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German Pages 631 [633] Year 2013
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 288 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Evgenia Peiffer
Schutz gegen Klagen im forum derogatum Gültigkeit und Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Rechtsverkehr. Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung ökonomischer Aspekte
Mohr Siebeck
Evgenia Peiffer, geboren 1983; Studium der Rechtswissenschaften in München; Promotionsstipendiatin nach dem Bayerischen Eliteförderungsgesetz; Referendariat in Berlin und Wellington; seit November 2012 Rechtsanwältin in München.
e-ISBN PDF 978-3-16-152447-9 ISBN 978-3-16-152446-2 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Meinen Eltern und Max На моите родители и Макс
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/2012 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Sie entstand im Wesentlichen während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Internationales Recht und Rechtsvergleichung in München. Die mündliche Doktorprüfung fand am 15. Dezember 2011 statt. Das Manuskript wurde im Juni 2011 abgeschlossen. Für die Druckfassung wurden Rechtsprechung und Literatur größtenteils bis Dezember 2012 berücksichtigt. Zwischen Abschluss des Manuskripts und Drucklegung wurde die EuGVVO samt deren auf internationale Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbaren Vorschriften neugefasst. Die beschlossenen Änderungen entsprechen teilweise den in dieser Untersuchung erarbeiteten Vorschlägen. Insoweit kann die vorliegende Arbeit zum Verständnis der neuen EuGVVO, wie sie ab Frühjahr 2015 EU-weit anwendbar sein wird, beitragen. Soweit die EuGVVO-Novelle andere als die hier favorisierten Lösungswege geht, liefert die vorliegende Arbeit eine kritische Würdigung und zeigt zugleich für zukünftige Revisionen der EuGVVO Möglichkeiten zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen auf. Viele Personen haben zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen, denen ich an dieser Stelle von Herzen danken möchte. In erster Linie gilt der Dank meiner Doktormutter Professor Dr. Dagmar Coester-Waltjen, LL.M, die mich bereits in meiner Studienzeit für das Internationale Zivilverfahrensrecht begeistert hat und an deren Münchener Lehrstuhl ich viele Jahre tätig war. Sie hat mich von Anfang bis zum Abschluss meiner Promotion in jeder nur erdenklichen Weise unterstützt. Sie hatte die Idee für das Thema der Dissertation und hat deren Entstehung durch zahlreiche Anregungen u.a. im Rahmen von Doktorandenkollegs gefördert. Professor Dr. Johannes Hager ist für die Erstellung des Zweitgutachtens, Professor Dr. Mathias Habersack für die Übernahme des Vorsitzes in der mündlichen Doktorprüfung zu danken. Zu Dank bin ich auch dem Universität Bayern e.V. verpflichtet, der die Entstehung dieser Arbeit durch ein Promotionsstipendium großzügig gefördert hat. Besonderer Dank gebührt auch Professor Dr. Bruno Rimmelspacher für seine Unterstützung bei meiner Bewerbung um das Promotionsstipendium. Schließlich danke ich
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Vorwort
den Professoren Dr. Jürgen Basedow, LL.M., Dr. Holger Fleischer, LL.M. und Dr. Reinhard Zimmermann, FBA, FRSE für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“. Fruchtbare Anregungen erfuhr die Arbeit durch die Gespräche mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Kruis, wofür ich mich herzlich bei ihm bedanke. Mein wärmster Dank gilt meiner lieben Freundin Susanne Quadbeck. Sie hat mich bei der Erstellung der Arbeit immer ermutigt, den – teilweise steinigen – Weg weiterzugehen, das Manuskript Korrektur gelesen und mir viele wertvolle Hinweise gegeben. Herzlich danken möchte ich auch meiner Freundin Jelena Bäumler für ihre stets motivierenden und ehrlichen Worte. Meine Eltern, Youlia Anastassova und Roumen Anastassov, haben mich bereits in jungen Jahren für fremde Länder und Sprachen begeistert und mich während Studium und Promotion fernab meiner Heimat Bulgarien nicht nur finanziell, sondern auch moralisch mit unglaublichem Elan unterstützt. Sie haben immer an meinen Erfolg geglaubt und mir Kraft für die Verwirklichung meiner Träume gegeben. Für ihren bedingungslosen Rückhalt gebühren ihnen mein innigster Dank und größte Anerkennung. Herzlichen Dank spreche ich auch meiner Schwester Vanya Anastassova aus. Ihr liebevoller Zuspruch hat dafür gesorgt, dass mich während Studium und Promotion der Mut nie verlassen hat. Mein tief empfundener Dank gilt schließlich meinem Mann Rechtsanwalt Dr. Max Peiffer. Ohne seine unermüdliche Unterstützung, langjährige Freundschaft und innige Liebe wäre der Abschluss dieser Arbeit nicht möglich gewesen. Mit viel Geduld und Ausdauer hat er mich durch die Höhen und Tiefen der Promotionszeit begleitet und mich stets zum Weitermachen motiviert. In zahlreichen fachlichen Diskussionen hat er mir wertvolle Anregungen zu Aufbau und Argumentation gegeben. Seine konstruktive Kritik nach dem Korrekturlesen des Manuskripts hat entscheidend zum Gelingen dieser Untersuchung beigetragen. Ohne seine enorme Hilfe bei der Formatierung der Arbeit hätte sich die Fertigstellung der druckreifen Fassung wesentlich verzögert. München, im Dezember 2012
Evgenia Peiffer
Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................. VII Inhaltsverzeichnis ..................................................................................XV Abkürzungsverzeichnis ................................................................... XXXIX
Kapitel 1: Einleitung und Grundlegung ........................................... 1 § 1 Aufgaben und Programm der Untersuchung........................................ 1 A. Problemstellung und Ziele der Arbeit ................................................... 2 B. Methoden der Untersuchung ................................................................. 3 C. Begriffsklärung und Eingrenzung der Untersuchung............................. 7 D. Gang der Untersuchung ...................................................................... 10 § 2 Motive für den Abschluss und Gründe für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen – eine ökonomische Analyse ............... 12 A. Anreize für den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen und deren wohlfahrtsökonomisches Potential...................................... 12 B. Motive für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen.......... 15
Kapitel 2: Zulässigkeit, Wirksamkeit, Ausschließlichkeit und Reichweite internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen.................................................................................... 17 § 3 Zulässigkeit von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen ....... 17 A. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten ........................................................................ 18 B. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ........................................... 76 C. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO ............................................ 109
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Inhaltsübersicht
§ 4 Wirksamer Abschluss von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 119 A. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten ...................................................................... 119 B. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ......................................... 140 C. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO ............................................ 164 § 5 Ausschließlichkeit und Reichweite von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 172 A. Bestimmung der Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten....................... 172 B. Bestimmung der Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ................................................................. 183 C. Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO............. 186
Kapitel 3: Direkter Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen ............................ 189 § 6 Rüge der internationalen Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts und ihre Folgen.............................................. 189 A. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen in autonomen Rechten ........ 190 B. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen in international vereinheitlichten Rechten ................................................................. 206 C. Die Rüge der Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts und ihre Folgen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Diskussion von Reformvorschlägen für die EuGVVO......................................... 210 § 7 Einleitung eines Parallelverfahrens vor dem prorogierten Gericht ........................................................................ 219 A. Grenzen der Einleitung eines Parallelverfahrens im prorogierten Forum in den autonomen Rechten............................ 219
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B. Grenzen der Einleitung eines Parallelverfahrens im prorogierten Forum in international vereinheitlichten Rechtssystemen ................................................................................ 242 C. Einleitung eines Parallelverfahrens vor dem prorogierten Gericht – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ......................... 268 § 8 Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht ......................................................................... 284 A. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht in autonomen Rechten...................................... 284 B. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht in international vereinheitlichten Rechtssystemen ................................................................................ 355 C. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ........... 368
Kapitel 4: Indirekter Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen ............................ 375 § 9 Verweigerung der Anerkennung eines Urteils des abredewidrig angerufenen Gerichts.................................................. 375 A. Anerkennungsversagung wegen Klage im derogierten Forum in autonomen Rechten ...................................................................... 376 B. Anerkennungsversagung wegen Klage im derogierten Forum in international vereinheitlichten Rechtssystemen............................. 395 C. Anerkennungsversagung gegenüber Urteil aus dem forum derogatum – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ........... 396 § 10 Bereicherungsrechtlicher Ausgleich nach Erfüllung eines Urteils aus dem forum derogatum ............................................ 400 A. Gewährung von Rückforderungsansprüchen ..................................... 401 B. Das auf den Rückforderungsanspruch anwendbare Recht.................. 408 C. Internationale Zuständigkeit für eine Rückforderungsklage .............. 413 D. Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils......................... 416
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Inhaltsübersicht
E. Bereicherungsrechtlicher Ausgleich bei Erfüllung eines im abredewidrigen Forum erlassenen Urteils – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO............................................................................... 426 § 11 Schadensersatz wegen Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 429 A. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in autonomen Rechten ...................................................................... 429 B. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in international vereinheitlichten Rechtssystemen ..................................................... 474 C. Schadensersatz wegen Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ........... 489 § 12 Möglichkeiten zur vertraglichen Absicherung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 496 A. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten ...................................................................... 496 B. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ......................................... 507 C. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Vorschläge zur Verbesserung der EuGVVO ..................................... 511
Kapitel 5: Revision der EuGVVO – Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen .............................. 515 A. Ausgangspunkt: Die Gefahren für Gerichtsstandsabreden nach der lex lata ............................................................................... 515 B. Ausblick: Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsabreden de lege ferenda ................................................................................. 518
Verzeichnis der zitierten Rechtstexte ........................................... 521 A. Gemeinschaftsrecht .......................................................................... 521 B. Konventionen ................................................................................... 522 C. Innerstaatliches Recht Deutschland................................................... 523 D. Innerstaatliches Recht England ......................................................... 523
Inhaltsübersicht
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E. Innerstaatliches Recht USA .............................................................. 524
Rechtsprechungsverzeichnis .......................................................... 527 A. EGMR .............................................................................................. 527 B. EuGH ............................................................................................... 527 C. Deutschland ...................................................................................... 528 D. England ............................................................................................ 532 E. USA ................................................................................................. 538 F. Entscheidungen sonstige Länder ....................................................... 547
Literaturverzeichnis .............................................................................. 549 Register ................................................................................................ 577
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................. VII Inhaltsübersicht....................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ................................................................... XXXIX
Kapitel 1: Einleitung und Grundlegung ........................................... 1 § 1 Aufgaben und Programm der Untersuchung........................................ 1 A. Problemstellung und Ziele der Arbeit ................................................... 2 B. Methoden der Untersuchung ................................................................. 3 I. Die Rechtsvergleichung als Methode.............................................. 3 II. Die ökonomische Analyse des Rechts als Methode......................... 4 C. Begriffsklärung und Eingrenzung der Untersuchung............................. 7 D. Gang der Untersuchung ...................................................................... 10 § 2 Motive für den Abschluss und Gründe für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen – eine ökonomische Analyse ............... 12 A. Anreize für den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen und deren wohlfahrtsökonomisches Potential...................................... 12 B. Motive für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen.......... 15
Kapitel 2: Zulässigkeit, Wirksamkeit, Ausschließlichkeit und Reichweite internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen.................................................................................... 17 § 3 Zulässigkeit von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen ....... 17 A. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten ........................................................................ 18 I. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im englischen Recht ..................................................................... 18
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Inhaltsverzeichnis
1. Überblick über die autonomen englischen Regeln der internationalen Zuständigkeit ............................................. 18 a) Begründung internationaler Zuständigkeit in England durch Inlandszustellung ......................................... 19 aa) Voraussetzungen der Zuständigkeitseröffnung............... 20 bb) Gerichtliches Ermessen zur Nichtausübung bestehender Zuständigkeit ............................................. 21 b) Begründung internationaler Zuständigkeit in England durch Auslandszustellung .................................................... 24 c) Begründung internationaler Zuständigkeit in England durch Unterwerfung............................................................. 25 2. Zulässigkeitsanforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen englischen Recht ...................... 26 a) Pro- und Derogationsverbote im englischen Recht ............... 26 b) Gerichtliches Ermessen bei der Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen....................................... 27 aa) Grundsatz ...................................................................... 27 bb) Maßgebliche Faktoren bei der gerichtlichen Ermessensentscheidung ................................................. 29 cc) Kritik der Literatur an der Handhabung des gerichtlichen Ermessens .......................................... 32 II. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im US-amerikanischen Recht........................................................ 33 1. Überblick über die autonomen US-amerikanischen Regeln der internationalen Zuständigkeit ................................. 33 a) Regeln zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche von federal und state courts................................................. 34 aa) Die federal question- und diversity jurisdiction der US-Bundesgerichte .................................................. 34 bb) Removal – Abgabe einer Streitigkeit von einem state court an einen federal court ........................ 36 b) Regeln der internationalen Zuständigkeit in den US-Zivilprozessrechten ............................................. 37 aa) Voraussetzungen für die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit......................................... 38 (1) Die Unterscheidung zwischen actions in personam, actions in rem und actions quasi in rem............................................................. 39 (2) Zuständigkeitsgründe für actions in personam......... 40 (a) Minimum contacts des Beklagten zum Forumstaat.................................................. 42
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(b) Vereinbarkeit der Zuständigkeitsausübung mit fairness- und reasonableness-Kriterien .............. 43 (c) Sonderfall: Zuständigkeitsbegründung durch Selbstunterwerfung................................... 43 bb) Gerichtliches Ermessen zur Nichtausübung eröffneter Zuständigkeit................................................. 44 2. Zulässigkeitsanforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen US-amerikanischen Recht ........ 48 a) Behandlung von Derogationen US-amerikanischer Gerichte............................................................................... 48 aa) Die Rechtslage vor den Bundesgerichten ....................... 48 (1) Entscheidungen in Ausübung ausschließlicher Bundeszuständigkeit oder federal question jurisdiction .............................................................. 48 (a) Der Weg von der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Derogationen zum sog. reasonableness-Test ............................ 49 (b) Zulässigkeitsschranken nach dem reasonableness-Test ........................................... 53 (2) Entscheidungen in Ausübung von diversity jurisdiction................................................ 57 (3) Die Bedeutung der forum non conveniensDoktrin für die Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen .............................................. 61 bb) Die Rechtslage vor den einzelstaatlichen Gerichten ....... 62 b) Behandlung von Prorogationen US-amerikanischer Gerichte............................................................................... 64 aa) Der grundsätzliche Maßstab für die Anerkennung einer Prorogation ..................................... 65 bb) Der Sondermaßstab für die Anerkennung einer Prorogation in 28 U.S.C. § 1404 (a) ...................... 66 III. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im deutschen Recht ...................................................................... 67 1. Überblick über die autonomen deutschen Regeln der internationalen Zuständigkeit ............................................. 68 2. Voraussetzungen der Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen deutschen Recht ....................... 69 a) Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen für Gerichtsstandsvereinbarungen ............................................. 70 b) Besondere Zulässigkeitsbeschränkungen für Prorogationen deutscher Gerichte ........................................ 71
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c) Besondere Zulässigkeitsbeschränkungen für Derogationen deutscher Gerichte ......................................... 72 B. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ........................................... 76 I. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO ............................................... 76 1. Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO .............................. 76 a) Wohnsitz einer der Parteien im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ...................................................................... 77 aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Wohnsitzes einer Partei in einem Mitgliedstaat ....... 77 bb) Die Sonderregel von Art. 23 III EuGVVO für Gerichtsstandsvereinbarungen, deren Parteien außerhalb der EU ansässig sind...................................... 81 b) Zuständigkeitsabrede zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats ............................................................. 82 c) Internationaler Sachverhalt .................................................. 84 2. Voraussetzungen der Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO ............. 86 II. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ ................................................. 89 1. Die Entstehungsgeschichte und die Grundzüge des HGÜ ......... 89 2. Anwendungsbereich des HGÜ.................................................. 94 a) Internationaler Sachverhalt gem. Art. 1 HGÜ ...................... 94 aa) Bedeutung des Internationalitätserfordernisses in Bezug auf die Zuständigkeitsregeln in Kapitel II HGÜ.......................................................... 94 (1) Das Internationalitätserfordernis von Art. 1 II HGÜ ................................................... 95 (2) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Internationalitätserfordernisses von Art. 1 II HGÜ ................................................... 96 bb) Bedeutung des Internationalitätserfordernisses in Bezug auf die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln im Kapitel III HGÜ.................... 100 b) Sachlicher Anwendungsbereich des HGÜ .......................... 101 c) Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 3 lit. a-c HGÜ.................................................... 102 d) Zeitlicher Anwendungsbereich gem. Art. 16 und 31 HGÜ.................................................. 102 e) Verhältnis zwischen dem HGÜ und der EuGVVO ............. 103
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3. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ........................................... 105 a) Besondere Anforderungen an die Zulässigkeit von Prorogationen ............................................................. 106 b) Besondere Zulässigkeitsschranken für Derogationen.......... 107 C. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO ............................................ 109 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten..................................................... 109 II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts.................................................... 111 III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme ................ 114 IV. Vorschläge zur Verbesserung der EuGVVO ............................... 117 § 4 Wirksamer Abschluss von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 119 A. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten ...................................................................... 119 I. Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten ................................................................ 119 1. Bestimmung des auf das Zustandekommen anwendbaren Rechts............................................................... 119 a) Bestimmung des Abschlussstatuts internationaler Gerichtsstandsabreden in den USA .................................... 120 b) Bestimmung des Abschlussstatuts internationaler Gerichtsstandsabreden in England und Deutschland........... 121 aa) Akzessorische Anknüpfung des Prorogationsstatuts..... 122 bb) Selbständige Schwerpunktbestimmung des Prorogationsstatuts ................................................ 124 cc) Ergebnis ...................................................................... 125 2. Grundsätzliche Anforderungen an den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in den autonomen Rechten...... 126 a) Rechtliche Unabhängigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung von dem Hauptvertrag .................................. 126 b) England und USA: Erfordernis der consideration .............. 127 3. Besonderheiten für AGB-Gerichtsstandsklauseln in den autonomen Rechten ..................................................... 128 a) Abschluss von Gerichtsstandsabreden in AGB im englischen und deutschen Recht ................................... 128
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aa) Die Regeln des englischen Rechts über die wirksame Einbeziehung von AGBGerichtsstandsklauseln im Überblick ........................... 128 bb) Die Regeln des deutschen Rechts über die wirksame Einbeziehung von AGBGerichtsstandsklauseln im Überblick ........................... 131 cc) Die Inhaltskontrolle von AGBGerichtsstandsklauseln nach den Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL ............... 133 b) Abschluss von Gerichtsstandsabreden in AGB im US-amerikanischen Recht............................................. 137 II. Formanforderungen für Gerichtsstandsvereinbarungen in den autonomen Rechten.......................................................... 139 B. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ......................................... 140 I. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsabreden im Anwendungsbereich der EuGVVO ........................................ 140 1. Zustandekommen von Gerichtsstandsabreden im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO ............................. 141 2. Wirksamkeit von Gerichtsstandsabreden im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO ............................. 145 a) Formanforderungen nach Art. 23 I S. 3 EuGVVO.............. 145 b) Weitere im Rahmen von Art. 23 EuGVVO geltende Wirksamkeitsanforderungen .............................................. 146 3. Besonderheiten für AGB-Gerichtsstandsklauseln im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO ....................... 151 a) Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsklauseln ................ 151 b) Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsklauseln ............. 152 aa) Die grundsätzliche Unzulässigkeit von AGBInhaltskontrolle nach nationalem Recht ....................... 153 bb) Ausnahmsweise AGB-Inhaltskontrolle nach einzelstaatlichem Recht in Verbraucherverträgen?....... 154 (1) Bedarf für eine Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der EG-Klausel-RL? ........................ 154 (2) Zulässigkeit einer Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der EG-Klausel-RL? ........................ 155 II. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ ............................................... 159 1. Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Rahmen des HGÜ ............................................................. 159 2. Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich des HGÜ................................................. 161
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a) Formerfordernisse von Art. 3 lit. c HGÜ............................ 161 b) Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen .............................. 163 3. Besonderheiten für AGB-Gerichtsstandsklauseln im Geltungsbereich des HGÜ................................................. 163 C. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO ............................................ 164 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten..................................................... 165 1. Das auf den Abschluss anwendbare Recht und dessen Inhalt ................................................................... 165 2. Das auf die Form anwendbare Recht und dessen Anforderungen ..................................................... 167 II. Zusammenspiel von autonomen Rechten und Regelungen des Einheitsrechts............................................. 168 III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme ................ 169 IV. Reformvorschlag für die EuGVVO............................................. 171 § 5 Ausschließlichkeit und Reichweite von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 172 A. Bestimmung der Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten....................... 172 I. Die Festlegung des Auslegungsstatuts in den autonomen Rechten.......................................................... 172 II. Auslegungsgrundsätze in den autonomen Rechten ...................... 174 1. Bestimmung der Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen................................................ 174 a) Bestimmung der Ausschließlichkeit im englischen Recht........................................................... 174 b) Bestimmung der Ausschließlichkeit im US-amerikanischen Recht............................................. 175 c) Bestimmung der Ausschließlichkeit im deutschen Recht............................................................ 177 2. Bestimmung der sachlichen Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen................................................ 178 a) Gerichtsstandsvereinbarungen und deliktische Ansprüche........................................................ 179 b) Gerichtsstandsvereinbarungen und einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen ............................... 180 III. Bestimmung der persönlichen Reichweite .................................. 182
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B. Bestimmung der Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ................................................................. 183 I. Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO ............... 183 II. Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ ...................... 185 C. Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO ........................... 186 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten sowie deren Zusammenspiel........ 186 II. Effizienzbewertung der untersuchten Rechtssysteme .................. 187 III. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO ................................ 188
Kapitel 3: Direkter Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen ............................ 189 § 6 Rüge der internationalen Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts und ihre Folgen.............................................. 189 A. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen in autonomen Rechten ........ 190 I. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im englischen Recht ..... 190 1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Rügeerhebung............................................................. 190 2. Verfahrensrechtliche Folgen einer erfolgreichen Zuständigkeitsrüge ........................................... 193 II. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im US-amerikanischen Recht...................................................... 195 1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Rügeerhebung ..... 195 a) Antrag auf Abweisung bzw. Aussetzung der Klage............ 196 b) Antrag auf federal transfer gem. 28 U.S.C. § 1404 (a)....... 200 2. Verfahrensrechtliche Folgen einer erfolgreichen Zuständigkeitsrüge ........................................... 201 III. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im deutschen Recht ...... 203 1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Zuständigkeitsrüge ........................................................... 204 2. Verfahrensrechtliche Folgen einer erfolgreichen Zuständigkeitsrüge ........................................... 205 B. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen in international vereinheitlichten Rechten ................................................................. 206
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Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im Anwendungsbereich der EuGVVO ........................................ 206 II. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im Anwendungsbereich des HGÜ ............................................... 209 C. Die Rüge der Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts und ihre Folgen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Diskussion von Reformvorschlägen für die EuGVVO......................................... 210 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten..................................................... 210 II. Zusammenspiel von autonomen Rechten und Regelungen des Einheitsrechts....................................................................... 212 III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme ................ 213 IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO ................................ 214 1. Vorschlag 1: Einführung eines Zentralregisters für Gerichtsstandsvereinbarungen .......................................... 215 2. Vorschlag 2: Einführung eines obligatorischen Vorverfahrens zur Entscheidung über die internationale Zuständigkeit ............................................. 215 3. Vorschlag 3: Einführung einer Frist, innerhalb derer Entscheidung über die Zuständigkeitsrüge erfolgen muss......................................................................... 216 4. Vorschlag 4: Einführung einer Kostentragungspflicht zulasten des abredewidrig Klagenden..................................... 217 5. Zusammenfassung und Ergebnis ............................................ 218 I.
§ 7 Einleitung eines Parallelverfahrens vor dem prorogierten Gericht ........................................................... 219 A. Grenzen der Einleitung eines Parallelverfahrens im prorogierten Forum in den autonomen Rechten............................ 219 I. Parallelverfahren im prorogierten Forum nach englischem Recht ............................................................... 219 1. Grundsatz: Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz im gerichtlichen Ermessen ..................................................... 220 2. Die Bedeutung einer Prorogation englischer Gerichte für die Ermessensausübung .................................................... 221 3. Der Einfluss einer negativen Feststellungsklage auf die Ermessensentscheidung .............................................. 223 II. Parallelverfahren im prorogierten Forum nach US-amerikanischem Recht ................................................. 225 1. Die unterschiedlichen Ansätze zur Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz........................................................ 226
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Inhaltsverzeichnis
2. Die Rolle einer Prorogation US-amerikanischer Gerichte für die Entscheidung über die Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit.............................................. 230 3. Negative Feststellungsklagen und Anerkennung ausländischer Rechtshängigkeit.............................................. 234 III. Parallelverfahren im prorogierten Forum nach deutschem Recht ................................................................ 236 1. Grundsätze der Beachtung auswärtiger Rechtshängigkeit im Überblick .......................................................................... 236 2. Konkurrenz zwischen einer Leistungs- und einer negativen Feststellungsklage ......................................... 240 3. Auswärtige Litispendenz bei ausschließlicher Prorogation deutscher Gerichte .............................................. 241 B. Grenzen der Einleitung eines Parallelverfahrens im prorogierten Forum in international vereinheitlichten Rechtssystemen ................................................................................ 242 I. Grenzen der Einleitung von Parallelverfahren im Anwendungsbereich der EuGVVO ........................................ 242 1. Parallelverfahren vor mitgliedstaatlichen Gerichten ............... 242 a) Die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 27 f. EuGVVO ..................................................... 244 b) Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit in der EuGVVO ................................................................. 245 c) Die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 27 f. EuGVVO ..................................................... 245 aa) Anspruchsidentität i.S.v. Art. 27 EuGVVO.................. 246 bb) Konnexität i.S.v. Art. 28 EuGVVO.............................. 249 d) Die Rechtsfolgen von Art. 27 f. EuGVVO im Überblick.... 249 aa) Aussetzungspflicht des später angerufenen Gerichts gem. Art. 27 EuGVVO ................................................ 249 bb) Ermessensentscheidung des später angerufenen Gerichts gem. Art. 28 EuGVVO .................................. 251 e) Die Rechtsfolgen von Art. 27 f. EuGVVO bei Prorogation des zweitangerufenen Gerichts.................. 252 aa) Die Rolle einer Prorogation des Zweitgerichts im Rahmen von Art. 27 EuGVVO ............................... 252 (1) Die Schlussanträge des Generalanwalts und die EuGH-Entscheidung in der Sache Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. ........................ 254 (2) Würdigung der EuGH-Entscheidung Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. ........................ 257
Inhaltsverzeichnis
XXV
bb) Die Rolle einer Prorogation des Zweitgerichts im Rahmen von Art. 28 EuGVVO ............................... 261 2. Parallelverfahren vor einem drittstaatlichen und einem mitgliedstaatlichen Gericht ................................... 263 a) Unanwendbarkeit von Art. 27 f. EuGVVO bei Litispendenz in einem Drittstaat................................... 263 b) Anderweitige Vorgaben der EuGVVO für die Behandlung drittstaatlicher Litispendenz?.......................... 264 II. Grenzen der Einleitung von Parallelverfahren im Anwendungsbereich des HGÜ .................................................... 267 C. Einleitung eines Parallelverfahrens vor dem prorogierten Gericht – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ........... 268 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten..................................................... 268 II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts.................................................... 270 III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme ................ 271 IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO ................................ 272 1. Vorschlag 1: Unbegrenzte Zulassung der Einleitung eines Parallelverfahrens im designierten Forum ..................... 272 2. Vorschlag 2: Zulassung eines Parallelverfahrens im designierten Forum nur bei negativer Feststellungsklage vor dem abredewidrig angerufenen Gericht ............................ 274 3. Vorschlag 3: Zulassung eines Parallelverfahrens im designierten Forum nach erfolglosem Ablauf einer Frist zur Zuständigkeitsentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts ............................................................. 275 4. Vorschlag 4: Umkehrung der Rechtshängigkeitsregel in Art. 27 EuGVVO zugunsten des designierten Gerichts........... 276 a) Vorschlag 4.1: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht stets und sofort das Verfahren auszusetzen ....................................................... 276 b) Vorschlag 4.2: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht nur innerhalb einer bestimmten Frist das Verfahren auszusetzen ...................... 278 c) Vorschlag 4.3: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht nur dann auszusetzen, wenn es die Gerichtsstandsabrede für ungültig hält ............ 278 d) Vorschlag 4.4: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht nur dann auszusetzen, wenn eine Standardgerichtsstandsabrede vorgelegt wird .... 279
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XXVIII
Inhaltsverzeichnis
aa) Wortlaut von § 38 ZPO und Gesetzessystematik – Argumente gegen eine verpflichtende Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen? ............................. 332 bb) Die Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen – ein Argument gegen eine verpflichtende Wirkung? ............................................. 333 cc) Hypothetischer Parteiwille – ein Argument für oder gegen einen Verpflichtungsinhalt von Gerichtsstandsvereinbarungen?.................................... 334 b) Deliktische Unterlassungsansprüche .................................. 337 aa) Anwendbarkeit deutschen Deliktsrechts....................... 338 bb) Anspruch aus § 823 I BGB auf Erlass eines Prozessführungsverbots bei abredewidriger Klage? ..... 340 cc) Anspruch aus § 826 BGB auf Erlass eines Prozessführungsverbots bei abredewidriger Klage? ..... 343 (1) Prinzipielle Eignung von § 826 BGB als Grundlage für Erlass eines Verbots der Fortführung eines ausländischen Verfahrens.......... 343 (2) Allgemeine Voraussetzungen für die Sittenwidrigkeit einer Klageerhebung im Ausland: Der gegenwärtige Stand der Diskussion....................................................... 344 (3) Anforderungen an die Sittenwidrigkeit einer Klageerhebung im Ausland bei Derogation des auswärtigen Forums?....................................... 346 2. Verfahrensrechtliche Aspekte des Erlasses eines Prozessführungsverbots................................................. 348 a) Internationale Zuständigkeit für die Anordnung eines Prozessführungsverbotes........................................... 348 b) Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung eines Prozessführungsverbots ............................................ 349 c) Vollstreckung eines Prozessführungsverbots...................... 350 3. Völkerrechtliche Bedenken gegen den Erlass eines Prozessführungsverbots................................................. 351 4. Anerkennung ausländischer Prozessführungsverbote in Deutschland nach dortigem autonomem Recht ................... 352 B. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht in international vereinheitlichten Rechtssystemen ................................................................................ 355 I. Prozessführungsverbote im Anwendungsbereich der EuGVVO.............................................................................. 355
Inhaltsverzeichnis
XXIX
1. Untersagung des abredewidrig eingeleiteten Verfahrens in einem EU-Mitgliedstaat ..................................................... 355 a) Die EuGH-Entscheidung Turner ./. Grovit ......................... 356 b) Turner ./. Grovit und die Möglichkeit von Prozessführungsverboten zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen..................................... 359 c) Anerkennungsfähigkeit von Prozessführungsverboten nach Art. 32 f. EuGVVO ................................................... 362 2. Untersagung des abredewidrig eingeleiteten Verfahrens in einem Drittstaat.................................................................. 363 II. Prozessführungsverbote im Anwendungsbereich des HGÜ ......... 365 1. Erlass von Prozessführungsverboten im Geltungsbereich des HGÜ................................................. 365 2. Anerkennung auswärtiger Prozessführungsverbote im Geltungsbereich des HGÜ................................................. 367 C. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ........... 368 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten..................................................... 368 II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts............................................. 371 III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme ................ 371 IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO ................................ 372
Kapitel 4: Indirekter Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen ............................ 375 § 9 Verweigerung der Anerkennung eines Urteils des abredewidrig angerufenen Gerichts.................................................. 375 A. Anerkennungsversagung wegen Klage im derogierten Forum in autonomen Rechten ...................................................................... 376 I. Anerkennungsversagung zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung im englischen Recht ....................... 376 1. Grundstrukturen des autonomen englischen Anerkennungsrechts............................................................... 376 a) Bestehende Anerkennungsregimes ..................................... 376 b) Prüfung der Anerkennungszuständigkeit im Überblick ...... 378 aa) Anforderungen an die Anerkennungszuständigkeit im common law ........................................................... 379
XXX
Inhaltsverzeichnis
bb) Anforderungen an die Anerkennungszuständigkeit im geschriebenen Recht ............................................... 382 2. Anerkennungsversagung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung ................................................... 382 II. Anerkennungsversagung zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung im US-amerikanischen Recht.......... 385 1. Die Anerkennungsregeln im autonomen US-amerikanischen Recht im Überblick................................. 385 a) Die unterschiedlichen Anerkennungsregimes..................... 385 aa) Entscheidungsanerkennung im zwischenstaatlichen Verkehr................................... 386 bb) Entscheidungsanerkennung im internationalen Verkehr .......................................... 387 b) Die Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts........................................................ 388 aa) Entscheidungen im zwischenstaatlichen Verkehr ......... 388 bb) Entscheidungen im internationalen Verkehr................. 389 2. Anerkennungsverweigerung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung ................................................... 391 III. Anerkennungsversagung zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung im deutschen Recht ........................ 393 B. Anerkennungsversagung wegen Klage im derogierten Forum in international vereinheitlichten Rechtssystemen............................. 395 C. Anerkennungsversagung gegenüber Urteil aus dem forum derogatum – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ........... 396 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten................................... 396 II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts.................................................... 398 III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme und Reformbedarf für die EuGVVO ........................................... 398 § 10 Bereicherungsrechtlicher Ausgleich nach Erfüllung eines Urteils aus dem forum derogatum ............................................ 400 A. Gewährung von Rückforderungsansprüchen ..................................... 401 I. Spezielle gesetzliche Regelungen für Rückforderungsklagen .......................................................... 401 II. Rückforderung nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Regeln ................................................ 403 1. Rückforderungsanspruch nach dem Bereicherungsrecht Englands und der USA ............................ 403
Inhaltsverzeichnis
XXXI
2. Rückforderungsanspruch nach deutschem Bereicherungsrecht ................................................................ 404 B. Das auf den Rückforderungsanspruch anwendbare Recht.................. 408 I. Autonome Kollisionsrechte ........................................................ 408 1. Das nach englischem IPR anwendbare Recht ......................... 408 2. Das nach deutschem IPR anwendbare Recht .......................... 409 3. Das nach US-amerikanischem IPR anwendbare Recht............ 411 II. Das nach der Rom II-VO anwendbare Recht .............................. 411 C. Internationale Zuständigkeit für eine Rückforderungsklage .............. 413 D. Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils......................... 416 I. Anerkennungsfähigkeit von Rückforderungstiteln in autonomen Rechten ................................................................ 417 1. Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit .................................... 417 2. Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer Entscheidungen ............................................... 417 3. Anerkennungsversagung wegen ordre public-Verstoßes ........ 420 II. Anerkennungsfähigkeit von Rückforderungstiteln in international vereinheitlichten Rechtssystemen....................... 422 1. Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils im Anwendungsbereich der EuGVVO.................................... 422 a) Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer Entscheidungen ........................................... 423 b) Anerkennungsversagung wegen ordre public-Verstoßes ...................................................... 424 2. Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils im Anwendungsbereich des HGÜ........................................... 424 E. Bereicherungsrechtlicher Ausgleich bei Erfüllung eines im abredewidrigen Forum erlassenen Urteils – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO .......................................... 426 I. Die bereicherungsrechtliche Rückforderungsklage in den autonomen Rechten.......................................................... 426 II. Die bereicherungsrechtliche Rückforderungsklage im Anwendungsbereich von EuGVVO und HGÜ ....................... 427 III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme und Schlussfolgerungen für die Reform der EuGVVO................ 428 § 11 Schadensersatz wegen Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 429 A. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in autonomen Rechten ...................................................................... 429
XXXII I.
Inhaltsverzeichnis
Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs in den autonomen Rechten.......................................................... 430 1. Schadensersatzhaftung aus Vertrag ........................................ 430 a) Das auf eine vertragliche Schadensersatzhaftung anwendbare Recht.............................................................. 430 b) Vertragliche Schadensersatzhaftung nach englischem Recht ...................................................... 432 c) Vertragliche Schadensersatzhaftung nach US-amerikanischem Recht......................................... 433 d) Vertragliche Schadensersatzhaftung nach deutschem Recht?...................................................... 435 aa) Vorliegen einer Pflichtverletzung ................................ 435 bb) Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung ........................ 435 (1) Grundsätzliches über den Rechtfertigungsgrund der Inanspruchnahme eines gesetzlich geregelten Verfahrens............................................ 436 (a) Prinzipielle Rechtmäßigkeit der Einleitung eines Verfahrens vor inländischen Gerichten.... 436 (b) Grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens im Ausland? ............. 438 (2) Eingreifen des Rechtfertigungsgrunds der Inanspruchnahme eines gesetzlich geregelten Verfahrens bei Klage im abredewidrigen Forum? ......................................... 438 cc) Vertretenmüssen des Schuldners.................................. 442 2. Schadensersatzhaftung aus Delikt .......................................... 443 a) Deliktische Schadensersatzhaftung nach englischem Recht ...................................................... 443 aa) Bestimmung des Deliktsstatuts nach englischem Kollisionsrecht.................................. 444 bb) Der tort of malicious prosecution ................................ 445 cc) Der tort of abuse of civil process ................................. 446 dd) Der tort of unlawful interference with trade or business.................................................. 447 b) Deliktische Schadensersatzhaftung nach US-amerikanischem Recht................................................. 448 aa) Der tort of abuse of civil process und der tort of wrongful civil proceedings ................................ 448 bb) Bestimmung des Deliktsstatuts nach US-amerikanischem Kollisionsrecht ............................ 450
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XXXIII
c) Deliktische Schadensersatzhaftung nach deutschem Recht ....................................................... 451 3. Schadensersatzhaftung aus equity........................................... 451 II. Fehlende Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs wegen Rechtskraft der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts.................................................................. 452 1. Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Klage unter Hinweis auf die Gerichtsstandsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt ................................................... 452 a) Konstellation 1.1: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs vor dem abredewidrig angerufenen Gericht .......................................................... 453 b) Konstellation 1.2: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs in einem anderen als dem abredewidrigen Forum .......................................... 455 2. Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden ........................................................ 456 a) Konstellation 2.1: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs vor dem abredewidrig angerufenen Gericht ..................................... 456 b) Konstellation 2.2: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs in einem anderen als dem abredewidrigen Forum .......................................... 457 III. Rechtsfolgen eines Schadensersatzanspruchs.............................. 458 1. Ermittlung und Zurechnung des ersatzfähigen Schadens ........ 458 a) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Klage unter Hinweis auf die Gerichtsstandsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt ............................................... 459 b) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden ............................................. 461 aa) Entscheidung in der Sache zugunsten des im abredewidrigen Forum Beklagten ........................... 461 bb) Entscheidung in der Sache zulasten des im abredewidrigen Forum Beklagten ........................... 464 2. Kürzung des Schadensersatzanspruchs wegen Mitverschuldens.......................................................... 466 IV. Internationale Zuständigkeit für Entscheidung über Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung........................................................ 468
XXXIV
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V. Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Schadensersatzurteils.................................................................. 469 1. Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit ................................................... 469 2. Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer Entscheidungen ............................................... 470 a) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Klage unter Hinweis auf die Gerichtsstandsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt ............. 470 b) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden ............................................. 471 aa) Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts in der Sache zugunsten der dort beklagten Partei.................................................... 471 bb) Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts in der Sache zulasten der dort beklagten Partei.................................................... 472 3. Anerkennungsversagung wegen ordre public-Verstoßes ........ 473 B. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in international vereinheitlichten Rechtssystemen............................. 474 I. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage im Anwendungsbereich der EuGVVO ........................................ 474 1. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage vor den Gerichten eines EU-Mitgliedstaats ............................ 475 a) Vereinbarkeit der Zuerkennung von Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in einem EU-Mitgliedstaat mit der EuGVVO ................................... 475 aa) Beurteilung der Problematik im Schrifttum.................. 475 (1) Literaturstimmen gegen die Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen .............................. 475 (2) Die eine uneingeschränkte Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen befürwortende Auffassung ............................................................ 477 (3) Differenzierende Ansichten ................................... 477 bb) Kritische Würdigung der Auffassungen im Schrifttum .............................................................. 479 (1) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht eines EU-Mitgliedstaats hat Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und in der Sache entschieden ............... 480
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XXXV
(2) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht eines EU-Mitgliedstaats hat wegen der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung die Klage abgewiesen bzw. ausgesetzt ....... 484 b) Anerkennung eines mitgliedstaatlichen Schadensersatzurteils im EU-Ausland................................ 486 aa) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes mitgliedstaatliches Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden.............................................. 486 bb) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes mitgliedstaatliches Gericht hat wegen der Zuständigkeitsabrede die Klage abgewiesen bzw. ausgesetzt............................................................ 487 2. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage vor einem drittstaatlichen Gericht .......................................... 488 II. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage im Anwendungsbereich des HGÜ ............................................... 488 C. Schadensersatz wegen Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO ........... 489 I. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in den autonomen Rechten.......................................................... 490 II. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage im Anwendungsbereich von EuGVVO und HGÜ ....................... 492 III. Effizienzbewertung der untersuchten Rechtssysteme .................. 493 IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO ................................ 494 § 12 Möglichkeiten zur vertraglichen Absicherung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen ......................................................... 496 A. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten ...................................................................... 496 I. Vereinbarung der Pflicht zur Unterlassung abredewidriger Klage ................................................................. 496 II. Vereinbarung von Kosten- bzw. Schadensersatzpflichten für den Fall abredewidriger Klagen ............................................ 497 1. Zulässigkeit der Vereinbarung von Kostenund Schadensersatzpflichten .................................................. 497 a) Kosten- und Schadensersatzpflichten in invidualvertraglichen Vereinbarungen ........................... 497 b) Kosten- und Schadensersatzpflichten in AGB .................... 499
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2. Anwendbares Recht und international zuständiges Gericht für Ansprüche aus Kosten- und Schadensersatzabreden .......... 501 3. Durchsetzbarkeit von Kosten- und Schadensersatzabreden: Rechtskrafteinwand und grenzüberschreitende Vollstreckung......................................................................... 502 III. Vereinbarung von Vertragsstrafen bei abredewidriger Klage ...... 504 B. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten ......................................... 507 I. Vereinbarung der Pflicht zur Unterlassung abredewidriger Klagen ............................................................... 507 II. Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzpflichten bei abredewidriger Klage ............................................................ 508 III. Vereinbarung von Vertragsstrafen bei abredewidriger Klage ...... 509 C. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Vorschläge zur Verbesserung der EuGVVO ..................................... 511 I. Rechtsvergleichende Zusammenfassung ..................................... 511 II. Effizienzbewertung der untersuchten Rechtssysteme .................. 512 III. Vorschläge zur Verbesserung der EuGVVO ............................... 513
Kapitel 5: Revision der EuGVVO – Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen ....................... 515 A. Ausgangspunkt: Die Gefahren für Gerichtsstandsabreden nach der lex lata .................................................................. 515 B. Ausblick: Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsabreden de lege ferenda .................................................................... 518 I. Neufassung von Art. 23 I EuGVVO............................................ 518 II. Hinzufügen von Absatz 6 und 7 in Art. 23 EuGVVO .................. 519 III. Neufassung von Art. 27 EuGVVO .............................................. 519 IV. Hinzufügen von Absatz 2 in Art. 29 EuGVVO ........................... 520
Verzeichnis der zitierten Rechtstexte ........................................... 521 A. Gemeinschaftsrecht .......................................................................... 521 B. Konventionen ................................................................................... 522 C. Innerstaatliches Recht Deutschland................................................... 523 D. Innerstaatliches Recht England ......................................................... 523 E. Innerstaatliches Recht USA .............................................................. 524 I. Bundesrecht................................................................................ 524
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XXXVII
II. Einzelstaatliches Recht ............................................................... 524
Rechtsprechungsverzeichnis .......................................................... 527 A. EGMR .............................................................................................. 527 B. EuGH ............................................................................................... 527 C. Deutschland ...................................................................................... 528 I. Bundesverfassungsgericht .......................................................... 528 II. Bundesgerichtshof ...................................................................... 528 III. Bundesarbeitsgericht .................................................................. 530 IV. Reichsgericht.............................................................................. 530 V. Bayerisches Oberstes Landesgericht ........................................... 530 VI. Oberlandesgerichte ..................................................................... 530 VII. Landgerichte .............................................................................. 532 D. England ............................................................................................ 532 I. House of Lords ........................................................................... 532 II. Judicial Committee of the Privy Council .................................... 533 III. Court of Appeal .......................................................................... 533 IV. High Court of Justice .................................................................. 535 V. Sonstige ..................................................................................... 538 E. USA ................................................................................................. 538 I. Supreme Court ........................................................................... 538 II. Courts of Appeals ....................................................................... 539 III. District Courts ............................................................................ 543 IV. State Courts ................................................................................ 546 F. Entscheidungen sonstige Länder ....................................................... 547
Literaturverzeichnis .............................................................................. 549 Register ................................................................................................ 577
Abkürzungsverzeichnis 1 re 1st Circuit 2nd Circuit 3rd Circuit 4th Circuit 5th Circuit 6th Circuit 7th Circuit 8th Circuit 9th Circuit 10th Circuit 11th Circuit a.A. ABl. A.C. Act 1977
A.D.2d a.E. a.F. A/S Abschn. AcP AEUV
AG AGB Ala. Alaska Civ.R. ALI ALI Draft Statute 2005
première chambre civile (Cour de cassation) First Circuit (US Court of Appeals) Second Circuit (US Court of Appeals) Third Circuit (US Court of Appeals) Fourth Circuit (US Court of Appeals) Fifth Circuit (US Court of Appeals) Sixth Circuit (US Court of Appeals) Seventh Circuit (US Court of Appeals) Eighth Circuit (US Court of Appeals) Ninth Circuit (US Court of Appeals) Tenth Circuit (US Court of Appeals) Eleventh Circuit (US Court of Appeals) andere Ansicht Amtsblatt Law Reports, Appeal Cases Unfair Contract Terms Act 1977 (England & Wales), s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte New York Supreme Court Appellate Division Reports, Second Series am Ende alte Fassung Aktieselkab, Aktiengesellschaft Dänemark Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Alabama Reports Alaska Rules of Civil Procedure, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte American Law Institute The American Law Institute – Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, Proposed Final Draft (April 11, 2005)
XL All E.R. All E.R. (Comm) Am. J. Comp. L. Am. U.L. Rev. Anh. Anm. AnwBl Art. AS Aufl. Ausg. B.C.C. BGBl. B.U. Int’l L.J. B.Y.U. Int’l L. & Mgmt. Rev. BAG BayObLG BB Bd. BGB BGH BGHZ BRAK Brook. J. Int’l L. Bull. Civ. I BV BVerfG BVerfGE BYIL bzw. c. C.D. C.L.C. C.L.J. CA CCP Cal. App. 2d Cal. App. 3d
Abkürzungsverzeichnis All England Law Reports All England Law Reports (Commercial Cases) The American Journal of Comparative Law American University Law Review Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Artikel Akciová společnost, Aktiengesellschaft Tschechien Auflage Ausgabe British Company Cases Bundesgesetzblatt Boston University International Law Journal Brigham Young University International Law & Management Review Bundesarbeitsgericht Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater Band Bürgerliches Gesetzbuch, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesrechtsanwaltskammer Brooklyn Journal of International Law Bulletin des arrêts de la Cour de cassation, chambres civiles – première partie Besloten Vennootschap, Kapitalgesellschaft Niederlande Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts British Year Book of International Law beziehungsweise chapter Central District Commercial Law Cases Cambridge Law Journal California Code of Civil Procedure, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte California Appellate Reports, Second Series California Appellate Reports, Third Series
Abkürzungsverzeichnis CCR Ch. Ch.D. Chan. Rep. CILE CISG
CJ CML Rev. CMR
Co. Colum. J. Transnat. L. Colum.L.Rev. Conn. App. Conn. Super. LEXIS Cornell L.Rev. CPR D. d.h. ders. dies. DIHK Duke L.J. d. Verf. E. L. Rev. E.D. e.G. E.J. E.R. EG EGBGB EG-Klausel-RL
EGMR EGV
XLI
County Court Rules Law Reports, Chancery Division (3 rd Series), Chapter Law Reports, Chancery Division (2 nd Series) Reports in Chancery Centre for International Legal Education Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Chief Justice (England & Wales) Common Market Law Review Genfer Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Corporation Columbia Journal of Transnational Law Columbia Law Review Connecticut Appellate Reports Connecticut Superior Court LEXIS Cornell Law Review Rules of Civil Procedure (England & Wales), s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte District das heißt derselbe dieselbe Deutscher Industrie- und Handelskammertag Duke Law Journal die/der Verfasserin European Law Review Eastern District eingetragene Genossenschaft Economic Journal English Reports Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum BGB, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Richtlinie 93/13/EWG des Rates über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte
XLII EG-Verordnung zum Schutz vor Drittland-Rechtsakten
EMRK endg. Erwgr. et. al. etc. EU EuGH EU-Grundrechtecharta EuGRZ EuGVÜ
EuGVVO
EUV EUV n.F.
EVÜ
EWCA Civ EWHC
EWHC (Ch) EWHC (Comm) f., ff. F.2d F.3d F.Supp. F.Supp.2d
Abkürzungsverzeichnis Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Europäische Menschenrechtskonvention, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Endgültig Erwägungsgrund et alii (und andere) et cetera (und so weiter) Europäische Union Europäischer Gerichtshof Charta der Grundrechte der Europäischen Union, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Europäische Grundrechte Zeitschrift Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Vertrag über die Europäische Union, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Court of Appeal (Civil Division) (Entscheidungssammlung) England & Wales High Court (Administrative Court), Entscheidungssammlung England & Wales High Court (Chancery Division), Entscheidungssammlung England & Wales High Court (Commercial Court), Entscheidungssammlung Folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Supplement Federal Supplement, Second Series
Abkürzungsverzeichnis FamFG
FamRZ Fed.Appx. Fed.R.Civ.P. Fla. App. LEXIS Fla. L. Rev. Fn. FS G. Ga. J. Int’l & Comp. L. Ga. L. Rev. GB gem. Geo. J. Int’l L. Geo. Wash. L. Rev. GG ggf. GmbH GKG GRUR GRUR Int. GS HGB HGÜ
Hrsg. I.B.F.L. I.C.C.L.R. i.d.F. i.E. i.H.v. IHR I.L.Pr. I.R.L.R. i.S.(v.) i.V.m.
XLIII
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Federal Appendix Federal Rules of Civil Procedure, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Florida Appeal Cases LEXIS Florida Law Review Fußnote Festschrift Gesetz Georgia Journal of International and Comparative Law Georgia Law Review Großbritannien gemäß Georgetown Journal of International Law The George Washington Law Review Grundgesetz, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gerichtskostengesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil Gedächtnisschrift Handelsgesetzbuch, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Herausgeber International Banking and Financial Law International Company and Commercial Law Review in der Fassung im Ergebnis in Höhe von Internationales Handelsrecht International Litigation Procedure Industrial Relations Law Reports im Sinne (von) in Verbindung mit
XLIV ICLQ IDR IHK IHR
ILCS Ill. 2d Ill. App. Inc. Ind. App. Int. A.L.R. IPR IPRax IPRspr. IZVR J. Econ. Behav. & Org. J. Legis. J. Priv. Int. L. Jb.J.ZivRWiss. JurBüro JuS K.B. Kap. KG KOM L.Q.R. L.R. Ch. D. LA CCP LAG lit. LJ Lloyd’s Rep. LMCLQ Loy. L.A. Int’l & Comp. L.J. Ltd.
Abkürzungsverzeichnis International & Comparative Law Quarterly International Journal for Dispute Resolution Internationale Handelskammer Internationales Handelsrecht, Zeitschrift für das Recht des internationalen Warenkaufs und –vertriebs Illinois Compiled Statutes Illinois Reports, Second Series Illinois Appellate Court Reports Incorporated Indiana Court of Appeals Reports International Arbitration Law Review Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts Internationales Zivilverfahrensrecht Journal of Economic Behavior and Organization Journal of Legislation Journal of Private International Law Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Das Juristische Büro Juristische Schulung Law Reports, King’s Bench Kapitel Kammergericht; Kommanditgesellschaft Dokument der Europäischen Kommission Law Quarterly Review Law Reports, Chancery Division (2 nd series) Lousiana Code of Civil Procedure, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Landesarbeitsgericht litera (Buchstabe) Lord Justice (England & Wales) Lloyd’s Law Reports Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly Loyola of Los Angeles International & Comparative Law Journal Private company limited by shares, Aktiengesellschaft, England & Wales
Abkürzungsverzeichnis LugÜ
MA
M.D. m.w.N. Mass. MDR MSA
Mich. L. Rev. Minn. Misc. 2d Miss. MLR Mo. Mo. App. MR N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. N.D. n.F. N.W.2d NY CPLR N.Y.S.2d N.Y.U.L. NCCUSL Neb. Neubearb. NJW NJW-RR No./Nr. Nw. U. L. Rev. NY CPLR
XLV
Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Middle District mit weiteren Nachweisen Massachusetts Reports Monatsschrift für Deutsches Recht Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Michigan Law Review Minnesota Reports New York Miscellaneous Reports, Second Series Mississippi Reports The Modern Law Review Missouri Reports Missouri Appeals Reports Master of the Rolls (England & Wales) North Carolina Journal of International Law & Commercial Regulation Northern District neue Fassung North Western Reporter, Second Series New York Civil Practice Law and Rules, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte New York Supplement, Second Series New York University Law Review National Conference of Commissioners on Uniform State Laws Nebraska Reports Neubearbeitung Neue Juristische Woche Neue Juristische Woche – RechtsprechungsReport Zivilrecht Nummer Northwestern University Law Review New York Civil Practice Law and Rules
XLVI NYÜ
OGH OGHBrZ Ohio St. Ohio St. 3d OLG OLGE OLGR OR (2d) P. P.2d para.(s.) PD Plc. Prel. Doc. Q.B. QC r. RabelsZ Regulations 1999
Rev. Litig. RG RGZ RIW RIW/AWD Rn. Roger Williams U. L. Rev. Rom II-VO
Rom I-VO
Rs.
Abkürzungsverzeichnis New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberster Gerichtshof Britische Zone Ohio State Reports Ohio State Reports, Third Series Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Oberlandesgericht-Report Ontario Reports, Second Series Law Reports, Probate Pacific Reporter, Second Series paragraph(s) Practice Direction Public Limited Company, Aktiengesellschaft England & Wales Preliminary Document Law Reports, Queen’s Bench (3rd Series) Queen’s Counsel (England & Wales) rule Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Unfair Terms in Consumer Contract Regulations 1999, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte The Review of Litigation Reichsgericht Rechtsprechungssammlung des Reichsgerichts Recht der Internationalen Wirtschaft Recht der Internationalen Wirtschaft Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Randnummer Roger Williams University Law Review Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Rechtssache
Abkürzungsverzeichnis RSC Rutgers L.Rev. S. S.A. S.D. S.p.A. S.W.2d SCA Sch. sec. Slg. Srl. Stan. L. Rev. StAZ Sw. J.L. & Trade. Am. Temp. Int’l & Comp. L.J. Tenn. L. Rev. TestformÜ
Tex. Int’l L.J. u.a. U. Kan. L. Rev. U. Miami Bus. L. Rev. UNCITRAL Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act Uniform Recognition Act 1962 Uniform Recognition Act 2005 unveröff. U.S. U.S. App. LEXIS U.S. Dist. LEXIS U.S.C. UCC UCLA J. Int’l L. & For. Aff.
XLVII
The Rules of the Supreme Court, enthalten in CPR Sch. 1 (England & Wales) Rutgers Law Review Seite Société anonyme, Aktiengesellschaft, Frankreich Southern District Società per azionim, Aktiengesellschaft Italien South Western Reporter, Second Series Supreme Court Act (England & Wales), s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Schedule Section Sammlung Società a responsabilità limitata, GmbH Italien Stanford Law Review Zeitschrift für Standesamtswesen Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas Temple International and Comparative Law Journal Tennessee Law Review Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Texas International Law Journal und andere; unter anderem University of Kansas Law Review University of Miami Business Law Review United Nations Commission on International Trade Law Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act 1964 (USA) Uniform Foreign-Money Judgments Recognition Act 1962 (USA) Uniform Foreign-Country Money Judgments Recognition Act 2005 (USA) unveröffentlicht United States Supreme Court Reports United States Court of Appeals LEXIS United States District Courts LEXIS United States Code, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Uniform Commercial Code (USA) University of California Los Angeles Journal of International Law & Foreign Affairs
XLVIII USA UT v. v.a. Va. J. Int’l L. Va. L. Rev. Vand. L. Rev. VersR Vorbem. W.D. W.L.R. Wash. L. Rev. Wis. 2d WL WM Wn. App. Yale L.J. YPIL ZAkDR ZfRV ZIP ZPO ZZP ZZPInt
Abkürzungsverzeichnis Vereinigte Staaten von Amerika Utah Supreme Court Reports versus (engl. „gegen“) vor allem Virginia Journal of International Law Virginia Law Review Vanderbilt Law Review Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungsund Schadensrecht Vorbemerkung Western District Weekly Law Reports Washington Law Review (Seattle) Wisconsin Reports, Second Series Westlaw Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wisconsin Appellate Reports Yale Law Journal Yearbook of Private International Law Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung, s. Verzeichnis der zitierten Rechtstexte Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International. Jahrbuch des Internationalen Zivilprozessrechts
„Unfortunately, there is nothing magical about these clauses. As with other contractual promises, these clauses are all too often breached. There is a strong temptation to breach such agreements and secure tactical benefits by commencing proceedings elsewhere because the choice of forum often means the difference between winning and losing the suit (and also winning and losing by how much).“ Daniel Tan1
1
Tan, 2005 Tex. Int’l L.J. 40 (2005), S. 624 (625).
Kapitel 1
Einleitung und Grundlegung § 1 Aufgaben und Programm der Untersuchung Abreden über die internationale Zuständigkeit haben im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr eine große praktische Bedeutung, da sie für einen bereits entstandenen oder möglichen zukünftigen Rechtsstreit Planungssicherheit schaffen können. Gleichwohl vermögen sie „unangenehme Überraschungen“ nicht gänzlich auszuschließen, denn häufig halten sich Parteien nicht an die Zuständigkeitsvereinbarung und erheben Klagen vor einem anderen als dem designierten Gericht. 1 In solchen Fällen können Gerichtsstandsvereinbarungen nur dann ihren Zweck erreichen, wenn der im unerwünschten Forum verklagten Partei effektive Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um sich gegen die Missachtung der Abrede zur Wehr zu setzen. Die Palette denkbarer Schutzmechanismen ist groß: Der Bogen spannt sich von der Rüge der internationalen Zuständigkeit des vereinbarungswidrig angerufenen Gerichts und der Einleitung eines Parallelverfahrens an dem designierten Gerichtsstand über ein gerichtliches Prozessführungsverbot bis hin zur Versagung der Urteilsanerkennung und der Gewährung von Schadensersatz wegen der Nichteinhaltung der Zuständigkeitsabrede. Diese und weitere Schutzinstrumente sind Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
1
Bei einer im Auftrag der EU-Kommission durchgeführten Umfrage haben fast 10% der befragten Unternehmen angegeben, dass ihre Vertragspartner sie in den vergangenen fünf Jahren in einem anderen als dem in einer Gerichtsstandsabrede designierten Forum verklagt haben, vgl. EU-Kommission, EuGVVO-Revision: Zusammenfassung der Folgenabschätzung, 14.12.2010, 2.3.1. Für Beispiele aus der jüngeren Zeit s. House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425; US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984; High Court, 09.11.2007 – Standard Bank Plc and Another v. Agrinvest International Inc et al., [2007] EWHC 2595 (Comm); US Court of Appeals (9th Cir.), 03.11.2009 – Applied Medical Distribution Co. v. The Surgical Company BV, 2009 U.S. App. LEXIS 24117; Spanish Supreme Court, 12.01.2009 – USA Sogo Inc. v. Angel Jesus, IPRax 2009, S. 529.
2
1. Kapitel: Einleitung und Grundlegung
A. Problemstellung und Ziele der Arbeit In erster Linie bezweckt die Arbeit eine Bestandsaufnahme der existierenden und diskutierten Mechanismen zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen. Hierzu sind rechtsvergleichende Untersuchungen durchzuführen, die das autonome englische 2 , US-amerikanische und deutsche Recht einerseits, die EuGVVO und das HGÜ andererseits in den Blick nehmen. Die in den unterschiedlichen Rechtssystemen vorgesehenen Lösungskonzepte sollen darüber hinaus einer Effizienzbetrachtung unterzogen werden, wobei insbesondere Gesichtspunkte der ökonomischen Analyse des Rechts3 heranzuziehen sind. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob die Ausgestaltung des Schutzinstrumentariums geeignet ist, den Interessen des internationalen Rechtsverkehrs Rechnung zu tragen, und wo sich Schutzlücken zeigen. Hierbei sind die relevanten Rahmenbedingungen der jeweiligen Rechtsordnungen zu berücksichtigen, so etwa kollisionsrechtliche Aspekte, Regelungen über die Prozesskosten und andere verfahrensrechtliche Besonderheiten. Der Frage, wie der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen begegnet werden kann, ist jedoch die Problematik vorgelagert, wann sich die Anrufung eines Gerichts als eine solche Missachtung darstellt. Dies hängt von diversen Aspekten ab: Ist die Gerichtsstandsabrede wirksam zustande gekommen? Erfasst sie die anhängig gemachte Streitigkeit? Soll das designierte Gericht ausschließlich zuständig sein? Mit diesen Fragen wird sich jedes Gericht, welches um die Gewährung von Rechtsschutz gegen die (angebliche) Missachtung einer Zuständigkeitsabrede ersucht wird, primär auseinandersetzen. Daher ist deren Behandlung in den oben aufgezählten autonomen und international vereinheitlichten Rechtssystemen ebenfalls Gegenstand dieser Arbeit. Darüber hinaus will die vorliegende Untersuchung ausgehend von den rechtsvergleichenden Betrachtungen erörtern, wie der Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO verbessert werden könnte. Anlass hierfür ist die anstehende Revision der Verordnung, die entsprechenden Gestaltungsraum verspricht: In dem diesbezüglichen Grünbuch vom April 2009 hat die EU-Kommission ein Bedürfnis nach Verstärkung der rechtlichen Wirkungen von Gerichtsstandsabreden festgestellt und verschiedene gangbare Lösungswege in die Diskussion eingebracht.4 In ihrem Vorschlag 2
Der Begriff des englischen Rechts im Sinne der vorliegenden Arbeit erfasst das Recht von England und Wales. Dieses ist mangels eines einheitlichen Rechtssystems Großbritanniens von den in Nordirland und Schottland geltenden Rechten zu unterscheiden, vgl. Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 1. 3 Näher zu der Funktionsweise der ökonomischen Analyse des Rechts sogleich, s. unten § 1 B. II. 4 EU-Kommission, Grünbuch zur EuGVVO-Revision, 21.04.2009, S. 6.
§ 1: Aufgaben und Programm der Untersuchung
3
für eine Neufassung der EuGVVO vom Dezember 2010 hat die EU-Kommission die aus ihrer Sicht beste Alternative zur Verbesserung des Schutzes von Zuständigkeitsabreden herausgearbeitet. 5 Diese und andere Lösungsmöglichkeiten werden hier einer kritischen Würdigung unterzogen. Dabei sind neben den Erkenntnissen aus der ökonomischen Analyse des Rechts auch die Besonderheiten aus der internationalen Verankerung der Problematik zwischen mehreren Rechtsordnungen zu berücksichtigen. Dies soll in die Entwicklung eines eigenen Vorschlags zur Stärkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO münden.
B. Methoden der Untersuchung Diese Arbeit verfährt vor allem nach zwei wissenschaftlichen Methoden, nämlich zum einen der Rechtsvergleichung und zum anderen einer ökonomischen Betrachtung der Problematik. Es ist daher angezeigt, eingangs auf Funktionsweise und Ertrag dieser Untersuchungstechniken einzugehen.
I. Die Rechtsvergleichung als Methode Die Methode der Rechtsvergleichung bietet sich zur Behandlung der vorliegenden Problematik besonders an, da in den unterschiedlichen Rechtssystemen teilweise erheblich voneinander abweichende Vorstellungen darüber herrschen, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise Abreden über die internationale Zuständigkeit zur Durchsetzung zu verhelfen ist. Die Rechtsvergleichung ermöglicht es daher, ein breites Potpourri verschiedenster Lösungsalternativen und einschlägige Erfahrungswerte zu deren Praktikabilität aufzuzeigen. Insofern kann sie ein solides Fundament für die Diskussion bieten, wie Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO gestärkt werden können. Darüber hinaus sollen die Ländergutachten für den Rechtsanwender in international gelagerten Fällen eine Informationsquelle bieten, die nicht nur für die Abschätzung von Prozessrisiken bei dem Abschluss von Zuständigkeitsabreden, sondern auch für eine erfolgreiche Prozessführung eine wertvolle Hilfe sein kann. Die Auswahl der hier zu untersuchenden Rechtsordnungen hat mehrere Gründe: Das englische Recht ist deswegen von Interesse, weil es vielseitige Mechanismen zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen vorsieht, die auch in anderen Jurisdiktionen mit Interesse wahrgenommen werden, so etwa gerichtliche Verbote der Prozessfortführung im abredewidrigen Forum (anti-suit injunctions) und Schadensersatz bei Nichteinhaltung von Zuständigkeitsabreden. Der Blick in die USA ist von erheblicher prak5
EU-Kommission, Vorschlag für Beitritt der EU zum HGÜ, 05.09.2008, S. 9, 35.
4
1. Kapitel: Einleitung und Grundlegung
tischer Bedeutung, weil die Anreize, unter Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen in diesem Forum zu klagen, besonders groß sind: Mit der Aussicht auf horrende Schadensersatzsummen (punitive und treble damages) und mit den weitreichenden Möglichkeiten zur Ausforschung von Beweismitteln (pre-trial discovery) hält das US-amerikanische Rechtssystem ein enormes Drohpotential bereit, mit dem ein abredewidrig Klagender die Gegenseite „in die Knie zwingen“ kann. Die Betrachtung der deutschen Rechtslage liefert für den deutschen Leser eine vertraute Ausgangsbasis. Sie ist auch von besonderem Interesse, weil viele Aspekte des Schutzes gegen abredewidrige Klagen in der deutschen Rechtsprechung noch ungeklärt sind und im Schrifttum kontrovers diskutiert werden. Die Untersuchung der Schutzmechanismen im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ ist lehrreich zur Veranschaulichung, wie common law- und civil law-Vorstellungen über die Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen miteinander vereinbart werden können. Am 30. Juni 2005 von der Haager Konferenz für IPR nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedet und bereits von der EU und den USA unterzeichnet, ist das HGÜ auch deswegen eine nähere Betrachtung wert, weil es den aktuellsten Stand internationalen Einheitsrechts im Bereich von Gerichtsstandsabreden darstellt.
II. Die ökonomische Analyse des Rechts als Methode Ausgangspunkt der ökonomischen Analyse des Rechts ist die wirtschaftswissenschaftliche Grundüberlegung, dass die Bedürfnisse des Menschen prinzipiell unbegrenzt, die Ressourcen zu deren Befriedigung jedoch knapp sind. Die ökonomische Analyse des Rechts macht es sich daher zur Aufgabe, rechtliche Regelungen daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie der Verschwendung von Ressourcen entgegenwirken und damit effizienzsteigernd sind.6 Die Effizienzprüfung vollzieht sich in zwei Schritten: Zunächst wird ermittelt, welches menschliche Handeln durch eine bestimmte Rechtsregel veranlasst wird (sog. Folgenbetrachtung). Das geschieht unter Zugrundelegung des ökonomischen Verhaltensmodells. 7 Dieses fußt auf dem Menschenbild eines rationalen egoistischen Individuums, des homo oeconomicus, der ein bestimmtes Ziel mit minimalem Mitteleinsatz verfolgt bzw. mit feststehendem Mitteleinsatz ein möglichst großes Ergebnis zu erzielen
6
Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 1. Vgl. auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 4 f. 7 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 28 f., 41.
§ 1: Aufgaben und Programm der Untersuchung
5
versucht. 8 Ausgehend von der Folgenbetrachung wird im zweiten Schritt die Rechtsnorm danach bewertet, ob sie zur Allokationseffizienz, d.h. zu einer bestmöglichen Verteilung und Verwendung von Ressourcen beiträgt (sog. Folgenbewertung).9 Welche Rechtsregelung die höchste Allokationseffizienz hat, ist unter Heranziehung der Maßstäbe der Wohlfahrtsökonomik zu beurteilen. 10 Dieser zufolge ist danach zu fragen, unter Geltung welcher Rechtsnorm die wirtschaftlichen Ressourcen in gesamtgesellschaftlicher Betrachtung vorteilhafter genutzt werden und somit das Erreichen eines möglichst optimalen sozialen Zustands für alle gefördert wird.11 Für die Beurteilung, wann ein gesellschaftlicher Zustand sozial besser ist als ein anderer, werden unterschiedliche Maßstäbe vorgeschlagen, von denen hier die zwei populärsten zu erwähnen sind: Dem nach dem italienischen Ökonomen Pareto benannten Prinzip zufolge ist ein sozialer Zustand dann einem anderen überlegen, wenn sich aus einem Vergleich ergibt, dass ihn mindestens ein Gesellschaftsmitglied für vorzugswürdig hält und sich niemand im Nachteil sieht. 12 Eine Veränderung im rechtlichen Arrangement ist demnach dann als Pareto-effizient zu bezeichnen, wenn durch sie zumindest ein Gesellschaftsmitglied besser und keines schlechter als vorher dasteht.13 Demgegenüber gingen die englischen Nobelpreisträger Kaldor und Hicks davon aus, dass ein gesellschaftlicher Zustand auch dann effizienter sein kann, wenn er mit der Benachteiligung einzelner Mitglieder einhergeht. Erforderlich ist allerdings, dass die Vorteile der Gewinner die Nachteile der Verlierer ausgleichen können und den Gewinnern ein Rechtsvorteil verbleibt.14 Die ökonomische Analyse des Rechts eignet sich sowohl zur Auslegung und Bewertung bestehender Regelungen als auch zur Entwicklung neuer
8
Burow, JuS 1993, S. 8 (9); Posner, Economic Analysis of Law, 7. Aufl. 2007, S. 3 f.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 28–41; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 58 f. 9 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 41; Burow, JuS 1993, S. 8 (9). 10 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 41. 11 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 4, 41–57; Burow, JuS 1993, S. 8 (9). 12 Burow, JuS 1993, S. 8 (9); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 48–50. 13 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 48; Burow, JuS 1993, S. 8 (9). 14 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 51; Burow, JuS 1993, S. 8 (9). Vgl. ausführlich Hicks, E.J. 49 (1939), S. 696 (706); Kaldor, E.J. 49 (1939), S. 549 (550). Zu den Schwierigkeiten bei der Handhabung des Kaldor-Hicks-Kriteriums s. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 53 f.
6
1. Kapitel: Einleitung und Grundlegung
Rechtsnormen.15 Für die vorliegende Untersuchung werden beide Einsatzmöglichkeiten von Bedeutung sein: Erstere wird bei der durchzuführenden Effizienzbetrachtung der zu vergleichenden Rechtssysteme eine Rolle spielen. Unter Zugrundelegung des ökonomischen Verhaltensmodells wird zu ermitteln sein, wie rational denkende Parteien in den unterschiedlichen Rechtsordnungen voraussichtlich agieren werden. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse wird sodann zu bewerten sein, ob durch die Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsregimes die Allokationseffizienz gefördert wird. Dies kann – wie sogleich zu zeigen sein wird – nur bei Regeln angenommen werden, welche geeignet sind, Parteien zum Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen sowie zur Austragung ihrer Streitigkeiten in dem designierten Forum zu bewegen. 16 Im zweiten Anwendungsfeld der ökonomischen Analyse des Rechts wird man sich bei der Bewertung fremder und der Ausarbeitung eigener Vorschläge zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO bewegen. Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass die ökonomische Analyse des Rechts als Methode der Normbewertung, -schaffung und -auslegung durchaus an ihre Grenzen stoßen kann, weil menschliches Verhalten in der Realität nur eingeschränkt rational ist. Das Leitbild des homo oeconomicus ist angesichts jüngerer Forschungsergebnisse der Kognitionspsychologie und der experimentellen Ökonomik ins Wanken geraten. Diese haben gezeigt, dass man im Rahmen von Entscheidungsprozessen im realen Leben häufig weder alle relevanten Informationen in Betracht zieht noch diejenige Handlungsalternative bevorzugt, die im Lichte der eigenen Interessen am günstigsten wäre. 17 Vielmehr werden Entscheidungen auch durch psychologische Gesichtspunkte beeinflusst. So kann übermäßiger Optimismus oft zur Folge haben, dass Gefahren falsch eingeschätzt werden. Handlungen können ferner durch bereits „versenkte Kosten“ determiniert werden: Haben Menschen Kosten und Mühen für die Verwirklichung eines Vorhabens aufgewendet, tendieren sie – in der Hoffnung, dass sich die Investitionen auszahlen werden – häufig dazu, weitere Auslagen und Mühen zu tätigen, selbst wenn die Aussichten auf einen erfolgreichen Abschluss des Projekts gering sind. 18 Außerdem zielt menschliches Handeln nicht ausschließlich darauf, den eigenen Nutzen zu mehren: Es wird vielmehr 15
Gottwald, in: FS Fasching, 1998, S. 181 (182); Burow, JuS 1993, S. 8 (10 f.); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 3. Aufl. 2005, S. 414–486. 16 S. dazu unten § 2 A. 17 Eidenmüller, JZ 2005, S. 216 (218 f.). S. auch Hayden/Ellis, U. Kan. L. Rev. 55 (2007), S. 629. 18 Eidenmüller, JZ 2005, S. 216 (219); Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), S. 1471 (1489–1493).
§ 1: Aufgaben und Programm der Untersuchung
7
auch von Altruismus, Fairness-Gesichtspunkten und anderen sozialen Normen beeinflusst.19 Diese Rationalitätsdefizite im menschlichen Verhalten entziehen der ökonomischen Analyse des Rechts allerdings nicht vollständig ihre Grundlage. Nach wie vor erlaubt sie, die Auswirkungen von Normen auf menschliches Verhalten zu analysieren und die Effizienz einer Regel zu betrachten. Das ökonomische Verhaltensmodell bedarf jedoch einer Anpassung, um dem irrationalen, d.h. weniger durch ökonomische als vielmehr durch psychologische Gesichtspunkte erklärbaren Moment menschlichen Handelns Rechnung zu tragen. Diesen Ansatz verfolgt die in jüngster Zeit entstandene Forschungsrichtung der Behavioral Law and Economics. 20 Die folgenden Untersuchungen haben daher nicht nur den homo oeconomicus mit seinen rein Kosten-Nutzen-orientierten Entscheidungsmaßstäben im Blick, sondern werden auch dessen Rationalitätsdefizite berücksichtigen.
C. Begriffsklärung und Eingrenzung der Untersuchung Das Thema der vorliegenden Arbeit ist im Gesamtkontext der Problematik von zu Unrecht eingeleiteten Zivilverfahren zu sehen. Sie befasst sich mit einem Ausschnitt daraus: In den hier behandelten Fällen besteht das Unrecht in der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Hierunter werden Abreden gefasst, mit denen Parteien die Entscheidungskompetenz eines oder mehrerer staatlicher Gerichte derogieren, d.h. abwählen und/oder ansonsten unzuständige staatliche Gerichte prorogieren, d.h. zur Entscheidung über Streitigkeiten aus ihrem Rechtsverhältnis für zuständig bestimmen.21 Andere Fälle, in denen das Unwerturteil auf der Einleitung eines Verfahrens in einem bestimmten Forum beruht, wie etwa die Anrufung staatlicher Gerichte trotz entgegenstehender Schieds- 22 bzw. Media19 Vgl. Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), S. 1471 (1493–1497); Güth/ Schmittberger/Schwarze, J. Econ. Behav. & Org. 3 (1982), S. 367; Eidenmüller, JZ 2005, S. 216 (219). 20 Vgl. dazu Hayden/Ellis, U. Kan. L. Rev. 55 (2007), S. 629; Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), S. 1471; Eidenmüller, JZ 2005, S. 216. 21 Diese Definition entspricht dem Verständnis von Gerichtsstandsvereinbarungen in den hier untersuchten Rechtssystemen, vgl. Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1652; Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (116 f.); Merrett, ICLQ 55 (2006), S. 315 (316); Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 478. 22 Vgl. ausführlich zu dem Rechtsschutz gegen die Verletzung von Schiedsvereinbarungen im autonomen englischen Recht und im Anwendungsbereich der EuGVVO Joseph, Agreements, 2005, Rn. 11.01–11.43, 12.52–12.71, 14.01–14.10; Briggs, Agreements, 2008, Rn. 12.52–12.86; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 16.066–16.093; Clifford/Browne, Int. A.L.R. 12 (2009), S. 19; Balthasar/Richers, RIW 2009, S. 351; Briggs, LMCLQ 2009, S. 161;
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1. Kapitel: Einleitung und Grundlegung
tionsvereinbarung 23 oder missbräuchliches forum shopping durch Inanspruchnahme berührungsarmer Gerichtsstände 24 werden nicht behandelt. Außer Betracht bleiben auch Konstellationen, in denen im Zentrum des Vorwurfs die Einleitung des Verfahrens als solche steht, beispielsweise weil der Prozess von vornherein aussichtslos war 25 und/oder der Kläger prozessfremde Zwecke verfolgt, es ihm also nur darum geht, die Gegenseite durch das gerichtliche Verfahren zu belästigen oder in einen Vergleich zu treiben26. Ob die Einleitung eines Verfahrens vor einem anderen als dem in einer Prorogation designierten Gericht eine Missachtung der Abrede darstellt, hängt – wie bereits oben erläutert 27 – von diversen Kriterien ab. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Gerichte unterschiedlicher Länder die insoweit entscheidenden Aspekte bei ein und derselben Gerichtsstandsvereinbarung abweichend beantworten, denn das Kollisionsrecht sowie das anwendbare Sach- und Prozessrecht können von Staat zu Staat erheblich divergieren. Bei der Beurteilung, ob die Verfahrenseinleitung in einem Forum abredewidrig ist, wird in dieser Arbeit stets die Perspektive des Gerichts maßgeblich sein, welches um Rechtsschutz gegen die (angebliche) Verletzung der Zuständigkeitsvereinbarung ersucht wird. Von der MissPeel, L.Q.R. 125 (2009), S. 365; Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 7–90, 111– 213. Zu der Rechtslage in den USA: Tan, Va. J. Int’l L. 47 (2007), S. 545; Stacher, Antisuit Injunctions; Ali/Nesbitt/Wessel, Int. A.L.R. 11 (2008), S. 12. Zur deutschen Rechtslage: Sandrock, IDR 2004, S. 106; Schlosser, RIW 2006, S. 486; Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 92–110. 23 Vgl. dazu etwa Sandrock, in: FS Schlosser, 2005, S. 820. 24 Zu den Schutzmöglichkeiten der beklagten Parteien in solchen Fällen, die in der Literatur als sittenwidriges forum shopping bezeichnet werden, s. etwa Paulus, in: FS Georgiades, 2006, S. 511. 25 Zum Rechtsschutz gegen die Einleitung unberechtigter Prozesse vgl. etwa Hopt, Schadensersatz, 1968; Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche, 1989. Von erheblicher Bedeutung für die Praxis ist diese Fallgruppe insbesondere in immaterialgüterrechtlichen Streitigkeiten, vgl. etwa Horn, Unberechtigte Verwarnung, 1971 und Zimmermann, Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, 2008. Zum Schutz gegen unbegründete einstweilige Maßnahmen vgl. Stolz, Schadensersatz, 1989; Kienzle, Schadensersatz, 2000; Gee, LMCLQ 2006, S. 181; Zuckerman, C.L.J. 53 (1994), S. 546. 26 Zu den Abwehrmöglichkeiten vor inländischen Gerichten gegen die missbräuchliche Verfahrenseinleitung im Ausland vgl. Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 82–141; Jegher, Abwehrmaßnahmen, 2003, S. 107–202; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 183–256. Speziell zum Schutz gegen den Missbrauch der vor US-amerikanischen Gerichten bestehenden Möglichkeit der Durchführung eines umfangreichen Beweissicherungsverfahrens, sog. pre-trial discovery, vgl. Freedman, Tort of Discovery Abuse, 1989; Shreve/Raven-Hansen, Understanding Civil Procedure, 3. Aufl. 2002, §§ 10.12–10.14; Silberman/Stein/Wolff, Civil Procedure, 2. Aufl. 2006, S. 664–673; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 5.41–5.46; Coester-Waltjen, in: FS Kerameus Bd. I, 2009, S. 257. 27 S. oben § 1 A.
§ 1: Aufgaben und Programm der Untersuchung
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achtung einer Gerichtsstandsabrede wird demzufolge auszugehen sein, wenn aus Sicht dieses Gerichts eine unter eine wirksame Prorogation fallende Streitigkeit vor ein aus dem Kreis verfügbarer Fora ausgeschlossenes Gericht gebracht wurde. Gegenstand der Untersuchung bildet der Rechtsschutz gegen die Missachtung ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen. In England und den USA werden derartige Abreden als exclusive bzw. mandatory forum choice, forum selection oder jurisdiction agreements bezeichnet. Solche Gerichtsstandsvereinbarungen sind gekennzeichnet durch eine Verknüpfung von Pro- und Derogation dergestalt, dass ein oder mehrere Gerichtsstände neu gewählt und gleichzeitig alle sonst vorhandenen Zuständigkeiten abgewählt werden.28 Als ausschließlich im Sinne der vorliegenden Arbeit gelten auch sog. asymmetrische Zuständigkeitsabreden (hybrid jurisdiction agreements), in denen lediglich für eine Partei ein ausschließlicher Gerichtsstand bestimmt und der anderen Seite die Wahl zwischen mehreren Fora offengelassen wird.29 Die Arbeit beschränkt sich auf internationale Gerichtsstandsabreden, womit Sachverhalte ausgegrenzt bleiben, in denen in demselben Land ansässige Parteien einen inländischen Gerichtsstand vereinbart haben. Die seltenen Fälle einer Verfahrenseinleitung unter Verletzung nicht ausschließlicher bzw. fakultativer Gerichtsstandsabreden (non-exclusive bzw. permissive jurisdiction agreements) werden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht behandelt. Solche Vereinbarungen sind in unterschiedlichen Ausgestaltungen möglich.30 Parteien können zum einen einzelne gesetzliche Zuständigkeiten abwählen. Durch den Abschluss derartiger Abreden (sog. isolierte Derogationen) sollen Klagen vor den in der Vereinbarung bezeichneten Gerichten verhindert werden, so dass die Anrufung dieser Gerichte unter Bruch der Zuständigkeitsbestimmung erfolgt.31 Eine derartige Abwahl einzelner Gerichtsstände kommt in der Praxis jedoch kaum vor, da sie die im internationalen Wirtschaftsverkehr notwendige Rechtssicherheit nicht zu verschaffen vermag. Im Wege einer fa28
Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1652 f.; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.02. Solche Abreden kommen häufig in internationalen Darlehensverträgen vor. Durch die Festlegung eines ausschließlichen Gerichtsstands für Klagen des Kunden gegen die Bank will letztere sicherstellen, dass gegen sie lediglich in einem bestimmten Forum prozessiert wird. Die Möglichkeit, Klagen gegen den Kunden auch vor einem anderen Gericht zu erheben, ermöglicht den Banken zugleich Flexibilität für den Fall, dass bei einem Verfahren in dem designierten Forum Anerkennungs- oder Vollstreckungsschwierigkeiten auftreten. Vgl. Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.16; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 41. 30 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 496; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1652– 1655. 31 Mankowski, IPRax 1990, S. 372-278 (24). 29
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1. Kapitel: Einleitung und Grundlegung
kultativen Gerichtsstandsvereinbarung können Parteien zum anderen zusätzlich zu den bereits vorhandenen Gerichtsständen einen oder mehrere weitere hinzuwählen. Mit Abreden dieser Art (sog. isolierte Prorogationen) wollen Parteien den Kreis der von Gesetzes wegen verfügbaren Fora erweitern, so dass in solchen Fällen die Verfahrenseinleitung an einem der nicht designierten Gerichtsstände nicht im Widerspruch zu der Zuständigkeitsabrede steht. 32 Eine Verletzung solcher Absprachen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn etwa Klage an einem gesetzlichen Gerichtsstand von einer Partei mit dem Ziel erhoben wird, die andere Seite an der Verfahrenseinleitung vor dem vereinbarten Gericht zu hindern. Zu denken ist etwa an Fälle, in denen eine Partei einer fakultativen Zuständigkeitsvereinbarung den Erlass einer gerichtlichen Verfügung beantragt, welche der Gegenseite das Prozessieren im vereinbarten Forum verbietet. 33 Für die Behandlung solcher Konstellationen können die folgenden Überlegungen über den effizienten Rechtsschutz gegen die Missachtung ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen jedoch durchaus fruchtbar gemacht werden.
D. Gang der Untersuchung Nach einer ökonomischen Analyse der Motive für den Abschluss sowie der Gründe zur Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen (§ 2) nimmt Kapitel 2 der Arbeit die Grundsätze zur Beurteilung von Zulässigkeit (§ 3), wirksamem Abschluss (§ 4) sowie der Ausschließlichkeit und Reichweite von Zuständigkeitsabreden (§ 5) in den Blick. Die Kapitel 3 und 4 der Arbeit widmen sich der Untersuchung und Bewertung des verfügbaren Instrumentariums zum Schutz gegen die Missachtung internationaler Zuständigkeitsabreden. Im Anschluss an die Ausführungen über die einzelnen Schutzinstrumente werden jeweils Möglichkeiten zur Verstärkung der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO diskutiert. Im Kapitel 3 der Arbeit werden direkte Schutzmechanismen behandelt: Diese sollen einer ausschließlichen Prorogation unmittelbar zur Geltung verhelfen. Sie sind darauf gerichtet, dem Verfahren in dem abredewidrigen Forum ein Ende zu setzen und/oder die Streitigkeit vor das vereinbarte Gericht zu bringen. Dazu gehören die Rüge der internationalen Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts (§ 6), die Einleitung eines Parallelverfahrens in dem designierten Forum (§ 7) sowie das Verbot der Prozessfortführung an dem nicht vereinbarten Gerichtsstand (§ 8). Gegenstand von Kapitel 4 der Un32
Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (24); Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.04. Court of Appeal, 14.11.2002 – Sabah Shipyard (Pakistan) Ltd. v. Islamic Republic of Pakistan, [2002] EWCA Civ 1643, paras. 36–38 (Waller LJ); Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.04; Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (24). 33
§ 1: Aufgaben und Programm der Untersuchung
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tersuchung bilden demgegenüber die indirekten Schutzmöglichkeiten. Sie können zwar üblicherweise erst gegen Ende des Prozesses an dem derogierten Gerichtsstand eingesetzt werden, haben aber unter Umständen auch präventiven Charakter, weil die Existenz dieser Schutzmechanismen zur Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung beitragen kann: Sie sollen verhindern, dass dem Beklagten außerhalb des Forums, in dem er abredewidrig in Anspruch genommen wurde, Belastungen entstehen und/oder dienen der Kompensation von Nachteilen, die dieser Partei durch die Verfahrenseinleitung vor dem unzuständigen Gericht bereits erwachsen sind. Als indirekte Schutzmechanismen kommen in Betracht die Verweigerung der Anerkennung eines Urteils des abredewidrig angerufenen Gerichts (§ 9), die Rückforderung des infolge des Urteils dieses Gerichts Geleisteten (§ 10), Schadensersatz wegen Missachtung der Prorogation (§ 11) sowie schließlich Ansprüche aus vertraglichen Absicherungen der Gerichtsstandsabrede (§ 12). Im abschließenden Kapitel 5 der Arbeit werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und die herausgearbeiteten Vorschläge zur Verstärkung der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich der EuGVVO präsentiert.
§ 2 Motive für den Abschluss und Gründe für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen – eine ökonomische Analyse Zwei Fragen bedürfen der Klärung, bevor die in den unterschiedlichen Rechtssystemen vorhandenen Instrumente zum Schutz gegen die Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen untersucht und unter Effizienzgesichtspunkten bewertet werden können. Zum einen gilt es zu ergründen, welche Anreize für den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen bestehen und wieso es ökonomisch sinnvoll erscheint, die Wirksamkeit solcher Abreden durch rechtliche Regelungen zu stärken (A.). Zu beleuchten sind zum anderen die maßgeblichen Motive für die Entscheidung von Parteien, in einem anderen als dem designierten Forum zu klagen (B.).
A. Anreize für den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen und deren wohlfahrtsökonomisches Potential Durch den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen versprechen sich die Parteien im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zahlreiche Vorteile, indem sie für Sicherheit über das zur Streitentscheidung berufene Forum sorgen. Eine derartige Gewissheit ist nicht nur geeignet, die Gefahr langwieriger Auseinandersetzungen über die internationale Zuständigkeit zu verringern. Sie macht für die Parteien auch den voraussichtlichen Ausgang von Streitigkeiten leichter prognostizierbar, weil die anwendbaren Rechtsnormen im Vorfeld feststellbar sind. Aus Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts ist die Schaffung eines rechtlichen Rahmens, durch den die Einhaltung von ausschließlichen Prorogationen im internationalen Rechtsverkehr gefördert wird, jedoch nur dann geboten, wenn solche Abreden zur Allokationseffizienz und somit zu einer ökonomisch sinnvollen Verteilung und Nutzung von Ressourcen beitragen. Um es vorwegnehmen: Ein derartiges Potential wohnt den Gerichtsstandsvereinbarungen inne. Ausgangspunkt ist das ökonomische Grundanliegen zivilprozessualer Normen. Deren Ausgestaltung hat insbesondere der Ressourcenknappheit der Rechtsgewährung Rechnung zu tragen. 1 Demnach fördern Regelungen 1
Vgl. zu der Ressourcenknappheit der Rechtsgewährung Gottwald, in: FS Fasching, 1998, S. 181 (183).
§ 2: Abschluss und Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen
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dann die Allokationseffizienz, wenn durch sie die Gesamtkosten des Zivilprozesses bei gleicher Effizienz möglichst gering gehalten werden. Diesem Anliegen dienen insbesondere solche Normen, die eine mehrfache Inanspruchnahme der Justiz für die Austragung ein und derselben Streitigkeit verhindern. Dies gilt auch im internationalen Rechtsverkehr. Denn aus dem Blickwinkel einer supranationalen ökonomischen Betrachtung kann es nicht als effizient angesehen werden, wenn mehrere Gerichte zur Beilegung eines einzigen Streits tätig werden müssen. Ausschließliche Prorogationen sind in hohem Maße dazu geeignet, den Bedarf an gerichtlichen Ressourcen zu reduzieren und somit die gesamtgesellschaftliche Effizienz der Rechtspflege zu erhöhen. Denn sie räumen einem einzigen Forum die Kompetenz zur Entscheidung über bestimmte Streitigkeiten ein und schaffen auf diese Weise konkurrierende Zuständigkeiten ab. Durch den Abschluss solcher Abreden kann somit das Risiko zeit- und kostspieliger Auseinandersetzungen über die internationale Zuständigkeit minimiert werden2, was die Belastung der Gerichte im gesamtgesellschaftlichen Interesse abbaut. Gerichtsstandsvereinbarungen können nicht nur die Verschwendung von Rechtsprechungsressourcen reduzieren, sondern auch die den Parteien entstehenden Transaktionskosten senken3, was ebenfalls gesamtwirtschaftlich wünschenswert ist. Zu den Vertragsdurchführungskosten zählen Ausgaben, die (potentielle) Vertragspartner für Information und Koordination aufwenden müssen, um den Vertrag abzuschließen und durchzusetzen.4 Durch die Einigung auf ein ausschließlich zuständiges Forum können Parteien Reisekosten sparen, indem sie ein Gericht wählen, das für sie örtlich besonders günstig liegt.5 Die Wahl einer Jurisdiktion schafft auch Planungssicherheit, da mit ihr mittelbar gesteuert werden kann, welches Recht in prozessualer und materieller Hinsicht Anwendung findet.6 Für das Verfahrensrecht gilt das lex fori-Prinzip7, d.h. prozessuale Aspekte, wie etwa der Erlass einstweiliger Rechtsschutzmaßnahmen, das Beweisverfahren, die Verteilung der Kostenlast im Prozess sowie die Vollstreckung, beurteilt jedes Gericht im Grundsatz nach seinem eigenen Recht. Genauso wird das in der Hauptsache anwendbare Recht stets nach den Kollisionsnormen des Gerichtsforums bestimmt.8 Die Gewissheit über das anwendbare – prozessuale und 2
Mankowski, IPRax 2009, S. 23; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 307. Mankowski, in: FS Schäfer, 2008, S. 369 (370). 4 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, 4. Aufl. 2005, S. 5. 5 Heiderhoff, in: Bork/Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S. 479 (485). 6 Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, 2005, S. 549 (549); Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1599; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 121. 7 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 45; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 319. 8 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 431. 3
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1. Kapitel: Einleitung und Grundlegung
materielle – Recht erlaubt Parteien außerdem, die Kosten für die Durchführung eventueller Streitigkeiten zuverlässig zu kalkulieren und den realen Wert der von ihnen abgeschlossenen Verträge zu ermitteln.9 Aufgrund der leichteren Feststellbarkeit des maßgeblichen rechtlichen Rahmens machen Gerichtsstandsvereinbarungen den Ausgang von Prozessen berechenbarer und können somit dazu führen, dass das eine oder andere gerichtliche Verfahren mangels Erfolgsaussichten erst gar nicht eingeleitet wird 10 – auch dies ein ökonomisch wünschenswerter Effekt. Außerdem bewirkt die erleichterte Ermittelbarkeit des anwendbaren Sachrechts bereits im vorprozessualen Stadium der Vertragsdurchführung, dass die Parteien Haftungsmaßstäbe, Beschaffenheitsanforderungen und den Inhalt von Haupt- und Nebenleistungspflichten kennen und ihr Agieren danach ausrichten können. Das Risiko von volkswirtschaftlich nachteiligen Rechtsstreitigkeiten wird damit reduziert. Gerichtsstandsvereinbarungen eröffnen zudem die Möglichkeit, bewusst ein für jede Seite neutrales Forum für die Durchführung zukünftiger Streitigkeiten zu bestimmen. 11 Dies kann in der späteren Phase der Entscheidungsdurchsetzung von Vorteil sein: Bei einem Urteil aus einem neutralen Forum ist die Bereitschaft der unterlegenen Partei diesem Folge zu leisten in der Regel höher als bei einem solchen aus dem Heimatstaat der Gegenseite. Erleichterte Durchsetzbarkeit möglicher zukünftiger Ansprüche reduziert die Ausfallquote der vertraglich geschuldeten Leistungen, so dass auf Risikozuschläge verzichtet werden kann und letztlich Waren und Dienstleistungen zu günstigeren Konditionen gehandelt werden können. Indem Gerichtsstandsvereinbarungen die Sicherheit über zuständiges Forum, anwendbares Recht und grenzüberschreitende Durchsetzbarkeit eines zukünftigen Titels erhöhen, bieten sie auch eine Lösung für das sog. „internationale Transaktionsdilemma“ 12 . Dieses besteht darin, dass aufgrund der im internationalen Rechtsverkehr vorhandenen besonders großen Unsicherheit grenzüberschreitende Transaktionen häufig nicht zustande kommen, obwohl sie für alle Beteiligten vorteilhaft wären. 13 Ein rechtlicher Rahmen, durch den der Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen gestärkt wird, ist somit geeignet, den grenzüberschreitenden Waren- und 9 Vgl. Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (23); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 33; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 121. 10 Zu der Förderung des Rechtsfriedens durch den Abschluss von Gerichtsstandsabreden s. Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1599. 11 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 431; Park, Tex. Int’l L.J. 30 (1995), S. 135 (137). 12 Begriff nach Rühl, in: Bork/Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S. 335 (337). 13 Rühl, in: Bork/Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S. 335 (337–341). Vgl. hierzu auch Schäfer, in: Bork/Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S. 377.
§ 2: Abschluss und Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen
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Dienstleistungsverkehr zu erleichtern und kann insofern als effizient bezeichnet werden, als Produktions- und Herstellungskosten allgemein gesenkt werden. Zusammenfassend ist somit festzuhalten: Gerichtsstandsvereinbarungen tragen dem Interesse an Rechts- und Planungssicherheit im internationalen Rechtsverkehr Rechnung und sind daher geeignet, die Bereitschaft zur Durchführung von grenzüberschreitenden Transaktionen zu steigern. Zugleich können Zuständigkeitsabreden dazu beitragen, den Bedarf an gerichtlichen Ressourcen für die Austragung von Streitigkeiten insgesamt zu reduzieren. Aufgrund dieses Potentials erscheint es ökonomisch sinnvoll, existierende Rechtsnormen so auszulegen und zukünftige Regelungen derart auszugestalten, dass der Abschluss und die Einhaltung von Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Wirtschaftsverkehr gefördert werden.
B. Motive für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen Welche Gründe bewegen Parteien dazu, vor ein anderes als das in einer Prorogation designierte Gericht zu ziehen? Ein Motiv für eine Klageerhebung im falschen Forum kann in der irrtümlichen Annahme liegen, an die Gerichtsstandsabrede nicht gebunden zu sein, etwa weil der Kläger davon ausgeht, dass diese unwirksam ist, die konkrete Streitigkeit nicht erfasst oder das vereinbarte Gericht nicht für ausschließlich zuständig bestimmt. Neben derartigen durchaus legitimen Motiven können jedoch auch taktische Erwägungen hinter der Verfahrenseinleitung in einem abredewidrigen Forum stehen. Dabei ist es im internationalen Rechtsverkehr besonders leicht, einer ausschließlichen Prorogation zu entkommen. Der Kläger kann das Verfahren etwa an einem Gerichtsstand einleiten, an dem die entgegenstehende Abrede aufgrund der Besonderheiten des örtlichen Rechts nicht anerkannt werden wird. Die Zuständigkeitsrüge des Beklagten wird in solchen Fällen ins Leere gehen. Der Kläger kann sich also durch das gezielte Aufsuchen eines bestimmten Forums einer ausschließlichen Prorogation entziehen, die vor dem designierten Gericht Bestand gehabt hätte. Zu einer derartigen nachträglichen Aushebelung der Gerichtsstandsvereinbarung wird sich der Kläger in erster Linie aus ökonomischen Motiven leiten lassen. Ein rational und eigennützig handelnder Kläger entscheidet sich grundsätzlich dann für ein Gerichtsverfahren, wenn der erhoffte Gewinn höher ist als der befürchtete Verlust. Der erwartete Gewinn umfasst den voraussichtlichen Profit aus einem Urteil oder einem Vergleich, während der Verlust die vom Kläger zu opfernde Zeit und Energie beinhaltet sowie Gerichts- und Anwaltskosten und sonstige im Zusammenhang mit
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1. Kapitel: Einleitung und Grundlegung
dem Prozess entstehende finanzielle Nachteile. 14 Übertragen auf die hier interessierenden Fälle bedeutet dies, dass ein Kläger dann in ein anderes als das designierte Forum ziehen wird, wenn er sich hierdurch einen Gewinn verspricht, der die Nachteile, welche infolge der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung drohen, überwiegt. Vorteile aus der Klage im abredewidrigen Forum können zum einen darin liegen, dass die Anwendbarkeit eines bestimmten Prozess- oder Sachrechts eine günstige Sachentscheidung verspricht. Denkbar ist auch, dass sich eine Partei Heimvorteile – wie die Vertrautheit mit dem eigenen Rechtssystem und der Gerichtssprache – sichern möchte. Durch das Ausfechten einer Streitigkeit vor den Heimatgerichten kann man sich außerdem Kosten für Korrespondenzanwälte im Ausland und Reisen zum Gerichtstermin sparen. Die Verfolgung derartiger Motive ist nicht legitim, weil sie ein durch einseitige Interessen bedingtes, bewusstes Hinwegsetzen über eine Vereinbarung bedeutet, mit der man sich auf die beiderseitigen Vor- und Nachteile eines bestimmten Forums geeinigt hatte. Noch verwerflicher erscheint es, das Verfahren im falschen Forum einzuleiten, um den Gegner in einen aus seiner Sicht ungünstigen Vergleich zu treiben. Die ökonomischen Anreize hierfür sind groß, weil der Aufwand zur Klageerhebung oftmals nur einen Bruchteil des erhofften Vergleichswertes ausmacht. Der Kläger kann sich etwa ein Forum aussuchen, in dem der Beklagte allein schon für die Geltendmachung der Unzuständigkeit hohe Kosten auf sich nehmen muss, die er zudem selbst für den Fall zu tragen hätte, dass sich das Gericht für unzuständig erklärt. Besonders hoch ist der Vergleichsdruck, wenn der in Anspruch Genommene ein für seine außergewöhnliche Verfahrensdauer berüchtigtes Forum ausnutzt, um in diesem einer Klage des Anspruchsstellers durch negative Feststellungsklage zuvorzukommen. Insbesondere im Anwendungsbereich der EuGVVO ist dieses Problem virulent, da eine negative Feststellungsklage im abredewidrigen Forum EU-weit eine Rechtshängigkeitssperre für Leistungsklagen auslöst.15
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Kapeliuk/Klement, in: Bork/Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Verfahrensrechts, 2009, S. 439 (443, 445). 15 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I- 14693; EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861. Vgl. dazu ausführlich unten § 7 B. I. 1.
Kapitel 2
Zulässigkeit, Wirksamkeit, Ausschließlichkeit und Reichweite internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen Die Einleitung eines Verfahrens in einem anderen als dem in einer Gerichtsstandsvereinbarung bezeichneten Forum bedeutet nicht zwangsläufig eine Verletzung der Zuständigkeitsabrede. Die Einordnung einer Klage als abredewidrig hängt vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zum einen muss die Gerichtsstandsvereinbarung prozessual zulässig (§ 3) und wirksam abgeschlossen worden sein (§ 4). Zum anderen ist durch Auslegung der Prorogation zu klären, ob das in ihr benannte Gericht ausschließlich zuständig und die konkrete Streitigkeit zwischen den beteiligten Personen erfasst ist (§ 5). Im Folgenden soll in der gebotenen Kürze dargestellt werden, wie diese Fragen im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht einerseits und in der EuGVVO sowie dem HGÜ andererseits beantwortet werden.
§ 3 Zulässigkeit von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist zulässig, soweit die Parteien die Befugnis haben, das Forum für die Austragung gegenwärtiger oder zukünftiger Streitigkeiten abweichend von dem Gerichtsstand zu bestimmen, der andernfalls nach den maßgeblichen Regeln über die internationale Zuständigkeit eröffnet wäre.1 Die Anforderungen, die an die Zulässigkeit von Zuständigkeitsabreden in den autonomen (A.) und den international vereinheitlichten Rechten (B.) gestellt werden, weichen teilweise erheblich voneinander ab. Nach der Untersuchung der Besonderheiten der einzelnen Rechtssysteme gilt es, diese einer Effizienzbetrachtung zu unterziehen und unter Berücksichtigung der Ergebnisse einen Reformvorschlag für die EuGVVO zu unterbreiten (C.). 1
Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 16 I 1 (Rn. 13).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
A. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten Die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen richtet sich in allen hier untersuchten autonomen Rechten nach der lex fori, denn über die Reichweite seiner Kognitionsbefugnis entscheidet jedes Gericht nach seinem eigenen Recht.2 Es ist daher angezeigt, das englische (I.), US-amerikanische (II.) und deutsche (III.) Recht zu diesen Aspekten zu betrachten.
I. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im englischen Recht Einführend soll ein Überblick über die autonome englische Regelung der internationalen Zuständigkeit gegeben werden (1.), um dann im Einzelnen die Anforderungen an die Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen zu erörtern (2.). 1. Überblick über die autonomen englischen Regeln der internationalen Zuständigkeit Die autonomen englischen Regeln über die internationale Zuständigkeit, sog. traditional rules of jurisdiction3, sind in den CPR und den ergänzenden Practice Directions sowie in den ungeschriebenen Grundsätzen des common law enthalten. Die Anforderungen an die Eröffnung eines internationalen Gerichtsstands in England hängen davon ab, ob es sich um einen claim in personam
2 England: Pryles, ICLQ 25 (1976), S. 543 (544 f.); Kahn-Freund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (835); Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 126. USA: Webb Yackee, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 9 (2004), S. 43 (68); Ochsenfeld, RIW 1995, S. 633 (633); F. Sandrock, Neutraler Gerichtsstand, 1997, S. 203. Deutschland: Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 16 I 1, 3 (Rn. 15, 24); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 500; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1757; Hausmann, in: FS Lorenz, 1991, S. 358 (367). 3 Gemeint sind damit die Regeln, welche außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO, des LugÜ und der sog. Modified Convention – Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, verändert durch Civil Jurisdiction and Judgments Order 2001 – Geltung beanspruchen. Die Modified Convention normiert die Verteilung der gerichtlichen Zuständigkeit innerhalb des Vereinigten Königreichs. Diesem Regelwerk liegt das Modell des EuGVÜ bzw. der EuGVVO zugrunde. Die Modified Convention gilt lediglich, wenn der Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ eröffnet ist. Im Übrigen richtet sich die Aufteilung der Zuständigkeit zwischen England und Wales, Nordirland und Schottland nach den im Folgenden darzustellenden traditional rules of jurisdiction. Vgl. zum Ganzen Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 201 f., S. 346–352; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.01 f.; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 178 f.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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oder einen claim in rem handelt.4 Unter einem claim in personam wird das übliche Verfahren verstanden, das auf die Klärung der Rechtslage zwischen den Parteien gerichtet ist und an dessen Ende ein Urteil steht, welches nur inter partes wirkt.5 Ein claim in rem betrifft dagegen die Haftung einer bestimmten res – eines Schiffs, eines Luftfahrzeugs oder des sich darin befindlichen Frachtguts – und fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des Admiralty Court, eine Abteilung der Queen’s Bench Division des High Court of Justice.6 Anders als bei einem claim in personam kann ein infolge eines claim in rem ergangenes Urteil nur in die jeweils von der Klage betroffene Sache vollstreckt werden, wirkt insoweit aber erga omnes, d.h. für und gegen jedermann, dessen Rechte an der Sache betroffen sind.7 Die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte kann grundsätzlich auf drei Wege begründet werden, wobei nicht jeder für die beiden genannten Klagearten zur Verfügung steht. Möglich ist die Zuständigkeitseröffnung durch die Zustellung des prozesseinleitenden Schriftstücks im Inland (a.), durch dessen Zustellung im Ausland (b.) sowie im Wege der freiwilligen Unterwerfung des Beklagten unter die englische Jurisdiktionsgewalt (c.). a) Begründung internationaler Zuständigkeit in England durch Inlandszustellung Die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte wird in erster Linie durch die rechtmäßige Zustellung des prozesseinleitenden Schriftstücks (sog. claim form8) an den Beklagten im Inland begründet. 4
Collier, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2001, S. 71, der zugleich darauf hinweist, dass die internationale Zuständigkeit für familienrechtliche Streitigkeiten besonderen gesetzlichen Regeln unterliegt. 5 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 353; Collins/Morse/McClean/ u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 11.002; Bunge, Zivilprozess in England, 2. Aufl. 2005, S. 111. 6 Die Fälle, in denen ein claim in rem vorliegt, sind abschließend in s. 20 SCA aufgezählt. Als Beispiele seien hier Streitigkeiten über Besitz, Eigentum oder ein anderes dingliches Recht an einem Schiff oder dessen Ladung, Ansprüche wegen Schäden, die durch das Schiff oder am Schiff oder an der Ladung entstanden sind, sowie Ansprüche für Bergungs- und Hilfsleistungen auf hohem See genannt. Vgl. auch Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 414 f.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 13.002. 7 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 13.002; Bunge, Zivilprozess in England, 2. Aufl. 2005, S. 180. 8 Bei der claim form handelt es sich um ein Standardformular, das Angaben zu den Parteien, zum geltend gemachten Anspruch und zu dem Streitwert erfordert, r. 16.2, 16.3 CPR. Die claim form enthält nur in einfach gelagerten Fällen die Begründung der Klage (sog. particulars of claim) und beschränkt sich in der Regel auf den Hinweis, dass diese nachfolgen wird. Eine gesonderte Klagebegründung hat 14 Tage nach Zustellung
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
aa) Voraussetzungen der Zuständigkeitseröffnung Bei einem claim in personam setzt die ordnungsgemäße Zustellung u.a. voraus, dass der Beklagte oder eine empfangsberechtigte Person zur Zeit der Zustellung in England präsent war 9 , wobei auch eine bloß vorübergehende Anwesenheit ausreichend ist 10. Dieser Zuständigkeitsgrund geht auf die im Mittelalter verbreitete Vorstellung zurück, dass jeder in England Anwesende dem territorialen Herrscher und den in seinem Namen tätigen Gerichten zu Gehorsam verpflichtet sei, da er von diesen auch „Schutz vor räuberischer Behelligung erwarte und erhalte“11. Der Anerkennung der auf Inlandspräsenz basierenden jurisdiction liegen also Pflichten der sich in England befindlichen Personen gegenüber dem Staatensouverän zugrunde und nicht etwa Überlegungen über den Schutz von Beklagteninteressen. 12 Bei claims in rem erfordert die rechtmäßige Zustellung lediglich, dass sich die streitgegenständliche res im englischen Hoheitsterritorium befindet. 13 Zwar ist Beklagter nicht die res selbst, sondern deren Inhaber. 14
der Klage zu erfolgen, r. 7.4 (1) (b) CPR. Ausführlich zu den Anforderungen an den Inhalt der claim form Zuckerman, Civil Procedure, 2. Aufl. 2006, Rn. 3.31–3.42. 9 Die Anforderungen an die Präsenz unterscheiden sich je nachdem, ob der Beklagte eine natürliche Person, eine partnership oder eine company ist. Vgl. ausführlich dazu Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 354–370; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 40–71; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 189–205; v. Cube, Internationale Zuständigkeit, 2004, S. 39–50. Die sonstigen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Inlandszustellung für claims in personam finden sich in r. 6.3–6.19 CPR. 10 Zur Zustellung der Klage während einer kurzen Geschäftsreise des Beklagten in London: High Court, 20.12.1965 – Colt Industries, Inc. v. Sarlie, [1966] 1 All ER 673; zur Zustellung der Klage während eines Besuchs des Beklagten in England anlässlich des Royal Ascot-Pferderennens: Court of Appeal, 09.03.1972 – Maharanee of Baroda v. Wildenstein, [1972] 2 Q.B. 283. Die Begründung der internationalen Zuständigkeit durch Zustellung während Präsenz des Beklagten in England von nur kurzer Dauer wurde auch in Court of Appeal, 24.05.1989 – Adams v. Cape Industries Plc, [1990] Ch. 433 (CA) bestätigt. 11 Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 102. Vgl. auch House of Lords, 02.06.1916 – Russell & Co., Ltd. v. Cayzer, Irvine & Co., Ltd., [1916-1917] All ER 630, 631 (Viscount Haldane); High Court, 20.12.1965 – Colt Industries, Inc. v. Sarlie, [1966] 1 All ER 673, 675 (Lyell J); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 180 f. 12 van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 181. 13 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 415 f.; Collins/Morse/ McClean/ u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 13R.006; v. Cube, Internationale Zuständigkeit, 2004, S. 51 f. Die übrigen Voraussetzungen für die rechtmäßige Zustellung finden sich in r. 3.6 CPR. 14 Vgl. House of Lords, 22.02.1973 – The Atlantic Star, [1973] 2 Lloyd’s Rep. 197; House of Lords, 16.10.1997 – Republic of India v. India Steamship Co. Ltd., [1997] 4 All E.R. 380.
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Dieser macht sich jedoch durch die Anwesenheit der streitgegenständlichen Sache in England dort mittelbar gerichtspflichtig. bb) Gerichtliches Ermessen zur Nichtausübung bestehender Zuständigkeit Zur Vermeidung exorbitanter Gerichtsstände steht es den englischen Richtern unter bestimmten Umständen frei, trotz erfolgter Zustellung von der hierdurch an sich begründeten jurisdiction keinen Gebrauch zu machen.15 Ein solches Ermessen besteht zum einen dann, wenn eine Schiedsvereinbarung16 oder eine ausschließliche Gerichtsstandsabrede zugunsten eines ausländischen Forums vorliegt17. Von der Ausübung ihrer Zuständigkeit können die englischen Gerichte zum anderen dann absehen, wenn England für den Rechtsstreit ein sog. forum non conveniens ist. 18 Die Ursprünge der forum non conveniensDoktrin liegen im schottischen Recht des 17. Jahrhunderts. In das englische Recht fand die Lehre erst Anfang der 1980er Jahre Eingang. 19 Die Maßstäbe für die Ermessensausübung im Rahmen der forum non conveniens-Lehre formulierte das House of Lords in der Grundsatzentscheidung Spiliada Maritime Corp. v. Cansulex Ltd.20 Nach dem sog. Spiliada-Test ist die forum non conveniens-Prüfung in zwei Schritten durchzuführen: Zunächst gilt es festzustellen, ob ein auslän15
Dutta/Heinze, ZEuP 2005, S. 428 (432); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 182. Sec. 9 Arbitration Act 1996. Vgl. auch Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 426, 450–454; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.10, 8.10. 17 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 426, 443–350; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.10, 4.37. Näher dazu sogleich, vgl. § 3 A. I. 2. b). 18 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 426, 428–443; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.13–4.34. 19 Endgültig anerkannt wurde die forum non conveniens-Doktrin in der Entscheidung House of Lords, 26.01.1984 – The Abidin Daver, [1984] AC 398, 411 (Lord Diplock). Vor der Rezeption der Lehre im englischen Recht konnten die Gerichte die Ausübung ihrer jurisdiction nur dann ablehnen, wenn die Klageerhebung im Inland vexatious und oppressive erschien: Court of Appeal, 16.02.1883 – Peruvian Guano Co. v. Bockwoldt, [1881–1885] All ER 715, 718 (Bowen LJ); Court of Appeal, 20.12.1935 – St. Pierre v. South American Stores (Garth & Chaves) Ltd., [1936] 1 K.B. 382, 396 f. (Scott LJ); Briggs, LMCLQ 1984, S. 227 (227). Vgl. ausführlich zu dem geschichtlichen Hintergrund der forum non conveniens-Lehre: Brand/Jablonski, CILE Studies Bd. III, 2007, S. 7–33; Huber, Forum non conveniens, 1994, S. 46–86. Die forum non conveniensDoktrin ist heute auch Bestandteil des Rechts in den USA, Neuseeland, Kanada, Hongkong, Brunei, Singapur, Gibraltar und Irland, s. Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 427 m.w.N. 20 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460. 16
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
disches Forum existiert, dessen Gerichte international zuständig sind und zur Entscheidung des Rechtsstreits eindeutig besser geeignet erscheinen.21 Letzteres richtet sich danach, wo das sog. natural forum liegt, d.h. der Gerichtsort, zu dem die Streitigkeit die umfassendste und engste Verbindung aufweist.22 Hierbei spielen Faktoren wie etwa Wohnsitz der Parteien bzw. der Mittelpunkt deren Geschäftstätigkeit 23 , Belegenheitsort und Sprache der relevanten Beweismittel24, sowie das auf den Rechtsstreit anwendbare Recht25 eine wichtige Rolle.26 Liegt das natural forum im Ausland, wird das englische Gericht die Ausübung seiner jurisdiction grundsätzlich ablehnen, es sei denn, eine Entscheidung im „unnatürlichen“ englischen Forum erscheint ausnahmsweise geboten.27 Dies kann der Fall sein, wenn Verhandlung und Entscheidung des Streits im natürlichen Forum für den Kläger Nachteile von solcher 21 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 477 f. (Lord Goff of Chieveley): „available forum which is clearly more appropriate for the trial of the action“. Die Beweislast für das Vorhandensein eines besser geeigneten Forums im Ausland trägt die beklagte Partei. 22 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 477 f. (Lord Goff of Chieveley) bezugnehmend auf die Worte von House of Lords, 26.01.1984 – The Abidin Daver, [1984] AC 398, 415 (Lord Keith of Kinkel): „By ‘natural forum’ I mean the forum with which the action has the most real and substantial connection.“ Vgl. auch Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 428– 434; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.18 f. 23 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 478 (Lord Goff of Chieveley); High Court, 11.04.1995 – Caltex Singapore Pte. Ltd. v. BP Shipping Ltd., [1996] 1 Lloyd’s Rep. 286, 289 (Clarke J); High Court, 06.12.1995 – The Polessk, [1996] 2 Lloyd’s Rep. 40, 43 (Clarke J). 24 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 478 (Lord Goff of Chieveley); High Court, 11.04.1995 – Caltex Singapore Pte. Ltd. v. BP Shipping Ltd., [1996] 1 Lloyd’s Rep. 286, 289 (Clarke J); Court of Appeal, 18.08.1995 – Conelly v. RTZ Corp. Plc. No. 1, [1996] Q.B. 361, 369 (Waite LJ); High Court, 13.05.1997 – The Herceg Novi, [1998] 1 Lloyd’s Rep. 167, 177 f. (Clarke J). 25 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 478 (Lord Goff of Chieveley); High Court, 06.12.1995 – The Polessk, [1996] 2 Lloyd’s Rep. 40, 43 f. (Clarke J); High Court, 05.06.1992 – Standard Steamship Owners’ Protection v. Gann, [1992] 2 Lloyd’s Rep. 528, 535 (Hirst J). Die Bedeutung dieses Faktors ist auf die in England verbreitete Auffassung zurückzuführen, dass jeder Richter nach seinem eigenen Recht am besten zu urteilen imstande ist, Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.22. 26 Für weitere wichtige Faktoren bei der Ermittlung des natürlichen Forums vgl. Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 102 f.; Brand/Jablonski, CILE Studies Bd. III, 2007, S. 33–35. 27 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 483 (Lord Goff of Chieveley). Im zweiten Teil des Spiliada-Tests liegt die Beweislast bei der klägerischen Partei.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Tragweite mit sich bringen, dass aus englischer Sicht dort keine substantial justice, also kein Mindestmaß an Gerechtigkeit gewährt werden könnte. 28 Der Kläger muss grundsätzlich das auswärtige Forum hinnehmen, auch wenn ein dortiges Verfahren nicht die gleichen persönlichen oder rechtlichen Vorteile wie ein Prozess in England bieten kann. 29 Irrelevant für die Ermessensentscheidung ist daher prinzipiell, wenn in England mit kürzerer Verfahrensdauer oder niedrigeren Prozesskosten zu rechnen wäre30, dem Kläger dort voraussichtlich ein höherer Schadensersatzanspruch zugesprochen worden wäre31, oder im auswärtigen Forum die Möglichkeit eines umfassenden Beweisermittlungsverfahrens ähnlich der im englischen Prozess existierenden discovery nicht bestünde32. Ein denial of substantial justice, der ein Abweichen vom natural forum erforderlich macht, droht erst dann, wenn die Nachteile im ausländischen Forum so groß sind, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs oder eines fairen Verfahrens in Frage gestellt sind.33 Das ist etwa anzunehmen, wenn im Ausland mit überlanger Verfahrensdauer zu rechnen ist34, die auswärtige Rechtspflege etwa wegen Kriegs bzw. Naturkatastrophen praktisch zum Erliegen gekommen ist35, oder dem Kläger im Ausland eine politische,
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Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 434–439. House of Lords, 22.07.2000 – Lubbe v. Cape Plc., [2000] 1 W.L.R. 1545, 1554 (Lord Bingham of Cornhill). 30 High Court, 05.05.1992 – The Nile Rhapsody, [1992] 2 Lloyd’s Rep. 399, 413 f. (Hirst J). Vgl. jedoch High Court, 06.04.1993 – The Al Battani, [1993] 2 Lloyd’s Rep. 219, 224 (Sheen J): Kostenbelastung im ägyptischen Prozess exorbitant aufgrund fehlender Kostenerstattung durch die unterlegene Partei, so dass eine Verhandlung im unnatürlichen englischen Forum im Interesse der Gerechtigkeit geboten. 31 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 482 (Lord Goff of Chieveley). 32 Court of Appeal, 24.05.1984 – Bank of Tokyo Ltd. v. Karoon, [1987] A.C. 45, 62 (Goff LJ); House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 482 (Lord Goff of Chieveley); High Court, 06.12.1995 – The Polessk, [1996] 2 Lloyd’s Rep. 40, 50 f. (Clarke J); High Court, 29.03.1996 – The Xin Yang, [1996] 2 Lloyd’s Rep. 217, 224 (Clarke J); High Court, 12.12.2002 – Ceskoslovenska Obchodni Banka AS v. Nomura International Plc., [2003] I.L.Pr. 20, 334 f. (Sumption QC). 33 Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 105. 34 High Court, 31.07.1989 – The Vishva Ajay, [1989] 2 Lloyd’s Rep. 558, 560 (Sheen J); High Court, 06.04.1993 – The Al Battani, [1993] 2 Lloyd’s Rep. 219, 223 f. (Sheen J); High Court, 04.11.2003 – Credit Agricole Indosuez v. Unicof Ltd. No. 2, [2004] 1 Lloyd’s Rep. 196, 205 (Cooke J). 35 Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 106 unter Hinweis auf Ontario Supreme Court, 28.09.1989 – Middle East Banking Co. S.A.L. v. Al-Haddad, 70 OR (2d) 97, para. 33 (kanadischer Fall). 29
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
rassistische, religiöse oder sonstige Diskriminierung droht 36 . Die substantial justice ist auch dann in Gefahr, wenn nach dem im auswärtigen Forum maßgeblichen Recht der zugrunde liegende Anspruch verjährt ist37 bzw. dort kein effektives Rechtsmittel zur Verfügung steht38. b) Begründung internationaler Zuständigkeit in England durch Auslandszustellung Ausschließlich für claims in personam kann die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte auch durch eine rechtmäßige Zustellung der claim form an den Beklagten im Ausland begründet werden.39 Für diese ist im Gegensatz zur Inlandszustellung in der Regel eine vorausgehende gerichtliche Bewilligung (permission to serve out of jurisdiction) erforderlich.40 Über deren Erteilung wird auf Antrag des Klägers und ohne Anhörung des Beklagten in einem summarischen Verfahren befunden. 41 Die Entscheidung steht im gerichtlichen Ermessen. Der Kläger muss zum einen darlegen, dass für die Klage einer der in § 3.1 PD 6B CPR aufgezählten Gerichtsstände in England eröffnet ist (r. 6.37 (1) (a) CPR). Viele der Anknüpfungspunkte sind aus den kontinentaleuropäischen Kodifikationen der internationalen Zuständigkeit bekannt, etwa das Domizil des Beklagten im Inland, der inländische Vertragsschluss- oder Deliktsort. 42 Dem Kläger obliegt es gem. r. 6.37 (1) (b) CPR außerdem zu zeigen, dass die Klage Erfolgschancen hat. Dadurch soll die Auslandszustellung von Klagen verhindert werden, deren Erfolgsaussichten offensichtlich so nied36 Court of Appeal, 03.07.1986 – Muduroglu Ltd. v. T.C. Ziraat Bankasi, [1986] Q.B. 1225, 1247 f. (Mustill LJ). 37 House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 482 (Lord Goff of Chieveley). 38 Court of Appeal, 03.10.1997 – BMG Trading Ltd. v. AS McKay, [1998] I.L.Pr. 691, 696–698 (Butler-Sloss LJ). 39 Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Auslandszustellung finden sich in r. 6.30–6.47 CPR. Eine Auslandszustellung ist gem. r. 3.6 (7) CPR bei claims in rem ausgeschlossen. Vgl. dazu Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 415; Collier, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2001, S. 83. 40 Vgl. r. 6.36 CPR. Einer gerichtlichen Erlaubnis bedarf es nicht für die Zustellung innerhalb des Vereinigten Königreichs im Anwendungsbereich von dem Civil Jurisdiction und Judgments Act 1982 sowie im Anwendungsbereich der EuGVVO, des LugÜ und anderer Sondergesetze, r. 6.32, 6.33 CPR. Für detaillierte Ausführungen über die Auslandszustellung in diesen Fällen vgl. Waller/Scott/Brooke/u.a., White Book 2009, Section A – Civil Procedure Rules 1998, (westlaw), UK CP 6.33. 41 Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.53; Zuckerman, Civil Procedure, 2. Aufl. 2006, Rn. 4.197. 42 Vgl. die detaillierten Ausführungen über die einzelnen Gerichtsstände bei Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 373–396 und Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.54–4.77.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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rig sind, dass sie bereits im Rahmen eines summarischen Verfahrens gem. r. 24.2 (a) (i) CPR zurückgewiesen werden könnten.43 Die Bewilligung der Auslandszustellung setzt schließlich voraus, dass England als natural forum für den Rechtsstreit anzusehen ist.44 Letzteres lehnen die Gerichte in der Regel ab, wenn eine ausschließliche Prorogation zugunsten eines ausländischen Forums existiert45 oder England für die konkrete Streitigkeit ein forum non conveniens darstellt46. Wird eine permission to serve out of jurisdiction erteilt und die Klage zugestellt, ist hierdurch ein internationaler Gerichtsstand in England eröffnet, es sei denn, das Gericht befindet aufgrund späterer Rüge des Beklagten, dass die Zustellungsbewilligung zu Unrecht gewährt wurde, und hebt diese daher wieder auf.47 c) Begründung internationaler Zuständigkeit in England durch Unterwerfung Sowohl für claims in rem als auch für solche in personam kann die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte schließlich auch durch Unterwerfung des Beklagten unter die inländische Jurisdiktion begründet werden (sog. submission to the jurisdiction).48 Dieser Zuständigkeitsgrund, der u.a. bei rügeloser Einlassung des Beklagten zur Hauptsache sowie bei Prorogationen des englischen Gerichtsstands von Bedeutung ist, stellt jedoch – streng genommen – keine eigenständige Zuständigkeitskategorie dar, weil
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High Court, 18.12.2003 – MRG (Japan) Ltd. v. Engelhard Metals Japan Ltd., [2003] EWHC 3418 (Comm), para. 10; Court of Appeal, 27.05.2005 – Carvill America Inc. v. Camperdown UK Ltd., [2005] EWCA Civ 645, para. 24. 44 Vgl. r. 6.37 (3) CPR sowie Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 372, 399–412. 45 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 404 f. 46 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 399 f. Die beiden Anwendungsfälle der forum non conveniens-Doktrin (im Rahmen der Inlands- und der Auslandszustellung) gehören einer einheitlichen Ermessenslehre an, so dass sich die richterliche Entscheidung nach den gleichen – bereits oben – dargestellten Kriterien richtet: House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460, 480 f. (Lord Goff of Chieveley); High Court, 29.03.1996 – The Xin Yang, [1996] 2 Lloyd’s Rep. 217, 220 (Clarke J). Ein Unterschied besteht lediglich bzgl. der Verteilung der Beweislast: Im Rahmen der Auslandszustellung obliegt es zunächst dem Kläger nachzuweisen, dass England das natural forum für den Rechtsstreit darstellt. Gelingt ihm dies, verlagert sich die Beweislast auf den Beklagten. Dieser muss besondere Umstände nachweisen, wegen derer es geboten erscheint, den Prozess nicht in England durchzuführen. 47 Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.53. 48 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 370–372; Collier, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2001, S. 73 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
zusätzlich zu der submission auch hier für die Eröffnung der jurisdiction stets die In- oder Auslandszustellung der claim form unverzichtbar ist.49 2. Zulässigkeitsanforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen englischen Recht Die Befugnis der Parteien zur privatautonomen Bestimmung des Gerichtsorts für die Austragung eventueller Streitigkeiten ist in England bereits lange anerkannt.50 Allerdings ist die Gerichtswahlfreiheit nicht unbegrenzt gewährleistet: Schranken ergeben sich einerseits aus den im englischen Recht bestehenden Pro- und Derogationsverboten (a.), andererseits daraus, dass die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen im richterlichen Ermessen liegt (b.). a) Pro- und Derogationsverbote im englischen Recht Der Gerichtswahlfreiheit sind zum einen durch die ausschließlichen Gerichtsstände Grenzen gesetzt. So sind etwa für Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Berechtigung an Grundstücken ausschließlich die Gerichte am Belegenheitsort international zuständig mit der Folge, dass abweichende Pro- oder Derogationen unwirksam sind. 51 Zu beachten sind außerdem einzelne Normen mit Schutzcharakter, etwa sec. 203 (1) Employment Rights Act 199652 und sec. 141 (1) Consumer Credit Act 1974, die bestimmte englische Gerichtsstände der Parteidisposition entziehen.53 Darüber hinaus sind Gerichtsstandsvereinbarungen in Bezug auf einige nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten, wie etwa Scheidungs-, Status- und Nachlasssachen unzulässig.54 Außerdem wird die Vereinbarung der Zuständigkeit ausländischer Gerichte als unzulässig angesehen, wenn zu befürchten ist, dass international zwingende Normen des englischen Rechts im forum prorogatum unbeach49
Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 40 (Fn. 26). Vgl. etwa Court of Common Pleas, 10.02.1796 – Gienar v. Meyer, 126 E.R. 728; High Court, 17.12.1908 – Kirchner v. Gruban, [1908] 1 Ch. 413; Court of Appeal, 17.12.1957 – The Fehmarn, [1958] 1 W.L.R. 159, 161 f.; Cowen/Mendes Da Costa, Am. J. Comp. L. 13 (1964), S. 179 (180–183) m.w.N.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.095; Jung/ Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 18 I 2 (Rn. 183). 51 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (185); Kahn-Freund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (844). 52 „Any provision in an agreement (whether a contract of employment or not) is void in so far as it purports - (a) to exclude or limit the operation of any provision of this Act, or (b) to preclude a person from bringing any proceedings under this Act before an industrial tribunal.“ 53 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (185); Kahn-Freund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (837 f.). 54 Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 139. 50
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tet bleiben würden.55 Eine solche Norm stellt Art. III (8) der Haag-VisbyRegeln dar, wonach die in den Regeln vorgesehene Haftung des Konnossementsverfrachters gegenüber dem Befrachter für bestimmte Schäden vertraglich weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden kann. Ist zu befürchten, dass die Gerichte im prorogierten Forum einer vertraglichen Haftungsbegrenzung Wirkung beimessen, scheidet die Anerkennung der Gerichtsstandsvereinbarung aus.56 b) Gerichtliches Ermessen bei der Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen Steht einer Gerichtsstandsvereinbarung kein De- oder Prorogationsverbot entgegen, bedeutet dies noch nicht zwangsläufig, dass englische Gerichte der Abrede zur Durchsetzung verhelfen werden. Dies steht nach englischem Recht vielmehr im richterlichen Ermessen. aa) Grundsatz Die Entscheidung über die Anerkennung und Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist ins Ermessen der englischen Richter gestellt. Hintergrund ist die Auffassung, dass nur die Richter selbst über die Reichweite ihrer Rechtsprechungsgewalt bestimmen könnten.57 Aufgrund der Existenz eines Ermessensspielraums haben Pro- und Derogationen nach englischem Recht – im Gegensatz zu den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen – keinen direkten Einfluss auf die internationale Zuständigkeit.58 Prorogationen zugunsten Englands begründen nicht unmittelbar die jurisdiction der dortigen Gerichte. 59 Derogationen der englischen 55
Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (185); Briggs, LMCLQ 1984, S. 227 (247 f.). House of Lords, 25.11.1982 – The Hollandia, [1982] 3 W.L.R. 1111; Briggs, LMCLQ 1984, S. 227 (248). 57 Court of Appeal, 17.12.1957 – The Fehmarn, [1958] 1 W.L.R. 159, 162 (Lord Denning): „the English courts are in charge of their own proceedings: and one of the rules they apply is that a stipulation that all disputes should be judged by the tribunals of a particular country is not absolutely binding.“ High Court, 31.01.1969 – The Eleftheria, [1970] P. 94, 103; Court of Appeal, 15.05.1981 – The El Amria, [1981] 2 Lloyd’s Rep. 119; House of Lords, 21.03.1985 – The Sennar No. 2, [1985] 1 Lloyd’s Rep. 521. Vgl. auch Kahn-Freund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (849); Pryles, ICLQ 25 (1976), S. 543 (558); Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (188); Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 18 I 2a (Rn. 185). 58 Fawcett, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 1 (48 f.); KahnFreund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (849); Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (216). 59 Merrett, ICLQ 55 (2006), S. 315 (317). Das äußert sich bereits darin, dass selbt bei Vorliegen einer prorogierenden Gerichtsstandsvereinbarung die Inlands- oder Auslandszustellung der claim form zur Begründung der jurisdiction englischer Gerichte erforderlich ist, s. oben § 3 A. I. 1. c). 56
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Gerichte schließen weder automatisch aus, dass durch Inlands- oder Auslandszustellung ein internationaler Gerichtsstand in England begründet werden kann, noch lassen sie die einmal eröffnete Zuständigkeit ohne weiteres rückwirkend entfallen.60 Ausschließliche Zuständigkeitsvereinbarungen begründen aus Sicht englischer Gerichte (lediglich) eine Verpflichtung der Parteien, in keinem anderen als dem vereinbarten Forum zu klagen.61 Um die Vertragspartner an diese Verpflichtung zu binden, soll das richterliche Ermessen grundsätzlich zugunsten der Anerkennung und Durchsetzung von Gerichtsstandsabreden ausgeübt werden, es sei denn, der Austragung der Streitigkeit im vereinbarten Forum stehen gewichtige Gründe entgegen. Dieser sog. El Amria-Test wurde ursprünglich zur Handhabung von Derogationen der Zuständigkeit englischer Gerichte entwickelt 62 , wird mittlerweile jedoch auch bei der Entscheidung über die Beachtung ausschließlicher Prorogationen zugunsten Englands herangezogen 63. Bei der Ermessensausübung zeigt sich ein gewisses Heimwärtsstreben der englischen Gerichte: Während sich kaum Fälle finden, in denen sich die Richter über Prorogationen zugunsten Englands hinweggesetzt haben64, 60
Vgl. die Aussage von Lord Denning in Court of Appeal, 17.12.1957 – The Fehmarn, [1958] 1 W.L.R. 159, 162: „no one by his private stipulation can oust these [the English, die Verf.] courts of their jurisdiction in a matter that properly belongs to them“ (sog. nonouster-Regel). Vgl. dazu auch Pryles, ICLQ 25 (1976), S. 543 (556) m.w.N.; KahnFreund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (849); Hartley, International Commercial Litigation, 2009, S. 180 f. 61 Merrett, ICLQ 55 (2006), S. 315 (317); Joseph, Agreements, 2005, Rn. 10.03. 62 High Court, 31.01.1969 – The Eleftheria, [1970] P. 94, 103; Court of Appeal, 15.05.1981 – The El Amria, [1981] 2 Lloyd’s Rep. 119; House of Lords, 21.03.1985 – The Sennar No. 2, [1985] 1 Lloyd’s Rep. 521. 63 High Court, 23.01.2003 – Import Export Metro Ltd. v. Compania Sud Americana De Vapores S.A., [2003] EWHC 11 (Comm); High Court, 16.05.2006 – Konkola Copper Mines plc. v. Coromin Ltd., [2006] EWHC 1093 (Comm). Vgl. jedoch auch Court of Appeal, 09.03.1999 – Eli Lilly & Co. v. Novo Nordisk A/S, [2000] I.L.Pr. 73, 523, in der der Ermessensentscheidung der im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin entwickelte Spiliada-Test zugrunde gelegt wurde. Liegt eine nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischer oder ausländischer Gerichte vor, richtet sich die Ausübung des gerichtlichen Ermessens dagegen nach der forum non conveniens-Doktrin, wobei der Abrede für die Bestimmung des natürlichen Forums grundsätzlich wichtige Bedeutung beigemessen wird. Vgl. etwa Court of Appeal, 26.03.1981 – The Hida Maru, [1981] 2 Lloyd’s Rep. 510, 513 f.; High Court, 10.12.1992 – British Aerospace Plc. v. Dee Howard Co., [1993] 1 Lloyd’s Rep. 368, 375–378; High Court, 02.02.1996 – The Rothnie, [1996] 2 Lloyd’s Rep. 206, 210 f.; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 432, 447 f.; Fawcett, LMCLQ 2001, S. 234 (248–255). 64 High Court, 27.11.1989 – S. & W. Berisford Plc. v. New Hampshire Insurance Co., [1990] 1 Lloyd’s Rep. 454, 458 (Hobhouse J); Briggs, Agreements, 2008, Rn. 6.03; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 141. Für einen Fall, in dem die Gerichte ein Verfah-
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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lässt sich seit Mitte des letzten Jahrhunderts in der Rechtsprechung eine steigende Tendenz zur Nichtrespektierung von Derogationen der inländischen Gerichte beobachten65. bb) Maßgebliche Faktoren bei der gerichtlichen Ermessensentscheidung Viele der Aspekte, die für die Ermessensentscheidung über die Beachtung ausschließlicher Gerichtsstandsabreden von Bedeutung sind, stimmen – wie gleich noch zu zeigen sein wird – mit den im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin maßgeblichen Faktoren überein.66 Daraus auf die Existenz einer einheitlichen Ermessenslehre zur Ausübung der jurisdiction englischer Gerichte zu schließen, wäre dennoch verfehlt67: Zum einen blickt die Anerkennung und Ausgestaltung der Ermessensentscheidung im Zusammenhang mit Pro- und Derogationen auf eine viel längere Geschichte – nämlich bis ins 18. Jahrhundert – zurück68, während die forum non conveniens-Lehre eine Entwicklung der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts darstellt 69 . Zum anderen finden sich in dem für die Ermessensausübung in forum non conveniens-Fällen entwickelten Spiliada-Test keinerlei Aussagen zu Gerichtsstandsvereinbarungen. Zwischen den beiden Ermessenslehren muss daher trotz bestehender Parallelen weiterhin differenziert werden. Ein Grund, sich über die Derogation englischer Gerichte hinwegzusetzen, wird in Fällen angenommen, in denen wichtige Beweismittel in Engren in England trotz entsprechender Prorogation abgelehnt haben vgl. Court of Appeal, 24.07.1998 – Bouygues Offshore S.A. v. Caspian Shipping Co., [1998] 2 Lloyd’s Rep. 461. 65 Briggs, L.Q.R. 109 (1993), S. 382; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (191); Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 141. Den Ursprung der feindlichen Haltung gegenüber Prorogationen zugunsten ausländischer Gerichte, insbesondere solcher in den ehemaligen Ostblockstaaten (s. etwa Court of Appeal, 17.12.1957 – The Fehmarn, [1958] 1 W.L.R. 159; Court of Appeal, 25.03.1976 – The Adolf Warski, [1976] 2 Lloyd’s Rep. 241) vermuten manche in den angespannten Ost-West-Verhältnissen zur Zeit des Kalten Kriegs, so etwa Briggs, L.Q.R. 109 (1993), S. 382 (383). Andere erblicken die Ursache dagegen in der Rezeption der forum non conveniens-Doktrin im englischen Recht: Auch wenn diese Lehre keine Aussage über Existenz und Ausübung des Ermessens bei der Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen trifft, sei es dennoch Folge des zahlreiche Faktoren berücksichtigenden Spiliada-Tests, dass Gerichte auch die Beachtung von Pro- und Derogationen ihrer Zuständigkeit von einer detaillierten Untersuchung und Abwägung aller Einzelfallumstände abhängig machen, vgl. etwa Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (191). 66 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 447; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (189). 67 Briggs, LMCLQ 1984, S. 227 (241 f.). Vgl. auch Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 447; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (189 f.); Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 143; Huber, Forum non conveniens, 1994, S. 113. 68 Vgl. die Entscheidungen oben in Fn. 57 (§ 3 A. I. 2.). 69 S. oben § 3 A. I. 1. a) bb).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
land verfügbar sind, so dass die Verhandlung im designierten Forum mit erheblichem zusätzlichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden wäre.70 Die Gerichte können außerdem berücksichtigen, ob und inwieweit die Parteien Verbindungen zu England bzw. zu dem vereinbarten Gerichtsland haben.71 Entscheidend sind ebenfalls die Motive der auf die Einhaltung der Gerichtsstandsabrede beharrenden Partei: Ist diese an einer Verfahrensdurchführung vor dem prorogierten Gericht in Wirklichkeit nicht interessiert, verfolgt mit der Durchsetzung der Abrede vielmehr nur taktische Ziele, werden englische Gerichte der Vereinbarung in der Regel nicht zur Wirkung verhelfen.72 Auch das anwendbare Sachrecht spielt eine Rolle: Unterliegt die Hauptsache zugleich dem Recht desjenigen Staates, dessen Gerichte prorogiert worden sind und weist dieses erhebliche Unterschiede zum englischen Recht auf, ist man in England eher bereit, der Derogation Folge zu leisten.73 Denn eine Sachentscheidung nach ausländischem Recht dürfte in der Regel in England komplizierter und teurer sein als in dem Land, dessen Recht das Hauptsachestatut stellt.74 Andererseits kann eine Derogation des englischen Gerichtsstands ignoriert werden, wenn ein Verweis des Klägers auf das prorogierte Forum eine Vielzahl von Verfahren zwischen verschiedenen Parteien in unterschiedlichen Ländern über an sich miteinander verknüpfte Streitigkeiten zur Folge hätte und deshalb die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen 70
High Court, 08.10.1980 – The Panseptos, [1981] 1 Lloyd’s Rep. 152; Court of Appeal, 25.03.1976 – The Makefjell, [1976] 2 Lloyd’s Rep. 29. Ähnlich auch Court of Appeal, 17.12.1957 – The Fehmarn, [1958] 1 W.L.R. 159, 162. 71 High Court, 31.01.1969 – The Eleftheria, [1970] P. 94, 104 (Brandon J). Fehlt eine Verbindung zu England, wird die Nichtdurchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung nur in seltenen Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein: House of Lords, 21.03.1985 – The Sennar No. 2, [1985] 1 Lloyd’s Rep. 521, 528 (Lord Brandon); High Court, 15.10.1980 – The Star of Luxor, [1981] 1 Lloyd’s Rep. 139, 141 (Sheen J). 72 High Court, 02.04.1979 – The Vishva Prabha, [1979] 2 Lloyd’s Rep. 286, 288 (Sheen J); High Court, 01.07.1983 – The Atlantic Song, [1983] 2 Lloyd’s Rep. 394, 399 (Sheen J); High Court, 03.10.1983 – The Pia Vesta, [1984] 1 Lloyd’s Rep. 169, 172 (Sheen J); High Court, 04.04.1984 – The Iran Vojdan, [1983] 2 Lloyd’s Rep. 380, 387 (Bingham J); High Court, 07.03.1986 – The Frank Pais, [1986] 1 Lloyd’s Rep. 529, 534 f. (Sheen J). 73 High Court, 17.12.1908 – Kirchner v. Gruban, [1908] 1 Ch. 413; Court of Appeal, 30.05.1913 – The Cap Blanco, [1913] P. 130, 135 f.; High Court, 08.10.1980 – The Panseptos, [1981] 1 Lloyd’s Rep. 152, 154 (Sheen J). Solange aber umgekehrt das anwendbare ausländische Recht im entscheidenden Punkt dem englischen ähnlich ist, ist die Außerachtlassung der Derogation wahrscheinlicher. Vgl. etwa Court of Appeal, 20.12.1972 – Evans Marshall & Co. Ltd. v. Bertola S.A., [1973] 1 Lloyd’s Rep. 453, 472 (Sachs LJ); Collins, International Litigation, 1994, S. 271. 74 Court of Appeal, 03.07.1986 – Muduroglu Ltd. v. T.C. Ziraat Bankasi, [1986] Q.B. 1225, 1246 (Mustill LJ).
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erhöhte.75 Unter anderem mit diesem Argument wurde in einem Prozess, in dem wegen ein und desselben Schadensfalls vier Anspruchsgegner gemeinsam verklagt wurden, der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Kläger und einem der Beklagten keine Wirkung beigemessen: Der Kläger hätte andernfalls seine Ansprüche gegen drei der Beklagten in England und gegen den vierten vor den Gerichten Singapurs durchsetzen müssen.76 Bedeutung kommt des Weiteren der Frage zu, ob eine Durchführung des Verfahrens an dem designierten Gerichtsstand für den Kläger mit erheblichen negativen Folgen verbunden wäre.77 Eine Derogation der englischen Gerichte kann danach unberücksichtigt bleiben, wenn zu befürchten ist, dass der Kläger im forum prorogatum aus religiösen, politischen oder anderen Gründen nicht mit einem fairen Prozess rechnen darf.78 Die Außerachtlassung einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung kommt auch dann in Betracht, wenn der klägerische Anspruch in dem vereinbarten Forum bereits verjährt wäre. Dies gilt allerdings nur, wenn der Kläger nachweist, dass die Unterlassung von fristwahrenden Maßnahmen vor dem prorogierten Gericht angemessen reasonable war.79 Das Verstreichenlassen 75 Court of Appeal, 20.12.1972 – Evans Marshall & Co. Ltd. v. Bertola S.A., [1973] 1 Lloyd’s Rep. 453, 472 (Sachs LJ); Court of Appeal, 15.05.1981 – The El Amria, [1981] 2 Lloyd’s Rep. 119, 128 (Brandon LJ); High Court, 25.02.1997 – Mahavir Minerals Ltd. v. Cho Yang Shipping Co. Ltd. (The M C Pearl), [1997] 1 Lloyd’s Rep. 566, 569 (Rix J); High Court, 29.01.1996 – Citi-March Ltd. v. Neptune Orient Lines Ltd., [1996] 1 W.L.R. 1367, 1375 f. (Colman J); High Court, 16.05.2006 – Konkola Copper Mines plc. v. Coromin Ltd., [2006] EWHC 1093 (Comm), paras. 35–42 (die ausschließliche Vereinbarung der Zuständigkeit der Gerichte von Sambia wurde i.E. jedoch anerkannt, da der Kläger im englischen Verfahren selbst das Risiko einer Mehrzahl von Verfahren mit der Folge widersprüchlicher Entscheidungen geschaffen hatte). 76 High Court, 29.01.1996 – Citi-March Ltd. v. Neptune Orient Lines Ltd., [1996] 1 W.L.R. 1367, 1375 f. (Colman J). 77 High Court, 31.01.1969 – The Eleftheria, [1970] P. 94, 100 (Brandon J). Manche Gerichte beachten hierbei nur Nachteile, die für den Kläger bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung nicht vorhersehbar waren. Vgl. etwa High Court, 25.07.1979 – The Kislovodsk, [1980] 1 Lloyd’s Rep. 183, 186 (Sheen J); High Court, 27.05.1999 – Mercury Communications Ltd. v. Communication Telesystems International, [1999] 2 All ER (Comm) 33, 41 (Moore-Bick J); High Court, 16.05.2006 – Konkola Copper Mines plc. v. Coromin Ltd., [2006] EWHC 1093 (Comm), para. 32. 78 High Court, 06.10.1939 – Ellinger v. Guiness, [1939] 4 All ER 16; Court of Appeal, 14.06.1979 – Carvalho v. Hull, Blyth (Angola) Ltd., [1979] 1 W.L.R. 1228; High Court, 27.11.2008 – Middle Eastern Oil LLC v. National Bank of Abu Dhabi, [2008] EWHC 2895 (Comm), paras. 22–27 (i.E. wurde die Vereinbarung über die Zuständigkeit der Vereinigten Arabischen Emirate jedoch anerkannt). 79 Privy Council, 21.03.1994 – The Pioneer Container, [1994] 2 AC 324; High Court, 29.01.1996 – Citi-March Ltd. v. Neptune Orient Lines Ltd., [1996] 1 W.L.R. 1367; High Court, 25.02.1997 – Mahavir Minerals Ltd. v. Cho Yang Shipping Co. Ltd. (The M C Pearl), [1997] 1 Lloyd’s Rep. 566; High Court, 17.04.1997 – The Bergen No. 2, [1997] 2
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
einer ausländischen Verjährungsfrist ist etwa dann als reasonable anzusehen, wenn mit einer Verfahrensdurchführung in der fremden Jurisdiktion nicht zu rechnen war, weil der Sachverhalt keinerlei Verbindung zu diesem Land hat und/oder weil ernste Zweifel an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung bestanden. 80 In einem solchen Fall hat wiederum der Beklagte die Möglichkeit, der Gerichtsstandsvereinbarung zur Durchsetzung zu verhelfen, indem er sich durch ein sog. party undertaking gegenüber dem englischen Gericht dazu verpflichtet, im prorogierten Forum die Verjährungseinrede nicht zu erheben.81 cc) Kritik der Literatur an der Handhabung des gerichtlichen Ermessens Teile des englischen Schrifttums stehen vielen der von der Rechtsprechung anerkannten strong reasons für die Nichtbeachtung ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen kritisch gegenüber.82 Es sei insbesondere nicht gerechtfertigt, Derogationen aus Gründen zu übergehen, die für die Parteien beim Abschluss der Abrede vorhersehbar waren, wie etwa Besonderheiten des im forum prorogatum anwendbaren Sach- und Verfahrensrechts.83 Nicht sachgerecht sei es außerdem, Gerichtsstandsvereinbarungen deswegen außer Acht zu lassen, weil die Parteien oder der Rechtsstreit keine Verbindung zu dem designierten Forum aufweisen, da den Parteien häufig gerade daran gelegen ist, ihre Streitigkeiten in einem neutralen Forum auszufechten. 84 Auch das Argument, der Beklagte verfolge mit dem Beharren auf der Austragung der Streitigkeit vor dem prorogierten Gericht lediglich taktische Ziele, sei nicht tragfähig, denn taktische Überlegungen spielten bei dem Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen stets eine Rolle.85 Daher sollte die ausschließliche Prorogation ausländischer Gerichte nur ausnahmsweise übergangen werden.86
Lloyd’s Rep. 710; Court of Appeal, 11.12.1997 – Baghlaf Al Zafer v. Pakistan National Shipping Co., [1998] 2 Lloyd’s Rep. 229. Vgl. dazu auch Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 148–150. 80 Vgl. ausführlich dazu Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 148 f. 81 Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 148. S. zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Instruments des party undertaking im englischen Recht Schlosser, RIW 2001, S. 81. 82 Briggs, L.Q.R. 109 (1993), S. 382; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (190–200, 217–227). 83 Briggs, L.Q.R. 109 (1993), S. 382 (384 f.); Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (193–195). 84 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (195). 85 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (196). 86 Briggs, L.Q.R. 109 (1993), S. 382 (384 f.); Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (190–200, 217–227).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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II. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im US-amerikanischen Recht Einführend soll auch zum US-amerikanischen Recht ein Überblick über dessen autonome Regelung der internationalen Zuständigkeit gegeben werden (1.), um sodann die Zulässigkeitsvoraussetzungen für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen darzustellen (2.). 1. Überblick über die autonomen US-amerikanischen Regeln der internationalen Zuständigkeit In den USA gibt es keine einheitliche Regelung der internationalen Zuständigkeit. Das hat seinen Grund in der Organisation der US-Zivilgerichtsbarkeit: Diese ist durch die Existenz zweier selbständiger Gerichtssysteme geprägt – Bundesgerichte (federal courts) einerseits und einzelstaatliche Gerichte (state courts) andererseits.87 Beide Gerichtsbarkeiten verfügen über eigene Instanzenzüge 88 und Prozessrechte89. Welche Normen zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Einzelfall heranzuziehen sind, hängt somit eng mit der Frage zusammen, ob im Einzelfall ein Bundesoder ein einzelstaatliches Gericht zur Entscheidung berufen ist. Aus diesem Grunde werden im Folgenden zunächst die für die Verteilung der Zuständigkeit zwischen den Bundes- und den einzelstaatlichen Gerichten 87
Die Zweigleisigkeit des Gerichtsaufbaus in den USA ist auf die US-Bundesverfassung zurückzuführen. Als sie im Jahr 1789 verabschiedet wurde, existierten die Gründerstaaten bereits als funktionsfähige politische Einheiten. Durch die Bundesverfassung sollte daher nicht eine neue staatliche Ordnung geschaffen, sondern der aus dem Unabhängigkeitskrieg hervorgegangene Zusammenschluss von Einzelstaaten gestärkt werden, Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 142. 88 Die Bundesgerichte sind also – anders als etwa in Deutschland – nicht den einzelstaatlichen Gerichten übergeordnet: Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 106; Böhm, USZPR, 2005, Rn. 141. In jedem Bundesstaat gibt es mindestens ein erstinstanzliches Bundesgericht, den District Court. Zurzeit existieren insgesamt 94 District Courts. Berufungsinstanz sind die Courts of Appeals, die in ihrem Bezirk, dem sog. Circuit, für mehrere, in verschiedenen Bundesstaaten gelegene District Courts zuständig sind. Im Bundesgebiet gibt es insgesamt 13 Courts of Appeals – jeweils einen in jedem der 12 Circuits und einen weiteren für den Federal District für sachlich abgegrenzte Zuständigkeitsbereiche, wie etwa Klagen gegen den Bund und Patentsachen. Revisionsgericht im System der Bundesgerichte ist der US Supreme Court. Der einzelstaatliche Instanzenzug ist in der Regel ebenfalls dreistufig aufgebaut. Die Bezeichnungen der state courts entsprechen häufig denen der Bundesgerichte. Eine wichtige Ausnahme bildet der Bundesstaat New York, in dem das Gericht erster Instanz Supreme Court, das Gericht zweiter Instanz Supreme Court, Appelate Division und das höchste Gericht Court of Appeals heißt. Vgl. zum Ganzen Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 106–109, 117 f. 89 Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 101–105; Linhart, ZfRV 2007, S. 217 (221); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 214, 217–219; Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 27–32.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
maßgeblichen Grundsätze erläutert (a.), bevor ein Überblick über die unterschiedlichen Regeln der internationalen Zuständigkeit gegeben wird (b.). a) Regeln zur Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche von federal und state courts Die Verteilung der Entscheidungszuständigkeit zwischen den Bundes- und den einzelstaatlichen Gerichten ist eine Frage der subject matter jurisdiction, die in Art. III (2) der US-Bundesverfassung und den diese Norm konkretisierenden 28 U.S.C. §§ 1330–1368 geregelt ist.90 Grundsätzlich liegt die allgemeine Zuständigkeit bei den state courts.91 Die federal courts haben demgegenüber nur bei ausdrücklicher Zuweisung eine – entweder ausschließliche oder konkurrierende – Zuständigkeit. 92 Ausschließliche Zuständigkeit wird ihnen nur in wenigen Bereichen eingeräumt, wie etwa für Konkursverfahren (28 U.S.C. § 1334), Prozesse zu immaterialgüterrechtlichen Fragen (28 U.S.C. § 1338) sowie für See- und Seehandelsstreitigkeiten (28 U.S.C. § 1333). Eine konkurrierende Zuständigkeit haben die Bundesgerichte gem. Art. III (2) der US-Bundesverfassung insbesondere93 in federal question- und in diversity-Fällen (aa.). Wird bei einer Materie im Bereich konkurrierender Zuständigkeit ein einzelstaatliches Gericht angerufen, kann die Streitigkeit im Wege eines removal an ein Bundesgericht abgegeben werden (bb.). aa) Die federal question- und diversity jurisdiction der US-Bundesgerichte Bundesgerichte haben allgemein die Kompetenz, über Ansprüche zu entscheiden, die auf Bundesrecht beruhen (federal question jurisdiction), 28 U.S.C. § 1331. 94 Zum Bundesrecht gehören die US-Bundesverfassung, die Bundesgesetze (federal statutes) und das Richterrecht der Bundesgerichte (federal common law) sowie die völkerrechtlichen Verträge der USA.95
90
Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 38; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 214 f. Aus diesem Grund werden sie auch courts of general jurisdiction genannt, Casad/ Richman, Jurisdiction in Civil Actions, Bd. I, 3. Aufl. 1998, § 1-1 (S. 3). S. auch Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 38; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 214. 92 Daher bezeichnet man sie als courts of limited jurisdiction, Casad/Richman, Jurisdiction in Civil Actions, Bd. I, 3. Aufl. 1998, § 1-1 (S. 3). S. auch Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 199. 93 Eine konkurrierende Zuständigkeit der Bundesgerichte besteht außerdem im Kartellrecht (28 U.S.C. § 1337) und im Bundessteuerrecht (28 U.S.C. § 1340). 94 Vgl. Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 15; Schack, USZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 41; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 202–204 mit weiteren Details. 95 Vgl. die Aufzählung in 28 U.S.C. § 1331; Bermann, Litigation, 2003, S. 77 f., 208. 91
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Von größerer Bedeutung für ausländische Prozessparteien ist die diversity jurisdiction, die für Klagen, welche ihre Grundlage im einzelstaatlichen Recht haben96, unter bestimmten Voraussetzungen den Weg zu den Bundesgerichten eröffnet. 97 Diese erfordert gem. 28 U.S.C. § 1332 zum einen diversity of citizenship: Kläger und Beklagter müssen verschiedene Staatszugehörigkeit besitzen, d.h. an der Streitigkeit müssen entweder Angehörige unterschiedlicher Bundesstaaten oder US-amerikanische Bürger auf der einen und Angehörige eines ausländischen Staates auf der anderen Seite beteiligt sein. Diversity of citizenship ist somit nicht gegeben, wenn weder auf Kläger- noch auf Beklagtenseite eine amerikanische Partei beteiligt ist.98 Erforderlich ist stets sog. complete diversity, d.h. bei Verfahren mit mehreren Parteien darf keine Partei auf der einen Seite dieselbe Staatsangehörigkeit haben wie eine der Gegenseite.99 Die Staatszugehörigkeit natürlicher Personen richtet sich gem. 28 U.S.C. § 1332 (a) nach ihrem Domizil, d.h. ihrem Lebensmittelpunkt zur Zeit der Klageerhebung.100 Gesellschaften gelten nach 28 U.S.C. § 1332 (c) als Angehörige sowohl des Staates, in dem ihr Gründungssitz liegt, als auch desjenigen, in welchem sich ihr Hauptgeschäftssitz befindet.101 Die diversity jurisdiction setzt zum anderen voraus, dass der Streitwert über US$ 75.000 liegt und der Fall nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte fällt.102 Der Sinn und Zweck der konkurrierenden Bundeszuständigkeit bei diversity of citizenship besteht darin, nicht im Forumstaat ansässige Beklagte, d.h. Angehörige anderer Bundesstaaten oder Ausländer, vor einer befürchteten Bevorzugung der einheimischen Kläger durch die einzelstaat-
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Für Klagen, denen zugleich Ansprüche aus state law und federal law zugrunde liegen, welche aus einem einheitlichen Lebenssachverhalt entstanden sind, sind die Bundesgerichte gem. 28 U.S.C. § 1367 kraft sog. supplemental jurisdiction ebenfalls zur Entscheidung berufen, vgl. Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 46 f. 97 van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 215. 98 US Supreme Court, 23.05.1983 – Verlinden B.V. v. Central Bank of Nigeria, 461 U.S. 480, 491 f.; US Court of Appeals (11th Cir.), 28.09.1989 – Cabalceta v. Standard Fruit Company, 883 F.2d 1553, 1557; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 209; Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 42. 99 Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 42. 100 Vgl. zu dem Domizilbegriff: Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 132; Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 211–214. 101 Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 43; Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 218–233. 102 Ausschließlich zuständig sind die state courts für Scheidungs-, Unterhalts- und Sorgerechtsstreitigkeiten, Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 120.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
lichen Gerichte zu schützen.103 Aufgrund der mit der Anwendung von einzelstaatlichem Recht in diversity-Fällen verbundenen höheren Belastung für die Bundesgerichte und wegen der Manipulierbarkeit der diversity jurisdiction104 stehen ihr allerdings viele Stimmen in Rechtsprechung und Literatur kritisch gegenüber.105 bb) Removal – Abgabe einer Streitigkeit von einem state court an einen federal court In den Fällen konkurrierender Zuständigkeit steht der vor einem einzelstaatlichen Gericht verklagten Partei die Möglichkeit offen, einen removal, d.h. die Abgabe des anhängigen Rechtsstreits an den örtlich zuständigen Federal District Court, zu beantragen.106 Hierfür ist nach 28 U.S.C. § 1441 erforderlich, dass die Klage von Anfang an vor einem Bundesgericht hätte erhoben werden können: Die oben genannten Voraussetzungen von federal question und diversity-Zuständigkeit müssen also bereits bei Verfahrenseinleitung vor dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegen haben.107 In diversity-Fällen besteht eine weitere wichtige Einschränkung: Nach 28 U.S.C. § 1441 (b) ist ein removal stets ausgeschlossen, wenn der Beklagte bzw. einer der Beklagten dem Einzelstaat angehört, in dem der angerufene state court liegt. In diesem Fall greift der soeben erklärte Sinn und Zweck der diversity jurisdiction108 nicht. Der Wunsch des Beklagten nach Verlagerung der Streitigkeit von einem einzelstaatlichen auf ein Bundesgericht kann unterschiedlich motiviert sein. Zwar wendet der federal court im Falle eines removal dasselbe Kollisionsund materielle Recht an wie das verweisende einzelstaatliche Gericht, das Verfahren vor federal courts unterliegt jedoch einem anderen Prozessrecht,
103
US Supreme Court, 25.04.1938 – Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 74; US Supreme Court, 26.04.1965 – Hanna v. Plumer, 380 U.S. 460, 467; Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 42; Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 208. 104 Verspricht die Austragung einer Streitigkeit vor einem Bundesgericht besondere Vorteile für den Kläger (s. näher dazu sogleich § 3 A. II. 1. a) aa)) lässt sich diversity jurisdiction häufig leicht herbeiführen, etwa durch Mitverklagen bestimmter Personen, selbst wenn eine Prozessführung gegen diese keine Aussicht auf Erfolg hat, oder durch Abtretung der streitgegenständlichen Forderung vor Klageerhebung, vgl. Schack, USZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 44. 105 Vgl. etwa US Supreme Court, 06.12.1954 – Lumbermen's Mutual Casualty Co. v. Elbert, 348 U.S. 48, 55–60 (Frankfurter J); Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 25 f.; Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 207–209 m.w.N. 106 Zu den formellen Anforderungen an einen removal-Antrag s. 28 U.S.C. § 1446. 107 Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 122; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 60. 108 S. oben § 3 A. II. 1. a) aa).
