der Therapie bestätigt hatte, wurde das orthogonale Faktormuster zu schiefwinkliger Einfachstruktur rotiert. Damit wird man den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Erlebnisdimensionen in der Realität besser gerecht. Die Einfachstruktur wurde mit dem BARGMANNtest auf Signifikanz geprüft (ÜBERLA, 1974). Die Struktur wurde so transformiert, daß möglichst viele Faktoren signifikante Hyperebenen haben. Mit der standardisierten Transformationsmatrix wurde die orthogonale Faktormatrix in die schiefwinklige Struktur überführt. Zur Interpretation der Faktoren wurde die Matrix der Reference-Vektorstruktur herangezogen (Tab. II). Vergleicht man die gefundene Struktur mit der von SPEIERER, angegebenen, so zeigen sich in den Markieritems außer für Faktor 3 und dem zusätzlichen Faktor 6 sehr gute Übereinstimmungen (Tab. III). Die 6-Faktorenlösung ist gegenüber der 5-Faktorenlösung von SPEIERER für die untersuchte Population neurotisch erkrankter Patienten sowohl vom statistischen Gesichtspunkt wie auch inhaltlich gerechtfertigt. 27*
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
400
Tabelle II. Schiefwinklige Struktur der Reference-Vektoren. In den Spalten stehen die Korrelationen der Items mit den Reference-Vektoren Items 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 IQ 17 18 19 20
Reference-Vektoren .43 .05 .08 .03 .09 -.02 .07 .32 .01 -.24 -.17 -.00 .07 -.03 .67 .72 .23 -.02 .28 .18
-.01 -.04 -.35 -.57 .08 -.10 -.30 .01 -.33 -.06 .19 .03 .31 .04 .17 .04 .01 .18 -.06 .22
.05 -.01 -.05 -.03 .68 -.01 .01 .03 .07 .48 .52 .02 .00 .36 -.07 .04 .05 .42 .18 .19
-.01 -.50 .04 -.05 .06 -.17 .51 .05 -.02 .04 -.05 -.42 -.62 -.17 -.03 .06 .08 .00 .06 -.05
-.21 -.07 .01 .10 -.04 .03 -.04 -.05 -.21 -.12 .10 .01 -.17 .48 -.07 .10 .23 .07 .62 .09
-.07 -.04 .00 -.01 .13 .02 .21 .00 .49 .37 .37 .01 .08 .02 .06 .04 .47 -.06 .05 .03
Tab. III. Faktorstruktur des GRP2o mit Markieritems: O — Speierer, + — DDR-Kontrollgruppe
Faktoren^^ FT (Gruppen kohäsion)
1 2 3 4 5 6 7 8 9
©
©
F2 (Offenheit, Feedback) F3 (Freiheit von Angst) F4 (Nähe des Therapeuten) F5( T r a n s parenz) F6( Angst)
10 11 12* 13 14 15 16 17 18 19 20
© ® ®
©
+
©© O
o
0 ®
©
© O
©
©© ©
+ + +
o
©
+
Die deutlich niedrigeren W e r t e der F a k t o r e n 3 u n d 6 sind interessant, da beide m i t der E r f a h r u n g v o n A n g s t f r e i h e i t b z w . A n g s t und S t r e ß in Z u s a m m e n h a n g stehen. Der G R P e r f a ß t diese Seite des Erlebens, wie bereits festgestellt, wenig zuverlässig. Nach den Markierungsitems w a r es eindeutig möglich, die G R P - F a k t o r e n
H. EICHHORN U. a., Therapieerleben mit dem G R P M von Speierer
401
F j , F 3 , F 4 und F 5 von SPEIBEER ZU identifizieren, während sich der F a k t o r „Freiheit von Angst und S t r e ß " in unseren Analysen in zwei Komponenten aufzuspalten scheint; in einen Faktor, der Angst und Verunsicherung repräsentiert — ohne eigentlich therapeutisches Geschehen, und einen zweiten, der Angst in Verbindung mit Feedback repräsentieren könnte (erfahren, wie man auf andere wirkt; Auseinandersetzung). Bereits im Stadium der praktischen Erprobung gewannen wir den Eindruck, daß sich der sogenannte Angstfaktor (Faktor 2 : Freiheit von Angst und Streß) als praktisch nicht aussagefähig und kaum differenzierend erwies. Eine Betrachtung der von SPEIERER publizierten Faktorenanalyse verstärkte Zweifel an der Zuordnung einzelner Fragen zum F a k t o r Angst. — „Die Erfahrung der Freiheit von Angst und Streß steht im positiven Zusammenhang mit der Infragestellung eigener Ideale" — die Ladungen der betreffenden G R P - I t e m s 3 und 4 stehen in der SPEIERERSchen Analyse dazu praktisch im Widerspruch, auch wenn diese Aussage dem G T - K o n z e p t entspricht. — Die hohe positive Korrelation von Angstfreiheit (Item 4) und dem Entdecken persönlicher Probleme (Item 6) überrascht, da nach Selbsterfahrungserlebnissen das Entdecken persönlicher Probleme häufig mit Spannungen und Angst verbunden ist bzw. zumindest sein kann. I m Zusammenhang mit den durch die vorliegende Faktorenanalyse gewonnenen Ergebnisse kann festgehalten werden: Der Angstfaktor erweist sich bei unserer Population nicht aussagefähig. Seine Bedeutung für den therapeutischen Nutzen bleibt unklar. Eine Neubearbeitung erscheint unumgänglich. Im übrigen aber läßt die zuverlässige Reproduzierbarkeit von 4 Faktoren auf die Anwendbarkeit des G R P in der D D R schließen. 3.2. Möglichkeiten des GRP bei der Analyse von Besonderheiten des Therapieerlebens in offenen und geschlossenen Gruppen Wir gingen an einer Stichprobe von 10 offenen und 10 geschlossenen Gruppen (Angaben von 160 Patienten in 600 Sitzungen) der Frage nach, welche Besonderheiten offene und geschlossene Gruppen im Ablauf und Erleben der Mitglieder zeigen. Uber eine Konkordanzanalyse kamen wir zu dem überraschenden Ergebnis, daß sich in offenen Gruppen durchweg, mit nur kleinen Unterbrechungen, eine signifikant übereinstimmende Erlebensstruktur zeigte (Abb. 4). Der E i n t r i t t neuer Gruppenmitglieder veränderte daran nichts. Anders das Bild bei geschlossenen Gruppen: In den ersten, von Pseudointegration gekennzeichneten Stunden ist das Erleben konkordant. Die Konkordanz verliert sich in der Auseinandersetzungsphase und wird erst wieder signifikant nach Konsolidierung der Gruppenstruktur. E s läßt sich danach vermuten, daß in offenen Gruppen fast durchgängig, in geschlossenen Gruppen phasenabhängig, eine einheitliche faktorielle Erlebensstruktur existiert. Demzufolge ist es möglich, die Mittelwertprofile — die oben genannten Einschränkungen beachtend — als Prozeßindikatoren des Therapieverlaufs zu verwenden. In offenen und geschlossenen Gruppen sind unterschiedliche Verlaufs-
402
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
qualitäten zu beobachten. Die Untersuchungen zur weiteren Abklärung der hier kurz dargestellten Probleme sind noch nicht abgeschlossen.
offene Gruppe ^ Neuzugänge
W 1,0-
geschlossene Gruppe
0,5
10
15
20
25
Abb. 4. Übereinstimmung des Gruppen- und Therapieerlebens der Patienten am Beispiel des Verlaufs einer offenen und geschlossenen Gruppe
4. Demonstration praktischer Anwendungsmöglichkeiten Jedes Gruppenmitgliedhat nach jeder Gruppensitzung die 20 Items des G R P auf einer sechsstufigen Skala einzuschätzen. Dem Therapeuten stehen damit Einzelund Gruppenmittelwerte für jeden Faktor als Feedback der Gruppensituation zur Verfügung. Anhand der Mittelwertkurven auf einer grafischen Darstellung kann er sich schnell über den Verlauf des Therapieerlebens in sämtlichen bisherigen Gruppensitzungen informieren. Der Stand der Gruppenentwicklung, phasenspezifische Verläufe (Abb. 5) bzw. auch Stagnation und Verzögerung kommen zum Ausdruck. Gruppentherapeuten schätzen die phänomenologische Abbildung der Gruppensituation gegenüber einer subjektiven Einschätzung, die in Abhängigkeit von Engagement und Konkurrenz im Arbeitskollektiv nicht selten verzerrt ist. Sowohl Therapeut als auch Co-Therapeut schätzen nach jeder Gruppensitzung ein, wie sich die Gruppe vermutlich selbst erlebt hat. Die Absicht dieses Vorgehens besteht darin, die Sensibilität der Therapeuten für die Dynamik der Gruppenprozesse zu erhöhen. Durch den Vergleich ihrer Schätzung mit dem tatsächlichen Gruppenerleben er-
H. EICHHORN U. a., Therapieerleben mit dem GRPJQ von Speierer
F s •• Verständnis,
Hilfe, Nähe
des
403
Therapeuten
geschlossene Gruppe offene Gruppe
30
Gruppenstunden
Abb. 5. Unterschiede im Erleben offener und geschlossener Gruppen bei Faktor 5 : Verständnis, Hilfe, Nähe des Therapeuten
Frage 8 * Bewertung des psychologischen +1 Nutzens der Gruppensitzung — ——
Gruppe Therapeut Co-Therapeut
das gleiche bei gutem Zusammenspiel zweier erfahrener Therapeuten
Fr
Erleben von Sympathie, Vertrauen, +1 Verständnis und Hilfe
Abb. 6. Ausschnitte aus dem GRP-Verlauf einer geschlossenen Gruppe (8 Gespräche über 2 Wochen) zur Demonstration der Schwierigkeiten des Zusammenspiels Gruppe—Therapeut— Co-Therapeut
404
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
halten die Therapeuten ein Feedback ihres Einfühlungsvermögens in die Gruppensituation. Die Therapeuten werden zugleich in der Präzision der Erfassung des Gruppenerlebens trainiert. Indem Therapeut und Co-Therapeut den Bogen bearbeiten, bieten sich aufschlußreiche Möglichkeiten der Beziehungsklärung der Konstellation Therapeut/Co-Therapeut/Gruppe. Erlebnisdiskrepanzen und Probleme der Zusammenarbeit werden erhellt und so einer Bearbeitung zugänglich gemacht (Abb. 6 und 7). —
F
f
Gruppe — Therapeut Co-Therapeut
+7
Erleben v. Sympathie, Vertrauen, Verständnis
-1
m•
F
Transparenterden fremden und eigenem Erlebens
+1
Verständnis, Nähe und Hilfe des Therapeuten
Abb. 7. Ausschnitte aus dem GRP-Verlauf einer offenen Gruppe (8 Gespräche über 2 Wochen) zur Demonstration von Schwierigkeiten des Co-Therapeuten
5. Diskussion Die zuverlässige Reproduzierbarkeit von 4 Faktoren des GRP20 („Gruppenkohäsion", „Therapeutennähe", „Transparenz" und „Offenheit") ist eine Bestätigung für die Reliabilität und faktorielle Validität des Verfahrens unter unseren gesellschaftlichen Bedingungen.
H. EICHHORN U. a., Therapieerleben mit dem GRP2Q von Speierer
405
Eine Neubearbeitung des Faktors „Freiheit von Angst und Streß" erweist sich unumgänglich — die Ergebnisse der vorliegenden Analyse können als Grundlage dienen. Für die theoretische Diskussion wird die interessante Frage aufgeworfen, ob Freiheit von Angst und Streß pauschal eine notwendige Voraussetzung für therapeutische Veränderungen ist — ob Feedback und Selbstauseinandersetzung nicht immer auch angstbesetzt sind bzw. sein können. Unseres Wissens ist dieses Problem bislang lediglich im sogenannten „MENNINGER-Projekt" untersucht und diskutiert worden ( K E R N B E R G , 0 . F. und Mitarb., 1 9 7 2 ) . Die Autoren weisen einerseits nach, daß ein hohes initiales manifestes Angstniveau positive Auswirkungen auf den Therapieerfolg hat, müssen aber gleichzeitig ihre Prozeßhypothese, daß die im Therapieverlauf abnehmende manifeste Angst ein Indikator für die Besserung im Befinden der Patienten sei, falsifizieren. Für den erwähnten Faktor „Freiheit von Angst und Streß", insbesondere aber auch für die anderen 4 Faktoren des GRP 2 o ist natürlich zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Beziehung zum Therapieergebnis noch ungeklärt. Wir konnten bisher lediglich zeigen, daß sich das Verfahren auch unter unseren gesellschaftlichen Bedingungen zum Erfassen des Therapieselbsterlebens eignet und auch für unsere Therapietechnik anwendbar ist. Für die psychotherapeutische Forschung ergibt sich mit dem G R P die Möglichkeit, das Erleben von Patienten unter verschiedenen Formen der Gruppenführung (dynamisch-intendierte Gruppen, GT-Gruppen usw.) zu erfassen und mit den Therapieeffekten in Beziehung zu setzen. Wir glauben, daß es einen Fortschritt bringen könnte, wenn der G RP20 auch von anderen Gruppentherapeuten benutzt würde und Prozeß-Ergebnis-Beziehungen der vergleichenden Analyse unterzogen werden. E s ist auch möglich, das individuelle Erleben des einzelnen Patienten oder definierter Patientengruppen bei gleichförmigen Therapieeinflüssen abzubilden. E s ist zu erwarten, daß auf diesem Weg differente Therapieeffekte aufgeklärt werden können Zusammenfassung E s wird über das Verfahren zum Erfassen des Therapieselbsterlebens GRP 2 o von SPEIEBER und dessen Eignung für die klinische Praxis berichtet. Zuverlässig ließen sich 4 Faktoren („Gruppenkohäsion", „Therapeutennähe", „Transparenz des Verhaltens" und „Offenheit und F e e d b a c k " ) für die gesellschaftlichen Verhältnisse in der D D R reproduzieren. Der Faktor „Freiheit von Angst und Streß" erweist sich auf der Grundlage der Analyse als nicht valide. D a s Verfahren wird anhand eines größeren Materials in der klinischen Praxis (Vergleich offener und geschlossener Gruppen) als routinemäßig anwendbar erlebt.
Summary The authors report about the scale G R P 2 0 by SPEIERER for the measurement of seif experience in psychotherapy and its Utility in clinical practice. It can be demonstrated that 4 factors ("cohesion in g r o u p s " , "nearness of the t h e r a p i s t " , "transparence of b e h a v i o u r " and "openess and feedback") can realiable be reproduced for the social conditions of the G D R . The application of the instrument in clinical practice (comparison between larger samples of patients in closed and open groups) proves to be favourable.
406
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4 Pe3H>Me
OßcywflaioT cnocoS onpeneneHHH caMonepewHBaHHH Tepanroi
GRP20
aBTopa S P E I E R E B H
ero
c n o ç o Ô H o c T t KJiH K J t H H i w e c K o i t n p a K T H K H . 4 $ a K T o p a B OßMECTBEHHWX o T H o m e H U H X T f l P ROCTOB e p H H : « r p y n n o B a n CBH3B » , « 6 N H 3 0 C T B T e p a n e B T a », « T p a a c n a p e H T H O c T b HOBC^GHMH » , H « O T -
KpoBeHHocTb H
feedback
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K p H T u x H a a K p u T t r x r p y n n ) MO WHO CKA3ATT, MTO c n o c o ß BO3MOJKHO OÖBWHO n p i i M e H H T t .