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das für den Beklagten vorteilhafter sein kann. 109 Bundesrichter genießen außerdem den Ruf höherer Kompetenz und Unabhängigkeit. 110 Unterschiede ergeben sich auch bei der Zusammensetzung der jury: Das Risiko örtlicher Vorurteile ist bei einer federal jury geringer einzuschätzen, da hier die Geschworenen aus einem größeren Einzugsbereich ausgewählt werden.111 Einen weiteren Grund für das Ersuchen um einen removal stellt die vor einem federal court bestehende Option dar, die Übertragung des Rechtsstreits auf ein anderes Bundesgericht im Wege des sog. federal transfer zu beantragen, 28 U.S.C. § 1404 (a). 112 Diese Möglichkeit eines Verweises der Streitigkeit an einen anderen federal court spielt insbesondere in Fällen eine wichtige Rolle, in denen die Rechtsprechung zwischen den Bundesgerichten in den verschiedenen Circuits – die 12 bundesweiten Gerichtsbezirke – divergiert. Die Bedeutung von removal und federal transfer für den Ausgang des Rechtsstreits belegen auch US-amerikanische Studien: Obwohl sich an dem maßgeblichen Kollisions- und Sachrecht nichts ändert, sinken die Gewinnchancen des Klägers bei einer Verweisung des Falles an ein (anderes) Bundesgericht durchschnittlich um ein Fünftel.113 b) Regeln der internationalen Zuständigkeit in den US-Zivilprozessrechten Die US-amerikanischen Zivilprozessrechte enthalten keine ausdrückliche Regelung der internationalen Zuständigkeit. Bestimmt wird letztere entsprechend den Regeln der interstaatlichen Zuständigkeit, die die Jurisdiktionsbereiche der Bundesstaaten untereinander abgrenzen. 114 Der Begriff international jurisdiction wird daher kaum verwendet. Meist ist schlicht
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Clermont, in: Brand (Hrsg.), CILE Studies Bd. II, 2005, S. 75 (80). Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 49. Das liegt u.a. in den teilweise erheblich voneinander abweichenden Ernennungssystemen von einzelstaatlichen und Bundesrichtern begründet: Bundesrichter werden vom US-Präsidenten nach Beratung und Zustimmung durch den Senat auf Lebenszeit ernannt. Ein Teil der Einzelstaaten hat ein vergleichbares Ernennungssystem, während die Richter in 21 Bundesstaaten zunächst für lediglich vier Jahre gewählt werden und sich nach Ablauf der Zeit der Wiederwahl stellen müssen. Vgl. dazu Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 144 f. 111 Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 49. 112 Näher dazu unter § 6 A. II. 1. b). 113 Clermont, in: Brand (Hrsg.), CILE Studies Bd. II, 2005, S. 75 (79–83). Vgl. auch Clermont/Eisenberg, Cornell L. Rev. 80 (1995), S. 1507; Clermont/Eisenberg, Cornell L. Rev. 83 (1998), S. 581. 114 Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 61; Junker, IPRax 1986, S. 197 (199); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 216. Vgl. auch Born, Ga. J. Int’l & Comp. L. 17 (1987), S. 1 (5–11), der der Gleichsetzung von innerstaatlichen und internationalen Konflikten kritisch gegenübersteht. 110
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von jurisdiction oder territorial jurisdiction die Rede. Demgegenüber beschreibt der Begriff der venue die örtliche Zuständigkeit.115 aa) Voraussetzungen für die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit Die Eröffnung der jurisdiction von state und federal courts setzt zweierlei voraus – das Vorliegen einer Zuständigkeitsgrundlage und die Vereinbarkeit der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten mit dem im Amendment V und XIV der US-Bundesverfassung verankerten due process-Gebot.116 Die jurisdiction US-amerikanischer Gerichte ist somit eine Materie des Verfassungsrechts.117 Die Zuständigkeitsgründe der state courts sind in einzelstaatlichen Gesetzen (sog. long-arm statutes) und ungeschriebenen common law-Grundsätzen enthalten. 118 Nach der Grundregel in r. 4 (k) (1) (A) Fed.R.Civ.P. bestimmt ein Bundesgericht seine internationale Zuständigkeit nach dem Recht des Einzelstaats, in welchem es seinen Sitz hat. 119 Hinzu kommen bundeseigene Regelungen120, wie etwa r. 4 (k) (2) Fed.R.Civ.P.: Beruht der eingeklagte Anspruch auf Bundesrecht (federal question jurisdiction), ist nach dieser Vorschrift die Zuständigkeit eines Bundesgerichts auch dann gegeben, wenn zwar nach einzelstaatlichem Recht keine Zuständigkeit be-
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Vgl. dazu Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 280. US Supreme Court, Oktober 1877 – Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714; US Supreme Court, 03.12.1945 – International Shoe Co. v. State of Washington, 326 U.S. 310; Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 63; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 229 f.; Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.3. Amendment XIV der US-Bundesverfassung lautet: „nor shall any state deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law“ und richtet sich an die einzelstaatlichen Gerichte. Amendment V der US-Bundesverfassung enthält eine entsprechende Bestimmung für die Bundesgerichte. 117 Baumgartner, Hague Convention, 2003, S. 133–145; Junker, IPRax 1986, S. 197 (199); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 219. Kritisch zu der Konstitutionalisierung der jurisdiction Borchers, Am. J. Comp. L. 40 (1992), S. 121; Conison, Rutgers L.Rev. 46 (1994), S. 1073. 118 Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 62; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 224 f., 258 f. 119 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 76; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 227; Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 64. S. zu den Sondernormen r. 4 (k) (1) (B), (C) Fed.R.Civ.P. Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 323 f. 120 Vgl. etwa die Sonderzuständigkeitsnormen für kartellrechtliche Streitigkeiten – 15 U.S.C. §§ 6a, 4. Sind die Voraussetzungen der gesetzlichen Zuständigkeitsgrundlagen nicht erfüllt, können Bundesgerichte ihre jurisdiction nicht auf common law-Grundsätze stützen: US Supreme Court, 08.12.1987 – Omni Capital International, Ltd. v. Rudolf Wolff & Co., Ltd., 484 U.S. 97, 111; Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 77 f.; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 227. 116
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gründet wäre, der Beklagte jedoch über hinreichende Verbindungen zu dem Bundesgebiet der USA insgesamt verfügt.121 Da an dieser Stelle nicht die Zuständigkeitsregeln aller Einzelstaaten dargestellt werden können, soll im Folgenden nur ein Überblick über weit verbreitete Grundsätze gegeben werden. Insofern ist zu unterscheiden zwischen actions in rem, quasi in rem und in personam (1). Für die beiden zuerst genannten haben Gerichtsstandsvereinbarungen keine Relevanz, so dass vorliegend lediglich auf die Zuständigkeit für actions in personam, sog. personal jurisdiction, näher einzugehen sein wird (2). (1) Die Unterscheidung zwischen actions in personam, actions in rem und actions quasi in rem Die Voraussetzungen für die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit variieren je nach dem, ob eine action in personam, in rem oder quasi in rem rechtshängig gemacht wurde.122 Die überwiegende Mehrzahl von US-Prozessen haben actions in personam zum Gegenstand, also Klagen, welche auf die Verurteilung des Beklagten zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet sind und zu einem Urteil mit inter partes-Wirkung führen. Die Vollstreckung des Judikats erfolgt in das gesamte Vermögen des Beklagten. 123 Anknüpfungspunkt für die Prüfung, ob die jurisdiction für eine action in personam eröffnet ist, sind die prozessbeteiligten Personen selbst.124 Die action in rem dient demgegenüber der Klärung von Rechten in Bezug auf einen Gegenstand mit Wirkung für und gegen alle.125 Zuständig für solche Klagen ist ausschließlich das Gericht am Belegenheitsort der Sache.126 Die action quasi in rem stellt eine Zwischenform dar: Anknüpfungspunkt der Zuständigkeit bildet ähnlich wie bei der action in rem die Belegenheit eines im Besitz- oder im Eigentum des Beklagten stehenden Vermögensobjekts. Zugleich begründet die jurisdiction quasi in rem einen 121 US District Court (E.D. Virginia), 23.01.2003 – Graduate Management Admission Council v. Raju, 241 F.Supp.2d 589; Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 68; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 229. 122 US Supreme Court, Oktober 1877 – Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714; Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 34 f. 123 Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 34; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 240. 124 S. dazu sogleich unten § 3 A. II. 1. b) aa) (2). 125 Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 116. Actions in rem sind beispielsweise Klagen auf Eintragung von Grundeigentum und auf Erbschaftsteilung gerichtete Verfahren vor den Nachlassgerichten, vgl. Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 241. 126 Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, §§ 4.25, 4.27; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 241.
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Gerichtsstand für Klagen wegen schuldrechtlicher Ansprüche gegen den Beklagten. Sie müssen keinerlei Bezug zu dem Vermögensobjekt aufweisen, aus diesem jedoch befriedigt werden können.127 Die Zuständigkeitseröffnung setzt – anders als bei einer action in rem – des Weiteren eine über die Belegenheit des Vermögensobjekts hinausgehende Verbindung des Beklagten zum Forumstaat voraus. 128 Die Ansprüche werden durch Erwerb eines prozessualen Pfandes an der Sache gesichert.129 Eine action quasi in rem führt wie die action in personam lediglich zu einem Urteil mit inter partes-Wirkung, dessen Vollstreckung ausschließlich in das zuständigkeitsbegründende Vermögensobjekt erfolgen kann.130 (2) Zuständigkeitsgründe für actions in personam Bei der Interpretation des verfassungsrechtlichen due process-Gebots im Zusammenhang mit actions in personam ging man ursprünglich von einem streng territorialen Ansatz aus: Die personal jurisdiction eines US-amerikanischen Gerichts konnte – die Fälle der Selbstunterwerfung des Beklagten unter die US-amerikanische Jurisdiktion ausgenommen 131 – lediglich dadurch eröffnet werden, dass der beklagten Partei während ihrer Anwesenheit im Forumstaat (d.h. dem Einzelstaat) die Klageschrift zugestellt wurde.132 Dieses Verständnis spiegelt sich in den berühmten Worten von Holmes J wider: „The foundation of jurisdiction is physical power.“133 Die Zustellung der Klageschrift an den im Gerichtsstaat präsenten Beklagten führt auch heute noch zur Begründung von personal jurisdiction.134 Dies gilt – ähnlich wie im englischen Recht135 – selbst dann, wenn der Beklagte
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Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 129; Bermann, Litigation, 2003, S. 51. US Supreme Court, 24.06.1977 – Shaffer v. Heitner, 433 U.S. 186; US Supreme Court, 21.01.1980 – Rush v. Savchuk, 444 U.S. 320; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 119. Vgl. zu dem Wandel in der Rechtsprechung im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Eröffnung der internationalen Zuständigkeit für actions quasi in rem: Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, §§ 4.25, 4.28–4.29; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 299–308. 129 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 242; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 298 f. 130 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 242. 131 S. dazu unten § 3 A. II. 1. b) aa) (2) (c). 132 Vgl. die Leitentscheidung US Supreme Court, Oktober 1877 – Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714; sowie Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 130; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 222 f.; Linhart, ZfRV 2007, S. 217 (224, 259); Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.10. 133 US Supreme Court, 06.03.1917 – McDonald v. Mabee, 243 U.S. 90, 91. 134 Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 130. 135 S. oben § 3 A. I. 1. a) aa). 128
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zur Zeit der Klagezustellung bloß vorübergehend im Forumstaat anwesend ist (sog. transient oder tag-jurisdiction).136 Die Eröffnung von personal jurisdiction lediglich in Fällen der Klagezustellung an einen im Gerichtsstaat präsenten Beklagten konnte den Bedürfnissen des interstaatlichen und internationalen Handels jedoch nicht genügend Rechnung tragen.137 Der US Supreme Court hat daher in der Entscheidung International Shoe Co. v. State of Washington aus dem Jahr 1945 die Anforderungen an die Zuständigkeitseröffnung grundlegend gelockert: Das höchste US-amerikanische Zivilgericht stellte klar, dass grundsätzlich auch über nicht im Forumstaat physisch anwesende Beklagte eine Zuständigkeit bestehen kann. Die Gerichtspflichtigkeit solcher Personen sei jedoch nur dann mit dem verfassungsrechtlichen due process-Gebot vereinbar, wenn sie minimum contacts zum Forum besitzen, die so beschaffen sind, dass die Durchführung des Verfahrens herkömmlichen Auffassungen über fair play and substantial justice nicht widerspricht.138 Seit der International Shoe-Entscheidung ist die Eröffnung von personal jurisdiction somit grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Beklagte nicht im Forumstaat präsent ist und die Klagezustellung außerhalb dieses Staates erfolgen muss. 139 In der Folgezeit des Urteils erließen die Bundesstaaten sog. long-arm statutes, welche Regelungen darüber enthalten, wann im Forumstaat nicht anwesende Beklagte „mit verlängertem Arm“ in dessen Gerichtsgewalt gezogen werden können.140 Die long-arm 136
§ 28 Restatement (Second) Conflict of Laws (1971): „A state has power to exercise judicial jurisdiction over an individual who is present within its territory, whether permanently or temporarily.“ Wie bereits der Wortlaut des Restatements andeutet, gelten die Grundsätze der transient jurisdiction nur für natürliche Personen, Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 133. Vgl. zu der tag-jurisdiction auch Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.10; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 259. Bemerkenswert etwa US District Court (E.D. Arkansas), 16.02.1959 – Grace v. MacArthur, 170 F.Supp. 442: Das Gericht bejahte die Eröffnung seiner Zuständigkeit durch Zustellung der Klage an den Beklagten während eines Flugs über dem Territorium des Bundesstaats, in dem das Gericht seinen Sitz hatte. Die Verfassungskonformität der transient jurisdiction bestätigte der US Supreme Court in US Supreme Court, 29.05.1990 – Burnham v. Superior Court of California, 495 U.S. 604. Ein großer Teil der Literatur steht dieser Möglichkeit der Zuständigkeitsbegründung jedoch ablehnend gegenüber: Ehrenzweig, Yale L.J. 65 (1956), S. 289; Hay, U. Ill. L. Rev. 1990, S. 593; Cox, Tenn. L. Rev. 58 (1991), S. 497. 137 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 79 f.; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 223. 138 US Supreme Court, 03.12.1945 – International Shoe Co. v. State of Washington, 326 U.S. 310, 316. 139 Vgl. Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.11; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 260 (Fn. 355). 140 Einige long-arm statutes normieren zusätzlich auch die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbegründung über im Forumstaat anwesende Personen, so etwa die Gesetze in Florida, Illinois, Colorado und Tennessee, van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 258 f.
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statutes mancher Bundesstaaten enthalten – dem Modell kontinentaleuropäischer Zivilprozessrechtsordnungen ähnlich – einen Katalog von zuständigkeitsbegründenden Umständen (sog. laundry list statutes). 141 Andere bestehen lediglich aus einer Generalklausel, die die Inanspruchnahme einer jurisdiction bis an die Grenzen des verfassungsrechtlichen due process-Gebots zulässt.142 Nachfolgend sollen die aus dem verfassungsrechtlichen due process-Gebot fließenden Mindestanforderungen an die Zuständigkeitsbegründung, d.h. die Voraussetzungen sog. minimum contacts (a) und die Vereinbarkeit mit fairness- und reasonableness-Kriterien (b) nachgezeichnet werden. Abschließend ist auf den Sonderfall der Selbstunterwerfung unter die jurisdiction US-amerikanischer Gerichte einzugehen, die grundsätzlich als Verzicht auf den Schutz des due process-Gebots gewertet wird (c). (a) Minimum contacts des Beklagten zum Forumstaat Für die Frage, ob die nach der International Shoe-Entscheidung erforderlichen minimum contacts erfüllt sind, ist zwischen general und specific contacts zu unterscheiden, je nachdem ob der Forumsbezug des Beklagten einen allgemeinen oder einen besonderen, d.h. auf bestimmte Rechtsstreitigkeiten beschränkten Gerichtsstand eröffnet.143 Der allgemeine Gerichtsstand natürlicher Personen liegt in dem Einzelstaat, in dem sie ihr domicile haben.144 Bei juristischen Personen kommt es auf deren Gründungsort (place of incorporation) 145 bzw. den Hauptgeschäftssitz (principal place of business) 146 an. Ein allgemeiner Gerichtsstand für Unternehmen ist auch am Ort des doing continuous and systematic business eröffnet: Ausreichend ist eine geschäftliche Betätigung des Beklagten im Forumstaat, auch wenn sie keinerlei Beziehung zum Streitgegenstand aufweist.147 141 Beispiele dafür sind die Gesetze von Illinois, Lousiana, New York, Alabama, Nebraska, Pennsylvania, Wisconsin und Tennessee. Vgl. Lejeune, RIW 1998, S. 8 (11 f.); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 225–227. 142 Dazu gehören etwa die long-arm statutes von Kalifornien, Utah, Vermont und Wyoming: Lejeune, RIW 1998, S. 8 (11 f.); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 225–227. 143 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 305 f.; Schack, USZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 70, 73; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 239. 144 Anerkannt wurde dieser Zuständigkeitsgrund in US Supreme Court, 23.12.1940 – Miliken v. Meyer, 311 U.S. 457, 462 f. Vgl. auch Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.11; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 264–268. 145 Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 114; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 268 f.; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 132. 146 Das gilt nur im Bundesrecht gem. 28 U.S.C. § 1332 (c) (1). 147 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 263 f.; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 133; Schütze, RIW 2005, S. 579 (583); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 269–276.
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Die specific contacts sind sehr vielfältig: Für die Begründung eines besonderen Gerichtsstands für Vertragsstreitigkeiten ist etwa die transaction of any business im Forumstaat ausreichend; für Klagen aus Delikt reicht die commission of a tortious act im Gerichtsforum.148 (b) Vereinbarkeit der Zuständigkeitsausübung mit fairness- und reasonableness-Kriterien Liegen minimum contacts des Beklagten zum Forumstaat vor, ist im zweiten Schritt zu prüfen, ob die Ausübung der jurisdiction den traditionellen Vorstellungen über fair play und substantial justice entspricht.149 Im Rahmen des sog. fairness- und reasonableness-Tests müssen Belange der Parteien und des Forumstaats in Abwägung gebracht werden: Zu berücksichtigen sind einerseits die mit dem Prozess vor dem angerufenen Gericht einhergehende Belastung des Beklagten150 sowie das Interesse des Klägers an zweckmäßigem und effektivem Rechtsschutz. Andererseits gilt es dem Interesse des Gerichts an einer Entscheidung der Streitigkeit Rechnung zu tragen. 151 (c) Sonderfall: Zuständigkeitsbegründung durch Selbstunterwerfung Personal jurisdiction kann schließlich auch durch Selbstunterwerfung des Beklagten begründet werden, wenn dieser sich beispielsweise rügelos auf das Verfahren eingelassen hat oder die Parteien eine entsprechende Prorogation abgeschlossen haben.152 In beiden Fällen müssen zusätzliche mini-
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Vgl. ausführlich van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 276–297. Vgl. die Leitentscheidungen US Supreme Court, 03.12.1945 – International Shoe Co. v. State of Washington, 326 U.S. 310, 316; US Supreme Court, 21.01.1980 – WorldWide Volkgswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286, 292–299; US Supreme Court, 20.05.1985 – Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 U.S. 462, 476–484; US Supreme Court, 24.02.1987 – Asahi Metal Industry Co. Ltd. v. Superior Court of California, 480 U.S. 102, 109–116; Freer/Perdue, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 42–96; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 246–249. 150 Steht auf der Beklagtenseite eine ausländische Partei, haben die „unique burdens placed upon one who must defend oneself in a foreign legal system“ in die Interessenabwägung einzufließen, vgl. US Supreme Court, 24.02.1987 – Asahi Metal Industry Co. Ltd. v. Superior Court of California, 480 U.S. 102, 107. Die große Bedeutung dieses Aspekts belegt die Tatsache, dass in den meisten Fällen, in denen die Zuständigkeitsbegründung an der Hürde des reasonableness-Tests scheiterte, ausländische Beklagte involviert waren, Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 315 m.w.N. 151 Vgl. zum Ganzen US Supreme Court, 20.05.1985 – Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 U.S. 462, 477. 152 US Supreme Court, Oktober 1877 – Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714; US Supreme Court, 06.01.1964 – National Equipment Rental Ltd. v. Szukhent, 375 U.S. 311; 149
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mum contacts des Beklagten zum Forumstaat grundsätzlich nicht bestehen.153 Denn die rügelose Einlassung bzw. der Abschluss einer Prorogation wird als Verzicht des Beklagten auf den Schutz des verfassungsrechtlichen due process-Gebots gewertet, aus dem das Erfordernis von minimum contacts für die Begründung von jurisdiction abgeleitet wird.154 Eine Ausnahme bildet insoweit das Recht des Bundesstaats Florida, wo Prorogationen der dortigen Gerichte nur anerkannt werden, wenn der Beklagte hinreichende minimum contacts zu diesem Staat hat.155 bb) Gerichtliches Ermessen zur Nichtausübung eröffneter Zuständigkeit Ist nach den obigen Voraussetzungen die Zuständigkeit eines Gerichts begründet, hat dieses unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, die Entscheidung des Rechtsstreits zu verweigern. Ein dahingehendes Ermessen besteht zum einen beim Vorliegen einer Schiedsvereinbarung156 oder einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten ausländischer Gerichte157. Ein Verzicht auf die Ausübung bestehender jurisdiction kommt zum anderen in Betracht, wenn sich das zuständige Gericht für ein forum
Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 4. Aufl. 2005, S. 106–112; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 250; Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 78. 153 Vgl. Schack, US-ZPR, 4. Aufl. 2011, Rn. 78. Zu der Entbehrlichkeit von minimum contacts für die wirksame Selbstunterwerfung durch eine Prorogation der US-amerikanischen Gerichte vgl. Beispiele aus der Rechtsprechung der Bundesgerichte: US Supreme Court, 20.05.1985 – Burger King Corp. v. Rudzewicz, 471 U.S. 462, 472 (Fn. 14); US Court of Appeals (7th Cir.), 17.04.1989 – Heller Financial Inc. v. Midwhey Powder Co., 883 F.2d 1286, 1292 (Fn. 4); US Court of Appeals (9th Cir.), 27.07.1994 – Chan v. Society Expeditions Inc., 39 F.3d 1398, 1406 f.; US Court of Appeals (7th Cir.), 12.08.2005 – TruServ Corp. v. Flegles, Inc., 419 F.3d 584, 589. S. auch Beispiele aus der einzelstaatlichen Rechtsprechung: Washington Court of Appeals, 09.06.1997 – Voicelink Data Services, Inc. v. Datapulse, Inc., 86 Wn. App. 613, 620; Connecticut Appellate Court, 10.02.1998 – Phoenix Leasing, Inc. v. Kosinski, 47 Conn. App. 650, 653 f.; Utah Supreme Court, 14.01.2005 – Jacobsen Construction Co., Inc. v. Teton Builders, 2005 UT 4, Nebraska Supreme Court, 25.03.2005 – Ameritas Investment Corp. v. McKinney, 269 Neb. 564, 571. 154 Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 361 (383 f.); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 133. 155 Florida Supreme Court, 09.07.1987 – McRae v. J.D./M.D., Inc., 511 So. 2d 540, 544; US District Court (Middle D. Florida), 09.07.2009 – Van Zyl v. Aviatour, Inc., 2009 U.S. Dist. LEXIS 63390. 156 del Duca/Zaphiriou, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 401 (413–418) m.w.N. 157 del Duca/Zaphiriou, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 401 (407 f.); Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 478–491. Dazu näher sogleich § 3 A. II. 2. a) aa) (1).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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non conveniens hält und ein angemesseneres Forum für die Entscheidung der Streitigkeit existiert.158 Durch die forum non conveniens-Doktrin sollen der Beklagte und das Gericht vor den Nachteilen geschützt werden, die durch die teilweise extensiven Gerichtsstände der US-amerikanischen Zivilprozessrechte entstehen können.159 Diese Korrekturmöglichkeit ist nicht nur in den Fällen von Bedeutung, in denen personal jurisdiction allein aufgrund der Zustellung der klageeinleitenden Dokumente an den im Forumstaat präsenten Beklagten begründet wird. 160 Die forum non conveniens-Lehre spielt auch dann eine wichtige Rolle, wenn sog. minimum contacts bestehen und der reasonableness-Tests positiv ausfällt.161 Zwar wird auch im Rahmen dieser Gesichtspunkte der mit der Durchführung der Streitigkeit einhergehenden Belastung für Gericht und beklagte Partei grundsätzlich Rechnung getragen.162 Hierbei schlagen solche Aspekte jedoch nur dann zu Buche, wenn die inconvenience so gravierend ist, dass die Zuständigkeitseröffnung mit dem verfassungsrechtlichen due process-Gebot nicht vereinbar wäre. 163 Demgegenüber werden nach der forum non conveniens-Lehre auch bloße Unannehmlichkeiten, die aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht bedenklich wären, berücksichtigt. Auch wenn eine Zuständigkeitsbegründung im Einzelfall verfassungskonform wäre, ist somit nicht ausgeschlossen, dass es aus convenience-Gründen angemessener erscheint, das Verfahren in einem anderen Forum durchzuführen.164 Die Anwendbarkeit der forum non conveniens-Doktrin vor den Bundesgerichten wurde vom US Supreme Court 1947 in den Entscheidungen Gulf Oil Corp. v. Gilbert 165 und Koster v. Lubermens Mutual Co. 166 anerkannt.167 In das Prozessrecht der meisten Einzelstaaten hat die forum non 158
del Duca/Zaphiriou, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 401 (402–407); Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 492–508. Zu einem geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der forum non conveniens-Doktrin s. Brand/Jablonski, CILE Studies Bd. III, 2007, S. 37–54. 159 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 492; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 142; Ultsch, RIW 1997, S. 26 (27). 160 S. dazu oben § 3 A. II. 1. b) aa) (2) 161 S. dazu oben § 3 A. II. 1. b) aa) (2) (a), § 3 A. II. 1. b) aa) (2) (b). 162 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 493; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 248. 163 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 493. 164 Vgl. Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.33; Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 493. 165 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501. 166 US Supreme Court, 10.03.1947 – Koster v. (American) Lumbermens Mutual Casualty Co., 330 U.S. 518. 167 Zu der geschichtlichen Entwicklung der forum non conveniens-Lehre in den USA s. Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 47–57.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
conveniens-Doktrin ebenfalls Einzug gehalten, wobei ihre Ausgestaltung von Staat zu Staat variiert.168 Die Abweisung bzw. Aussetzung der Klage wegen forum non conveniens setzt den durch die beklagte Partei zu erbringenden Nachweis voraus, dass ein alternatives, international zuständiges Gericht zur Verfügung steht169, welches für die Beilegung der Streitigkeit „more appropriate and convenient“ erscheint170. In die richterliche Ermessensentscheidung fließen zum einen Belange der Parteien ein, wie etwa das Interesse des Klägers an der Durchführung der Streitigkeit im angerufenen Gericht, die Verteidigungslast für den Beklagten in einem entfernten Forum, die Verfügbarkeit von Beweismitteln sowie alle anderen Faktoren, die einen Prozess einfacher, zeiteffizienter und kostengünstiger machen. 171 In die Waagschale sind außerdem die Anerkennungsfähigkeit des Urteils und die Durchführbarkeit eines fairen Verfahrens zu legen. 172 Für die Ermessensausübung sind zum anderen öffentliche Belange von Bedeutung. 173 Dazu gehören das Interesse des Forumstaats, dass lokale Konflikte vor seinen Gerichten ausgetragen werden, die Arbeitsbelastung des Gerichts, die mit dem juryDienst einhergehenden Bürden für die Gemeindebürger sowie die finanziellen Aufwendungen für die Justizverwaltung für Streitigkeiten, die wenig Bezug zum Forum haben, und schließlich der Umstand, dass das Gericht fremdes Recht anwenden müsste. 174 Die Maßgeblichkeit solcher Faktoren stellt einen entscheidenden Unterschied zu der Rechtslage in
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Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 56 f.; del Duca/Zaphiriou, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 401 (405–407); van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 251 f. m.w.N. 169 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501, 507; US Supreme Court, 08.12.1981 – Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S. 235, 255; US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.02.1996 – El-Fadl v. Central Bank of Jordan, 75 F.3d 668, 676 f. Zu dem Erfordernis der availability of another forum s. auch Scoles/Hay/ Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 496–498 und Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 61 f. 170 US Supreme Court, 05.05.2007 – Sinochem International Co., Ltd. v. Malaysia International Shipping Corp., 549 U.S. 422, 425 f. 171 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501, 508. Vgl. dazu auch Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 498 f.; Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 78–84. 172 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501, 508. 173 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501, 508; US Supreme Court, 10.03.1947 – Koster v. (American) Lumbermens Mutual Casualty Co., 330 U.S. 518, 524. 174 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501, 508; Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 499–501.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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England dar, wo Belange der Öffentlichkeit bei der Anwendung der forum non conveniens-Doktrin nicht relevant sind.175 Für die Ausübung des richterlichen Ermessens im Rahmen der forum non conveniens-Lehre gilt der Grundsatz, dass die Forumswahl des Klägers nur ausnahmsweise übergangen werden darf.176 Sind die dem verfassungsrechtlichen due process-Gebot entspringenden Anforderungen an die Zuständigkeitseröffnung erfüllt, besteht nämlich eine starke Vermutung dafür, dass der vom Kläger gewählte Gerichtsstand für die Durchführung der Streitigkeit geeignet ist.177 Bei der Handhabung dieses Gesichtspunktes unterscheidet die Rechtsprechung danach, ob auf der Klägerseite eine einheimische oder eine auswärtige Partei steht: Um den Zustrom auswärtiger Kläger zu US-amerikanischen Gerichten zu drosseln, wird der Forumswahl eines Ausländers weniger Gewicht beigemessen als der eines Einheimischen.178 Kommt das angerufene Gericht zu dem Ergebnis, dass der anhängige Rechtsstreit besser vor einem anderen Gericht entschieden werden soll, wird es die Klage abweisen.179 Das Recht mancher Einzelstaaten sieht alternativ die Möglichkeit einer Verfahrensaussetzung vor.180 Von Bedeutung ist die forum non conveniens-Lehre heutzutage einerseits im Verhältnis der einzelstaatlichen Gerichte untereinander, andererseits in Fällen, in denen aus Sicht des angerufenen state oder federal court das zur Entscheidung des Rechtsstreits besser geeignete Forum im Ausland
175 Vgl. House of Lords, 22.07.2000 – Lubbe v. Cape Plc., [2000] 1 W.L.R. 1545, 1566 f. (Lord Hope); Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.25; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 439 f. 176 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501, 508 (Jackson J): „But unless the balance is strongly in favor of the defendant, the plaintiff’s choice of forum should rarely be disturbed.“; US Supreme Court, 08.12.1981 – Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S. 235, 255 (Jackson J): „[A] plaintiff’s choice of forum is entitled to […] deference.“ 177 US Supreme Court, 10.03.1947 – Gulf Oil Corp. v. Gilbert, 330 U.S. 501, 508; Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 495; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 254. 178 US Supreme Court, 08.12.1981 – Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S. 235, 256; Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 495 f.; van Lith, Jurisdiction, 2009, S. 255 f.; Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 73–76. Es ist unklar, ob sich der Begriff des einheimischen Klägers lediglich auf Parteien mit Wohnsitz im Forumstaat oder vielmehr auf alle US-Staatsangehörigen bezieht. Die Rechtsprechung aus der jüngeren Zeit legt letzteres nahe, vgl. Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 496. 179 Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 112; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 144. 180 Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 112.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
liegt.181 Zwischen den Bundesgerichten ist die forum non conveniens-Lehre dagegen durch das bereits erwähnte Institut des federal transfer gem. 28 U.S.C. § 1404 (a)182 ersetzt worden.183 2. Zulässigkeitsanforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen US-amerikanischen Recht In den USA werden an die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen unterschiedliche Anforderungen gestellt, je nachdem ob es sich um eine Derogation der internationalen Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte (a.) oder deren Prorogation (b.) handelt. a) Behandlung von Derogationen US-amerikanischer Gerichte Derogationen der jurisdiction US-amerikanischer Gerichte werden vor federal (aa.) und state courts (bb.) nach teilweise erheblich voneinander abweichenden Grundsätzen behandelt. aa) Die Rechtslage vor den Bundesgerichten Im Rahmen der Darstellung der Rechtslage vor den Bundesgerichten sollen zunächst die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Derogation in Fällen von ausschließlicher Bundeszuständigkeit und federal question jurisdiction erörtert werden (1). Sodann wird auf die umstrittene Frage nach den Anforderungen an die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen bei der Ausübung von diversity jurisdiction eingegangen (2). Schließlich gilt es, die Rolle der forum non conveniens-Doktrin im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Beachtung einer Derogation der jurisdiction US-amerikanischer Gerichte zu beleuchten (3). (1) Entscheidungen in Ausübung ausschließlicher Bundeszuständigkeit oder federal question jurisdiction Lange Zeit haben sich die US-amerikanischen Gerichte vehement geweigert, Parteien die Freiheit zu gewähren, Vereinbarungen über die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Forums abzuschließen (sog.
181 Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 143; Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 67; Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 506. 182 S. oben § 3 A. II. 1. a) aa) sowie unten § 6 A. II. 1. b). 183 Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 143; del Duca/Zaphiriou, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 401 (411); Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 506.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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non-ouster-Lehre 184 ). Diese Haltung veränderte sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Entwicklung der sog. reasonableness-Doktrin. (a) Der Weg von der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Derogationen zum sog. reasonableness-Test Die Weigerung US-amerikanischer Gerichte, Derogationen ihrer Zuständigkeit anzuerkennen, wurde damit begründet, dass die jurisdiction-Regeln als Teil des Zivilprozessrechts jus cogens und somit der Parteidisposition entzogen seien.185 Abweichende Vereinbarungen der Parteien vor der Entstehung eines Rechtsstreits störten die Symmetrie der Zuständigkeitsvorschriften186 und seien aufgrund des damit angestrebten ouster of the court’s jurisdiction, also Aufhebung von an sich bestehender Zuständigkeit, ordre public-widrig.187 Der eigentliche Grund für die Nichtanerkennung von Derogationen der jurisdiction US-amerikanischer Gerichte wird jedoch in finanziellen Interessen der US-amerikanischen Richter vermutet, denen die Gerichtsgebühren ursprünglich unmittelbar zuflossen.188 Einen wichtigen Einbruch erfuhr die feindliche Haltung US-amerikanischer Gerichte gegenüber derogierenden Gerichtsstandsvereinbarungen mit dem Erlass des Federal Arbitration Act im Jahr 1925.189 Dieser sah unter bestimmten Umständen eine Pflicht zur Anerkennung von Schiedsverträgen vor, welche in den USA als besondere Form von Gerichtsstandsverein184
Sandrock, in: FS Stiefel, 1987, S. 625 (628 f.); Behrens, RabelsZ 38 (1974), S. 590 (594 f.). In der US-amerikanischen Literatur ist dagegen der Ausdruck „ouster-Doktrin“ gebräuchlicher, vgl. etwa Borchers, Wash. L. Rev. 67 (1992), S. 55 (60). 185 Vgl. etwa Massachusetts Supreme Judicial Court, März 1856 – Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co., 72 Mass. 174; US Supreme Court, 09.11.1874 – Insurance Co. v. Morse, 87 U.S. 445; Massachusetts Supreme Judicial Court, 14.02.1916 – Nashua River Paper Co. v. Hammermill Paper Co., 223 Mass. 8; US Court of Appeals (5th Cir.), 18.04.1958 – Carbon Black Export Inc. v. The SS Monrosa, 254 F.2d 297 sowie die zusammenfassenden Darstellungen von Behrens, RabelsZ 38 (1974), S. 590 (594–596). 186 Massachusetts Supreme Judicial Court, März 1856 – Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co., 72 Mass. 174, 184. 187 US Court of Appeals (5th Cir.), 18.04.1958 – Carbon Black Export Inc. v. The SS Monrosa, 254 F.2d 297, 300 f. 188 Borchers, Wash. L. Rev. 67 (1992), S. 55 (60); Sandrock, in: FS Stiefel, 1987, S. 625 (629). 189 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 439 f. Zum Hintergrund des Erlasses des Federal Arbitration Act s. Sandrock, in: FS Stiefel, 1987, S. 625 (649): „Dass Schiedsverträge seit den 20iger Jahren [des letzten Jahrhunderts, die Verf.] in vielen Einzelstaaten der USA und auf Bundesebene durchsetzbar sind, verdanken sie nicht einer inneren Einsicht der Rechtsprechung […] die neue Entwicklung ist auf den entwaffnend nüchternen Umstand zurückzuführen, dass die US-amerikanischen Gerichte zu jener Zeit hoffnungslos überlastet waren und insoweit dringend Abhilfe geschaffen werden mußte.“
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
barungen angesehen werden190, weil sie ebenfalls auf den Ausschluss der jurisdiction von Gerichten gerichtet sind.191 Seit Mitte des letzten Jahrhunderts zeigten sich einzelne Gerichte bereit, Derogationen der inländischen jurisdiction unter bestimmten Voraussetzungen Folge zu leisten.192 Ein erster Schritt weg von der grundsätzlichen Ablehnung von Gerichtsstandsvereinbarungen war die Entscheidung des US Supreme Court in der Rechtssache National Equipment Rental, Ltd. v. Szukhent im Jahr 1964, in der zwar nicht De-, sondern lediglich Prorogationen der jurisdiction US-amerikanischer Gerichte allgemein für zulässig erklärt wurden.193 Im Jahr 1968 erließ die NCCUSL194 jedoch ein Modellgesetz, den sog. Model Choice of Forum Act, der die grundsätzliche Anerkennung von Pro- sowie Derogationen vorschrieb.195 Zu der prinzipiellen
190 US Supreme Court, 17.06.1974 – Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 519. Vgl. zu dieser Entscheidung Dietrich, RabelsZ 40 (1976), S. 1 (22–41). 191 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 481. 192 Den Anfang machten die Entscheidungen US Court of Appeals (2nd Cir.), 09.03.1951 – Cerro de Pasco Copper Corp. v. Knut Knutsen O.A.S., 187 F.2d. 990 und US Court of Appeals (2nd Cir.), 15.07.1955 – WM. H. Muller & Co. v. Swedish American Line Ltd., 224 F.2d 806, 807 f. Einige Gerichte schlossen sich dem Urteil an, vgl. Pennsylvania Supreme Court, 03.03.1965 – Central Contracting Company v. C. E. Youngdahl Co., 209 A.2d 810, 815 f.; New York Supreme Court, Appelate Division, 22.11.1966 – Export Insurance Co. v. Mitsui Steamship Co., Ltd., 274 N.Y.S.2d 977, 980; US District Court (E.D. Pennsylvania), 10.12.1975 – In re Lidoriki Maritime Co., 404 F.Supp. 1402, 1403–1405. Andere Gerichte folgten dagegen weiterhin der non-ouster-Lehre, vgl. etwa US Court of Appeals (5th Cir.), 18.04.1958 – Carbon Black Export Inc. v. The SS Monrosa, 254 F.2d 297. 193 US Supreme Court, 06.01.1964 – National Equipment Rental Ltd. v. Szukhent, 375 U.S. 311. 194 Die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws hat die Aufgabe, für Rechtsgebiete, in denen der Bund nicht zur Gesetzgebung befugt ist, Uniform Laws, d.h. einheitliche Regeln zu erarbeiten und den Bundesstaaten zur Übernahme zu empfehlen. Dadurch sollen die zum Teil großen Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechten überwunden werden. Die Uniform Laws stoßen nicht immer auf Akzeptanz. Nur wenige wurden von der Mehrheit der Einzelstaaten eingeführt. Zu den erfolgreichsten gehört der UCC, der Uniform Commercial Code, vgl. Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 18. 195 Sec. 3 des Gesetzes lautet: „If the parties have agreed in writing that an action on a controversy be brought only in another state and it is brought in a court of this state, the court will dismiss or stay the action, as appropriate, unless (1) the court is required by statute to entertain the action; (2) the plaintiff cannot secure effective relief in the other state, for reasons other than delay in bringing the action; (3) the other state would be a substantially less convenient place for the trial of the action than this state; (4) the agreement as to the place of the action was obtained by misrepresentation, duress, the abuse of economic power, or other unconscionable means; or (5) it would for some other reason be unfair or unreasonable to enforce the agreement.“
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen bekannte sich 1971 auch das Restatement (Second) Conflict of Laws.196 Die grundlegende Wende kam schließlich 1972 mit der Bremen v. Zapata Off-Shore Co.-Entscheidung. 197 Der US Supreme Court hatte in diesem Fall über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel zwischen einem US-amerikanischen und einem deutschen Unternehmen zu befinden. Die Klausel betraf eine seerechtliche Streitigkeit und sah die Zuständigkeit des High Court in London vor. Das Gericht entschied, dass Derogationen der internationalen Zuständigkeit der US-Gerichte grundsätzlich zu respektieren sind, es sei denn, die Anerkennung der Vereinbarung erscheine unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls unreasonable, also unangemessen.198 Der Maßstab zur Prüfung der Wirksamkeit einer Derogation wird seitdem als reasonableness-Doktrin bezeichnet. Zur Begründung führte der US Supreme Court zum einen die Bedürfnisse des internationalen Handelsverkehrs ins Feld: Das Beharren darauf, dass alle Streitigkeiten vor heimischen Gerichten ausgetragen werden, wenn diesen eine entsprechende jurisdiction zukommt, stelle ein Hindernis für die weltweite Expansion des US-amerikanischen Handels dar.199 Außerdem verwies das Gericht auf die grundsätzliche Zulässigkeit von Abreden, welche die Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte prorogieren, und erklärte, diese Einstellung müsse konsequenterweise auch im spiegelbildlichen Fall der Derogation inländischer Gerichte gelten.200 Einen weiteren wichtigen Schritt hin zur Anerkennung von Derogationen stellt die Entscheidung Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute aus dem Der Model Choice of Forum Act wurde in folgenden Einzelstaaten, wenn auch teilweise mit Änderungen gegenüber dem Vorschlag der Uniform Law Commission, übernommen: Nebraska, New Hampshire, New York, Ohio und Nord-Dakota. Der Act lieferte außerdem die Grundlage für die erste Haager Konvention über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 25. November 1965, die nur von Israel unterzeichnet wurde. Vgl. dazu Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 440 f. (Fn. 42). 196 Vgl. § 80 Restatement (Second) Conflict of Laws (1971): „The parties’ agreement as to the place of the action cannot oust a state of judicial jurisdiction, but such an agreement will be given effect unless it is unfair or unreasonable.“ In den Restatements of the Law des ALI – einer privaten Vereinigung von Professoren, Richtern und Anwälten – wird die Rechtsprechung der US-amerikanischen Gerichte auf allen Rechtsgebieten zusammengefasst und systematisch nach dem Modell eines kontinentaleuropäischen Gesetzbuchs aufbereitet. Vgl. dazu Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 32. 197 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1. 198 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 10 (Burger CJ). 199 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 9 (Burger CJ). 200 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 10 (Burger CJ).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Jahr 1991 dar.201 Der US Supreme Court hatte über die Wirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung zu entscheiden, die auf der Rückseite eines Kreuzfahrttickets bei Carnival Cruise Lines, Inc. abgedruckt war und für Klagen der Passagiere die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Reederei in Florida vorsah. Eine Passagierin verletzte sich während der Kreuzfahrt und verklagte Carnival auf Schadensersatz in Washington. Der US Supreme Court erklärte – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam und betonte, dass Zuständigkeitsabreden auch dann als reasonable anzusehen und anzuerkennen sind, wenn sie sich in einem Verbrauchervertrag befinden und nicht individuell ausgehandelt worden sind. Zur Begründung verwies das Gericht auf das essenzielle Interesse eines Kreuzfahrtunternehmens, das Kunden unterschiedlicher Nationen befördert, den Kreis an Fora einzuschränken, in denen es in Anspruch genommen werden kann.202 Solche Vereinbarungen ersparten den Parteien Zeit und Kosten für Streitigkeiten darüber, wo der eigentliche Streit auszuführen ist, und kämen den Verbrauchern indirekt in Form von niedrigeren Ticketpreisen zugute. 203 In der Literatur stieß die Carnival-Entscheidung vor allem wegen unzureichender Berücksichtigung der Verbraucherinteressen auf starke Kritik.204 Sowohl die Bremen- als auch die Carnival-Entscheidung betrafen seerechtliche Streitigkeiten, die – wie bereits oben erläutert – in die ausschließliche subject matter jurisdiction der Bundesgerichte fallen und somit für federal courts in anderen Fällen grundsätzlich nicht bindend sind.205 Den in beiden Urteilen entwickelten Grundsätzen folgen die Bundesgerichte dennoch mehrheitlich auch bei der Ausübung von federal question jurisdiction, d.h. wenn sie über auf Bundesrecht beruhende Ansprüche urteilen.206 201
US Supreme Court, 17.04.1991 – Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S.
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US Supreme Court, 17.04.1991 – Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585, 593. 203 US Supreme Court, 17.04.1991 – Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585, 593 f. 204 Vgl. etwa Borchers, Wash. L. Rev. 67 (1992), S. 55 (74–78); Mullenix, Tex. Int'l L.J. 27 (1992), S. 323 (342–370). 205 Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (430); Webb Yackee, Duke L.J. 53 (2003), S. 1179 (1185); Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (668). 206 Vgl. etwa US Court of Appeals (10th Cir.), 17.08.1992 – Riley v. Kingsley Underwriting Agencies, Ltd., 969 F.2d 953, 957 f.; US Court of Appeals (11th Cir.), 05.08.1998 – Lipcon v. Underwriters at Lloyd’s London, 148 F.3d 1285, 1291 f.; US District Court (S.D. New York), 09.02.1990 – Medoil Corp. v. Citicorp., 729 F.Supp. 1456, 1459. Für weitere Nachweise s. Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (668 Fn. 2) sowie Webb Yackee, Duke L.J. 53 (2003), S. 1179 (1185 Fn. 28).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Auch wenn Bremen v. Zapata Off-Shore Co. und Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute eine Abkehr von der anerkennungsfeindlichen Haltung der Bundesgerichte gegenüber derogierenden Gerichtsstandsvereinbarungen darstellen, lassen die Entscheidungen den Kern der non-ouster-Doktrin unberührt. Derogationen haben nach wie vor – ähnlich wie in England – keine verfügende Wirkung, sie führen also nicht unmittelbar zum Wegfall einer ansonsten bestehenden jurisdiction US-amerikanischer Gerichte. Die Anerkennung solcher Abreden steht vielmehr im richterlichen Ermessen. Dieses werden die Gerichte in der Regel zugunsten der Durchsetzung der Vereinbarung ausüben, da einer ausschließlichen Prorogation – wie in England – die Verpflichtung der Parteien beigemessen wird, ihre von der Abrede erfassten Streitigkeiten in keinem anderen als dem gewählten Forum auszufechten.207 (b) Zulässigkeitsschranken nach dem reasonableness-Test Der reasonableness-Test enthält – genau genommen – nicht nur Anforderungen an die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen. Im Mittelpunkt steht vielmehr die validity solcher Abreden, die neben Fragen der Zulässigkeit auch solche des wirksamen Zustandekommens erfasst. Wagner spricht insoweit zu Recht von einer „Vermischung prozessualer und vertragsrechtlicher Gesichtspunkte in einem einzigen Amalgam der ‚reasonableness’“. 208 Die reasonableness einer Derogation setzt demnach u.a. voraus, dass keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Willensfreiheit einer der Parteien, etwa durch fraud (Täuschung), undue influence (ungebührliche Einflussnahme) oder overweening bargaining power (Ausnutzung übermächtiger Verhandlungsposition) vorliegt.209 Nach der Bremen-Entscheidung sind Gerichtsstandsvereinbarungen als „prima facie valid“ anzusehen. Ihre Wirksamkeit wird also vermutet, so dass es der die Gültigkeit bestreitenden Partei obliegt, zu beweisen, dass die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung unreasonable ist.210 Dies 207 § 80 comment a. Restatement (Second) Conflict of Laws (1988 Revision): „Private individuals have no power to alter the rules of judicial jurisdiction. They may not by their contract oust a state of any jurisdiction it would otherwise possess. On the other hand, there is good reason why a court should refrain from exercising the jurisdiction it admittedly has in order to give effect to a provision in a contract that any action thereon shall be brought only in some other state.“ Vgl. auch Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 440; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 157; Ochsenfeld, RIW 1995, S. 633 (636, 639); Schütze, RIW 2005, S. 579 (584). 208 Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 185. So auch Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 18 VI 2 b (Rn. 259). 209 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 12 f. 210 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 10; US District Court (N.D. Illinois), 14.11.1994 – Frediani & Delgreco, S.p.A. v. Gina
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
gilt seit dem Carnival-Urteil auch für in AGB enthaltene Zuständigkeitsabreden.211 Eine Gerichtsstandsvereinbarung wird als unreasonable angesehen, wenn ihrer Anerkennung und Durchsetzung eine „strong public policy of the forum in which suit is brought“ entgegensteht. 212 Das ist zum einen dann der Fall, wenn durch die Gerichtsstandsvereinbarung ein zwingend vorgeschriebener Gerichtsstand abbedungen werden soll.213 Ein solcher ist beispielsweise in dem Federal Employers’ Liability Act (45 U.S.C. § 56)214 und in dem Miller Act (40 U.S.C. § 270a-d)215 enthalten. Eine public policy-Verletzung wird zum anderen angenommen, wenn zu befürchten ist, dass in dem prorogierten ausländischen Forum zwingende US-amerikanische materiellrechtliche Normen unberücksichtigt blieben. Von praktischer Bedeutung sind dabei vor allem Regeln aus dem Bereich des Seerechts, so etwa § 3 (8) des Carriage of Goods by Sea Act (COSGA)216, der dem bereits erläuterten 217 Art. III (8) der Haag-Visby-Regeln entspricht: Eine in einem Seefrachtvertag enthaltene Abrede über die ausschließliche Zuständigkeit eines nicht US-amerikanischen Gerichts ist somit unzulässig, wenn das vereinbarte Gericht einer vertraglichen Beschränkung der HafImports, Ltd., 870 F.Supp. 217, 221; Illinois Appelate Court, 04.06.1999 – Yamada Corp. v. Yasuda Fire and Marine Insurance Company, Ltd., 305 Ill. App. 3d 362, 367; US Court of Appeals (2nd Cir.), 23.10.2009 – Aguas Lenders Recovery Group LLC v. Suez, S.A., 585 F.3d 696, 700. 211 US Supreme Court, 17.04.1991 – Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585, 595; US District Court (N. D. Illinois), 25.04.2005 – Faur v. Sirius International Insurance Corp., 391 F.Supp.2d 650, 657; US Court of Appeals (6th Cir.), 21.12.2009 – Wong v. Party Gaming Ltd., 2009 U.S. App. LEXIS 27914, 5. 212 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 15 f.; Park, Forum Selection, 1995, S. 32 f. Vgl. ausführlich zu der Handhabung des ordre public-Ausnahmetatbestands durch die US-amerikanische Rechtsprechung Weller, Ordre-public, 2005, S. 246–299. 213 Park, Forum Selection, 1995, S. 32 f.; Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 485 f.; Ochsenfeld, RIW 1995, S. 633 (639). 214 Die Norm dient dem Schutz von Beschäftigten im Eisenbahnverkehr. Letztere können im Fall einer Verletzung bei der Erfüllung ihrer Arbeitspflichten Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber klageweise geltend machen „in a district court of the United States, in the district of the residence of the defendant, or in which the cause of action arose, or in which the defendant shall be doing business at the time of commencing such action.“ Schränkt eine Gerichtsstandsvereinbarung diese Forumsalternativen ein, ist sie unzulässig, vgl. US Supreme Court, 07.11.1949 – Boyd v. Grand Trunk Western Railroad Co., 338 U.S. 263, 265. 215 Vgl. etwa US District Court (D. Massachusetts), 31.03.1970 – Gigliello v. Sovereign Construction Company, Ltd., 311 F.Supp. 371, 372 f. 216 Nun abgedruckt in der Fn. zu 46 U.S.C. § 30701, früher enthalten in 46 U.S.C. § 1308 (8). 217 S. oben § 3 A. I. 2. a).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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tung des Konnossementsverfrachters für schuldhaftes Verhalten Rechnung tragen würde.218 Die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung kann außerdem wegen unreasonableness verweigert werden, wenn das gewählte Forum für die Austragung der Streitigkeit seriously inconvenient ist.219 Die US-amerikanischen Gerichte stellen an die Annahme der Ungeeignetheit bzw. der Unzweckmäßigkeit des gewählten Gerichts in der Regel hohe Anforderungen: Der Kläger muss darlegen, dass die Durchführung der Streitigkeit im forum prorogatum mit so gravierenden Nachteilen verbunden ist, dass er dort seines „day in court“ beraubt, ihm also kein effektiver Rechtsschutz gewährt würde. 220 Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn zu befürchten ist, dass dem Kläger vor dem gewillkürten Gericht etwa wegen Stillstands der Rechtspflege kein rechtliches Gehör gewährt würde.221 Die Durchsetzung einer Derogation scheidet außerdem aus, wenn das gewählte Gericht die Annahme der Streitigkeit wegen mangelnder jurisdiction verneinen würde.222 Einer Gerichtsstandsvereinbarung kann die Anerkennung auch dann versagt werden, wenn die für den eingeklagten Anspruch im prorogierten Forum maßgebliche Verjährungsfrist von ungewöhnlich kur218
US Court of Appeals (2nd Cir.), 25.04.1967 – Indussa Corp. v. S.S. Ranborg, 377 F.2d 200, 202–204; Park, Forum Selection, 1995, S. 32 f.; Ochsenfeld, RIW 1995, S. 633 (639). 219 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 16 f.; Park, Forum Selection, 1995, S. 27–32; Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 472–475; Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 483 f. 220 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 18 (Burger CJ): „it should be incumbent on the party seeking to escape his contract to show that trial in the contractual forum will be so gravely difficult and inconvenient that he will for all practical purposes be deprived of his day in court.“ Vgl. auch US District Court (C.D. Illinois), 17.09.1979 – Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F.Supp.1205, 1209; US Court of Appeals (6th Cir.), 18.06.1997 – New Moon Shipping Co., Ltd. v. MAN B&W Diesel AG, 121 F.3d 24, 32 f.; US Court of Appeals (5th Cir.), 26.06.1998 – Afram Carriers, Inc. v. Moeykens, 145 F.3d 298, 301; US District Court (S.D. Florida), 28.07.2004 – Pelican Ventures LLC v. Azimut S.p.A., 2004 U.S. Dist. LEXIS 26764, 22 f.; US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378, 392. 221 Aus diesem Grund wurde die Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten iranischer Gerichte während der Wirren der dortigen Revolution im Jahre 1979 verweigert, vgl. US Court of Appeals (8th Cir.), 03.04.1985 – McDonell Douglas Corp. v. Islamic Republic of Iran, 758 F.2d 341, 346; US District Court (S.D. New York), 12.12.1984 – Continental Grain Export Corp. v. Ministry of War-Etka Co. Ltd., 603 F.Supp. 724. 222 US District Court (E.D. Pennsylvania), 29.04.2005 – Hay Acqusition Company, Inc. v. Bernd Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490; US District Court (S.D. New York), 23.04.1998 – Mobil Sales and Supply Corp. v. Republic of Lithuania, 1998 U.S. Dist. LEXIS 5693.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
zer Dauer ist und zur Zeit der Verfahrenseinleitung bereits abgelaufen war. 223 Die Unzumutbarkeit einer Prozessführung im forum prorogatum hat man außerdem in einem Fall bejaht, in dem der Kläger wegen drohender Insolvenz auf die Möglichkeit der Vereinbarung von Erfolgshonoraren angewiesen war. Derartige Vereinbarungen wären im prorogierten Forum (England) unwirksam gewesen, so dass der mittellose Kläger dort keinen Rechtsschutz hätte erhalten können.224 Im Gegensatz dazu reichen bloße Unbequemlichkeiten, die aus der Verfahrensdurchführung im prorogierten Forum resultieren und für die Parteien bei Abschluss der Gerichtsstandsabrede vorhersehbar waren, für die Begründung von serious inconvenience nicht aus.225 Im Rahmen des reasonableness-Tests unerheblich sind daher grundsätzlich die für den Kläger mit einer Auslandsreise verbundenen finanziellen und sonstigen Unannehmlichkeiten.226 Unberücksichtigt muss auch die Tatsache bleiben, dass Zeugen und andere Beweismittel an dem vereinbarten Gerichtsstand nicht verfügbar sind. 227 Unreasonableness begründet auch nicht die Tatsache, dass das im prorogierten Forum maßgebliche Prozess- oder materielle
223
Vgl. § 80 comment c. Restatement (Second) Conflict of Laws (1988 Revision). US District Court (S.D. Texas), 26.06.1993 – Pearcy Marine, Inc. v. Seacor Marine, Inc., 847 F.Supp. 57, 60. 225 Vgl. US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 17 f.; US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1995 – Effron v. Sun Line Cruises, Inc., 67 F.3d 7, 11; US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378, 393; sowie § 80 comment c. Restatement (Second) Conflict of Laws (1988 Revision). 226 US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1995 – Effron v. Sun Line Cruises, Inc., 67 F.3d 7, 11. Vgl. auch US District Court (N.D. Illinois), 22.03.2010 – Ehrenpreis v. Google, 2010 U.S. Dist. LEXIS 29167, 10 f.: inneramerikanischer Fall, in dem eine Partei gegen die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten New York eingewandt hatte, in ihrem Alter von 82 Jahren seien ihr die Reisen von Illinois nach New York zu den Gerichtsverhandlungen nicht zuzumuten. Dieses Argument wies das Gericht ab und führte aus: „[a plaintiff] may have his ‚day in court’ without ever setting foot in a courtroom […]. Modern communication technology may allow Plaintiff to be substantially involved in his case without even leaving Illinois.“ 227 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1, 18 f.; US Court of Appeals (8th Cir.), 25.09.1986 – Sun World Lines, Ltd. v. March Shipping Corporation, 801 F.2d 1066, 1068; US District Court (D. New Jersey), 02.08.2001 – Intermetals Corp. v. Hanover International AG für Industrieversicherungen, 188 F.Supp.2d 454, 459; US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378, 393. Anders dagegen US District Court (W.D. Pennsylvania), 16.08.1972 – Copperweld Steel Co. v. Demag-Mannesmann-Boehler, 347 F.Supp. 53, 55: Nichtdurchsetzung einer Prorogation zugunsten deutscher Gerichte mit dem Argument, alle relevanten Beweismittel seien in den USA vorhanden. 224
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Recht für den Kläger ungünstiger ist.228 Die Unbeachtlichkeit der oben genannten Faktoren stellt einen wichtigen Unterschied zu der Rechtslage in England dar, wo Beschwerlichkeiten der Prozessführung im forum prorogatum – selbst wenn für die Parteien bei Abschluss der Abrede vorhersehbar – die Nichtanerkennung einer derogierenden Gerichtsstandsvereinbarung rechtfertigen können. 229 Diese Differenz bringt es mit sich, dass dem Willen der Parteien, ihre Streitigkeit an dem vereinbarten Gerichtsstand auszutragen, im Rahmen des reasonableness-Tests eine viel größere Bedeutung beigemessen wird als bei der Anwendung von dessen englischem Gegenstück, dem El Amria-Test.230 (2) Entscheidungen in Ausübung von diversity jurisdiction Wenn Bundesgerichte in diversity-Fällen über die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen zu entscheiden haben, ist unklar, ob sie die in den Entscheidungen Bremen und Carnival entwickelten Grundsätze heranzuziehen haben oder die Zulässigkeitsstandards berücksichtigen sollen, die in dem jeweiligen Einzelstaat gelten, in dem sie ihren Sitz haben.231 Diese Frage kann aufgrund der derzeit noch bestehenden Unterschiede zwischen dem reasonableness-Ansatz der Bundesgerichte und der Haltung der einzelstaatlichen Gerichte gegenüber Derogationen ihrer jurisdiction232 durchaus ergebnisrelevant sein.233 Ob die Bundesgerichte in diversity-Fällen state oder federal law anzuwenden haben, wird allgemein anhand des Rules of Decision Act (28 U.S.C. § 1652) und der sog. Erie-Doktrin beurteilt.234 Ausgangspunkt 228 US District Court (C.D. Illinois), 17.09.1979 – Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F.Supp.1205, 1209; US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 14.02.1989 – Commerce Consultants International, Inc. v. Vetrerie Ruinite, S.p.A., 867 F.2d 697; US District Court (S.D. New York), 09.02.1990 – Medoil Corp. v. Citicorp., 729 F.Supp. 1456, 1460; US Court of Appeals (7th Cir.), 08.07.1993 – Hugel v. The Corporation of Lloyd’s, 999 F.2d 206, 210 f. 229 S. dazu oben § 3 A. I. 2. b) bb). 230 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (215 f.); Collins, International Litigation, 1994, S. 272. 231 Vgl. dazu Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663; Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 150–152. 232 Vgl. dazu sogleich § 3 A. II. 2. a) bb). 233 Hay, in: GS Gruson, 2009, S. 195 (196 Fn. 8). 234 Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (447); Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (674); Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (555); Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 113. Die Erie-Doktrin ist nach der Entscheidung des US Supreme Court, 25.04.1938 – Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64 benannt und bezieht sich auf eine Reihe weiterer höchstrichterlicher Entscheidungen, in denen Kriterien zur Ermittlung des anwendbaren Rechts in diversity-Fällen herausgearbeitet wurden, so etwa US Supreme Court, 18.06.1945 – Guaranty Trust Co. v. York, 326 U.S. 99; US Supreme
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
bildet 28 U.S.C. § 1652, wonach die Bundesgerichte grundsätzlich die state laws – d.h. Gesetze und Richterrecht des Einzelstaats, in dem sie ihren Sitz haben235– anwenden müssen, es sei denn, ein Bundesgesetz, eine Verfassungsnorm oder ein völkerrechtlicher Vertrag beanspruchen Geltung. 236 Dies soll Entscheidungsharmonie zwischen den federal und den state courts im jeweiligen Einzelstaat gewährleisten, sog. uniformity of outcome policy.237 Für internationale Derogationen der US-amerikanischen jurisdiction fehlt es an einer der in 28 U.S.C. § 1652 aufgezählten Sonderregelungen238, so dass die Bundesgerichte an sich state laws anzuwenden hätten. Nach der Erie-Doktrin ist es den federal courts jedoch – außerhalb des eindeutigen Wortlauts von 28 U.S.C. § 1652 – unter bestimmten Umständen erlaubt, federal common law, d.h. durch die Bundesgerichte entwickeltes Richterrecht, anzuwenden.239 Die Heranziehung von federal common law, worunter auch der für Gerichtsstandsvereinbarungen maßgebliche reasonableness-Test fällt, kommt zur Behandlung von procedural issues in Betracht, die von sog. substantive issues abzugrenzen sind.240 Eine bestimmte Frage ist dann als procedural zu qualifizieren und unter Heranziehung des federal common law zu entscheiden, wenn die Anwendung des durch die Bundesgerichte entwickelten Richterrechts den sog. twin aims der Erie-Doktrin nicht zuwiderläuft: Diese bestehen darin, forum shopping zwischen den in Court, 19.05.1958 – Byrd v. Blue Ridge Rural Electric Cooperative, Inc., 356 U.S. 525; US Supreme Court, 26.04.1965 – Hanna v. Plumer, 380 U.S. 460. 235 US Supreme Court, 25.04.1938 – Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 78; Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (448); Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 113. 236 Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (556). Die Regel war zur Zeit der Erie-Entscheidung noch in Sec. 34 Judiciary Act 1789 enthalten. 237 Vgl. US Supreme Court, 18.01.1945 – Guaranty Trust Co. v. York, 326 U.S. 99, 109 (Frankfurter J): „[I]n all cases where a federal court is exercising jurisdiction solely because of the diversity of citizenship of the parties, the outcome of the litigation in the federal court should be substantially the same, so far as legal rules determine the outcome of a litigation, as it would be if tried in a State Court. […] for the same transaction the accident of a suit by non-resident litigant in a federal court instead of in a State Court a block away should not lead to a substantially different result.“ S. auch Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (448); Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 113; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 222. 238 Zu einem Vorschlag für ein Bundesgesetz über die Anforderungen an die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen vgl. Holt, Vand. L. Rev. 62 (2009), S. 1913 (1945–1952). 239 Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (558–563). Zulässig ist die Anwendung von Bundesrecht außerdem für Fragen, die ausdrücklicher Regelungsgegenstand der Fed.R.Civ.P. sind. 240 US Supreme Court, 25.04.1938 – Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 92; Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (448); Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (560 f.).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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einem Bundesstaat tätigen state und federal courts sowie inequitable administration of the law, d.h. ungleiche Anwendung des Rechts, zu vermeiden. 241 Widerspricht die Heranziehung von federal common law diesen Zielrichtungen, hat das Bundesgericht seiner Entscheidung die entsprechenden state laws zugrunde zu legen.242 Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Einzelfall das Interesse des Bundessouveräns an der Heranziehung von Bundesrecht das Interesse des betroffenen Bundesstaats an der Anwendung seines eigenen Rechts überwiegt.243 Die Frage, ob die Bremen-Grundsätze in diversity-Fällen Geltung beanspruchen, ist in Literatur und Rechtsprechung heftig umstritten. Teile des Schrifttums 244 sowie einige Bundesgerichte 245 sind der Auffassung, dass die Anwendung des Bremen-Standards die Ziele der Erie-Doktrin konterkariert und befürworten die Heranziehung der entsprechenden state laws. Die Maßgeblichkeit der Bundesregel würde – so die Vertreter dieser Ansicht – zum einen Anreize für forum shopping zwischen den federal und state courts schaffen: In einem derogationsanerkennungsfeindlichen Einzelstaat wären Parteien, die die Gerichtsstandsvereinbarung umgehen wollen, dazu ermutigt, Klage vor den state courts zu erheben. Beklagte würden in solchen Fällen dagegen versuchen, die Streitigkeit durch Antrag auf removal gem. 28 U.S.C. § 1441 (b) vor die Bundesgerichte zu bringen, um dadurch die Anerkennung und Durchsetzung der Zuständigkeitsvereinbarung zu erreichen.246 Die Anwendung des Bremen-Standards hätte zum anderen eine Ungleichbehandlung von Angehörigen des jeweiligen Einzelstaats gegenüber Angehörigen anderer Bundesstaaten und Ausländern zur
241
US Supreme Court, 26.04.1965 – Hanna v. Plumer, 380 U.S. 460, 468; Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (449); Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (560 f.). 242 US Supreme Court, 02.06.1980 – Walker v. Armco Steel Corp., 446 U.S. 740, 752; Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (561). 243 US Supreme Court, 19.05.1958 – Byrd v. Blue Ridge Rural Electric Cooperative, Inc., 356 U.S. 525, 537 f.; Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (449); Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 222. 244 Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (674–676); Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (459 f.); Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (560–563). 245 US Court of Appeals (4th Cir.), 01.10.1991 – Nutter v. New Rents, Inc., 1991 U.S. App. LEXIS 22952, 19 f.; US District Court (D. Maryland), 12.02.2004 – Davis Media Group, Inc. v. Best Western International, Inc., 302 F.Supp.2d 464, 466; US Court of Appeals (6th Cir.), 29.05.2007 – Preferred Capital, Inc. v. Sarasota Kennel Club, Inc., 489 F.3d 303, 307–309. Vgl. auch US Supreme Court, 20.06.1988 – Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S. 22, 37–41 (Scalia J dissenting, die Frage nach dem in diversity-Fällen anwendbaren Recht wurde von der Mehrheit der Richter offen gelassen). Allen zitierten Entscheidungen lagen inneramerikanische Fälle zugrunde. 246 Heiser, Fla. L. Rev. 45 (1993), S. 554 (561 f.).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Folge. 247 Ein removal zu den Bundesgerichten können gem. 28 U.S.C. § 1441 (b) nämlich nur Beklagte beantragen, welche nicht dem Einzelstaat angehören, in dem der angerufene state court seinen Sitz hat. In einem gerichtsstandsvereinbarungsfeindlichen Bundesstaat hätten die jeweiligen Staatsangehörigen somit keine Möglichkeit, ihrer Gerichtsstandsvereinbarung zur Wirkung zu verhelfen, während diese den Nichtangehörigen des Einzelstaats durch die Verweisung des Rechtsstreits „zu den Bundesgerichten im Wege eines removal offenstünde. Eine solche „discrimination by noncitizens against citizens“ stelle „inequitable administration of justice“ i.S. der Erie-Doktrin dar. 248 Demnach laufe die Anwendung des Bremen-Standards auch dem zweiten Erie-Ziel zuwider.249 Im Gegensatz dazu beurteilt der überwiegende Teil der Gerichte auch in diversity-Fällen die Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen nach den Bremen-Grundsätzen.250 Die Heranziehung dieses Bestandteils des federal common law geschieht dabei ohne Auseinandersetzung mit den twin aims der Erie-Doktrin. Im Rahmen vereinzelter Rechtfertigungsversuche wird lediglich auf das nicht näher begründete Interesse des Bundes an eigenständiger und einheitlicher Regelung der Zuständigkeit seiner Gerichte hingewiesen. 251 Eine höchstrichterliche Entscheidung dieser Frage ist bis heute aber ausgeblieben. 247
Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (675 f.); US Supreme Court, 20.06.1988 – Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S. 22, 40 (Scalia J dissenting). 248 US Supreme Court, 25.04.1938 – Erie Railroad Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 74 f.; US Supreme Court, 26.04.1965 – Hanna v. Plumer, 380 U.S. 460, 467 f.; US Supreme Court, 20.06.1988 – Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S. 22, 40 (Scalia J dissenting); Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (675). 249 US Supreme Court, 20.06.1988 – Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S. 22, 40 (Scalia J dissenting); Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (675 f.). 250 Lee, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 663 (676); Hay, in: GS Gruson, 2009, S. 195 (196); Bermann, Litigation, 2003, S. 32. Vgl. etwa US Court of Appeals (8th Cir.), 25.09.1986 – Sun World Lines, Ltd. v. March Shipping Corporation, 801 F.2d 1066, 1068 f.; US Court of Appeals (9th Cir.), 28.09.1988 – Manetti-Farrow, Inc. v. Gucci Parfums S.p.A., 858 F.2d 509, 513; US Court of Appeals (9th Cir.), 15.02.1991 – Spradlin v. Lear Siegler Management Company, Inc., 926 F.2d 865, 867; US District Court (N.D. Illinois), 14.11.1994 – Frediani & Delgreco, S.p.A. v. Gina Imports, Ltd., 870 F.Supp. 217, 219 f.; US District Court (E.D. Pennsylvania), 29.04.2005 – Hay Acqusition Company, Inc. v. Bernd Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490, 19; US Court of Appeals (6th Cir.), 21.12.2009 – Wong v. Party Gaming Ltd., 2009 U.S. App. LEXIS 27914, 11 f. 251 Vgl. etwa US District Court (N.D. Texas), 13.06.1979 – Taylor v. Titan Midwest Construction Corp., 474 F.Supp. 145, 147; US District Court (E.D. Missouri), 28.03.1980 – Dick Proctor Imports, Inc. v. Sumitomo Corp. of America, 486 F.Supp. 815, 818; US Court of Appeals (6th Cir.), 21.12.2009 – Wong v. Party Gaming Ltd., 2009 U.S. App. LEXIS 27914, 11. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob das
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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(3) Die Bedeutung der forum non conveniens-Doktrin für die Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen Über die Rolle der forum non conveniens-Doktrin im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen herrscht in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur Uneinigkeit.252 Das Fehlen einer einheitlichen Linie hängt damit zusammen, dass im Bundesprozessrecht strittig ist, welcher Antrag statthaft ist, um eine Derogation der jurisdiction US-amerikanischer Gerichte geltend zu machen. 253 Neben den in r. 12 Fed.R.Civ.P. aufgezählten Anträgen 254 kommt das – gesetzlich nicht geregelte – Ersuchen um Abweisung der Klage wegen forum non conveniens in Betracht. 255 Stellt die beklagte Partei zwecks Durchsetzung einer ausschließlichen Prorogation ausländischer Gerichte einen solchen Antrag, ist jedoch fraglich, welcher Maßstab für die Anerkennung der Zuständigkeitsabrede gilt. Ein Teil der Gerichte vertritt die Auffassung, dass über die Anerkennung einer Derogation in solchen Fällen nach den forum non conveniens-Grundsätzen zu entscheiden ist und die Gerichtsstandsvereinbarung dabei lediglich als einer unter vielen zu berücksichtigenden Faktoren zu betrachten ist.256 Andere befürworten die Heranziehung der forum non conveniens-Lehre unter gewissen Modifikationen: Manchen Gerichten zufolge soll die Vermutung, dass das vom Kläger gewählte Forum convenient ist, bei Vorliegen einer Prorogation zugunsten ausländischer Gerichte, nicht eingreifen.257 Nach Ansicht anderer soll die Zuständigkeitsbestimmung im
Interesse des Bundes an Anwendung von federal common law bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen das Interesse des jeweiligen Einzelstaats daran überwiegt, dass seine Regeln Berücksichtigung finden, vgl. Ochsenfeld, RIW 1995, S. 633 (634–641), der i.E. die Maßgeblichkeit der bundesrechtlichen Grundsätze bejaht. 252 Buxbaum, Willamette J. Int'l L. & Dispute Res. 12 (2004), S. 185 (196–205); Brand, in: FS North, 2002, S. 51 (74–80). 253 Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853. 254 S. dazu unten § 6 A. II. 1. a). 255 Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853 (1861 f.). 256 US Court of Appeals (1st Cir.), 04.07.1991 – Mercier v. Sheraton International, Inc., 935 F.2d 419; US District Court (S.D. California), 08.05.2001 – Meridian Seafood Products, Inc. v. Fianzas Monterrey, S.A., 149 F.Supp.2d 1234; US Court of Appeals (1st Cir.), 26.06.1990 – Royal Bed and Spring Co., Inc. v. Famossul Industria e Comercio de Moveis, Ltd., 906 F.2d 45, 51. 257 US District Court (D. Columbia), 28.07.1998 – Overseas Partners, Inc. v. Progen Musavirlik ve Yonetim Hizmetleri, Ltd., 15 F.Supp.2d 47; US District Court (N.D. Illinois), 31.07.2003 – Apotex Corp. v. Istituto Biologico Chemioterapico S.p.a., 2003 U.S. Dist. LEXIS 13303; US Court of Appeals (6th Cir.), 21.12.2009 – Wong v. Party Gaming Ltd., 2009 U.S. App. LEXIS 27914, 28.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Rahmen der Ermessensabwägung als starkes Indiz für die convenience des gewählten Forums gewertet werden.258 Die wohl überwiegende Auffassung betrachtet den reasonableness-Test als eine Sonderausprägung der forum non conveniens-Doktrin für die Anerkennung ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen und zieht die allgemeinen forum non conveniens-Grundsätze nur dann heran, wenn die Abrede nicht wirksam zustande gekommen oder lediglich fakultativer Natur ist.259 Diese Ansicht erscheint überzeugend. Die (teilweise) Heranziehung der forum non conveniens-Lehre führt zu einer unzulässigen Umgehung des in der Bremen-Entscheidung entwickelten Standards, wonach private Belange nur dann beachtlich sind, wenn die Nachteile für die Parteien die serious inconvenience-Hürde überschreiten und öffentliche Interessen der Anerkennung einer Gerichtsstandsabrede erst dann entgegenstehen, wenn sie von solch fundamentaler Bedeutung sind, dass sie als Teil des inländischen ordre public einzuordnen sind. bb) Die Rechtslage vor den einzelstaatlichen Gerichten Bis Mitte des letzten Jahrhunderts standen die einzelstaatlichen Gerichte Derogationen ihrer jurisdiction ebenso ablehnend gegenüber wie die Bundesgerichte. 260 Die Bremen-Entscheidung führte jedoch – auch wenn für die state courts nicht bindend261 – zu einem Umschwung in der einzelstaatlichen Rechtsprechung mit der Folge, dass heutzutage in fast allen Bundesstaaten unter bestimmten Voraussetzungen derogierende Gerichtsstandsvereinbarungen anerkannt werden. 262 Nur noch wenige einzelstaatliche Ge-
258 US District Court (S.D. New York), 23.04.1998 – Mobil Sales and Supply Corp. v. Republic of Lithuania, 1998 U.S. Dist. LEXIS 5693, 32. 259 Vgl. etwa US District Court (D. Puerto Rico), 13.03.1993 – Caribe BMW, Inc. v. BMW AG, 821 F.Supp. 802, 818 Fn. 12, 821; US Court of Appeals (2nd Cir.), 27.05.1998 – Evolution Online Systems, Inc. v. Koninklijke PTT Nederland N.V., 145 F.3d 505; US District Court (E.D. Texas), 13.10.1999 – Sudduth v. Occidental Peruana, Inc., 70 F.Supp.2d 691; US Court of Appeals (5th Cir.), 28.04.1997 – Mitsui & Co. (USA), Inc. v. Mira M/V, 111 F.3d 33, 37; US District Court (E.D. Pennsylvania), 29.04.2005 – Hay Acqusition Company, Inc. v. Bernd Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490, 17; US District Court (D. Kansas), 17.02.2006 – TH Agriculture & Nutrition, L.L.C. v. ACE European Group Ltd., 416 F.Supp.2d 1054, 1079; US Court of Appeals (2nd Cir.), 23.10.2009 – Aguas Lenders Recovery Group LLC v. Suez, S.A., 585 F.3d 696, 700. 260 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 488. 261 Webb Yackee, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 9 (2004), S. 43 (64). 262 Vgl. Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 488 m.w.N.; Park, Transnat’l L. & Contemp. Probs. 8 (1998), S. 19 (23 f.).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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richte folgen weiterhin der non-ouster-Doktrin und versagen Derogationen der eigenen jurisdiction stets die Anerkennung.263 Trotz der überwiegend anerkennungsfreundlichen Haltung gegenüber derogierenden Gerichtsstandsvereinbarungen werden der Gerichtswahlfreiheit zum Teil engere Grenzen als in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gesetzt.264 Manche einzelstaatlichen Gerichte machen die Entscheidung über die convenience des prorogierten Forums von Kriterien abhängig, die im Rahmen der bundesgerichtlichen reasonableness-Doktrin keine Berücksichtigung finden: In South Dakota spielt es beispielsweise eine Rolle, welches Recht auf den die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltenden Hauptvertrag Anwendung findet, wo der Erfüllungsort dieses Vertrags liegt, in welchem Staat die Parteien ansässig sind und wo sich die Zeugen befinden.265 In anderen Bundesstaaten wie etwa Nebraska entscheidet eine forum non conveniens-Abwägung über die Anerkennung derogierender Gerichtsstandsabreden.266 Unterschiedlich definiert werden teilweise auch die Grenzen des ordre public-Ausnahmetatbestands: In manchen einzelstaatlichen Rechten finden sich etwa zum Schutz von Verbrauchern 267 , Franchisenehmern 268 und Vertriebshändlern 269 Sonderregeln, nach denen
263 Dazu gehören etwa Idaho und Iowa. Unklar ist die Rechtslage in North Carolina und Georgia, wo sich in Entscheidungen aus jüngerer Zeit Zeichen für eine Abkehr von der non-ouster-Doktrin finden. Vgl. Hay, in: GS Gruson, 2009, S. 195 (196 Fn. 6); Park, Transnat’l L. & Contemp. Probs. 8 (1998), S. 19 (24 Fn. 29) m.w.N. 264 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 489; Hay, in: GS Gruson, 2009, S. 195 (196 Fn. 6). 265 South Dakota Supreme Court, 19.01.2002 – Klenz v. AVI International, 647 N.W.2d 734, 739. 266 Nebraska Supreme Court, 25.03.2005 – Ameritas Investment Corp. v. McKinney, 269 Neb. 564, 574–576. 267 Vgl. beispielsweise § 2A-106 (2) UCC, nach dem Gerichtsstandsvereinbarungen in einem Leasingvertrag mit einem Verbraucher unwirksam sind, wenn durch sie ein zusätzlicher Gerichtsstand zum Nachteil des Verbrauchers geschaffen wird. Ein weiteres Beispiel bieten die Regeln des Uniform Computer Information Transactions Act (UCITA), ein von der Uniform Law Commission erarbeitetes Modellgesetz, das bis jetzt nur in Virginia und Maryland übernommen wurde. Das auf Geschäfte mit Computer-Informationen – z.B. Verträge zur Herstellung bzw. Übertragung von Computerprogrammen oder Multimediaprodukten – anwendbare Gesetz enthält in §§ 105–111 spezielle Anforderungen an die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen. Ausführlich dazu Ganssauge, Internationale Zuständigkeit, 2004, S. 155–158. 268 Vgl. etwa das Illinois Franchise Disclosure Act, wonach Vereinbarungen in Franchiseverträgen über einen Gerichtsstand außerhalb von Illinois unzulässig sind, US District Court (N.D. Illinois), 15.10.1984 – ECC Computer Centers, Inc. v. Entre Computer Centers, Inc., 597 F.Supp. 1182. 269 Vgl. etwa Puerto Rico's Dealers' Contracts Act, Law No. 75, wonach Vereinbarungen in Vertriebsverträgen über einen Gerichtsstand außerhalb von Puerto Rico unzulässig
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Gerichtsstandsvereinbarungen nur unter engen Voraussetzungen möglich sind. 270 Die Gerichte anderer Einzelstaaten wie etwa Ohio erachten Gerichtsstandsvereinbarungen in Verbraucherverträgen für ordre publicwidrig, wenn sie kein konkretes Gericht benennen, sondern alle state und federal courts in dem Bundesstaat prorogieren, in dem der Vertragspartner des Verbrauchers seinen Sitz hat.271 Wegen ordre public-Verstoßes versagen manche einzelstaatlichen Gerichte auch sog. floating forum selection clauses die Anerkennung, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass sie einer oder beiden Parteien das Recht einräumen, das Forum für die Austragung von Streitigkeiten erst nachträglich zu bestimmen oder zu ändern.272 b) Behandlung von Prorogationen US-amerikanischer Gerichte Sowohl nach Bundesrecht als auch nach dem Recht sämtlicher Einzelstaaten ist die internationale Prorogation eines US-amerikanischen Gerichts zulässig.273 Die Abrede muss sich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis beziehen und der Anspruch muss der Parteidisposition unterliegen.274 Prorogierende Gerichtsstandsvereinbarungen haben keinen unmittelbaren, d.h. direkt begründenden Einfluss auf die jurisdiction US-amerikanischer Gerichte. Letztere können daher unter bestimmten Umständen eine auf sie sind, US District Court (S.D. New York), 15.06.1994 – Caribbean Wholesales & Service Corp. v. US JVC Corp., 855 F.Supp. 627. 270 Teitz, in: Legum (Hrsg.), International Litigation, 2005, S. 49 (52); Park, Transnat’l L. & Contemp. Probs. 8 (1998), S. 19 (24); Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 485 f. 271 Ohio Court of Appeal (8th Appelate District), 01.02.2001 – Copelco Capital, Inc. v. St. Mark's Presbyterian Church, 2001 Ohio App. LEXIS 315, 9 f.; Ohio Court of Appeal (1st Appelate District), 07.02.2003 – Information Leasing Corp. v. Jaskot, 151 Ohio 3d. 546, 551. 272 US Court of Appeals (6th Cir.), 29.05.2007 – Preferred Capital, Inc. v. Sarasota Kennel Club, Inc., 489 F.3d 303, 306. 273 Vgl. etwa US Supreme Court, 06.01.1964 – National Equipment Rental Ltd. v. Szukhent, 375 U.S. 311; Utah Supreme Court, 14.01.2005 – Jacobsen Construction Co., Inc. v. Teton Builders, 2005 UT 4, 13; Nebraska Supreme Court, 25.03.2005 – Ameritas Investment Corp. v. McKinney, 269 Neb. 564, 571 f.; Ohio Supreme Court, 05.05.1993 – Kennecorp Mortgage Brokers, Inc. v. Country Club Hosp., Inc., 66 Ohio St. 3d 173, 175; Kansas Supreme Court, 22.05.1992 – Vanier v. Ponsoldt, 833 P.2d 949, 958 f.; Connecticut Appellate Court, 10.02.1998 – Phoenix Leasing, Inc. v. Kosinski, 47 Conn. App. 650, 654; Wisconsin Court of Appeal, 04.09.1996 – Kohler Company v. Wixen, 204 Wis. 2d 327, 339. Die sachliche Zuständigkeit (state oder federal court) ist jedoch keiner Parteivereinbarung zugänglich, Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 126; Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 18 VI 1 (Rn. 247); Juenger, RabelsZ 35 (1971), S. 284 (291 f.). 274 Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 18 VI 2a (Rn. 250); Juenger, RabelsZ 35 (1971), S. 284 (291).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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lautende Zuständigkeitsvereinbarung ignorieren.275 Die Ermessensentscheidung über die Berücksichtigung einer Prorogation richtet sich prinzipiell nach den in der Bremen-Entscheidung für Derogationen der US-amerikanischen Gerichte entwickelten Kriterien (aa.). Unterschiedliche Grundsätze gelten jedoch für die Beurteilung einer Prorogation vor Bundesgerichten im Rahmen eines Antrags auf federal transfer nach 28 U.S.C. § 1404 (a) (bb.). aa) Der grundsätzliche Maßstab für die Anerkennung einer Prorogation Im Rahmen der Ermessensprüfung ziehen die US-amerikanischen Richter die Kriterien heran, welche für die Anerkennung von Derogationen entwickelt worden sind: Maßgeblich ist somit insbesondere, ob die Austragung des Rechtsstreits in den USA für die beklagte Partei seriously inconvenient ist.276 Lediglich das Recht des Bundesstaats New York sieht in bestimmten Fällen eine Pflicht der Gerichte zur Berücksichtigung von Prorogationen vor: Haben die Parteien bei einer Transaktion in Höhe von mehr als einer Million US$ das Recht und die jurisdiction der Gerichte von New York vereinbart, können letztere die Entscheidung eines von der Abrede erfassten Rechtsstreits mit einem ausländischen Beklagten nicht mit dem Argument abweisen, New York sei für die Durchführung des Verfahrens inconvenient.277 275
Park, Forum Selection, 1995, S. 20 f. Vgl. etwa US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.04.1990 – Jones v. Weibrecht, 901 F.2d 17, 19; Ohio Supreme Court, 05.05.1993 – Kennecorp Mortgage Brokers, Inc. v. Country Club Hosp., Inc., 66 Ohio St. 3d 173, 175; US District Court (S.D. New York), 17.02.1998 – Design Strategy Corp. v. Nghiem, 14 F.Supp.2d 298, 300 f.; Utah Supreme Court, 14.01.2005 – Jacobsen Construction Co., Inc. v. Teton Builders, 2005 UT 4, 12– 14; US District Court (Middle D. Florida), 09.07.2009 – Van Zyl v. Aviatour, Inc., 2009 U.S. Dist. LEXIS 63390; Kansas Supreme Court, 22.05.1992 – Vanier v. Ponsoldt, 833 P.2d 949, 958 f.; US District Court (S.D. New York), 10.01.1994 – Cambridge Nutrition A.G. v. Fotheringham, 840 F.Supp. 299, 301–303; Connecticut Appellate Court, 10.02.1998 – Phoenix Leasing, Inc. v. Kosinski, 47 Conn. App. 650, 654; US District Court (S.D. New York), 11.01.2000 – Poddar v. State Bank of India, 79 F.Supp.2d 391; US District Court (W.D. North Carolina), 08.07.2009 – Celanese Acetate, LLC v. Lexcor, Ltd., 632 F.Supp.2d 544, 547. 277 Vgl. New York General Obligations Law § 5-1402 („…any person may maintain an action or proceeding against a foreign corporation, non-resident or foreign state where the action or proceeding arises out of or relates to any contract […] for which a choice of New York law has been made […] and which (a) is a contract […], in consideration of, or relating to any obligation arising out of a transaction covering in the aggregate, not less than one million dollars, and (b) which contains a provision or provisions whereby such foreign corporation or non-resident agrees to submit to the jurisdiction of the courts of this state.“) i.V.m. Civil Practice Law and Rules § 327 (b) („…the court shall not stay or dismiss any action on the ground of inconvenient forum, where the action arises out of 276
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Auch wenn das Bestehen von minimum contacts nach dem Bundesrecht und dem Recht der meisten Einzelstaaten für die Wirksamkeit einer Prorogation nicht erforderlich ist278, wird in manchen einzelstaatlichen Rechten verlangt, dass die Streitigkeit mit dem gewählten Gerichtsstand eine – über die Prorogation hinaus gehende – Verbindung aufweist.279 Von derartigen Details abgesehen stellen bundes- und einzelstaatliche Rechte dieselben Anforderungen an die Anerkennung von Prorogationen. Aus diesem Grund kommt es in diversity-Fällen zur Beurteilung der Gültigkeit von Prorogationen in aller Regel nicht darauf an, ob nach den Erie-Grundsätzen Bundesrecht oder das jeweilige einzelstaatliche Recht anzuwenden ist.280 bb) Der Sondermaßstab für die Anerkennung einer Prorogation in 28 U.S.C. § 1404 (a) 28 U.S.C. § 1404 (a) erlaubt einem Bundesgericht, eine bei ihm anhängig gemachte Streitigkeit auf ein anderes Bundesgericht im Wege des federal transfer zu übertragen, wenn dies „for the convenience of the parties and witnesses“ und „in the interest of justice“ erforderlich erscheint. Hat ein Bundesgericht über die Durchsetzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines anderen Bundesgerichts im Rahmen eines Antrags auf federal transfer zu entscheiden, gelten andere als die nach dem reasonableness-Test maßgeblichen Kriterien. Das folgt or relates to a contract […] to which § 5-1402 General Obligations Law applies, and the parties to the contract have agreed that the law of this state shall govern their rights or duties in whole or in part.“). Ausführlich zu diesen Regelungen: Rashkover, Cornell L. Rev. 71 (1985), S. 227 (240–248); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 201– 208. 278 S. oben § 3 A. II. 1. b) aa) (2) (c). 279 Vgl. etwa Utah Supreme Court, 14.01.2005 – Jacobsen Construction Co., Inc. v. Teton Builders, 2005 UT 4, 32; Nebraska Supreme Court, 25.03.2005 – Ameritas Investment Corp. v. McKinney, 269 Neb. 564, 575; New York Supreme Court, 23.03.2006 – Orix Financial Services, Inc. v. Graham, 819 N.Y.S.2d 849. Kritisch zu der Nichtbeachtung von Prorogationen durch US-amerikanische Gerichte wegen mangelnder Verbindungen zu dem gewählten Forum Coester-Waltjen, in: FS Tekinalp, 2003, S. 147 (158 f.). In solchen Restriktionen erblickt sie zu Recht einen Widerspruch zu den ansonsten weiten Zuständigkeitsgründen in den US-amerikanischen Zivilprozessrechten, die es Klägern erlauben, vor inländische Gerichte Streitigkeiten zu bringen, welche eine relativ schwache Verbindung zu der Jurisdiktion aufweisen. 280 Vgl. etwa US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.04.1990 – Jones v. Weibrecht, 901 F.2d 17, 19; US District Court (S.D. New York), 17.02.1998 – Design Strategy Corp. v. Nghiem, 14 F.Supp.2d 298, 300; US Court of Appeals (6th Cir.), 20.01.2009 – Cadle Company v. Reiner, Reiner & Bendett, P.C., 307 Fed. Appx. 884, 886. Zu Unterschieden bei der rechtlichen Behandlung einer Prorogation zugunsten der Gerichte im Bundesstaat New York wegen der dort geltenden Sonderregel für Transaktionen von über einer Million US$ vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 206 f.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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aus der Entscheidung des US Supreme Court Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp.281 In dem Fall ging es um eine Abrede zwischen einer in Alabama und einer in New Jersey ansässigen Partei über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in Manhattan (New York City). Entgegen der Abrede wurde Klage vor einem District Court in Alabama erhoben. Der Beklagte beantragte nicht die Klageabweisung, sondern die Verweisung der Streitigkeit zum prorogierten Bundesgericht. Die bundesgerichtliche subject matter jurisdiction gründete auf diversity of citizenship. Unter Anwendung des einzelstaatlichen Rechts von Alabama wäre die Gerichtsstandsvereinbarung – anders als bei Heranziehung des Bremen-Standards – unwirksam gewesen. Man hoffte, die Entscheidung des US Supreme Court würde Klarheit darüber schaffen, ob zur Beurteilung einer Gerichtsstandsvereinbarung in diversity-Fällen der Bremen- oder der einzelstaatliche Standard maßgeblich ist. Das Gericht entschied jedoch, dass im Rahmen der Entscheidung über die Durchsetzung einer Prorogation im Wege des federal transfer weder die Bremen-Grundsätze noch die Besonderheiten des einzelstaatlichen Rechts von Bedeutung sind. Die maßgeblichen Kriterien für die Ausübung des gerichtlichen Ermessens seien vielmehr ausschließlich 28 U.S.C. § 1404 (a) zu entnehmen. 282 Eine Gerichtsstandsvereinbarung sei zwar ein bedeutender, dennoch lediglich einer unter vielen maßgeblichen Faktoren für die Entscheidung des Gerichts.283 Seit diesem Urteil des US Supreme Court entscheiden US-amerikanische Bundesgerichte über die Durchsetzung einer Prorogation im Wege des federal transfer unter Abwägung zahlreicher Kriterien, die den im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin maßgeblichen Aspekten ähnlich sind.284 Das weite Ermessen der Gerichte im Rahmen von 28 U.S.C. § 1404 (a) mindert die Verlässlichkeit von internationalen Prorogationen zugunsten eines bestimmten US-Bundesgerichts und birgt das Risiko zeitund kostenaufwendiger Auseinandersetzungen über das zuständige Forum.285
III. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im deutschen Recht Das deutsche Zuständigkeitsrecht beruht anders als das englische und USamerikanische auf klar umrissenen Gerichtsständen, die grundsätzlich 281 US Supreme Court, 20.06.1988 – Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S. 22. 282 US Supreme Court, 20.06.1988 – Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S. 22, 25–30. 283 US Supreme Court, 20.06.1988 – Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp., 487 U.S. 22, 29. 284 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 505. 285 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 155 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
keinen Raum für richterliches Ermessen bieten (1.). Erhebliche Unterschiede zu der Rechtslage in England und den USA bestehen auch hinsichtlich der Anforderungen an die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen (2.). 1. Überblick über die autonomen deutschen Regeln der internationalen Zuständigkeit Zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte werden – von wenigen Ausnahmen abgesehen286 – die Normen über die örtliche Zuständigkeit in §§ 12–40 ZPO herangezogen. Die internationale folgt also aus der örtlichen Zuständigkeit, man spricht insoweit von der Doppelfunktionalität der §§ 12 ff. ZPO.287 Das autonome deutsche Zuständigkeitsrecht unterscheidet zwischen allgemeinen, besonderen und ausschließlichen Gerichtsständen. Die allgemeinen Gerichtsstände sind in §§ 12–19 ZPO geregelt. Allgemein zuständig für Klagen gegen eine natürliche Person sind die Gerichte an deren Wohnsitz (§§ 12–15 ZPO i.V.m. §§ 7–11 BGB) bzw. Aufenthaltsort (§ 16 ZPO). Der allgemeine Gerichtsstand juristischer Personen liegt gem. § 17 I S. 1 ZPO an deren satzungsmäßigem Sitz. Existiert ein solcher nicht, ist subsidiär der Verwaltungssitz maßgeblich, § 17 I S. 2 ZPO. Für bestimmte Ansprüche sind neben den allgemeinen besondere Gerichtsstände eröffnet: Von großer praktischer Bedeutung sind etwa der Gerichtsstand der Niederlassung für Streitigkeiten aus Geschäften, die von einer inländischen Niederlassung aus betrieben werden (§ 21 ZPO), der Gerichtsstand des Erfüllungsorts für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis (§ 29 ZPO), der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) sowie der Gerichtsstand des Vermögens für Klagen aus vermögensrechtlichen Ansprüchen gegen Personen, die über keinen Wohnsitz im Inland verfügen (§ 23 ZPO). Zwischen mehreren allgemeinen und besonderen Gerichtsständen hat der Kläger gem. § 35 ZPO die Wahl. Die Wahlmöglichkeit scheidet aus, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand vorliegt. 288 Einen solchen sieht beispielsweise § 24 ZPO für Klagen aus dinglichen Ansprüchen an unbeweglichen Sachen vor. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte 286
Ausdrückliche Regelungen zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte finden sich im Familienrecht vgl. §§ 98, 100 FamFG. 287 BGH, 14.06.1965 – GSZ 1/65, NJW 1965, S. 1665; BGH, 17.05.1972 – VIII ZR 76/71, NJW 1972, S. 1622; BGH, 26.01.1979 – V ZR 75/76, NJW 1979, 1104; BGH, 18.04.1985 – VII ZR 359/83, NJW 1985, S. 2090; BGH, 02.07.1991 – XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092 (3092); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 266; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 943. 288 MünchKomm-ZPO/Patzina, 3. Aufl. 2008, § 35 Rn. 2; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 35 ZPO Rn. 2.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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kann schließlich auch durch freiwillige Unterwerfung des Beklagten begründet werden, wenn dieser sich rügelos auf das Verfahren eingelassen hat (§ 39 ZPO) oder die Parteien eine entsprechende Prorogation abgeschlossen haben (§§ 38, 40 ZPO). Ist ein internationaler Gerichtsstand in Deutschland eröffnet, sind die inländischen Gerichte grundsätzlich nicht befugt, die Ausübung ihrer Zuständigkeit mit dem Argument abzulehnen, dass die Streitigkeit in einem ausländischen Forum besser aufgehoben wäre. Eine allgemeine Regelung, die der in England und den USA geltenden forum non conveniens-Doktrin entspricht, hat sich in Deutschland – trotz teilweise befürwortender Stimmen in der Literatur289 – nicht durchsetzen können.290 Der Übernahme dieser Ermessenslehre steht die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters gem. Art. 101 I S. 2 GG entgegen: Dieser zufolge muss die (internationale) Zuständigkeit in jedem Fall eindeutig im Voraus bestimmbar sein, was im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin – wie die zahlreichen für die Ermessenausübung in England und den USA maßgeblichen Faktoren zeigen – jedoch nicht gewährleistet werden kann.291 2. Voraussetzungen der Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen deutschen Recht Das deutsche Recht erkennt Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit grundsätzlich an. 292 Der zuständigkeitsrechtlichen Parteiautonomie sind jedoch Schranken gesetzt: Neben den allgemeinen Zulässigkeitsgrenzen für Gerichtsstandsvereinbarungen (a.) gelten besondere Voraussetzungen für Prorogationen (b.) und Derogationen (c.) deutscher Gerichte. 289
Wahl, Internationale Zuständigkeit, 1974, S. 31–35, 114–128; Jayme, StAZ 1975,
S. 91. 290 Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (41–44); Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1075–1080; Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 152–169. Alle zitierten Autoren weisen zugleich darauf hin, dass in einzelnen, eng begrenzten Bereichen forum non conveniens-Erwägungen auch im deutschen Recht eine Rolle spielen können. Ein Beispiel bietet § 99 II-IV FamFG, wonach ein international zuständiges deutsches Gericht die Anordnung einer Vormundschaft im Interesse des Mündels unterlassen kann, wenn die Gerichte eines ausländischen Staates für die Anordnung ebenfalls zuständig sind und ein Verfahren in dem auswärtigen Forum bereits anhängig ist. 291 Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (45); Ultsch, RIW 1997, S. 26 (45). 292 BGH, 30.01.1961 – VII ZR 180/60, NJW 1961, S. 1061; BGH, 13.12.1967 – VIII ZR 203/65, NJW 1968, S. 356; BGH, 03.12.1973 – II ZR 91/72, WM 1974, S. 242; OLG Hamburg, 25.05.1978 – 6 U 181/77, RIW 1979, S. 495; BAG, 27.01.1984 – 2 AzR 188/81, NJW 1984, S. 1320; BGH, 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, S. 1431; OLG München, 08.08.1984 – 7 U 1880/84, IPRax 1095, S. 341; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1638, 1757; Weller, Ordre-public, 2005, S. 25–33.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
a) Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen für Gerichtsstandsvereinbarungen Schranken der Gerichtswahlfreiheit ergeben sich in erster Linie aus §§ 38, 40 ZPO, die über ihren Wortlaut hinaus auch auf Derogationen anzuwenden sind.293 Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung setzt danach die Prorogationsbefugnis der Parteien voraus. Diese liegt zum einen vor, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind (§ 38 I ZPO). Im internationalen Rechtsverkehr ist es dagegen auch Nichtkaufleuten möglich, eine Gerichtsstandsvereinbarung abzuschließen, wenn mindestens eine Partei im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 38 II S.1 ZPO). 294 Nicht unter § 38 I, II ZPO fallende Personengruppen sind dagegen nach § 38 III Nr. 1 ZPO erst nach Entstehung der Streitigkeit prorogationsbefugt.295 Gerichtsstandsvereinbarungen müssen sich außerdem stets auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis beziehen (§ 40 I ZPO), d.h. für den späteren Beklagten muss bereits bei Abschluss der Abrede voraussehbar sein, für welche Fälle der Gerichtsstand abweichend vom Gesetz geregelt ist.296 Unzulässig sind daher Zuständigkeitsvereinbarungen „für alle künftigen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien“ bzw. „für alle Streitigkeiten aus einer Geschäftsverbindung“.297 Die Gerichtsstandsvereinbarung muss sich des Weiteren auf ein bestimmtes oder zumindest bei Klageerhebung bestimmbares Gericht beziehen.298 Diese ungeschriebene Voraussetzung kann durch ausdrückliche Benennung eines konkreten Gerichts bzw. der Gerichte eines Landes, durch Anknüpfung an ein persönliches oder räumliches Merkmal – etwa den Wohnsitz bzw. Sitz einer Partei – sowie durch die Vereinbarung mehrerer 293
BGH, 03.04.1985 – I ZR 101/83, NJW-RR 1987, S. 227 (228); BGH, 20.01.1986 – II ZR 56/85, NJW 1986, S. 1438 (1439); BGH, 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, S. 1431 (1432); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 514; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1607; Weller, Ordre-public, 2005, S. 40–43. 294 Hat eine Partei einen Wohnsitz im In- und im Ausland, scheidet die Anwendung von § 38 II S. 1 ZPO aus, BGH, 20.01.1986 – II ZR 56/85, NJW 1986, S. 1438 (1439). A.A. Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1614. 295 Kritisch zu den erheblichen Einschränkungen der Prorogationsfreiheit für Nichtkaufleute: Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1629–1632; Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (455). 296 Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (442–447); Weller, Ordre-public, 2005, S. 49; Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 172. 297 Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (445); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3151. 298 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6483; Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (447–450).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Gerichtsstände, zwischen denen eine bzw. beide Parteien die Wahl haben, erfüllt werden.299 Mit dem Bestimmtheitserfordernis nicht vereinbar ist jedoch eine Abrede, mit der das einseitige freie Recht einer Partei begründet wird, den Gerichtsstand festzulegen.300 Gerichtsstandsabreden dürfen gem. § 40 II S.1 Nr. 1 ZPO außerdem nur vermögensrechtliche Streitigkeiten zum Gegenstand haben. Ausgeschlossen sind somit Vereinbarungen in Ehe-, Kindschafts- und Lebenspartnerschaftssachen.301 Unzulässig sind Zuständigkeitsabreden schließlich dann, wenn für die Streitigkeit ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (§ 40 II S.1 Nr. 2 ZPO).302 b) Besondere Zulässigkeitsbeschränkungen für Prorogationen deutscher Gerichte Eine Begrenzung der Prorogationsfreiheit sieht § 38 II S. 3 ZPO für Gerichtsstandsabreden im nicht-kaufmännischen Rechtsverkehr vor, wenn eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. In solchen Fällen ist die Wahl eines inländischen Gerichtsstands nur dann wirksam, wenn es sich dabei um den allgemeinen oder einen besonderen Gerichtsstand der inländischen Partei handelt. Diese Norm dient dem Schutz inländischer Verbraucher. Sie soll verhindern, dass inländische Unternehmen das für Inlandsfälle vor Entstehung der Streitigkeit bestehende Prorogationsverbot umgehen, indem sie über ausländische Tochtergesellschaften mit inländischen Kunden Scheinauslandsgeschäfte abschließen, um dadurch den Ort ihrer inländischen Niederlassung vereinbaren zu können.303 Der Schutz von § 38 II S. 3 ZPO greift jedoch nur bei der Vereinbarung eines Gerichtsstands in Deutschland, schränkt die Prorogation ausländischer Gerichte somit nicht ein. Die Verletzung der Norm führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Prorogation, bewirkt vielmehr lediglich die Unwirksamkeit der von § 38 II S. 3 ZPO abweichenden Bestimmung über die ört-
299 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6483; Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (447). 300 Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (447). 301 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1634 f. 302 Diese Regel steht zum einen Derogationen einer ausschließlichen Zuständigkeit deutscher Gerichte entgegen. Sie kann jedoch auch die Unwirksamkeit einer Prorogation der deutschen Gerichte nach sich ziehen, wenn bei spiegelbildlicher Anwendung der deutschen Regeln über die internationale Zuständigkeit ein ausschließlicher Gerichtsstand im Ausland eröffnet ist, vgl. Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1744. Für Beispiele ausschließlicher Zuständigkeit, vgl. Weller, Ordre-public, 2005, S. 51. 303 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1752; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3161; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 30.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
liche Zuständigkeit.304 Zu berücksichtigen sind außerdem die Sonderregeln für Prorogationen im Zusammenhang mit Haustürgeschäften (§ 29c ZPO) und Fernunterrichtsverträgen (§ 26 II FernUSG). 305 Im Gegensatz zu England hängt die Zulässigkeit einer Prorogation in Deutschland nicht von der Forumsnähe der Streitigkeit ab: Die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ist auch dann zulässig, wenn der Rechtsstreit keinerlei Inlandsbeziehungen aufweist. 306 Man will das Interesse von Parteien an der Austragung ihrer Streitigkeit in einem neutralen Forum respektieren, anstatt sie etwa „in die Schiedsgerichtsbarkeit zu treiben“ 307. Für die Zulässigkeit einer Prorogation ebenfalls unerheblich sind die Anerkennungsfähigkeit und Vollstreckbarkeit der deutschen Entscheidung in den Staaten, deren internationale Zuständigkeit derogiert wurde. Denn im Zeitpunkt des Erlasses eines Urteils kann häufig nicht vorausgesehen werden, wo dessen Anerkennung und Vollstreckung begehrt werden.308 Eine nach den obigen Voraussetzungen zulässige Prorogation hat nach deutschem – anders als nach englischem und US-amerikanischem – Recht prozessuale Verfügungswirkung, sie führt also die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte unmittelbar herbei.309 Diese müssen der Prorogation somit Folge leisten, auch wenn sie sie nicht für zweckmäßig halten.310 c) Besondere Zulässigkeitsbeschränkungen für Derogationen deutscher Gerichte Eine Grenze der Derogationsfreiheit bildet nach der Rechtsprechung – ähnlich wie in England und den USA – der inländische ordre public: Eine Zuständigkeitsabrede ist unwirksam, wenn zu befürchten ist, dass das proro-
304 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1617, 1752; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3161. 305 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3177 f. 306 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1745–1747; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3158; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/ Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 544. Ausführlich dazu F. Sandrock, Neutraler Gerichtsstand, 1997, S. 89–91. 307 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 506. 308 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1750; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3159; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 547–551. 309 Gottwald, in: FS Henckel, 1995, S. 294 (307); Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (441). 310 Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (50).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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gierte ausländische Gericht international zwingende inländische Normen außer Acht lassen wird.311 Der BGH hielt beispielsweise eine Abrede über die ausschließliche Zuständigkeit englischer Gerichte für unzulässig, weil das englische Recht den dem Anlegerschutz dienenden Einwand der fehlenden Termingeschäftsfähigkeit – §§ 53, 61 BörsG – nicht kannte.312 In einer Entscheidung aus der jüngeren Zeit versagte das OLG München einer ausschließlichen Prorogation zugunsten US-amerikanischer Gerichte die Anerkennung mit dem Argument, es bestehe die Gefahr, dass das designierte Gericht die international zwingende deutsche Bestimmung über den angemessenen Handelsvertreterausgleich gem. § 89b HGB nicht beachten würde.313 Der BGH hat es außerdem für grundsätzlich möglich gehalten, einer Derogation die Anerkennung zu versagen, wenn durch eine Klage in einem ausländischen Forum die zwingende Haftung des Verfrachters nach den Haag Visby-Regeln umgangen werden könnte.314 Im Schrifttum herrscht des Weiteren Einigkeit darüber, dass eine Derogation der internationalen Zuständigkeit deutscher Kartellgerichte ordre public-widrig und somit unzulässig wäre, wenn hierdurch international zwingende Vorschriften des deutschen Kartellrechts, wie etwa § 130 II GWB, ausgeschaltet würden.315 Eine ordre public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen wird von der herrschenden Literatur kritisch gesehen.316 Solange der Gesetzgeber keine ausschließliche internationale Zuständigkeit im Inland 311
BGH, 12.03.1984 – II ZR 10/83, NJW 1984, S. 2037; anders aber OLG Frankfurt a.M., 25.07.1996 – 16 U 157/95, NJW-RR 1997, 1202 (1203). Vgl. zum Ganzen auch Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3164– 3170; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1770 sowie ausführlich Weller, Ordre-public, 2005, S. 67–132. 312 BGH, 12.03.1984 – II ZR 10/83, NJW 1984, S. 2037. Der Termineinwand gehört jedoch seit der Entscheidung BGH, 21.04.1998 – XI ZR 377-97, NJW 1998, S. 2358 (2359) bei im Ausland geschlossenen Börsentermingeschäften nicht mehr zu den international zwingenden Normen des deutschen Rechts. 313 OLG München, 17.05.2006 – 7 U 1781/06, IPRax 2007, S. 322, 323 f.; kritisch dazu Rühl, IPRax 2006, S. 294. Anders noch BGH, 30.01.1961 – VII ZR 180/60, NJW 1961, S. 1061 (1062). 314 BGH, 21.12.1970 – II ZR 39/70, NJW 1971, S. 325 (326); BGH, 08.02.1971 – II ZR 93/70, NJW 1971, S. 985; BGH, 30.05.1983 – II ZR 135/82, NJW 1983, S. 2772. Die Mindesthaftung des Verfrachters nach den Haag Visby-Regeln ist im deutschen Recht in § 662 HGB geregelt. 315 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3167; Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, § 130 GWB Rn. 341; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 541. 316 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 516; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1770; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3169; Schlosser, in: FS Steindorff, 1990, S. 1379 (1380); Rühl, IPRax 2006, S. 294 (302).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
vorgesehen hat, könne man zwingendem materiellem Recht nur durch Versagung der Anerkennung des ausländischen Urteils gem. § 328 I Nr. 4 ZPO Rechnung tragen.317 Die Nichtrespektierung einer Gerichtsstandsvereinbarung begünstige Parallelverfahren in verschiedenen Ländern und bringe die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen mit sich.318 Einer Derogation der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte kann die Wirkung außerdem versagt werden, wenn zu befürchten steht, dass den Parteien im vereinbarten Forum kein Rechtsschutz gewährt würde. Das ist zum einen der Fall, wenn die Abrede nach dem Prozessrecht des prorogierten Forums unwirksam und daher auch vor dem ausländischen Gericht keine gesetzliche Zuständigkeit eröffnet ist. 319 Der Rechtsverfolgung vor dem prorogierten Gericht können auch tatsächliche Hindernisse entgegenstehen, wie etwa Krieg oder ein Stillstand der Rechtspflege. 320 Einer Gerichtsstandsvereinbarung kann des Weiteren die Wirkung versagt werden, wenn im vereinbarten ausländischen Gerichtsstand entgegen rechtsstaatlichen Grundsätzen verfahren würde. 321 Keinerlei Auswirkung auf die Zulässigkeit einer Derogation haben dagegen bloße Unannehmlichkeiten, die aus der Verfahrensdurchführung im designierten Forum resultieren und für die Parteien bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorhersehbar waren, wie etwa mangelnde Kenntnis der Gerichtssprache
317 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 516. Erst im Fall der Nichtanerkennung des Urteils im Inland sei eine Ersatzzuständigkeit deutscher Gerichte zu eröffnen, Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1770. Differenzierend dagegen Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3169, wonach die Durchführung einer ordre public-Kontrolle im Rahmen des Erkenntnisverfahrens ausnahmsweise dann geboten sei, wenn sicher feststehe, dass im ausländischen Forum international zwingende Normen des deutschen Rechts außer Acht gelassen würden. 318 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 516. 319 BGH, 03.12.1973 – II ZR 91/72, WM 1974, S. 242; OLG Bremen, 18.07.1985 – 2 U 29/85, RIW 1985, S. 894 (895); OLG Koblenz, 24.06.2004 – 5 U 1353/02, IPRax 2006, S. 469 (470–472); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3174; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 22; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 564–567. 320 BAG, 29.06.1978 – 2 AZR 973/77, NJW 1979, S. 1119: bürgerkriegsähnliche Verhältnisse im Libanon; LAG Frankfurt, 10.06.1981 – 7 Sa 1247/80, RIW 1982, S. 524: Iran-Krieg; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3175; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 568 f. 321 Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 571.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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oder des Rechtssystems, höhere Prozesskosten und zusätzlicher Zeitaufwand.322 Die Wirksamkeit einer Derogation ist nicht davon abhängig, dass zwischen der Streitigkeit und dem gewählten ausländischen Forum Berührungspunkte bestehen.323 Ebenso wenig steht der Durchsetzung einer Derogation deutscher Gerichte entgegen, dass eine im prorogierten Forum ergangene Entscheidung in Deutschland möglicherweise nicht anerkannt und/oder vollstreckt werden könnte. 324 Das gilt selbst dann, wenn der Schuldner lediglich in Deutschland über Vermögen verfügt. Eine verlässliche Prognose über die Vollstreckungsaussichten des Urteils sei schwierig, da sich die Lage des vollstreckungsfähigen Vermögens laufend ändern könne.325 Die wirksame Derogation entfaltet – ebenso wie die Prorogation – prozessuale Verfügungswirkung, sie hebt eine nach den allgemeinen Regeln eröffnete Zuständigkeit also verbindlich auf. 326 Den Gerichten steht kein Ermessen zu, sich über eine solche Vereinbarung hinwegzusetzen und ein in Deutschland abredewidrig eingeleitetes Verfahren fortzuführen.327
322
Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3175; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 570. 323 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1760; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3162. 324 BGH, 13.12.1967 – VIII ZR 203/65, NJW 1968, S. 356 (357); BGH, 21.12.1970 – II ZR 39/70, NJW 1971, S. 325 (326); BGH, 03.12.1973 – II ZR 91/72, WM 1974, S. 242 (242); OLG Saarbrücken, 21.09.1988 – 5 U 8/88, NJW-RR 1989, 828 (829); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3171–3173; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 552–560. 325 BGH, 21.12.1970 – II ZR 39/70, NJW 1971, S. 325 (326); OLG Saarbrücken, 21.09.1988 – 5 U 8/88, NJW-RR 1989, 828 (829). 326 Gottwald, in: FS Henckel, 1995, S. 294 (307); Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (441). 327 Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (48); Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1759; F. Sandrock, Neutraler Gerichtsstand, 1997, S. 82. A.A. LG Kiel, 18.01.1984 – 15 O 415/82, RIW 1985, S. 409, welches die Anerkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten französischer Gerichte zwischen einer in Kiel ansässigen Beklagten und einer französischen Klägerin mit folgendem Argument verweigerte: „Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb die Beklagte nicht vor ihrem Wohnsitzgericht, sondern in Frankreich den Prozess führen will.“ Kritisch zu dieser Entscheidung Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1759.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
B. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten Im Anwendungsbereich der EuGVVO (I.) und des HGÜ (II.) gelten für die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen Besonderheiten, denen die folgenden Ausführungen gewidmet sind.
I. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO Die internationale Zuständigkeitsordnung der Art. 2–26 EuGVVO ist dem aus dem deutschen Recht bekannten Modell ähnlich: Im Einzelnen werden allgemeiner Gerichtsstand (Art. 2 EuGVVO), besondere (insbesondere Art. 5, 6 EuGVVO) und ausschließliche (Art. 22 EuGVVO) Zuständigkeiten geregelt, die ergänzt werden durch Sonderegelungen zugunsten bestimmter Personengruppen: Art. 8–14 EuGVVO für Versicherungs-, Art. 5–17 EuGVVO für Verbrauchersachen sowie Art. 18–21 EuGVVO für Streitigkeiten aus individuellen Arbeitsverträgen. Eine zuständigkeitsrechtliche Generalklausel, wie insbesondere aus dem englischen Recht bekannt, findet sich genauso wenig wie ein der forum non conveniens-Doktrin vergleichbarer Ermessensspielraum der Gerichte hinsichtlich der Ausübung bestehender Zuständigkeit328. Darüber hinaus können die Parteien gem. Art. 23 EuGVVO eine Abrede über das international zuständige Gericht treffen. Nach Behandlung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Norm (1.) werden die in ihr geregelten Anforderungen an die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen beleuchtet (2.). 1. Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO Art. 23 EuGVVO gilt für Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen i.S.v. Art. 1 I, II EuGVVO. In zeitlicher Hinsicht ist die Verordnung nach Art. 66 I EuGVVO auf Klagen anwendbar, die nach ihrem Inkrafttreten gem. Art. 76 EuGVVO am 01.03.2002, erhoben wurden. Art. 23 EuGVVO betrifft nur Gerichtsstandsvereinbarungen, die von mindestens einer Partei mit Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet abgeschlossen wurden (a.) und die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats vorsehen (b.). Nach herrschender Auffassung ist des Weiteren das Vorliegen eines internationalen Sachverhalts erforderlich (c.).
328
EuGH, 01.03.2005 – Rs. C-281/02, Owusu ./. Jackson, Slg. 2005, I-1383, Rn. 37– 46; Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (225–230); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 569; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Vorbem. Art. 2 EuGVVO Rn. 14–16b.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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a) Wohnsitz einer der Parteien im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Art. 23 EuGVVO gilt nach dessen Abs. 1 S. 1 für Gerichtsstandsvereinbarungen, bei denen mindestens eine Partei ihren Wohnsitz i.S.v. Art. 59, 60 EuGVVO im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, wobei unerheblich ist, welche Seite im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist. Abweichend vom Grundsatz des Art. 2 I EuGVVO ist es somit ausreichend, wenn lediglich der Kläger seinen Wohnsitz in der EU hat. Dies dient der Rechtsklarheit, denn hinge die Anwendbarkeit des Art. 23 EuGVVO von der prozessualen Stellung der Beteiligten ab, könnte die Geltung der Norm erst nach Einleitung eines Verfahrens beurteilt werden. Dies wäre mit dem Ziel der Verordnung, vorhersehbare Zuständigkeiten zu schaffen, sowie mit dem Sinn und Zweck von Gerichtsstandsvereinbarungen, die Rechts- und Planungssicherheit für die Austragung von Streitigkeiten zu erhöhen, unvereinbar.329 aa) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Wohnsitzes einer Partei in einem Mitgliedstaat Umstritten ist, in welchem Zeitpunkt das Erfordernis eines mitgliedstaatlichen Wohnsitzes gem. Art. 23 EuGVVO erfüllt sein muss. Hierauf kommt es zum einen an, wenn bei Abschluss der Zuständigkeitsabrede eine der Parteien in der EU ansässig war, ihren Wohnsitz jedoch vor Klageerhebung in einen Drittstaat verlegt hat (im Folgenden: Beispiel 1). Die Frage ist zum anderen von Bedeutung, wenn bei Vereinbarung des Gerichtsstands keine der Parteien einen Wohnsitz in der EU hatte, der Kläger oder der Beklagte jedoch bei Prozessbeginn in einem Mitgliedstaat wohnhaft ist (im Folgenden: Beispiel 2). Einer Auffassung zufolge soll stets der Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidend sein.330 Im Beispiel 1 wäre demzufolge das Wohnsitzerfordernis des Art. 23 I EuGVVO erfüllt, im Beispiel 2 dagegen wären Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite der Zuständigkeitsabrede allein nach dem jeweils maßgeblichen autonomen 329
Vgl. EuGH, 13.07.2000 – Rs. C-412/98, Group Josi Reinsurance Company SA ./. Universal General Insurance Company [UGIC], Slg. 2000, I-5925, Rn. 42; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6371; Geimer/ Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 16; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 101; Kröll, ZZP 113 (2000), S. 135 (138); Kruger, EU Jurisdiction Rules, 2008, Rn. 4.10. 330 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 13; Layton/ Mercer, European Civil Practice I, 2. Aufl. 2004, Rn. 20.043 f.; Hess, EuZPR, 2010, S. 313; Gaudement-Tallon, in: Tebbens/Kennedy/Kohler (Hrsg.), Civil Jurisdiction and Judgments in Europe, 1992, S. 129 (130 f.); Kaye, Jurisdiction and Foreign Judgments, 1987, S. 1082 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Recht zu beurteilen. Für das Abstellen auf den Zeitpunkt der Vereinbarung werden Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes angeführt: Für die Parteien sei es von erheblicher Bedeutung, die Gültigkeit und Auswirkungen ihrer Abrede bereits bei ihrer Einigung zuverlässig abschätzen zu können.331 Einer Partei sollte es daher verwehrt sein, durch spätere Wohnsitzverlegung das maßgebliche Recht für die Beurteilung von Zulässigkeit und Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu beeinflussen und somit eventuell den Bestand der Abrede zu gefährden.332 Auf den Zeitpunkt des Prorogationsabschlusses abzustellen, führe auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung. Denn liegen die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 23 EuGVVO (erst) bei der Klageerhebung vor und möchten die Parteien ihre Gerichtsstandsvereinbarung dem Regime der EuGVVO unterwerfen, stünde es ihnen frei, eine nachträgliche Vereinbarung zu schließen.333 Andere Stimmen in Rechtsprechung und Literatur erklären den Zeitpunkt der Klageerhebung für maßgeblich.334 Dieser Ansicht zufolge würde Art. 23 I EuGVVO im Beispiel 1 keinerlei Geltung entfalten 335 , im Beispiel 2 unterläge die Zuständigkeitsabrede dagegen dieser Norm, vorausgesetzt deren sonstige Anwendungsvoraussetzungen wären ebenfalls erfüllt. Als Argument für diese Auffassung wird angeführt, die internationale Zuständigkeit gehöre zu den Sachurteilsvoraussetzungen, für deren Vorliegen allgemein die Sach- und Rechtslage bei Klageerhebung maßgeblich sei. Außerdem wird eine Parallele zu der Handhabung der intertemporalen Regelung in Art. 66 EuGVVO bei Vorliegen von Gerichtsstandsvereinbarungen gezogen. Gemeint ist damit die Problematik, ob Art. 23 EuGVVO auch in Fällen Geltung entfalten soll, in denen diese Norm bei Klageerhebung zwar bereits in Kraft war, im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung jedoch noch nicht galt. Diese Frage stellte sich dem EuGH in der Rechtssache Sanicentral ./. Collin. 336 Der Gerichtshof erklärte für die Anwendbarkeit von Art. 17 EuGVÜ – der Vorgängerregelung von Art. 23 EuGVVO – den Zeitpunkt der Klageerhebung für maßgeblich: Eine Gerichtsstandsabrede stelle lediglich eine Zuständigkeitsop331
MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 13. Layton/Mercer, European Civil Practice I, 2. Aufl. 2004, Rn. 20.044. 333 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 13. 334 OLG München, 15.07.2009 – 31 AR 341/09, NJW-RR 2010, S. 139; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 529; Samtleben, RabelsZ 59 (1995), S. 670 (703); Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, Art. 23 EuGVVO Rn. 2; im Grundsatz auch Hausmann, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6371; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 3.18. 335 Hier könnte jedoch Art. 23 III EuGVVO eine Rolle spielen, näher dazu sogleich unter § 3 B. I. 1. a) bb). 336 EuGH, 13.11.1979 – Rs. 25-79, Sanicentral GmbH ./. Collin, Slg. 1979, 3423. 332
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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tion dar, welche ohne rechtliche Folgen bleibe, solange kein gerichtliches Verfahren eingeleitet ist. Entfalte die Vereinbarung erst dann Wirkungen, wenn eine Klage anhängig gemacht wurde, sei deren Wirksamkeit anhand des zu dieser Zeit geltenden Rechts zu beurteilen.337 Aus dieser Entscheidung wird gefolgert, auch die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 23 EuGVVO müssten erst bei Klageerhebung gegeben sein.338 Das Vertrauen der Parteien, die bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem damals maßgeblichen Recht wirksam begründete Zuständigkeit werde zukünftig bestehen bleiben, sei nicht schutzwürdig. Denn die Abrede betreffe lediglich eine potentielle Zuständigkeit.339 Wiederum andere Teile des Schrifttums befürworten eine differenzierende Lösung.340 Für das Vorliegen des Wohnsitzerfordernisses sei grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich, denn nur so herrsche für die Parteien von Anfang an Klarheit über den rechtlichen Rahmen der Gerichtsstandsvereinbarung. 341 Damit aber der Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO nicht allzu sehr eingeschränkt wird, solle die Norm auch dann gelten, wenn erst bei Klageerhebung ihre Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, also wenn wie im Beispiel 2 erst nach Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung eine Partei Wohnsitz in einem Mitgliedstaat erlangt. Einige sprechen sich in solchen Fällen für die uneingeschränkte Anwendung von Art. 23 I EuGVVO aus.342 Andere wollen aus Gründen des Vertrauensschutzes differenzieren: Erfüllt die Gerichtsstandsvereinbarung die Zulässigkeits- und Wirksamkeitsvoraussetzungen von Art. 23 EuGVVO, finde diese Norm Anwendung. Genügt die Abrede diesen Erfordernissen dagegen nicht, ist sie jedoch nach dem nationalen Recht zulässig und wirksam, welches bei Abschluss auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbar war, dürfe der nachträgliche Statu-
337 EuGH, 13.11.1979 – Rs. 25-79, Sanicentral GmbH ./. Collin, Slg. 1979, 3423, Rn. 5 f. 338 Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 11. 339 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 529. 340 Magnus in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels I, 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 57–64; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 9b, 9c; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 25–28; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 9 f.; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 155–162. 341 Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 9b; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 9. 342 Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 9b; Geimer/ Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 27 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
tenwechsel nicht zur Unwirksamkeit führen. Vielmehr gelte das ursprünglich anwendbare nationale Recht und nicht Art. 23 EuGVVO.343 Letztere Auffassung erscheint vorzugswürdig, da sie dem Vertrauen von Parteien in die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung im Zeitpunkt ihres Abschlusses uneingeschränkten Schutz gewährt, gleichzeitig aber dem Art. 23 EuGVVO zu einer weitest möglichen Anwendbarkeit verhilft. Ein derartiger Vertrauensschutz ist geboten, da Zuständigkeitsabreden nur auf diese Weise Rechts- und Planungssicherheit für die Akteure im internationalen Verkehr schaffen, grenzüberschreitende Verträge kalkulierbar machen und die für die Austragung einer Streitigkeit erforderlichen Rechtsprechungsressourcen minimieren können. Gleichzeitig kann die differenzierte Lösung den Gerichtsstandsabreden zur Gültigkeit verhelfen. Dann nämlich, wenn die Zuständigkeitsvereinbarung nach dem im Zeitpunkt ihres Abschlusses anwendbaren einzelstaatlichen Recht nicht wirksam wäre, hat sie die Chance, nachträglich in den Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO zu gelangen und nach dessen Zulässigkeitsvoraussetzungen gültig zu werden. Dies wäre für die Partei, die nachträglich von der Vereinbarung nichts mehr wissen will und geltend macht, in deren Unwirksamkeit vertraut zu haben, keine unzumutbare Rückwirkung. Denn das Vertrauen in die Geltung bestimmter Zulässigkeitshindernisse ist weniger schutzwürdig als dasjenige in die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung.344 Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Sanicentral ./. Collin rechtfertigt kein anderes Ergebnis. In dieser ging es nicht um die Frage, in welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen von Art. 17 EuGVÜ vorliegen müssen, sondern nur darum, wann die Norm als solche in zeitlicher Hinsicht überhaupt Anwendung finden soll. Die in diesem Urteil vertretene Lösung für den intertemporalen Geltungsbereich von Art. 17 EuGVÜ ist auch nicht Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, wonach für das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen einer Norm des Übereinkommens im Zweifel der Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich sei. Sie ist vielmehr lediglich ein Ergebnis der wortlautgetreuen Anwendung von Art. 54 EuGVÜ (~ Art. 66 EuGVVO). Letztere Norm legt – anders Art. 17 EuGVÜ bzw. Art. 23 EuGVVO – unmissverständlich fest, dass die Vorschriften des Übereinkommens für alle Klagen gelten sollen, die nach dessen Inkrafttreten erhoben worden sind. Zusammenfassend ist somit festzuhalten: Nach der hier favorisierten Lösung ist für das Vorliegen des Wohnsitzerfordernisses von Art. 23 343 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 9 f.; Magnus in: Magnus/ Mankowski (Hrsg.), Brussels I, 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 63; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 162. 344 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 10.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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EuGVVO grundsätzlich der Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidend. Hatte zu dieser Zeit eine Partei ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat und sind die sonstigen Anwendungsvoraussetzungen von Art. 23 EuGVVO erfüllt, unterliegt die Zuständigkeitsabrede dem Regime der Verordnung, selbst wenn bei Klageerhebung keine der Parteien in der EU ansässig war (Ergebnis für Beispiel 1). Hat eine der Parteien dagegen erst bei Prozessbeginn ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, findet Art. 23 EuGVVO nur dann Anwendung, wenn die Geltung der Norm nicht dazu führt, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung als unwirksam bzw. unzulässig anzusehen ist, die nach dem bei Abschluss der Abrede maßgeblichen nationalen Recht Bestand gehabt hätte (Ergebnis für Beispiel 2). bb) Die Sonderregel von Art. 23 III EuGVVO für Gerichtsstandsvereinbarungen, deren Parteien außerhalb der EU ansässig sind Ist keine der Parteien zu dem oben für maßgeblich erachteten Zeitpunkt in der EU wohnhaft, wurde jedoch die Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts prorogiert, richtet sich die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht nach Art. 23 EuGVVO, sondern gem. Art. 4 EuGVVO nach dem jeweils maßgeblichen nationalen Recht.345 Haben sich also etwa eine US-amerikanische und eine russische Partei auf die Zuständigkeit deutscher Gerichte verständigt, entscheiden diese über Zulässigkeit, Wirksamkeit, Zustandekommen und Form der Abrede nach der ZPO bzw. dem aus deren Sicht anwendbaren materiellen Recht. Für diese Konstellation sieht Art. 23 III EuGVVO lediglich vor, dass die anderen mitgliedstaatlichen Gerichte erst entscheiden dürfen, wenn sich das vereinbarte Gericht nach seinen autonomen Verfahrensvorschriften rechtskräftig für unzuständig erklärt hat. Werden in dem genannten Beispielsfall abredewidrig französische Gerichte angerufen, können sie über die Hauptsache also nicht befinden, solange der Unzuständigkeitsentscheid deutscher Gerichte aussteht. In solchen Fällen garantiert die EuGVVO somit zwar nicht den Prorogationseffekt der Gerichtsstandsabrede, stellt jedoch das Erstentscheidungsrecht der prorogierten Gerichte zur Beurteilung der Zuständigkeitsabrede sicher (sog. Kompetenz-Kompetenz der Gerichte im forum prorogatum).346
345
Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 17; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6371; Hess, EuZPR, 2010, S. 313; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 9. 346 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6372; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 214; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 8.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
b) Zuständigkeitsabrede zugunsten der Gerichte eines Mitgliedstaats Nach seinem Abs. I S. 1 gilt Art. 23 EuGVVO des Weiteren nur, wenn die Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines Mitgliedstaats vereinbart haben. Wurde dagegen ein drittstaatliches Gericht prorogiert, entscheidet dieses über die Anerkennung der Zuständigkeitsabrede nach einhelliger Auffassung unter Zugrundelegung des aus seiner Sicht maßgeblichen Prozess- bzw. materiellen Rechts.347 Unklar ist die Rolle der EuGVVO jedoch in Fällen, in denen entgegen der ausschließlichen Prorogation eines Drittstaatengerichts ein mitgliedstaatliches Gericht angerufen wurde. Hier kommt die Heranziehung der EuGVVO in Betracht, wenn durch die Gerichtsstandsvereinbarung ein aufgrund der EuGVVO an sich bestehender Gerichtsstand abbedungen wurde. Eindeutig ist die Lösung, wenn keine der Parteien ihren Wohnsitz innerhalb der EU hat: Gemäß Art. 4 EuGVVO ist dann ausschließlich autonomes nationales Recht anwendbar. 348 Was gilt jedoch, wenn an der Gerichtsstandsvereinbarung eine in der EU wohnhafte Partei beteiligt ist? Die Frage der Anwendbarkeit von Art. 23 EuGVVO stellt sich etwa, wenn ein in Deutschland und ein in den USA ansässiges Unternehmen für einen Vertrag über in Deutschland zu erbringende Leistungen die ausschließliche Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte vereinbart haben und später Klage vor deutschen Gerichten erhoben wird. Ein Teil der Literatur möchte die Gültigkeit der Derogation in solchen Fällen unter (analoger) Anwendung von Art. 23 EuGVVO beurteilen.349 So werde nicht nur gewährleistet, dass ausschließliche Prorogationen zugunsten drittstaatlicher Gerichte EU-weit einheitlich beurteilt werden, sondern auch verhindert, dass die Schutzvorschriften von Art. 13, 17, 21 und 22
347 EuGH, 09.11.2000 – Rs. C-387/98, Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV, Slg. 2000, I-9337, Rn. 19 f.; BGH, 20.01.1986 – II ZR 56/85, NJW 1986, S. 1438 (1439); OLG Frankfurt a.M., 17.10.1995 – 5 U 176/94, IPRax 1998, S. 35; Coester-Waltjen, in: FS Nakamura, 1996, S. 90 (112); Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 14; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6a; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6373; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 3.21; Kruger, EU Jurisdiction Rules, 2008, Rn. 4.13; Collins/ Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.103; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 2.124. 348 Hill, International Disputes, 1994, Rn. 5.3.2.3.1. 349 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 41–43; Zöller/ Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, Anh. I Art. 23 EuGVVO Rn. 12; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 531; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 3b; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 50–58; Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (228); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 254–263.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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EuGVVO umgangen werden.350 Sofern sich der Beklagtenwohnsitz in der EU befindet, sei die Anwendung von Art. 23 EuGVVO darüber hinaus auch wegen Art. 2 I EuGVVO geboten, wonach die Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates nur „vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung“ besteht und somit nicht nach nationalen Regeln beschränkt werden könne.351 Die überwiegende Auffassung nimmt dagegen zu Recht Art. 23 I S. 1 EuGVVO, der lediglich die Prorogation eines mitgliedstaatlichen Gerichts regelt, beim Wort und misst der Norm für die Beurteilung des Derogationseffekts einer Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten drittstaatlicher Gerichte grundsätzlich keinerlei Bedeutung zu.352 Hiervon machen manche eine Ausnahme, wenn die Prorogation der Gerichte eines Drittstaats gegen die Derogationsschranken von Art. 23 V EuGVVO verstößt, d.h. die Schutzvorschriften von Art. 13, 17, 21 und 22 EuGVVO Gefahr laufen, umgangen zu werden.353 Aus zwei Gründen ist es sinnvoll, der Gerichtswahlfreiheit in Versicherungs-, Verbraucher-, Arbeitssachen und bei Vorliegen eines ausschließlichen Gerichtsstands i.S.v. Art. 22 EuGVVO zu beschränken: Zum einen findet sich im Wortlaut von Art. 13, 17, 21, 22 350
Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 3b; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 531. 351 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 41. 352 BGH, 20.01.1986 – II ZR 56/85, NJW 1986, S. 1438; BGH, 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, S. 1431; OGH Wien, 31.01.2002 – 6 Ob 275/01m, IPRax 2004, S. 261 (262 f.); OLG Bamberg, 22.09.1988 – 1 U 302/87, NJW-RR 1989, S. 371; OLG München, 28.09.1989 – 24 U 391/87, IPRax 1991, S. 46 (48); OLG Frankfurt a.M., 17.10.1995 – 5 U 176/94, IPRax 1998, S. 35 (36); OLG Koblenz, 24.06.2004 – 5 U 1353/02, IPRax 2006, S. 469; Court of Appeal, 13.03.1991 – Re Harrods (Buenos Aires) Ltd. No. 2, [1992] Ch. 72; High Court, 24.01.1990 – Arkwright Mutual Insurance Co. v. Bryanston Insurance Co. Ltd., [1990] 2 Lloyd’s Rep. 70; High Court, 15.04.2005 – Konkola Copper Mines plc v. Coromin, [2005] EWHC 898 (Comm), para. 83; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 14; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 4; Hess, EuZPR, 2010, S. 313; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 11; Hausmann, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6373; Coester-Waltjen, in: FS Nakamura, 1996, S. 90 (113), die eine einheitliche Beurteilung nach dem Maßstab von Art. 17 EuGVÜ (~ Art. 23 EuGVVO) jedoch für rechtspolitisch vernünftig hält; v. Hein, IPRax 2006, S. 16 (17); Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 137– 140; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 3.21; Hartley, International Commercial Litigation, 2009, S. 165; Kruger, EU Jurisdiction Rules, 2008, Rn. 4.13; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 290; Hill, International Disputes, 1994, Rn. 5.3.2.3.2. 353 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 30; v. Hein, IPRax 2006, S. 16 (17); Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6486; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 14, 81–85; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 12; Hess, EuZPR, 2010, S. 313; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 132–136.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
EuGVVO – anders als in Art. 23 I EuGVVO – kein Anhaltspunkt dafür, dass diese Schutzvorschriften lediglich für die Abrede der Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts gelten sollen. Zum anderen erscheint es widersprüchlich, diese Schutzvorschriften bei Prorogationen mitgliedstaatlicher Gerichte strikt anzuwenden, sie jedoch bei Vereinbarung der Zuständigkeit von „entfernteren“ drittstaatlichen Gerichten unberücksichtigt zu lassen.354 c) Internationaler Sachverhalt Weitere ungeschriebene Voraussetzung für die Anwendung von Art. 23 EuGVVO ist das Vorliegen eines internationalen Sachverhalts.355 Reine Inlandsfälle, wie etwa die Prorogation zwischen zwei Parteien aus Deutschland zugunsten inländischer Gerichte in einer Streitigkeit, die sonst keinerlei Auslandsbeziehungen aufweist, sind vom gemeinschaftlichen Zuständigkeitsrecht nicht erfasst.356 Dies zeigt die Verweisung auf Art. 65 EGV
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Vgl. Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 81–84; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 133–135. 355 Bei dieser letzten Anwendungsvoraussetzung von Art. 23 EuGVVO kann sich ebenfalls die Frage stellen, welcher Zeitpunkt für das Vorliegen eines internationalen Sachverhalts maßgeblich ist. Insoweit kann auf den im Zusammenhang mit dem Erfordernis eines Wohnsitzes in der EU dargestellten Meinungsstreit verwiesen werden, s. oben § 3 B. I. 1. a) aa). 356 BGH, 14.11.1991 – IX ZR 250/90, NJW 1993, S. 1070 (1071); OLG Hamm, 18.09.1997 – 5 U 89/97, IPRax 1999, S. 244 zu Art. 17 LugÜ; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 527; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6375; Kröll, ZZP 113 (2000), S. 135 (138 f.); Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 4; RauscherEuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 6 f.; Samtleben, RabelsZ 59 (1995), S. 670 (685 f.); Burgstaller/Neumayr, in: FS Schlosser, 2005, S. 119 (121–125); Kruger, EU Jurisdiction Rules, 2008, Rn. 4.14; O’Malley/Layton, European Civil Practice, 1989, Rn. 21.06; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 284 (Fn. 691), der zugleich auf die Praxis englischer Gerichte hinweist, Art. 23 EuGVVO auch in reinen Inlandssachverhalten heranzuziehen. Vgl. etwa High Court, 02.05.2003 – Roche Products Ltd. v. Provimi Ltd., 2003 EWHC 961 (Comm), para. 75 (Aikens J): „Nor is there any case law of the ECJ that has held that Article 23 (or its predecessor Article 17) only applies to jurisdiction clauses that refer expressly to international jurisdiction issues. In my view the wording of Article 23 is sufficiently broad to apply to all jurisdiction agreements. It would be contrary to the objective of providing legal certainty if some jurisdiction agreements were within Article 23 but some fell outside its scope and their validity were to be determined by national laws.“; High Court, 23.02.2006 – Snookes v. Jani-King (GB) Ltd., [2006] EWHC 289 (QB), paras. 44 f. (Silber J).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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im 3. Erwgr. der EuGVVO, wonach die Verordnung lediglich Wirkung für „Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen“ entfaltet.357 Ein internationaler Fall liegt unproblematisch vor, wenn die Parteien mit Wohnsitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen. 358 Ein Auslandsbezug kann jedoch auch bei Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat gegeben sein, wenn ein auswärtiger Gerichtsstand vereinbart wird (zwei Deutsche verständigen sich auf österreichisches Gericht)359, aus dem betroffenen Vertrag eine Leistungserbringung in einem anderen Staat geschuldet ist 360 oder der Leistungsgegenstand sonstige enge Verbindungen zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist361. Unklar ist, ob ein internationaler Sachverhalt auch dann vorliegt, wenn Berührungspunkte lediglich zu einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat bestehen. Gilt also Art. 23 EuGVVO, wenn etwa eine US-amerikanische und eine deutsche Partei die Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart haben, ohne dass Verbindungen zu einem weiteren Mitgliedstaat bestehen? Zu der Vorgängerregelung in Art. 17 EuGVÜ verlangten deutsche Gerichte eine Verbindung zu mindestens zwei Vertragsstaaten.362 Dies entsprach im Prinzip der herrschenden Literaturauffassung, die allerdings zusätzlich verlangte, dass durch die Prorogation eine nach den allgemeinen Regeln des Übereinkommens eröffnete Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Ver357
Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6375; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 2. 358 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 3. 359 OLG München, 13.02.1985 – 7 U 3867/84, IPRspr. 1985 Nr. 133 A; Jenard, Bericht zu EuGVÜ (38) zu Art. 17 EuGVÜ; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 3; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6375; Hess, EuZPR, 2010, S. 313; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 117–120; O’Malley/Layton, European Civil Practice, 1989, Rn. 21.06; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.102. A.A. OLG Hamm, 18.09.1997 – 5 U 89/97, IPRax 1999, S. 244 (245) zu Art. 17 LugÜ; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6; RauscherEuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 6b. 360 Arrondissementsrechtbank Rotterdam, 30.09.1988, [1991] I.L.Pr. 285; High Court, 15.12.2004 – Standard Steamship Owners’ Protection and Indemnity Association (Bermuda) Ltd. v. G.I.E. Vision Bail, [2004] EWHC 2919 (Comm); Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 6a. 361 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6. 362 OLG München, 28.09.1989 – 24 U 391/87, IPRax 1991, S. 46; OLG Karlsruhe, 09.10.1992 – 15 U 67/92, NJW-RR 1993, S. 567; OLG Saarbrücken, 13.10.1999 – 1 U 190/99-37, NJW 2000, S. 670; BGH, 14.11.1991 – IX ZR 250/90, NJW 1993, S. 1070 (1071); BGH, 21.11.1996 – IX ZR 264/95, NJW 1997, S. 397 (399).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
tragsstaats abbedungen wird.363 Ziel des Übereinkommens sei es in erster Linie, den Rechtsverkehr zwischen den Vertragsstaaten zu erleichtern, so dass dessen Anwendung ausscheiden müsse, wenn sich der Auslandsbezug im Einzelfall lediglich aus Beziehungen zwischen einem Vertrags- und einem Nichtvertragsstaat ergibt.364 In der Entscheidung Owusu ./. Jackson stellte der EuGH im Rahmen eines obiter dictum jedoch fest, dass Art. 17 EuGVÜ auch auf Rechtsverhältnisse anwendbar ist, „die einen Bezug zu nur einem Vertragsstaat und einem oder mehreren Drittstaaten aufweisen“.365 Aus diesem Urteil, dem 8. Erwgr. der EuGVVO – wonach für die Geltung der Verordnung die Verbindung der Streitigkeit zum Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausreicht – und dem Wortlaut von Art. 23 I S. 1 EuGVVO, der bei der Prorogation eines mitgliedstaatlichen Gerichts den Wohnsitz einer Partei im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausreichen lässt, wird im neueren Schrifttum zu Recht gefolgert, dass Art. 23 I EuGVVO auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Auslandsbezug zu einem Drittstaat besteht.366 2. Voraussetzungen der Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO Eine Gerichtsstandsabrede ist gem. Art. 23 I S. 1 EuGVVO nur dann zulässig, wenn sie sich auf eine bereits entstandene oder künftige Streitigkeit bezieht, die einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringt. Durch das Bestimmtheitserfordernis soll „die Geltung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf die Rechtsstreitigkeiten eingeschränkt werden, die ihren Ursprung in dem Rechtsverhältnis haben, anlässlich dessen die Vereinbarung geschlossen wurde“. 367 Insbesondere wirtschaftlich schwächere Vertragsparteien 363 Piltz, NJW 1979, S. 1071 (1072); Kohler, IPRax 1983, S. 265 (266); F. Sandrock, Neutraler Gerichtsstand, 1997, S. 275; Schack, IZVR, 3. Aufl. 2002, Rn. 464; O’Malley/ Layton, European Civil Practice, 1989, Rn. 21.06–21.12. 364 OLG München, 28.09.1989 – 24 U 391/87, IPRax 1991, S. 46 (46 f.). 365 EuGH, 01.03.2005 – Rs. C-281/02, Owusu ./. Jackson, Slg. 2005, I-1383, Rn. 28. 366 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6376–6378; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 4– 5a.; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 6; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 527; v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 131; MünchKomm-ZPO/ Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 7; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn.12.102. So bereits zum EuGVÜ: Coester-Waltjen, in: FS Nakamura, 1996, S. 90 (112); Kröll, ZZP 113 (2000), S. 135 (138–140). 367 EuGH, 10.03.1992 – Rs. C-214/89, Powell Duffryn Plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, Rn. 31. Vgl. auch Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 69; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 52; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6481.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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sollen vor Abreden geschützt werden, die ihnen einen Gerichtsstand auch für Streitigkeiten aus noch nicht absehbaren zukünftigen Rechtsgeschäften aufoktroyieren.368 Eine zulässige Gerichtsstandsvereinbarung erfordert des Weiteren, dass das designierte Forum unzweideutig ermittelt werden kann. 369 Dass dies allein aufgrund des Wortlauts der Prorogation erfolgt, ist nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, wenn die Abrede objektive Kriterien enthält – etwa Bezeichnung des Gerichts am Erfüllungsort, am Wohnsitz des jeweiligen Klägers, etc. –, die es dem später angerufenen Gericht ermöglichen, über seine Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände zu befinden.370 Unwirksam sind dagegen Vereinbarungen, nach denen die Bestimmung des Gerichtsstands ohne Festlegung konkreter Kriterien einer Partei allein überlassen wird.371 Das Bestimmtheitserfordernis ist auch bei Abreden gewahrt, die es einer oder beiden Vertragsparteien gestatten, sich bei Klageerhebung für eines von zwei oder mehreren bezeichneten Gerichten zu entscheiden. 372 Der herrschenden Auffassung zufolge ist es nach dem Grundsatz der Parteiautonomie aber möglich, dass über dem Wortlaut von Art. 23 I S. 1 EuGVVO hinaus zwei oder mehrere Gerichte in unterschiedlichen Mitgliedstaaten prorogiert werden.373 Eine Verbindung zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem vereinbarten Gericht verlangt Art. 23 EuGVVO nicht.374 Die Parteien können 368 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6481; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 69. 369 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6483; Nagel/Gottwald, IZPR, 6. Aufl. 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 55; Kropholler/ v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 71. 370 EuGH, 09.11.2000 – Rs. C-387/98, Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV, Slg. 2000, I-9337, Rn. 15; OLG München, 01.03.2000 – 7 U 5080/99, IPRspr. 2000 Nr. 143; LG Frankfurt a.M., 09.05.1986 – 3/11 O 138/85, IPRspr. 1986 Nr. 133; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 71–74; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6483 f.; Hess, EuZPR, 2010, S. 314; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 2.123. 371 LG Braunschweig, 28.02.1974 – 9 a O 115/73, RIW/AWD 1974, S. 346 (347); Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 72; Nagel/Gottwald, IZPR, 6. Aufl. 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 55; Hess, EuZPR, 2010, S. 314. 372 Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 72. 373 EuGH, 09.11.1978 – Rs. 23/78, Meeth ./. Glacetal, Slg. 1978, 2133, Rn. 5; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 73; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 55; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 170; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 288 f. 374 EuGH, 17.01.1980 – Rs. C-56/79, Zelger ./. Salinitri, Slg. 1980, 89, Rn. 4; EuGH, 20.02.1997 – Rs. C-106/95, MSG Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, NJW 1997, S. 1431, Rn. 34; EuGH, 03.07.1997 – Rs. C-269/95, Benincasa ./. Dentalkit Srl., Slg. 1997, I-3767, Rn. 28; EuGH, 16.03.1999 – Rs. C-159/97,
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
somit die Zuständigkeit eines neutralen Gerichtsstaats vereinbaren. Gemäß Art. 23 V EuGVVO sind Gerichtsstandsvereinbarungen, die gegen die Sonderbestimmungen zum Schutz von Versicherungsnehmern, Verbrauchern und Arbeitnehmern in Art. 13, 17, 21 EuGVVO verstoßen, unzulässig. Die Norm stellt außerdem klar, dass die ausschließlichen Gerichtsstände von Art. 22 EuGVVO derogationsfest sind. Die dargestellten Anforderungen an die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen sind grundsätzlich abschließend. Prorogations- und Derogationsbeschränkungen nach autonomem Recht sind neben Art. 23 EuGVVO nicht anwendbar.375 Auch Art. III 8 der Haag-Visby-Regeln entfaltet keine Geltung: Die Norm befasst sich nicht unmittelbar mit Gerichtsstandsvereinbarungen, hat lediglich mittelbar Konsequenzen für diese, so dass sie keine Zuständigkeitsregelung für ein besonderes Rechtsgebiet i.S.v. Art. 71 I EuGVVO ist.376 Der Mitgliedstaat, dessen internationale Zuständigkeit gem. Art. 23 EuGVVO wirksam vereinbart wurde, ist zur Annahme der Streitigkeit verpflichtet. Seine Gerichte genießen keinen Ermessensspielraum, können die Anerkennung der Abrede somit nicht von einer forum non conveniens-ähnlichen Prüfung abhängig machen. 377 Solche Erwägungen sind umgekehrt auch mitgliedstaatlichen Gerichten verwehrt, deren internationale Zuständigkeit gem. Art. 23 EuGVVO wirksam derogiert wurde. Eine vor diesen abredewidrig erhobene Klage ist zwingend als unzulässig abzuweisen.378
Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, Rn. 50; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 12c; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 59; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 177g. 375 EuGH, 16.03.1999 – Rs. C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, Rn. 51; OLG Stuttgart, 09.11.1990 – 2 U 16/90, EuZW 1991, S. 125 (126); LG Darmstadt, 02.12.1993 – 13 O 438/92, NJW-RR 1994, S. 684 (686); High Court, 02.05.2003 – Roche Products Ltd. v. Provimi Ltd., 2003 EWHC 961 (Comm), paras. 84 f. (Aikens J); Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 11–12b; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 31 f.; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 19–22. 376 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 32; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 22; Redmann, Ordre public, 2005, S. 175– 177; a.A. Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 12b. 377 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 180. 378 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6518.