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Anschrift der Verfasser: Dr. H . E I C H H O R N , Ärztl. Direktor des Bezirkskrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie, DDR - 2120 Ueckermünde;
Dipl.-Psych. C H R I S T E L N I S C H A N und Dipl.-Psych. G . R O S E N F E L D , Neurologisch-Psychiatrische Kliniken, Abt. Psychotherapie im Klinikum Buch, ' DDR - 1115 Bèrlin-Buch
Aus der Abteilung Psychiatrie der Nervenklinik der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock
Zur Bedingungsanalyse von Intelligenztestleistungen Erwachsener — Eine Untersuchung mit einem Langzeitlerntest V o n CHRISTINE GÜNTHER u n d R . GÜNTHER
1. Problemstellung Die Intelligenzmessung als das „Paradepferd psychologischer Diagnostik", wie es ( 1 9 7 9 ) ausdrückte, ist in den letzten Jahren mehrfach scharf kritisiert worden. Einer der Hauptangriffspunkte ist der Anspruch, mittels Intelligenztests ein zeit- und situationsstabiles Persönlichkeitsmerkmal zu messen. Dieser Anspruch ist auf die biologistische, d. h. einseitig anlageorientierte, Tradition der Psychometrie zurückzuführen ( H E T T E M A , 1 9 7 9 ) , die sich deutlich im Reliabilitätskonzept der klassischen Testtheorie niederschlug. SCTTATITIBERGER
Änderungen gemessener Intelligenzwerte aufgrund von situationsabhängigen und lebensgeschichtlichen Einflüssen werden danach zum Fehlerwert gerechnet, den es zu minimieren gilt. Anzustreben ist ein möglichst von temporären und Umwelteinflüssen unabhängiger, stabiler Testwert.
Eine solche Intention, die davon ausgeht, daß die individuelle Persönlichkeit als ein abgeschlossenes System zu betrachten ist, trägt der Uniweltabhängigkeit und historischen Bedingtheit menschlichen Handelns nicht Rechnung (vgl. L E O N T JEW, 1979). Eine Revision erfuhr das statische Intelligenzkonzept u. a. durch Untersuchungen zur Intelligenzentwicklung im Erwachsenenalter. Sie belegten eine Abhängigkeit des Intelligenzniveaus und -Verlaufes vom Ausbildungsniveau. Der psychologischen Aiternsforschung ist es auch zu danken, daß die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von gesundheitlichen Störungen, besonders des Herz-Kreislauf-Systems, für die kognitive Leistungsfähigkeit gelenkt wurde (BIR*REN, 1975; LEHR, 1977). Da jede Erkrankung zu einer Labilisierung des Betroffenen führen kann, sind allein aber schon deshalb intraindividuelle Leistungsschwankungen zu erwarten. VOGT (1976) betont deshalb, daß über die Stabilität von Intelligenztests bei kranken Personen nichts bekannt ist. Aber auch bei Gesunden ist es dem Diagnostiker nicht möglich, alle dem Test unmittelbar vorangegangenen und aktuellen äußeren und inneren Faktoren zu kontrollieren. Indirekt spiegelt sich der Einfluß dieser Faktoren in der aktuellen Stimmungslage des Probanden wider. Durch die Anwendung des von G U T H K E (1972) in der DDR inaugurierten und entwickelten Lerntestkonzeptes, bei dem in der Regel nach einer Erstmessung (Prätest)
408
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
mit standardisierten Lernhilfen und anschließender Testwiederholung (Posttest) gearbeitet wird, erhoffte man sich zuverlässigere intelligenzdiagnostische Aussagen. So ist anzunehmen, daß das Posttestresultat einen reliableren Testwert darstellt, da der Proband bei der Testwiederholung an die gesamte Testsituation besser gewöhnt ist (FLAMMER, 1975). Seit einiger Zeit bemüht sich GUTHKE um die Aufklärung des Einflusses nichtintellektueller Komponenten auf die Lerntestleistungen (GTJTHKE, 1978; GUTHKE und LEHWALD, 1980), wobei das Schwergewicht allerdings auf relativ zeit- und situationsstabilen Persönlichkeitseigenschaften wie Ängstlichkeit, Neurotizismus, Leistungsmotiviertheit, kognitiven Stilen im Sinne von „traits" liegt. Dagegen wurde der Einfluß aktueller, zeit- und situationsveränderlicher Variabler wie Gesundheitszustand oder Stimmungslage („states") auf die Lerntestleistungen Erwachsener bisher kaum untersucht. Seit einigen Jahren finden in den Rostocker Lerntestuntersuchungen Stimmungsskalierungen Verwendung (BERNT, 1980; GÜNTHER und Mitarb., 1980; LÖWE, ROETHER, 1978; ROETHER und Mitarb., 1981). Die Einbeziehung von Stimmungsskalen in die Intelligenzdiagnostik bietet u. E. die Möglichkeit, die Wirkung zahlreicher nicht direkt erfaßbarer Einflüsse zu kontrollieren. Stimmungswerte vor der Testung können Auskunft über die subjektive Ausgangslage geben, die Einbeziehung von unmittelbar nach dem Intelligenztest erhobenen Stimmungswerten können im Zusammenhang mit dem Erstwert Auskunft über intraindividuelle Stimmungsveränderungen im Sinne einer Beanspruchungsanalyse geben. Im folgenden berichten wir über eine Untersuchung, die mit dem Ziel durchgeführt wurde, den Einfluß verschiedener nichtintellektueller Faktoren auf die Intelligenztestleistung Erwachsener im mittleren Alter abzuschätzen. Einbezogen wurde die Variable Lebensalter, die bislang das wichtigste Differenzierungskriterium in der Erwachsenendiagnostik darstellt, die Variable Bildungsgrad, die mit dem Lebensalter mehr die „intellektuelle Partialkonstitution" (v. ZERSSEN, 1980) determiniert, sowie die die Kondition beeinflussenden Variablen aktuelle Stimmungslage und Gesundheitszustand. Uns interessierten die prozentualen Anteile dieser Variablen bei der Determination der Testleistung sowohl im Status- als auch im Lerntest: 1. Wie groß sind die prozentualen Anteile der genannten Variablen bei der Determination der Leistung im Intelligenztest? 2. Gibt es Unterschiede hinsichtlich einzelner Untertests? 3. Unterscheiden sich Status- und Lerntest hinsichtlich der ersten beiden Fragestellungen? Für die Autoren war es von besonderem Interesse abzuklären, inwieweit der subjektive Gesundheitszustand und die aktuelle Stimmungslage Einfluß auf Intelligenztestergebnisse haben und ob durch die Anwendung eines LangzeitLerntests die Aussagefähigkeit für die psychologische Diagnostik verbessert wird.
CH. U. R. GÜNTHER, Bedingungsanalyse von Intelligenztcstleistungcn Erwachsener
409
2. Methodik 2.1. Stichprobe Im Rahmen von gesellschaftlichen und beruflichen Weiterbildungsveranstaltungen wurden 95 klinisch unauffällige Männer im Alter von 35 bis 65 J a h r e n untersucht. Die Untersuchungen erfolgten im Zusammenhang mit psychologischen Fachvorträgen und waren für alle Teilnehmer obligatorisch, wobei allen Probanden (Pbn) Anonymität zugesichert war. Zusätzlich wurden 19 männliche Pbn untersucht, die mit einer klinisch nachgewiesenen Symptomatik in medizinischer Behandlung waren (Herzinfarkt- und Kurpatienten). Für diese Pbn war die Teilnahme an den psychologischen Tests freiwillig. Nähere Angaben zu Stichprobe und verwendeten Methoden sind bei GÜNTHER u n d GÜNTHER (1980) zu finden.
2.2. Datenerhebung Die Untersuchungen wurden mit einer Langzeitlerntestvariante des IntelligenzS t r u k t u r - T e s t s (AMTHATJER, 1955) d u r c h g e f ü h r t (s. ROETHER u n d M i t a r b . , 1977).
Von den neun Untertests des I S T wurden sechs zweimal in einem zeitlichen Abstand von zwei Wochen (Form A und B, permutiert als Prä- und Posttest) dargeboten. Zwischen Prä- und Posttest wurden in der Trainingsphase standardisierte Programme zum Trainieren von „Analogien" und „Zahlenreihen" vorgelegt. Diese Trainingsprogramme sind in Form von Trainingsheften abgefaßt und wurden von jedem Pb individuell ohne Zeitbegrenzung bearbeitet. Die Versuchsdurchführung erfolgte unter vergleichbaren äußeren Bedingungen (Wochentag, Tageszeit, Raum, Gruppe). Ein von uns zusammengestellter Fragebogen diente der Erfassung des Gesundheitszustandes. Er enthält im wesentlichen Fragen bzw. Beschwerdenitems zum allgemeinen Gesundheitszustand, zu kardio- und zerebrovaskulären Störungen sowie zu Lebensgewohnheiten. In diesen Fragebogen gingen im wesentlichen Items aus dem Screening-Verfahren zur Erfassung von zerebrovaskulären Erkrankungen von HEINEMANN u n d Mitarb. (1975) u n d der Freiburger Beschwerdenliste ( F B L ) v o n FAHRENBERG (1975) ein.
Jeweils vor und nach dem I S T wurde den Pbn die Befindlichkeitsskala (B-S) von ZERSSEN und Mitarb. (1970) zur Skalierung der aktuellen Stimmungslage vorgelegt. Die B - S ist eine änderungssensible, eindimensionale SelbstbeurteilungsSkala ih Form einer Eigenschaftswörterliste. Ursprünglich zur Registrierung depressiver Stimmungsänderungen konstruiert, liefert sie aber auch valide Aussagen bei psychisch gesunden Probanden. Nach SCHWARZ und STRIAN (1972) stellt sie eine globale und relativ unspezifische Methode zur Erfassung des aktuellen seelischen Zustandes dar. In die zu berichtenden Varianzanalysen gingen die jeweils nach I S T Prätest und -Posttest beantworteten B - S ein, da sie höher mit der Testleistung korrelierten.
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
410
2.3. Statistische Auswertung Zur Ermittlung des Einflusses der Variablen Alter, Bildung, Befindlichkeit und Gesundheitszustand auf die Lerntestleistung verwenden wir das varianzanalytische Modell mit festen Effekten (Modell I). Unsere Vorgehensweise ist eng an die Untersuchung von R T J D I N G E R (1971, 1972) angelehnt. Für das varianzanalytische Mo'dell I mit fixierten Faktoren gibt es verschiedene Maße für die „praktische Signifikanz". Ein signifikantes Ergebnis allein besagt noch nichts über die relative Größe des gefundenen Effekts (BREDENXAMP, 1970). Mit Hilfe solcher praktischen Signifikanzmaße wird beschrieben, wieviel der gesamten Datenvarianz durch die Variation der jeweiligen Bedingung erklärt werden kann bzw. determiniert ist. Wenn nur im Gültigkeitsbereich unserer Stichprobe Aussagen über die jeweiligen aufgeklärten Varianzanteile gemacht werden sollen, kann das Maß eta 2 verwendet werden. Dieses Maß kann nach BBEDEXKAMP (1970) auch dann als Maß der praktischen Signifikanz benutzt werden, wenn der fixierte Faktor nicht quantitativ gestuft ist. Die von uns verwendete Formel zur Berechnung von eta 2 , die durch COHEN und FRIEDMAN vorgeschlagen wurde, ist nicht auf eine einzelne unabhängige Variable begrenzt (KENNEDY, 1970).
t]2 =
i
Wobei und «2 für den spezifischen Effekt stehen. Ersetzt man n^ durch k — 1 und nj durch N — k erhält man: ,_ 17
( f c - 1 )F (fr-1) F+(N-k)
k = Stufen des Faktors, für den die praktische Signifikanz berechnet werden soll, JV = Anzahl der Beobachtungen, F = der für den entsprechenden Effekt zur Signifikanzprüfung ermittelte F-Wert. Mit Hilfe dieser Formel ist es nun möglich, die praktische Relevanz eines Stichprobenergebnisses zu berechnen. Durch Multiplikation der eta 2 mit 100 erhält man den Varianzanteil in Prozent der Gesamtvarianz, der zu Lasten der jeweiligen Variable geht. Folgende Analysen wurden jeweils, für IST-Prä- und Posttest einschließlich aller Untertests durchgeführt.
1. 2. 3. 4.
Bildung Bildung Bildung Bildung
(B)X Alter (A) (B)X Befindlichkeit (B-S) (B) X Gesundheitszustand (G) (B) X zerebrovaskuläre Störungen (CVD) 3. Ergebnisse
Tabelle I gibt die F-Werte, Signifikanzniveaus und die praktische Signifikanz: für die Variablen Befindlichkeit, Gesundheit, Bildung und Alter an, wie sie sich aus den zweifachen Varianzanalysen für die Prä- und Posttestleistung ergeben.
CH. U.
R.
GÜNTHER,
Bedingungsanalyse von Intelligenztestleistungen Erwachsener
411
Tabelle I. F-Werte, Signifikanzniveaus und prozentuale Reduktion der Gesamtvarianz durch die Variablen Befindlichkeit (B—S), Gesundheitszustand (GHZ), zerebrovaskuläre Beschwerden (CVD), Alter und Bildung für die Intelligenzleistung im IST Prä- und Posttest Prätest F
» » + + +
eta 2 X100
Posttest
F
eta 2 X100
7,74++ 4,25+ 6,55++ 0,16
12,1% 7,1% 10,5% 0,3%
5,83++ 2,83 4,66+ 0,31
9,4% 4,8% 7,7% 0,6%
14,55++ 17,53++ 15,48++ 15,66++
20,3% 23,8% 21,70/o 21,8%
15,51++ 16,52++ 16,24++ 46,14++
21,70/0 22,8o/o 22,50/„ 22,40/0
B-S GHZ CVD Alter Bildung
Abhängige Variable
sehr signifikant signifikant
3.1. Aktuelle Befindlichkeit Entsprechend den B-S-Punkten wurde die B-S-Variable in drei Untergruppen aufgeteilt: gute, mittelmäßige und schlechte Befindlichkeit. Tabelle I verdeutlicht, daß zu Lasten der Befindlichkeit 9—12% der Gesamtvarianz gehen. Tabelle II gibt eine Übersicht über die Abhängigkeit der einzelnen Untertests von der aktuellen Befindlichkeit. Danach besteht ein sehr signifikanter Einfluß der Befindlichkeit auf die Testleistung im Prätest im Falle der „Merkfähigkeit" und der „Wortauswahl" und im Posttest wieder im Falle der „Merkfähigkeit" und in Tabelle II. Prozentuale Reduktion der Gesamtvarianz (eta 2 X100) durch die Variablen Befindlichkeit, Gesundheitszustand und zerebrovaskuläre Beschwerden für die einzelnen Untertests im Präund Posttest (IST) Befindlichkeit
WA AN GE ME RA ZR + + +
Gesundheitszustand
Zerebrovaskuläre Beschwerden
PRÄ
POST
PRÄ
POST
PRÄ
POST
8,7++ 7,0+ 2,6 8,9++ 6,9+ 6,7+
3,4 4,1 8,7++ 10,3++ 3,6 2,7
4,8 7,9++ 2,5 5,6+ 6,8+ 3,4
1,5 6,6+ 4,2 2,4 5,6+ 3,0
8,1++ 8,5++ 5,6+ 6,6+ 2,0 4,8
2,1 9,3++ 6,4+ 1,4 1,2 5,9+
sehr signifikant signifikant (Signifikanzangaben beziehen sich auf die F-Werte)
412
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
r
„Gemeinsamkeitenfinden". Eine Inspektion der Testmittelwerte aus den Varianzanalysen zeigt, daß sich Pbn mit einer mittleren aktuellen Befindlichkeit im Gesamtwert nicht von der Gruppe mit der besten aktuellen Befindlichkeit unterscheiden, In WA, AN und G E tauschen beide Gruppen ihre Position: Die Pbn mit einer mittleren Befindlichkeitslage, die auch als Ausdruck höherer Anspannung gewertet werden kann, zeigen hier minimal bessere Testleistungen. 3.2. Gesundheitszustand Die Abhängigkeit der Intelligenzleistung vom Gesundheitszustand und von den zerebrovaskulären Störungen allein wurde über die Beschwerdensummen (Summe aller betreffenden positiv beantworteten Fragen nach Beschwerden aus dem Gesundheitsfragebogen) geprüft. Diese Beschwerdensummen dienten als Grundlage für' die Klassifizierung in „guten", „mittleren" und „schlechten" Gesundheitszustand. Die Tabelle I zeigt die F- und eta 2 -Werte, wie sie sich für die Intelligenzleistung in ihrer Abhängigkeit für die beiden Gesundheitseinschätzungen ergeben. Dabei zeigt sich, daß die Intelligenzleistung stärker von den zerebrovaskulären Störungen abhängt als von der gesamten Beschwerdensumme, in der natürlich diese mit enthalten sind. Der Einfluß des Gesundheitszustandes liegt im Prätest bei 7 % und sinkt im Posttest auf ca. 5 % . Wird die Abhängigkeit der I S T — Testleistung nur von den zerebrovaskulären Beschwerden erfaßt, liegt der erklärte Varianzanteil im Prätest bei 1 0 % und im Posttest bei 8 % . Der Anteil an der Gesamtvarianz, der zu Lasten des Gesundheitszustandes bzw. der zerebrovaskulären Beschwerden geht, bewegt sich demnach zwischen 5 bis 10 Prozent. E s besteht — außer im Posttest bei der Erfassung des Gesundheitszustandes über die gesamte Beschwerdensumme — ein statistisch bedeutsamer Einfluß des Gesundheitszustandes auf die Testleistung. Besonders im Untertest „Analogien" kommt in beiden varianzanalytischen Auswertungen der Einfluß des Gesundheitszustandes im Prä- und Posttest zum Tragen (siehe Tab. II). 7—9% der Gesamtvarianz werden erklärt. Alle anderen Untertests liegen etwas darunter. 3.3. Bildung Aus Tabelle I sind auch die F-Werte und eta 2 -Werte aus allen Varianzanalysen ersichtlich, wie sie sich für die Abhängigkeit der Intelligenzleistung vom Berufsabschluß ergeben. Die minimalen Unterschiede in den F-Werten beruhen auf den unterschiedlichen Kovariationsanteilen der Bildungsvariablen mit der zweiten Variablen. Durch die Kenntnis des Berufsabschlusses (Facharbeiter, Fach- und Hochschulabsolventen) wird die gesamte Datenvarianz in den Gesamtwerten u m ca. 20—24% reduziert. Die .F-Werte sind in jedem Fall sehr signifikant. Tabelle I I I zeigt die Bildungsabhängigkeit der einzelnen Untertests.
Ch. u. R. G ü n t h e k , Bedingungsanalyse von Intelligenztestleistungen Erwachsener
413
Tabelle III. Prozentuale Reduktion der Gesamtvarianz ( e t a 2 x l 0 0 ) durch die Bildung für die einzelnen Untertests im Prä- und Posttest aus 2fachen Varianzanalysen: Bildung X Befindlichkeit Bildung
WA AN GE ME RA ZR
PRÄ
POST
12,9++ 20,1++ 18,5++ 7,1+ 9,4++ 10,1++
10,3++ 26,7++ 13,1++ 4,6 12,5++ 6,8+
sehr signifikant • signifikant (Signifikanzangaben beziehen sich auf die F-Werte) + +
+
Es werden die Varianzanteile aus den durchgeführten Varianzanalysen: BildungX Befindlichkeit dargestellt. Die Varianzanteile für die Analysen mit den übrigen Variablen (Gesundheitszustand, zerebrovaskuläre Störungen und Alter) unterscheiden sich kaum von den dargestellten. Besonders bei „Analogien" und „Gemein samkeitenfinden" ist eine deutliche Abhängigkeit von der Bildung zu erkennen. Relativ unbeeinflußt bleibt die „Merkfähigkeit". 3.4. Alter Der Varianzanteil an der Gesamtvarianz, der zu Lasten des Alters geht, bewegt sich, wie aus Tabelle I ersichtlich, nur zwischen 0,3 und 0,6 Prozent. Es besteht kein signifikanter Einfluß des Alters auf die Testleistung. Tabelle IV zeigt die Altersabhängigkeit der einzelnen Untertests. Tabelle IV. Prozentuale Reduktion der Gesamtvarianz ( e t a 2 X l 0 0 ) durch die Variable Alter (35—44, 45—54, 55—65 J . ) für die einzelnen Untertests im I S T Prä- und Posttest aus 2fachea Varianzanalysen: B i l d u n g X A l t e r Alter
WA AN GE ME RA ZR +
28
signifikant Z. Psychologie 189-4
PRÄ
POST
0,5 0,6 1,9 0,2 3,7 0,5
0,8 1,4 1,2 2,2 5,6+ 0,1
414
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß die Richtung der Verschlechterung bzw. Verbesserung nicht in allen Untertests gleichsinnig ist. Altere zeigen z. B. in „Rechenaufgaben" wesentlich bessere Leistungen als Jüngere und schneiden auch in „Wortauswahl" und „Gemeinsamkeitenfinden" besser ab, so daß der Varianzanteil, der sich aus der Zugrundelegung des IST-Gesamtwertes ergibt, niedriger liegt alsaus den eta 2 -Werten der einzelnen Untertests zu erwarten gewesen wäre. 4. Diskussion Unsere Ergebnisse bestätigen die große Bedeutung sozialer Gegebenheiten für das Intelligenzniveau im Erwachsenenalter. Mit 2 0 — 2 4 % klärt die Bildungsvariable den weitaus größten Varianzanteil auf. Interessanterweise entspricht dieser Proz e n t s a t z den von RTJDINGER (1971, 1972) g e f u n d e n e n 2 0 % in der gerontologischen
Längsschnittstudie. Allerdings lassen die unterschiedlichen Stichproben und Methoden (RTJDINGER benutzte den HAWIE) keinen direkten Vergleich zu. Der große Einfluß von Bildungsfaktoren auf das testmäßig erfaßbare Intelligenzniveau ist verschiedenlich vor allem von Autoren sozialistischer Länder nachgewiesen worden (ANANJEW, STEPANOWA, 1 9 7 7 ; BORISOWA, 1 9 7 4 ; LÖWE, ALMEROTH, 1 9 7 5 ; ROETHER u n d M i t a r b . , 1 9 7 7 ; SCHLEICHER, 1 9 7 3 ) .
Daß es sich dabei nicht um einen einfachen Selektionseffekt handelt (SCHALL1 9 7 9 ) — Intelligentere erreichen 'höhere Bildungsstufen, die weniger Intelligenteren verschlossen bleiben — ergeben die Befunde, die die direkte Trainierbarkeit von Intelligenzleistungen selbst im hohen Alter beweisen (BALTES, W I L L I S , 1 9 8 1 ; DENNEY, 1 9 7 9 ) bzw. zeigen, daß intellektuelle Funktionen durch den unspezifischen Gebrauch geübt werden (OLECHOWSKI, 1976; vgl. die Übersicht von GÜNTHER, 1 9 8 0 ) . Auch die Resultate von Längsschnittbetrachtungen zeigen, daß Menschen mit guter Schulbildung und der damit zusammenhängenden Art der ausgeübten Tätigkeit bis ins hohe Alter ein Anwachsen bestimmter intellektueller Leistungen aufweisen bzw. Abfälle erst deutlich später zeigen (RTJDINGER, 1 9 8 0 . ) Lerntestuntersuchungen (Prä-Post-Messungen mit dazwischenliegendem intellektuellen Training) lassen sich ebenfalls zum Nachweis des Entwicklungseffektes heranziehen, wenn Pbn mit unterschiedlichen Lernraten bei gleichem Ausgangsniveau auch deutliche Unterschiede in der Bildungsvariable zeigen. Dies konnten ROETHER und Mitarb. ( 1 9 7 7 ) bei jüngeren Erwachsenen nachweisen, deren Ergebnisse wir bei der hier vorgestellten Stichprobe in mittleren Erwachsenenalter replizieren konnten (GÜNTHER, GÜNTHER, 1 9 8 0 ) . BEKGER,
Mit diesen Aussagen soll eine Bedeutung des Selektionseffektes für den Zusammenhang Intelligenz-Bildung/Beruf nicht bestritten werden. Es soll aber die für das Verständnis des Wesens intellektueller Leistungen Erwachsener wesentliche Feststellung hervorgehoben werden, daß das Qualifikationsniveau und die damit zusammenhängende Art der langfristig ausgeübten Tätigkeit für die Intelligenzentwicklung die ausschlaggebenste Rolle unter den persönlichkeits-prägenden Bedingungen (HACKER, 1976) spielt.
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Auch die durch die Variable Gesundheit erklärten Varianzanteile stimmen mit denen aus der gerontologischen Längsschnittstudie gut überein. RUDINGER (1971) errechnete rd. 8%, wir 7—10% i m Prätest und 5—8% im Posttest. Die Übereinstimmung ist insofern bemerkenswert, als die Einschätzung des Gesundheitszustandes in der zum Vergleich herangezogenen Studie durch einen Internisten aufgrund einiger medizinischer Untersuchungen (allgemeiner Gesundheitszustand, Sehfähigkeit, Bewegungsapparat, Kreislauf usw.) in Form fünfstufiger Ratings vorgenommen wurde. Fremd- und Selbsteinschätzungen des Gesundheitszustandes stimmen also bei dieser Gegenüberstellung gut überein. Es sei aber nochmals betont: eine echte Vergleichbarkeit wäre erst bei komparableren Stichproben und Methoden gegeben. Die Verwendung eines Maßes für zerebrovaskuläre Beschwerden differenziert stärker Intelligenztestleistungen als ein globales Gesundheitsmaß, in das verschiedenste Beschwerden oder Störungen eingehen, die z. T. keine Relevanz für die geistige Leistungsfähigkeit besitzen und durch ihre Berücksichtigung die Differenzierungsfähigkeit des Gesundheitsmaßes abschwächen. Auch ANGLEITNER und Mitarb. (1973) konnten mit Hilfe eines Globalmaßes für den Gesundheitszustand (Arztrating) nicht so gut die Intelligenztestleistungen differenzieren als bei Verwendung detaillierterer Beurteilungen, wobei ein besonders starkes Gewicht die Aussage über das Vorhandensein sklerotischer Prozesse hatte. Für die von uns untersuchte Stichprobe im mittleren Lebensalter konnte gezeigt werden, daß Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes neben dem Bildungsfaktor eine große Bedeutung für die Konstituierung des intellektuellen Leistungsniveaus haben. Dieser Zusammenhang muß in der Praxis Beachtung finden, denn gerade bei der Diagnostik der intellektuellen Leistungsfähigkeit in dieser Altersstufe besteht die Gefahr, Minderleistungen als „altersbedingt" oder im Sinne eines „vorzeitigen Alterns" zu interpretieren und damit einem therapeutischen Fatalismus Vorschub zu leisten. Vielmehr gibt es Grund zu der Annahme, daß Intelligenzdefizite auch im hohen Alter z. T. auf die zerebrovaskuläre Erkrankungen bedingenden HerzKreislaufstörungen zurückzuführen sind (EISDORFER, 1978; HERTZOG und Mitarb., 1978; KANOWSKI, SCHICHTL, 1980). So fanden SCHAIE und HERTZOG (1979, ref. in SCHAIE, 1980) in einer Längsschnittuntersuchung bei alten Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen eine Vorverlegung des Abfalls der Intelligenzleistung im Vergleich zu Gesunden um durchschnittlich sieben Jahre. Die Größe des durch den Gesundheitszustand aufgeklärten Varianzanteils wird durch den Anteil der aktuellen Befindlichkeit im Prätest noch übertroffen. Die hier referierten Varianzanalysen und an einer vergrößerten Stichprobe errechneten Korrelationen (GÜNTHER, GÜNTHER, 1980) legen nahe, daß Gesundheit und Befindlichkeit z. T. unterschiedliche Varianzanteile abdecken. Die graphische Analyse des Zusammenhangs der IST-Leistung und der B-S-Werte, die nach dem I S T erhoben werden, zeigt einen umgekehrt U-förmigen Verlauf mit stark nach links verlagertem Gipfel. Pbn. mit „sehr guter" Befindlichkeit zeigen schlechtere Test28*
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leistungen als Pbn. mit mittlerer Befindlichkeitslage. Schlechte subjektive Befindlichkeit wiederum korrespondierte erwartungsgemäß mit niedrigen Testleistungen. Besonders deutlich wird diese Beziehung für die B-S nach dem IST-Prätest. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, daß sie subjektive Befindlichkeit nach einem Intelligenztest die Anstrengungsintensität bei der Testbearbeitung wiederspiegelt. Diese Interpretation wird gestützt durch eine Studie von UDRIS (1976). Er berechnete Korrelationen zwischen Befindlichkeitsskalen (EWL, EZ-Skala) und der „allgemeinen zentralen Aktiviertheit" (AZA) nach BARTENWERFER. Dabei ergab sich nach der Leistungssituation eine signifikante Korrelation zwischen der AZA und den Stimmungsskalen. Hohe Aktiviertheitsgrade gingen mit Stimmungsverschlechterungen einher. Die nach dem Leistungstest erhobene Befindlichkeitsskala ist demnach nicht einfach Ausdruck der subjektiven Widerspiegelung der Leistungstestergebnisse, sondern Ausdruck der „energetischen Selbstkosten" (PALEJ, 1978). In einer anderen Arbeit (GÜNTHER, GÜNTHER, im Druck) konnten wir auf diese Weise zeigen, daß Herz-Kreislaufkranke ihre relativ guten Intelligenztestleistungen und Lernraten durch viel größere Anstrengungsintensität erreichen als vergleichbare gesunde Kontrollpersonen. Wir stimmen deshalb mit PAIEJ (1978) überein, wenn er fordert, zur Bestimmung von Leistungsreserven die energetischen Selbstkosten und das erreichte Niveau in die Beurteilung einzubeziehen. Ein Leistungswert allein genügt nicht für eine Diagnosestellung in der klinischen Praxis, denn eine gute Leistung bei inadäquat hohem psychophysischem Aufwand ist im Sinne einer Fehlregulation zu betrachten (SCHREINICKE und Mitarb. 1980). Die Variable Lebensalter erwies sich in unserer Untersuchung mit Probanden im Altersbereich von 35 bis 65 Jahren als unbedeutend für die Erklärung individueller Differenzen im Intelligenztest. In der Studie von RTTDINGER (1971) mit 60—79-