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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II. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ Neben der EuGVVO ist das HGÜ das wichtigste Beispiel für ein international vereinheitlichtes Regelwerk zur Handhabung von Zuständigkeitsabreden. Auch wenn es noch nicht in Kraft getreten ist, ist zu erwarten, dass es zukünftig für den Rechtsverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten und vielen Drittstaaten von Bedeutung sein wird. Dies ist jedoch nicht der einzige Grund dafür, sich hier mit den Regelungen des HGÜ näher auseinandersetzen. Vielmehr ist das HGÜ die jüngste Konvention, die ausschließlich der Verbesserung des Schutzes von Gerichtsstandsvereinbarungen dient, und verkörpert insoweit den neuesten Entwicklungsstand. Nach einem Überblick über Entstehungsgeschichte und Grundzüge des HGÜ (1.) sind dessen Anwendungsvoraussetzungen darzustellen (2.) und die HGÜeigenen Zulässigkeitsregelungen zu beleuchten (3.). 1. Die Entstehungsgeschichte und die Grundzüge des HGÜ Die Haager Konferenz für IPR hatte bereits vor dem HGÜ zwei Konventionen über Gerichtsstandsvereinbarungen ausgearbeitet – das Übereinkommen vom 05.04.1958 über die Zuständigkeit des vertraglich vereinbarten Gerichts bei internationalen Kaufverträgen 379 und das Übereinkommen vom 25.11.1965 über einheitliche Regeln betreffend die Gültigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen380. Diese Regelwerke traten jedoch nie in Kraft und konnten somit nicht als Vorbild für das HGÜ dienen.381 Am Anfang der Arbeiten, die schließlich zu der Verabschiedung des HGÜ führten, stand ein weiter gefasstes Vorhaben: Im Jahr 1992 äußerten die USA gegenüber der Haager Konferenz für IPR ihr Interesse an einem weltweiten Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung zivilrechtlicher Entscheidungen.382 Die USA, die bis zu dem HGÜ keiner 379
Vgl. zu diesem Übereinkommen: Coester-Waltjen, RabelsZ 57 (1993), S. 263 (280–283); Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 468. 380 Vgl. zu diesem Übereinkommen: Coester-Waltjen, RabelsZ 57 (1993), S. 263 (283 f.); Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 469. 381 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (102). 382 Beaumont, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 125 (127–129); Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (103); Hess, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 263 (263); McClean, in: FS North, 2002, S. 255 (257 f.). Die Haager Konferenz für IPR hatte bereits am 01.02.1971 eine Konvention über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen verabschiedet. Das Übereinkommen ist zwar in Kraft getreten, wurde jedoch von lediglich drei Staaten – Zypern, den Niederlanden und Portugal – ratifiziert. Vgl. zu diesem Übereinkommen: Coester-Waltjen, RabelsZ 57 (1993), S. 263
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Konvention zur gegenseitigen grenzüberschreitenden Urteilsanerkennung beigetreten waren, wollten auf diese Weise die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen ihrer Gerichte im Ausland fördern. 383 Auf europäischer Seite waren die Interessen an der Erarbeitung eines Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommens etwas anders gelagert: Die EU-Mitgliedstaaten sahen hierin eine Möglichkeit, die Regeln über die internationale Zuständigkeit nach dem Vorbild des EuGVÜ zu vereinheitlichen und die teilweise extensiven US-amerikanischen Zuständigkeitsgrundlagen einzuschränken. Insbesondere war ihnen an der Eindämmung des Gerichtsstands des doing continuous and systematic business 384 und der transient jurisdiction385 gelegen.386 Um diese Interessen miteinander zu vereinbaren, wurde im Jahr 1993 in Den Haag die Arbeit an einer Konvention aufgenommen, die Bestimmungen der internationalen Zuständigkeit und darauf aufbauende Anerkennungs- und Vollstreckungsregelungen enthalten sollte.387 Während bei der Erarbeitung gemeinsamer Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln Fortschritte zu verzeichnen waren, gestaltete sich die Suche nach einheitlichen Zuständigkeitsvorschriften besonders schwierig.388 In einem Entwurf aus dem Jahr 1999 einigte man sich auf ein Übereinkommen, dessen Zuständigkeitsregeln in drei Kategorien aufgeteilt waren, die entsprechend als „weiße“, „schwarze“ und „graue Liste“ bzw. „Grauzone“ bezeichnet wurden389: Zu der ersten gehörten die Gerichtsstände, die in allen Vertragsstaaten vorhanden sein mussten, wie etwa der allgemeine Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz und die besonderen Gerichtsstände für vertragliche sowie deliktische Streitigkeiten. Den Entscheidungen aus einem solchen Gerichtsstand der „weißen Liste“ wäre in den anderen Ver(284–289); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 6–8. Der Grund für den ausgebliebenen weltweiten Erfolg des Projekts wird u.a. in der fehlenden Behandlung der Frage der (direkten) internationalen Zuständigkeit gesehen, McClean, in: FS North, 2002, S. 255 (257 f.). 383 Teitz, Roger Williams U.L.Rev. 10 (2004), S. 1 (5 f.); Berlin, B.Y.U. Int’l & Mgmt. Rev. 3 (2006), S. 43 (43); Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 4. Vgl. auch Wagner, IPRax 2001, S. 533 (534), der den Wunsch der USA nach einem weltweiten Anerkennungsübereinkommen vor dem Hintergrund als verständlich bezeichnet, dass US-amerikanische Urteile in vielen Staaten – anders als in Deutschland – nicht auf der Basis der Gegenseitigkeit, sondern nur auf staatsvertraglicher Grundlage anerkannt werden. 384 S. dazu oben § 3 A. II. 1. b) aa) (2) (a). 385 S. dazu oben § 3 A. II. 1. b) aa) (2). 386 Wagner, IPRax 2001, S. 533 (534); Heß, IPRax 2000, S. 342; Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (545). 387 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (104); Beaumont, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 125 (129 f.). 388 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (104); McClean, in: FS North, 2002, S. 255 (261); Baumgartner, Hague Convention, 2003, S. 181–185. 389 Wagner, IPRax 2001, S. 533 (536–544); Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (105).
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tragsstaaten nach den Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln des Übereinkommens Wirkung beizumessen. Auf der „schwarzen Liste“ standen dagegen die Gerichtsstände, auf die vertragsstaatliche Gerichte ihre Zuständigkeit nicht stützen durften, so etwa der Gerichtsstand aufgrund der Staatsangehörigkeit des Klägers oder des Beklagten bzw. der Gerichtsstand am Klägerwohnsitz. Die „graue Liste“ erfasste alle übrig bleibenden Gerichtsstände. Erachtete ein vertragsstaatliches Gericht seine Zuständigkeit aufgrund eines solchen Gerichtsstands für eröffnet, hätten sich die Anerkennung und Vollstreckung seiner Entscheidung nicht nach den Regeln des Übereinkommens gerichtet, sondern nach dem insoweit im Anerkennungsund Vollstreckungsstaat geltenden autonomen Rechtsregime. Die USA haben den Entwurf aus dem Jahr 1999 jedoch aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt. Den aus den meisten kontinentaleuropäischen Ländern bekannten klar umrissenen Gerichtsständen stand das US-amerikanische jurisdiction-Konzept entgegen, welches auf weiten Zuständigkeitsgründen beruht, die durch das Ermessen des Gerichts im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin eingeschränkt werden können. 390 Hinzu kam die bereits oben erläuterte Besonderheit des US-amerikanischen Zuständigkeitssystems, dass in vielen Fällen geprüft werden muss, ob die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten im angerufenen Forum mit dem verfassungsrechtlichen due process-Gebot vereinbar ist. 391 Ausgehend hiervon erwies sich ein uneingeschränkter allgemeiner Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz bzw. am Ort, wo das schädigende Ereignis eingetreten ist, für die USA als nicht hinnehmbar.392 Weitere Ursache für die fehlenden Fortschritte bei den Verhandlungen in Den Haag war der Wunsch der Beteiligten, im Rahmen des Übereinkommens den Besonderheiten des elektronischen Handels Rechnung zu tragen und Regelungen für immaterialgüterrechtliche Streitigkeiten zu treffen – Sondergebiete, auf denen es auf internationaler Ebene zu dieser Zeit keine Vorarbeiten gab.393 Aus diesen Gründen kamen die Verhandlungen über ein weltweites Zuständigkeits-, Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen im Jahr 2001 zum Stillstand.394 Um das vollständige Scheitern des Projekts zu ver390
Wagner, IPRax 2001, S. 533 (535); O’Brian, MLR 66 (2003), S. 491 (493–498). Vgl. zu den jurisdiction-Regeln im US-amerikanischen Recht oben § 3 A. II. 1. b). 391 Wagner, IPRax 2001, S. 533 (535); Baumgartner, Hague Convention, 2003, S. 169–175. S. oben § 3 A. II. 1. b) aa) (2) (b). 392 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (106); Silberman/Lowenfeld, in: FS von Mehren, 2002, S. 121 (123); McClean, in: FS North, 2002, S. 255 (261); Brand, in: FS von Mehren, 2002, S. 11 (20, 22–25). 393 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (106 f.); Kur, GRUR Int 2001, S. 908; Haines, HGÜ-Prel. Doc. No. 17. 394 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (107 f.); Hess, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 263 (268); McClean, in: FS North, 2002, S. 255 (264–268).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
hindern, entschied man sich im April 2002, die Verhandlungen auf die Entwicklung einer Konvention für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen zu beschränken: Vereinheitlichen wollte man einerseits die Anforderungen an die Begründung der internationalen Zuständigkeit durch ausschließliche Gerichtsstandsabreden, andererseits die Grundsätze über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen prorogierter Gerichte. 395 Die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln sollten auch nicht ausschließliche Prorogationen erfassen.396 Viele der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen der an den Verhandlungen beteiligten Staaten führten zunächst auch zu Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung eines auf Gerichtsstandsvereinbarungen beschränkten internationalen Übereinkommens. Als besonders problematisch erwies sich die Frage, ob es vertragsstaatlichen Gerichten möglich sein soll, die Anerkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung aus forum non conveniens-Erwägungen zu versagen. Während sich ein Teil der Staaten aus Gründen der Rechtssicherheit für eine grundsätzliche Pflicht zur Durchsetzung wirksamer Zuständigkeitsabreden aussprach, verlangten andere nach einer Regelung, die es ihren Gerichten ermöglicht, auf sie lautenden Prorogationen die Wirkung zu versagen, wenn abgesehen vom Ort des designierten Gerichts keine weiteren Berührungspunkte zwischen diesem Staat und dem Rechtsstreit oder den Parteien bestehen. Ohne eine derartige Regelung – so die sie befürwortenden Staaten – stehe zu befürchten, dass ihren Gerichten und ihren Steuerzahlern zusätzliche Belastungen für die Austragung von Streitigkeiten aufgebürdet würden, die über keinerlei Verbindung zu dem Forum verfügen.397 Ein Kompromiss konnte schließlich gefunden werden in Form des Vorbehalts in Art. 19 HGÜ, auf den sogleich näher einzugehen sein wird.398 Umstritten war auch, ob das zu erarbeitende Übereinkommen auch nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen erfassen sollte. Zwar war man sich darüber einig, dass die Entwicklung eines umfassenden Rechtsregimes für solche Abreden mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre: Da fakultative Zuständigkeitsabreden der Anrufung eines anderen als des designierten Gerichts nicht entgegenstehen, hätte man sich nämlich auf Regeln zur Behandlung von Parallelverfahren vor dem vereinbarten und einem anderen Gericht einigen müssen. Die Herangehensweise an solche Fälle in common law- und civil law-Ländern divergiert jedoch erheblich
395
Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (108); Hess, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 263 (268 f.); Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (546). 396 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (108). 397 Schulze, HGÜ-Prel. Doc. No. 20, S. 8 f.; Schulze, HGÜ-Prel. Doc. No. 21, S. 8–10. 398 S. unten § 3 B. II. 2. a) aa) (1).
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voneinander399, so dass die Entwicklung einer gemeinsamen Lösung sehr aufwendig erschien.400 Zugleich bekundeten einige der beteiligten Delegationen, darunter insbesondere die US-amerikanische, erhebliches Interesse an einer Regelung, die die Anerkennungsfähigkeit eines Urteils gewährleistet, welches in dem in einer fakultativen Gerichtsstandsabrede designierten Forum erlassen wurde. 401 Diesen Wunsch berücksichtigte man durch das Einfügen von Art. 22 HGÜ, wonach ein Vertragsstaat erklären kann, dass seine Gerichte Entscheidungen anerkennen und vollstrecken werden, wenn diese von einem in einer nicht ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung prorogierten Gericht erlassen wurden.402 Am 30.06.2005 wurde das HGÜ nach insgesamt 13 Jahren Verhandlungen verabschiedet. Ziel des Übereinkommens ist es, für grenzüberschreitend tätige Unternehmen, die einen internationalen Gerichtsstand für die Austragung bestimmter Streitigkeiten festlegen, ähnliche Planungssicherheit und Berechenbarkeit zu schaffen, wie sie bei dem Abschluss von Schiedsabreden dank des NYÜ besteht.403 Welche positive Auswirkung die Zuverlässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr haben kann, bestätigen die Ergebnisse von zwei Enqueten, die im Zuge der Vorarbeiten zum HGÜ im Jahr 2003 durchgeführt wurden: In einer Umfrage der Internationalen Handelskammer unter 100 weltweit tätigen Unternehmen haben 40% der Teilnehmer angegeben, dass wichtige geschäftliche Entscheidungen durch Unsicherheiten über das international zuständige Gericht für die Austragung von Streitigkeiten aus Vertragsverhältnissen beeinflusst wurden. 404 Im Rahmen einer von der American Bar Association durchgeführten Untersuchung haben 98% der Befragten bestätigt, dass eine internationale Konvention über Gerichtsstandsvereinbarungen für ihre Arbeit nützlich wäre. Über 70% wären bei einem solchen Übereinkommen eher dazu bereit, die Entscheidung von Streitigkeiten aus ihren Verträgen staatlichen Gerichten anstelle von privaten Spruchkörpern wie etwa Schiedsgerichten zu übertragen. 405
399 S. ausführlich zu der Rechtslage im englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht unten § 7 A. 400 Schulze, HGÜ-Prel. Doc. No. 19, S. 20–25; Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (555); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 246; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 120. 401 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (109). 402 Vgl. hierzu Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 155–159; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 120–122. 403 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (144); Talpis/Krnjevic, Sw. J. L. & Trade Am. 13 (2006), S. 1 (7); Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (549). 404 IHK, Umfrage – Unternehmenspraxis in Fragen des Gerichtsstands. 405 American Bar Association, Recommendation 123A, S. 2; Teitz, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 285 (305).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Das HGÜ ist in fünf Kapitel aufgeteilt: Im Kapitel I werden die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Übereinkommens bestimmt und einzelne Begriffe definiert. Kapitel II regelt Aspekte der Zuständigkeit im Zusammenhang mit Gerichtsstandsabreden und enthält in Art. 5 und 6 zwei der Schlüsselnormen des HGÜ: Gemäß Art. 5 HGÜ ist das vereinbarte Gericht eines Vertragsstaats zur Entscheidung der Streitigkeit verpflichtet und genießt kein Ermessen, die Verhandlung der Rechtssache aus forum non conveniens-Gründen zu verweigern. Um die Einhaltung der Prorogation zu sichern, sind die derogierten Gerichte der anderen Vertragsstaaten gem. Art. 6 HGÜ grundsätzlich angehalten, eine vor ihnen rechtshängig gemachte Klage abzuweisen oder auszusetzen. Die dritte Kernbestimmung ist Art. 8 im Kapitel III HGÜ, wonach das Urteil des vereinbarten Gerichts eines Vertragsstaats in den anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken ist. Kapitel IV und V des HGÜ enthalten allgemeine Regelungen, die etwa das Inkrafttreten, den Anwendungsbereich und die Auslegung des Übereinkommens sowie dessen Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten betreffen. 2. Anwendungsbereich des HGÜ Die Regelungen des HGÜ sind gem. Art. 1 anwendbar, wenn ein internationaler Sachverhalt vorliegt (a.) und die Zuständigkeitsabrede eine Klage betrifft, die im sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens liegt (b.). Erforderlich ist darüber hinaus gem. Art. 3 lit. a-c HGÜ eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines oder mehrerer Gerichte eines Vertragsstaats (c.), die nach Inkrafttreten des Übereinkommens abgeschlossen wurde, Art. 16, 31 HGÜ (d.). Im Anschluss an die Erörterung dieser Anwendungsvoraussetzungen ist auf das Verhältnis des Übereinkommens zu den Regeln der EuGVVO einzugehen (e.). a) Internationaler Sachverhalt gem. Art. 1 HGÜ Die Anforderungen an die Annahme eines internationalen Sachverhalts i.S.v. Art. 1 HGÜ variieren je nachdem, ob die Geltung der Zuständigkeitsregeln im Kapitel II des Übereinkommens (aa.) oder die der Bestimmungen über die Anerkennung und Vollstreckung im Kapitel III HGÜ in Fragen stehen (bb.). aa) Bedeutung des Internationalitätserfordernisses in Bezug auf die Zuständigkeitsregeln in Kapitel II HGÜ Nach einer Darstellung der Anforderungen an die Annahme eines internationalen Sachverhalts i.S.v. Art. 1 II HGÜ (1) wird erläutert, welcher Zeit-
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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punkt für das Vorliegen dieses Anwendungserfordernisses maßgeblich ist (2). (1) Das Internationalitätserfordernis von Art. 1 II HGÜ Für die Zwecke der Zuständigkeitsregeln in Art. 5–7 HGÜ ist gem. Art. 1 II des Übereinkommens grundsätzlich von der Internationalität eines Sachverhalts auszugehen. An einem internationalen Bezug fehlt es lediglich dann, wenn die Parteien ihren Aufenthalt in demselben Vertragsstaat haben und der Rechtsstreit auch zu keinem anderen Staat Verbindungen aufweist. Eine solche Verknüpfung wird – anders als im Rahmen von Art. 23 EuGVVO 406 – nicht allein durch eine Prorogation der Gerichte dieses Staats begründet, Art. 1 II a.E. HGÜ. Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung zwischen zwei Parteien mit Aufenthalt in den USA zugunsten Mexikos wären die mexikanischen bzw. US-amerikanischen Gerichte folglich nicht an die Regeln im Kapitel II HGÜ gebunden, solange der Sachverhalt keinen sonstigen Bezug zu Mexiko oder einem anderen ausländischen Staat aufweist. Solche rein internrechtlichen Konstellationen sind aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen, da insoweit mangels Berührung zu unterschiedlichen Staaten kein Vereinheitlichungsbedarf besteht.407 Der Begriff des Aufenthalts ist in Art. 4 II HGÜ lediglich für rechtliche Einheiten und nicht natürliche Personen definiert: Er liegt in dem Staat, in dem sie ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung haben bzw. nach dessen Recht sie gegründet wurden.408 Für die Annahme eines internationalen Sachverhalts i.S.v. Art. 1 II HGÜ ist somit bereits ausreichend, dass eine Vertragspartei ihre Hauptniederlassung und ihren satzungsmäßigen Sitz in verschiedenen Staaten hat, unabhängig davon, wo der Aufenthalt der anderen Vertragsseite liegt. 409 Bei natürlichen Personen bestimmt sich der Aufenthaltsort mangels vereinheitlichter Regelung im HGÜ nach den Regeln des jeweils anwendbaren autonomen Rechts.410 Unklar ist allerdings, ob die Geltung der Vorschriften des Kapitels II HGÜ – ähnlich Art. 23 I EuGVVO – verlangt, dass mindestens eine Partei ihren Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, oder ob die HGÜ-Nor406
S. oben § 3 B. I. 1. c). Dogauchi/Hartley, HGÜ-Prel. Doc. No. 26, Rn. 10; Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (111); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 239. 408 Vgl. ausführlich zu dem Aufenthaltsbegriff Bläsi, HGÜ, 2010, S. 16–20. 409 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (111). 410 Bläsi, HGÜ, 2010, S. 16, der zu Recht anmerkt, dass eine einheitliche Definition des Aufenthaltsbegriffs für natürliche Personen aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen im common law und civil law wünschenswert gewesen wäre. 407
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
men auch dann zur Anwendung gelangen, wenn Parteien mit Aufenthalt in unterschiedlichen Nicht-Vertragsstaaten die Zuständigkeit eines vertragsstaatlichen Gerichts vereinbaren. 411 Für letzteres spricht ein Umkehrschluss aus Art. 1 II HGÜ: Nach dieser negativ formulierten Vorschrift liegt ein internationaler Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die Parteien in demselben Vertragsstaat ansässig sind und der Rechtsstreit auch sonst keine Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. Haben die Parteien demgegenüber ihren Aufenthalt in unterschiedlichen Nichtvertragsstaaten, wäre nach dem Wortlaut von Art. 1 II HGÜ die Annahme der Internationalität nicht ausgeschlossen. Das Internationalitätserfordernis von Art. 5–7 HGÜ ist dementsprechend auch bei einer Prorogation eines vertragsstaatlichen Gerichts durch in Nicht-Vertragsstaaten ansässige Parteien erfüllt. 412 Das Internationalitätserfordernis von Art. 1 II HGÜ können die Vertragsstaaten „verschärfen“, indem sie eine Erklärung gem. Art. 19 HGÜ abgeben. Nach dieser Norm steht es den Vertragsstaaten frei, ihren Gerichten die Möglichkeit zu eröffnen, die Anerkennung einer auf sie lautenden Prorogation zu verweigern, „wenn abgesehen vom Ort des vereinbarten Gerichts keine Verbindung zwischen diesem Staat [d.h. dem die Erklärung abgebenden Vertragsstaat, Verf.] und den Parteien oder dem Rechtsstreit besteht.“ Vereinbaren also eine in Deutschland und eine in Mexiko ansässige Partei die internationale Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte und erklären die USA den Vorbehalt nach Art. 19 HGÜ, könnten die USamerikanischen Gerichte eine Entscheidung des Rechtsstreits mit dem Argument verweigern, dass außer der auf sie lautenden Prorogation kein weiterer Bezug des Falls zu den USA vorliegt. Diese Norm, die forum non conveniens-Erwägungen in engen Grenzen zulässt, wird im Schrifttum zu Recht kritisch gesehen. Sie missachtet das Interesse von Parteien im internationalen Rechtsverkehr, neutrale Fora für die Austragung ihrer Streitigkeiten zu vereinbaren und kann dazu führen, dass in Fällen, in denen dieses Interesse von erheblicher Bedeutung ist, „die Flucht in die Schiedsgerichtsbarkeit“ der einzige Ausweg bleibt.413 (2) Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Internationalitätserfordernisses von Art. 1 II HGÜ Wie im Rahmen von Art. 23 EuGVVO414 herrscht auch bei Art. 1 II HGÜ Uneinigkeit darüber, in welchem Zeitpunkt das Internationalitätserfordernis erfüllt sein muss. Ein Teil des Schrifttums spricht sich für den Zeit411
Vgl. ausführlich dazu Bläsi, HGÜ, 2010, S. 20–27. So auch Bläsi, HGÜ, 2010, S. 27. 413 Vgl. Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 135, 506 Fn. 2. 414 S. dazu oben § 3 B. I. 1. a) aa). 412
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punkt der Klageerhebung aus. 415 Brand und Herrup begründen dies zum einen mit dem Wortlaut von Art. 1 II HGÜ: Nach der englischsprachigen Amtsfassung der Norm wird ein „international case“ gefordert. Von einem „case“ könne jedoch erst ab Klageerhebung die Rede sein.416 Die Autoren bringen des Weiteren vor, das Abstellen auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung würde den Anwendungsbereich des HGÜ unnötig einschränken, da alle Fälle, in denen das Internationalitätserfordernis erst später erfüllt ist, vom Übereinkommen nicht gedeckt wären. Solche Fälle träten jedoch in der Praxis vermutlich viel häufiger auf als Konstellationen, in denen bei Abschluss der Zuständigkeitsabrede Internationalität vorliegt, bei Prozessbeginn jedoch nicht mehr.417 Für das Abstellen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung führt Bläsi außerdem an, ein Vertrauen der Parteien auf das Fortbestehen der bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorhandenen Internationalität sei nicht schutzwürdig, da es sich dabei um ein allgemeines Prozess- und Prognoserisiko handele418: Bei Eingehen der Zuständigkeitsabrede möge den Parteien zwar bekannt sein, dass das designierte Gericht in einem HGÜ-Vertragsstaat liegt, sie könnten jedoch nicht wissen, ob ein ggf. abredewidrig angerufenes Gericht ebenfalls einem HGÜ-Vertragsstaat angehören und die Derogation nach Art. 6 HGÜ oder nach nationalem Recht beurteilen würde. Erst bei Klageerhebung könnte somit Gewissheit darüber bestehen, nach welchen Vorschriften das prorogierte oder nicht prorogiete Gericht über die Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden wird. Andere, wie etwa Talpis und Krnjevic, halten es dagegen für ausreichend, wenn Internationalität i.S.v. Art. 1 II HGÜ bei Abschluss der Zuständigkeitsabrede oder bei Klageerhebung gegeben ist. Dies trage dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit bei Vereinbarung eines internationalen Gerichtsstands Rechnung.419 Letztere Auffassung erscheint vorzugswürdig. Für sie spricht zum einen, dass sie die Anwendbarkeit des HGÜ in möglichst vielen Konstellationen ermöglicht420 und somit das in der Präambel erklärte Ziel des Übereinkommens fördert, den internationalen Handel und grenzüberschreitende Investitionen durch Stärkung der Wirksamkeit ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen zu fördern. Zum anderen trägt sie dem Zweck von Zuständigkeitsabreden, die Rechts- und Planungssicherheit für spätere Streitig415
Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 51 f.; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 28–31. Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 51. 417 Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 51 f. 418 So auch Bläsi, HGÜ, 2010, S. 29 f. 419 Talpis/Krnjevic, Sw. J. L. & Trade Am. 13 (2006), S. 1 (8). 420 Diesen Vorteil der Auffassung wird auch von Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 52 anerkannt. 416
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
keiten zu erhöhen, am besten Rechnung. Dieser Zweck erfordert es, das Vertrauen der Parteien darauf zu schützen, dass das HGÜ das maßgebliche Rechtsregime für die Beurteilung der Abrede bleiben wird, selbst wenn die Internationalitätsvoraussetzung von Art. 1 II HGÜ bei Prozessbeginn nicht mehr gegeben ist. Die Ansicht von Bläsi, der das Vertrauen auf die Anwendbarkeit des HGÜ für nicht schutzwürdig hält, ist hingegen abzulehnen. Es ist zwar richtig, dass die Parteien nicht vorhersehen können, nach welchem Recht im Fall einer abredewidrigen Klage über die Gültigkeit ihrer Gerichtsstandsabrede zu entscheiden sein wird. Ein weltweit vereinheitlichtes Zivilprozess- und Kollisionsrecht gibt es schließlich nicht. Um derartige Fälle geht es beim Vertrauensschutz aber gar nicht. Dieser soll vielmehr der Klage am designierten Gericht Rechnung tragen. Denn genau diese Situation, die in der Praxis dem Regelfall entspricht421, haben die Parteien vor Augen, wenn sie eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen: Sie entwerfen ihre Abrede unter Berücksichtigung des im designierten Forum geltenden Rechtsregimes und ergänzen diese häufig – wiederum mit Blick auf den vereinbarten Gerichtsstand – mit einer Rechtswahl für den Hauptvertrag zugunsten des Rechts im forum prorogatum, um eine zeit- und kosteneffiziente Austragung ihrer Streitigkeiten zu gewährleisten. Vertrauen die Parteien bei Abschluss der Zuständigkeitsabrede auf die Anwendbarkeit des HGÜ, ist kein Grund ersichtlich, dieses Vertrauen für weniger schutzwürdig zu erachten als das Vertrauen in die Anwendbarkeit der EuGVVO oder eines bestimmten autonomen Rechts. Gegen die hier befürwortete Lösung lässt sich auch nicht – wie von Brand und Herrup vertreten – der Wortlaut von Art. 1 II HGÜ anführen. Das Wort „case“ steht nicht nur für einen Fall, der vor Gericht ausgetragen wird, sondern kann auch einen „set of circumstances or conditions“422, also eine Reihe von Umständen oder Bedingungen und somit auch bloß einen „Sachverhalt“ 423 beschreiben, der sich lange vor Prozessbeginn ereignen kann. Vergleicht man die hier favorisierte Lösung zum HGÜ mit dem Ansatz, der bei Art. 23 EuGVVO für vorzugswürdig gehalten wurde 424 , fällt ein wichtiger Unterschied auf. Im Rahmen des europäischen Einheitsrechts wurde dafür plädiert, Art. 23 EuGVVO für den Fall, dass die Anwendungs421
Vgl. das oben – Fn. 1 (§ 1) – dargestellte Ergebnis einer im Auftrag der EU-Kommission durchgeführten Umfrage, bei der 90% der befragten Unternehmen angegeben haben, dass Gerichtsstandsvereinbarungen von ihren Vertragspartnern respektiert und entsprechende Streitigkeiten im prorogierten Forum ausgetragen werden. 422 Vgl. die Übersetzung in . 423 So auch die Wortwahl in der deutschen Übersetzung von Art. 1 II HGÜ. 424 S. dazu oben § 3 B. I. 1. a) aa).
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voraussetzungen der Norm erst bei Klageerhebung vorliegen, nur unter der Bedingung gelten zu lassen, dass dies die Gerichtsstandsvereinbarung nicht nachträglich unwirksam werden lässt. Es fragt sich, wieso eine derartige Einschränkung nicht auch im Anwendungsbereich des HGÜ angebracht ist. Der Grund dafür, Art. 23 EuGVVO nicht immer anzuwenden, wenn seine Voraussetzungen erst bei Klageerhebung vorliegen, ist das schutzwürdige Vertrauen der Parteien auf die Wirksamkeit ihrer Gerichtsstandsvereinbarung. Ein solches Vertrauen kann durch die nachträgliche Geltung des HGÜ aber nicht frustriert werden. Denn während die Nichteinhaltung der Formerfordernisse von Art. 23 EuGVVO stets zur Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung führt 425 , sind die Formvoraussetzungen von Art. 3 lit. c HGÜ nicht abschließend, so dass es einem vertragsstaatlichen Gericht unbenommen bleibt, seine Zuständigkeit auf eine Prorogation zu stützen, die nach dem aus seiner Sicht maßgeblichen nationalen Recht wirksam ist426. Ein designiertes Gericht kann nach dem HGÜ folglich dem Vertrauen der Parteien auf die Formwirksamkeit der Gerichtsstandsabrede nach dem bei ihrem Abschluss als maßgeblich angesehenen Recht unproblematisch Rechnung tragen. Außerdem enthält das HGÜ keine Prorogationsverbote, deren retroaktive Anwendung vertrauensverletzend sein könnte. Demgegenüber normiert die EuGVVO in Art. 23 V besondere Einschränkungen der Prorogationsfreiheit, deren Verletzung die Unzulässigkeit der Gerichtsstandsabrede nach sich zieht.427 Gerichtsstandsvereinbarungen in Sachbereichen, in denen gewöhnlicherweise Prorogationsverbote existieren, sind dagegen aus dem Anwendungsbereich des HGÜ gem. Art. 2 von vornherein ausgenommen428 mit der Folge, dass in solchen Fällen auch nach Inkrafttreten des Übereinkommens das bis dahin anwendbare Recht Geltung entfalten wird. Das HGÜ bedeutet somit praktisch keine Gefahr für das Vertrauen von Parteien auf die Geltung lediglich der Prorogationsverbote, die das bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung maßgebliche nationale Recht vorsieht. Abschließend ist auf einen dritten wichtigen Unterschied zwischen der EuGVVO und dem HGÜ hinzuweisen: Im Rahmen von Art. 23 EuGVVO herrscht Unsicherheit darüber, nach welchem Recht andere Aspekte des wirksamen Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung als die Form zu beurteilen sind und inwieweit Art. 23 EuGVVO einen Rückgriff aufs nationale Recht versperrt.429 Die Kollisionsnorm in Art. 5 I HGÜ stellt hinge425
S. dazu unten § 4 B. I. 2. a). S. dazu unten § 4 B. II. 2. a). 427 S. dazu oben § 3 B. I. 2. 428 S. dazu sogleich unten § 3 B. II. 2. b). 429 S. ausführlich dazu unten § 4 B. I. 1. 426
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gen klar, dass über Aspekte des wirksamen Abschlusses einer Zuständigkeitsabrede grundsätzlich nach dem Recht zu entscheiden ist, welches nach dem IPR des prorogierten Forums insoweit maßgeblich ist.430 Da auch Parteien, die bei Abschluss ihrer Gerichtsstandsvereinbarung nicht mit der Anwendbarkeit des HGÜ rechnen, das Kollisionsrecht am designierten Gerichtsstand zugrunde legen werden, wird im Anwendungsbereich des Übereinkommens dem Vertrauen, dass die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung von einem bestimmten Recht beherrscht sein wird, stets Rechnung getragen. Aus den genannten Gründen erscheint die im Rahmen von Art. 23 EuGVVO befürwortete Einschränkung bei dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung innerhalb des HGÜ nicht notwendig. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass es für die Anwendbarkeit von Art. 5–7 HGÜ ausreichend ist, wenn das Internationalitätserfordernis von Art. 1 II HGÜ bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung oder im Zeitpunkt der Klageerhebung erfüllt ist. bb) Bedeutung des Internationalitätserfordernisses in Bezug auf die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln im Kapitel III HGÜ Der für die Anwendung der Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln in Art. 10–15 HGÜ erforderliche internationale Sachverhalt ist nach Art. 1 III HGÜ stets dann gegeben, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung geltend gemacht wird. Ausländisch ist ein Judikat gem. Art. 8 I HGÜ, wenn es aus einem anderen Vertragsstaat stammt. Die Anwendbarkeit der Art. 10–15 HGÜ setzt dagegen nicht voraus, dass der Sachverhalt dem Internationalitätserfordernis von Art. 1 II HGÜ genügt. Für das oben gebildete Beispiel431, dass zwei Parteien mit Aufenthalt in den USA eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten Mexikos abschließen, bedeutet dies, dass ein mexikanisches Gericht – solange der Sachverhalt keinen sonstigen Bezug zu Mexiko oder einem anderen ausländischen Staat aufweist – zwar nicht an die Zuständigkeitsregeln im Kapitel II HGÜ gebunden wäre. Nimmt dieses Gericht jedoch seine Zuständigkeit nach den autonomen Vorschriften an und erlässt es ein Urteil, wäre dieses Urteil gem. Art. 10 HGÜ in allen anderen Vertragsstaaten des Übereinkommens anzuerkennen und zu vollstrecken.
430 431
S. dazu unten § 4 B. II. 2. b). S. hierzu oben § 3 B. II. 2. a) aa) (1).
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b) Sachlicher Anwendungsbereich des HGÜ Das Übereinkommen gilt nur in Zivil- oder Handelssachen, Art. 1 I HGÜ. Der Begriff der Zivil- und Handelssache ist autonom zu bestimmen. 432 Vorgeschlagen wird, die vom EuGH entwickelten Grundsätze zur Auslegung der gleich lautenden Anwendungsvoraussetzung in Art. 1 I EuGVVO heranzuziehen.433 Vom Geltungsbereich sind gem. Art. 2 HGÜ zahlreiche Materien ausgenommen, etwa weil sie Gegenstand spezieller internationaler Übereinkommen sind, in besonderem Maße staatliche Interessen betreffen oder den Schutz bestimmter Personengruppen erfordern. 434 Letzteres ist beispielsweise der Grund für den Ausschluss von Gerichtsstandsabreden in Verbraucher- sowie in individuellen und kollektiven Arbeitsverträgen gem. Art. 2 I lit. a-b HGÜ. Weitere Ausnahmen finden sich in Art. 2 II HGÜ. Die dort aufgezählten Materien fallen aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens jedoch nur heraus, wenn sie den Hauptgegenstand des Verfahrens bilden und nicht nur als Vorfrage oder aufgrund einer Einwendung relevant werden, Art. 2 III HGÜ. Art. 21 HGÜ erlaubt den Vertragsstaaten, weitere als die in Art. 2 HGÜ aufgezählten Rechtsmaterien aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens auszuschließen. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur unter engen Voraussetzungen: Der Staat muss eine entsprechende Erklärung abgeben und sicherstellen, dass diese nicht weiter reicht als erforderlich und das ausgeschlossene Rechtsgebiet klar und eindeutig bezeichnet ist. Die Abgabe einer solchen Erklärung hat zur Folge, dass das HGÜ in dem betreffenden Vertragsstaat in Bezug auf das Rechtsgebiet keine Anwendung findet. Gleichzeitig bewirkt sie, dass das Übereinkommen auch in den anderen Vertragsstaaten keine Wirkung entfaltet, soweit dort über eine ausschließliche Prorogation zugunsten der Gerichte des Vorbehaltsstaats zu entscheiden ist. Dem Staat, der von der Option in Art. 21 HGÜ Gebrauch gemacht hat, kommen somit die Sonderregeln im Kapitel II und III HGÜ nicht mehr zugute.435
432
Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 47–49; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 64–66. Thiele, in: Gottschalk/Michaels/Rühl/u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws, 2007, S. 63 (70); Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411). 434 Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, 2005, S. 549 (555); Thiele, in: Gottschalk/ Michaels/Rühl/u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws, 2007, S. 63 (71); Nanda, Tex. Int'l L. J. 42 (2007), S. 773 (779 f.). Ausführlich zu Hintergrund und Reichweite der einzelnen Ausschlusstatbestände: Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 50–87; Brand/ Herrup, HGÜ, 2008, S. 55–78; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 86–114. 435 Kritisch zu der Ausschlussmöglichkeit in Art. 21 HGÜ Thiele, in: Gottschalk/ Michaels/Rühl/u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws, 2007, S. 63 (72 f.). 433
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
c) Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 3 lit. a-c HGÜ Das HGÜ gilt lediglich für Vereinbarungen, die ein oder mehrere Gerichte eines Vertragsstaats für ausschließlich zuständig erklären, Art. 3 lit. a HGÜ.436 In Bezug auf fakultative Gerichtsstandsabreden können hingegen nur die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln des Übereinkommens Geltung entfalten. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine entsprechende Erklärung des Anerkennungsvertragsstaats gem. Art. 22 HGÜ.437 Aus Art. 3 HGÜ folgt eine weitere wichtige Einschränkung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens: Nicht erfasst sind Abreden, die die Gerichte in mehreren Vertragsstaaten für ausschließlich zuständig erklären. 438 Ausgeschlossen sind daher auch asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen, die die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines Staates lediglich für eine Partei festlegen, der anderen Partei dagegen die Wahl lassen, auch vor die Gerichte eines anderen Staates zu ziehen.439 Voraussetzung für die Anwendung des HGÜ ist schließlich, dass die Gerichtsstandsvereinbarung in einer Art. 3 lit. c HGÜ entsprechenden Form abgeschlossen oder dokumentiert wurde.440 d) Zeitlicher Anwendungsbereich gem. Art. 16 und 31 HGÜ Das HGÜ erfasst gem. Art. 16 I nur Zuständigkeitsabreden, die abgeschlossen wurden, nachdem das Übereinkommen für den Staat, dessen Gerichte prorogiert wurden, in Kraft getreten ist. Wird ein nicht vereinbartes Gericht angerufen, ist weitere Voraussetzung für die Anwendung des HGÜ gem. Art. 16 II, dass das Verfahren erst nach Inkrafttreten des Übereinkommens in diesem Staat eingeleitet worden ist. In Kraft treten wird das Übereinkommen gem. Art. 31 i.V.m. 27 (4) HGÜ, nachdem die zweite Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, dem Verwahrer des Übereinkommens, hinterlegt worden ist. Ratifiziert wurde das HGÜ bislang lediglich von
436
Die Anforderungen an die Ausschließlichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung im HGÜ werden zur Erleichterung eines Vergleichs der hier untersuchten Rechtssysteme erst an späterer Stelle behandelt, s. unten § 5 B. II. 437 S. zu der Geschichte dieser Regelung oben § 3 B. II. 1. 438 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 109; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 42 f. 439 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 244; Eichel, RIW 2009, S. 287 (294); Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 105 f. A.A. Talpis/Krnjevic, Sw. J. L. & Trade Am. 13 (2006), S. 1 (11). 440 Die Formanforderungen des HGÜ werden zwecks leichterer Vergleichbarkeit der Regelungen in den hier behandelten Rechtssystemen ebenfalls später behandelt, s. unten § 4 B. II. 2. a).
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Mexiko. 441 Die USA und die EU, welche seit April 2007 Mitglied der Haager Konferenz für IPR ist442, haben es im Jahr 2009 unterzeichnet443 und ihre Bereitschaft zur Ratifikation des Übereinkommens signalisiert.444 Über eine Ratifikation des HGÜ durch die EU soll im Zusammenhang mit der anstehenden Revision der EuGVVO entschieden werden. 445 Seit dem sog. Lugano-Gutachten des EuGH vom 07.02.2006, in dem das Gericht die ausschließliche Kompetenz der EU (damals EG) zum Abschluss des überarbeiteten Lugano-Übereinkommens bejahte 446 , wird überwiegend davon ausgegangen, dass die Kompetenz für die Ratifikation des HGÜ nicht bei den Mitgliedstaaten, sondern allein bei der EU liegt. 447 e) Verhältnis zwischen dem HGÜ und der EuGVVO Das Verhältnis des HGÜ zu den Vorschriften der EuGVVO regelt Art. 26 VI HGÜ, da die EU eine „Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration“ im Sinne dieser Norm darstellt. Hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen ist Art. 26 VI lit. b HGÜ maßgeblich, wonach Judikate eines EU-Mitgliedstaats innerhalb des Gemeinschaftsgebiets vorrangig nach der EuGVVO anerkannt und vollstreckt werden. Für die hier interessierenden Zuständigkeitsregeln gilt gem. Art. 26 VI lit. a HGÜ ein Vorrang der EuGVVO dagegen nur dann, wenn keine der Parteien ihren Aufenthalt in einem HGÜ-Vertragsstaat hat, der
441
Vgl. . Vgl. . Der Beitritt der Europäischen Union war erst durch eine mit der Verabschiedung des HGÜ im Jahr 2005 beschlossene Änderung der Satzung der Haager Konferenz möglich geworden. Die Mitgliedschaft war bis dahin ausschließlich Staaten vorbehalten. 443 Vgl. . 444 Vgl. EU-Kommission, Vorschlag für Beitritt der EU zum HGÜ, 05.09.2008; Hess, EuZPR, 2010, S. 207. Zu den Anforderungen an die Umsetzung des HGÜ in den USA s. ausführlich Bläsi, HGÜ, 2010, S. 240–249. 445 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (147); Hess, EuZPR, 2010, S. 207. 446 EuGH, Lugano-Gutachten, Slg. 2006, I-1145, Rn. 114–173. 447 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (146); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 273. So bereits vor dem Lugano-Gutachten Heß, IPRax 2001, S. 389 (396 f.). Eine zwischen der Union und den Mitgliedsstaaten geteilte Kompetenz befürworten dagegen Luginbühl/Wollgast, GRUR Int 2006, S. 208 (219) und Bläsi, HGÜ, 2010, S. 227– 240. Das HGÜ müsste danach als gemischtes Abkommen von allen Mitgliedsstaaten unterzeichnet und ratifiziert werden. Vgl. ausführlich zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten über die Reichweite der Außenkompetenz der EU im Zusammenhang mit dem HGÜ Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 272 f. und Hess, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 263 (265– 268). 442
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
nicht zur EU gehört. 448 Zum Verständnis dieser komplizierten Formulierung sind folgende vier denkbare Konstellationen getrennt zu betrachten: Wurde die Zuständigkeit der Gerichte eines HGÜ-Vertragsstaats – egal ob dieser EU-Mitgliedstaat ist oder nicht – vereinbart und hat eine Partei ihren Aufenthalt außerhalb des EU-Gebiets, richtet sich die Anerkennung der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5–7 HGÜ.449 Schließen also ein deutsches und ein US-amerikanisches Unternehmen eine ausschließliche Prorogation zugunsten englischer Gerichte und ist das HGÜ in Deutschland, USA und England in Kraft, ist die Gerichtsstandsvereinbarung an dessen Regeln zu messen. Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten eines Staats, der sowohl EUMitgliedstaat als auch HGÜ-Vertragsstaat ist, unterliegen dagegen Art. 23 EuGVVO, wenn eine Partei in der EU, die andere dagegen in einem Staat ansässig ist, der weder EU-Mitgliedstaat noch HGÜ-Vertragsstaat ist.450 Haben beide Parteien ihren Aufenthalt innerhalb der EU und vereinbaren sie die Zuständigkeit der Gerichte eines EU-Mitgliedstaats, kommt ebenfalls Art. 23 EuGVVO zur Anwendung.451 Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein deutsches und ein niederländisches Unternehmen die Zuständigkeit englischer Gerichte vereinbaren und England, Deutschland und die Niederlande HGÜ-Vertragsstaaten sind. Entscheidend für die Bestimmung des Aufenthalts von rechtlichen Einheiten und nicht natürlichen Personen ist hierbei der bereits oben erläuterte Art. 4 II HGÜ. 452 Ist der Sitz des niederländischen Unternehmens in Rotterdam, liegt jedoch seine Hauptverwaltung in den USA, hat es im Sinne des HGÜ seinen Aufenthalt außerhalb der EU mit der Folge, dass das HGÜ gegenüber der EuGVVO vorrangig ist. Sind beide Parteien schließlich in der EU ansässig, wurde jedoch zugunsten der Gerichte eines Nicht-EU-Mitgliedstaats prorogiert, findet da-
448
Die EU erfasst in diesem Sinne alle Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks. Dieser Mitgliedsstaat beteiligt sich nicht an den Maßnahmen zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen gem. Art. 81 AEUV (~ Art. 65 EGV), vgl. Art. 1 f. Protokolls zum Vertrag von Lissabon (Nr. 22) über die Position Dänemarks. 449 Vgl. auch Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 79 (Beispiel 3); Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (137 f.). 450 Vgl. auch Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 79 (Beispiel 2). 451 Vgl. Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 79 (Beispiel 1); Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (138). 452 S. oben § 3 B. II. 2. a) aa) (1).
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gegen das HGÜ Anwendung.453 Art. 23 I EuGVVO beansprucht in solchen Fällen bereits seinem Wortlaut nach keine Geltung. Ob mitgliedstaatliche Gerichte auf Zuständigkeitsvereinbarungen, die den Art. 5–7 HGÜ unterliegen, zusätzlich die Derogationsverbote der EuGVVO anwenden dürfen bzw. müssen, wird unterschiedlich beurteilt. Praktische Relevanz hat diese Frage nur für Versicherungsverträge, für die in Art. 13 EuGVVO der Gerichtswahlfreiheit Grenzen gesetzt sind. Vergleichbare Beschränkungen enthalten zwar auch Art. 17 und 21 EuGVVO für Verbraucher- und Arbeitsverträge. Da diese Vertragstypen gem. Art. 3 I HGÜ jedoch aus dem Geltungsbereich des Übereinkommens ausgenommen sind, scheidet die gleichzeitige Geltung von EuGVVO und HGÜ insoweit von vornherein aus. Mankowski plädiert – allerdings ohne nähere Begründung – dafür, Art. 13 EuGVVO auch auf Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, die in den Anwendungsbereich des HGÜ fallen. 454 Angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 26 VI lit. a HGÜ kann dies jedoch nicht überzeugen: Ausschließlich unter der dort genannten und bereits erläuterten Voraussetzung kann die EuGVVO das HGÜ verdrängen. Ein Nebeneinander beider Rechte in sonstigen Konstellationen ist nirgendwo vorgesehen. Beurteilt ein mitgliedstaatliches Gericht die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dem HGÜ, ist es ihm somit nicht gestattet, Art. 13 EuGVVO heranzuziehen.455 3. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist gem. Art. 3 lit. a HGÜ deren Bestimmtheit: Die Abrede muss zum einen die Gerichte eines Vertragsstaats bzw. ein oder mehrere bestimmte Gerichte eines Vertragsstaats benennen. Zum anderen muss sie sachlich eindeutig sein: Entweder sie bezeichnet eine bereits entstandene Streitigkeit oder sie gilt für alle künftigen Streitigkeiten aus einem genau bestimmten Rechtsverhältnis.456 Welche besonderen Anforderungen für die Zulässigkeit von Prorogationen (a.) und Derogationen (b.) im Anwendungsbereich des Übereinkommens gelten, wird im Folgenden beleuchtet.
453
Vgl. Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 79 (Beispiel 4). 454 Vgl. Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 80. 455 So auch Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 304. 456 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 101.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
a) Besondere Anforderungen an die Zulässigkeit von Prorogationen Die Wirkungen und Grenzen einer Prorogation regelt Art. 5 HGÜ. Gemäß Abs. 1 der Norm ist das in einer Zuständigkeitsvereinbarung benannte Gericht eines Vertragsstaats grundsätzlich verpflichtet, über einen von der Abrede erfassten Rechtsstreit zu entscheiden, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Staates ungültig. Der Begriff der „Ungültigkeit“ bezieht sich auf die materiellen Nichtigkeitsgründe. Auf die Bedeutung von Art. 5 I HGÜ wird daher bei der Darstellung der Anforderungen des HGÜ an das wirksame Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen näher einzugehen sein.457 Art. 5 II HGÜ verbietet es dem designierten Gericht, die Ausübung seiner Zuständigkeit mit der Begründung zu verweigern, dass ein Gericht eines anderen Staates über den Rechtsstreit entscheiden sollte. Die Annahme einer Streitigkeit kann damit insbesondere nicht aus forum non conveniens-Erwägungen verweigert werden.458 Die Anerkennung einer Prorogation darf daher auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass zwischen dem forum prorogatum und der konkreten Streitigkeit gewisse Verbindungen bestehen.459 Ein solcher Einwand ist gem. Art. 19 HGÜ nur erlaubt, wenn der Staat des prorogierten Gerichts bei der Ratifikation des Übereinkommens erklärt hat, dass seine Gerichte die Entscheidung über eine Streitigkeit ablehnen können, wenn abgesehen vom Ort des vereinbarten Gerichts keine Verbindung zwischen diesem Staat und den Parteien oder dem Rechtsstreit besteht. Art. 19 HGÜ regelt somit den Kreis an zulässigen forum non conveniens-Erwägungen im Anwendungsbereich des Übereinkommens abschließend. Gemäß Art. 5 III lit. a HGÜ kann das prorogierte Gericht die Annahme der Streitigkeit verweigern, wenn es nach den entsprechenden autonomen Regeln in sachlicher Hinsicht unzuständig ist. Haben die Parteien ein Amtsgericht in Deutschland prorogiert, ist dieses nicht zur Ausübung der Zuständigkeit verpflichtet, wenn – etwa wegen des Streitwerts – die Streitigkeit in die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts fällt gem. §§ 71, 23 I GVG.460 Auch die nationalen Regelungen der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung bleiben gem. Art. 5 III lit. b HGÜ unberührt. Von Bedeutung ist 457
S. unten § 4 B. II. 2. b). Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 82–84; Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (119); Briggs, Agreements, 2008, Rn. 13.12 f.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 247. 459 Eine solche Verknüpfung fordern – wie bereits gezeigt – manche Gerichte in den USA. Sie bildet auch in den autonomen Zivilprozessordnungen von Schweden und der Schweiz eine Zulässigkeitsvoraussetzung, vgl. Haines, HGÜ-Prel. Doc. No. 18, S. 5. 460 Für weitere Beispiele vgl. Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 84 f. 458
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dies u.a. für die in den USA bestehenden Möglichkeiten zur Abgabe einer Streitigkeit an ein anderes Gericht im Wege des removal und federal transfer.461 Gestatten autonome Regeln die Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht und liegt die Entscheidung darüber im Ermessen des vereinbarten Gerichts, hat dieses jedoch nach Art. 5 III lit. b HGÜ die Abrede der Parteien gebührend zu berücksichtigen, sollte also von der Verweisung möglichst absehen. b) Besondere Zulässigkeitsschranken für Derogationen Mit den Wirkungen von Derogationen befasst sich Art. 6 HGÜ. Wird ein nicht vereinbartes Gericht angerufen, ist es nach dieser Norm verpflichtet, die Klage abzuweisen oder das Verfahren auszusetzen, es sei denn, einer der Ausnahmetatbestände in Art. 6 lit. a-e HGÜ ist erfüllt. Diese Ausnahmen betreffen teils Aspekte des wirksamen Abschlusses (Art. 6 lit. a-b), teils solche der Zulässigkeit (Art. 6 lit. c-e). Nach Art. 6 lit. a HGÜ ist es einem nicht vereinbarten Gericht gestattet, sich über eine auf ein anderes Forum lautende Zuständigkeitsabede hinwegzusetzen, wenn diese nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts (materiell) ungültig ist. Die Norm bildet somit das Gegenstück zu der Regelung in Art. 5 I HGÜ für das designierte Gericht. Art. 6 lit. b HGÜ ist eine Sonderregel zu der in Art. 6 lit. a HGÜ enthaltenen Kollisionsnorm: Die Durchsetzung einer Gerichtsstandsabrede kann ein derogiertes Gericht auch dann verweigern, wenn nach seinem Recht eine Partei geschäftsunfähig war. Auf beide Normen und den Grund für die unterschiedliche Bestimmung des auf die von ihnen geregelten Aspekte anwendbaren Rechts wird bei der Erörterung der Voraussetzungen eines wirksamen Abschlusses von Zuständigkeitsabreden im Geltungsbereich des HGÜ einzugehen sein.462 Gemäß Art. 6 lit. c HGÜ ist ein derogiertes Gericht befugt, einer Gerichtsstandsvereinbarung ausnahmsweise nicht Folge zu leisten, wenn die Durchsetzung der Abrede zu einer offensichtlichen Ungerechtigkeit führen oder dem ordre public des Staats des angerufenen Gerichts offensichtlich widersprechen würde. Neben der „öffentlichen Ordnung“ hat die „Ungerechtigkeit“ in Ländern Bedeutung, wo der ordre public-Begriff lediglich Belange der Allgemeinheit und keine Individualinteressen erfasst.463 In den Vertragsverhandlungen über das HGÜ sah man sich mit dem Problem kon461
Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 85–87; Eichel, RIW 2009, S. 287 (295). Zum removal und federal transfer im US-amerikanischen Recht s. oben § 3 A. II. 1. a) aa). Ähnliche Verweisungsmöglichkeiten bestehen auch in den Rechten von Kanada und Australien. Vgl. ausführlich dazu Schulz, RabelsZ 69 (2005), S. 420. 462 S. unten § 4 B. II. 2. b). 463 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 151; Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 92 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
frontiert, dass in den unterschiedlichen Ländern erheblich voneinander abweichende Vorstellungen darüber herrschen, wann ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vorliegt. Um nichtsdestotrotz eine einheitliche Anwendung von Art. 6 lit. c HGÜ zu gewährleisten, nahm man in den Wortlaut der Norm die Formulierung „offensichtlich“ auf. Sie findet sich auch in anderen Haager Konventionen464 und soll sicherstellen, dass der ordre public-Einwand lediglich bei evidenten und gravierenden Verstößen gegen die öffentliche Ordnung eingreift.465 Art. 6 lit. c HGÜ dürfte daher vor allem in Fällen von Bedeutung sein, in denen zu befürchten ist, dass eine der Parteien vor dem prorogierten Gericht – z.B. wegen Parteilichkeit oder Bestechlichkeit der Richter – keinen fairen Prozess bekommen wird.466 Darüber hinaus soll der Ausnahmetatbestand greifen, wenn die Gefahr besteht, dass im forum prorogatum international zwingende Normen des Staates des angerufenen Gerichts unbeachtet bleiben würden.467 Letzteres dürfte in der Praxis jedoch selten von Bedeutung sein, da viele der Rechtsbereiche, in denen Normen solcher Qualität üblicherweise existieren – so etwa das Seerecht – bereits aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind.468 Im US-amerikanischen Schrifttum wird die Auffassung vertreten, der ordre public-Vorbehalt in Art. 6 lit. c HGÜ gestatte dem derogierten Gericht, die Zuständigkeitsvereinbarung dem reasonableness-Test zu unterziehen. 469 Dieser Ansicht ist zuzustimmen, solange bei der Entscheidung über die Angemessenheit einer Gerichtsstandsabrede – wie bereits in der Bremen-Entscheidung gefordert – keine forum non conveniens-Erwägungen berücksichtigt werden. Denn von einer offensichtlichen Ungerechtigkeit oder ordre public-Widrigkeit i.S.v. Art. 6 lit. c HGÜ kann nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn die Austragung der Streitigkeit vor dem prorogierten Gericht lediglich mit Unannehmlichkeiten für eine der Parteien und/oder andere Prozessbeteiligte verbunden wäre. 470 Eine Prüfung der Gerichtsstandsvereinbarung unter forum non conveniens-Gesichtspunkten stünde auch im Widerspruch zu Art. 5 II HGÜ, der durch Unterbindung solcher Erwägungen rechtssichere und vorhersehbare Entscheidungen über die gerichtliche Zuständigkeit schaffen will.471
464
Vgl. etwa Art. 16 MSA und Art. 7 TestformÜ. Vgl. zum Ganzen Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 92. 466 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 152. 467 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 153. 468 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 264. 469 Teitz, Roger Williams U.L.Rev. 10 (2004), S. 1 (64). 470 Vgl. Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 92. 471 So auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 261 f. 465
§ 3: Zulässigkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Das derogierte Gericht darf gem. Art. 6 lit. d HGÜ einer Zuständigkeitsvereinbarung die Wirkung versagen, wenn die Umsetzung der Abrede aus außergewöhnlichen, dem Einfluss der Parteien entzogenen Gründen diesen unzumutbar ist. Mit Hilfe dieser Ausnahme sollen etwa Fälle gelöst werden, in denen es im forum prorogatum beispielsweise wegen Kriegs oder Naturkatastrophen zum Stillstand der Rechtspflege gekommen ist oder das vereinbarte Gericht nicht mehr existiert bzw. in Zusammen- oder Besetzung so fundamental verändert worden ist, dass es nicht mehr als das ursprünglich prorogierte angesehen werden kann.472 Ein derogiertes Gericht darf gem. Art. 6 lit. e HGÜ ferner dann entscheiden, wenn sich das designierte für unzuständig erklärt hat. Art. 5 und Art. 6 HGÜ enthalten – anders als etwa Art. 23 V HGÜ – keine Pro- oder Derogationsverbote. Dies liegt darin begründet, dass Gerichtsstandsvereinbarungen in den Bereichen, in denen Abreden über die Zuständigkeit in den meisten Staaten unzulässig oder nur unter engen Voraussetzungen möglich sind – so etwa in Verbraucherverträgen, familienund erbrechtlichen Angelegenheiten sowie betreffend dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen –, von vornherein aus dem Anwendungsbereich des HGÜ ausgenommen sind.
C. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO Die vorausgegangenen Betrachtungen haben gezeigt, dass die Zulässigkeitsanforderungen und Rechtswirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen in den hier verglichenen Rechtssystemen mitunter grundlegende Unterschiede aufweisen (I.). Ausgehend hiervon ist darzustellen, wie bei der Beurteilung der Zulässigkeit internationaler Zuständigkeitsabreden autonome Rechte und international vereinheitlichte Regelwerke zusammenspielen (II.). Im darauf folgenden Schritt sind die verschiedenen Lösungsmodelle einer Effizienzbetrachtung nach den Grundsätzen der ökonomischen Analyse des Rechts zu unterziehen (III.). Die hierin gewonnenen Erkenntnisse sollen schließlich in einen Verbesserungsvorschlag für die EuGVVO münden (IV.).
I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten Wenn auch in jeder der untersuchten Rechtsordnungen die Gerichtsstandsvereinbarung als zulässiges Mittel zur Steuerung der internationalen Zu472
Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 154.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
ständigkeit anerkannt ist, sind vor allem in zwei Punkten Abweichungen festzustellen: Zum einen wirken sich Gerichtsstandsvereinbarungen unterschiedlich auf die internationale Zuständigkeit aus. Zum anderen divergieren die Sonderfälle, in denen sie ausnahmsweise übergangen werden können. Was die Auswirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen auf die internationale Zuständigkeit anbelangt, finden sich in den hier untersuchten Rechtsordnungen zwei unterschiedliche Herangehensweisen: In England und den USA ist die jurisdiction dem Einflussbereich der Parteien entzogen, so dass Prorogationsabreden weder automatisch einen Gerichtsstand eröffnen, noch unmittelbar eine bereits begründete Zuständigkeit entfallen lassen. In diesen Rechtsordnungen schaffen Zuständigkeitsvereinbarungen lediglich eine Verpflichtung der Parteien, an dem gewählten und keinem anderen Ort Klage zu erheben. Ob allerdings eine solche Verpflichtung durchgesetzt wird, steht im Ermessen des angerufenen Gerichts. Dieses kann im Fall einer Prorogation darauf verzichten, seine Zuständigkeit auszuüben, bzw. eine Derogation übergehen und von seiner ansonsten bestehenden jurisdiction Gebrauch machen. Demgegenüber haben im deutschen Recht Pro- und Derogationen eine unmittelbar zuständigkeitsschaffende bzw. -beseitigende Wirkung. Dasselbe gilt unter Art. 23 EuGVVO für die von dieser Vorschrift erfassten Vereinbarungen. Genauso wie gesetzgeberische Zuständigkeitsvorgaben sind in diesen Rechtssystemen entsprechende private Festlegungen nicht in die Disposition des Richters gestellt. Im HGÜ ist die Auswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen auf die internationale Zuständigkeit nicht ausdrücklich angesprochen. Art. 5 und 6 des Übereinkommens enthalten aber jedenfalls den Grundsatz, dass das prorogierte Gericht zur Annahme der Streitigkeit und ein nicht vereinbartes Gericht zu deren Abweisung verpflichtet sind. Diese strukturellen Unterschiede bedingen auch die Abweichungen in der Frage, wann der in einer Gerichtsstandsvereinbarung verkörperte Wille der Parteien übergangen werden kann. In allen Rechtsordnungen gilt zwar, dass eine Zuständigkeitsabrede nur ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben darf. Wann eine Ausnahme vorliegt, wird jedoch teilweise äußerst divergent beantwortet. Unterschiede bestehen nicht nur bezüglich des ordre public-Ausnahmetatbestands, sondern auch hinsichtlich der Frage, wann Unannehmlichkeiten durch die Austragung der Streitigkeit im forum prorogatum die Außerachtlassung einer Gerichtsstandsvereinbarung rechtfertigen. In England reicht nach dem El Amria-Test hierfür schon aus, dass ein Prozessieren im gewählten Forum für die Parteien mit größeren Unbequemlichkeiten verbunden wäre als die Austragung der Streitigkeit vor inländischen Gerichten. Dies kann etwa dann gegeben sein, wenn wichtige Beweismittel in England verfügbar sind, in der Sache englisches Recht An-
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wendung findet bzw. der Klageanspruch im vereinbarten Forum – anders als in England – verjährt wäre. Auch wenn in manchen US-Einzelstaaten solche Umstände ausreichen können, um eine Derogation zu ignorieren, liegt die Hürde für die Nichtberücksichtigung von Gerichtsstandsvereinbarungen nach den in der Bremen-Entscheidung aufgestellten Grundsätzen in der Regel höher: Beschwerlichkeiten, die mit der Ausfechtung des Rechtsstreits im forum prorogatum einhergehen und für die Parteien bei Abschluss der Zuständigkeitsabrede vorhersehbar waren, reichen grundsätzlich nicht. Im deutschen Recht können solche Unannehmlichkeiten das Übergehen einer Pro- bzw. Derogation nur unter sehr strengen Voraussetzungen rechtfertigen. Erst wenn zu befürchten ist, dass eine Partei im gewählten Forum kein faires Verfahren erhielte und die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung somit einer Rechtsschutzverweigerung gleichkäme, ist es dem Gericht gestattet, eine auf ein anderes Forum lautende Prorogation zu ignorieren. Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist die Rechtslage der deutschen recht ähnlich. Auch hier reichen Zweckmäßigkeitserwägungen nach dem Vorbild der anglo-amerikanischen forum non conveniens-Doktrin nicht aus, um sich über eine an sich wirksame Gerichtsstandsvereinbarung hinwegzusetzen. Dem in einer solchen Abrede zum Ausdruck kommenden Parteiwillen soll möglichst vollständig Rechnung getragen werden. Aus demselben Grunde ist auch im HGÜ grundsätzlich nicht vorgesehen, dass Gerichte aus Gründen der Zweckmäßigkeit Pro- und Derogationen übergehen können. Dieses Prinzip findet eine enge Ausnahme in Art. 19 des Übereinkommens, nach dem jeder Vertragsstaat durch entsprechende Erklärung seinen Gerichten die Befugnis einräumen kann, die Entscheidung über Streitigkeiten abzulehnen, die lediglich aufgrund der Prorogation eine Verbindung zum Gerichtsstaat aufweisen.
II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts Vor dem Hintergrund dieser divergierenden Einzelregelungen kann es von entscheidender Bedeutung sein, welches Rechtsregime für die verschiedenen Aspekte der Zulässigkeit und der Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich ist. In allen hier untersuchten autonomen Rechtsordnungen gilt der Grundsatz, dass das jeweils angerufene Gericht diese Fragen nach seiner lex fori entscheidet. Im Anwendungsbereich der vereinheitlichten Rechtssysteme greifen jedoch vorrangig deren Vorgaben zu Zulässigkeit und Wirkungen von Zuständigkeitsabreden. So hat ein Richter bei Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts vorrangig Art. 23 I EuGVVO heranzuziehen, wenn eine der Parteien ihren Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet hat und der
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Sachverhalt Bezug zu mehreren Staaten aufweist. In rein internen Fällen richten sich Zulässigkeit und Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen dagegen weiterhin nach nationalem Recht. In welchem Zeitpunkt die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 23 I EuGVVO erfüllt sein müssen, ist streitig. Richtigerweise ist grundsätzlich auf den Abschluss der Zuständigkeitsabrede abzustellen. Art. 23 I EuGVVO gilt allerdings auch dann, wenn seine Anwendungsvoraussetzungen erst bei Klageerhebung erfüllt sind und durch seine Heranziehung der Gerichtsstandsvereinbarung zur Wirksamkeit verholfen wird. Hat in dem maßgeblichen Zeitpunkt keine der Parteien ihren Wohnsitz innerhalb der EU, entscheidet das prorogierte mitgliedstaatliche Gericht über Zulässigkeit und Wirkungen der Zuständigkeitsabrede nach nationalem Recht. Art. 23 III EuGVVO sieht für solche Fälle lediglich eine Pflicht der nicht vereinbarten mitgliedstaatlichen Gerichte vor, ein vor ihnen eingeleitetes Verfahren bis zum Zuständigkeitsentscheid des designierten Gerichts auszusetzen. Zulässigkeit und Wirkungen von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten eines Drittstaats richten sich grundsätzlich nach nationalem Recht. Schließen solche Abreden jedoch eine nach der EuGVVO eröffnete Zuständigkeit aus, haben mitgliedstaatliche Gerichte bei der Entscheidung über die Durchsetzung der Zuständigkeitsabrede die Pro- und Derogationsbeschränkungen von Art. 23 V EuGVVO zu beachten. Gegenüber Art. 23 EuGVVO sind die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 5–7 HGÜ enger: Zwar wird hier auf das Erfordernis verzichtet, dass eine der Parteien ihren Wohnsitz im Geltungsgebiet des Regelwerks haben muss. Dafür sind aber lediglich ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen erfasst, Art. 1 I HGÜ. Außerdem sind die Anforderungen an die Annahme eines internationalen Sachverhalts i.S.v. Art. 1 II HGÜ höher als gem. Art 23 I EuGVVO: Während bei letzterem die Internationalität schon dann gegeben sein kann, wenn die einzige Auslandsverbindung durch die Prorogation geschaffen wird, sind derartige Konstellationen aus dem Anwendungsbereich des HGÜ ausdrücklich ausgeschlossen. Der Geltungsbereich des Übereinkommens wird ferner dadurch reduziert, dass viele Verfahrensgegenstände, die von der EuGVVO erfasst sind, gem. Art. 2 HGÜ von vornherein ausgenommen sind. Falls dereinst – wie von der EU beabsichtigt – das HGÜ im EU-Gebiet Geltung erlangt, wird ihm ein Anwendungsvorrang vor der EuGVVO für solche Gerichtsstandsvereinbarungen zukommen, die innerhalb seines zuvor beschriebenen Anwendungsbereichs liegen. Demgemäß werden Gerichtsstandsvereinbarungen, die vom HGÜ ausgeschlossen sind – wie etwa nicht ausschließliche oder Abreden betreffs ausgenommener Verfahrensgegenstände – weiterhin Art. 23 EuGVVO unterliegen, soweit dessen Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind. Umgekehrt wird das HGÜ
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Art. 23 EuGVVO insbesondere in Fällen verdrängen, in denen eine in der EU und eine in einem HGÜ-Vertragsstaat außerhalb der EU ansässige Partei die Zuständigkeit der Gerichte eines EU-Mitgliedstaats vereinbaren. In Fällen, in denen Art. 23 EuGVVO bzw. Art. 5–7 HGÜ anwendbar sind, kann sich die Frage nach der Reichweite dieser Regelungen stellen. Insbesondere hinsichtlich der in den vereinheitlichten Rechten nicht ausdrücklich geregelten Aspekte kommt es darauf an, welche Rolle die autonomen Rechte insoweit spielen. Soweit die Gerichtsstandsvereinbarung dem Art. 23 I EuGVVO unterliegt, enthält das europäische Recht eine abschließende und lückenlose Regelung über Zulässigkeit und Wirkungen der Abrede. Mitgliedstaatliche Gerichte können insoweit weder von einem Ermessen Gebrauch machen, das ihnen ihr autonomes Recht eventuell einräumt. Noch bleibt Raum für die Heranziehung nationaler ordre publicVorbehalte und sonstiger autonomer Pro- und Derogationsverbote. Dies ist bei Gerichtsstandsvereinbarungen, die von Art. 23 III EuGVVO erfasst sind, anders. Hier verpflichtet das europäische Recht die mitgliedstaatlichen Gerichte lediglich, ein bei ihnen eingeleitetes Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des prorogierten Gerichts abzuwarten. Wie dieses über die Zulässigkeit und Wirkungen der Gerichtsstandsabrede entscheidet, richtet sich dagegen nach dessen autonomem Recht. Nationale Regelungen spielen für das derogierte Gericht dagegen bis zum Zuständigkeitsentscheid des prorogierten Gerichts keine Rolle. Falls sich aber letzteres für unzuständig erklärt, ist für die anderen mitgliedstaatlichen Gerichte der Weg zu ihrem nationalen Recht eröffnet. Nach diesem haben sie Zulässigkeit und Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung zu beurteilen. Noch geringer ist die Rolle des europäischen Rechts bei Vereinbarungen zugunsten drittstaatlicher Gerichte. Wird entgegen solcher Abreden ein mitgliedstaatliches Gericht angerufen, hat dieses über Zulässigkeit und Wirkungen der Gerichtsstandsbestimmung im Grundsatz ausschließlich nach seinem autonomen Recht zu befinden. Das europäische Recht hält in Art. 23 V EuGVVO für bestimmte Fälle lediglich Pro- und Derogationsbeschränkungen bereit. Wie Art. 23 I EuGVVO regelt Art. 5 HGÜ für die vom Übereinkommen erfassten Prorogationen deren Zulässigkeit und Wirkungen abschließend. Daher ist insoweit der Zugriff auf nationales Recht versperrt. Dem designierten Gericht ist es insbesondere verwehrt, von der im nationalen Recht eventuell vorgesehenen Befugnis, die Entscheidung eines Rechtsstreits aus Zweckmäßigkeitserwägungen abzulehnen, Gebrauch zu machen. Genauso wenig sind einzelstaatliche ordre public-Grenzen der Anerkennung einer Prorogation mit dem HGÜ kompatibel. Im Prinzip genauso stellt sich die Lage bei Derogationen dar, die nach dem HGÜ zu beurteilen sind. Das nationale Recht ist für Fragen der Zulässigkeit und Wirkungen solcher Ve-
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reinbarungen verdrängt. Es gilt allerdings die Abweichung, dass in engen Grenzen einzelstaatliche ordre public-Vorbehalte zur Überwindung einer Gerichtsstandsvereinbarung herangezogen werden dürfen.
III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme Die Bewertung der rechtlichen Rahmenbedingungen von Gerichtsstandsvereinbarungen hinsichtlich ihrer ökonomischen Effizienz geht von der eingangs dargestellten Grundannahme aus, dass Abreden über die internationale Zuständigkeit grundsätzlich ökonomisch wünschenswerte Effekte herbeiführen können. 473 Zu denken ist nicht nur an die Erhöhung von Planungs- und Rechtssicherheit für die Akteure im internationalen Rechtsverkehr, welche geeignet ist, die Transaktionskosten zu minimieren und den internationalen Handel zu fördern. Darüber hinaus können Gerichtsstandsvereinbarungen dazu beitragen, den Verbrauch von Rechtsprechungsressourcen zu reduzieren und den Rechtsschutz zu beschleunigen. Ausgehend hiervon sind diejenigen Regelungsmechanismen als ökonomisch wertvoll zu bezeichnen, die zu einer Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen und deren Durchsetzung beitragen. Ob die in den hier untersuchten Rechten anzutreffenden Konzepte zu Zulässigkeit und Rechtsfolgen von Gerichtsstandsvereinbarungen diesen Zielen Rechnung tragen, ist nachfolgend zu untersuchen. Aus ökonomischer Sicht problematisch erscheint es in erster Linie, dass insbesondere das englische und das US-amerikanische Recht die Durchsetzung einer Zuständigkeitsabrede ins Ermessen des Gerichts stellen. Grundsätzlich ist es zwar sinnvoll, der Anerkennung solcher Vereinbarungen in bestimmten Konstellationen Grenzen zu setzen. Zwingend erforderlich ist insbesondere, einem derogierten Gericht die Außerachtlassung einer Zuständigkeitsabrede in Fällen zu gestatten, in denen im prorogierten Forum ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gewährleistet werden könnte. Gleiches sollte dann möglich sein, wenn zu erwarten ist, dass das prorogierte Gericht eine Entscheidung ablehnen würde und somit Rechtsschutzverweigerung droht. Eine uneingeschränkte Durchsetzung von Zuständigkeitsabreden in derartigen Fällen könnte auf die Parteien abschreckend wirken und sie gänzlich vom Abschluss derartiger Vereinbarungen abhalten. Eine übermäßig starke Durchsetzung könnte also zur Schwächung von Gerichtsstandsbestimmungen führen. Dennoch sollten die Möglichkeiten, eine Zuständigkeitsvereinbarung zu übergehen, nicht zu weit gefasst sein. Denn durch sie büßt eine solche Abrede an ihrer Rechtssicherheit stiftenden Wirkung und Verlässlichkeit ein. Problematisch erscheint es etwa, dass im englischen Recht allein Zweck473
S. oben § 2 A.
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mäßigkeitserwägungen wie Belegenheit der Beweismittel, Verfahrenskosten und -dauer, Verbindungen der Parteien zu dem designierten Gericht oder die Verjährung des streitgegenständlichen Anspruchs ausreichen können, um Zuständigkeitsvereinbarungen zu übergehen. Solche Gesichtspunkte können die Parteien bei Abschluss der Abrede in aller Regel voraussehen, so dass sie vor diesen auch nicht geschützt werden müssen. Das Außerachtlassen einer Gerichtsstandsvereinbarung aus den genannten Gründen erscheint außerdem deswegen problematisch, weil gerade diese Aspekte für die Wahl des Gerichtsorts ausschlaggebend gewesen sein könnten. Zu denken ist insbesondere an Fälle, in denen sich Parteien ganz bewusst auf ein für beide Seiten verbindungsarmes Forum verständigt haben. Aus dem weiten Ermessen englischer Gerichte resultiert somit eine erhebliche Gefahr für das Effizienzpotential von Gerichtsstandsvereinbarungen. Diese Gefahr wird auch nicht dadurch minimiert, dass im englischen Recht eine Partei unter Umständen die Möglichkeit hat, der Zuständigkeitsabrede durch Abgabe eines sog. undertaking zur Wirkung zu verhelfen. Denn eine solche Verpflichtungserklärung gegenüber englischen Gerichten ist nur in seltenen Fällen geeignet, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu „retten“. Insbesondere kann die an der Durchsetzung der Zuständigkeitsabrede interessierte Partei durch Abgabe eines undertakings nicht verhindern, dass die Gerichtsstandsvereinbarung aus Gründen der Beweisnähe, der Verfahrensdauer oder -kosten bzw. wegen mangelnder Bezugspunkte zum prorogierten Forum übergangen wird. Davon abgesehen erscheint es unzumutbar, dass Parteien sich durch solche Verpflichtungserklärungen dasjenige wieder „zurückkaufen“ müssen, was sie gerade durch den Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung erlangt hatten. Im US-amerikanischen Recht stellt sich die Problematik ähnlich dar. Zwar sind im Bundesrecht sowie in den Rechten vieler Einzelstaaten die Anforderungen für ein Außerachtlassen von Gerichtsstandsvereinbarungen höher als im englischen Recht. Gleichwohl handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die im Einzelfall schwer prognostizierbar ist, was Zuständigkeitsabreden ihre Planungssicherheit nehmen kann. Hinzu kommt, dass in den Rechten mancher Einzelstaaten noch immer grundsätzliche Vorbehalte gegenüber Derogationen der jurisdiction der eigenen Gerichte bestehen. Zuständigkeitsabreden können also durch eine Klage in einem derogationsfeindlichen Bundesstaat leicht ausgehebelt werden. Die Nachteile einer ermessensbasierten Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen werden auch im HGÜ nicht vollständig gebannt. Zwar normiert das Übereinkommen grundsätzlich eine Pflicht zur Anerkennung von Zuständigkeitsabreden. Gemäß Art. 19 HGÜ dürfen Einzelstaaten jedoch durch entsprechende Erklärung ihren Gerichten die Mög-
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lichkeit eröffnen, sich über auf sie lautende Prorogationen hinwegzusetzen, wenn der Streit keinerlei Verbindungen zu ihrem Land aufweist. Dies ist aus zweierlei Gründen problematisch: Zum einen lässt Art. 19 HGÜ das Interesse von Parteien außer Acht, gezielt ein neutrales Forum für die Austragung ihrer Streitigkeiten zu bestimmen. Zum anderen schafft die Regelung Rechtsunsicherheit, da sie es den Staaten gestattet, es ins Ermessen ihrer Gerichte zu stellen, ob berührungsarme Prorogationen zu ihren Gunsten durchgesetzt werden oder nicht. Demgegenüber zeichnen sich das deutsche Recht sowie Art. 23 EuGVVO durch eindeutig normierte Zulässigkeitsanforderungen und eine starre Durchsetzung von wirksamen Gerichtsstandsvereinbarungen aus. So haben sich in der deutschen Rechtsprechung zu der Frage, wann eine Zuständigkeitsabrede übergangen werden darf oder von vornherein unzulässig ist, klar umrissene Fallgruppen entwickelt. Noch weniger Spielraum bietet Art. 23 EuGVVO, der alle Zulässigkeitsvoraussetzungen unmittelbar normiert und ein Übergehen der Gerichtsstandsvereinbarung aus sonstigen Gründen nicht gestattet. Dass weder gerichtliches Ermessen noch Zweckmäßigkeitserwägungen eine Rolle spielen, führt nicht nur zu einer weitgehenden Durchsetzung von Zuständigkeitsabreden – auch Vereinbarungen neutraler Fora werden effektuiert –, sondern auch zu einer Erhöhung der durch sie angestrebten Rechts- und Planungssicherheit. Aus dem Blickwinkel der Effizienz ist des Weiteren problematisch, dass im US-amerikanischen Recht der rechtliche Maßstab zur Beurteilung von Zulässigkeit und Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht immer zuverlässig vorhersehbar ist. In den USA entsteht dieses Problem aus zweierlei Gründen: Zum einen herrscht Unsicherheit über den rechtlichen Standard, nach dem Bundesgerichte in diversity-Fällen über die Anerkennung einer Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden. Manche Gerichte folgen dem Recht des Einzelstaates, in dem sie ihren Sitz haben. Andere wenden den bundesrechtlichen Maßstab aus der Bremen-Entscheidung an. Da diese beiden Standards unterschiedlich streng sind, ist die Entscheidung zwischen ihnen häufig eine Entscheidung über das Ob der Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Zum anderen besteht im US-amerikanischen Recht Unklarheit über die Rolle der forum non conveniens-Doktrin bei der Anerkennung von Zuständigkeitsvereinbarungen. Während ein Teil der Gerichte diese Lehre durch den Bremen-Maßstab verdrängt sieht, befürworten andere ein Nebeneinander beider Standards. Letztere Auffassung führt zu einer bedenklichen Erweiterung des gerichtlichen Ermessens bei der Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen. Derartige Unsicherheiten über die maßgeblichen Durchsetzungsbedingungen laufen dem Interesse der Parteien zuwider, bei Abschluss einer Zuständigkeitsabrede deren Wirksamkeit und Folgen sicher absehen zu können.
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Auf die ökonomische Effizienz von Gerichtsstandsvereinbarungen und deren Regelungsrahmen hat es dagegen keine Auswirkung, wie Pro- und Derogationen dogmatisch wirken. Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung verfügende Wirkung entfaltet, d.h. unmittelbar zur Begründung bzw. zum Ausschluss der internationalen Zuständigkeit führt, oder bloße Verpflichtungswirkung gegenüber den Parteien hat, wirkt sich auf die Frage der Anerkennung der Abrede nicht aus. Denn diese dogmatischen Feinheiten bedingen nicht die Frage, ob das Gericht bei der Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung Ermessen genießt oder nicht. In zusammenfassender Betrachtung zeigt sich somit, dass die Regelungen über Zulässigkeit und Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen insbesondere aus zwei Gründen ökonomisch nachteilhaft sein können. Zum einen ist es der Effizienz abträglich, wenn die Durchsetzung einer Zuständigkeitsabrede ins gerichtliche Ermessen gestellt ist bzw. von generalklauselartig umschriebenen Voraussetzungen abhängt. Hierunter leiden Planungs- und Rechtssicherheit, die Gerichtsstandsvereinbarungen gerade herstellen sollen. Als ökonomisch nachteilig erweist sich zum anderen, wenn Unsicherheit darüber herrscht, welchem rechtlichen Rahmen Zulässigkeit und Wirkungen von Zuständigkeitsvereinbarungen unterliegen. Denn von dem insoweit maßgeblichen Rechtsregime hängt die Anerkennung einer Gerichtsstandsabrede ab und dies möchten die Parteien bereits bei deren Abschluss so sicher wie möglich voraussehen. Dies bedingt nämlich nicht nur die Gestaltung ihres Vertrags, sondern auch die Verhaltensweise bei drohenden gerichtlichen Auseinandersetzungen.
IV. Vorschläge zur Verbesserung der EuGVVO Wendet man sich nun der Frage zu, ob und wie Art. 23 EuGVVO hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen und Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen de lege ferenda modifiziert werden soll, so ist zunächst die aus den vorangegangenen Untersuchungen gewonnene Erkenntnis festzuhalten, dass diese europäische Regelung bereits de lege lata recht weitgehend ökonomischen Effizienzkriterien gerecht wird. Was die Zulässigkeitsvoraussetzungen betrifft, ist positiv zu bewerten, dass Art. 23 EuGVVO sie – jedenfalls für die von dessen Abs. 1 erfassten Vereinbarungen – abschließend und umfassend regelt, so dass kein Raum dafür besteht, nationale Vorstellungen in das europäische Einheitsrecht zu importieren. Dies fördert im gemeinschaftsweiten grenzüberschreitenden Verkehr die Rechtsklarheit. Ökonomisch sinnvoll ist zum anderen die strikte Pflicht mitgliedstaatlicher Gerichte zur Anerkennung zulässiger und wirksamer Gerichtsstandsvereinbarungen. Das Ausschalten jeglicher Zweckmäßigkeitserwägungen entspricht dem schützenswerten und insoweit – zumin-
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dest anfangs – übereinstimmenden Willen der Parteien, die einmal getroffene Vereinbarung durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist es nachteilig, dass Art. 23 I EuGVVO solche Gerichtsstandsvereinbarungen von seinem Geltungsbereich ausklammert, die auf ein mitgliedstaatliches Gericht lauten, deren Parteien aber außerhalb der EU ansässig sind. Für solche Zuständigkeitsabreden eröffnet Art. 23 III EuGVVO dem prorogierten Gericht den Weg zum nationalen Recht hinsichtlich Zulässigkeit und Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum die Regelung in Art. 23 I EuGVVO auf solche Abreden nicht erstreckt werden sollte. Insbesondere wäre die Kompetenz der EU aus Art. 81 II lit. f AEUV (früher Art. 65 lit. c EGV) nicht überschritten, wenn sie auch Gerichtsstandsvereinbarungen erfasste, deren grenzüberschreitender Bezug dadurch hergestellt wird, dass Parteien außerhalb des Gemeinschaftsgebiets ihren Wohnsitz haben. Denn ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes i.S.v. Art. 81 II AEUV macht es auch erforderlich, dass bei der Vereinbarung der Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts gemeinschaftsweit einheitlich beurteilt wird, ob die Gerichtsstandsabrede anzuerkennen ist. Schließen ein russisches und ein US-amerikanisches Unternehmen eine Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte, sollten sowohl das angerufene deutsche als auch abredewidrig angerufene Gerichte anderer Mitgliedstaaten nach denselben Standards über Zulässigkeit und Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung befinden. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Zuständigkeitsfrage innerhalb des Gemeinschaftsgebiets einheitlich beurteilt wird und es nicht zu negativen Kompetenzkonflikten zwischen den Mitgliedstaaten kommt. Aus diesem Grunde ist der Vorschlag der EU-Kommission, das Wohnsitzerfordernis aus Art. 23 I EuGVVO – „von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat“ – zu streichen, begrüßenswert.474
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EU-Kommission, Vorschlag – EuGVVO, 14.12.2010, S. 35. So auch Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 532 sowie bereits zum EuGVÜ Kropholler, in: FS Ferid, 1988, S. 239 (247 f.).
§ 4 Wirksamer Abschluss von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen Die nachstehenden Ausführungen widmen sich den in den autonomen Rechten (A.) sowie im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ (B.) existierenden kollisions- und sachrechtlichen Besonderheiten bei der Beurteilung des wirksamen Zustandekommens internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen. Die in den Rechtssystemen insoweit existierenden Regeln sind anschließend unter ökonomischen Gesichtspunkten zu bewerten und die dabei gewonnenen Erkenntnisse bei der Erarbeitung eines Reformvorschlags für die EuGVVO zu berücksichtigen (C.).
A. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten Ob eine wirksame Gerichtssandsvereinbarung vorliegt, ist – wie allgemein bei Verträgen – eine Frage mit zwei Dimensionen. Einerseits muss ein entsprechender Abschlusstatbestand gegeben sein, andererseits dürfen diesem keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen. Auf beide Aspekte ist nachfolgend einzugehend (I.). Die besonderen für Gerichtsstandsvereinbarungen geltenden Formerfordernisse werden getrennt behandelt (II.).
I. Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten Der Frage des wirksamen Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen vorgelagert ist die nach dem hierauf anwendbaren Recht. Diese wird in den hier behandelten Rechtsordnungen teilweise unterschiedlich beantwortet (1.). Abweichungen weisen auch die in den autonomen Rechten bestehenden Anforderungen an das Zustandekommen von Zuständigkeitsvereinbarungen (2.) sowie an die wirksame Einbeziehung von Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (3.) auf. 1. Bestimmung des auf das Zustandekommen anwendbaren Rechts Die Entscheidung über das maßgebliche Recht zur Beurteilung des wirksamen Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung hängt von der kollisionsrechtlichen Qualifikation der Abrede ab. Ist diese als Prozessvertrag
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
einzuordnen, spricht viel dafür, nicht nur Fragen der Zulässigkeit, sondern auch solche des wirksamen Abschlusses solcher Abreden der lex fori zu unterstellen. Handelt es sich demgegenüber um einen materiellrechtlichen Vertrag, ist nicht die lex fori, sondern ein anderes Statut heranzuziehen, wobei dieses nach unterschiedlichen Anknüpfungspunkten bestimmt werden könnte. Eine eindeutige Einordnung bereitet aufgrund der Sonderstellung von Gerichtsstandsabreden „im Schnittpunkt zwischen Prozessrecht und materiellem Recht“ 1 Schwierigkeiten: Auf der einen Seite entfalten sie ihre Hauptwirkung auf prozessualem Gebiet, indem sie das zuständige Gericht festlegen. Auf der anderen Seite werden sie in der Regel lange vor Prozessbeginn im Rahmen eines materiell-rechtlichen Vertrags geschlossen und beeinflussen nicht unmittelbar, sondern erst bei entsprechender Geltendmachung im Verfahren die prozessuale Lage. Die Frage nach der kollisionsrechtlichen Qualifikation wird in den hier untersuchten Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet. a) Bestimmung des Abschlussstatuts internationaler Gerichtsstandsabreden in den USA US-amerikanische Gerichte qualifizieren Gerichtsstandsvereinbarungen überwiegend als prozessuale Abreden und beurteilen deren wirksamen Abschluss nach ihrer lex fori. 2 Vereinzelt finden sich jedoch auch Fälle, in denen das auf den Hauptvertrag anwendbare Recht herangezogen wurde. 3 1
Gottwald, in: FS Henckel, 1995, S. 294 (295). Florida Court of Appeal, 08.03.2000 – Fendi S.r.l. v. Condotti Shops, Inc., 2000 Fla. App. LEXIS 4197, 6; US Court of Appeals (10th Cir.), 20.09.2006 – Orhan Yavuz v. 61MM, Ltd., 465 F.3d 418, 427. Vgl. auch Ochsenfeld, RIW 1995, S. 633, 633 f.; F. Sandrock, Neutraler Gerichtsstand, 1997, S. 203. Kritisch Webb Yackee, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 9 (2004), S. 43 (83–96), der für die Anwendung des von den Parteien gewählten Rechts bzw. in Ermangelung einer Rechtswahl für die Heranziehung der lex fori prorogati plädiert. 3 Vgl. etwa US Court of Appeals (9th Cir.), 05.05.2003 – Chateau des Charmes Wines Ltd. v. Sabate USA Inc., 328 F.3d 528, 530: Anwendung des CISG bei Prorogation französischer Gerichte; US District Court (D. Kansas), 17.02.2006 – TH Agriculture & Nutrition, L.L.C. v. ACE European Group Ltd., 416 F.Supp.2d 1054, 1075: Anwendung des gewählten niederländischen Rechts bei Prorogation niederländischer Gerichte; US Court of Appeals (7th Cir.), 02.02.2007 – Abbott Laboratories v. Takeda Pharmaceuticals Co., Ltd., 476 F.3d 421, 423 f.: Anwendbarkeit des gewählten Rechts von Illinois bei Prorogation der Gerichte in Illinois. Vgl. auch US District Court (N.D. Illinois), 22.03.2010 – Ehrenpreis v. Google, 2010 U.S. Dist. LEXIS 29167, 3: inneramerikanischer Fall, in dem unter Hinweis auf die obigen in internationalen Konstellationen ergangenen Entscheidungen das auf den Vertrag anwendbare New Yorker Recht zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten New Yorker Gerichte herangezogen wurde. 2
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Je nachdem ob ein einzelstaatliches oder ein Bundesgericht entscheidet, kann der lex fori-Ansatz allerdings teilweise zu unterschiedlichen Rechten führen. Die state courts beurteilen das wirksame Zustandekommen von Prorogationen nach dem Richter- und dem kodifizierten Vertragsrecht des Einzelstaats, in dem sie ihren Sitz haben.4 Für die federal courts ist Ausgangspunkt der Wirksamkeitsprüfung die Bremen-Doktrin, die – wie bereits angedeutet – nicht nur Zulässigkeits-, sondern auch einige Abschlussanforderungen aufstellt. So wird etwa bundesgerichtliches Richterrecht angewandt, wenn es um die Frage geht, ob eine Prorogation wegen schwerwiegender Beeinträchtigung der Willensfreiheit einer der Parteien ungültig ist. 5 Ebenso gelten die Sonderregeln der Carnival-Entscheidung, falls es sich um eine AGB-Gerichtsstandsklausel handelt. Für alle Aspekte, denen die in dieser und in der Bremen-Entscheidung entwickelten Grundsätze nicht Rechnung tragen, wenden die federal courts entweder das common law und die Gesetze des Einzelstaats an, in dem sie ihren Sitz haben6, oder entscheiden unter Berufung auf allgemeine Prinzipien des US-amerikanischen Vertragsrechts.7 b) Bestimmung des Abschlussstatuts internationaler Gerichtsstandsabreden in England und Deutschland Nach der in Deutschland und England herrschenden Auffassung werden Gerichtsstandsvereinbarungen materiellrechtlich qualifiziert, jedenfalls wenn sie – wie in der Regel – vor Beginn des Prozesses abgeschlossen werden. 8 Demgemäß richtet sich ihr Zustandekommen nicht automatisch 4
Florida Court of Appeal, 08.03.2000 – Fendi S.r.l. v. Condotti Shops, Inc., 2000 Fla. App. LEXIS 4197, 6–10: Heranziehung des Vertragsrechts von Florida bei Prorogation der Gerichte in Rom und Rechtswahlklausel zugunsten italienischen Rechts. 5 Vgl. etwa US Court of Appeals (6th Cir.), 21.12.2009 – Wong v. Party Gaming Ltd., 2009 U.S. App. LEXIS 27914. 6 US Court of Appeals (6th Cir.), 21.07.1994 – General Electric Co. v. Siempelkamp GmbH & Co., 29 F.3d 1095, 1058 f.: Heranziehung des Vertragsrechts von Ohio bei Prorogation deutscher Gerichte und Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts; US Court of Appeals (2nd Cir.), 27.05.1998 – Evolution Online Systems, Inc. v. Koninklijke PTT Nederland N.V., 145 F.3d 505, 508: Heranziehung von New Yorker Vertragsrecht bei Prorogation niederländischer Gerichte und Rechtswahl zugunsten niederländischen Rechts; US District Court (W.D. Kentucky), 27.05.2005 – Straight-Out Promotions, LLC v. Brearly (International) Ltd., 2005 U.S. Dist. LEXIS 10403, 10: Heranziehung des Vertragsrechts von Kentucky bei Prorogation der Gerichte von Gibraltar. 7 US Court of Appeals (6th Cir.), 18.06.1997 – New Moon Shipping Co., Ltd. v. MAN B&W Diesel AG, 121 F.3d 24, 30: Prorogation deutscher Gerichte. 8 England: Court of Appeal, 16.04.1997 – A/S D/S Svendborg v. Wansa, [1997] 2 Lloyd’s Rep. 183, 186 (Staughton LJ): „a private contract which seeks to deprive them [the English courts, die Verf.] of jurisdiction“; Pryles, ICLQ 25 (1976), S. 543 (544); Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.40; Ingenhoven,
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
nach der lex fori, sondern nach einem anderweitig zu bestimmenden Statut.9 Für dessen Ermittlung stehen sich in beiden Ländern zwei Ansätze gegenüber: eine akzessorische Anknüpfung (aa.) und eine selbständige Schwerpunktbestimmung (bb.). Die konträren Ansichten führen jedoch in den meisten Fällen zum gleichen Ergebnis (cc.). aa) Akzessorische Anknüpfung des Prorogationsstatuts Die überwiegende Auffassung knüpft die Gerichtsstandsvereinbarung an das Statut des Hauptvertrags an, dessen Teil sie bildet.10 Ein Gleichlauf des Rechtsschutz, 2001, S. 126. Deutschland: BGH, 29.02.1968 – VII ZR 102/65, NJW 1968, S. 1233; BGH, 15.04.1970 – VIII ZR 87/69, NJW 1971, S. 323 (324); OLG München, 28.09.1989 – 24 U 391/87, IPRax 1991, S. 46 (48); zustimmend Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 38 Rn. 3; Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 16 I 2 (Rn. 18); MünchKomm-ZPO/Patzina, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 13; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 495; Lorenz, AcP 157 (1958), S. 265 (280 f.). Teile des Schrifttums sprechen sich dagegen für eine prozessuale Qualifikation aus mit der Folge, dass nicht nur Zulässigkeit, sondern auch das Zustandekommen solcher Abreden nach der lex fori, d.h. den BGB-Vorschriften zu beurteilen sind. So etwa Hausmann, in: FS Lorenz, 1991, S. 358 (361); Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 47 f.; Pfeiffer, IPRax 1997, S. 17 (17); Kornblum, FamRZ 1973, S. 416 (421 f.); Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 557; Habscheid, in: FS Schima, 1969, S. 175 (178); Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 35; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 100 f; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 33. Aufl. 2012, Vorbem. § 38 ZPO Rn. 2. Geimer ordnet die Zuständigkeitsabrede ebenfalls als prozessrechtlich ein, lehnt jedoch die Heranziehung der lex fori ab und fordert stattdessen ein eigenes Statut für das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung, vgl. Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1677. 9 England: Pryles, ICLQ 25 (1976), S. 543 (544 f.); Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.090; Briggs/ Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.39 f.; Kahn-Freund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (827 f.); Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (183). Deutschland: BGH, 15.04.1970 – VIII ZR 87/69, NJW 1971, S. 323 (324); BGH, 17.05.1972 – VIII ZR 76/71, NJW 1972, S. 1622 (1623); BGH, 30.05.1983 – II ZR 135/82, NJW 1983, S. 2772 (2773); BGH, 15.12.1986 – II ZR 34/86, NJW 1987, S. 1145; BGH, 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, S. 1431 (1432); OLG Bamberg, 22.09.1988 – 1 U 302/87, NJW-RR 1989, S. 371; OLG München, 28.09.1989 – 24 U 391/87, IPRax 1991, S. 46 (48); MünchKommZPO/Patzina, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 13; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 38 Rn. 3. 10 England: High Court, 07.03.1986 – The Frank Pais, [1986] 1 Lloyd’s Rep. 529, 530; High Court, 04.04.1984 – The Iran Vojdan, [1983] 2 Lloyd’s Rep. 380; Court of Appeal, 13.06.2005 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., [2005] EWCA Civ 710, para. 1 f.; Cowen/Mendes Da Costa, Am. J. Comp. L. 13 (1964), S. 179 (181); KahnFreund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (827); Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.090; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.40. Deutschland: BGH, 17.05.1972 – VIII ZR 76/71, NJW 1972, S. 1622 (1623); BGH, 15.12.1986 – II ZR 34/86, NJW 1987,
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anwendbaren Rechts entspreche zum einen dem kollisionsrechtlichen Akzessorietätsgrundsatz, wonach Nebensächliches dem Hauptsächlichen folgt, und zum anderen dem Interesse der Parteien, sich bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Vertrags mit nur einer Rechtsordnung befassen zu müssen.11 Für die nach der akzessorischen Anknüpfung notwendige Ermittlung des Statuts des Hauptvertrags stehen in England mehrere Regelwerke zur Auswahl: Das EVÜ 12 und die Rom I-VO gehen als leges speciales den common law-Kollisionsgrundsätzen 13 vor. 14 Die Anwendungsbereiche des EVÜ und der Rom I-VO werden nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgegrenzt, Art. 28 Rom I-VO: Lag dieser vor dem 18.12.2009, greift ersteres, andernfalls zweitere. 15 Auch in Deutschland gilt dieser Stichtag: Auf Verträge, die nach ihm zustande gekommen sind, ist hier ebenfalls die Rom I-VO anwendbar; für früher abgeschlossene Verträge gelten die das EVÜ ins nationale Recht inkorporierenden Art. 27– 37 EGBGB.16 Wurde das auf den Hauptvertrag anwendbare Recht ausdrücklich gewählt, so ist dieses nach der akzessorischen Anknüpfung auch für die Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich. Fehlt es an einer ausdrücklichen Rechtswahl, stellt die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands sowohl gem. Art. 3 I EVÜ 17 als auch nach Art. 27 I S. 2 EGBGB 18 eine
S. 1145; BGH, 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, S. 1431 (1432); OLG Karlsruhe, 09.10.1992 – 15 U 67/92, NJW-RR 1993, S. 567 (568); BGH, 21.11.1996 – IX ZR 264/95, NJW 1997, S. 397 (399); OLG München, 28.09.1989 – 24 U 391/87, IPRax 1991, S. 46 (48); OLG Rostock, 27.11.1996 – 6 U 113/96, RIW 1997, S. 1042 (1043); OLG Saarbrücken, 13.10.1999 – 1 U 190/99-37, NJW 2000, S. 670 (671); Gottwald, in: FS Henckel, 1995, S. 294 (300–303); Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 21; MünchKomm-ZPO/Patzina, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 27; Staudinger/Coester, 14. Neubearb. 2006, § 307 BGB Rn. 471; Koch, IPRax 1997, S. 405 (406); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 508. 11 Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 21; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 508; Gottwald, in: FS Henckel, 1995, S. 294 (301). 12 Das EVÜ wurde ins englische Recht durch den Contracts (Applicable Law) Act 1990 inkorporiert. 13 Ausführlich zu den common law-Kollisionsgrundsätzen bzgl. vertraglicher Schuldverhältnisse Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 30.005–30.016. 14 Etwas anderes gilt für den Fall, dass der Vertrag in den Anwendungsbereich eines internationalen einheitsrechtlichen Übereinkommens fällt, wie etwa das CISG oder die CMR. Solche Übereinkommen gehen den IPR-Regeln vor, vgl. auch Art. 21 EVÜ, Art. 25 Rom I-VO. 15 Über den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags bestimmt das materielle Recht, das auf diesen anzuwenden ist, Magnus, IPRax 2010, S. 27 (32). 16 Magnus, IPRax 2010, S. 27 (43). 17 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 6.16–6.20; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (193).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
konkludente Wahl des Rechts des prorogierten Forums dar. Dies ist in der Rom I-VO meist nicht anders. Auch wenn diese an die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl grundsätzlich höhere Anforderungen stellt als das EVÜ19, ist nach Erwgr. 12 der Verordnung eine ausschließliche Zuständigkeitsabrede ein starkes Indiz für das Vorliegen einer Rechtswahl i.S.v. Art. 3 I Rom I-VO. Im Ergebnis unterliegt in aller Regel die Gerichtswahlabrede demselben Recht wie der Hauptvertrag. Eine Durchbrechung der Akzessorietät kommt nur in den seltenen Fällen in Betracht, in denen die Parteien die Prorogation ausdrücklich einem bestimmten Recht unterstellt haben und dieses Recht ein anderes als das auf den Hauptvertrag anwendbare ist. Dann ist für die Überlegung, die der akzessorischen Anknüpfung zugrunde liegt, nämlich dass die Parteien alle Bestandteile ihres Vertrags regelmäßig einem einheitlichen Recht unterwerfen wollen, kein Raum. Denn durch eine auf die Prorogation beschränkte Rechtswahl wurde ein anderweitiger Parteiwille zum Ausdruck gebracht. bb) Selbständige Schwerpunktbestimmung des Prorogationsstatuts Teile der Literatur befürworten eine selbständige Bestimmung der lex prorogatio.20 Hierfür kommt den Regeln des EVÜ bzw. der Rom I-VO keine Bedeutung zu, da Gerichtsstandsvereinbarungen aus dem Anwendungsbereich beider Regelwerke ausdrücklich ausgenommen sind, Art. 1 II lit. d EVÜ bzw. Art. 1 II lit. e Rom I-VO. 21 Über das anwendbare Recht entscheiden daher in England bei selbständiger Schwerpunktbestimmung die common law-Kollisionsgrundsätze. 22 In Deutschland sind für Gerichtsstandsabreden, die vor dem 18.12.2009 abgeschlossen wurden, die Art. 27– 37 EGBGB maßgeblich. 23 . Für neuere Zuständigkeitsvereinbarungen be18
BGH, 26.10.1989 – VII ZR 153/88, NJW-RR 1990, S. 183; BGH, 04.02.1991 – II ZR 52/90, NJW 1991, S. 1420; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 488 m.w.N. 19 Nach Art. 3 I EVÜ bzw. Art. 27 I S. 2 EGBGB genügt es für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl, dass sich diese „mit hinreichender Sicherheit“ aus den vertraglichen Bestimmungen ergibt. Gemäß Art. 3 I Rom I-VO muss sie dagegen „eindeutig“ sein. Für Fälle, in denen der strengere Maßstab der Rom I-VO von Bedeutung sein kann, vgl. Magnus, IPRax 2010, S. 27 (33). 20 England: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 6.28–6.39; so wohl auch Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (183). Deutschland: v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 79; so wohl auch Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3123. 21 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 6.26. 22 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 6.28. 23 Im Gegensatz zum englischen hat sich der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung des EVÜ ins nationale Recht für eine Erstreckung des sachlichen Anwendungsbereichs
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steht hingegen eine Lücke: Art. 27–37 EGBGB sind nicht anwendbar, da sie im Hinblick auf das Inkrafttreten der Rom I-VO aufgehoben wurden. Ein Rückgriff auf Art. 3 ff. Rom I-VO kommt wegen des eindeutigen Wortlauts von Art. 1 II lit. e Rom I-VO ebenso wenig in Betracht. Letztere Norm steht wohl auch einer analogen Anwendung der Rom I-Regeln auf Gerichtsstandsabreden entgegen. Zur Schließung der vorhandenen Lücke im deutschen Recht bietet sich somit lediglich eine entsprechende Anwendung von Art. 27–37 EGBGB. Liegt eine ausdrückliche Rechtswahl bezüglich der Prorogation vor, gilt diese. Wurde hingegen weder für die Prorogation noch für den Hauptvertrag das anwendbare Recht explizit bestimmt, kommt bei der gesonderten Anknüpfung das Recht am vereinbarten Gerichtsort zur Anwendung: Entweder weil die Einigung auf diesen zugleich die stillschweigende Vereinbarung enthält, dass dessen Recht auch für die Gerichtswahlabrede maßgeblich sein soll. 24 Oder weil die Gerichtsstandsvereinbarung zu dem Recht des prorogierten Staates die engste Verbindung aufweist.25 Wurde eine Rechtswahl für den Hauptvertrag getroffen, wird sie von den Verfechtern einer selbständigen Schwerpunktbestimmung in England auch auf die Prorogation erstreckt: In solchen Fällen könne ein Wille der Parteien angenommen werden, dass das für den Hauptvertrag gewählte Recht auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung anzuwenden ist. 26 In Deutschland wird dagegen einer Rechtswahl bzgl. des Hauptvertrags keine Bedeutung zur Bestimmung des Prorogationsstatuts beigemessen, vielmehr gilt gem. Art. 28 I EGBGB das Recht des Landes, mit dem die Abrede am engsten verbunden ist. 27 Dieser Unterschied zwischen England und Deutschland wirkt sich in der Praxis jedoch nicht aus, da die Wahl des zuständigen Gerichts und des auf den Hauptvertrag anwendbaren Rechts in aller Regel gleichlaufen. cc) Ergebnis Wie die obigen Ausführungen zeigen, unterscheiden sich die akzessorische und die selbständige Anknüpfung der Prorogation im Ergebnis kaum voneinander: Liegt eine ausdrückliche Rechtswahl für die Gerichtsstandsvereinbarung vor, ist diese nach beiden Ansichten zu berücksichtigen. Im Übrigen unterliegt die Gerichtswahlabrede in aller Regel dem Recht des prorogierten Staates – entweder weil hierdurch eine engste Verbindung der auf Gerichtsstandsvereinbarungen entschieden, vgl. die Liste der ausgenommenen Bereiche in Art. 37 EGBGB. 24 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (183). 25 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 6.31; v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 78. 26 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 6.30. 27 v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 77.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Zuständigkeitsabrede zu diesem Land geschaffen wird oder weil die Vereinbarung eines Forums eine konkludente Wahl dessen Rechts beinhaltet. 2. Grundsätzliche Anforderungen an den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in den autonomen Rechten Die lex prorogatio entscheidet über Zustandekommen, Wirksamkeit und Beendigung der Gerichtsstandsvereinbarung.28 Für diese Aspekte gelten in den hier untersuchten Rechtsordnungen die allgemeinen Vertragsgrundsätze. 29 Diese weisen diverse Unterschiede auf, deren Untersuchung im Einzelnen den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Im Folgenden werden daher nur zwei Besonderheiten herausgegriffen. Im Übrigen sei auf die einschlägige rechtsvergleichende Fachliteratur verwiesen. a) Rechtliche Unabhängigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung von dem Hauptvertrag In allen drei Rechtssystemen gilt der Grundsatz, dass die Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zu dem sie beinhaltenden Hauptvertrag rechtlich selbständig ist, sog. separability-Doktrin.30 Dieses Prinzip zieht zwei Kon28 England: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 6.51; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.090; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 130. Deutschland: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3124. 29 England: Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.44; ausführlich Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 2-001–9-085. USA: US Court of Appeals (7th Cir.), 11.08.1992 – Paper Express, Ltd. v. Pfankuch Maschinen GmbH, 972 F.2d 753, 757; US Court of Appeals (7th Cir.), 17.10.1990 – Northwestern National Insurance Co. v. Donovan, 916 F.2d 372, 375; Perillo, Contracts, 5. Aufl. 2007, §§ 2.1–9.40. Deutschland: Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 56. 30 England: Court of Appeal, 18.10.1966 – Mackender v. Feldia A.G., [1967] 2 Q.B. 590; Court of Appeal, 24.01.2007 – Fiona Trust & Holding Corp. v. Privalov, [2006] EWHC 2583 (Comm), para. 27 (Longmore LJ): kombinierte Schieds- und Gerichtsstandsabrede. Vgl. auch Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.38–4.43; Collins/Morse/ McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.099; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 448 f. Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn der Grundkonsens für den Hauptvertrag und somit auch für die Forumsbestimmung in Frage steht, also ein Fall des non est factum oder des fehlenden consensus ad idem vorliegt, Court of Appeal, 18.10.1966 – Mackender v. Feldia A.G., [1967] 2 Q.B. 590, 598. USA: US Court of Appeals (5th Cir.), 29.08.1997 – Haynsworth v. The Corporation, 121 F.3d 956, 965; US District Court (N.D. Texas), 25.05.2005 – Abramson v. America Online, Inc., 393 F.Supp.2d 438, 442; US Court of Appeals (5th Cir.), 26.06.1998 – Afram Carriers, Inc. v. Moeykens, 145 F.3d 298, 302; Scoles/Hay/ Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 483. Deutschland: KG Berlin, 28.09.1982 – 5 U 3213/82, BB 1983, S. 213; OLG München, 20.07.1994 – 3 U 2861/94, OLGR München 1995, S. 117; OLG München, 28.07.1999 – 7 U 1708/99, OLGR
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sequenzen nach sich: Zum einen hat die Unwirksamkeit des Hauptvertrags nicht automatisch die der Zuständigkeitsabrede zur Folge. Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Prorogation müssen vielmehr gerade in Bezug auf diese begründet sein. Umgekehrt führt die Ungültigkeit der Prorogation nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit des Hauptvertrags. Zum anderen ist das wirksam vereinbarte Gericht zuständig für die Entscheidung über Streitigkeiten betreffend die Gültigkeit des Hauptvertrags, der die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltet. b) England und USA: Erfordernis der consideration Im englischen und US-amerikanischen Recht sind Verträge grundsätzlich nur wirksam, wenn jede Partei der anderen etwas als Gegenleistung verspricht oder gewährt, sog. consideration. 31 Unter einer consideration ist ein Recht, Gewinn oder Vorteil einer Vertragspartei zu verstehen, welches mit einem Unterlassen, einem Nachteil oder einer Belastung der anderen Seite einhergeht.32 Bei ausschließlichen Prorogationen verspricht jede Partei, vor keinem anderen als dem vereinbarten Gericht zu klagen, so dass eine consideration in der Regel unproblematisch gegeben ist.33 Ist in der Zusage einer Partei, ein anderes als das prorogierte Gericht nicht anzurufen, ausnahmsweise keine Gegenleistung zu sehen, etwa weil diese Partei ohnehin nur vor dem gewählten Gericht hätte klagen können, so genügt die im Rahmen des Hauptvertrags abgegebene consideration auch zur Begründung der Wirksamkeit der an sich rechtlich selbständigen Gerichtsstandsvereinbarung.34
München 1999, S. 342; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1674a; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3133. 31 England: Das Erfordernis der consideration gilt nicht für sog. contracts under seal, Verträge, die unterzeichnet, mit einem Siegel versehen und in einer Ausfertigung an den Vertragspartner übergeben werden, Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 45–47. USA: Nach dem Recht mancher Einzelstaaten kommt die Einhaltung der Schriftform als Ersatz für die consideration in Betracht, Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 300–304. 32 Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 46; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 300. 33 Dogauchi/Hartley, HGÜ-Prel. Doc. No. 26, para. 82. 34 Dogauchi/Hartley, HGÜ-Prel. Doc. No. 26, para. 82. Vgl. für die USA auch Perillo, Contracts, 5. Aufl. 2007, § 4.15: „The rule is that one consideration will support many promises.“; US District Court (W.D. Kentucky), 27.05.2005 – Straight-Out Promotions, LLC v. Brearly (International) Ltd., 2005 U.S. Dist. LEXIS 10403, 11; US District Court (E.D. Pennsylvania), 31.03.2006 – Select Medical Corp. v. Hardaway, 2006 U.S. Dist. LEXIS 15326, 13 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
3. Besonderheiten für AGB-Gerichtsstandsklauseln in den autonomen Rechten Gerichtsstandsabreden können sowohl im englischen und deutschen (a.) als auch im US-amerikanischen Recht (b.) wirksam in AGB vereinbart werden.35 Allerdings gelten insoweit Besonderheiten, auf die nachfolgend einzugehen ist. a) Abschluss von Gerichtsstandsabreden in AGB im englischen und deutschen Recht Nach einer Darstellung der Grundsätze zur Beurteilung der wirksamen Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsklauseln im englischen (aa.) und deutschen Recht (bb.) werden die in den Rechtssystemen geltenden Umsetzungsregeln zur EG-Klausel-RL erörtert (cc.). aa) Die Regeln des englischen Rechts über die wirksame Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsklauseln im Überblick Die Einigung über eine Zuständigkeitsklausel in standard terms and conditions oder standard form contracts richtet sich im englischen Recht grundsätzlich nach den allgemeinen, dem common law entstammenden Einbeziehungsvoraussetzungen.36 Besondere Anforderungen gelten, wenn eine Gerichtsstandsklausel dadurch zustande kommen soll, dass im Vertragsdokument ein inkorporierender Hinweis auf die eine Prorogation enthaltenden AGB eines anderen Vertrags aufgenommen wird: Hierdurch kann die Zuständigkeitsklausel nur dann vereinbart werden, wenn diese in der Verweisung ausdrücklich erwähnt ist. Eine allgemein formulierte Verweisung in einem Vertrag auf 35
England: High Court, 31.01.1969 – The Eleftheria, [1970] P. 94; Court of Appeal, 15.05.1981 – The El Amria, [1981] 2 Lloyd’s Rep. 119; High Court, 27.11.1989 – S. & W. Berisford Plc. v. New Hampshire Insurance Co., [1990] 1 Lloyd’s Rep. 454; Privy Council, 22.04.1996 – The Mahkutai, [1996] AC 650; Court of Appeal, 10.04.2006 – Dornoch Ltd. v. The Mauritius Union Ltd., [2006] EWCA Civ 389. USA: US Supreme Court, 17.04.1991 – Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585; US Court of Appeals (7th Cir.), 11.08.1992 – Paper Express, Ltd. v. Pfankuch Maschinen GmbH, 972 F.2d 753; US District Court (N. D. Illinois), 25.04.2005 – Faur v. Sirius International Insurance Corp., 391 F.Supp.2d 650. Deutschland: BGH, 03.12.1973 – II ZR 91/72, WM 1974, S. 242; OLG Hamburg, 26.03.1999 – 1 U 162-98, NJW-RR 1999, S. 1506. 36 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 5.28; Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 18 I 2 b (Rn. 194). Zu den Anforderungen an die vertragliche Einbeziehung von AGB s. Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 12.001–12.018; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 5.01–5.41; Thieme/ Mitscherlich, AWD 1974, S. 173; Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 85–90.
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die AGB eines anderen Vertrags beziehe sich lediglich auf diejenigen Klauseln, die unmittelbar den Vertragsgegenstand betreffen und erfasse nicht bloß nebensächliche Regelungen wie die Gerichtsstandsabrede.37 Zuständigkeitsklauseln, die in einen Vertrag zwischen Geschäftsleuten einbezogen wurden, unterliegen im Anwendungsbereich des Act 1977 38 einer gesetzlichen Inhaltskontrolle. Dieser Act enthält – entgegen seinem Titel – keine Gesamtkodifikation des englischen AGB-Rechts, sondern regelt lediglich die Beurteilung der Angemessenheit von Haftungsausschluss- und beschränkungsklauseln (exemption clauses). 39 Ausschließliche Gerichtsstandsabreden sind zwar nicht exemption clauses im engeren Sinne, da sie keine einseitig belastenden Vereinbarungen darstellen, sondern beiden Parteien Rechte und Pflichten auferlegen. 40 Für die Anwendbarkeit von Act 1977 auf ausschließliche Prorogationen zugunsten ausländischer Gerichte spricht jedoch dessen sec. 13 (1) (a), wonach die gesetzliche Inhaltskontrolle auch für Abreden maßgeblich ist, die die Geltendmachung der Haftung einschränken oder erschweren können.41 Die Bedeutung des Act 1977 für Verträge im internationalen Rechtsverkehr ist jedoch gering 42 : Die gesetzliche Regelung findet gem. sec. 26 Act 1977 keine Anwendung auf grenzüberschreitende Warenlieferungsverträge. Vom Geltungsbereich ausgeschlossen sind darüber hinaus Versicherungs- und Grundstücksverträge, Verträge auf den Gebieten des Patent37 Vgl. etwa Court of Appeal, 10.04.2006 – Dornoch Ltd. v. The Mauritius Union Ltd., [2006] EWCA Civ 389, paras. 29–38; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 5.13–5.21; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.091; Briggs, BYIL 77 (2006), S. 581. Diese Grundsätze wurden im Zusammenhang mit Schiedsvereinbarungen entwickelt: High Court, 31.07.1970 – The Annefield, [1970] 2 Lloyd’s Rep. 252; Court of Appeal, 05.10.1983 – The Varenna, [1983] 2 Lloyd’s Rep. 592; High Court, 05.12.1997 – Trygg Hansa Insurance Co. Ltd. v. Equitas Ltd., [1998] 2 Lloyd’s Rep. 439. 38 Unfair Contract Terms Act 1977. 39 Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 14.059; Ponick, EGKlausel-RL, 2003, S. 17 f.; Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 89. 40 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 5.30 unter Hinweis auf die Definition ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen durch Lord Goff of Chieveley in Privy Council, 22.04.1996 – The Mahkutai, [1996] AC 650, 666. 41 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (218). Die grundsätzliche Anwendbarkeit von Act 1977 auf Gerichtsstandsvereinbarungen wurde auch in High Court, 23.02.2006 – Snookes v. Jani-King (GB) Ltd., [2006] EWHC 289 (QB) bejaht. In der Entscheidung wurde die Wirksamkeit einer AGB-Prorogation zugunsten der Gerichte in London zwischen zwei in England ansässigen Parteien am Maßstab des Act 1977 geprüft. Die Anwendbarkeit von Act 1977 auf internationale Prorogationen verneint dagegen Joseph, Agreements, 2005, Rn. 5.30. 42 Ob und inwieweit im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO Raum für die Anwendung des Act 1977 bleibt, wird an späterer Stelle noch zu klären sein. S. unten § 4 B. I. 3.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
und Urheberrechts und sonstigen geistigen Eigentums sowie gesellschaftsrechtliche Verträge und solche über Wertpapiergeschäfte, Act 1977 Sch. 1. Internationale Gerichtsstandsklauseln, die vom Anwendungsbereich des Act 1977 erfasst sind, sind anhand des reasonableness-Maßstabs von sec. 13 zu prüfen. Für die Bewertung der Angemessenheit der Klausel stellt Act 1977 Sch. 2 guidelines auf.43 Danach hat das Gericht bei seiner Entscheidung u.a. zu berücksichtigen: (a) das Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien; (b) ob auf den Vertragspartner des Verwenders eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben, oder ob er eine Alternative zum Vertragsschluss mit einer anderen Person ohne die Klausel gehabt hätte; (c) ob er Kenntnis von der Klausel und ihrer Reichweite hatte oder vernünftigerweise hätte haben müssen.44 Findet Act 1977 keine Anwendung, können englische Richter internationalen AGB-Gerichtsstandsklauseln im Rahmen des El Amria-Tests die Wirkung versagen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Partei ihre stärkere Verhandlungsposition bei der Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands missbraucht hat.45 Eine gesetzliche Inhaltskontrolle für Zuständigkeitsklauseln in Verbraucherverträgen existiert im englischen Recht – mit Ausnahme der noch zu erörternden Umsetzungsregeln zu der EG-Klausel-RL46 – nicht. Die Frage, ob außerhalb des Geltungsbereichs dieser Regeln Gerichtsstandsvereinbarungen im Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis einer Inhaltskontrolle zu unterziehen sind, ist – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gewesen. Es ist wohl davon auszugehen, dass in solchen Fällen – ähnlich wie für Verträge im Geschäftsverkehr außerhalb des Anwendungsbereichs von Act 1977 – eine Inhaltskontrolle im Rahmen des El Amria-Tests durchgeführt werden könnte.47
43 Die in Act 1977 Sch. 2 enthaltenenen Prüfungskriterien erfassen nach dem Gesetzeswortlaut nur Klauseln in bestimmten Vertragstypen, werden von den Gerichten jedoch auch im Rahmen anderer Vertragsverhältnisse herangezogen, Ponick, EG-Klausel-RL, 2003, S. 26. Für die Anwendbarkeit von Sec. 2 Act 1977 auf Gerichtsstandsvereinbarungen vgl. High Court, 23.02.2006 – Snookes v. Jani-King (GB) Ltd., [2006] EWHC 289 (QB), paras. 18 f. 44 Ponick, EG-Klausel-RL, 2003, S. 26. 45 Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (220). 46 S. dazu unten § 4 A. I. 3. b). 47 Hill, Consumer Contracts, 2008, Rn. 7.07.
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bb) Die Regeln des deutschen Rechts über die wirksame Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsklauseln im Überblick Die wirksame Einigung über AGB-Gerichtsstandsabreden richtet sich im deutschen Recht nach den allgemeinen Regeln für Abschluss und Wirksamkeit von AGB in den §§ 305–310 BGB. Eine Zuständigkeitsklausel wird nur dann Teil eines Vertrags zwischen Verbraucher und Unternehmer bzw. eines solchen zwischen Privaten, wenn die strengen Voraussetzungen von § 305 II, III BGB erfüllt sind. Diesen Normen zufolge erfordert die Einigung über eine AGB-Gerichtsstandsabrede, dass der Verwender explizit auf die AGB Bezug genommen hat, wobei – anders als im englischen Recht48 – ein ausdrücklicher Hinweis auf die ausschließliche Prorogation nicht erfolgen muss. Notwendig ist des Weiteren, dass der Verwender die Gegenseite in die Lage versetzt hat, sich in zumutbarer Weise über den Inhalt der AGB Kenntnis zu verschaffen.49 Die Einigung im kaufmännischen Rechtsverkehr unterliegt gem. § 310 I S. 1 BGB dagegen den für Individualverträge maßgeblichen Voraussetzungen von §§ 145ff. BGB. 50 Im Verhältnis zwischen Unternehmern können AGB-Gerichtsstandsklauseln somit auch durch schlüssiges Verhalten Vertragsinhalt werden.51 Ausreichend kann es daher schon sein, dass solche Klauseln in der entsprechenden Branche weit verbreitet sind; in solchen Fällen ist ein Hinweis auf die AGB regelmäßig entbehrlich.52 Für alle Verträge gilt die Einschränkung von § 305c I BGB, wonach die Einbeziehung überraschender Gerichtsstandsklauseln ausscheidet. 53 Eine Zuständigkeitsabrede kann insbesondere aus zwei Gründen überraschend sein: Entweder weil sie an einer unerwarteten Stelle im Vertrag platziert ist, oder weil die Verwendergegenseite mit einer derartigen Klausel im konkreten Vertrag gar nicht rechnen musste.54
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S. oben § 4 A. I. 3. a) aa). Vgl. dazu Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3126; Staudinger/Coester, 14. Neubearb. 2006, § 307 BGB Rn. 474. 50 Staudinger/Coester, 14. Neubearb. 2006, § 307 BGB Rn. 474; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1686–1689. 51 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3127. 52 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3129. 53 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3131. 54 OLG Hamm, 14.01.1994 – 12 U 128/93, NJW 1995, S. 2499; OLG Hamburg, 26.03.1999 – 1 U 162-98, NJW-RR 1999, S. 1506; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3131, der zu Recht darauf hinweist, dass aufgrund der Üblichkeit von Gerichtsstandsklauseln in internationalen Schuldverträgen 49
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Sowohl im kaufmännischen als auch im nicht-kaufmännischen Rechtsverkehr unterliegen Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.55 Bei Verträgen zwischen Geschäftsleuten sind an die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 I S. 1 BGB hohe Anforderungen zu stellen.56 Eine Prorogation zugunsten der Gerichte am Ort des Sitzes des Verwenders ist grundsätzlich als wirksam anzusehen. 57 Einer AGB-Gerichtsstandsklausel ist die Wirkung auch nicht deswegen zu versagen, weil die Parteien oder der Rechtsstreit keine Beziehungen zu dem vereinbarten Forum aufweisen. 58 Die Prorogation drittstaatlicher Gerichte ist in vielen Wirtschaftszweigen üblich und auf das schützenswerte Interesse der Parteien an einem neutralen Forum bzw. die besondere Fachkompetenz bestimmter Gerichte in gewissen Rechtsfragen zurückzuführen.59 Eine Gerichtsstandswahl kann dagegen unwirksam sein, wenn die Forumswahl erkennbar darauf gerichtet ist, den Vertragspartner des Verwenders zu benachteiligen, so etwa bei ausschließlicher Prorogation zugunsten der Gerichte in einem entfernten auswärtigen Forum in einem Fall, der sonst keinerlei Auslandsverbindungen aufweist. 60 Anders gestaltet sich die Lage bei Zuständigkeitsklauseln im nicht-kaufmännischen Verkehr: Wird der Vertragspartner des AGB-Verwenders durch die Wahl des Gerichtsortes benachteiligt, ist die Klausel nur dann wirksam gem. § 307 BGB, wenn ein anerkennenswertes Interesse des Verwenders an der Vereinbarung besteht.61 gegenüber der Einordnung solcher Abreden als überraschend i.S.v. § 305c BGB Zurückhaltung geboten ist. 55 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3134; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 18, 60; Weller, Ordre-public, 2005, S. 200–210. 56 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3135. 57 OLG Köln, 28.04.1975 – 10 U 195/74, VersR 1976, S. 537; OLG Karlsruhe, 22.03.1996 – 10 U 249/95, NJW 1996, S. 2041; Staudinger/Coester, 14. Neubearb. 2006, § 307 BGB Rn. 475. 58 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3135. A.A. OLG Karlsruhe, 30.12.1981 – 14 U 4/81, NJW 1982, S. 1950: Prorogation der Gerichte in Rom zwischen deutschem und österreichischem Unternehmen unwirksam; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 18; MünchKomm-ZPO/ Patzina, 3. Aufl. 2008, § 38 Rn. 22. 59 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3135; MünchKomm-BGB/Wurmnest, 6. Aufl. 2012, § 307 Rn. 249. 60 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3135. In solchen Fällen wird die Einbeziehung der Gerichtsstandsklausel häufig bereits an der Hürde des § 305c I BGB scheitern, vgl. OLG Köln, 20.06.1989 – 24 U 44/89, ZIP 1989, S. 1068. 61 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3136.
§ 4: Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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cc) Die Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsklauseln nach den Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL Bei AGB-Gerichtsstandsklauseln zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, richtet sich die Inhaltskontrolle im deutschen und englischen Recht nach den einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der EGKlausel-RL. Diese sieht in Anh. Nr. 1 lit. q explizit vor, dass Klauseln, die einem Verbraucher die Möglichkeit nehmen oder erschweren, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen, für missbräuchlich i.S.v. Art. 3 I erklärt werden können. Die EG-Klausel-RL wurde mit den Unfair Terms in Consumer Contracts Regulations 1999 in das englische Recht inkorporiert.62 Die Geltung dieses Gesetzes kann nach sec. 9 Regulations 1999 auch durch eine Wahl drittstaatlichen Rechts nicht umgangen werden, vorausgesetzt der Vertrag weist eine enge Verbindung mit dem EU-Gebiet auf. Hierfür ist ausreichend, dass der Verbraucher seinen Wohnsitz innerhalb der EU hat oder die Vertragserfüllung im Gemeinschaftsgebiet erfolgt ist, Art. 6 II EG-Klausel-RL. 63 Zur Umsetzung der EG-Klausel-RL im deutschen Recht wurde lediglich eine einzige Norm hinzugefügt: § 310 III BGB, der besondere Vorgaben für die Anwendung der §§ 305c, 306–309 BGB auf Verbraucherverträge enthält. Der Schutz vor missbräuchlichen Klauseln im Sinne der EG-Klausel-RL ist im Übrigen durch eine richtlinienkonforme Auslegung von § 307 II Nr. 1 BGB zu gewährleisten.64 Mit der Auslegung von Anh. Nr. 1 lit. q EG-Klausel-RL hatte sich der EuGH erstmals in der Rechtssache Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero zu befassen.65 In dieser Entscheidung hielt das höchste EU-Gericht die formularmäßige Vereinbarung zwischen einem Unternehmer aus Barcelona und einem Verbraucher mit spanischem Wohnsitz außerhalb der katalanischen Hauptstadt über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz des Unternehmers für missbräuchlich: Die Entfernung zwischen dem prorogierten Gericht und dem Wohnsitz des Verbrauchers sowie die daraus für letzteren erwachsenden Aufwendungen könnten sein Erscheinen vor Gericht erschweren und ihn insbesondere bei Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert davon abhalten, den Rechtsweg zu beschreiten. Dagegen ermögliche die Klausel dem Unternehmer, alle seine Erwerbstätigkeit betreffenden Streitigkeiten an einem Ort auszufechten, was mit organisato62 Ausführlich dazu Ponick, EG-Klausel-RL, 2003, S. 84–260; Heine, EG-Klausel-RL, 2005, S. 11–63; Hill, Consumer Contracts, 2008, Rn. 7.18–7.29; Withers, LMCLQ 2002, S. 56. 63 Vgl. Hill, Consumer Contracts, 2008, Rn. 7.27–7.29. 64 Heine, EG-Klausel-RL, 2005, S. 110. 65 EuGH, 27.06.2000 – C-240/98, C-244/98, Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero, Slg. 2000, I-4941. Vgl. ausführlich zu der Entscheidung: Hau, IPRax 2001, S. 96; Leible, RIW 2001, S. 422; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 318–330.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
rischen sowie finanziellen Vorteilen verbunden sei. Die Gerichtsstandsvereinbarung führe daher zu einem erheblichen und unberechtigten Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien zum Nachteil des Verbrauchers, wie es gem. Art. 3 I EG-Klausel-RL unzulässig ist.66 Wann eine Gerichtsstandsklausel i.S.v. Art. 3 EG-Klausel-RL missbräuchlich ist, hatte der EuGH erneut in der Rechtssache Panon GSM Zrt. ./. Györfi67 zu beurteilen. Die Verbraucherin Györfi hatte mit dem Unternehmen Panon GSM Zrt. einen Mobiltelefonvertrag abgeschlossen. Nach den AGB des Mobilfunkunternehmens war das Gericht, in dessen Bezirk sich der Sitz von Panon GSM Zrt. in Ungarn befand, für Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag ausschließlich zuständig. Der Wohnsitz von Frau Györfi lag 275 km von dem Unternehmenssitz von Panon GSM Zrt. entfernt. Als es zum Streit kam, setzte das derogierte Gericht das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, welche Gesichtspunkte der nationale Richter bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer AGB-Gerichtsstandsklausel nach der EG-Klausel-RL zu berücksichtigen hat? Der EuGH stellte klar, er habe in dem Océano-Urteil lediglich allgemeine Kriterien zur Auslegung des Begriffs der Missbräuchlichkeit i.S.v. Art. 3 I EG-Klausel-RL entwickelt, deren konkrete Anwendung nicht ihm, sondern dem jeweiligen nationalen Gericht obliege. Dieses müsse stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls prüfen, ob eine Vertragsklausel als missbräuchlich i.S. der EG-Klausel-RL anzusehen sei. 68 Letzteres könne bejaht werden, wenn in einem Verbrauchervertrag die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz des Unternehmers vereinbart wurde.69 Nach der Panon-Entscheidung bleibt es also den einzelstaatlichen Richtern vorbehalten zu beurteilen, ob eine AGB-Gerichtsstandsklausel missbräuchlich ist. In Fällen, in denen der Sitz des in einem Verbrauchervertrag prorogierten Gerichts so weit vom Wohnsitz des Verbrauchers entfernt ist, dass dieser von der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden könnte, besteht aber ein starkes Indiz für die Missbräuchlichkeit der Zuständigkeitsklausel.70 Kontrovers diskutiert wird im Schrifttum die Frage, ob in rein nationalen Konstellationen – wie sie der Océano- und der Panon-Entscheidung 66
EuGH, 27.06.2000 – C-240/98, C-244/98, Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero, Slg. 2000, I-4941, Rn. 21–23. 67 EuGH, 04.06.2009 – C-243/08, Panon GSM Zrt. ./. Györfi, Slg. 2009, I-4713. Vgl. ausführlich zu der Entscheidung Heinig, EuZW 2009, S. 885. 68 EuGH, 04.06.2009 – C-243/08, Panon GSM Zrt. ./. Györfi, Slg. 2009, I-4713, Rn. 42 f. 69 EuGH, 04.06.2009 – C-243/08, Panon GSM Zrt. ./. Györfi, Slg. 2009, I-4713, Rn. 44. 70 So auch Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 324.
§ 4: Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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zugrunde lagen – bei der AGB-Kontrolle nach dem Maßstab der EG-Klausel-RL die besonderen Prorogationsgrenzen für Verbrauchersachen in Art. 15 und 17 EuGVVO zu berücksichtigen sind. Einzelne Stimmen sprechen sich dafür aus, die in diesen Sondernormen zum Ausdruck kommenden Grundgedanken „als auslegungsleitende Vorgabe“ im Rahmen von Art. 3 I EG-Klausel-RL heranzuziehen, obwohl die EuGVVO in rein nationalen Fällen nicht gilt.71 Dies hätte zwei Konsequenzen: Zum einen wäre ein Verbraucher nur dann vor AGB-Gerichtsstandsklauseln geschützt, wenn die Abrede in einem von Art. 15 EuGVVO erfassten Vertrag enthalten wäre. Beförderungsverträge, welche nicht unter Art. 15 III EuGVVO fallen, wären also von der Missbrauchskontrolle nach Art. 3 I EG-KlauselRL ausgenommen. Zum anderen wären die Wertungen von Art. 17 EuGVVO zu berücksichtigen mit der Folge, dass AGB-Gerichtsstandsklauseln, die erst nach Entstehung einer Streitigkeit in einen Verbrauchervertrag einbezogen werden (Art. 17 Nr. 1 EuGVVO), nicht als missbräuchlich i.S.v. Art. 3 I EG-Klausel-RL zu qualifizieren wären. Bestand hätten außerdem Klauseln, die die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts vorsehen, in dessen Bezirk beide Seiten bei Vertragsabschluss ihren Wohnsitz hatten und der Verbraucher diesen Wohnsitz bei Klageerhebung aufgegeben hatte (Art. 17 Nr. 3 EuGVVO). Richtigerweise sind bei der Missbrauchskontrolle entsprechend der Klausel-RL die Prorogationsgrenzen der EuGVVO für Verbrauchersachen außer acht zu lassen.72 Zum einen hat auch der EuGH auf diese Sonderregeln weder in dem Océano- noch in dem Panon-Urteil Bezug genommen. Genausowenig hat der Gerichtshof seine Entscheidung über die Missbräuchlichkeit einer Gerichtsstandsklausel davon abhängig gemacht, welcher Vertragstyp im konkreten Fall vorliegt.73 Zum anderen erscheint die Heranziehung der starren Vorgaben von Art. 17 EuGVVO mit dem in dem Océano- und dem Panon-Urteil etablierten Grundsatz unvereinbar, wonach die Beurteilung der Missbräuchlichkeit formularmäßiger Zuständigkeitsabreden stets eine Einzelfallabwägung erfordert. Bei dieser sind die aus der Vereinbarung resultierenden Nachteile für den Verbraucher einerseits und die Interessen des Unternehmers an der Austragung der Streitigkeit vor dem designierten Gericht andererseits zu berücksichtigen. Lässt sich etwa ein Verbraucher erst nach Entstehung der Streitigkeit auf eine AGBGerichtsstandsklausel ein (Art. 17 Nr. 1 EuGVVO), kann daraus nicht automatisch auf seine fehlende Schutzwürdigkeit geschlossen werden mit 71
Pfeiffer, in: FS Schütze, 1999, S. 671 (680–683) zu den Vorgängerregeln in Art. 13–15 EuGVÜ. 72 Hau, IPRax 2001, S. 96 (97); Leible, RIW 2001, S. 422 (430); Staudinger, DB 2000, S. 2056 (2058); Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 330–332. 73 Leible, RIW 2001, S. 422 (430).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
der Begründung, er habe genügend Zeit gehabt, sich die Folgen der Abrede vor Augen zu führen und sei auf deren Abschluss auch nicht angewiesen gewesen.74 Denn zur Vereinbarung des Gerichtsstands kann es auch unter Umständen gekommen sein, in denen der Verbraucher keine Möglichkeit gehabt hat, sich über die Bedeutung der Abrede ausreichend Gedanken zu machen, so etwa, wenn diese zusammen mit vielen anderen Klauseln betreffend die Abwicklung der Streitigkeit unterzeichnet wurde.75 Dass Art.15–17 EuGVVO auf rein nationale Fälle nicht übertragen werden können, lässt sich des Weiteren Art. 17 Nr. 3 EuGVVO entnehmen. Diese Norm passt nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Sie hat die Konstellation im Blick, dass Verbraucher und Unternehmer ursprünglich in demselben Mitgliedstaat ansässig sind, der Verbraucher allerdings vor Klageerhebung ins Ausland zieht. In einem solchen Fall soll die Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines inländischen Gerichts nicht dadurch unwirksam werden, dass der Sachverhalt nachträglich zu einem internationalen wird und in den Anwendungsbereich der EuGVVO fällt. Die Norm trägt dem Interesse des Unternehmers Rechnung, der bei Vertragsabschluss die Möglichkeit eines späteren Verfahrens vor einem ausländischen Gericht nicht vorhersehen konnte.76 Das Interesse eines Unternehmers, nicht unerwartet im Ausland prozessieren zu müssen, ist jedoch aufgrund der mit einem auswärtigen Verfahren verbundenen Unterschiede in dem maßgeblichen Rechtsregime wesentlich schutzwürdiger als das Interesse an der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts im Inland. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht angemessen, den Rechtsgedanken von Art. 17 Nr. 3 EuGVVO im Rahmen der Missbrauchskontrolle in nationalen Fällen heranzuziehen. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Wertungen von Art. 15 und 17 EuGVVO für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer AGB-Gerichtsstandsklausel nach den nationalen Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL grundsätzlich keine Rolle spielen. Im Mittelpunkt der bisherigen Ausführungen standen formularmäßige Zuständigkeitsabreden in rein nationalen Fällen. Im englischen und deutschen Schrifttum werden die vom EuGH in dem Océano- und dem Panon-Urteil entwickelten Grundsätze auch auf internationale Zuständigkeitsvereinbarungen übertragen mit der Folge, dass Abreden, die die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staats vorsehen als desjenigen, in dem der Verbraucher seinen Sitz hat, im Regelfall als miss-
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So aber Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995 (682 f.). Vgl. Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 336. 76 So auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995 (683). 75
§ 4: Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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bräuchlich i.S.v. Art. 3 I EG-Klausel-RL anzusehen sind.77 Dieser Auffassung kann hier jedenfalls für internationale Zuständigkeitsabreden außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 23 EuGVVO und Art. 5 f. HGÜ zugestimmt werden. Ob und welche Rolle die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der EG-Klausel-RL für Gerichtsstandsvereinbarungen spielen, die von diesen Einheitsrechten erfasst sind, wird dagegen an späterer Stelle zu erörtern sein.78 b) Abschluss von Gerichtsstandsabreden in AGB im US-amerikanischen Recht Die wirksame Einigung über Gerichtsstandsklauseln in AGB – im USamerikanischen Recht als standard form-contracts, standardized agreements oder contracts of adhesion bezeichnet79 – ist grundsätzlich nach den allgemeinen Einbeziehungsstandards zu beurteilen, die teils im common law, teils in einzelstaatlichen Gesetzen enthalten sind und je nach Bundesstaat und den Umständen des Einzelfalls divergieren können.80 Die Wirksamkeit der Einbeziehung von Gerichtsstandsklauseln in AGB wird grundsätzlich – selbst bei Verbraucherverträgen – vermutet; für den Gegenbeweis gilt eine hohe Hürde.81 In manchen Fällen wenden Gerichte jedoch auch den sog. reasonable communicativeness-Test an: Danach obliegt es dem AGB-Verwender nachzuweisen, dass die Gegenseite eine reasonable notice von den Klauseln erhalten hat, d.h. die Möglichkeit hatte, in zumutbarer Weise von ihr Kenntnis zu erlangen.82 Das Gericht prüft zunächst, ob die Zuständigkeits77
Withers, LMCLQ 2002, S. 56 (58, 60); Hill, Consumer Contracts, 2008, Rn. 7.24; Weller, Ordre-public, 2005, S. 203 f.; Leible, RIW 2001, S. 422 (429). 78 S. unten § 4 B. I. 3. 79 Der contract of adhesion ist eine Sonderform des Vertrags mit AGB. Es handelt sich um formularmäßige Verträge zwischen Parteien mit ungleicher Verhandlungsstärke, die auf sog. take it or leave it-Basis abgeschlossen werden, vgl. Das, Wash. L. Rev. 77 (2002), S. 481 (484). 80 Vgl. ausführlich dazu Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 163–200; Perillo, Contracts, 5. Aufl. 2007, §§ 9.41–9.45; Farnsworth/Young/Sanger, Contracts, 6. Aufl. 2001, Rn. 366–399. Zu den besonderen Anforderungen an den wirksamen Abschluss von Gerichtsstandsabreden im Rahmen von Rechtsgeschäften mit Computer-Informationen nach dem Uniform Computer Information Transaction Act (2001) vgl. Ganssauge, Internationale Zuständigkeit, 2004, S. 152–158. 81 Teitz, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 285 (292). Vgl. auch US District Court (S.D. New York), 28.02.1975 – Gaskin v. Stumm Handel GmbH, 390 F.Supp. 361, 364; US Supreme Court, 17.04.1991 – Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585, 595; US District Court (N. D. Illinois), 25.04.2005 – Faur v. Sirius International Insurance Corp., 391 F.Supp.2d 650, 659. 82 US Court of Appeals (1st Cir.), 23.11.1983 – Shankles v. Costa Armatori, S.p.A., 722 F.2d 861, 863–868; US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1995 – Effron v. Sun Line
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
klausel verständlich dargestellt ist, untersucht insbesondere deren Schriftgröße, die Leichtigkeit, mit der sie gelesen werden kann, sowie die Eindeutigkeit des im Vertragsdokument enthaltenen Verweises auf die AGB. In einem zweiten Schritt werden die Umstände des Vertragsabschlusses unter die Lupe genommen: Wann wurden die AGB ausgehändigt? Hat man den Vertragspartner des Verwenders nachdrücklich aufgefordert, von der Gerichtsstandsklausel Kenntnis zu nehmen? Diese Standards wurden für die Beurteilung der Einbeziehung von Zuständigkeitsklauseln in Dampferfahrttickets entwickelt, also im Zusammenhang mit Verträgen, an denen üblicherweise Verbraucher beteiligt sind.83 Der Test wird jedoch von manchen Gerichten auch bei Verwendung von AGB gegenüber Verbrauchern in nicht-seerechtlichen Verträgen 84 sowie im Verhältnis zwischen Geschäftsleuten angewendet.85 Für die inhaltlichen Anforderungen an Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie für Zuständigkeitsabreden in Individualverträgen: Die Prorogation ist an dem in der Bremen-Entscheidung entwickelten reasonableness-Maßstab zu prüfen. 86 Das Carnival-Urteil hat diesen Maßstab um ein weiteres Kriterium ergänzt, nämlich das Motiv des Verwenders: Danach ist eine Zuständigkeitsklausel ungültig, wenn der Verwender mit ihr lediglich den Zweck verfolgt, die Gegenseite davon abzuschrecken, Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis vor Ge-
Cruises, Inc., 67 F.3d 7, 9 f.; US District Court (D. Puerto Rico), 27.02.2006 – Morales v. Royal Caribbean Cruises, Ltd., 419 F.Supp.2d 97, 100 f.; US Court of Appeals (11th Cir.), 19.08.2009 – Krenkel v. Kerzner International Hotels Ltd., 579 F.3d 1279, 1281 f. Ausführlich dazu Das, Wash. L. Rev. 77 (2002), S. 481 (492–496). 83 US Court of Appeals (1st Cir.), 23.11.1983 – Shankles v. Costa Armatori, S.p.A., 722 F.2d 861, 863. 84 Vgl. etwa US District Court (S.D. Florida), 10.12.2001 – Bank Miami v. Sun International Hotels Ltd., 184 F.Supp.2d 1246: Beherbergungsvertrag. 85 US District Court (N.D. California), 14.06.2001 – Starlight Company, Inc. v. Arlington Plastics Machinery, Inc., 2001 U.S. Dist. LEXIS 7997; US District Court (D. Puerto Rico), 10.08.2005 – Heck-Dance v. Inversiones Isleta Marina, Inc., 381 F.Supp.2d 50; US District Court (S.D. Florida), 30.09.2005 – Marco Forwarding Co. v. Continental Casualty Co., 430 F.Supp.2d 1289. 86 Vgl. etwa US District Court (S.D. New York), 28.02.1975 – Gaskin v. Stumm Handel GmbH, 390 F.Supp. 361, 368–370; US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1995 – Effron v. Sun Line Cruises, Inc., 67 F.3d 7, 12–15; US District Court (N. D. Illinois), 25.04.2005 – Faur v. Sirius International Insurance Corp., 391 F.Supp.2d 650, 657–660; US Court of Appeals (6th Cir.), 21.12.2009 – Wong v. Party Gaming Ltd., 2009 U.S. App. LEXIS 27914, 13–18. Vgl. auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 193–200.
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richt zu bringen. 87 Auch diesbezüglich gilt jedoch eine hohe Hürde zur Überwindung der Wirksamkeitsvermutung.
II. Formanforderungen für Gerichtsstandsvereinbarungen in den autonomen Rechten Sowohl in den USA als auch in Deutschland werden die Formanforderungen für internationale Gerichtsstandsabreden der lex fori entnommen. 88 Demgegenüber beurteilt sich in England die Formwirksamkeit gemäß den common law-Kollisionsgrundsätzen alternativ nach dem Prorogationsstatut oder der lex loci actus, also dem Recht des Staates, in dem die Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen wurde.89 Im englischen und US-amerikanischen Recht gelten für Gerichtsstandsabreden grundsätzlich keine Formerfordernisse.90 Aufgrund der mit formlosen Vereinbarungen verbundenen Beweisschwierigkeiten im Prozess 91 87
US Supreme Court, 17.04.1991 – Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shute, 499 U.S. 585, 595; US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1995 – Effron v. Sun Line Cruises, Inc., 67 F.3d 7, 10; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 195. 88 USA: Webb Yackee, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 9 (2004), S. 43 (50 f.). Deutschland: Die Formgültigkeit solcher Vereinbarungen stellt nach überwiegender Auffassung keine Frage des materiellrechtlichen Zustandekommens, sondern der prozessualen Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen dar: BGH, 17.05.1972 – VIII ZR 76/71, NJW 1972, S. 1622 (1623); BGH, 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, S. 1431 (1432); BGH, 14.11.1991 – IX ZR 250/90, NJW 1993, S. 1070 (1071); OLG Saarbrücken, 13.10.1999 – 1 U 190/99-37, NJW 2000, S. 670 (671); Hausmann, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3138; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1624. 89 Kahn-Freund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (828); Merrett, ICLQ 58 (2009), S. 545 (547). 90 England: High Court, 25.03.1964 – Sfeir & Co. v. National Insurance Company of New Zealand, Ltd., [1964] 1 Lloyd’s Rep. 330; Court of Appeal, 21.12.1988 – Attock Cement Co. Ltd. v. Romanian Bank for Foreign Trade, [1989] 1 W.L.R. 1147; High Court, 05.05.1992 – The Nile Rhapsody, [1992] 2 Lloyd’s Rep. 399; bestätigt in Court of Appeal, 26.11.1993 – The Nile Rhapsody No. 2, [1994] 1 Lloyd’s Rep. 382; Court of Appeal, 11.12.1997 – Baghlaf Al Zafer v. Pakistan National Shipping Co., [1998] 2 Lloyd’s Rep. 229. USA: US District Court, 27.05.2005 – Straight-Out Promotions, LLC v. Brearly (International) Ltd., 2005 U.S. Dist. LEXIS 10403, 11–13; US Court of Appeals (2nd Cir.), 27.05.1998 – Evolution Online Systems, Inc. v. Koninklijke PTT Nederland N.V., 145 F.3d 505, 449; Webb Yackee, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 9 (2004), S. 43 (50 f.); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 167–169. Nur im Bundesstaat Nebraska gilt ein Schriftformerfordernis für Gerichtsstandsvereinbarungen, Nebraska Supreme Court, 25.03.2005 – Ameritas Investment Corp. v. McKinney, 269 Neb. 564, 572. 91 England: Court of Appeal, 21.12.1988 – Attock Cement Co. Ltd. v. Romanian Bank for Foreign Trade, [1989] 1 W.L.R. 1147, 1157; High Court, 25.03.1964 – Sfeir & Co. v. National Insurance Company of New Zealand, Ltd., [1964] 1 Lloyd’s Rep. 330, 339 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
wird jedoch die Einhaltung der Schriftform empfohlen. 92 Im kaufmännischen Rechtsverkehr ist der Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen gem. § 38 I ZPO in Deutschland ebenfalls formfrei möglich. 93 Ansonsten bedürfen vorprozessuale Pro- und Derogationen gem. § 38 II, III ZPO grundsätzlich der Schriftform.94 Hat mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, so genügt gem. § 38 I S. 2 ZPO auch sog. halbe Schriftlichkeit, d.h. die schriftliche Bestätigung einer mündlich getroffenen Zuständigkeitsabrede.95
B. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten Nachfolgend gilt es zu erörtern, welche Anforderungen Art. 23 EuGVVO (I.) und Art. 3–6 HGÜ (II.) an das wirksame Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen aufstellen und welchem Recht die in diesen Vorschriften nicht geregelten Aspekte unterliegen.
I. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsabreden im Anwendungsbereich der EuGVVO Inwieweit Art. 23 EuGVVO Zustandekommen und Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen normiert, ist unklar. Ausdrücklich regelt die Vorschrift lediglich die Formvoraussetzungen der Wirksamkeit. Einig ist 92
England: Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 18 I 2 b (Rn. 191); Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 132. USA: Webb Yackee, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 9 (2004), S. 43 (50). 93 Vgl. etwa OLG Saarbrücken, 21.09.1988 – 5 U 8/88, NJW-RR 1989, 828; OLG Bremen, 18.07.1985 – 2 U 29/85, RIW 1985, S. 894. 94 BAG, 27.01.1984 – 2 AzR 188/81, NJW 1984, S. 1320. Das Schriftformerfordernis ist nach h.M. nicht i.S.v. § 126 BGB zu verstehen. Die Norm gilt nämlich im Verfahrensrecht nicht unmittelbar; eine analoge Heranziehung wird wegen der daraus resultierenden Einschränkung der Prorogationsfreiheit verneint: Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3142; Schilken, in: FS Musielak, 2004, S. 435 (453). Da § 38 II, III ZPO dem Art. 17 EuGVÜ nachgebildet wurde, sind für die Auslegung der autonomen deutschen Norm vielmehr die vom EuGH entwickelten Anforderungen an die Schriftform im Rahmen von Art. 17 EuGVÜ heranzuziehen. Ausreichend ist daher die Niederlegung der Zuständigkeitsvereinbarung in getrennten Schriftstücken: BGH, 22.02.2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, S. 1731; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1622; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3141 f.; Jung/Sandrock, in: Sandrock (Hrsg.), Int. Vertragsgestaltung, Bd. II, 1980, Abschn. E § 16 II 1 (Rn. 32 f.). Die de lege lata-Unterscheidung zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten als „viel zu grobes Raster“ kritisiert Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1629–1632. 95 Zu den Anforderungen an die halbe Schriftlichkeit Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3144–3146.