jährigen erklärte das Alter etwa 5 % der Gesamtvarianz. Aber selbst in dieser Größenordnung kann man von einem geringen Einfluß des Alters sprechen. Im Sinne von RTTDINGER, (1971) kann dieses Ergebnis als ein Hinweis darauf interpretiert werden, daß das chronologische Alter an Bedeutung verliert, wenn andere wichtige die Testleistung beeinflussenden Variablen berücksichtigt werden. Eine größere Relevanz besitzen Bildungsgrad und aktuelle Befindlichkeit. Psychische Aiternsveränderungen lassen sich nicht als einfache Folge biologischer Aiternsveränderungen begreifen, wie das von der sogenannten Adoleszenz-MaximumHypothese der Intelligenz suggeriert wird (z. B. bei WECHSLEB, 1964; siehe dazu schon GTJTJAHR, MEHL, 1963) Altersdifferenzen, wie sie aus Querschnittsunter-
suchungen resultieren, wurden mit verbesserten Methoden als Unterschiede zwischen Generationen (sogenannte Kohortendifferenzen) erkannt (RÖSLEK 1967; SCHAIE, 1980). Aufgrund der beschleunigten gesellschaftlichen Entwicklung finden unterschiedliche Generationen verschiedene soziokulturelle Bedingungen vor, die nicht nur das Bildungsniveau, sondern auch den Gesundheitszustand der Bevölkerung wesentlich bestimmen. Insofern ist unser Ergebnis nicht überraschend, daß bei Berücksichtigung der kohortenabhängigen Variablen Bildungsgrad und Gesundheitszustand das Lebensalter seinen Wert als unabhängige Variable für die Deter-
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mination der Intelligenztestleistungen sowohl im Status — als auch im Lerntest verliert. Welche Aussagen können wir für die Determination der intellektuellen Lernfähigkeit treffen? Gibt es Veränderungen bezüglich Prä- und Posttest bzw. wie verhalten sich die Varianzanteile in den trainierten Subtests „Analogien" und „Zahlenreihen"? Die Bildung zeigt einen leichten Trend in Richtung größerer Bedeutsamkeit für das Posttestresultat. Auffallend hoch ist der gesteigerte Anteil aufgeklärter Varianz (post) in den Subtests AN und RA, die an sich als bildungsabhängig gelten. Für den trainierten Untertest AN ist dies am deutlichsten. Wir schließen daraus, daß die Effektivität des Trainingsprogramms AN für den Einzelnen stark von seiner Vorbildung abhängt. Aus den Lernraten (s. GÜNTHEB, GÜNTHER 1980) ist zu ersehen, daß Facharbeiter deutlich geringere Lerngewinne als die Hoch- und Fachschulabsolventen erzielten. Da die Lernfähigkeitsdiagnostik sich das Ziel stellen muß, die Bildungsabhängigkeit von Testleistungen zu minimieren, muß die Notwendigkeit einer Überarbeitung des AN-Programms hinsichtlich größerer Konkretheit und Lebensbezogenheit angestrebt werden. Es ist aber zu vermuten, daß die Bildungsabhängigkeit des Subtests AN aufgrund der zu großen Abstraktheit des Aufgabentyps nicht unter das Prätestniveau sinkt. Dann wären solcherart Testitems für Lerntests nur unter strenger Kontrolle des Bildungsgrades geeignet. Etwas ähnliches läßt sich auch für „Rechenaufgaben" sagen. Die dazu notwendigen bildungsabhängigen Fähigkeiten werden schon durch die einfache Übung bei einmaliger Durchführung des Tests reaktiviert. Nach ROETHER und Mitarb. (1977) sind Rechenfertigkeiten aufgrund unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen im Schulfach Mathematik stark kohortenabhängig. Eine entgegengesetzte Tendenz zeigen die Untertests, „Gemeinsamkeitenfinden" und „Zahlenreihen". Hier werden Fähigkeiten zum Erkennen von Zusammenhängen und schlußfolgernden Denken erfaßt. Diese Fähigkeiten werden von Individuen mit höherer fachlicher Bildung stärker gebraucht (sie sind also in gewissem Sinne „übertrainiert") als von Angehörigen praktischer Berufe. Bei einer Testwiederholung sinkt aber die Determination dieser Leistungen durch den Bildungsgrad (durch Bildung verursachte Differenzen werden kleiner), hingegen steigt die Determination durch den Gesundheitszustand und die Befindlichkeit. Letzteres gilt aber nicht für den trainierten Untertest ZR. Wir glauben deshalb, diesen Subtest als einen möglichen Prädiktor der Lernfähigkeit ansehen zu können. Die aktuelle Befindlichkeit nach dem Prätest klärt in den Untertests „Merkfähigkeit" und „Wortauswahl" die höchste Varianz auf. Diese Tests besitzen bei erstmaliger Testdarbietung einen hohen Neuigkeitswert für die Pbn. WA steht am Anfang der Batterie. Hier gewöhnen sich die Pbn erst an die Testsituation (Anwärmphase). Deshalb werden in WA auch die höchsten Lerngewinne erzielt. Wer den Test mit hohem Einsatz bearbeitet, erzielt schön im Prätest bessere Werte in WA. Ähnlich ist es bei ME. Im Prätest kennen die Pbn den einen Überraschungseffekt einschließenden Modus der Testbeantwortung noch nicht. Im
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Posttest können sie sich schon beim Erlernen der Wörter darauf einstellen. Unserer Meinung nach können deshalb die Subtests WA und ME nicht interpretiert werden. Als positive Schlußfolgerung daraus halten wir es für angebracht, Lerntests Intialitems zum Anwärmen voranzustellen, die nicht in die Bewertung des Testresultates eingehen. Die Verringerung des Einflusses von Gesundheit und Befindlichkeit auf das Posttestresultat im Vergleich zum Prätest kommt besonders erkrankten Pbn zugute, die bei einer Testwiederholung besser an die Testsituation angepaßt sind und sich daher mehr auf die Aufgaben konzentrieren können. Im eingangs diskutierten Sinne entspricht dies einem Reliabilitätsgewinn. Das demonstrierte varianzanalytische Vorgehen halten wir für geeignet, zur Bedingungsanalyse von Status- und Lerntestverfahren zu dienen. Zum Abschluß sei noch einmal betont: die getroffenen Aussagen beziehen sich nur auf die vorliegende Methodik und Stichprobe. Die Ergebnisse stimmen aber plausibel mit Befunden aus der Literatur überein. Aus der Analyse von G U T H K E und LEHWALD (1980) geht hervor, daß die Erforschung des Einflusses nichtintellektueller Faktoren auf Intelligenzleistungen zu widersprüchlichen Ergebnissen in Abhängigkeit von den verwendeten Lerntestvarianten, dem Alter und dem Leistungsniveau der Pbn kommt. Weitergehende Studien sind also notwendig, zumal Beziehungen zwischen Gesundheitsbeeinträchtigungen und Befindlichkeitsveränderungen und dem Leistungsverhalten im mittleren Erwachsenenalter, dem sog. Leistungsalter, bisher kaum erforscht wurden. Die Bedeutung der Kenntnis dieser Beziehungen für verschiedenste gesellschaftliche Bereiche ist unbestritten. Die durch die von uns untersuchten Faktoren verursachte inter- und intraindividuelle Variabilität im Erwachsenenalter relativiert die Bedeutung allgemeiner Testnormen, die auf Querschnittsvergleichen unterschiedlicher Altersgruppen beruhen. Will man zu einer adäquaten psychologischen Beurteilung eines Individuums kommen, muß man mehrdimensional vorgehen (s. GÜNTHER und Mitarb., 1 9 8 0 ) . Dabei sind Lerngenese und ausgeübte Tätigkeit des Klienten sowie sein Gesamtzustand und die Beanspruchungsanalyse zu berücksichtigen. Zusammenfassung Untersucht werden Intelligenztestleistungen in ihrer Abhängigkeit von Bildungsgrad, Alter, Gesundheitszustand und aktueller Befindlichkeit. Die Stichprobe bestand aus 114 Männern im Alter von 35 bis 65 Jahren, die im Abstand von zwei Wochen mit einer Langzeitlerntestvariante des I S T getestet wurden und zwischendurch ein standardisiertes Trainingsprogramm absolvierten. Im Anschluß an Varianzanalysen wurde die praktische Signifikanz der Ergebnisse berechnet. Den größten Varianzanteil klärte der Bildungsgrad mit 20—24% auf. Die instabilen Variablen Gesundheitszustand und aktuelle Befindlichkeit beeinflußten ebenfalls die Testleistungen signifikant, während das Lebensalter sich bei Berücksichtigung der anderen Variablen als bedeutungslos erwies. Gesundheitszustand und Befindlichkeit verloren bei der Testwiederholung an Bedeutung, bildungsbedingte Differenzen wurden dagegen teilweise verstärkt. Die Bedeutung der Ergebnisse für die Intelligenz- und Lernfähigkeitsdiagnostik wird diskutiert. Die Notwendigkeit eines mehrdimensionalen Vorgehens, bei dem Bildungsgrad (Lerngenese, ausgeübte Tätigkeit), Gesamtzustand und aktuelles Beanspruchungserleben in die psychologische Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Einzelfall eingehen, wird abgeleitet.
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Summary The aim of the paper is to investigate the dependence of intelligence — test performance from •educational level, chronological age, state of health and the state of mood. The sample consists -of 114 males in the age range from 35 to 65 years. Subjects were tested by a long-term learning procedure on the basis of I S T (Intelligenz-Struktur-Test) in an interval of two weeks. Occasionally subjects were submitted to a programmed material as a training tool. After an A N O Y A procedure the practical significance of the results was calculated. It could be shown that intelligence test performance in adulthood is mostly dependent on education (20—24°/0), in lower degrees on health and mood, while the age variable is insignificant if the other variables are considered. In the posttest the importance of health and mood for test measures decreases, on the other hand education becomes partlymore significant. The importance of the results for intelligence and learning potential measurement is discussed. The necessity of multidimensional assessment of the single case, which includes educational level (genesis of learning, practiced occupation), general condition •and topical experience of demand, is obvious. Pe3i0Me MccjiepiOBajnicB p e a y j i b T a T t i TECTA YMCTBEHHOIT MIOCOGHOCTH B BCLBHCHMOCTH o f 06PA30BATENBH0R0
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Ingenieurhochschule für Seefahrt. DDR - 2530 Warnemünde
Aus der Abteilung Psychologie der Kreispoliklinik „Otto Büchwitz" Klingenthal
Befähigung von Eltern zur supportiv-kommunikativen Streßbewältigungsintervention V o n P. KÖHLE
1. Einleitung Zunehmend artikuliert sich in der sozialistischen Gesellschaft die Einsicht, daß die Problematik der psychosozialen Morbidität nicht allein durch das Gesundheitswesen zu lösen ist. Der Hauptweg gesamtgesellschaftlich getragener Psychoprophylaxe führt über eine Optimierung der Bedingungen, die bei der Herausbildung der Persönlichkeit wirksame Determinanten für deren allseitige und harmonische E n t w i c k l u n g darstellen (BÖTTCHER, 1978; HELM, 1 9 7 9 ; POLIS 1979).
Besonderes Gewicht erhält die Befähigung wichtiger Bezugspersonen wie Eltern, Ehepartner, Lehrer, Leiter, Erzieher und Ärzte zu einer „Kultur der Kommunikation" (LOMOW, 1980, S. 551), um die „Risiken sozialer Vermittlung von Aneignung" (SCHMIDT, 1979 a, S. 266) zu minimalisieren. Forderungen nach Entwicklung gemeindepsychologisch wirksamer Angebote werden immer dringlicher gestellt (THOM, 1978). Die gesellschaftlichen Voraussetzungin für eine psychoprophylaktische Offensive sind in der sozialistischen Gesellschaft gegeben und Fragen der Prävention sollten Bestandteil der sozialistischen Lebensweise sein (GROHS, 1980). Die ökonomischen Grundlagen des in der Klassengesellschaft geborenen Egoismus, der die zwischenmenschlichen Beziehungen vergiftet, werden Schritt um Schritt beseitigt. Gleichwohl ist nicht mit einer automatischen Synchronisierung von Produktions- und Lebensweise zu rechnen. Noch nicht bewältigte Erziehungsprozesse und nachwirkende Sedimente der individualistischen Lebensweise im Alltagsbewußtsein und -verhalten verursachen psychisches Leid, das nicht auf der Ausbeutung, sondern auf vernachlässigten zwischenmenschlichen Beziehungen beruht. „ D i e allseitige Verwirklichung des Individuums wird erst dann aufhören, als Ideal, als Beruf pp. vorgestellt zu werden, wenn der Weltanstoß, der die Anlagen der Individuen zur wirklichen Entwicklung sollizitiert, unter die Kontrolle der Individuen genommen i s t " (MARX/ENGELS, 1958, S. 273).
Zwischen dieser normativen Zielprojektion und realer gesellschaftlicher Praxis existiert zur Zeit eine Diskrepanz (HECHT, 1975), zu deren produktiver Überwindung auch psycho prophylaktische Aktivitäten beizutragen haben (KOSSAKOWSKI, 1979; SCHMIDT, 1979b). Die Notwendigkeit, von der spontanen zur bewußten Form der historischen Bewegung überzugehen, ist in der sozialistischen Gesellschaft, welche die Ausprägung allseitig und harmonisch entwickelter Persönlichkeiten als Ziel und
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Maßstab aller gesellschaftlichen Aktivitäten proklamiert, zu einem Gebot der Zeit geworden (ILJITSCHOW, 1979). Gesellschaftliche Verhältnisse werden nicht einlinig transformiert, sondern durch die sich formierende innere Position der Persönlichkeit und durch Bezugsgruppen gebrochen. Daraus ergeben sich gleichzeitig Potenzen und Grenzen der Familie, denn sie ist „nur" eine wichtige äußere Bedingung, während es sich beim Prozeß der Persönlichkeitsentwicklung in letzter Instanz immer um Selbstentwicklung handelt. Außere Entwicklungsanstöße werden durch biographisch erworbene innere Bedingungen wie Wertmaßstäbe, Reflexionskompetenz, Entscheidungsspielraum, Grad der Aktivität, Selbstbild u. a. gebrochen, so daß es nach gleichartigen Ereignissen („Lebensstreß") zu einer Vielzahl von Bewältigungsresultaten kommen kann. Konstruktive Persönlichkeitsaufbrüche und Regressionsphänomene in „Schwellensituationen", wie etwa Schuleintritt und Pubertät, belegen diese entwicklungstheoretischen Ableitungen sehr eindrucksvoll auf empirischer Ebene. Unter psychoemotionalem Streß, dessen Bewältigung durch eine supportivkommunikative Intervention induziert werden soll, verstehen wir einen spezifischen, temporären Zustand psychischer Beanspruchung, der auf ein Mißverhältnis ¿wischen Anforderungen und Handlungsmöglichkeiten, zwischen Einschätzung der Bedrohung/Belastung und der eigenen Bewältigungsmöglichkeiten zurückgeht und der sich in Emotionen wie Verunsicherung, Bedrohtheit, Angst u. a. äußert sowie zu vermehrten Anstrengungen der Bewältigung, die von physiologischen Aktivierungsprozessen begleitet werden, führt.
2. Selbsthilfepotentiale der Familie Keine andere Bezugsgruppe formt so nachhaltig die Grundstrukturen des wertenden Verhaltens, also Überzeugungen, Wertmaßstäbe, Bedürfnisse, Motivationen und Interessen, wie die Familie (FRIEDRICH, 1978, S. 29). Das geschieht, bevor der Heranwachsende in unmittelbaren Kontakt mit der materiellen Produktion gerät. Die Familie kann nicht nur die Resultate zielgerichteter institutionalisierter gesellschaftlicher Bildung und Erziehung fördern und stabilisieren; vielmehr kann sie auch am sozialistischen Erziehungsziel orientierte spezifische Voraussetzungen für den Lebensweg schaffen: Selbstwert- und Konfliktstabilität, Bindungs-, psychosoziale Resonanz- und Liebesfähigkeit u. a. Nicht zuletzt können in diesem sozialen Raum, was Schwerpunkt unserer Erwägungen ist, Bedürfnisse nach intimer interpersoneller Kommunikation zur persönlichkeitsfördernden Affektentladung, Entlastung und Stabilisierung des „psychischen Haushalts" befriedigt werden (HÄRTUNG, 1974, S. 309). Nirgends kann so individuell und situationsbezogen auf persönliche Besonderheiten und Erleben des Heranwachsenden eingegangen werden wie in der Familie. Auch in der sozialistischen Gesellschaft stellen sich die „Entwicklungsaufgaben" individuell in verschiedenen Lebensaltern und Lebenssituation e n (HÖRZ, 1 9 7 9 , S . 27).
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In absehbarer Zeit ist für die persönlichkeitsfördernden Funktionen einer intakten Familie kein gleichwertiger Ersatz in Sicht. Gleichwohl können diese konstruktiven Potenzen in ihr Gegenteil umschlagen, wenn etwa chronische emotionale Spannungen das Familienklima belasten oder Eltern notwendige psychosoziale Kompetenzen nicht realisieren. „Indessen ist der Prozentsatz der schwierigen Kinder in geordneten Familien nahezu der gleiche (wie in ungeordneten), nur sind hierfür hauptsächlich pädagogische Fehler der Eltern die Ursache" (KOTSCHETOW, 1975, S. 18). Die Funktionen der historischen Institution Familie wandeln sich. Der soziale Wert der Familie im Sozialismus wird zunehmend durch ihre sittliche Reife und ihr Niveau der Persönlichkeitsförderung bestimmt (CHARTSCHEW/ JURKEWITSCH, 1 9 7 9 , S . 1 2 3 ) .
Bei der Mobilisierung der „Selbsthilfepotentiale der Familie" (RICHTER, 1 9 7 5 , S. 225) durch präventive Elternkurse geht es unter dem Aspekt der Ausbildung psychosozialer Fertigkeiten vornehmlich um die Befähigung zur partnerschaftlichen (Persönlichkeits- und gemeinschaftsfördernden) interpersonellen Interaktion und zur entlastenden kathartischen Intervention bei psychoemotionalen Belastungen, deren Anlässe familienextern gesetzt wurden. Slowakische Untersuchungen (JÜROWSKY, 1974), die auch in der DDR bestätigt wurden (STOLZ 1978, S. 34), ergaben, daß z. B. etwa 47 Prozent aller sozialer Aktivitäten der Adoleszenten auf den Kreis der Familie, 44 Prozent auf den Freundeskreis und ein überraschend niedriger Anteil auf soziale Beziehungen zu ihren Lehrern entfällt.
Unsere bisherigen präventiven Aktivitäten beziehen sich auf die Befähigung der Eltern zur moderierend
supportiv-kommunikativen
psychoprophylaktischen
Interven-
tion, durch die emotionsstreßinduzierte Beanspruchungen des Heranwachsenden sanogenetisch bewältigt werden sollen. Die intakte Familie, in die sich das in anderen gesellschaftlichen Bereichen stimulierend wirkende Leistungsprinzip nicht formal übertragen läßt (GRANDKE, 1977, S. 54), gewinnt ihren sozialen Wert nicht zuletzt durch die Gewährleistung eines psychoprophylaktischen Klimas der Angstfreiheit und Regelhaftigkeit. Intime interpersonelle Kommunikation zur Affektentladung sollte nicht als Bedürfnis „schwacher Charaktere" diskreditiert werden: „Jeder Mensch", schrieb KARL MARX an seinen Freund Luis KUGELMANN, „hat in verzweifelten Lagen einmal das Bedürfnis, sich Luft zu machen. Er tut es aber nur mit Personen, denen er besonderes, ausnahmsweises Vertrauen schenkt" (1965, S. 529). 3. Empathische Kommunikation in der Familie In der Ontogenese des Menschen entwickeln sich die Kommunikationsformen von ursprünglich emotional-praktischen über sprachlich vermittelte bis hin zu den kompliziertesten Formen der verbalen Kommunikation. „Unter Empathie wird gegenwärtig die Dimension eines Persönlichkeitskonstruktes verstanden, das mit den Begriffen Dezentrierung, Perspektivismus,
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Perspektivenverschränkung, Rollenübernahme u. a. umschrieben wird. Es geht um einen Komplex von Fähigkeiten zur internalen Rekonstruktion der Interaktionssituation des anderen und zur simultanen Koordinierung der sozialen Perspektive •der beteiligten Personen. Diese Eigenschaft des personalen Perspektivenwechsels lernt man mehr oder weniger im Verlauf der ontogenetischen Entwicklung. Bereits •das Kleinkind gewinnt immer differenziertere Möglichkeiten, die Wahrnehmungs-, Einstellungs- und Handlungsperspektive anderer Personen gedanklich zu erfassen, zu verstehen und vorherzusagen" (SCHRÖDER, 1 9 8 0 , S . 1 7 9 f). TITARENKO (zit. nach WELKE 1 9 8 0 , S . 7 2 7 ) bezeichnet die Fähigkeit zu Mitgefühl und Miterleben unter ethisch-normativem Gesichtspunkt als Voraussetzung der sittlichen Reife des Menschen. KON (1977, S. 176) sieht in der Fähigkeit zum gegenseitigen Verstehen „eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine glückliche Liebe und das Familienleben". Bei aktuellem psychoemotionalen Streß sehen wir in einer einfühlsamen Zwiesprache mit einer wohlwollenden Bezugsperson die psychoprophylaktisclie Intervention der Wahl. Insbesondere die intakte Familie mit ihrem konstituierenden natürlichen Hintergrund von positiver Emotionalität und Echtheit kann — entsprechende empathische Kompetenzen vorausgesetzt — dazu ein besonders geeigneter sozialer Raum sein. Aktuelle psychische Spannungen führen in der Regel beim Heranwachsenden zu einem erhöhten Verbalisierungsbedürfnis (SCHIER, 1 9 7 6 , S . 1 2 9 ) . TAUSCH/ TAUSCH ( 1 9 7 9 , S. 1 1 9 ) verweisen auf die kathartischen, stimulierenden und objektivierenden Effekte, die allein durch Aussprache ermöglicht werden. Eine über die Selbstöffnung hinausreichende Selbstauseinandersetzung, die konstruktive Konfliktverarbeitung bei Vermeidung von Informationsfehlverarbeitungsmechanismen einleitet, wird durch eine vertrauensvolle persönliche Beziehung gefördert (GENDLIN, 1978, S. 8). Wenn der Heranwachsende emotional beansprucht ist, muß das Kommunikationsverhalteli der Eltern, der Situation entsprechend, empathisch akzentuiert werden. Ziel eines verständnisvollen/helfenden Gesprächs ist es, dem Heranwachsenden zu helfen, sich von dem belastenden Erlebnis „abzusetzen", damit er eine durch emotionale Rationalität gekennzeichnete Subjektposition wiedergewinnt. Ein objektivierendes Gegenstands- un 1 Selbstbewußtsein ist Voraussetzung für Reflexion von Dingen und Vorgängen, Beziehungen des Subjekts zur Situation sowie über sich selbst. Die Gelegenheit zur vertrauensvollen Aussprache ist für die harmonische Persönlichkeitsentwicklung, die Weiterentwicklung des Eltern-Kind-Verhältnisses und für das Wohlbefinden des Heranwachsenden bedeutsam. Er kann in unersetzlicher Weise das Gefühl der Geborgenheit und emotionalen Nähe erleben. Deshalb gehört es zur psychosozialen Kompetenz der Eltern, daß sie ihr Kommunikationsverhalten (Führungsverhalten) in Abhängigkeit vom Ziel und individuellem Stand der Persönlichkeitsentwicklung des Heranwachsenden, von den Altersbesonderheiten und den Besonderheiten der Situation gestalten können. Eine Vorgabe allgemeingültiger fester Skalenpunkte für „förderliches Erziehungsverhalten", wie sie z. B. von
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RIECKHOF und Mitarb. (1977, S. 224) postuliert werden, kann Situationsbesonderheiten nicht entsprechen. Verständnis für den Heranwachsenden (V) ist komplex determiniert. Neben sozialen Fertigkeiten sind Einstellungen, Kenntnisse, Lebenserfahrungen, emotionale Temperamentsbesonderheilen und psychische bzw. physische Belastbarkeit wesentliche Determinanten für den Ausprägungsgrad. V. ist in unserer Arbeits definition ein kognitives, emotionales und konatives (sozial-praktisches) Verstehen, das sich nicht auf verbale Aspekte reduzieren läßt. V. äußert sich in der Bereitschaft und Befähigung der Eltern, ihr am gesellschaftlichen Erziehungsziel orientiertesErziehungsverhalten/Führungsverhalten der Situation und den individuellen bzw. gruppen- und altersspezifischen Besonderheiten des Heranwachsenden entsprechend zu gestalten. Dabei berücksichtigen sie biologische, psychische und soziale Faktoren und sind in der Lage, sich in seine subjektive Welt — Denken, Fühlen und Motivation — hineinzuversetzen. Bei aktuellem Emotionsstreß des Heranwachsenden können die Eltern zielgerichtet ein verständnisvolles/helfendes Gespräch führen, das zu einem Abbau der psychischen Spannungen führt. Diese Auffassung hat Gemeinsamkeiten mit der „sozialen Empathie (MANN,. 1979, S. 71), die, für den Bereich psychosozialen Wirkens definiert, sowohl sozialemotionale Befindlichkeiten des Subjekts als auch soziostrukturelle Gegebenheiten seines Sozialfeldes einschließt.
4. Grenzen der Streßbewältigungskonzeptionen in der „Kognitiven Therapie" und der „Humanistischen Psychologie" Anliegen Kognitiver Psychotherapie (GKOSSAHTH-MATICEK, 1979 und HOFFMANN, 1979) ist vorrangig eine Modifikation „fehlerhafter" Kognitionen des Individuums mit dem Ziel einer realistischen Neuinterpretation von subjektiven Ereignisbedeutungen. An philosophische Traditionen des ethischen Rationalismus (SOKRATES) und der griechischen Stoa (EPIKTET) anknüpfend, wird ein individuumzentriertes Vorgehen praktiziert, bei dem der soziale Bezug vage bleibt. Die Kognitive Psychotherapie zeichnet sich durch weitgehende Theoriearmut aus und thematisiert nicht die bewußt handelnde, in der Gesellschaft tätige Persönlichkeit. Ihre praktischen Konzeptionen der „Streßimpfung" oder „Streßprophylaxe" bleiben im Rahmen eines individualistischen Menschenbildes befangen. Fortschritte der bürgerlichen Psychologie unterliegen zwangsläufig auch dem Mißbrauch zum Zwecke der Konsolidierung der bestehenden sozial-ökonomischen Verhältnisse. Das an der Technischen Universität Berlin-West und an der Universität München seit 1979 laufende Projekt „Kognitive Kontrolle in Krisensituationen: Arbeitslosigkeit bei Lehrern", das bis 1983 als Längsschnittuntersuchung fortgesetzt werden soll (ULICH/HATJSSER, 1980), ist ein Prototyp für Möglichkeiten und Grenzen dieses Herangehens. Die Humanistische Psychologie bietet Teillösungen dieser gesellschaftlich be-
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dingten Begrenzungen durch Optimierung von Kommunikations- und Interaktionsprozessen in gesellschaftlichen „Freiräumen", wie etwa Selbsterfahrungsgruppe, Familie, produktionsferne Lebensgruppe, an (GORDON, 1974; MASLOW 1973; TATJSCH/TATJSCH, 1979). In ihren gemeindepsychologischen Aktivitäten im Rahmen einer „Psychologie der Gesundheit" bezieht sie in der Streßprophylaxe supportivkommunikative Möglichkeiten ein, weshalb sie für unsere Konzeption einen hohen heuristischen Wert barg. Auch die praktischen Aktivitäten der Humanistischen Psychologie wirken objektiv systemstabilisierend, da der von ihr praktizierte Kult der Emotionen dazu beiträgt, auch primär gesellschaftlich bedingte Verkrüppelungen der Persönlichkeit zu personalisieren und gesellschaftliche Bewegungsgesetze zu psychologisieren (TAUSCH/TAUSCH, 1979, S. 280). Beide Konzeptionen exemplifizieren die permanente Krise der bürgerlichen Persönlichkeitspsychologie, die aus dem Widerspruch der gesellschaftlichen Determination ihres Forschungsgegenstandes Persönlichkeit als individuell charakterisiertes „Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse" und der Unfähigkeit, diese adäquat zu reflektieren, erwächst. Diese Krise manifestiert sich je nach gesellschaftlicher Situation und ideologischen Manipulierungsbedürfnissen in nomothetischen (positivistischen) oder ideographischen (irrationalistischen) Betrachtungsweisen KÜHN/JTTNGHÄNEL 1 9 8 0 ) .
5. Präventive Elternkurse, Elterngruppenarbeit, Elterngruppentherapie J e nach Zielgruppe ist Elternarbeit einstellungskorrigierend, fähigkeitsentwicklend bzw. kenntnisvermittelnd akzentuiert. Zur Teilnahme an präventiven Elternkursen, die auf einer absolut freiwilligen Basis beruhen, melden sich zur Zeit überwiegend Eltern, deren Einstellungen zum Heranwachsenden und zur Familienerziehung befriedigend sind (MINSEL, 1975). Diese Zielgruppe ist bezüglich der präventiven Kursziele durch vorhandene Reflexionskompetenz und fehlende Ausführungskompetenz (SCHRÖDER/VORWEEG, 1978) gekennzeichnet. Ihre Kursteilnahme ist durch den Wunsch nach psychosozialem „Mehrlernen" motiviert. Präventive Elternkurse wenden sich an interessierte Eltern, die bewußt einen Beitrag zur Psychoprophylaxe leisten wollen, der in das normative gesellschaftliche Erziehungsziel eingebettet ist und an ihrem Wunsch anknüpft, das Eltern-Kind-Verhältnis weiterzuentwickeln. REINHARDT und Mitarb. (1977, S. 505) konzipierten ein „TagNacht-Psychoprophylaktikum, in dem das Prinzip der gleichzeitigen psychoprophylaktischen Beeinflussung von Schülern und Lehrern" vorgesehen ist, in das sich präventive Elternkurse sinnvoll integrieren ließen. Präventive Elternkurse sind dann überfordert, wenn es gilt, grundlegende Wertvorstellungen umzustrukturieren bzw. familicnncurotische Konstellationen aufzulösen. DORN ( 1 9 7 3 ) ; K R Ü G E R
( 1 9 7 8 ) u n d WOTHLY ( 1 9 7 9 ) f ü h r t e n i n d e r D D R
Eltern-
gruppenarbeit im Rahmen der Jugendhilfe und mit Eltern verhaltensauffälliger Schüler durch, die neben der Kenntnisvermittlung auf eine Einstellungsänderung
428
Z. Psycho!. Bd. 189 (1981) H. 4
der Eltern zielte. KRÜGER (ebd. S. 158) forderte schlußfolgernd eine prophylaktische Arbeit durch Elternschulung. BACH/SCHOLZ
(1980)
haben
familientherapeutische
Ansätze
aufgegriffen
und
führen zur Verbesserung der Beziehungen innerhalb der Familie bei familienneurotischen Störungen Elterngruppentherapie durch. Dabei zielen sie sowohl auf Handlungsmotivation, Fähigkeit zur realen Abbildung familiärer interpersoneller Beziehungen, Fähigkeit zur sozialen Sensitivität und Selbsterfahrung als auch auf das Erlernen von kommunikativen Fertigkeiten. 6. Methodologische Probleme präventiver Elternkurse „Viele der Schwierigkeiten in Familien sind das Ergebnis von Unwissenheit und wenig Einfühlungsvermögen der Eltern, nicht von Absicht" (SATIR, 1975, S. 267). „Verhältnis und Verhalten zur Jugend haben eine grundlegende politischideologische und eine alltägliche Dimension. Und nicht immer sind beide identisch" (NEUNER, 1 9 7 9 , S . 6 ) .