§ 4: Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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man sich des Weiteren, dass auch in der EuGVVO die separability doctrine gilt, wonach Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarung und Hauptvertrag stets voneinander getrennt zu beurteilen sind: Die Norm könnte ihren Sinn und Zweck kaum erfüllen, wenn eine Partei durch die bloße Behauptung der Vertragsunwirksamkeit sich der Gerichtsstandsabrede entziehen könnte.96 Im Übrigen ist fraglich, ob und inwieweit Art. 23 EuGVVO die Voraussetzungen des Abschlusses von Zuständigkeitsabreden (1.) und deren Wirksamkeit (2.) regelt. Erörterungsbedürftig sind auch die besonderen Anforderungen für die wirksame Vereinbarung von AGB-Gerichtsstandsklauseln im Geltungsbereich der Verordnung (3.). 1. Zustandekommen von Gerichtsstandsabreden im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO Welche Aspekte des Abschlusses regelt Art. 23 EuGVVO und welche sind unter Rückgriff auf andere rechtliche Standards zu behandeln? Einer ausschließlich in England anzutreffenden Ansicht zufolge sind alle Fragen des Zustandekommens nach einheitlichen ungeschriebenen europäischen Maßstäben zu beantworten.97 Nach einer anderen Meinung ist Art. 23 EuGVVO auf die Regelung der Form beschränkt, so dass für weitere Aspekte des Abschlusses auf einzelstaatliches Recht zurückzugreifen ist – teilweise wird insoweit die lex fori des angerufenen Gerichts herangezogen98, teilweise ein nach dessen IPR zu bestimmendes Prorogationsstatut.99 Eine ver96
EuGH, 03.07.1997 – Rs. C-269/95, Benincasa ./. Dentalkit Srl., Slg. 1997, I-3767, Rn. 28–32; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 13; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 94. S. zur separabilityDoktrin im englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht oben § 4 A. I. 2. b). 97 Merrett, ICLQ 58 (2009), S. 545 (549–564); Fentiman, Litigation, 2010, Rn. 2.31– 2.49; ebenso Aikens J in High Court, 02.05.2003 – Roche Products Ltd. v. Provimi Ltd., 2003 EWHC 961 (Comm), para. 84: „…when a jurisdiction clause is subject to Article 23, then the court seised of the issue of whether it is valid and applicable in the instant case must not apply national laws at all to the issue of the validity of the clause.“ Vgl. auch British Institute, Report on Brussels I Application – England, § 2.2.25.2 m.w.N. 98 Das entspricht der wohl überwiegenden Auffassung in Irland (Barton, Report on Brussels I Application – Ireland, § 2.2.25.2) und Griechenland (Kerameus, Report on Brussels I Application – Greece, § 2.2.25.2). 99 So teilweise Schrifttum und Rechtsprechung in Deutschland und England: OLG Düsseldorf, 06.01.1989 – 16 U 77/88, NJW-RR 1989, S. 1330 (1332); OLG Saarbrücken, 02.10.1991 – 5 U 21/91, NJW 1992, S. 987 (988); OLG Celle, 01.11.1995 – 2 U 145/92, IPRax 1997, S. 417; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 3; v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 151 f.; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 15; Mohs, Drittwirkung, 2006, S. 29–31; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 287; High Court, 22.03.2000 – Lafi Office & International Business SL v. Meriden Animal Health Ltd., [2000] 2 Lloyd’s Rep. 51 (58). So auch die wohl herrschende Auffassung in Ungarn (Kengyel, Report on Brussels I Application –
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
mittelnde Auffassung will hingegen auch über die Form hinausgehende Fragen des Abschlusses nach der EuGVVO beurteilen und nationales Recht – mit Abweichungen im Detail – nur für die in der Verordnung nicht geregelten Voraussetzungen des wirksamen Zustandekommens anwenden.100 Letztere Ansicht erscheint vorzugswürdig. Der EuGH hat in der Entscheidung Powell Duffryn Plc. ./. Wolfgang Petereit klargestellt, dass der Begriff der „Gerichtsstandsvereinbarung“ in Art. 17 EuGVÜ (~ Art. 23 I EuGVVO) als autonomer Begriff und nicht als Verweisung auf nationales Recht aufzufassen ist. 101 Der Grundsatz einer europaweit möglichst einheitlichen Anwendung der EuGVVO gebietet es daher, deren Art. 23 so weit Bedeutung zuzusprechen, wie ihm Vorgaben für die Beurteilung des autonomen Begriffs der Vereinbarung entnommen werden können.102 Der Norm und ihrer Entstehungsgeschichte lassen sich durchaus einige Anhaltspunkte für die Entscheidung über die Existenz eines Konsenses entnehmen. 103 Nach der gesetzgeberischen Intention sollte die Schaffung Hungary, § 2.2.25.2), Lettland (Mitte, Report on Brussels I Application – Latvia, § 2.2.25.2) und Estland (Naaber/Linsi, Report on Brussels I Application – Estonia, § 2.2.17.2). 100 So Teile des englischen Schrifttums: Kaye, Jurisdiction and Foreign Judgments, 1987, S. 1074 f.; wohl auch Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 2.128. Ebenso Teile der Rechtsprechung und das wohl überwiegende Schrifttum in Deutschland: OLG Celle, 24.09.2003 – 3 U 90/03, NJW-RR 2004, S. 575 (576); LG Landshut, 12.06.2008 – 43 O 1748/07, BeckRS 2010, 17807; LG Essen, 12.12.1999 – 41 O 122/89, RIW 1992, S. 227 (228); Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 75–93; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 18, 23; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 39–43a; Rauscher, ZZP 104 (1991), S. 271 (278–283); Haß, IPRax 2000, S. 494 (494); Kröll, ZZP 113 (2000), S. 135 (144–147); Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (482– 484); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 536 f.; Leible/Röder, RIW 2007, S. 481 (482); Koch, IPRax 1997, S. 405 (406); Kohler, IPRax 1991, S. 299 (300); Lindacher, in: FS Schlosser, 2005, S. 491 (495 f.); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, Art. 23 EuGVVO Rn. 15; Adolphsen, ZZPInt 4 (1999), S. 243 (246 f.); Hess, EuZPR, 2010, S. 314; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 61–75; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 162– 168. So wohl auch die überwiegende Auffassung in Belgien (Wautelet, Report on Brussels I Application – Belgium, § 2.2.25.2), der Tschechischen Republik (Report on Brussels I Application – Czech Republic, § 2.2.25.2) sowie Österreich (Oberhammer/Domej, Report on Brussels I Application – Austria, § 2.2.25.2). 101 EuGH, 10.03.1992 – Rs. C-214/89, Powell Duffryn Plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, Rn. 13 f. 102 Vgl. etwa Kaye, Jurisdiction and Foreign Judgments, 1987, S. 1074 f.; Adolphsen, ZZPInt 4 (1999), S. 243 (247); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 66; Leible/Röder, RIW 2007, S. 481 (482). 103 Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 25; Rauscher, ZZP 104 (1991), S. 271 (279).
§ 4: Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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der Vorgängerregel in Art. 17 EuGVÜ gewährleisten, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht unbemerkt in einen Vertrag eingeführt werden. 104 Weitere Kriterien für die Annahme einer Willenseinigung lassen sich aus den in Art. 23 I S. 3 EuGVVO enthaltenen Formvorgaben gewinnen. Diese sollen nach der EuGH-Rechtsprechung sicherstellen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung „tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist.“ Die Formanforderungen „sollen gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht.“ 105 Form und Einigung sind in Art. 23 EuGVVO somit nicht unabhängig voneinander zu sehen, sie stellen vielmehr eine Einheit dar.106 Diese enge Verknüpfung zwischen Formvorgaben und Konsens lässt sich besonders gut anhand von Art. 23 I S. 3 lit. c EuGVVO verdeutlichen, der die Einhaltung einer handelsgebräuchlichen Form für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung ausreichen lässt. Soweit diese äußerlich gewahrt ist, wird nach dem EuGH das Vorliegen einer Willenseinigung der Vertragsparteien vermutet.107 Diese Vermutung könnte ihren Sinn nicht erfüllen, wenn die Einigung nach einem nationalen Recht beurteilt würde, das in casu den Handelsbrauch für die Annahme einer Einigung nicht ausreichen lässt. 108 Der Zweck von Art. 23 I S. 3 lit. c EuGVVO lässt sich damit nur erreichen, wenn dessen Anforderungen auch im Rahmen der Beurteilung der Willenseinigung beachtet werden.109 In Rechtsprechung und Schrifttum wird vermehrt auch bei Erfüllung der übrigen Formalternativen der Norm ein Konsens der Parteien vermutet.110 Zur Begründung wird an104
Jenard, Bericht zu EuGVÜ (37). EuGH, 14.12.1976 – Rs. 24/76, Colzani ./. Rüwa, NJW 1977, S. 494; EuGH, 24.06.1981 – Rs. 150/80, Elefanten Schuh GmbH ./. Jacqmain, Slg. 1981, 1671, Rn. 24 unter Bezugnahme auf den Jenard-Bericht zu der Vorgängernorm Art. 17 EuGVÜ; EuGH, 20.02.1997 – Rs. C-106/95, MSG Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, NJW 1997, S. 1431, Rn. 15; EuGH, 09.11.2000 – Rs. C-387/98, Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV, Slg. 2000, I-9337, Rn. 13. 106 Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 27; Geimer/ Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 76; LG Landshut, 12.06.2008 – 43 O 1748/07, BeckRS 2010, 17807, Rn. 30. Vgl. auch Kohler, IPRax 1983, S. 265 (269): Die Formvorgaben in Art. 17 EuGVÜ seien nur ein „Vehikel“. Ähnlich Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (484): Die Formerfordernisse seien lediglich „Mittel zum Zweck“. 107 EuGH, 20.02.1997 – Rs. C-106/95, MSG Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, NJW 1997, S. 1431, Rn. 19. 108 Kröll, ZZP 113 (2000), S. 135 (145 f.). 109 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 42; Thomas/ Putzo/Hüßtege, ZPO, 33. Aufl. 2012, Art. 23 EuGVVO Rn. 4. 110 OLG Hamm, 20.09.2005 – 19 U 40/05, IPRax 2007, S. 125 (126); Adolphsen, ZZPInt 4 (1999), S. 243 (250); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, Art. 23 EuGVVO Rn. 15; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGV105
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
geführt, dass es laut EuGH Aufgabe aller Formerfordernisse in Art. 23 EuGVVO ist, das Vorliegen einer Willenseinigung sicherzustellen. Daher sei es gerechtfertigt, die Wirkungen der Einhaltung der Formvorgaben gleich zu beurteilen. 111 Die Vermutung eines Konsenses erscheint jedenfalls bei Einhaltung des Formerfordernisses von Art. 23 I S. 3 lit. b EuGVVO geboten: Denn die Entstehung und Geltung besonderer Gepflogenheiten im Sinne dieser Norm setzt stets eine entsprechende Einigung zwischen den Parteien voraus. 112 Liegt eine solche vor, wird der Nachweis einer fehlenden Willensübereinstimmung in Bezug auf die Gerichtsstandswahl kaum zu führen sein.113 Art. 23 EuGVVO können folglich Grundvoraussetzungen des Abschlusstatbestands von Gerichtsstandsvereinbarungen entnommen werden. Ein Rückgriff aufs nationale Recht bleibt insoweit verwehrt. Gleichwohl lassen sich der Verordnung nicht auf alle Fragen des Abschlusses von Zuständigkeitsabreden Antworten gewinnen. Die EuGVVO enthält keine Regelungen zur Bewältigung der vielseitigen Aspekte, die sich insoweit stellen können, wie etwa Fragen der Auswirkung von Willensmängeln, der Stellvertretung, der Widerruflichkeit von Angeboten, etc.114 Auch weichen die nationalen Rechte innerhalb der Union in diesen Punkten teilweise erheblich voneinander ab115, so dass die Erarbeitung EU-weit einheitlicher Standards aus der kahlen Begrifflichkeit des Art. 23 EuGVVO nicht ohne weiteres bewerkstelligt werden könnte. Die in der englischen Literatur befürwortete Heranziehung eines übergeordneten „Konzepts von Treu und Glauben“ 116 ist ebenfalls abzulehnen, da es eine rechtssichere und europaweit einheitliche Beurteilung der diversen rechtsgeschäftlichen Aspekte nicht gewährleisten kann. Aus diesen Gründen erscheint es auch nicht angebracht, dem EuGH die Konkretisierung sämtlicher Anforderungen an eine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung zu überlassen.
VO Rn. 101; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 64 f.; wohl auch Lindacher, in: FS Schlosser, 2005, S. 491 (493), der die Form im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO als „Garant realen Konsenses“ beschreibt. 111 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 65. 112 Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 26; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 50. 113 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 166. 114 Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 41–43a; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 28; Leible/Röder, RIW 2007, S. 481 (482). 115 Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 2.128. 116 So Merrett, ICLQ 58 (2009), S. 545 (559 f.), die etwa die Behandlung von Willlensmängeln nach dem „community concept of good faith“ bewerkstelligen will.
§ 4: Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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Zusammenfassend ist somit festzuhalten: Art. 23 EuGVVO lassen sich Mindestanforderungen an das Vorliegen eines Konsenses entnehmen. Insoweit sind nationale Vorschriften verdrängt. Die darüber hinaus gehenden Voraussetzungen des Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen sind dagegen nach dem aus Sicht des entscheidenden Gerichts anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen. 2. Wirksamkeit von Gerichtsstandsabreden im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO Nachdem Art. 23 EuGVVO ausdrücklich lediglich die Formerfordernisse gültiger Gerichtsstandsvereinbarungen regelt (a.), stellt sich die Frage, ob und welche weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen im Anwendungsbereich dieser Norm zu beachten sind (b.). a) Formanforderungen nach Art. 23 I S. 3 EuGVVO Die Formvorgaben in Art. 23 I S. 3 EuGVVO an den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen sind abschließend. Deren Einhaltung ist Wirksamkeitsvoraussetzung und nicht nur zu Beweiszwecken erforderlich.117 Ausreichend ist zum einen die Schriftform gem. Art. 23 I S. 3 lit. a Alt. 1 EuGVVO. Dieser Form gleichgestellt sind gem. Art. 23 II EuGVVO elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, wie etwa E-Mail oder Telefax. Außerdem können Prorogationen mündlich geschlossen werden, wenn sie anschließend schriftlich bestätigt werden gem. Art. 23 I S. 3 lit. a Alt. 2 EuGVVO. Gültig sind gem. Art. 23 I S. 3 lit. b EuGVVO auch Vereinbarungen in einer Form, die den zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten entspricht. Im internationalen Handel genügt gem. Art. 23 I S. 3 lit. c EuGVVO auch der Abschluss einer Prorogation in einer handelsgebräuchlichen Form. Die einzelnen Formerfordernisse sind euroautonom auszulegen, um eine gemeinschaftsweit einheitliche Anwendung der Verordnung zu gewährleisten.118
117 EuGH, 14.12.1976 – Rs. 24/76, Colzani ./. Rüwa, NJW 1977, S. 494; EuGH, 14.12.1976 – Rs. 25/76, Segoura ./. Bonakdarian, NJW 1977, S. 495; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 22; Geimer/Schütze, EuZVR, 2. Aufl. 2004, Art. 23 EuGVVO Rn. 102; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 15. 118 EuGH, 14.12.1976 – Rs. 24/76, Colzani ./. Rüwa, NJW 1977, S. 494; EuGH, 14.12.1976 – Rs. 25/76, Segoura ./. Bonakdarian, NJW 1977, S. 495; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 23 EuGVVO Rn. 22; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 15; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 30.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
b) Weitere im Rahmen von Art. 23 EuGVVO geltende Wirksamkeitsanforderungen Inwieweit im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO weitere Wirksamkeitsanforderungen greifen, wird genauso kontrovers diskutiert wie die Frage, welchen rechtlichen Standards diese unterliegen. Im überwiegenden Schrifttum ist man sich lediglich darüber einig, dass für die Aspekte der Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Vertragsparteien ein Rückgriff auf das aus Sicht des angerufenen Gerichts maßgebliche nationale Recht gestattet ist.119 Unklar dagegen ist, inwieweit weitere Wirksamkeitsanforderungen der einzelstaatlichen Rechte zur Anwendung kommen können. Von Bedeutung ist diese Problematik insbesondere in Fällen, in denen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Zuständigkeitsvereinbarung aufgrund Täuschung, Zwangs oder unter Missbrauch wirtschaftlicher Übermacht einer Partei zustande gekommen ist. In solchen Konstellationen könnten die besonderen Umstände bei Abschluss der Abrede deren Wirksamkeit entgegenstehen. Eine solche im allgemeinen Vertragsrecht wurzelnde Missbrauchskontrolle ist strikt abzugrenzen von einer auf den Inhalt der Vereinbarung bezogenen Kontrolle. Letztere kann eine Rolle spielen, wenn die Zuständigkeitsabrede für eine Partei besonders nachteilig ist, etwa weil für sie das prorogierte Forum weit entfernt ist oder weil der streitgegenständliche Anspruch nach dem Recht des designierten Gerichtsorts bereits verjährt wäre. Eine derartige Angemessenheitskontrolle anhand rein „gerichtsstandsspezifischer Erwägungen“120 ist im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO – von den Ausnahmen in dessen Abs. V abgesehen – nicht statthaft.121 Weniger eindeutig ist hingegen die Zulässigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle. Teile der Rechtsprechung und des Schrifttums halten eine solche für gänzlich ausgeschlossen. 122 Andere Autoren befür-
119 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 82; Kropholler/ v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 28; Magnus in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels I, 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 84; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 72; Coester-Waltjen/Mäsch, Übungen IPR, 4. Aufl. 2012, S. 110 (Fn. 19); Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 167. 120 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 105. 121 EuGH, 16.03.1999 – Rs. C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, Rn. 49–51. 122 LG Mainz, 13.09.2005 – 12 HK 0 112/04, WM 2005, 2319; OLG Hamburg, 14.04.2004 – 13 U 76/03, NJW 2004, S. 3126; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 12e–12j.
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worten sie, sind sich jedoch über den auf sie anwendbaren rechtlichen Maßstab nicht einig.123 Die Gegner einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle berufen sich in erster Linie auf das EuGH-Urteil Benincasa ./. Dentalkit Srl.124 In dieser Entscheidung stellte der Gerichtshof klar, dass über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung und des sie beinhaltenden Hauptvertrags getrennt zu entscheiden ist.125 Aus dieser Aussage wird gefolgert, eine Partei könne die gestörte Vertragsparität bei Aushandlung des Hauptvertrags nicht auch gegen die Gültigkeit der Gerichtsstandsabrede vorbringen. 126 Diese Interpretation ist jedoch nicht überzeugend. Das Benincasa-Urteil besagt lediglich, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht allein deswegen unwirksam sein kann, weil der Hauptvertrag unter Zwang oder wirtschaftlichem Druck zustande gekommen ist. Die EuGH-Entscheidung postuliert allerdings keine uneingeschränkte Gültigkeit von Zuständigkeitsabreden. Sie schließt nicht aus, dass diese unwirksam sind, wenn sie ebenfalls unter Druck oder Zwang zustande gekommen sind.127 Das BenincasaUrteil spricht somit nicht gegen die Zulässigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Unstatthaftigkeit einer solchen Kontrolle im Anwendungsbereich der EuGVVO wird zum anderen mit den Ausführungen des EuGH in der Entscheidung Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA begründet. 128 Der Gerichtshof betonte hierin, dass mitgliedstaatliche Gerichte die Entscheidung über die Durchsetzung einer Zuständigkeitsabrede lediglich anhand von Erwägungen treffen dürfen, die im Zusammenhang mit den Erfordernissen von Art. 17 EuGVÜ (~ Art. 23 EuGVVO) stehen. Deshalb sei es ihnen insbesondere verwehrt, einen objektiven Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem designierten Gericht zu fordern oder die Angemessenheit der Klausel und das mit ihr angestrebte Ziel zu überprüfen.129
123 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 104–106; Leible/Röder, RIW 2007, S. 481; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 371–416. 124 LG Mainz, 13.09.2005 – 12 HK 0 112/04, WM 2005, 2319. 125 EuGH, 03.07.1997 – Rs. C-269/95, Benincasa ./. Dentalkit Srl., Slg. 1997, I-3767, Rn. 23–29. 126 LG Mainz, 13.09.2005 – 12 HK 0 112/04, WM 2005, 2319 (2323). 127 Ebenso Leible/Röder, RIW 2007, S. 481 (483); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 105; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 380–382, 391– 394. 128 LG Mainz, 13.09.2005 – 12 HK 0 112/04, WM 2005, 2319; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Kröll, ZZP 113 (2000), S. 135 (148 f.). 129 EuGH, 16.03.1999 – Rs. C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, Rn. 49–51.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Aus diesen Maßgaben kann jedoch ebenso wenig auf die Unzulässigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO geschlossen werden. Denn mit den für unstatthaft erklärten Gesichtspunkten wendet sich der EuGH ausschließlich gegen eine gerichtsstandsspezifische Angemessenheitskontrolle. Zu der hier in Rede stehenden vertragsspezifischen Kontrolle, bei der es lediglich um die Umstände des Vertragsschlusses und nicht um den Inhalt der Vereinbarung geht, äußert sich der Gerichtshof hingegen nicht. Einen anderen Schluss gebietet auch nicht die Einschränkung des EuGH, bei der Entscheidung über die Anerkennung einer Gerichtsstandsabrede dürften lediglich Erwägungen eine Rolle spielen, die mit den Erfordernissen von Art. 23 EuGVVO im Zusammenhang stehen. Denn eine Voraussetzung der Norm ist u.a. das Vorliegen einer „Vereinbarung“. Mit diesem Tatbestandsmerkmal steht es jedenfalls in unmittelbarem Zusammenhang, wenn man der Abrede aus Gründen der fehlenden Vertragsparität die Wirksamkeit verweigert. 130 Schließlich wird aus der Existenz der Art. 13, 17 und 21 EuGVVO gefolgert, eine vertragsspezifische Missbrauchskontrolle sei im Anwendungsbereich der Verordnung unzulässig. 131 Diese Vorschriften, die Gerichtsstandsvereinbarungen in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträgen nur in beschränkten Situationen zulassen, zeigten, dass der europäische Gesetzgeber das Problem ungleicher Verhandlungsstärke erkannt, jedoch nur in bestimmten Konstellationen einen entsprechenden Regelungsbedarf erblickt habe. Hieraus folge, dass eine darüber hinaus gehende Missbrauchskontrolle unstatthaft sei. Dieser Umkehrschluss überzeugt nicht. Zum einen lässt sich aus der Tatsache, dass das europäische Recht in einigen Spezialfällen dem besonderen Schutzbedürfnis des typischerweise Schwächeren Rechnung trägt, nicht zwingend schließen, dass in allen anderen Konstellationen die Vertragsparität ungeschützt bleiben soll.132 Zum anderen haben Art. 13, 17 und 21 EuGVVO einen anderen Zweck und eine unterschiedliche Funktionsweise als eine vertragsspezifische Missbrauchskontrolle. Die Spezialvorschriften sind in erster Linie darauf gerichtet, die besonderen Gerichtsstände der EuGVVO zum Schutz von Verbrauchern, Versicherungs- und Arbeitnehmern abzusichern. Diese Gerichtsstände könnten ihren Sinn nicht erfüllen, wenn es ohne weiteres möglich wäre, sie im Wege einer Zuständigkeitsabrede abzubedingen.133 Aus diesem Grund schränken Art. 13, 17 und 21 EuGVVO die Gerichtswahlfreiheit erheblich ein und lassen Pround Derogationen lediglich in engen Ausnahmefällen zu. Die Vorschriften 130
So auch Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 387. Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 12j. 132 Leible/Röder, RIW 2007, S. 481 (484). 133 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 400. 131
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gewährleisten dabei einen rein abstrakten, von der genauen Abschlusssituation im Einzelfall losgelösten Schutz. Die hier in Rede stehende vertragsspezifische Missbrauchskontrolle stellt hingegen eine im materiellen Recht angesiedelte Korrekturmöglichkeit für absolute Ausnahmefälle dar. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass Parteien prinzipiell unbegrenzte Pround Derogationsfreiheit genießen, welche lediglich in Extremsituationen und nur aufgrund der Überprüfung der konkreten Umstände bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung eingeschränkt werden kann. 134 Aufgrund dieser Unterschiede kann aus der Existenz des typisierten Schutzes bestimmter Personengruppen in Art. 13, 17 und 21 EuGVVO keine Aussage über die Zulässigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle gewonnen werden. Lassen sich gegen die Statthaftigkeit einer derartigen Kontrolle somit keine überzeugenden Argumente anführen, schließt sich die Frage nach Gründen für ihre Zulässigkeit im Anwendungsbereich der EuGVVO an. Manche Stimmen im Schrifttum versuchen insoweit den Wortlaut von Art. 23 EuGVVO fruchtbar zu machen. Aus dem Erfordernis der „Vereinbarung“ könne man schließen, dass Abreden, die durch Täuschung, Zwang oder Missbrauch wirtschaftlicher Macht abgeschlossen wurden, keinen Bestand haben sollten. Eine auf die Prüfung derartiger Umstände beschränkte Kontrolle sei daher im Geltungsbereich der Verordnung statthaft. 135 Es überzeugt jedoch nicht, allein aus dem Wortlaut von Art. 23 EuGVVO auf die Zulässigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsabreden zu schließen. Denn der Begriff der „Vereinbarung“ lässt sich nicht zwingend als Erfordernis einer wirksamen Willensübereinstimmung verstehen, sondern könnte auch lediglich als Umschreibung des bloßen Abschlusstatbestands angesehen werden. Für die Zulässigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle wird des Weiteren der Sinn und Zweck von Art. 23 EuGVVO angeführt.136 Ziel der Norm ist es, sicherzustellen, dass die Vertragsfreiheit bei Abreden über die internationale Zuständigkeit gewahrt wird.137 Die Parteiautonomie im internationalen Zivilprozessrecht soll gestärkt werden, um den Interessen an Planungs- und Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Fraglich ist indes, ob hieraus tatsächlich eine Begründung für die Statthaftigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle gewonnen werden kann. Es ließe sich nämlich durchaus in die entgegengesetzte Richtung argumentieren, dass die Zulassung einer solchen zusätzlichen Korrekturmöglichkeit, 134
Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 400 f. Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 105. 136 Leible/Röder, RIW 2007, S. 481 (487); Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 402–405. 137 Vgl. Erwgr. 14 EuGVVO. 135
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
die im Wortlaut von Art. 23 EuGVVO nicht ausdrücklich vorgesehen ist, die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung und insbesondere die Verlässlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen beeinträchtigen könnte.138 Eine derartige Schlussfolgerung wäre jedoch zu kurz gegriffen. Denn sie lässt die eigentliche Aufgabe der vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle außer Acht. Diese soll nämlich sicherstellen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich vom Willen beider Parteien getragen wird. Nur wenn dies gegeben ist, kann die Abrede als Produkt der Vertragsautonomie angesehen werden. Die Parteiautonomie wird durch eine vertragsspezifische Missbrauchskontrolle somit nicht beeinträchtigt, sondern gerade gewährleistet und gestärkt. Soll Art. 23 EuGVVO die Vertragsautonomie bei Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit wahren, so sprechen sein Sinn und Zweck für die Statthaftigkeit einer vertragsspezifischen Missbrauchskontrolle. Eine solche beeinträchtigt auch nicht das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen. Denn die Partei, die etwa getäuscht, gedroht oder andere unlautere Mittel angewendet hat, ist in ihrem Vertrauen auf die Geltung der Abrede nicht schutzwürdig. Ist eine vertragsspezifische Missbrauchskontrolle im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO zulässig, bleibt noch zu klären, anhand welcher rechtlichen Maßstäbe diese durchzuführen ist. Insoweit stehen sich zwei Lager gegenüber: Während manche auf einzelstaatliches Recht zurückgreifen wollen 139 , plädieren andere für die Anwendung eines euroautonomen Kontrollstandards140. Die besseren Argumente sprechen für die Heranziehung einzelstaatlichen Rechts. Dies hat den Vorteil einer ausdifferenzierten Kasuistik und hohen Regelungsdichte. Dem schützenswerten Interesse der Parteien, bereits bei Abschluss der Abrede vorhersehen zu können, welchem nationalen Recht die Missbrauchskontrolle unterliegen wird, kann dabei durch die Einführung einer europaweit einheitlichen Kollisionsregel Rechnung getragen werden. 141 Demgegenüber vermag eine Missbrauchsprüfung auf der Grundlage von Standards, die aus der EuGVVO oder gar aus allgemeinen Prinzipien des Europarechts zu ziehen sind, weder Rechts- noch Planungssicherheit zu verschaffen.
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So etwa Gottschalk/Breßler, ZEuP 2007, S. 56 (73). Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 106. 140 Leible/Röder, RIW 2007, S. 481 (482); Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 407–416. 141 S. zu dieser Kollionsregel unten § 4 C. IV. 139
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3. Besonderheiten für AGB-Gerichtsstandsklauseln im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO Abschließend sind die Besonderheiten für die Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO (a.) und deren Inhaltskontrolle (b.) in den Blick zu nehmen. a) Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsklauseln Für die Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsklauseln gelten im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO euroautonome Standards. 142 Zu den Anforderungen an eine Einigung über solche Klauseln hat sich eine breite Kasuistik des EuGH sowie verschiedener nationaler Gerichte herausgebildet.143 Ausgangspunkt ist der bereits genannte Sinn und Zweck von Art. 23 EuGVVO, nämlich zu verhindern, dass Gerichtsstandsvereinbarungen unbemerkt Vertragsinhalt werden. Hieraus folgert der EuGH, dass im Vertragstext auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB deutlich hingewiesen werden muss und die AGB dem Vertragspartner auf eine Weise zugänglich zu machen sind, die es ihm ermöglicht, bei normaler Sorgfalt von ihnen Kenntnis zu erlangen.144 Die bloße Aushändigung von AGB reicht daher für deren Einbeziehung nicht aus. Denn allein hieraus kann nicht auf ein Einverständnis des Empfängers mit deren Geltung geschlossen werden.145 Ein Abdruck der Gerichtsstandsklausel auf der Rückseite des Vertrags, ohne dass auf die Abrede im Vertragstext Bezug ge-
142 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 72; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 536; Staudinger/Coester, 14. Neubearb. 2006, § 307 BGB Rn. 470; Lindacher, in: FS Schlosser, 2005, S. 491 (496); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 65. Vgl. zum EuGVÜ Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (486 f.) sowie Rauscher, ZZP 104 (1991), S. 271 (297–299). 143 Vgl. Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 77–98; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 85–93; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 16–19, 23, 27–27c; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, Rn. 6437–6441, 6445–6446, 6452, 6459– 6461. Vgl. zum EuGVÜ Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (486–492). 144 EuGH, 14.12.1976 – Rs. 24/76, Colzani ./. Rüwa, NJW 1977, S. 494 zu den von Art. 23 I S. 3 lit. a Alt. 1 EuGVVO erfassten Fällen. So auch BGH, 28.03.1996 – III ZR 95/95, NJW 1996, S. 1819; Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (486). 145 OLG Karlsruhe, 28.05.2002 – 8 U 158/01, IPRspr. 2002, Nr. 131b; BGH, 06.07.2004 – X ZR 171/02, NJW-RR 2005, S. 150; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 85; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 16a.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
nommen wird, genügt ebenfalls nicht. 146 Demgegenüber liegt eine wirksame Einigung vor, wenn Parteien in einem Vertrag explizit auf die in einem anderen Vertrag enthaltenen AGB mit Gerichtsstandsklausel Bezug nehmen. Ein ausdrücklicher Verweis auf die Zuständigkeitsabrede ist dabei – anders als im autonomen englischen Recht147 – nicht notwendig.148 Besondere Probleme bereiten AGB, welche in einer Sprache verfasst sind, die die andere Vertragsseite nicht versteht. Grundsätzlich gilt, dass solche AGB nicht Vertragsbestandteil werden. 149 Hiervon gelten zwei wichtige Ausnahmen: Zum einen ist Parteien im internationalen Handelsverkehr der Einwand verwehrt, sie hätten eine auf Englisch verfasste Gerichtsstandsklausel mangels Sprachkenntnisse nicht verstanden, denn der Begriff jurisdiction wird bei grenzüberschreitend tätigen Kaufleuten als allgemein bekannt vorausgesetzt.150 Trotz Sprachunkenntnis werden AGB zum anderen Vertragsinhalt, wenn auf diese im Angebot in der Verhandlungssprache Bezug genommen wurde und der Vertragspartner den Antrag unterschrieben sowie ohne Anmerkungen zurückgeschickt hat.151 b) Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsklauseln Sind die euroautonomen Anforderungen der Einbeziehung einer AGB-Gerichtsstandsklausel erfüllt, fragt sich im nächsten Schritt, ob die Abrede im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO zusätzlich einer Inhaltskontrolle nach einzelstaatlichem Recht unterzogen werden kann. Dies wird in Rechtsprechung und Schrifttum im Grundsatz abgelehnt (aa.). Umstritten ist je146 EuGH, 14.12.1976 – Rs. 24/76, Colzani ./. Rüwa, NJW 1977, S. 494; RauscherEuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 16a; Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (486 f.). 147 S. oben § 4 A. I. 3. a) aa). 148 EuGH, 14.12.1976 – Rs. 24/76, Colzani ./. Rüwa, NJW 1977, S. 494; OLG Düsseldorf, 16.03.2000 – 6 U 90/99, RIW 2001, S. 63 (64); OLG Karlsruhe, 15.03.2001 – 19 U 48/00, RIW 2001, S. 621 (622); OLG Oldenburg, 20.12.2007 – 8 U 138/07, IHR 2008, S. 112 (116); Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 16; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 86. A.A. Eichel, AGBGerichtsstandsklauseln, 2007, S. 81–83, der einen Hinweis verlangt, dass im Vertragstext eine Forumsabrede enthalten ist. 149 OLG Hamm, 06.12.2005 – 19 U 120/05, OLGR Hamm 2006, S. 327 (328); Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 93; Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (487). 150 OLG Hamm, 20.09.2005 – 19 U 40/05, IPRax 2007, S. 125; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 86. 151 BGH, 31.10.1989 – VIII ZR 330/88, IPRax 1991, S. 326; OLG Hamm, 28.06.1994 – 19 U 179/93, NJW-RR 1995, S. 188 (189); OLG Hamm, 20.09.2005 – 19 U 40/05, IPRax 2007, S. 125; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 86; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 40; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 96 f.; Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (487).
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doch, ob eine Inhaltskontrolle nach nationalem Recht ausnahmsweise für AGB-Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen möglich sein soll (bb.). aa) Die grundsätzliche Unzulässigkeit von AGB-Inhaltskontrolle nach nationalem Recht Die ganz überwiegende Auffassung geht zu Recht davon aus, dass eine AGB-Inhaltskontrolle nach einzelrechtlichem Maßstab im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO grundsätzlich nicht möglich ist.152 Die Zulassung einer derartigen Kontrolle würde einer Angemessenheitsprüfung nach nationalen Vorstellungen Tür und Tor öffnen und dem europarechtlichen Vereinheitlichungsgedanken zuwiderlaufen: Ein mitgliedstaatliches Gericht hätte es in der Hand, die Anerkennung einer AGB-Gerichtsstandsklausel etwa mit der Begründung abzulehnen, die Abrede sei offensichtlich nur darauf gerichtet, die andere Vertragsseite von einer gerichtlichen Verfolgung ihrer Interessen abzuschrecken. Eine Zuständigkeitsvereinbarung könnte des Weiteren mit dem Argument außer Acht gelassen werden, der designierte Gerichtsstand weise keinerlei Verbindungen zum Rechtsstreit auf. Dass die Berücksichtigung derartiger Gesichtspunkte mit Art. 23 EuGVVO unvereinbar ist, hat der EuGH – wie bereits oben erläutert – ausdrücklich in der Entscheidung Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA festgestellt.153 Gegen die Zulässigkeit solcher Erwägungen lässt sich des Weiteren das in Erwgr. 11 der EuGVVO niedergelegte Ziel der Verordnung anführen, Rechtssicherheit durch vorhersehbare Zuständigkeitsregeln zu schaffen. Die Durchführung einer Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsklauseln stünde schließlich auch im Widerspruch zu der im EuGH-Urteil Owusu ./. Jackson154 erteilten Absage an die Geltung der forum non conveniens-Lehre. Im Mittelpunkt dieser für den An152
OLG Hamm, 20.09.2005 – 19 U 40/05, IPRax 2007, S. 125 (126); RauscherEuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 12; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 72; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 19; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 6391; Magnus in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels I, 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 14; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 539; Lindacher, in: FS Schlosser, 2005, S. 491 (496); Kröll, ZZP 113 (2000), S. 135 (142 f.); Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 317; Briggs, Agreements, 2008, Rn. 7.11; zweifelnd hingegen Heiss, RabelsZ 65 (2001), S. 634 (647). 153 EuGH, 16.03.1999 – Rs. C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597, Rn. 49–51. Vgl. zu dieser Entscheidung oben § 4 B. I. 2. b). 154 EuGH, 01.03.2005 – Rs. C-281/02, Owusu ./. Jackson, Slg. 2005, I-1383, Rn. 37– 46.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
wendungsbereich der EuGVVO verworfenen Doktrin steht nämlich auch die Prüfung der Angemessenheit des gewählten Forums für die Austragung der konkreten Streitigkeit. Aus diesen Gründen erscheint es zwingend erforderlich, eine Inhaltskontrolle von unter Art. 23 EuGVVO fallenden AGB-Gerichtsstandsklauseln nach einzelstaatlichem Recht grundsätzlich abzulehnen. bb) Ausnahmsweise AGB-Inhaltskontrolle nach einzelstaatlichem Recht in Verbraucherverträgen? Kontrovers diskutiert wird im Schrifttum die Frage, ob – abweichend von dem soeben dargestellten Prinzip – AGB-Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen ausnahmsweise einer Inhaltskontrolle unterliegen. Für derartige Zuständigkeitsvereinbarungen sehen alle mitgliedstaatlichen Rechte in Umsetzung der EG-Klausel-RL eine Missbrauchskontrolle vor.155 Bevor die in der Literatur vorgebrachten Argumente für und gegen die Statthaftigkeit einer Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der EGKlausel-RL dargestellt und gewürdigt werden, ist zunächst zu klären, ob bei Gerichtsstandsabreden in Verbraucherverträgen im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO überhaupt Bedarf für eine Missbrauchskontrolle besteht. (1) Bedarf für eine Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der EG-Klausel-RL? Im Schrifttum wird teilweise vorgebracht, eine Inhaltskontrolle von AGBGerichtsstandsvereinbarungen in Verbraucherverträgen sei im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO nicht notwendig. Die EuGVVO gewährleiste einen ausreichenden Schutz von Verbrauchern durch die Art. 15–17. 156 Dieses Argument überzeugt nicht. Ein näherer Blick auf die Schutzregeln der EuGVVO für Verbraucher zeigt, dass diese durchaus Konstellationen ungeregelt lassen, in denen ein Schutzbedürfnis besteht, dem durch die Anwendung der nationalen Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL Rechnung getragen werden könnte. Dies gilt zunächst für Fälle, in denen die Sonderregeln der EuGVVO für Verbrauchersachen keine Wirkung entfalten: Betroffen sind zum einen Gerichtsstandsklauseln in Beförderungsverträgen, die – mit Ausnahme von Pauschalreiseverträgen – gem. Art. 15 III EuGVVO aus dem Anwendungsbereich der Art. 16 f. EuGVVO gänzlich ausgenommen sind. 157 Eine 155
S. zu der Umsetzung der EG-Klausel-RL in England und Deutschland oben § 4 A. I. 3. a) cc). 156 Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 20; Ganssauge, Internationale Zuständigkeit, 2004, S. 67 f. 157 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 339.
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Schutzlücke existiert zum anderen in Konstellationen, in denen ein Verbraucher im Ausland einen Kaufvertrag mit einer ausschließlichen Prorogation zugunsten der Gerichte im auswärtigen Forum abschließt und die Ware bar bezahlt.158 Die Anwendung der Sonderschutzregeln der EuGVVO für Verbraucher scheidet in solchen Fällen aus, da der Vertrag unter keine der in Art. 15 I lit. a–c EuGVVO aufgezählten Alternativen fällt. Selbst wenn der Geltungsbereich von Art. 16 f. EuGVVO eröffnet ist, lässt sich der Bedarf eines AGB-Schutzes feststellen. Zwar stellt Art. 16 II EuGVVO sicher, dass ein Verbraucher prinzipiell lediglich in dem Mitgliedstaat verklagt werden kann, in dem er ansässig ist. Die Norm gewährleistet jedoch nicht, dass der Prozess auch vor dem Gericht des Ortes stattfindet, an dem der Verbraucher ansässig ist. Wird er vor einem Gericht in Anspruch genommen, das von seinem Wohnsitz weit entfernt liegt, kann die Rechtsverfolgung für ihn jedoch mit erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden sein159, so dass er besonders schutzbedürftig erscheint.160 Der Schutz durch Art. 16 II EuGVVO ist auch wegen Art. 17 Nr. 1 EuGVVO lückenhaft. Letztere Vorschrift erlaubt nach Entstehung der Streitigkeit – abweichend vom Grundsatz in Art. 16 II EuGVVO161 – eine Prorogation der Gerichte in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Wie bereits oben erläutert wurde162, kann ein Verbraucher unter Umständen auch in solchen Konstellationen als schutzwürdig anzusehen sein.163 (2) Zulässigkeit einer Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der EG-Klausel-RL? Besteht im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO die Notwendigkeit für eine Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsabreden in Verbraucherverträgen, stellt sich die Frage, ob die Anwendung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der EG-Klausel-RL zulässig ist. Die Diskussion dieser Problematik entzündet sich an Art. 67 EuGVVO, der das Verhältnis der Verordnung zu anderen gemeinschaftlichen Rechtsakten und dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten einzelstaatlichen 158
Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 339. Ein Beispiel hierführ bieten die Fälle, die den EuGH-Urteilen Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero und Panon GSM Zrt. ./. Györfi zugrunde lagen. S. hierzu oben § 4 A. I. 3. a) cc). 160 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 338 f. 161 Art. 16 II EuGVVO sieht für Klagen des Unternehmers die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte im Wohnsitzstaat des Verbrauchers vor. 162 S. oben § 4 A. I. 3. a) cc). 163 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 335–337. 159
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Recht normiert. Derartige Vorschriften können gem. Art. 67 EuGVVO im Anwendungsbereich der EuGVVO herangezogen werden, wenn sie für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit regeln. Dass die nationalen Umsetzungsnormen zur EG-Klausel-RL eine Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit im Sinne dieser Vorschrift sind, folgt aus Anh. Nr. 1 lit. q der Richtlinie. Hiernach können Klauseln, die einem Verbraucher die Möglichkeit zur Anrufung staatlicher Gerichte nehmen oder erschweren, als missbräuchlich angesehen werden. In den oben164 erläuterten Entscheidungen Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero165 und Panon GSM Zrt. ./. Györfi 166 stellte der EuGH klar, dass unter den Anh. Nr. 1 lit. q neben Schiedsabreden 167 auch Gerichtsstandsvereinbarungen fallen können. Diesen Grundsätzen müssen die mitgliedstaatlichen Gerichte über die richtlinienkonforme Auslegung ihrer nationalen Umsetzungsvorschriften Rechnung tragen. Wird eine Schieds- oder eine Gerichtsstandsklausel als missbräuchlich eingeordnet, haben die mitgliedstaatlichen Gerichte außerdem gem. Art. 6 I EG-Klausel-RL sicherzustellen, dass die Abrede für den Verbraucher unverbindlich ist. Entfaltet eine Schieds- oder eine Gerichtsstandsvereinbarung im Einzelfall keine Geltung, ist das international zuständige Gericht nach den gesetzlichen Zuständigkeitsregeln zu bestimmen. Die nationalen Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL regeln somit jedenfalls indirekt die gerichtliche Zuständigkeit.168 Ob diese Bestimmungen auch ein besonderes Rechtsgebiet i.S.v. Art. 67 EuGVVO regeln, ist fraglich. Ein Teil des Schrifttums streitet einen entsprechenden Regelungsgehalt der EG-Klausel-RL ab. 169 Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Die Richtlinie stellt eine Maßnahme auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts dar, das sowohl in Art. 3 I lit. t EGV als auch in Art. 4 II lit. f AEUV als eigenständiger Zuständigkeitsbereich der EG bzw. der EU aufgeführt wird. 170 Art. 67 EuGVVO eröffnet 164
S. § 4 A. I. 3. a) cc). EuGH, 27.06.2000 – C-240/98, C-244/98, Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero, Slg. 2000, I-4941. 166 EuGH, 04.06.2009 – C-243/08, Panon GSM Zrt. ./. Györfi, Slg. 2009, I-4713. 167 Schiedsabreden werden in Anh. Nr. 1 lit. q EG-Klausel-RL ausdrücklich als Beispiel für Klauseln erwähnt, die einem Verbraucher die Möglichkeit zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung vor Gericht nehmen bzw. erschweren können. Zu der Behandlung von Schiedsklauseln nach der EG-Klausel-RL vgl. EuGH, 06.10.2009 – C-40/08, Asturcom Telecomunicaciones SL ./. Nogueira, Slg. 2009, I-9579 sowie die Anm. von Hilbig, SchiedsVZ 2010, S. 74. 168 Ebenso Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 341. 169 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 31; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 17 EuGVVO Rn. 3, Art. 67 EuGVVO Rn. 6. 170 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 342; ähnlich Micklitz/Rott, EuZW 2001, S. 325 (332). 165
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somit die Möglichkeit, im Geltungsbereich der Verordnung auf die nationalen Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL zurückzugreifen. Die Anwendbarkeit dieser mitgliedstaatlichen Bestimmungen scheitert auch nicht an Art. 1 II EG-Klausel-RL. Dieser Regel zufolge sind aus dem Geltungsbereich der Richtlinie Vertragsklauseln ausgenommen, die Gegenstand von Bestimmungen internationaler Übereinkommen sind. Stellt man allein auf den Wortlaut der Norm ab, könnte man hieraus schließen, dass die EG-Klausel-RL auf Gerichtsstandsvereinbarungen, die von dem EuGVÜ erfasst sind, keine Anwendung finden soll. Dies hätte zur Folge, dass die Richtlinie auch für Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich der EuGVVO keine Bedeutung hätte. Denn gem. Art. 68 II EuGVVO sind Bezugnahmen auf das EuGVÜ nach Inkrafttreten der EuGVVO als Verweise auf letztere zu deuten. Richtigerweise ist jedoch davon auszugehen, dass Art. 1 II EG-KlauselRL nicht das Verhältnis dieses Regelwerks zum EuGVÜ, sondern lediglich zu internationalen Übereinkommen zum Gegenstand hat. Hierfür lässt sich zum einen anführen, dass Art. 1 II EG-Klausel-RL als Beispiel für Übereinkommen im Sinne der Norm solche auf dem Gebiet des Transportrechts anführt. Dieser Rechtsbereich stellt nämlich eine klassische Domäne internationaler Übereinkommen dar.171 Dagegen, dass Art. 1 II EG-Klausel-RL auf das EuGVÜ und somit auch auf die EuGVVO Bezug nimmt, spricht zum anderen, dass das Verhältnis zwischen gemeinschaftlichen Rechtsakten und dem EuGVÜ bzw. der EuGVVO – wie sich Art. 56 III EuGVÜ und Art. 67 EuGVVO entnehmen lässt – grundsätzlich gesondert von dem Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkommen geregelt wird. 172 Art. 1 II EG-Klausel-RL spricht also nicht gegen die Anwendbarkeit der nationalen Umsetzungsvorschriften zur Richtlinie im Anwendungsbereich der EuGVVO. Auch aus der Existenz von Art. 15–17 EuGVVO lässt sich kein Umkehrschluss dergestalt ziehen, dass eine Inhaltskontrolle von AGB-Gerichtsstandsklauseln nach dem Maßstab der EG-Klausel-RL unzulässig ist. Diese Normen enthalten nämlich keine abschließende Regelung der Fälle, in denen Gerichtsstandsvereinbarungen aus Verbraucherschutzgründen die Wirkung abgesprochen werden kann. Art. 15–17 EuGVVO differenzieren nicht zwischen formularmäßigen und individuell ausgehandelten Zuständigkeitsklauseln. Diese Regeln tragen daher lediglich den allgemeinen Interessen von Verbrauchern bei Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit Rechnung. Sie sind jedoch nicht darauf zugeschnitten, den zusätzlichen Schutzbedarf bei Abschluss von formularmäßigen Gerichts171
Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 344. Beispiele für international vereinheitlichte Übereinkommen im Transportrecht sind etwa das CMR sowie das MA. 172 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 344 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
standsklauseln zu bewältigen, der aus der Gefahr resultiert, dass die Vertragsautonomie einseitig zu Lasten der Verbraucher in Anspruch genommen wird. Aufgrund ihres beschränkten Regelungsinhalts stehen Art. 15– 17 EuGVVO der Anwendung der mitgliedstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der EG-Klausel-RL folglich nicht entgegen. 173 Die Durchführung einer Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der EGKlausel-RL steht auch nicht im Widerspruch zu dem Ziel der EuGVVO, Vorschriften zu schaffen, die es den Parteien ermöglichen, rechtssicher das zuständige Gericht für ihre Streitigkeit im Voraus bestimmen zu können.174 Denn die EG-Klausel-RL schreibt europaweit einheitliche Mindeststandards zur Entscheidung über die Missbräuchlichkeit von AGB-Klauseln in Verbraucherverträgen vor und minimiert somit das Risiko, dass dieselbe oder ähnlich gelagerte Konstellationen in den Gerichten unterschiedlicher Mitgliedstaaten divergent beurteilt werden.175 Dem Anliegen einer europaweit einheitlichen Klauselkontrolle hat auch der EuGH durch die Urteile Océano176 und Panon177 Rechnung getragen, in denen er die maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung über die Missbräuchlichkeit einer Gerichtsstandsklausel herausgearbeitet hat.178 Das verbleibende Risiko, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte vergleichbare Sachverhalte abweichend beurteilen, liegt in der Natur der Richtlinie als europäisches Gesetzgebungsinstrument, welches lediglich Grundvorgaben für die Rechtsvereinheitlichung auf bestimmten Sachgebieten enthält. Diese Besonderheit war dem europäischen Gesetzgeber bei der Schaffung von Art. 67 EuGVVO durchaus bewusst. Indem er die Anwendung nationaler Vorschriften zur Umsetzung von europäischen Richtlinien im Anwendungsbereich der EuGVVO ausdrücklich zuließ, nahm er somit auch die hieraus resultierende Gefahr in Kauf, dass die Ausgestaltung und Anwendung der mitgliedstaatlichen Rechte im Detail divergieren können.179 Dieses Risiko lässt sich auch mit Art. 23 EuGVVO vereinbaren. Die Gefahr abweichender Entscheidungen über das wirksame Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen wohnt der Norm inne, da sie insoweit keine vollständigen europaweit einheitlichen Regeln enthält 180, so 173
Ebenso Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 347. So aber Withers, LMCLQ 2002, S. 56 (65). 175 Leible, RIW 2001, S. 422 (429 f.); Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 350. 176 EuGH, 27.06.2000 – C-240/98, C-244/98, Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero, Slg. 2000, I-4941. 177 EuGH, 04.06.2009 – C-243/08, Panon GSM Zrt. ./. Györfi, Slg. 2009, I-4713. 178 Ebenso Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 351. Vgl. zu den beiden EuGH-Urteilen oben § 4 A. I. 3. a) cc). 179 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 351. 180 S. hierzu oben § 4 B. I. 1. 174
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dass für viele Fragen der Rückgriff auf die durchaus divergierenden nationalen Rechte notwendig bleibt.181 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass AGB-Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO der Inhaltskontrolle nach den nationalen Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL unterliegen. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der oben erläuterten EuGH-Entscheidung Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA182, in der eine Angemessenheitskontrolle der streitgegenständlichen Zuständigkeitsabrede für unzulässig gehalten wurde. Denn dieser Entscheidung lag eine AGB-Gerichtsstandsklausel im kaufmännischen Rechtsverkehr zugrunde.
II. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ Im Anwendungsbereich des HGÜ richten sich Zustandekommen (1.) und Wirksamkeit (2.) von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Grundsätzen, die sich teilweise erheblich von den Lösungen im Anwendungsbereich der EuGVVO unterscheiden. Auch AGB-Zuständigkeitsklauseln werden nach anderen Regeln als im europäischen Verfahrensrecht behandelt (3.). 1. Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen im Rahmen des HGÜ Ob eine Gerichtsstandsabrede wirksam abgeschlossen wurde, ist nach der separability-Doktrin, dessen Geltung Art. 3 lit. d HGÜ ausdrücklich anordnet, unabhängig vom Schicksal des Hauptvertrags zu beurteilen.183 Es fragt sich jedoch, nach welchem rechtlichen Maßstab im Rahmen des HGÜ über das Vorliegen einer Willenseinigung zu entscheiden ist. Ähnlich wie im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO wäre denkbar, über die Existenz eines Konsenses nach autonomen Kriterien zu entscheiden. Hierfür könnte Art. 3 lit. a HGÜ sprechen, der eine Definition des Begriffs „ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung“ im Sinne des Übereinkommens enthält. Erforderlich ist danach in erster Linie eine „Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien“. Dem Erläuternden Bericht zum HGÜ zufolge setzt Art. 3 lit. a HGÜ eine tatsächliche Willensübereinstimmung voraus. Fehlte es an einer solchen, könne – so der Bericht – ein vertragsstaatliches Gericht die Anwendung des HGÜ ablehnen, ohne die
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Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 351. EuGH, 16.03.1999 – Rs. C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597. 183 Vgl. hierzu Bläsi, HGÜ, 2010, S. 83 f.; Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 46 f. 182
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
besonderen Kollisionsregeln in Art. 5 I, 6 lit. a HGÜ zu beachten.184 Diese Aussage scheint darauf hinzudeuten, dass das Vorliegen eines Konsenses eine dem Verweis auf nationales Recht vorgelagerte Frage ist, die demgemäß nach autonomen Maßstäben beurteilt werden muss. Richtig erscheint es jedoch, zusammen mit dem ganz überwiegenden Schrifttum über die Existenz einer Willenseinigung unter Rückgriff auf das gem. Art. 5 I, 6 lit. a HGÜ anwendbare nationale Recht zu entscheiden.185 Hierfür spricht die Entstehungsgeschichte des HGÜ: In der französischen Fassung eines frühen Entwurfs des Übereinkommens fand sich in Art. 3 lit. c, der die Formanforderungen regelt, noch das Wort „confirmé“. Dieses wurde dann absichtlich durch „documenté“ ersetzt. Einige common law-Staaten erblickten in dem Wort „confirmé“ die Gefahr einer unerwünschten Vermengung von Form und Einigung im Rahmen des Übereinkommens. Das stattdessen verwendete „documenté“ entspricht auch dem in der offiziellen Fassung des HGÜ verwendeten englischen Wort „documented“. Damit sollte klargestellt werden, dass Art. 3 lit. c HGÜ kein konsensuales Element enthält. Auch bei den Abschlussverhandlungen zum HGÜ herrschte weitgehend Einigkeit darüber, dass im Rahmen des Übereinkommens Form und Einigung strikt auseinanderzuhalten sind. 186 Aus diesem grundsätzlichen Willen sowie aus der Tatsache, dass das HGÜ selbst ausdrücklich lediglich Formerfordernisse regelt und für die Beurteilung der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen gesonderte Kollisionsregeln vorsieht, ist richtigerweise zu folgern, dass das HGÜ keinen autonomen Maßstab für die Entscheidung über das Vorliegen einer Willenseinigung enthält. Die Konsensfrage ist vielmehr nach dem Recht zu beurteilen, auf das die Regeln von Art. 5 I, 6 lit. a HGÜ verweisen. Nach diesen Normen haben sowohl das prorogierte als auch ein derogiertes Gericht über das Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung nach dem Recht des designierten Forums zu befinden. In Ländern wie den USA, wo mehrere Rechtssysteme nebeneinander bestehen, gilt der Verweis gem. Art. 25 I lit. a HGÜ auf das Recht des Einzelstaats, dessen Gerichte prorogiert wurden.187 Art. 5 I, 6 lit. a HGÜ stellen nach überwiegender Auffassung Gesamtrechtsverweisungen dar, so dass auch das im
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Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 95. Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 94; Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411); Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (550–552); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 35–42, 163 f.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 255–259. 186 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 255–257 m.w.N. zur Enstehungsgeschichte des HGÜ. 187 Bläsi, HGÜ, 2010, S. 169–173. 185
§ 4: Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen
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designierten Forum geltende IPR zu prüfen ist.188 Die Kollisionsregeln des Übereinkommens sollen somit Berechenbarkeit für die Parteien schaffen und widersprüchliche Entscheidungen über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung verhindern.189 2. Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich des HGÜ Das HGÜ beinhaltet autonome Formerfordernisse für Gerichtsstandsvereinbarungen (a.). Zur Beurteilung der sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen hält das Übereinkommen dagegen lediglich Kollisionsvorschriften bereit (b.). a) Formerfordernisse von Art. 3 lit. c HGÜ Die Formanforderungen für Zuständigkeitsabreden finden sich in Art. 3 lit. c HGÜ. Anders als nach der EuGVVO führt die Nichteinhaltung der Formerfordernisse aber nicht zur Unwirksamkeit der Gerichtsstandsabrede. Ein Formverstoß hat lediglich zur Folge, dass der Anwendungsbereich des HGÜ nicht eröffnet ist.190 Ein derogiertes Gericht ist dann also nicht gem. Art. 6 HGÜ zur Aussetzung einer bei ihm anhängig gemachten Klage verpflichtet. Andersherum trifft ein prorogiertes Gericht nicht die in Art. 5 I HGÜ geregelte grundsätzliche Pflicht zur Annahme der Streitigkeit. Stützt ein designiertes Gericht seine Zuständigkeit auf eine Prorogation, die den Formerfordernissen von Art. 3 lit. c HGÜ zwar nicht genügt, aber nach autonomem nationalem Recht wirksam ist, ist seine Entscheidung in anderen HGÜ-Vertragsstaaten nicht nach Art. 8–15 HGÜ anzuerkennen und zu vollstrecken, sondern nach Maßgabe des autonomen Rechts des Vollstreckungsstaats.191 Gemäß Art. 3 lit. c HGÜ muss eine Gerichtsstandsabrede schriftlich (lit. c (i)) oder durch ein anderes Kommunikationsmittel, das eine spätere Bezugnahme auf die Abrede ermöglicht (lit. c (ii)), geschlossen oder dokumentiert worden sein. Das Schriftlichkeitserfordernis dient allein der Dokumentation und setzt daher nicht die Unterschriften der Parteien vo-
188 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 94; Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411); Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (550–552); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 163 f., 183; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 247. 189 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 149; Hess, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 263 (279). 190 Eichel, RIW 2009, S. 287 (295); Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 110; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 66 f. 191 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (118).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
raus.192 Die zweite Formalternative von Art. 3 lit. c HGÜ ist Art. 6 I UNCITRAL Modellgesetz über den elektronischen Verkehr nachgebildet. 193 Dadurch soll die in einigen Ländern herrschende Rechtsunsicherheit im ecommerce-Bereich beseitigt werden. 194 Für die Formgültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung ist es somit ausreichend, wenn sie per E-Mail195, Fax196 oder telefonischer Aufzeichnung197 festgehalten worden ist.198 Im Gegensatz zu der EuGVVO reicht die Einhaltung einer den Gepflogenheiten zwischen den Parteien oder einem internationalen Handelsbrauch entsprechenden Form nicht aus.199 Dieser Unterschied dürfte sich in der Praxis jedoch kaum auswirken, da im Handelsverkehr Gerichtsstandsvereinbarungen aus Beweisgründen regelmäßig in einer Weise festgehalten werden, die einen späteren Zugriff auf die Abrede erlaubt, so dass in den meisten Fällen die Voraussetzungen von Art. 3 lit. c (ii) HGÜ erfüllt sein werden.200 Art. 3 lit. c HGÜ versperrt die Anwendung strengerer nationaler Formvorschriften. 201 Ist ein vertragsstaatliches Gericht der Auffassung, dass eine Willensübereinstimmung vorliegt, darf es die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht wegen zusätzlicher formaler Anforderungen verweigern, etwa weil die Abrede nicht besonders hervorgehoben oder von den Parteien nicht gesondert vom Hauptvertrag unterzeichnet worden ist.202 Nicht gestattet ist darüber hinaus die Außerachtlassung einer Zustän-
192 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 112, die zugleich auf die praktischen Beweisprobleme bei Gerichtsstandsvereinbarungen ohne Unterschriften der Parteien hinweisen. S. auch Bläsi, HGÜ, 2010, S. 68. 193 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (118); Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 17. 194 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 245. 195 Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (118); Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411); Luginbühl/Wollgast, GRUR Int 2006, S. 208 (210); a.A. Fricke, VersR 2006, S. 476 (478). 196 Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411). 197 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 245. 198 Bläsi, HGÜ, 2010, S. 69–71. 199 Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, 2005, S. 549 (555); Joseph, Agreements, 2005, Rn. 3.70. 200 Coester-Waltjen, in: FS Heldrich, 2005, S. 549 (555); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 72–74, der darauf hinweist, dass sich in der Praxis die Formstrenge des HGÜ lediglich in Fällen des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben auswirken wird, da es in solchen Konstellationen typischerweise an einer schriftlichen Bestätigung der Vereinbarung fehlt. 201 Bläsi, HGÜ, 2010, S. 67. 202 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 110; Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 67.
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digkeitsvereinbarung allein mit dem Argument, sie sei in einer Fremdsprache verfasst oder im „Kleingedruckten“ enthalten.203 b) Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen Bei der Prüfung der sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen, also etwa Fragen des Vorliegens von Willensmängeln, Stellvertretung, etc., ist gem. Art. 5 I, 6 lit. a HGÜ das nach dem IPR des prorogierten Forums zur Anwendung berufene Recht heranzuziehen.204 Eine Besonderheit gilt für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit der Parteien: Während das prorogierte Gericht hierüber gem. Art. 5 I HGÜ nach dem aus Sicht seines IPR maßgeblichen Statut entscheidet, hat ein derogiertes Gericht gem. Art. 6 lit.a, b HGÜ zwei Rechtsordnungen zu befragen: Zum einen das Recht des prorogierten Forums, zum anderen das eigene Recht. Beide Verweisungen stellen Gesamtrechtsverweisungen dar, so dass stets die Vorgaben der jeweiligen IPR-Regeln zu berücksichtigen sind. 205 Fehlt schon nach einem der so bestimmten Sachrechte einer der Parteien die Geschäftsfähigkeit, ist das derogierte Gericht nicht gem. Art. 6 HGÜ zur Aussetzung der vor ihm anhängig gemachten Streitigkeit verpflichtet.206 Grund für Art. 6 lit. b HGÜ ist, dass den Verhandlungsstaaten die Einigung über eine einheitliche Kollisionsnorm bezüglich der Geschäftsfähigkeit zu ambitioniert erschien. 207 Die Kompromisslösung des HGÜ stößt im Schrifttum auf Kritik aufgrund des ihr innewohnenden Risikos, dass sich ein prorogiertes und ein derogiertes Gericht für zuständig befinden, über ein und dieselbe Streitigkeit zu entscheiden.208 3. Besonderheiten für AGB-Gerichtsstandsklauseln im Geltungsbereich des HGÜ Die Frage, ob das HGÜ auf Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB Anwendung finden soll, war zwischen den Verhandlungsstaaten heftig umstritten. Gegen die Erstreckung des Übereinkommens auf formularmäßige Zustän203 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 110; Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411); Eichel, RIW 2009, S. 287 (295). 204 Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 79 f.; Talpis/Krnjevic, Sw. J. L. & Trade Am. 13 (2006), S. 1 (19); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 164, 182–184. 205 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 150; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 184 f.; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 250; Rühl, IPRax 2005, S. 410 (413). 206 Bläsi, HGÜ, 2010, S. 184. 207 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 150; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 250; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 185. 208 Rühl, IPRax 2005, S. 410 (413 Fn. 60); Thiele, in: Gottschalk/Michaels/Rühl/u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws, 2007, S. 63 (76 f.).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
digkeitsabreden sprach sich zum einen Israel aus, in dessen autonomem Recht die Unwirksamkeit von AGB-Gerichtsstandsklauseln vermutet wird.209 Auf einen Ausschluss derartiger Abreden aus dem Geltungsbereich des HGÜ drängten zum anderen US-amerikanische Bibliotheken, nichtgewinnorientierte Organisationen und Telekommunikationsunternehmen: Diese befürchteten, dass sie beim Kauf von Software und Lizenzen über das Internet unbemerkt AGB mit Prorogationen zugunsten eines auswärtigen Forums zustimmen würden. Bei Geltung des HGÜ müssten sie sich nicht nur einem zeit- und kostenaufwendigen Prozess im Ausland zu stellen, sondern hätten auch die Vollstreckung des auswärtigen Urteils in den USA zu dulden.210 Letztlich wurden AGB-Gerichtsstandsklauseln aber doch nicht aus dem Anwendungsbereich des HGÜ ausgenommen. 211 Die Einbeziehungs- und die Inhaltskontrolle solcher Abreden unterliegen gem. Art. 5 I, 6 lit. a HGÜ dem nach dem IPR des prorogierten Forums anwendbaren Recht.212 Hierbei sind jedoch die Grenzen des HGÜ zu berücksichtigen. Das bedeutet zum einen, dass die Durchsetzung einer AGB-Gerichtsstandsklausel nicht unter Hinweis auf ein nationales Formerfordernis versagt werden kann, welches strenger ist als die Formvorgaben von Art. 3 lit. c HGÜ.213 Aus der grundsätzlichen Unzulässigkeit von forum non conveniens-Erwägungen im Anwendungsbereich des HGÜ folgt außerdem, dass die Anerkennung einer formularmäßigen Zuständigkeitsabrede nicht mit Überlegungen über die Geeignetheit des prorogierten Forums für die Austragung der Streitigkeit verweigert werden kann.214
C. Wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass sowohl die materiellen Anforderungen an Abschluss und Form von Gerichtsstandsvereinbarungen als auch die diese Aspekte betreffenden Kollisionsregeln in den verschiedenen Rechtssystemen abweichend ausgestaltet sind (I.). Es ist 209
Haager Konferenz für IPR, HGÜ-Prel. Doc. No. 29, S. 6 f. Bruce, Brook. J. Int’l L. 32 (2007), S. 1103 (1107–1110); Kerns, Temp. Int’l & Comp. L.J. 20 (2006), S. 509 (525 f.); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 253. 211 Rühl, IPRax 2005, S. 410 (411); Fricke, VersR 2006, S. 476 (479); Luginbühl/ Wollgast, GRUR Int 2006, S. 208 (210); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 253; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 74 f. 212 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 255–265; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 74– 81. 213 Bläsi, HGÜ, 2010, S. 76. 214 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 261 f. 210
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daher angezeigt, zu erörtern, wie insoweit einzelstaatliche Rechte und international vereinheitlichte Regelungen zusammenspielen (II.). Die so gefundenen sach- und kollisionsrechtlichen Grundsätze sind sodann einer rechtsökonomischen Betrachtung zu unterziehen (III.), um ausgehend hiervon einen Vorschlag zur Verbesserung der EuGVVO zu erarbeiten (IV.).
I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten Was die Beurteilung des wirksamen Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen anbelangt, weisen die verglichenen Rechtsordnungen vor allem in drei Punkten Unterschiede auf: Zunächst wird das Abschlussstatut abweichend bestimmt. Darüber hinaus divergieren die sachrechtlichen Anforderungen an das wirksame Zustandekommen insbesondere in Bezug auf Gerichtsstandsklauseln in AGB. Ähnlich stellt sich die Lage bei den Formanforderungen dar, wo ebenfalls sowohl auf kollisionsals auch auf sachrechtlicher Ebene Abweichungen zu verzeichnen sind. 1. Das auf den Abschluss anwendbare Recht und dessen Inhalt Zur Bestimmung des auf den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbaren Rechts sind letztlich zwei Fragen zu beantworten, zum einen die nach der dogmatischen Einordnung solcher Abreden, zum anderen die nach dem richtigen Verweisungsbefehl. Die Mehrheit der US-amerikanischen Gerichte qualifizieren Prorogationen als prozessrechtliche Verträge und beurteilen ihr Zustandekommen folgerichtig unter Heranziehung ihrer lex fori. Im Gegensatz dazu werden Zuständigkeitsvereinbarungen in England und Deutschland kollisionsrechtlich überwiegend als materiellrechtliche Abreden eingeordnet, über deren Abschluss das Recht des Hauptvertrags bestimmt, welches in der Regel mit dem Recht des prorogierten Forums identisch ist. Im Anwendungsbereich des HGÜ und der EuGVVO ergibt sich der Standard zur Beurteilung des wirksamen Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen primär aus dem Einheitsrecht selbst. Dies bedeutet für die EuGVVO, dass dessen Art. 23 in erster Linie herangezogen werden muss. Soweit er keine Vorgaben enthält, hat das jeweils angerufene Gericht das maßgebliche Abschlussstatut nach seinem Kollisionsrecht zu bestimmen. Insoweit leben also die in Europa zu findenden höchst unterschiedlichen Auffassungen zur dogmatischen Einordnung von Gerichtsstandsvereinbarungen und dem auf ihren Abschluss anwendbaren Recht wieder auf. Einen anderen Weg geht das HGÜ, das in Art. 5 I und Art. 6 lit. a eine vereinheitlichte Kollisionsnorm vorsieht: Über die materielle Wirksamkeit einer Zuständigkeitsabrede haben danach alle Ge-
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richte im Geltungsbereich des Übereinkommens nach dem Recht zu entscheiden, welches aus Sicht des IPR des prorogierten Forums maßgeblich ist. Durch diese Gesamtverweisung wird gewährleistet, dass anders als unter der EuGVVO, der wirksame Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung überall nach demselben rechtlichen Maßstab beurteilt wird. Die jeweiligen Vertragsrechte, nach denen das wirksame Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen beurteilt wird, weisen diverse Unterschiede auf. An dieser Stelle soll lediglich auf einige spezifische Abweichungen beim Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen unter Verwendung von AGB näher eingegangen werden. Zum einen haben die Sonderregeln für AGB eine unterschiedliche Bedeutung: Im deutschen Recht sind für alle Verträge – unabhängig davon, ob im kaufmännischen Verkehr oder außerhalb von diesem geschlossen – spezielle Einbeziehungs- und Inhaltsanforderungen zu beachten. Demgegenüber gelten im englischen Recht zwar für alle Vertragstypen besondere Einbeziehungsvoraussetzungen, eine Inhaltskontrolle ist praktisch jedoch nur bei Vereinbarungen im Verbraucher-Unternehmer-Verhältnis üblich. 215 Letzteres ist auf die EGKlausel-RL zurückzuführen, die für das gesamte Gemeinschaftsgebiet eine Missbrauchskontrolle für AGB-Gerichtsstandsklauseln in Verbraucherverträgen eingeführt hat. In den US-amerikanischen Vertragsrechten existieren grundsätzlich lediglich für Verbraucherverträge besondere Einbeziehungsvoraussetzungen. Inwieweit diese auf andere Verträge zu erstrecken sind, ist unklar. Die US-amerikanischen AGB-Rechte kennen allerdings keine Inhaltskontrolle, so dass Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB grundsätzlich keinen strengeren Anforderungen genügen müssen als individuell ausgehandelte Zuständigkeitsabreden. Allerdings ergibt sich aus dem Carnival-Urteil eine besondere Anforderung an AGB-Gerichtsstandsklauseln: Über den allgemeinen Bremen-Standard hinaus ist zusätzlich erforderlich, dass der AGBVerwender mit der Klausel nicht lediglich den Zweck verfolgt, seinen Vertragspartner von einer gerichtlichen Rechtsdurchsetzung abzuhalten. Eine insbesondere in der Praxis bedeutsame Abweichung zwischen den untersuchten autonomen Rechten betrifft außerdem die Darlegungs- und Beweislast für das wirksame Zustandekommen von Gerichtsstandsklauseln: In den USA wird deren Wirksamkeit – auch wenn diese gegenüber Verbrauchern geltend gemacht werden bzw. in AGB enthalten sind – grundsätzlich vermutet; für den Gegenbeweis gelten hohe Hürden. In England und Deutschland obliegt es dagegen nach den allgemeinen Beweislastver215 Einer einseitigen Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit kann zwar bei der Ausübung des gerichtlichen Ermessens im Rahmen des El Amria-Tests Rechnung getragen werden. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine spezifisch AGB-rechtliche Kontrolle.
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teilungsgrundsätzen der sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung berufenden Partei, das wirksame Zustandekommen der Abrede nachzuweisen. Für den Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO haben sich euroautonome Anforderungen an die wirksame Einbeziehung von AGB-Zuständigkeitsabreden etabliert. Was die Frage der Inhaltskontrolle unter Geltung der EuGVVO anbelangt, ist vieles streitig. Klar ist lediglich, dass dem Art. 23 V EuGVVO insoweit Pro- und Derogationsbeschränkungen entnommen werden können. Streitig ist jedoch, ob diese Regelung abschließend ist und somit eine Inhaltskontrolle nach subsidiär anwendbarem nationalem Recht versperrt. Im Rahmen von Verbraucherverträgen ist dies richtigerweise zu verneinen. Das hat zur Konsequenz, dass mitgliedstaatliche Gerichte im Geltungsbereich von Art. 23 EuGVVO auf nationales Recht zurückgreifen dürfen, um AGB-Zuständigkeitsabreden einer Inhaltskontrolle zu unterziehen. Eine solche Kontrolle kann aber ausschließlich dazu dienen, der strukturellen Unterlegenheit einer Partei in der Vertragsabschlusssituation Rechnung zu tragen. Nicht etwa eröffnet sie den Zugriff auf nationale im Zivilprozessrecht wurzelnde Zulässigkeitsgrenzen von Pro- und Derogationen. Insbesondere darf sich nicht etwa der englische El Amria-Test, wonach die Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen unter den Vorbehalt der prozessualen Angemessenheit des Forums steht, über das Hintertürchen der AGB-Inhaltskontrolle in das Europäische Zivilprozessrecht einschleichen. Vielmehr bedeutet der Rückgriff aufs nationale Recht lediglich, dass die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der EGKlausel-RL zur Anwendung kommen. Dem HGÜ lassen sich weder Einbeziehungs- noch Inhaltsanforderungen für AGB-Gerichtsstandsklauseln entnehmen. Hieraus wird allgemein gefolgert, dass das Übereinkommen diesen Themenkomplex nicht regeln will und insoweit den Rückgriff aufs nationale Recht nicht versperrt. 2. Das auf die Form anwendbare Recht und dessen Anforderungen Die Form von Gerichtsstandsvereinbarungen unterliegt in Deutschland und den USA der lex fori, während in England alternativ die lex loci actus oder das für den Abschlusstatbestand maßgebliche Statut anwendbar ist. Im USamerikanischen und englischen Sachrecht gelten für Zuständigkeitsabreden grundsätzlich keine Formanforderungen. Das deutsche Recht verlangt demgegenüber im nicht-kaufmännischen Rechtsverkehr, dass Pro- und Derogationen schriftlich bzw. mündlich mit schriftlicher Bestätigung abgeschlossen werden. Aus Gründen leichterer Beweisbarkeit ist jedoch in allen drei Ländern schriftlicher Abschluss üblich. Im Anwendungsbereich der EuGVVO enthält Art. 23 umfassende und abschließende Regelungen hinsichtlich der Form von Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Norm lässt nicht nur Schriftlichkeit und Halbschriftlich-
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keit genügen, sondern auch eine den Gepflogenheiten zwischen den Parteien oder internationalen Handelsbräuchen entsprechende Form. Diese detaillierte Regelung versperrt einen Rückgriff auf nationales Recht. Demgegenüber ist der Geltungsanspruch des HGÜ bzgl. der Form nicht abschließend. Zwar regelt Art. 3 lit. c HGÜ, dass die Gerichtsstandsvereinbarung entweder schriftlich geschlossen oder durch ein anderes Kommunikationsmittel ausreichend dokumentiert sein muss. Sind die Anforderungen nicht gewahrt, führt dies jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Zuständigkeitsabrede, sondern lediglich zur Nichtanwendbarkeit des HGÜ. Ein prorogiertes Gericht darf seine Zuständigkeit daher auch auf Vereinbarungen stützen, die den Formerfordernissen des HGÜ nicht genügen. Eine derartige Pflicht ergibt sich allerdings nicht aus dem HGÜ. Demgegenüber sind die Formerfordernisse des HGÜ für die derogierende Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen zwingend. Ein Gericht hat seine Zuständigkeit aufgrund einer Derogation abzulehnen, wenn diese den Formerfordernissen des HGÜ entspricht.
II. Zusammenspiel von autonomen Rechten und Regelungen des Einheitsrechts Ausgehend von den vorangegangenen Erkenntnissen ist nunmehr zu betrachten, wie bei der Beurteilung des wirksamen Abschlusses von Gerichtsstandsvereinbarungen die autonomen Vorschriften und die Regeln der EuGVVO bzw. des HGÜ zusammenspielen. Im Geltungsbereich von Art. 23 I EuGVVO richtet sich die Formwirksamkeit einer Gerichtsstandsabrede ausschließlich nach den verordnungseigenen Regeln, so dass nationale Vorgaben diesbezüglich keine Anwendung finden. Auch das Vorliegen einer Willenseinigung ist in erster Linie nach den verordnungseigenen Maßstäben zu beurteilen. Da die Formanforderungen in Art. 23 I EuGVVO sicherstellen sollen, dass tatsächlich eine Willensübereinstimmung vorliegt, stellt deren Erfüllung ein starkes Indiz für das Vorliegen eines entsprechenden Konsenses dar. Insoweit lässt sich der EuGVVO also ein euroautonomer Standard zur Beurteilung des Abschlusstatbestands entnehmen. Dieser hilft allerdings nur zur Beurteilung der Frage, ob ein entsprechendes Angebot angenommen worden ist. Ebenso lassen sich hieraus Maßstäbe zur Beurteilung der Einbeziehung von AGB-Gerichtsstandsklausel in einen Vertrag gewinnen. Für alle anderen Aspekte des Zustandekommens, wie etwa die Widerruflichkeit eines Angebots, das Vorliegen von Willensmängeln und die Voraussetzungen und Wirkungen wirksamer Stellvertretung trifft die EuGVVO durch ihre Formregelungen hingegen keine Vorgaben, so dass insoweit auf das jeweils anwendbare nationale Recht zurückzugreifen ist. Dieses ist auch maßgeblich für die Frage, ob die Einigung aufgrund von
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Störungen des vertraglichen Gleichgewichts infolge von wirtschaftlicher Überlegenheit einer Seite keinen Bestand haben soll. Dies und die AGBInhaltskontrolle sind daher Domänen nationaler Vorschriften. Im Anwendungsbereich von Art. 23 III EuGVVO, wenn die Zuständigkeitsabrede also zwar zugunsten mitgliedstaatlicher Gerichte lautet, ihre Parteien aber außerhalb der EU wohnhaft sind, beurteilen sich alle Aspekte von Abschluss und Wirksamkeit nicht nach euroautonomen Regeln, sondern ausschließlich nach dem aus Sicht des angerufenen Gerichts jeweils maßgeblichen Recht. Dasselbe gilt auch für eine Prorogation zugunsten drittstaatlicher Gerichte. Im Geltungsbereich des HGÜ spielt das nationale Recht für die Beurteilung des wirksamen Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen eine weitaus größere Rolle. Das Übereinkommen regelt lediglich die Formanforderungen und auch diese – jedenfalls für das prorogierte Gericht – nur als eine zusätzliche Option, ohne dass der Rückgriff aufs nationale Recht verwehrt bleibt. Für andere Fragen des wirksamen Zustandekommens finden sich in Art. 5 I sowie Art. 6 lit. a, b HGÜ Verweisungen auf nationales Recht.
III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme Bei einer Effizienzbetrachtung der Rahmenbedingungen zur Beurteilung des wirksamen Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen fällt zunächst auf, dass bereits die Bestimmung des Abschlussstatuts ökonomisch nachteilig sein kann. Dies gilt namentlich für die Rechtslage in den USA, wo die Mehrheit der Gerichte über das Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung nach ihrer jeweiligen lex fori entscheiden. Ein derartiger kollisionsrechtlicher Ansatz trägt entscheidend zur Schwächung von Gerichtsstandsvereinbarungen bei. Denn er führt dazu, dass das Zustandekommen solcher Abreden an jedem Gerichtsstand nach anderen Maßstäben beurteilt wird, so dass eine geschickte Partei sich gezielt ein Forum aussuchen kann, in dem etwa aufgrund strenger AGB-Vorschriften der Gerichtsstandsvereinbarung die Wirkung abgesprochen wird. Vorteilhaft erscheint demgegenüber die im englischen und deutschen Kollisionsrecht zu findende Herangehensweise, nach der grundsätzlich das auf den Hauptvertrag anwendbare Recht auch für den Abschluss der Zuständigkeitsabrede maßgeblich ist. Zum einen erleichtert dies die Rechtsanwendung, weil sämtliche Bestimmungen eines einheitlichen Vertrags ein und demselben Recht unterworfen sind. Zum anderen trägt es dazu bei, dass das prorogierte Gericht das wirksame Zustandekommen der Zuständigkeitsabrede nach dem in seinem Forum geltenden und ihm daher vertrauten Recht beurteilen kann. Denn in aller Regel gestalten Parteien ihre Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln so aus, dass das Vertragsstatut
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demselben Land entstammt, in dem auch das designierte Gericht seinen Sitz hat. Diese beiden Gesichtspunkte führen zu dem ökonomisch wünschenswerten Effekt, dass das prorogierte Gerichte schnell und kostengünstig über seine Zuständigkeit entscheiden kann. Die englische und deutsche Herangehensweise entspricht jedoch keinesfalls einem europaweiten Usus. Vielmehr finden sich in den Mitgliedstaaten höchst unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung des auf den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung anwendbaren Rechts. So folgen etwa griechische und irische Gerichte dem aus den USA bekannten lex fori-Ansatz. Derartigen Unterschieden in den Einzelrechten trägt die EuGVVO bedauerlicherweise nicht Rechnung. Die Voraussetzungen des wirksamen Zustandekommens einer Gerichtsstandsvereinbarung regelt sie nur äußerst lückenhaft, so dass man für viele Aspekte auf nationales Recht zurückgreifen muss. Wie dieses zu bestimmen ist, lässt die EuGVVO jedoch offen, was zu einer ökonomisch nachteiligen Situation führt: Jedes Gericht hat das Abschlussstatut nach seinem IPR zu ermitteln, das auf das Zustandekommen anwendbare Recht hängt somit entscheidend davon ab, vor welchem Gericht sich die Frage des wirksamen Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung stellt. Somit ist das Risiko groß, dass eine Abrede, die in einem Staat wirksam ist, in einem anderen nicht anerkannt werden wird. Derartige „hinkende Gerichtsstandsvereinbarungen“ laufen dem Sinn und Zweck von Zuständigkeitsabreden, die Rechts- und Planungssicherheit für zukünftige Streitigkeiten zu erhöhen, zuwider. Dieses Problem wird zusätzlich dadurch verschärft, dass für viele Aspekte des wirksamen Abschlusses unklar ist, ob sie europarechtlich geregelt sind oder dem nationalen Recht überlassen bleiben. Zu denken ist etwa an die umstrittene Frage, ob und unter welchen Umständen Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO einer Inhalts- bzw. Missbrauchskontrolle nach nationalen Billigkeitsmaßstäben unterzogen werden können. Aus Effizienzgesichtspunkten sind demgegenüber die Regelungen des HGÜ überlegen. Zum einen stellen sie eindeutig klar, welche Aspekte des wirksamen Abschlusses von Gerichtsstandsvereinbarungen einheitsrechtlich geregelt sind, so dass über die Rolle des nationalen Rechts keine Unsicherheit herrscht: Die Formerfordernisse sind grundsätzlich dem HGÜ zu entnehmen, alle sonstigen Voraussetzungen des wirksamen Abschlusses einer Zuständigkeitsabrede werden dagegen dem nationalen Recht überlassen. Zum anderen schafft das Übereinkommen eine einheitliche Kollisionsregel unter Verwendung einer Gesamtverweisung, die sicherstellt, dass alle im HGÜ nicht geregelten Aspekte in jedem Forum nach demselben Recht beurteilt werden.
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IV. Reformvorschlag für die EuGVVO Vor dem Hintergrund der soeben geschilderten Problematik „hinkender Gerichtsstandsvereinbarungen“ wird hier die Einführung einer europaweit einheitlichen Kollisionsregel für die Beurteilung des wirksamen Zustandekommens von Zuständigkeitsabreden befürwortet. Auch die EU-Kommission unterstützt diesen bereits im Schrifttum216 diskutierten Vorschlag: In Anlehnung an Art. 5 I und 6 lit. a HGÜ solle jedes mitgliedstaatliche Gericht die von Art. 23 EuGVVO nicht geregelten Aspekte des wirksamen Abschlusses nach den Vorschriften beurteilen, welche das prorogierte Gericht herangezogen hätte.217 Eine derartige Veränderung gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage brächte nicht nur den Vorteil, dass Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ und der EuGVVO nach denselben kollisionsrechtlichen Grundsätzen behandelt würden. Sie gewährleistete außerdem, dass jede Zuständigkeitsabrede hinsichtlich ihres wirksamen Abschlusses vor allen europäischen Gerichten nach denselben Rechtsnormen beurteilt würde. Überzeugender erscheint es jedoch, die europaweit einheitliche Kollisionsregel nicht als Gesamtverweisung auszugestalten. Da in vielen Rechtsordnungen nicht eindeutig geregelt ist, welches Recht für den wirksamen Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen maßgeblich ist, müsste das angerufene Gericht unter Umständen bereits zur Bestimmung des anwendbaren Statuts Rechtsgutachten einholen. Die Ermittlung des maßgeblichen Sachrechts wäre somit zeit- und kostenaufwendig. Die zu schaffende Kollisionsnorm sollte sich daher einfacher, für das Gericht leicht feststellbarer Anknüpfungspunkte bedienen. Überzeugend ist insoweit der Vorschlag von Heinze, der eine Anknüpfungsleiter vorschlägt, nach der in erster Linie das für die Gerichtsstandsvereinbarung gewählte, hilfsweise das auf den Hauptvertrag anwendbare, und höchst hilfsweise – für den Fall einer isolierten Gerichtsstandsabrede – das im designierten Forum geltende Recht maßgeblich ist. 218 Die Ausgestaltung dieser Kollisionsnorm wird darüber hinaus den legitimen Interessen der Parteien gerecht: Zum einen überlässt sie ihnen die Freiheit, ausdrücklich die Frage des anwendbaren Rechts zu steuern. Zum anderen trägt sie der üblichen Erwartung Rechnung, dass die Gerichtsstandsvereinbarung zusammen mit den anderen Klauseln des Hauptvertrags einem einheitlichen Statut unterliegt bzw. das Recht des prorogierten Forums subsidiär herangezogen wird.
216
Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (559). EU-Kommission, Vorschlag – EuGVVO, 14.12.2010, S. 9 f., 35. 218 Heinze, Choice of Court Agreements, S. 6 f. 217
§ 5 Ausschließlichkeit und Reichweite von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen Ob die Verfahrenseinleitung in einem Forum im Widerspruch zu einer Gerichtsstandsabrede steht, hängt davon ab, wie weit die Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts reicht. Es geht dabei zum einen um die Frage, ob dieses Gericht ausschließlich zuständig ist, zum anderen darum, welche Streitigkeiten in persönlicher und sachlicher Hinsicht von der Prorogation erfasst sind. Nachfolgend ist die Behandlung dieser Aspekte im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht (A.) sowie im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ (B.) zu untersuchen. Die maßgeblichen Regeln sind anschließend unter Effizienzgesichtspunkten zu betrachten, um aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen einen Vorschlag zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO zu machen (C.).
A. Bestimmung der Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten Über Ausschließlichkeit und Reichweite einer Gerichtsstandsvereinbarung ist durch Auslegung der Abrede zu entscheiden. Hierfür ist zunächst das Auslegungsstatut festzulegen (I.). Sodann werden die autonomen Interpretationsgrundsätze zu beleuchten sein (II.). Abschließend soll kurz die Frage der persönlichen Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen behandelt werden (III.).
I. Die Festlegung des Auslegungsstatuts in den autonomen Rechten Die Interpretation von Gerichtsstandsvereinbarungen unterliegt im englischen Kollisionsrecht grundsätzlich dem Prorogationsstatut. 1 Berufen
1 Court of Appeal, 20.12.1972 – Evans Marshall & Co. Ltd. v. Bertola S.A., [1973] 1 Lloyd’s Rep. 453, 461 f.; Court of Appeal, 30.07.1980 – The Lisboa, [1980] 2 Lloyd’s Rep. 546, 548–550; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (183); Kahn-Freund, ICLQ 26 (1977), S. 825 (828 f.); Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.090, 12.092; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.40; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 289.
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sich die Parteien jedoch nicht auf die Geltung ausländischen Rechts, kommt englisches Recht by default zur Anwendung.2 Im deutschen Schrifttum wird ebenfalls die Auslegung nach dem auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbaren materiellen Recht befürwortet. 3 In der Praxis ziehen die Gerichte jedoch auch bei ausländischem Prorogationsstatut die Auslegungsgrundsätze der lex fori heran – wohl aus dem Bestreben, die internationale Zuständigkeit schnell und einfach festzustellen.4 Über das für die Interpretation internationaler Prorogationen maßgebliche Recht herrscht in den USA Uneinigkeit. Ein Teil der Rechtsprechung wendet – meist ohne Begründung – die lex fori an, d.h. die im federal oder state case law entwickelten Auslegungsgrundsätze.5 In Entscheidungen aus der jüngeren Zeit legen US-amerikanische Gerichte Prorogationen dagegen nach dem Recht des Hauptvertrags aus.6 2 High Court, 04.04.1984 – The Iran Vojdan, [1983] 2 Lloyd’s Rep. 380; High Court, 07.03.1986 – The Frank Pais, [1986] 1 Lloyd’s Rep. 529; Bell, Forum Shopping, 2003, Rn. 5.56. 3 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 519; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3137. 4 OLG München, 08.08.1984 – 7 U 1880/84, IPRax 1095, S. 341; BGH, 20.01.1986 – II ZR 56/85, NJW 1986, S. 1438 (1439); OLG München, 25.02.1988 – 29 U 2759/86, IPRax 1989, S. 42 (43); OLG Bamberg, 22.09.1988 – 1 U 302/87, NJW-RR 1989, S. 371; BGH, 18.03.1997 – XI ZR 34/96, NJW 1997, S. 2885 (2886). Der Heranziehung der lex fori-Auslegungsmaßstäbe zustimmend Weyland, in: GS Arens, 1993, S. 417 (418 f.); i.E. ebenso Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 519. Für ein Beispiel der Interpretation unter Anwendung des (deutschen) Prorogationsstatuts s. BGH, 21.11.1996 – IX ZR 264/95, NJW 1997, S. 397 (399). 5 US Court of Appeals (9th Cir.), 28.09.1988 – Manetti-Farrow, Inc. v. Gucci Parfums S.p.A., 858 F.2d 509, 513 f.: Prorogation italienischer Gerichte; US Court of Appeals (2nd Cir.), 15.04.1994 – John Boutari, S.A. v. Attiki Importers Inc., 22 F.3d 51, 52 f.: Prorogation griechischer Gerichte und Rechtswahlklausel zugunsten griechischen Rechts; US Court of Appeals (6th Cir.), 21.07.1994 – General Electric Co. v. Siempelkamp GmbH & Co., 29 F.3d 1095, 1099: Prorogation deutscher Gerichte und Rechtswahlklausel zugunsten deutschen Rechts; US District Court (N.D. Illinois), 14.11.1994 – Frediani & Delgreco, S.p.A. v. Gina Imports, Ltd., 870 F.Supp. 217: Prorogation italienischer Gerichte; US Court of Appeals (10th Cir.), 23.12.2002 – K & V Scientific Co., Inc. v. BMW AG, 314 F.3d 494, 498–500: Prorogation deutscher Gerichte; US District Court (S.D. Florida), 28.07.2004 – Pelican Ventures LLC v. Azimut S.p.A., 2004 U.S. Dist. LEXIS 26764, 29: Prorogation italienischer Gerichte; US District Court (S.D. New York), 28.03.2006 – Korean Press Agency, Inc. v. Yonhap News Agency, 421 F.Supp.2d 775, 779: Prorogation koreanischer Gerichte; US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378, 386: Prorogation englischer Gerichte und Rechtswahl zugunsten englischen Rechts. 6 US District Court (C.D. Illinois), 17.09.1979 – Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F.Supp.1205, 1207: Anwendung des gewählten deutschen Rechts; Connecticut Superior Court, 09.09.1999 – IDV North America, Inc. v. Illva Saronno, S.p.A., 1999 Conn. Super.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
II. Auslegungsgrundsätze in den autonomen Rechten Im Folgenden sind die Grundsätze zu erörtern, die im deutschen, englischen und US-amerikanischen Recht für die Bestimmung von Ausschließlichkeit (1.), sachlicher (2.) und persönlicher (3.) Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen gelten. 1. Bestimmung der Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen Eine Gerichtsstandsabrede ist – wie bereits oben dargestellt7 – nur dann als ausschließlich anzusehen, wenn in ihr der Wille der Parteien zum Ausdruck kommt, dass das designierte Gericht unter Ausschluss aller anderen Gerichte international zuständig sein soll, die Vereinbarung somit neben der prorogierenden auch eine derogierende Wirkung hat. a) Bestimmung der Ausschließlichkeit im englischen Recht Die ausdrückliche Verwendung des Wortes „exclusive“ ist im englischen Recht nicht erforderlich, damit die Abrede als ausschließlich eingeordnet werden kann.8 Ein starkes Indiz für das Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung sind transitive Formulierungen, wie etwa „all the parties interested expressly agree to submit to the jurisdiction of the Courts of Budapest“.9 Dies lasse eindeutig den Willen der Parteien erkennen, ihre Streitigkeiten einer Gerichtsbarkeit zu unterstellen. Bei intransitiver Wortwahl, wie beispielsweise „[t]his insurance is subject to English LEXIS 2540, 35–38: Anwendung des gewählten italienischen Rechts; US Court of Appeals (10th Cir.), 20.09.2006 – Orhan Yavuz v. 61MM, Ltd., 465 F.3d 418, 427–431: Anwendbarkeit des für den Hauptvertrag maßgeblichen Schweizer Rechts; US Court of Appeals (7th Cir.), 02.02.2007 – Abbott Laboratories v. Takeda Pharmaceuticals Co., Ltd., 476 F.3d 421, 423: Anwendung des gewählten Illinois-Rechts; US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378, 384–386: Anwendbarkeit des gewählten englischen Rechts. 7 S. oben § 1 C. 8 Court of Appeal, 14.07.1988 – Sohio Supply Co. v. Gatoil (USA) Inc., [1989] 1 Lloyd’s Rep. 588, 591 f.; High Court, 27.11.1989 – S. & W. Berisford Plc. v. New Hampshire Insurance Co., [1990] 1 Lloyd’s Rep. 454, 458; High Court, 10.12.1992 – British Aerospace Plc. v. Dee Howard Co., [1993] 1 Lloyd’s Rep. 368, 373; Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588, 593 f.; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (183); Collins/Morse/ McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.092. 9 Court of Appeal, 19.01.1903 – Austrian Lloyd Steamship Co. v. Gresham Life Assurance Society Ltd., [1903] 1 KB 249. Vgl. auch Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588, 593 f.: „Each of the borrowers […] hereby irrevocably submits to the jurisdiction of the English courts.“; High Court, 20.01.2006 – Axa Re v. Ace Global Markets Ltd., [2006] EWHC 216 (Comm), paras. 29 f.
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jurisdiction“10 oder „[e]ach Party consents to the jurisdiction of the Courts of England“ 11 , beziehe sich die Unterwerfung dagegen auf die Parteien selbst und begründe lediglich eine Verpflichtung des im prorogierten Forum Beklagten, keine Einwände gegen die jurisdiction des Gerichts zu erheben. Ein weiterer Indikator für die Ausschließlichkeit der Wahl des Gerichtsstands ist deren Gleichlauf mit einer getroffenen Rechtswahl.12 Außerdem gilt: Wäre das prorogierte Gericht auch ohne die Vereinbarung international zuständig, kann hieraus auf die Ausschließlichkeit der Prorogation geschlossen werden.13 In Zweifelsfällen ist eine Tendenz der Rechtsprechung zur Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen als ausschließlich festzustellen.14 b) Bestimmung der Ausschließlichkeit im US-amerikanischen Recht Die Entscheidung darüber, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlicher oder lediglich fakultativer Natur ist, machen viele US-Gerichte von einer streng grammatikalischen Auslegung abhängig. 15 Enthält die Abrede nur eine Bestimmung darüber, welche Gerichte jurisdiction haben sollen, wird sie in der Regel als nicht ausschließlich angesehen.16 Eine solche Formulierung deute lediglich auf die Wahl einer Gerichtszuständigkeit hin,
10 High Court, 27.11.1989 – S. & W. Berisford Plc. v. New Hampshire Insurance Co., [1990] 1 Lloyd’s Rep. 454. Die Abgrenzung zwischen transitiver und intransitiver Formulierung ist allerdings in der Praxis nicht immer rechtssicher möglich: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.12 (S. 92); Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 136. 11 Court of Appeal, 14.11.2002 – Sabah Shipyard (Pakistan) Ltd. v. Islamic Republic of Pakistan, [2002] EWCA Civ 1643; Fawcett, LMCLQ 2001, S. 234 (238). 12 High Court, 10.12.1992 – British Aerospace Plc. v. Dee Howard Co., [1993] 1 Lloyd’s Rep. 368, 375 (Waller J). 13 High Court, 10.12.1992 – British Aerospace Plc. v. Dee Howard Co., [1993] 1 Lloyd’s Rep. 368, 374 (Waller J); Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 134–138 m.w.N. 14 Bell, Forum Shopping, 2003, Rn. 5.59; Fawcett, LMCLQ 2001, S. 234 (240 f.). 15 Webb Yackee, Duke L.J. 53 (2003), S. 1179 (61). 16 US Court of Appeals (11th Cir.), 21.05.1985 – Citro Florida Inc. v. Citrovale S.A., 760 F.2d 1231, 1231 f.: „Place of jurisdiction is Sao Paulo/Brazil.“; US Court of Appeals (2nd Cir.), 15.04.1994 – John Boutari, S.A. v. Attiki Importers Inc., 22 F.3d 51, 52 f.: „Any dispute arising between the parties hereunder shall come within the jurisdiction of the competent Greek Courts, specifically of the Thessaloniki Courts.“; US District Court (N.D. Illinois), 04.08.1999 – Hull 753 Corp. v. Elbe Flugzeugwerke GmbH, 58 F.Supp.2d 925, 927 f.: „Place of jurisdiction shall be Dresden.“; US Court of Appeals (10th Cir.), 23.12.2002 – K & V Scientific Co., Inc. v. BMW AG, 314 F.3d 494, 500 f.: „Jurisdiction for all and any disputes arising out of or in connection with this agreement is Munich.“
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
bedinge jedoch nicht automatisch auch deren Ausschließlichkeit. 17 Etwas anderes gilt dann, wenn die Prorogation ausdrücklich vorsieht, dass das vereinbarte Forum exclusive jurisdiction haben soll. 18 Auf die Ausschließlichkeit der Prorogation kann auch geschlossen werden, wenn die Parteien ausdrücklich eine venue des Gerichtsverfahrens, also einen konkreten Gerichtsort festgelegt haben. 19 An die formalistische Unterscheidung zwischen jurisdiction und venue halten sich jedoch nicht alle Gerichte.20 Ein Indiz für die Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung bieten verbindliche Formulierungen, wie etwa „are to be“21 oder „shall be“22, 17
US District Court (N.D. Illinois), 04.08.1999 – Hull 753 Corp. v. Elbe Flugzeugwerke GmbH, 58 F.Supp.2d 925, 927; US Court of Appeals (2nd Cir.), 15.04.1994 – John Boutari, S.A. v. Attiki Importers Inc., 22 F.3d 51, 53. 18 US District Court (D. Puerto Rico), 13.03.1993 – Caribe BMW, Inc. v. BMW AG, 821 F.Supp. 802, 819: „…the exclusive jurisdiction for disputes [...] is Munich, Federal Republic of Germany.“; US District Court (D. Utah), 12.09.2005 – Hugger-Mugger, L.L.C. v. Netsuite, Inc., 2005 U.S. Dist. LEXIS 33003, 22 f.: „…the personal and exclusive jurisdiction of the courts located within the county of Santa Clara, California.“; US Court of Appeals (5th Cir.), 28.12.2006 – Argyll Equities LLC v. Paolino, 211 Fed. Appx. 317, 318: „…the exclusive jurisdiction of the courts sitting in Kendall County, Texas, United States of America.“ 19 US Court of Appeals (9th Cir.), 22.05.1989 – Docksider Ltd. v. Sea Technology, Ltd., 875 F.2d 762, 764: „Venue of any action brought hereunder shall be deemed to be in Gloucester County, Virginia.“; US District Court (D. New Mexico), 31.08.2005 – Knight Oil Tools, Inc. v. Unit Petroleum Co., 2005 U.S. Dist. LEXIS 21929, 19: „…venue for any action involving this Contract shall be in the appropriate state or federal court located Tulsa County, Oklahoma.“ Das Wort „venue” ist nicht erforderlich, wenn der Gerichtsort für die Austragung des Rechtsstreits eindeutig bestimmt ist: US District Court (N.D. Illinois), 14.11.1994 – Frediani & Delgreco, S.p.A. v. Gina Imports, Ltd., 870 F.Supp. 217, 220 f. („the only competent forum will be Lucca“); US District Court (N.D. Illinois), 31.07.2003 – Apotex Corp. v. Istituto Biologico Chemioterapico S.p.a., 2003 U.S. Dist. LEXIS 13303, 19 f. („the competent forum is Torino (Italy).“); US District Court (E.D. New York), 14.10.2005 – Hongkong and Shanghai Banking Corporation Ltd. v. Suveyke, 392 F.Supp.2d 489, 492 („Any lawsuit […] shall be instituted with the competent courts of Makati, Metro Manila, Philippines.“). 20 Vgl. etwa US District Court (S.D. Florida), 28.07.2004 – Pelican Ventures LLC v. Azimut S.p.A., 2004 U.S. Dist. LEXIS 26764, 14 f.: „…the place of jurisdiction shall be the Turin Courts“ – ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung. 21 US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378, 386 f.: „[t]he validity, construction, and effect of this agreement and any or all modifications hereof shall be governed by English Law and any legal proceedings that may arise out of it are to be brought in England.“ 22 Illinois Appelate Court, 04.06.1999 – Yamada Corp. v. Yasuda Fire and Marine Insurance Company, Ltd., 305 Ill. App. 3d 362, 367: ”disputes […] shall be subject to Japanese law and forum.“; US Court of Appeals (6th Cir.), 21.07.1994 – General Electric Co. v. Siempelkamp GmbH & Co., 29 F.3d 1095, 1099: ”Place of jurisdiction […] shall be at the principal place of business of the supplier.“; US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 14.02.1989 – Commerce Consultants International, Inc. v. Vetrerie Ruinite, S.p.A.,
§ 5: Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsabreden
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anstatt „may be“23. Aus einer Rechtswahl wird dagegen nicht auf die Ausschließlichkeit der Abrede geschlossen.24 Nicht eindeutige Gerichtsstandsvereinbarungen legen manche Gerichte contra proferentem, d.h. gegen den Verwender aus.25 Das hat in vielen Fällen die Verneinung der Ausschließlichkeit zur Folge, obwohl diese Auslegungsregel auch zu dem gegenteiligen Ergebnis führen kann.26 Im Übrigen ist nicht eindeutig festzustellen, ob Gerichte in Zweifelsfällen von einer fakultativen oder einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ausgehen.27 c) Bestimmung der Ausschließlichkeit im deutschen Recht Für die Abgrenzung zwischen ausschließlichen und fakultativen Gerichtsstandsvereinbarungen ist in erster Linie der Wortlaut der Abrede maßgeblich: Sollen danach die Gerichte des gewählten Staates „für alle Streitfälle“ oder „allein“ zuständig sein, ist von einer Ausschließlichkeit auszugehen. 28 Als ausschließlich ist ebenfalls eine Vereinbarung anzusehen, 867 F.2d 697, 698: „The validity, enforceability and interpretation of this agreement shall be determined and governed by the appropriate court of Verona, Italy.“ Vgl. auch New York Supreme Court Appelate Divison, 29.04.1997 – Micro Balanced Products Corp. v. Hlavin Industries Ltd., 238 A.D.2d 284, 285; US District Court (N.D. Illinois), 22.03.2010 – Ehrenpreis v. Google, 2010 U.S. Dist. LEXIS 29167, 9. Beide Entscheidungen betreffen inneramerikanische Fälle. 23 US Court of Appeals (2nd Cir.), 30.04.1993 – Blanco v. Banco Industrial de Venezuela, S.A., 997 F.2d 974, 979: „any legal action or proceedings […] may be brought in the High Court of Justice in England“. 24 US Court of Appeals (10th Cir.), 23.12.2002 – K & V Scientific Co., Inc. v. BMW AG, 314 F.3d 494, 501; US Court of Appeals (10th Cir.), 10.09.2003 – King v. PA Consulting Group, Inc., 2003 U.S. App. LEXIS 18783, 8. 25 US Court of Appeals (11th Cir.), 21.05.1985 – Citro Florida Inc. v. Citrovale S.A., 760 F.2d 1231, 1232; US Court of Appeals (10th Cir.), 23.12.2002 – K & V Scientific Co., Inc. v. BMW AG, 314 F.3d 494, 500; US District Court (S.D. Florida), 28.07.2004 – Pelican Ventures LLC v. Azimut S.p.A., 2004 U.S. Dist. LEXIS 26764, 6; US District Court (E.D. New York), 14.10.2005 – Hongkong and Shanghai Banking Corporation Ltd. v. Suveyke, 392 F.Supp.2d 489, 491. 26 Borchers, Wash. L. Rev. 67 (1992), S. 55 (82); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 211. 27 Ein Teil der Literatur ist der Ansicht, die Rechtsprechung gehe in Zweifelsfällen von der Nichtausschließlichkeit aus: Webb Yackee, Duke L.J. 53 (2003), S. 1179 (1194 f.); Teitz, in: Nuyts/Watté (Hrsg.), Litigation, 2005, S. 285 (288); Fawcett, LMCLQ 2001, S. 234 (240 Fn. 48). Andere Autoren wollen dagegen in der Rechtsprechung die Tendenz erkennen, nicht eindeutige Gerichtsstandsvereinbarungen als ausschließlich auszulegen: Borchers, Wash. L. Rev. 67 (1992), S. 55 (82); Scoles/Hay/ Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 479 f. 28 OLG Saarbrücken, 21.09.1988 – 5 U 8/88, NJW-RR 1989, 828 (372); OLG Koblenz, 08.02.1996 – 5 U 999/95, NJW-RR 1997, S. 638; Teilweise a.A. Weyland, in: GS Arens, 1993, S. 417 (420): Formulierungen, die nur zum Ausdruck bringen, dass der
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
nach der ein Gericht zuständig sein soll, welches auch ohne Parteiabrede international zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen wäre.29 Auch die gleichzeitige Wahl des Rechts des prorogierten Forums kann für die Ausschließlichkeit sprechen.30 Die Tatsache, dass die Gerichte in einem neutralen Drittstaat für zuständig bestimmt wurden, kann ebenfalls als Indiz für die Ausschließlichkeit der Vereinbarung gewertet werden.31 Falls zugunsten eines Forums prorogiert wurde, dessen Urteile in Deutschland nicht anerkennungsfähig wären, kann dies – zum Schutz der Beteiligten – für die Annahme einer nur fakultativen Vereinbarung sprechen mit der Folge, dass eine Klage in Deutschland weiterhin möglich wäre. 32 In Zweifelsfällen besteht eine Vermutung weder für noch gegen die Ausschließlichkeit.33 2. Bestimmung der sachlichen Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen Bei der Bestimmung der sachlichen Reichweite von Gerichtsstandsabreden spielen in der Praxis insbesondere zwei Fragen eine wichtige Rolle: Bedeutsam ist zum einen, ob die Zuständigkeitsabrede neben Ansprüchen aus dem Hauptvertrag auch solche deliktischer Natur erfasst (a.), zum anderen, ob sie sich auch auf einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen erstreckt (b.).
sachliche Anwendungsbereich der Gerichtsstandsvereinbarung unbeschränkt ist, besagten nicht automatisch, dass für Klagen aus diesem Bereich ausschließlich das designierte Gericht zuständig sein soll. 29 Weyland, in: GS Arens, 1993, S. 417 (420); Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 27. Aufl. 2010, Teil Vertragsrecht - 13), Rn. 24. 30 BGH, 08.02.1968 – II ZR 82/67, WM 1968, S. 369 (370); OLG München, 31.03.1987 – 6 W 788/87, NJW 1987, S. 2166; OLG Düsseldorf, 14.12.1989 – 10 U 93/89, RIW 1990, S. 220. A.A. OLG Hamburg, 04.02.1982 – 3 U 136/81, RIW 1983, S. 124 (127); Weyland, in: GS Arens, 1993, S. 417 (421–423): Ob aus einer getroffenen Rechtswahl auf die Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen werden kann, könne nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände beurteilt werden. 31 Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3187. 32 OLG Hamburg, 04.02.1982 – 3 U 136/81, RIW 1983, S. 124; BGH, 08.02.1968 – II ZR 82/67, WM 1968, S. 369, 370. 33 BGH, 05.07.1972 – VIII ZR 118/71, NJW 1972, S. 1671; OLG Bamberg, 22.09.1988 – 1 U 302/87, NJW-RR 1989, S. 371 (372); OLG München, 31.03.1987 – 6 W 788/87, NJW 1987, S. 2166; Weyland, in: GS Arens, 1993, S. 417 (419). Teile der Literatur befürworten dagegen eine Vermutung in Zweifelsfällen: Für eine Vermutung der Ausschließlichkeit Wirth, NJW 1978, S. 460 (463), für eine Vermutung der Nichtausschließlichkeit Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 521 und Pfeiffer, IPRax 1997, S. 17 (21).
§ 5: Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsabreden
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a) Gerichtsstandsvereinbarungen und deliktische Ansprüche In allen hier untersuchten Rechtsordnungen versucht man dem Interesse von Parteien im internationalen Rechtsverkehr, Streitigkeiten nicht stückchenweise und vor verschiedenen Fora ausfechten zu müssen, durch eine großzügige Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs von Gerichtsstandsvereinbarungen Rechnung zu tragen.34 Zu einer weiten Interpretation tendieren Richter in England und den USA insbesondere bei Abreden, nach denen das prorogierte Gericht für Streitigkeiten „arising out of (or in connection to) the contract“, „in relation to the contract or concerning the contract“ zuständig sein soll, während Formulierungen wie etwa „disputes arising under the contract“ oder „in respect of the contract“ grundsätzlich auf eine engere sachliche Reichweite hindeuten.35 Eine internationale Gerichtsstandsvereinbarung umfasst in der Regel nicht nur Ansprüche aus dem Vertrag, dessen Teil sie ist, sondern auch konkurrierende Ansprüche, etwa aus Delikt.36 34 England: Man spricht von einer Vermutung zugunsten von one-stop adjudication. Vgl. Court of Appeal, 25.03.1976 – The Makefjell, [1976] 2 Lloyd’s Rep. 29, 33; Privy Council, 21.03.1994 – The Pioneer Container, [1994] 2 AC 324; Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588, 593; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.48; Briggs, Agreements, 2008, Rn. 4.36–4.49; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.094; Bell, Forum Shopping, 2003, Rn. 5.65. Der Gedanke der one-stop adjudication wurde zunächst bei der Auslegung von Schiedsvereinbarungen herangezogen, vgl. Court of Appeal, 28.12.1993 – Harbour Assurance Co. (UK) Ltd. v. Kansa General International Insurance Co. Ltd., [1993] 1 Lloyd’s Rep. 455. USA: US Court of Appeals (3rd Cir.), 29.09.1988 – Crescent International, Inc. v. Avatar Communities, Inc., 857 F.2d 943, 944 f.; US District Court (D. Puerto Rico), 13.03.1993 – Caribe BMW, Inc. v. BMW AG, 821 F.Supp. 802, 819; Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 490. Deutschland: Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1719. 35 England: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.49–4.56. USA: Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 518 f. 36 England: Court of Appeal, 25.03.1976 – The Makefjell, [1976] 2 Lloyd’s Rep. 29; Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588, 593; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.41; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.094; Bell, Forum Shopping, 2003, Rn. 5.62–5.65. Zu der Auslegung der sachlichen Reichweite verschiedener Standardformulierungen in Gerichtsstandsvereinbarungen vgl. Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.49–5.56. USA: Webb Yackee, UCLA J. Int’l L. & For. Aff. 9 (2004), S. 43 (62); Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 518; US Court of Appeals (3rd Cir.), 14.02.1983 – Coastal Steel Corp. v. Tilghman Wheelabrator Ltd., 709 F.2d 190, 203; US Court of Appeals (7th Cir.), 08.07.1993 – Hugel v. The Corporation of Lloyd’s, 999 F.2d 206, 209; US Court of Appeals, 11.07.1997 – Terra International, Inc. v. Mississippi Chemical Corp., 119 F.3d 688, 695; US Court of Appeals (5th Cir.), 04.07.2002 – Francisco v. Stolt Achievement MT, 293 F.2d 270, 278; US District Court, 31.08.2005 (D. New Mexico) – Knight Oil Tools, Inc. v.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
b) Gerichtsstandsvereinbarungen und einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen In den hier untersuchten Rechtssystemen herrscht Einigkeit darüber, dass sich die prorogierende Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Zweifel nicht nur auf den Hauptsacheprozess beschränkt, sondern auch für den einstweiligen Rechtsschutz gilt.37 Unterschiedlich beurteilt wird dagegen, ob eine ausschließliche Zuständigkeitsabrede derogierende Wirkung in der Form entfaltet, dass es den Parteien verwehrt ist, einstweiligen Rechtsschutz in einem anderen als dem designierten Forum zu erlangen. In England hindert etwa eine ausschließliche Prorogation zugunsten eines ausländischen Forums nicht den Erlass einstweiliger Maßnahmen durch die inländischen Gerichte: Angesichts der Gefahr, dass sich am gewählten Gerichtsstand – etwa weil ein neutrales Forum vereinbart wurde – keine Vermögensgegenstände des Beklagten befinden, sowie der großen Bedeutung vorläufiger Maßnahmen für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes könne nicht angenommen werden, dass die Parteien auf die Anrufung der englischen Gerichte für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verzichten wollten.38 Die Rechtslage in den USA ist unklar: Manchen Gerichten und Teilen des Schrifttums zufolge hindert die ausschließliche Prorogation nicht daran, in einem anderen als dem vereinbarten Forum einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.39 Andere Gerichte weisen demgegenüber Anträge auf Erlass vorläufiger Rechtsschutzmaßnahmen unter Hinweis darauf ab, dass sie wegen der Prorogation auswärtiger Gerichte auch in der Hauptsache unzuständig wären.40 Auch in Deutschland wird die Frage nicht einheitlich beurteilt. Die für Arreste und einstweilige Verfügungen vorgesehenen Gerichtsstände bei Unit Petroleum Co., 2005 U.S. Dist. LEXIS 21929, 37. Deutschland: OGHBrZ Köln, 11.03.1950 – I AR 8/50, NJW 1950, S. 385; OLG Hamburg, 25.05.1978 – 6 U 181/77, RIW 1979, S. 495; OLG München, 08.03.1989 – 15 U 5989/88, RIW 1989, S. 901; OLG Stuttgart, 09.11.1990 – 2 U 16/90, EuZW 1991, S. 125 (126); Hausmann, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3152; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1719; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 62a. 37 Deutschland: Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1755a. England: Briggs, Agreements, 2008, Rn. 5.28. USA: Bermann, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 553 (593 f.). 38 Court of Appeal, 30.07.1980 – The Lisboa, [1980] 2 Lloyd’s Rep. 546, 548–550; Hill, International Disputes, 1994, Rn. 21.3.1.3.3. 39 US Court of Appeals (9th Cir.), 30.06.1982 – Polar Shipping Ltd. v. Oriental Shipping Corp., 680 F.2d 627, 633; Bermann, Colum. J. Transnat. L. 35 (1997), S. 553 (593–596); Born, Agreements, 2. Aufl. 2006, S. 33 f. 40 Vgl. etwa US District Court (S.D. New York), 04.03.1976 – Sanko Steamship Co. v. Newfoundland Refining Co., Ltd., 411 F.Supp. 285, 286.
§ 5: Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsabreden
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dem Gericht der Hauptsache (§§ 919 Alt. 1, 937 I ZPO) oder am Ort der Belegenheit des Vollstreckungsgegenstands (§§ 919 Alt. 2, 942 I ZPO) sind gem. § 802 ZPO ausschließlich und somit dem Parteiwillen entzogen gem. § 40 II ZPO. § 802 ZPO soll nach einer Literaturauffassung auch für die internationale Zuständigkeit gelten. Das hätte zur Folge, dass deutsche Gerichte zur Entscheidung über einen vorläufigen Rechtsschutzantrag trotz ausschließlicher Prorogation eines ausländischen Forums berufen wären, wenn im Inland ein Vollstreckungsgegenstand belegen ist. 41 Ist dies der Fall, wären deutsche Gerichte somit unabhängig von der Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung für den Erlass von Eilmaßnahmen zuständig. Überzeugender erscheint dagegen die Ansicht, wonach § 802 ZPO die internationale Zuständigkeit für Eilverfahren nicht erfasst, also nicht doppelfunktional ist.42 Zum einen handelt es sich bei dem Erlass einstweiliger Maßnahmen nicht um Zwangsvollstreckung, sondern um ein beschränktes Erkenntnisverfahren, das im 8. Buch der ZPO systematisch nicht richtig eingeordnet ist.43 Zum anderen wollte der Gesetzgeber die Zuständigkeiten für Eilverfahren zugunsten des Gläubigers erweitern. Es widerspräche diesem Ziel, wenn § 802 ZPO die Möglichkeiten zur Vereinbarung weiterer Gerichtsstände einschränkte. 44 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Eilverfahren kann somit im Wege einer Gerichtsstandsvereinbarung abbedungen werden. Ob die Abrede eine derartige Wirkung hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Einer Literaturansicht zufolge sollen ausschließliche Prorogationen ausländischer Gerichte im Regelfall auch die internationale Zuständigkeit Deutschlands für einstweiligen Rechtsschutz abbedingen. 45 Die wohl überwiegenden Stimmen im Schrifttum sind dagegen der Auffassung, dass man Parteien nur bei entsprechendem eindeutigen Hinweis in der Abrede unterstellen kann, die Rechtsverfolgung im Eilverfahren an einem anderen als dem prorogierten Gerichtsstand ausschließen zu wollen.46
41 Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 104; Saenger, ZZP 110 (1997), S. 477 (496 f.). 42 OLG Stuttgart, 19.12.2000 – 6 W 58/00, RIW 2001, S. 228 m. zust. Anm. Gesser, RIW 2001, S. 229; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 477; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 67; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1767; Koch, in: Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, S. 171 (180); so wohl auch Kurtz, Rechtsschutz, 2004, S. 77–79. 43 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 477; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 877a, 1755a; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 67. 44 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 477. 45 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1767. 46 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 477; Kurtz, Rechtsschutz, 2004, S. 77–79; Koch, in: Schlosser (Hrsg.), Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, S. 171 (180).
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
III. Bestimmung der persönlichen Reichweite In allen hier untersuchten Rechtsordnungen ist die Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich auf die Vertragsparteien beschränkt. 47 Unter bestimmten Umständen können jedoch auch Dritte aus einer Prorogation berechtigt und verpflichtet werden. Eine Drittwirkung ist zum einen in Fällen der Rechtsnachfolge möglich. Ob die Prorogation auch den Sukzessor bindet, richtet sich nicht nach dem Prorogationsstatut, sondern nach der für die Rechtsnachfolge maßgeblichen lex causae.48 Für und gegen den Rechtsnachfolger gelten Gerichtsstandsvereinbarungen etwa bei Forderungsabtretung (assignment) 49 , Vertragsübernahme50, Erbschaft51 sowie gesellschaftsrechtlicher Umwandlung juristischer Personen und Personengesellschaften (universal succession)52. Ein weiteres wichtiges Beispiel ist die in einem Konnossement enthaltene Prorogation: Wurde sie zwischen Befrachter und Verfrachter wirksam vereinbart, wirkt sie in England und Deutschland auch gegenüber dem Drittinhaber des Konnossements, da dieser kraft Gesetzes in die Rechte und Pflichten des Befrachters eintritt.53 Anerkannt ist die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen auch für und gegen die durch einen Vertrag zugunsten Dritter begünstigte Partei.54 47 England: Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 91. USA: US District Court (N.D. California), 12.03.2002 – Chateau des Charmes Wines Ltd. v. Sabate USA, Inc., 2002 U.S. Dist. LEXIS 4406, 12. Deutschland: Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1723. 48 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 200. 49 England: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 7.04–7.06; 7.14–7.17; Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 91–93. USA: US District Court (D. Rhode Island), 04.09.1987 – Moretti & Perlow Law Offices v. Aleet Associates, 668 F.Supp. 103; Mohs, Drittwirkung, 2006, S. 49–51, 54–83. Deutschland: Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 3195; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 1723; Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 79–82. 50 England: Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 93 f. Deutschland: OLG Koblenz, 08.02.1996 – 5 U 999/95, NJW-RR 1997, S. 638; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1723; Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 83 f. 51 England: Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 94. Deutschland: OLG Köln, 21.11.1991 – 18 U 113/91, NJW-RR 1992, S. 571; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3195; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1723; Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 84. 52 England: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 7.27. Deutschland: Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 201. 53 England: s. 2 (1) (a) Carriage of Goods By Sea Act 1992. Vgl. auch Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (219 f.); Joseph, Agreements, 2005, Rn. 7.24 f. Deutschland: § 656 I HGB. S. auch Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1727 f. 54 England: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 7.28, 7.31; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 4.43 (S. 334); Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 94–97. Die Möglichkeit, Verträge zugunsten Dritter abzuschließen, besteht erst seit Inkrafttreten des Contracts (Rights of Third Parties) Act im Jahr 1999. Vgl. ausführlich zu
§ 5: Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsabreden
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B. Bestimmung der Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten Zur Bestimmung der Ausschließlichkeit und der Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen enthalten die EuGVVO (I.) und das HGÜ (II.) nur lückenhafte Regelungen.
I. Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO Nach Art. 23 I S. 2 EuGVVO besteht eine widerlegliche Vermutung zugunsten der Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsabreden.55 Ruft eine Partei ein anderes als das vereinbarte Gericht an, trägt sie somit die Beweislast dafür, dass der prorogierte Gerichtsstand lediglich fakultativ ist. Das stellt einen signifikanten Unterschied zu den bereits erläuterten Auslegungsgrundsätzen in den autonomen Rechten dar. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO nur vertragliche oder auch konkurrierende – etwa auf Delikt beruhende – Ansprüche erfassen soll, enthält Art. 23 EuGVVO keine Regelung. Abzustellen ist auf die aus Sicht des angerufenen Gerichts maßgeblichen Interpretationsregeln. 56 Manche mit-
diesem Gesetz Müller, RabelsZ 67 (2003), S. 140; Peter, Verträge zugunsten Dritter, 2001, S. 99–209. USA: US District Court (D. Delaware), 23.06.1982 – Process and Storage Vessels, Inc. v. Tank Service, Inc., 541 F.Supp. 725, 732–734; US Court of Appeals (3rd Cir.), 14.02.1983 – Coastal Steel Corp. v. Tilghman Wheelabrator Ltd., 709 F.2d 190, 202 f.; US District Court (N.D. Illinois), 21.03.1984 – Clinton v. Janger, 583 F.Supp. 284, 289 f.; US District Court (S.D. Florida), 20.10.1986 – Consolidated Bathurst, Ltd. v. Rederiaktiebolaget Gustaf Erikson, 645 F.Supp. 884, 887 f.; Mohs, Drittwirkung, 2006, S. 51. Verträge zugunsten Dritter sind in den USA – im Gegensatz zu England – bereits seit längerer Zeit anerkannt, vgl. Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 341 f. Deutschland: Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1730; Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 84 f. 55 Magnus in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels I, 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 144–147; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3067 f.; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 59–61. 56 EuGH, 10.03.1992 – Rs. C-214/89, Powell Duffryn Plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745, Rn. 37; EuGH, 03.07.1997 – Rs. C-269/95, Benincasa ./. Dentalkit Srl., Slg. 1997, I-3767, Rn. 32; High Court, 02.05.2003 – Roche Products Ltd. v. Provimi Ltd., 2003 EWHC 961 (Comm), paras. 76, 85; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 3081; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 37 f., 43; Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO, Rn. 62; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 4.46 f.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
gliedstaatlichen Gerichte ziehen insoweit die entsprechenden Grundsätze der lex fori heran, andere das nach dem IPR berufene Prorogationsstatut. 57 Uneinigkeit herrscht darüber, nach welchem rechtlichen Standard zu beurteilen ist, ob durch die ausschließliche Prorogation der Gerichte eines Mitglieds- oder Drittstaats gleichzeitig die internationale Zuständigkeit der anderen bzw. aller Mitgliedstaaten für Eilverfahren abbedungen ist. Einer Ansicht zufolge gilt für alle Mitgliedstaaten ein einheitlicher Auslegungsgrundsatz, wonach sich eine ausschließliche Gerichtstandsvereinbarung im Regelfall auch auf einstweilige Maßnahmen erstrecke. Die internationale Zuständigkeit eines derogierten Mitgliedstaats für Eilverfahren sei daher ausgeschlossen. Art. 23 EuGVVO schränke insoweit den Vorbehalt von Art. 31 EuGVVO ein. 58 Anhaltspunkte für eine derart weitgehende Wirkung von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen bietet die Verordnung jedoch nicht: Weder in Art. 23 EuGVVO noch in Art. 31 EuGVVO finden sich Hinweise darauf, dass der in letzterer Norm festgelegte Grundsatz – wonach die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehene internationale Zuständigkeit seiner Gerichte für einstweilige Maßnahmen durch die nach der EuGVVO eröffnete Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats unberührt bleibt – im Fall ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen nicht gelten soll. Überzeugender erscheint daher die Auffassung, dass es einem derogierten mitgliedstaatlichen Gericht gem. Art. 31 EuGVVO frei bleibt, seine Zuständigkeit auf Vorschriften des autonomen Rechts zu gründen, wenn diese Zuständigkeit nach Auffassung des Gerichts durch die ausschließliche Prorogation nicht abbedungen wurde.59 Inwieweit Gerichtsstandsvereinbarungen zu Gunsten und zu Lasten Dritter Geltung entfalten, richtet sich im Anwendungsbereich von Art. 23
57 Magnus in: Magnus/Mankowski (Hrsg.), Brussels I, 2007, Art. 23 EuGVVO Rn. 141–143, der sich aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen in den Mitgliedsstaaten bzgl. des auf Auslegungsfragen anwendbaren Rechts und der teilweise erheblich voneinander abweichenden Auslegungsgrundsätze dafür ausspricht, Gerichtsstandsvereinbarungen in erster Linie nach verordnungsautonomen Kriterien zu interpretieren. In Fällen, in denen die EuGVVO-Vorschriften keine Auslegungshilfe bieten, soll das nach den IPRNormen zur Anwendung berufene Prorogationsstatut, in der Regel das Statut des Hauptvertrags herangezogen werden. Gegen eine Auslegung nach den entsprechenden Regeln der lex fori spricht sich ebenfalls Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 62 aus. 58 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 192. 59 Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 67; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 23 EuGVVO Rn. 103; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 42; Hill, International Disputes, 1994, Rn. 21.3.1.3.2; Collins, The Civil Jurisdiction and Judgments Act, 1983, S. 90.
§ 5: Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsabreden
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EuGVVO – so die wohl überwiegende Auffassung – nach dem jeweils anwendbaren einzelstaatlichen Recht.60
II. Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des HGÜ Nach Art. 3 lit. b HGÜ ist die Ausschließlichkeit von Zuständigkeitsvereinbarungen zu vermuten, es sei denn, die Parteien haben klar zum Ausdruck gebraucht, dass sie lediglich eine fakultative Abrede eingehen wollten. Auf einen dahingehenden Willen ist – im Gegensatz zu der überwiegenden Auffassung in den USA – nicht bereits deswegen zu schließen, weil die Parteien zugunsten der Gerichte eines Staates prorogiert haben, ohne einen konkreten Gerichtsort in diesem Staat zu nennen.61 Die Annahme einer fakultativen Gerichtsstandsvereinbarung setzt vielmehr die Verwendung eindeutiger Formulierungen voraus, wie etwa die Benutzung der Worte „non-exclusive“ oder die ausdrückliche Regelung, dass die Streitigkeit vor das gewählte Gericht oder vor ein anderes gebracht werden kann.62 Zur Bestimmung, welche Streitigkeiten von der Gerichtsstandsvereinbarung erfasst sind, enthält das HGÜ keine Auslegungsregeln. Diese Entscheidung wird dem jeweils angerufenen nationalen Gericht überlassen.63 Dieses bestimmt die hierfür maßgeblichen rechtlichen Grundsätze unter Heranziehung seiner eigenen Kollisionsnormen. In dem HGÜ findet sich nämlich keine Regel zur Ermittlung des auf diese Frage anwendbaren Rechts: Die Kollisionsvorschrift in Art. 6 lit. a HGÜ ist insoweit irrelevant, da die Auslegung nicht die Gültigkeit der Abrede betrifft. Darüber hinaus regelt das HGÜ gem. Art. 7 nicht, ob eine Partei einstweilige Maßnahmen beantragen oder ein Gericht solche gewähren kann. Die Frage, inwieweit ein nicht vereinbartes Gericht um vorläufigen Rechtsschutz ersucht werden kann, richtet sich somit nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht. Ebenso wenig regelt das HGÜ, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung für und gegen Dritte Wirkungen entfaltet. Dies ist ebenfalls eine Frage des jeweils maßgeblichen Statuts.64 60
Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 43; Mohs, Drittwirkung, 2006, S. 43–48; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 23 EuGVVO Rn. 200. Für die Heranziehung euroautonomer Maßstäbe zur Bestimmung der persönlichen Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen Jungermann, Drittwirkung, 2006, S. 111–114. 61 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 103 f.; Nanda, Tex. Int'l L. J. 42 (2007), S. 773 (779). 62 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 109. Vgl. für Beispiele ausschließlicher und fakultativer Gerichtsstandsvereinbarungen im Sinne des HGÜ Brand/ Herrup, HGÜ, 2008, S. 43 f. 63 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 144. 64 Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 246; Bläsi, HGÜ, 2010, S. 84–86.
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
C. Ausschließlichkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschlag für die EuGVVO Nachdem für die Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den verglichenen Rechtsordnungen unterschiedliche Grundsätze gelten (I.), sind die einzelnen Kollisions- und Sachregeln einer ökonomischen Betrachtung zu unterziehen (II.), um schließlich einen Reformvorschlag für die EuGVVO zu entwickeln (III.).
I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten sowie deren Zusammenspiel Bei der Bestimmung des Auslegungsstatuts lässt sich dieselbe Vielseitigkeit beobachten wie bei der Festlegung des auf das wirksame Zustandekommen anwendbaren Rechts: In Deutschland und England herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass Ausschließlichkeit und sachliche Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Prorogationsstatut zu beurteilen sind. In der Gerichtspraxis allerdings kommt es oftmals zur Anwendung der lex fori – entweder aus Praktikabilitätsgründen oder weil die Parteien die Maßgeblichkeit ausländischen Rechts nicht vortragen. Die Rechtslage in den USA ist demgegenüber gespalten: Ein Teil der Gerichte zieht die lex fori heran, ein anderer entscheidet nach dem Statut des Hauptvertrags. Die autonomen Rechte unterscheiden sich auch in den Anforderungen an die Annahme einer ausschließlichen Gerichtsstandsabrede. In England und den USA werden transitive Formulierungen als Indiz für die Ausschließlichkeit gewertet, während bei intransitiver Wortwahl eher eine lediglich fakultative Abrede angenommen wird. Eine solche Differenzierung wird in Deutschland nicht vorgenommen. Anders als im englischen und deutschen Recht kann die Ausschließlichkeit einer Vereinbarung nach US-amerikanischem Verständnis daraus gefolgert werden, dass die Parteien einen konkreten Gerichtsort bestimmt und nicht lediglich die jurisdiction der Gerichte eines Landes verabredet haben. Ein Gleichlauf der Gerichtsstandsabrede mit einer Rechtswahl kann in England und Deutschland – anders als in den USA – als wichtiges Indiz für das Vorliegen einer ausschließlichen Vereinbarung gewertet werden. Abweichend wird in den autonomen Rechten auch die Frage beurteilt, ob eine ausschließliche Prorogation der Ersuchung eines anderen als des vereinbarten Gerichts um den Erlass einstweiliger Rechtsschutzmaßnahmen entgegensteht: In England wird diese Frage überwiegend verneint. Die Rechtslage in den USA und Deutschland ist dagegen unklar: Während manche die Auffassung vertreten, die Gerichtsstandsvereinbarung lasse die
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gerichtliche Zuständigkeit für vorläufigen Rechtsschutz unberührt, folgern andere aus der fehlenden Zuständigkeit für die Hauptsache, die Zuständigkeit der nicht vereinbarten Gerichte für einstweilige Rechtsschutzmaßnahmen sei abbedungen. Im Gegensatz zu den autonomen Rechten stellt sich in der EuGVVO und im HGÜ nur für die Bestimmung der sachlichen und persönlichen Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen die Frage nach dem maßgeblichen Auslegungsstatut. Für die Beurteilung der Ausschließlichkeit gelten hingegen einheitsrechtliche Vorgaben, die einen Rückgriff auf nationale Rechte versperren. Nach Art. 23 I S. 2 EuGVVO und Art. 3 lit. b HGÜ ist eine Gerichtsstandsabrede als ausschließlich anzusehen, wenn die Parteien ausdrücklich keine gegenteilige Festlegung getroffen haben. Für die sonstigen Auslegungsfragen findet sich weder im HGÜ noch in der EuGVVO eine Kollisionsnorm, so dass insoweit jedes Gericht sein eigenes IPR zu befragen hat.
II. Effizienzbewertung der untersuchten Rechtssysteme Bei einer Betrachtung der vorausgehend dargestellten Lösungsmodelle unter ökonomischen Effizienzkriterien sind einige Punkte herauszustellen: Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Auslegungsregeln in den Einzelrechten erscheint es zunächst problematisch, dass das Auslegungsstatut vielerorts der jeweiligen lex fori entnommen wird. Eine forumsabhängige Auslegung kann nicht nur zu der misslichen Situation führen, dass ein und derselben Gerichtsstandsvereinbarung in verschiedenen Ländern eine abweichende Bedeutung beigemessen wird. Sie kann auch zur Folge haben, dass insbesondere sachliche Reichweite und Ausschließlichkeit ab Eintritt der Rechtshängigkeit nach einem Standard beurteilt werden, den die Parteien bei Abschluss der Abrede nicht vorhergesehen haben. Gerade bei der Ausformulierung von vertraglichen Vereinbarungen ist den Parteien daran gelegen, die Maßstäbe zu kennen, nach denen ihre Abrede ausgelegt werden wird. Insoweit ist der lex fori-Ansatz der ökonomischen Effizienz von Gerichtsstandsvereinbarungen abträglich. Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass die EuGVVO und das HGÜ zumindest für einen zentralen Gesichtspunkt der Auslegung – nämlich die Bestimmung der Ausschließlichkeit – eine einheitsrechtliche Regelung geschaffen haben. Diese überzeugt auch inhaltlich: Denn Gerichtsstandsvereinbarungen im Grundsatz als ausschließlich anzusehen, entspricht dem typischen Parteiinteresse. Nur ausschließliche Zuständigkeitsabreden sind geeignet, die im internationalen Rechtsverkehr erstrebte Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen. Als nachteilig erweist sich allerdings in der EuGVVO und im HGÜ, dass für die Frage der sachlichen
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2. Kapitel: Zulässigkeit, Wirksamkeit und Reichweite
Reichweite weder gemeinschaftsweite Regelungen existieren, noch eine einheitliche Kollisionsnorm vorliegt. Ökonomisch bedenklich ist darüber hinaus der in manchen Rechtsordnungen anzutreffende Grundsatz, dass ausschließliche Prorogationen dem Ersuchen des nicht designierten Gerichts um einstweiligen Rechtsschutz entgegenstehen. Eine derartige Interpretation von Zuständigkeitsabreden kann zur Folge haben, dass den Rechtsschutzsuchenden der Zugang zu sachwertnahen Gerichten verwehrt bleibt. Insbesondere dann, wenn man sich auf ein neutrales Forum geeinigt hat, wird am designierten Gerichtsstand keine Partei über vollstreckungsfähiges Vermögen verfügen. Könnte man in solchen Fällen nur im forum prorogatum einstweilige Maßnahmen beantragen, wäre ein effektiver Rechtsschutz kaum gewährleistet. Vor diesem Hintergrund könnten sich Parteien von der Vereinbarung eines neutralen Drittforums abhalten lassen. Dies wäre schädlich, da oftmals gerade das neutrale Forum den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ bildet, auf den man sich verständigen kann.
III. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO Aufgrund der vorangegangen Erkenntnisse wird dafür plädiert, eine europaweite einheitliche Kollisionsregel für die Bestimmung der sachlichen Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen einzuführen. Diese sollte nach dem bereits erläuterten Schema zur Bestimmung des Abschlussstatuts von Zuständigkeitsabreden ausgestaltet sein.65
65
S. oben § 4 C. IV.
Kapitel 3
Direkter Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen Kapitel 3 der Arbeit ist den direkten Schutzmöglichkeiten gewidmet, die der Partei einer Gerichtsstandvereinbarung zur Verfügung stehen, wenn gegen sie ein Verfahren in einem nicht gewählten Forum eingeleitet wurde. Die direkten Schutzinstrumente sind darauf gerichtet, dem Verfahren an dem abredewidrigen Gerichtsstand ein Ende zu setzen und die Streitigkeit vor das prorogierte Gericht zu bringen. In Betracht kommen die Rüge der internationalen Zuständigkeit des derogierten Gerichts (§ 6), die Einleitung eines Parallelverfahrens an dem vereinbarten Gerichtsstand (§ 7) und das Ersuchen um ein gerichtliches Verbot gegen die Fortführung des Verfahrens im falschen Forum (§ 8).
§ 6 Rüge der internationalen Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts und ihre Folgen Gegen die Verfahrenseinleitung in einem nicht vereinbarten Forum kann sich die beklagte Partei in allen hier untersuchten Rechtssystemen wehren, indem sie unter Berufung auf die Gerichtsstandsabrede die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts rügt und Abweisung der Klage bzw. Aussetzung des Verfahrens beantragt. Im Folgenden wird untersucht, welche prozessualen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Einwand der fehlenden internationalen Zuständigkeit im autonomen englischen, USamerikanischen und deutschen Recht (A.) sowie im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ (B.) hat. Nach einer Effizienzbewertung der in den verglichenen Rechtssystemen insoweit existierenden Regeln ist zu diskutieren, ob eine Verbesserung der Ausgestaltung des Rechtsinstruments der Zuständigkeitsrüge geeignet ist, Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich der EuGVVO zu stärken (C.).
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
A. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen in autonomen Rechten Die prozessualen Rahmenbedingungen und die Folgen der Zuständigkeitsrüge im englischen (I.), US-amerikanischen (II.) und deutschen Recht (III.) weisen erhebliche Unterschiede auf.
I. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im englischen Recht Möchte eine Partei die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte wegen einer ausschließlichen Prorogation zugunsten eines ausländischen Forums rügen, stellen sich ihr insbesondere zwei Fragen: Zum einen die nach den verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Geltendmachung der entgegenstehenden Gerichtsstandsabrede (1.), zum anderen die nach den Folgen einer erfolgreichen Rüge der internationalen Zuständigkeit englischer Gerichte (2.). 1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Rügeerhebung Nach autonomem englischem Zivilprozessrecht ist die internationale Zuständigkeit nur auf Antrag der Parteien zu prüfen.1 Das Verfahren für das Bestreiten der jurisdiction ist in Part 11 CPR geregelt. Erforderlich ist zunächst die fristgemäße Bestätigung durch den Beklagten, dass ihm die claim form zugestellt worden ist, r. 11 (2) i.V.m. Part 10 CPR.2 Für die Rüge der internationalen Zuständigkeit stehen einer in England verklagten Partei gem. r. 11 (1) CPR zwei Anträge zur Verfügung. Sie kann entweder das englische Gericht ersuchen, sich für unzuständig zu erklären, r. 11 (1) (a) CPR (Zuständigkeitsrüge im engeren Sinne) oder seine Zuständigkeit nicht auszuüben, r. 11 (1) (b) CPR (Zuständigkeitsrüge im weiteren Sinne). Welcher dieser Anträge statthaft ist, hängt davon ab, ob das prozesseinleitende Schriftstück zwecks Zuständigkeitsbegründung an den Beklagten im In- oder im Ausland zugestellt worden ist. Der richtige Weg zur Geltendmachung einer ausschließlichen Prorogation zugunsten ausländischer Gerichte, wenn dem Beklagten die claim form im Inland zugestellt wurde, ist derjenige über r. 11 (1) (b) CPR. Eine Gerichtsstandsvereinbarung beseitigt – wie bereits oben erläutert – nämlich nicht die durch Inlandszustellung begründete internationale Zuständigkeit 1
Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.25. Die Fristen, innerhalb derer die Zustellung der claim form zu bestätigen ist, variieren zwischen 14 und 31 Tagen, je nachdem in welchem Teil des Vereinigten Königreichs bzw. in welchem ausländischen Staat das prozesseinleitende Schriftstück zugestellt worden ist (r. 10.3 CPR). Die Bestätigung der Zustellung durch den Beklagten stellt keine Unterwerfung unter die jurisdiction englischer Gerichte dar: Waller/Scott/Brooke/u.a., White Book 2009, Section A – Civil Procedure Rules 1998, (westlaw), UK CP 11.1; Zuckerman, Civil Procedure, 2. Aufl. 2006, Rn. 4.208. 2
§ 6: Rüge der internationalen Zuständigkeit
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englischer Gerichte. Vielmehr kann die Abrede lediglich als Argument dafür angeführt werden, dass das englische Gericht seine bestehende jurisdiction nicht ausüben möge. 3 Die Zuständigkeitsrüge gem. r. 11 (1) (b) CPR ist mit einem Antrag auf Anordnung der Verfahrensaussetzung zu verbinden, sog. application for a stay of proceedings.4 Ein Antrag auf Klageabweisung, sog. application for dismissal of the claim, ist aufgrund der eröffneten internationalen Zuständigkeit englischer Gerichte dagegen unzulässig.5 Wurde dem Beklagten das prozesseinleitende Schriftstück dagegen im Ausland zugestellt, ist ein Antrag gem. r. 11 (1) (a) CPR statthaft. Durch die Geltendmachung der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung wendet der Beklagte in solchen Fällen nämlich ein, dass die gerichtliche Erlaubnis an den Kläger zur Auslandszustellung der claim form zu Unrecht erteilt wurde. Er greift also unmittelbar die Grundlage für die Eröffnung der jurisdiction des englischen Gerichts an. Mit der Erhebung der Zuständigkeitsrüge gem. r. 11 (1) (a) CPR ist die Abweisung der Klage zu beantragen, application for dismissal of the claim.6 In der gerichtlichen Praxis überwiegen die Anträge nach r. 11 (1) (b) CPR auf Nichtausübung der jurisdiction wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung. Dies liegt darin begründet, dass das englische Recht eine Inlandszustellung in großzügigem Rahmen zulässt und bei der Auslandszustellung mit dem Erfordernis einer gerichtlichen Zustellungserlaubnis ein präventiver Mechanismus zum Schutz vor Klagen unter Missachtung einer Prorogation zugunsten nichtenglischer Gerichte besteht.7 Die Entscheidung über die Berücksichtigung einer ausschließlichen Gerichtsstandsabrede zugunsten eines ausländischen Forums richtet sich unabhängig von dem im Einzelfall statthaften Antrag nach dem bereits oben erläuterten El Amria-Test: Danach verhelfen die Gerichte einer entgegenstehenden Zuständigkeitsabrede zur Wirkung, es sei denn, dem Kläger gelingt es nachzuweisen, dass die Nichtdurchsetzung der Vereinbarung ausnahmsweise geboten ist. 8 Wie oben gezeigt, gibt es zahlreiche Faktoren, die die Außerachtlassung einer Prorogation zugunsten ausländischer Ge-
3
S. oben § 3 A. I. 1. a) bb). Briggs, Agreements, 2008, Rn. 6.04; Pryles, ICLQ 25 (1976), S. 543 (556). 5 Briggs, Agreements, 2008, Rn. 6.07. 6 Briggs, Agreements, 2008, Rn. 6.04, 6.07. 7 Collins, International Litigation, 1994, S. 264. Die größere Bedeutung von Anträgen auf Verfahrensaussetzung entspricht der Schwerpunktsetzung in der englischen Literatur, s. etwa Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 444–450 sowie Collins/ Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.128. 8 S. dazu oben § 3 A. I. 2. b). 4
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
richte rechtfertigen können, so dass der El Amria-Test für Parteien, welche abredewidrig vor englischen Gerichten klagen, keine hohe Hürde darstellt. Über das Vorliegen und die Ausübung der internationalen Zuständigkeit befinden die englischen Gerichte in den meisten Fällen im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens bereits vor Verhandlung und Entscheidung über die Begründetheit der Klage.9 Der für letzteres erforderliche zeitliche und finanzielle Aufwand bleibt dem Beklagten damit erspart, wenn er mit dem Einwand der vereinbarten ausschließlichen Zuständigkeit eines ausländischen Forums durchdringt. Gegen Entscheidungen über die internationale Zuständigkeit steht bei entsprechender gerichtlicher Zulassung ein Rechtsmittel zu dem Court of Appeal und dem Supreme Court of the United Kingdom10 (früher House of Lords) offen.11 Obwohl englische Gerichte über das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit in der Regel in einem der Hauptsacheverhandlung vorgelagerten Verfahren entscheiden, ist die jurisdiction-Prüfung in vielen Fällen zeitaufwendig und mit Kosten von über ₤10.000 pro Partei verbunden.12 Das autonome englische Zivilprozessrecht sieht für die Geltendmachung der fehlenden jurisdiction enge zeitliche Grenzen vor. Nach der Bestätigung, die claim form erhalten zu haben, hat der Beklagte gem. r. 11 (4) CPR 14 Tage Zeit, um die Rüge der internationalen Zuständigkeit zu erheben. Für die Rüge der jurisdiction des Commercial Court an dem High Court gilt gem. r. 58.7 (2) CPR eine Frist von 28 Tagen. Die Rügefrist von 14 bzw. 28 Tagen kann auf Antrag des Beklagten verlängert werden. 13 Nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen bzw. durch richterliche Verfügung verlängerten Frist wird gem. r. 11 (5) CPR eine rügelose Einlassung des Beklagten angenommen.14 Eine rügelose Einlassung liegt auch dann vor, wenn sich der Beklagte, nachdem das englische Gericht den Einwand fehlender jurisdiction zurückgewiesen hat, in der Hauptsache verteidigt, ohne das Gericht um die Zulas9
Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.28, 5.30; Waller/Scott/Brooke/u.a., White Book 2009, Section A – Civil Procedure Rules 1998, (westlaw), UK CP 11.1; British Institute, Report on Brussels I Application – England, § 2.1.6. Das Verfahren richtet sich im Einzelnen nach r. 23 CPR. 10 Der Supreme Court of the United Kingdom wurde durch den Constitutional Reform Act 2005 neu geschaffen. Auf ihn wurden die rechtsprechenden Funktionen des House of Lords übertragen. Seine Tätigkeit als oberste gerichtliche Instanz in Zivilsachen für das gesamte Vereinigte Königreich hat das Gericht am 01.10.2009 aufgenommen. 11 British Institute, Report on Brussels I Application – England, § 2.1.6. Zu dem Rechtsmittelverfahren im Einzelnen vgl. r. 52 CPR. 12 British Institute, Report on Brussels I Application – England, § 2.1.6. 13 High Court, 01.11.2005 – Sawyer v. Atari Interactive Inc., [2005] EWHC 2351 (Ch), paras. 42–48 (Collins J). 14 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 10.71.
§ 6: Rüge der internationalen Zuständigkeit
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sung eines Rechtsmittels gegen die Zuständigkeitsentscheidung ersucht zu haben.15 2. Verfahrensrechtliche Folgen einer erfolgreichen Zuständigkeitsrüge Kommt das englische Gericht zu dem Ergebnis, dass die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung anzuerkennen und durchzusetzen ist, wird es die Klage abweisen oder aussetzen. Durch die Anordnung der Verfahrensaussetzung bleibt die Klage rechtshängig, so dass das Verfahren theoretisch zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden kann, was in der Praxis jedoch nur selten vorkommt.16 Für den obsiegenden Beklagten stellt sich sodann die Frage, ob und inwieweit er die Kosten ersetzt verlangen kann, die ihm für die Verteidigung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht entstanden sind. Die prozessuale Kostenerstattung regelt Part 44 CPR.17 Dem englischen Zivilprozessrecht liegt gem. gem. r. 44.3 (2) (a) CPR das Unterliegensprinzip zugrunde. 18 Der erfolgreiche Beklagte hat somit grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihm durch die abredewidrige Klage in England entstanden sind.19 Sowohl die Frage, ob überhaupt eine Kostenerstattung stattfinden soll, als auch die Höhe der zu ersetzenden Kosten stehen jedoch gem. r. 44.3 (1) CPR im gerichtlichen Ermessen. Die Festsetzung der Kosten kann das Gericht gem. Parts 43–48 i.V.m. § 12.1 PD 43–48 CPR entweder selbst in einem summary assessment vornehmen oder – bei entsprechendem Parteiantrag – auf einen costs officer übertragen, der den zu zahlenden Betrag mittels eines detailed assessment nach Part 47 CPR ermittelt.20 Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind gem. r. 44.4, 44.5 CPR alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Die zu erstattenden Kosten kann das Gericht nach r. 44.4 (1) CPR entweder auf standard basis oder auf indemnity basis festsetzen. Bei der üblichen Bemessung nach der standard basis liegt die Beweislast bei der erstattungsberechtigten Partei und es werden nur Kosten berücksichtigt, die für Aufwendungen angefallen sind, die – ausgehend vom Streitwert – an-
15
Joseph, Agreements, 2005, Rn. 10.75. Briggs, Agreements, 2008, Rn. 4.03. 17 Auf die Möglichkeit eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs wird im Kapitel 4 der Arbeit einzugehen sein, s. unten § 11 A. 18 Dieser Grundsatz wird als costs follow the event-Regel bezeichnet, Andrews, Civil Procedure, 2003, Rn. 36.05 f. 19 Vgl. ausführlich zu der Bemessung der Anwaltsvergütung und der Höhe der Gerichtsgebühren in England Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 24 f., 27–68, 78. 20 Vgl. dazu Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 70 f. 16
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
gemessen sind, r. 44.4 (2) CPR.21 Wegen dieser Einschränkungen führt die Berechnung auf standard basis in aller Regel dazu, dass der siegreichen Partei nicht mehr als zwei Drittel der ihr tatsächlich entstandenen Kosten zugesprochen werden.22 Für die Erstattung eines höheren Anteils der Kosten kommt dagegen nur die ausnahmsweise mögliche Berechnung auf indemnity basis in Betracht: Bei der Bemessung auf dieser Grundlage entfällt das Erfordernis der Angemessenheit und die Beweislast wird auf die erstattungspflichtige Partei verlagert, r. 44.4 (3) CPR. Eine Kostenfestsetzung auf indemnity basis ist allerdings nur möglich, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Ausnahme von der Grundregel der Kostenfestsetzung auf standard basis rechtfertigen. Die entscheidende Frage lautet: „[I]s there something in the conduct of the action or the circumstances of the case which takes the case out of the norm in a way which justifies an order for indemnity costs?“23 Ob englische Gerichte auch dann indemnity costs anordnen können, wenn sie eine Klage wegen einer entgegenstehenden Zuständigkeitsabrede abgewiesen oder ausgesetzt haben, ist bislang nicht endgültig geklärt. Dass dies möglich ist, legt aber das obiter dictum einer Entscheidung aus der jüngeren Zeit nahe. In dem Fall A v. B (No. 2)24 hatte das Gericht darüber zu befinden, auf welcher Grundlage die Kosten einer Partei zu berechnen sind, die entgegen einer Schiedsvereinbarung vor staatlichen Gerichten verklagt wurde. Der Beklagte hatte unter Hinweis auf die Schiedsabrede die Aussetzung des staatlichen Verfahrens erreicht und verlangte sodann Ersatz der dafür angefallenen Kosten. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Klage entgegen einer Schiedsabrede einen besonderen Umstand darstellt, der eine Kostenberechnung auf indemnity basis rechtfertigt, und erklärte ausdrücklich, dass dies auch für Fälle gelten soll, in denen ein Verfahren entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung eingeleitet worden
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Ein Beispiel für fehlende Angemessenheit liefert die Entscheidung High Court, 02.01.2000 – Ryan v. Friction Dynamics Ltd., The Times 14 June 2000 (Neuberger J). Vgl. zu dem Sinn und Zweck des Angemessenheitserfordernisses auch die Ausführungen von Lord Woolf CJ in Court of Appeal, 21.03.2002 – Home Office v. Lownds, [2002] EWCA Civ 365, paras. 8–10. 22 Andrews, Civil Procedure, 2003, Rn. 36.22 (S. 830), der zugleich auf ein Urteil aus der jüngeren Zeit hinweist, in dem für die Erstattung eines höheren Anteils der Prozesskosten auf standard basis plädiert wird: „If the appropriate conduct of the proceedings makes costs necessary then the requirement of proportionality does not prevent all the costs being recovered…“, Court of Appeal, 21.03.2002 – Home Office v. Lownds, [2002] EWCA Civ 365, para. 28 (Lord Woolf CJ). 23 Court of Appeal, 12.06.2002 – Excelsior Commercial & Industrial Holdings Ltd. v. Salisbury Hammer Aspden & Johnson, [2002] EWCA Civ 879, para. 39 (Waller LJ). 24 High Court, 23.01.2007 – A v. B (No. 2), [2007] EWHC 54 (Comm).
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ist.25 Es ist daher wahrscheinlich, dass eine vor englischen Gerichten entgegen anders lautender Prorogation verklagte Partei, die mit der Zuständigkeitsrüge durchdringt, ihre Kosten zu einem hohen Anteil und möglicherweise sogar vollständig ersetzt bekommen wird.
II. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im US-amerikanischen Recht Auch das US-amerikanische Recht kennt das Instrument der Rüge der internationalen Zuständigkeit. Hier hat es aber nicht nur dann Bedeutung, wenn der Beklagte geltend machen will, ein Gericht außerhalb der USA sei eigentlich zuständig, sondern auch wenn er sich gegen eine Klage im falschen Bundesstaat wehren möchte. Da in jedem Einzelstaat andere Prozess- und Kollisionsrechte gelten können, kann es sich auf das Entscheidungsergebnis auswirken, wo innerhalb der USA die Klage erhoben wird. Insofern besteht ein grundlegender Unterschied zu der Rechtslage in Deutschland und England. Dieser rechtfertigt es, im Folgenden bei der Untersuchung von Schutzmechanismen gegen die Missachtung von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen im US-amerikanischen Recht nicht nur den Fall in den Blick zu nehmen, dass ein Gericht der USA angerufen wird, obwohl die Gerichte eines anderen Staates prorogiert wurden, sondern auch den, dass in einem US-Bundesstaat geklagt wird, obwohl eine internationale Gerichtsstandsabrede zugunsten eines anderen Bundesstaats vorliegt. Im Folgenden sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung der fehlenden internationalen Zuständigkeit eines US-amerikanischen Gerichts wegen einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung (1.) und die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Zuständigkeitsrüge (2.) zu beleuchten. 1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Rügeerhebung Nach US-amerikanischem Recht wird die internationale Zuständigkeit nicht von Amts wegen, sondern nur auf entsprechenden Einwand des Beklagten geprüft.26 Der prozessuale Rahmen und die zeitlichen Grenzen für die Rüge der internationalen Zuständigkeit eines abredewidrig angerufenen US-amerikanischen Gerichts variieren allerdings, je nachdem welcher Antrag zur Durchsetzung der Prorogation im Einzelfall gestellt wird. Zur Verfügung steht stets der Antrag auf Klageabweisung bzw. -aussetzung (a.). In Fällen, in denen entgegen der Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit eines Bundesgerichts ein anderes Bundesgericht angeru-
25
High Court, 23.01.2007 – A v. B (No. 2), [2007] EWHC 54 (Comm), paras. 6–15 (Colman J); wohl zustimmend Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, S. 323 f. 26 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 355.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
fen wird, kommt alternativ ein Antrag auf federal transfer gem. 28 U.S.C. § 1404 (a) in Betracht (b.). a) Antrag auf Abweisung bzw. Aussetzung der Klage Ein einheitliches Bild über die verfahrensrechtlichen Besonderheiten eines Antrags auf Klageabweisung bzw. -aussetzung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung ist aufgrund der Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen und den bundesrechtlichen Verfahrensregeln nicht möglich. Exemplarisch sollen im Folgenden die maßgeblichen Prozessvorschriften des Bundesrechts dargestellt werden. Das Verfahren zur Beanstandung der Zulässigkeit einer Klage ist in r. 12 Fed.R.Civ.P. geregelt. Es herrscht Uneinigkeit darüber, welcher der in r. 12 (b) Fed.R.Civ.P. aufgezählten Anträge zur Durchsetzung einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung statthaft ist. 27 Manche Gerichte wenden r. 12 (b) (6) Fed.R.Civ.P. an28, eine Regel, die ihrem Wortlaut nach auf Einwände gegen die Schlüssigkeit und nicht gegen die Zulässigkeit der Klage zugeschnitten ist.29 Nach ihr kann der Einwand der Derogation bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung vorgebracht werden.30 Bei Heranziehung von r. 12 (b) (6) Fed.R.Civ.P. wird somit die Gefahr einer rügelosen Einlassung praktisch ausgeschlossen. Andere Gerichte halten einen Antrag gem. r. 12 (b) (3) Fed.R.Civ.P. für statthaft, auch wenn die Norm an sich lediglich Angriffe des Beklagten wegen improper venue, also fehlender örtlicher Zuständigkeit, erfasst. 31 Konsequenz der Anwendung dieser Regel ist u.a., dass der Einwand der entgegenstehenden Gerichtsstandsabrede nur bis zur Klageerwiderung
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Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422; Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853. US District Court (M.D. Alabama), 24.08.1990 – American Performance, Inc. v. Sanford, 749 F.Supp. 1094; US District Court (D. Puerto Rico), 13.03.1993 – Caribe BMW, Inc. v. BMW AG, 821 F.Supp. 802, 809; US District Court (D. Puerto Rico), 27.02.2006 – Morales v. Royal Caribbean Cruises, Ltd., 419 F.Supp.2d 97, 99. Vgl. auch Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (434) m.w.N. 29 Gegen die Heranziehung dieser Norm sprechen sich daher viele Stimmen im Schrifttum aus, vgl. etwa Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853 (1873 f.) und Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (446). 30 Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853 (1861) mit Hinweis auf weitere Folgen der Heranziehung von r. 12 (b) (6) Fed.R.Civ.P. 31 US Court of Appeals (10th Cir.), 23.12.2002 – K & V Scientific Co., Inc. v. BMW AG, 314 F.3d 494, 497; US District Court (S.D. Florida), 28.07.2004 – Pelican Ventures LLC v. Azimut S.p.A., 2004 U.S. Dist. LEXIS 26764, 32; US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378, 383 f. Vgl. auch Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (434) m.w.N. 28
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erfolgen kann, r. 12 (h) (1) Fed.R.Civ.P. 32 Nach diesem Zeitpunkt ist von einer rügelosen Einlassung auszugehen. Wiederum andere Gerichte wenden keine der Fed.R.Civ.P.-Normen an, sondern leiten die Grundlage für eine Zuständigkeitsrüge aus der Gerichtsstandsvereinbarung selbst ab.33 Einen weiteren Weg zur Geltendmachung von Derogationen bilden forum non conveniens motions.34 Anträge dieser Art sind an keine ausdrückliche Frist gebunden, auch wenn Einigkeit besteht, dass sie innerhalb angemessener Zeit nach Kenntniserlangung von den relevanten Umständen zu stellen sind.35 Da eine abredewidrig verklagte Partei bereits zu Beginn des Prozesses von der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung Kenntnis hat, wird sie den Einwand der fehlenden jurisdiction möglichst früh erheben müssen, um zu verhindern, dass ihr Verhalten als rügelose Einlassung gewertet wird.36 Trotz der formellen Unterschiede erfolgt die Entscheidung über die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung in all diesen Fällen grundsätzlich unter Berücksichtigung des Bremen-Tests. 37 Im Rahmen dessen trägt die abredewidrig klagende Partei die Beweislast dafür, dass die Gerichtsstandsvereinbarung unreasonable und daher nicht durchsetzbar ist. Das Ermessen bei der Beurteilung der reasonableness üben US-amerikanische Gerichte in aller Regel dahingehend aus, dass sie eine vorhandene Gerichtsstandsvereinbarung durchsetzen.38 32 Reinhard, Beklagtenschutz, 2006, S. 109. Vgl. auch Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853 (1859 f.) mit Hinweis auf weitere Folgen der Anwendung von r. 12 (b) (3) Fed.R.Civ.P. 33 US Court of Appeals (5th Cir.), 28.04.1997 – Mitsui & Co. (USA), Inc. v. Mira M/V, 111 F.3d 33; US District Court (S.D. New York), 28.03.2006 – Korean Press Agency, Inc. v. Yonhap News Agency, 421 F.Supp.2d 775. 34 US Supreme Court, 12.06.1972 – Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1; US Court of Appeals (2nd Cir.), 27.05.1998 – Evolution Online Systems, Inc. v. Koninklijke PTT Nederland N.V., 145 F.3d 505; US Court of Appeals (1st Cir.), 04.07.1991 – Mercier v. Sheraton International, Inc., 935 F.2d 419. Vgl. auch Buxbaum, Willamette J. Int'l L. & Dispute Res. 12 (2004), S. 185 (196–205) m.w.N. 35 Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853 (1862, 1878–1880) mit Hinweis auf weitere prozessuale Besonderheiten der Geltendmachung einer Derogation im Wege eines forum non conveniens-Antrags. 36 Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853 (1862). 37 US Court of Appeals (2nd Cir.), 27.05.1998 – Evolution Online Systems, Inc. v. Koninklijke PTT Nederland N.V., 145 F.3d 505, 510; US District Court (E.D. New York), 14.10.2005 – Hongkong and Shanghai Banking Corporation Ltd. v. Suveyke, 392 F.Supp.2d 489, 491; Corsico, Nw. U. L. Rev. 97 (2003), S. 1853 (1863). Für Fälle, in denen Gerichte forum non conveniens-Anträge zum Anlass nehmen, über die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung unter Abwägung von Kriterien zu entscheiden, welche von den Grundsätzen des reasonableness-Tests in der Bremen-Entscheidung abweichen, s. oben § 3 A. II. 2. a) aa) (3). 38 Ausführlich dazu oben § 1 A. I. 1. a) aa) (b).
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Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klage können gem. r. 12 (b) Fed.R.Civ.P. in der Klageerwiderung oder im Rahmen von Sonderanträgen, sog. motions vorgebracht werden. Ausschließliche Prorogationen, die der internationalen Zuständigkeit eines US-amerikanischen Gerichts entgegenstehen, werden in der Praxis im Rahmen von motions geltend gemacht.39 Über motions wird in der Regel aufgrund des Vorbringens des Antragstellers, der Erwiderung des Antragsgegners sowie einer mündlichen Verhandlung im Rahmen eines sog. motion day lange vor Beginn der gerichtlichen Hauptverhandlung, sog. trial, entschieden.40 Weist ein erstinstanzliches Gericht eine Zuständigkeitsrüge zurück, hat der Beklagte in der Regel keine Möglichkeit, gegen die auf die jurisdiction beschränkte Entscheidung ein Rechtsmittel einzulegen. Rechtsmittelfähig sind in der bundesgerichtlichen Praxis gem. 28 U.S.C. § 1291 grundsätzlich nur final decisions, d.h. Entscheidungen, in denen sich das Gericht abschließend mit allen jeweils anstehenden Sach- und Rechtsfragen befasst hat. 41 Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen Zwischenentscheidungen (sog. interlocutory appeal) ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Eine Ausnahme besteht nach der sog. collateral order doctrine für Entscheidungen, die eine Tatsachen- oder Rechtsfrage abschließend behandeln und nicht effektiv mit einem gegen das Endurteil in der Hauptsache gerichteten Urteil angegriffen werden können.42 Die Frage, ob eine ablehnende Entscheidung zu einem Antrag auf Klageabweisung wegen internationaler Unzuständigkeit unter diese Doktrin fällt, dürfte nach dem Urteil des US Supreme Court in Van Cauwenberghe v. Biard jedoch zu verneinen sein. Das Gericht hat darin entschieden, dass eine abweisende Entscheidung über einen forum non conveniens-Antrag nicht unter die collateral order doctrine-Ausnahme fällt und dies u.a. damit begründet, dass in solchen Fällen 28 U.S.C. § 1292 (b) als Spezial39 Vgl. etwa US Court of Appeals (2nd Cir.), 27.05.1998 – Evolution Online Systems, Inc. v. Koninklijke PTT Nederland N.V., 145 F.3d 505; US District Court (S.D. California), 08.05.2001 – Meridian Seafood Products, Inc. v. Fianzas Monterrey, S.A., 149 F.Supp.2d 1234; US District Court (S.D. Florida), 28.07.2004 – Pelican Ventures LLC v. Azimut S.p.A., 2004 U.S. Dist. LEXIS 26764; US District Court (E.D. New York), 14.10.2005 – Hongkong and Shanghai Banking Corporation Ltd. v. Suveyke, 392 F.Supp.2d 489; US District Court (D. Puerto Rico), 27.02.2006 – Morales v. Royal Caribbean Cruises, Ltd., 419 F.Supp.2d 97; US Court of Appeals (2nd Cir.), 24.07.2007 – Phillips v. Audio Active Ltd., 494 F.3d 378. Vgl. auch Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 350, wonach die Geltendmachung von prozessrechtlichen Einwendungen gegen die Klage im Rahmen von motions „weitaus gebräuchlicher“ ist. 40 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 350 f. 41 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 709, 712; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 211. 42 US Supreme Court, 21.06.1978 – Coopers & Lybrand v. Livesay, 437 U.S. 463, 468; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 713 f.; Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 118 f.
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norm Vorrang genieße.43 Diese Vorschrift eröffnet die Möglichkeit eines interlocutory appeal allerdings nur unter engen Voraussetzungen: Die Zwischenentscheidung muss sich auf eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage beziehen, die noch nicht abschließend geklärt ist und kontrovers diskutiert wird. Dem appeal müssen außerdem sowohl das erstinstanzliche als auch das Rechtsmittelgericht zustimmen.44 Wegen dieser Einschränkungen hat 28 U.S.C. § 1292 (b) in der Praxis keine große Bedeutung. 45 Festzuhalten ist somit, dass die ablehnende Entscheidung über einen Antrag auf Klageabweisung wegen fehlender internationaler Zuständigkeit in der Regel erst nach der Entscheidung in der Hauptsache Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens sein kann.46 Aus dieser Besonderheit ergeben sich auch Konsequenzen für die Anforderungen an eine rügelose Einlassung: Hat der Beklagte den Einwand fehlender internationaler Zuständigkeit nach den bereits genannten Standards rechtzeitig erhoben, wurde dieser jedoch zurückgewiesen, kann seine nachträgliche Verteidigung in der Sache nicht als Unterwerfung unter die jurisdiction US-amerikanischer Gerichte gewertet werden, solange er die Zuständigkeitsrüge aufrechterhält.47 Die Entscheidung über die jurisdiction US-amerikanischer Gerichte ist in vielen Fällen mit erheblichem finanziellem Aufwand verbunden.48 Wie hoch die Kosten für die Durchsetzung einer internationalen Gerichtsstandsvereinbarung sein können, zeigt ein Fall aus der jüngeren Zeit, in dem eine Partei entgegen einer Vereinbarung über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in Barcelona vor einem Federal District Court in Florida verklagt wurde. Das Gericht hat seine jurisdiction wegen der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung verneint und die Klage abgewiesen.49 Die Entscheidung wurde in der zweiten Instanz bestätigt.50 Für die Rechtsverteidigung in den USA entstanden dem Beklagten Kosten i.H.v. € 835.000.51 43
US Supreme Court, 13.06.1988 – Van Cauwenberghe v. Biard, 486 U.S. 517. Vgl. zu den Voraussetzungen US Supreme Court, 21.06.1978 – Coopers & Lybrand v. Livesay, 437 U.S. 463, 475 f.; US Court of Appeals (8th Cir.), 21.12.1994 – White v. Nix, 43 F.3d 374, 376. 45 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 720; Dorsel, Forum non conveniens, 1996, S. 119. 46 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 330. 47 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 330. 48 Sandrock, RIW 2004, S. 809 (811). 49 US District Court (S.D. Florida), 17.06.1999 – Velazquez and Mars Entertainment, Inc. v. USA Sogo, Inc., 1999 U.S. Dist. LEXIS 12348. 50 US Court of Appeals (11th Circuit), 15.09.2000 – Velazquez v. U.S. Sogo, Inc., 234 F.3d 33. 51 Vgl. Spanish Supreme Court, 12.01.2009 – USA Sogo Inc. v. Angel Jesus, IPRax 2009, S. 529 (526). Vor spanischen Gerichten suchte der Beklagte anschließend Ersatz 44
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b) Antrag auf federal transfer gem. 28 U.S.C. § 1404 (a) Wird eine Partei unter Verstoß gegen die internationale Prorogation zugunsten eines Bundesgerichts vor einem anderen Bundesgericht verklagt, steht ihr alternativ zu dem Antrag auf Klageabweisung die Möglichkeit zu, die Übertragung der Streitigkeit an das vereinbarte Gericht im Wege des federal transfer gem. 28 U.S.C. § 1404 (a) zu verlangen. Ob die Partei zum federal transfer greift oder Klageabweisung beantragt, wird sie unter Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile entscheiden. Der Weg über 28 U.S.C. § 1404 (a) kann insbesondere aus drei Gründen vorteilhaft sein: Da beim federal transfer die Streitigkeit lediglich verwiesen wird, verzögert sie die Endentscheidung wesentlich weniger als eine Klageabweisung. Bei einer Verweisung werden zum anderen – anders als bei der Klageabweisung – Verjährungsfristen gewahrt. 52 Von Bedeutung kann die federal transfer-Alternative schließlich in diversity-Fällen sein, in denen das abredewidrig angerufene Bundesgericht die Gerichtsstandsvereinbarung nicht wie die Mehrheit der federal courts nach den Kriterien des Bremen-Standards, sondern nach einzelstaatlichem Recht beurteilt. Wäre die fragliche Prorogationsabrede nach diesem Recht – anders als nach dem Bremen-Test – unwirksam, könnte der Beklagte im Wege des federal transfer die Übertragung der Streitigkeit an ein Bundesgericht beantragen, welches den Bremen-Maßstab anlegt.53 Je nach Einzelfallumständen kann jedoch der Antrag auf Klageabweisung dem Ersuchen um federal transfer vorzuziehen sein: Die Entscheidung über die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen von 28 U.S.C. § 1404 (a) richtet sich nicht nach den strengen Kriterien des Bremen-Tests 54 , sondern nach einem forum non conveniens-ähnlichen Maßstab. Bei einem federal transfer-Antrag besteht somit ein höheres Risiko, dass das Gericht eine entgegenstehende Zuständigkeitsabrede ignoriert und einen transfer ablehnt. 55 Außerdem führt der federal transfer nicht zu einem Statutenwechsel: Wird die Streitigkeit an das prorogierte Gericht verwiesen, hat dieses bei seiner Entscheidung das vom Erstgericht anzuwendende Kollisions- und Sachrecht zugrunde zu legen.56 Ist der beder für die Prozessführung in den USA aufgewendeten Kosten. Vgl. zu diesem Urteil unten § 11 B. I. 1. a) bb) (2). Zu den Regelungen der US-amerikanischen Rechte über die Verteilung der Prozesskosten s. sogleich § 6 A. II. 2. 52 Vgl. Borchers, Wash. L. Rev. 67 (1992), S. 55 (75). 53 Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (466). 54 S. dazu oben § 1 A. I. 1. a) aa) (b). 55 S. zu der forum non conveniens-Lehre im US-amerikanischen Recht oben § 3 A. II. 1. b) bb). 56 US Supreme Court, 30.03.1964 – Van Dusen v. Barrack, 376 U.S. 612, 639; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 145; Schulz, RabelsZ 69 (2005), S. 420 (430 f.). Vor dem
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klagten Partei an der Anwendung des IPR des vereinbarten Forums besonders gelegen, empfiehlt sich daher die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung mittels Antrags auf Klageabweisung. 28 U.S.C. § 1404 (a) sieht ausdrücklich keine zeitlichen Grenzen für das Ersuchen um federal transfer vor. Da für die Entscheidung über die Verweisung jedoch neben fairness- und convenience-Kriterien stets auch prozessökonomische Gesichtspunkte eine Rolle spielen 57 , ist davon auszugehen, dass lange nach Beginn des Verfahrens gestellte Anträge geringe Erfolgschancen haben. Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Abweisung eines federal transfer-Antrags ist erst nach der Entscheidung des Gerichts in der Sache möglich.58 2. Verfahrensrechtliche Folgen einer erfolgreichen Zuständigkeitsrüge Hält sich ein US-amerikanisches Gericht für abredewidrig angerufen und will es die Gerichtsstandsvereinbarung durchsetzen, wird es in der Regel die Klage als unzulässig abweisen (dismissal)59, in seltenen Fällen das Verfahren aussetzen.60 Bei einem federal transfer wird die Streitigkeit an das prorogierte Bundesgericht verwiesen. Im Gegensatz zum englischen Zivilprozessrecht steht einem in der Zuständigkeitsfrage obsiegenden Beklagten entsprechend der im US-Bundesrecht und in den meisten einzelstaatlichen Prozessordnungen geltenden American rule of costs ein nur eingeschränkter Kostenersatzanspruch zu. Von der unterlegenen Partei zu erstatten sind lediglich einzelne meist gesetzlich fixierte Kostenposten, wie etwa die für die Dienste eines marshal – beispielsweise für Zustellungen – angefallenen Aufwendungen Hintergrund, dass ein federal transfer keine Änderung des anwendbaren Rechts mit sich bringt, wird er häufig als bloßer „change of court rooms“ bezeichnet: US Supreme Court, 30.03.1964 – Van Dusen v. Barrack, 376 U.S. 612, 637; US Supreme Court, 05.03.1990 – Ferens v. John Deere Co., 494 U.S. 516, 524 f. 57 Born, Civil Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 503. 58 Vgl. auch Lederman, N.Y.U.L. 66 (1991), S. 422 (438–440); Borchers, Wash. L. Rev. 67 (1992), S. 55 (86). 59 Vgl. etwa US District Court (E.D. Pennsylvania), 10.12.1975 – In re Lidoriki Maritime Co., 404 F.Supp. 1402; US Court of Appeals (9th Cir.), 28.09.1988 – ManettiFarrow, Inc. v. Gucci Parfums S.p.A., 858 F.2d 509; US District Court (E.D. New York), 14.10.2005 – Hongkong and Shanghai Banking Corporation Ltd. v. Suveyke, 392 F.Supp.2d 489; US District Court (D. Puerto Rico), 27.02.2006 – Morales v. Royal Caribbean Cruises, Ltd., 419 F.Supp.2d 97; US District Court (S.D. New York), 28.03.2006 – Korean Press Agency, Inc. v. Yonhap News Agency, 421 F.Supp.2d 775. 60 Vgl. etwa US District Court (C.D. Illinois), 17.09.1979 – Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F.Supp.1205, 1210: Aussetzung der Klage wurde angeordnet, um dem Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens für den Fall zu ermöglichen, dass das prorogierte ausländische Gerichte seine Zuständigkeit ablehnt.
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und die Gebühren für die Tätigkeit der court reporter, die im Rahmen des pre-trial discovery und der mündlichen Hauptverhandlung Wortlautprotokolle erstellen.61 Der Kläger ist darüber hinaus stets Schuldner der einheitlichen und streitwertunabhängigen Gerichtsgebühr für die Erhebung einer Zivilklage, die zurzeit gem. 28 U.S.C. § 1914 (a) bei US$ 350 liegt. 62 Die Anwaltsgebühren und Sachverständigenhonorare, die in den USA unabhängig vom Streitwert sind, den größten Teil der Verfahrenskosten ausmachen und – wie in dem oben geschilderten Fall – horrende Höhen erreichen können, sind nach der in r. 54 (d) (1) Fed.R.Civ.P verkörperten American rule of costs dagegen von jeder Partei selbst zu tragen.63 Zwei Bundesstaaten sehen insoweit eine Ausnahme vor: Das Recht von Alaska (r. 82 Alaska Civ.R.) sowie das Recht von Washington (§ 4.28.185 (5) Wash. Rev. Code) erlauben die Erstattung angemessener Anwaltsgebühren der obsiegenden Partei. Der Ursprung der American rule of costs wird in dem starken lobbying der Anwälte Mitte des 19. Jahrhundert und der damit bewirkten Liberalisierung der Anwaltschaft vermutet, die von einer gesetzlichen oder gerichtlichen Kontrolle ihrer Vergütung durch die Kostenerstattung befreit sein wollte.64 Die US-amerikanischen Gerichte sind nicht befugt, kraft Ermessens im Einzelfall von der American rules of costs abzuweichen. Insoweit gilt ein strenger Gesetzesvorbehalt.65 Normen, die den Richtern erlauben, die Prozess- und Anwaltskosten der unterlegenen Partei aufzuerlegen (sog. fee shifting provisions) existieren etwa im Umweltschutzrecht 66 , im kartellund wettbewerbsrechtlichen Bereich 67 sowie im Gesellschaftsrecht 68 . In
61 Die erstattungsfähigen Kosten sind abschließend in 28 U.S.C. § 1920 aufgezählt. Vgl. dazu Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 76–78, 81–86. 62 Vgl. zu einem Kostenvergleich zwischen den in den USA und in Deutschland für die Erhebung einer Klage auf Schadensersatz i.H.v. € 10 Millionen erforderlichen Gerichtsgebühren Schack, in: FS Schlosser, 2005, S. 839 (840). 63 Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 154; Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 108 f. Das Anwaltshonorar bemisst sich nach Stundensätzen (hourly billing), die zwischen US$ 200 und 500 liegen können, oder nach einem Prozentsatz des tatsächlich erstrittenen Betrags (quota litis), wenn ein Erfolgshonorar (contingent fee) vereinbart wurde. Vgl. dazu Schack, in: FS Schlosser, 2005, S. 839 (840 f.) und Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 22–24. 64 Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 108. 65 US Supreme Court, 12.05.1975 – Alyeska Pipeline Service Co. v. Wilderness Society, 421 U.S. 240, 247 (White J): „[it is] inappropriate for the Judiciary, without legislative guidance […] to reallocate the burdens of litigation…“; Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 109. 66 Vgl. im Bundesrecht etwa 16 U.S.C. § 1540 (g) (4) (Endangered Species Act), 33 U.S.C. §§ 1365, 1369 (Clean Water Act), 42 U.S.C. § 7607 (f) (Clean Air Act). 67 Vgl. im Bundesrecht etwa 15 U.S.C. § 15 (a).
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der Praxis werden diese Ausnahmen jedoch häufig so ausgelegt, dass lediglich der obsiegende Kläger, nicht dagegen der obsiegende Beklagte seine Kosten von der anderen Partei ersetzt verlangen kann.69 Als weitere Grundlage für eine von der American rule of costs abweichende Kostenverteilung kommt r. 11 Fed.R.Civ.P. in Betracht. Diese Regel statuiert für die schriftliche Vornahme von Prozesshandlungen durch Parteien und ihre Anwälte bestimmte Verhaltensanforderungen und erlaubt den Gerichten für den Fall der Nichteinhaltung, geeignete Sanktionen zu verhängen. Die Norm verpflichtet Parteien bzw. ihre Anwälte u.a. dazu, vor Einreichen von Schriftsätzen, Anträgen und anderen Dokumenten eine den Umständen angemessene Prüfung der Rechtslage und der Beweisbarkeit der behaupteten Tatsachen vorzunehmen. Die Haftung für Verstöße gegen diese Anforderungen soll von leichtfertigen Klagen und Verteidigungen sowie insgesamt von verzögernden und missbräuchlichen Prozesstaktiken abschrecken.70 Die Auferlegung der Prozess- und Anwaltskosten auf die unterlegene Partei ist als Sanktion im Rahmen von r. 11 (c) Fed.R.Civ.P. zwar grundsätzlich anerkannt.71 Bei der Reform der Norm im Jahre 1993 wurde jedoch ausdrücklich betont, dass eine solche Maßnahme nur ausnahmsweise vorgenommen werden soll: Im Falle unzulässiger, unberechtigter oder missbräuchlicher Klagen sei primär die Klageabweisung anzuordnen, um zu verhindern, dass weitere Kosten entstehen. Andernfalls bestehe die Gefahr einer Aushöhlung der American rule of costs.72 Im Ergebnis ist somit festzuhalten, dass der im Zuständigkeitsstreit erfolgreiche Beklagte seine Prozess- und Anwaltskosten in der Regel selbst zu tragen hat.
III. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im deutschen Recht Nach einer Darstellung der in Deutschland bestehenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Zuständigkeitsrüge (1.) sollen deren prozessuale Folgen erläutert werden (2.).
68 Eine Kostenpflichtigkeit für die unterlegene Partei ist etwa möglich bei sog. shareholder’s derivative suits, Klagen von Aktionären zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft, vgl. dazu Mykkeltvedt, Ga. L. Rev. 36 (2002), S. 1149. 69 Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 109 sowie ausführlich zu den Ausnahmen von der American rule of costs S. 108–118. 70 Reinhard, Beklagtenschutz, 2006, S. 61 f. 71 Reinhard, Beklagtenschutz, 2006, S. 73; Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 138. 72 Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 138 f.; Reinhard, Beklagtenschutz, 2006, S. 73 f.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
1. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Zuständigkeitsrüge Deutsche Gerichte haben ihre internationale Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen.73 Dieser Grundsatz wird jedoch dadurch abgeschwächt, dass in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die internationale Zuständigkeit gem. §§ 39, 40 II S. 2 ZPO durch rügelose Einlassung des Beklagten zur Hauptsache begründet werden kann. Da das Parteiverhalten insoweit Vorrang hat, kommt eine Amtsprüfung nur in Fällen in Betracht, in denen nicht ohnehin nach § 39 ZPO ein internationaler Gerichtsstand in Deutschland eröffnet ist.74 Über die Zulässigkeit einer Klage wird in Deutschland – anders als etwa in England und den USA – in der Regel nicht vor der Hauptsacheverhandlung entschieden.75 Das Gericht kann jedoch gem. § 280 I ZPO eine gesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage anordnen. Bei Zweifeln an der internationalen Zuständigkeit wird von dieser Möglichkeit oft Gebrauch gemacht. 76 Am Ende der gesonderten Verhandlung kann nach § 280 II S. 1 ZPO ein Zwischenurteil ergehen, welches hinsichtlich der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen ist. Unabhängig von der Möglichkeit eines Zwischenurteils unterliegen Endurteile auch hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit einer Kontrolle durch die Rechtsmittelgerichte: Die Regelungen in §§ 513 II, 545 II ZPO, wonach Berufung und Revision nicht darauf gestützt werden können, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, betrifft nach einheitlicher Auffassung nur die örtliche und sachliche Zuständigkeit.77 Für die Beweislastverteilung im Rahmen der Zuständigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze. Macht die vor deutschen Gerichten verklagte Partei eine Prorogation zugunsten eines ausländischen Forums geltend, obliegt es somit ihr nachzuweisen, dass die Abrede wirksam abgeschlossen wurde, zulässig ist und das in ihr benannte Gericht ausschließlich zuständig ist. Bei der Beurteilung der Gerichtsstandsvereinbarung genießen deutsche – anders als etwa englische und US-amerikanische Richter – nach autono73 BGH, 14.06.1965 – GSZ 1/65, NJW 1965, S. 1665 (1666); BGH, 24.09.1986 – VIII ZR 320/85, NJW 1987, S. 592 (594); BGH, 23.02.1995 – I ZR 15/93, NJW-RR 1995, S. 810; BGH, 25.02.1999 – VII ZR 408-97, NJW 1999, S. 2442. 74 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1816; Kropholler, IPR, 6. Aufl. 2006, S. 641. 75 Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 244; Hess/Pfeiffer/Schlosser, Report on Brussels I Application – Germany, § 2.1.6. 76 Vgl. etwa LG Bonn, 27.07.1995 – 13 O 370/93, IPRax 1997, S. 267 und LG Kiel, 30.01.2008 – 14 O 90/05, IPRax 2009, S. 164. 77 BGH, 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426; BGH, 16.12.2003 – XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456; Kropholler, IPR, 6. Aufl. 2006, S. 642; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1855.
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mem Recht kein Ermessen zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit des designierten Forums.78 Die zeitlichen Grenzen für die Erhebung der Zuständigkeitsrüge hängen von der konkreten Verfahrensweise ab: Hat das Gericht einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung gem. §§ 275, 272 II Alt. 1 ZPO anberaumt, kann der Beklagte bis zu diesem den Einwand der fehlenden internationalen Zuständigkeit wie auch alle anderen die Zulässigkeit der Klage betreffenden Rügen vorbringen, § 282 III S. 1 ZPO. Hat das Gericht hingegen ein schriftliches Vorverfahren gem. §§ 276, 275 II Alt. 2 ZPO veranlasst und dem Beklagten eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung gesetzt, ist die Rüge der internationalen Zuständigkeit innerhalb dieser Frist zu erheben, § 282 III S. 2 ZPO. Hat die verklagte Partei die fehlende internationale Zuständigkeit rechtzeitig geltend gemacht, kann sie zur Hauptsache verhandeln, ohne zu riskieren, dass dies als rügelose Einlassung gem. § 39 S. 1 ZPO gewertet werden wird.79 Hat das Gericht den Unzuständigkeitseinwand in einem Vorverfahren gem. § 280 I ZPO abgewiesen und nach § 280 II S. 2 ZPO die Verhandlung zur Hauptsache angeordnet, scheidet eine rügelose Einlassung gem. § 39 S. 1 ZPO ebenfalls aus, wenn die beklagte Partei unter dem Vorbehalt der fehlenden internationalen Zuständigkeit Ausführungen zum Streitgegenstand macht. 2. Verfahrensrechtliche Folgen einer erfolgreichen Zuständigkeitsrüge Bei fehlender internationaler Zuständigkeit ist das Verfahren unzulässig und die Klage durch Prozessurteil abzuweisen.80 Dem unterlegenen Kläger sind gem. § 91 I S. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.81 Darunter fallen zum einen die nach dem GKG zu bestimmenden streitwertabhängigen Gerichtskosten. 82 Erfasst sind zum anderen die außergerichtlichen Ausgaben der obsiegenden Partei, wie etwa Anwaltsgebühren, Auslagen für Vorbereitung des Verfahrens und Reisen zum Termin, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.83 Die Erstattung der Anwaltskosten ist zwar nur bis zur Höhe der gesetzlichen 78
S. hierzu oben § 3 A. III. 2. Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 39 Rn. 4. 80 Kropholler, IPR, 6. Aufl. 2006, S. 642. Eine Verweisung an ein ausländisches Gericht gem. § 281 I S. 1 ZPO kommt nicht in Betracht, die Norm findet lediglich in Fällen fehlender örtlicher und sachlicher Zuständigkeit Anwendung: MünchKomm-ZPO/ Prütting, 3. Aufl. 2008, § 281 Rn. 5; Kropholler, IPR, 6. Aufl. 2006, S. 643. 81 Die Kostenregelung von § 281 III ZPO findet in Fällen fehlender internationaler Zuständigkeit keine Anwendung. 82 Vgl. dazu Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 79 f. 83 Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 91 Rn. 1; Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 92 f. 79
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streitwertabhängigen Gebührensätze des RVG möglich.84 Für die obsiegende Partei hat das in der Regel keinen Nachteil, da sich in Deutschland auch die Honoraransprüche der Rechtsanwälte im Innenverhältnis gegen ihre Mandanten vorbehaltlich einer vertraglichen Vereinbarung nach der gesetzlichen Vergütung richten. 85 Zu einer lediglich teilweisen Erstattung führen die Grenzen des RVG dagegen bei Honoraren ausländischer Rechtsanwälte, die Parteien eines deutschen Verfahrens beauftragt haben, etwa für rechtliche Beratung nach ausländischem Recht oder vorprozessuale Rechtsdurchsetzung gegen eine ausländische Partei: Entgegen der herrschenden Auffassung, wonach sich die Höhe der erstattungsfähigen Kosten eines auswärtigen Anwalts nach dem Recht richtet, das auf den Vertrag zwischen diesem und der erstattungsberechtigten Partei anwendbar ist 86 , hat der BGH in einem Urteil aus der jüngeren Zeit entschieden, dass für die Erstattungsfähigkeit von Honoraren, welche nach einem ausländischen Statut zulässig sind, die Maßstäbe des RVG als Obergrenze gelten.87 Im Unterschied zum anglo-amerikanischen Recht kann der vor deutschen Gerichten obsiegende Beklagte somit in der Regel mit einer vollen Erstattung seiner Prozesskosten rechnen.
B. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen in international vereinheitlichten Rechten Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen und Folgen einer Rüge der internationalen Zuständigkeit regeln die EuGVVO (I.) und das HGÜ (II.) nur lückenhaft. Die einheitsrechtlichen Vorschriften weisen jedoch einige wichtige Unterschiede zu den autonomen Rechten auf, die nachfolgend zu beleuchten sind.
I. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im Anwendungsbereich der EuGVVO Die EuGVVO enthält keine unmittelbaren Regelungsvorgaben zu den Voraussetzungen und Folgen der Rüge der internationalen Zuständigkeit. Für diese Aspekte gelten daher innerhalb Europas die nationalen Rechte. Diese gestalten den prozessualen Rahmen und die Folgen des Einwands fehlen84 MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl. 2008, vor §§ 91 ff. Rn. 11. Vgl. zu der Berechnung der Vergütung im Einzelnen Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 34–39. 85 Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 26 f., 92 f. 86 OLG Frankfurt a.M., 19.10.1976 – 20 W 744/76, AnwBl 1977, S. 28; KG Berlin, 19.01.1971 – 1 W 10246/70, JurBüro 1971, S. 624; OLG München, 29.05.1998 – 11 W 1338-98, NJW-RR 1998, S. 1692 (1693). 87 BGH, 08.03.2005 – VIII ZB 55/04, NJW 2005, S. 1373 (1374); zustimmend Mankowski, NJW 2005, S. 2346.
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der internationaler Zuständigkeit teilweise höchst unterschiedlich aus: Während in manchen Ländern, wie etwa England, die Frage der internationalen Zuständigkeit typischerweise in einem Vorverfahren entschieden wird88, ist anderen Prozessrechten ein derartiges Vorabentscheidungsverfahren gänzlich fremd. 89 Während mancherorts bei Klageabweisung aufgrund fehlender internationaler Zuständigkeit eine Kostenfolge zulasten des Klägers vorgesehen ist, hat in anderen Ländern eine Partei ihre Verfahrenskosten auch dann zu tragen, wenn sie in der Zuständigkeitsfrage obsiegt.90 In der EuGVVO greift die Geltendmachung fehlender internationaler Zuständigkeit allerdings nur, solange sich der Beklagte nicht gem. Art. 24 EuGVVO rügelos eingelassen hat. In Rechtsprechung und Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass die durch rügelose Einlassung eröffnete Zuständigkeit auch der durch ausschließliche Prorogation begründeten Entscheidungskompetenz eines anderen Gerichts vorgeht. 91 Begründet wird dies zum einen mit dem Wortlaut von Art. 24 S. 2 EuGVVO, der eine rügelose Einlassung nur bei anderweitiger ausschließlicher Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO versperrt, auf Art. 23 EuGVVO jedoch nicht Bezug nimmt.92 Zu Recht wird zum anderen auf die Freiheit der Parteien von Gerichtsstandsabreden hingewiesen, ihre Streitigkeit in einem anderen als dem ursprünglich vereinbarten Forum auszufechten. Aus dem Vorrang von Art. 24 EuGVVO gegenüber Art. 23 EuGVVO folgt, dass ein mitgliedstaatliches Gericht eine auf ein anderes Forum lautende ausschließliche 88
S. oben § 6 A. I. 1. Das gilt etwa für Ungarn und Polen, vgl. Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberger Bericht, Rn. 177. 90 So etwa gilt im slowakischen und tschechichen Recht der Grundsatz, dass jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten selbst zu tragen hat. In England besteht Unsicherheit darüber, ob eine abredewidrig verklagte Partei bei Obsiegen in der Zuständigkeitsfrage vollständigen Ersatz ihrer Prozesskosten erlangen kann, s. oben § 6 A. I. 2. 91 EuGH, 24.06.1981 – Rs. 150/80, Elefanten Schuh GmbH ./. Jacqmain, Slg. 1981, 1671, Rn. 8–11; EuGH, 07.03.1985 – C-48/84, Spitzley ./. Sommer, Slg. 1985, 787, Rn. 12–27. Beide EuGH-Entscheidungen betreffen die Vorgängerregel in Art. 18 EuGVÜ. Vgl. auch Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 24 EuGVVO Rn. 1; Rauscher-EuZPR/ Staudinger, Neubearb. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 12; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 552; Hausmann, in: Reithmann/Martiny (Hrsg.), Int. Vertragsrecht, 6. Aufl. 2004, Rn. 6517. 92 EuGH, 24.06.1981 – Rs. 150/80, Elefanten Schuh GmbH ./. Jacqmain, Slg. 1981, 1671, Rn. 9–11; EuGH, 07.03.1985 – C-48/84, Spitzley ./. Sommer, Slg. 1985, 787, Rn. 24–27; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 24 EuGVVO Rn. 45; RauscherEuZPR/Staudinger, Neubearb. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 12; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 571. 89
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Prorogation nicht von Amts wegen, sondern nur auf entsprechenden Parteiantrag zu beachten hat. Kontrovers diskutiert wird hingegen der räumlich-persönliche Geltungsbereich von Art. 24 EuGVVO. Ein Teil des Schrifttums befürwortet die Anwendung der Regel lediglich in Fällen, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz innerhalb der EU hat. 93 Hierfür wird insbesondere Art. 4 I EuGVVO vorgebracht, der den mitgliedstaatlichen Gerichten die Anwendung ihrer nationalen Zuständigkeitsnormen gestattet, wenn der Beklagte außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist und kein Fall von Art. 22 oder 23 EuGVVO vorliegt. Aus dem fehlenden Vorbehalt zugunsten Art. 24 EuGVVO folge, dass diese Vorschrift entsprechend dem Grundsatz in Art. 4 I EuGVVO bei einem außerhalb der EU wohnhaften Beklagten keinerlei Geltung entfalten soll. 94 Andere Autoren sprechen sich hingegen unter Hinweis auf eine beiläufige Bemerkung des EuGH in dem Urteil Group Josi Reinsurance Company SA ./. UGIC95 dafür aus, Art. 24 EuGVVO auch dann anzuwenden, wenn beide Parteien ihren Wohnsitz außerhalb der EU haben.96 Eine dritte Auffassung befürwortet, den Geltungsbereich von Art. 24 EuGVVO in Anlehnung an den von Art. 23 I S. 1 EuGVVO zu bestimmen, verlangt also dass eine der Parteien ihren Wohnsitz innerhalb der EU hat.97 Für letztere Auffassung spricht, dass Art. 23 und 24 EuGVVO im Abschnitt 7 enthalten sind, der die Überschrift „Vereinbarung über die Zuständigkeit“ trägt. Aus dieser systematischen Stellung folgt, dass die rügelose Einlassung als eine stillschweigende Gerichtsstandsabrede anzusehen ist. 98 Es erscheint daher geboten, das Wohnsitzerfordernis von Art. 23 I S. 1 EuGVVO auf Art. 24 EuGVVO zu erstrecken. Art. 24 EuGVVO ist somit zu beachten, sobald eine der Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung innerhalb der EU ansässig ist.
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Kruger, EU Jurisdiction Rules, 2008, Rn. 2.168; Jenard, Bericht zu EuGVÜ (38); differenzierend Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 573–579 und wohl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, Art. 23 EuGVVO Rn. 3 unter Bezugnahme auf BGH, 21.11.1996 – IX ZR 264/95, NJW 1997, S. 397 (398) zum Geltungsbereich von Art. 18 EuGVÜ. 94 Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 574–576. 95 EuGH, 13.07.2000 – Rs. C-412/98, Group Josi Reinsurance Company SA ./. Universal General Insurance Company [UGIC], Slg. 2000, I-5925, Rn. 43–45. 96 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 24 EuGVVO Rn. 1. 97 Rauscher-EuZPR/Staudinger, Neubearb. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 2; Kropholler/ v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 24 EuGVVO Rn. 4; Art. 24 EuGVVO Rn. 3 f.; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Art. 24 EuGVVO Rn. 550. 98 Rauscher-EuZPR/Staudinger, Neubearb. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 2.
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Wann das Verhalten vor Gericht als Einlassung i.S.v. Art. 24 S. 1 EuGVVO zu werten ist, ist autonom auszulegen. 99 Nach überwiegender Auffassung reicht es, wenn sich der Beklagte zur Hauptsache äußert. Dies wirkt nur dann nicht zuständigkeitsbegründend, wenn die Einlassungen hilfsweise neben der Zuständigkeitsrüge gemacht werden. 100 Art. 24 S. 1 EuGVVO greift darüber hinaus bereits dann, wenn der Beklagte andere Zulässigkeitsvoraussetzungen als die internationale Zuständigkeit rügt, also den Einwand entgegenstehender res judicata oder anderweitiger Rechtshängigkeit erhebt. 101 Welche zeitlichen Grenzen für die Erhebung der Zuständigkeitsrüge gelten, richtet sich hingegen nicht nach einem euroautonomen Maßstab, sondern nach den Kriterien des anwendbaren einzelstaatlichen Verfahrensrechts.102
II. Die Zuständigkeitsrüge und ihre Folgen im Anwendungsbereich des HGÜ Genauso wenig wie in der EuGVVO hat die Zuständigkeitsrüge im HGÜ eine eigenständige Regelung erhalten. Daher gelten auch hier hinsichtlich prozessualer Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Einwands fehlender Entscheidungskompetenz die einzelstaatlichen Verfahrensrechte. Abweichend von der EuGVVO wirkt allerdings im Anwendungsbereich des HGÜ das Unterlassen der Geltendmachung einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung nicht zuständigkeitsbegründend. Denn Art. 6 HGÜ zählt abschließend die Gründe auf, wegen derer ein derogiertes Gericht sich über eine Prorogation zugunsten eines anderen Forums hinwegsetzen kann. Aus einer rügelosen Einlassung ergibt sich kein solcher Grund. Auch wenn diese nach einzelrechtlichen Maßstäben zuständigkeitsbegründend wäre, berechtigt dies im Anwendungsbereich des HGÜ daher nicht dazu, eine Derogation zu übergehen. Diese „Einlassungsfestigkeit“ von Derogationen hat zweierlei Konsequenzen: Zum einen kann ein abgewähltes Gericht die Anerkennung einer Zuständigkeitsabrede nicht allein mit dem Argument ablehnen, deren Gel99 OLG Koblenz, 08.03.2000 – 2 U 1788/99, IPRax 2001, S. 334 (336); LG Kiel, 30.01.2008 – 14 O 90/05, IPRax 2009, S. 164 (165); Rauscher-EuZPR/Staudinger, Neubearb. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 4. 100 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 551; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 24 EuGVVO Rn. 9; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 563. 101 BAG, 24.09.2009 – 8 AZR 306/08, RIW 2010, S. 232 (234); LG Kiel, 30.01.2008 – 14 O 90/05, IPRax 2009, S. 164 (165); OLG Frankfurt a.M., 20.04.2005 – 4 U 233/04, NJW-RR 2005, S. 935; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 551; RauscherEuZPR/Staudinger, Neubearb. 2011, Art. 24 EuGVVO Rn. 4. 102 OLG Koblenz, 08.03.2000 – 2 U 1788/99, IPRax 2001, S. 334 (336); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 553; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 24 EuGVVO Rn. 5; Heinig, Gerichtsstandsvereinbarungen, 2010, S. 562 f.
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tendmachung komme nach nationalem Recht zu spät. Zum anderen ist dieses Gericht verpflichtet, das Vorliegen einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung von Amts wegen zu prüfen. In der Praxis wird dies freilich nur geringfügige Auswirkung haben. Denn nach dem Beibringungsgrundsatz wird es nach wie vor Sache der Parteien sein, die Zuständigkeitsabrede zum Prozessstoff zu machen. Nur wenn sich aus dem Parteivortrag die Existenz einer solchen Vereinbarung ergibt, wird das angerufene Gericht von Amts wegen zu prüfen haben, ob ihm diese seine internationale Zuständigkeit nach den Regeln des HGÜ nimmt.
C. Die Rüge der Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts und ihre Folgen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Diskussion von Reformvorschlägen für die EuGVVO Die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen für die Geltendmachung einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung weichen in den hier verglichenen Rechtsordnungen mitunter stark voneinander ab (I.), so dass sich die Frage des Zusammenspiels nationaler und international vereinheitlichter Regelungsvorgaben stellt (II.). Ausgehend von einer rechtsökonomischen Bewertung der unterschiedlichen Ausgestaltung der Zuständigkeitsrüge (III.) sind anschließend Reformvorschläge für die EuGVVO zu diskutieren (IV.).
I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten Die verglichenen Rechtsordnungen unterscheiden sich schon in der Frage, ob die internationale Zuständigkeit von Amts wegen oder nur auf Parteiantrag zu prüfen ist. Nach dem HGÜ muss ein Gericht ex officio ermitteln, ob es aufgrund einer anderweitigen Zuständigkeitsabrede eine Sachentscheidung ablehnen muss. Demgegenüber hat sowohl in der EuGVVO als auch in den untersuchten autonomen Rechten die abredewidrig beklagte Partei das Vorliegen einer entgegenstehenden Gerichtsstandsabrede geltend zu machen. Ein weiterer Unterschied besteht dahingehend, dass in England und den USA grundsätzlich die internationale Zuständigkeit im Rahmen eines der Hauptsacheverhandlung vorgelagerten Verfahrens beurteilt wird. Eine derartige Verfahrensgestaltung ermöglichen zwar auch die Regeln der deutschen ZPO. Sie muss allerdings gesondert angeordnet werden. Im Regelfall wird aber in der deutschen Gerichtspraxis über Zulässigkeit und Begründetheit gemeinsam in der instanzabschließenden Entscheidung befunden. Die EuGVVO und das HGÜ treffen zu der Frage der Verfahrens-
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gestaltung dagegen keine Regeln, überlassen dies daher den nationalen Prozessrechten. Abweichend sind auch die Rechtsbehelfe ausgestaltet, die dem abredewidrig Beklagten gegen die Zurückweisung seines Unzuständigkeitseinwands zur Verfügung stehen. In England kann er den im Vorverfahren ergangenen Zuständigkeitsentscheid bei entsprechender gerichtlicher Genehmigung vor der nächsthöheren Instanz isoliert anfechten. In den USA besteht diese Möglichkeit hingegen nicht. Der Beklagte muss hier stets die instanzabschließende Entscheidung abwarten, um gegen sie aus Gründen fehlender Zuständigkeit Berufung einzulegen. Im deutschen Recht ist die Situation praktisch genauso, weil hier regelmäßig über Zuständigkeit und Klageforderung gemeinsam entschieden wird. Ergeht allerdings ausnahmsweise eine isolierte Zuständigkeitsentscheidung, ist diese auch getrennt anfechtbar. In zeitlicher Hinsicht unterliegt die Rüge ebenfalls unterschiedlichen Grenzen. In England muss der Beklagte sie innerhalb von 14 bzw. 28 Tagen erheben, nachdem er den Erhalt der claim form bestätigt hat. Das Gericht kann ihm auf Antrag eine längere Frist gewähren. Auch in Deutschland ist der Zeitpunkt, bis zu dem die Rüge spätestens erhoben werden kann, gesetzlich fixiert: Im schriftlichen Vorverfahren muss sie bereits in dem Klageerwiderungsschriftsatz enthalten sein. Andernfalls ist der Beginn der mündlichen Verhandlung maßgeblich. In den USA ist die maßgebliche Zeitgrenze zur Geltendmachung der Unzuständigkeit uneinheitlich. Je nachdem welche Antragsart der Beklagte wählt, liegt der spätest mögliche Zeitpunkt für die Erhebung der Rüge zwischen Klageerwiderung und Ende der letzten mündlichen Verhandlung. Innerhalb der EuGVVO setzt das Institut der rügelosen Einlassung zeitliche Grenzen. Erst wenn die im einzelstaatlichen Recht enthaltenen Zeitvorgaben zur Geltendmachung der internationalen Unzuständigkeit überschritten sind, kommt eine rügelose Einlassung im Sinne von Art. 24 S. 1 EuGVVO in Betracht. Die einzelstaatlichen Zeitgrenzen spielen für die Durchsetzung einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich des HGÜ hingegen keine Rolle. Denn einem derogierten Gericht ist es verwehrt, eine anderslautende Zuständigkeitsabrede aufgrund einer rügelosen Einlassung zu übergehen. Teilweise unterschiedlich beurteilt wird in den verglichenen Rechtsordnungen auch die Frage, wann das Verhalten des Beklagten als rügelose Einlassung zu werten ist. Während im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht grundsätzlich nur das Verhandeln zur Hauptsache ausreicht, liegt eine rügelose Einlassung i.S.v. Art. 24 S. 1 EuGVVO bereits dann vor, wenn der Beklagte sich lediglich zu Zulässigkeitsvoraussetzungen erklärt. Sowohl in den autonomen Rechten als auch in der
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EuGVVO ist ein hilfsweises Verhandeln unter Aufrechterhaltung der Zuständigkeitsrüge jedoch unschädlich. Abweichend geregelt sind auch die Kostenfolgen bei erfolgreicher Zuständigkeitsrüge. Ob und in welcher Höhe der Beklagte in diesem Fall seine Verfahrenskosten erstattet erhält, steht nach englischem Zivilverfahrensrecht im richterlichen Ermessen. In der Regel wird der erfolgreiche Beklagte seine Aufwendungen für die Verfahrensdurchführung jedenfalls zu einem großen Teil ersetzt bekommen. Vor deutschen Gerichten ist der unterlegene Kläger dem Beklagten zum Ersatz der notwendigen Prozesskosten nach § 91 I S. 1 ZPO verpflichtet. Der vor US-amerikanischen Gerichten obsiegende Beklagte hat aufgrund der American rule of costs dagegen grundsätzlich keinen Anspruch auf Ersatz der für die Verteidigung aufgewendeten Prozess- und Anwaltskosten.
II. Zusammenspiel von autonomen Rechten und Regelungen des Einheitsrechts Im Anwendungsbereich von HGÜ bzw. EuGVVO ist für den prozessualen Rahmen der Zuständigkeitsrüge und die Kostenfolge bei deren erfolgreicher Erhebung das jeweilige einzelstaatliche Recht des abredewidrig angerufenen Gerichts maßgeblich. Nur für die Frage, ob aufgrund rügeloser Einlassung dem Beklagten die Einrede der internationalen Unzuständigkeit abgeschnitten ist, spielen die autonomen und die vereinheitlichten Rechtssysteme zusammen. Die stärkste Vorgabe insoweit trifft insoweit das HGÜ, da seine Regeln dazu führen, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht durch bloßes rügeloses Verhandeln des Beklagten außer Kraft gesetzt werden können. Nationale Regeln zur rügelosen Einlassung sind im Anwendungsbereich des Übereinkommens somit vollständig verdrängt. Im Gegensatz dazu trifft die EuGVVO lediglich Vorgaben dazu, wann ein Verhalten als rügelose Einlassung zu werten ist. Der Zeitpunkt, ab dem ein rügeloses Prozessieren zuständigkeitsbegründend sein kann, ist hingegen dem nationalen Recht zu entnehmen. Art. 24 EuGVVO kann die Anwendung des nationalen Rechts selbst dann beeinflussen, wenn die vom Beklagten geltend gemachte Zuständigkeitsabrede außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 23 I S. 1 EuGVVO liegt. Dies gilt namentlich für Fälle, in denen ein drittstaatliches Gericht vereinbart worden ist und eine der Parteien ihren Wohnsitz innerhalb der EU hat. Hier richten sich zwar Zulässigkeit, Wirksamkeit und Auslegung der Gerichtstandsabrede grundsätzlich nach nationalem Recht. Was die Rügemöglichkeit anbelangt, spielt allerdings Art. 24 S. 1 EuGVVO insoweit in das nationale Recht hinein, als dass er die Voraussetzungen vorgibt, unter denen das Prozessieren zuständigkeitsbegründend wirkt.
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III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme Der Rechtsvergleich hat gezeigt, dass das auf den ersten Blick simpel anmutende Instrument der Zuständigkeitsrüge in mehreren Aspekten durchaus abweichend ausgestaltet sein kann. Vor diesem Hintergrund fragt sich, welche Lösungsansätze ökonomisch sinnvoll sind und welche Gerichtsstandsvereinbarungen eher schwächen. Bemerkenswert ist in erster Linie das ausschließlich im Anwendungsbereich des HGÜ anzutreffende Prinzip, nach dem Zuständigkeitsabreden nicht allein dadurch übergangen werden können, dass im abredewidrigen Forum über die Hauptsache verhandelt wird. Dies scheint prima vista Gerichtsstandsvereinbarungen zu stärken. Denn der abredewidrig Verklagte ist von der Obliegenheit befreit, die Unzuständigkeit im falschen Forum form- und fristgerecht geltend zu machen. Eine solche Entlastung ist deshalb sinnvoll, da in den nationalen Rechten teilweise ein höchst unterschiedlicher Zeitrahmen für die Erhebung der Zuständigkeitsrüge zu beachten ist. Gerade dann, wenn eine Partei vor ein abredewidriges Forum gezogen wird, erscheint es eher unangemessen, ihr die Befassung mit derlei Spezifika des dortigen Prozessrechts aufzubürden. In Wahrheit entpuppt sich der HGÜ-Ansatz jedoch als kontraproduktiv, weil er einer missbräuchlichen Geltendmachung der anderweitigen Prorogation Tür und Tor öffnet. Der Beklagte hat nämlich die Möglichkeit, auch nach längerem Prozessieren erstmals die Gerichtsstandsvereinbarung vorzutragen und hierdurch eine Klageabweisung wegen Unzuständigkeit zu erzielen. Dies wird er dann tun, wenn sich abzeichnet, dass das Verfahren zu seinem Nachteil auszugehen droht. Die auf ein anderes Forum lautende Zuständigkeitsvereinbarung als eine derartige Notbremse des laufenden Prozesses zu missbrauchen, pervertiert jedoch ihren eigentlichen Zweck, die Prozessökonomie zu stärken. Aus diesem Grunde erscheint die im HGÜ vorgesehene „Einlassungsfestigkeit“ von Gerichtsstandsvereinbarungen nicht sinnvoll. Aus ökonomischer Sicht reizvoll ist hingegen das der Hauptsacheverhandlung vorgeschaltete Zwischenverfahren zur Entscheidung über Rügen der internationalen Zuständigkeit. Eine derartige Prozessgestaltung verhindert, dass Aufwendungen für die Vorbereitung der Hauptsache getätigt werden, die im Ergebnis sinnlos sind, weil sich das Gericht letztlich für unzuständig erklärt. Des Weiteren kann eine Entscheidung über die internationale Zuständigkeit im frühen Stadium des Verfahrens schnell für beide Seiten Rechtsklarheit schaffen. Daher sollten die Möglichkeiten derartiger Zwischenverfahren gestärkt werden. Insbesondere erweist sich der deutsche Ansatz als nachteilig, weil hier die Gerichte von sich aus das Zwischenverfahren anordnen müssen. Vorteilhafter wäre es, wenn die Parteien die Möglichkeit erhielten, einen solchen Schritt zu beantragen.
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Gestattet man ein Zwischenverfahren im beschriebenen Sinne, an dessen Ende eine isolierte Entscheidung über die Zuständigkeit steht, sollten auch Rechtsmittel gegen diese vorgesehen werden. Andernfalls wäre der abredewidrig Verklagte gezwungen, sich am Rechtsstreit zu beteiligen, bis ein instanzabschließendes Urteil vorliegt. Denn die Rechtsmittel gegen dieses wären die erste Möglichkeit, eine falsche Beurteilung der internationalen Zuständigkeit geltend zu machen. Ohnehin steht zu befürchten, dass der Beklagte nach der Ausfechtung des Streits in der Sache, kein Interesse mehr daran haben wird, den Rechtsstreit in das prorogierte Forum zu bringen, um ihn dort von vorne zu verhandeln. Aus diesem Grunde erweist sich insbesondere die US-amerikanische Rechtslage als außerordentlich nachteilhaft. Denn dort kann der Beklagte die Zuständigkeitsentscheidung erst zusammen mit dem Urteil in der Hauptsache anfechten. Schließlich ist auch die Kostentragungsregelung unter ökonomischen Aspekten nicht überall sinnvoll gestaltet. Dies trifft insbesondere auf die USA zu, wo jede Partei die eigenen Aufwendungen des Prozessierens im Grundsatz selbst zu tragen hat. Nach dieser Regel bleibt der Beklagte, auch wenn es ihm gelungen ist, die Derogation durchzusetzen, auf seinen Kosten sitzen. Allein die Geltendmachung der Unzuständigkeit kann in den USA enorme finanzielle Aufwendungen verlangen. Der Beklagte muss sich also dasjenige teuer erkaufen, worauf man sich ursprünglich schon geeinigt hatte. Der Kostenvorteil durch die mit dem Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen erhoffte Planungs- und Rechtssicherheit ist somit schnell dahin.
IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO Ausgangspunkt der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten für das Instrument der Zuständigkeitsrüge ist der Befund, dass der abredewidrig Beklagte im Anwendungsbereich der EuGVVO mitunter erhebliche Belastungen auf sich nehmen muss, um die entgegenstehende Gerichtsstandsabrede durchzusetzen. Nicht nur drohen ihm in manchen Mitgliedstaaten erhebliche Kostennachteile, sondern läuft er auch Gefahr, mit seinem Zuständigkeitseinwand erst nach langer Zeit durchzudringen. Letzteres ist zum einen auf das Fehlen von Zwischenverfahren zurückzuführen, zum anderen auf die Langsamkeit der Rechtspflege mancher Mitgliedstaaten. Zu denken ist insbesondere an die berüchtigten Fora, deren schwerfällige Rechtsprechung man sich durch sog. „Torpedoklagen“ zu Nutze machen kann. Vor diesem Hintergrund ist innerhalb der EU das Risiko groß, dass der vor das falsche Forum gezogene Beklagte letztlich von der Durchsetzung seiner Abrede Abstand nimmt und sich auf einen ungünstigen Vergleich einlässt. Zur Lösung dieser Probleme werden unterschiedliche Ansätze diskutiert:
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1. Vorschlag 1: Einführung eines Zentralregisters für Gerichtsstandsvereinbarungen Forner Delaygua schlägt die Einführung eines europäischen Registers für Gerichtsstandsvereinbarungen vor103: In dieses sollen Zuständigkeitsabreden aufgenommen werden können durch Einreichung eines ausgefüllten standardisierten Formulars. Dieses soll grundsätzlich von beiden Parteien unterzeichnet sein. Weigert sich eine Partei zur Leistung der Unterschrift, kann diese durch schriftliche Bestätigung der Existenz der Gerichtsstandsvereinbarung seitens eines Juristen ersetzt werden. Die Registrierung soll unverzüglich erfolgen, ohne dass die Zentralstelle die Gültigkeit der Zuständigkeitsabrede zuvor überprüft. Die Eintragung in das Register soll nicht obligatorisch sein, sondern Parteien lediglich als Option zur Verfügung stehen. Wird ein anderes als das in der Abrede bezeichnete Gericht angerufen, kann der Beklagte diesem einen Auszug aus dem Register vorlegen, woraufhin das Verfahren auszusetzen und dem designierten Gericht die Möglichkeit einzuräumen ist, über die Wirksamkeit der Zuständigkeitsabrede zu entscheiden. Für diesen Lösungsvorschlag spricht zwar, dass der Beklagte im abredewidrig angerufenen Gericht einfacher die Aussetzung des dortigen Verfahrens erreichen kann, und dass dem prorogierten Gericht das Primat hinsichtlich der Entscheidung über Gültigkeit und Reichweite der Zuständigkeitsabrede eingeräumt wird. Allerdings bietet er keine allgemeingültige Lösung der eingangs beschriebenen Unzulänglichkeiten der Zuständigkeitsrüge, weil es sich bei der Registrierung lediglich um eine Option handelt. All diejenigen Fälle, in denen die Parteien von dieser keinen Gebrauch gemacht haben, erfahren folglich keine Verbesserung. Darüber hinaus ist die klare Dokumentierbarkeit der Vereinbarung allein noch nicht geeignet, Streitigkeiten über Wirksamkeit und Reichweite der Abrede aus der Welt zu schaffen. Angesichts des marginalen Lösungspotentials erscheint der hohe organisatorische und finanzielle Aufwand für die Einführung eines europaweiten Zentralregisters unangemessen. 2. Vorschlag 2: Einführung eines obligatorischen Vorverfahrens zur Entscheidung über die internationale Zuständigkeit Eine weitere Möglichkeit zur Optimierung des Schutzinstruments der Rüge könnte darin bestehen, ein obligatorisches Vorverfahren für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit einzuführen.104 Ein derartiges Ver-
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Forner Delaygua, I.C.C.L.R. 15 (2004), S. 288 (295 f.). Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (50); Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberger Bericht, Rn. 178. 104
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fahren nach dem Vorbild des englischen Prozessrechts 105 würde gewährleisten, dass – auf Rüge des Beklagten – vorab über Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung zu befinden ist. Leistet das abredewidrig angerufene Gericht der entgegenstehenden Zuständigkeitsabrede Folge, bliebe dem Beklagten somit erspart, sich im letztlich falschen Forum aufwendig in der Sache verteidigen zu müssen. Dies brächte nicht nur einen Kostenvorteil mit sich, sondern würde auch die Verschwendung von Rechtsprechungsressourcen reduzieren. Allerdings ist höchst ungewiss, ob es sich bei einem Vorverfahren im beschriebenen Sinne um eine Lösung handelt, auf die sich die EU-Mitgliedstaaten einigen könnten. Schließlich würde sie für viele nationale Verfahrensrechte eine grundlegende Veränderung des Ablaufs des Erkenntnisverfahrens bedeuten. 106 Ferner steht zu befürchten, dass Art. 81 AEUV der EU keine ausreichende Kompetenzgrundlage für einen derartigen Eingriff in die Prozessrechte der Mitgliedstaaten gewährt.107 Es ist darüber hinaus unwahrscheinlich, dass nach diesem Vorschlag der abredewidrig Beklagte schneller mit seinem Zuständigkeitseinwand durchdringen wird. Denn die Einführung eines Vorverfahrens allein garantiert nicht, dass ein abredewidrig angerufenes Gericht die Entscheidung über seine internationale Zuständigkeit zügig fällen wird. 3. Vorschlag 3: Einführung einer Frist, innerhalb derer Entscheidung über die Zuständigkeitsrüge erfolgen muss Für eine schnellere Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen käme des Weiteren die Einführung einer Höchstfrist für die Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts über seine internationale Zuständigkeit in Betracht.108 Eine solche Fristenregelung erscheint allerdings aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen ergibt sich schon die Schwierigkeit der Festsetzung ihrer Dauer. Im Schrifttum wird eine sechsmonatige Frist diskutiert. 109 Dies dürfte jedoch die Justiz vieler Mitgliedstaaten angesichts derer gegenwärtigen Langsamkeit überfordern. Schon eine erstinstanzliche Entscheidung über die internationale Zuständigkeit lässt vor den einzelstaatlichen Gerichten laut dem Heidelberger Bericht vom 2005 gegenwärtig zwischen zwei Monaten und drei Jahren auf sich warten.110 Angesichts der dem in der Zuständigkeitsfrage Unterlegenen regelmäßig zustehenden 105
S. dazu oben § 6 A. I. 1. S. oben § 6 B. I. 107 Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (50). 108 EU-Kommission, Grünbuch zur EuGVVO-Revision, 21.04.2009, S. 5. 109 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberger Bericht, Rn. 460. 110 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberger Bericht, Rn. 176. 106
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Appellationsmöglichkeit111 dürfte eine 6-Monatsfrist daher in keinem europäischen Land realistisch sein. Auch wenn man die Höchstfrist lediglich für die erstinstanzliche Entscheidung gelten lassen wollte, hätte dies kaum einen nennenswerten Nutzen. Denn selbst wenn dem erstinstanzlichen Gericht deren Einhaltung gelänge, droht in den weiteren Instanzen erhebliche Verzögerung.112 Will man tatsächlich eine konkrete Höchstfrist einführen, müsste diese mindestens zwei Jahre betragen, um praktikabel zu sein – eine Zeitspanne, die kaum als nennenswerter Effizienzgewinn bezeichnet werden kann. Wenig gewonnen wäre auch, wenn alternativ das Erfordernis einer „unverzüglichen“ oder „schnellstmöglichen“ Entscheidung über die Zuständigkeit festgeschrieben würde. Denn die Auslegung derartiger Begriffe hätte im Lichte national unterschiedlicher Verfahrensdauer zu erfolgen, so dass gerade in Fora mit erheblichem „Torpedopotential“ vergleichsweise lange Verfahrensdauern an der Tagesordnung blieben.113 4. Vorschlag 4: Einführung einer Kostentragungspflicht zulasten des abredewidrig Klagenden Schließlich wird die Einführung einer Kostenregel diskutiert. 114 Nach dieser hätte derjenige, der mit seiner Klage im abredewidrigen Forum wegen Unzuständigkeit abgewiesen wurde, die vollen Kosten des dortigen Verfahrens zu tragen. Zwar kennen die meisten europäischen Prozessordnungen ein erfolgsabhängiges Kostentragungsprinzip als Grundsatz. Für die Länder jedoch, in denen nur die – in der Regel den kleinsten Posten bildenden – Gerichtskosten nach diesem Grundsatz verteilt werden 115 , könnte die Einführung einer vollständigen Kostentragungspflicht die Zurückhaltung gegenüber einer Klage im abredewidrigen Forum erhöhen. Allerdings läge eine derartige Regelung zum einen außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO, die im Wesentlichen nur Anerkennungsund Zuständigkeitsfragen erfasst. Zum anderen ist höchst zweifelhaft, ob die EU überhaupt die Kompetenz für die Einführung europaweit einheitlicher Kostentragungsregeln hätte. Entscheidendes Argument gegen den Lösungsvorschlag ist allerdings, dass er nicht geeignet ist, die Motive für die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen auszuschalten. Soweit die Klage vor einem abredewidrig angerufenen, langsam arbeitenden Ge111
S. hierzu für die Rechtslage in Deutschland und England oben § 6 A. I. 1. und § 6 A. III. 1. 112 Vgl. auch Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), S. 157 (183); Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (560). 113 Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (560). 114 Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (50). 115 Vgl. zu den Ländern, auf die dies zutrifft, oben § 6 B. I.
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richt dazu dient, Vergleichsdruck auf die Gegenseite aufzubauen, dürften die Anreize für einen lukrativen Vergleich meist die Abschreckungswirkung durch die Gefahr einer Kostentragung überwiegen. 5. Zusammenfassung und Ergebnis Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass de lege ferenda keine sinnvolle Möglichkeit besteht, die Ausgestaltung des Instruments der Zuständigkeitsrüge so zu verbessern, dass sie den Beklagten stärker schützt und auf Seiten des Klägers die Anreize zu einer Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung reduziert.
§ 7 Einleitung eines Parallelverfahrens vor dem prorogierten Gericht Alternativ oder ergänzend zu der Rüge der internationalen Zuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts könnte die dort verklagte Partei erwägen, die Streitigkeit in einem Parallelverfahren in das vereinbarte Forum zu bringen. Je nach Umständen des Einzelfalls bietet sich dafür die Erhebung einer (positiven) Leistungs-, Feststellungs-, Gestaltungs- oder einer negativen Feststellungsklage an. Ob und inwieweit einem solchen Vorgehen durch die früher rechtshängig gemachte Klage im forum derogatum Grenzen gesetzt sind, soll im Folgenden beleuchtet werden. Zu erläutern ist zunächst die Rechtslage im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht (A.). Sodann ist auf die Besonderheiten im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ einzugehen (B.). Nach einer Effizienzbewertung der Rechtssysteme sind anschließend Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes gegen abredewidrige Klagen in der EuGVVO zu diskutieren (C.).
A. Grenzen der Einleitung eines Parallelverfahrens im prorogierten Forum in den autonomen Rechten Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einleitung eines Verfahrens in einem ausländischen Forum den Weg für eine Klage vor den Gerichten im Inland versperrt, wird im englischen (I.), US-amerikanischen (II.) und deutschen (III.) Recht unterschiedlich beantwortet.
I. Parallelverfahren im prorogierten Forum nach englischem Recht Die Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit steht nach englischem Zivilverfahrensrecht im richterlichen Ermessen. Nach einer Erläuterung der Grundsätze für die Ermessensausübung (1.) wird beleuchtet, welche Bedeutung eine Prorogation zugunsten englischer Gerichte für die richterliche Ermessenentscheidung hat (2). Anschließend wird auf die Frage eingegangen, ob und wie sich die Rechtshängigkeit einer negativen Feststellungsklage auf die Anerkennung ausländischer Litispendenz durch englische Gerichte auswirkt (3.).
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1. Grundsatz: Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz im gerichtlichen Ermessen Ob ein im Ausland schwebendes Verfahren den Weg zu den englischen Gerichten versperrt, wird im Rahmen der bereits erwähnten forum non conveniens-Doktrin entschieden. 1 Die auswärtige Rechtshängigkeit spielt für die im Rahmen dieser Doktrin erforderliche Bestimmung des sog. natural forum einer Streitigkeit eine wichtige Rolle, da parallele Verfahren in verschiedenen Ländern aus Gründen der Prozessökonomie und wegen der hohen Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen grundsätzlich verhindert werden sollen.2 Die ausländische Litispendenz allein steht einem Prozessieren vor englischen Gerichten jedoch nicht entgegen. Ihre Bedeutung hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab.3 Die Anerkennung auswärtiger Rechtshängigkeit kommt nach englischem Recht in Betracht, wenn in dem in- und ausländischen Verfahren the same subject matter bzw. the same claims oder issues zwischen denselben Parteien erörtert werden.4 Das weite Ermessen im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin erlaubt den Gerichten, ein Prozessieren im Inland jedoch auch in Fällen zu verweigern, in denen keine Streitgegenstandsidentität vorliegt, die Verfahren lediglich in einem sachlichen Zusammenhang stehen.5 1 House of Lords, 26.01.1984 – The Abidin Daver, [1984] AC 398, 411; House of Lords, 02.04.1987 – de Dampierre v. de Dampierre, [1988] 1 A.C. 92; Court of Appeal, 25.05.1988 – The Volvox Hollandia, [1988] 2 Lloyd’s Rep. 361, 372; Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 441 f.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.035–12.037; Beaumont, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 207 (214–217); Huber, Forum non conveniens, 1994, S. 97–108. 2 House of Lords, 26.01.1984 – The Abidin Daver, [1984] AC 398, 412 (Lord Diplock); Court of Appeal, 14.07.1988 – Sohio Supply Co. v. Gatoil (USA) Inc., [1989] 1 Lloyd’s Rep. 588, 593 (Staughton LJ); Court of Appeal, 16.05.1997 – New Hampshire Insurance Co. Ltd. v. Philips Electronics North America Corp. No. 1, [1998] I.L.Pr. 256, 261 (Phillips LJ). 3 High Court, 24.01.1990 – Arkwright Mutual Insurance Co. v. Bryanston Insurance Co. Ltd., [1990] 2 Lloyd’s Rep. 70, 80 (Potter J), ebenso Court of Appeal, 21.07.1987 – EI Du Pont de Nemours & Co. v. Agnew No. 1, [1987] 2 Lloyd’s Rep. 585, 589 (Bingham LJ): „The general undesirability of such concurrent proceedings is, however, but one consideration to be weighed as part of the overall assessment.“ Vgl. auch Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 442; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.036. 4 House of Lords, 02.04.1987 – de Dampierre v. de Dampierre, [1988] 1 A.C. 92; Court of Appeal, 09.03.1999 – Eli Lilly & Co. v. Novo Nordisk A/S, [2000] I.L.Pr. 73; Beaumont, in: Fawcett (Hrsg.), Declining Jurisdiction, 1995, S. 207 (214). 5 Court of Appeal, 25.05.1988 – The Volvox Hollandia, [1988] 2 Lloyd’s Rep. 361; Court of Appeal, 09.03.1999 – Eli Lilly & Co. v. Novo Nordisk A/S, [2000] I.L.Pr. 73. In
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Die Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz setzt als Unterfall der forum non conveniens-Doktrin grundsätzlich eine Rüge des Beklagten voraus. 6 Diese entspricht der Rüge der internationalen Zuständigkeit englischer Gerichte, deren formelle Voraussetzungen bereits dargestellt wurden.7 2. Die Bedeutung einer Prorogation englischer Gerichte für die Ermessensausübung Eine auf englische Gerichte lautende Prorogation stellt ein starkes Indiz dafür dar, dass das natural forum für die Streitigkeit in England liegt. 8 Insoweit gilt der oben erwähnte El Amria-Grundsatz: Die englischen Gerichte werden in der Regel die Parteien an ihrer Abrede festhalten und die ausländische Rechtshängigkeit ignorieren, es sei denn, gewichtige Gründe machen die Durchführung des Verfahrens in dem nicht vereinbarten auswärtigen Forum erforderlich.9 Allein die Tatsache, dass die ausländische früher als die englische Klage rechtshängig gemacht wurde, reicht für die Annahme eines strong reason nicht aus. Diesen Umstand betrachten die englischen Gerichte als „little more than an accident of timing“10, also einen Zufall, der nicht darüber bestimmen kann, ob die Entscheidung des Falls im Inland angemessen ist. Großes Gewicht kann dagegen der Frage zukommen, wie lange das ausländische Gericht bereits mit der Sache befasst ist. Das Prozessieren in England kann demnach verweigert werden, wenn die dortige Klage erst zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, in dem das auswärtige Verfahren bereits weit fortgeschritten war.11 beiden Entscheidungen wurde von der richterlichen Befugnis, die Durchführung eines Verfahrens in England wegen auswärtiger Litispendenz abzulehnen, i.E. nicht bzw. nur bezüglich einzelner Streitpunkte Gebrauch gemacht. Vgl. auch Huber, Forum non conveniens, 1994, S. 103–107. 6 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.038. Zu den Fällen, in denen die anderweitige Rechtshängigkeit ausnahmsweise von Amts wegen zu beachten ist vgl. Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 128. 7 S. oben § 6 A. I. 1. 8 Court of Appeal, 09.03.1999 – Eli Lilly & Co. v. Novo Nordisk A/S, [2000] I.L.Pr. 73, 81. 9 High Court, 31.07.1997 – Akai Pty Ltd. v. People’s Insurance Co. Ltd., [1998] 1 Lloyd’s Rep. 90, 105 f.; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 10.21–10.24. 10 Court of Appeal, 21.07.1987 – EI Du Pont de Nemours & Co. v. Agnew No. 1, [1987] 2 Lloyd’s Rep. 585, 593 (Bingham LJ). 11 High Court, 24.01.1990 – Arkwright Mutual Insurance Co. v. Bryanston Insurance Co. Ltd., [1990] 2 Lloyd’s Rep. 70, 80 (Potter J); Court of Appeal, 10.09.2004 – DSM Anti-Infectives BV v. Smithkline Beecham PLC, [2004] EWCA Civ 1199, para. 26 (Gibson LJ); High Court, 15.03.2002 – American Motorists Insurance Co. (AMICO) v.
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Die Belegenheit der relevanten Beweismittel im Ausland reicht ebenfalls nicht aus, um die Nichtdurchsetzung der Prorogation englischer Gerichte zu rechtfertigen. Die Berücksichtigung der Beweisnähe des Forums – ein grundsätzlich wichtiger Faktor im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin12 – ließe nämlich außer Acht, dass sich Parteien häufig bewusst auf einen neutralen Gerichtsstand einigen.13 Die strong reason-Hürde kann auch nicht mit dem pauschalen Hinweis auf die mit Parallelverfahren einhergehenden Unannehmlichkeiten (doppelte Prozesskosten und Gefahr sich widersprechender Entscheidungen) überwunden werden. Diese Nachteile sind schließlich die Konsequenz der abredewidrigen Verfahrenseinleitung im Ausland. Deren Beachtung im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin käme also einer Belohnung für die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung gleich.14 Die Nichtdurchsetzung der auf englische Gerichte lautenden Prorogation kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn die Durchführung eines Parallelprozesses in England zu einer unzufriedenstellenden Vervielfachung von Verfahren führen kann.15 Das entschied das House of Lords in einem Fall, in dem sich auf beiden Seiten mehrere Beteiligte gegenüberstanden, aber nur zwischen einigen von ihnen Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten englischer Gerichte vorlagen.16 Die Durchsetzung der Abreden hätte zur Folge gehabt, dass miteinander verknüpfte Streitigkeiten zwischen einigen der Beteiligten in England und zwischen anderen in New York hätten ausgetragen werden müssen. Aus Gründen der Prozessökonomie und zur Minimierung des besonders hohen Risikos widersprüchlicher Entscheidungen sei es angebracht, den englischen Prozess zugunsten des Verfahrens im eigentlich derogierten Forum auszusetzen.17 In der englischen Literatur und Rechtsprechung findet sich keine Stellungnahme zu der Bedeutung der Anerkennungsfähigkeit eines Urteils des Cellstar Corp., [2002] C.L.C. 925, 932 (Steel J). Vgl. dazu auch Huber, Forum non conveniens, 1994, S. 100 f. 12 Vgl. dazu Huber, Forum non conveniens, 1994, S. 115 f. 13 High Court, 31.07.1997 – Akai Pty Ltd. v. People’s Insurance Co. Ltd., [1998] 1 Lloyd’s Rep. 90, 106 (Thomas J). 14 High Court, 31.07.1997 – Akai Pty Ltd. v. People’s Insurance Co. Ltd., [1998] 1 Lloyd’s Rep. 90, 107 (Thomas J). 15 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 10.23 f. 16 House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425. 17 House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 34 (Lord Bingham of Cornhill): „It seems to me plain that in situation of this kind the interests of justice are best served by the submission of the whole dispute to a single tribunal which is best fitted to make a reliable, comprehensive judgment on all the matters in issue. A procedure which permitted the possibility of different conclusions by different tribunals, perhaps made on different evidence, would in my view run directly counter to the interests of justice.“
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auswärtigen Gerichts für die Entscheidung über die Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit. Aufgrund des weiten Ermessens der englischen Gerichte ist jedoch nicht auszuschließen, dass eine negative Anerkennungsprognose als weiteres – wenn auch nicht allein entscheidendes – Argument für die Nichtberücksichtigung der auswärtigen Litispendenz berücksichtigt wird.18 3. Der Einfluss einer negativen Feststellungsklage auf die Ermessensentscheidung Von großer praktischer Bedeutung ist die Frage, welche Rolle auswärtiger Litispendenz beizumessen ist, wenn in den parallelen Verfahren eine Leistungsklage und eine korrespondierende negative Feststellungsklage (claim for a negative declaration) konkurrieren. Bis vor einigen Jahren wurde im Rahmen der forum non conveniens-Doktrin in solchen Fällen regelmäßig der Leistungsklage der Vorzug gegeben: Eine in England erhobene negative Feststellungsklage wurde unter Hinweis auf eine im Ausland rechtshängige Leistungsklage abgewiesen bzw. ausgesetzt. 19 Außerdem wurde auswärtige Litispendenz ignoriert, wenn diese lediglich durch eine negative Feststellungsklage ausgelöst worden war.20 Maßgeblich für den Vorrang der Leistungsklage war das generelle Misstrauen der englischen Rechtsprechung gegenüber negativen Feststellungsklagen: In letzteren erblickte man regelmäßig einen unfairen Versuch, den „natürlichen Kläger“ des Privilegs zur Bestimmung des Forums für die Austragung der Streitigkeit zu berauben. 21 Als „improper attempts at forum shopping“ wertete man negative Feststellungsklagen selbst dann, wenn sie in einem prorogierten Forum erhoben worden waren.22
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Huber, Forum non conveniens, 1994, S. 103. Vgl. etwa Court of Appeal, 19.07.1989 – First National Bank of Boston v. Union Bank of Switzerland, [1990] 1 Lloyd’s Rep. 32. 20 Vgl. etwa High Court, 24.01.1990 – Arkwright Mutual Insurance Co. v. Bryanston Insurance Co. Ltd., [1990] 2 Lloyd’s Rep. 70. 21 Court of Appeal, 19.07.1989 – First National Bank of Boston v. Union Bank of Switzerland, [1990] 1 Lloyd’s Rep. 32, 38. Kritisch zu der Haltung der Rechtsprechung gegenüber negativen Feststellungsklagen Briggs, L.Q.R. 111 (1995), S. 159 (161 f.) und Bell, L.Q.R. 111 (1995), S. 674. 22 Court of Appeal, 25.05.1988 – The Volvox Hollandia, [1988] 2 Lloyd’s Rep. 361. In dieser Entscheidung hatte der Court of Appeal den Konflikt zwischen einer in den Niederlanden anhängig gemachten positiven Feststellungsklage und einer später in England angestrengten korrespondierenden negativen Feststellungsklage zu lösen. Die Richter bezeichneten die Erhebung der negativen Feststellungsklage als „blatant example“ des Versuchs, unfaires forum shopping zu betreiben, und hoben die für die Auslandszustellung der englischen Feststellungsklage erteilte Bewilligung auf. 19
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Von der „tradition of hostility“ 23 gegenüber negativen Feststellungsklagen hat der Court of Appeal in einem Urteil aus dem Jahr 2000 jedoch Abstand genommen.24 Das Gericht betonte, dass hinter der Anstrengung solcher Klagen durchaus legitime Interessen stehen könnten, so dass es ungerechtfertigt sei, die im internationalen Handelsverkehr strategisch wichtige Entscheidung über das „Wo“ und „Wann“ der Ausführung eines Rechtsstreits ausschließlich der Partei vorzubehalten, die eine Leistung verlangen kann.25 Eine ablehnende Haltung gegenüber claims for a negative declaration sei lediglich dann angebracht, wenn die Feststellung keinem useful purpose dient.26 Der Wandel in der Rechtsprechung zum autonomen englischen Recht wird u.a. in der im Anwendungsbereich der EuGVVO herrschenden Einstellung gegenüber negativen Feststellungsklagen vermutet.27 Bei der Entscheidung über die Anerkennung ausländischer Rechtshängigkeit im vereinheitlichten europäischen Zivilverfahrensrecht werden negative Feststellungs- und positive Leistungs- und Feststellungsklagen nämlich als gleichwertig angesehen.28 Zwar hatte der Court of Appeal in dem erwähnten Fall aus dem Jahr 2000 lediglich über die internationale Zuständigkeit für eine in England erhobene negative Feststellungsklage zu befinden, ohne dass eine entsprechende Leistungsklage im Ausland rechtshängig war. Die in diesem Urteil begründete positive Haltung gegenüber negativen Feststellungsklagen haben englische Gerichte in der Folgezeit jedoch herangezogen, um den Konflikt derartiger in England erhobener Klagen mit auswärtigen Leistungsklagen zu lösen.29 Die Entscheidung über die Beachtung ausländischer Litispendenz ist somit nicht mehr durch eine allgemeine Skepsis gegenüber claims for a negative declaration geprägt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die vor englischen Gerichten konkret ersuchte Feststellung einem useful pur23
Briggs, BYIL 71 (2000), S. 455 (457). Court of Appeal, 21.02.2000 – Messier-Dowty Ltd. v. Sabena SA, [2000] EWCA Civ 48, paras. 35–41 (Lord Woolf MR) m. Anm. Briggs, BYIL 71 (2000), S. 455. 25 Court of Appeal, 21.02.2000 – Messier-Dowty Ltd. v. Sabena SA, [2000] EWCA Civ 48, paras. 35 f. (Lord Woolf MR). 26 Court of Appeal, 21.02.2000 – Messier-Dowty Ltd. v. Sabena SA, [2000] EWCA Civ 48, para. 41 (Lord Woolf MR). 27 Briggs, BYIL 71 (2000), S. 455 (455). 28 S. dazu unten § 7 B. I. 1. c) aa). 29 High Court, 06.11.2001 – CGU International Insurance plc. v. Szabo, [2002] 1 All ER (Comm) 83, paras. 49–53; High Court, 16.07.2004 – Travelers Casualty & Surety Co. of Europe Ltd. v. Sun Life Assurance Co. of Canada, [2004] EWHC 1704; High Court, 15.03.2002 – American Motorists Insurance Co. (AMICO) v. Cellstar Corp., [2002] C.L.C. 925, paras. 90–108; High Court, 20.10.2004 – Bhatia Shipping v. Alcobex Metals Ltd., [2004] EWHC 2323 (Comm), paras. 24 f.; High Court, 20.07.2005 – Ark Therapeutics plc. v. True North Capital Ltd., [2005] EWHC 1585 (Comm), paras. 68–78. 24
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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pose dient.30 Im Rahmen des useful purpose-Tests untersuchen die Richter u.a., ob der Kläger ein Interesse an der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses hat. Daran fehlt es beispielsweise in Fällen, in denen der Beklagte ein Recht des Klägers weder ernstlich bestritten noch sich eines solchen berühmt hat (sog. premature oder hypothetical claims).31 Die Frage, wie die umgekehrte Konstellation, d.h. die Konkurrenz zwischen einer ausländischen negativen Feststellungsklage und einer inländischen positiven Feststellungs- bzw. Leistungsklage, zu beurteilen ist, ist in der jüngeren Zeit nicht entschieden worden. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, die nun in der Rechtsprechung herrschende Überzeugung, dass negative Feststellungsklagen nicht automatisch als unfairer Versuch zum Betreiben von forum shopping zu werten sind, nicht auch in Bezug auf im Ausland angestrengte Klagen dieser Art zu berücksichtigen. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit die Art der in den parallelen Verfahren anhängigen Klagen nicht mehr von entscheidender Bedeutung ist. Ob einer abredewidrig im Ausland verklagten Partei die Möglichkeit offensteht, ein Parallelverfahren vor den prorogierten englischen Gerichten einzuleiten, wird somit nicht mehr davon abhängig sein, ob in dem in- und auswärtigen Prozess zwei Leistungs- oder zwei Feststellungsklagen anhängig sind bzw. ob eine Leistungs- mit einer negativen Feststellungsklage konkurriert.
II. Parallelverfahren im prorogierten Forum nach US-amerikanischem Recht In der US-amerikanischen Rechtsprechung wird die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine im Ausland früher rechtshängig gemachte Klage der Einleitung eines Parallelverfahrens im Inland entgegensteht, nicht einheitlich beantwortet. Nach einem Überblick über die unterschiedlichen Ansätze zur Lösung der Problematik (1.) wird erläutert, welche Rolle Prorogationen zugunsten US-amerikanischer Gerichte für die Entscheidung über die Berücksichtigung ausländischer Litispendenz spielen (2.). 30
Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 408 f. High Court, 20.07.2005 – Ark Therapeutics plc. v. True North Capital Ltd., [2005] EWHC 1585 (Comm), para. 73 unter Hinweis auf Court of Appeal, 16.05.1997 – New Hampshire Insurance Co. Ltd. v. Philips Electronics North America Corp. No. 1, [1998] I.L.Pr. 256, 261. Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen das Vorliegen eines Feststellungsinteresses bejaht wurde: High Court, 06.11.2001 – CGU International Insurance plc. v. Szabo, [2002] 1 All ER (Comm) 83, para. 52; High Court, 05.03.2004 – Bristow Helicopters Ltd. v. Sikorsky Aircraft Corp., [2004] EWHC 401 (Comm), para. 25; High Court, 20.10.2004 – Bhatia Shipping v. Alcobex Metals Ltd., [2004] EWHC 2323 (Comm), para. 25. 31
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Abschließend wird die Behandlung auswärtiger Rechtshängigkeit in Fällen beleuchtet, in denen eine negative Feststellungs- und eine Leistungsklage zusammentreffen (3.). 1. Die unterschiedlichen Ansätze zur Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz Die Beachtung ausländischer Litispendenz richtet sich nach den Regeln des mit der Sache befassten US-amerikanischen Gerichts: Die state courts wenden die in dem jeweiligen Bundesstaat geltenden Maßstäbe an, die federal courts ziehen dagegen die entsprechenden bundesrechtlichen Grundsätze heran.32 In den meisten Einzelstaaten sowie auf bundesrechtlicher Ebene richtet sich die Anerkennung ausländischer Rechtshängigkeit nach common law.33 Mangels wesentlicher Unterschiede in der Entscheidungspraxis der federal und state courts34 werden im Folgenden exemplarisch die bundesrechtlichen Grundsätze beleuchtet. Zur Behandlung von Parallelverfahren werden in der bundesgerichtlichen Praxis drei unterschiedliche Ansätze vertreten. Ein großer Teil der Bundesgerichte entscheidet über die Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz unter Heranziehung der Grundsätze, die vom US Supreme Court in der Entscheidung Colorado River Water Conservation District v. United States 35 für die Lösung von Konflikten zwischen parallel rechtshängigen Verfahren vor einem einzelstaatlichen und einem Bundesgericht entwickelt wurden.36 Die Kernaussage des Urteils lautet, dass federal courts dazu ver32
Bermann, Litigation, 2003, S. 107; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 154. Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 523; Treviño de Coale, B.U. Int’l L.J. 17 (1999), S. 79 (85); Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 156 f.; Krause-Ablass/Bastuck, in: FS Stiefel, 1987, S. 445 (455 f.). In manchen Einzelstaaten sind die Anforderungen an die Beachtung anderweitiger Rechtshängigkeit teilweise gesetzlich niedergeschrieben. Dazu gehören etwa New York (r. 3211 NY CPLR), Illinois (r. 735 ILCS 5/2-619), Kalifornien (§ 430.10 CA CCP) und Lousiana (Art. 531 LA CCP). Es ist jedoch unklar, ob diese Normen lediglich in inneramerikanischen oder auch in transnationalen Konstellationen Anwendung finden. Vgl. dazu Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 154–156, 110 f. 34 Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 157. 35 US Supreme Court, 24.03.1976 – Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S. 800. Ausführlich zu der Entscheidung Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 136–138. 36 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 523–525. Vgl. etwa US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 926 f.; US Court of Appeals (7th Cir.), 16.11.1987 – Ingersoll Milling Machine Co. v. Granger, 833 F.2d 680; US Court of Appeals (9th Cir.), 19.02.1991 – Neuchatel Swiss General Insurance Co. v. Lufthansa Airlines, 925 F.2d 1193; US District Court (S.D. New York), 01.08.1991 – Caspian Investments, Ltd. v. Vicom Holdings, Ltd., 770 F.Supp. 880; US Court of Appeals (7th Cir.), 27.04.2001 – AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 F.3d 510; US Court of Appeals (2nd Cir.), 10.10.2006 – 33
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pflichtet sind, ihre bestehende Zuständigkeit auszuüben. 37 Aus dieser Pflicht folgert der US Supreme Court, dass die anderweitige Litispendenz vor einem einzelstaatlichen Gericht grundsätzlich kein Hindernis für die Einleitung eines Parallelverfahrens vor einem Bundesgericht darstellt. 38 Eine Aussetzung des bundesgerichtlichen Verfahrens sei nur unter außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt.39 Die Anwendung des ColoradoAnsatzes in internationalen Fällen führt dazu, dass frühere auswärtige Rechtshängigkeit meistens unberücksichtigt bleibt.40 Das Parallelverfahren vor einem US-amerikanischen Gericht wird erst dann eingestellt, wenn im Ausland früher als im Inland eine Entscheidung ergeht und deren Rechtskraft im inländischen Prozess geltend gemacht werden kann.41 Andere Gerichte erkennen zwar ebenfalls die Pflicht der federal courts zur Ausübung bestehender Zuständigkeit an, betonen jedoch zugleich, dass eine angemessene Lösung der Frage nach der Anerkennung auswärtiger Rechtshängigkeit die Berücksichtigung der Besonderheiten internationaler Fälle erfordert. 42 Nach diesem als international abstention bezeichneten Ansatz haben Richter in grenzüberschreitenden Konstellationen Gedanken Royal and Sun Alliance Insurance Co. of Canada v. Century International Arms, Inc., 466 F.3d 88. 37 US Supreme Court, 24.03.1976 – Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S. 800, 817 (Brennan J): „virtually unflagging obligation of the federal courts to exercise the jurisdiction given them.“ 38 US Supreme Court, 24.03.1976 – Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S. 800, 817 (Brennan J): „the pendency of an action in the state court is no bar to proceedings in the same matter in Federal court having jurisdiction.“ 39 US Supreme Court, 24.03.1976 – Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S. 800, 817. 40 Parrish, Geo. Wash. L. Rev. 78 (2010), S. 237 (248 f.). Vgl. etwa US Court of Appeals (9th Cir.), 19.02.1991 – Neuchatel Swiss General Insurance Co. v. Lufthansa Airlines, 925 F.2d 1193; US District Court (E.D. Michigan), 26.11.1996 – General Motors Corp. v. Lopez de Arriortua, 984 F.Supp. 656; US Court of Appeals (7th Cir.), 27.04.2001 – AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 F.3d 510. 41 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 926 f. (Wilkey J): „Parallel proceeding on the same in personam claim should ordinarily be allowed to proceed simultaneously, at least until a judgment is reached in one which can be pled as res judicata in the other. The mere filing of a suit in one forum does not cut off the preexisting right of an independent forum to regulate matters subject to its prescriptive jurisdiction.“ So auch US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1987 – China Trade and Development Corp. v. M.V. Choong Yong, 837 F.2d 33, 36. 42 US Court of Appeals (11th Cir.), 29.06.1994 – Turner Entertainment Co. v. Degeto GmbH, 25 F.3d 1512; US Court of Appeals (11th Cir.), 25.06.1999 – Posner v. Essex Insurance Co., Ltd., 178 F.3d 1209; US Court of Appeals (7th Cir.), 25.06.1999 – Finova Capiital Corp. v. Ryan Helicopters U.S.A., Inc., 180 F.3d 896; US District Court (C.D. California), 28.06.2005 – Mujica v. Occidental Petroleum Corp., 381 F.Supp.2d 1134.
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der international comity, Überlegungen von fairness gegenüber den Parteien sowie dem Ziel der Prozessökonomie Rechnung zu tragen.43 Federal courts, die unter Abwägung dieser Aspekte entscheiden, sind grundsätzlich häufiger als bei Anwendung des Colorado-Ansatzes zur Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit bereit.44 Der dritte Ansatz zur Beurteilung der Frage nach der Anerkennung ausländischer Litispendenz geht auf die Entscheidung des US Supreme Court Landis v. North American Co.45 zurück, in der Grundsätze für die Behandlung von Parallelverfahren in zwei Bundesgerichten entwickelt wurden.46 Die Berücksichtigung anderweitiger Rechtshängigkeit steht nach diesem Urteil im richterlichen Ermessen: Die Befugnis zur Klageaussetzung bei parallel anhängigen Prozessen sei Ausfluss der jedem Gericht zustehenden Befugnis, den Ablauf des Verfahrens zu bestimmen.47 In dem Urteil betont der US Supreme Court jedoch, dass die Gerichte von ihrer Macht in Maßen Gebrauch machen sollten: Steht zu befürchten, dass die Beachtung der Rechtshängigkeit einer Partei Schaden zufügen wird, ist der Prozess nur dann auszusetzen, wenn es der die Aussetzung beantragenden Partei gelingt, nachzuweisen, dass die Fortführung des Verfahrens für sie unzumutbar oder unbillig wäre.48 Trotz dieser Einschränkung führt die Anwendung der Landis-Grundsätze in internationalen Fällen zu einer häufigeren Berücksichtigung ausländischer Litispendenz, als dies nach dem ColoradoAnsatz der Fall ist.49 43
US Court of Appeals (11th Cir.), 29.06.1994 – Turner Entertainment Co. v. Degeto GmbH, 25 F.3d 1512, 1518–1523; US Court of Appeals (11th Cir.), 25.06.1999 – Posner v. Essex Insurance Co., Ltd., 178 F.3d 1209, 1222–1224; US District Court (E.D. Missouri), 26.04.2006 – BP Chemicals Ltd. v. Jiangsu Sopo Corp. (Group) Ltd., 429 F. Supp 2d 1179, 1183–1185. 44 Parrish, Geo. Wash. L. Rev. 78 (2010), S. 237 (249). 45 US Supreme Court, 07.12.1936 – Landis v. North American Co., 299 U.S. 248. 46 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 525 f.; Parrish, Geo. Wash. L. Rev. 78 (2010), S. 237 (250). Vgl. etwa US District Court (E.D. Pennsylvania), 21.09.1981 – I.J.A. Inc. v. Marine Holdings, Ltd., 524 F.Supp. 197; US District Court (S.D. New York), 19.07.1982 – Continental Time Corp. v. Swiss Credit Bank, 543 F.Supp. 408; US Supreme Court, 07.12.1936 – Landis v. North American Co., 299 U.S. 248. 47 US Supreme Court, 07.12.1936 – Landis v. North American Co., 299 U.S. 248, 254 (Cardozo J): „The power to stay proceedings is incidental to the power inherent in every court to control the disposition of cases in its docket with economy of time and offer for itself, for counsel, and for litigants.“ 48 US Supreme Court, 07.12.1936 – Landis v. North American Co., 299 U.S. 248, 255 (Cardozo J): „the suppliant for a stay must make out a clear case of hardship or inequity in being required to go forward, if there is even a fair possibility that the stay for which he prays will work damage to someone else.“ 49 Parrish, Geo. Wash. L. Rev. 78 (2010), S. 237 (250); George, Tex. Int'l L. J. 37 (2002), S. 499 (508 f.).
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Die forum non conveniens-Doktrin spielt für die Entscheidung US-amerikanischer Gerichte über die Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit im Gegensatz zu England nur selten eine Rolle.50 Der Geltungsbereich der Lehre wird meistens auf Fälle beschränkt, in denen im Ausland noch kein Parallelverfahren anhängig ist. 51 Wiederum andere Gerichte kombinieren trotz der unterschiedlichen historischen Wurzeln und abweichenden Ausgangspunkte die Colorado-, international abstention-, Landis- und forum non conveniens-Lehre.52 Teile des US-amerikanischen Schrifttums stehen der in der gerichtlichen Praxis herrschenden Spaltung bei der Behandlung ausländischer Rechtshängigkeit kritisch gegenüber und fordern die Anwendung eines einheitlichen Ansatzes, der den bestehenden Besonderheiten des internationalen Kontextes Rechnung trägt. 53 Die Kritiker der Rechtsprechung sind sich jedoch uneinig, wie die „richtige“ Antwort auf die Frage nach der Anerkennung auswärtiger Litispendenz lauten soll. Manche möchten einen der in der Praxis bereits existierenden Ansätze heranziehen: So etwa befürwortet Bush die Anwendung einer modifizierten Form des Colorado-Ansatzes.54 Dieser sei – obwohl im inneramerikanischen Kontext entwickelt – als Grundlage einer einheitlichen Lösung internationaler Konstellationen gut geeignet, da er speziell auf Fälle von Parallelverfahren vor Gerichten unterschiedlicher Rechtssysteme zugeschnitten ist.55 Für vorzugswürdig erachtet Hicks dagegen die Heranziehung der forum non conveniens-Doktrin.56 Sie würde ein hohes Maß an Flexibilität bei der Handhabung der unterschiedlichen Fälle gewährleisten und zugleich voraussehbare Entscheidungen ermöglichen, da die Doktrin auf eine im Vergleich zu den anderen 50 Hicks, Rev. Litig. 28 (2009), S. 659 (691 f.). Beispiele der Anwendung der forum non conveniens-Doktrin: US District Court (S.D. New York), 14.01.1997 – Dragon Capital Partners L.P. v. Merrill Lynch Capital Services Inc., 949 F.Supp. 1123; US District Court (D. Maryland), 30.06.2005 – The Johns Hopkins Health Systems Corp. v. Al Reem General Trading, 374 F.Supp.2d 465. 51 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 522. 52 Parrish, Geo. Wash. L. Rev. 78 (2010), S. 237 (251). Vgl. etwa US District Court (D. Columbia), 02.12.1982 – Brinco Mining Ltd. v. Federal Insurance Company, 552 F.Supp.1233; US District Court (N.D. Illinois), 06.05.1993 – Heuft Systemtechnik GmbH v. Videojet Systems International, Inc., 1993 U.S. Dist. LEXIS 6014; US District Court (S.D. New York), 07.09.1994 – Advantage International Management, Inc. v. Martinez, 1994 U.S. Dist. LEXIS 12535; US District Court (C.D. California), 28.06.2005 – Mujica v. Occidental Petroleum Corp., 381 F.Supp.2d 1134. 53 Hicks, Rev. Litig. 28 (2009), S. 659 (703 f.); Bush, Am. U.L. Rev. 58 (2008), S. 127 (148 f.); Parrish, Geo. Wash. L. Rev. 78 (2010), S. 237 (251–269); Calamita, U. Pa. J. Int'l Econ. L. 27 (2006), S. 601 (654 f.). 54 Bush, Am. U.L. Rev. 58 (2008), S. 127 (148–167). 55 Bush, Am. U.L. Rev. 58 (2008), S. 127 (149). 56 Hicks, Rev. Litig. 28 (2009), S. 659 (703 f.).
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drei Ansätzen längere Geschichte zurückblickt und zu vielen ihrer Aspekte bereits Urteile des US Supreme Court vorliegen.57 Andere wie etwa Parrish und Calamita distanzieren sich von den in der Rechtsprechung praktizierten Grundsätzen und befürworten es, die Berücksichtigung früherer ausländischer Rechtshängigkeit zur Regel zu machen und die Fortführung eines in den USA eingeleiteten Parallelverfahrens nur unter engen Voraussetzungen zuzulassen.58 2. Die Rolle einer Prorogation US-amerikanischer Gerichte für die Entscheidung über die Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit Die Entscheidung US-amerikanischer Gerichte über die Anerkennung auswärtiger Litispendenz erfolgt unter Abwägung zahlreicher Faktoren.59 Die im Rahmen der Colorado-, international abstention-, Landis- und forum non conveniens-Lehren für maßgeblich erachteten Gesichtspunkte weisen große Ähnlichkeiten auf, auch wenn die Gewichtung der Einzelkriterien von Ansatz zu Ansatz variieren kann. Ob und welche Rolle die unterschiedlichen Aspekte beim Vorliegen einer Prorogation zugunsten USamerikanischer Gerichte spielen, wird im Folgenden erläutert. Ein Faktor für die richterliche Entscheidung ist die Identität von Parteien und Streitgegenstand in dem in- und ausländischen Prozess.60 Zur Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit sind die US-amerikanischen Richter jedoch auch dann berechtigt, wenn die Parteien in den verschiedenen Verfahren nicht vollkommen identisch sind, zwischen ihnen aber enge 57
Hicks, Rev. Litig. 28 (2009), S. 659 (703). Calamita, U. Pa. J. Int'l Econ. L. 27 (2006), S. 601 (674–677): Die Nichtbeachtung der ausländischen Rechtshängigkeit soll etwa geboten sein in Fällen, in denen es mit dem US-amerikanischen ordre public unvereinbar wäre, die Parteien an das auswärtige Forum zu verweisen, sowie dann, wenn im Ausland eine negative Feststellungsklage anhängig gemacht wurde und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieses Vorgehen allein dem Ziel dient, den „natürlichen“ Kläger in der Streitigkeit der Möglichkeit der Forumswahl zu berauben. Die Fortführung des US-amerikanischen Verfahrens trotz früherer ausländischer Litispendenz hält Parrish, Geo. Wash. L. Rev. 78 (2010), S. 237 (272 f.) auch in Fällen für gerechtfertigt, in denen der auswärtige Gerichtsort ein forum non conveniens darstellt. 59 Für eine Aufzählung der maßgeblichen Kriterien vgl. George, Tex. Int'l L. J. 37 (2002), S. 499 (507–509); Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 533–537; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 159–193. 60 US District Court (S.D. New York), 19.07.1982 – Continental Time Corp. v. Swiss Credit Bank, 543 F.Supp. 408, 410; US Court of Appeals (7th Cir.), 27.04.2001 – AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 F.3d 510, 518 f.; US Court of Appeals (2nd Cir.), 10.10.2006 – Royal and Sun Alliance Insurance Co. of Canada v. Century International Arms, Inc., 466 F.3d 88, 94 f. Vgl. zu den Anforderungen an die Partei- und Streitgegenstandsidentität Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 160–164 m.w.N. 58
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Verbindungen bestehen61 bzw. wenn die Streitsachen zwar unterschiedlich sind, die Anträge jedoch demselben tatsächlichen Hintergrund entspringen und sich in wesentlichen Teilen decken62. Die Tatsache, dass die ausländische Klage zeitlich früher als die inländische eingereicht wurde, spielt für die Anerkennung der auswärtigen Litispendenz grundsätzlich eine eher untergeordnete Rolle.63 Größere Bedeutung wird dagegen der Frage beigemessen, wie weit der Prozess im Ausland zur Zeit der Verfahrenseinleitung in den USA bereits fortgeschritten ist.64 Beim Vorliegen einer Prorogation zugunsten des angerufenen USamerikanischen Gerichts werden diese Faktoren jedoch in der Regel nicht in die richterliche Entscheidung über die Berücksichtigung der anderweitigen Rechtshängigkeit einfließen: Ansonsten könne sich die Partei einer Zuständigkeitsvereinbarung durch vorschnelle Klage in einem abredewidrigen Forum der Gerichtswahl allzu leicht entziehen.65 Eine Rolle bei der Entscheidung über die Anerkennung auswärtiger Rechtshängigkeit spielt außerdem grundsätzlich ein Vergleich zwischen der convenience einer Prozessführung in dem US-amerikanischen und dem ausländischen Forum: Von Bedeutung sind etwa die Entfernung der alternativen Fora von den (Wohn)Sitzen der Parteien, die Lage der Beweismittel sowie der für die Durchführung der Streitigkeit jeweils erforderliche zeitliche und finanzielle Aufwand.66 Bei Vorliegen einer Prorogation zu61 Vgl. etwa US District Court (N.D. Illinois), 06.05.1993 – Heuft Systemtechnik GmbH v. Videojet Systems International, Inc., 1993 U.S. Dist. LEXIS 6014, 10. 62 Vgl. etwa US District Court (S.D. New York), 01.08.1991 – Caspian Investments, Ltd. v. Vicom Holdings, Ltd., 770 F.Supp. 880, 884; US District Court (E.D. Missouri), 26.04.2006 – BP Chemicals Ltd. v. Jiangsu Sopo Corp. (Group) Ltd., 429 F. Supp 2d 1179, 1184. 63 Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 60, 164–166; Krause-Ablass/Bastuck, in: FS Stiefel, 1987, S. 445 (457). 64 US District Court (E.D. Pennsylvania), 21.09.1981 – I.J.A. Inc. v. Marine Holdings, Ltd., 524 F.Supp. 197, 198; US District Court (S.D. New York), 19.07.1982 – Continental Time Corp. v. Swiss Credit Bank, 543 F.Supp. 408, 410; US District Court (E.D. Missouri), 26.04.2006 – BP Chemicals Ltd. v. Jiangsu Sopo Corp. (Group) Ltd., 429 F. Supp 2d 1179, 1184; US District Court (S.D. New York), 01.08.1991 – Caspian Investments, Ltd. v. Vicom Holdings, Ltd., 770 F.Supp. 880, 884 f.; US District Court (D. Columbia), 02.12.1982 – Brinco Mining Ltd. v. Federal Insurance Company, 552 F.Supp.1233, 1241; Bermann, Litigation, 2003, S. 109; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 164–168. 65 US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984, 994. 66 US District Court (S.D. New York), 19.07.1982 – Continental Time Corp. v. Swiss Credit Bank, 543 F.Supp. 408, 410; US District Court (D. Columbia), 02.12.1982 – Brinco Mining Ltd. v. Federal Insurance Company, 552 F.Supp.1233, 1242; US District Court (E.D. Michigan), 26.11.1996 – General Motors Corp. v. Lopez de Arriortua, 984 F.Supp. 656, 668 f.; US District Court (S.D. New York), 14.01.1997 – Dragon Capital
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gunsten des angerufenen US-amerikanischen Gerichts sind Gesichtspunkte der convenience jedoch prinzipiell irrelevant: Solche Umstände seien für die Parteien in der Regel bereits bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorhersehbar und könnten daher nicht gegen die spätere Durchsetzung der Abrede geltend gemacht werden.67 In engem Zusammenhang mit dem letzten Kriterium stehen das Bestreben US-amerikanischer Gerichte nach Prozessökonomie und Verhinderung von sog. piecemeal litigation: Auswärtige Litispendenz kann demnach berücksichtigt werden, um die Nachteile einer stückchenweisen Verhandlung der Streitigkeit in unterschiedlichen Fora und das Risiko widersprüchlicher Entscheidungen zu vermeiden.68 Ist ein US-amerikanisches Gericht für zuständig vereinbart worden und klagt eine Partei abredewidrig in einem anderen Forum, schafft sie allerdings selbst die Gefahr einer piecemeal litigation, so dass diese grundsätzlich nicht gegen das Prozessieren vor dem prorogierten Gericht eingewendet werden kann. 69 Unklar ist jedoch, ob das Gebot der Prozessökonomie der Einleitung eines Verfahrens im forum prorogatum entgegen gehalten werden kann, wenn im Ausland eine umfassendere Klärung der Streitigkeit möglich wäre, etwa weil dort Parteien mitverklagt werden können, die an die GerichtsstandsvereinbaPartners L.P. v. Merrill Lynch Capital Services Inc., 949 F.Supp. 1123, 1130–1132. Vgl. auch Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 183; Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.38. 67 US Court of Appeals (7th Cir.), 27.04.2001 – AAR International, Inc. v. Nimelias Enterprises S.A., 250 F.3d 510, 523; US Court of Appeals (8th Cir.), 24.07.2009 – FruCon Construction Corp. v. Controlled Air, Inc., 574 F.3d 527, 539; US District Court (D. North Dakota), 25.11.2009 – Bank of Oklahoma, N.A. v. Tharaldson Motels II, Inc., 2009 U.S. Dist. LEXIS 110600, 14; US District Court (E.D. Kentucky), 06.06.2007 – Oldcastle Precast, Inc. v. Sunesis Construction Co., 2007 U.S. Dist. LEXIS 41064, 11 f.; US Court of Appeals (7th Cir.), 12.08.2005 – TruServ Corp. v. Flegles, Inc., 419 F.3d 584, 9 f.; US Court of Appeals (7th Cir.), 25.06.1999 – Finova Capiital Corp. v. Ryan Helicopters U.S.A., Inc., 180 F.3d 896, 899. 68 US Supreme Court, 24.03.1976 – Colorado River Water Conservation District v. United States, 424 U.S. 800, 818; US District Court (E.D. Pennsylvania), 21.09.1981 – I.J.A. Inc. v. Marine Holdings, Ltd., 524 F.Supp. 197, 199; US District Court (D. Columbia), 02.12.1982 – Brinco Mining Ltd. v. Federal Insurance Company, 552 F.Supp.1233, 1241; US District Court (S.D. New York), 01.08.1991 – Caspian Investments, Ltd. v. Vicom Holdings, Ltd., 770 F.Supp. 880, 885; US District Court (E.D. Missouri), 26.04.2006 – BP Chemicals Ltd. v. Jiangsu Sopo Corp. (Group) Ltd., 429 F. Supp 2d 1179, 1185. Vgl. auch Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 166–169; Weintraub, Conflict of Laws, 5. Aufl. 2006, § 4.38; Bermann, Litigation, 2003, S. 109. 69 US District Court (N.D. Illinois), 25.11.2003 – Truserv Corp. v. Flegles Inc., 2003 U.S. Dist. LEXIS 21366, 10; US District Court (E.D. Kentucky), 06.06.2007 – Oldcastle Precast, Inc. v. Sunesis Construction Co., 2007 U.S. Dist. LEXIS 41064, 15; US District Court (D. North Dakota), 25.11.2009 – Bank of Oklahoma, N.A. v. Tharaldson Motels II, Inc., 2009 U.S. Dist. LEXIS 110600, 14 f.
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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rung nicht gebunden sind und deren Gerichtspflichtigkeit in den USA auch sonst nicht begründet werden kann. Dass solche Umstände in die Entscheidung über die Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit grundsätzlich einfließen können, zeigt der Fall Brinco Mining Ltd. v. Federal Insurance Company, in dem der US District Court (D. Columbia) die Aussetzung der vor ihm anhängigen Klage u.a. deswegen anordnete, weil er keine internationale Zuständigkeit über einige der Beklagten im ausländischen Parallelprozess besaß, die Parteien sich somit nach Abschluss des US-amerikanischen Verfahrens in das auswärtige Forum hätten begeben müssen, um die im Inland nicht entschiedenen Aspekte auszufechten.70 Da in dem Fall keine Gerichtsstandsvereinbarung vorlag, lässt sich jedoch nicht sicher einschätzen, welche Bedeutung US-Gerichte dem Bestreben nach Prozessökonomie in den hier interessierenden Konstellationen beimessen würden. Eine Rolle für die Entscheidung US-amerikanischer Gerichte über die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit spielt außerdem der Grundsatz der international comity, aus dem u.a. das Gebot zur Rücksichtnahme auf ausländische Verfahren fließt. 71 Über die genaue Auswirkung dieser Grundsätze auf die Frage der Anerkennung auswärtiger Litispendenz herrscht in der US-amerikanischen Rechtsprechung Uneinigkeit. 72 Manche Gerichte führen die comity als Grund für die Aussetzung eines inländischen Verfahrens an, wenn bezüglich des zu erwartenden ausländischen Urteils eine positive Anerkennungsprognose besteht.73 Andere erblicken in der comity nur dann ein Argument für die Aussetzung einer USamerikanischen Klage, wenn im auswärtigen Verfahren ein in den USA
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US District Court (D. Columbia), 02.12.1982 – Brinco Mining Ltd. v. Federal Insurance Company, 552 F.Supp.1233, 1234, 1242. Vgl. zu einem umgekehrten Sachverhalt – die ausländischen Gerichte besaßen keine internationale Zuständigkeit über einige der in den USA verklagten Parteien – die Entscheidung US District Court (E.D. Pennsylvania), 21.09.1981 – I.J.A. Inc. v. Marine Holdings, Ltd., 524 F.Supp. 197: Das US-amerikanische Gericht weigerte sich, die vor ihm anhängige Klage auszusetzen mit der Begründung, ansonsten müssten die Parteien nach Abschluss des auswärtigen Prozesses in das US-amerikanische Forum zurückkehren, um die im Ausland nicht ausgefochtenen Aspekte zu verhandeln. 71 US District Court (S.D. New York), 01.08.1991 – Caspian Investments, Ltd. v. Vicom Holdings, Ltd., 770 F.Supp. 880, 884 f.; US Court of Appeals (11th Cir.), 29.06.1994 – Turner Entertainment Co. v. Degeto GmbH, 25 F.3d 1512, 1519–1521; US Court of Appeals (2nd Cir.), 10.10.2006 – Royal and Sun Alliance Insurance Co. of Canada v. Century International Arms, Inc., 466 F.3d 88, 94; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 170–175. 72 Kritisch Calamita, U. Pa. J. Int'l Econ. L. 27 (2006), S. 601 (614). 73 Vgl. etwa US District Court (E.D. Pennsylvania), 21.09.1981 – I.J.A. Inc. v. Marine Holdings, Ltd., 524 F.Supp. 197, 198.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
anerkennungs- und vollstreckungsfähiges Urteil ergangen ist.74 Wiederum andere sprechen dem comitas-Gedanken jede Bedeutung für die Behandlung auswärtiger Litispendenz ab, wenn eine ausschließliche Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten US-amerikanischer Gerichte vorliegt: Rücksichtnahme auf ein ausländisches Verfahren sei nicht geboten, wenn dieses unter Verstoß gegen eine wirksame Prorogation zugunsten US-amerikanischer Gerichte eingeleitet wurde.75 3. Negative Feststellungsklagen und Anerkennung ausländischer Rechtshängigkeit Wie die obigen Ausführungen zeigen, wird ein prorogiertes US-amerikanisches Gericht eine frühere auswärtige Litispendenz grundsätzlich unberücksichtigt lassen und das bei ihm anhängig gemachte Verfahren fortführen. Fraglich ist, ob dies auch in Fällen gilt, in denen eine inländische negative Feststellungsklage und eine ausländische Leistungsklage zusammentreffen. Im umgekehrten Fall, also bei Konkurrenz zwischen einer inländischen Leistungs- und einer früher erhobenen ausländischen negativen Feststellungsklage, entscheiden US-amerikanische Gerichte grundsätzlich nach den oben erläuterten Kriterien.76 In die Abwägung über die Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit fließt lediglich ein weiterer Faktor ein, nämlich ob mit der negativen Feststellungsklage legitime Interessen verfolgt werden oder ob diese in Erwartung einer anderweitigen Leistungsklage lediglich dazu dienen soll, dem potentiell Anspruchsberechtigten das Recht zur Gerichtsstandswahl aus der Hand zu schlagen bzw. die Entscheidung des Falles zu verzögern. 77 Ob dieses Kriterium bei der Erhebung einer negativen Feststellungsklage im abredewidrigen Forum erfüllt ist, wird von den Umständen des Einzelfalls abhängig sein. Im Zweifelsfall 74 So etwa US District Court (D. New Jersey), 10.07.1990 – American Cyanamid Co. v. Picaso-Anstalt, 741 F.Supp. 1150, 1158 f.; US Court of Appeals (11th Cir.), 29.06.1994 – Turner Entertainment Co. v. Degeto GmbH, 25 F.3d 1512, 1519–1521; US District Court (E.D. Missouri), 26.04.2006 – BP Chemicals Ltd. v. Jiangsu Sopo Corp. (Group) Ltd., 429 F. Supp 2d 1179, 1182. 75 US Court of Appeals (9th Cir.), 22.08.2007 – Dependable Highway Express, Inc. v. US District Court (C.D. California), 498 F.3d 1059, 1068. 76 Vgl. etwa US District Court (S.D. New York), 07.09.1994 – Advantage International Management, Inc. v. Martinez, 1994 U.S. Dist. LEXIS 12535; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 191 f. 77 US District Court (S.D. New York), 07.09.1994 – Advantage International Management, Inc. v. Martinez, 1994 U.S. Dist. LEXIS 12535, 8–12. Dieser Faktor ist auch bei positiven Feststellungsklagen von Bedeutung: US Court of Appeals (5th Cir.), 06.06.1983 – Mission Insurance Co. v. Puritan Fashions Corp., 706 F.2d 599, 602 und Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 116, 191.
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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wird das prorogierte US-amerikanische Gerichte jedoch, wie bereits oben gezeigt, regelmäßig die auswärtige Rechtshängigkeit missachten und über die vor ihm anhängig gemachte Leistungsklage entscheiden. Wird im Inland trotz Rechtshängigkeit im Ausland negative Feststellungsklage erhoben, entscheidet ein Teil der US-amerikanischen Gerichte unter Heranziehung der oben genannten Kriterien. Der Art der in den Parallelprozessen anhängigen Klagen wird insoweit grundsätzlich keine Bedeutung beigemessen.78 Andere Gerichte beantworten die Frage nach der Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in solchen Konstellationen dagegen unter Heranziehung der für den Erlass von Feststellungsklagen geltenden Sonderregeln79: Die Entscheidung darüber, ob ein Feststellungsurteil ergeht, ist gem. 28 U.S.C. § 2201 (a) ins richterliche Ermessen gestellt.80 Die daraus fließende Befugnis der Bundesgerichte, die Ausübung bestehender Zuständigkeit abzulehnen, reicht weiter als der Spielraum, der ihnen nach den Colorado-, Landis- und international abstention-Lehren zusteht. 28 U.S.C. § 2201 (a) räumt den Richtern also größere Freiheit bei der Entscheidung ein, ob sie das vor ihnen eingeleitete Verfahren wegen früherer auswärtiger Rechtshängigkeit im Ausland aussetzen.81 In den hier interessierenden Konstellationen dürfte dieser Unterschied jedoch kaum zu abweichenden Ergebnissen führen. Viele der Kriterien für die Ausübung des richterlichen Ermessens im Zusammenhang mit Feststellungsklagen sind den bereits oben erwähnten Aspekten nämlich sehr ähnlich: Es gilt u.a. die convenience der alternativen Fora miteinander zu vergleichen und dem Interesse an Vermeidung von unnötigen Doppelprozessen Rechnung zu tragen.82 In die Entscheidung gem. 28 U.S.C. § 2201 (a) fließen zwar auch Sonderfaktoren ein: Die Richter sollten bei der Ausübung des ihnen eingeräumten Ermessens beispielsweise Versuchen von Parteien entgegentreten, Feststellungsklagen zu forum shopping-Zwecken
78 US Court of Appeals (7th Cir.), 16.11.1987 – Ingersoll Milling Machine Co. v. Granger, 833 F.2d 680; US District Court (D. Maryland), 30.06.2005 – The Johns Hopkins Health Systems Corp. v. Al Reem General Trading, 374 F.Supp.2d 465. 79 So etwa US District Court (N.D. California), 30.01.2001 – Supermicro Computer Inc. v. Digitechnic, S.A., 145 F.Supp.2d 1147. 80 Im richterlichen Ermessen liegt der Erlass von Feststellungsurteilen auch nach den meisten einzelstaatlichen Rechten, Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 114 f. 81 US Supreme Court, 12.06.1995 – Wilton v. Seven Falls Company, 515 U.S. 277, 286; US District Court (N.D. California), 30.01.2001 – Supermicro Computer Inc. v. Digitechnic, S.A., 145 F.Supp.2d 1147, 1150. 82 US District Court (N.D. California), 30.01.2001 – Supermicro Computer Inc. v. Digitechnic, S.A., 145 F.Supp.2d 1147, 1150.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
zu missbrauchen. 83 Die forum shopping-Gefahr spielt jedoch beim Vorliegen einer auf das angerufene US-amerikanische Gericht lautenden Vereinbarung grundsätzlich keine Rolle.84 Somit ist festzuhalten: Unabhängig davon, ob ein prorogiertes US-amerikanisches Gericht über das Verhältnis zwischen einer ausländischen Leistungsklage und einer später im Inland erhobenen negativen Feststellungsklage nach 28 U.S.C. § 2201 (a) oder den Colorado-, Landis- und international abstention-Ansätzen entscheidet, wird es in der Regel die auswärtige Litispendenz unbeachtet lassen und das vor ihm eingeleitete Verfahren fortführen.
III. Parallelverfahren im prorogierten Forum nach deutschem Recht Nach einem Überblick über die Voraussetzungen der Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit im autonomen deutschen Recht (1.) wird die Behandlung von Fällen erläutert, in denen im in- und ausländischen Verfahren eine Leistungs- und eine negative Feststellungsklage zusammentreffen (2.). Abschließend wird die Rolle einer ausschließlichen Prorogation zugunsten deutscher Gerichte für die Entscheidung über die Anerkennung früherer ausländischer Litispendenz beleuchtet (3.). 1. Grundsätze der Beachtung auswärtiger Rechtshängigkeit im Überblick Die Anforderungen an die Anerkennung auswärtiger Rechtshängigkeit sind im deutschen Recht – von dem für Havariestreitigkeiten geltenden § 738a HGB abgesehen – nicht ausdrücklich geregelt. In Rechtsprechung und Literatur wird jedoch seit langem unter analoger Heranziehung des § 261 III Nr. 1 ZPO von der grundsätzlichen Beachtlichkeit ausländischer Litispendenz ausgegangen.85 Begründet wird dies mit dem Gebot der Prozessökonomie und dem funktionalen Zusammenhang mit der Anerkennung 83
US Court of Appeals (7th Cir.), 09.11.1993 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Bull Data Systems Inc., 10 F.3d 425, 431; US District Court (N.D. California), 30.01.2001 – Supermicro Computer Inc. v. Digitechnic, S.A., 145 F.Supp.2d 1147, 1150. 84 US District Court (D. North Dakota), 25.11.2009 – Bank of Oklahoma, N.A. v. Tharaldson Motels II, Inc., 2009 U.S. Dist. LEXIS 110600, 19. 85 BGH, 10.10.1985 – I ZR 1/83, NJW 1986, S. 2195; BGH, 18.03.1987 – IVb ZR 24/86, NJW 1987, S. 3083; BGH, 24.10.2000 – XI ZR 300/99, NJW 2001, S. 524 (525); OLG Frankfurt a.M., 21.10.1980 – 5 W 24/80, RIW 1980, S. 875; OLG Hamm, 08.11.1993 – 8 U 37/93, NJW-RR 1995, S. 510; OLG Saarbrücken, 02.07.1997 – 1 U 847/96–139, RIW 1999, S. 64; OLG Schleswig, 15.02.2007 – 5 U 59/06, OLGR 2007, 305; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2688; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 74; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 833; v. Hoffmann/ Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 83 f.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 113 f.; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 43; Krause-Ablass/Bastuck, in: FS Stiefel, 1987, S. 445 (446). Die Anerkennung ausländischer Rechtshängigkeit dagegen ablehnend Schütze, NJW 1964, S. 337.
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ausländischer Entscheidungen: Kann ein ausländisches Urteil im Inland durch Anerkennung Wirkungen entfalten, ist es konsequent, das auswärtige Verfahren auch bereits vor dessen Abschluss zu beachten.86 Im Unterschied zu der Rechtslage in England und den USA steht die Beachtung auswärtiger Litispendenz nicht im richterlichen Ermessen, sondern ist an strenge Voraussetzungen gebunden. 87 Das Eingreifen der Rechtshängigkeitssperre erfordert zum einen, dass Parteien und Streitgegenstände im in- und ausländischen Verfahren identisch sind. 88 Letzteres ist nach dem von der herrschenden Meinung vertretenen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff gegeben, wenn Klageantrag und Lebenssachverhalt in den verschiedenen Verfahren übereinstimmen.89 Fehlt es an Parteiund Streitgegenstandsidentität in den Parallelprozessen, wird in dem auswärtigen Verfahren jedoch über ein Rechtsverhältnis entschieden, das für den deutschen Rechtsstreit präjudiziell ist, liegt es gem. § 148 ZPO im richterlichen Ermessen, das inländische Verfahren bis zur Entscheidung des auswärtigen Gerichts auszusetzen. 90 Ist das ausländische Verfahren nicht vorgreiflich, besteht zwischen den parallelen Klagen jedoch ein sachlicher Zusammenhang, sieht das deutsche Recht anders als etwa das englische und US-amerikanische keine Möglichkeit zur Beachtung der auswärtigen Rechtshängigkeit vor.91 Die Berücksichtigung ausländischer Litispendenz setzt außerdem voraus, dass die auswärtige Klage zeitlich früher als die deutsche rechtshängig ge-
86 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 833 f.; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2686, 2688 f.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 114. 87 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 115; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2. 88 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 838; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2693 f., 2695; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 130 f., 141 f.; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 47–56. 89 BGH, 19.12.1991 – IX ZR 96/91, NJW 1992, S. 1172 (1173); BGH, 06.05.1999 – IX ZR 250–98, NJW 1999, S. 2118 (2119); BGH, 17.05.2001 – IX ZR 256/99, NJW 2001, S. 3713; BGH, 07.03.2002 – III ZR 73/01, NJW 2002, S. 1503; Musielak/Foerste, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 261 Rn. 10; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 57. 90 OLG Frankfurt a.M., 12.11.1985 – 5 W 25/85, NJW 1986, S. 1443; OLG Karlsruhe, 22.04.1993 – 2 WF 131/92, FamRZ 1994, S. 47; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 148 Rn. 5–7; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 148 ZPO Rn. 3 f.; Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (55); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 115 f., 131 f. 91 Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (55); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 115 f., 131 f.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
macht wurde (sog. Prioritätsprinzip). 92 Die inländische Litispendenz beginnt gem. §§ 261 I, 253 I ZPO mit Zustellung der Klageschrift an den Beklagten. Der Zeitpunkt des Eintritts der ausländischen Litispendenz ist nach überwiegender Auffassung unter Heranziehung des jeweiligen auswärtigen Prozessrechts zu bestimmen.93 Die letzte Voraussetzung für die Beachtlichkeit ausländischer Rechtshängigkeit ist das Vorliegen einer positiven Anerkennungsprognose, es muss also mit der Anerkennung der auswärtigen Entscheidung zu rechnen sein.94 Den Maßstab einer solchen Prognose gibt § 328 ZPO vor. Staatsvertragliche Regelungen genießen als leges speciales Vorrang95, es sei denn, § 328 ZPO ist anerkennungsfreundlicher96. Die Anerkennungsfähigkeit ist auch für die Aussetzung wegen Präjudizialität gem. § 148 ZPO erforderlich.97 Die Betrachtung der Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit als Vorstufe der Urteilsanerkennung stellt einen wichtigen Unterschied zu dem englischen und US-amerikanischen Recht dar. Hintergrund dieser Voraussetzung bildet der Justizgewährungsanspruch, aufgrund dessen inländischer Rechtsschutz nur dann unter Hinweis auf ein ausländisches Ver-
92 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 842–844; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2697–2703; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 146–153; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 55–61. 93 BGH, 18.03.1987 – IVb ZR 24/86, NJW 1987, S. 3083; BGH, 12.02.1992 – XIII ZR 25/91, NJW-RR 1992, S. 642; OLG Bamberg, 05.11.1999 – 2 WF 192/99, FamRZ 2000, S. 1289; v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 84; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 261 ZPO Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 261 ZPO Rn. 7; Kaiser/Prager, RIW 1983, S. 667 (668 f.). Der uneingeschränkten Anwendung der ausländischen lex fori stehen Teile des Schrifttums kritisch gegenüber: Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2699–2703; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 844; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 147–153. In Fällen, in denen nach ausländischem Verfahrensrecht eine Klage bereits mit Einreichung bei Gericht anhängig ist, sei der in Deutschland Klagende wegen §§ 261 I, 253 I ZPO stets zu Unrecht im Nachteil. In solchen Konstellationen befürworten Schack und Linke, das ausländische Verfahren erst dann zu beachten, wenn es ein dem Zeitpunkt der deutschen Rechtshängigkeit entsprechendes Stadium erreicht hat. Eine angemessene Lösung der Problematik erblickt Geimer dagegen darin, für den Eintritt der Rechtshängigkeit in Deutschland auch die Einreichung der Klage bei Gericht ausreichen zu lassen. 94 Vgl. die Rechtsprechungsnachweise in Fn. 201 sowie Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2717–2721; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 840 f.; MünchKomm-ZPO/BeckerEberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 75; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 61–67. 95 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 75; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 164. 96 BGH, 18.03.1987 – IVb ZR 24/86, NJW 1987, S. 3083. 97 OLG Karlsruhe, 22.04.1993 – 2 WF 131/92, FamRZ 1994, S. 47; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 148 Rn. 4, 6; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 116.
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fahren verweigert werden darf, wenn im Rahmen des letzteren die Streitigkeit auch mit Wirkung für das Inland entschieden werden kann.98 Der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit gehört nach deutschem Recht zu den unverzichtbaren Rügen i.S.v. § 296 III ZPO und ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten.99 Eine im Inland verklagte Partei kann nicht auf die Beachtung auswärtiger Litispendenz verzichten, da die Vermeidung von sich widersprechenden Entscheidungen im öffentlichen Interesse an einer geordneten internationalen Rechtspflege liegt. 100 Der Grundsatz der Amtsprüfung bedeutet jedoch nicht, dass ein deutsches Gericht zu Ermittlungen von Amts wegen befugt ist. Es ist grundsätzlich auf die Prüfung der ihm von den Parteien vorgetragenen Tatsachen beschränkt. Das Gericht muss jedoch auch ohne Parteirüge die Klage abweisen, wenn ihm aus anderen Quellen Informationen über ein anderweitig anhängiges Verfahren bekannt sind.101 Über den Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit kann das Gericht durch Zwischenurteil gem. § 280 ZPO entscheiden.102 Für die richterliche Entscheidung über die Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz gelten grundsätzlich die allgemeinen Beweislastregeln, wonach es jeder Partei obliegt, die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm nachzuweisen. Folglich obliegt es dem in Deutschland Beklagten, zur Überzeugung des Gerichts vorzutragen, dass dieselbe Sache zwischen denselben Parteien bereits in einem anderen Forum anhängig ist.103 Bezüglich der positiven Anerkennungsprognose wird im Schrifttum dagegen gefordert, dem Kläger die Beweislast aufzuerlegen: Dies sei gerechtfertigt, da der Anerkennung im Regelfall keine Hindernisse entgegenstehen.104
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Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 153. BGH, 10.10.1952 – V ZR 159/51, NJW 1952, S. 1375 (1376); BGH, 10.10.1985 – I ZR 1/83, NJW 1986, S. 2195; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 852; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 43; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2707; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 127; Schumann, in: FS Kralik, 1986, S. 301 (310). 100 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 852; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 127. 101 BGH, 20.01.1989 – V ZR 173/87, NJW 1989, S. 2064; MünchKomm-ZPO/BeckerEberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 45; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 129. 102 OLG Frankfurt a.M., 09.04.1975 – 19 U 113/74, IPRspr. 1975 Nr. 156; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 2711. 103 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 46; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 129; Schulte, Rechtshängigkeit, 2001, S. 68; Schumann, in: FS Kralik, 1986, S. 301 (310). 104 Schumann, in: FS Kralik, 1986, S. 301 (310). 99
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
2. Konkurrenz zwischen einer Leistungs- und einer negativen Feststellungsklage Der Konflikt zwischen einer Leistungsklage und einer korrespondierenden negativen Feststellungsklage wird im deutschen Recht über den Einwand der Rechtshängigkeit und teilweise über den Einwand des fehlenden Rechtsschutzinteresses gelöst. Treffen eine auswärtige Klage auf Leistung und eine später im Inland erhobene Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Anspruchs zusammen, ist nach der überwiegenden Auffassung die für die Auslösung der Rechtshängigkeitssperre gem. § 261 III Nr. 1 ZPO erforderliche Streitgegenstandsidentität gegeben.105 Ein Teil der herrschenden Meinung lässt für die Identität der Klageanträge – obwohl der eine auf Leistung und der andere auf Feststellung gerichtet sind – genügen, dass im Zweitprozess der Ausspruch des kontradiktorischen Gegenteils des im Erstprozess Begehrten verlangt wird. 106 Andere verneinen aufgrund der Verschiedenheit der Anträge zwar eine vollständige Identität des Streitgegenstands in den parallelen Verfahren, erachten jedoch das Bestehen einer teilweisen Identität für ausreichend. Diese sei bei einer Konkurrenz zwischen einer früheren Leistungsklage und einer korrespondierenden negativen Feststellungsklage gegeben: Der Streitgegenstand des Leistungs- umfasse den des Feststellungsverfahrens, da im ersteren Prozess rechtskräftig über die begehrte Feststellung zu entscheiden ist. 107 Sind die übrigen Voraussetzungen für die Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz erfüllt, ist die später in Deutschland erhobene Feststellungsklage somit als unzulässig abzuweisen. Anders gestaltet sich die Rechtslage, wenn im Ausland früher eine negative Feststellungsklage erhoben wurde: Diese löst nach der herrschenden Meinung keine Rechtshängigkeitssperre für eine spätere Leistungsklage aus. Begründet wird dies zum einen damit, dass es an der erforderlichen Identität der Streitgegenstände fehlt, da die Leistungsklage einen weiter reichenden Gegenstand hat als die negative Feststellungsklage. 108 Zum an105 BGH, 20.01.1989 – V ZR 173/87, NJW 1989, S. 2064; OLG Hamm, 08.11.1993 – 8 U 37/93, NJW-RR 1995, S. 510; LG Hamburg, 24.03.1976 – 5 O 265/74, IPRspr. 1976 Nr. 160; LG Hamburg, 01.10.1980 – 24 O 9/80, IPRspr. 1980 Nr. 23; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 63, 65; Leipold, in: GS Arens, 1993, S. 227 (229); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 135; Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 127; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 261 ZPO Rn. 13. Differenzierend dagegen Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 839. 106 OLG Hamm, 08.11.1993 – 8 U 37/93, NJW-RR 1995, S. 510. 107 MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 63, 65; Leipold, in: GS Arens, 1993, S. 227 (229). 108 BGH, 28.11.1961 – I ZR 127/60, GRUR 1962, S. 360 (361); BGH, 07.07.1994 – I ZR 30/92, NJW 1994, S. 3107 (3108); OLG Köln, 04.04.1973 – 2 U 173/72, VersR 1973,
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deren wird darauf verwiesen, dass mit der Erhebung der Leistungsklage das Rechtsschutzinteresse für die frühere Feststellungsklage entfalle, da im Leistungsverfahren über die begehrte Feststellung entschieden wird. 109 Teile des Schrifttums befürworten dagegen eine Blockadewirkung der Feststellungsklage analog § 261 III Nr. 1 ZPO und führen zur Begründung das Gebot der Prozessökonomie, das Interesse an Vermeidung widersprechender Entscheidungen sowie die Möglichkeit des Leistungsklägers an, Widerklage in dem Forum zu erheben, in dem bereits die Feststellungsklage anhängig ist.110 3. Auswärtige Litispendenz bei ausschließlicher Prorogation deutscher Gerichte Ob der Klage vor einem derogierten ausländischen Gericht der Vortritt gewährt oder ein inländisches Parallelverfahren gestattet wird, machen deutsche Gerichte insbesondere von der Anerkennungsprognose für das zu erwartende ausländische Urteil abhängig. Diese Prognose fällt gem. § 328 I Nr. 1 ZPO nur dann positiv aus, wenn das ausländische Gericht bei spiegelbildlicher Anwendung der deutschen Gesetze international zuständig ist.111 Liegt aus Sicht der deutschen Gerichte eine auf sie lautende zulässige und wirksame Prorogation vor, fehlt es an der internationalen Zuständigkeit der Gerichte im auswärtigen Forum. Eine dort anhängig gemachte Klage kann somit unter keinen Umständen ein Hindernis für die Einleitung eines Parallelverfahrens im Inland sein. Eine Sperrwirkung des ausländischen Verfahrens scheidet unabhängig davon aus, welche Klagearten in den unterschiedlichen Prozessen anhängig sind bzw. ob die konkurrieren-
S. 1065; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 838; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rn. 16; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 261 ZPO Rn. 14. 109 BGH, 22.01.1987 – I ZR 230/85, NJW 1987, S. 2680 (2681); BGH, 21.12.1989 – IX ZR 234/88, NJW-RR 1990, S. 1532; BGH, 29.11.1990 – IX ZR 265/89, NJW 1991, S. 1061 (1062); BGH, 07.07.1994 – I ZR 30/92, NJW 1994, S. 3107 (3108). 110 Blomeyer, Zivilprozessrecht (Erkenntnisverfahren), 2. Aufl. 1985, S. 275 f.; Bettermann, Rechtshängigkeit, 1949, S. 36–41; Baltzer, Die negative Feststellungsklage, 1980, S. 152–159; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl. 2008, § 261 Rn. 66; Zeuner, in: FS Lüke, 1997, S. 1003 (1014 f.); Kropholler, in: FS Firsching, 1985, S. 165 (166–169, 172) führt außerdem den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien an: Im internationalen Kontext solle jede Partei das Recht haben, den Gerichtsort für die Austragung der Streitigkeit zu bestimmen. 111 BayObLG, 21.08.1975 – 1 Z 41/75, NJW 1976, S. 1037; BGH, 26.03.1969 – VIII ZR 194/68, NJW 1969, S. 1536; OLG Hamm, 25.03.1987 – 20 U 171/86, NJW 1988, S. 653; OLG Bamberg, 05.11.1999 – 2 WF 192/99, FamRZ 2000, S. 1289; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 921–928; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 63.
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den Verfahren Partei- und Streitgegenstandsidentität im oben beschriebenen Sinne aufweisen. Etwas anderes gilt in dem praktisch seltenen Fall des Abschlusses einer nachträglichen Prorogation zugunsten des auswärtigen Gerichts sowie in Konstellationen, in denen sich die im Ausland beklagte Partei auf das dortige Verfahren rügelos eingelassen hat. Ob das prozessuale Verhalten des Beklagten im auswärtigen Forum als Einlassung zur Sache ohne Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit zu bewerten ist, ist unter Berücksichtigung des im ausländischen Staat geltenden Prozessrechts zu beurteilen.112 Ist hiernach die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts kraft rügeloser Einlassung begründet, wird das auswärtige Verfahren den Weg für eine Klage in Deutschland versperren, solange auch die weiteren oben aufgezählten Voraussetzungen für die Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit erfüllt sind. Zusammenfassend ist somit festzuhalten: Liegt weder eine nachträgliche Prorogation zugunsten des auswärtigen Gerichts noch eine rügelose Einlassung des Beklagten auf das dortige Verfahren vor, wird das deutsche Gericht die frühere auswärtige Litispendenz unberücksichtigt lassen und das vor ihm eingeleitete Parallelverfahren fortführen.
B. Grenzen der Einleitung eines Parallelverfahrens im prorogierten Forum in international vereinheitlichten Rechtssystemen Im Folgenden wird erörtert, ob die in einem abredewidrigen Forum verklagte Partei im Anwendungsbereich der EuGVVO (I.) und des HGÜ (II.) die Möglichkeit hat, ein Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht einzuleiten.
I. Grenzen der Einleitung von Parallelverfahren im Anwendungsbereich der EuGVVO Die Rechtslage innerhalb der EuGVVO hängt davon ab, ob die Parallelverfahren vor zwei mitgliedstaatlichen Gerichten (1.) oder vor einem mitgliedstaatlichen und einem drittstaatlichen Gericht (2.) anhängig sind. 1. Parallelverfahren vor mitgliedstaatlichen Gerichten Die Auswirkung ausländischer Rechtshängigkeit auf inländische Verfahren regeln Art. 27–30 EuGVVO. Sind in verschiedenen Ländern Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Personen anhängig, verpflichtet Art. 27 EuGVVO das später angerufene Gericht zur Berücksichtigung der 112
OLG Hamm, 25.03.1987 – 20 U 171/86, NJW 1988, S. 653; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 72.
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auswärtigen Litispendenz und zur Aussetzung des Verfahrens. Sind die unterschiedlichen Prozesse lediglich konnex, gilt dagegen Art. 28 EuGVVO, wonach es im Ermessen des zweitangerufenen Gerichts liegt, zugunsten des ausländischen Verfahrens auszusetzen oder die Klage wegen Unzuständigkeit abzuweisen. Art. 29 EuGVVO legt die Priorität der früher erhobenen Klage im Verhältnis zwischen Parallelverfahren fest, in denen beide Gerichte ausschließlich zuständig sind. 113 Solche in der Praxis seltenen Fälle können etwa im Zusammenhang mit Art. 22 Nr. 1 EuGVVO auftreten, wenn sich ein Grundstück über die Grenzen zweier verschiedener Staaten erstreckt und unteilbar ist114, sowie im Rahmen von Art. 16 II EuGVVO, wenn die parallel angerufenen Gerichte den Wohnsitz des Verbrauchers unter Anwendung des jeweils nationalen Rechts gem. Art. 59 I EuGVVO abweichend bestimmen115. In den hier zu untersuchenden Konstellationen, in denen die ausschließliche Zuständigkeit lediglich eines der parallel angerufenen Gerichte aufgrund entsprechender Prorogation gegeben ist, kommt Art. 29 EuGVVO keine Bedeutung zu, so dass sich die folgenden Ausführungen auf Art. 27 und 28 EuGVVO beschränken. Nach Erörterung der Anwendungserfordernisse dieser beiden Litispendenzregeln (a.) und des in der EuGVVO maßgeblichen Zeitpunkts für den Eintritt der Rechtshängigkeit (b.) sind die Voraussetzungen (c.) und Rechtsfolgen (d.–e.) von Art. 27 f. EuGVVO zu klären.
113
Nach herrschender Meinung stellt Art. 29 EuGVVO – trotz seiner systematischen Stellung hinter Art. 28 EuGVVO – eine Sonderregel nur im Verhältnis zu Art. 27 EuGVVO. Besteht zwischen den Parallelklagen, für die ausschließliche Zuständigkeit gegeben ist, bloß ein Zusammenhang i.S.v. Art. 28 III EuGVVO, ist das später angerufene Gericht somit nicht gem. Art. 29 EuGVVO verpflichtet, sich für unzuständig zu erklären. Die Abweisung bzw. Aussetzung der später erhobenen Klage liegt vielmehr in seinem Ermessen: Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 29 EuGVVO Rn. 2; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 29 EuGVVO; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 29 EuGVVO Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 29 EuGVVO Rn. 2; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 29 EuGVVO Rn. 1. A.A. Jenard, Bericht zu EuGVÜ (42) zu Art. 23 EuGVÜ (~ Art. 29 EuGVVO), wonach sich das zuletzt angerufene Gericht i.S. der Norm „entweder nach Art. 21 [~ Art. 27 EuGVVO, d. Verf.] oder nach Art. 22 [~ Art. 28 EuGVVO, d. Verf.] zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig erklären muss.“ 114 Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 29 EuGVVO Rn. 1. 115 Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 29 EuGVVO. A.A. Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 29 EuGVVO Rn. 1, wonach Art. 29 EuGVVO lediglich für ausschließliche Zuständigkeiten nach Art. 22 EuGVVO von Bedeutung sein soll.
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a) Die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 27 f. EuGVVO Die Litispendenzregeln der Verordnung gelten nur, wenn ihr Anwendungsbereich in zeitlicher sowie sachlicher Hinsicht eröffnet ist116 und keine vorrangige staatsvertragliche Regelung i.S.v. Art. 71 I EuGVVO eingreift 117. Sind beide Verfahren vor Gerichten unterschiedlicher Mitgliedstaaten eingeleitet worden, finden die Art. 27 f. EuGVVO Anwendung unabhängig davon, ob die Parteien ihren Wohnsitz im Geltungsbereich der Verordnung haben bzw. ob die Gerichte ihre Zuständigkeit auf die Vorschriften der EuGVVO oder auf nationales Recht stützen.118 Der weite Anwendungsbereich der Litispendenzregeln erklärt sich durch den Zusammenhang mit den Vorschriften über die Anerkennung in Art. 32 ff. EuGVVO: Judikate aus einem Mitgliedstaat sind in anderen Mitgliedstaaten gem. Art. 33 EuGVVO anzuerkennen. Die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts ist dabei gem. Art. 35 III EuGVVO grundsätzlich nicht nachzuprüfen. Da es Aufgabe der Rechtshängigkeitsvorschriften ist, das Risiko widersprechender Entscheidungen im EU-Raum zu verringern, ist es konsequent, den Rechtshängigkeitseinwand in allen Verfahren, in denen anerkennungsrelevante Entscheidungen ergehen können, unabhängig davon greifen zu lassen, auf welche Vorschriften das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit gestützt hat.119 116 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 11; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 123 f.; Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 3. Art. 27 EuGVVO kann auch dann zur Anwendung kommen, wenn die erste Klage vor Inkrafttreten der Verordnung zwischen den in Betracht kommenden Mitgliedsstaaten und die zweite nach diesem Zeitpunkt erhoben wurde. Voraussetzung ist, dass das zuerst angerufene Gericht seine internationale Zuständigkeit aufgrund einer Vorschrift angenommen hat, die mit den Zuständigkeitsnormen der EuGVVO, des EuGVÜ oder eines anderen Abkommens übereinstimmt, das bei Klageerhebung zwischen den betroffenen Staaten in Kraft war, vgl. EuGH, 09.10.1997 – Rs. 163/95, von Horn ./. Cinnamond, Slg. 1997, I-5451 zu der Vorgängernorm, Art. 21 EuGVÜ; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 26. Dasselbe dürfte auch für Art. 28 EuGVVO gelten. 117 Eine solche Norm enthält Art. 31 II CMR für Beförderungsverträge im internationalen Straßengüterverkehr. Vgl. Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 27 EuGVVO Rn. 1 und Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 2 m.w.N. 118 EuGH, 27.06.1991 – Rs. C-351/89, Overseas Union Insurance Ltd. ./. New Hampshire Insurance Co., Slg. 1991, I-3317, Rn. 12–18; EuGH, 14.10.2004 – Rs. C39/02, Mærsk Olie & Gas A/S ./. Firma M. de Haan en W. de Boer, Slg. 2004, I-9657, Rn. 32; OLG Frankfurt a.M., 05.03.2001 – 13 W 18/98, IPRax 2002, S. 515 (519); Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 14 f., Art. 28 EuGVVO Rn. 7; Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 3; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 27 EuGVVO Rn. 1; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 124. 119 Coester-Waltjen, in: FS Nakamura, 1996, S. 90 (100 f.).
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b) Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit in der EuGVVO Der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit in Art. 27 f. EuGVVO ist unter Rückgriff auf Art. 30 EuGVVO zu bestimmen. Diese Norm stellt keine einheitlichen Voraussetzungen für den Beginn der Litispendenz auf, sondern versucht lediglich die insoweit unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Modelle in einen Ausgleich zu bringen. 120 Maßgeblich nach Art. 30 EuGVVO ist der erste zur Verfahrenseinleitung notwendige Schritt: Je nach anwendbarem Prozessrecht liegt dieser entweder in der Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht (Art. 30 Nr. 1 EuGVVO) oder – wenn das einleitende Schriftstück erst nach Zustellung an den Beklagten bei Gericht einzureichen ist – in der Übermittlung an die Stelle, die für die Zustellung an den Beklagten zuständig ist (Art. 30 Nr. 2 EuGVVO). Diese Grundsätze gelten jedoch lediglich für den sorgfältigen Kläger, der anschließend alle weiteren in der lex fori vorgesehenen Maßnahmen zur Herbeiführung der sog. endgültigen Rechtshängigkeit trifft: Er muss daher die erforderlichen Schritte ergreifen, um die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken (im Fall von Art. 30 Nr. 1 EuGVVO) bzw. das Schriftstück bei Gericht einzureichen (Art. 30 Nr. 2 EuGVVO). Kommt er diesen Obliegenheiten nicht nach, tritt keine Rechtshängigkeit i.S.v. Art. 30 EuGVVO ein und die Klage kann durch Einleitung eines Parallelverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat überholt werden.121 c) Die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 27 f. EuGVVO Art. 27 EuGVVO gilt nur, wenn in den unterschiedlichen Prozessen Klagen zwischen denselben Parteien anhängig sind. Das Erfordernis der Parteiidentität ist autonom zu bestimmen.122 Stimmen die Parteien des zweiten Verfahrens nur teilweise mit denen des ersten überein, findet Art. 27
120 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 30 EuGVVO Rn. 8; RauscherEuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 30 EuGVVVO Rn. 1; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 30 EuGVVO Rn. 1. S. für einen Überblick über den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit in den unterschiedlichen Mitgliedsstaaten Krusche, MDR 2000, S. 677 (680). 121 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 30 EuGVVO Rn. 11–16; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 30 EuGVVO Rn. 2. 122 EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 30; EuGH, 19.05.1998 – Rs. C-351/96, Drouot assurances SA ./. CMI, Slg. 1994, I3075, Rn. 16. Vgl. ausführlich zu den Anforderungen an die Parteiidentität: RauscherEuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 6 f.; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 23 EuGVVO Rn. 3; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 4 f.; McGuire, Verfahrenskoordination, 2004, S. 104–106.
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EuGVVO nur bezüglich der identischen Parteien Anwendung. 123 Einer hierdurch drohenden Aufspaltung des Rechtsstreits kann das später angerufene Gericht in solchen Fällen entgegenwirken, indem es von der durch Art. 28 EuGVVO eingeräumten Befugnis zur Verfahrensaussetzung Gebrauch macht. 124 Für die Annahme konnexer Verfahren i.S.v. Art. 28 EuGVVO ist die Identität der Parteien nämlich nicht erforderlich.125 aa) Anspruchsidentität i.S.v. Art. 27 EuGVVO Neben der Parteiidentität setzt Art. 27 EuGVVO voraus, dass die Klagen in den parallelen Verfahren denselben Anspruch betreffen. Dieses Erfordernis ist im Sinne einer einheitlichen Anwendung der Verordnung in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten ebenfalls autonom auszulegen. 126 Der EuGH postuliert eine weite Interpretation des Begriffs der Anspruchsidentität: Gerechtfertigt wird dies mit dem Sinn und Zweck von Art. 27 EuGVVO, Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten mit drohenden gegensätzlichen Entscheidungen zu verhindern. Nur ein weiter Streitgegenstandsbegriff könne den Eintritt einer Situation vorbeugen, wie sie in Art. 34 Nr. 3 EuGVVO geregelt ist, nämlich die Nichtanerkennung einer Entscheidung wegen Unvereinbarkeit mit einem anderen Judikat, das zwischen denselben Parteien im Anerkennungsstaat ergangen ist.127 Für die Annahme von Anspruchsidentität fordert der EuGH unter Hinweis auf die französische Fassung von Art. 27 I EuGVVO („demandes ayant le même objet et la même cause“), dass Gegenstand und Grundlage der beiden Klagen übereinstimmen.128 Unter Gegenstand ist der Zweck der 123 EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 32–36; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 12; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 5; Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 7. 124 EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 35. 125 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 28 EuGVVO Rn. 11; RauscherEuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn. 4; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn. 5. 126 EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rn. 11; EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 30; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 29; Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 8. 127 EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rn. 8. 128 EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rn. 14–18; EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 38–44; EuGH, 14.10.2004 – Rs. C-39/02, Mærsk Olie & Gas A/S ./. Firma M. de Haan en W. de Boer, Slg. 2004, I-9657, Rn. 34.