Beide Eingangszitate kennzeichnen die Ausgangspositionen, von denen Kursinhalte und -methodik abgeleitet werden müssen. Wir verzichteten auf explizit intendierte Einstellungsmodifikation und setzten Kenntnisvermittlung und Fähigkeitsentwicklung (psychosoziale Fertigkeiten) als Kursschwerpunkte. Unserer Auffassung von „Verständnis für den Heranwachsenden" gemäß, wird das Verhaltenstraining durch eine Vermittlung relevanter entwicklungs-, Persönlichkeits-, sozial-, erziehungs- und kommunikationspsychologischer Kenntnisse (KÖHLE/KÖHLE, 1980) ergänzt. Ohne Kenntnis „alterstypischer Entwicklungstrends" (NEUNER, 1980, S. 450) kann soziale Empathie nicht realisiert werden. Während GORDON (1974) den Aspekt der Fähigkeitsentwicklung hypertrophiert, wurde er in der Elternarbeit in der DDR bislang übersehen. Für die Fähigkeitsentwicklung auf der Ebene „genereller Konstrukte" psychos o z i a l e r K o m p e t e n z (SCHRÖDER/ VORWERG 1 9 7 8 ) h a l t e n w i r d a s K o n z e p t d e r V e r -
haltensentwürfe (VORWERG 1978) als angemessenen theoretischen Bezugsrahmen. Die Optimierung von Verhaltensentwürfen erfolgt auf der Grundlage von Orientierungsgrundlagen durch systematisches sozialpsychologisches Training. Der Trainingserfolg hängt unter Zugrundelegung dieses Lernmodells ab: von der Qualität und Adäquatheit der Orientierungsgrundlage, der Gestaltung der Lerntätigkeit bezüglich ihres Inhalts und ihrer Form, von der Motivation, die das Handeln der Lernenden auslöst und unterhält, von der Möglichkeit und Fähigkeit, die Handlungsausführung zu kontrollieren und objektiv zu bewerten, und von der Befähigung des Trainers, sofern es sich um kein Selbsttrainingsprogramm handelt. Bei der Organisation sozialen Lernens hat sich eine dreiphasige Aufgliederung bewährt, deren Etappen von den Autoren mit unterschiedlichen Termini gefaßt w e r d e n (FITTKAU, 1 9 7 2 ; H E G E , 1 9 7 4 ; PROSE, 1 9 7 3 ) : Motivierung
Neuprogrammierung von Verhaltensentwürfen würfe bzw. ihr Transfer in die Realsituation.
und Stabilisierung
und
der
Orientierung,
Verhaltensent-
P. KÖHXiE, Supportiv-kommunikative Streßbewältigungsintervention
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Zudem erreicht jegliche präventive Elternarbeit nur dann ihre Adressaten, wenn ihre Organisations- und Präsentationsformen nicht nur dem gewachsenen Bildungsniveau, sondern auch den differenzierten Interessen, Bedürfnissen und Alltagsbedingungen der Eltern entsprechen. Parallel zu Elterngruppenkursen bieten wir deshalb auch ein Selbsttrainingsprogramm in Form eines populärwissenschaftlichen Buches an (KÖHLE, 1 9 8 0 ; KÖHLE/KÖHLE, 1980).
7. Probleme der Evaluation Das Hauptproblem der Evaluation von Elternkursen ist die Sicherung der kontinuierlichen Teilnahme, vor allem durch Stabilisierung der Teilnahmemotivation der Eltern. Vorliegende Erfahrungen (KRÜGER, 1978) besagen, daß mit einer fast direkten Proportionalität von Anzahl eingesetzter Evaluationsverfahren und Höhe der Fluktuationsrate zu rechnen ist. Lernbarrieren und Beziehungshindernisse, die durch „rigorose Evaluationsmethoden*' (FOREHAND/ATKESON, 1977) induziert werden, müssen mit dem Erfordernis positiver Sozialbeziehungen ausbalanciert werden. KRÜGER (1978, S. 156) verzichtete z. B. auf zwei geplante Elternbefragungen, da schon eine Anfangserfassung zeigte, daß sie „den Kontakt zwischen Eltern und Untersuchungsleitern störten". Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu sichern, ist eine Standardisierung der Kursdurchführung notwendig. Auch dabei sind Kollisionen zwischen dem Evaluationsinteresse des Kursleiters und den Teilnehmerbedürfnissen nach Einbeziehung aktueller Probleme möglich. Eine Lösung könnte das von MÜLLER-WOLF/WARNS (1977) praktizierte Vorgehen sein, die jede zweite Veranstaltung ohne Trainer stattfinden ließen, so daß die Eltern diese zur Diskussion aktueller Probleme nutzen konnten. Erfolgskontrollen von Verhaltensmodifikation sollten zu den definierten Trainingszielen einen direkt oder indirekt operationalisierten Ansatz aufweisen und folgenden Kriterien genügen (VOGEL, 1980, S. 71): Nachweis der angestrebten Veränderung sofort nach Ende des Trainings oder der Therapie, Stabilität des Trainingserfolgs und Validität des Trainingserfolgs. Dem präventiven Charaikter der Elternkurse entspricht eine im Grunde indirekte Effektivitätsmessung, die sich am Erreichen definierter bzw. operationalisierter Zielkriterien ( S P R U N G 1 9 7 9 , S. 51; HILKE 1980) und ihren Transfer in die Realsituation orientiert. Konzeptorientierte Evaluationsmethoden erlauben zugleich o. g. Probleme einzugrenzen und eine Einheit von Orientierung, Training und Evaluation so zu realisieren, daß die evaluativen Maßnahmen von den Teilnehmern als „zum Kurs gehörig" erlebt werden, ohne „reaktive" Meßverfälschungen zu provozieren ( S c H i ß Ö D E R / V o R W E R G , 1976, S. 56). Diese Verfahren können immanent angewendet werden, ohne daß eine „Versuchskaninchensituation" ( F i T T K A T J / S c H U i i Z von THUN 1 9 7 6 , S . 6 4 ) entsteht. Effektiv ist ein präventiver Elternkurs, wenn trainingsintern die festgelegten Lernziele erreicht werden, ein Transfer in die natürliche Sozialsituation stattfindet und positive „sozialökologische" Effekte in der Eltern-Kind-Beziehung erreicht 29
Z. Psychologie 18U-4
430
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werden (FISCHER 1979,-S. 217). Auf folgende Datenquellen k a n n m a n sich bei der E v a l u a t i o n s t ü t z e n : Beurteilung durch die Adressaten, Beurteilung durch E x p e r t e n und Analyse objektiver D a t e n ohne Rückgriff auf intervenierende i n t e r p r e t a t i v e Beurteilung. Zu den in diesem Abschnitt skizzierten Schwierigkeiten k a m f ü r uns noch die Notwendigkeit dazu, die eingesetzten evaluierenden Materialien so anzulegen, d a ß eine konkurrierende E v a l u a t i o n von E l t e r n g r u p p e n k u r s und Elternselbsttraining möglich wird. B e i m „ M u t zur L ü c k e " fühlten wir uns einer M a x i m e von DOLCI (1979, S . 11) v e r p f l i c h t e t : „. . . durch experimentelle Pilot-Initiativen die Lösungder Probleme einleiten, die mit den K r ä f t e n , über die schon v e r f ü g t wird, in Angriff genommen werden k ö n n e n " . Ziel der E v a l u a t i o n unserer Pilot-Untersuchung w a r es, „die Geeignetheit u n d W i r k s a m k e i t bestimmter, selber wieder methodischer Unternehmungen auf ihre Richtigkeit u n d Verbesserbarkeit h i n " (BÖTTCHER, 1979) zu prüfen.
8. E r s t e empirische E r g e b n i s s e 8.1. Material und Methodik Die Ergebnisse der Evaluation eines Gruppenkurses mit Eltern von Kindern im mittleren Schulalter liegen vor (KÖHLE, 1980). In vier Elternkursen zu je fünf Veranstaltungen von 1^2 bis 2 Stunden Dauer, die im wöchentlichen Rhythmus stattfanden, wurden die Datensätze von insgesamt 40 Eltern bzw. deren Kindern aus 6. bzw. 7. Klassen in einem Prä-/Posttest-Design erhoben. Kenntnisvermitilung erfolgte durch Selbststudium mit nachfolgender Diskussion. Für das sozialpsychologische Verhaltenstraining wurde als Orientierungsgrundlage ein Paradigma zum Führen eines verständnisvollen/helfenden Gesprächs vorgegeben, das Resultat einer theoriegeleiteten Erarbeitung, Heranziehung vorwissenschaftlicher Erfahrungen, empirischer Ergebnisse der Gesprächspsychotherapieforschung sowie von Diskussionen mit in der Erziehungsberatung tätigen Experten ist (KÖHLE, 1980). Das Verhaltenstraining erfolgte, unter besonderer Berücksichtigung motivierender und aktivierender Methoden, hauptsächlich durch kontrastierende Gegenüberstellung von geglückten und mißglückten Eltern-Kind-Dialogen, ErfolgsinformationsUnd Selbstkontrolltechnik, kontrollierte Dialoge und Rollenspiele in entwickelter Form bzw. in der Modifikation fiktiver Situationen, die das Rollenspiel auf die Einleitung verständnisvoller/ helfender Gespräche reduzieren. Die Evaluation erfolgte bei den Eltern durch kriteriumsorientierte Verfahren und durch Einschätzbogen. Bei den Kindern wurde der Transfereffekt durch das modifizierte BAKRETT-LENNARDInventar erfaßt. 8.2. Ergebnisse a n d Diskussion E s nahmen 33 Mütter (82,5 Prozent) u n d 7 Väter (17,5 Prozent) teil, darunter 4 E h e p a a r e . Diese R a t e n belegen besonders in der K l e i n s t a d t noch nachwirkende Rollenstereotype. Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer b e t r u g 36 J a h r e . Der älteste Kursteilnehmer war 52, der j ü n g s t e 30 J a h r e alt. 3 1 Teilnehmer (77,5 Pro-
P. KOHLE, Supportiv-kommunikative Streßbewältigungsintervention
431
zent) waren Arbeiter und Angestellte und 9 (22,5 Prozent) gehörten zur sozialistischen Intelligenz, was, da Genossenschaftsbauern nicht ansässig waren, etwa den Proportionen der Sozialstruktur der DDR-Bevölkerung (WEIDIG, 1980, S. 2) entspricht: 70 Prozent Arbeiter und Angestellte, 6,6 Prozent Genossenschaftsbauern und 17 Prozent Angehörige der Intelligenz.. Nachfolgende Ergebnisse sind jeweils statistisch signifikant gesichert (KÖHLE, 1980) :
1. Kurswerbung und -organisation führten zu einer Teilnehmerzusammensetzung, die, bezogen auf das Kriterium „abnorme psychogene Entwicklung des Kindes", statistisch nur leicht überrepräsentiert ist. 2. Durch Expertenbeurteilung verbaler Erstreaktionen, welche von den Eltern mittels fiktiver Situationen erhoben worden waren, ergab sich, daß a) im Prätest destruktive Reaktionen prävalierten b) durch Kursabsolvierung eine Zunahme konstruktiver verbaler Estreaktionen erfolgte und c) die Fähigkeit zum Verbalisieren persönlich-emotionaler Erlebnisinhalte in positiver Richtung beeinflußt wurde. 3. Ein Transfer der geschulten Verhaltensvariable „Verbalisierung persönlichemotionaler Erlebnisinhalte" in die reale Kommunikationssituation konnte nachgewiesen werden. RINN/MARKLE (1977) kritisieren a m GORDON-Kurs insbesondere die fehlende. Erfassung der Transfereffekte. Auch bei den bisher vorliegenden sozialpsychologischen Trainingsprogrammen zur Effektivierung von Leiterverhalten wurde bisher nur der Trainingseffekt, jedoch nicht seine Praxiswirksamkeit empirisch nachgewiesen (ALBERG/SCHMIDT, 1980, S. 213). Unsere erfaßten Transfereffekte belegen, daß sich die Eltern durch die Kursteilnahme ein anwendungsbereites Können angeeignet haben. Inwieweit diese Verhaltensmodifikation stabil ist, müßten nachfolgende Untersuchungen Auskunft geben.
4. Bei den Eltern nahm das von ihnen] erlebte Verständnis für Entwicklungsprobleme des Heranwachsenden und ihre subjektive Sicherheit im Erziehungs-/ Führungsverhalten bei aktuellem Emotionsstreß des Heranwachsenden zu. Die Ergebnisse der ersten Evaluation zusammenfassend, kann eine grundsätzliche Geeignetheit und Wirksamkeit des vorliegenden Gruppenkurses zur Befähigung von Eltern, eine supportiv-kommunikative Streßbewältigungsintervention zu realisieren, konstatiert werden.
9. Ausblick Jugendliche in der D D R sind sehr familienorientiert, um 80 bis 90 Prozent von ihnen fühlen sich mit ihrer Herkunftsfamilie eng verbunden (STARKE, 1979, S. 153). „Die Jugendlichen erwarten Verständnis und Hilfe von Seiten der Eltern und möchten sich ihnen gern anvertrauen, werden aber oft enttäuscht" (ebd. S. 154). Ein noch zu realisierendes Entwicklungsprogramm von Elternkursen, das sich sowohl 29*
432
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an spezifischen Erziehungsmöglichkeiten der Familie (psycho-emotionale Entwicklungsaufgaben) als auch an entwicklungspsychologischen Erkenntnissen (BOSHOWITSCH, 1979; SCHMIDT, 1979 b) orientiert, sollte inhaltlich wenigstens die Befähigung zur frühzeitigen und psychologisch effektiven Herausbildung positiver Gewohnheiten, zum Führen eines verständnisvollen/helfenden Gesprächs und zum partnerschaftlichen (Persönlichkeits- und gemeinschaftsfördernden) Umgang mit innerfamiliären Interessenunterschieden umfassen. Gerade in der Familie bedarf die partnerschaftliche Bewältigung der widersprüchlichen Einheit von Sozialisation und Juventisation in der Generationenstafette permanenter und offener Information und Konsultation, um konflikthafte Zuspitzungen zu vermeiden. HELM und Mitarb. (1980, S. 221) betonen, daß gerade der Einfluß der Familie „die wichtigste oder doch mindestens eine unentbehrliche Bedingung für das Zustandekommen der meisten psychischen Störungen und für ihre Beseitigung ist". - Als handelndes, denkendes und erlebendes Subjekt wird der Heranwachsende in einer sich verändernden Welt mit immer neuen Widersprüchen in Umwelt- und Partnerbeziehungen konfrontiert und gerät zeitweise auch mit sich selbst in Widerspruch. Bei der persönlichkeitsfördernden Verarbeitung dieser psychoemotionalen Belastungen kommt der intimen interpersonellen Kommunikation mit Bezugspersonen eine besondere Bedeutung zu. Solche Zwiesprachen, hier mit den Eltern, sind zur Entfaltung der Individualität unersetzlich. Sie sind so wichtig wie die Herausforderungen durch das Kollektiv, durch die der Entwicklungsanstoß zur Ausbildung der Fähigkeit des Individuums, in ein produktives Wechselverhältnis mit seiner sozialen Umwelt zu treten, erfolgt. Wegen nachwirkender Geschlechterstereotype melden sich überwiegend Mütter zu Elternkursen. Einschlägige soziologische Erhebungen belegen jedoch, daß diese nach wie vor die Hauptlast der Hausarbeit neben ihrer Berufstätigkeit zu tragen haben. Diese zur Zeit noch zu konstatierende gesellschaftliche Praxis ist letztlich die Ursache dafür, daß die Kontinuität der Teilnahme bei derartigen Kursen nur schwer zu sichern ist. Um diesen Gegebenheiten gerecht zu werden und um auch die Väter zu erreichen, ist ein paralleles Angebot von Selbsttrainingskursen in der Elternarbeit notwendig. Für den vorliegenden supportiv-kommunikativen Elternkursansatz steht die konkurrierende empirische Evaluation mit der analogen Selbsttrainingsvariante noch aus. Da bei dieser Applikation interferierende Komponenten der Gruppendynamik wegfallen, ist in ihrer konkurrierenden Effektuntersuchung mehr als nur eine Formsache zu sehen. Beim Einsatz des vorliegenden Kurses für Eltern, die Kinder im jüngeren bzw. älteren Schulalter haben, ist ein Austausch des Informationsmaterials, der fiktiven Situationen und eine den Besonderheiten der Altersstufe entsprechende Orientierung auf verbale bzw. nonverbale Streßbewältigungsinterventionen, z. B. körperliche Zärtlichkeiten, notwendig. „Wir glauben, daß gutes Zusammenleben und gute Erziehung in ausreichendem Maße lehr- und lernbar sind". (BÖTTCHER, 1968, S. 194).
P. KÖHLE, Supportiv-kommunikative Streßbewältigungslntervention
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Zusammenfassung Konzeptionelle, kommunikationspsychologische und methodologische Aspekte präventiver Elternkurse, die von Elterngruppentherapie und Elterngruppenarbeit in der Jugendhilfe abgegrenzt werden, leiten den Beitrag ein. Die Entwicklung des Konzepts einer süpportiv-kommunikativen Streßbewältigungsintervention erfolgt in Auseinandersetzung mit der Kognitiven Therapie und der Humanistischen Psychologie. Abschließend wird über die erste Evaluation von präventiven Elterngruppenkursen berichtet und ein Ausblick auf weiterführende Untersuchungen gegeben.
Summary The author deals with the concept of preventive parents training courses. He discusses the development of a supportive communicative stress coping strategy with a critical evaluation of aspects from Cognitive psychotherapy and Humanistic Psychology. First empirical results of preventive parents training courses are demonstrated.
PesioMe KomjenTyaJibHiie, KOMMyHHKanHOHHO-ncHxonorHiecKHe H MeToaonormiecKHe acneKTH npepoffirrenefi (B OTJiHHHe oT rpynnoBofi T e p a m m po^HTenefi H paSoTtr c rpyimaMH poHHTeneit) HBJIHIOTCH BBeflemieM npeRMBJieHHOit paSoTH. PaaBHTne KOHneirra cynnopTHBHo-KOMMyHHKciTHBHoro BMeinaTejitcTBa cTpeccoBoro npeofleneHHH HBjmeTCH peayjitTaTOM KpnTHKH KorHHTHBHoi! Tepaimn H ryMaHHCTHHecKoö ncitxojiorjiii. B Komje paÖQTii oöcyjKRaioT nepBHe oijeHKH npeBeHTHBHtrx KypcoB RUH poHHTentcKHx rpynn H na^yT BHJJ Ha NPOROJIMAROMWE HCCJieROBaHHH. B6HTHBHHX KypcoB HJIH
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Anschrift des Verfassers: Dipl.-Psych. Dr. P. K O H L E , Stadtambulanz der Kreispoliklinik „Otto Buchwitz", DDR - 9653 Klingenthal, Leninstr. 230
Aus dem Psychologischen Institut der Universität Bonn
Suche und Validierung kognitiver Strukturen. Entwicklungssequenzen und Lern-/Verlialtensliierarchien mithilfe probabilistischer Modelle Von H . J . HENNING Mit 4 Abbildungen
1. Ordinalskalen in der Entwicklungspsychologie Die Nützlichkeit und die Notwendigkeit von Ordinalskalen in der Entwicklungspsychologie und der Wunsch nach ihrer statistischen Analyse wird von HUNT (1976), RAUH (1974) u n d UZGIRIS u n d HUNT (1975) u. a. besonders hervorgehoben. E n t -
wicklungssequenzen und -strukturen lassen sich nur dann adäquat analysieren, wenn die ordinale Struktur bestimmter Verhaltensweisen oder Testaufgaben vorausgesetzt werden kann. Der Nachweis des Ordinalcharakters von „ P I A G E T " Aufgaben dient z. B. dazu, bestimmte Entwicklungsstufen zu belegen. Trotz gewisser Bedenken bediente man sich dabei überwiegend der Methode der Skalogrammanalyse von GUTTMAN (1952). Der Nachweis einer derartigen eindimensionalen Skala ist jedoch nur als ein erster Schritt in der Analyse kognitiver und komplexer Modelle für Entwicklungssequenzen und -strukturen anzusehen. Erst die Kombination verschiedenster eindimensionaler Kontinua, also die klare Identifikation d^r interessierenden Variablen, ermöglicht sinnvolle Untersuchungen von Entwicklungs- und Veränderungsphänomenen (vgl. WOHLWILL, 1973, dtsch. 1977, S. 96). Die Konstruktion von Entwicklungsskalen und die Analyse ihrer Dimensionalität ist zentraler Gegenstand der Arbeit von WOHLWILL. Eine vergleichbare Intention liegt den Arbeiten von HOPPE und'Mitarb. (1977) zugrunde, die sich der methodisch neueren „Multiple-Scale-Analysis-MSA" von LLNGOES (1963) zuwenden, die einen fixierten Itemsatz in homogejie (eindimensionale) Itemteilmengen zerlegt. Hierbei stehen mehrere Skalen nebeneinander -multiple Skalen-, die im Gegensatz zu den orthogonal verknüpften Dimensionen einer multidimensionalen Skalierung formal unverbunden bleiben. Teilweise eindrucksvolle empirische Ergebnisse mit der deterministischen GuTTMAN-Skala (GREEN-I-Rep. Koeff. v o n .63—.76 bei RAUH, 1 9 7 4 ; von . 8 0 - . 9 9 bei UZGIRIS u n d HUNT, 1975) boten
jedoch bisher wenig Anlaß, nach neuen Analysemethoden zu suchen. Aber gerade in diesen Zahlen steckt der Hinweis auf probabilistische Modellansätze und die Abkehr vom Determinismus im GuTTMAN-Modell.
438
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
Die entwicklungspsychologische Literatur läßt den Wunsch nach eindimensionalen, homogenen Skalen für die Konstrukte eines Netzwerkes von Variablen erkennen, die zur Modellbildung von Entwicklungsstrukturen und -Sequenzen herangezogen werden können. Der folgende Beitrag soll einige Lösungsvorschläge geben, die sich auf einen Vergleich der probabilistischen Skalenanalyse von MOKKEN (1971), der ordnungstheoretischen
A n a l y s e v o n AIRASIAN u n d B A R T ( 1 9 7 3 ) , B A R T
und
K R U S (1973) u n d KRUS ( 1 9 7 6 ; 1977) u n d d e m probabilistischen Modell für Ver-
haltenshierarchien von DAYTON u n d MACREADY (1976) beziehen. E i n e empirische
Re-Analyse mit PIAGET-Daten sowie einige Bemerkungen zu Fragen der Dimensionalität, Homogenität und Struktur ergänzen diesen Vergleich.
2. Techniken zur Skalierung ordinaler Informationen: Basismaße und Klassifikation Es lassen sich mindestens 25 verschiedene Verfahren und Techniken unterscheiden, mit denen sich homogene und eindimensionale Skalen generieren oder zumindest nachweisen lassen. Sie basieren auf unterschiedlichen Algorithmen, setzen verschiedene Grundannahmen, verarbeiten nicht vergleichbare Basisinformationen und führen somit zu kaum vergleichbaren Resultaten. Dies erschwert die Interpretation inhaltlicher Forschung, da die methodischen Besonderheiten und Differenzen selten realisiert und damit auch explizit werden. 2.1. Klassifikationsansätze Die Informationen aus dem entwicklungspsychologischen und kognitiven Bereich sind als Qualitative Daten anzusehen. Dies sind Beobachtungen auf nominalem oder ordinalem Skalenniveau, die erst durch bestimmte Skalierverfahren quantifiziert werden oder durch andere Analyseverfahren auf ihre Dimensionalität und Struktur hin untersucht werden. Für diese Art von Daten hat BENTLER (1980, S. 88f.) eine Typologie von Methoden vorgeschlagen, die „Prediction models", „Multinomial Response models" und „Latent Attribute models" unterscheidet. Die hier interessierehden Methoden fallen in die letztgenannte Rubrik, die sich durch die Frage charakterisieren läßt, wie und ob sich die Beobachtungen durch die Annahme latenter Variablen erklären lassen (vgl. dazu vor allem WOTTAWA, 1979). Weitere Methoden in dieser Rubrik, die sich lediglich dadurch unterscheiden, welche Annahmen sie bezüglich der beobachteten Daten, welche Forderungen sie an die latenten Variablen stellen und welche Relationen zwischen beiden Datenmengen konkretisiert werden sollen, sind: — die Latenten Struktur Modelle von LAZARSFELD — D i e S k a l o g r a m m a n a l y s e v o n GUTTMAN
— Die Monotonizitäts-Analyse von BENTLER (1973)
H . J . HENNING, Entwicklungssequenzen — Lern-/Verhaltenshierarchien
439
— E i n e probabilistische S k a l o g r a m m a n a l y s e v o n PROCTOR (1970)
— Das RASCH-Modell und andere Latent-Trait-Modelle — Die Faktorenanalyse für dichotome Variablen (CHRISTOEFERSSON, 1975; MUTHEN, 1978). Dieser Katalog von Methoden, ergänzt durch die drei bereits genannten (vgl. Abschnitt 1), läßt sich intern weiter ordnen, da die Verfahren teilweise nur sehr schwache Voraussetzungen verlangen, andere sehr strenge Voraussetzungen an die Daten stellen. Die drei ausgewählten Methoden weisen die schwächsten Annahmen auf, die jedoch die Prüfung der Homogenität (d. h. Sicherung der Existenz einer latenten Dimension) eines Itemsatzes und die Anordnung dieser geprüften Items auf einer Ordinalskala zulassen.
2.2. Ansätze systematischer Methodenvergleiche In der Literatur werden neue Methoden i. d. R . auf zweierlei Weise mit den schon bestehenden Verfahren verglichen. Entweder wird ein neues Verfahren gegenüber anderen vom Autor abgegrenzt und es werden die Vorteile herausgestellt, zum anderen werden auch die informationsverarbeitenden Basismaße (Homogenitäts-, Assoziations- und Ähnlichkeitskoeffizienten) auf ihren gemeinsamen bzw. differierenden Informationsgehalt hin untersucht. Beide Möglichkeiten werden hier skizziert. Das Grundmodell der hier aufgelisteten Verfahren ist — auch historisch gesehen — die Skalogrammanalyse. Alle Überlegungen zur Analyse von Datenstrukturen und zur Konstruktionen von Skalen sind in diesem Modell auf ideale (aber deterministische) Weise antizipiert worden. MOKKEN (1971) konnte die Latente-StrukturAnalyse, das RASCH-Modell und die von ihm entwickelte Scammo-Analyse aus den Grundlagen des GUTTMAN-Modells ableiten. Die erste probabilistische Version des GUTTMAN-Modells wurde von PROCTOR (1970) vorgelegt. Danach werden die beobachteten Antwortmuster auf der Basis von Maximum-Likelihood-Schätzungen bestimmt, nachdem sie als multinomiales Wahrscheinlichkeitsprodukt repräsentiert sind. Dieses Verfahren bewertet zwar die sogenannten „Quasi-Skalen", wie sie im GUTTMAN-Modell auftreten können und es liefert auch explizite Teststatistiken zur Modellprüfung, ist aber als eigenständiges Skalierverfahren nicht in Gebrauch genommen worden. Das probabilistische Modell für Verhaltenshierarchien (vgl. w. u.) v o n DAYTON u n d MACREDY (1976) e n t h ä l t den PROCTOR-Algorithmus als
Spezialfall und ist damit der allgemeinere Ansatz, den wir hier auch zum weiteren Vergleich heranziehen werden. BENTLER (1973) grenzt sich bei der Vorstellung seiner Monotonizitätsanalyse vor allem gegen die Verfahrensklasse der Multidimensionalen-Skalierung ab, da dort eine Reihe subjektiver Entscheidungen verlangt werden, die sich nur schwerlich begründen lassen. In den Latenten-Struktur-Modellen wird der Nachteil gesehen, daß die Spezifizierung der Item-Trace-Linien zu erheblichen Restriktionen bezüg-
440
Z. Psychol. Bd. 189 (19981) H. 4
lieh der D a t e n s t r u k t u r e n führen muß. BENTLER meint, daß sich derartige P r o b l e m e bei der Definition v o n „ M o n o t o n i z i t ä t " als R e l a t i o n zwischen I t e m p a a r e n v e r meiden lassen, wenn die Monotonizität als nonmetrisches Maß konzipiert wird. Auch MOKXEN (1971) sieht in der zu restriktiven F e s t l e g u n g v o n Item-Trace-Linien (z. B . I m RASCH-Modell) einen Nachteil. In einem dritten M e t h o d e n k o m p l e x betont KRUS (1976) die Notwendigkeit eindimensionaler Variablen für die psychologische K o n t r u k t - u n d Theorienbildung. D a z u präsentiert er die Ordnungstheoretische A n a l y s e (ORDER-Analysis). E r kritisiert u n d grenzt sich u. a. gegen die I n s t a b i l i t ä t v o n F a k t o r e n l ö s u n g e n u n d Clusteranalysen ab, b e m ä n g e l t die Theorielosigkeit der Multidimensionalen S k a l i e rung und den Determinismus des GUTTMAN-Modells.