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Klage zu verstehen.129 Die Grundlage erfasst dagegen den Lebenssachverhalt und die rechtliche Regelung, auf die die Klage gestützt ist. 130 Eine vollständige Identität von Gegenstand und Grundlage der Parallelverfahren ist im Rahmen von Art. 27 EuGVVO nicht erforderlich, entscheidend ist vielmehr, ob in beiden Verfahren im Kern um dieselbe Frage gestritten wird.131 Man spricht daher von der sog. Kernpunkttheorie. Ihr zufolge ist Anspruchsidentität beim Zusammentreffen einer Klage auf Erfüllung eines Vertrags mit einer späteren Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit dieses Vertrags gegeben: Im Mittelpunkt beider Streitigkeiten stehe die Wirksamkeit des Vertrags. 132 Denselben Streitgegenstand betreffen auch die Klage einer Partei auf Feststellung, dass sie nicht oder nur beschränkt haftet, und eine spätere auf Leistung von Schadensersatz gerichtete Klage der anderen Partei: Kernpunkt beider Verfahren sei die Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen der Schadensersatzhaftung. 133 Die Verschiedenheit der Klageanträge in den bereits genannten Fällen (einer war jeweils auf Leistung, der andere auf Feststellung gerichtet) erachtete der EuGH für unerheblich: Für Art. 27 EuGVVO sei die formale Identität der parallelen Verfahren nicht entscheidend.134 Die Irrelevanz des Klageantrags im Rahmen des euroautonomen Streitgegenstandsbegriffs zieht eine wichtige Folge nach sich: Im Gegensatz etwa zum autonomen englischen und deutschen Recht sind eine Leistungsklage und eine entsprechende negative Feststellungsklage im Rahmen von Art. 27 EuGVVO als gleichwertig anzusehen. Die Konkurrenz zwischen ihnen wird im Anwendungsbereich der Verordnung daher klageartunabhängig stets zugunsten des zuerst eingeleiteten Verfahrens gelöst. Die Gleichwertigkeit von negativer Feststellungs- und Leistungsklage ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie verhindert widersprechende Entscheidungen und damit eine Situation von 129
EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rn. 16. 130 EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 39; EuGH, 14.10.2004 – Rs. C-39/02, Mærsk Olie & Gas A/S ./. Firma M. de Haan en W. de Boer, Slg. 2004, I-9657, Rn. 38. 131 EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rn. 16. 132 EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rn. 16. 133 EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 43: Die Klage eines Schiffseigners auf Feststellung, dass eine Haftung für Schäden an transportierten Waren nicht oder nur beschränkt besteht, hat den gleichen Streitgegenstand wie die gegen den Schiffseigentümer gerichtete Klage der Inhaber der geschädigten Waren auf Leistung von Schadensersatz. 134 So ausdrücklich EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861, Rn. 17.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Art. 34 Nr. 3 EuGVVO: Letztere kann nämlich unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge von Leistungs- und Feststellungsklage eintreten. Gewahrt wird außerdem die Waffengleichheit der Parteien: Diejenige, welche auf die Erhebung einer Feststellungsklage angewiesen ist, um Gewissheit über ihre Rechte und Pflichten aus einem Rechtsverhältnis zu erreichen, kann genauso über die für den Ausgang einer Streitigkeit wichtigen Aspekte des Gerichtsorts und des anwendbaren Sach- und Verfahrensrechts bestimmen, wie die Partei, welche eine Leistung verlangen kann.135 Die Gleichwertigkeit von Leistungs- und korrespondierender negativer Feststellungsklage birgt jedoch auch erhebliche Risiken in sich: Zahlungsunwillige Schuldner können das Instrument der negativen Feststellungsklage missbrauchen, indem sie vor Gerichte ziehen, die für eine übermäßig lange Verfahrensdauer bekannt sind, und auf diese Weise eine Leistungsklage der Gegenseite im gesamten EU-Raum blockieren. Wegen der Gefahren eines solchen unter dem Stichwort „belgischer“ oder „italienischer Torpedo“ berüchtigten Taktierens fordern Teile des Schrifttums die Zulassung von Ausnahmen von der vom EuGH postulierten Gleichwertigkeit von negativen Feststellungs- und Leistungsklagen. 136 Einem Missbrauch negativer Feststellungsklagen zu Torpedozwecken versucht die gerichtliche Praxis dagegen durch die Zuerkennung von Schadensersatzansprüchen entgegenzuwirken.137 Zwischen Verfahren zur Hauptsache und einem solchen des einstweiligen Rechtsschutzes fehlt es hingegen an einer Anspruchsidentität i.S.v. Art. 27 EuGVVO. 138 Denn die Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes zielt auf eine vorübergehende Maßnahme, während das Hauptsacheverfahren eine endgültige Regelung bezweckt.139 Erscheint im Einzelfall die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Hauptsachegericht sinn135 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 137 f.; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 849; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 10. 136 Vgl. etwa Dohm, Rechtshängigkeit, 1996, S. 300; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 27 EuGVVO Rn. 4c; Otte, in: Geimer (Hrsg.), FS Schütze, 1999, S. 619 (627–641); Rojahn, in: FS Mes, 2009, S. 304 (316 f.). 137 Rechtbank van eerste aanleg te Brussel, 12.05.2000, GRUR Int 2001, S. 170. Die Lösung der Problematik durch Schadensersatzsanktionen begrüßend McGuire, Verfahrenskoordination, 2004, S. 102 f. An dem praktischen Nutzen der Schadensersatzhaftung wegen Missbrauchs negativer Feststellungsklagen dagegen zweifelnd Leitzen, GRUR Int 2004, S. 1010 (1015). 138 OLG Hamburg, 28.02.1997 – 1 U 167/95, IPRspr. 1997 Nr. 76; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 27 EuGVVO Rn. 12; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 46 f.; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 14; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 27 EuGVVO Rn. 5; RauscherEuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 13; Mankowski, JZ 2005, S. 1144 (1148). 139 Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 13.
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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voller, kann das vorläufige Rechtsschutzverfahren jedoch nach Art. 28 EuGVVO ausgesetzt werden.140 bb) Konnexität i.S.v. Art. 28 EuGVVO Art. 28 EuGVVO ermöglicht – dem Vorbild französischen und belgischen Rechts folgend 141 – mitgliedstaatlichen Gerichten, auswärtige Rechtshängigkeit auch in Fällen zu berücksichtigen, in denen der Gegenstand der parallelen Verfahren nicht identisch ist, zwischen den Klagen jedoch eine so enge Beziehung besteht, dass eine gemeinsame Verhandlung geboten erscheint. Die Vorschrift will dadurch inkohärente Entscheidungen vermeiden und eine geordnete Rechtspflege in der Union sichern.142 Diese Ziele erfordern ein weites Verständnis des Erfordernisses eines Zusammenhangs der Klagen i.S.v. Art. 28 EuGVVO.143 Für die Annahme einer Konnexität i.S. dieser Norm genügt es, wenn den parallelen Klagen ein übereinstimmender Lebenssachverhalt zugrunde liegt, ein Widerspruch in den tragenden Urteilsgründen zu erwarten ist bzw. Rechts- und Tatsachenfragen zu klären sind, die in beiden Verfahren eine Rolle spielen.144 Art. 28 EuGVVO verlangt, wie bereits oben erklärt, keine Parteiidentität.145 d) Die Rechtsfolgen von Art. 27 f. EuGVVO im Überblick Sind die Voraussetzungen von Art. 27 EuGVVO erfüllt, hat das später angerufene Gericht das Verfahren auszusetzen (aa.). Im Falle von Art. 28 EuGVVO kann es dies nach freiem Ermessen anordnen (bb.). aa) Aussetzungspflicht des später angerufenen Gerichts gem. Art. 27 EuGVVO Liegen die Voraussetzungen von Art. 27 EuGVVO vor, ist das zweitangerufene Gericht verpflichtet, von Amts wegen das Verfahren auszusetzen.146 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gerichte in jedem Prozess nach dem 140
Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 47. Vgl. ausführlich dazu Lüpfert, Konnexität, 1997, S. 57–68. 142 Jenard, Bericht zu EuGVÜ (41) zu Art. 22 EuGVÜ (~ Art. 28 EuGVVO). 143 EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 53; Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn. 3; Kropholler/ v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn. 3. 144 Vgl. etwa EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439, Rn. 58; OLG Frankfurt a.M., 19.06.2000 – 22 W 5/00216, NJW-RR 2001, S. 215; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 856; Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn. 4; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 28 EuGVVO Rn. 11; Lüpfert, Konnexität, 1997, S. 80–90. 145 S. oben § 7 B. I. 1. c). 146 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 60. 141
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Bestehen anderweitiger Rechtshängigkeit forschen müssen. 147 Eine Prüfung von Amts wegen kommt vielmehr nur in Betracht, „wenn Umstände darauf hindeuten, dass derselbe Rechtsstreit vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats anhängig sein könnte.“148 Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 27 EuGVVO trägt die Partei, die sich auf die Norm beruft, in der Regel der Beklagte mit der Folge, dass bei einem non liquet das später angerufene Gericht das Verfahren nicht aussetzen wird.149 Die Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz kann nicht mit dem Argument verweigert werden, dass die zu erwartende Entscheidung im Staat des zweitangerufenen Gerichts keine Chance auf Anerkennung hätte. Da die EuGVVO – wie deren Art. 33 I zeigt – von dem Grundsatz einer ipso jure Anerkennung und einer größtmöglichen Freizügigkeit von Urteilen ausgeht, ist es gerechtfertigt, den Rechtshängigkeitseinwand unabhängig von einer positiven Anerkennungsprognose greifen zu lassen. 150 Dadurch wird auch die mit einer Anerkennungsprognose einhergehende Unsicherheit verhindert.151 Dem Zweitgericht ist es außerdem verwehrt, die Aussetzung mit dem Argument abzulehnen, das erstangerufene Gericht sei zur Entscheidung nicht international berufen. Es obliegt ausschließlich dem Erstgericht, seine internationale Zuständigkeit zu überprüfen. 152 Das Zweitgericht ist laut EuGH keinesfalls besser geeignet, über die Zuständigkeit des erstbefassten Gerichts zu entscheiden: Das gilt schon dann, wenn sich die Zuständigkeit des letzteren aus der EuGVVO selbst ergibt, da die Bestimmungen der Verordnung für beide Gerichte gleich sind und von jedem mit gleicher Sachkenntnis angewandt werden können. Folgt die Zuständigkeit aus den Vorschriften des nationalen Rechts gem. Art. 4 EuGVVO, ist das 147
Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 62. Jenard, Bericht zu EuGVÜ (41) zu Art. 21 EuGVÜ (~ Art. 27 EuGVVO). 149 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 61; Dohm, Rechtshängigkeit, 1996, S. 187. 150 OLG Frankfurt a.M., 05.03.2001 – 13 W 18/98, IPRax 2002, S. 515 (521); Geimer/ Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 16; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 18; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 848; McGuire, Verfahrenskoordination, 2004, S. 114–119; Thode, BauR 2005, S. 1533 (1537); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 848. 151 Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 18. 152 EuGH, 27.06.1991 – Rs. C-351/89, Overseas Union Insurance Ltd. ./. New Hampshire Insurance Co., Slg. 1991, I-3317, Rn. 22–25; OLG Frankfurt a.M., 05.03.2001 – 13 W 18/98, IPRax 2002, S. 515 (521); Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 17; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 19; Layton/Mercer, European Civil Practice I, 2. Aufl. 2004, Rn. 22.022 f.; McGuire, Verfahrenskoordination, 2004, S. 119–129; Dohm, Rechtshängigkeit, 1996, S. 162 f.; Isenburg-Epple, Rechtshängigkeit, 1992, S. 25, 83 f. 148
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Erstgericht erst recht besser geeignet, über seine Zuständigkeit zu befinden.153 bb) Ermessensentscheidung des später angerufenen Gerichts gem. Art. 28 EuGVVO Sind die vor verschiedenen Gerichten anhängigen Streitigkeiten konnex i.S.v. Art. 28 EuGVVO, steht es im Ermessen des zweitangerufenen Gerichts, ob es das Verfahren gem. Abs. I aussetzt oder die Klage gem. Abs. II wegen Unzuständigkeit abweist. Zweiteres ist nur auf Parteiantrag möglich, wenn das erstangerufene Gericht international und örtlich für beide Klagen zuständig ist und sein nationales Recht die Verbindung der konnexen Verfahren zulässt. Eine bloße Aussetzung des Verfahrens kann demgegenüber von Amts wegen erfolgen. In die Entscheidung des Gerichts über die Berücksichtigung der auswärtigen Rechtshängigkeit durch Aussetzung bzw. Unzuständigkeitserklärung können unterschiedliche Kriterien einfließen, so etwa der Grad des zwischen den parallelen Verfahren bestehenden Zusammenhangs, die voraussichtliche Dauer und der Fortschritt des Erstverfahrens, die Eilbedürftigkeit des eigenen Verfahrens sowie die Arbeits- und Kostenersparnis durch eine Koordinierung.154 Umstritten ist, ob die Beachtung des parallelen Verfahrens im Rahmen von Art. 28 EuGVVO mit dem Argument versagt werden kann, dass die Entscheidung des Erstgerichts voraussichtlich nicht anzuerkennen sein wird. Dagegen wird angeführt, der Wortlaut von Art. 28 EuGVVO sehe die Einbeziehung der Anerkennungsfähigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung nicht vor. Eine hypothetische Anerkennungsprüfung sei außerdem mit dem System der EuGVVO nicht vereinbar, das die automatische Urteilsanerkennung zur Regel macht.155 Richtig erscheint es jedoch, dem Zweitgericht die Verweigerung der Aussetzung bzw. Unzuständigkeitserklärung jedenfalls in Fällen einer evident fehlenden Anerkennungsfähigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung 153 EuGH, 27.06.1991 – Rs. C-351/89, Overseas Union Insurance Ltd. ./. New Hampshire Insurance Co., Slg. 1991, I-3317, Rn. 23. 154 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 28 EuGVVO Rn. 19–25; RauscherEuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn. 4; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 28 EuGVVO Rn. 10; Lüpfert, Konnexität, 1997, S. 203–216; v. Falck, in: FS Mes, 2009, S. 112 (117); Layton/Mercer, European Civil Practice I, 2. Aufl. 2004, Rn. 22.032. 155 Lüpfert, Konnexität, 1997, S. 142, die eine erkennbare Anerkennungsunfähigkeit des erstgerichtlichen Judikats lediglich für die Entscheidung darüber berücksichtigen will, ob im Einzelfall eine Aussetzung oder eine Unzuständigkeitserklärung nach Art. 28 EuGVVO anzuordnen ist. Gegen die Beachtlichkeit einer negativen Anerkennungsprognose wohl auch Layton/Mercer, European Civil Practice I, 2. Aufl. 2004, Rn. 22.032.
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zu erlauben.156 Dafür spricht zum einen der Wortlaut von Art. 28 EuGVVO, der dem Zweitgericht bei der Entscheidung über die Beachtung auswärtiger Rechtshängigkeit im Gegensatz zu Art. 27 EuGVVO Ermessen einräumt, ohne dessen Ausübung auf bestimmte Kriterien zu beschränken. Die Berücksichtigung einer negativen Prognose im Rahmen von Art. 28 EuGVVO erscheint auch nicht im Widerspruch zu den Art. 32 ff. EuGVVO, da diese – wie Art. 34 und 35 I zeigen – selbst Ausnahmen von der automatischen Pflicht zur Anerkennung mitgliedstaatlicher Entscheidungen vorsehen. Für die Beachtlichkeit der fehlenden Anerkennungsfähigkeit des erstgerichtlichen Judikats spricht schließlich auch folgende Überlegung: Nach seinem Sinn und Zweck soll Art. 28 EuGVVO das Risiko widersprechender Richtersprüche verringern. Ein solches besteht jedoch nicht, wenn feststeht, dass die Entscheidung des Erstgerichts im Staat des Zweitgerichts nicht anerkannt werden kann.157 Da das erstgerichtliche Judikat für das Zweitgericht keine Rolle spielt, würde die Aussetzung bzw. Unzuständigkeitserklärung gem. Art. 28 EuGVVO in solchen Fällen zu einer unzulässigen Verkürzung des Justizgewährungsanspruchs des Klägers führen. Daraus folgt auch, dass eine Prüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts jedenfalls in den Fällen möglich sein muss, für die Art. 35 I EuGVVO einen Anerkennungsversagungsgrund vorsieht. e) Die Rechtsfolgen von Art. 27 f. EuGVVO bei Prorogation des zweitangerufenen Gerichts Fraglich ist, wie es sich im Rahmen von Art. 27 EuGVVO (aa.) und Art. 28 EuGVVO (bb.) auswirkt, wenn zugunsten des zweitbefassten Gerichts eine ausschließliche Prorogation vorliegt. aa) Die Rolle einer Prorogation des Zweitgerichts im Rahmen von Art. 27 EuGVVO Ob das zweitangerufene Gericht ein bei ihm anhängiges Verfahren nach Art. 27 EuGVVO selbst dann auszusetzen hat, wenn eine wirksame Prorogation zu dessen Gunsten vorliegt, wurde in Rechtsprechung und Literatur lange Zeit kontrovers diskutiert: In Deutschland vertrat man überwiegend die Ansicht, eine Gerichtsstandsvereinbarung rechtfertige keine Ausnahme von dem strikten Prioritätsgrundsatz von Art. 27 EuGVVO. 158 Insbeson156 OLG Frankfurt a.M., 19.06.2000 – 22 W 5/00216, NJW-RR 2001, S. 215; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 28 EuGVVO Rn. 16, 23; Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 28 Rn. 29; v. Falck, in: FS Mes, 2009, S. 112 (117). 157 OLG Frankfurt a.M., 19.06.2000 – 22 W 5/00216, NJW-RR 2001, S. 215 (228). 158 LG Bonn, 26.06.2003 – 7 O 22/02, IPRspr. 2003 Nr. 170; Prütting, in: GS Lüderitz, 2000, S. 623 (629); Kropholler, EuZPR, 6. Aufl. 1998, Art. 21 EuGVÜ Rn. 18;
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dere die englischen Gerichte befürworteten dagegen eine Befugnis des prorogierten Gerichts, die anderweitige Rechtshängigkeit zu ignorieren: Der in der Zuständigkeitsabrede zum Ausdruck kommende Wille der Parteien gestatte einen Vorrang von Art. 23 EuGVVO gegenüber Art. 27 EuGVVO.159 Mit der Frage nach der Auswirkung einer ausschließlichen Prorogation auf die Pflichten des zweitangerufenen Gerichts nach Art. 21 EuGVÜ (~ Art. 27 EuGVVO) hatte sich der EuGH im Jahr 2003 in der Sache Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. zu befassen.160 Diesem Fall lag ein Kaufvertrag über Kinderbekleidung zwischen der MISAT Srl., einer Gesellschaft italienischen Rechts, und der in Österreich inkorporierten Erich Gasser GmbH zugrunde. MISAT Srl. hatte vor italienischen Gerichten die Feststellung begehrt, dass der Vertrag von Rechts wegen aufgelöst worden sei. Daraufhin erhob die Gasser GmbH unter Geltendmachung einer entsprechenden Gerichtsstandsvereinbarung Klage vor österreichischen Gerichten auf Zahlung offener Rechnungen aus der Vertragsbeziehung. MISAT Srl. rügte die Zuständigkeit des österreichischen Gerichts mit dem Argument, eine entsprechende Prorogation liege nicht vor, und wandte die zuvor in Italien eingetretene Rechtshängigkeit ein. In seiner Vorlage wollte das OLG Innsbruck vom EuGH u.a. wissen, ob das später angerufene Gericht, das infolge einer Vereinbarung ausschließlich zuständig ist, abweichend von der Litispendenzregel im Art. 21 EuGVÜ über den Rechtsstreit entscheiden darf. Außerdem stellte es die Frage, ob eine Ausnahme von der Aussetzungspflicht nach Art. 21 EuGVÜ möglich ist, wenn vor den Gerichten des erstangerufenen Staates Verfahren unvertretbar lange dauern und einer Partei dadurch erhebliche Nachteile entstehen können.
MünchKomm-ZPO/Gottwald, 2. Aufl. 2001, Art. 21 EuGVÜ Rn. 17; Schack, IZVR, 3. Aufl. 2002, Rn. 761 Fn. 2. Für die Ignorierung der ausländischen Rechtshängigkeit dagegen Schlosser, EuZPR, 2. Aufl. 2003, Art. 23 EuGVVO Rn. 34 mit dem Argument, die Gerichtsstandsvereinbarung könnte ansonsten durch vereinbarungswidriges Verhalten einer Partei ausgehebelt werden. 159 High Court, 31.07.1989 – Klöckner & Co AG v. Gatoil Overseas Inc., [1990] I.L.Pr. 53, 82–84; Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588; High Court, 17.01.1996 – Alfred C Toepfer International GmbH v. Molino Boschi Srl., [1996] 1 Lloyd’s Rep. 510. Der Auffassung der englischen Gerichte zustimmend Hartley, E.L. Rev. 19 (1994), S. 549. Kritisch dagegen Briggs, LMCLQ 1994, S. 158; Prütting, in: GS Lüderitz, 2000, S. 623 (629); Hau, IPRax 1996, S. 44 (46 f.). 160 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I14693.
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(1) Die Schlussanträge des Generalanwalts und die EuGH-Entscheidung in der Sache Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. In seinen Schlussanträgen sprach sich Generalanwalt Léger – ähnlich wie die englische Rechtsprechung – dafür aus, bei Vorliegen einer Zuständigkeitsabrede zugunsten des zweitangerufenen Gerichts diesem (entgegen Art. 21 EuGVÜ) die Entscheidung der Streitigkeit zu erlauben. Zur Begründung verwies er zum einen auf die EuGH-Entscheidung Overseas Union Insurance Ltd. ./. New Hampshire Insurance Co. In diesem Urteil hatte der Gerichtshof ausgeführt, dass ein zweitangerufenes Gericht nach Art. 21 EuGVÜ zur Aussetzung verpflichtet sei „vorbehaltlich seiner ausschließlichen Zuständigkeit nach dem Übereinkommen, insbesondere nach Art. 16 [~ Art. 22 EuGVVO – d. Verf.]“.161 Der Generalanwalt folgerte aus dieser Aussage, das Zweitgericht könnte jedenfalls dann die anderweitige Rechtshängigkeit unbeachtet lassen, wenn es sich gem. Art. 16 EuGVÜ für ausschließlich international zuständig hält. 162 Diese Überlegung sei – so Léger – auf Fälle von Art. 17 EuGVÜ (~ Art. 23 EuGVVO) zu übertragen: Nach dieser Norm ist das prorogierte Gericht „ausschließlich zuständig“. Zwar haben die Parteien im Rahmen von Art. 17 EuGVÜ – anders als bei Art. 16 EuGVÜ – die Möglichkeit, auf die durch ihre Abrede begründete Zuständigkeit zu verzichten, indem sie sich gem. Art. 18 EuGVÜ (~ Art. 24 EuGVVO) rügelos auf das Verfahren vor einem nicht vereinbarten Gericht einlassen. Lässt sich jedoch die vor einem abredewidrigen Gericht verklagte Partei nicht rügelos ein, sei es nicht gerechtfertigt, Art. 17 EuGVÜ geringere Wirkungen beizumessen als Art. 16 EuGVÜ.163 Wäre das prorogierte, jedoch zweitangerufene Gericht zur Aussetzung der Klage verpflichtet, wären laut Generalanwalt Léger die praktische Wirksamkeit von Art. 17 EuGVÜ und die Rechtssicherheit, zu der die Norm beitragen soll, beeinträchtigt: Die Partei einer Gerichtsstandsvereinbarung hätte nämlich die Möglichkeit, vor ein unzuständiges Gericht zu ziehen und eine für sie ungünstige Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache missbräuchlich hinauszuzögern.164 Für die Zulassung einer Ausnahme von Art. 21 EuGVÜ beim Vorliegen einer Prorogation führte Generalanwalt Léger außerdem die Interessen des 161 EuGH, 27.06.1991 – Rs. C-351/89, Overseas Union Insurance Hampshire Insurance Co., Slg. 1991, I-3317, Rn. 26. 162 Generalanwalt Léger, Schlussanträge v. 09.09.2003 (Rs. C-116/02 – GmbH ./. MISAT Srl.), Slg. 2003, I-14693, Rn. 52. 163 Generalanwalt Léger, Schlussanträge v. 09.09.2003 (Rs. C-116/02 – GmbH ./. MISAT Srl.), Slg. 2003, I-14693, Rn. 56 f., 60. 164 Generalanwalt Léger, Schlussanträge v. 09.09.2003 (Rs. C-116/02 – GmbH ./. MISAT Srl.), Slg. 2003, I-14693, Rn. 67 f.
Ltd. ./. New Erich Gasser Erich Gasser Erich Gasser
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grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs an: Das Gedeihen internationaler Handelsbeziehungen erfordere, dass „sich die Unternehmen auf die geschlossenen Vereinbarungen verlassen können.“ 165 Eine Verzögerung in der Erledigung der Streitigkeiten könnte den Wirtschaftsteilnehmern „erhebliche Schäden“ zufügen.166 Eine Einschränkung von Art. 21 EuGVÜ wegen Vorliegens einer Prorogation des zweitangerufenen Gerichts widerspreche auch nicht dem Zweck der Rechtshängigkeitsregel, gegensätzliche Entscheidungen zu verhindern, solange man dem zweitangerufenen Gericht die Fortführung des Verfahrens nur nach sorgfältiger Prüfung seiner Zuständigkeit und einer zweifelsfreien Feststellung der Wirksamkeit der Prorogation erlaubt. Art. 17 EuGVÜ gewährleiste – insbesondere nach Präzisierung der Norm durch den EuGH –, dass über Wirksamkeit und Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen europaweit nach einheitlichen Standards entschieden wird, so dass die Gefahr, dass mehrere Gerichte eine konkurrierende Zuständigkeit annehmen, stark reduziert sei.167 Der EuGH ließ sich von den Ausführungen des Generalanwalts Léger nicht überzeugen und lehnte es kategorisch ab, den Prioritätsgrundsatz von Art. 21 EuGVÜ wegen Vorliegens einer Prorogation des zweitangerufenen Gerichts einzuschränken. Die bereits wiedergegebene Aussage in Overseas Union Insurance Ltd. ./. New Hampshire Insurance Co. wollte der Gerichtshof nunmehr nur als eine denkbare Interpretationsmöglichkeit, nicht jedoch als endgültige Festlegung deren Geltung verstanden wissen. Schließlich wurde in dem damals zugrunde liegenden Fall keine ausschließliche Zuständigkeit i.S.v. Art. 16 EuGVÜ geltend gemacht.168 Jedenfalls für Art. 17 EuGVÜ sei jedoch keine Abweichung von der Aussetzungspflicht zuzulassen: Der Wortlaut von Art. 21 EuGVÜ sehe eine entsprechende Differenzierung nicht vor.169 Sie sei auch nicht geboten, da das Erstgericht über genauso viel Kompetenz wie das prorogierte Zweitgericht zur Behandlung der Frage der internationalen Zuständigkeit verfüge: Diese Zuständigkeit ergebe sich beim Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung unmittelbar aus dem EuGVÜ, das beide Gerichte mit
165 Generalanwalt Léger, Schlussanträge v. 09.09.2003 (Rs. C-116/02 – Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl.), Slg. 2003, I-14693, Rn. 71. 166 Generalanwalt Léger, Schlussanträge v. 09.09.2003 (Rs. C-116/02 – Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl.), Slg. 2003, I-14693, Rn. 71. 167 Generalanwalt Léger, Schlussanträge v. 09.09.2003 (Rs. C-116/02 – Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl.), Slg. 2003, I-14693, Rn. 77–83. 168 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I14693, Rn. 45. 169 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I14693, Rn. 42–47.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
gleicher Sachkenntnis auslegen und anwenden könnten. 170 Außerdem obliege es dem zuerst angerufenen Gericht – sobald es festgestellt hat, dass die Parteien tatsächlich die Zuständigkeit des zweitangerufenen Gerichts vereinbart haben – sich für unzuständig zu erklären und auf diese Weise den Weg ins forum prorogatum frei zu machen.171 Würde man ausnahmsweise Parallelstreitigkeiten über Wirksamkeit und Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung zulassen, drohten widersprüchliche Entscheidungen, die die erforderliche Rechtssicherheit gefährden würden. 172 Eine enge Auslegung von Art. 21 EuGVÜ entspreche schließlich auch Art. 19 EuGVÜ (~ Art. 25 EuGVVO): Diese Vorschrift verpflichtet ein Gericht, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es unter Verstoß gegen Art. 16 EuGVÜ angerufen wurde, gilt aber nicht bei Verletzung von Art. 17 EuGVÜ.173 Auch den zweiten Einwand der österreichischen Erich Gasser GmbH, Art. 21 EuGVÜ sei wegen überlanger Verfahrensdauer in den Gerichten des erstangerufenen Staats einzuschränken, ließ der EuGH – diesmal in Übereinstimmung mit dem Generalanwalt – nicht gelten. Eine derartige Einschränkung der Litispendenzregel stünde im Widerspruch zu Systematik und Zweck des EuGVÜ: Dieses enthalte keine Bestimmung, die die Nichtanwendung von Vorschriften des Übereinkommens bei überlanger Verfahrensdauer in einem Mitgliedstaat erlaubt.174 Außerdem beruhe es auf dem wechselseitigen Vertrauen der Mitgliedstaaten in ihre Rechtspflegeorgane. Es sei mit diesem Grundsatz unvereinbar, die vereinheitlichten Vorschriften über die Rechtshängigkeit allein deswegen nicht gelten zu lassen, weil das zuerst angerufene Gericht einem bestimmten Mitgliedstaat angehöre.175 Aus der Gasser-Entscheidung folgt somit, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 27 EuGVVO das zweitangerufene Gericht auch dann zur Aussetzung der Klage verpflichtet ist, wenn zu dessen Gunsten eine ausschließliche Prorogation vorliegt. Der Weg ins forum prorogatum ist selbst dann durch die frühere Klage blockiert, wenn im Prozess vor dem 170 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 14693, Rn. 48. 171 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 14693, Rn. 49. 172 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 14693, Rn. 51. 173 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 14693, Rn. 52. 174 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 14693, Rn. 71; s. auch Hoge Raad, 01.02.1985, IPRax 1986, S. 48, Rn. 89. 175 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 14693, Rn. 70, 72; s. auch Hoge Raad, 01.02.1985, IPRax 1986, S. 48, Rn. 88 f.
2003, I2003, I2003, I2003, I2003, I2003, I-
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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zuerst befassten Gericht mit einer überlangen Verfahrensdauer zu rechnen ist. (2) Würdigung der EuGH-Entscheidung Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. Die Gasser-Entscheidung bedeutet zweifellos eine gravierende Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen im EU-Raum. Parteien können durch den Abschluss einer ausschließlichen Prorogation nicht sicherstellen, dass das gewählte Gericht über ihre Streitigkeit entscheiden wird, ohne dass zuvor ein Umweg über nicht vorhergesehene Fora genommen werden muss.176 Dieser Umweg kann für den vor dem abredewidrigen Gericht Beklagten zu einer erheblichen finanziellen und zeitlichen Bürde werden. Zwar steht ihm die Möglichkeit zu, die Einrede der internationalen Unzuständigkeit zu erheben. Wurde das Verfahren in einem für seine lange Prozessdauer bekannten Forum eingeleitet, ist der Schutzmechanismus der Rüge jedoch praktisch wertlos. Die Wirksamkeit der Zuständigkeitseinrede kann selbst dann gefährdet sein, wenn die vor das abredewidrige Gericht gezogene Partei kein Opfer einer „Torpedoklage“ ist: Der Beklagte geht nämlich das Risiko ein, seine Aufwendungen für den Streit über die Zuständigkeit ganz oder teilweise selbst zu tragen, zumal nicht alle Verfahrensrechte der EU der obsiegenden Partei einen vollständigen Ersatz der Prozesskosten gewähren.177 Ferner ist in manchen Prozessrechten keine Vorabentscheidung über die internationale Zuständigkeit vorgesehen 178 oder aber ins gerichtliche Ermessen gestellt179 mit der Folge, dass dem Beklagten – selbst bei letztlichem Obsiegen in der Zuständigkeitsfrage – unter Umständen die Aufwendungen zur Vorbereitung des Hauptsacheprozesses nicht erspart bleiben. Hinzu kommt die erhöhte Insolvenzgefahr, die die abredewidrig verklagte Partei aufgrund der Verzögerung der Rechtsdurchsetzung zu tragen hat. Angesichts dieser Fülle an Risiken ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Beklagte sich auf einen ungünstigen Vergleich einlassen und den Weg ins forum prorogatum gar nicht erst antreten wird. 176
Mance, L.Q.R. 120 (2004), S. 357 (362). So etwa gilt im slowakischen und tschechischen Recht der Grundsatz, dass jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten selbst zu tragen hat. In England besteht Unsicherheit darüber, ob eine abredewidrig verklagte Partei bei Obsiegen in der Zuständigkeitsfrage vollständigen Ersatz ihrer Prozesskosten erlangen kann, s. oben § 6 A. I. 2. 178 Das gilt etwa für Ungarn und Polen, vgl. Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberger Bericht, Rn. 177. 179 Das gilt etwa für Deutschland, Österreich und Malta, vgl. Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberger Bericht, Rn. 177. 177
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Mögen die obigen Ausführungen die Anerkennung einer Einschränkung von Art. 27 EuGVVO wegen Prorogation des zweitangerufenen Gerichts nahelegen, ist eine solche Ausnahme wegen Unvereinbarkeit mit der aktuellen Fassung der EuGVVO dennoch abzulehnen. Die Gefahr, dass die Gerichte unterschiedlicher Mitgliedstaaten trotz Vorliegens einer Prorogation zu abweichenden Ergebnissen über das zuständige Forum kommen, ist – entgegen den Ausführungen von Generalanwalt Léger – keinesfalls als gering einzuschätzen. Diese Risiko gründet sich weniger auf die Möglichkeit, dass sich der Beklagte im abredewidrigen Forum auf das Verfahren rügelos einlässt und dies für das prorogierte Zweitgericht unberücksichtigt bleibt: Zum einen dürfte eine rügelose Einlassung in solchen Fällen nur selten vorkommen. Zum anderen kann das Zweitgericht das Festhalten an der Gerichtsstandsvereinbarung durch die im Erstverfahren Beklagte etwa anhand eines Parteiantrags überprüfen und bei seiner Entscheidung gebührend berücksichtigen.180 Die Gefahr widersprechender Beurteilung der Zuständigkeitsfrage rührt vielmehr daher, dass Art. 23 EuGVVO – wie bereits im Kapitel 2 ausgeführt – nicht sämtliche Aspekte der Wirksamkeit und Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen regelt: So richten sich etwa Geschäftsfähigkeit, Auswirkungen von Willensmängeln und Stellvertretung 181 sowie die Beurteilung der sachlichen Reichweite von Zuständigkeitsabreden182 nach dem jeweils maßgeblichen nationalen Recht. In den Mitgliedsstaaten divergieren die Auffassungen darüber, welches Recht auf die von Art. 23 EuGVVO nicht erfassten Aspekte anzuwenden ist 183 , so dass eine nicht zu unterschätzende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die genannten Fragen durch unterschiedliche Gerichte abweichend beurteilt werden. Selbst wenn man im Rahmen von Art. 27 EuGVVO eine Ausnahme für den Fall zulassen würde, dass das zweitangerufene Gericht nach Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist, ließe sich daraus nicht auf die Einschränkbarkeit des Prioritätsgrundsatzes in Fällen von Art. 23 EuGVVO schließen. Zum einen bereitet die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 22 EuGVVO weit weniger Schwierigkeiten als die von Art. 23 EuGVVO, so dass im Rahmen ersterer Vorschrift abweichende Entscheidungen über die Zuständigkeiten weniger wahrscheinlich sind. Zum anderen zeigen Normen wie der vom EuGH erwähnte Art. 19 EuGVÜ (~ Art. 25 EuGVVO) sowie Art. 35 I EuGVVO – der die Versagung der Anerkennung wegen Verletzung von Art. 22 EuGVVO, nicht jedoch bei Verstoß gegen Art. 23 EuGVVO zulässt – dass innerhalb der EuGVVO der 180
Otte, ZZPInt 8 (2003), S. 521 (524 f.). S. oben § 4 B. I. 1. 182 S. oben § 5 B. I. 183 S. oben § 4 B. I. 1., § 5 B. I. 181
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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ausschließlichen Zuständigkeit i.S.v. Art. 22 EuGVVO größere Wirkung beigemessen wird als der nach Art. 23 EuGVVO. Trotz der negativen Konsequenzen für Gerichtsstandsvereinbarungen im EU-Raum ist nach der jetzigen Rechtslage somit dem EuGH beizupflichten, dass das Vorliegen einer Prorogation des zweitangerufenen Gerichts keine Einschränkung des Prioritätsgrundsatzes von Art. 27 EuGVVO rechtfertigt. Eine Ausnahme von Art. 27 EuGVVO könnte jedoch geboten sein, wenn das Erstverfahren im konkreten Fall eine unvertretbar lange Dauer erreicht hat. Über die Behandlung solcher Konstellationen ist der GasserEntscheidung keine Aussage zu entnehmen: Das vorlegende OLG Innsbruck hatte keine Feststellungen zur Dauer des italienischen Verfahrens getroffen und wollte vom EuGH lediglich wissen, ob eine Durchbrechung des Prioritätsgrundsatzes von Art. 27 EuGVVO möglich ist, wenn allgemein Verfahren vor den Gerichten des Mitgliedstaats, dem das Erstgericht angehört, unvertretbar lange dauern. Ausgangspunkt der Beurteilung dieser Frage bildet das Recht auf Verhandlung innerhalb angemessener Frist, das durch Art. 6 I EMRK i.V.m. Art. 6 III EUV n.F.184 und Art. 47 II EU-Grundrechtecharta i.V.m. Art. 6 I EUV n.F.185 primärrechtlich verankert ist. Geht das Erstverfahren über das nach Art. 6 I EMRK bzw. Art. 47 II EU-Grundrechtecharta tolerierbare Maß hinaus, könnte eine primärrechtskonforme Auslegung von Art. 27 EuGVVO angebracht sein, die es dem zweitbefassten Gericht erlaubt, die anderweitige Rechtshängigkeit zu ignorieren. Gegen eine dahingehende Interpretation von Art. 27 EuGVVO wird angeführt, das in der EuGVVO geltende Prinzip der Gleichwertigkeit der mitgliedstaatlichen Justizgewährung verbiete es einem mitgliedstaatlichen Gericht, das Gericht eines anderen EU-Staates über Mängel des vor ihm eingeleiteten Verfahrens zu belehren. 186 Eingewandt wird außerdem der die EuGVVO prägende Vertrauensgrundsatz: Da alle Mitgliedstaaten an Art. 6 EMRK gebunden sind, müsse man darauf vertrauen, dass jedes Land Verletzungen des Rechts auf 184 Die EMRK findet aufgrund entsprechender Ratifikationen Anwendung in allen EU-Mitgliedsstaaten. Vgl. . Die Bezugnahme auf die in der EMRK niedergelegten Menschenrechte und Grundfreiheiten soll durch einen Beitritt der EU zu der Konvention gestärkt werden. Die Kompetenz für diesen Beitritt schafft Art. 6 II EUV n.F. 185 Die EU-Grundrechtecharta entfaltet keine Geltung in Großbritannien, Polen und Tschechien. Dies ergibt sich aus Art. 1 Protokoll zum Vertrag von Lissabon (Nr. 30) über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich. Für Tschechien folgt die Nichtanwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta aus einem Zusatzprotokoll des Jahres 2009, vgl. Mayer, JuS 2010, S. 189 (192). 186 Thiele, RIW 2004, S. 285 (288); Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 181; McGuire, Verfahrenskoordination, 2004, S. 136 f.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
ein faires Verfahren selbst erkennt und ahndet.187 Die vor einem langsamen Gericht verklagte Partei sei hierdurch nicht schutzlos gestellt: Sie könne die Prozessverschleppung in einem Mitgliedstaat mit allen dort zur Verfügung stehenden Mitteln angehen und schließlich auch den EGMR anrufen.188 Die eine primärrechtskonforme Auslegung von Art. 27 EuGVVO ablehnende Ansicht erscheint jedoch nicht überzeugend. Zum einen ist es gem. Art. 51 EU-Grundrechtecharta Aufgabe aller Mitgliedstaaten, die in der Charta niedergelegten Rechte zu achten und deren Anwendung zu fördern. Das Zweitgericht i.S.v. Art. 27 EuGVVO ist somit genauso stark wie das Erstgericht dazu verpflichtet, einer Verletzung der sich aus Art. 47 II EUGrundrechtecharta ergebenden Garantie entgegenzuwirken. Ähnliches gilt in Bezug auf Art. 6 I EMRK: Der EGMR betont immer wieder, dass die Anwendung der EMRK in erster Linie eine innerstaatliche Aufgabe ist und er nur subsidiär eingreifen kann. Den aus den EMRK folgenden Verpflichtungen kann sich ein Gericht somit nicht durch den Hinweis auf die Möglichkeit einer Klage vor dem EGMR entledigen, wenn es selbst die Möglichkeit hat, Rechtsschutz durch entsprechende Auslegung der Norm zu gewähren, die für die Verletzung der in der EMRK stipulierten Grundrechte ursächlich ist.189 Die Anerkennung einer Ausnahme von Art. 27 EuGVVO stellt auch nicht die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Rechtspflegeorgane der Mitgliedstaaten in Frage.190 Denn für die Annahme einer Verletzung des Rechts auf Verhandlung innerhalb angemessener Frist reicht – wie die Rechtsprechung des EGMR zeigt – die bloße Zugehörigkeit eines Gerichts zu einem Staat, in dem Verfahren üblicherweise unvertretbar lange dauern, nicht aus. Es werden vielmehr stets die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt und an das Vorliegen eines Verstoßes sehr hohe Anforderungen gestellt.191 Im Ergebnis erscheint es daher richtig, bei bereits überlanger Dauer des Erstverfahrens eine Durchbrechung der strikten Prioritätsregeln von Art. 27 EuGVVO zuzulassen.192 187
Thiele, RIW 2004, S. 285 (288); Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 181. Thiele, RIW 2004, S. 285 (288); Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 181; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 21; McGuire, Verfahrenskoordination, 2004, S. 136. 189 Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 18; Schilling, IPRax 2004, S. 294 (296); Grothe, IPRax 2004, S. 205 (210). 190 Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 18. 191 EGMR, 25.03.1999 – 25444-94, Pélissier ./. Sassi-Frankreich, NJW 1999, S. 3545 (3547 f.); EGMR, 28.07.1999 – 25803/94, Selmouni ./. Frankreich, NJW 2001, S. 56 (60 f.). Vgl. dazu auch Grothe, IPRax 2004, S. 205 (211). 192 So auch Schlosser, EuZPR, 3. Aufl. 2009, Art. 27 EuGVVO Rn. 12; Freitag, Jb.J.ZivRWiss. 2004, S. 399 (417); Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 18 f.; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 58; 188
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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bb) Die Rolle einer Prorogation des Zweitgerichts im Rahmen von Art. 28 EuGVVO Es gilt abschließend zu klären, ob das zweitangerufene Gericht im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Art. 28 I EuGVVO berücksichtigen kann, dass zu seinen Gunsten eine ausschließliche Zuständigkeitsvereinbarung vorliegt, welche die im erstgerichtlichen Verfahren anhängig gemachte Streitigkeit erfasst. 193 Bejaht man dies, wäre das designierte, aber später angerufene Gericht ungeachtet der anderweitigen Rechtshängigkeit frei, eine Sachentscheidung zu treffen. Für die Möglichkeit der Beachtung einer Derogation des erstbefassten Gerichts wird zum einen der Wortlaut von Art. 28 I EuGVVO vorgebracht, der die Anerkennung der anderweitigen Rechtshängigkeit ins zweitgerichtliche Ermessen stellt, ohne Einschränkungen für seine Ausübung vorzusehen. Dieser richterliche Spielraum stelle einen wesentlichen Unterschied zu Art. 27 EuGVVO dar, so dass man der Gasser-Entscheidung, nach der dem Zweitgericht die Prüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts verwehrt ist, für die Auslegung von Art. 28 EuGVVO keine Bedeutung beimessen könne.194 Des Weiteren wird auf den Sinn und Zweck von Art. 28 EuGVVO hingewiesen, widersprechende Entscheidungen zu verhindern: Konträre Urteile seien nicht zu befürchten, wenn das erstbefasste Gericht international unzuständig sei, so dass es dem Zweitgericht stets gestattet sein müsste, die Entscheidungskompetenz des Erstgerichts zu überprüfen. 195 Als Argument für die Beachtung einer Derogation des zuerst befassten Gerichts könnte man schließlich auch die Rechtshängigkeitsregeln des belgischen und französischen Rechts anführen, die Vorbild für Art. 28 EuGVVO waren: Bei der Ermessensentscheidung über die Verfahrensaussetzung nach diesen Vorschriften kann ein später angerufenes Gericht auch berücksichtigen, ob das zuerst befasste Gericht aus seiner Sicht zuständig ist oder nicht.196 Richtig erscheint es jedoch, die Aussetzung gem. Art. 28 I EuGVVO nicht von dem Vorliegen einer ausschließlichen Prorogation zugunsten des Zweitgerichts abhängig zu machen. Hierfür spricht zum einen die bereits erwähnte Aussage des EuGH in der Gasser-Entscheidung, die durchaus Grothe, IPRax 2004, S. 205 (210 f.); Schilling, IPRax 2004, S. 294 (295–298); Dohm, Rechtshängigkeit, 1996, S. 170, 181. 193 Eine Unzuständigkeitserklärung nach Art. 28 II EuGVVO scheidet in solchen Fällen aus, denn aufgrund der ausschließlichen Prorogation ist das erstangerufene Gericht jedenfalls nicht für die dort erhobene Klage zuständig. 194 High Court, 05.04.2005 – JP Morgan Europe Ltd. v. Primacom AG, [2005] EWHC 508 (Comm), Rn. 65 (Cooke J). 195 Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 28 EuGVVO Rn. 22. 196 Lüpfert, Konnexität, 1997, S. 143 m.w.N. in Fn. 63.
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auch für Fälle fruchtbar gemacht werden kann, in denen die Klagen in den Parallelverfahren lediglich konnex sind. Dass den mitgliedstaatlichen Gerichten untersagt ist, die Zuständigkeit anderer Gerichte innerhalb der EU zu überprüfen, hat seinen Grund nicht in einer Besonderheit von Art. 27 EuGVVO, sondern beruht auf dem Vertrauensprinzip, welches zu den Grundpfeilern der EuGVVO zählt und daher grundsätzlich nicht auf dem Umweg über eine Ermessensentscheidung umgangen werden darf.197 Auch der Sinn und Zweck von Art. 28 EuGVVO spricht gegen die Berücksichtigung einer ausschließlichen Prorogation zugunsten des Zweitgerichts. Denn dass das erstangerufene Gericht aus Sicht des zweitangerufenen derogiert wurde, schließt die Gefahr inkohärenter Entscheidungen nicht aus. Aufgrund der lediglich lückenhaften Regelung von Art. 23 EuGVVO198 ist es nämlich durchaus möglich, dass das zuerst befasste Gericht den wirksamen Abschluss und die Auslegung der Gerichtsstandsabrede anders beurteilt als das später angerufene und seine internationale Zuständigkeit für eine Sachentscheidung annimmt. Dieses Risiko ist selbst dann nicht gebannt, wenn aus Sicht beider Gerichte eine gültige ausschließliche Prorogation vorliegt. Denn eine Zuständigkeitsabrede kann durch rügelose Verhandlung des Beklagten vor einem nicht designierten Gericht verdrängt werden.199 Bejaht das erstangerufene Gericht auf dieser Grundlage seine internationale Zuständigkeit und fällt es eine Entscheidung in der Sache, kann deren Anerkennung im Mitgliedstaat des Zweitgerichts gem. Art. 35 III EuGVVO nicht unter Hinweis auf eine entgegenstehende ausschließliche Prorogation verweigert werden. Es drohen somit konträre Entscheidungen, die gerade durch Art. 28 EuGVVO vermieden werden sollen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Auslegung der autonomen belgischen und französischen Vorschriften nicht auf das europäische Recht übertragen werden kann. Letzteres ist vor dem Hintergrund zu interpretieren, dass im erst- und zweitangerufenen Forum dasselbe Zuständigkeitsrecht maßgeblich ist. Anders als in den autonomen Rechten kann im Rahmen der EuGVVO daher auf die Rechtsanwendung des erst angerufenen Gerichts vertraut werden, so dass es unangemessen erscheint, dessen Zuständigkeit aus zweitstaatlicher Sicht zu überprüfen. Aus diesen Gründen ist die Berücksichtigung einer Derogation des zuerst angerufenen Gerichts
197
v. Falck, in: FS Mes, 2009, S. 112 (117); Lüpfert, Konnexität, 1997, S. 143. S. oben § 4 B. I. 2. b), § 5 B. I. 199 S. oben § 6 B. I. 198
§ 7: Parallelverfahren im forum prorogatum
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im Rahmen des zweitgerichtlichen Ermessens nach Art. 28 I EuGVVO abzulehnen.200 2. Parallelverfahren vor einem drittstaatlichen und einem mitgliedstaatlichen Gericht Ob die Rechtshängigkeit vor einem drittstaatlichen Gericht den Weg zu einem prorogierten mitgliedstaatlichen Gericht versperrt, beurteilt sich nach herrschender Auffassung nicht nach Art. 27 f. EuGVVO (a.). Fraglich ist jedoch, ob sich in solchen Fällen dem Art. 23 EuGVVO Vorgaben für die Beachtlichkeit der drittstaatlichen Litispendenz entnehmen lassen (b.). a) Unanwendbarkeit von Art. 27 f. EuGVVO bei Litispendenz in einem Drittstaat Bei anderweitiger Rechtshängigkeit vor einem drittstaatlichen Gericht entfalten Art. 27 f. EuGVVO keine Geltung. Diese Normen spielen also etwa dann keine Rolle, wenn zunächst abredewidrig in den USA Klage erhoben wurde und sodann derselbe Streitgegenstand vor den prorogierten englischen Gerichten rechtshängig gemacht wird. Dass Art. 27 f. EuGVVO hier nicht direkt anwendbar sind, ergibt sich schon aus dem Wortlaut, wonach die Regeln nur die Kollision von Verfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten erfassen. Eine entsprechende Anwendung der Litispendenznormen kommt ebenfalls nicht in Betracht. 201 Es dürfte bereits an der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlen: Aufgrund des klaren Wortlauts von Art. 27 und 28 EuGVVO kann kaum angenommen werden, dass dem europäischen Gesetzgeber die durch die Begrenzung der Rechtshängigkeitsvorschriften auf mitgliedstaatliche Verfahren entstehende Regelungslücke im Verhältnis zu Drittstaaten nicht bewusst war.202 Jedenfalls liegt die für eine Analogie erforderliche wertungsmäßige Vergleichbarkeit des geregelten mit dem hier in Frage stehenden Sachverhalt nicht vor. Art. 27 und 28 EuGVVO sind nämlich auf die Besonderheiten des Rechtsverkehrs im EU-Raum zugeschnitten, der durch überwiegend vereinheitlichte Zuständigkeitsvorschriften und gemeinsame Aner200
So auch Lüpfert, Konnexität, 1997, S. 142–145, die die Prüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts im Rahmen von Art. 28 I EuGVVO entgegen der hier vertretenen Auffassung auch in den Fällen von Art. 35 III EuGVVO ablehnt. 201 Eine entsprechende Anwendung der Art. 27 f. EuGVVO erwägend, jedoch i.E. ablehnend Irish High Court, 27.02.2008 – Goshawk Dedicated Ltd. v. Life Receivables Ireland Ltd., [2008] I.L.Pr. 50 (832); Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (228 f.); Weber, RIW 2009, S. 620 (622); Fentiman, CML Rev. 43 (2006), S. 705 (721 f.); CoesterWaltjen, in: FS Nakamura, 1996, S. 90 (111); Huber, RIW 1993, S. 977 (983). 202 So wohl auch Coester-Waltjen, in: FS Nakamura, 1996, S. 90 (111).
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kennungsregeln geprägt ist – Grundbedingungen, die im Verhältnis zu Drittstaaten nicht existieren.203 So ist etwa die anderweitige Rechtshängigkeit in einem Mitgliedstaat unabhängig von einer positiven Anerkennungsprognose zu berücksichtigen, da Art. 33 EuGVVO eine grundsätzliche Pflicht zur Anerkennung von Urteilen mitgliedstaatlicher Gerichte stipuliert.204 Mangels einer solchen Pflicht im Verhältnis zu Drittstaaten wäre es unangebracht, ein mitgliedstaatliches Gericht dazu zu zwingen, das eigene Verfahren auszusetzen und dem Kläger Justizgewährung zu verweigern, ohne dass die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Urteils im Inland feststeht.205 Auch die Reichweite des Streitgegenstandsbegriffs in Art. 27 EuGVVO rechtfertigt sich durch den Zusammenhang mit den Anerkennungsregeln in der Verordnung, welche jedoch gem. Art. 32 EuGVVO nicht für Urteile aus Drittstaaten gelten. Richtet sich die Anerkennung letzterer nach dem jeweiligen nationalen Recht, erscheint es unangemessen, den Streitgegenstand für Zwecke der Anerkennung und für solche der eng damit zusammenhängenden Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz nach unterschiedlichen Maßstäben zu definieren.206 Angesichts dieser wesentlichen Unterschiede ist eine analoge Anwendung der Art. 27 f. EuGVVO auf Verfahren vor drittstaatlichen Gerichten somit abzulehnen. b) Anderweitige Vorgaben der EuGVVO für die Behandlung drittstaatlicher Litispendenz? Fraglich ist, ob damit bei Parallelverfahren vor einem drittstaatlichen und einem mitgliedstaatlichen Gericht für die nationalen Litispendenzregeln „die Bahn frei ist“ oder ob sich das europäische Recht auf die Behandlung der Rechtshängigkeitskollision auswirkt. Allein der Umstand, dass Art. 27 f. EuGVVO nicht anwendbar sind, lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass das europäische Zivilverfahrensrecht für die Berücksichtigung drittstaatlicher Litispendenz keine Rolle spielt. Denn der EuGH hat in der Entscheidung Allianz SpA ./. West Tankers Inc. klargestellt, dass sich auch für Aspekte, die nicht in den Geltungsbereich der EuGVVO fallen, aus der Verordnung Beschränkungen ergeben können, wenn deren
203
Weber, RIW 2009, S. 620 (622); Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (228 f.). Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 18; Geimer/ Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 16, Art. 28 EuGVVO Rn. 16; Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 15, Art. 28 EuGVVO Rn. 5. 205 Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (229); Weber, RIW 2009, S. 620 (622). 206 Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (229). 204
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Ausgestaltung die praktische Wirksamkeit der EuGVVO beeinträchtigen kann.207 Die wohl überwiegende Auffassung spricht sich für die uneingeschränkte Heranziehung der jeweiligen nationalen Litispendenzregeln aus.208 Dies erscheint jedenfalls in Konstellationen unproblematisch, in denen die Zuständigkeit des mitgliedstaatlichen Gerichts auf nationalem Recht beruht. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn die Parteien der Gerichtsstandsabrede außerhalb der EU wohnhaft sind, also etwa ein in den USA und ein in der Türkei ansässiges Unternehmen die Zuständigkeit englischer Gerichte vereinbart haben. Denn hier beansprucht Art. 23 EuGVVO für das designierte englische Gericht keinerlei Wirkung. 209 Beurteilt sich dessen Zuständigkeit nach nationalem Recht, erscheint es konsequent, auch eine Begrenzung dieser Zuständigkeit wegen anderweitiger Rechtshängigkeit nationalem Recht zu unterstellen.210 Weniger eindeutig ist dagegen die Behandlung von Konstellationen, in denen das zweitangerufene designierte Gericht die Prorogation nach Art. 23 I EuGVVO beurteilen und gemäß dieser Vorschrift die Streitigkeit zur Entscheidung annehmen muss. Dies wäre etwa gegeben, wenn man den eingangs genannten Fall dahingehend abwandelt, dass nicht ein in der Türkei, sondern ein in Deutschland ansässiges Unternehmen mit dem USamerikanischen Unternehmen kontrahiert hat. Art. 27 EuGVVO gilt hier nicht, so dass sich die Frage stellt, ob das englische Gericht nach seinen nationalen Litispendenzvorschriften wegen der US-amerikanischen Rechtshängigkeit das Verfahren aussetzen darf. Hiergegen spricht der Wortlaut von Art. 23 EuGVVO, der für das jeweils prorogierte Gericht eine Pflicht zur Annahme der Streitigkeit vorsieht, die hier – mangels Anwendbarkeit – auch nicht durch Art. 27 EuGVVO eingeschränkt ist. Gegen die Heranziehung nationaler Litispendenzregeln könnte 207 EuGH, 10.02.2009 – C-185/07, Allianz SpA ./. Westtankers Inc., Slg. 2009, I-663, Rn. 24. 208 Coester-Waltjen, in: FS Nakamura, 1996, S. 90 (111); Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (228 f.); Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 23; Weber, RIW 2009, S. 620 (622–624); Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, vor Art. 27 EuGVVO Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 27 EuGVVO Rn. 2; Layton/Mercer, European Civil Practice I, 2. Aufl. 2004, Rn. 22.021; Collins/Morse/ McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.046; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 125 f.; Huber, RIW 1993, S. 977 (983); Rauscher/ Gutknecht, IPRax 1993, S. 21 (23); Geimer, in: FS Kralik, 1986, S. 179 (182); Kropholler, in: FS Ferid, 1988, S. 239 (244). 209 S. oben § 3 B. I. 1. a). 210 So auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 125; Hartley, International Commercial Litigation, 2009, S. 250; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 309, 330 f.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
man auch anführen, dass hierdurch die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften der EuGVVO (Erwgr. 11) gefährdet würde. Es ließe sich also folgern, dass die EuGVVO dem prorogierten Gericht eine Pflicht zur Sachentscheidung auferlegt, die nach nationalen Rechtshängigkeitsvorschriften nicht außer Kraft gesetzt werden kann. Diese Auslegung ist v.a. in den common law-Ländern herrschend: Ihr zufolge sind einzelstaatliche Litispendenzregeln vollständig verdrängt, so dass ein mitgliedstaatliches Gericht ungeachtet anderweitiger Rechtshängigkeit in einem Drittstaat eine Sachentscheidung erlassen muss.211 Dem steht die Auffassung gegenüber, nach der nationale Litispendenzregeln im Falle drittstaatlicher Rechtshängigkeit anwendbar bleiben. 212 Zum einen zeigten Art. 27 f. EuGVVO, dass die anderweitige Rechtshängigkeit in der Verordnung als Grund für die Versagung der Gerichtszuständigkeit anerkannt wird. Es sei nicht ersichtlich, wieso dies innerhalb des EU-Raums gelten soll, es den Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Drittstaaten jedoch verwehrt sein soll, durch Anerkennung auswärtiger Litispendenz dem mit der Durchführung von Parallelverfahren verbundenen Risiko widersprechender Entscheidungen entgegenzuwirken. 213 Außerdem zeige Art. 34 Nr. 4 EuGVVO, dass eine drittstaatliche Entscheidung Vorrang vor einer mitgliedstaatlichen haben kann, wenn erstere früher ergangen ist und nach dem nationalen Recht des Anerkennungsstaates im letzteren Rechtswirkungen entfalten kann. Wenn eine drittstaatliche Entscheidung auf der Anerkennungsebene zu respektieren ist, erscheine es konsequent, dem drittstaatlichen Verfahren bereits früher durch Berücksichtigung der dortigen Litispendenz Rechnung zu tragen und auf diese Weise den Eintritt des in Art. 34 Nr. 4 EuGVVO beschriebenen Szenarios zu verhindern. 214 Aus der Zusammenschau von Art. 27 f. und Art. 34 Nr. 4 EuGVVO sei zu folgern, dass die Verordnung eine ungeschriebene Ausnahme von der Verbindlichkeit der Zuständigkeitsvorschriften bei drittstaatlicher Rechtshängigkeit zulasse. Zwar erscheint es mit den oben genannten Argumenten überzeugend, nationale Litispendenzregeln grundsätzlich anzuwenden. Denn es lässt sich 211
Irish High Court, 27.02.2008 – Goshawk Dedicated Ltd. v. Life Receivables Ireland Ltd., [2008] I.L.Pr. 50; High Court, 24.01.1990 – Arkwright Mutual Insurance Co. v. Bryanston Insurance Co. Ltd., [1990] 2 Lloyd’s Rep. 70, 78 f.; Kruger, EU Jurisdiction Rules, 2008, Rn. 5.26; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 309. 212 Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (228); Geimer, in: FS Kralik, 1986, S. 179 (182); Kropholler, in: FS Ferid, 1988, S. 239 (244); Huber, RIW 1993, S. 977 (983). 213 Knight, C.L.J. 66 (2007), S. 288 (292); Weber, RIW 2009, S. 620 (622). 214 Layton/Mercer, European Civil Practice I, 2. Aufl. 2004, Rn. 22.021; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 126; Heinze/Dutta, IPRax 2005, S. 224 (228); Weber, RIW 2009, S. 620 (623); Huber, RIW 1993, S. 977 (983); Kropholler, in: FS Ferid, 1988, S. 239 (244); Harris, ICLQ 54 (2005), S. 933 (947).
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nicht abstreiten, dass eine Entscheidungskollision – wie Art. 34 Nr. 4 EuGVVO sie beschreibt – verhindert werden sollte. Andererseits statuiert Art. 23 EuGVVO jedoch eine europarechtliche Pflicht zur Annahme der Streitigkeit. Für diese Pflicht ergibt sich im Verhältnis zu drittstaatlichen Gerichten lediglich aus Art. 34 Nr. 4 EuGVVO eine europarechtliche Grenze. Nur für den von dieser Vorschrift erfassten Fall der drohenden Entscheidungskollision gestattet somit die EuGVVO die Anwendung nationaler Litispendenzregeln. Dies bedeutet, dass mitgliedstaatliche Vorschriften, die wegen anderweitiger Rechtshängigkeit eine Verfahrensaussetzung gestatten, nur soweit heranzuziehen sind, wie sie dazu dienen, unvereinbare Entscheidungen zu verhindern. Demgegenüber sind nationale Regelungen, die lediglich convenience-Erwägungen Rechnung tragen, in der EuGVVO versperrt. In dem eingangs beschriebenen Fall wäre es dem englischen Gericht somit gestattet, eine Sachentscheidung abzulehnen, wenn ein Verfahren in den USA zu einem Urteil führt, das in England anerkennungsfähig wäre und mit der englischen Entscheidung kollidieren würde. Andererseits könnte das englische Gericht das vor ihm eingeleitete Verfahren aber nicht mit dem Argument aussetzen, dass das US-amerikanische Forum für eine Entscheidung besser geeignet wäre, weil etwa dort wichtige Beweismittel belegen sind. Es ist somit festzuhalten, dass sich die Berücksichtigung drittstaatlicher Rechtshängigkeit grundsätzlich nach den jeweiligen nationalen Litispendenzregeln richtet, deren Anwendbarkeit jedoch wegen Art. 34 Nr. 4 EuGVVO Einschränkungen unterliegt.
II. Grenzen der Einleitung von Parallelverfahren im Anwendungsbereich des HGÜ Die Frage nach den Auswirkungen ausländischer Litispendenz in einem abredewidrigen Forum auf ein später eingeleitetes Verfahren vor dem prorogierten Gericht wird in Art. 5 II HGÜ behandelt. Danach darf ein nach Art. 5 I HGÜ zuständiges Gericht die Ausübung seiner Zuständigkeit nicht mit der Begründung verweigern, dass ein Gericht eines anderen Staates über den Rechtsstreit entscheiden sollte. Diese Norm verwehrt es dem prorogierten Gericht, die Entscheidung der Streitigkeit unter Berufung auf die forum non conveniens-Doktrin abzulehnen215, im Rahmen derer – wie bereits ausgeführt – in common law-Staaten u.a. über die Berücksichtigung auswärtiger Rechtshängigkeit entschieden wird 216 . Für civil law-Länder, die ein der forum non conveniens-Lehre vergleichbares weites richterliches 215
Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 82 f.; Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (550 f.); Rühl, IPRax 2005, S. 410 (412 f.). 216 S. oben § 7 A. I. 1., § 7 A. II. 1.
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Ermessen nicht kennen, bedeutet Art. 5 II HGÜ, dass das prorogierte Gericht die Wahrnehmung seiner Zuständigkeit nicht aufgrund des lis pendens-Einwands verweigern darf.217
C. Einleitung eines Parallelverfahrens vor dem prorogierten Gericht – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO Angesichts der in den verglichenen Rechtsordnungen anzutreffenden unterschiedlichen Haltung gegenüber Parallelverfahren (I.) stellt sich die Frage des Zusammenspiels einzel- und einheitsrechtlicher Vorgaben (II.) und der ökonomischen Effizienz der existierenden Lösungsmodelle (III.). Abschließend ist zu erörtern, ob und wie die EuGVVO zukünftig verbessert werden könnte (IV.).
I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten In der Frage, ob ein prorogiertes Gericht trotz anderweitiger Rechtshängigkeit angerufen werden kann, stehen sich zwei Lager diametral gegenüber: Während sowohl im englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht als auch im HGÜ der Grundsatz gilt, dass die Anrufung eines derogierten Gerichts den Weg zum designierten Forum nicht versperrt, ist die EuGVVO gegenüber Parallelverfahren prinzipiell feindlich. Auch die dogmatischen Herangehensweisen zur Bewältigung der Problematik sind höchst unterschiedlich. In England steht die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit im richterlichen Ermessen. Die Entscheidung richtet sich nach den Grundsätzen der forum non conveniens-Doktrin. Ist entgegen einer Prorogation zugunsten englischer Gerichte Klage im Ausland erhoben worden, werden englische Gerichte ein vor ihnen später eingeleitetes Parallelverfahren ungeachtet der auswärtigen Litispendenz fortführen, um die aus der Zuständigkeitsabrede fließenden Verpflichtung der Parteien, in keinem anderen als dem vereinbarten Forum zu klagen, durchzusetzen. Legen die Umstände des Einzelfalls jedoch nahe, dass die Streitigkeit im abredewidrigen Forum umfassender als in England entschieden werden kann, werden die Gerichte die auswärtige Rechtshängigkeit anerkennen und die Ausübung ihrer Zuständigkeit trotz Prorogation ablehnen. Aus Gründen der Prozessökonomie ist die Durchführung eines Verfahrens in England auch dann ausgeschlossen, wenn das Verfahren im auswärtigen Forum bereits weit fortgeschritten ist. 217
Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 133; Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 82 f.; Teitz, Am. J. Comp. L. 53 (2005), S. 543 (550 f.); Rühl, IPRax 2005, S. 410 (412 f.); Forner Delaygua, I.C.C.L.R. 15 (2004), S. 288 (293 f.).
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Zur Behandlung auswärtiger Litispendenz werden in den USA unterschiedliche Ansätze herangezogen: Manche stellen die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit – ähnlich wie in England – ins richterliche Ermessen. Andere sehen eine Pflicht der Gerichte vor, die eröffnete Zuständigkeit auszuüben und erlauben nur unter engen Voraussetzungen die Anerkennung anderweitiger Litispendenz. Alle Ansätze fühlen sich jedoch einheitlich zur Durchsetzung des in einer Gerichtsstandsvereinbarung zum Ausdruck kommenden Parteiwillens verpflichtet und lassen daher bei einer Prorogation zugunsten US-amerikanischer Gerichte eine auswärtige Rechtshängigkeit grundsätzlich unbeachtet. Hiervon gilt aber dann eine Ausnahme, wenn das ausländische Verfahren bereits weit vorangeschritten ist. Die Berücksichtigung auswärtiger Litispendenz liegt nach deutschem Recht nicht im richterlichen Ermessen, ist vielmehr an strikte Regeln geknüpft. Die ausländische Rechtshängigkeit wird als Vorstufe der Anerkennung der Rechtskraft auswärtiger Urteile aufgefasst. Die auswärtige Litispendenz kann somit nur beachtet werden, wenn mit der Anerkennung der ausländischen Entscheidung gerechnet werden kann. Ist in einem auswärtigen Forum entgegen einer auf deutsche Gerichte lautenden ausschließlichen Prorogation ein Verfahren eingeleitet worden, scheitert die Anerkennung eines Urteils der dortigen Gerichte bereits an § 328 I Nr. 1 ZPO. Die auswärtige Klage hat daher keine Sperrwirkung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Verhalten des Beklagten im ausländischen Forum als rügelose Einlassung zu deuten ist. Im Anwendungsbereich des HGÜ ergibt sich die Unbeachtlichkeit einer im derogierten Forum eingetretenen Rechtshängigkeit aus der strikten Pflicht des prorogierten Gerichts gem. Art. 5 I, II HGÜ, eine Sachentscheidung zu treffen. In der EuGVVO gilt demgegenüber ein strikter Prioritätsgrundsatz: Betreffen die Klagen in den parallelen Verfahren denselben Anspruch i.S.v. Art. 27 EuGVVO, trifft das zweitangerufene Gericht die Pflicht zur Verfahrensaussetzung auch dann, wenn eine ausschließliche Prorogation zu seinen Gunsten vorliegt. Eine Ausnahme von dem Prioritätsprinzip zugunsten des designierten Zweitgerichts ist im Rahmen von Art. 27 EuGVVO nicht anerkannt. Dieses Gericht darf sein Verfahren ungeachtet der anderweitigen Rechtshängigkeit nur dann fortsetzen, wenn das erstgerichtliche Verfahren eine Dauer erreicht hat, welche über das nach Art. 6 I EMRK und Art. 47 II EU-Grundrechtecharta tolerierbare Maß hinausgeht. Sind die Klagen in den Parallelverfahren lediglich konnex, steht die Berücksichtigung der anderweitigen Litispendenz nach Art. 28 EuGVVO im Ermessen des zweitbefassten Gerichts. Dieses darf aber nicht schon allein deshalb die ausländische Rechtshängigkeit unbeachtet lassen, weil eine Prorogation zu seinen Gunsten vorliegt.
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Diese Regeln gelten in den verglichenen Rechtsordnungen auch für die Kollision von negativer Feststellungs- und Leistungsklage. Im Gegensatz zu der früheren Rechtsprechung werden in England negative Feststellungsklagen heute als legitimes Rechtsschutzinstrument angesehen mit der Folge, dass der Art der in den unterschiedlichen Prozessen anhängigen Klagen für die Entscheidung über die ausländische Rechtshängigkeit keine Bedeutung beigemessen wird. Auch in den USA wird über das Verhältnis zwischen einer Leistungs- und einer konkurrierenden negativen Feststellungsklage grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln entschieden. In Deutschland wird dieser Konflikt über das Erfordernis der Streitgegenstandsidentität gelöst: Eine ausländische Feststellungsklage hat gegenüber einer in Deutschland später rechtshängig gemachten Leistungsklage keinen Vorrang, da der Streitgegenstand der Leistungsklage über den der Feststellungsklage hinausreicht. Wird zunächst im Ausland auf Leistung geklagt und dann im Inland Klage auf negative Feststellung erhoben, ist zwar Streitgegenstandsidentität gegeben, die Berücksichtigung der auswärtigen Litispendenz scheitert bei abredewidriger Klage im Ausland jedoch an der fehlenden Anerkennungsfähigkeit der zu erwartenden Entscheidung. Aufgrund des weiten euroautonomen Streitgegenstandsbegriffs gilt die Pflicht zur Aussetzung aus Art. 27 EuGVVO selbst dann, wenn vor dem Zweitgericht eine Leistungsklage anhängig ist und im erstgerichtlichen Verfahren lediglich eine entsprechende negative Feststellungsklage erhoben wurde.
II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts Inwieweit einzelstaatliche Litispendenzvorschriften im Anwendungsbereich der EuGVVO fortgelten, hängt davon ab, wo das erstangerufene Gericht seinen Sitz hat. Wurde abredewidrig vor einem mitgliedstaatlichen Gericht Klage erhoben, haben die Gerichte aller anderen Mitgliedstaaten ausschließlich nach Art. 27–30 EuGVVO zu beurteilen, ob sie ein Parallelverfahren durchführen dürfen. Insoweit sind einzelstaatliche Vorschriften verdrängt. Liegt das abredewidrig angerufene Gericht hingegen in einem Drittstaat, hängt das Zusammenspiel von EuGVVO und nationalen Rechten davon ab, ob sich die Zuständigkeit des zweitangerufenen prorogierten Gerichts aus der EuGVVO oder aus autonomem Recht ergibt. Unterliegt die missachtete Gerichtsstandsvereinbarung nicht Art. 23 I EuGVVO, haben also beide Parteien ihren Wohnsitz außerhalb der EU, ist die Litispendenz im derogierten auswärtigen Forum nach den jeweiligen nationalen Vorschriften des später angerufenen mitgliedstaatlichen Gerichts zu beurteilen. Ist die verletzte Zuständigkeitsabrede hingegen von Art. 23 I EuGVVO erfasst, hat also mindestens eine Vertragspartei ihren Wohnsitz innerhalb der Gemeinschaft, sind grundsätzlich zwar ebenfalls die autono-
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men Rechtshängigkeitsnormen des prorogierten Gerichts maßgeblich. Gestützt auf diese kann das Verfahren jedoch nur dann ausgesetzt werden, wenn ansonsten eine Kollision mit der zu erwartenden Entscheidung des erstangerufenen Gerichts droht. Im Anwendungsbereich des HGÜ sind die nationalen Rechtshängigkeitsvorschriften hingegen vollständig verdrängt. Ein prorogiertes vertragsstaatliches Gericht kann somit nicht seine autonomen Litispendenzregeln heranziehen und gestützt auf diese eine Sachentscheidung verweigern, weil der Streitgegenstand vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats früher rechtshängig geworden ist.
III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme Keine der beiden grundverschiedenen Herangehensweisen zur Bewältigung von Verfahrenskollisionen vermag die Problematik der Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen einer ökonomisch sinnvollen Lösung zuzuführen. Als außerordentlich problematisch erweist sich die weitreichende Rechtshängigkeitssperre von Art. 27 EuGVVO. Diese Regelung birgt enormes Missbrauchspotential, da sie sog. „Torpedoklagen“ ermöglicht. Eine Partei kann ein für seine lange Verfahrensdauer berüchtigtes Forum aussuchen und durch Klage in diesem den Weg zum an sich prorogierten Gericht versperren. Die Sperre dauert so lange, bis das Verfahren im abredewidrigen Forum rechtskräftig (!) abgeschlossen wurde. Bis sich das falsche Gericht nach langwierigem Verfahren endlich für unzuständig erklärt, hat die abredewidrig verklagte Partei eine enorme zeitliche Verzögerung bei der Durchsetzung ihrer Gerichtsstandsvereinbarung erlitten. Hinzu kommen wird häufig ein nicht zu unterschätzender finanzieller Aufwand, noch bevor mit der Ausfechtung des eigentlichen Sachstreits begonnen werden kann. Dringt der abredewidrig Beklagte mit seiner Zuständigkeitsrüge letztlich nicht durch, droht sogar eine Sachentscheidung, deren Rechtskraft – sofern anerkennungsfähig – dauerhaft die Anrufung des designierten Gerichts ausschließt. Der Kläger kann dann eine Entscheidung im gewünschten Forum nach dem dort geltenden rechtlichen Rahmen gar nicht mehr erlangen. Art. 27 EuGVVO ermöglicht somit einer Partei, die Austragung des Rechtsstreits am designierten Gerichtsstand zu verzögern oder gar zu verhindern, indem sie prorogationswidrig in einem für seine lange Verfahrensdauer berüchtigten Forum Klage erhebt. Diese weitreichende Sperrwirkung von Art. 27 EuGVVO gefährdet nicht nur die mit dem Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen angestrebte Rechts- und Planungssicherheit. Sie kann auch dafür missbraucht werden, Vergleichsdruck auf die Gegenseite auszuüben.
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Auch die Gestattung von Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht ist ökonomisch nicht unbedenklich. Sie nimmt zwar dem abredewidrig Klagenden ein Druckmittel und reduziert damit die Anreize für eine missbräuchliche Klage im falschen Forum. Gleichwohl kann sie den Kosten- und Zeitaufwand der Parteien in die Höhe treiben und den Verbrauch an Rechtsprechungsressourcen verdoppeln. Sie erhöht außerdem die Gefahr von widersprechenden Entscheidungen. Somit führt auch die Zulassung von Parallelverfahren nicht zu einer Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen, sondern kann im Gegenteil die durch sie erfolgten Effizienzgewinne zunichte machen.
IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO Ausgehend von den vorausgegangenen Überlegungen fragt sich, wie die Rechtslage in der EuGVVO ökonomisch effizienter ausgestaltet werden kann. Mehrere Lösungswege sind insoweit gangbar. 1. Vorschlag 1: Unbegrenzte Zulassung der Einleitung eines Parallelverfahrens im designierten Forum In erster Linie ist die aus dem HGÜ bekannte großzügige Haltung gegenüber Parallelverfahren auf ihr Lösungspotential für den Anwendungsbereich der EuGVVO zu untersuchen. Art. 5 II HGÜ verwehrt es dem in einer ausschließlichen Prorogation bezeichneten Gericht, die Ausübung seiner Zuständigkeit mit dem Argument zu verweigern, dass ein anderes Gericht in derselben Sache bereits angerufen wurde. 218 Auch in den hier untersuchten einzelstaatlichen Rechtsordnungen stellt eine Klage vor dem derogierten Gericht kein Hindernis für ein zeitlich nachfolgendes Prozessieren vor dem prorogierten Gericht dar.219 Es wird teilweise vorgeschlagen, dieses Modell auch für die EuGVVO einzuführen.220 Diese Lösung ist geeignet, das Missbrauchspotential von Klagen im derogierten Forum einzuschränken. Denn sie ermöglicht es der beklagten Seite, „zum Gegenschlag auszuholen“ und eine Sachentscheidung des prorogierten Gerichts herbeizuführen, die nach den rechtlichen Standards ergeht, welche die Parteien bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung vorhergesehen hatten. Unter der Voraussetzung, dass die Entscheidung des prorogierten Gerichts zeitlich vor der des derogierten ergeht, kann sie den 218
Vgl. zu Art. 5 II HGÜ oben § 7 B. II. S. oben § 7 A. I., § 7 A. III. 220 EU-Kommission, Grünbuch zur EuGVVO-Revision, 21.04.2009, S. 5; EU Parlament, Bericht über Umsetzung und Überprüfung der EuGVVO, S. 12; Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (557–559); Fentiman, in: de Vareilles-Sommičres (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (51 f.). Ähnlich Freitag, Jb.J.ZivRWiss. 2004, S. 399 (430). 219
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abredewidrig Beklagten gem. Art. 34 Nr. 4 EuGVVO vor einer Anerkennung und Vollstreckung des Urteils des derogierten Gerichts schützen. Dieser Schutz greift in allen EU-Ländern mit Ausnahme desjenigen, in dem das abredewidrig angerufene Gericht seinen Sitz hat. Aber auch in diesem Staat kann dem abredewidrig Beklagten die Entscheidung aus dem prorogierten Forum einen Vorteil bringen: Wird diese rechtskräftig, bevor das derogierte Gericht ein Urteil erlassen hat, löst ihre Rechtskraft eine res judicata-Wirkung vor dem derogierten Gericht aus, die dort die Klage unzulässig macht oder zumindest auf Ebene der Begründetheit eine Bindungswirkung greifen lässt. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO steht dem nicht entgegen, denn diese Norm hindert die Anerkennung der Rechtskraft nicht, solange im Anerkennungsland noch keine Entscheidung ergangen ist. Damit wäre für sog. „Torpedoklagen“ in einem besonders langsamen, derogierten Forum der wirtschaftliche Handlungsanreiz genommen. Sie wären nicht mehr geeignet, der Gegenseite „die Hände zu binden“ und sie damit in einen ungünstigen Vergleich zu treiben. Ferner hätte der hier diskutierte Lösungsvorschlag den Vorteil, dass zwischen dem dereinst gemeinschaftsweit in Kraft tretenden HGÜ221 und der EuGVVO eine Regelungskongruenz bestünde.222 Gegen eine derart großzügige Zulassung von Parallelverfahren spricht allerdings das damit einhergehende Risiko widersprüchlicher Titel. Dieses besteht nicht nur dann, wenn das später ergehende Judikat zu einem Zeitpunkt erlassen wird, in dem die frühere Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist und somit keinen europaweiten res judicata-Effekt auslösen kann. Eine Entscheidungskollision droht auch, wenn eine Rechtskraftbindung des früher erlassenen Titels zwar vorliegt, diese allerdings vom zuletzt entscheidenden Gericht missachtet wird. Diese Gefahr kann nicht unter Hinweis darauf vernachlässigt werden, dass wirtschaftlich vernünftig denkende Parteien aus Kostengründen davon Abstand nehmen würden, Parallelverfahren bis zum Ende durchzuführen.223 Denn das Taktieren in internationalen Prozessen ist nicht nur durch rationale Aspekte bedingt, sondern wird bisweilen auch von rein psychologischen Gründen beeinflusst. Oftmals verkommen Rechtsauseinandersetzungen zu einem reinen Machtspiel, in dem jeder versucht, dem anderen „eins auszuwischen“. Man kann daher nicht darauf hoffen, dass die Parteien sich durch das Risiko doppelter Verfahrenskosten von paralleler Prozessführung abhalten lassen würden, und somit die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen gebannt wäre.
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S. zum Inkrafttreten des HGÜ oben § 3 B. II. 2. d). So auch Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (558). 223 So aber Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (53). 222
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Die uneingeschränkte Zulassung von Parallelverfahren hat schließlich den Nachteil, dass sie eine Verschwendung von Rechtsprechungsressourcen mit sich bringt, da sich die Gerichte mehrerer Staaten mit ein und derselben Streitigkeit auseinandersetzen müssen. Vor dem Hintergrund des geringen Nutzens einer derartigen Doppelbeanspruchung ist der Vorschlag 1 auch aus dem Gesichtspunkt der ökonomischen Analyse des Rechts abzulehnen. 2. Vorschlag 2: Zulassung eines Parallelverfahrens im designierten Forum nur bei negativer Feststellungsklage vor dem abredewidrig angerufenen Gericht Angesichts der Bedenken gegen eine unbegrenzte Zulassung von Parallelverfahren kommt in Betracht, den Vorschlag 1 in der Weise abzuwandeln, dass die Anrufung des designierten Gerichts trotz früherer Rechtshängigkeit im abredewidrigen Forum lediglich dann gestattet wird, wenn im letzteren eine negative Feststellungsklage anhängig ist. 224 Dieser Lösungsansatz trägt der typischen Konstellation von sog. „Torpedoklagen“ Rechnung, in der sich eine Partei einer befürchteten gerichtlichen Inanspruchnahme dadurch zu entziehen versucht, dass sie in einem für den Klagewilligen ungünstigen, da für seine langsame Rechtspflege berüchtigten, Forum negative Feststellungsklage erhebt. Gegen diesen Vorschlag spricht allerdings, dass er nur eine Teillösung des Problems darstellt.225 Insbesondere in dem Fall, dass der Beklagte abredewidrig auf Leistung in Anspruch genommen wird, wäre er schutzlos. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum eine Gerichtsstandsvereinbarung dann geringeren Schutz verdienen soll, wenn versucht wird, sie im Wege einer Leistungsklage auszuhebeln. Eine umfassende Lösung vermag Vorschlag 2 daher nicht zu bieten. 3. Vorschlag 3: Zulassung eines Parallelverfahrens im designierten Forum nach erfolglosem Ablauf einer Frist zur Zuständigkeitsentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts Als Kompromiss zwischen dem Anliegen, das Eingreifen der Rechtshängigkeitssperre von Art. 27 EuGVVO infolge einer abredewidrigen Klage einzuschränken, und dem Interesse an einer Vermeidung von Doppelprozessen wird vorgeschlagen, eine Höchstfrist für die Zuständigkeitsentscheidung des zuerst angerufenen Gerichts einzuführen. Verstreicht diese 224 EU-Kommission, Grünbuch zur EuGVVO-Revision, 21.04.2009, S. 6. Zustimmend DIHK, Grünbuch EuGVVO – Positionspapier, S. 5 f. 225 Vgl. auch House of Lords: EU Committee, Green Paper on the Brussels I Regulation – Report, Rn. 68.
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Frist – diskutiert werden etwa sechs Monate –, ohne dass sich das Gericht für (un)zuständig erklärt hat, soll die Rechtshängigkeitssperre entfallen und der Weg für eine Klage im designierten Forum wieder frei werden.226 Gegen diese Variante spricht allerdings die bereits oben227 angesprochene Schwierigkeit, eine geeignete Höchstfrist für die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit zu finden: Einerseits kann nach gegenwärtigem Stand von den wenigsten mitgliedstaatlichen Gerichte erwartet werden, dass sie innerhalb von sechs Monaten eine rechtskräftige Entscheidung über ihre Zuständigkeit treffen. Andererseits erscheint eine Frist von deutlich länger als einem halben Jahr kaum noch als geeignet, um den Belangen des abredewidrig Verklagten gerecht zu werden. Diesen schränkt es ohnehin stark ein, wenn seine Klagemöglichkeit vor dem designierten Gericht für die Dauer von sechs Monaten ausgeschlossen ist. Ferner ist für die Frage, was nach fruchtlosem Ablauf der Höchstfrist mit dem zunächst initiierten Verfahren geschehen soll, bislang keine überzeugende Lösung gefunden. Wollte man in diesem Falle den zuerst eingeleiteten Rechtsstreit weiterlaufen lassen, wäre man soweit wie vorher, weil es dadurch zu Parallelprozessen käme. Diese sind aus den vielen Gründen abzulehnen, die bereits im Rahmen von Vorschlag 1 dargestellt wurden.228 Wollte man demgegenüber das Erstverfahren aussetzen, bis der Prozess vor dem designierten Gericht zu einem rechtskräftigen Abschluss gekommen ist, droht der Eintritt eines anderen für alle höchst unbefriedigenden Zustands: Erklärt sich das zweitangerufene Gericht letztlich für unzuständig, wären beide Parteien darauf angewiesen, wieder vor das zuerst befasste Gericht zu ziehen, um ihre Rechte durchzusetzen. Dies könnte angesichts der ggf. hohen Dauer für die Unzuständigkeitsentscheidung des später angerufenen Gerichts zu einer unzulässigen Verkürzung des Justizgewährungsanspruchs der Parteien führen. Insbesondere die Rechtsschutzmöglichkeiten des vor dem erstangerufenen Gericht Klagenden würden enorm beschnitten. Nur weil es dem zunächst angerufenen Gericht nicht gelungen ist, innerhalb von sechs Monaten die Zuständigkeitsfrage abschließend zu klären, ist dem Kläger aus regelmäßig nicht zurechenbaren Gründen ein Prozessieren in dem legitimen Forum für nicht unerhebliche Dauer versperrt worden.
226 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Heidelberger Bericht, Rn. 460; Sander/Breßler, ZZP 122 (2009), S. 157 (181–183). 227 S. oben § 6 C. IV. 3. 228 S. oben § 7 C. IV. 1.
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4. Vorschlag 4: Umkehrung der Rechtshängigkeitsregel in Art. 27 EuGVVO zugunsten des designierten Gerichts Nachdem sich gezeigt hat, dass weder die Gestattung von Parallelprozessen mit oder ohne Einschränkungen noch ein Entscheidungsvorrang des zunächst angerufenen Gerichts nach der klassischen Rechtshängigkeitsregel geeignet sind, Gerichtsstandsvereinbarungen effektiv zu schützen, ist nunmehr zu diskutieren, ob möglicherweise eine Umkehr der Rechtshängigkeitsregel in Art. 27 EuGVVO sinnvoll ist. Nach diesem Lösungsansatz obläge es einem designierten Gericht, seine Zuständigkeit festzustellen, während ein anderes früher angerufenes Gericht dazu verpflichtet wäre, das Verfahren bis zu einer Entscheidung aus dem forum prorogatum auszusetzen.229 Umgekehrt würde die Rechtshängigkeitsregel für den Fall fortgelten, dass im prorogierten Forum zuerst geklagt wird. Hinsichtlich der genauen Ausgestaltung dieses Vorschlags sind mehrere Varianten möglich, die nachfolgend auf ihre Geeignetheit zu untersuchen sind. a) Vorschlag 4.1: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht stets und sofort das Verfahren auszusetzen Als Ausgangslösung ist denkbar, dass ungeachtet anderweitiger Rechtshängigkeit die Anrufung des designierten Gerichts stets möglich bleibt und diese zur Folge hat, dass das zuerst befasste Gericht sein Verfahren sofort und ohne weitere Prüfung auszusetzen hat. Der abredewidrig Beklagte müsste demnach lediglich geltend machen, dass er gestützt auf eine Prorogation Klage vor einem anderen Gericht erhoben hat. Daraufhin hätte das zuerst befasste Gericht das Verfahren zu unterbrechen, ohne zuvor die Wirksamkeit der Vereinbarung prüfen zu können. Auch die EuGVVO kennt eine derartige Vorrangstellung des designierten Gerichts zur Beurteilung der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Nach Art. 23 III EuGVVO ist für den Fall, dass beide Prorogationsparteien außerhalb der EU ansässig sind, ein mitgliedstaatliches Gericht zur Verfahrensaussetzung verpflichtet, wenn ihm eine Abrede über die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts vorgelegt wird und sich dieses nicht rechtskräftig für unzuständig erklärt hat.230 Der Vorschlag 4.1 kann für sich beanspruchen, dass die Gefahr sog. „Torpedoklagen“ in ihrer bisherigen Form gänzlich gebändigt würde. 229
EU-Kommission, Vorschlag – EuGVVO, 14.12.2010, S. 9; EU-Kommission, Grünbuch zur EuGVVO-Revision, 21.04.2009, S. 5; Radicati di Brozolo, IPRax 2010, S. 121 (123 f.); House of Lords: EU Committee, Green Paper on the Brussels I Regulation – Report, Rn. 68. 230 Vgl. zu Art. 23 III EuGVVO oben § 3 B. I. 1. a) bb).
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Gleichzeitig blieben Parallelverfahren ausgeschlossen, so dass es auch nicht zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen könnte. 231 Darüber hinaus würde diese Lösung gewährleisten, dass über Wirksamkeit und Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung das prima facie sachnähere Gericht entscheiden würde.232 Nachdem dieses Gericht in der Abrede benannt ist, besteht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Parteien auch auf dieses geeinigt haben. Es ist daher sachgerecht, diesem Gericht den Vortritt zu gewähren und hierdurch sicherzustellen, dass über die Relevanz der Gerichtsstandsvereinbarung für die konkrete Streitigkeit unter Berücksichtigung des rechtlichen Rahmens entschieden wird, den die Parteien bei dem zumindest wahrscheinlichen Abschluss der Abrede auch vorausgesehen haben.233 Ein Nachteil dieser Vorschlagsvariante besteht jedoch darin, dass die Ungültigkeit der Prorogation erst vor dem in der Abrede bezeichneten Gericht festgestellt werden müsste, bevor der Weg für eine Entscheidung durch das ansonsten zuständige Gericht frei würde.234 Auf diese Weise eröffnet der Vorschlag 4.1 eine „umgekehrte Torpedogefahr“: Der vor einem mitgliedstaatlichen Gericht Verklagte könnte durch Vorlage einer gefälschten Gerichtsstandsvereinbarung Klage in einem Forum erheben, welches für seine langsame Rechtspflege berüchtigt ist. Gestützt auf diese Klageerhebung könnte er die Verfahrensaussetzung im erstangerufenen Gericht erreichen und damit der Gegenseite jedenfalls für eine nicht unerhebliche Zeit ein legitimes Forum entziehen. Das Missbrauchspotential ist umso größer, als für die Klageerhebung im designierten Forum keine zeitliche Beschränkung gilt, so dass der Beklagte auch dann noch den Ausweg über die gefälschte Gerichtsstandsvereinbarung versuchen könnte, wenn der Erstprozess seit längerer Zeit fortgeschritten ist und sich für ihn als ungünstig darstellt. Da keine Rechtshängigkeitssperre greift, könnte der Beklagte stets durch eine auf die Gerichtsstandsvereinbarung gestützte Zweitklage eine Verfahrensaussetzung vor dem Erstgericht erzwingen, selbst wenn er sich vor diesem rügelos eingelassen hatte und dieses dadurch zuständig geworden wäre. Dies würde auch zu einer Verschwendung von Rechtsprechungsressourcen führen: Das Erstverfahren wäre zumindest dann sinnlos, wenn sich das designierte Gericht für zuständig erklären würde.
231
Radicati di Brozolo, IPRax 2010, S. 121 (123). BRAK, Grünbuch EuGVVO-Stellungnahme, S. 5. 233 Radicati di Brozolo, IPRax 2010, S. 121 (123). 234 EU-Kommission, Grünbuch zur EuGVVO-Revision, 21.04.2009, S. 5. 232
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
b) Vorschlag 4.2: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht nur innerhalb einer bestimmten Frist das Verfahren auszusetzen Aus den soeben dargestellten Bedenken speist sich die Überlegung, eine Höchstfrist für die Klage vor dem designierten Gericht einzuführen. Als Vorschlag 4.2 soll daher die Möglichkeit erläutert werden, die bestehende Rechtshängigkeitsregel für die ersten sechs Monate nach Eintritt der Rechtshängigkeit folgendermaßen einzuschränken: Nur während dieses Zeitraums könnte unter Vorlage einer Gerichtsstandsvereinbarung im designierten Forum geklagt werden mit der Folge einer Aussetzungspflicht des erstangerufenen Gerichts. Nach Ablauf der sechs Monate wären sowohl die Klage vor dem designierten Gericht als auch die Aussetzung durch das zuerst angerufene Gericht ausgeschlossen.235 Auch wenn diese Variante eine im Ergebnis unnötige Beanspruchung von Rechtsprechungsressourcen im Erstforum minimieren könnte, ist die Höchstfrist für die Anrufung eines Zweitgerichts allein noch nicht geeignet, die soeben geschilderte sog. „umgekehrte Torpedogefahr“ zu minimieren. Denn auch innerhalb der 6-Monatsfrist kann die Zweitklage dazu missbraucht werden, dem erstangerufenen Gericht eine Verfahrensaussetzung zugunsten eines langsamen Gerichts abzutrotzen. c) Vorschlag 4.3: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht nur dann auszusetzen, wenn es die Gerichtsstandsabrede für ungültig hält Vor dem Hintergrund der Missbrauchsgefahr einer Klage im designierten Forum ist zu überlegen, die Aussetzungspflicht des zuerst angerufenen Gerichts an zusätzliche Anforderungen als den bloßen Nachweis einer auf einer Gerichtsstandsvereinbarung gestützten Klage zu knüpfen. Als Modell hierfür könnte wieder das HGÜ herangezogen werden, das in Art. 6 I eine Ausnahme von der Aussetzungspflicht eines nicht vereinbarten Gerichts für den Fall vorsieht, dass dieses die Gerichtsstandsvereinbarung für ungültig hält. Eine solche Lösung hätte den Vorteil, dass die sog. „umgekehrte Torpedogefahr“ eingeschränkt würde. Insbesondere könnte das erstangerufene Gericht den Gegeneinwand des Klägers, die Gerichtsstandsvereinbarung sei gefälscht, selbst prüfen und bei dessen Durchgreifen die Klage vor dem zweit angerufenen Gericht ignorieren. Allerdings könnten bei einer derartigen Lösung die Interessen des im erstangerufenen Gericht Beklagten ins Hintertreffen geraten. Denn das zuerst befasste Gericht braucht möglicherweise lange, bis es über die 235
So etwa vorgeschlagen von Freitag, Jb.J.ZivRWiss. 2004, S. 399 (430).
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Wirksamkeit der Zuständigkeitsabrede entschieden hat. In dieser Zeit wäre der Beklagte wieder der Torpedogefahr in ihrer klassischen Form ausgeliefert. 236 Außerdem wird die Aussetzungsmöglichkeit durch die Einführung aufwendig zu prüfender Negativvoraussetzungen schwerfällig und kann ihren Zweck, dem designierten Gericht möglichst zügig den Vortritt zu gewähren, nur noch eingeschränkt erfüllen. Schon dadurch, dass der Kläger die Fälschung der vom Beklagten ins Feld geführten Gerichtsstandsvereinbarung behauptet, könnte er eine umfangreiche Beweisaufnahme im abredewidrig angerufenen Gericht veranlassen. d) Vorschlag 4.4: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht nur dann auszusetzen, wenn eine Standardgerichtsstandsabrede vorgelegt wird Um den abredewidrig Beklagten in die Lage zu versetzen, möglichst schnell vor dem erstangerufenen Gericht eine Verfahrensaussetzung zu erwirken, könnte man die Prüfung der Gerichtsstandsvereinbarung durch die Einführung von EU-weiten Standardgerichtsstandsvereinbarungen vereinfachen. Hierbei handelte es sich lediglich um Musterklauseln ähnlich den von Schiedsinstitutionen angebotenen Standardschiedsvereinbarungen, derer sich Parteien bei Ausgestaltung ihrer Verträge bedienen könnten. Derartige Standardformulierungen erleichterten etwa die Bestimmung der sachlichen und persönlichen Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen und würden damit die Feststellung der (Un)Zuständigkeit durch das Erstgericht beschleunigen. Allerdings kann auch bei der Verwendung von Standardgerichtsstandsvereinbarungen die Wirksamkeit ihres Abschlusses möglicherweise erst nach umfangreicher Tatsachen- und Rechtsanalyse festgestellt werden. Braucht das angerufene Gericht hierfür lange, ist die Torpedogefahr durch die Standardgerichtsstandsabrede nicht gebannt.237 Auch der Vorschlag, für das erstangerufene Gericht eine Pflicht einzuführen, bei Vorlage einer Standardvereinbarung zugunsten eines anderen Gerichts automatisch, d.h. ohne eigene Prüfung auszusetzen 238 , ist nicht sinnvoll. Denn dies kann nicht verhindern, dass der Beklagte die Gerichtsstandsabrede fälscht und sich hierdurch vorübergehend einem Prozess in illegitimer Weise entzieht. Hinzu kommt, dass Parteien nur selten Standardvereinbarungen in unveränderter Form für ihre Verträge verwenden können. Angesichts der Vielseitigkeit von grenzüberschreitenden Rechts-
236
Ähnlich auch Radicati di Brozolo, IPRax 2010, S. 121 (124). Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (561). 238 EU-Kommission, Grünbuch zur EuGVVO-Revision, 21.04.2009, S. 6. 237
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
verhältnissen sind Vertragswerke hier meist maßgeschneidert. Dies gilt auch für die Gerichtsstandsabrede.239 e) Vorschlag 4.5: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht nur auszusetzen, wenn prima facie-Nachweis für eine Gerichtsstandsabrede vorliegt Eine weitere Lösung für das Dilemma, dass einerseits der Einwand einer anderweitigen Gerichtsstandsvereinbarung nicht zum Missbrauch einladen soll, andererseits die Aussetzungsentscheidung des erstangerufenen Gerichts im Interesse ihres zeitnahen Erlasses nicht von übermäßigem Prüfungsaufwand abhängig gemacht werden darf, könnte möglicherweise darin liegen, die Pflicht des zuerst befassten Gerichts zur Verfahrensaussetzung davon abhängig zu machen, dass ein prima facie-Nachweis für das Vorliegen einer Zuständigkeitsabrede erbracht worden ist.240 Die Beurteilung, ob dem Beklagten ein Anscheinsbeweis für die Existenz einer Gerichtsstandsvereinbarung gelungen ist, ist allerdings nicht zwangsläufig sofort möglich, so dass auch nach Vorschlag 4.5 die Torpedogefahr möglicherweise nicht wesentlich reduziert würde. Dieser Vorschlag ist auch nicht geeignet, der bereits zuvor dargestellten Fälschungsproblematik Rechnung zu tragen: Lässt man bereits einen prima facieNachweis ausreichen, ist dem Kläger im erstangerufenen Gericht der Fälschungseinwand verwehrt, da ihm vor diesem Gericht nicht gestattet wäre, hierfür Beweis zu erbringen. f) Vorschlag 4.6: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht maximal für die Dauer einer bestimmten Höchstfrist auszusetzen Nachdem die vorausgegangenen Ausführungen zu den Vorschlägen 4.3– 4.5 ergeben haben, dass eine geeignete Lösung nicht darin bestehen kann, die Aussetzungsentscheidung von bestimmten durch das aussetzende Gericht zu prüfenden Voraussetzungen abhängig zu machen, ist zu dem sich aus den Vorschlägen 4.1 und 4.2 ergebenden Modell zurückzukehren, wonach vor einem designierten Gericht nur innerhalb der ersten sechs Monate nach Eintritt der anderweitigen Rechtshängigkeit geklagt werden kann mit der Folge, dass das erstangerufene Gericht automatisch und ohne eigene Prüfung auszusetzen hat. Diese Lösung allein trägt allerdings nach wie vor der Gefahr einer „umgekehrten Torpedoklage“ nicht ausreichend Rechnung. 239
So auch House of Lords: EU Committee, Green Paper on the Brussels I Regulation – Report, Rn. 71. 240 Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (51).
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Zur Beschränkung dieses Risikos käme nach dem nun zu diskutierenden Vorschlag 4.6 die Einführung einer Höchstfrist in Betracht, innerhalb derer das zweitangerufene Gericht über seine Zuständigkeit zu entscheiden hat. Dadurch ließe sich das Drohpotential eines „umgekehrten Torpedos“ reduzieren, weil das Erstverfahren nur für eine bestimmte Dauer – denkbar sind etwa sechs Monate – auszusetzen wäre. Allerdings ist die Einführung von Höchstfristen für rechtskräftige Zuständigkeitsentscheidungen stets problematisch. Denn die Parteien können durch deren ergebnislose Überschreitung empfindlich belastet werden, obwohl sie für diese in der Regel nicht verantwortlich sind. Insbesondere dem Kläger im prorogierten Forum droht nach einer solchen Lösung eine empfindliche Rechtsschutzverweigerung: Gelingt es dem designierten Gericht nicht, innerhalb von sechs Monaten seine Zuständigkeit festzustellen, müsste das Verfahren vor dem erstangerufenen Gericht fortgesetzt werden. Hält letzteres die Prorogation letztlich für gültig, müsste der im abredewidrigen Forum Verklagte erneut vor das vereinbarte Gericht ziehen. g) Vorschlag 4.7: Bei Klage im prorogierten Forum hat das zuerst angerufene Gericht stets und sofort das Verfahren auszusetzen und über einen Fälschungseinwand muss das designierte Gericht innerhalb von 6 Monaten entscheiden Bei der Erörterung von Vorschlag 4.6 hat sich gezeigt, dass die Einführung einer Höchstfrist für die Entscheidung des designierten Gerichts über seine internationale Zuständigkeit ungeeignet ist. Von ihr ist daher Abstand zu nehmen. Dem designierten Gericht unbegrenzt Zeit zur Beurteilung der internationalen Zuständigkeit zu gewähren, ist letztlich auch gerechtfertigt, weil die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Gericht für zuständig erklären wird, höher ist als diejenige, dass die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam befunden wird.241 Zum einen wird der vor dem designierten Gericht Klagende in aller Regel eine Zuständigkeitsabrede in schriftlicher Form vorlegen. Ein solches Dokument bietet zumindest ein starkes Indiz dafür, dass die Parteien sich tatsächlich auf das in ihm bezeichnete Gericht verständigt haben. Zum anderen werden Gerichtsstandsvereinbarungen tendenziell weit ausgelegt, um dem Parteiwillen zur Übertragung der Zuständigkeit auf ein bestimmtes Forum möglichst umfassend gerecht zu werden. Daher wird die Zuständigkeit des designierten Gerichts selten 241
Hierfür spricht auch das Ergebnis der im Auftrag der EU-Kommission durchgeführten Umfrage, wonach nur 1,1% der befragten Unternehmen die Erfahrung gemacht haben, dass ein designiertes Gericht die Gültigkeit der auf dieses lautenden Prorogation verneint hat, vgl. EU-Kommission, EuGVVO-Revision: Zusammenfassung der Folgenabschätzung, 14.12.2010, 2.3.4.
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daran scheitern, dass die Streitigkeit nicht von der Prorogation erfasst ist.242 Selbst für den Fall, dass sich das designierte Gericht letztlich für unzuständig erklärt, ist es den Parteien zumutbar, diese Entscheidung abzuwarten. Denn sie haben zumindest den zurechenbaren Rechtsschein einer auf dieses Gericht lautenden Abrede gesetzt. In einer Konstellation ist es allerdings nicht gerechtfertigt, dass das designierte Gericht primär und zeitlich unbeschränkt über das Eingreifen der Gerichtsstandsabrede befinden kann: Wenn nämlich der im Erstforum Beklagte die Vereinbarung gefälscht hat, gibt es letztlich keinen beiden Parteien zurechenbaren Rechtsschein der Zuständigkeit des designierten Gerichts. Daher muss der Kläger des zuerst eingeleiteten Prozesses die Möglichkeit haben, vor dem designierten Gericht den Fälschungseinwand geltend zu machen und innerhalb kürzester Zeit eine Entscheidung hierüber zu erlangen. Sinnvoll erscheint auch hier eine Dauer von sechs Monaten. Gelingt es dem Gericht innerhalb dieser Frist nicht, über den Fälschungseinwand zu befinden, sollte es die Priorität hinsichtlich der Entscheidung über das Eingreifen der Gerichtsstandsabrede verlieren mit der Folge, dass das Verfahren wieder vor dem erstangerufenen Gericht fortgesetzt werden kann. Anders als in dem zuvor behandelten Vorschlag 4.6 ist die 6-Monatsfrist nicht unangemessen kurz. Von diesem Vorschlag unterscheidet sich die hier vertretene Lösung dadurch, dass das designierte Gericht innerhalb der Frist lediglich über den Fälschungseinwand zu entscheiden hat. Dies ist nur eine abgegrenzte Einzelfrage der internationalen Zuständigkeit, deren Beantwortung in der Regel eine nicht allzu komplizierte Beweisaufnahme erfordern dürfte. Und selbst wenn es dem designierten Gericht nicht gelingen sollte, innerhalb dieser Höchstfrist über den Fälschungseinwand zu entscheiden, ist es sachgerecht, dass die Langsamkeit des Gerichts zum Nachteil des dortigen Klägers geht. Schließlich war er es, der das Verfahren vor diesem Gericht initiiert hat. Für den Vorschlag 4.7 spricht ferner, dass er sowohl die Torpedogefahr in ihrer klassischen als auch in ihrer umgekehrten Form minimiert: Die Handlungsanreize zur missbräuchlichen Klage im derogierten Forum werden dadurch reduziert, dass dem dortigen Beklagten gestattet wird, vor das designierte Gericht zu ziehen, mit der Folge einer automatischen Aussetzung des Erstverfahrens. Damit der im Erstforum Verklagte nicht seinerseits zum Missbrauch verleitet wird und den Vorwand einer anderweitigen Gerichtsstandsvereinbarung zur Verfahrensverzögerung ausnutzt, ist es dem Kläger möglich, durch Erhebung des Fälschungseinwands eine schnelle Entscheidung hierüber vor dem designierten Gericht zu erzwingen. 242
Radicati di Brozolo, IPRax 2010, S. 121 (123).
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Schließlich spricht für diesen Lösungsansatz auch die optimierte Nutzung der Rechtsprechungsressourcen. Da das designierte Gericht in aller Regel tatsächlich zuständig sein wird, ist die Gefahr minimiert, dass ein Verfahren vor einem letztlich falschen Forum sinnlos geführt wird, bis sich dieses letztlich für unzuständig erklärt. Zu guter Letzt gewährleistet diese Lösung am ehesten, dass Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht beurteilt werden, das die Parteien bei deren Abschluss im Blick hatten. Dies stärkt nicht nur insgesamt die Zuständigkeitsabrede, sondern erhöht auch die Rechts- und Planungssicherheit, was Risiken berechenbarer machen und Transaktionskosten reduzieren kann. 5. Zwischenergebnis Aus den zuvor aufgezeigten Gründen wird hier zur Verbesserung des direkten Schutzes von Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO die Zulassung von Parallelverfahren entsprechend dem Vorschlag 4.7 favorisiert. Eine Ausnahme von der hier befürworteten Erstentscheidungskompetenz des designierten Gerichts muss lediglich in Fällen gelten, in denen die Zuständigkeitsabrede eine Streitigkeit betrifft, die in den Anwendungsbereich von Abschnitt 3, 4 oder 5 des Kapitels II der EuGVVO fällt. In den dort geregelten Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträgen sind Gerichtsstandsvereinbarungen zum Schutz der strukturell schwächeren Seite grundsätzlich unwirksam. Dieser Schutz darf nicht dadurch ausgehebelt werden, dass die Parteien gehalten sind, zunächst vor dem designierten Gericht zu prozessieren, obwohl die Zuständigkeitsabrede in diesen besonderen Materien nur in den seltensten Fällen wirksam sein kann.
§ 8 Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht Ein weiteres Mittel aus der Palette an Schutzmechanismen gegen die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung bietet die an die abredewidrig klagende Partei gerichtete gerichtliche Untersagung der Fortführung des Verfahrens im nicht vereinbarten Forum. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Erlass eines Prozessführungsverbots im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht (A.) sowie im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ (B.) verfügbar ist, soll im Folgenden erläutert werden. Anschließend ist nach der ökonomischen Effizienz der unterschiedlichen Lösungsmodelle zu fragen und zu untersuchen, ob Prozessführungsverbote geeignete Instrumente zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO darstellen (C.).
A. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht in autonomen Rechten Im autonomen englischen (I.) und US-amerikanischen Recht (II.) gehören Prozessführungsverbote, sog. anti-suit injunctions, zu den üblichen Maßnahmen zum Schutz von in einem abredewidrigen Forum verklagten Parteien, auch wenn die Voraussetzungen dieser Rechtsfigur im Einzelnen umstritten sind. Die Haltung des deutschen Rechts gegenüber gerichtlichen Anordnungen auf Unterlassung des Weiterbetreibens eines Verfahrens im Ausland ist dagegen weniger eindeutig (III.).
I. Die anti-suit injunction im englischen Recht Nach einer Darstellung der geschichtlichen Wurzeln und der gesetzlichen Grundlage der anti-suit injunction (1.) werden die materiellrechtlichen Voraussetzungen (2.) und prozessualen Besonderheiten (3.) im Zusammenhang mit dem Erlass eines Prozessführungsverbots zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung erläutert. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob englische Gerichte nach autonomem Recht eine ausländische anti-suit injunction anerkennen und durchsetzen werden (4.).
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1. Grundlagen der anti-suit injunction Die geschichtlichen Wurzeln der anti-suit injunction lassen sich bis in das 15. Jahrhundert zurückverfolgen, in dem das englische Recht durch ein Nebeneinander von common law- und equity-Gerichtsbarkeit geprägt war.1 Letztere entstand aus einer zum Ausgleich der unbilligen Ergebnisse des formalen common law geschaffenen Petitionsmöglichkeit an den König, der die Entscheidungsgewalt über die Petitionen bald auf seinen Kanzler, den Lord Chancellor, übertrug.2 Der daraus entstandene Court of Chancery entwickelte eine eigenständige Billigkeitsrechtsprechung, das sog. law of equity. 3 In diesem hat die anti-suit injunction ihren Ursprung: Um seine Vormacht zu stärken, begann nämlich der Lord Chancellor Parteien mittels sog. common injunctions die Einleitung oder Fortführung eines Verfahrens vor den common law-Gerichten zu untersagen.4 Voraussetzung dafür war, dass das Vorgehen des Klägers vor den common law courts treuwidrig (against good conscience) war. 5 Common law injunctions wurden u.a. erlassen, wenn Klage vor dem falschen Gericht erhoben worden war, eine doppelte Inanspruchnahme der Gerichte in derselben Angelegenheit drohte oder die Vollstreckung aus einem auf missbräuchliche Weise erlangten Urteils zu befürchten war.6 Leistete der Betroffene der common injunction nicht Folge, wurde er wegen contempt of court in Haft genommen. Die common law-Gerichte, welche durch die common injunction ihre Vorherrschaft gefährdet sahen, nahmen es sich regelmäßig heraus, nach den sog. habeas corpus-Vorschriften die von common injunctions Betroffenen wieder freizulassen. Dies begründeten sie damit, allein sie seien ermächtigt, darüber zu urteilen, ob einem Untertan des Königs die Freiheit entzogen werden darf.7 Die daraus entstandene Rivalität zwischen common law- und equity-Gerichtsbarkeit erreichte ihren Höhepunkt im 17. Jahrhundert, als sich ein common law-Gericht an König James I. mit der Frage wandte, ob es dem Lordkanzler zustehe, nach Erlass eines Urteils durch die common law-Gerichte Rechtsschutz gegen die Vollstreckung des Urteils zu gewähren. Die von dem König beauftragte Kommission entschied den Streit zugunsten des 1 Hartley, Am. J. Comp. L. 35 (1987), S. 487 (489); Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 9; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 191. 2 Blechschmidt, ZfRV 28 (1987), S. 3 (6). 3 Blechschmidt, ZfRV 28 (1987), S. 3 (7). 4 House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238 (247); Hartley, Am. J. Comp. L. 35 (1987), S. 487 (489). 5 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 2.02; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 191 f. 6 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 12.07 m.w.N. 7 Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 14; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 192.
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Court of Chancery: Da equity in seiner ursprünglichen Form direkt vom König gekommen war, habe es als primäres Recht zu gelten, so dass den Entscheidungen des Court of Chancery stets Vorrang vor denen der common law-Gerichte zukomme.8 Unter den Judicature Act von 1873 und 1875 wurden die common lawund die equity-Gerichtsbarkeit zusammengeführt.9 Die Befugnis des Court of Chancery zum Erlass von Prozessführungsverboten ging dadurch auf den durch die Verschmelzung der beiden Gerichtszweige entstandenen High Court über. 10 Sec. 24 (5) Judicature Act 1873 verwehrt es allen Abteilungen des High Court allerdings Anordnungen zu erlassen, mit denen das Prozessieren in einer anderen Abteilung untersagt wird. Die Möglichkeit zum Erlass von Prozessführungsverboten in Bezug auf Verfahren vor anderen englischen Gerichten bleibt dadurch an sich unberührt. Sie spielt jedoch praktisch keine Rolle, da der High Court als Zentralgericht für ganz England und Wales zuständig ist11, so dass es zu parallelen Streitigkeiten vor unterschiedlichen englischen Gerichten gar nicht kommen kann. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die ursprünglich im innerenglischen Verkehr entstandene anti-suit injunction12 auch zum Verbot der Einleitung bzw. Fortführung von Verfahren vor irischen, schottischen sowie in den Kolonien und im sonstigen Ausland belegenen Gerichten eingesetzt.13 Die allgemeine Befugnis des High Court zum Erlass von Prozessführungsverboten findet sich in sec. 37 (1) Supreme Court Act 1981. 14 Dieser Norm zufolge ist eine injunction anzuordnen, wenn dem Gericht
8 King James I, 1615 – Earl of Oxford’s Case, [1615] 1 Chan. Rep. 1; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 12.08; Blechschmidt, ZfRV 28 (1987), S. 3 (8); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 192. 9 Blechschmidt, ZfRV 28 (1987), S. 3 (10). 10 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 2.05; Dutta/Heinze, ZEuP 2005, S. 428 (433); Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 14. Zu den Spuren der ursprünglichen Aufteilung zwischen dem Court of Chancery und den common law-Gerichten in dem heutigen Rechtssystem England Blechschmidt, ZfRV 28 (1987), S. 3 (10 f.). 11 Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 18 f. 12 Zu dem Ursprung des Begriffs anti-suit injunction s. sogleich. 13 House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238 (247); Hartley, Am. J. Comp. L. 35 (1987), S. 487 (490) m.w.N.; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 12.10–12.14; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 2.02; Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 14–17. 14 Die County Courts sind ebenfalls zum Erlass von anti-suit injunctions ermächtigt, vgl. sec. 38 (1) County Courts Act 1984. Diese Befugnis ist in der Praxis jedoch nur von untergeordneter Bedeutung, da sich die meisten Anträge auf Anordnung eines Prozessführungsverbots an den High Court richten, Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 3.03 (Fn. 7).
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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dies im Einzelfall gerecht und angemessen erscheint.15 Unter den injunction-Begriff i.S.v. sec. 37 (1) Supreme Court Act 1981 fallen – neben der anti-suit injunction16 – unterschiedliche Formen gerichtlicher Handlungsund Unterlassungsanordnungen an eine Person, welche der vorläufigen oder endgültigen Regelung eines Sachverhalts dienen. 17 Gegenüber sec. 37 (1) Supreme Court Act 1981 vorrangige Spezialermächtigungen zum Erlass von anti-suit injunctions enthalten sec. 126 (1) Insolvency Act 1986 zum Schutz von englischen winding up-Verfahren und sec. 44 (2) (e) Supreme Court Act 1981 zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen. 18 Zum Erlass von Prozessführungsverboten ist bei einem Rechtsmittel gegen Entscheidungen des High Court auch der Court of Appeal befugt gem. sec. 15 (1) Supreme Court Act 1981. Der UK Supreme Court, früher House of Lords, ist ebenfalls zur Anordnung von anti-suit injunctions ermächtigt, auch wenn es an einer entsprechenden ausdrücklichen Kompetenzgrundlage fehlt.19 Ein Prozessführungsverbot kann nach sec. 37 (1) Supreme Court Act 1981 als vorläufige Rechtsschutzmaßnahme (interim bzw. interlocutory anti-suit injunction) oder als Entscheidung in der Hauptsache (final antisuit injunction) erlassen werden. In der Praxis ist die Anordnung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes der Regelfall.20 Der Begriff anti-suit injunction stammt aus der US-amerikanischen Terminologie. 21 Er hat sich in England anstelle des älteren Terminus injunction restraining foreign proceedings etabliert, obwohl er von Stimmen in Rechtsprechung und Literatur kritisch gesehen wird, da er den Eindruck erwecken könne, dass das Prozessführungsverbot unmittelbar an das ausländische Gericht adressiert ist und eine Einmischung in dessen Ange15
Sec. 37 (1) Supreme Court Act 1981: „The High Court may by order (whether interlocutory or final) grant an injunction […] in all cases in which it appears to the court to be just and convenient to do so.“ 16 Die Anwendbarkeit von sec. 37 (1) Supreme Court Act 1981 auf anti-suit injunctions ist unumstritten: Joseph, Agreements, 2005, Rn. 12.17; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 3.05. Beispiele aus der Rechtsprechung: House of Lords, 29.07.1986 – South Carolina Insurance Co. v. Assurantie Maatchappij De Zeven Provincien N.V., [1987] 1 A.C. 24; House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an EuGH) (123). 17 Vgl. die Definition von injunction in dem CPR Glossary . Ausführlich zu dem injunction-Begriff Gee, Commercial Injunctions, 5. Aufl. 2004, Rn. 1.001–1.006. 18 Vgl. zu diesen Sondernormen Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 13.08–13.10, 13.14. 19 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 3.03. 20 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 13.01. 21 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.067.
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legenheiten bezwecke.22 Eine anti-suit injunction richtet sich jedoch ausschließlich gegen den Kläger im auswärtigen Forum.23 Eine Anordnung an das ausländische Gericht, die dort erhobene Klage auszusetzen oder abzuweisen, wäre mit dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatensouveränität und dem daraus abgeleiteten Interventionsverbot nicht zu vereinbaren.24 2. Materiellrechtliche Voraussetzungen für den Erlass einer anti-suit injunction Wie bei der common injunction kommt es für die anti-suit injunction in erster Linie darauf an, ob ihr Erlass im Interesse der Gerechtigkeit geboten ist, um ein treuwidriges Verhalten des Antragsgegners (unconscionable bzw. vexatious or oppressive conduct) zu unterbinden.25 Voraussetzung dafür, die Einleitung eines auswärtigen Verfahrens als ein solch vorwerfbares Verhalten einzuordnen, ist nach der englischen Rechtsprechung, dass der Antragsteller und im Ausland Beklagte ein right not to be sued abroad vorweisen kann.26 Ein derartiges Recht besteht, wenn das auswärtige Prozessieren wegen Verstoßes gegen eine vertragliche Verpflichtung oder aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls als unzulässiges forum shopping anzusehen ist.27 Im ersteren Fall werden anti-suit injunctions als contractual, im zweiteren dagegen als non-contractual bezeichnet.28 22 House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an EuGH), 117 (Lord Lobhouse); Joseph, Agreements, 2005, Rn. 12.03. 23 Court of Chancery, 1818 – Kennedy v. Cassilis, 36 E.R. 635, 638; Court of Appeal, 22.04.1980 – Castanho v. Brown & Root (UK) Ltd., [1980] Lloyd’s Rep. 423, 444 f.; Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871, 892; House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an EuGH), 117; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 19; High Court, 14.07.2004 – GE Francona Reinsurance Ltd. v. CMM Trust, [2004] EWHC 2003 (Comm), para. 26. 24 Schlosser, RIW 2006, S. 486 (490 f.); Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 272. 25 House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238, 247; House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an EuGH), 117; Court of Appeal, 18.04.2002 – Glencore International AG v. Metro Trading Internationl Inc. No. 3, [2002] C.L.C. 1090, 1097; High Court, 05.08.2005 – Trafigura Beheer BV v. Kookmin Bank Co., 2005 WL 3157676. Zu der uneinheitlichen Bezeichnung der Grundvoraussetzung für den Erlass einer anti-suit injunction: Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 457, 459; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 4.15, der insoweit von einem „confused blend of different tests“ spricht. 26 House of Lords, 19.07.1984 – British Airways Board v. Laker Airways Ltd., [1985] A.C. 58, 81. 27 House of Lords, 29.07.1986 – South Carolina Insurance Co. v. Assurantie Maatchappij De Zeven Provincien N.V., [1987] 1 A.C. 24, 40; House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238; High Court, 21.11.2003 – Royal Bank of Canada v. Cooperatieve Centrale Raiffeisen-Boerenleenbank BA, 2003
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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Begründet eine ausschließliche Zuständigkeitsvereinbarung die Pflicht des Antragsgegners, in keinem anderen als dem gewählten Forum zu klagen, kommt zur Durchsetzung der Prorogation eine contractual anti-suit injunction in Betracht (a.). Kann der Gerichtsstandsabrede eine dahingehende Verpflichtung nicht entnommen werden, sind dagegen die strengeren Voraussetzungen für den Erlass einer non-contractual anti-suit injunction zu berücksichtigen (b.). a) Contractual anti-suit injunctions Zentrale Voraussetzung für den Erlass einer contractual anti-suit injunction ist, dass die Gerichtsstandsvereinbarung einen Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung der ausländischen Klage begründet (aa.). Ist dieses Erfordernis erfüllt, werden englische Gerichte ein Prozessführungsverbot erlassen, es sei denn, gewichtige Gründe stehen einer anti-suit injunction ausnahmsweise entgegen (bb.). aa) Grundvoraussetzung für den Erlass einer contractual anti-suit injunction: Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung der ausländischen Klage Eine contractual anti-suit injunction ist nur dann möglich, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam, ausschließlich sowie für beide Parteien bindend ist, die in Frage stehende Streitigkeit erfasst und eine Verpflichtung des Antragsgegners begründet, in keinem anderen als dem gewählten Forum zu prozessieren. Die Grundsätze, welche englische Gerichte zur Überprüfung der ersten vier Voraussetzungen zugrunde legen, sind im Kapitel 2 bereits untersucht worden.29 Fraglich ist jedoch, nach welchem WL 23145290; Court of Appeal, 06.06.2008 – Masri v. Consolidated Contractors International Co. SAL, [2008] 2 Lloyd’s Rep. 301, 310 f.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.070 f.; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.39–5.41; Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 458; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 280 f.; Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 18–32 unter Hinweis auf andere in Literatur und Rechtsprechung vorgenommene Kategorisierung der Fallgruppen, in denen anti-suit injunctions erlassen werden können. Die Kategorisierung ist nicht abschließend. Dies wäre mit dem Ziel von equity-Rechtsbehelfen, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, nicht vereinbar, vgl. Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 458 f. 28 Vgl. Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 1.24, 2.09, 5.01. Ähnlich Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 32, 44, die zwischen auf Vertrag und nicht auf Vertrag beruhende anti-suit injunctions differenziert, sowie Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 280 f., der obligation-based und non-obligation based anti-suit injunctions unterscheidet. 29 S. oben § 3 A. I. 2., § 4 A. I. 2., § 4 A. I. 3., § 4 A. II., § 5 A. II. 1. a), § 5 A. II. 2., § 5 A. III.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Recht zu beurteilen ist, ob aus der Zuständigkeitsabrede eine Pflicht des Antragsgegners abgeleitet werden kann, die ausländische Klage zu unterlassen. Im Kapitel 2 der Arbeit wurde erläutert, das die Annahme einer Streitigkeit bei einer Prorogation zugunsten Englands sowie die Ablehnung der Zuständigkeitsausübung bei einer auf nichtenglische Gerichte lautenden Vereinbarung im Ermessen der englischen Richter steht und dass die Gerichte der Abrede in der Regel Folge leisten werden, um die Parteien an ihrer Verpflichtung festzuhalten, in keinem anderen als dem gewählten Forum zu klagen.30 Aus dieser generellen Aussage könnte man folgern, dass die verpflichtende Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung stets der lex fori unterliegt. Im Schrifttum wird jedoch überwiegend davon ausgegangen, dass die Frage, welche Pflichten sich aus einer Prorogation ergeben, nach dem materiellen Statut der Abrede zu beantworten ist.31 Zur Begründung dieser Auffassung lässt sich anführen, dass das Vorliegen einer verpflichtenden Wirkung der Gerichtsstandsabrede eine Frage der Auslegung des Parteiwillens darstellt, welche aus englischer Sicht der lex causae unterliegt.32 Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung den Anspruch begründet, in keinem anderen als dem gewählten Forum verklagt zu werden, ist somit unter Rückgriff auf das materielle Statut der Abrede zu beurteilen. Ist dieses englisches Recht, folgt aus der Zuständigkeitsabrede stets eine Verpflichtung, vor keinem anderen als dem vereinbarten Gericht zu prozessieren, die im Wege einer contractual anti-suit injunction durchgesetzt werden kann.33 Ist ein ausländisches Recht anwendbar, welches Gerichtsstandsvereinbarungen keinen verpflichtenden Inhalt zuspricht, ist ein Prozessführungsverbot dagegen nur unter den strengen Voraussetzungen einer noncontractual anti-suit injunction möglich. Unklar ist, ob ein Prozessführungsverbot erlassen werden kann, wenn das ausländische Recht zwar eine verpflichtende Wirkung von Zuständigkeitsabreden anerkennt, jedoch keinen der anti-suit injunction ähnlichen Rechtsbehelf bereit hält. Im englischen Schrifttum wird die Anordnung eines Prozessführungsverbots in solchen Fällen zwar erwogen mit der Begründung, dass nach den Kollisionsregeln des common law der Erlass einer injunction zur Durchsetzung einer bestehenden vertraglichen Verpflich30
S. oben § 3 A. I. 2. b). Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 7.07; Briggs, Agreements, 2008, Rn. 6.29; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 293–295. 32 Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 294. 33 Ob die Unterlassungspflicht – wie in den meisten Fällen – beide Parteien trifft oder – wie bei assymmetrischen Gerichtsstandsklauseln – lediglich eine Seite der Prorogation bindet, ist unter Auslegung der konkreten Abrede zu bestimmen. 31
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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tung eine prozessuale und daher nach der lex fori zu beurteilende Frage darstellt.34 Die Möglichkeit einer contractual anti-suit injunction wird i.E. jedoch verneint: Die Anwendung der lex fori hätte zur Folge, dass englische Gerichte die Natur der aus der Gerichtsstandsvereinbarung abgeleiteten Pflicht auf unzulässige Weise verändern würden.35 Diese Problematik ist – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gewesen. bb) Keine dem Erlass einer anti-suit injunction entgegenstehenden Umstände Steht dem Antragsteller aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung ein Anspruch auf Unterlassung des im Ausland eingeleiteten Verfahrens zu, werden englische Gerichte diesen mittels anti-suit injunction durchsetzen, es sei denn, der Antragsgegner kann darlegen, dass dem Erlass eines Prozessführungsverbots ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen. 36 Ob solche Gründe im Einzelfall vorliegen, haben englische Gerichte unter Berücksichtigung zahlreicher Kriterien zu überprüfen: Dazu gehören die im Rahmen des sog. El Amria-Tests maßgeblichen Gesichtspunkte (1), ferner die aus der equity-Natur der anti-suit injunction folgenden Besonderheiten (2) sowie comity-Erwägungen (3).
34
Erwogen von Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 7.07 (Fn. 8) unter Hinweis auf House of Lords, 1837 – Don v. Lippmann, 7 E.R. 303, 308 (Lord Brougham): „whatever relates to the remedy to be enforced, must be determined by the lex fori…“; High Court, 08.11.1899 – Baschet v. London Illustrated Standard Co., [1900] 1 Ch. 73, 78; House of Lords, 25.06.1969 – Boys v. Chaplin, [1971] A.C. 356, 379. 35 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 7.07 (Fn. 9) unter Hinweis auf High Court, 04.03.1960 – Phrantzes v. Argenti, [1960] 2 Q.B. 19, 35 f. (Lord Parker C.J.): „It is true, of course, that a plaintiff seeking to enforce a foreign right here can demand only those remedies recognised by English law […] But the remedies available must harmonise with the right according to its nature and extent as fixed by the foreign law…“. 36 High Court, 31.07.1997 – Akai Pty Ltd. v. People’s Insurance Co. Ltd., [1998] 1 Lloyd’s Rep. 90, 104; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 24 (Lord Bingham of Cornhill), para. 45 (Lord Hobhouse); House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an EuGH), 119; High Court, 03.11.2004 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., [2005] 1 Lloyd’s Rep. 252, 257; High Court, 06.03.2006 – Horn Linie GmbH & Co. v. Panamericana Formas e Impresos SA (The Hornbay), [2006] 2 Lloyd’s Rep. 44, 49; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 7.09; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.140; Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 471.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
(1) Gesichtspunkte des El Amria-Tests Aus Sicht der englischen Rechtsprechung gelten für die Aussetzung einer abredewidrigen Klage im Inland und die Untersagung eines abredewidrigen Prozessierens im Ausland grundsätzlich die gleichen Kriterien. Die für erstere maßgeblichen, im Kapitel 2 erläuterten El Amria-Prinzipien 37 sind daher in die Ermessensausübung für den Erlass einer contractual antisuit injunction einzubeziehen.38 Das um die Anordnung eines Prozessführungsverbots ersuchte englische Gericht hat folglich zu prüfen, ob gewichtige Gründe es im Einzelfall rechtfertigen, die Parteien nicht an ihrer Prorogationsabrede festzuhalten. Dabei gilt es etwa zu berücksichtigen, welche Verbindungen die Parteien einerseits zum prorogierten und andererseits zum abredewidrigen ausländischen Forum haben, wie weit das Verfahren vor dem auswärtigen Gericht bereits fortgeschritten ist, welches Recht in der Sache Anwendung findet und in welchem Land die relevanten Beweismittel verfügbar sind.39 Bedeutung kann außerdem der Frage zukommen, ob der Erlass der antisuit injunction zur Folge hätte, dass miteinander verknüpfte Streitigkeiten vor den Gerichten unterschiedlicher Staaten zu entscheiden wären und somit widersprüchliche Urteile zu befürchten sind.40 Die unterschiedliche Handhabung dieser Grundsätze bei ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten englischer und ausländischer Gerichte dürfte sich im Rahmen der Anordnung eines Prozessführungsverbots fortsetzen mit der Folge, dass die im El Amria-Test aufgelisteten Kriterien nur selten eine Nichtdurchsetzung von Prorogationen zugunsten englischer Gerichte rechtfertigen werden.41
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S. dazu oben § 3 A. I. 2. b). High Court, 02.02.1996 – Ultisol Transport Contractors Ltd. v. Bouygues Offshore S.A., [1996] 2 Lloyd’s Rep. 140, 149; High Court, 31.07.1997 – Akai Pty Ltd. v. People’s Insurance Co. Ltd., [1998] 1 Lloyd’s Rep. 90, 104; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 24; High Court, 10.11.2004 – Beazley v. Horizon Offshore Contractors Inc., [2005] I.L.Pr. 11, 129; High Court, 06.03.2006 – Horn Linie GmbH & Co. v. Panamericana Formas e Impresos SA (The Hornbay), [2006] 2 Lloyd’s Rep. 44, 49; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 471. 39 High Court, 02.02.1996 – Ultisol Transport Contractors Ltd. v. Bouygues Offshore S.A., [1996] 2 Lloyd’s Rep. 140, 149–152. 40 Vgl. etwa High Court, 02.02.1996 – Ultisol Transport Contractors Ltd. v. Bouygues Offshore S.A., [1996] 2 Lloyd’s Rep. 140, 149 f.; Court of Appeal, 24.07.1998 – Bouygues Offshore S.A. v. Caspian Shipping Co., [1998] 2 Lloyd’s Rep. 461; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425. 41 Zu der strengeren Handhabung des El Amria-Tests bei ausschließlichen Prorogationen zugunsten englischer Gerichte s. oben § 3 A. I. 2. b) aa). 38
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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(2) Besonderheiten aus der equity-Natur der anti-suit injunction Aus dem equity-Ursprung der anti-suit injunction können sich in zweierlei Hinsicht Beschränkungen für die Ausübung des richterlichen Ermessens ergeben. Zum einen ist die equity-Maxime zu berücksichtigen: „who comes to equity must come with clean hands.“42 Die Anordnung eines Prozessführungsverbots kann folglich versagt werden, wenn im in- oder ausländischen Prozess ein Fehlverhalten des Antragstellers vorliegt. 43 Von Bedeutung kann in diesem Zusammenhang die Frage sein, wie zügig englische Gerichte um den Erlass einer anti-suit injunction ersucht wurden.44 Begehrt der Antragsteller Rechtsschutz erst, wenn das ausländische Verfahren weit fortgeschritten ist, ist die Anordnung eines Prozessführungsverbots unwahrscheinlicher. 45 Erhebliche Verzögerungen bei dem Ersuchen um eine anti-suit injunction kann der Antragsteller jedoch häufig durch die Abgabe eines undertaking kompensieren, in dem er sich verpflichtet, die der Gegenseite durch den verspäteten Gang vor englische Gerichte entstandenen Kosten zu übernehmen.46 Wegen des clean hands-Grundsatzes kann der Erlass einer anti-suit injunction zudem verweigert werden, wenn sich der Antragsteller auf das
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Zu dieser und den übrigen Maximen des law of equity vgl. Watt, Trusts and Equity, 3. Aufl. 2008, S. 535–545. 43 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 8.10. 44 Court of Appeal, 17.05.1994 – Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87, 96; High Court, 02.02.1996 – Ultisol Transport Contractors Ltd. v. Bouygues Offshore S.A., [1996] 2 Lloyd’s Rep. 140, 147; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 24; High Court, 21.11.2003 – Royal Bank of Canada v. Cooperatieve Centrale Raiffeisen-Boerenleenbank BA, 2003 WL 23145290; High Court, 06.03.2006 – Horn Linie GmbH & Co. v. Panamericana Formas e Impresos SA (The Hornbay), [2006] 2 Lloyd’s Rep. 44, 49; Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 138–143; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 8.11; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 472. 45 High Court, 17.01.1996 – Alfred C Toepfer International GmbH v. Molino Boschi Srl., [1996] 1 Lloyd’s Rep. 510, 515 f.: Die Anordnung einer anti-suit injunction wurde u.a. deswegen verweigert, weil zwischen dem Beginn des ausländischen Verfahrens und der Anrufung englischer Gerichte mehr als sechs Jahre lagen. Das Ersuchen englischer Gerichte viereinhalb Monate nach Beginn des ausländischen Verfahrens wurde dagegen nicht als verspätet angesehen, vgl. High Court, 16.06.2005 – Advent Capital Plc. v. GN Ellinas Imports-Exports Ltd., [2005] 2 Lloyd’s Rep. 607. 46 High Court, 10.05.1996 – Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH (The Jay Bola), [1997] 1 Lloyd’s Rep. 179, 189; High Court, 31.07.1997 – Akai Pty Ltd. v. People’s Insurance Co. Ltd., [1998] 1 Lloyd’s Rep. 90, 107 f. Im ersteren Fall lagen zwischen Verfahrensbeginn im Ausland und dem Ersuchen englischer Gerichte um Erlass einer anti-suit injunction eineinhalb, im zweiteren dagegen mehr als drei Jahre.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
ausländische Verfahren rügelos eingelassen hat.47 Ob letzteres der Fall ist, wird ausschließlich aus Sicht des englischen Rechts beurteilt.48 Von einer rügelosen Einlassung kann danach insbesondere in Fällen auszugehen sein, in denen der Antragsteller nach erfolglosem Bestreiten der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts im dortigen Prozess Ausführungen zur Hauptsache gemacht hat.49 Aufgrund des equity-Charakters der anti-suit injunction gilt es zum anderen, die Subsidiarität des Prozessführungsverbots gegenüber dem Schadensersatz zu beachten. Diese hat ihre Wurzeln in dem ehemaligen Erfordernis für die Rechtsschutzgewähr durch den König bzw. seinen Lordkanzler, dass Rechtsbehelfe des common law – für den Fall einer Vertragsverletzung sieht dieses lediglich Schadensersatzansprüche vor – keinen ausreichenden Rechtsschutz bieten.50 In der Praxis stellt der Grundsatz der Subsidiarität bisher jedoch keine hohe Hürde für den Erlass von anti-suit injunctions dar. 51 Die Gerichte beschränken sich meist auf den nicht näher ausgeführten Hinweis, dass Schadensersatzansprüche eine „ineffective remedy“ darstellen52 oder begründen deren Inadäquatheit mit
47 Court of Appeal, 19.12.1991 – Marc Rich & Co. AG v. Societa Italiana Impianti pA (The Atlantic Emperor) No. 2, [1992] 1 Lloyd’s Rep. 624, 629; High Court, 10.05.1996 – Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH (The Jay Bola), [1997] 1 Lloyd’s Rep. 179, 188 f.; Court of Appeal, 16.04.1997 – A/S D/S Svendborg v. Wansa, [1997] 2 Lloyd’s Rep. 183, 188; High Court, 31.07.1997 – Akai Pty Ltd. v. People’s Insurance Co. Ltd., [1998] 1 Lloyd’s Rep. 90, 105; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 8.12; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.39; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 472. 48 High Court, 10.05.1996 – Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH (The Jay Bola), [1997] 1 Lloyd’s Rep. 179, 188 f.; High Court, 16.06.2005 – Advent Capital Plc. v. GN Ellinas Imports-Exports Ltd., [2005] 2 Lloyd’s Rep. 607, para. 78; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 8.12. 49 Vgl. etwa Court of Appeal, 16.04.1997 – A/S D/S Svendborg v. Wansa, [1997] 2 Lloyd’s Rep. 183, 189 f., wo jedoch i.E. entschieden wurde, dass aufgrund der Besonderheiten des Falls die rügelose Einlassung dem Erlass einer anti-suit injunction nicht entgegensteht. 50 Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 27-005, die zugleich darauf hinweisen, dass in Entscheidungen aus der neueren Zeit die strenge Subsidiarität von equity- gegenüber common law-Rechtsbehelfen aufgelockert wird; Gee, Commercial Injunctions, 5. Aufl. 2004, Rn. 2.031 f. 51 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.140; Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (70). 52 Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588, 598 (Steyn LJ). So auch Court of Appeal, 17.05.1994 – Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87, 96.
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dem Argument, die dem Antragsteller durch die abredewidrige Klage entstandenen Schäden könnten nur sehr schwierig beziffert werden53. (3) Erwägungen der international comity Aus englischer Sicht bestehen an der völkerrechtlichen Vereinbarkeit von anti-suit injunctions keine Zweifel, da sie ausschließlich an den Kläger im ausländischen Verfahren und nicht an das auswärtige Gericht adressiert sind und somit kein völkerrechtliches Subjekt berühren.54 Eine Begrenzung der Befugnis zur Anordnung von grenzüberschreitenden Prozessführungsverboten zur Durchsetzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ergibt sich nach der englischen Rechtsprechung und Literatur auch nicht aus Art. 6 I EMRK. 55 Diese Norm sichert nach überwiegender Auffassung das Recht auf Zugang zu Gericht als konstitutiver Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren.56 Zur Begründung seiner Auffassung, dass der Erlass einer contractual anti-suit injunction das Recht des Adressaten aus Art. 6 I EMRK nicht verletzt, beruft sich Raphael auf die Rechtsprechung des EGMR, wonach Parteien durch den Abschluss einer Schiedsvereinbarung auf ihr Recht auf Zugang zu Gericht verzichten können57: Ist ein Verzicht auf Zugang zu sämtlichen staatlichen Gerichten in Form einer privaten Abrede denkbar, erscheine es konsequent und angemessen, auch die Möglichkeit eines Verzichts auf Zugang zu bestimmten staatlichen Gerichten durch den Abschluss einer ausschließlichen Prorogation zuzulassen. Liege ein derartiger (teilweiser) Verzicht auf Art. 6 I EMRK im Einzelfall vor, scheide die Verletzung des Rechts auf Zugang zu Gericht durch den Erlass einer contractual anti-suit injunction aus. 58 Einen anderen Argumentationsweg geht Aikens J in der Entscheidung OT Africa Line Ltd. v. Hijazy: Das Recht auf Zugang zu Gericht gewährleiste nicht eine unbegrenzte Freiheit bei der Wahl des Forums für die Austragung einer Streitigkeit. Die mit dem Erlass eines Prozessfüh-
53 Court of Appeal, 13.06.2005 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., [2005] EWCA Civ 710, para. 32. 54 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 1.16–1.26; Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 251; Schlosser, RIW 2006, S. 486 (490 f.). 55 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 1.41; High Court, 27.10.2000 – OT Africa Line Ltd. v. Hijazy, [2001] 1 Lloyd’s Rep. 76, paras. 41–44. 56 EGMR, 21.02.1975 – 4451/70, Golder ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1975, S. 91, Rn. 33–36; EGMR, 09.10.1979 – 6289/73, Airey ./. Irland, EuGRZ 1979, S. 623, Rn. 24, 28; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 1.36. 57 Vgl. etwa EGMR, 27.02.1980 – Deweer ./. Belgien, EuGRZ 1980, S. 667, Rn. 49 m.w.N. 58 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 1.41.
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rungsverbots einhergehende Beschränkung des Zugangs zum ausgesuchten Gericht könne daher keinen Verstoß gegen Art. 6 I EMRK begründen.59 Auch wenn aus englischer Sicht an der Vereinbarkeit einer anti-suit injunction mit Völkerrecht und Art. 6 I EMRK keine Zweifel bestehen, herrscht Einigkeit darüber, dass ein grenzüberschreitendes Prozessführungsverbot mittelbar die fremde Justizhoheit beeinträchtigt, da das ausländische Verfahren nicht fortgeführt werden kann, wenn eine der Parteien an der Vornahme der erforderlichen prozessualen Schritte gehindert ist. Unter Berufung auf den Grundsatz der international comity und das daraus folgende Gebot zur Rücksichtnahme auf die Integrität ausländischer Verfahren wird daher stets betont, dass die Zuständigkeit für den Erlass von antisuit injunctions grundsätzlich mit Bedacht ausgeübt werden sollte.60 Unklar ist die Rolle des comity-Gedankens für die Anordnung von Prozessführungsverboten zum Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen, die das Recht des Antragstellers begründen, nicht im ausländischen Forum verklagt zu werden. Bedeutung hat diese Problematik insbesondere für zwei Fragen: Sollte vor Erlass einer contractual anti-suit injunction grundsätzlich die Entscheidung des ausländischen Gerichts über seine internationale Zuständigkeit abgewartet und diesem dadurch die Möglichkeit gewährt werden, der entgegenstehenden Gerichtsstandsabrede selbst durch Unzuständigkeitserklärung zur Wirkung zu verhelfen? Und können englische Gerichte mittels anti-suit injunction auch eine auf einen Drittstaat lautende Prorogation durchsetzen oder steht diese Befugnis ausschließlich dem vereinbarten Gericht zu? Nach der bisherigen englischen Rechtsprechung kommt dem comityGrundsatz im Rahmen der Entscheidung über den Erlass einer contractual anti-suit injunction keine Relevanz zu. 61 Es könne kaum angenommen 59 High Court, 27.10.2000 – OT Africa Line Ltd. v. Hijazy, [2001] 1 Lloyd’s Rep. 76, para. 42: „Art. 6 ECHR does not provide that a person is to have an unfettered choice of tribunal in which to pursue or defend his civil rights.“ 60 Court of Appeal, 22.04.1980 – Castanho v. Brown & Root (UK) Ltd., [1980] Lloyd’s Rep. 423, 446 f.; House of Lords, 29.07.1986 – South Carolina Insurance Co. v. Assurantie Maatchappij De Zeven Provincien N.V., [1987] 1 A.C. 24, 40; Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871, 892; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 24; High Court, 10.11.2004 – Beazley v. Horizon Offshore Contractors Inc., [2005] I.L.Pr. 11, 132; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.067; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 456 f.; Males, LMCLQ 1998, S. 543. 61 Court of Appeal, 17.05.1994 – Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87, 96; High Court, 02.02.1996 – Ultisol Transport Contractors Ltd. v. Bouygues Offshore S.A., [1996] 2 Lloyd’s Rep. 140, 148; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 24; Court of Appeal, 13.06.2005 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp.,
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werden, dass es ein ausländisches Gericht als Brüskierung empfinden wird, wenn einer Partei die Fortführung des dortigen Verfahrens allein deswegen verboten wird, weil sich diese verpflichtet hat, im auswärtigen Forum nicht zu prozessieren.62 Bei Vorliegen einer ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung bestehe die eigentliche Funktion des comity-Grundsatzes darin, die Einhaltung der Parteiabrede sicherzustellen, so dass allein den Belangen des prorogierten Gerichts Rücksichtnahme geschuldet sei. 63 Demzufolge wird die erste der oben genannten Fragen in der Rechtsprechung dahingehend beantwortet, dass eine contractual anti-suit injunctions auch dann ergehen kann, wenn der Antragsteller die Derogation im abredewidrigen Forum noch nicht geltend gemacht bzw. das ausländische Gericht über die Rüge seiner Zuständigkeit noch nicht befunden hat.64 Diese Rechtsprechung wird von Teilen des Schrifttums kritisch gesehen. Entgegen den Erwartungen der englischen Richter zeigten Reaktionen ausländischer Gerichte, dass diese sich durchaus in ihrer Souveränität beeinträchtigt fühlen können, wenn in ihr Verfahren durch ein Prozessführungsverbot zur Durchsetzung einer vertraglichen Verpflichtung, nicht im auswärtigen Forum zu klagen, eingegriffen wird.65 Manche sehen daher eine zurückhaltende Ausübung des gerichtlichen Ermessens jedenfalls dann als geboten an, wenn das ausländische Verfahren in einem Land stattfindet, [2005] EWCA Civ 710, para. 32; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 473. Für eine kritische Analyse der möglichen Gründe und Motive englischer Gerichte, dem comity-Grundsatz bei der Durchsetzung eines vertraglichen Rechts kaum Bedeutung zuzusprechen Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 66–91. 62 Court of Appeal, 17.05.1994 – Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87, 96 (Lord Millett); High Court, 02.02.1996 – Ultisol Transport Contractors Ltd. v. Bouygues Offshore S.A., [1996] 2 Lloyd’s Rep. 140, 148 (Clarke J). 63 Court of Appeal, 13.06.2005 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., [2005] EWCA Civ 710, Rn. 32 (Longmore LJ): „the true role of comity is to ensure that the parties’ agreement is respected. Whatever country it is to the courts of which the parties have agreed to submit their disputes is the country to which comity is due.“ 64 Vgl. etwa Court of Appeal, 17.05.1994 – Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87, 96; ähnlich High Court, 10.05.1996 – Schiffahrtsgesellschaft Detlev von Appen GmbH v. Voest Alpine Intertrading GmbH (The Jay Bola), [1997] 1 Lloyd’s Rep. 179, 189, wo die Rüge der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts lediglich für im Einzelfall durchaus sinnvoll, nicht jedoch für zwingend erachtet wird. Vgl. auch Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.140 sowie Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 8.25 f. Für die Notwendigkeit einer erfolglosen Rüge im ausländischen Forum vor Erlass einer anti-suit injunction durch englische Gerichte spricht dagegen die Entscheidung High Court, 08.10.1992 – Barclays Bank Plc v. Homan, [1992] B.C.C. 757, 776. 65 Males, LMCLQ 1998, S. 543 (548); Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 473.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
dessen Rechtssystem einen der anti-suit injunction ähnlichen Rechtsbehelf nicht kennt. 66 Andere befürworten dagegen eine Differenzierung danach, wie sicher es im konkreten Fall ist, dass das ausländische Verfahren unter Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung eingeleitet wurde: Bestehen Zweifel daran, dass dem Antragsteller aufgrund einer Prorogation das Recht zusteht, nicht im auswärtigen Forum verklagt zu werden, sollten die englischen Gerichte ihre Befugnis zum Erlass von anti-suit injunctions aus Gründen der comity mit Bedacht ausüben.67 Die zweite der oben erwähnten Fragen, nämlich ob Prozessführungsverbote zum Schutz von ausschließlichen Prorogationen zugunsten nichtenglischer Gerichte erlassen werden können, wird ebenfalls uneinheitlich beantwortet. Der bisherigen Rechtsprechung lassen sich insoweit keine eindeutigen Hinweise entnehmen: In Owners of the MSC Dymphna v. AgfaGevaert NV verneinte der High Court die jurisdiction für den Erlass einer anti-suit injunction in Bezug auf ein abredewidrig in Belgien eingeleitetes Verfahren mit dem Argument, die Prorogation – welche für bestimmte Streitigkeiten die Zuständigkeit des High Court in London und für andere die des US District Court (S.D. New York) vorsah – weise den konkreten Streit den US-amerikanischen Gerichten zu. 68 In der Entscheidung OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., der eine auf englische Gerichte lautende Prorogation zugrunde lag, machte Longmore LJ im Rahmen eines obiter dictum dagegen Ausführungen, die den Schluss nahelegen, dass englische Gerichte nicht zögern werden, eine Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten drittstaatlicher Gerichte mittels anti-suit injunction durchzusetzen.69 Im englischen Schrifttum wird die Problematik unterschiedlich beurteilt. Raphael und Ho sprechen sich gegen den Erlass einer anti-suit injunction zum Schutz von Prorogationen drittstaatlicher Gerichte aus.70 Zur Begründung führen sie die Aussage von Lord Goff in Airbus Industrie GIE v. Patel an, wonach es aus Gründen der comity für die Anordnung eines Prozessführungsverbots erforderlich sei, „that the English forum should have a 66
Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 473. Males, LMCLQ 1998, S. 543 (550 f.). Bedenken an der praktischen Durchführbarkeit dieses Vorschlags äußert Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 260 f., der den Erlass einer anti-suit injunction, ohne zunächst eine Zuständigkeitsentscheidung des ausländischen Gerichts abzuwarten, als Verstoß gegen den comity-Grundsatz ansieht. 68 High Court, 19.12.2001 – Owners of the MSC Dymphna v. Agfa-Gevaert NV, 2001 WL 1612648. 69 Court of Appeal, 13.06.2005 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., [2005] EWCA Civ 710, Rn. 32: „an English court will uphold and enforce references to the courts of whichever country the parties agree for the resolution of their disputes.“ 70 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 7.29–7.33; Ho, ICLQ 52 (2003), S. 697 (706). 67
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sufficient interest in, or connection with, the matter in question“.71 Auch wenn dieses Prinzip ursprünglich mit Blick auf non-contractual anti-suit injunctions entwickelt wurde72, erscheine es angemessen, es auch bei dem Erlass von Prozessführungsverboten zur Durchsetzung vertraglicher Pflichten zu berücksichtigen. Aus der in der Rechtsprechung postulierten Irrelevanz der international comity für die Anordnung von anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten Englands könne nämlich nicht gefolgert werden, dass der comity-Grundsatz im Verhältnis zu einem prorogierten drittstaatlichen Gericht keine Rolle spielen soll. Das von Lord Goff geforderte „sufficient interest“ könne bei einer auf drittstaatliche Gerichte lautenden Prorogation nicht unter Berufung auf den pacta sunt servanda-Grundsatz bejaht werden, da dieses Prinzip keine besondere Verbindung zwischen England und dem konkreten Streitfall begründe. Ebenso unzureichend sei der Hinweis, das prorogierte Gericht könne nach seinem Recht keinen der anti-suit injunction ähnlichen Rechtsbehelf anordnen. Denn durch die Vereinbarung der Zuständigkeit des drittstaatlichen Gerichts hätten die Parteien das dortige „unvollständige“ Arsenal an Schutzinstrumenten gegen die Nichteinhaltung einer Gerichtsstandsvereinbarung hingenommen.73 Als problematisch empfindet Raphael außerdem, dass in solchen Fällen das Ersuchen englischer Gerichte um den Erlass einer anti-suit injunction selbst als Verletzung der ausschließlichen Prorogation angesehen werden könnte.74 Briggs hingegen hat keine Bedenken gegen den Erlass von Prozessführungsverboten zum Schutz von Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten nichtenglischer Gerichte. Es sei kein Grund für die Annahme ersichtlich, dass zur Durchsetzung der Rechte und Pflichten aus einer Prorogation ausschließlich die Gerichte im vereinbarten Forum zuständig seien. Vielmehr gehöre es zur Aufgabe jedes nach allgemeinen Regeln international zu71
House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238, 253. Vgl. House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238, 253 (Lord Goff): „I wish to stress however that, in attempting to formulate the principle, I shall not concern myself with those cases in which the choice of forum has been, directly or indirectly, the subject of a contract between the parties.“ 73 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 7.32; ähnlich auch Ho, ICLQ 52 (2003), S. 697 (706). 74 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 7.32 (Fn. 86). Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 296 f. weist zu Recht darauf hin, dass dem Vorwurf eines Bruchs der Gerichtsstandsvereinbarung durch den Antrag auf eine interim anti-suit injunction je nach anwendbarer lex causae mit dem Argument begegnet werden könnte, dass die Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines an sich derogierten Gerichts für den Erlass von einstweiligen Rechtsschutzmaßnahmen nicht ausschließt. S. zu der Behandlung dieser Problematik im englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht oben § 5 A. II. 2. b). 72
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ständigen Gerichts, dem Willen der Parteien, ihre Streitigkeiten in einem bestimmten Forum auszuführen, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zur Durchsetzung zu verhelfen. 75 Das Ersuchen englischer Gerichte um den Erlass einer anti-suit injunction stelle auch keine Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung dar: Denn letztere könne dahingehend ausgelegt werden, dass sie lediglich die Entscheidung über Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem konkreten Hauptvertrag erfasst, und das Recht der Parteien, sich zwecks Durchsetzung der Prorogation an ein anderes als das vereinbarte Gericht zu wenden, unberührt lässt.76 b) Non-contractual anti-suit injunctions Scheidet der Erlass einer contractual anti-suit injunction trotz wirksamer ausschließlicher Zuständigkeitsabrede aus, etwa weil das Prorogationsstatut der Gerichtswahl keine verpflichtende Wirkung zuspricht bzw. die Durchsetzung einer aus der Gerichtsstandsvereinbarung abgeleiteten Pflicht mittels Prozessführungsverbots nicht vorsieht, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine abredewidrig verklagte Partei eine non contractual anti-suit injunction erlangen kann. Diese erfordert das Hinzutreten besonderer Umstände, welche die Einleitung des auswärtigen Verfahrens als unzulässiges forum shopping erscheinen lassen. An den Erlass einer non contractual anti-suit injunction werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Anforderungen gestellt, je nachdem ob es sich um einen single (aa.) oder einen alternative forum case (bb.) handelt. aa) Single forum cases Ein single forum case zeichnet sich dadurch aus, dass der behauptete Anspruch lediglich im auswärtigen Forum geltend gemacht werden kann, da nur das dortige Recht ein bestimmtes Rechtsinstitut zur Verfügung stellt.77 Mit einer anti-suit injunction trifft das englische Gericht somit nicht nur eine Entscheidung darüber, wo, sondern ob überhaupt eine Rechtsstreitigkeit ausgetragen werden soll. 78 Aufgrund dieser drastischen Konsequenz
75
Briggs, Agreements, 2008, Rn. 6.29–6.37. Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.60. 77 House of Lords, 19.07.1984 – British Airways Board v. Laker Airways Ltd., [1985] A.C. 58; Court of Appeal, 30.07.1985 – Midland Bank Plc. v. Laker Airways Ltd., [1986] Q.B. 689, 701. 78 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 5.19; Gee, Commercial Injunctions, 5. Aufl. 2004, Rn. 14.033: „The question is whether through the mechanism of the antisuit injunction the proposed defendant to the threatened substantive claim should gain immunity from suit in the foreign jurisdiction and in consequence immunity from any liability.“ 76
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ist bei der Entscheidung über den Erlass eines Prozessführungsverbots in single forum cases besondere Vorsicht geboten.79 Die Grundsätze für die Behandlung von single forum cases entwickelten die englischen Gerichte in den Prozessen nach dem Zusammenbruch der englischen Fluglinie Laker Airways Ltd., die zu einem Justizkonflikt zwischen England und den USA führten. Der Konkursverwalter von Laker Airways hatte Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts mehrere US-amerikanische, englische und kontinentaleuropäische Flugunternehmen in den Vereinigten Staaten auf mehrfachen Schadensersatz (treble damages) verklagt mit der Begründung, die Unternehmen hätten kartellrechtswidrig den Untergang von Laker Airways herbeigeführt. Zu den Beklagten gehörte auch die Midland Bank Plc., die sich an den Rettungsaktionen zugunsten Laker Airways beteiligt hatte. Auf Antrag der Midland Bank erließ der High Court in London eine anti-suit injunction, mit der Laker verboten wurde, die US-amerikanische Klage auf Midland auszuweiten. In der Folgezeit ergingen auf beiden Seiten des Atlantiks zahlreiche anti-suit injunctions und anti-anti-suit injunctions. 80 Es handelte sich um single forum cases, da das englische Recht zu dieser Zeit eine der Schadensersatzvorschrift des US-amerikanischen Kartellrechts entsprechende Regel nicht kannte. In dem Urteil British Airways Board v. Laker Airways Ltd. führte das House of Lords aus, dass das für den Erlass einer anti-suit injunction durch den Antragsteller vorzuweisende right not be sued abroad auch dann bestehe, wenn der Anspruch im auswärtigen Verfahren einem materiellen Recht unterstellt würde, welches nach englischen kollisionsrechtlichen Vorstellungen nicht hinreichend eng mit den Parteien und dem Rechtsstreit verknüpft ist. 81 Das Gericht bejahte jedoch im konkreten Fall das Vorliegen einer ausreichenden Verbindung zwischen dem Streitgegenstand und der Schadensersatzregelung des US-amerikanischen Rechts mit dem Argument, British Airways habe sich durch seine Geschäftstätigkeit in den USA freiwillig dem dortigen Privatrecht einschließlich der Kartellgesetze unterworfen. Das von den Unterinstanzen erlassene Prozessführungsverbot wurde aufgehoben.82 In Midland Bank Plc. v. Laker Airways Ltd. verhäng79 Court of Appeal, 30.07.1985 – Midland Bank Plc. v. Laker Airways Ltd., [1986] Q.B. 689, 712; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 467; Raphael, AntiSuit Injunction, 2008, Rn. 5.19. 80 Ausführlich zu dem Laker-Konflikt Lange, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt, 1986, S. 65. 81 House of Lords, 19.07.1984 – British Airways Board v. Laker Airways Ltd., [1985] A.C. 58, 81, 84; Court of Appeal, 30.07.1985 – Midland Bank Plc. v. Laker Airways Ltd., [1986] Q.B. 689, 704 f. 82 House of Lords, 19.07.1984 – British Airways Board v. Laker Airways Ltd., [1985] A.C. 58, 84.