2.3. Basismaße E s ist eine der wesentlichen A u f g a b e n methodologischer Entwicklungen, die beispielsweise v o n kognitiven Theorien dargestellten Inhalte derart zu präzisieren, daß eine U b e r s e t z u n g des manifesten Verhaltens bzw. seiner Indikatoren in D a t e n zur weiteren formal-statistischen Verarbeitung möglich ist. N a c h BENTLER (1973) und MOKKEN (1971) sind mindestens die folgenden allgemein gültigen S c h r i t t e durchzuführen: — aus der Zahl potentieller B e o b a c h t u n g e n werden b e s t i m m t e B e o b a c h t u n g e n protokolliert (Population u n d Stichprobe). — die B e o b a c h t u n g e n werden in D a t e n übertragen. Dieses ist der kritische a b e r ' auch gleichzeitig k r e a t i v e P u n k t sozialwissenschaftlicher Arbeit. E s g i b t viele Möglichkeiten, b e s t i m m t e B e o b a c h t u n g e n als D a t u m zu interpretieren. Dies h ä n g t entscheidend v o n den impliziten und/oder expliziten theoretischen Vorannahmen a b . E i n e Hilfe stellt hierbei die S y s t e m a t i k v o n COOMBS (1964) d a r , nach dessen Datentheorie beispielsweise b e s t i m m t e B e o b a c h t u n g e n als Q I I a , x Q l l b oder O l I I - D a t e n interpretiert werden können. — mithilfe v o n Skaliertheorien u n d Meßmodellen sollen die K o n s t r u k t e als l a t e n t e Relationen, Ordnungen, S e q u e n z e n oder S t r u k t u r e n abgebildet u n d v a l i d i e r t werden. A u c h hierbei lassen sich f ü r einen b e s t i m m t e n D a t e n s a t z o f t m a l s mehrere alternative Meßmodelle heranziehen. Nicht jedes Skaliermodell verarbeitet den gleichen Informationsbestandteil v o r liegender D a t e n . D u r c h b e s t i m m t e Arten v o n „ B a s i s m a ß e n " werden den Skaliermodellen die A u s g a n g s i n f o r m a t i o n e n bereitgestellt. A n einem fiktiven Zahlenbeispiel soll unsere K l a s s i f i k a t i o n demonstriert werden (vgl. T a b . I). Mit unilateralen Basismaßen wird nur die „ B e z i e h u n g " innerhalb eines I n d i k a t o r s analysiert. S o tritt z. B . I n d i k a t o r g nur in 2 v o n 6 Fällen auf (vgl. T a b . I a). Typisches Beispiel f ü r B a s i s m a ß e dieser A r t ist der Schwierigkeitsparameter, wie er in der klassischen T e s t k o n s t r u k t i o n a u f t r i t t . Derartige B a s i s m a ß e eignen sich aber nicht zur E r f a s s u n g v o n Ähnlichkeitsinformationen. Die psychometrische E r f a s s u n g
H. J. HENNING, Entwicklungssequenzen — Lern-/Verhaltenshierarchien
441
Tabelle I. Antwortmatrizen zur Darstellung der Basismaße Indikator: a Person: 1 2 3 4 5 6
1 1 0 0 0 0
b
c
d
e
f
g
1 1 1 0 1 1
- 0 1 0 1 1 1
0 0 1 0 0 0
0 1 1 0 0 1
1 1 1 0 1 0
0 0 1 0 1 0
Tabelle Ia. Unilaterales Basismaß (0 = Merkmal nicht vorhanden, 1 = Merkmal vorhanden) Indikator b:
Indikator a:
1
0
3
1
2
0
5
1
6
Tabelle Ib. Bilaterales Basismaß. In den Zellen finden sich die Häufigkeiten des gemeinsamen Auftretens der Merkmalsausprägungen (1,1) (1,0) (0,1) und (1,1)
der „Ähnlichkeit" erfolgt über bilaterale Basismaße. Dabei werden die Beziehungen zwischen je zwei Indikatoren zugrunde gelegt. Aus der resultierenden Vierfeldertafel (vgl. Tab. Ib) lassen sich dann verschiedenartig definierte Ähnlichkeits-, Homogenitäts-, Konkordanz-, Übereinstimmungs- und Korrelationsmaße ableiten, die auch mengentheoretisch oder vektoralgebraisch (vgl. LINGOES, 1963) konzipiert sein können. Die bedeutendste Darstellung des Ähnlichkeitskonzepts in der Psychologie f i n d e t sich bei GREGSON (1975).
Werden drei oder mehr Indikatoren gleichzeitig berücksichtigt, dann lassen sich multilaterale Basismaße bilden. Es sind dies z. B. Mehr-Felder-Chi-Quadrat-Maße oder Formen multipler Korrelationskoeffizienten, die aber insgesamt bisher als Informationsträger in Skalierverfahren und Meßmodellen unberücksichtigt blieben. In einer Arbeit von DAYTON und MACREADY (1976) (vgl. unten) wird das gesamte Antwortmuster über allen Indikatoren als Bewertungsgrundlage herangezogen, so daß man nicht die Menge aller 2x2-Vierfeldertafeln zur Bewertung einer Datenstruktur heranziehen muß. Zwar handelt es sich hierbei nicht um ein explizites Bpsismaß, wenngleich Wahrscheinlichkeitswerte für das Vorliegen bestimmter Sequenz- oder Hierarchiestufen angegeben werden können. 2.4. Informationsgehalt spezieller Basismaße RESTLE (1959) definierte „Ähnlichkeit" über einen mengentheoretischen Ansatz. In der multiplen Skalenanalyse MSA von LINGOES (1963) und den entwicklungsp s y c h o l o g i s c h e n A r b e i t e n v o n HOPPE, SCHMID-SCHÖNBEIN u n d SEILER ( 1 9 7 7 )
fand
442
Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4
dieser Ansatz Verwendung. Die Distanz D¡j zwischen zwei Mengen SL und Sj wird metrisch erfaßt (quantifiziert), wenn die folgenden Axiome gelten:
Aus Axiom 2 (nonnegative Werte) folgt die positive Mannigfaltigkeit, die letztlich die Inversion von Items zuläßt. Hierin sehen HOPPE und Mitarb. (1977) einen Hinderungsgrund für die Anwendung dieser Methode bei der Untersuchung entwicklungspsychologischer Strukturverläufe und Ordinalskalen. Dieser Hinweis mag genügen, um zu verdeutlichen, daß es vom psychologischen Begriffsfeld abhängt, ob mit einem bestimmten Maß und einer bestimmten Methode die interessierenden Sachverhalte auch adäquat abgebildet werden können. Die informationsabbildenden. Eigenschaften von Basismaßen sind ein Kernpunkt, sowohl für die adäquate Anwendung unterschiedlicher Methoden als auch für den Vergleich und die Interpretation der Ergebnisse bestimmter Methoden. Anhand einer elementaren Vierfeldertafel, die die möglichen Antwortmuster für die Items i und j (wobei i „schwerer" als /) abbildet, werden im folgenden die Eigenschaften unterschiedlicher bilateraler Basismaße zusammengestellt. Abweichend von der Literatur sind die Maße auf die Vierfeldertafel (Tab. I I a ) bezogen und entsprechend definiert. Die schraffierten Felder geben an, welche Zellen substantiell die Höhe des jeweiligen Koeffizienten bestimmen. Die mit einer „ 0 " gekennzeichneten Felder geben an, welche Zellen der Relativierung des Bestimmungsanteils des Koeffizienten dienen. Tabelle II. Verschiedene Basismaße für Vierfelder-Klassifikations-Tafeln Item J : Tabelle I I a .
Item I:
1
0
1
a
b
a+ b
o
c
d
c+d
a+c
b+d
N
Tabelle IIb. Vierfelder-Korrelations-Koeffizient nach PEAKSON
H . J . HENNING, Entwicklungssequenzen — Lern-/Verhaltenshierarchien
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Tabelle IIC. Homogenitätskoeffizient nach LOEVINGBR, Basismaß in der multiplen Skalenanalyse von MOKKEN
a — (a + b) (a + c) H = (a + b) (b + d)
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0
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0
Tabelle I l d . Monotonizitätskoeffizient von BENTLER, Basismaß in der Monotonizitätsanalyse
l-bc ad + bc + 2 yäbcd
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0
0
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•
Tabelle I l e . Konfirmatorisches Response Pattern, Basismaß von KRUS in dem probabilistischen Hierarchie-Modell.
• Resp. P a t t . : = (b, c) = (1,0)
0
Die offenen Felder geben an, welche Zellen bei der Maßzahlbestimmung unberücksichtigt bleiben. Es zeigt sich an der Tabelle IIa—e, daß jedes Maß auf andere Informationsanteile zurückgreift. Des weiteren spielen die statistischen Eigenschaften der verschiedenen Basismaße für den Vergleich von Ergebnissen eine ausschlaggebende Rolle. Exemplarisch seien hier einige Aspekte aufgeführt. Die Höhe der Reproduktionskoeffizienten (wie sie eingangs zitiert wurden) kann oft über die tatsächlichen Skalierbarkeitsverhältnisse hinweg täuschen. Der theoretisch mögliche Minimalwert liegt i. d. R . zwischen .50 und .70, so daß einem Wert von .80 nur optische Wirkung zukommt, er aber tatsächlich oftmals nur von geringster praktischer Bedeutsamkeit ist. Die wesentlichsten Anforderungen an Reproduktionskoeffizienten, wie sie in der Skalogrammanalyse von GTJTTMAN berechnet werden, sind nach WHITE und SALTZ (1957) und MOKKEN ( 1 9 7 1 , S . 4 8 f ) :
— Invarianz über Skalen bezüglich der theoretischen Maximal- und Minimalwert der Indizes. — Bestimmbarkeit für Gesamtskalen und einzelne Items. — Testbarkeit gegen die Null-Hypothese von Zufallsantworten. — Testbarkeit gegen die Hypothese bestimmter Kriteriumswerte. Die beiden letzten Punkte erfordern die Existenz von statistischen Prüfverteilungen zentraler und nonzentraler Art. Von allen Homogenitätskoeffizienten erfüllt LOEVINGER'S H ( 1 9 4 7 ; 1948) die beiden erstgenannten P u n k t e am besten. MOKKEN
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Z. Psychol. Bd. 189 (1981) H. 4, \
(1971) entschied sich daher, für diesen Koeffizienten die entsprechenden Prüfverteilungen abzuleiten, und er benutzte dieses Maß als bilaterales Basismaß für die Skalenanalyse SCAMMO (vgl. weiter unten). Weitere Arbeiten über die statistischen Eigenschaften von Skalierbarkeitskoeffizienten liegen von SAGI (1959) und GOODMAN ( 1 9 5 9 ; 1964) v o r .
MOKKEN (1971) als auch BENTLER (1971) definieren für ihre Methoden jeweils
Homogenitätskoeffizienten. In der Monotonizitätsanalyse von BENTLER wird H aus der durchschnittlichen Monotonizität m (vgl. auch Abb! 2d) gebildet. Wenn die Stichprobengröße der Indikatoren unendlich groß wird, dann strebt dieser Koeffizient (vgl. die statistischen Eigenschaften des SPEARMAN-BROWN-Kocffizienten in der klassischen Testtheorie) ebenfalls gegen den Wert 1. Der Homogenitätskoeffizient von MOKKEN (vgl. auch Tab. IIc) strebt hingegen im gleichen Fall gegen den Wert 0 (H einer Gesamtskala). — BENTLER: Homogenität — MOKKEN : Homogenität
Lim (7F S ) = 1 L i m (H) = 0
^
Die Eigenschaft des MoKKEN-Koeffizienten ist m. E. einsichtiger. J e mehr Indikatoren (Verhaltensweisen) an einer konkreten Personenstichprobe beobachtet werden, desto geringer dürfte auch die Wahrscheinlichkeit sein, zwischen allen Personen Übereinstimmung zu erzielen. Hierin dürfte ü. a. ein Vorteil der MoKKEN-Skalenanalyse gegenüber vergleichbaren anderen Verfahren liegen.
3. Zur Dimensionalität von Strukturen, Sequenzen und Hierarchien Ziel vieler entwicklungspsychologischer Arbeiten ist es, die Struktur bestimmter Datenmatrizen zu erkennen, Entwicklungssequenzen nachzuweisen oder Lern- und Verhaltenshierarchien aufzudecken. Man fragt z. B., welche intellektuelle Fähigkeit die notwendige Voraussetzung für eine andere ist, oder wie und welche Fähigkeiten kombiniert werden müssen, um komplexere Fähigkeiten erwerben zu können. I n A r b e i t e n v o n RESNICK u n d WANG (1969), BART u n d KRTTS (1973), MACREADY
(1975) u n d COTTON, GALLAGHER u n d MARSHALL (1977) w u r d e n u. a. Validierungs-
versuche für bestimmte hierarchische Konzeptbildungen unternommen. In ihrer allgemeinsten Form lassen sich derartige Hierarchien oder „kognitive Strukturen" (vgl. d a z u ' a u c h SCHMIDT, 1977) als Systeme
(Def. bei KLAUS, 1969, S . 634) auf-
fassen, die hier aus Indikatoren bestehen, deren Struktur analysiert und validiert werden soll. Wir beschränken uns im folgenden auf Darstellungsweisen für bestimmte Strukturen und diskutieren die Frage der Dimensionalität und Homogenität. Weitere methodische Implikationen zu Entwicklungsverläufen, Veränderungsstrukturen und Sequenzmodellen finden sich in den Arbeiten von RTTDINGER (1977; 1980).
H. J . HENNING, Entwicklungssequenzen — Lern-/Verhaltenshierarchien
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3.1. Die Darstellung von Strukturen Systeme und Strukturen lassen sich auf mindestens drei Weisen — mengentheoretisch (als VENN-Diagramm), — ordnungstheoretisch (als HASSE-Diagramm) datentheoretisch (als Binär-Matrix) darstellen. Die Darstellungen sind zwar in ihrem Informationsgehalt äquivalent, integrieren die Informationen jedoch nach verschiedenen Aspekten, was zu Auswertungsunterschieden führen kann. D i e mengentheoretische
Darstellung
( v g l . COOMBS, D A W E S u n d
TVERSKY,
1975,
S . 4 2 4 f . ; WINTER, 1971, S . 198f. u n d RESTLE, 1959) f ü r drei Mengen St, Ss u n d
Sk,
sagt a u s : Diese Mengen lassen sich ordnen, wenn: a) alle gemeinsamen Elemente von Si und Sk auch in «S-, und b) Sj keine Elemente besitzt, die nicht in S{ oder Sk. In Abbildung l a ist eine Ordnung ( S ^ S ^ Sk) gegeben. In Abbildung l b wird gegen Annahme a) verstoßen, in Abbildung l c wird gegen Annahme b) verstoßen, Abbildung l d stellt eine GITTTMAN-Skala (-Ordnung) mit 4 Items dar. Abbildung l e stellt die GuTTMAN-Skala als Ordnungsdiagramm (HASSE-Diagramm) dar. Abbildung l f als Binärdaten-Matrix. Diese Fälle werden auch als
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