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te der Court of Appeal dagegen ein Prozessführungsverbot gegen Laker mit der Begründung, die Tätigkeit der Midland Bank beschränke sich auf England.83 bb) Alternative forum cases Von einem alternative forum case ist auszugehen, wenn der behauptete Anspruch sowohl im ausländischen wie auch im englischen Forum geltend gemacht werden kann.84 In solchen Fällen trifft das Gericht durch den Erlass einer anti-suit injunction die Wahl zwischen den alternativen Fora zugunsten Englands. Der heutige Test für die Anordnung einer anti-suit injunction in alternative forum cases geht auf die Entscheidung SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak zurück.85 Ob ein Prozessführungsverbot im Einzelfall gerechtfertigt ist, ist danach in einer dreistufigen Prüfung festzustellen. In einem ersten Schritt gilt es anhand der forum non conveniens-Grundsätze das natürliche Forum für die Streitigkeit zu ermitteln.86 Liegt dieses in dem Staat, dem das angerufene ausländische Gericht angehört, scheidet der Erlass einer anti-suit injunction aus. Ob darüber hinaus erforderlich ist, dass das natural forum für die Streitigkeit in England liegt, war lange Zeit ungeklärt. In Airbus Industry GIE v. Patel führte Lord Goff jedoch – wie bereits oben erwähnt – aus, dass ein Prozessführungsverbot aus Gründen der international comity nur dann ergehen kann, wenn England ein entsprechendes Interesse an der Streitigkeit hat bzw. eine Verbindung zu dem Fall aufweist. England müsse also das natürliche Forum für den Rechtsstreit sein; etwas anderes könne nur in extremen Fällen gelten, wenn etwa
83
Court of Appeal, 30.07.1985 – Midland Bank Plc. v. Laker Airways Ltd., [1986] Q.B. 689. 84 House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238, 248; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 460; Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 281. 85 Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871, 896; House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238, 248 f.; High Court, 03.10.1995 – Simon Engineering Plc. v. Butte Mining Plc. No. 2, [1996] 1 Lloyd’s Rep. 91, 95 f.; High Court, 22.11.2005 – Cadre S.A. v. Astra Asigurari S.A., [2005] EWHC 2626 (Comm). Zu den vor diesem Zeitpunkt maßgeblichen Voraussetzungen für den Erlass eines Prozessführungsverbots: Court of Appeal, 22.04.1980 – Castanho v. Brown & Root (UK) Ltd., [1980] Lloyd’s Rep. 423; Collins/Morse/McClean/ u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.071 f.; Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 32 f. 86 Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871. S. zu der forum non conveniens-Prüfung oben § 3 A. I. 1. a) bb).
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der ausländische Staat den aus der comity fließenden Respekt verwirkt hat.87 Notwendig ist des Weiteren der Nachweis, dass der Nichterlass einer anti-suit injunction für den Antragsteller und im Ausland Beklagten eine injustice bedeutet. Diese Hürde kann nicht bereits durch den Hinweis genommen werden, das ausländische Gericht sei aus englischer Sicht ein unnatürliches Forum für die Streitigkeit.88 Die Feststellung einer hinreichend schweren Belastung erfordert vielmehr eine Untersuchung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände des ausländischen Prozesses und der aus diesen für den dortigen Beklagten folgenden Nachteile. 89 Das Vorliegen von injustice ist etwa indiziert, wenn das ausländische Verfahren missbräuchlich eingeleitet wurde90, von vornherein aussichtslos erscheint91 oder im ausländischen Forum die Verurteilung zu einer besonders hohen Schadensersatzsumme oder die Durchführung eines ausufernden Beweisermittlungsverfahrens droht 92 . Eine schwere Belastung kann außerdem angenommen werden, wenn zu befürchten ist, dass dem Beklagten im Ausland kein faires Verfahren gewährt werden93 bzw. dass das ausländische Gericht eine Wahl der Parteien zugunsten englischen Rechts ignorieren wird 94 . Von „Ungerechtigkeit“ gegenüber dem Beklagten kann des Weiteren auszugehen sein, wenn das ausländische Verfahren weitere Prozesse nach sich ziehen würde, während ein wiederholtes Prozessieren in England durch die
87
House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238, 253 f. 88 Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871, 896; High Court, 03.10.1995 – Simon Engineering Plc. v. Butte Mining Plc. No. 2, [1996] 1 Lloyd’s Rep. 91, 96. 89 Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.44. 90 High Court, 13.05.1882 – McHenry v. Lewis, (1882) L.R. 21 Ch. D. 202, 206 f.; High Court, 06.04.1911 – In re Connolly Brothers, Ltd., [1911] 1 Ch. 731, 744 f. 91 High Court, 14.02.1883 – Peruvian Guano Co. v. Bockwoldt, (1883) L.R. 23 Ch. D. 225, 230 f. 92 High Court, 27.02.1995 – Simon Engineering Plc. v. Butte Mining Plc., [1996] 1 Lloyd’s Rep. 104, 110 f.; High Court, 19.10.1995 – Bankers Trust International v. PT Dharmala Sakti Sejahtera (No. 1), [1996] C.L.C. 252; High Court, 06.09.2001 – Omega Group Holdings Ltd. v. Kozeny, [2002] C.L.C. 132. 93 Court of Appeal, 01.07.2004 – Al-Bassam v. Al-Bassam, [2004] EWCA Civ 857, paras. 34, 38. Vgl. auch Court of Appeal, 16.04.1997 – A/S D/S Svendborg v. Wansa, [1997] 2 Lloyd’s Rep. 183, 189, wo eine Manipulation der ausländischen Richter seitens des Klägers möglich erschien. 94 High Court, 22.11.2005 – Cadre S.A. v. Astra Asigurari S.A., [2005] EWHC 2626 (Comm).
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Möglichkeit von third party proceedings (Interventionsklage) verhindert werden könnte.95 Im dritten Prüfungsschritt betrachtet das Gericht, in welchem Ausmaß der Antragsgegner und Kläger im Ausland durch die anti-suit injunction beeinträchtigt wird. Dabei fragt es zunächst, ob und welche legitimen Vorteile diesem dadurch verloren gingen, dass er seinen Rechtsstreit in einem anderen Forum fortsetzen muss. Vorteile können sich insbesondere aus der Anwendbarkeit eines bestimmten Sach- oder Prozessrechts ergeben. Derartige durch den Standort bedingte Vorteile sind allerdings illegitim und damit unbeachtlich, wenn es sich bei diesem um ein inappropriate forum handelt. Geht andersherum ein legitimer Vorteil mit einem Nachteil für den Beklagten einher, kann dies gegen den Erlass einer anti-suit injunction sprechen.96 Belastungen des Antragstellers durch die ausländische Prozessführung kann der Antragsgegner allerdings neutralisieren, indem er sich in einem undertaking verpflichtet, den Vorteil, den ihm das ausländische Verfahren bietet, nicht wahrzunehmen. 97 Die nach Berücksichtigung der party undertakings verbleibenden Vorteile für den Kläger und Nachteile für den Beklagten werden gegeneinander abgewogen. 98 Überwiegen die Nachteile für den Beklagten bei Nichterlass einer anti-suit injunction die Vorteile, die dem Kläger durch ein Prozessführungsverbot entgehen, ist der Erlass eines solchen wahrscheinlich. Ergibt sich dagegen ein Übergewicht zugunsten des Klägers, werden englische Gerichte keine anti-suit injunction aussprechen. 3. Verfahrensrechtliche Aspekte des Erlasses einer anti-suit injunction Nachdem die materiellrechtlichen Erlassvoraussetzungen einer anti-suit injunction behandelt wurden, sind im Folgenden einige verfahrensrechtliche Gesichtspunkte zu beleuchten, nämlich die internationale Zuständigkeit englischer Gerichte für den Erlass einer solchen Maßnahme (a.) sowie
95 Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871, 899–902. Für weitere Beispiele: Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 462 f.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.073; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 5.04–5.14. 96 Court of Appeal, 13.05.1982 – Smith Kline & French Laboratories Ltd. v. Bloch, [1983] 1 W.L.R. 730, 737–748; High Court, 03.10.1995 – Simon Engineering Plc. v. Butte Mining Plc. No. 2, [1996] 1 Lloyd’s Rep. 91, 99; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.074. 97 Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871, 899 f.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws, Bd. I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.074 (Fn. 29). 98 High Court, 03.10.1995 – Simon Engineering Plc. v. Butte Mining Plc. No. 2, [1996] 1 Lloyd’s Rep. 91, 96 (Dohmann QC): „the English court must seek to strike a balance.“
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Besonderheiten im Zusammenhang mit der Beantragung (b.) und Durchsetzung (c.) eines Prozessführungsverbots nach englischem Recht. a) Internationale Zuständigkeit englischer Gerichte zum Erlass einer anti-suit injunction Eine anti-suit injunction richtet sich unmittelbar gegen den Kläger im ausländischen Verfahren und darf daher nur dann ergehen, wenn dieser der Jurisdiktion englischer Gerichte unterliegt. 99 Soweit sich die internationale Zuständigkeit nach den Regeln des autonomen englischen Rechts beurteilt, setzt die Eröffnung eines Gerichtsstands – selbst bei Vorliegen einer Prorogation zugunsten englischer Gerichte – die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Antragsgegner voraus. 100 Ist im Einzelfall eine Auslandszustellung nötig, wird der Erhalt der dafür unter Umständen erforderlichen gerichtlichen Bewilligung regelmäßig keine Hindernisse entgegenstehen: Nach § 3.1 (6) (d) PD 6A CPR ist der Zustellung von Klagen betreffend einen Vertrag, in dem eine Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten englischer Gerichte enthalten ist, grundsätzlich zuzustimmen.101 b) Beantragung von interim und final anti-suit injunctions Wird eine anti-suit injunction vor englischen Gerichten als Entscheidung in der Hauptsache begehrt, muss eine entsprechende Klage nach Part 7 bzw. 8 CPR erhoben werden. 102 Ein einstweiliges Prozessführungsverbot setzt dagegen eine application notice nach Parts 23, 25 CPR voraus. 103 Eine interim anti-suit injunction kann – von dringenden Fällen abgesehen104 – erst nach Anhängigkeit einer Hauptsacheklage in England beantragt werden. 105 Gegenstand des Hauptsacheverfahrens kann der Erlass einer final anti-suit injunction 106 oder der eigentliche Sachstreit zwischen den Parteien sein.107 Erforderlich ist außerdem die Abgabe eines sog. undertaking 99 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.068; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.36. 100 S. dazu oben § 3 A. I. 1. c). 101 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 18.25 m.w.N. 102 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 3.14. 103 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 13.16. 104 Vgl. § 25.2 (2) (b) PD 25A CPR. In solchen Ausnahmefällen hat das Gericht jedoch gem. r. 25.3 (3) CPR den Antagsgegner zur baldigen Erhebung einer Klage in der Hauptsache anzuhalten. 105 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 13.19. 106 So etwa in Court of Appeal, 30.07.1985 – Midland Bank Plc. v. Laker Airways Ltd., [1986] Q.B. 689; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425. 107 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 13.17.
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in damages, in dem sich der Antragsteller dazu verpflichtet, dem Antragsgegner die aus der Vollziehung einer interim anti-suit injunction entstandenen Schäden zu ersetzen, falls sich die Anordnung der einstweiligen Maßnahme im Nachhinein als ungerechtfertigt erweist.108 c) Durchsetzung einer anti-suit injunction Die Nichtbefolgung einer anti-suit injunction wird als Missachtung des anordnenden englischen Gerichts gewertet, die mit den Sanktionen des civil contempt of court geahndet werden kann. 109 Das Rechtsinstitut des contempt of court, dessen Wurzeln bis ins 12. Jahrhundert zurückgehen, dient der Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens der Rechtspflege.110 Es ist gesetzlich nur lückenhaft geregelt. Bei der Nichtbeachtung von Entscheidungen des High Court, in dem die meisten Prozessführungsverbote erlassen werden, richtet sich die Handhabung des civil contempt of court nach den Normen der RSC, die heute in CPR Sch. 1 enthalten sind. Die anti-suit injunction kann zum einen durch Festsetzung von Bußgeld (fine) gem. r. 9 RSC Order 52 vollstreckt werden.111 Das Gericht kann gem. r. 5 (1) (b) (iii) RSC Order 52 außerdem eine Haftstrafe (imprisonment) gegen den Antragsgegner verhängen. Handelt es sich bei diesem um eine juristische Person, erlaubt die Norm die Inhaftierung des verantwortlichen Vertreters. 112 Alternativ oder ergänzend zu den bereits genannten Maßnahmen kommt die Anordnung der Zwangsverwaltung (sequestration) des inländischen Vermögens des Urteilsschuldners gem. r. 5 (1) (b) (i) RSC Order 52 in Betracht. Eingeleitet wird diese mittels writ of sequestration, der die vom Antragsteller ausgesuchten Zwangsverwalter berechtigt, nach relevanten Vermögenswerten zu suchen und diese – mitsamt des anfallenden Ertrags – anschließend zu verwalten.113 Da sich die sequestration im Unterschied zu Bußgeld und Haftstrafe nicht gegen die Person des Schuldners, sondern gegen dessen Vermögen richtet114, ist sie insbesondere zur Durchsetzung von anti-suit injunctions gegen nicht in England anwesende Personen geeignet. 108
Dieses Erfordernis besteht nach § 5.1 (1) PD 25A CPR für alle einstweiligen Maßnahmen, vgl. Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 13.26. Ausführlich zu den Besonderheiten des undertaking in damages: Gee, Commercial Injunctions, 5. Aufl. 2004, Rn. 11.001–11.045; Kienzle, Schadensersatz, 2000, S. 147–192. 109 Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.55; Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 32; Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 55–57. 110 Peyer, Vollstreckung, 2006, S. 7 f. 111 Vgl. im Einzelnen dazu Peyer, Vollstreckung, 2006, S. 101–104. 112 Ausführlich dazu Peyer, Vollstreckung, 2006, S. 80–92. 113 Vgl. im Detail Peyer, Vollstreckung, 2006, S. 93–101. 114 Peyer, Vollstreckung, 2006, S. 93.
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Unterliegen weder Person noch Vermögen des Schuldners dem Zugriff der englischen Gerichte, gehen die genannten contempt of court-Sanktionen zunächst ins Leere. Die Nichteinhaltung der anti-suit injunction kann für den Antragsgegner dennoch negative Konsequenzen haben. Ein ausländisches Urteil, welches entgegen einem Prozessführungsverbot ergangen ist, wird in England nämlich wegen ordre public-Verstoßes weder anerkannt noch vollstreckt. 115 Dieser Anerkennungsversagungsgrund wird bei Vorliegen einer ausschließlichen Prorogation zugunsten Englands jedoch regelmäßig keine Rolle spielen, da das ausländische Urteil in England bereits wegen Missachtung der Gerichtsstandsabrede keine Wirkung entfalten wird.116 4. Anerkennung ausländischer Prozessführungsverbote in England nach dortigem autonomem Recht Einem auswärtigen Prozessführungsverbot kann theoretisch auf zweifache Weise Wirkung verliehen werden: Einerseits könnte eine anti-suit injunction im Zweitland anerkannt und dort durch örtliche Zwangsmittel vollstreckt werden (a.). Andererseits könnte ein bereits vom Ursprungsgericht zur Vollziehung des Prozessführungsverbots verhängtes Ordnungsmittel im Zweitstaat durchgesetzt werden (b.). Beide Alternativen werden im Folgenden kurz beleuchtet. a) Durchsetzung eines auswärtigen Prozessführungsverbots Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen außerhalb der EuGVVO und des LugÜ stehen im autonomen englischen Recht unterschiedliche Rechtsregime zur Verfügung: das common law, der Administration of Justice Act 1920 sowie der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933. Welches davon im Einzelfall maßgeblich ist, hängt von dem Ursprungsland der anzuerkennenden Entscheidung ab. 117 Alle stellen – trotz Abweichungen in prozessualer Hinsicht – im Kern dieselben Anforderungen an die Anerkennung und Vollstreckung auswärtiger Richtersprüche 118, können daher nachfolgend gemeinsam behandelt werden. 115
Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 5.55; Collins/ Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.145. 116 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 200. Näher dazu unten § 9 A. I. 2. 117 Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 132; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 7.02; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.010–14.016. Näher dazu unten § 9 A. I. 1. a). 118 Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 7.43.
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Ein ausländisches Judikat kann nur dann Wirkung im Inland entfalten, wenn es sich bei diesem um ein final and conclusive judgment, d.h. eine instanzbeendende Entscheidung handelt. 119 Eine im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von einem ausländischen Gericht angeordnete anti-suit injunction ist nach autonomem englischem Recht somit nicht anerkennungsfähig120. In Betracht kommt lediglich die Anerkennung und Vollstreckung von endgültigen Prozessführungsverboten, die die final and conclusive judgment-Hürde stets nehmen werden. Ihre Durchsetzung in England kann in zwei Konstellationen von Interesse sein: Zum einen, wenn sich die ausländische anti-suit injunction auf eine in England erhobene Klage bezieht, zum anderen, wenn sie zwar ein außerhalb von England anhängiges Verfahren betrifft, jedoch gegen eine Partei gerichtet ist, die in England über vollstreckungsfähiges Vermögen verfügt. Zunächst ist der erstgenannte Fall zu betrachten. Dieser kann etwa auftreten, wenn eine Partei entgegen einer ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten der USA vor englische Gerichte zieht, und die Gegenseite daraufhin im prorogierten Forum eine permanent anti-suit injunction erwirkt. In einer solchen Konstellation ist es theoretisch zwar durchaus denkbar, dass die Unterlassungsverfügung aus den USA in England anerkannt wird mit der Folge, dass die darin beurteilten Fragen der Zulässigkeit, Wirksamkeit und Ausschließlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung im englischen Prozess einen sog. issue estoppel entfalten. Das englische Gericht würde dann ohne erneute Prüfung der genannten Aspekte eine Entscheidung über die vor ihm anhängig gemachte Streitigkeit ablehnen. 121 Eine solche Rechtskraftbindung wird es in der Praxis jedoch nur selten geben, da englische Gerichte – wie schon erläutert – über ihre jurisdiction stets vor Beginn der Verhandlung über die Hauptsache befinden. 122 Aus diesem Grund wird der Erlass des endgültigen Prozessführungsverbots im Ausland in aller Regel zu spät kommen, um sich noch auf die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit durch die englischen Richter auswirken zu können. Nachdem diese ihre jurisdiction bejaht haben, kann eine antisuit injunction ausländischer Herkunft in England ohnehin keine Wirkungen mehr entfalten, da die englische Zuständigkeitsentscheidung ab dem
119 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.021; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 7.43; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 143 f.; Fawcett/Carruthers/ North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 536–538. 120 Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 33 f. 121 Für einen vergleichbaren Fall vgl. House of Lords, 21.03.1985 – The Sennar No. 2, [1985] 1 Lloyd’s Rep. 521. 122 S. oben § 6 A. I. 1.
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Tag ihres Erlasses in res judicata erwächst123 und somit ein Hindernis für die Anerkennung und Vollstreckung von mit ihr unvereinbaren ausländischen Entscheidungen darstellt124. Der zweitgenannte Fall, in dem die Frage der Annerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit in England Bedeutung erlangen kann, betrifft ausländische anti-suit injunctions, die sich zwar nicht gegen ein Verfahren in England richten, dort aber wegen Vermögensbelegenheit vollstreckt werden sollen. Zur Verdeutlichung ist der obige Beispielsfall dahingehend abzuwandeln, dass abredewidrig nicht in England, sondern in Deutschland geklagt wird. Erlässt nun das prorogierte US-amerikanische Gericht eine permanent anti-suit injunction, wird ihre Durchsetzung in England daran scheitern, dass nach dortigem autonomem Recht nur solche ausländischen Titel für vollstreckbar erklärt werden können, die auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags lauten.125 Diese Besonderheit hat ihren Ursprung im common law, das im Gegensatz zu dem law of equity lediglich monetäre Rechtsbehelfe vorsah.126 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass ein ausländisches Prozessführungsverbot in England in den meisten Fällen keine Wirkung entfalten wird. b) Durchsetzung eines zur Vollziehung eines Prozessführungsverbots im Ausland angeordneten Ordnungsgelds Fraglich ist, wie ein im Ausland verhängtes Ordnungsgeld zur Vollziehung einer dort erlassenen anti-suit injunction in England behandelt wird. Dessen Beitreibung könnte bereits wegen der engen Verknüpfung mit dem Prozessführungsverbot ausscheiden, welches einer Vollstreckbarerklärung 123
S. r. 40.7 CPR: „A judgment or order takes effect from the day when it is given or made, or such later date as the court may specify.“ 124 Zu der fehlenden Anerkennungsfähigkeit von Urteilen, die mit einer in England ergangenen Entscheidung unvereinbar sind: Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.145; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 7.67. Die fehlende Rechtskraftbindung schließt natürlich nicht aus, dass die Ausführungen in der ausländischen Unterlassungsverfügung im Rahmen der Entscheidung über ein gegen das Zuständigkeitsurteil des englischen Gerichts eingelegtes Rechtsmittel Berücksichtigung finden. 125 High Court, 23.04.1996 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1996] I.L.Pr. 465 (471); Raphael, Execution of the Anti-Suit Injunction. Allgemein zu der Voraussetzung, dass die ausländische Entscheidung „for a fixed sum of money“ sein muss: Collins/Morse/ McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.020. Dieses Erfordernis ist nur bei auswärtigen judgments in personam zu beachten, für judgments in rem gelten besondere Regeln, auf die hier jedoch nicht näher einzugehen ist, da die anti-suit injunction lediglich gegen die davon betroffene Partei gerichtet ist und somit stets nur in personam wirkt. 126 Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 7.71.
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in England nicht zugänglich ist. Jedenfalls dürfte sich ein Durchsetzungshindernis daraus ergeben, dass das englische Recht nicht bereit ist, im Ausland begründete Zahlungspflichten mit Strafcharakter zu vollstrecken: Dies trifft zu auf alle Geldbeträge, die nicht an den Urteilsgläubiger, sondern an den Staat zu zahlen sind.127 Soweit das im Ausland verhängte Ordnungsgeld – wie in den USA128 – in letztere Kategorie fällt, scheidet seine Vollstreckung in England aus.
II. Die anti-suit injunction im US-amerikanischen Recht Das Institut der anti-suit injunction hat in die US-amerikanische Rechtsprechung ebenfalls Einzug gehalten (1.), auch wenn bei der Ausgestaltung des Rechtsbehelfs in materieller (2.) und verfahrensrechtlicher (3.) Hinsicht sowie bei der Frage nach der Anerkennung auswärtiger Prozessführungsverbote (4.) teilweise erhebliche Unterschiede zu der Rechtslage in England bestehen. 1. Entwicklung und Formen der anti-suit injunction im US-amerikanischen Recht Die Befugnis US-amerikanischer Gerichte zum Erlass von Prozessführungsverboten ist bereits seit langem anerkannt. 129 Sie wird im Bundesrecht und in den Rechten der meisten Einzelstaaten aus der equitable power der Gerichte über die ihrer Jurisdiktion unterliegenden Personen abgeleitet.130 Der Erlass einer anti-suit injunction wird als procedural issue i.S. der Erie-Doktrin angesehen, so dass federal courts ihren Entscheidun-
127
Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.020; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 144; Briggs/Rees, Civil Jurisdiction and Judgments, 5. Aufl. 2009, Rn. 7.72. 128 Dazu sogleich § 8 A. II. 3. 129 US Supreme Court, 20.01.1890 – Cole v. Cunningham, 133 U.S. 107; Baer, Stan. L. Rev. 37 (1984), S. 155 (155 f.); Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 36–38; G.A.S., Mich. L. Rev. 31 (1932), S. 88 mit zahlreichen Hinweisen auf Entscheidungen über den Erlass von anti-suit injunctions aus dem 19. Jahrhundert. 130 US Court of Appeals (9th Cir.), 16.12.1958 – Philp v. Macri, 261 F.2d 945, 947; US District Court (S.D. Florida), 27.03.1978 – Western Electric Co. v. Milgo Electronic Corp., 450 F.Supp. 835, 837; US Court of Appeals (9th Cir.), 03.08.1981 – Seattle Totems Hockey Club, Inc. v. The National Hockey League, 652 F.2d 852, 855; US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 926; US Court of Appeals (5th Cir.), 14.02.1996 – Kaepa, Inc. v. Achilles Corp., 76 F.3d 624, 626; US Court of Appeals (5th Cir.), 18.06.2003 – Karaha Bodas Company, L.L.C. v. Perusahaan, 335 F.3d 357, 364; US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984, 989; Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 541; Bermann, Litigation, 2003, S. 111.
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gen die bundesrechtlichen Grundsätze zugrunde legen. Die state courts ziehen dagegen den entsprechenden einzelstaatlichen Standard heran.131 Die für den Erlass einer anti-suit injunction maßgeblichen Grundsätze divergieren je nachdem, ob die Untersagungsanordnung gegen ein Verfahren vor einem US-amerikanischen (a.) oder einem ausländischen Gericht (b.) gerichtet ist. a) Prozessführungsverbote innerhalb der territorialen Gerichtsbarkeit der USA Im Gegensatz zu England132 können in den USA Prozessführungsverbote heute auch noch innerhalb der territorialen Gerichtsbarkeit erlassen werden. Die dabei zu beachtenden Grundsätze divergieren, je nachdem welches Gericht die anti-suit injunction ausspricht und welches durch sie (mittelbar) betroffen wird. Im Verhältnis zwischen den federal courts werden an den Erlass von Prozessführungsverboten keine hohen Anforderungen gestellt: Das zuerst angerufene Gericht kann eine anti-suit injunction bereits dann erlassen, wenn Parteien und Streitgegenstand in den parallelen Verfahren übereinstimmen. Diese niedrige Hürde wird mit dem gemeinsamen Interesse beider Gerichte an der Gewährleistung von effizientem Rechtsschutz in der Bundesgerichtsbarkeit gerechtfertigt.133 Der Erlass eines Prozessführungsverbots durch ein Bundesgericht betreffend ein Verfahren vor einzelstaatlichen Gerichten ist nach dem AntiInjunction Act (28 U.S.C. § 2283) grundsätzlich verboten. Dieses aus dem Jahr 1793 stammende Gesetz sollte verhindern, dass zwischen den federal und den state courts ähnliche Vormachtkonflikte wie zwischen den common law-Gerichten und dem Court of Chancery in England entstehen.134 Lediglich in drei Ausnahmefällen erlaubt 28 U.S.C. § 2283 die Anordnung einer anti-suit injunction: Wenn dies durch Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist135, das Bundesgericht ansonsten seine Aufgabe als Rechtsprechungsorgan nicht wahrnehmen kann 136 , sowie dann, wenn ein 131 Bermann, Litigation, 2003, S. 111; Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 541. S. zur Erie-Doktrin bereits oben § 3 A. II. 2. a) aa) (2). 132 S. oben § 8 A. I. 1. 133 US Court of Appeals (2nd Cir.), 08.02.1961 – National Equipment Rental, Ltd. v. Fowler, 287 F.2d 43, 45 f.; US Court of Appeals (2nd Cir.), 22.11.1991 – Adam v. Jacobs, 950 F.2d 89, 92 f.; Roberson, U. Pa. L. Rev. 147 (1998), S. 409 (411). 134 Roberson, U. Pa. L. Rev. 147 (1998), S. 409 (416 f.). 135 Entsprechende bundesgesetzliche Regelungen finden sich etwa im Insolvenz- und im Seerecht, vgl. Roberson, U. Pa. L. Rev. 147 (1998), S. 409 (418 f.). 136 Von Bedeutung ist diese Ausnahme lediglich, wenn vor dem Bundesgericht ein claim in rem, d.h. ein Verfahren betreffend Rechte an einer Sache anhängig ist: US Supreme Court, 20.11.1922 – Kline v. Burke Construction Co., 260 U.S. 226, 235; US
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Prozessführungsverbot zum Schutz einer rechtskräftigen bundesgerichtlichen Entscheidung notwendig erscheint137. Im Gegensatz dazu ist es einzelstaatlichen Gerichten ausnahmslos verwehrt, einer Partei das (Weiter)Betreiben eines Verfahrens vor einem Bundesgericht zu untersagen.138 Im Verhältnis zwischen den state courts unterschiedlicher Bundesstaaten sind anti-suit injunctions dagegen möglich. Die Gerichte betonen, dass aus Gründen der comity von dieser Befugnis jedoch nur beschränkt Gebrauch gemacht werden sollte. Die Frage, wann ein Prozessführungsverbot angebracht erscheint, wird von Einzelstaat zu Einzelstaat unterschiedlich beantwortet.139 b) Prozessführungsverbote betreffend Verfahren außerhalb der USA Der Erlass von anti-suit injunctions betreffend Verfahren vor ausländischen Gerichten unterliegt keinen gesetzlichen Beschränkungen. Besitzt ein US-amerikanisches Gericht personal jurisdiction über den Antragsgegner140, liegt die Anordnung eines an diesen gerichteten Prozessführungsverbots im richterlichen Ermessen.141 Welche Kriterien in die Ermessensausübung einfließen, wird im Folgenden exemplarisch anhand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geschildert. 2. Voraussetzungen für den Erlass einer anti-suit injunction Ausgangspunkt der Entscheidung von Bundesgerichten über den Erlass von Prozessführungsverboten in internationalen Konstellationen bildet das District Court (N.D. Iowa), 12.09.1997 – Gunderson v. ADM Investor Services, Inc., 976 F.Supp. 818, 823; Roberson, U. Pa. L. Rev. 147 (1998), S. 409 (419 f.). 137 Diese Ausnahme soll verhindern, dass über bereits durch ein Bundesgericht entschiedene Angelegenheiten in einem einzelstaatlichen Verfahren erneut verhandelt wird: US Supreme Court, 16.05.1988 – Chick Kam Choo v. Exxon Corp., 486 U.S. 140, 147 f.; US Supreme Court, 08.06.1970 – Atlantic Coast Line Railroad Co. v. Brotherhood of Locomotive Engineers, 398 U.S. 281, 295; Roberson, U. Pa. L. Rev. 147 (1998), S. 409 (420). 138 US Supreme Court, 08.06.1964 – Donovan v. City of Dallas, 377 U.S. 408. 139 Vgl. G.A.S., Mich. L. Rev. 31 (1932), S. 88; Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 36–38. 140 Zu den Voraussetzungen für die Eröffnung der personal jurisdiction US-amerikanischer Gerichte s. oben § 3 A. II. 1. b) aa). 141 US Court of Appeals (5th Cir.), 26.04.1971 – Bethell v. Peace, 441 F.2d 495, 498; US District Court (S.D. Florida), 27.03.1978 – Western Electric Co. v. Milgo Electronic Corp., 450 F.Supp. 835, 837; US District Court (D. Minnesota), 05.02.1982 – Cargill Inc. v. Hartford Accident and Indemnity Co., 531 F.Supp. 710, 715; US District Court (M.D. Alabama), 13.10.1992 – Mutual Services Casualty Insurance Co. v. Frit Industries, Inc., 805 F.Supp. 919, 921; US Court of Appeals (5th Cir.), 14.02.1996 – Kaepa, Inc. v. Achilles Corp., 76 F.3d 624, 626; US Court of Appeals (1st Cir.), 08.03.2004 – Quaak v. Klynfeld Peat Marwick, 361 F.3d 11, 16.
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bereits erläuterte Prinzip, dass US-amerikanische Gerichte ein im Ausland laufendes Parallelverfahren zwischen denselben Parteien solange unbeachtet lassen, bis dort ein Urteil ergeht, dessen Rechtskraft im Inland geltend gemacht werden kann. 142 Hat die auswärtige Litispendenz danach in der Regel keine Auswirkung auf den Fortlauf eines US-amerikanischen Prozesses, sei es – so die federal courts – umgekehrt angemessen, das ausländische Verfahren nicht durch den Erlass von anti-suit injunctions zu beeinträchtigen.143 Die Frage, wann eine Ausnahme von diesem Grundsatz gerechtfertigt ist, wird in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Nach einer Darstellung der unterschiedlichen Standards (a.) wird untersucht, welche Bedeutung federal courts bei der Entscheidung über den Erlass eines Prozessführungsverbots dem Umstand beimessen, dass das auswärtige Verfahren entgegen einer Gerichtsstandsvereinbarung eingeleitet worden ist (b.). a) Die Spaltung der Circuits bzgl. der Voraussetzungen einer anti-suit injunction Die Anforderungen, die die federal courts an den Erlass von anti-suit injunctions betreffend ausländische Verfahren stellen, divergieren teilweise erheblich. Die Rechtsprechung hat sich in zwei Lager aufgeteilt: Die Gerichte in dem Fifth, Seventh und Ninth Circuit vertreten einen liberalen Ansatz (aa.), während im First, Second, Third und Sixth Circuit sowie im District of Columbia ein strenger Standard zugrunde gelegt wird (bb.). aa) Der liberale Ansatz Nach dem sog. lax standard ist eine anti-suit injunction in der Regel bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parallelverfahren im In- und Ausland dieselbe Streitigkeit zwischen denselben Personen betreffen und die Ver142
S. oben § 7 A. II. 1. US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 926 f. (Wilkey J): („the fundamental corollary to concurrent jurisdiction must ordinarily be respected: parallel proceedings on the same in personam claim should ordinarily be allowed to proceed simultaneously, at least until a judgment is reached in one which can be pled as res judicata in the other. The mere filing of a suit in one forum does not cut off the preexisting right of an independent forum to regulate matters subject to its prescriptive jurisdiction. For this reason, injunctions restraining litigants from proceeding in courts of independent countries are rarely issued.“); US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1987 – China Trade and Development Corp. v. M.V. Choong Yong, 837 F.2d 33, 36; US Court of Appeals (6th Cir.), 24.02.1992 – Gau Shan Company, Ltd. v. Bankers Trust Co., 956 F.2d 1349, 1352; US Court of Appeals (1st Cir.), 08.03.2004 – Quaak v. Klynfeld Peat Marwick, 361 F.3d 11, 16; Teitz, Roger Williams U.L.Rev. 10 (2004), S. 1 (22 f.). 143
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doppelung der Prozesse zu unnötigen Verzögerungen, erheblichen Zusatzkosten oder sonstigen Unannehmlichkeiten für Parteien und Zeugen führt.144 Comity-Erwägungen werden grundsätzlich nur dann berücksichtigt, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und dem Staat, dem das ausländische Gericht angehört, durch eine anti-suit injunction gestört werden könnten. Allein der Hinweis auf den comity-Grundsatz reicht dagegen nicht aus, das gerichtliche Ermessen für den Erlass eines Prozessführungsverbots einzuschränken.145 Diese großzügige Haltung gegenüber der Anordnung von anti-suit injunctions stößt in Teilen der Literatur und Rechtsprechung auf heftige Kritik. Den Anhängern des liberalen Ansatzes wird vorgeworfen, sie zögen im internationalen Rechtsverkehr die Regeln heran, welche für den Erlass von Prozessführungsverboten im Verhältnis zwischen federal courts gelten, und demonstrierten dadurch ein erhebliches Maß an Respektlosigkeit gegenüber der Justizhoheit ausländischer Staaten.146 Da Parallelverfahren fast immer mit einer Verdoppelung von Zeit- und Kostenaufwand einhergingen, untergrabe der lax standard den fest etablierten, auf comity-Erwägungen basierenden Grundsatz, dass man Parallelverfahren in unterschiedlichen Ländern grundsätzlich laufen lassen sollte, bis in einem der Prozesse eine Entscheidung ergeht. 147 Außerdem sei es wirklichkeitsfremd, den Erlass 144 US Court of Appeals (5th Cir.), 26.04.1971 – Bethell v. Peace, 441 F.2d 495, 498; US Court of Appeals (9th Cir.), 03.08.1981 – Seattle Totems Hockey Club, Inc. v. The National Hockey League, 652 F.2d 852, 856; US Court of Appeals (7th Cir.), 01.11.1993 – Philips Medical Systems International B.V. v. Bruetman, 8 F.3d 600, 605; US Court of Appeals (7th Cir.), 09.11.1993 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Bull Data Systems Inc., 10 F.3d 425, 431; US Court of Appeals (5th Cir.), 14.02.1996 – Kaepa, Inc. v. Achilles Corp., 76 F.3d 624, 627; US Court of Appeals (5th Cir.), 18.06.2003 – Karaha Bodas Company, L.L.C. v. Perusahaan, 335 F.3d 357, 366. Zu dem liberalen Ansatz tendieren auch die Gerichte aus dem Eigth Circuit, vgl. US District Court (D. Minnesota), 05.02.1982 – Cargill Inc. v. Hartford Accident and Indemnity Co., 531 F.Supp. 710, 715. 145 US Court of Appeals (7th Cir.), 09.11.1993 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Bull Data Systems Inc., 10 F.3d 425, 431 (Posner J): „When every practical consideration supports the injunction, it is reasonable to ask the opponent for some indication that the issuance of an injunction really would throw a monkey wrench, however small, into the foreign relations of the United States.“ Ähnlich US Court of Appeals (5th Cir.), 14.02.1996 – Kaepa, Inc. v. Achilles Corp., 76 F.3d 624, 627 (Wiener J): „We decline […] to require a district court to genuflect before a vague and omnipotent notion of comity every time that it must decide whether to enjoin a foreign action.“ 146 Roberson, U. Pa. L. Rev. 147 (1998), S. 409 (424–427); R. W. R., Va. L. Rev. 71 (1985), S. 1039 (1051). 147 US Court of Appeals (1st Cir.), 08.03.2004 – Quaak v. Klynfeld Peat Marwick, 361 F.3d 11, 17. Ähnlich auch US District Court (M.D. Alabama), 13.10.1992 – Mutual Services Casualty Insurance Co. v. Frit Industries, Inc., 805 F.Supp. 919, 921–923.
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einer anti-suit injunction in concreto davon abhängig zu machen, ob die Beziehungen zwischen den betroffenen Staaten tatsächlich beeinträchtigt würden. Denn die Gerichte könnten die langfristigen Folgen eines Prozessführungsverbots auf zwischenstaatliche Beziehungen schlichtweg nicht absehen.148 Zu niedrige Hürden an den Erlass von anti-suit injunctions steigerten schließlich auch die Gefahr eines Gegenschlags aus dem Ausland in Form einer anti-anti-suit injunction, mit der die Fortführung des US-amerikanischen Verfahrens untersagt wird. Durch ein solches „jurisdictional battle“ würde die anti-suit injunction als Rechtsbehelf erheblich an Wirkungskraft verlieren.149 bb) Der strenge Ansatz Nach dem sog. strict standard kommt der Erlass einer anti-suit injunction lediglich in drei Fällen in Betracht: Wenn dies zum Schutz eines US-amerikanischen Urteils notwendig ist; wenn das auswärtige Verfahren die Fähigkeit des US-amerikanischen Gerichts, ein Urteil in der Sache zu sprechen, beeinträchtigt; sowie dann, wenn ein Prozessführungsverbot zur Verhinderung der Umgehung wesentlicher US-amerikanischer public policies geboten erscheint. Die erhebliche Einschränkung des richterlichen Ermessens im internationalen Rechtsverkehr wird gerechtfertigt mit comityErwägungen, einer Analogie zu den Beschränkungen des Anti-Injunction Act sowie dem Grundsatz, dass man Parallelverfahren in unterschiedlichen Ländern ungestört laufen lassen sollte, bis in einem der Verfahren eine Entscheidung ergeht.150 Die erste Fallgruppe erfasst Situationen, in denen ein US-amerikanisches Gericht in einer bestimmten Angelegenheit bereits eine Entscheidung getroffen hat und eine Partei durch die Anrufung eines ausländischen Gerichts in derselben Angelegenheit den US-amerikanischen Richterspruch nachzuverhandeln versucht. Diese Konstellation entspricht der 148
US Court of Appeals (5th Cir.), 14.02.1996 – Kaepa, Inc. v. Achilles Corp., 76 F.3d 624, 631 (Garza J dissenting); Haq, N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. 22 (1996), S. 365 (385). 149 Haq, N.C.J. Int’l L. & Com. Reg. 22 (1996), S. 365 (387). 150 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 927; US Court of Appeals (2nd Cir.), 11.09.1987 – China Trade and Development Corp. v. M.V. Choong Yong, 837 F.2d 33, 36; US Court of Appeals (6th Cir.), 24.02.1992 – Gau Shan Company, Ltd. v. Bankers Trust Co., 956 F.2d 1349, 1355 f.; US Court of Appeals (3rd Cir.), 04.11.2002 – Stonington Partners, Inc. v. Lernout & Hauspie Speech Products N.V., 310 F.3d 118, 127; US Court of Appeals (1st Cir.), 08.03.2004 – Quaak v. Klynfeld Peat Marwick, 361 F.3d 11, 17 f. Zu dem strikten Ansatz tendieren auch die Gerichte des Eleventh Circuit, vgl. etwa US District Court (M.D. Alabama), 13.10.1992 – Mutual Services Casualty Insurance Co. v. Frit Industries, Inc., 805 F.Supp. 919, 923 f.
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dritten Ausnahme von dem grundsätzlichen anti-suit injunction-Verbot nach 28 U.S.C. § 2283. Das Gebot des ungestörten Laufenlassens von Parallelverfahren ist auch gewahrt, da in der ersten Fallgruppe erst nach Abschluss des US-amerikanischen Verfahrens in der Sache die Fortführung des ausländischen Prozesses untersagt wird.151 Die zweite Fallgruppe, d.h. Prozessführungsverbote zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit eines US-amerikanischen Gerichts, ein Urteil in der Sache zu sprechen, spielt eine wichtige Rolle in Fällen, in denen ein auswärtiges Gericht einer Partei das Weiterbetreiben eines US-amerikanischen Verfahrens untersagt hat.152 Bedeutung erlangte diese Fallgruppe im Zusammenhang mit dem bereits oben erwähnten Zusammenbruch der Laker Airways: Nachdem der englische High Court Laker Airways das Weiterbetreiben eines kartellrechtlichen US-Verfahrens gegen zwei englische Fluggesellschaften verboten hatte, beantragte Laker in den USA den Erlass von anti-suit injunctions, mit denen wiederum den übrigen Airlines das Ersuchen um Prozessführungsverbote in England untersagt werden sollte. Das US-amerikanische Gericht gab dem Antrag von Laker Airways statt. Das Gebot des ungestörten Laufenlassens von Parallelprozessen stünde der Anordnung der anti-suit injunction nicht entgegen, denn dieser Grundsatz solle nur ermöglichen, dass über dieselbe Sache gleichzeitig in unterschiedlichen Ländern verhandelt werden kann. Die Antragsgegner hätten jedoch klar zum Ausdruck gebracht, dass sie kein Interesse an der Austragung der kartellrechtlichen Streitigkeit in England haben, mit der anti-suit injunction des High Court vielmehr lediglich die Beendigung des US-amerikanischen Verfahrens bezwecken. 153 Auch der comity-Gedanke stelle kein Hindernis für die Anordnung des Prozessführungsverbots dar: Die englischen Gerichte könnten nicht mit Rücksichtnahme seitens der USA rechnen, wenn sie zuvor eine anti-suit injunction ausschließlich mit dem Ziel erlassen, ein US-amerikanisches Gericht seiner Befugnis zu berauben, eine gegebene Zuständigkeit auszuüben und über eine Streitigkeit nach US-amerikanischem Recht zu entscheiden.154 151 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 928 (Wilkey J): „Where the injunction is requested after a previous judgment on the merits, there is little interference with the rule favoring parallel proceedings in matters subject to concurrent jurisdiction.“ 152 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 929 f.; US District Court (M.D. Alabama), 13.10.1992 – Mutual Services Casualty Insurance Co. v. Frit Industries, Inc., 805 F.Supp. 919, 924 f. 153 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 930. 154 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 938.
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An das Vorliegen des public policy-Grundes für den Erlass einer antisuit injunction in der dritten Fallgruppe werden hohe Anforderungen gestellt. Zwar seien alle Gesetze der USA Teil der dortigen public policy. Dennoch sei eine ausreichende ordre public-Verletzung nicht allein deswegen gegeben, weil einer Partei nach US-amerikanischem Recht Rechtspositionen zustehen, die ihr vor dem ausländischen Forum nicht gewährt würden. Andernfalls verkäme die anti-suit injunction zu einem ordinären Rechtsmittel und comity-Erwägungen würden nicht ausreichend berücksichtigt.155 Bei der Prüfung des public policy-Grundes sei daher ein ähnlich strenger Maßstab wie bei der Verweigerung der Anerkennung ausländischer Urteile wegen Unvereinbarkeit mit dem inländischen ordre public anzulegen. 156 Die Richter haben insbesondere zu berücksichtigen, wie wichtig die US-amerikanischen Rechtsnormen sind, deren Umgehung im ausländischen Verfahren droht, welche Verbindungen die Parteien im auswärtigen Prozess zu den USA haben und welche Motive hinter der Anrufung des Gerichts im Ausland stehen.157 b) Die Rolle einer Gerichtsstandsvereinbarung bei der Entscheidung über den Erlass einer anti-suit injunction Im Folgenden wird erläutert, ob und unter welchen Voraussetzungen eine anti-suit injunction nach dem liberalen (aa.) und dem strikten Ansatz (bb.) erlassen werden kann, um eine Gerichtsstandsabrede durchzusetzen. aa) Anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Rahmen des liberalen Ansatzes Von den dem lax standard folgenden federal courts hatten sich, soweit ersichtlich, bisher lediglich die Gerichte des Ninth Circuit mit den Kriterien für den Erlass von anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen zu befassen. 158 In den entschiedenen Fällen hatte jeweils eine Partei einer ausschließlichen Prorogation zugunsten Kaliforniens eine unter die Abrede fallende Streitigkeit vor ein ausländisches Gericht gebracht. Den Antrag der im Ausland abredewidrig verklag155 US Court of Appeals (6th Cir.), 24.02.1992 – Gau Shan Company, Ltd. v. Bankers Trust Co., 956 F.2d 1349, 1357. 156 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 931 f. 157 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 931 f.; US Court of Appeals (6th Cir.), 24.02.1992 – Gau Shan Company, Ltd. v. Bankers Trust Co., 956 F.2d 1349, 1358. 158 US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984; US Court of Appeals (9th Cir.), 03.11.2009 – Applied Medical Distribution Co. v. The Surgical Company BV, 2009 U.S. App. LEXIS 24117.
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ten Partei auf Erlass einer anti-suit injunction lehnten die unteren US-amerikanischen Gerichte ab. Der US Court of Appeals (9th Cir.) überprüfte die Entscheidungen unter Heranziehung eines dreistufigen Tests. Zunächst untersuchte das Gericht, ob die in dem in- und ausländischen Forum anhängigen Verfahren dieselbe Streitigkeit zwischen denselben Personen betrafen.159 Sodann wandte sich der US Court of Appeals der Frage zu, ob eine wichtige US-amerikanische policy den Erlass einer anti-suit injunction betreffend das auswärtige Verfahren rechtfertigt. Dieses Erfordernis wurde unter Hinweis auf die Bremen v. Zapata Off-Shore Co.-Entscheidung des US Supreme Court bejaht: Darin sei der Grundsatz aufgestellt worden, dass US-amerikanische Gerichte Zuständigkeitsvereinbarungen zu befolgen haben. Bei abredewidriger Anrufung eines ausländischen Gerichts könne nur eine anti-suit injunction sicherstellen, dass Gerichtsstandsvereinbarungen ihren Zweck erfüllen, Rechtssicherheit über Gerichtsort sowie anwendbares materielles und Verfahrensrecht zu schaffen. Zwar sei nicht auszuschließen, dass das ausländische Gericht von sich aus der Zuständigkeitsabrede Rechnung trägt und eine Entscheidung über die Streitigkeit abweist. Da jedoch unsicher sei, ob überhaupt und wann der Gerichtsstandsvereinbarung auf diese Weise zur Wirkung verholfen werden könnte, sei die Möglichkeit der Erhebung des Unzuständigkeitseinwands im ausländischen Forum kein Hindernis für den Erlass einer antisuit injunction.160 Im letzten Schritt beleuchtete der US Court of Appeals (9th Cir.) die Rolle der international comity für die Entscheidung über die Anordnung eines Prozessführungsverbots: Vereinbaren Parteien, dass ihre Streitigkeiten in einem bestimmten Forum auszutragen sind, und klagt eine Partei vor einem abredewidrigen Gericht, sei das Gebot zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer Staaten durch eine anti-suit injunction grundsätzlich nicht betroffen. Denn diese gerichtliche Maßnahme habe allein die Durchsetzung einer vertraglichen Abrede zwischen den Parteien zum Ziel. Comity-Erwägungen könnten lediglich dann Bedeutung zukommen, wenn nicht Privatpersonen, sondern ein oder mehrere Staaten an der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt oder in der konkreten Streitigkeit involviert sind.161 159 US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984, 991; US Court of Appeals (9th Cir.), 03.11.2009 – Applied Medical Distribution Co. v. The Surgical Company BV, 2009 U.S. App. LEXIS 24117, 13–24. 160 US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984, 991–993; US Court of Appeals (9th Cir.), 03.11.2009 – Applied Medical Distribution Co. v. The Surgical Company BV, 2009 U.S. App. LEXIS 24117, 24–27. 161 US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984, 994 f.; US Court of Appeals (9th Cir.), 03.11.2009 – Applied
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Vergleicht man den eben dargestellten Test mit dem Maßstab, den englische Gerichte der Entscheidung über den Erlass eines Prozessführungsverbots zugrunde legen, treten einige wichtige Unterschiede zu Tage: In England setzt die Anordnung einer contractual anti-suit injunction voraus, dass dem Antragsteller nach dem materiellen Statut der Gerichtsstandsabrede das Recht zusteht, in keinem anderen als dem vereinbarten Forum verklagt zu werden.162 Der US Court of Appeals (9th Cir.) stellt bei seiner Entscheidung dagegen auf die US-amerikanische policy ab, wonach Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich Folge zu leisten ist. Diese policy wird allein mit dem Wunsch der Parteien begründet, durch den Abschluss einer Zuständigkeitsabrede Rechtssicherheit hinsichtlich des Gerichtsortes und des rechtlichen Rahmens für die Austragung eventueller Streitigkeiten zu schaffen. Ob die Gerichtsstandsvereinbarung ein right not to be sued abroad des Antragstellers begründet, spielt aus US-amerikanischer Sicht für die Durchsetzung der Abrede mittels anti-suit injunction daher wohl keine Rolle. Anders als in England dürfte auch die Frage beurteilt werden, ob ein Prozessführungsverbot zum Schutz einer ausschließlichen Prorogation zugunsten drittstaatlicher Gerichte zulässig ist. Im englischen Schrifttum wird eine anti-suit injunction in solchen Fällen durchaus für möglich gehalten.163 Nach dem Test des US Court of Appeals (9th Cir.) setzt der Erlass eines Prozessführungsverbots dagegen stets voraus, dass im In- und Ausland Verfahren über dieselbe Streitigkeit zwischen denselben Parteien anhängig sind. Ist eine Prorogation zugunsten drittstaatlicher Gerichte aus US-amerikanischer Sicht zulässig und wirksam, werden die federal courts jedoch eine Entscheidung in der Sache ablehnen, so dass es an den für die Anordnung einer anti-suit injunction erforderlichen Parallelverfahren fehlen wird. bb) Anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Rahmen des strengen Ansatzes Die Gerichte, die dem strict standard folgen, haben sich – soweit ersichtlich – noch nicht mit der Frage befasst, welche Besonderheiten für den Erlass einer anti-suit injunction gelten, wenn das Verfahren im ausländischen Forum unter Verstoß gegen eine Gerichtsstandsvereinbarung eingeleitet worden ist. In einem Urteil aus dem Jahr 2003 zog der New York Supreme Court, Appelate Division zwar in Erwägung, die Anordnung eines ProzessMedical Distribution Co. v. The Surgical Company BV, 2009 U.S. App. LEXIS 24117, 28 f. 162 S. oben § 8 A. I. 2. a) aa). 163 S. oben § 8 A. I. 2. a) bb) (3).
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führungsverbots betreffend ein abredewidriges Verfahren im Ausland mit der US-amerikanischen policy zu rechtfertigen, wonach Gerichtsstandsvereinbarungen durchzusetzen sind. Ob diese policy den hohen Anforderungen des strict standard genügt, ließ das Gericht jedoch offen und begründete die anti-suit injunction im Ergebnis mit dem Bedürfnis, ein in der Sache ergangenes US-amerikanisches Urteil vor einer Nachverhandlung im auswärtigen Forum zu schützen.164 Hinweise für die mögliche Behandlung der hier interessierenden Konstellation könnte die Rechtsprechung des Second Circuit über anti-suit injunctions betreffend Verfahren im Ausland liefern, die entgegen einer Schiedsvereinbarung eingeleitet wurden. Dies wird zumindest im Schrifttum vorgeschlagen mit der Begründung, dass Schieds- und Gerichtsstandsabreden beide das Ziel verfolgen, die Austragung von Streitigkeiten in bestimmten Fora auszuschließen.165 Ist das ausländische Verfahren entgegen einer Schiedsvereinbarung eingeleitet worden, macht der US Court of Appeals (2nd Cir.) die Entscheidung über den Erlass eines Prozessführungsverbots von zwei Voraussetzungen abhängig: Zunächst wird geprüft, ob im Schiedsverfahren und im ausländischen Prozess dieselben Parteien über dieselbe Angelegenheit streiten.166 Anschließend wendet sich das Gericht der Frage zu, ob das ausländische Verfahren wichtige US-amerikanische public policy gefährdet. Der US Court of Appeals (2nd Cir.) betont dabei die Bedeutung des in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsatzes, wonach US-amerikanische Gerichte Schiedsvereinbarungen zur Wirkung zu verhelfen haben. Ob dieser Grundsatz den Erlass einer anti-suit injunction rechtfertigt, könne jedoch aus Gründen der comity stets erst nach Berücksichtigung der Einzelfallumstände beantwortet werden. Die Anordnung eines Prozessführungsverbots könne etwa ausscheiden, wenn die strittige Frage nach dem Recht des ausländischen Forums zu beurteilen ist, der auswärtige Staat ein starkes Interesse an der Klärung des Rechtsstreits vor seinen Gerichten hat, oder die Parteien keine Verbindungen zu den USA aufweisen, etwa weil es sich dabei um natürliche Personen handelt, die Angehörige eines ausländischen Staates sind oder an der Streitigkeit juristische Personen beteiligt sind, die im Ausland nach ausländischem Recht gegründet worden sind.167 164
New York Supreme Court (Appelate Divison), 17.04.2003 – Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank, 304 A.D.2d 429, 430 f. 165 Tan, Tex. Int'l L. J. 40 (2005), S. 623 (630). 166 US Court of Appeals (2nd Cir.), 25.05.2004 – Paramedics Electromedicina Commercial, LTDA v. GE Medical Systems Information Technologies, Inc., 369 F.3d 645, 652 f.; US Court of Appeals (2nd Cir.), 23.11.2004 – Laif X Sprl. v. Axtel S.A., 390 F.3d 194, 199 f. 167 US Court of Appeals (2nd Cir.), 23.11.2004 – Laif X Sprl. v. Axtel S.A., 390 F.3d 194, 199 f.
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Überträgt man diese Rechtsprechung auf Fälle, in denen das ausländische Gericht unter Verstoß gegen eine ausschließliche Prorogation angerufen worden ist, zeigt sich, dass zwischen dem lax und dem strict standard für die hier untersuchte Problematik keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Zu abweichenden Ergebnissen kann es lediglich deswegen kommen, da im Rahmen des strengen Ansatzes der international comity größere Bedeutung beigemessen wird: Während der lax standard in diesem völkerrechtlichen Rücksichtnahmegebot erst dann ein Hindernis für den Erlass einer anti-suit injunction erblickt, wenn ein ausländischer Staat auf einer Seite der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligt oder sonst in der Streitigkeit involviert ist, kann nach dem strict standard ein Prozessführungsverbot aus comity-Gründen bereits dann ausscheiden, wenn die Parteien der Prorogation keine wesentlichen Verbindungen zu den USA haben. 3. Verfahrensrechtliche Aspekte des Erlasses einer anti-suit injunction Voraussetzung für die Anordnung eines Prozessführungsverbots ist, wie bereits erwähnt, dass das ersuchte US-amerikanische Gericht personal jurisdiction über den Antragsgegner hat.168 Liegt eine auf dieses Gericht lautende Prorogation vor, ist dieses Erfordernis unproblematisch erfüllt. Im Gegensatz zu England stellt eine Gerichtsstandsvereinbarung in den USA nämlich eine eigenständige Zuständigkeitsgrundlage dar. Für die Eröffnung der personal jurisdiction sind daher grundsätzlich weder die Zustellung der Klage noch zusätzliche minimum contacts des Beklagten zum Forum erforderlich.169 Eine anti-suit injunction kann als Entscheidung in der Hauptsache (permanent injunction) oder, wie in der Praxis wohl üblich, als einstweilige Rechtsschutzmaßnahme (preliminary injunction) nach r. 65 (a) Fed.R.Civ.P. ergehen.170 Ist besondere Eile geboten, kann ergänzend zu dem Ersuchen um eine vorläufige oder endgültige anti-suit injunction eine temporary restraining order nach r. 65 (b) Fed.R.Civ.P. beantragt werden. 171 Letztere wird gem. r. 65 (b) (1) Fed.R.Civ.P ohne Anhörung der Gegenseite erlassen, wenn dem Antragsteller ein nicht wieder gutzumachender Schaden droht, würde man dem Antragsgegner Gelegenheit zur Äußerung geben. Die Dauer einer temporary restraining order darf 14 Tage nicht überschreiten, r. 65 (b) (2) Fed.R.Civ.P. Spätestens nach Ablauf dieser Zeit muss dem Antragsgegner in einer mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden. Daraufhin kann die temporary restrai168
S. oben § 8 A. II. 1. b). S. oben § 3 A. II. 1. b) aa) (2) (a). 170 Smith, RIW 1993, S. 802 (803). 171 Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 51 f. 169
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ning order in Form einer preliminary injunction aufrechterhalten werden. Der Erlass einer preliminary injunction oder temporary restraining order erfordert die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung seitens des Antragstellers. Deren Höhe liegt im richterlichen Ermessen und richtet sich gem. r. 65 (c) Fed.R.Civ.P nach den Kosten und möglichen Schäden, die dem Antragsgegner entstehen können, falls sich die Maßnahme im Nachhinein als unbegründet erweist. Die Durchsetzung einer anti-suit injunction erfolgt in den USA – ähnlich wie in England – nach den contempt of court-Regeln. Das Gericht kann eine Geldbuße verhängen und/oder die Inhaftierung der vom Prozessführungsverbot betroffenen Partei anordnen.172 In Betracht kommt auch die Beschlagnahme von in den USA belegenem Vermögen des Vollstreckungsschuldners.173 Unterliegen weder die Person noch das Vermögen des Antragsgegners dem Zugriff der US-amerikanischen Gerichte, kommt zur Durchsetzung der anti-suit injunction lediglich deren Vollstreckung im Ausland in Betracht. Diese ist – wie bereits bei der Darstellung der englischen Rechtslage erläutert – in der Regel nicht erfolgversprechend, da auswärtige Gerichte Prozessführungsverbote als unzulässige Einmischung in ihre Souveränität ansehen und deren Anerkennung wegen ordre public-Verstoßes verweigern.174 Hoffnung für die grenzüberschreitende Durchsetzung von anti-suit injunctions gegen abredewidrig eingeleitete Verfahren im Ausland macht jedoch ein Urteil des Cour de cassation aus dem Jahr 2009: In dem zugrunde liegenden Fall hatten ein US-amerikanisches und ein französisches Unternehmen für Streitigkeiten aus ihrem Vertrag die Zuständigkeit der Gerichte in Georgia, USA vereinbart. Als die US-amerikanische Partei vom Vertrag zurücktrat, erhob das französische Unternehmen Klage vor dem Tribunal de commerce de Nanterre. Die US-amerikanische Partei rügte die Zuständigkeit des französischen Gerichts und erwirkte bei einem Gericht in Georgia den Erlass einer anti-suit injunction, mit der der Gegenseite das Weiterbetreiben des französischen Prozesses untersagt wurde. Das US-amerikanische Unternehmen suchte daraufhin die Anerkennung und Vollstreckung der anti-suit injunction in Frankreich. Die Cour de cassation erklärte das Prozessführungsverbot für anerkennungs- und vollstreckungsfähig. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Anerkennung der anti-suit injunction verletze nicht den inländischen ordre public, da sie allein dem Zweck 172
US Court of Appeals (2nd Cir.), 25.05.2004 – Paramedics Electromedicina Commercial, LTDA v. GE Medical Systems Information Technologies, Inc., 369 F.3d 645, 657 f.; Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 52. 173 Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 52. 174 S. oben § 8 A. I. 2. a) bb) (3).
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diene, einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien zur Wirkung zu verhelfen.175 4. Anerkennung auswärtiger Prozessführungsverbote in den USA nach dortigem Recht Bei der Frage nach der Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit auswärtiger Prozessführungsverbote in den USA gilt es zu unterscheiden zwischen anti-suit injunctions, die aus einem anderen US-Bundesstaat (a.) und solchen, die aus dem Ausland (b.) stammen. a) Anerkennung eines Prozessführungsverbots aus einem anderen US-Bundesstaat Die Anerkennung von Entscheidungen aus anderen US-Bundesstaaten richtet sich nach der sog. full faith and credit clause in Art. IV Sec. 1 USBundesverfassung (28 U.S.C. § 1738). Dieser zufolge sind jedem Urteil aus einem anderen US-Bundesstaat die Wirkungen zu verleihen, die es im Ursprungsstaat hat.176 Obwohl der Wortlaut der full faith and credit-Regel eine uneingeschränkte Anerkennungspflicht vorsieht, wird in der US-amerikanischen Rechtsprechung mehrheitlich die Ansicht vertreten, dass auswärtige antisuit injunctions von dem verfassungsrechtlichen Anerkennungsgebot nicht erfasst sind.177 Die Begründung für diese Auffassung variiert: Manche Gerichte verneinen die Anwendbarkeit von 28 U.S.C. § 1738 mit dem Argument, ein Prozessführungsverbot stelle keine Entscheidung in der Sache dar.178 Andere betonen, die anti-suit injunction binde lediglich die davon 175
Cour de cassation, 1re civ., 14.10.2009, Bull. civ. I n°207 m. Anm. v. Muir Watt, Surprise? Yes and No. 176 Art. IV Sec. 1 US-Bundesverfassung: „Full faith and credit shall be given in each state to the public acts, records, and judicial proceedings of every other state.“ 177 Minnesota Supreme Court, 02.08.1918 – State ex rel. Bossung v. District Court of Hennepin County, 140 Minn. 494; Minnesota Supreme Court, 27.04.1923 – Union Pacific Railroad Co. v. Rule, 155 Minn. 302, 306; Minnesota Supreme Court, 02.11.1923 – Frye v. Chicago, Rock Island & Pacific Railway Co., 157 Minn. 52, 58; Missouri Supreme Court, 27.03.1929 – Kepner v. Cleveland, 322 Mo. 299, 310; Missouri Court of Appeals, 21.05.1934 – Alford v. Wabash Railway Co., 229 Mo. App. 102, 105; Illinois Appelate Court, 24.05.1951 – Kleinschmidt v. Kleinschmidt, 343 Ill. App. 539, 546; Illinois Supreme Court, 18.09.1958 – James v. Grand Trunk Western Railway Co., 14 Ill. 2d 356, 363 f.; New York Supreme Court, 22.08.1960 – Dominick v. Dominick, 26 Misc. 2d 344, 347 f.; Indiana Court of Appeals, 27.03.1978 – Abney v. Abney, 176 Ind. App. 22; US Supreme Court, 13.01.1998 – Baker v. General Motors Corp., 522 U.S. 222, 235 f. Vgl. auch Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 1293. 178 US Supreme Court, 13.01.1998 – Baker v. General Motors Corp., 522 U.S. 222, 536.
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betroffene Partei und lasse die Befugnis eines Gerichts, über die vor ihm erhobene Klage zu befinden, unberührt.179 Aus der Sicht anderer ist eine Pflicht zur Anerkennung auswärtiger Prozessführungsverbote unvereinbar mit dem legitimen Interesse jedes Staats daran, dass seine Gerichte selbst darüber urteilen können, ob es angemessen ist, eine vor ihnen anhängig gemachte Streitigkeit zur Entscheidung anzunehmen.180 Uneinigkeit herrscht darüber, welche Folgen sich aus der Nichtanwendbarkeit der full faith and credit-Regel ergeben. Ein Teil der Gerichte verneint grundsätzlich die Anerkennungsfähigkeit einer auswärtigen anti-suit injunction.181 Andere zeigen sich dagegen unter Berufung auf comity-Erwägungen durchaus bereit, Prozessführungsverbote aus anderen US-Bundesstaaten Wirkung zu verleihen und das eigene Verfahren bis zur Entscheidung des auswärtigen Gerichts auszusetzen.182 Gerichte, die letzterer Auffassung folgen, entscheiden über die Anerkennung einer anti-suit injunction aus einem anderen Bundesstaat unter Berücksichtigung unterschiedlicher Faktoren. Geprüft wird zum einen, ob das auswärtige Forum über ausreichende Bezugspunkte zu den Parteien und der fraglichen Streitigkeit verfügt. 183 Bedeutung wird außerdem der Frage beigemessen, wo der Rechtsstreit zuerst anhängig war: Wurde zunächst das die Unterlassungsanordnung erlassende Gericht angerufen, stellt dies einen gewichtigen Grund für die Anerkennung der anti-suit injunction dar. 184 Wurde 179 Illinois Appelate Court, 24.05.1951 – Kleinschmidt v. Kleinschmidt, 343 Ill. App. 539, 546; New York Supreme Court, 22.08.1960 – Dominick v. Dominick, 26 Misc. 2d 344, 347. 180 Indiana Court of Appeals, 27.03.1978 – Abney v. Abney, 176 Ind. App. 22. 181 Minnesota Supreme Court, 02.08.1918 – State ex rel. Bossung v. District Court of Hennepin County, 140 Minn. 494; Minnesota Supreme Court, 27.04.1923 – Union Pacific Railroad Co. v. Rule, 155 Minn. 302, 305; Minnesota Supreme Court, 02.11.1923 – Frye v. Chicago, Rock Island & Pacific Railway Co., 157 Minn. 52, 23; Illinois Court of Appeals, 02.12.1925 – Allen v. Chicago Great Western Railroad Co., 239 Ill. App. 38, 43 f.; Missouri Supreme Court, 27.03.1929 – Kepner v. Cleveland, 322 Mo. 299, 310. 182 Mississippi Supreme Court, Oktober 1916 – Fisher v. Pacific Mutual Life Ins. Co., 112 Miss. 30, 34; Illinois Court of Appeals, 02.12.1925 – Allen v. Chicago Great Western Railroad Co., 239 Ill. App. 38, 44; Alabama Supreme Court, 15.05.1930 – Hall v. Mulligan, 221 Ala. 233, 235; Mississippi Supreme Court, 27.02.1939 – Equitable Life Assurance Soc. of US v. Gex' Estate, 184 Miss. 577, 598 f.; Illinois Appelate Court, 24.05.1951 – Kleinschmidt v. Kleinschmidt, 343 Ill. App. 539, 546; Indiana Court of Appeals, 27.03.1978 – Abney v. Abney, 176 Ind. App. 22. 183 Mississippi Supreme Court, Oktober 1916 – Fisher v. Pacific Mutual Life Ins. Co., 112 Miss. 30, 34; Mississippi Supreme Court, 27.02.1939 – Equitable Life Assurance Soc. of US v. Gex' Estate, 184 Miss. 577, 598 f. 184 Illinois Court of Appeals, 02.12.1925 – Allen v. Chicago Great Western Railroad Co., 239 Ill. App. 38, 44; Illinois Appelate Court, 24.05.1951 – Kleinschmidt v. Kleinschmidt, 343 Ill. App. 539, 546, 553.
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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dagegen zuerst Klage in dem vom Prozessführungsverbot betroffenen Forum erhoben, wird die Anerkennung in der Regel verweigert.185 In der hier untersuchten Konstellation, dass erst nach Einleitung eines Verfahrens in einem abredewidrigen Gericht am vereinbarten Gerichtsstand eine anti-suit injunction beantragt und erwirkt wird, ist die Anerkennung des Prozessführungsverbots im forum derogatum somit unwahrscheinlich. Erfolglos wird auch der Versuch bleiben, ein im Urteilsstaat verhängtes Ordnungsgeld zur Vollziehung der anti-suit injunction, in einem anderen Bundesstaat durchzusetzen. Denn in den USA gilt der Grundsatz, dass gerichtliche Entscheidungen, die zur Zahlung von Geldbußen an einen Bundesstaat verurteilen, in einem anderen Bundesstaat nicht der Anerkennung und Vollstreckung zugänglich sind.186 b) Anerkennung eines Prozessführungsverbots aus dem Ausland Im Rahmen der Untersuchung der Frage, wie ausländische Prozessführungsverbote in den USA behandelt werden, richtet sich der Fokus zunächst auf die gegenwärtige Rechtslage (aa.). Anschließend wird erörtert, ob und welche Konsequenzen die Verabschiedung des vom ALI erarbeiteten Vorschlags für einen Foreign Judgments Recognition and Enforcement Act (Final Draft April 11, 2005) [im Folgenden: ALI Draft Statute 2005] für die Durchsetzung auswärtiger anti-suit injunctions in den USA haben könnte (bb.). aa) Die aktuelle Rechtslage Ausländische Urteile unterfallen im Gegensatz zu Urteilen aus anderen Bundesstaaten nicht dem full faith and credit-Gebot. 187 Auf die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung auswärtiger Judikate wenden die Bundesgerichte in den praktisch wichtigsten diversity cases – unter Heranziehung der Erie-Doktrin – das Recht des Bundesstaats an, in dem sie ihren
185 Missouri Court of Appeals, 21.05.1934 – Alford v. Wabash Railway Co., 229 Mo. App. 102, 105; Illinois Appelate Court, 06.12.1937 – Taylor v. The Atchison, 292 Ill. App. 457, 462; Illinois Supreme Court, 18.09.1958 – James v. Grand Trunk Western Railway Co., 14 Ill. 2d 356, 366. Indiana Court of Appeals, 27.03.1978 – Abney v. Abney, 176 Ind. App. 22, 27 (Sullivan J): „This approach is based on the policy that after suits are commenced in one state, it is inconsistent with inter-state harmony to let the courts of another state control their prosecution. The court which first obtains jurisdiction of the case should ordinarily be permitted to retain it until the cause is finally adjudicated, without interference from the courts of other states.“ 186 § 483 comments a., b. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986). 187 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 1011; Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 195; Miller, Geo. J. Int’l L. 35 (2004), S. 239 (244).
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Sitz haben.188 In einem Teil der Einzelstaaten richtet sich die Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach common law-Grundsätzen, in anderen treten ergänzend die einzelstaatlichen Umsetzungen des Uniform Recognition Act 1962 bzw. des Uniform Recognition Act 2005 hinzu. 189 Die beiden Regelwerke sind Modellgesetze, die von der NCCUSL zwecks Annäherung der Anerkennungsregeln der Bundesstaaten erarbeitet worden sind.190 Trotz zahlreicher Abweichungen im Detail weisen die einzelstaatlichen Grundsätze in ihren Kernanforderungen an die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen große Ähnlichkeiten auf. Das hat seinen Grund darin, dass die in den unterschiedlichen Bundesstaaten geltenden common law-Regeln auf ein und dasselbe Urteil des US Supreme Court, nämlich Hilton v. Guyot191 zurückgehen. Auf den darin entwickelten Prinzipien bauen auch die Uniform Recognition Acts 1962 und 2005 auf.192 Die Uniform Recognition Acts 1962 und 2005 sind für die Durchsetzung eines ausländischen Prozessführungsverbots in den USA irrelevant, denn sie erfassen lediglich auswärtige Entscheidungen, die auf die Zahlung eines Geldbetrags gerichtet sind.193 Der Begriff des Geldleistungstitels erstreckt sich nicht auf eine Verurteilung zur Zahlung einer Strafe an einen ausländischen Staat.194 Die Uniform Recognition Acts 1962 und 2005 finden daher keine Anwendung auf auswärtige Judikate, die zur Vollziehung einer anti-suit injunction – etwa wie in England – die Zahlung eines Ordnungsgeldes an den ausländischen Staat verhängen. Die Durchsetzbarkeit von auswärtigen Prozessführungsuntersagungen richtet sich folglich nach common law. Anhaltspunkte dafür, welche Grundsätze insoweit zu beachten sind, enthält das bereits oben erwähnte Urteil des US Court of Appeals (D. Columbia Cir.) in der Sache Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines.195 In der Entscheidung über 188
§ 481 comment a. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986); Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 1011 f., 1040; Miller, Geo. J. Int’l L. 35 (2004), S. 239 (251); Bermann, Litigation, 2003, S. 332 f. 189 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 1012; Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 195; Berlin, B.Y.U. Int’l & Mgmt. Rev. 3 (2006), S. 43 (51 f.). 190 Miller, Geo. J. Int’l L. 35 (2004), S. 239 (252). S. zu den Aufgaben der NCCUSL oben Fn. 242. 191 US Supreme Court, 03.06.1895 – Hilton v. Guyot, 159 U.S. 113. 192 Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 1014 f.; Berlin, B.Y.U. Int’l & Mgmt. Rev. 3 (2006), S. 43 (52). 193 Vgl. sec. 1 (2) Uniform Act 1962, Sec. 3 (a) (1) Uniform Act 2005. 194 Vgl. sec. 1 (2) Uniform Act 1962, Sec. 3 (b) (2) Uniform Act 2005. 195 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909.
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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den Antrag von Laker auf Erlass einer Anordnung, die der belgischen Fluggesellschaft Sabena das Prozessieren in England untersagt, ging das Gericht auf die Frage ein, ob und welche Auswirkungen die in England durch British Airways und British Caledonian erwirkten anti-suit injunctions haben, mit denen Laker vorläufig die Fortführung des US-amerikanischen Verfahrens verboten wurde. Der US Court of Appeals wies zunächst darauf hin, dass die Anerkennung ausländischer Judikate und somit auch die von auswärtigen Prozessführungsverboten, wie bereits in Hilton v. Guyot ausgeführt, weitgehend durch die international comity bestimmt wird.196 Die international comity erfordere grundsätzlich, dass man Parallelverfahren im In- und Ausland ungestört laufen lässt. Daher seien USamerikanische Gerichte prinzipiell befugt, einem auswärtigen Prozessführungsverbot, welches mittelbar in ein vor ihnen anhängiges Verfahren eingreift, keine Wirkung zu verleihen.197 Bei der Entscheidung darüber, ob comity-Erwägungen im konkreten Fall ausnahmsweise die Anerkennung der auswärtigen anti-suit injunctions rechtfertigten, stellte der US Court of Appeals auf drei Kriterien ab: Einem Prozessführungsverbot könne in den USA zum einen dann Wirkung verliehen werden, wenn es dem Schutz einer im Ausland ergangenen Entscheidung dient, deren Rechtskraft in einem US-amerikanischen Parallelverfahren geltend gemacht werden kann. Denn in einer solchen Situation greift das Gebot des ungestörten Laufenlassens von Parallelprozessen, mit dem die grundsätzliche Unbeachtlichkeit auswärtiger anti-suit injunctions in den USA begründet wird, nicht mehr.198 Bedeutung sei des Weiteren der Frage beizumessen, wo der Rechtsstreit zuerst anhängig war: Wurde das die anti-suit injunction erlassende ausländische Gericht erst nach Verfahrenseinleitung in den USA angerufen, ist die Anerkennung des Prozessführungsverbots unwahrscheinlich. Das auswärtige Gericht hätte in einem solchen Fall durch die Entscheidung über die Annahme der Streitigkeit trotz der anderweitigen Rechtshängigkeit in den USA zum Ausdruck gebracht, dass es auf das US-amerikanische Verfahren keine Rücksicht nehmen will. Gewähren die Gerichte eines Staates selbst keine comity, könnten sie nicht erwarten, dass auf ihre Interessen durch Gerichte anderer Staaten Rücksicht genommen wird.199 196 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 933 f., 937. 197 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 933 f. 198 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 939. 199 US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 939 f.
– Laker Airways Ltd. v. – Laker Airways Ltd. v. – Laker Airways Ltd. v. – Laker Airways Ltd. v.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Ob einer auswärtigen anti-suit injunction in den USA Wirkung zu verleihen ist, hängt außerdem davon ab, inwieweit Belange des ausländischen Staates durch die konkrete Streitigkeit berührt seien. Die Beteiligung des auswärtigen Staates als Partei an dem Rechtsstreit bzw. das Vorliegen eines schwerwiegenden Interesses dieses Staates an dem Ausgang der Streitigkeit könnten im Einzelfall die Anerkennung eines ausländischen Prozessführungsverbots rechtfertigen. 200 Nach Abwägung der genannten Faktoren kam der US Court of Appeals zu dem Ergebnis, dass die durch British Airways und British Caledonian in England erwirkten interim antisuit injunctions in den USA nicht anerkennungsfähig sind. Die obigen Kriterien wurden zwar im Zusammenhang mit einstweiligen auswärtigen Prozessführungsverboten entwickelt. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, sie nicht gleichermaßen zur Entscheidung über die Anerkennung endgültiger Unterlassungsgebote aus dem Ausland heranzuziehen, zumal der US Court of Appeals an keiner Stelle in dem Urteil eine differenzierende Behandlung von interim and permanent anti-suit injunctions angedeutet hat. Vergleicht man die in Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines entwickelten Grundsätze für die Durchsetzung auswärtiger antisuit injunctions mit den in England insoweit geltenden Regeln, besteht der wohl wichtigste Unterschied darin, dass in den USA grundsätzlich auch einstweilige Prozessführungsverbote aus dem Ausland anerkannt werden können. Diese Besonderheit wird sich jedoch in der hier untersuchten Konstellation, dass eine Partei abredewidrig in einem US-amerikanischen oder ausländischen Gericht klagt, und die Gegenseite anschließend Verfahren vor dem prorogierten Gericht einleitet und dieses erfolgreich um den Erlass einer anti-suit injunction ersucht, im Ergebnis nicht auswirken. Die Durchsetzung des ausländischen Prozessführungsverbots wird nämlich regelmäßig daran scheitern, dass das die anti-suit injunction erlassende prorogierte Gericht später als das dadurch mittelbar betroffene abredewidrige Gericht angerufen wurde. Ausscheiden wird auch die Vollstreckung eines auswärtigen Titels, mit dem zur Vollziehung einer anti-suit injunction die Zahlung von Ordnungsgeld an den ausländischen Staat verhängt worden ist. Denn die in den Uniform Recognition Acts 1962 und 2005 anerkannte Beschränkung, dass ausländischen Geldleistungsurteilen mit Strafcharakter keine Wirkung beizumessen ist, gilt auch im common law.201
200
US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909, 942. 201 § 481 comments a., b. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986).
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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bb) Die Rechtslage unter Berücksichtigung des ALI Draft Statute 2005 Im Gegensatz zu den Uniform Recognition Acts 1962 und 2005 ist nach dem ALI Draft Statute 2005, dem Entwurf eines Bundesgesetzes durch das ALI zur einheitlichen Regelung der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 202 , prinzipiell auch die Anerkennung von injunctions möglich. Gemäß § 2 (b) (ii) ALI Draft Statute 2005 steht es den US-amerikanischen Gerichten frei, derartige ausländische Entscheidungen anzuerkennen, soweit die sonstigen Voraussetzungen des Draft Statute erfüllt sind. Ein Blick auf die übrigen Regeln des ALI Draft Statute 2005 zeigt jedoch, dass die erhöhte Bereitschaft zur Anerkennung von injunctions auswärtiger Gerichte nicht gegenüber anti-suit injunctions aus dem Ausland besteht. Gemäß § 5 (c) (iv) ALI Draft Statute 2005 braucht eine ausländische anti-suit injunction, die einer Partei das Prozessieren in den USA verbietet, nicht anerkannt zu werden, wenn die USA das besser geeignete Forum für die Austragung der konkreten Streitigkeit darstellen. 203 Die Kommentierung der Regel spricht dafür, diese – über ihren Wortlaut hinaus – als grundsätzlichen Anerkennungsvorbehalt gegenüber anti-suit injunctions aus dem Ausland aufzufassen.204 § 5 (c) (iv) ALI Draft Statute 2005 könnte daher auch zur Versagung der Anerkennung einer ausländischen Anordnung herangezogen werden, welche einer Partei die Fortführung eines außerhalb der USA laufenden Prozesses verbietet. Nach dem ALI Draft Statute 2005 ist es somit unwahrscheinlich, dass US-amerikanische Gerichte einer ausländischen anti-suit injunction Wirkung verleihen werden. Erfolglos dürfte nach dem ALI Draft Statute 2005 in der Regel auch der Versuch einer Partei bleiben, ein im Ausland zur Vollstreckung eines Prozessführungsverbots erwirktes Ordnungsgeld in den USA durchzusetzen. Zwar ist die Anerkennung von ausländischen Entscheidungen, die eine Geldstrafe festsetzen, gem. § 2 (b) (i) ALI Draft Statute 2005 grundsätzlich möglich. Angesichts des grundsätzlichen Anerkennungsvorbehalts gegen202
Vgl. zu dem Gesetz Rühl, RIW 2006, S. 192. § 5 (c) ALI Draft Statute 2005: „A foreign judgment need not be recognized or enforced in a court in the United States if the party resisting recognition or enforcement establishes that: (iv) the judgments results from a proceeding undertaken with a view to frustrating a claimant’s opportunity to have the claim adjudicated in a more appropriate court in the United States, whether by an anti-suit injunction or restraining order, by a declaration of nonliability, or by other means.“ 204 ALI, Final Draft on Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, 2005, § 5 comment l (S. 67): „Though directed to parties, an anti-suit injunction in many instances has the effect of frustrating the proceedings of the court that should hear and determine the controversy. Accordingly [§ 5, d. Verf.] subsection (c)(iv) of the Act provides that an anti-suit injunction need not be recognized or enforced in the United States.“ 203
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
über ausländischen anti-suit injunctions ist jedoch kaum zu erwarten, dass US-amerikanische Gerichte eine zur Vollstreckung eines auswärtigen Prozessführungsverbots verhängte Sanktion durchsetzen werden.
III. Gerichtliche Prozessführungsverbote im deutschen Recht Im Gegensatz zu England und den USA genießen die Richter in Deutschland keinen Ermessensspielraum, der es ihnen erlaubt, zur Verhinderung von „Ungerechtigkeiten“ einer Partei das Prozessieren im Ausland zu untersagen. Der Erlass eines Prozessführungsverbots erfordert vielmehr einen materiellrechtlichen Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung des auswärtigen Verfahrens (1.). Unterschiede zu dem anglo-amerikanischen Rechtsraum bestehen teilweise auch hinsichtlich der Ausgestaltung des verfahrensrechtlichen Rahmens (2.) und der Beurteilung der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Untersagung eines Prozessierens im Ausland (3.) sowie in der Behandlung der Frage, unter welchen Voraussetzungen einem auswärtigen Prozessführungsverbot in Deutschland Wirkung verliehen werden kann (4.). 1. Anspruch auf Unterlassung des Prozessierens im Ausland Der Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung der Einleitung oder Fortführung eines abredewidrig eingeleiteten Verfahrens im Ausland kann vertraglicher (a.) oder deliktischer (b.) Natur sein. a) Vertragliche Unterlassungsansprüche Haben die Parteien die internationale Zuständigkeit eines anderen als des im Ausland angerufenen Gerichts vereinbart, kann sich ein Anspruch auf Unterlassung der Verfahrensfortführung im forum derogatum aus der Zuständigkeitsabrede selbst ergeben. Die Frage, ob ein derartiger Anspruch besteht und mittels Prozessführungsverbots durchgesetzt werden kann, ist von den deutschen Gerichten – soweit ersichtlich – bisher noch nicht bejaht worden. In der Literatur wird die Problematik kontrovers diskutiert. Es herrscht zwar weitgehend Einigkeit darüber, dass unter Rückgriff auf die lex fori prorogati zu bestimmen ist, ob eine ausschließliche Zuständigkeitsvereinbarung die Parteien verpflichtet, kein anderes als das gewählte Gericht anzurufen. Der Verpflichtungsinhalt einer Gerichtsstandsvereinbarung ergänzt die verfügende Wirkung der Abrede, so dass es gerechtfertigt erscheint, beide Aspekte einem einheitlichen Recht zu unterwerfen.205 205
Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (533 f.); Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 70; Jasper, Forum shopping, 1990, 127; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 202; Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 358; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001,
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Divergierend beurteilt wird jedoch die Frage, ob eine Prorogation zugunsten deutscher Gerichte nach deutschem Recht die Pflicht der Parteien begründet, von der Vereinbarung erfasste Streitigkeiten lediglich vor inländische Gerichte zu bringen. Nach einer Ansicht haben Gerichtsstandsvereinbarungen lediglich Verfügungscharakter, sie begründen eine nicht bestehende Zuständigkeit (positive Verfügungswirkung) bzw. schließen eine nach den allgemeinen Regeln eröffnete Zuständigkeit aus (negative Verfügungswirkung). 206 Neben diese Verfügungswirkung trete nur dann ein Verpflichtungsgehalt, wenn die Parteien explizit eine entsprechende Abrede getroffen haben.207 Dieser Auffassung steht eine in letzter Zeit im Vormarsch befindliche Ansicht gegenüber, wonach ausschließliche internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nicht nur zuständigkeitsverändernden Charakter haben, sondern darüber hinaus grundsätzlich die Pflicht der Parteien begründen, in keinem anderen als dem vereinbarten Forum zu klagen.208 Die jeweilige Argumentation der differierenden Auffassungen dreht sich um den Wortlaut von § 38 ZPO und die Systematik der Zuständigkeitsvorschriften im autonomen deutschen Verfahrensrecht (aa.), die S. 97 f. A.A. Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (55), der das Bestehen einer verpflichtenden Wirkung als Problem der Interpretation der Zuständigkeitsabrede ansieht und das Auslegungsstatut für maßgeblich erachtet. 206 Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 40, 95 f., 100; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen, 1967, S. 23; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 34–37; Kornblum, FamRZ 1973, S. 416 (421 f.); Kropholler, in: Herrmann/ Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 168; Smith, RIW 1993, S. 802 (809); Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 255–259, 269; Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (56); Schack, ZZP 116 (2003), S. 130 (131); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S. 769–771; Hausmann, in: FS Lorenz, 1991, S. 358 (361); Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 38 Rn. 47; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (334 f.); Staudinger/Hausmann, 13. Bearb. 2002, Art. 27–37 EGBGB Anh. II, Punkt a.; Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 210 f.; Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 96 f.; wohl auch de Lousanoff, ZZP 105 (1992), S. 111 (114); Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (27); differenzierend Sandrock, RIW 2004, S. 809 (115 f.). 207 Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 255–259, 269; Kropholler, in: Herrmann/ Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 168; Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (27). 208 Hellwig, Zivilprozeßrechtlicher Vertrag, 1968, S. 60 f.; Schlosser, Justizkonflikt, 1985, S. 37; Schlosser, in: FS Lindacher, 2007, S. 111 (116–119); Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (531–533); Götz, Zivilrechtliche Ersatzansprüche, 1989, S. 134 f.; Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 63–67; Gottwald, in: FS Henckel, 1995, S. 294 (307 f.); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 203; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 85–87; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 167 f.; Jasper, Forum shopping, 1990, S. 126 f.; Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt, 1986, S. 3, S. 52; Lenenbach, Loy. L.A. Int’l & Comp. L.J. 20 (1998), S. 257 (284–286); Eichel, AGBGerichtsstandsklauseln, 2007, S. 224 f.; Hess, EuZPR, 2010, S. 318.
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Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen (bb.) sowie die Frage nach dem hypothetischen Willen der Parteien (cc.). aa) Wortlaut von § 38 ZPO und Gesetzessystematik – Argumente gegen eine verpflichtende Wirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen? Gegen die Annahme einer verpflichtenden Wirkung wird zum einen der Wortlaut von § 38 I S. 1 ZPO angeführt. Dort heißt es, dass durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ein an sich unzuständiges Gericht „zuständig wird“. Das Gesetz spricht damit lediglich die Verfügungswirkung der Zuständigkeitsabrede an; von einer Pflicht, kein anderes als das prorogierte Gericht anzurufen, ist keine Rede.209 Inwieweit dem Wortlaut von § 38 ZPO für die hier interessierende Problematik Bedeutung beigemessen werden kann, ist allerdings fraglich. Die Rechtsnorm wurde für Abreden über die örtliche Zuständigkeit entworfen. Aufgrund der Besonderheiten des deutschen Verfahrensrechts erscheint es durchaus angemessen, solchen Prorogationen lediglich zuständigkeitsverändernde Wirkung zuzusprechen: Einigen sich zwei deutsche Parteien auf einen Gerichtsstand in Passau und klagt eine Seite abredewidrig in Hamburg, hat sich das Gericht in Hamburg aufgrund des zwingenden Charakters der deutschen Zuständigkeitsvorschriften ohnehin für unzuständig zu erklären und gem. § 281 I S. 1 ZPO den Rechtsstreit an das gewählte Passauer Gericht zu verweisen. Letzteres ist an die Verweisung gem. § 281 II S. 4 ZPO gebunden. Die Durchsetzung der Prorogation ist folglich durch ihre verfügende Wirkung sowie die Verpflichtung des abredewidrigen Gerichts zur Verweisung und als Gegenstück die Pflicht des vereinbarten Gerichts zur Annahme der Streitigkeit gesichert. Die Anerkennung eines verpflichtenden Charakters ist überflüssig. Anders gestaltet sich die Lage jedoch, wenn in dem obigen Fall auf einer Seite der Gerichtsstandsvereinbarung eine ausländische Partei beteiligt ist, und diese abredewidrig vor einem nichtdeutschen Gericht Klage erhebt. Wie anhand des englischen und US-amerikanischen Rechts gezeigt wurde, ist die verfügende Wirkung von Zuständigkeitsabreden im internationalen Vergleich keine Selbstverständlichkeit. Ausländische Gerichte genießen häufig Ermessen in der Frage, ob sie einer Gerichtsstandsvereinbarung Folge leisten. 210 Eine Pflicht zur Verweisung an das prorogierte Gericht existiert im internationalen Verkehr ebenfalls nicht. Aufgrund dieser Unterschiede zwischen grenzüberschreitenden und rein internen Konstellationen kann dem Wortlaut des für letztere Fälle entworfenen 209
Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 556 f. Für die Rechtslage in England und den USA s. oben § 3 A. I. 2. b), § 3 A. II. 2. a) aa) (b). 210
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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§ 38 ZPO kein Gewicht bei der Beurteilung der Frage beigemessen werden, ob Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach deutschem Recht einen verpflichtenden Charakter haben. Die Vertreter des Schrifttums, die einen Verpflichtungsinhalt von Gerichtsstandsvereinbarungen ablehnen, führen außerdem an, solchen Abreden eine Pflicht beizumessen, hätte zur Folge, dass diesen eine stärkere Wirkung als gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeiten zukäme. Eine derartige „Bevorzugung“ von Zuständigkeitsabreden sei in der ZPO jedoch nicht angelegt.211 Dieses Argument spricht ebenfalls nicht zwingend gegen die Annahme eines verpflichtenden Charakters. Die Anrufung eines Gerichts unter Verstoß gegen eine Gerichtsstandsabrede ist „etwas prinzipiell Eigenständiges“ 212 , so dass es nicht abwegig erscheint, der vereinbarten ausschließlichen Zuständigkeit einschneidendere Rechtsfolgen als der gesetzlichen ausschließlichen Zuständigkeit beizumessen. bb) Die Rechtsnatur von Gerichtsstandsvereinbarungen – ein Argument gegen eine verpflichtende Wirkung? Dass Prorogationen eine verpflichtende Wirkung fehlt, begründen manche auch mit der Charakterisierung solcher Abreden als Prozessverträge: Solche Vereinbarungen bezögen sich ausschließlich auf prozessuale Aspekte, hier nämlich die internationale Zuständigkeit, und ließen die Ebene des materiellen Rechts stets unberührt.213 Beispiele aus der deutschen Rechtsprechung zeigen jedoch, dass Prozessverträgen durchaus eine verpflichtende Wirkung zukommen kann. Zu erwähnen sind etwa der Klagerücknahmevertrag 214, die Vereinbarung über die Rücknahme von Rechtsmitteln215 sowie die Abrede über den Verzicht auf künftige Rechtsmittel 216. Interessant für die Beurteilung der hiesigen Problematik ist auch die Behandlung von Schiedsabreden, die mit Gerichtsstandsvereinbarungen insoweit vergleichbar sind, als durch beide – wenn auch in unterschiedlichem Grade – staatliche Gerichtsbarkeit ausgeschlossen wird: Aus Sicht der deutschen Gerichte begründen solche Pro211
Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S. 770; Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 258; Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 210. 212 Schlosser, in: FS Lindacher, 2007, S. 111 (119). 213 Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozess, 1935, S. 40, 100. Ähnlich auch Naumann, Anti-suit injunctions, 2008, S. 96. 214 RG, 01.06.1921 – V 82/21, RGZ 102, 217; RG, 06.02.1939 – IV 220/38, RGZ 159, 186; BGH, 18.12.1963 – IV ZR 263/63, BGHZ 41, 3. 215 RG, 20.12.1928 – VIII 240/28, RGZ 123, 84. 216 BGH, 10.05.1951 – IV ZB 26/51, BGHZ 2, 112; BGH, 10.03.1956 – IV ZR 336/55, BGHZ 20, 198; BGH, 25.06.1958 – IV ZR 75/58, BGHZ 28, 45; BGH, 14.11.1983 – IVb ZR 1/82, NJW 1984, S. 805.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
zessverträge die Pflicht der Parteien, von der Schiedsklausel erfasste Forderungen vor das vereinbarte Schiedsgericht und nicht – sei es nur im Rahmen einer Aufrechnung oder einer Vollstreckungsgegenklage – vor staatliche Gerichte zu bringen.217 Ist im deutschen Recht die verpflichtende Wirkung von Prozessverträgen grundsätzlich anerkannt, kann aus der Rechtsnatur der Gerichtsstandsvereinbarung folglich kein Argument gegen die Annahme eines Verpflichtungsinhalts internationaler Prorogationen abgeleitet werden.218 cc) Hypothetischer Parteiwille – ein Argument für oder gegen einen Verpflichtungsinhalt von Gerichtsstandsvereinbarungen? Bieten Wortlaut von § 38 ZPO, Systematik und Rechtsnatur der Gerichtsstandsvereinbarung keine eindeutigen Anhaltspunkte für die Beurteilung des Vorhandenseins eines Verpflichtungsinhalts, bleibt zu fragen, welche Wirkungen dem hypothetischen Willen von Parteien entsprechen, die im internationalen Rechtsverkehr Prorogationen abschließen. Gegen die Annahme einer verpflichtenden Wirkung wird angeführt, sie entspreche nicht dem Interesse der Parteien, weil letztere ausreichend geschützt seien durch die Möglichkeit des Einwands der Unzuständigkeit im auswärtigen Forum und den Ausschluss der Anerkennung eines ausländischen Urteils gem. § 328 I Nr. 1 ZPO, wenn dieses unter Nichtbeachtung einer entgegenstehenden Zuständigkeitsvereinbarung erlassen wurde. 219 Wollten die Parteien ein Mehr an Schutz vor abredewidriger Verfahrenseinleitung vereinbaren, sei von ihnen eine ausdrückliche Festlegung der Verpflichtungswirkung zu erwarten, zumal internationale Gerichtsstandsvereinbarungen in der Praxis meist von rechtlich versierten Kaufleuten abgeschlossen würden.220 Zur Begründung ihrer Position führen die Gegner einer verpflichtenden Wirkung außerdem Beispiele aus dem deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr an: Sandrock argumentiert etwa, US-amerikanischen Parteien könne bei der ausschließlichen Prorogation deutscher Gerichte im Regelfall nicht unterstellt werden, die Pflicht eingehen zu wollen, in keinem anderen als dem vereinbarten Forum zu klagen. Denn sie gingen gewöhnlich davon aus, 217
BGH, 22.11.1962 – VII ZR 264/61, BGHZ 38, 254 (258); BGH, 03.12.1986 – IVb ZR 80/85, BGHZ 99, 143 (147). 218 Lenenbach, Loy. L.A. Int’l & Comp. L.J. 20 (1998), S. 257 (286 f.); Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 85 f.; Schlosser, in: FS Lindacher, 2007, S. 111 (114 f., 118). 219 Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen, 1967, S. 23; de Lousanoff, ZZP 105 (1992), S. 111 (118); Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (56); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S. 770. 220 Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 258.
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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dass ihnen die Befugnis verbleibe, die betreffende Zuständigkeitsabrede vor ihren Heimatgerichten auf ihre Gültigkeit noch einmal überprüfen zu lassen. Etwas anderes könne nur in Fällen angenommen werden, in denen Wirksamkeit und Überprüfungsfähigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung Gegenstand der Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien waren, und der deutsche Vertragspartner vor diesem Hintergrund darauf vertrauen durfte, von der Prorogation erfasste Streitigkeiten lediglich im gewählten Forum austragen zu müssen.221 Wagner ergänzt die Parteierwartungen um die American rule of costs: Die US-amerikanische Vertragsseite gehe gewöhnlich davon aus, bei der Klage vor einheimischen Gerichten dem Gegner die Anwaltskosten nicht ersetzen zu müssen. Mit diesem Vertrauen sei die Annahme einer verpflichtenden Wirkung von einer Prorogation zugunsten deutscher Gerichte nicht zu vereinbaren. Denn die Verletzung einer solchen Pflicht hätte Schadensersatzansprüche gegen die US-amerikanische Seite zur Folge, die wegen der im deutschen Recht geltenden Kostenregeln nach §§ 91 ff. ZPO die American rule of costs im Ergebnis aufheben würden.222 Die obigen Argumente für die These, dass eine verpflichtende Wirkung von internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen dem hypothetischen Parteiwillen nicht entspreche, können nicht überzeugen. Die Möglichkeit, die internationale Zuständigkeit des angerufenen ausländischen Gerichts unter Hinweis auf die entgegenstehende Gerichtswahlabrede zu rügen, bietet häufig keine ausreichende Abhilfe. Dies gilt zum einen für Länder, in denen wie in England und den USA, die Anerkennung einer Zuständigkeitsabrede im richterlichen Ermessen steht. 223 Wenig Schutz bietet die Rüge zum anderen in Rechtsordnungen, in denen ausschließliche Prorogationen zugunsten ausländischer Gerichte von vornherein keinerlei Wirkung beigemessen wird.224 Ein vollwertiger Schutzmechanismus kann auch nicht in der Versagung der Anerkennung eines Urteils des abredewidrigen Gerichts nach § 328 I Nr. 1 ZPO erblickt werden. Verfügt die im forum derogatum verklagte Partei dort über Vermögen, in das ein Richterspruch zu ihren Lasten vollstreckt werden kann, bleibt ihr die Verteidigung vor dem an sich abgewählten ausländischen Gericht nicht erspart. Das von Wagner angeführte Argument des Parteivertrauens ist ebenfalls zurückzuweisen. Er ist nicht ersichtlich, wieso man im internationalen Rechtsverkehr auf Erwartungen abstellen sollte, die sich allein aus nationalen Rechtsvorstellungen speisen. Wer sich in internationale Gewässer be221
Sandrock, RIW 2004, S. 809 (815 f.). Wagner, Prozeßverträge, 1998, S. 257. 223 S. oben § 3 A. I. 2. b), § 3 A. II. 2. a. aa) (1) (b). 224 Das ist beispielsweise in vielen arabischen Staaten der Fall. Vgl. Lenenbach, Loy. L.A. Int’l & Comp. L.J. 20 (1998), S. 257 (285) und Krüger, RIW 1979, S. 737 (737). 222
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
gibt, kann nicht damit rechnen, nur mit Regelungen aus seinem Heimathafen konfrontiert zu werden. Zeigt man sich bereit, durch das heimische Recht geprägte Erwartungen zu berücksichtigen, muss man konsequenterweise die Vorstellungen aller Vertragspartner ermitteln und entscheiden, welches Vertrauen schutzwürdiger ist. Dies kann jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereiten: Denn im Gegensatz zu grenzüberschreitenden Kauf-, Dienstleistungs- und Werkverträgen, bei denen eine Seite – nämlich der Verkäufer, Dienstverpflichtete bzw. Werkunternehmer – typischerweise das stärkere Interesse an der Anwendbarkeit der eigenen Rechtsordnung hat, ist es bei internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen kaum möglich, von vornherein auszumachen, welche Seite das schutzwürdigere Vertrauen darauf hat, dass die aus ihrem Heimatrecht bekannten Rechtsprinzipien auch vor auswärtigen Gerichten Beachtung finden. Die von Sandrock entwickelte Lösung der Frage, welches Vertrauen bei Prorogationen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr schutzwürdiger ist, überzeugt jedenfalls nicht. Es leuchtet nicht ein, wieso dann, wenn Parteien zugunsten deutscher Gerichte prorogiert haben, und die Überprüfungsfähigkeit der Klausel vor US-amerikanischen Gerichten nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen war, das Vertrauen der US-amerikanischen Seite, ihre Heimatgerichte anrufen zu können, für die Entscheidung über den verpflichtenden Charakter der Gerichtsstandsvereinbarung ausschlaggebend sein soll. Die Argumentation von Sandrock übersieht außerdem einen wichtigen Aspekt: Zwar mag eine US-amerikanische Partei davon ausgegangen sein, dass ihr die Befugnis zusteht, die heimischen Gerichte über die Gültigkeit einer Zuständigkeitsabrede zugunsten Deutschlands entscheiden zu lassen. Sie kann jedoch keinesfalls erwartet haben, „ungestört“ in einem anderen als dem vereinbarten Forum Klage zu erheben. Denn US-amerikanische Gerichte reagieren auf ein abredewidriges Prozessieren im Ausland – wie bereits oben gezeigt – häufig mit dem Erlass eines an die Klägerin im forum derogatum gerichteten Verbots der Fortführung des dortigen Verfahrens. Berücksichtigt man diese Besonderheit, können die Erwartungen US-amerikanischer Parteien nicht als schwerwiegendes Argument gegen die Annahme einer verpflichtenden Wirkung internationaler Prorogationen angeführt werden. Aufgrund der obigen Ausführungen erscheint es angemessen, bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens nach Interessen zu fragen, die unabhängig von nationaler Herkunft sind. Ausschlaggebendes Motiv für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung im internationalen Rechtsverkehr ist forum planning: Durch die Festlegung des Gerichtsorts für die Austragung eventueller Streitigkeiten wollen Parteien Gewissheit über das in prozessualer sowie materieller Hinsicht maßgebliche Recht gewinnen und damit das Prozessrisiko und den Wert ihrer Verträge insgesamt
§ 8: Gerichtliches Prozessführungsverbot
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abschätzbar machen. Der Abschluss einer Zuständigkeitsabrede soll außerdem verhindern, dass eine Partei die andernfalls bestehenden Möglichkeiten des forum shopping dazu ausnutzt, erpresserische Klagen in einem für die andere Seite „ungünstigen“ Forum zu erheben, um auf letztere Vergleichsdruck aufzubauen. Diesen Interessen kann nur dann ausreichend Rechnung getragen werden, wenn man Zuständigkeitsvereinbarungen für möglichst viele im internationalen Rechtsverkehr denkbare Szenarien absichert. Die Durchsetzung einer Gerichtsstandsabrede ist insbesondere gefährdet, sobald Klage in einem Forum erhoben wird, in welchem ausländische Prorogationen nicht anerkannt oder ihnen kein zuständigkeitsverändernder Charakter zugesprochen wird. Rechtsordnungen, in denen dies der Fall ist, sind im internationalen Vergleich – wie bereits gezeigt – keine Seltenheit. In solchen Konstellationen, in denen das Risiko groß ist, dass einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht zur Geltung verholfen wird, kann eine Verpflichtung Abhilfe schaffen: Die abredewidrig verklagte Partei könnte dann vor deutschen Gerichten ein Prozessführungsverbot erwirken und dieses mittels Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland durchsetzen. Außerdem hätte sie unter Umständen die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche wegen Nichteinhaltung der Abrede geltend zu machen und Kompensation für die Nachteile zu erhalten, die ihr durch die Klage im forum derogatum entstanden sind. Solche Optionen könnten darüber hinaus schon im Vorfeld einen gewissen Abschreckungseffekt vor Klagen im abredewidrigen Forum entfalten. Die verpflichtende Wirkung kann folglich die Planungssicherheit erhöhen und die Missbrauchsgefahr durch abredewidriges Prozessieren reduzieren, entspricht daher der auf beiden Seiten vorhandenen Motivation für den Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Rechtsverkehr.225 Eine ausschließliche Prorogation zugunsten deutscher Gerichte begründet im deutschen Recht nach hier vertretener Ansicht somit die Pflicht der Parteien, die Einleitung oder Fortführung eines ausländischen Verfahrens über Streitigkeiten, die von der Abrede erfasst sind, zu unterlassen. b) Deliktische Unterlassungsansprüche Verneint man die Existenz einer vertraglichen Verpflichtung der Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung, die Fortführung des von ihr abredewidrig in einem auswärtigen Forum eingeleiteten Verfahrens zu unterlassen – etwa, weil eine solche Pflicht der maßgeblichen ausländischen lex fori prorogati fremd ist oder weil man entgegen der hier vertretenen Ansicht 225
Vgl. auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 224; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 86.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
davon ausgeht, dass bei deutscher lex fori prorogati eine derartige Verpflichtung generell nicht gegeben ist – kann sich eine solche Pflicht möglicherweise aus Delikt ergeben. Als Anspruchsgrundlagen kommen im deutschen Recht insbesondere § 823 I BGB und § 826 BGB in Betracht.226 aa) Anwendbarkeit deutschen Deliktsrechts Ob diese Normen nach deutschem Kollisionsrecht zur Anwendung kommen, bestimmt sich in Fällen, in denen das schadensbegründende Ereignis, d.h. die Erhebung der abredewidrigen Klage, vor dem 11.01.2009 liegt, gem. Art. 31 f. Rom II-VO nach Art. 40 f. EGBGB. Für Verfahren, die an oder nach diesem Tag unter Verstoß gegen eine ausschließliche Prorogation eingeleitet wurden, sind dagegen die Vorschriften der Rom II-VO zu beachten.227 Gemäß Art. 40 I S. 1 EGBGB unterliegen deliktische Ansprüche dem Recht des Handlungsorts. Besteht die maßgebliche Handlung im Betreiben eines Prozesses, liegt der Handlungsort im Forum der Prozessführung.228 Bei einem Prozess im Ausland lässt sich ein zusätzlicher Handlungsort in Deutschland nicht durch die Klagezustellung im Inland begründen, denn diese stellt eine unbeachtliche Vorbereitungshandlung dar. 229 Gemäß § 40 I S. 2 EGBGB kann der Verletzte jedoch – innerhalb der durch S. 3 der Norm bestimmten Frist – die Anwendung des Rechts am Erfolgsort verlangen. Dieser liegt dort, wo sich das unmittelbar betroffene Rechtsgut zur Zeit der Verletzung befindet. 230 Der Erfolgsort i.S.v. § 40 I S. 2 EGBGB wird folglich in Deutschland liegen, wenn durch die Prozessführung im Ausland hier in ein nach § 823 I BGB verletztes Rechtsgut, etwa einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, eingegriffen wurde.231 Im Rahmen von § 826 BGB, wo es der Verletzung eines Rechtsguts i.S.v. § 823 I BGB nicht bedarf, vielmehr die Entstehung eines Vermögensschadens Tatbestandsmerkmal des Delikts ist, liegt der Erfolgsort in
226 § 823 II BGB scheidet als Anspruchsgrundlage aus, da die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit keine Schutzgesetze im Sinne der Norm darstellen, Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 204 (Fn. 73). Zu möglichen wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen vgl. Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 102–109. 227 Vgl. MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 31, 32 Rom II-VO Rn. 3 f. 228 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 204; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 114. 229 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 204; Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (536 f.); Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 114; a.A. RG, 03.03.1938 – IV 224/37, RGZ 157, 136 (137 f.). 230 Kropholler, IPR, 6. Aufl. 2006, S. 523. 231 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 204.
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Deutschland, wenn hier der betroffene Vermögenswert bzw. das Hauptvermögen, die sog. „Vermögenszentrale“ des Geschädigten belegen ist.232 Liegt im Einzelfall auch der Erfolgsort nicht in Deutschland, ist fraglich, ob deutsches Recht durch eine akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts nach der Auflockerungsregel von Art. 41 II Nr. 1 EGBGB zur Anwendung kommen kann. Nach dieser unterliegen deliktische Ansprüche, die im Zusammenhang mit einer rechtlichen Beziehung zwischen den Beteiligten stehen, dem für diese Beziehung maßgeblichen Recht. Als rechtliche Beziehung i.S.v. Art. 41 II Nr. 1 EGBGB kommt insbesondere eine vertragliche Sonderbeziehung in Betracht233. In den hier untersuchten Konstellationen wäre somit die Anknüpfung deliktischer Ansprüche an das Statut der Gerichtsstandsvereinbarung denkbar, mit der Folge, dass §§ 823, 826 BGB bei einem deutschen Prorogationsstatut, d.h. insbesondere in Fällen einer Prorogation zugunsten deutscher Gerichte zur Anwendung kämen. Die akzessorische Anknüpfung nach Art. 41 II Nr. 1 EGBGB setzt jedoch voraus, dass zwischen der Zuständigkeitsabrede und dem deliktischen Schuldverhältnis ein Zusammenhang besteht. Ein Zusammenhang im Sinne der Kollisionsnorm ist nur dann gegeben, wenn das schädigende Ereignis auf der Verletzung einer Pflicht beruht, die sich aus der vertraglichen Sonderbeziehung ergibt. 234 Die Anwendung von §§ 823, 826 BGB kommt bei einer Klage entgegen einer Prorogation zugunsten deutscher Gerichte somit nur dann in Betracht, wenn man – wie hier vertreten – davon ausgeht, dass eine Zuständigkeitsabrede nach deutschem Recht die Pflicht der Parteien begründet, in keinem anderen als dem designierten Forum zu klagen. Verneint man die Existenz einer solchen Verpflichtung, kommt die Anwendung deutschen Deliktsrechts nur dann in Betracht, wenn der Erfolgsort i.S.v. Art. 40 I S. 2 EGBGB in Deutschland liegt. Zu demselben Ergebnis kommt man auch bei Anwendung der Rom IIVO. Ist der sachliche Geltungsbereich der Verordnung nach deren Art. 1 eröffnet, unterstellt Art. 4 I Rom II-VO außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen dem Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist. Der Ort des Schadenseintritts meint nach überwiegender Auffassung im Schrifttum den Erfolgsort i.S. der deutschen Terminologie, d.h. den Ort der Rechtsgutsverletzung. 235 Entscheidend ist somit, ob in Deutschland in ein nach § 823 I BGB verletztes Rechtsgut eingegriffen 232
Paulus, in: FS Georgiades, 2006, S. 511 (525); Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 204; ähnlich Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 204. 233 MünchKomm-BGB/Junker, 4. Aufl. 2004, Art. 41 EGBGB Rn. 16; v. Hoffmann/ Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 495. 234 MünchKomm-BGB/Junker, 4. Aufl. 2004, Art. 41 EGBGB Rn. 21. 235 MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 4 Rom II-VO Rn. 20; Huber/Bach, IPRax 2005, S. 73 (76).
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wurde. Im Rahmen von § 826 BGB kommt es darauf an, ob hier das betroffene Vermögen bzw. das Hauptvermögen des Geschädigten belegen ist.236 Liegt der Ort des Schadenseintritts im Einzelfall nicht in Deutschland, kann möglicherweise nach der Auflockerungsregel von Art. 4 III S. 2 Rom II-VO deutsches Deliktsrecht zur Anwendung kommen. Voraussetzung dafür ist, dass die unerlaubte Handlung in enger Verbindung mit einem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis steht, das deutschem Recht unterliegt. Als ein solches Rechtsverhältnis kommt eine auf deutsche Gerichte lautende Prorogation in Betracht. Es stellt sich somit hier ähnlich wie im Rahmen von Art. 41 II Nr. 1 EGBGB die Frage, wann nach Art. 4 III S. 2 Rom II-VO die Erhebung einer abredewidrigen Klage in engem Zusammenhang mit der missachteten Zuständigkeitsabrede steht. Diese Problematik ist unter Bezugnahme auf den Sinn und Zweck der Auflockerungsregel zu lösen: Die akzessorische Bindung des Deliktsstatuts an das Vertragsstatut soll gewährleisten, dass in Fällen, in denen vertragliche Schadensersatzansprüche mit deliktischen zusammentreffen, die Ansprüche nach ein und derselben Rechtsordnung beurteilt werden. 237 Die Beurteilung nach einem einheitlichen Recht erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn die unerlaubte Handlung zugleich eine vertragliche Verpflichtung verletzt. Ein derart enges Verständnis des Verbindungsbegriffs nach Art. 4 III S. 2 Rom II-VO scheint auch vor dem Hintergrund der Forderung der EU-Kommission geboten, im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung von der Auflockerungsvorschrift möglichst zurückhaltend Gebrauch zu machen 238 . Die deliktische Haftung einer Partei, die unter Missachtung einer auf deutsche Gerichte lautenden Prorogation geklagt hat, wird sich folglich nur dann gem. Art. 4 III S. 2 Rom II-VO nach deutschem Recht richten, wenn man aus der Gerichtsstandsabrede die Pflicht der Parteien ableitet, in keinem anderen als dem designierten Forum zu klagen. bb) Anspruch aus § 823 I BGB auf Erlass eines Prozessführungsverbots bei abredewidriger Klage? § 823 I BGB schützt nur bestimmte Rechte und Rechtsgüter gegen Verletzungen. Die prorogationswidrige Anrufung auswärtiger Gerichte wird in der Regel kaum zu einer Schädigung von Leben, Körper, Gesundheit und Eigentum des im Ausland Beklagten führen. Die Verfahrenseinleitung im Ausland könnte jedoch ein „sonstiges Rechts“ i.S.v. § 823 I BGB verletzen. 236
MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 4 Rom II-VO Rn. 21. MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 4 Rom II-VO Rn. 51. 238 KOM(2003) 427 endgültig S. 13. 237
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Diskutiert wird im deutschen Schrifttum insbesondere ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.239 Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wurde in der Rechtsprechung anerkannt, um bestehende Lücken in dem durch delikts- und wettbewerbsrechtliche Vorschriften gewährleisteten Schutz von Unternehmen zu schließen, und greift daher nur dann ein, wenn der fragliche Sachverhalt nicht bereits von einer gesetzlichen Bestimmung erfasst ist.240 Das Recht am Gewerbebetrieb schützt das Unternehmen nicht nur in seinem Bestand, sondern in allen seinen Erscheinungsformen, d.h. auch in seinen Außenbeziehungen wie etwa Ansehen, Ruf, Kundenkreis und Geschäftsbeziehungen. 241 Eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb setzt stets einen betriebsbezogenen Eingriff in das Unternehmen voraus: Die schädigende Handlung muss gerade gegen den Gewerbebetrieb als solchen gerichtet sein und darf nicht nur sonstige, ohne weiteres vom Gewerbebetrieb ablösbare Rechte und Rechtsgüter betreffen, die ebenso Privatpersonen zustehen können.242 Bisher hat die deutsche Rechtsprechung einen betriebsbezogenen Eingriff durch Rechtsverfolgung vor staatlichen Gerichten allein im Fall der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung angenommen.243 Eine solche liegt vor, wenn eine Partei unter Berufung auf ein ihr in Wahrheit nicht zustehendes Immaterialgüterrecht eine andere Partei auf Unterlassung ihrer gewerblichen Tätigkeit auf einem bestimmten Gebiet verklagt. 244 Teile des 239 Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 106–110; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 184–189; Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 83–85; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (337 f.). 240 BGH, 05.11.1962 – I ZR 39/61, NJW 1963, S. 531, 532; BGH, 21.12.1970 – II ZR 133/68, NJW 1971, S. 886 (887 f.). Das Subsidiaritätsdogma greift nicht bei vorsätzlichen Eingriffen, da das Recht am Gewerbetrieb als Auffangtatbestand hauptsächlich für fahrlässige Eingriffe geschaffen wurde, BGH, 16.06.1977 – III ZR 179/75, NJW 1977, S. 1875 (1877). Ausführlich hierzu Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 BGB Rn. D 20–D 23 241 BGH, 26.10.1951 – I ZR 8/51, NJW 1952, S. 660; BGH, 09.12.1958 – VI ZR 199/57, NJW 1959, S. 479; BGH, 10.07.1963 – I b 214/62, NJW 1964, S. 29. S. auch Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 BGB Rn. D 9. 242 BGH, 09.12.1958 – VI ZR 199/57, NJW 1959, S. 479 (480); BGH, 04.02.1964 – VI ZR 25/63, NJW 1964, S. 720 (722); BGH, 21.12.1970 – II ZR 133/68, NJW 1971, S. 886 (888). Ausführlich hierzu Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 BGB Rn. D 11– D 19. 243 Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 107. Ausführlich zu der deliktischen Haftung bei unberechtigter Klage wegen Schutzrechtsverletzung Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 BGB Rn. D 57–D 61. 244 BGH, 05.11.1962 – I ZR 39/61, NJW 1963, S. 531; BGH, 12.08.2004 – I ZR 98/02, GRUR 2004, S. 958; BGH, 21.12.2005 – X ZR 72/04, GRUR 2006, S. 219; OLG
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deutschen Schrifttums möchten darüber hinaus eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb bei jeder unbegründeten Klage im Ausland anzunehmen, wenn durch die Klageerhebung der Ruf des beklagten Unternehmens beeinträchtigt wird und ein Verlust vorhandener oder potentieller Kunden droht.245 Im Gegensatz zu der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung bzw. der Erhebung einer unbegründeten Klage im Ausland ist allein die Einleitung eines Verfahrens in einem abredewidrigen Forum nicht geeignet, die Fortführung eines Betriebs des Beklagten (zeitweise) zu gefährden oder den Ruf des letzteren zu schädigen. Mangels betriebsbezogenen Eingriffs scheidet eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb in den hier untersuchten Konstellationen folglich aus. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird im Schrifttum lediglich für Fälle erwogen, in denen ein Prozess in den USA betrieben wird und sich das dort übliche pre-trial discovery-Verfahren auf den persönlichen Lebensbereich des Beklagten erstreckt. 246 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit und wird unmittelbar aus Art. 1, 2 I GG sowie aus der EMRK abgeleitet.247 Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist anzunehmen, wenn im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller betroffenen Belange festgestellt wird, dass der Eingriff widerrechtlich erfolgte.248 Bei der Beurteilung des Vorliegens eines unbefugten Eingriffs durch Prozesseinleitung und Betreiben von pre-trial discovery in den USA weist das deutsche Schrifttum darauf hin, dass es sich bei der discovery um ein staatlich vorgegebenes Verfahren handelt, gegen dessen Missbrauch im USamerikanischen Zivilprozessrecht Schutzmechanismen vorgesehen sind, die gewährleisten, dass der Schutz der Persönlichkeit nicht einseitig den Belangen einer Partei untergeordnet wird. Schafft das US-Prozessrecht nach Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz einer Partei und den Belangen der anderen Prozessbeteiligten im Einzelfall keine Abhilfe gegen eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sei dies im Düsseldorf, 25.03.2004 – 2 U 151/02, (juris); Staudinger/Hager, 13. Bearb. 1999, § 823 BGB Rn. D 50. 245 Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 83–85, der zur Begründung auf eine angebliche Parallele solcher Fälle zur unberechtigten Schutzrechtsklage hinweist. Kritisch hierzu Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 108. 246 Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 108; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 184 f. 247 BGH, 14.02.1958 – I ZR 151/56, NJW 1958, S. 827; BGH, 19.09.1961 – VI ZR 259/60, NJW 1961, S. 2059. 248 BGH, 20.01.1981 – VI ZR 163/79, NJW 1981, S. 1366; BGH, 10.11.1994 – I ZR 216/92, NJW-RR 1995, S. 301 (303 f.).
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Rahmen von § 823 I BGB hinzunehmen und eine auf dieser Norm basierte Abwehr gegen den ausländischen Prozess abzulehnen.249 Aus den obigen Ausführungen ist zu folgern, dass allein die Einleitung eines Verfahrens an einem anderen als dem ausschließlich prorogierten Gerichtsstand nicht ausreichend ist, um einen Anspruch der dort verklagten Partei auf Unterlassung des abredewidrigen Prozessierens nach § 823 I BGB zu begründen. cc) Anspruch aus § 826 BGB auf Erlass eines Prozessführungsverbots bei abredewidriger Klage? § 826 BGB setzt voraus, dass durch eine sittenwidrige Handlung ein Schaden zugefügt wurde. Erforderlich ist außerdem auf den Schadenseintritt gerichteter Vorsatz, der auch die Umstände erfassen muss, die die Sittenwidrigkeit begründen. In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, dass der Erlass eines Verbots der Fortführung eines ausländischen Verfahrens grundsätzlich auf § 826 BGB gestützt werden kann (1). Unklar ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen die Einleitung eines auswärtigen Prozesses als sittenwidrig im Sinne der Vorschrift anzusehen ist. In der Literatur befasst man sich nur allgemein mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Anrufung eines ausländischen Gerichts sittenwidrig sein kann (2). Ausgehend von diesen ist zu untersuchen, wann die Klage vor einem derogierten ausländischen Gericht als sittenwidrig einzuordnen ist (3). (1) Prinzipielle Eignung von § 826 BGB als Grundlage für Erlass eines Verbots der Fortführung eines ausländischen Verfahrens Mit der Frage, ob sich aus § 826 BGB ein Anspruch auf Unterlassung einer Prozessführung im Ausland begründen lässt, hat sich in der deutschen Rechtsprechung bisher – soweit ersichtlich – lediglich das Reichsgericht befasst. 250 In dem fraglichen Fall hatte ein deutscher Staatsangehöriger, nachdem seine Scheidungsklagen in Deutschland erfolglos geblieben waren, sein Scheidungsbegehren vor lettischen Gerichten erneut zu erreichen gesucht. Diese bejahten ihre internationale Zuständigkeit aufgrund des Zweitwohnsitzes des Klägers in Riga. Das lettische IPR folgte damals ebenfalls dem Wohnsitzgrundsatz, so dass auf die Scheidung lettisches Eherecht anzuwenden gewesen wäre, das die Lösung der Ehe nach dreijähriger Trennung gestattete. Im Gegensatz dazu wäre nach deutschem Kollisionsrecht allein deutsches Scheidungsrecht anzuwenden gewesen, 249
Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 110; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 185. 250 Vgl. RG, 03.03.1938 – IV 224/37, RGZ 157, 136.
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das dem ehebrüchigen Ehemann einen Scheidungsanspruch gegen die unschuldige Frau verweigerte. Die Ehefrau begehrte vor deutschen Gerichten die Verurteilung des Ehemannes zur Rücknahme der in Lettland erhobenen Scheidungsklage und Erstattung der für die Rechtsverteidigung in Riga aufgewendeten Anwalts- und Gerichtskosten. Das OLG Köln sah den Tatbestand von § 826 BGB durch die Verfahrenseinleitung in Lettland als erfüllt an und gab der Klage der Ehefrau statt. Das RG bestätigte diese Entscheidung und führte aus, „dass es gegen die im deutschen Volk herrschenden sittlichen Anschauungen verstößt, wenn ein deutscher und in Deutschland wohnhafter Ehegatte unter Missachtung der deutschen Gesetze einen von ihm in einem ausländischen Staate nebenher begründeten Wohnsitz und eine ausländische Gesetzgebung, die anders als das deutsche Recht den Scheidungsanspruch ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Ehegatten lediglich nach dem am ausländischen Wohnsitz des Scheidungsklägers geltenden Recht beurteilt, dazu ausnutzt, vor einem ausländischen Gericht zum Schaden des anderen Ehegatten eine Scheidung herbeizuführen, die ihm nach den für ihn maßgebenden deutschen Gesetzen versagt ist.“251 Die Anrufung eines Gerichts im Ausland kann folglich eine sittenwidrige Schädigung i.S.v. § 826 BGB darstellen, wenn der Kläger damit materielles deutsches Recht umgeht. Auch wenn diese Entscheidung in der Literatur teilweise auf Kritik stieß252 und in der deutschen Rechtsprechung bislang keine Nachahmung gefunden hat, geht das Schrifttum davon aus, dass eine Unterlassungsklage bzgl. eines im Ausland eingeleiteten Verfahrens prinzipiell auf § 826 BGB gestützt werden kann.253 (2) Allgemeine Voraussetzungen für die Sittenwidrigkeit einer Klageerhebung im Ausland: Der gegenwärtige Stand der Diskussion Es herrscht Einigkeit darüber, dass die Inanspruchnahme auswärtiger Gerichte nicht allein deswegen als sittenwidrig anzusehen ist, weil das im 251
RG, 03.03.1938 – IV 224/37, RGZ 157, 136 (140). Reu, ZAkDR 1938, S. 731; Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 173. 253 Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 170–175; Stürner, in: Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt, 1986, S. 3, S. 53; Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (539–543); Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 96–101; Baum, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des IZVR, 1994, S. 185 (195 f.); Koch, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des IZVR, 1994, S. 85 (98 f.); Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S. 775–778; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 206–210; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 123– 127; Paulus, in: FS Georgiades, 2006, S. 511; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 195– 203. 252
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auswärtigen Forum anwendbare Prozess- bzw. materielle Recht für den Kläger günstiger und für die Gegenseite nachteiliger als die vor deutschen Gerichten maßgeblichen Vorschriften ist. Denn es ist verständlich und legitim im internationalen Rechtsverkehr danach zu streben, Streitigkeiten in dem für die Durchsetzung der eigenen Interessen am besten erscheinenden Forum auszutragen. 254 Die entscheidende Frage im Rahmen von § 826 BGB ist daher, wann die Grenze eines zulässigen forum shopping überschritten ist und ein sittenwidriges Ausnutzen der Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Gerichtsständen vorliegt.255 Zur Behandlung dieser Problematik ziehen manche Stimmen in der Literatur die Grundsätze heran, die für die Handhabung von § 826 BGB in rein nationalen Konstellationen entwickelt worden sind.256 Laut BGH kann die Inanspruchnahme staatlicher Gerichte nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eine sittenwidrige Schädigung darstellen. Sittenwidrigkeit sei insbesondere dann anzunehmen, wenn eine Partei das staatliche Verfahren zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht. Davon sei etwa auszugehen, wenn das Verfahren mit unlauteren Mitteln betrieben wird, also beispielsweise ein Prozessbetrug begangen wurde oder gerichtliche Handlungen erschlichen wurden. Die bewusste Geltendmachung eines unberechtigten Begehrens reiche hierfür hingegen noch nicht. Hinzutreten müssten vielmehr besondere Umstände, die sich „aus der Art und Weise der Prozesseinleitung oder -durchführung ergeben und das Vorgehen als sittenwidrig prägen“.257 Der für § 826 BGB erforderliche Schädigungsvorsatz erfordert nach Auffassung des BGH das Bewusstsein, dass „das Handeln die ernstliche Möglichkeit des schädigenden Erfolgs haben werde.“258 Paulus überträgt diese Grundsätze auf den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr und sieht die Voraussetzungen eines Erschleichens gerichtlicher Handlungen als erfüllt an, wenn der Kläger sich bei der Wahl zwischen einem deutschen und einem ausländischen Gerichtsort für letzteren entscheidet, obwohl nach prozessualen Gesichtspunkten und sämtlichen Zweckmäßigkeitserwägungen der Prozess vor deutsche Gerichte gehört.259 Zur Veranschaulichung, wann der Tatbestand von § 826 BGB er-
254 Vgl. dazu Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 1095–1100; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 251 f. 255 Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 170; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 206. 256 Paulus, in: FS Georgiades, 2006, S. 511. 257 BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934 (1935). Vgl. auch BGH, 11.11.2003 – VI ZR 371/02, NJW 2004, S. 446 (447 f.). 258 BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934 (1935). 259 Paulus, in: FS Georgiades, 2006, S. 511 (518 f.); Paulus, RIW 2006, S. 258 (259 f.).
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füllt ist, führt er folgenden Beispielfall an 260 : Zwei Angestellte eines deutschen, weltweit tätigen Unternehmens ziehen nach Beendigung eines Internetprojekts für ihren deutschen Arbeitgeber in die USA, um dort – immer noch als Angestellte des deutschen Unternehmens – in einem anderen Tätigkeitsbereich neue Aufträge zu erfüllen. Als das Unternehmen später durch den Verkauf des Internetprojekts einen erheblichen Gewinn erwirtschaftet, an dem die beiden Angestellten nicht mehr beteiligt sind, verklagen sie das Unternehmen in den USA mit der Begründung, dieses hätte ihnen eine angemessene Beteiligung zugesichert. Die Klage vor USamerikanischen Gerichten überschreitet nach Paulus die Sittenwidrigkeitsgrenze, da der Fall „auch bei lebhaftestem Phantasieaufwand so gut wie keinen Bezug zu den Vereinigten Staaten erkennen lässt“261: Alle Parteien sind Deutsche, der Vertrag ist in Deutschland abgeschlossen und hier im Wesentlichen erfüllt worden, außerdem befinden sich alle in Frage kommenden Zeugen in Deutschland. Der kürzlich begründete Wohnsitz der Kläger in den USA rechtfertigt aus Sicht von Paulus eine andere Beurteilung des Falls nicht: Sofern keine verbraucherschützenden Erwägungen greifen, widerspreche die Anknüpfung einer Vertragsstreitigkeit an den Wohnsitz des Arbeitnehmers dem allgemeinen Grundsatz prozessualen Denkens, dass das sachnächste Gericht entscheiden sollte.262 Aus Sicht von Hau und Köster ist die Verfahrenseinleitung vor einem auswärtigen Gericht dagegen dann als sittenwidrig anzusehen, wenn das Verhalten des Auslandsklägers schikanös ist: Davon sei auszugehen, wenn sich aus den Fallumständen ergibt, dass die klagende Partei kein legitimes Interesse an der Einleitung des auswärtigen Prozesses hat und letzterer lediglich der Schädigung des Beklagten dient.263 (3) Anforderungen an die Sittenwidrigkeit einer Klageerhebung im Ausland bei Derogation des auswärtigen Forums? Zurück zu der hier interessierenden Frage, wann die Anrufung eines ausländischen Gerichts unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung als sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB anzusehen ist. Was lässt sich aus den zuvor dargestellten Grundsätzen für die Behandlung dieser Problematik folgern?
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Hierbei handelt es sich um einen tatsächlich eingetretenen Fall, über den in der deutschen Presse viel berichtet wurde. Vgl. Spiegel, Bertelsmann; Manager Magazin, Bertelsmann I; Manager Magazin, Bertelsmann II. 261 Paulus, RIW 2006, S. 258 (259). 262 Paulus, in: FS Georgiades, 2006, S. 511 (519). 263 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 208 f.; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 125 f.
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Allein aus der Tatsache, dass aus Sicht der deutschen Gerichte das auswärtige Forum abredewidrig angerufen wurde, dürfte sich noch kein Sittenwidrigkeitsvorwurf ableiten lassen. Denn häufig wird der Kläger deswegen vor ein ausländisches Gericht ziehen, weil er sich an die entgegenstehende Gerichtsstandsabrede nicht gebunden fühlt, da er sie für unwirksam, nicht ausschließlich oder die konkrete Streitigkeit nicht erfassend hält. Aufgrund der komplizierten rechtlichen Fragen, die sich bei der Beurteilung dieser Aspekte stellen können, ist das Risiko einer Fehleinschätzung des Klägers insoweit groß, so dass in der Einleitung des ausländischen Verfahrens nicht ohne weiteres Schikane und Missbrauch zu Schädigungszwecken erblickt werden können. Die Anrufung des ausländischen Gerichts wird selbst dann nicht als sittenwidrig einzuordnen sein, wenn der abredewidrige Kläger das ausländische Verfahren eingeleitet hat, obwohl er positive Kenntnis von der Zulässigkeit und Wirksamkeit der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung hatte. Wie sich der oben erläuterten BGH-Rechtsprechung entnehmen lässt, ist die Grenze von § 826 BGB nicht allein wegen der bewussten Geltendmachung eines unberechtigten Begehrens erreicht. Denn das Verfahrensrecht selbst sieht Mechanismen vor, die es dem Gericht erlauben, die verklagte Partei vor unbegründeten Klagen zu schützen. Ein zusätzlicher Schutz durch das Deliktsrecht muss daher auf enge Ausnahmefälle begrenzt bleiben. Diese Überlegungen treffen auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zu. Denn die ausländischen Prozessrechte stellen den beklagten Parteien durchaus Möglichkeiten zur Verfügung, sich gegen eine unzulässige oder unbegründete Klage zu wehren. Es erscheint somit angemessen, in Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung auch in grenzüberschreitenden Fällen das Vorliegen besonderer Umstände aus der Einleitung und/oder Durchführung des Prozesses zu fordern, um das Verhalten des Klägers als sittenwidrig einzuordnen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob solche Umstände – wie von Paulus vorgeschlagen – allein deswegen angenommen werden können, weil das ausländische Forum über keinerlei Verbindungen zu dem Streitgegenstand verfügt. Denn auch in solchen Fora bietet das örtliche Prozessrecht üblicherweise ausreichende Möglichkeiten für den Beklagten, die Unzuständigkeit geltend zu machen. Dringt er mit seinem Einwand nicht durch, so ist es letztlich nicht dem Kläger, sondern dem angerufenen Gericht bzw. dem örtlichen Recht zuzuschreiben, dass die Klage angenommen wird. Der Gang zum abredewidrigen ausländischen Gericht kann daher nur dann als sittenwidrig bezeichnet werden, wenn der Kläger gezielt ein Forum aussucht, dessen Prozessrecht Gerichtsstandsvereinbarungen nicht anerkennt bzw. deren Geltendmachung nicht gestattet. In solchen Fällen ist zu vermuten, dass der Kläger das ausländische Gericht nicht aus Zweifeln
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an Wirksamkeit oder Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung aufsucht, sondern weil es ihm primär darum geht, die Zuständigkeitsabrede auszuhebeln. 2. Verfahrensrechtliche Aspekte des Erlasses eines Prozessführungsverbots Entfaltet eine ausschließliche Prorogation – wie hier vertreten – eine Pflicht der Parteien, in keinem anderen als dem vereinbarten Forum zu klagen, stellen sich bei der gerichtlichen Unterbindung von Verletzungen dieser Pflicht weitere prozessuale Fragen: Der Erlass eines Prozessführungsverbotes setzt zunächst die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte voraus (a.). Erforderlich ist des Weiteren ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis (b.). Von Bedeutung ist schließlich auch, auf welche Art und Weise eine gerichtliche Untersagungsanordnung in Deutschland vollstreckt werden kann (c.). a) Internationale Zuständigkeit für die Anordnung eines Prozessführungsverbotes Im Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, dass eine auf deutsche Gerichte lautende wirksame ausschließliche Prorogation die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein Untersagungsverfahren begründet.264 Es dürfte in der Tat dem regelmäßigen Parteiwillen entsprechen, dass das vereinbarte Gericht über die Durchsetzung der aus der Prorogation selbst fließenden Verpflichtung der Parteien entscheidet, in keinem anderen als dem designierten Forum zu klagen. Folglich kann eine im Ausland abredewidrig verklagte Partei in Deutschland eine Unterlassungsklage erheben oder in dringenden Fällen den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung gem. §§ 938, 940 ZPO beantragen. Fraglich ist, ob ein internationaler Gerichtsstand in Deutschland auch zur Durchsetzung einer auf ausländische Gerichte lautenden ausschließlichen Prorogation eröffnet ist. Kann also eine entgegen einer Zuständigkeitsabrede zugunsten der USA in England verklagte Partei deutsche Gerichte erfolgreich um den Erlass eines Prozessführungsverbots ersuchen? Folgt man der hiesigen Auffassung, wonach eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit des vereinbarten Forums für ein Untersagungsverfahren begründet, steht die Prorogation zugunsten der USA dem Erlass eines Prozessführungsverbots in Deutschland grundsätzlich entgegen. In Betracht kommt allenfalls eine einstweilige Unterlassungsverfügung in Deutschland, wenn man sich der im deutschen Schrifttum teilweise vertretenen Ansicht anschließt, dass eine ausschließliche Proro264
Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 110; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 212 f.; Jegher, Abwehrmaßnahmen, 2003, S. 155.
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gation die Eilzuständigkeit derogierter Gerichte unberührt lässt. 265 Dann müsste dennoch eine entsprechende gesetzliche Zuständigkeit deutscher Gerichte eröffnet sein. Eine solche lässt sich nicht aus § 937 I ZPO ableiten, da das Gericht der Hauptsache im Sinne dieser Norm das prorogierte US-amerikanische Gericht ist. Das gilt unabhängig davon, ob man unter „Hauptsache“ die Klage auf Erlass eines endgültigen Prozessführungsverbots oder den eigentlichen Streit in der Sache versteht. Auch nach § 942 I ZPO ist keine deutsche internationale Zuständigkeit eröffnet. Denn diese Norm setzt u.a. voraus, dass sich der Streitgegenstand in Deutschland befindet. Bei einstweiligen Verfügungen, die dem Gegner eine Handlung oder Unterlassung gebieten, ist der Streitgegenstand dort belegen, wo die Handlung bzw. Unterlassung vorzunehmen ist.266 In der hier untersuchten Konstellation wäre der Streitgegenstand i.S.v. § 942 I ZPO folglich im abredewidrigen Forum, d.h. im obigen Beispielfall in England belegen. Im Ergebnis ist ein internationaler Gerichtsstand für den Erlass eines Prozessführungsverbots zur Durchsetzung einer auf ausländische Gerichte lautenden Prorogation in Deutschland nicht eröffnet. Deutsche Gerichte können nur Prorogationen zugunsten Deutschlands durchsetzen. b) Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung eines Prozessführungsverbots Der Erlass eines Prozessführungsverbots im Haupt- sowie im Eilverfahren setzt ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers bzw. Antragstellers voraus. An diesem fehlt es, wenn das mit dem Verbot verfolgte Ziel auf anderem Wege einfacher und schneller erreicht werden kann.267 Aus diesem Erfordernis folgert das Schrifttum, dass das um den Erlass einer Untersagungsanordnung betreffend ein auswärtiges Verfahren ersuchte deutsche Gericht stets prüfen muss, ob der Kläger bzw. Antragsteller eine Möglichkeit hat, seine Einwände gegen die gerichtliche Inanspruchnahme im Ausland im dortigen Prozess geltend zu machen. Besteht eine solche Option, ist dieser grundsätzlich Vorrang einzuräumen und das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass eines Prozessführungsverbots im Inland zu verneinen, wenn der im Ausland Beklagte sie nicht wahrnimmt.268 Für die hier untersuchten Konstellationen bedeutet dies, dass eine gerichtliche Untersagung der Fortführung eines abredewidrigen auswärtigen 265
S. oben § 5 A. II. 2. b). Musielak/Huber, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 942 Rn. 2. 267 Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (543 f.); Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 116 f., 132 f.; Jasper, Forum shopping, 1990, S. 131 f.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 210 f.; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (333 f.); Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 209. 268 Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (543 f.); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 210 f.; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (333). 266
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Prozesses nur dann in Betracht kommt, wenn die im Ausland beklagte Partei bereits erfolglos versucht hat, gegen die Zuständigkeit des dortigen Gerichts die ausschließliche Prorogation zugunsten Deutschlands einzuwenden bzw. wenn eine Zuständigkeitsrüge von vornherein aussichtslos ist, da im auswärtigen Forum Derogationen der internationalen Zuständigkeit unter keinen Umständen anerkannt werden. Im Schrifttum wird teilweise die Ansicht vertreten, das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass eines Prozessführungsverbots sei auch dann zu bejahen, wenn das ausländische Recht zwar eine Verteidigung gestattet, diese jedoch mit größerem finanziellen Aufwand verbunden ist.269 Diese Auffassung erscheint nicht überzeugend. Sie lässt nämlich außer Acht, dass deutsche Gerichte bei der Entscheidung darüber, ob es eine leichtere und ebenso effiziente Möglichkeit zum Erreichen des begehrten Ziels gibt, stets das Interesse an einer international geordneten Rechtspflege berücksichtigen müssen. 270 Letzteres gebietet, dass grenzüberschreitende Prozessführungsverbote aufgrund der mit ihnen einhergehenden mittelbaren Einwirkung durch die Gerichte eines Staates auf das gerichtliche Verfahren in einem anderen Staat nur auf enge Ausnahmefälle beschränkt bleiben. 271 Vor diesem Hintergrund erscheint es unangemessen, die Fortführung eines auswärtigen Verfahrens lediglich deswegen zu versagen, weil es für die im Ausland verklagte Partei aus Kostengründen bequemer ist, im Inland zu agieren, anstatt die ausländische Verteidigungsmöglichkeit wahrzunehmen.272 Zusammenfassend ist folglich festzuhalten, dass der Erlass eines Prozessführungsverbots betreffend ein im Ausland unter Verstoß gegen eine Prorogation zugunsten deutscher Gerichte eingeleitetes Verfahrens grundsätzlich erst dann erfolgen wird, wenn die abredewidrig verklagte Partei im auswärtigen Prozess erfolglos versucht hat, die entgegenstehende Zuständigkeitsabrede geltend zu machen. c) Vollstreckung eines Prozessführungsverbots Leistet der abredewidrig im Ausland Klagende einem durch ein deutsches Gericht verhängten Prozessführungsverbot nicht Folge, fragt sich, in welcher Weise die gerichtliche Anordnung in Deutschland vollstreckt werden kann. 269
Jasper, Forum shopping, 1990, S. 132. Jegher, Abwehrmaßnahmen, 2003, S. 163 f.; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (333). 271 Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 175: „Ein ‚Justizkrieg’, in dem die Gerichte des einen Staates Verfahren in einem anderen Staat zu unterbinden suchen, ist nach Möglichkeit zu vermeiden.“ 272 Vgl. auch Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (333). 270
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Wird der Auslandskläger zur Rücknahme der Klage im abredewidrigen Forum verurteilt, scheidet eine Durchsetzung nach § 894 ZPO aus. Eine Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung durch Fiktion der für die Klagerücknahme erforderlichen Erklärung, ist bei Klagen im Ausland ausgeschlossen. Denn der deutsche Staat würde die Grenzen seiner Hoheitsbefugnis überschreiten, wenn er Erklärungen auch mit Wirkung für fremdes Staatsgebiet fingieren würde. Folglich bleibt lediglich der Weg über § 888 ZPO, wonach der Schuldner durch die Anordnung von Zwangsgeld und Zwangshaft zur Befolgung angehalten werden kann.273 Lautet das Urteil auf Unterlassung der Fortführung des abredewidrigen Verfahrens im Ausland, kommt dagegen eine Vollstreckung nach § 890 ZPO, d.h. durch Verhängung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft, in Betracht.274 3. Völkerrechtliche Bedenken gegen den Erlass eines Prozessführungsverbots Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob aus deutscher Sicht das Völkerrecht der Anordnung von grenzüberschreitenden Prozessführungsverboten zur Durchsetzung von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen Grenzen setzt. Problematisch ist zum einen, ob solche Unterlassungsanordnungen mit dem völkerrechtlichen Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten und dem daraus abgeleiteten Verbot der Einmischung in die Ausübung hoheitlicher Befugnisse eines ausländischen Staates vereinbar sind. Dies verneint ein Teil der deutschen Literatur und Rechtsprechung. 275 Grenzüberschreitende Prozessführungsverbote richteten sich, auch wenn ihr formeller Adressat der Kläger ist, de facto gegen das auswärtige Gericht. Denn eigentlicher Zweck des Prozessführungsverbots sei es, die fehlende Mitwirkung eines im ausländischen Verfahren Beteiligten zu erzwingen und auf diese Weise den Stillstand im auswärtigen Prozess herbeizuführen. Dies stelle eine völkerrechtlich unzulässige Einmischung in die Angelegenheiten des fremden Staates dar. 273 Reu, ZAkDR 1938, S. 731 (733); Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 175; Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (548); Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 139; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 213 (Fn. 120). 274 Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (548); Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 139; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 213 (Fn. 120). 275 OLG Düsseldorf, 10.01.1996 – 3 VA 11/95, ZIP 1996, S. 294 (Gegenstand der Entscheidung war nicht der Erlass eines Prozessführungsverbots durch deutsche Gerichte, sondern die Frage, ob die Zustellung einer englischen anti-suit injunction in Deutschland gem. Art. 13 I HZÜ wegen Gefährdung deutscher Hoheitsrechte versagt werden kann); Gottwald, in: FS Habscheid, 1989, S. 119 (122 f.); so i.E. auch Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 269–275.
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Die wohl überwiegende Ansicht erblickt in transnationalen Prozessführungsverboten dagegen zu Recht keinen völkerrechtswidrigen Eingriff in die Justizhoheit des ausländischen Staates. 276 Solche Anordnungen sind ausschließlich an die im Ausland klagende Partei adressiert, der Zwang richtet sich nur gegen den im Inland befindlichen Schuldner und ggf. sein hier vorhandenes Vermögen. Auch im Hinblick auf die Anwendung etwaiger Zwangsmittel werden die Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit nicht überschritten. Es kann zwar nicht geleugnet werden, dass mit Prozessführungsverboten mittelbar die ausländische Gerichtstätigkeit betroffen und dadurch die international comity, das Gebot zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer Staaten, beeinträchtigt wird. Dieses Prinzip stellt jedoch jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt noch keine verbindliche Norm des Völkergewohnheitsrechts dar, so dass gegenwärtig von der völkerrechtlichen Zulässigkeit von Prozessführungsverboten auszugehen ist. Fraglich ist des Weiteren, ob ein Prozessführungsverbot zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung wegen Unvereinbarkeit mit dem in Art. 6 I EMRK verbürgten Justizgewährungsanspruch des Adressaten verweigert werden kann. Hau bejaht dies mit dem Argument, Art. 6 I EMRK schütze das Recht der Partei einer Zuständigkeitsabrede, ein anderes als das vereinbarte Gericht ohne Beeinträchtigung durch Prozessführungsverbote zur Überprüfung der Prorogation anzurufen.277 Überzeugender erscheint es jedoch, wie im englischen Schrifttum vertreten278, davon auszugehen, dass die Parteien durch den wirksamen Abschluss einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung auf ihr Recht auf Zugang zu einem anderen als dem vereinbarten Gericht verzichtet haben. Kommt das in einer Abrede für zuständig bestimmte deutsche Gericht zu dem Ergebnis, dass die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam und ausschließlich ist, bildet Art. 6 I EMRK somit kein Hindernis für den Erlass eines Prozessführungsverbots betreffend ein abredewidrig im Ausland eingeleitetes Verfahren. 4. Anerkennung ausländischer Prozessführungsverbote in Deutschland nach dortigem autonomem Recht Abschließend wird untersucht, ob ein auswärtiges Prozessführungsverbot bzw. ein Titel, mit dem zur Vollziehung eines solchen Verbots im Ur276 RG, 03.03.1938 – IV 224/37, RGZ 157, 136 (138); Reu, ZAkDR 1938, S. 731 (733 f.); Kropholler, in: Herrmann/Basedow/Kropholler (Hrsg.), Handbuch des IZVR, Bd. I, 1982, Kap. III Rn. 175; Praschma, Einwirkung auf ausländische Prozesse, 1971, S. 140; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (330); Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 214 f.; Schlosser, RIW 2006, S. 486 (490 f.) sowie Schlosser, in: FS Lorenz, 1991, S. 497 (507 f.). 277 Hau, IPRax 1997, S. 245 (247). 278 S. oben § 8 A. I. 2. a) bb) (3).
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sprungsstaat ein Ordnungsgeld verhängt worden ist, in Deutschland Wirkung entfalten kann. Die Anerkennung einer einstweiligen Untersagungsverfügung aus dem Ausland scheidet nach deutschem autonomem Recht aus, denn nach überwiegender Auffassung sind der Anerkennung nach § 328 ZPO nur streitbeendende Entscheidungen zugänglich.279 In Betracht kommt folglich lediglich die Anerkennung von – mit der anglo-amerikanischen Terminologie gesprochen – endgültigen auswärtigen Prozessführungsverboten. Deren Anerkennungsfähigkeit erscheint jedoch ebenfalls problematisch, da § 328 ZPO lediglich auswärtige Sachentscheidungen erfasst. Ausländische Entscheidungen über prozessuale Fragen sind der Anerkennung dagegen nicht zugänglich.280 Ob im Einzelfall eine Sachentscheidung oder ein Prozessurteil vorliegt, richtet sich nach deutscher Rechtsvorstellung. 281 Auswärtige Entscheidungen, die lediglich die Feststellung des Vorliegens von Prozessvoraussetzungen, wie etwa Partei- und Prozessfähigkeit, Gerichtsbarkeit und Fehlen anderweitiger Rechtshängigkeit beinhalten, sind daher auch dann nicht gem. § 328 ZPO anzuerkennen, wenn sie nach der Vorstellung des ausländischen Rechts in Rechtskraft erwachsen sollen.282 Aus Sicht des überwiegenden deutschen Schrifttums stellt eine anti-suit injunction eine nicht anerkennungsfähige Entscheidung über prozessuale Aspekte dar, da sie letztlich nur die Frage betrifft, welches das geeignete Forum für die Austragung einer Streitigkeit ist. 283 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Zwar beinhaltet ein auf einer Gerichtsstandsvereinbarung gestütztes Prozessführungsverbot die Feststellung eines Unterlassungsanspruchs und weist somit ein Element auf, das Sachentscheidungen eigen ist.284 Die wesentliche Aufgabe dieses Anspruchs besteht jedoch darin, den weiteren Bestandteil der anti-suit injunction durchzusetzen, nämlich die 279 Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 189; Koch, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des IZVR, 1994, S. 85 (97); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 900, 914; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 493. Eine Durchbrechung des Grundsatzes der fehlenden Anerkennungsfähigkeit von vorläufigen Rechtsschutzmaßnahmen aus dem Ausland wird im Schrifttum lediglich für Leistungsverfügungen und solchen einstweiligen Anordnungen diskutiert, die nach dem Recht des Entscheidungsstaates die Streitsache endgültig beenden. Auswärtige Prozessführungsverbote fallen jedoch in keine der beiden Kategorien. 280 Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 328 Rn. 39; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 474. 281 Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 328 Rn. 39; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 474. 282 Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 474. 283 Schütze, Probleme des IZPR, 2008, S. 57; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 46; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 328 Rn. 42; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 477. 284 Ähnlich auch Schütze, Probleme des IZPR, 2008, S. 57.
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Entscheidung des auswärtigen Gerichts, dass eine zulässige, wirksame und ausschließliche Prorogation vorliegt. Dieses zweite Element eines Prozessführungsverbots betrifft die internationale Zuständigkeit – eine Prozessvoraussetzung, deren Beurteilung durch ausländische Gerichte in Deutschland nicht anerkennungsfähig ist. Aufgrund der engen Verbindung des Unterlassungsanspruchs mit der prozessualen Frage nach der internationalen Entscheidungskompetenz erscheint es angemessen, anti-suit injunctions als nicht von § 328 ZPO erfasst anzusehen. Kommt man entgegen der hier vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis, dass ein auswärtiges Prozessführungsverbot eine Sachentscheidung darstellt, fragt sich, ob der Anerkennung ein Hindernis nach § 328 I Nr. 1–5 ZPO entgegensteht. Aus Sicht des deutschen Schrifttums scheidet die Anerkennung einer ausländischen anti-suit injunction jedenfalls wegen Verstoßes gegen den ordre public gem. § 328 I Nr. 4 ZPO aus: Sie greife mittelbar in die deutsche Justizhoheit ein, indem sie dem deutschen Gericht vorschreibe, sich seiner richterlichen Tätigkeit zu enthalten. Außerdem bewirke sie eine Verletzung des durch Art. 6 I EMRK garantierten Justizgewährungsanspruchs, der allen in- und ausländischen Klägern freien Zugang zu deutschen Gerichten garantiere.285 Dieser Auffassung kann nach den vorangegangenen Ausführungen zum deutschen Recht nicht zugestimmt werden. Räumt man – wie hier vertreten – deutschen Gerichten die Befugnis ein, zur Durchsetzung einer auf sie lautenden ausschließlichen Prorogation abredewidriges Prozessieren im Ausland zu untersagen, so erscheint es konsequent und angemessen, die Anerkennung entsprechender Entscheidungen auswärtiger Gerichte nicht am ordre public-Vorbehalt von § 328 I Nr. 4 ZPO scheitern zu lassen. Die Durchsetzung einer ausländischen Entscheidung, mit der zur Vollstreckung eines Prozessführungsverbots ein Ordnungsgeld verhängt worden ist, scheidet in Deutschland aus, solange das Ordnungsgeld – wie in England und den USA – an den Staat zu zahlen ist. In einem solchen Fall liegt eine nach § 328 ZPO nicht anerkennungsfähige Strafmaßnahme vor.286
285 Schütze, Probleme des IZPR, 2008, S. 58–60; Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 190 f. 286 Schütze, Probleme des IZPR, 2008, S. 60; Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 56.
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B. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht in international vereinheitlichten Rechtssystemen Im Folgenden wird erläutert, ob im Anwendungsbereich der EuGVVO (I.) und des HGÜ (II.) die Möglichkeit besteht, zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung gegen den abredewidrigen Kläger ein Prozessführungsverbot zu erlassen.
I. Prozessführungsverbote im Anwendungsbereich der EuGVVO Bei der Frage nach der Verfügbarkeit von anti-suit injunctions im Geltungsbereich der EuGVVO gilt es danach zu unterscheiden, ob das zu untersagende Verfahren in einem EU-Mitgliedstaat (1.) oder in einem Drittstaat (2.) eingeleitet wurde. 1. Untersagung des abredewidrig eingeleiteten Verfahrens in einem EU-Mitgliedstaat In der Literatur und Rechtsprechung zu dem Vorgänger der EuGVVO, dem EuGVÜ, herrschte lange Zeit Uneinigkeit darüber, ob die Untersagung der Prozessführung in einem Vertragsstaat durch die Gerichte eines anderen Vertragsstaats mit dem Übereinkommen vereinbar ist: Während im deutschen Schrifttum die Zulässigkeit von anti-suit injunctions in solchen Konstellationen überwiegend verneint wurde287, untersagten englische Gerichte wiederholt das Prozessieren in anderen Vertragsstaaten, wenn dieses aus ihrer Sicht vexatious and oppressive war288. Der EuGH hatte sich erstmals im Jahr 2004 in der Entscheidung Turner ./. Grovit289 mit einem Teilaspekt dieser Problematik zu befassen, nämlich der Zulässigkeit von transnationalen Prozessführungsverboten zur Unterbindung missbräuchlich eingeleiteter Verfahren. Nach einer Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhaltes, der Position des zuständigen Generalanwalts und des Urteils des höchsten europäischen Gerichts (a.) wird erläutert, wie nach der Turner ./. Grovit-Entscheidung die hier zu untersuchende Frage zu beantworten ist
287
Kurth, Rechtsschutz, 1989, S. 28 f.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 216–219; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, S. 778–780; Schack, RabelsZ 58 (1994), S. 40 (56); Smith, RIW 1993, S. 802 (808); Jasper, Forum shopping, 1990, S. 90. 288 Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588; Court of Appeal, 17.05.1994 – Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87; Court of Appeal, 12.07.1996 – Philip Alexander Securities & Future Ltd. v. Bamberger, [1996] C.L.C. 1757. 289 EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565.
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(b.). Schließlich ist die Anerkennungsfähigkeit derartiger Prozessführungsverbote zu behandeln (c.). a) Die EuGH-Entscheidung Turner ./. Grovit Der Turner ./. Grovit-Entscheidung lag ein arbeitsrechtlicher Sachverhalt zugrunde. Der Kläger Turner, ein britischer Staatsangehöriger, wurde 1990 von einem Unternehmen der Chequepoint Group als Rechtsberater eingestellt. Die Chequepoint Group wird von dem Beklagten Grovit geleitet. Sie hat mehrere Unternehmen in verschiedenen Ländern, u.a. die China Security Ltd. – der ursprüngliche Arbeitgeber von Turner –, die Chequepoint UK Ltd. – die Ende 1990 in den Vertrag mit Turner eingetreten war – sowie die weiteren Beklagten Harada mit Sitz im Vereinigten Königreich und Changepoint mit Sitz in Spanien. Seine Arbeit verrichtete Turner ursprünglich in Großbritannien, im Jahr 1997 verlegte er sein Büro mit Zustimmung des Arbeitgebers nach Spanien. Ende 1997 wurde Turner in den Dienst der Beklagten Harada übernommen. Im Jahr 1998 kündigte Turner sein Arbeitsverhältnis bei Harada und verklagte diese auf Schadensersatz bei dem Employment Tribunal in London mit der Begründung, Harada habe wiederholt versucht, ihn in rechtswidriges Verhalten bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu verwickeln, was einer ungerechtfertigten Kündigung des Arbeitsvertrags gleichkäme. Das Employment Tribunal gab der Klage von Turner statt. Gegen diese Entscheidung legte Harada Rechtsmittel ein. Kurz darauf erhob Changepoint vor einem spanischen Gericht Klage gegen Turner auf Zahlung von € 510.000 als Ersatz der Schäden, die Turner dem Unternehmen zugefügt habe. Turner rügte die Zuständigkeit des spanischen Gerichts. Zugleich ersuchte er den High Court in London um den Erlass einer Anordnung, die Grovit und den weiteren Beklagten die Fortführung des Verfahrens in Spanien verbietet. Der High Court erließ das Prozessführungsverbot, lehnte jedoch später seine Verlängerung ab. Auf das Rechtsmittel von Turner erließ der Court of Appeals erneut ein Prozessführungsverbot mit der Begründung, das spanische Verfahren sei treuwidrig eingeleitet worden, um Turner von seiner Klage beim Employment Tribunal in London abzuhalten. Die Beklagte Changepoint leistete dem Prozessführungsverbot Folge und nahm die Klage in Spanien zurück. Die Beklagten legten sodann ein Rechtsmittel beim House of Lords ein mit der Begründung, englische Gerichte seien im Geltungsbereich des EuGVÜ nicht befugt, Parteien das Prozessieren in einem anderen Vertragsstaat zu verbieten. Das House of Lords setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob es mit dem EuGVÜ unvereinbar sei, es Parteien zu verbieten, in einem anderen Vertragsstaat Prozesse einzuleiten oder fortzuführen, wenn sie damit treuwidrig die Absicht verfolgen, Verfahren, die ordnungs-
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gemäß bei englischen Gerichten anhängig sind, zu vereiteln oder zu behindern.290 Zugleich führte das höchste englische Gericht aus, es vermöge in den geschilderten Fällen eine Kollision mit dem EuGVÜ nicht zu erkennen: Das Übereinkommen enthalte an keiner Stelle ein ausdrückliches Verbot von anti-suit injunctions.291 Solche Anordnungen verletzten auch nicht den im Geltungsbereich des EuGVÜ geltenden Grundsatz, dass jedes Gericht selbst über seine Zuständigkeit zu befinden hat. Denn eine anti-suit injunction beinhalte keine Entscheidung über die jurisdiction des (mittelbar) durch sie betroffenen Gerichts, sondern lediglich eine Würdigung der Treuwidrigkeit der Partei, die dieses Gericht angerufen hat. 292 Außerdem trügen Prozessführungsverbote dazu bei, eines der Ziele der Konvention zu fördern, nämlich das Risiko widersprüchlicher Entscheidungen zu verringern.293 Entgegen dem House of Lords verneinte der Generalanwalt Colomer die Vereinbarkeit von anti-suit injunctions mit dem EuGVÜ. Dies begründete er zum einen mit dem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Gerichten in Europa. Dieser Grundsatz verbiete es, dass die Gerichte eines Vertragsstaats auch nur mittelbar die Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats beeinflussen können. 294 Gegen die Vereinbarkeit von Prozessführungsverboten mit dem EuGVÜ spreche auch das aus dem Vertrauensprinzip folgende Gebot, dass die Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten überall nach einheitlichen Bestimmungen behandelt werden muss und damit alle Gerichte gleichgestellt sein sollen. Da nämlich nur in den Rechtsordnungen der common law-Tradition anti-suit injunctions fest etabliert sind, hätte die Zulassung dieses Rechtsbehelfs zur Folge, dass die Gerichte der Vertragsstaaten, die dieser Tradition folgen, die Sonderbefugnis genössen, der von ihnen beanspruchten Zuständigkeit einseitig Ausschließlichkeit zuweisen zu können.295 Außerdem drohe eine Kollision einander widersprechender anti-suit injunctions aus verschiedenen Ländern, für deren Lösung das EuGVÜ keine entsprechende Regelung ent-
290 House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. EuGH), para. 21. 291 House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. EuGH), para. 32. 292 House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. EuGH), para. 34. 293 House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. EuGH), para. 33. 294 Generalanwalt Colomer, Schlussanträge Grovit), Slg. 2004, I-3565, Rn. 32. 295 Generalanwalt Colomer, Schlussanträge Grovit), Slg. 2004, I-3565, Rn. 32 f.
Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an v. 20.11.2003 (Rs. C-159/02 – Turner v. v. 20.11.2003 (Rs. C-159/02 – Turner v.
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halte.296 Ein Prozessführungsverbot beinhalte außerdem, auch wenn es an eine Partei und nicht an das davon betroffene Gericht adressiert ist, stets eine Wertung der Angebrachtheit der Erhebung einer Klage bei dem durch die Maßnahme betroffenen Gericht, was mit dem Grundsatz nicht vereinbar sei, dass die Zuständigkeit eines Gerichts durch das Gericht eines anderen Vertragsstaats nicht nachgeprüft werden darf. 297 In seiner Entscheidung folgte der EuGH der Argumentation von Generalanwalt Colomer. Anti-suit injunctions würden das Vertrauen auf eine richtige Auslegung und Anwendung der EuGVÜ-Zuständigkeitsregeln durch die vertragsstaatlichen Gerichte und das daraus folgende Verbot der Überprüfung der Zuständigkeit eines Gerichts durch die Gerichte eines anderen Vertragsstaats verletzen.298 Das Gericht wies außerdem das von englischer Seite vorgebrachte Argument zurück, die Verhängung eines Prozessführungsverbots verringere die Gefahr widersprechender Entscheidungen. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass trotz einer in einem Vertragsstaat verhängten anti-suit injunction das Gericht eines anderen Vertragsstaats eine Entscheidung erlässt. Ebenso wenig könne ausgeschlossen werden, dass die Gerichte zweier Vertragsstaaten, deren beider Rechte Prozessführungsverbote kennen, entgegengesetzte Verbote verhängen. 299 Der EuGH führte außerdem an, der Erlass einer anti-suit injunction nehme den im Übereinkommen bei Rechtshängigkeit und Konnexität vorgesehenen Mechanismen ihre praktische Wirksamkeit.300 Er hatte hierbei die Konstellation im Auge, dass eine in einem Land etwa auf Leistung verklagte Partei anschließend ein Gericht in einem anderen Vertragsstaat, dessen Recht Prozessführungsverbote kennt, darum ersucht, das Prozessieren in dem früher angerufenen Gericht zu untersagen. Art. 21 f. EuGVÜ steht dem Erlass einer anti-suit injunction durch das Zweitgericht mangels Identität des Streitgegenstands in den unterschiedlichen Verfahren nicht entgegen. 301 Das Prozessführungsverbot ist jedoch geeignet, das in
296 Generalanwalt Colomer, Schlussanträge v. 20.11.2003 (Rs. C-159/02 – Turner v. Grovit), Slg. 2004, I-3565, Rn. 33. 297 Generalanwalt Colomer, Schlussanträge v. 20.11.2003 (Rs. C-159/02 – Turner v. Grovit), Slg. 2004, I-3565, Rn. 35. 298 EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565, Rn. 25–28. 299 EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565, Rn. 30. 300 EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565, Rn. 30. 301 Nach herrschender Auffassung kann in solchen Fällen nicht angenommen werden, dass in den unterschiedlichen Verfahren im Kern um dieselbe Sache gestritten wird, da sich der Leistungsanspruch regelmäßig aus einem materiellrechtlichen Schuldverhältnis herleitet, während der Anspruch auf die anti-suit injunction sich in der Regel aus dem Recht der prozessualen Billigkeit ergibt. Vgl. etwa Dutta/Heinze, ZEuP 2005, S. 428 (450); Gee, Commercial Injunctions, 5. Aufl. 2004, Rn. 14.011.
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Art. 21 f. EuGVÜ verankerte Prinzip der Priorität des zuerst eingeleiteten Verfahrens zu umgehen. Aus den genannten Gründen kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass das EuGVÜ „der Verhängung einer Prozessführungsverbots, mit dem das Gericht eines Vertragsstaats einer Partei eines bei ihm anhängigen Verfahrens untersagt, eine Klage bei einem Gericht eines anderen Vertragsstaats einzureichen oder ein dortiges Verfahrens weiterzubetreiben, auch dann entgegensteht, wenn diese Partei wider Treu und Glauben zu dem Zweck handelt, das bereits anhängige Verfahren zu behindern.“302 b) Turner ./. Grovit und die Möglichkeit von Prozessführungsverboten zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen In dem der Entscheidung Turner ./. Grovit zugrunde liegenden Fall ging es um den Erlass einer non-contractual anti-suit injunction.303 Das House of Lords wollte vom EuGH lediglich über die Vereinbarkeit dieser Variante von Prozessführungsverboten mit dem EuGVÜ wissen. Dies zeigt die Formulierung der Vorlagefrage, in der nur von anti-suit injunctions gegen Parteien die Rede ist, die mit der Einleitung oder Fortführung eines Prozesses in einem Vertragsstaat die treuwidrige Absicht verfolgen, ein vor englischen Gerichten anhängiges Verfahren zu behindern. In seiner Antwort postulierte der EuGH dagegen eine generelle Unvereinbarkeit von Prozessführungsverboten mit dem EuGVÜ. Daraus zu schließen, dass mit der Turner ./. Grovit-Entscheidung auch geklärt ist, dass die hier interessierenden contractual anti-suit injunctions zum Schutz gegen die Missachtung ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen unzulässig sind, wäre jedoch verfehlt. Denn es ist allgemein anerkannt, dass in Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 19 III lit. b EUV (früher: Art. 234 lit. a EGV) eine präjudizielle Bindung nur bzgl. der von dem vorlegenden Gericht formulierten Frage eintritt.304 Die Turner ./. Grovit-Entscheidung kann daher allenfalls als Orientierungshilfe für die Beurteilung der hier zu untersuchenden Problematik dienen, soweit sich die in dem Urteil enthaltenen Ausführungen auch gegen die Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich der EuGVVO fruchtbar machen lassen. Der EuGH begründet die Unzulässigkeit von anti-suit injunctions zum einen damit, dass solche Rechtsbehelfe gegen den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens und das Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit 302
EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565, Rn. 31. S. oben § 8 B. I. 1. a). 304 Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 235; i.E. auch Briggs, Agreements, 2008, Rn. 7.82. 303
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eines Gerichts durch die Gerichte eines anderen Vertragsstaats des EuGVÜ verstoßen. Diese Prinzipien gelten, wie sich dem EuGH-Urteil in der Sache Allianz SpA ./. Westtankers Inc. entnehmen lässt, auch im Rahmen der EuGVVO.305 Wie bei einer non-contractual anti-suit injunction muss das Gericht, welches um den Erlass eines Prozessführungsverbots zur Durchsetzung einer Prorogation ersucht wurde, stets die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Gerichtsstandsvereinbarung prüfen. Dies beinhaltet notwendigerweise die Überprüfung der Zuständigkeit des durch die anti-suit injunction betroffenen Gerichts. Dass eine solche Überprüfung bei Prozessführungsverboten zum Schutz von Gerichtsstandsabreden ausnahmsweise möglich sein soll, lässt sich der EuGVVO jedoch nicht entnehmen. Ganz im Gegenteil hat der EuGH in der bereits oben ausführlich behandelten Entscheidung Gasser GmbH ./. MISAT Srl. ausgeführt, dass selbst in Fällen, in denen zugunsten eines von mehreren parallel angerufenen Gerichten eine ausschließliche Prorogation besteht, jedes Gericht selbst darüber bestimmen darf, ob es für die Entscheidung über den bei ihm anhängig gemachten Rechtsstreit zuständig ist. 306 Folglich steht das aus dem Vertrauensgrundsatz folgende Verbot der Überprüfung der Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts durch das Gericht eines anderen Mitgliedstaats auch der Zulässigkeit von anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich der EuGVVO entgegen. Zur Begründung der Unvereinbarkeit von Prozessführungsverboten führte der EuGH des Weiteren die Gefahr an, dass die Verhängung solcher Maßnahmen den bei Rechtshängigkeit und Konnexität vorgesehenen Mechanismen des EuGVÜ ihre praktische Wirksamkeit nimmt. Würde man einer Partei, die vor einem Gericht in Anspruch genommen worden ist, die Möglichkeit zusprechen, bei einem Gericht eines anderen Vertragsstaats eine anti-suit injunction betreffend das Verfahren vor dem erst befassten Gericht zu erwirken, droht die Umgehung des Grundsatzes von der Priorität des zuerst eingeleiteten Verfahrens, der in Art. 22 f. EuGVÜ bzw. in den fast wortgleichen Art. 27 f. EuGVVO zur Lösung von Zuständigkeitskonflikten vorgesehen ist. In Gasser GmbH ./. MISAT Srl. hat der EuGH entschieden, dass das Prioritätsprinzip auch dann gilt, wenn zugunsten des zweitangerufenen Gerichts eine ausschließliche Prorogation besteht: Das zuerst befasste Gericht darf über seine Zuständigkeit und somit auch über die Wirksamkeit der angeblich entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden. So lange ist ein später angerufenes prorogiertes Gericht 305 EuGH, 10.02.2009 – C-185/07, Allianz SpA ./. Westtankers Inc., Slg. 2009, I-663, Rn. 29 f. 306 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I14693, Rn. 48 f.
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verpflichtet, die bei ihm anhängige Parallelklage auszusetzen. 307 Es wäre mit diesen Grundsätzen unvereinbar, würde man einem Zweitgericht erlauben, zum Schutz einer auf dieses selbst lautenden Prorogation einer Partei das Prozessieren im erstbefassten Gericht zu verbieten. Eine Zusammenschau der Ausführungen in Turner ./. Grovit mit dem EuGH-Urteil in der Sache Gasser GmbH ./. MISAT Srl. zeigt, dass es einem mitgliedstaatlichen Gericht im Anwendungsbereich der EuGVVO verwehrt ist, zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung einer Partei das Prozessieren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats zu verbieten. 308 Untermauert wird dieses Ergebnis auch durch das bereits oben erwähnte Urteil in der Sache Allianz SpA ./. Westtankers Inc. In diesem Fall hatte der EuGH darüber zu entscheiden, ob es einem mitgliedstaatlichen Gericht möglich ist, einer Partei die Fortführung eines vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats eingeleiteten Verfahrens zu verbieten, wenn die Parteien eine Schiedsabrede abgeschlossen haben. Der EuGH verwies auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens auf die richtige Anwendung und Auslegung der EuGVVO durch die mitgliedstaatlichen Gerichte und das Prinzip, dass jedes Gericht selbst über seine Zuständigkeit und somit auch über die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zu entscheiden hat. Aus diesen Grundsätzen folgerte er, dass es einem mitgliedstaatlichen Gericht im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht möglich ist, das Prozessieren vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats zur Durchsetzung einer Schiedsabrede zu verbieten.309 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass im Verhältnis zwischen den mitgliedstaatlichen Gerichten der Erlass von Prozessführungsverboten zum Schutz gegen die Missachtung einer Zuständigkeitsvereinbarung nicht in Betracht kommt.
307 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I14693, Rn. 51. 308 Dies entspricht der im Schrifttum herrschenden Auffassung: vgl. RauscherEuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Vorbem. Art. 2 EuGVVO Rn. 20d; Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 27 EuGVVO Rn. 57; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 20; Hess, EuZPR, 2010, S. 318; Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 217–219; Gee, Commercial Injunctions, 5. Aufl. 2004, Rn. 14.011; Thiele, RIW 2004, S. 285 (288); Dutta/Heinze, ZEuP 2005, S. 428 (458 f.); Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 12.08 f.; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 473 f.; Briggs, Agreements, 2008, Rn. 7.83 f.; Baatz, LMCLQ 2004, S. 25 (28); Blanke, EBLR 2005, S. 591 (610 f.); Merrett, ICLQ 55 (2006), S. 315 (327–331); Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.141; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 12.50. 309 EuGH, 10.02.2009 – C-185/07, Allianz SpA ./. Westtankers Inc., Slg. 2009, I-663, Rn. 29–32; kritisch dazu Briggs, LMCLQ 2009, S. 161.
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c) Anerkennungsfähigkeit von Prozessführungsverboten nach Art. 32 f. EuGVVO Erlässt ein mitgliedstaatliches Gericht dennoch eine anti-suit injunction betreffend das Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats, stellt sich die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit des Prozessführungsverbots. Gemäß Art. 32 f. EuGVVO sind Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat in einem anderen grundsätzlich anzuerkennen. Unter den Begriff der Entscheidung im Sinne dieser Norm fallen nach überwiegender Auffassung – anders als im autonomen deutschen Recht – auch vorläufige Maßnahmen310, so dass vom Wortlaut von Art. 32 f. EuGVVO endgültige, sowi einstweilige Prozessführungsverbote umfasst sind. 311 Manchen Literaturstimmen zufolge scheitert die Anerkennung von anti-suit injunctions jedoch daran, dass es sich bei diesen lediglich um Entscheidungen über prozessuale Fragen handelt, die von Art. 32 f. EuGVVO nicht erfasst sind.312 Andere bejahen zwar die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit von Prozessführungsverboten, sprechen sich jedoch zugleich dafür aus, solchen mitgliedstaatlichen Entscheidungen wegen ordre public-Verstoßes nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO die Anerkennung zu versagen: Die Anerkennung von anti-suit injunctions würde den in der Verordnung garantierten Justizgewährungsanspruch des Adressaten verletzen.313 Letzterer Auffassung ist zuzustimmen. Die Bejahung eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung im Anwendungsbereich der EuGVVO steht nicht im Widerspruch zu der hier vertretenen Ansicht, wonach im autonomen deutschen Recht die Anerkennung einer ausländischen anti-suit injunction zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht unter Hinweis auf den ordre public-Vorbehalt nach § 328 I Nr. 4 ZPO versagt werden kann. Zwar bestimmt sich der Inhalt des ordre public-Vorbehalts in der EuGVVO grundsätzlich nach dem nationalen Recht des Anerkennungsstaats. Dabei gilt es jedoch stets die durch den EuGH und die grundlegenden Prinzipien des Gemeinschaftsrechts gesetzten Grenzen zu berücksichtigen. 314 Wie bereits gezeigt, geht der Justizgewährungsanspruch 310
Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 911. Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 150. 312 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 902. 313 Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 156–186; Kropholler/v. Hein, EuZPR, 9. Aufl. 2011, Art. 27 EuGVVO Rn. 20. So i.E. auch Cour de cassation, 1re civ., 14.10.2009, Bull. civ. I n°207: Zwar verneinte das Gericht die Verletzung des ordre public-Vorbehalts durch die Anerkennung einer anti-suit injunction, die ein US-amerikanisches Gericht zur Durchsetzung einer auf die USA lautenden Prorogation erlassen hatte. S. dazu oben § 8 A. II. 3. Zugleich stellte es jedoch fest, dass ein ordre public-Verstoß gegeben wäre, würde der Fall in den Geltungsbereich der EuGVVO fallen. 314 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 952. 311
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der Partei einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts im Anwendungsbereich der EuGVVO weiter als bei Geltung autonomen deutschen Rechts: Diese Partei darf nämlich „ungestört“ vor den Gerichten eines anderen als des prorogierten Mitgliedstaats Klage erheben und die Wirksamkeit der Abrede überprüfen lassen. Mit einem im Rahmen der EuGVVO derart definierten Justizgewährungsanspruch wäre die Anerkennung einer durch ein mitgliedstaatliches Gericht erlassenen anti-suit injunction nicht zu vereinbaren. Die Durchsetzung eines zur Vollstreckung eines Prozessführungsverbots im Ursprungsstaat verhängten Ordnungsgeldes durch die Rechtsorgane eines anderen Mitgliedstaats dürfte wegen der engen Verknüpfung mit der nicht anzuerkennenden Untersagungsanordnung ebenfalls zu versagen sein. 2. Untersagung des abredewidrig eingeleiteten Verfahrens in einem Drittstaat In der Literatur und der englischen Rechtsprechung herrscht Einigkeit darüber, dass es im Anwendungsbereich der EuGVVO einem mitgliedstaatlichen Gericht nicht verwehrt ist, einer Partei das Prozessieren in einem Drittstaat zu untersagen. 315 Diese Auffassung erscheint überzeugend, da die Gründe, die dem Erlass von anti-suit injunctions im Verhältnis zwischen den mitgliedstaatlichen Gerichten entgegenstehen, für Prozessführungsverbote betreffend ein drittstaatliches Verfahren nicht gelten: Die Art. 27 f. EuGVVO beanspruchen im Verhältnis zwischen mitgliedstaatlichen und drittstaatlichen Gerichten keine Geltung. 316 Mitgliedstaatliche Gerichte müssen drittstaatlichen Gerichten auch nicht Vertrauen in dem auf der EU-Ebene gebotenen Ausmaß entgegenbringen.317 Es gehört außerdem nicht zum Regelungsziel der EuGVVO, einen geordneten internationalen Rechtsverkehr über den Kreis der Mitgliedstaaten hinaus sicherzustellen.318 315 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 216; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (331); Smith, RIW 1993, S. 802 (808); Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 12.10–12.12; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.137, 12.141; Ambrose, ICLQ 52 (2003), S. 401 (421); Kruger, ICLQ 53 (2004), S. 447; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 15.64; Court of Appeal, 13.06.2005 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., [2005] EWCA Civ 710; High Court, 05.10.2009 – Morgan Stanley & Co. International Plc. v. China Haisheng Juice Holdings Co. Ltd., [2009] EWHC 2409 (Comm); High Court, 06.11.2009 – Skype Technologies SA v. Joltid Ltd., [2009] EWHC 2783 (Ch). 316 S. ausführlich dazu oben § 7 B. I. 2. a). 317 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 12.11. 318 Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 216; Ambrose, ICLQ 52 (2003), S. 401 (421).
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Zu prüfen ist, ob ein mitgliedstaatliches Gericht einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat, in der einer Partei das Prozessieren vor den Gerichten eines Drittstaats untersagt wird, nach Art. 32 f. EuGVVO anerkennen wird. Die Anerkennung kommt grundsätzlich in Betracht, wenn man mit der wohl überwiegenden Ansicht in einem Prozessführungsverbot eine Entscheidung i.S.v. Art. 32 EuGVVO erblickt.319 Wie bei Prozessführungsverboten im Verhältnis zwischen mitgliedstaatlichen Gerichten könnte jedoch der ordre public-Vorbehalt von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO entgegenstehen. Fraglich ist, ob ein mitgliedstaatliches Gericht, das über die Anerkennung einer anti-suit injunction betreffend ein drittstaatliches Verfahren befindet, den Inhalt der öffentlichen Ordnung i.S.v. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO allein unter Rückgriff auf sein nationales Recht zu bestimmen oder auch sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Grenzen zu berücksichtigen hat. Letzteres dürfte zu verneinen sein: Die EuGVVO garantiert der Partei einer auf ein mitgliedstaatliches Gericht lautenden ausschließlichen Prorogation, wie bereits gezeigt, keinen „ungestörten“ Zugang zu einem drittstaatlichen Gericht zwecks Überprüfung der Wirksamkeit der Abrede. Einschränkungen ergeben sich auch nicht aus dem durch Art. 6 III EUV i.V.m. Art. 6 I EMRK bzw. Art. 6 I EUV i.V.m. Art. 47 EU-Grundrechtecharata primärrechtlich garantierten Recht auf Zugang zu Gericht, da nach der hier vertretenen Auffassung die Parteien einer Zuständigkeitsvereinbarung durch den Abschluss der Abrede auf ihr Recht auf Zugang zu einem nicht prorogierten Gericht verzichtet haben.320 Der Inhalt des ordre public-Vorbehalts i.S.v. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO richtet sich somit nach dem jeweiligen nationalen Recht des Anerkennungsgerichts. Unklar ist, ob neben der Anerkennung und Durchsetzung des Prozessführungsverbots mit den im Anerkennungsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln auch die Vollstreckung eines zur Durchsetzung der anti-suit injunction im Ursprungsstaat verhängten Ordnungsgeldes gem. Art. 49 EuGVVO möglich ist. Einem Teil der Literatur zufolge erfasst Art. 49 EuGVVO alle Zwangs- und Ordnungsgelder unabhängig davon, ob diese dem Vollstreckungsgläubiger oder dem Staat zufließen.321 Dieser Auffassung steht jedoch die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen: Vorbild für eine auf Zahlung eines Zwangsgeldes lautende Entscheidung i.S.v. Art. 49 EuGVVO war nämlich die astreinte des französischen Rechts, die 319
Joseph, Agreements, 2005, Rn. 15.64; Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 149– 152; stillschweigend vorausgesetzt von Koch, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des IZVR, 1994, S. 85 (102). 320 S. oben § 8 A. III. 3. 321 Gottwald, IPRax 1991, S. 285 (291); Rauscher-EuZPR/Mankowski, Neubearb. 2011, Art. 49 EuGVVO Rn. 3; Koch, in: Heldrich/Kono (Hrsg.), Herausforderungen des IZVR, 1994, S. 85 (96); Remien, Vollstreckung, 1992, S. 320 f.
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im Falle der Nichtbeachtung eines Unterlassungsurteils die Zahlung einer Geldsumme an den Urteilsgläubiger aufgibt. 322 Daher erscheint es überzeugender, die Anwendbarkeit von Art. 49 EuGVVO auf Ordnungs- und Zwangsgelder, die wie etwa in Deutschland und England an den Staat zu zahlen sind, zu verneinen.323
II. Prozessführungsverbote im Anwendungsbereich des HGÜ Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Besonderheiten für den Erlass von Prozessführungsverboten (1.) und die Anerkennung solcher Anordnungen aus dem Ausland (2.) im Geltungsbereich des HGÜ zu beachten sind. 1. Erlass von Prozessführungsverboten im Geltungsbereich des HGÜ Eine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zur Durchsetzung einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung enthält das HGÜ nicht. Einen Anhaltspunkt für die Beantwortung der hier interessierenden Frage bietet jedoch Art. 7 HGÜ. Dieser Norm zufolge werden einstweilige Sicherungsmaßnahmen vom Übereinkommen nicht erfasst. Ihre Gewährung, Untersagung oder Beendigung durch das Gericht eines Vertragsstaats wird durch das HGÜ weder vorgeschrieben noch ausgeschlossen. Der Begriff der „einstweiligen Sicherungsmaßnahme“ wird nicht definiert, die Bestimmung seiner Reichweite überlässt das Übereinkommen dem jeweiligen nationalen Recht.324 Als Beispiel für eine Maßnahme i.S.v. Art. 7 HGÜ nennen die Kommentierungen zu der Vorschrift u.a. anti-suit injunctions.325 Dabei wird zugleich betont, dass sich aus dem Übereinkommen – entgegen dem Wortlaut von Art. 7 HGÜ – Einschränkungen der Verfügbarkeit von Prozessführungsverboten ergeben können, wenn deren Erlass Grundprinzipien der Konvention zu verletzen droht.326 Zu den Grundpfeilern des Übereinkommens gehört die aus Art. 6 HGÜ folgende Pflicht eines nicht vereinbarten Gerichts, eine bei ihm anhängig gemachte Klage auszusetzen oder abzuweisen. Mit dieser Verpflichtung ist es nach überwiegender Auffassung unvereinbar, einem nicht designierten Gericht die Möglichkeit zuzusprechen, mittels anti-suit injunction einer
322
Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 1080. Maack, Anti-suit injunctions, 1999, S. 56 f.; Treibmann, Vollstreckung, 1994, S. 156 f., 165; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 1081. 324 Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 96. 325 Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 96; Schulze, HGÜ-Prel. Doc. No. 21, S. 6. 326 Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 96. 323
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Partei das Prozessieren im vereinbarten Forum zu untersagen.327 In der hier untersuchten Konstellation geht es jedoch um die Zulässigkeit von einstweiligen Prozessführungsverboten durch das vereinbarte oder ein anderes Gericht, die darauf zielen, die Austragung der Streitigkeit im prorogierten Forum sicherzustellen. Solche anti-suit injunctions tragen gerade zum Erreichen des Ziels des HGÜ bei, ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zu „stärken“. Es ist daher davon auszugehen, dass sich aus dem Übereinkommen keine Einschränkungen für deren Erlass ergeben. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Prozessführungsverbot zur Durchsetzung einer ausschließlichen Prorogation erlassen werden kann, richtet sich daher gem. Art. 7 HGÜ nach dem jeweiligen nationalen Recht. Fraglich ist, ob auch final anti-suit injunctions zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung mit dem HGÜ vereinbar sind. Aus Art. 7 HGÜ, der einstweilige Prozessführungsverbote erlaubt, könnte man im Umkehrschluss folgern, dass Untersagungsanordnungen, die als Entscheidung in der Hauptsache getroffen wurden, im Geltungsbereich des Übereinkommens unzulässig sind. Eine solche Lesart der Konvention ist jedoch abzulehnen. Dafür spricht zum einen, dass an der Erarbeitung des HGÜ einige Staaten beteiligt waren – dazu gehören insbesondere England, USA und Kanada – deren Rechte final sowie interim anti-suit injunctions vorsehen. 328 Es ist unwahrscheinlich, dass diese Staaten auf dieses wichtige Instrument zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich des Übereinkommens verzichtet hätten, ohne dies ausdrücklich in der Konvention niederzulegen.329 Die Preliminary Documents, auf die im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von einstweiligen Prozessführungsverboten im Rahmen des HGÜ hingewiesen wurde, legen ebenfalls den Schluss nahe, dass die Möglichkeit zur Erwirkung von anti-suit injunctions zum Schutz einer Zuständigkeitsabrede durch das HGÜ unberührt bleiben sollte.330 Die Tatsache, dass in diesen lediglich die Zulässigkeit von interim anti-suit injunctions diskutiert wurde, dürfte vor allem mit ihrer größeren Bedeutung in der Rechtspraxis zu erklären sein. 331 Es erscheint schließlich sinnwidrig, einstweilige Prozessführungsverbote im Geltungsbereich des HGÜ zuzulassen, endgültige jedoch für unvereinbar mit der Konvention zu erklären. Aus diesen Gründen ist die Möglichkeit 327 Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 96; Schulze, HGÜ-Prel. Doc. No. 21, S. 6; Schulze, HGÜ-Prel. Doc. No. 20, S. 14; Rühl, IPRax 2005, S. 410 (413). 328 Zu den Anforderungen an den Erlass von anti-suit injunctions in Kanada vgl. Krause, Anti-suit injunctions, 2005, S. 187–194. 329 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 12.11 (Fn. 28). 330 Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 1.25 (Fn. 97). 331 S. zu der größeren praktischen Bedeutung von interim anti-suit injunctions s. oben § 8 A. I. 1.
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von final anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Rahmen des HGÜ zu bejahen. 2. Anerkennung auswärtiger Prozessführungsverbote im Geltungsbereich des HGÜ Fraglich ist, ob nach dem HGÜ ein Vertragsstaat ein durch die Gerichte eines anderen Vertragsstaats erlassenes Prozessführungsverbot durchsetzen muss. Nach Art. 8 f. HGÜ sind Entscheidungen eines in einer ausschließlichen Zuständigkeitsabrede benannten Gerichts eines Vertragsstaats in den anderen Vertragsstaaten grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken. Die Anerkennung von Entscheidungen, die ein anderes als das prorogierte Gericht erlassen hat, wird vom HGÜ – mit Ausnahme der in Art. 8 V HGÜ genannten Fälle – nicht erfasst, sie richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht des Anerkennungsstaats.332 Eine weitere Einschränkung folgt aus Art. 4 I S. 2 HGÜ, wonach eine einstweilige Sicherungsmaßnahme nicht als Entscheidung im Sinne des Übereinkommens gilt. Die Anerkennung von interim anti-suit injunctions unterliegt daher ebenfalls nationalem Recht. Zu prüfen bleibt somit lediglich die Anerkennungsfähigkeit von final anti-suit injunctions, die durch das prorogierte Gericht erlassen worden sind. Die Anerkennung solcher Maßnahmen scheitert möglicherweise an Art. 4 HGÜ, wonach lediglich Sachentscheidungen erfasst sind. Beurteilungen rein prozessualer Fragen sind demnach der Anerkennung nach Art. 8 f. HGÜ nicht zugänglich.333 Im Geltungsbereich des HGÜ stellt sich folglich dieselbe Frage wie im Rahmen von § 328 ZPO, nämlich ob ein Prozessführungsverbot zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung als Prozess- oder als Sachentscheidung anzusehen ist. 334 Auch hier erscheint es möglich, das Vorliegen einer Sachentscheidung mit dem Argument zu bejahen, dass eine contractual anti-suit injunction nicht nur eine Entscheidung über die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts enthält, sondern auch den aus der Prorogation folgenden Unterlassungsanspruch tituliert. Schließt man sich dieser Auffassung an, ist ein endgültiges Prozessführungsverbot anzuerkennen, es sei denn, einer der in Art. 9 HGÜ genannten Anerkennungsversagungsgründe steht entgegen. 335 Nach Art. 9 lit. a HGÜ darf aus Sicht des prorogierten Gerichts die Gerichtsstandsabrede nicht ungültig sein. Dieses Anerkennungshindernis greift jedoch nicht, wenn das 332
Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (124 f.). Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 116. 334 S. zu der Rechtslage in Deutschland oben § 8 A. III. 4. 335 Für die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit von anti-suit injunctions im Anwendungsbereich des HGÜ auch Joseph, Agreements, 2005, Rn. 15.63. 333
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
designierte Gericht festgestellt hat, dass die Vereinbarung gültig ist. Eine implizite Feststellung der Wirksamkeit der Zuständigkeitsabrede ist dabei ausreichend. Ein Prozessführungsverbot zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung wird – wie die vorgehenden Berichte über die Rechtslage in Deutschland, England und den USA zeigen – nur dann ergehen, wenn aus Sicht des erlassenden Gerichts die zugrunde liegende Prorogation wirksam ist. Einer contractual anti-suit injunction wird daher nicht nach Art. 9 lit. a HGÜ die Anerkennung versagt werden können. Sie kann allerdings an Art. 9 lit. e HGÜ scheitern, wenn das Prozessführungsverbot mit dem ordre public unvereinbar ist. Ob dies der Fall ist, wird jeder Anerkennungsstaat unter Zugrundelegung des eigenen Verständnisses der öffentlichen Ordnung entscheiden. Auch die Durchsetzung eines im Ursprungsstaat verhängten Ordnungsgeldes zur Vollstreckung einer dort ergangenen anti-suit injunction wird i.E. davon abhängen, ob aus Sicht des Anerkennungsstaats dadurch eine ordre public-Verletzung droht.
C. Verbot der Prozessfortführung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO Die vorhergehenden Ländergutachten haben gezeigt, dass die Haltung gegenüber Prozessführungsverboten zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen durchaus unterschiedlich ist (I.). Daher stellt sich die Frage, wie diesbezügliche nationale Rechtsvorstellungen mit den vereinheitlichten Rechten zusammenspielen (II.). Schließlich ist ausgehend von einer Effizienzbetrachtung (III.) zu erörtern, ob die anti-suit injunction im Anwendungsbereich der EuGVVO zur Stärkung von Zuständigkeitsabreden zugelassen werden sollte (IV.).
I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten In England gehören anti-suit injunctions zu den klassischen Rechtsbehelfen zur Durchsetzung ausschließlicher Zuständigkeitsabreden. Auch in den USA werden sie in den letzten Jahren vermehrt zum Schutz gegen abredewidrige Klagen eingesetzt. Die deutsche Rechtsprechung hat dagegen bisher in keinem Fall die Prozessführung im Ausland wegen Verstoßes gegen eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung untersagt. Das deutsche Schrifttum ist hinsichtlich der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Klageverbot zur Durchsetzung einer internationalen Prorogation in Betracht kommt, gespalten. Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist danach zu unterscheiden, ob das durch die anti-suit injunction betroffene Verfahren in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat stattfindet. Ers-
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terenfalls sind Prozessführungsverbote nach der eindeutigen Rechtsprechung des EuGH europarechtswidrig. Letzterenfalls steht ihrer Anordnung nach nationalem Recht dagegen nichts im Wege. Im Geltungsbereich des HGÜ sind anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen richtigerweise zulässig. Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Prozessführungsverbots sind unterschiedlich ausgestaltet. In England ist grundsätzlich erforderlich, dass die Gerichtsstandsvereinbarung eine Verpflichtung begründet, vor keinem anderen als dem designierten Gericht zu klagen. Dies ist nach dem materiellen Statut der Abrede zu beurteilen und bei englischem Prorogationsstatut stets gegeben. Besteht eine derartige Pflicht, ahnden englische Gerichte deren Verletzung regelmäßig mit dem Erlass eines Verbots des abredewidrigen Prozessierens. Ergibt sich aus der Gerichtsstandsvereinbarung keine solche Verpflichtung, kann die Fortführung eines ausländischen Verfahrens nur unter strengen Voraussetzungen untersagt werden. Ähnlich gestaltet sich die Rechtslage im deutschen Recht, wo ein Prozessführungsverbot entweder auf Vertrag oder auf Delikt gestützt werden kann. Ob eine für den vertraglichen Anspruch erforderliche verpflichtende Wirkung der Gerichtsstandsabrede vorliegt, ist nach dem Prorogationsstatut zu beurteilen. Ist dieses Statut deutsches Recht, begründet eine Zuständigkeitsvereinbarung nach der hier vertretenen Auffassung die vertragliche Pflicht der Parteien, vor keinem anderen als dem designierten Gericht zu klagen. Fehlt es hingegen an einer verpflichtenden Wirkung, kann der Anspruch auf Erlass eines Prozessführungsverbots alternativ unter den strengen Voraussetzungen von § 826 BGB gegeben sein. Abweichend beurteilt wird in den hier verglichenen autonomen Rechten außerdem, inwieweit die international comity dem Erlass von Klageverboten zum Schutz gegen die Missachtung von Gerichtsstandsabreden Grenzen setzt. Im deutschen Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, dass es aufgrund des Gebots zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer Staaten angemessen ist, ein Prozessführungsverbot erst dann zu erlassen, wenn die abredewidrig verklagte Partei erfolglos versucht hat, die entgegenstehende Gerichtsstandsvereinbarung im Wege der Zuständigkeitsrüge im derogierten Forum geltend zu machen. Aus englischer Sicht erfordert die international comity dagegen keine Zurückhaltung beim Erlass von Prozessführungsverboten: Rücksicht sei vielmehr lediglich auf die Belange des prorogierten Forums zu nehmen. Eine unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung verklagte Partei wird daher ein Prozessführungsverbot in England bereits vor Rüge der Zuständigkeit des abredewidrigen Gerichts erwirken können. In den USA herrschen zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen: Einem Teil der Gerichte zufolge steht das Rücksichtnahmegebot nur dann einem Prozessführungsverbot entgegen, wenn ein oder
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3. Kapitel: Direkter Schutz gegen abredewidrige Klagen
mehrere ausländische Staaten an der Gerichtsstandsvereinbarung im Einzelfall beteiligt oder in der konkreten Streitigkeit involviert sind. Andere erblicken in der international comity bereits dann ein Hindernis für die Anordnung eines Klageverbots, wenn die Prozessparteien keine Verbindungen zu den USA aufweisen bzw. der Streit in der Sache nach dem Recht des abredewidrig angerufenen Gerichts zu entscheiden ist. Nach beiden Auffassungen ist aus dem comity-Grundsatz jedoch nicht zu folgern, dass ein Prozessführungsverbot erst dann ergehen darf, wenn das abredewidrige Gericht über die Zuständigkeitsrüge der dort beklagten Partei negativ befunden hat. Denn das Abwarten einer Zuständigkeitsentscheidung im abredewidrigen Forum könnte die Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede erheblich gefährden. Unterschiedlich fällt ebenfalls die Antwort auf die Frage aus, ob inländische Gerichte Prozessführungsverbote auch zum Schutz von Prorogationen zugunsten drittstaatlicher Gerichte erlassen können. Im englischen Schrifttum wird in solchen Konstellationen der Erlass von anti-suit injunctions teilweise befürwortet. In den USA kommt ein Klageverbot zur Durchsetzung einer auf drittstaatliche Gerichte lautenden Prorogation dagegen nicht in Betracht. Denn die Anordnung eines Prozessführungsverbots setzt stets voraus, dass für das ausländische Verfahren auch in den USA eine Zuständigkeit eröffnet wäre. Dies ist jedoch naturgemäß nicht der Fall, wenn die Prorogation auf drittstaatliche Gerichte lautet. Deutsche Gerichte werden den Erlass eines Prozessführungsverbots zur Durchsetzung einer drittstaatlichen Gerichtsstandsvereinbarung ebenfalls ablehnen: Zum einen wäre hierfür aufgrund der Derogation in Deutschland kein internationaler Gerichtsstand eröffnet. Zum anderen fehlt es auch an einer entsprechenden Eilzuständigkeit deutscher Gerichte. Denn deutsche Gerichte sind nach autonomem Recht zur Anordnung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung nur dann international berufen, wenn das Hauptsachegericht in Deutschland liegt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht weisen die hier untersuchten Rechtsordnungen dagegen zahlreiche Ähnlichkeiten auf: In allen drei Ländern kann ein Prozessführungsverbot als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes oder als Entscheidung in der Hauptsache erlassen werden. Im Ergebnis vergleichbar sind auch die zur Vollstreckung von anti-suit injunctions verfügbaren Mittel. Die vorgehenden Ländergutachten haben außerdem gezeigt, dass in England, USA und Deutschland die Anerkennung und Durchsetzung ausländischer Prozessführungsverbote unwahrscheinlich ist. Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist die Anerkennung einer anti-suit injunction durch ein mitgliedstaatliches Gericht betreffend das Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschlossen. Betrifft die anti-suit injunction ein drittstaat-
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liches Verfahren, hängt ihre Anerkennung davon ab, ob sie gem. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO der öffentlichen Ordnung des Zweitstaats offensichtlich widerspricht. Ob im Geltungsbereich des HGÜ ein durch ein vertragsstaatliches Gericht verhängtes endgültiges Prozessführungsverbot in einem anderen Vertragsstaat anerkannt wird, wird ebenfalls davon abhängen, ob die Anerkennung die öffentliche Ordnung des Anerkennungsstaats verletzt.
II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts Der Schutzmechanismus der anti-suit injunction hat innerhalb der EU stark an Bedeutung verloren. Durch die EuGVVO ist dieses Rechtsinstrument in all denjenigen Fällen verdrängt, in denen die Fortführung eines Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat untersagt werden soll. Eine Rolle spielt die Möglichkeit der Anordnung eines Prozessführungsverbots somit nur noch in Bezug auf drittstaatliche Verfahren. Im Anwendungsbereich des HGÜ ist es den vertragsstaatlichen Gerichten hingegen unbenommen, eine antisuit injunction zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung anzuordnen. Insoweit tritt wegen des Anwendungsvorrangs des HGÜ das Verbot der EuGVVO wiederum in seiner Bedeutung zurück. Die Anerkennung einer auswärtigen anti-suit injunction unterliegt den europarechtlich vereinheitlichten Vorschriften, wenn sie von einem mitgliedstaatlichen Gericht erlassen worden ist. Die Anerkennung eines Prozessführungsverbots unterliegt den HGÜ-Normen hingegen nur dann, wenn es von dem prorogierten Gericht stammt. In allen anderen Fällen ist auf nationales Recht zurückzugreifen.
III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme Aus ökonomischer Sicht weist die anti-suit injunction durchaus einige positive Aspekte auf. Zum einen kann sie eine schnelle und zeitnahe Abwehr gegen Verletzungen von Gerichtsstandsvereinbarungen bieten. Sie setzt unmittelbar dort an, wo die Zuständigkeitsabrede missachtet wird. Dies kann in Fällen entscheidende Bedeutung haben, in denen die abredewidrige Klage in einem Forum erhoben wurde, das besonderes gerichtsstandsfeindlich ist, so dass nicht zu erwarten ist, dass der Beklagte hier mit einer bloßen Zuständigkeitsrüge die Gerichtsstandsvereinbarung durchsetzen kann. Die anti-suit injunction kann außerdem der Entstehung paralleler Prozesse vorbeugen. Indem die abredewidrig verklagte Partei ein Prozessieren im derogierten Forum untersagen lässt, kann sie ungestört im richtigen Forum das Verfahren initiieren. Ihr wird dadurch die Last genommen, in zwei Fora zugleich ihr Recht durchsetzen zu müssen. Insofern stellt die
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anti-suit injunction einen wirkungsvollen Mechanismus zum Schutz gegen die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen dar. Ein Prozessführungsverbot ist aber nicht nur dazu geeignet, die Parteien vor der doppelten zeitlichen und wirtschaftlichen Inanspruchnahme durch zweierlei Verfahren zu schützen. Sie kann vielmehr auch einer sinnlosen Verschwendung von Rechtsprechungsressourcen vorbeugen. Denn dass ein und dieselbe Sache gleichzeitig vor zwei verschiedenen Gerichten ausgetragen wird, ist die ökonomisch ungünstigste Lösung. Gleichwohl ist die anti-suit injunction nur von beschränkter Effektivität. Da ihre grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung kaum gewährleistet sind, macht ihr Erlass in der Regel nur dann Sinn, wenn der abredewidrig Klagende in demselben Forum anwesend ist und/oder über Vermögen verfügt, so dass eine Vollstreckung durch Zwangsmittel Erfolg verspricht. Die ökonomische Effizienz ist darüber hinaus begrenzt, da manche Gerichte in ausländischen Prozessführungsverboten einen unzulässigen Eingriff in die eigene Souveränität erblicken und durch die Anordnung von anti-anti-suit injunctions „zum Gegenschlag ausholen“. Anti-suit injunctions können somit zu einem zeit- und kostenraubenden Hin und Her von Verfahren zwischen Gerichten unterschiedlicher Staaten führen. Dies wäre weder aus ökonomischer Sicht sinnvoll noch würde es eine geordnete Rechtspflege gestatten, denn Parteien könnten mitunter zwischen den verschiedenen nationalen Rechtsprechungsgewalten „zerrieben“ werden.
IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO Nach gegenwärtiger Rechtslage besteht im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht die Möglichkeit, dem Kläger die Fortführung eines mitgliedstaatlichen Gerichtsverfahrens zu untersagen. Es fragt sich, ob in Abkehr von diesem Prinzip anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen ausnahmsweise zugelassen werden sollten. Die ökonomischen Vor- und Nachteile einer solchen Lösung wurden bereits betrachtet mit dem Ergebnis, dass sie nicht uneingeschränkt befürwortet werden kann. Dessen ungeachtet stehen der Zulassung von Prozessführungsverboten im europäischen Gemeinschaftsgebiet auch andere Gründe entgegen. Zum einen widerspricht dieser Rechtsbehelf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten.336 Denn indem ein Gericht einer Partei die Fortführung des Verfahrens vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats untersagt, maßt es sich indirekt die Kompetenz an, über das Ob der Entscheidungstätigkeit ausländischer Gerichte zu befinden. Dabei obliegt es herkömmlicherweise jedem Gericht selbst,
336
Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (560).
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die Reichweite seiner Kognitionsbefugnis zu beurteilen, auch wenn dies nach europarechtlichen Standards erfolgt. Des Weiteren würde die Gestattung von Prozessführungsverboten zu einem Ungleichgewicht in der EuGVVO führen. Da gegenwärtig nur in den common law-Ländern die anti-suit injunction einen festen Bestandteil der Rechtspraxis bildet, genössen ausschließlich deren Gerichte eine Befugnis zur mittelbaren Entscheidung über die Rechtsprechungstätigkeit anderer Länder, während eine solche den Gerichten aller übrigen EU-Mitgliedstaaten verwehrt bliebe.
Kapitel 4
Indirekter Schutz gegen die Missachtung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen Gegenstand der folgenden Ausführungen ist die Frage, welche Mechanismen einer abredewidrig verklagten Partei in den hier untersuchten Rechtsordnungen zum indirekten Schutz gegen die Missachtung der Gerichtsstandsabrede zur Verfügung stehen, und welche Voraussetzungen diese haben. Die indirekten Schutzinstrumente spielen in der Regel erst gegen Ende des Prozesses im forum derogatum eine Rolle. Sie sollen verhindern, dass für die im abredewidrigen Forum verklagte Partei in einem anderen Forum Belastungen entstehen, bzw. zielen auf Kompensation von Nachteilen, die dieser Partei durch die Verfahrenseinleitung am nicht vereinbarten Gerichtsstand erwachsen sind. In Betracht kommen insoweit die Verweigerung der Anerkennung eines Urteils des abredewidrig angerufenen Gerichts (§ 9), eine auf Bereicherungsrecht gestützte Rückforderung des infolge eines solchen Urteils Geleisteten (§ 10), Schadensersatz wegen Missachtung der Prorogation (§ 11) sowie schließlich Ansprüche aus vertraglichen Absicherungen der Gerichtsstandsvereinbarung (§ 12).
§ 9 Verweigerung der Anerkennung eines Urteils des abredewidrig angerufenen Gerichts Bejaht das abredewidrig angerufene Gericht seine internationale Zuständigkeit und trifft es eine Entscheidung in der Sache, stellt sich die Frage, ob die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils in anderen Ländern unter Hinweis auf die entgegenstehende Gerichtsstandsvereinbarung verweigert werden kann. Die autonomen Rechtsordnungen (A.) und die vereinheitlichten Rechtssysteme (B.) geben hierauf unterschiedliche Antworten. Diese sind einer ökonomischen Effizienzbetrachtung zu unterziehen, deren Erkenntnisse bei der Diskussion von Reformvorschlägen für die EuGVVO zu berücksichtigen sind (C.).
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
A. Anerkennungsversagung wegen Klage im derogierten Forum in autonomen Rechten Im autonomen englischen (I.), US-amerikanischen (II.) und deutschen Recht (III.) stellt eine die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts abbedingende Gerichtsstandsvereinbarung prinzipiell einen Grund dar, einem durch dieses Gericht getroffenen Sachurteil die Anerkennung zu verweigern. Die Anforderungen an die Anerkennungsversagung weichen jedoch teilweise erheblich voneinander ab.
I. Anerkennungsversagung zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung im englischen Recht Nach einem Überblick über die Strukturen des autonomen englischen Anerkennungsrechts (1.) werden die dort bestehenden Anforderungen an die Versagung der Anerkennung eines ausländischen Urteils wegen ausschließlicher Prorogation zugunsten eines anderen als des Ursprungsgerichts dargestellt (2.). 1. Grundstrukturen des autonomen englischen Anerkennungsrechts Das englische Anerkennungsrecht ist nicht einheitlich kodifiziert, sondern hält – je nach Ursprungsland der anzuerkennenden Entscheidung – unterschiedliche Regeln bereit (a.). Grundvoraussetzung der Anerkennung eines ausländischen Judikats bildet nach allen Regimes die internationale Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts (b.). a) Bestehende Anerkennungsregimes Das autonome englische Anerkennungsrecht zerfällt in ungeschriebene Regeln des common law und gesetzliche Kodifizierungen, zu denen insbesondere der Administration of Justice Act 1920, der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 und der Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 gehören.1 Die common law-Regeln gelten heute im Verhältnis zu den USA sowie zu den meisten Nicht-Commonwealth-Ländern aus Südamerika, Afrika und Asien.2 Nach der traditionellen common law-Vorstellung können ausländische Entscheidungen nicht selbst in England vollstreckt werden. Der Urteilsgläubiger muss vielmehr eine action on the foreign judgment erhe1
Collins/Morse/McClean/u.a., Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 132; Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.009–14.015; Edwards/Lee, I.B.F.L. 12 (1994), S. 1 (1). 2 Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 132; Edwards/Lee, I.B.F.L. 12 (1994), S. 1 (1).
§ 9: Anerkennungsversagung für Titel aus dem forum derogatum
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ben, auf deren Grundlage ein inhaltsgleiches englisches Urteil erlassen wird, das dann durchgesetzt werden kann.3 Ein inhaltsgleiches englisches Judikat wird aber nur dann ergehen, wenn die ausländische Entscheidung anerkennungsfähig ist. Soll der Auslandstitel in England andere Wirkungen als die Vollstreckbarkeit, beispielsweise Rechtskraft, entfalten, werden die Anerkennungsvoraussetzungen inzidenter geprüft.4 Der Administration of Justice Act 1920 galt ursprünglich im Verhältnis zwischen den verschiedenen Einzelstaaten des Vereinigten Königreichs und wurde später auf die meisten Länder des Commonwealth erstreckt. Das Gesetz wurde im Verhältnis zu den größeren Commonwealth-Staaten durch den Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 abgelöst.5 Letzteres Regelwerk ist auch für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus einigen westeuropäischen Ländern wie etwa Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien maßgeblich. Im Verhältnis zu diesen Staaten hat es aufgrund des Vorrangs des vereinheitlichten europäischen Anerkennungsrechts heute jedoch nur noch geringe praktische Bedeutung.6 Der Administration of Justice Act 1920 und der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 sind ausschließlich auf Geldleistungstitel anwendbar.7 Beide Gesetze verlangen für die Vollstreckung ausländischer Judikate in England lediglich deren registration. Die Registrierung einer auswärtigen Entscheidung steht nach dem Administration of Justice Act 1920 im Ermessen des High Court und wird nach sec. 9 (1) des Gesetzes angeordnet, wenn die Vollstreckung des Titels angemessen erscheint.8 In den von sec. 9 (2) Administration of Justice Act 1920 aufgezählten Fällen ist die Registrierung ausgeschlossen. Da die 3 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.009; Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 2.06; Fawcett/Carruthers/ North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 516. Über eine action on the judgment wird üblicherweise im Wege eines summary judgment nach Part 24 CPR entschieden. 4 Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 2.08. 5 Der Administration of Justice Act 1920 gilt heute insbesondere im Verhältnis zu Barbados, Singapur, Sri Lanka, Neuseeland, Nigeria, Uganda, Zambia und Zimbabwe. Der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 ist dagegen insbesondere für Entscheidungen aus Indien, Pakistan, Australien, Israel, der Isle of Man und einigen kanadischen Provinzen von Bedeutung: Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.172; Edwards/Lee, I.B.F.L. 12 (1994), S. 1 (1). 6 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.172. 7 Vgl. sec. 12 (1) Administration of Justice Act 1920 und sec. 8 (1) Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933. 8 Sec. 9 (1) Administration of Justice Act 1920: „the court may, if in all the circumstances of the case they think it just and convenient that the judgment should be enforced in the United Kingdom […] order the judgment to be registered accordingly.“
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registration für andere Titelwirkungen als die Vollstreckbarkeit nicht erforderlich ist, werden diese im Wege der Anerkennung nach den common law-Grundsätzen importiert.9 Als Neuerung gegenüber dem Administration of Justice Act 1920 führte der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 einen Anspruch des Titelinhabers auf Erteilung der Registrierung ein.10 Die registration hat zu erfolgen, wenn der Titel nicht bereits vollständig erfüllt wurde und in seinem Ursprungsland vollstreckbar ist.11 Die Erteilung der Registrierung kann vom Urteilsschuldner allerdings mit der Begründung angefochten werden, dass einer der in sec. 4 Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 aufgezählten Gründe greift. Ein weiterer Unterschied zu dem Administration of Justice Act 1920 besteht darin, dass der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 die Anerkennung auch dann regelt, wenn es um andere Titelwirkungen als die Vollstreckbarkeit geht: Insoweit müssen die Registrierungsvoraussetzungen inzidenter geprüft werden.12 Der Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 dient in erster Linie der Implementierung des EuGVÜ und des LugÜ ins englische Recht.13 Nach sec. 18 (1) i.V.m. sch. 6 und 7 gilt er jedoch auch für die Vollstreckung von Entscheidungen der Teilstaaten des Vereinigten Königreichs untereinander. Darüber hinaus enthält das Gesetz einige Regeln über die Anerkennung, wie etwa sec. 32–34 Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, die für sämtliche von außerhalb Großbritanniens stammenden Judikate gelten und damit die common law-Grundsätze sowie die Regelungen der übrigen geschriebenen Anerkennungsregimes ergänzen bzw. modifizieren.14 b) Prüfung der Anerkennungszuständigkeit im Überblick Ein ausländisches Judikat ist nach autonomem englischem Recht nur dann anzuerkennen, wenn das Ursprungsgericht international zuständig war: Im common law wird das im Rahmen der Entscheidung über die action on the 9 Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 2.50; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 156. 10 Vgl. sec. 2 (1) Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933: „the court shall […] order the judgment to be registered.“ 11 Vgl. sec. 2 (1) (a), (b) Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933. 12 Vgl. jedenfalls für die Rechtskraftbindung und die rechtskraftbedingte Präklusion s. 8 Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 sowie Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 2.54. 13 Der Act gilt außerdem – mit geringen Anpassungen durch den Civil Jurisdiction and Judgments Order 2001 No. 3929 – für Entscheidungen, die nach der EuGVVO anzuerkennen sind. 14 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 523.
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foreign judgment geprüft15, im Geltungsbereich des Administration of Justice Act 1920 bildet dies die Voraussetzung für die Erteilung der Registrierung16, und im Rahmen des Foreign Judgment (Reciprocal Enforcement) Act 1933 stellt die fehlende internationale Zuständigkeit einen Anfechtungsgrund dar, der zwingend zur Aufhebung der Registrierung führt17. Bei der Beurteilung der Anerkennungszuständigkeit wenden die englischen Gerichte andere Regeln an als die, die für das Abstecken der eigenen internationalen Zuständigkeit gelten. Die Voraussetzungen für die Annahme der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts variieren je nachdem, ob sich die Anerkennung im Einzelfall nach common law (aa.) oder nach den gesetzlichen Regelungen richtet (bb.). aa) Anforderungen an die Anerkennungszuständigkeit im common law Im common law wird danach unterschieden, ob es sich bei der ausländischen Entscheidung um ein judgment in personam oder in rem handelt: Ein judgment in personam liegt vor, wenn das ausländische Judikat die Existenz einer Verpflichtung gegenüber einer Person zum Gegenstand hat.18 Von einem judgment in rem ist dagegen auszugehen, wenn die auswärtige Entscheidung den Status einer Person oder einer Sache mit Wirkung für und gegen jedermann festlegt.19 Handelt es bei dem ausländischen Richterspruch um ein judgment in personam, ist die Anerkennungszuständigkeit in zwei Fällen gegeben: Zum einen dann, wenn sich der Urteilsschuldner der Jurisdiktion des auswärtigen Staats unterworfen hat. Zum anderen dann, wenn zwischen dem Urteilsschuldner und dem Gebiet des Entscheidungsstaats eine ausreichende territoriale Verbindung besteht.20 Eine die Anerkennungszuständigkeit begründende Unterwerfung liegt unproblematisch vor, wenn der Urteilsschuldner das auswärtige Verfahren selbst eingeleitet oder dort eine Widerklage erhoben hat (actual submission).21 War er im ausländischen Pro15
Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rules 36–40, 42; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 516; Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 2.09. 16 Vgl. sec. 9 (2) (a) Administration of Justice Act 1920. 17 Vgl. sec. 4 (1) (a) (ii) Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933. 18 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 516. 19 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 532 f. 20 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14R.048; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 134; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 517, 520. 21 High Court, 10.12.1870 – Schibsby v. Westenholz, (1870–71) L.R. 6 Q.B. 155, 161; Court of Appeal, 14.11.1907 – Emanuel v. Symon, [1908] 1 K.B. 302, 309; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.061; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 138; Fawcett/
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zess Beklagter, ist eine zuständigkeitseröffnende Unterwerfung auch dann anzunehmen, wenn er sich rügelos auf das Verfahren vor dem Ursprungsgericht eingelassen hat (voluntary submission) 22 oder bereits vor Beginn des Verfahrens dieses Gericht als zuständig für die Austragung der konkreten Streitigkeit bestimmt hat (contractual submission)23. Fehlt es an einer Unterwerfung des im Ausland Beklagten unter die dortige Jurisdiktion, kommt die Begründung der Anerkennungszuständigkeit durch ausreichende territoriale Verbindung zum Entscheidungsstaat in Betracht. Ist der Beklagte eine natürliche Person, ist diese jedenfalls dann gegeben, wenn er bei Klageerhebung im auswärtigen Staat ansässig (resident) und anwesend (present) war. 24 In einem obiter dictum aus der jüngeren Zeit hat der Court of Appeal ausgeführt, dass die Anerkennungszuständigkeit auch bei bloßer Präsenz des Beklagten zur Zeit der Zustellung der verfahrenseinleitenden Dokumente anzunehmen ist.25 Ob es für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts ausreicht, wenn der Beklagte im Entscheidungsstaat zwar resident, zur Zeit der Klagezustellung jedoch dort nicht anwesend war, hat der Court of Appeal in dem fraglichen Urteil dagegen ausdrücklich offen gelassen. 26 Ist der Beklagte eine juristische Person, besteht jedenfalls zu dem Land eine ausreichende Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 520. Eine Einschränkung dieser Grundsätze gilt für ausländische judgments in personam, die Rechte an unbeweglichem Vermögen betreffen. Solche Judikate können in England nur dann anerkannt werden, wenn das fragliche Vermögen im Entscheidungsstaat belegen ist, vgl. Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 534. 22 Court of Appeal, 04.07.1977 – SA Consortium General Textiles v. Sun & Sand Agencies, [1978] Q.B. 279, 299 f., 307 f.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.062–14.068; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 136 f.; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 521–527. 23 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.069–14.073; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 135 f.; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 520 f. 24 High Court, 10.12.1870 – Schibsby v. Westenholz, (1870–71) L.R. 6 Q.B. 155, 161; Court of Appeal, 14.11.1907 – Emanuel v. Symon, [1908] 1 K.B. 302, 309; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 518; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 138. 25 Court of Appeal, 24.05.1989 – Adams v. Cape Industries Plc, [1990] Ch. 433 (CA), 517 f. Kritisch dazu Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 518 und Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.054. 26 Court of Appeal, 24.05.1989 – Adams v. Cape Industries Plc, [1990] Ch. 433 (CA), 518. Im Schrifttum wird die residence des Beklagten im Staat des Ursprungsgerichts als ausreichend für die Begründung der Anerkennungszuständigkeit erachtet. So etwa Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 138 f. und Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 517 (Fn. 29).
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territoriale Verbindung, in dem sie eine eigene Niederlassung unterhält, von der aus sie für eine gewisse Zeit eine Geschäftstätigkeit ausübt. 27 Nicht genügend ist dagegen die Tatsache, dass ein Unternehmen in einem Land Geschäfte macht.28 Genauso wenig reicht, wenn die juristische Person in diesem Land ein Tochterunternehmen hat.29 Soweit ein Unternehmen in einem Land ein Drittunternehmen eingeschaltet hat, begründet das Agieren des letzteren nur dann eine ausreichende territoriale Verbindung des ersteren zu diesem Land, wenn das Drittunternehmen dort während einer gewissen Dauer und von einer festen Niederlassung vor Ort aus die Geschäftstätigkeit des Hauptunternehmens ausübt.30 Die Anerkennung weiterer Gründe für die Annahme der internationalen Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts zum Erlass eines judgment in personam hat die englische Rechtsprechung bisher abgelehnt. Weder reicht die Tatsache, dass im Entscheidungsstaat Vermögen des Beklagten belegen ist31, noch der Umstand, dass sich in diesem Staat das der geltend gemachten Haftung zugrunde liegende Ereignis abgespielt hat32. Handelt es sich bei dem anzuerkennenden Titel um ein judgment in rem, ist die Anerkennungszuständigkeit nur dann gegeben, wenn die betroffene res ihren situs innerhalb der Jurisdiktion des Entscheidungsstaats hat.33 Offen ist die Handhabung der Anerkennungszuständigkeit, wenn die ausländische Entscheidung aus einem föderalen Staat, wie etwa den USA, stammt. Muss eine territoriale Verknüpfung zu dem konkreten Bundesstaat bestehen, in dem die Klage anhängig gemacht worden ist, oder reicht die Existenz einer Verbindung des Beklagten zu irgendeinem US-amerikanischen Einzelstaat? Der Court of Appeal hat in einem obiter dictum eine differenzierende Behandlung der Problematik befürwortet: Hat ein state 27
Court of Appeal, 24.05.1989 – Adams v. Cape Industries Plc, [1990] Ch. 433 (CA), 530 f.; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 518 f.; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 138 f.; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.059. 28 Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 139. 29 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 519. 30 Court of Appeal, 24.05.1989 – Adams v. Cape Industries Plc, [1990] Ch. 433 (CA), 530; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 518 f.; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 139 f. 31 High Court, 10.12.1870 – Schibsby v. Westenholz, (1870–71) L.R. 6 Q.B. 155, 163; Court of Appeal, 14.11.1907 – Emanuel v. Symon, [1908] 1 K.B. 302, 307; Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 529; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.076; Clarkson/ Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 135. 32 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 529; Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 135. 33 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14R.099; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 534–636.
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court entschieden, sei für die Bejahung der Anerkennungszuständigkeit eine Verknüpfung des Beklagten zu dem Bundesstaat erforderlich, in dem das Ursprungsgericht seinen Sitz hat. Stammt das anzuerkennende Judikat dagegen von einem federal court, genüge auch eine Verbindung des Beklagten zu einem anderen Bundesstaat als dem, in dem das Ursprungsgericht ansässig ist.34 bb) Anforderungen an die Anerkennungszuständigkeit im geschriebenen Recht Die Voraussetzungen für die Bejahung der Anerkennungszuständigkeit im geschriebenen englischen Recht weichen nur gering von denen des common law ab.35 Der wohl einzige Unterschied zwischen letzterem und dem Administration of Justice Act 1920 betrifft die Anforderungen an die territoriale Verknüpfung des Urteilsschuldners zum Ursprungsgericht: Im Gegensatz zum common law reicht es nach der gesetzlichen Regelung für die Annahme einer zuständigkeitsbegründenden Verbindung bereits aus, dass der Urteilsschuldner im Entscheidungsstaat eine Geschäftstätigkeit ausübt.36 Der Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 weicht von dem ungeschriebenen englischen Anerkennungsrecht dagegen insbesondere insoweit ab, als nach ihm allein die Präsenz des Beklagten im Entscheidungsstaat die Anerkennungszuständigkeit nicht begründen kann.37 2. Anerkennungsversagung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung Gemäß sec. 32 (1) Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 – eine Norm, die unabhängig von dem im Einzelfall maßgeblichen Anerkennungsregime Anwendung findet38 – ist die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils zu versagen, wenn das auswärtige Verfahren unter Missachtung einer Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung eingeleitet wurde.
34 Court of Appeal, 24.05.1989 – Adams v. Cape Industries Plc, [1990] Ch. 433 (CA), 555–557. Kritisch zu der Unterscheidung zwischen Entscheidungen von federal und state courts Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 141 f. 35 Vgl. sec. 9 (2) (a) und (b) Administration of Justice Act 1920 sowie sec. 4 (2) Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933. S. auch Clarkson/Hill, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2006, S. 156 f. 36 Vgl. sec. 9 (2) (b) Administration of Justice Act 1920. 37 Vgl. die abschließende Aufzählung von zuständigkeitsbegründenden Umständen in sec. 4 (2) Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933. 38 Vgl. bereits oben § 9 A. I. 1. a).
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Die Anerkennungsverweigerung erfordert zum einen das Vorliegen einer wirksamen Abrede, die für die Entscheidung der konkreten Streitigkeit die Gerichte eines anderen als des Ausgangsstaats für ausschließlich zuständig bestimmt, sec. 32 (1) Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982. Bei der Beurteilung dieser Frage sind die englischen Richter an eine Entscheidung des ausländischen Gerichts über Gültigkeit und Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung nicht gebunden. 39 Vielmehr werden sie über diese Aspekte unter Zugrundelegung des aus englischer Sicht insoweit maßgeblichen Rechts befinden.40 Das ist eine Abweichung von der englischen res judicata-Lehre, wonach im Ausland getroffene Entscheidungen über Zuständigkeitsfragen in England Bindungswirkung entfalten können. 41 Hat demgegenüber ein ausländisches Gericht, dessen Titel nicht konkret anerkannt und vollstreckt werden soll, über Wirksamkeit und Reichweite einer Gerichtsstandsvereinbarung entschieden, kann dies in England in Rechtskraft erwachsen.42 Weitere Voraussetzung für das Eingreifen des Anerkennungsversagungsgrunds ist, dass der Urteilsschuldner nicht selbst das auswärtige Verfahren eingeleitet bzw. in dessen Einleitung eingewilligt hat, sec. 32 (1) (b) Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982. Außerdem darf sich der Urteilsschuldner nicht durch die Erhebung einer Widerklage oder in sonstiger Weise der Jurisdiktion des Ursprungsgerichts unterworfen haben, sec. 32 (1) (c) Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982.43 Die Anforderungen an die Annahme einer Unterwerfung im Sinne dieser Norm regelt sec. 33 Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982. Eine Unterwerfung liegt gem. sec. 33 (1) (b) Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 noch nicht vor, wenn sich der Urteilsschuldner an dem ausländischen Verfahren nur beteiligt hat, um das Gericht um Klageaussetzung bzw. -abweisung wegen einer entgegenstehenden Gerichtsstands- oder Schiedsvereinbarung zu ersuchen. Problematisch sind jedoch Konstellationen, in denen der Urteilsschuldner sich nicht nur auf die entgegenstehende Zuständigkeitsabrede beruft, sondern auch Ausführungen zur Hauptsache macht. Es herrscht Einigkeit 39
Vgl. sec. 32 (3) Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 sowie High Court, 06.10.1982 – Tracomin SA v. Sudan Oil Seeds Co. Ltd., [1983] 1 All E.R. 404, 410 f. 40 Zu der Bestimmung des maßgeblichen Rechts für die Entscheidung über Wirksamkeit und Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen durch englische Gerichte s. oben § 4 A. I. 1. b), § 5 A. I. 41 Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 573. 42 House of Lords, 21.03.1985 – The Sennar No. 2, [1985] 1 Lloyd’s Rep. 521; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 573. 43 Der Unterschied zwischen sec. 32 (1) (b) und (c) besteht darin, dass letztere Norm sich mit dem Verhalten des Urteilsschuldners im Entscheidungsstaat nach Einleitung des dortigen Prozesses befasst, vgl. Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 572.
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darüber, dass Erklärungen zur Begründetheit der Klage im Ursprungsgericht nicht als Unterwerfung gewertet werden können, solange der Urteilsschuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, dass die Ausführungen unter dem Vorbehalt der Rüge der Unzuständigkeit gemacht werden.44 Fraglich ist jedoch, wie der Fall zu beurteilen ist, dass der Urteilsschuldner die Einrede der Unzuständigkeit erhebt und, nachdem die Rüge durch Zwischenentscheid zurückgewiesen worden ist, unter Aufrechterhaltung des Unzuständigkeitseinwands zur Hauptsache verhandelt. Briggs ist der Auffassung, dass in solchen Situationen eine die Anerkennungsversagung hindernde Unterwerfung des Urteilsschuldners nicht angenommen werden kann: Mit der Verteidigung in der Sache habe der Urteilsschuldner zwar zum Ausdruck gebracht, dass er die Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts akzeptiert. Dies könne jedoch nicht als Aufgabe seiner Position gewertet werden, dass eine wirksame ausschließliche Prorogation zugunsten eines anderen Gerichts vorliegt. Man müsse nämlich strikt unterscheiden zwischen der Ebene des „public law“, auf der sich die Zuständigkeitsproblematik abspielt, und der Ebene der „personal rights“, auf der die Frage nach dem Bestehen einer Gerichtsstandsvereinbarung im Mittelpunkt steht. Da zweitere Ebene durch die Unterwerfung unberührt bleibe, sei es dem Urteilsschuldner nicht verwehrt, englische Gerichte um die Verweigerung der Anerkennung des ausländischen Urteils wegen der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung zu ersuchen.45 In der Rechtsprechung und der wohl überwiegenden Literatur wird die Verhandlung des Urteilsschuldners zur Hauptsache, nachdem das Ursprungsgericht die Rüge der Zuständigkeit abgewiesen hat, dagegen als Unterwerfung angesehen, die der Versagung der Anerkennung nach sec. 32 (1) Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 entgegensteht. 46 Nach Zurückweisung des Unzuständigkeitseinwands könne nicht mehr angenommen werden, dass der Urteilsschuldner mit seiner Beteiligung am Prozess lediglich das Ziel verfolgt, die entgegenstehende Gerichtsstandsvereinbarung geltend zu machen. 44 Court of Appeal, 19.12.1991 – Marc Rich & Co. AG v. Societa Italiana Impianti pA (The Atlantic Emperor) No. 2, [1992] 1 Lloyd’s Rep. 624, 631–633; Collins/Morse/ McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.066; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 526; Collins, The Civil Jurisdiction and Judgments Act, 1983, S. 144. 45 Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.37–8.40. 46 Court of Appeal, 19.12.1991 – Marc Rich & Co. AG v. Societa Italiana Impianti pA (The Atlantic Emperor) No. 2, [1992] 1 Lloyd’s Rep. 624, 633 f.; Fawcett/Carruthers/ North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 526; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.063 f.; Knight, J. Priv. Int. L. 4 (2008), S. 501 (511 f.). Diese Auffassung beschreibt Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.37 folgendermaßen: „A decision to appear to fight the case on its merits is a submission to the adjudicatory jurisdiction of the foreign court even when accompanied by grumbling.“
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Die rügelose Einlassung sei stets als Einlassung auf das gesamte Verfahren zu werten und beziehe sich daher auch auf die Entscheidung des Ursprungsgerichts über Wirksamkeit und Auslegung der konkreten Prorogation.47 Eine Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Ursprungsgerichts ist dagegen abzulehnen, wenn der Urteilsschuldner nach Abweisung seiner Zuständigkeitsrüge dem ausländischen Prozess fernbleibt, und dort gegen ihn ein Versäumnisurteil ergeht.48
II. Anerkennungsversagung zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung im US-amerikanischen Recht Nach einem Überblick über die Anerkennungsregeln im autonomen USamerikanischen Recht (1.) werden die Anforderungen an die Versagung der Anerkennung einer auswärtigen Entscheidung wegen einer ausschließlichen Prorogation zugunsten eines anderen als des Ursprungsgerichts dargestellt (2.). 1. Die Anerkennungsregeln im autonomen US-amerikanischen Recht im Überblick Ein US-weit einheitliches Anerkennungsrecht existiert nicht. Je nach Ursprungs- und Anerkennungsgericht sowie abhängig von dem Gegenstand der anzuerkennenden Entscheidung kommen unterschiedliche Anerkennungsregeln zur Anwendung (a.). Trotz zahlreicher Abweichungen im Detail machen alle Rechtsregimes die Anerkennung und Vollstreckung auswärtiger Titel von der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts abhängig (b.). a) Die unterschiedlichen Anerkennungsregimes Bei der Bestimmung des maßgeblichen Anerkennungsrechts unterscheidet ein US-amerikanisches Gericht in erster Linie danach, ob die fragliche Entscheidung von einem US-Gericht aus einem anderen Bundesstaat (aa.) oder von einem Gericht außerhalb der USA stammt (bb.).
47 Court of Appeal, 19.12.1991 – Marc Rich & Co. AG v. Societa Italiana Impianti pA (The Atlantic Emperor) No. 2, [1992] 1 Lloyd’s Rep. 624, 633. 48 Vgl. etwa Court of Appeal, 10.05.1951 – Re Dulles' Settlement Trusts, [1951] Ch. 842, 850; High Court, 23.07.1968 – NV Daarnhouwer & Co v. Boulos, [1968] 2 Lloyd’s Rep. 259; wohl zustimmend Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14.063.
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aa) Entscheidungsanerkennung im zwischenstaatlichen Verkehr Aus Sicht eines US-amerikanischen Gerichts ist ein Titel bereits dann forumsfremd und somit der Anerkennung bedürftig, wenn er in einem anderen Bundesstaat erlassen worden ist.49 Um die Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils im zwischenstaatlichen Verkehr zu erreichen, stehen dem Urteilsgläubiger je nach Besonderheiten des Einzelfalls unterschiedliche Regeln zur Auswahl. In Betracht kommt zum einen die Durchsetzung eines auswärtigen Urteils durch ein Verfahren aufgrund des full faith and credit-Gebots in Art. IV Sec. 1 US-Bundesverfassung. Diesem sog. common law-Anerkennungsverfahren liegt die Auffassung zugrunde, dass die Zwangsvollstreckung ausschließlich aus einem inländischen Judikat betrieben werden kann. Die Durchsetzung einer auswärtigen Entscheidung nach common law setzt daher stets die Erhebung einer Klage durch den Urteilsgläubiger voraus, gerichtet auf Erlass eines inländischen Urteils auf der Grundlage des auswärtigen Titels (sog. action on the judgment).50 Auch wenn die Anerkennung nach dem full faith and credit-Gebot aufgrund des erforderlichen streitigen Verfahrens langwierig und kostspielig sein kann, hat sie für den Urteilsgläubiger den Vorteil, dass das Zweitgericht in seiner Überprüfung des Ersturteils außerordentlich beschränkt ist.51 Eine zügigere Anerkennung und Vollstreckung auswärtiger Urteile erlauben die gesetzlichen Schnellverfahren. Ein solches sieht 28 U.S.C. § 1963 für die Durchsetzung von Titeln im Verhältnis der US-amerikanischen Bundesgerichte untereinander vor. Nach dieser Regelung können Judikate, welche die Zahlung von Geld oder Herausgabe von Sachen zum Gegenstand haben, im Zweitland registriert werden. Hierdurch wird das auswärtige Urteil in eine vollstreckungsfähige Entscheidung des registrierenden Gerichts umgewandelt.52 Eine ähnliche Regelung für die Durchsetzung von Entscheidungen einzelstaatlicher Gerichte findet sich in dem Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act, der in fast allen Bundesstaaten in Kraft ist. Dieses Gesetz, das entgegen seiner Bezeichnung nur auf Urteile aus anderen Bundesstaaten Anwendung findet, erlaubt ebenfalls eine Registrierung. Durch diese entsteht ebenfalls ein neuer inländischer Titel. 53 Ein Nachteil der gesetzlichen Schnellverfahren im Vergleich zur common law-Anerkennung ist, dass der Urteilsschuldner gegen die Durch49
Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 1268, 1279–1282. Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 1268; Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 298–300; Böhm, USZPR, 2005, Rn. 13. 51 Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 303. 52 Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 13 (Fn. 18). 53 Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 304. 50
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setzung des Urteils nicht nur Einreden nach dem Recht des Entscheidungsstaats, sondern auch solche aufgrund des Rechts des Anerkennungsstaats geltend machen kann.54 bb) Entscheidungsanerkennung im internationalen Verkehr Nach der aktuellen Rechtslage unterliegt die Anerkennung ausländischer Urteile – wie bereits oben dargestellt – einzelstaatlichem Recht. Je nach Bundesstaat zerfällt das Anerkennungsrecht in common law und gesetzliche Regeln.55 Die Durchsetzung eines ausländischen Judikats nach common law setzt wie bei zwischenstaatlichen Urteilen voraus, dass im Rahmen eines streitigen Anerkennungsverfahrens auf der Grundlage des auswärtigen Titels eine inhaltsgleiche US-amerikanische Entscheidung erlassen wird. 56 Die Vollstreckung von ausländischen Urteilen auf Geldzahlung nach den Uniform Recognition Acts 1962 und 2005 erfordert grundsätzlich ebenfalls die Einleitung eines streitigen Verfahrens auf Erlass eines judgment on the judgment.57 In manchen Einzelstaaten, die neben diesen gesetzlichen Regelungen auch den auf Urteile aus anderen US-amerikanischen Bundesstaaten anwendbaren Uniform Enforcement of Foreign Judgments Act übernommen haben, wird jedoch die Ansicht vertreten, dass das nach letzterem Act mögliche einfache Registrierungsverfahren auch für ausländische Entscheidungen zur Verfügung steht.58 Das ALI Draft Statute 2005 59 stellt für die Durchsetzung solcher Judikate zwei Verfahren zur Auswahl, die im Grundsatz den Verfahren entsprechen, welche für die Vollstreckung von Urteilen im zwischenstaatlichen Verkehr zur Verfügung stehen.60 Die die Vollstreckung begehrende Partei kann zum einen eine action on the judgment bei dem zuständigen Gericht erheben gem. § 9 ALI Draft Statute 2005. Liegen die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung nach § 1 (a), (b) ALI Draft Statute 2005 vor und ist kein Anerkennungsversagungsgrund nach §§ 5–7 ALI Draft Statute 2005 gegeben, wird auf der Grundlage des ausländischen
54 Scoles/Hay/Borchers/u.a., Conflict of Laws, 4. Aufl. 2004, S. 1283; Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 315. 55 S. oben § 8 A. II. 4. b) aa). 56 Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 308; Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 13. 57 Vgl. Schütze, Deutsche-amerikanische Urteilsanerkennung, 1992, S. 18 f. für den Uniform Recognition Act 1962 sowie sec. 6 Uniform Recognition Act 2005. 58 Schütze, Deutsche-amerikanische Urteilsanerkennung, 1992, S. 18 m.w.N. 59 Vgl. zu dem ALI Draft Statute 2005 oben § 8 A. II. 4. b) bb). 60 ALI/UNIDROIT, Principles of Transnational Civil Procedure, 2004, S. 111.
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Urteils ein inländisches Judikat erlassen werden, das anschließend beigetrieben werden kann. Die die Vollstreckung begehrende Partei kann zum anderen das ausländische Judikat bei dem zuständigen Gericht registrieren lassen gem. § 10 ALI Draft Statute 2005. Diese Durchsetzungsmöglichkeit besteht jedoch nur für Urteile auf Zahlung eines Geldbetrags, die nicht mehr durch ein Rechtsmittel angefochten werden können und nicht im Versäumnisverfahren ergangen sind, § 10 (a) ALI Draft Statute 2005. Die Registrierung erfordert einen Antrag des Gläubigers an das zuständige Gericht, der u.a. eine beglaubigte Kopie des Urteils und die eidesstattliche Versicherung des Gläubigers darüber enthalten soll, dass das Judikat nicht unter die in § 10 (a) ALI Draft Statute 2005 geregelten Ausnahmen fällt, dass der Schuldner auf das Urteil hin nicht geleistet hat und das Vermögen des Schuldners im Ausgangsstaat nicht ausreicht, um den Gläubiger zu befriedigen, bzw. der Schuldner im Entscheidungsstaat Schritte unternommen hat, um sein Vermögen dem Gläubiger zu entziehen, § 10 (c) ALI Draft Statute 2005. Die Registrierung wird dem Urteilsschuldner mitgeteilt und er hat gem. § 10 (f) ALI Draft Statute 2005 innerhalb von 60 Tagen die Möglichkeit, Widerspruch dagegen einzulegen. Macht der Urteilsschuldner von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch, wirkt das ausländische Urteil nach § 10 (a) ALI Draft Statute 2005 wie ein inländisches und kann entsprechend vollstreckt werden. Erhebt der Urteilsschuldner fristgemäß Widerspruch und stellt sich bei der Überprüfung heraus, dass die Anerkennungsfähigkeit des Titels zweifelhaft ist, wird die Registrierung nach § 9 (g) ALI Draft Statute 2005 gelöscht. Entscheidet sich der Urteilsgläubiger für eine Fortsetzung des Verfahrens, wird über die Vollstreckung der Entscheidung nunmehr gem. § 10 (g) ALI Draft Statute 2005 im Rahmen des Verfahrens nach § 9 ALI Draft Statute 2005 entschieden. b) Die Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts ist nach autonomem USamerikanischem Recht gleichermaßen Voraussetzung für die Anerkennung von zwischenstaatlichen (aa.) und ausländischen Urteilen (bb.). aa) Entscheidungen im zwischenstaatlichen Verkehr Ein US-amerikanisches Gericht ist grundsätzlich befugt, einem Urteil aus einem anderen Bundesstaat die Anerkennung zu versagen, wenn aus seiner Sicht das Ausgangsgericht zur Entscheidung der Streitigkeit international
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nicht berufen war. 61 Dieser Anerkennungsverweigerungsgrund hat in der Praxis aufgrund der US-amerikanischen res judicata-Lehre jedoch nur geringe Bedeutung: Hat das Ursprungsgericht eine Rüge seiner internationalen Zuständigkeit nämlich abgewiesen, und wurden gegen diese Entscheidung im Erststaat erfolglos Rechtsmittel eingelegt, erwächst sie nach überwiegender Auffassung in Rechtskraft mit der Folge, dass das Anerkennungsgericht an einer erneuten Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Ausgangsgerichts gehindert ist.62 Im zwischenstaatlichen Bereich kommt eine Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Ausgangsgerichts folglich nur für Versäumnisurteile in Betracht. 63 In solchen Fällen richtet sich die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der in der US-Bundesverfassung verankerten due process-Klausel.64 bb) Entscheidungen im internationalen Verkehr Einem ausländischen Urteil ist nach geschriebenem sowie ungeschriebenem US-amerikanischem Recht die Anerkennung zu versagen, wenn das Ursprungsgericht zur Entscheidung nicht international berufen war.65 Unklarheit herrscht jedoch darüber, ob das Anerkennungsgericht die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts überprüfen kann, wenn eine Zuständigkeitsrüge von den Gerichten im Ausgangsstaat rechtskräftig abgewiesen worden ist: Manche US-amerikanischen Gerichte wenden die in der zwischenstaatlichen Praxis geltenden Grundsätze an und messen der die internationale Zuständigkeit bejahenden Entscheidung des ausländischen Gerichts Bindungswirkung zu. 66 Die wohl überwiegende Auffassung lehnt eine res judicata-Wirkung dagegen ab und spricht sich somit für eine un61 §§ 104, 105 Restatement (Second) Conflict of Laws (1971); Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 1010 f.; Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 314. 62 US Supreme Court, 18.05.1931 – Baldwin v. Iowa State Traveling Men's Association, 283 U.S. 522; US Supreme Court, 14.11.1932 – American Surety Co. v. Baldwin, 287 U.S. 156; US Supreme Court, 06.11.1939 – Treinies v. Sunshine Mining Corp., 308 U.S. 66; Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 1011; Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 194. 63 Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 314. 64 Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 314. 65 § 482 comment c. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986); Born, Litigation, 4. Aufl. 2007, S. 1050; Bermann, Litigation, 2003, S. 338; Hay, in: Assmann/ Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 308, 312. S. auch sec. 4 (a) (2) Uniform Recognition Act 1962, sec. 4, 5 Uniform Recognition Act 2005 und §§ 5 (a) (iii), 6 ALI Recognition Draft Statute 2005. 66 Vgl. etwa US Court of Appeals (3rd Cir.), 20.12.1971 – Somportex Ltd. v. Philadelphia Chewing Gum Corp., 453 F.2d 435, 440–442.
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eingeschränkte Überprüfbarkeit der internationalen Zuständigkeit ausländischer Gerichte aus.67 Die Anforderungen an die Anerkennungsversagung wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des Erstgerichts variieren je nach Anerkennungsregime. Im common law sowie im Rahmen des Uniform Recognition Act 1962 wird die Frage nach der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts unter spiegelbildlicher Anwendung der Grundsätze beantwortet, welche für die Beurteilung der territorial jurisdiction US-amerikanischer Gerichte gelten, d.h. insbesondere unter Berücksichtigung der sich aus der verfassungsrechtlichen due process-Klausel ergebenden Schranken. 68 Der Recognition Act 2005 enthält dagegen in sec. 5 eine nicht abschließende Aufzählung zulässiger Gerichtsstände, die zum Großteil jenen für die Begründung der internationalen Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte entsprechen. Die Anerkennungszuständigkeit ist danach etwa gegeben, wenn im Ausgangsstaat die verfahrenseinleitenden Dokumente dem Beklagten zugestellt wurden, der Beklagte sich durch Abschluss einer Prorogation oder rügelose Einlassung der Jurisdiktion freiwillig unterworfen hat oder der Beklagte zur Zeit der Verfahrenseinleitung im Ausgangsstaat sein Domizil bzw. seinen Hauptgeschäftssitz hatte. Das ALI Draft Statute 2005 geht dagegen einen anderen Weg. Statt einer positiven Auflistung der Umstände, die die internationale Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts begründen können, nennt er in § 6 Gerichtsstände, die die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils ausschließen: Unzulässig sind danach insbesondere der Gerichtsstand der Belegenheit einer im Eigentum des Beklagten stehenden Sache, wenn die Klage keine Beziehung zu diesem Eigentum aufweist, und der Gerichtsstand der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes bzw. Sitzes des Klägers. Die Anerkennung eines Urteils ist auch dann zu versagen, wenn das Ursprungsgericht seine internationale Zuständigkeit auf die vorübergehende Anwesenheit des Beklagten im Gerichtsstaat im Zeitpunkt der Zu67 US District Court (N.D. Texas), 23.06.1980 – Hunt v. BP Exploration Company (Libya) Ltd., 492 F.Supp. 885, 895 f.; US District Court (E.D. New York), 14.09.1990 – Nippon Emo-Trans Co., Ltd. v. Emo-Trans, Inc., 744 F.Supp. 1215, 1227 f.; US District Court (S.D. New York), 12.03.1999 – S.C. Chimexim S.A. v. Velco Enterprises Ltd., 36 F.Supp.2d 206, 212 f.; § 482 comment c. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986). 68 US District Court (N.D. Texas), 23.06.1980 – Hunt v. BP Exploration Company (Libya) Ltd., 492 F.Supp. 885, 895; New Jersey Superior Court, Appelate Division, 15.10.1981 – Mercandino v. Devoe & Raynolds, Inc., 436 A.2d 942, 943 f.; US Court of Appeals (7th Cir.), 21.06.1990 – MA v. Continental Bank N.A., 905 F.2d 1073, 1076; Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 309; Bermann, Litigation, 2003, S. 339 f. Vgl. auch §§ 421, 482 comment c. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986).
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stellung der Klage gestützt hat. Die Möglichkeit, einen unzulässigen Gerichtsstand geltend zu machen, bleibt dem Beklagten gem. § 6 (c) ALI Draft 2005 auch dann erhalten, wenn er sich auf das ausländische Verfahren eingelassen bzw. die Zuständigkeit des Ausgangsgerichts erfolglos gerügt hat. 2. Anerkennungsverweigerung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung Ein US-amerikanisches Gericht wird die Anerkennung des Judikats eines Gerichts aus einem anderen Bundesstaat in der Regel nicht unter Hinweis darauf verweigern können, dass der Zuständigkeit des Ausgangsgerichts eine Gerichtsstandsvereinbarung entgegenstand. 69 Denn waren Wirksamkeit und Reichweite der Zuständigkeitsabrede Verhandlungsgegenstand im Erstverfahren, und wurde dort entschieden, dass die Gerichtsstandsvereinbarung kein Hindernis für die Entscheidung der Streitigkeit durch das Erstgericht darstellt, ist das Anerkennnungsgericht aufgrund der res judicataLehre an diese Feststellung gebunden. Die Anerkennungsversagung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung bleibt folglich nur in Fällen möglich, in denen das Urteil des Erstgerichts im Versäumnisverfahren ergangen ist. Stammt das anzuerkennende Urteil dagegen von einem ausländischen Gericht, sieht die Rechtslage anders aus. Im common law sowie nach sec. 4 (b) (5) Uniform Recognition Act 1962 bzw. sec. 4 (c) (5) Uniform Recognition Act 2005 ist die Anerkennung zu versagen, wenn das Verfahren im Entscheidungsstaat unter Missachtung einer Zuständigkeitsabrede eingeleitet wurde.70 Bei der Überprüfung von Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung ist das US-amerikanische Gericht nach der wohl überwiegenden Auffassung an diesbezügliche Feststellungen des Erstgerichts nicht gebunden. 71 Voraussetzung für die Anerkennungsverweigerung ist jedoch, dass sich der im Ausland Beklagte nicht auf die Verhandlung vor dem Ausgangsgericht eingelassen hat.72 Nach den Regelungen des Uniform Recognition Act aus dem Jahr 1962 und dem Jahr 2005,
69 Vgl. auch Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 312 (Fn. 558). 70 Vgl. § 482 comment h. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986); Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 210. 71 S. oben § 9 A. II. 1. a) bb). 72 Vgl. sec. 5 (a) (2) Uniform Recognition Act 1962 und sec. 5 (a) (2) Uniform Recognition Act 2005 sowie § 482 comment h. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986).
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die die insoweit geltenden common law-Grundsätze wiedergeben 73 , liegt eine rügelose Einlassung vor, wenn der Beklagte vor dem Ursprungsgericht nicht nur deswegen erschienen ist, um die internationale Zuständigkeit zu bestreiten. Eine rügelose Einlassung scheidet danach aus, wenn der Beklagte nach erfolglosem Einwand der internationalen Unzuständigkeit dem Verfahren vor dem Erstgericht ferngeblieben ist. Einem durch dieses Gericht erlassenen Versäumnisurteil gegen den Beklagten kann die Anerkennung in den USA folglich unter Hinweis auf die entgegenstehende Gerichtsstandsvereinbarung versagt werden.74 Unschädlich ist auch, wenn der Beklagte neben dem Bestreiten der internationalen Zuständigkeit auch Ausführungen zur Hauptsache gemacht hat, solange im Ausgangsstaat über die Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage üblicherweise gemeinsam verhandelt wird.75 Verhandelt der Beklagte jedoch zur Sache, nachdem das Ausgangsgericht die Zuständigkeitsrüge zurückgewiesen hat, liegt eine rügelose Einlassung vor, da sein Erscheinen vor Gericht nunmehr nicht nur dem Zweck dient, die internationale Zuständigkeit zu bestreiten.76 Auch nach § 5 (b) (i) ALI Draft Statute 2005 ist die Durchsetzung eines ausländischen Judikats zu versagen, wenn das Verfahren im Ausgangsstaat entgegen einer ausschließlichen Prorogation zugunsten der Gerichte eines anderen Forums eingeleitet worden war.77 Von diesem Grundsatz gibt es nach § 5 (b) (ii) ALI Draft Statute 2005 jedoch zwei Ausnahmen: Die Anerkennungsverweigerung scheidet aus, wenn die Zuständigkeitsabrede im Ausgangsverfahren nicht geltend gemacht wurde. 78 Eine anderweitige Gerichtsstandsvereinbarung steht der Anerkennung des Urteils in den USA 73
Vgl. US District Court (E.D. New York), 14.09.1990 – Nippon Emo-Trans Co., Ltd. v. Emo-Trans, Inc., 744 F.Supp. 1215, 1224 (Dearie J): („Although the Uniform Act does not contain a detailed commentary, it is clear that it was intended to codify, not to change the common law…“) unter Hinweis auf Commissioners’ Prefatory Note, Uniform Recognition Act 1962: („The Act states rules that have long been applied by the majority of courts in this country.“). 74 Bermann, Litigation, 2003, S. 342 f. 75 US District Court (E.D. New York), 14.09.1990 – Nippon Emo-Trans Co., Ltd. v. Emo-Trans, Inc., 744 F.Supp. 1215, 1225. 76 US District Court (E.D. New York), 14.09.1990 – Nippon Emo-Trans Co., Ltd. v. Emo-Trans, Inc., 744 F.Supp. 1215, 1222–1226; Bermann, Litigation, 2003, S. 342 f. 77 Im Gegensatz zum geltenden Recht, wo der Nachweis der Anerkennungshindernisse dem Anerkennungsgegner obliegt, trägt nach § 5 (d) ALI Draft Statute 2005 der die Anerkennung Begehrende die Beweislast für die (Un)Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Vgl. dazu ALI, Final Draft on Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, 2005, S. 58 f. 78 Der Kommentierung lässt sich nicht entnehmen, ob eine Geltendmachung auch dann noch angenommen werden kann, wenn der Beklagte nach Abweisung der Zuständigkeitsrüge unter Aufrechterhaltung des jurisdiction-Einwands vor dem Erstgericht Ausführungen zur Hauptsache macht.
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außerdem dann nicht entgegen, wenn das Ursprungsgericht entschieden hat, dass die Abrede unwirksam ist oder die konkrete Streitigkeit nicht erfasst. Über diese Entscheidung kann sich das US-amerikanische Anerkennungsgericht nur dann hinwegsetzen, wenn nach dem Recht des Erstgerichts Pround Derogationen grundsätzlich unzulässig sind, oder die Entscheidung des Ausgangsgerichts über die Gültigkeit „manifestly unreasonable“, d.h. offensichtlich unangemessen war.
III. Anerkennungsversagung zum Schutz einer Gerichtsstandsvereinbarung im deutschen Recht Nach § 328 I Nr. ZPO ist die Anerkennung eines ausländischen Titels zu versagen, wenn das Ursprungsgericht nicht international zuständig war. Bei der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit gilt das sog. Spiegelbildprinzip, nach dem die Regeln der Entscheidungszuständigkeit spiegelbildlich auf den Ausgangsstaat übertragen werden. 79 Das auswärtige Gericht müsste unter hypothetischer Geltung des autonomen deutschen Zuständigkeitsrechts für die Entscheidung international zuständig gewesen sein.80 An den deutschen Zuständigkeitsregeln wird nur die internationale Zuständigkeit des Urteilsstaats gemessen. Ob das konkrete Gericht nach deutschem Recht auch örtlich zuständig gewesen wäre, ist dagegen unerheblich. 81 Demnach fehlt unter Geltung des Spiegelbildprinzips die internationale Zuständigkeit, wenn unter Zugrundelegung der §§ 12 ff. ZPO deutsche Gerichte selbst eine ausschließliche Entscheidungszuständigkeit für sich in Anspruch nehmen oder eine solche in einem Drittstaat verortet ist. 82 Bei Bundesstaaten mit jeweils eigenen Gerichten der Teilstaaten wie USA genügt nach Ansicht des BGH grundsätzlich die internationale Zuständigkeit des Gesamtstaats, eine spiegelbildliche Zuständigkeit des Teilstaats, in dem die Entscheidung ergangen ist, ist nicht erforderlich.83
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Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 922. Vgl. zur Rechtfertigung des Spiegelbildprinzips im deutschen Recht Schindler, Durchbrechungen des Spiegelbildprinzips, 2004, S. 26–30; Fricke, Anerkennungszuständigkeit, 1990, S. 63–102. 80 BGH, 26.03.1969 – VIII ZR 194/68, NJW 1969, S. 1536; BayObLG, 07.02.2001 – 3Z BR 117/00, FamRZ 2001, S. 1622; OLG Düsseldorf, 07.12.2007 – I-7 U 228/05, IPRax 2009, S. 517. 81 BGH, 29.04.1999 – IX ZR 263-97, NJW 1999, S. 3198; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 68; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 926. 82 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 71. 83 BGH, 29.04.1999 – IX ZR 263-97, NJW 1999, S. 3198. So auch MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 69 und v. Hoffmann/Hau, RIW 1998, S. 344. Die Gegenansicht verlangt dagegen das Vorliegen eines zuständigkeitsrechtlichen Bezugs zu dem konkreten Einzelstaat, vgl. Roth, ZZP 112 (1999), S. 483. Coester-Waltjen, in: FS Buxbaum, 2000, S. 101 und Stürner/Bormann, JZ 2000, S. 81 befürworten dage-
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Auch internationale Gerichtsstandsabreden sind für die Prüfung der Anerkennungszuständigkeit beachtlich84, so dass einem ausländischen Judikat die Anerkennung zu versagen ist, wenn aus deutscher Sicht für die konkrete Streitigkeit die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines anderen als des Ausgangsstaats vereinbart worden war. Über Wirksamkeit und Reichweite einer Prorogation ist in der Anerkennungsphase nach denselben Grundsätzen zu entscheiden, die für die Überprüfung der Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte gelten.85 Eine Bindung an die Feststellungen des ausländischen Gerichts besteht nach autonomem deutschem Recht grundsätzlich nicht.86 Das ausländische Judikat entfaltet nach Ansicht von Geimer aber ausnahmsweise eine Präklusionswirkung, wenn der im Ausland Beklagte sich an dem Prozess vor dem Ausgangsgericht nicht beteiligt hat und gegen ihn dort ein Urteil im Versäumnisverfahren erlassen wurde: Die ausschließliche Prorogation beseitige nicht die Einlassungspflicht des Beklagten vor den an sich international zuständigen Gerichten im Ganzen, sondern nur die Einlassungspflicht zur Hauptsache. Hält sich der Kläger nicht an die Prorogationsvereinbarung und erhebt er Klage vor dem Gericht eines aus deutscher Sicht an sich zuständigen Staats, sei es dem Beklagten zuzumuten, vor dem ausländischen Gericht zu erscheinen und den Unzuständigkeitseinwand zu erheben.87 Die Auffassung von Geimer wird im Schrifttum zu Recht abgelehnt.88 Gegen die Präklusionswirkung spricht zum einen der Schutzzweck von § 328 I Nr. 1 ZPO, der erfordert, dass das ausländische Gericht aus deutscher Sicht tatsächlich international zuständig war. 89 Hinzu kommt, gen eine Differenzierung danach, ob das anzuerkennende Gericht von einem federal oder einem state court stammt. 84 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 71. 85 Geimer, Internationale Zuständigkeit, 1966, S. 131; Habscheid, in: FS Schima, 1969, S. 175 (189–192). Kritisch dazu jedoch Bernstein, in: FS Ferid, 1978, S. 75 (95): Es sei „nicht ohne weiteres einzusehen, warum die lex fori eines deutschen Exequaturverfahrens über Form und Zulässigkeit von Prorogations- und Erfüllungsortklauseln in ihrer Wirkung für ein zuvor im Ausland […] durchgeführtes Erkenntnisverfahren maßgebend sein soll.“ 86 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 74; Geimer, Internationale Zuständigkeit, 1966, S. 131 f.; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 679. 87 Geimer, Internationale Zuständigkeit, 1966, S. 144–148; Geimer, in: FS Nakamura, 1996, S. 171 (177 f.). Der Beklagte braucht sich am Erstverfahren nur dann nicht zu beteiligen, wenn der Derogationseinwand sinnlos gewesen wäre, weil das erststaatliche Zuständigkeitsrecht ein grundsätzliches Derogationsverbot aufstellt. 88 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 74; Bernstein, in: FS Ferid, 1978, S. 75 (99 f.); Mezger, in: FS Wengler, Bd. II, 1973, S. 541 (547–551); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 928. 89 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 74.
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dass die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung im auswärtigen Forum mit großer Wahrscheinlichkeit nach einem anderen als dem aus deutscher Sicht maßgeblichen Recht zu beurteilen sein wird. Es ist aber nicht ersichtlich, warum man den Beklagten zwingen sollte, eine richterliche Stellungnahme zum Derogationseinwand im Ausland unter Anwendung eines Rechts herbeizuführen, obwohl der deutsche Anerkennungsrichter über den Einwand weitgehend unter Zugrundelegung eines anderen Rechts entscheiden muss.90 Die Anerkennungsversagung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsvereinbarung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn sich der im Ausland Beklagte auf das dortige Verfahren nicht rügelos eingelassen hat. Dies ist gem. § 39 ZPO gegeben, wenn der Beklagte in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zur Hauptsache vorgebracht hat, ohne den Einwand der fehlenden internationalen Zuständigkeit zu erheben. 91 Hat er nur hilfsweise unter dem Vorbehalt der Rüge der Zuständigkeit zur Sache verhandelt, greift § 39 ZPO folglich nicht ein. Wird der Einwand der Unzuständigkeit im Rahmen eines Zwischenentscheids abgewiesen, und bleibt der Beklagte der anschließenden Verhandlung über die Hauptsache fern, liegt ebenfalls keine rügelose Einlassung vor. Denn während der Säumnis fehlt es naturgemäß an jeglichen rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen des Beklagten zur Hauptsache. Eine rügelose Einlassung kann ebenso wenig angenommen werden, wenn das Erstgericht in einem Zwischenentscheid seine internationale Zuständigkeit bejaht und der Beklagte anschließend unter Aufrechterhaltung seiner Rüge Ausführungen zur Begründetheit der Klage gemacht hat. Solange der Beklagte in seinem Vortrag zum Streitgegenstand nach dem Zwischenurteil eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass er seine Zuständigkeitsrüge weiterverfolgt, ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, ihn schlechter zu stellen als einen Beklagten, über dessen Zuständigkeitsrüge erst nach Verhandlung über Zulässigkeit und Begründetheit der Klage entschieden worden ist.
B. Anerkennungsversagung wegen Klage im derogierten Forum in international vereinheitlichten Rechtssystemen Fraglich ist, ob im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ einer Entscheidung die Anerkennung versagt werden kann, wenn das Verfahren vor dem Ausgangsgericht unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung eingeleitet worden ist.
90
Bernstein, in: FS Ferid, 1978, S. 75 (100). MünchKomm-ZPO/Patzina, 3. Aufl. 2008, § 39 Rn. 14; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 39 Rn. 4. 91
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Die Anerkennungsregeln der EuGVVO sind auf Entscheidungen anwendbar, die von einem mitgliedstaatlichen Gericht erlassen wurden und in den sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung fallen. Die vereinheitlichten europäischen Vorschriften greifen unabhängig davon, ob das Entscheidungsgericht seine internationale Zuständigkeit auf Zuständigkeitsnormen der EuGVVO oder solche des nationalen Verfahrensrechts gestützt hat.92 Nach Art. 35 I, III EuGVVO kann die Anerkennung grundsätzlich nicht mit dem Einwand der fehlenden internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts verweigert werden. Damit ermöglicht die EuGVVO in der Anerkennungsphase keinen Schutz gegen die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Eine Ausnahme gilt lediglich für Zuständigkeitsabreden in Versicherungs- und Verbrauchersachen, wo gem. Art. 35 I EuGVVO eine Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts gestattet ist. Die Anerkennungsregeln des HGÜ gelten gem. Art. 8 I lediglich für Entscheidungen eines in einer ausschließlichen Prorogation benannten Gerichts eines Vertragsstaats. Die Anforderungen an die Anerkennung anderer Gerichte bleiben durch das Übereinkommen folglich unberührt, diese richten sich damit nach dem jeweils anwendbaren Recht.93
C. Anerkennungsversagung gegenüber Urteil aus dem forum derogatum – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO Nach der Darstellung der in den hier verglichenen Rechtssystemen vertretenen Ansätze zu der Frage, ob dem Urteil eines derogierten ausländischen Gerichts die Anerkennung versagt werden kann (I.), ist das Zusammenspiel der autonomen und vereinheitlichten Rechte zu beleuchten (II.). Die unterschiedlichen Lösungsmodelle sind sodann einer Effizienzbetrachtung zu unterziehen, vor deren Hintergrund das Bedürfnis nach einer Reform der EuGVVO-Regeln erörtert wird (III.).
I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen autonomen und vereinheitlichten Rechten Ob die abredewidrig im Ausland verklagte Partei dadurch geschützt werden kann, dass dem auswärtigen Urteil die Anerkennung versagt wird, beantworten die autonomen Rechte und die EuGVVO unterschiedlich: Während erstere die Ignorierung einer entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung durch ein auswärtiges Gericht als Anerkennungsversagungs92 93
Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 889. Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (125).
§ 9: Anerkennungsversagung für Titel aus dem forum derogatum
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grund vorsehen, gestattet das europäische Recht grundsätzlich nicht, die Anerkennung wegen einer Derogation der Zuständigkeit des Ursprungsgerichts zu verweigern. Im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht herrscht zwar grundsätzlich Einigkeit darüber, dass ein ausländisches Judikat nur dann anzuerkennen ist, wenn das Ursprungsgericht zur Entscheidung international berufen war. Die Frage, auf welche Regeln bei der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit abzustellen ist, wird hingegen abweichend beurteilt. In Deutschland gilt das Spiegelbildprinzip, wonach über die internationale Zuständigkeit des Ursprungsgerichts unter Rückgriff auf die Regeln zu entscheiden ist, die für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte maßgeblich sind. Die englischen Gerichte wenden zur Beurteilung der Anerkennungszuständigkeit dagegen andere Grundsätze an als für die Prüfung ihrer jurisdiction im Erkenntnisverfahren. In den USA finden sich je nach Anerkennungsregime unterschiedliche Lösungsansätze: Im common law gilt ähnlich wie in Deutschland der Spiegelbildgrundsatz. Das geschriebene Recht enthält dagegen (nicht abschließende) Kataloge von Umständen, auf die die internationale Zuständigkeit ausländischer Gerichte gestützt werden kann. Der ALI Draft Statute 2005 beinhaltet keine positiven Voraussetzungen für die Bejahung der Anerkennungszuständigkeit, sondern lediglich eine Liste mit exorbitanten Gerichtsständen, aus denen die Urteile nicht anerkennungsfähig sind. In allen autonomen Rechten kann sich die Anerkennungszuständigkeit auch aus einer rügelosen Einlassung ergeben, so dass die Derogation des Ursprungsgerichts hierdurch übergangen werden kann. Eine rügelose Einlassung liegt nicht schon dann vor, wenn der Beklagte die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts gerügt und sich nur hilfsweise zur Sache geäußert hat. Unterschiedlich wird in den autonomen Rechten hingegen die Situation beurteilt, dass der Beklagte Ausführungen zum Streitgegenstand macht, nachdem seine Zuständigkeitsrüge vom Ausgangsgericht zurückgewiesen worden ist. In den USA und in England wird das Verhandeln zur Hauptsache nach Bejahung der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts als rügelose Einlassung gewertet. In Deutschland ist eine rügelose Einlassung hingegen abzulehnen, wenn der Beklagte bei seinen Ausführungen zum Streitgegenstand eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass er an seinem Unzuständigkeitseinwand festhält. Bleibt der Beklagte nach Abweisung der Zuständigkeitsrüge dem Verfahren im Ausgangsstaat fern, scheidet in allen hier untersuchten Rechtsordnungen die Annahme einer rügelosen Einlassung auf das ausländische Verfahren aus.
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
II. Zusammenspiel von autonomen Vorschriften und Regelungen des Einheitsrechts Da das HGÜ nur die Anerkennung von Entscheidungen aus dem prorogierten Gericht regelt, entfaltet es für die Frage der Anerkennungsfähigkeit von Judikaten eines derogierten Forums keine Geltung. Insoweit sind ausschließlich die nationalen Rechte bzw. die EuGVVO anwendbar. Demgegenüber normiert die EuGVVO die Anerkennung ausländischer mitgliedstaatlicher Entscheidungen abschließend. Unabhängig davon, ob sich die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts aus der EuGVVO oder nationalem Recht ergibt, ist das autonome Anerkennungsrecht des Zweistaates verdrängt. Lediglich für die Anerkennung von Urteilen aus Drittstaaten wenden die mitgliedstaatlichen Gerichte ihr autonomes Verfahrensrecht an.
III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme und Reformbedarf für die EuGVVO Aus der Derogation des Entscheidungsgerichts einen Anerkennungsversagungsgrund herzuleiten, ist sinnvoll, vermag den Interessen des abredewidrig Beklagten jedoch nur sehr eingeschränkt Rechnung zu tragen. Dass der Beklagte in der Anerkennungsphase vor den Wirkungen eines Urteils des derogierten Gerichts geschützt wird, bringt ihm zwar den Vorteil, dass er sich auf das Verfahren nicht einzulassen braucht. Auch kann er ggf. auf das Urteil geleistete Zahlungen andernorts wieder zurückverlangen: Hat er zur Abwendung der Zwangsvollstreckung den Titel des abredewidrig angerufenen Gerichts erfüllt, steht ihm je nach anwendbarem Sachrecht die Möglichkeit offen, eine schadensersatz- oder bereicherungsrechtliche Klage auf Rückforderung des Geleisteten in den Ländern zu erheben, in denen dem Urteil aus dem derogierten Forum die Anerkennung versagt wird. Allerdings ist der Schutz durch die Anerkennungsversagung nur äußerst lückenhaft: Denn zum einen wird im Vorfeld meist nicht leicht feststellbar sein, in welchen Ländern dem Urteil des derogierten Gerichts voraussichtlich die Anerkennung versagt werden wird. Daher wird der abredewidrig Verklagte in den seltensten Fällen ruhigen Gewissens dem Verfahren im derogierten Forum fernbleiben können. Zum anderen schützt ihn die Anerkennungsversagung dann nicht, wenn er in dem an sich derogierten Forum über Vermögen verfügt, welches dem Vollstreckungszugriff unterliegt. Schwach ist der Schutz durch die Anerkennungsversagung auch deshalb, weil er erst ansetzt, nachdem der Prozess in dem falschen Forum bereits zum Abschluss gekommen ist. Zu diesem Zeitpunkt können die Rechtsund Planungssicherheit, die sich Parteien durch den Abschluss der Gerichtsstandsabrede erhofft haben, nicht mehr verwirklicht werden. Darüber hinaus führt die Anerkennungsversagung in der Regel dazu, dass die Auf-
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wendungen für die Erlangung des Urteils umsonst waren – ein prozessökonomisch wenig sinnvolles Ergebnis. In Betracht käme, den in der EuGVVO fest etablierten Grundsatz, dass die Entscheidungsanerkennung nicht von der Einhaltung der Anerkennungszuständigkeit abhängt, für Gerichtsstandsvereinbarungen einzuschränken. Demnach wäre eine Anerkennung dann zu versagen, wenn im Anerkennungsland geltend gemacht werden könnte, dass die Entscheidung unter Verletzung einer Zuständigkeitsabrede erlassen wurde.94 Gegen die Einführung eines derartigen Anerkennungsversagungsgrunds spricht allerdings neben den bereits erwähnten Bedenken aus ökonomischer Sicht, dass der Entfall der Anerkennungszuständigkeit gerade als Errungenschaft für die Schaffung eines europäischen Justizraums gefeiert wurde, da hierdurch die Anerkennungshindernisse insgesamt reduziert worden sind. Eine (teilweise) Neueinführung wäre demgegenüber ein Rückschritt.
94
Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (49).
§ 10 Bereicherungsrechtlicher Ausgleich nach Erfüllung eines Urteils aus dem forum derogatum Wird einer auswärtigen Entscheidung die Anerkennung im Zweitstaat verweigert, da sie aus Sicht des letzteren von einem derogierten Gericht erlassen worden ist, stellt sich die Frage, ob der Titelschuldner im Anerkennungsland zurückfordern kann, was er auf das nicht anerkennungsfähige Urteil im Ausland geleistet hat. Diese Problematik kann sich naturgemäß nur dann ergeben, wenn das im konkreten Fall anwendbare Anerkennungsrecht dem zweitstaatlichen Gericht die Anerkennungsversagung wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des Ursprungsgerichts erlaubt. Richtet sich die Anerkennung des auswärtigen Urteils im Zweitstaat nach Art. 32 ff. EuGVVO, die ein Verbot der Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des Ausgangsgerichts beinhalten, scheidet eine Rückforderungsklage somit grundsätzlich aus.1 Die Geltung der Anerkennungsregeln des HGÜ berührt die Möglichkeit einer Rückforderungsklage in den vorliegend untersuchten Fällen dagegen nicht. Denn das HGÜ regelt lediglich die Anerkennung von Urteilen, die von dem in einer Zuständigkeitsabrede bezeichneten Gericht erlassen wurden 2 , während in der vorliegend thematisierten Konstellation die der Rückforderungsklage vorausgehende auswärtige Entscheidung von einem anderen als dem prorogierten Gericht stammt. Im Folgenden wird zunächst erläutert, ob im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht ein Anspruch auf Rückzahlung des auf ein nicht anerkennungsfähiges ausländisches Urteil Geleisteten besteht (A.), welchem Recht ein solcher Anspruch unterliegt (B.) und welches Gericht für die Entscheidung über einen Rückforderungsanspruch international zuständig ist (C.). Sodann ist zu erörtern, ob ein einer Rückforderungsklage stattgebendes Urteil (im Folgenden: Rückforderungsurteil) aus dem Ausland in den hier untersuchten Rechtssystemen anerkennungsfähig ist (D.). Die verglichenen Rechtsordnungen sind abschließend aus
1 Etwas anderes gilt lediglich in den oben erwähnten Fällen von Art. 35 I EuGVVO, in denen eine Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts ausnahmsweise erlaubt ist. 2 S. oben § 8 B. II. 2.
§ 10: Rückforderung nach Bereicherungsrecht
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ökonomischer Perspektive zu bewerten, um hieraus Erkenntnisse für mögliche zukünftige Veränderungen der EuGVVO zu gewinnen (E.).
A. Gewährung von Rückforderungsansprüchen Im Rahmen der Untersuchung, ob im englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht die Rückforderung des auf ein ausländisches nicht anerkennungsfähiges Urteil Geleisteten möglich ist, werden zunächst insoweit maßgebliche sondergesetzliche Regelungen dargestellt (I.), bevor im zweiten Schritt der Frage nachgegangen wird, ob ein Rückzahlungsanspruch auf die allgemeinen bereicherungsrechtlichen Regeln gestützt werden kann (II.). Die Erstattungsfähigkeit des auf ein ausländisches nicht anerkennungsfähiges Urteil Geleisteten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs wird gesondert untersucht.3 Eine getrennte Prüfung bietet sich deshalb an, da ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung – anders als ein Schadensersatzanspruch – in allen drei Rechtsordnungen verschuldensunabhängig ist, so dass die Voraussetzungen einer auf Bereicherung gestützten Rückforderungsklage einfacher darzulegen sind.
I. Spezielle gesetzliche Regelungen für Rückforderungsklagen Das englische Recht enthält mit § 6 Protection of Trading Interests Act 1980 einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Rückforderung von Geldleistungen, die aufgrund eines nicht anerkennungsfähigen Urteils im Ausland erbracht worden sind. Das Gesetz wurde zum Schutz inländischer Unternehmen gegen die extraterritoriale Anwendung des US-amerikanischen Wettbewerbs- und Kartellrechts erlassen. 4 Demzufolge beschränkt sich das Regelwerk auf auswärtige Urteile zur Zahlung von mehrfachem Schadensersatz, sog. multiple damages, wegen Kartellrechtsverletzungen im Ausland. Solchen Titeln ist nach § 5 Protection of Trading Interests Act 1980 die Anerkennung in England zu versagen. § 6 Protection of Trading Interests Act 1980 gewährt Parteien, die im Ausland multiple damages gezahlt haben, einen Anspruch gegen den auswärtigen Kläger auf Rückzahlung der Summe, die den Betrag des eigentlichen Schadensersatzes übersteigt.5 Als Rückforderungsberechtigte kommen gem. § 6 (1) Protection of Trading Interests Act 1980 grundsätzlich alle in Großbritannien ansässigen 3
S. unten § 11. Vgl. ausführlich zum geschichtlichen Hintergrund des Protection of Trading Interests Act 1980: Collins, International Litigation, 1994, S. 331–351; Autenrieth, RIW 1983, S. 15; Neuhaus, Colum.L.Rev. 81 (1981), S. 1097 (1099–1113); Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 120 f. 5 Die Regressmöglichkeit nach § 6 Protection of Trading Interests Act 1980 für völkerrechtswidrig hält Neuhaus, Colum.L.Rev. 81 (1981), S. 1097 (1113–1333). 4
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
oder dort Handel betreibenden Unternehmen in Betracht. Der Rückforderungsanspruch kann gem. § 6 (5) Protection of Trading Interests Act 1980 auch gegen Personen geltend gemacht werden, die nicht der jurisdiction der englischen Gerichte unterliegen. In der hier interessierenden Konstellation, dass eine abredewidrig verklagte Partei aufgrund eines Urteils des derogierten Gerichts geleistet hat, wird die spezielle Rückforderungsklausel des englischen Rechts jedoch wohl kaum eine Rolle spielen. Verurteilungen wegen Kartellrechtsverletzungen gehen Prozesse zwischen Konkurrenten voraus und im Verhältnis zwischen diesen sind Vereinbarungen über das zuständige Forum für die Austragung eventueller Streitigkeiten unwahrscheinlich. Im europäischen Gemeinschaftsrecht findet sich ebenfalls eine gesetzliche Regelung der Rückforderung von Leistungen, die zur Erfüllung eines nicht anerkennungsfähigen ausländischen Titels erbracht worden sind. Die Rede ist von Art. 6 EG-Verordnung zum Schutz vor Drittland-Rechtsakten. Die Verordnung ist als Reaktion auf einige US-amerikanische Rechtsakte, insbesondere das Helms-Burton-Gesetz (22 U.S.C. §§ 6021–6091) erlassen worden.6 Dieses Gesetz gestattet US-amerikanischen Staatsbürgern, die ihr Vermögen durch die Enteignungen in Kuba in den Jahren 1958–1961 teilweise verloren haben, vor amerikanischen Gerichten Ersatzansprüche gegen Personen durchzusetzen, die unter Einbeziehung der enteigneten Vermögenswerte einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. 7 Aus Sicht der EU ist die im Helms-Burton-Gesetz vorgesehene extraterritoriale Anwendung von US-Vorschriften völkerrechtswidrig und hat nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Gemeinschaft.8 Art. 5 I der EG-Verordnung zum Schutz vor Drittland-Rechtsakten verbietet daher natürlichen und juristischen Personen, die einen Bezug zur Gemeinschaft aufweisen, Forderungen oder Verboten ausländischer Gerichte nachzukommen, die direkt oder indirekt auf dem Helms-Burton-Gesetz beruhen oder sich daraus ergeben. Art. 6 I der Verordnung geht einen Schritt weiter und räumt Personen, die nach dem Helms-Burton-Gesetz in den USA zu einer Zahlung verurteilt worden sind, einen Anspruch auf Rückforderung der in den USA gezahlten Urteilssumme und Ersatz der Verfahrenskosten, die für die Verteidigung vor den US-amerikanischen Gerichten aufgewendet wurden.9 Dieses Gesetz wird in den hier untersuchten Konstellationen jedoch ebenfalls nicht von Bedeutung sein, da die
6
Die weiteren Gesetze, die von der EG-Verordnung erfasst sind, sind im Anhang derselbigen aufgezählt. 7 Vgl. ausführlich zu dem Gesetz Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 122–124. 8 Jayme/Kohler, IPRax 1997, S. 385 (391). 9 Kritisch zu dieser Regelung Jayme/Kohler, IPRax 1997, S. 385 (391).
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Existenz einer Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den betroffenen Personen höchst unwahrscheinlich ist. Im autonomen US-amerikanischen und deutschen Recht findet sich keine spezielle Anspruchsgrundlage für die Rückforderung von Zahlungen, die zur Erfüllung eines ausländischen Titels geleistet worden sind. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass in den hier interessierenden Fällen in allen drei Rechtsordnungen eine Rückforderung aufgrund besonderer gesetzlicher Regelung nicht in Betracht kommt.
II. Rückforderung nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Regeln Ist eine besondere gesetzliche Regel für die Rückforderung von Leistungen, die aufgrund des Urteils eines derogierten Gerichts erbracht worden sind, nicht einschlägig, gilt es zu prüfen, ob in den USA und England (1.) sowie in Deutschland (2.) eine Rückzahlung nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen möglich ist. 1. Rückforderungsanspruch nach dem Bereicherungsrecht Englands und der USA Klagen gerichtet auf Rückforderung des aufgrund eines auswärtigen Urteils im Ausgangsstaat Geleisteten werden im anglo-amerikanischen Schrifttum kritisch gesehen. Die durch solche Rechtsbehelfe zusätzlich geschaffene Appellation gegen den Titel des ausländischen Gerichts laufe zum einen dem Bestreben entgegen, jedem Rechtsstreit einmal ein Ende zu setzen und gefährde somit den Rechtfrieden zwischen den Parteien. Rückzahlungsklagen bildeten aufgrund der damit für die Betroffenen einhergehenden Unsicherheit zum anderen ein Hindernis für den internationalen Handel. Wegen der mit ihnen verbundenen Rückgängigmachung des ausländischen Titels stellten solche Klagen außerdem einen Eingriff in die ausländische Gerichtsgewalt dar und verletzten somit die Souveränität des Entscheidungsstaats. Begründet werden die Bedenken gegen Rückforderungsansprüche schließlich auch mit den empörten Reaktionen, die der Erlass des Protection of Trading Interests Act 1980 in und außerhalb von England hervorgerufen hat.10 Aus den oben genannten Gründen ist man sich darüber einig, dass Rückforderungsklagen nur in Ausnahmefällen möglich sein sollen. Zu den anerkannten Ausnahmen gehört in England sowie in den USA jedoch der Fall, dass das auswärtige Gericht zur Entscheidung der Streitigkeit interna-
10
Vgl. zum Ganzen Neuhaus, Colum.L.Rev. 81 (1981), S. 1097 (1114 f., 1126); Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.41.
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
tional nicht berufen war.11 Ein Urteil, das mangels internationaler Zuständigkeit des Erstgerichts nicht anerkannt werden kann, könne für das Gebiet des Zweitstaates keine Verpflichtungswirkung entfalten mit der Folge, dass eine Leistung auf den auswärtigen Titel aus Sicht des Zweitlandes rechtsgrundlos erfolgt und daher grundsätzlich nach den bereicherungsrechtlichen Regeln wieder herauszugeben ist.12 2. Rückforderungsanspruch nach deutschem Bereicherungsrecht Anders als in England und den USA herrscht in Deutschland Uneinigkeit über die Frage, ob das auf ein ausländisches Urteil Geleistete nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden kann, wenn das auswärtige Urteil wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des Erstgerichts oder aus einem anderen Grund im Inland nicht anerkennungsfähig ist. Von einem Teil des Schrifttums werden solche Rückforderungsklagen kategorisch abgelehnt.13 Durch sie würde die Befriedungsfunktion konterkariert, die jedem ausländischen Urteil – d.h. auch dem im Inland nicht anerkennungsfähigen – zukomme. 14 Sie brächten außerdem die Gefahr eines „Justizkriegs“ mit sich, bei dem sich jede Partei immer aufs Neue in einem Staat zurückholt, wozu sie in einem anderen verurteilt worden ist.15 Einige führen außerdem an, auch ein nicht anerkanntes ausländisches Urteil sei als eine die Vermögensverschiebung rechtfertigende causa zu akzeptieren mit der Folge, dass Leistungen aufgrund dieses Titels nicht ohne Rechtsgrund erfolgt seien.16 Andere gehen davon aus, eine nicht anerkennungsfähige Entscheidung begründe – solange sie den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entspreche – eine Naturalobligation. Es bestehe daher eine sittliche Pflicht zur Erfüllung, so dass die auf das ausländische
11
US Supreme Court, 02.03.1807 – Rose v. Himely, 8 U.S. 241; California Court of Appeal, 12.04.1973 – Pentz v. Kuppinger, 31 Cal. App. 2d 590; Neuhaus, Colum.L.Rev. 81 (1981), S. 1097 (1115, 1127); Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.46. An der Verfügbarkeit eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs der abredewidrig verklagten Partei im englischen Recht dagegen zweifelnd Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (82– 84). 12 Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.46. 13 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 1132 f.; Melchior, IPR, 1932, S. 319–321; Matscher, JBl. 1954, S. 54; Wolff, IPR, 1954, S. 133. Vgl. auch KG Berlin, 27.09.1907, OLGE 1909, 55. 14 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 1132; Schack, ZZP 116 (2003), S. 130 (132). 15 Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 1132. 16 KG Berlin, 27.09.1907, OLGE 1909, 55 (56); Melchior, IPR, 1932, S. 320; Wolff, IPR, 1954, S. 133; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 1133. Kritisch zu dem causa-Ansatz Regen, Prozessbetrug, 2008, Rn. 707, da nicht erklärbar sei, warum ein ausländisches Gericht trotz fehlender Anerkennungsfähigkeit materiell beachtlich sein soll.
§ 10: Rückforderung nach Bereicherungsrecht
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Urteil erbrachte Leistung nicht mehr zurückgefordert werden könne. 17 Letztere Argumentation erinnert an den Kondiktionsausschluss gem. § 814 Alt. 2 BGB. Die überwiegende Auffassung bejaht dagegen zu Recht die Möglichkeit einer Rückforderung des auf ein nicht anerkennungsfähiges ausländisches Urteil Geleisteten. 18 Infolge der Versagung der Anerkennung ist die Rechtskraftwirkung des auswärtigen Judikats im Inland nämlich unbeachtlich, so dass dieses keinen Rechtsgrund für die Leistung des Titelschuldners darstellen kann.19 Die Annahme einer Naturalobligation und die Anwendung von § 814 BGB sind ebenfalls abzulehnen, denn ansonsten würde man trotz Nichtvorliegens der Anerkennungsvoraussetzungen das ausländische Urteil mittelbar im Inland durchsetzen.20 Zu Recht wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Gefahr eines Justizkonflikts zwischen den beteiligten Staaten hinter den Belangen der rückfordernden Partei zurückzustehen hat. 21 Diese Wertung trifft insbesondere in den hier untersuchten Fällen zu, in denen die Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts aus deutscher Sicht wirksam derogiert wurde: Denn durch den Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung hat die rückfordernde Partei ihr besonderes Interesse zum Ausdruck gebracht, dass über die Streitigkeit in keinem anderen als dem designierten Forum entschieden wird. Diesem Interesse kann nur dann Rechnung getragen werden, wenn einem Judikat des derogierten Gerichts keinerlei Bedeutung beigemessen wird. Schließt man sich der in Deutschland herrschenden Auffassung an, wonach eine Rückforderungsklage prinzipiell möglich ist, stellt sich die Frage, ob die Rückgewähr des auf ein ausländisches Urteil Geleisteten im Wege der Leistungskondiktion nach § 812 I S. 1 F. 1 BGB oder der Eingriffskondiktion nach § 812 I S. 1 F. 2 BGB zu erfolgen hat. Kontrovers diskutiert wird die Einordnung von Rückforderungsansprüchen, wenn die im Ausland verklagte Partei zur Abwendung der 17
Matscher, JBl. 1954, S. 54. BAG, 09.07.1986 – 5 AZR 563/84, unveröff. Entscheidung (juris); Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 339; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 3055; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 328 Rn. 343; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 175; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1998, § 328 Rn. 39; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 131 f.; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 135–138, 150–152. So auch Regen, Prozessbetrug, 2008, Rn. 707 für den Sonderfall der Versagung der Anerkennung eines ausländischen Urteils wegen Prozessbetrugs. 19 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 175; ähnlich auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 131. 20 Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 3055; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 339. 21 Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1998, § 328 Rn. 39. 18
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Zwangsvollstreckung selbst gezahlt hat. Einer Literaturansicht zufolge ist grundsätzlich die Eingriffskondiktion einschlägig: Bei der Rückforderung der Urteilssumme gehe es nicht um den Ausgleich einer Zuviel- oder Falschleistung im Rahmen eines Schuldverhältnisses, sondern darum, eine durch das ausländische Urteil bewirkte Bereicherung auszugleichen. Die auf dem nicht anerkannten Judikat beruhende Vermögensverschiebung solle deshalb als Fall von § 812 I S. 1 F. 2 BGB behandelt werden. Denn maßgeblich für die Zahlung sei der im Ausland bestehende Vollstreckungsdruck gewesen und nicht ein daneben bestehendes Schuldverhältnis. Die Rückabwicklung über die Leistungskondiktion komme daher nur in Konstellationen in Betracht, in denen der Titelschuldner die Urteilssumme freiwillig, d.h. ohne Vollstreckungsdruck, gezahlt hat.22 Entgegen dieser Auffassung erscheint es vorzugswürdig, die Rückforderung der aufgrund eines nicht anerkennungsfähigen Judikats aktiv durch den Titelschuldner gezahlten Urteilssumme als Fall der Leistungskondiktion zu behandeln. 23 Der Begriff der „Leistung“ i.S.v. § 812 I S. 1 F. 1 BGB setzt eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens voraus. Das erste Merkmal erfordert das rein tatsächliche Bewusstsein des Zuwendenden, dass durch sein Verhalten fremdes Vermögen gemehrt wird. Es verlangt eine willentliche, nicht jedoch eine freiwillige Verursachung der Vermögensmehrung. Das zweite Merkmal ist erfüllt, wenn mit der Zuwendung ein bereicherungsrechtlich relevanter Zweck verfolgt wird, wie etwa die Erfüllung einer vermeintlich bestehenden gesetzlichen oder rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeit. Die zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens setzt ebenfalls nicht die Freiwilligkeit der Zuwendung bzw. die Billigung des Zuwendungserfolgs durch den Schuldner voraus. Würde das Bestehen von Vollstreckungsdruck die Verfolgung eines Leistungszwecks ausschließen, wäre die Reichweite der Leistungskondiktion recht eingeschränkt: Denn fast immer liegt der Zahlung zur Erfüllung einer Verbindlichkeit, die – wie sich später herausstellt – zur Zeit der Zuwendung nicht (mehr) bestand, die Befürchtung des Schuldners zugrunde, dass im Falle der Leistungsverweigerung die Vollstreckung in sein Vermögen droht.24 Daher erscheint es richtig, in der aktiven Zahlung aufgrund eines (ausländischen) Urteils selbst bei Vorliegen 22
Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 131 f. Für diese Unterscheidung sprechen sich auch Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 1133 und Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 111 aus, die aber einer Rückforderung ablehnend gegenüberstehen. 23 BAG, 09.07.1986 – 5 AZR 563/84, unveröff. Entscheidung (juris); Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 140–150; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 339; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 3055; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 175. 24 Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 148 f.
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von Vollstreckungsdruck eine Leistung i.S.v. § 812 I S. 1 F. 1 BGB zu erblicken. Die weitere Voraussetzung von § 812 I 1 S. 1 F. 1 BGB, das Fehlen des rechtlichen Grundes, ist erfüllt, wenn zur Zeit der Zuwendung keine Schuld (mehr) bestand. Dem auswärtigen Titel zufolge lag im Zeitpunkt der Zahlung eine Verbindlichkeit vor. Dieses Judikat ist für die Beurteilung des Rückforderungsanspruchs durch das deutsche Gericht aufgrund der fehlenden Anerkennungsfähigkeit jedoch unbeachtlich. Daher ist im deutschen Prozess zu prüfen, ob die fragliche Verbindlichkeit nach dem aus Sicht des deutschen Gerichts insoweit anwendbaren Recht zur Zeit der Zuwendung gegeben war. Kommt das deutsche Gericht in der Sache zu demselben Ergebnis wie das Erstgericht, scheidet ein Rückzahlungsanspruch somit aus. 25 Einer Rückgewähr des aufgrund eines auswärtigen Urteils Geleisteten kann darüber hinaus § 814 Alt. 1 BGB entgegenstehen, wenn der Verurteilte freiwillig, d.h. ohne drohende Zwangsvollstreckung, an den Kläger gezahlt hat. 26 Unproblematisch ist dagegen die Behandlung von Fällen, in denen die abredewidrig verklagte Partei nicht selbst gezahlt hat, sondern in ihr im auswärtigen Forum belegenes Vermögen vollstreckt wurde. In Rechtsprechung und Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass in solchen Konstellationen die Eingriffskondiktion gem. § 812 I S. 1 F. 2 BGB einschlägig ist.27 Das Eingreifen von § 816 I S. 1 BGB als Spezialfall der Eingriffskondiktion scheidet mangels Verfügung des Anspruchsschuldners aus28: Eine Verfügung im Sinne der Vorschrift erfordert ein Handeln im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsgerichte werden jedoch nicht als Stellvertreter des Vollstreckungsgläubigers, sondern ausschließlich als staatliche Vollstreckungsorgane tätig. Der Anspruch gem. § 812 I S. 1 F. 2 BGB setzt voraus, dass der Bereicherungsschuldner etwas in sonstiger Weise ohne Rechtsgrund erlangt hat. In Betracht kommen etwa die Überweisung einer gepfändeten Forderung des Vollstreckungsschuldners bzw. die Auskehr des Versteigerungserlöses an den Vollstreckungsgläubiger. Das Tatbestandsmerkmal „in sonstiger Weise“ dient der Abgrenzung zu § 812 I S. 1 F. 1 BGB und ist daher erfüllt, wenn das Erlangte nicht Gegenstand einer vorherigen Leistung war. 25
BAG, 09.07.1986 – 5 AZR 563/84, unveröff. Entscheidung (juris), Rn. 34–45; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 339; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 3055; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 150–152. 26 BAG, 09.07.1986 – 5 AZR 563/84, unveröff. Entscheidung (juris), Rn. 46; Geimer, IZPR, 6. Aufl. 2009, Rn. 3055; Martiny, Handbuch des IZVR, Bd. III/1, 1984, Kap. I Rn. 339; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 154 f. 27 BGH, 13.07.1983 – VIII ZR 246/82, NJW 1983, S. 2147 (2149); MünchKommBGB/Schwab, 5. Aufl. 2009, § 816 Rn. 23. 28 MünchKomm-BGB/Schwab, 5. Aufl. 2009, § 816 Rn. 23.
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Die Auskehr des Versteigerungserlöses bzw. die Überweisung einer gepfändeten Forderung stellt keine Leistung dar, da Gerichtsvollzieher bzw. Vollstreckungsgericht mit derlei Verfügungen nicht einen privatrechtlichen Zweck, wie etwa die Erfüllung einer Verbindlichkeit verfolgen, sondern in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsorgane tätig werden. Das Merkmal „ohne Rechtsgrund“ ist erfüllt, wenn der Erwerb des Erlangten im Widerspruch zum wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt einer geschützten Rechtsposition des Anspruchsstellers steht. 29 Als Rechtspositionen in diesem Sinne kommen etwa das Eigentum bzw. die Inhaberschaft bestehender Forderungen in Betracht. 30 Das Fehlen des Rechtsgrunds nach § 812 I S. 1 F. 2 BGB wird wie bei der Leistungskondiktion zu bejahen sein, wenn der im Ausland titulierte und vollstreckte Zahlungsanspruch des abredewidrigen Klägers nach dem aus Sicht der deutschen Gerichte maßgeblichen Recht nicht besteht.
B. Das auf den Rückforderungsanspruch anwendbare Recht Schließlich ist zu prüfen, welches Recht nach den autonomen Kollisionsregeln (I.) und den Vorschriften der Rom II-VO (II.) auf einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch Anwendung findet.
I. Autonome Kollisionsrechte Die Frage nach dem auf einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch anwendbaren Recht wird in England (1.), Deutschland (2.) und den USA (3.) teilweise unterschiedlich beantwortet. 1. Das nach englischem IPR anwendbare Recht Nach der ungeschriebenen Kollisionsregel des common law unterliegt ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung dem Recht des Landes, mit dem er am engsten verbunden ist. 31 Laut Briggs weisen Ansprüche auf Rückforderung des zur Erfüllung eines ausländischen Urteils Geleisteten grundsätzlich die engste Verbindung zu dem Recht des Staats auf, in dem das Judikat ergangen ist. Etwas anderes soll jedoch gelten, wenn dem auswärtigen Urteil wegen der Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung die Anerkennung verweigert wird. Dann sei es angemessener, die Rück-
29
BGH, 24.11.1981 – X ZR 7/80, NJW 1982, S. 1154 (1155); BGH, 09.03.1989 – I ZR 189/86, NJW 1990, S. 52. 30 MünchKomm-BGB/Schwab, 5. Aufl. 2009, § 812 Rn. 253. 31 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws II, 14. Aufl. 2006, Rn. 34–014.
§ 10: Rückforderung nach Bereicherungsrecht
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forderung des auf das Judikat Geleisteten nach dem auf die Zuständigkeitsabrede anwendbaren materiellen Recht zu beurteilen.32 Wie bereits im Kapitel 2 erläutert33, wird das Prorogationsstatut akzessorisch an das Recht des Hauptvertrags angeknüpft, in den die Gerichtsstandsvereinbarung eingebettet ist. Der Hauptvertrag unterliegt wiederum regelmäßig dem Recht des prorogierten Forums34, so dass dieses auch für die Entscheidung über den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch maßgeblich sein wird. 2. Das nach deutschem IPR anwendbare Recht Art. 38 EGBGB sieht unterschiedliche Anknüpfungspunkte vor, je nachdem ob eine Leistungs- oder eine Eingriffskondiktion einschlägig ist. Hat der abredewidrig im Ausland Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung auf das auswärtige Urteil gezahlt, ist die Rückforderung des Geleisteten aus den oben genannten Gründen35 auch auf kollisionsrechtlicher Ebene als Fall der Leistungskondiktion einzuordnen. Der Bereicherungsanspruch unterliegt gem. Art. 38 I EGBGB dann dem Statut des Rechtsverhältnisses, auf das sich die Leistung bezieht. Für die Ermittlung des Bereicherungsstatuts ist somit zunächst zu klären, welches Rechtsverhältnis für die Leistung im konkreten Fall maßgeblich war. In den hier interessierenden Konstellationen wird dies notwendigerweise ein Rechtsverhältnis sein, das von der Gerichtsstandsvereinbarung erfasst ist. Denn nur dann, wenn das ausländische Urteil ein derartiges Rechtsverhältnis betrifft, wird dessen Anerkennung unter Hinweis auf die entgegenstehende Zuständigkeitsabrede gem. § 328 I Nr. 1 ZPO versagt werden können. Eine Gerichtsstandsvereinbarung erstreckt sich in erster Linie auf den Hauptvertrag, dessen Bestandteil sie ist. Die Leistung des abredewidrig Beklagten im ausländischen Forum wird sich daher regelmäßig auf diesen Hauptvertrag beziehen. Das mit der Rückforderungsklage befasste Gericht wird somit zu klären haben, welchem Recht der Hauptvertrag unterliegt. Dies wird sich – wie im Kapitel 2 dargestellt36 – abhängig vom Datum des Vertragsschlusses nach Art. 27–37 EGBGB oder nach Art. 3 f. Rom I-VO richten. Welches Regelwerk im Einzelfall maßgeblich ist, wird im Ergebnis jedoch keinen Unterschied ausmachen. Denn sowohl gem. Art. 27 EGBGB als auch nach Art. 3 I Rom I-VO unterliegt ein Vertrag in erster Linie dem von den Parteien gewählten Recht. Liegt eine kombinierte Gerichtsstands- und Rechtswahlabrede vor, werden Parteien ihren Vertrag 32
Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.46. S. oben § 4 A. I. 1. b) aa). 34 S. oben § 4 A. I. 1. b) aa). 35 S. oben § 4 A. I. 1. b) aa). 36 S. oben § 4 A. I. 1. b) aa). 33
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
meistens dem Recht des designierten Forums unterstellen, um dort eine schnelle und kostengünstige Entscheidung in der Sache erlangen zu können. Der Staat, dessen Gerichte prorogiert wurden, wird folglich regelmäßig auch das Bereicherungsstatut stellen. Dies wird auch dann gelten, wenn keine ausdrückliche Rechtswahl vorliegt. Denn eine ausschließliche Zuständigkeitsabrede wird sowohl in Art. 27 EGBGB als auch in Art. 3 I Rom I-VO grundsätzlich als stillschweigende Unterstellung des Hauptvertrags unter das Recht im prorogierten Forum angesehen.37 Hat der abredewidrig Beklagte also zur Abwendung der Zwangsvollstreckung auf das ausländische Urteil des derogierten Gerichts gezahlt, wird über einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch gem. Art. 38 I EGBGB meistens nach der lex fori prorogati zu entscheiden sein. Wurde dagegen aufgrund des Judikats eines derogierten auswärtigen Gerichts in das Vermögen des abredewidrig Verklagten vollstreckt, ist für ein Rückzahlungsbegehren unter Heranziehung der obigen Ausführungen38 auch auf kollisionsrechtlicher Ebene die Eingriffskondiktion einschlägig. Der bereicherungsrechtliche Anspruch richtet sich gem. Art. 38 II EGBGB nach dem Recht des Staates, in dem der Eingriff erfolgt ist. Maßgeblich ist demnach der Ort, an dem die betroffene Rechtsposition verletzt wurde.39 Das Bereicherungsstatut wird gem. Art. 38 II EGBGB in den hier interessierenden Fällen somit der Staat stellen, in dem es zum Vollstreckungszugriff gekommen ist. 40 Zu untersuchen ist jedoch, ob eine Auflockerung gem. Art. 41 EGBGB in Betracht kommt: Nach dieser Norm kann ein anderes Recht als das gem. Art. 38 II EGBGB maßgebliche angewendet werden, wenn der Bereicherungsanspruch mit diesem Recht eine wesentliche engere Verbindung aufweist. Dies kann gem. Art. 41 II Nr. 1 EGBGB insbesondere dann angenommen werden, wenn der Anspruch im Zusammenhang mit einer besonderen rechtlichen Beziehung zwischen den Parteien steht. Damit ist es möglich, die Eingriffskondiktion im Einzelfall dem Vertragsstatut zu unterstellen. 41 Eine solche akzessorische Anknüpfung an das Statut des die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltenden Hauptvertrags erscheint hier geboten. Denn es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, den bereicherungsrechtlichen Ausgleich bei Vollstreckung des ausländischen Judikats einem anderen Recht zu unterstellen als bei Zahlung auf das Urteil zur Abwendung der Zwangsvollstreckung. Zusammenfassend ist somit festzuhalten: Nach deutschem Kollisionsrecht wird über die Klage auf Rückforderung des auf das Urteil eines dero37
S. oben § 4 A. I. 1. b) aa). S. oben § 10 A. II. 2. 39 v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 478. 40 So auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 133 f. 41 v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, S. 479. 38
§ 10: Rückforderung nach Bereicherungsrecht
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gierten Gerichts Geleisteten regelmäßig nach der lex fori prorogati zu entscheiden sein. 3. Das nach US-amerikanischem IPR anwendbare Recht § 221 Restatement (Second) Conflict of Laws (1971) geht von dem Grundsatz aus, dass ein Bereicherungsanspruch dem Recht des Staates unterliegt, zu dem er die engste Verbindung aufweist. Im Absatz 2 der Regel werden einige Anknüpfungsmomente beispielhaft aufgelistet. Besteht zwischen den Parteien des Bereicherungsanspruchs ein Rechtsverhältnis, und ist dieses mit dem Erlangen der Bereicherung eng verknüpft, findet auf den Bereicherungsanspruch nach § 221 (2) (a) des Restatement das Recht des Staates Anwendung, in dem das fragliche Rechtsverhältnis seinen Mittelpunkt hat. Als Rechtsverhältnis kommt in den hier interessierenden Konstellationen – wie bereits dargestellt – der die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltende Hauptvertrag in Betracht. Der Rückforderungsanspruch würde somit in den USA – ähnlich wie in Deutschland und England – dem Vertragsstatut unterliegen. Haben die Parteien diesbezüglich eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, wird das designierte Recht auch für die Entscheidung über das bereicherungsrechtliche Rückforderungsbegehren maßgeblich sein.42 Fehlt es an einer expliziten Bestimmung, ist jedoch unklar, ob US-amerikanische Gerichte einer ausschließlichen Prorogation die Bedeutung einer impliziten Wahl des Rechts des designierten Forums beimessen werden.43
II. Das nach der Rom II-VO anwendbare Recht Fraglich ist, welchem Recht der hier untersuchte bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch im Anwendungsbereich der Rom II-VO unterliegt. Die Kollisionsregeln der Rom II-VO gelten, wenn der sachliche Anwendungsbereich nach Art. 1 eröffnet ist und die Erfüllung des Urteils des derogierten ausländischen Gerichts nach Inkrafttreten der Verordnung am 11.01.2009 erfolgt ist. Denn dies stellt die zur Bereicherung führende ver-
42 Vgl. § 187 (1) Restatement (Second) Conflict of Laws (1971): „The law of the state chosen by the parties to govern their contractual rights and duties will be applied if the particular issue is one which the parties could have resolved by an explicit provision in their agreement directed to that issue.“ 43 Zwar sieht § 187 comment a. Restatement (Second) Conflict of Laws (1971) die Möglichkeit einer impliziten Rechtswahl vor: „But even when the contract does not refer to any state, the forum may nevertheless be able to conclude from its provisions that the parties did wish to have the law of a particular state applied.” Im Restatement findet sich jedoch kein Hinweis darauf, ob und welche Rolle Gerichtsstandsvereinbarungen insoweit spielen können.
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mögensverschiebende Handlung i.S.v. Art. 31 f. Rom II-VO dar. 44 Wurde an oder nach diesem Tag gezahlt bzw. vollstreckt, bestimmt sich das für die Entscheidung über den Rückzahlungsanspruch maßgebliche Recht somit nach Art. 10, 14 Rom II-VO. 45 Gemäß Art. 14 Rom II-VO ist vorrangig eine Rechtswahl der Parteien bzgl. des außervertraglichen Schuldverhältnisses zu beachten. Liegt eine solche nicht vor, sieht Art. 10 Rom II-VO eine dreistufige Anknüpfungsleiter vor46: Knüpft das Schuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis an, welches eine enge Verbindung zu der ungerechtfertigten Bereicherung aufweist, wird gem. Art. 10 I Rom II-VO das Recht zur Anwendung berufen, dem das Rechtsverhältnis unterliegt. Kommt derartige akzessorische Anknüpfung nicht in Betracht, findet nach Art. 10 II Rom II-VO das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten Anwendung. Ist weder eine akzessorische Anknüpfung an ein bestehendes Rechtsverhältnis noch die Anknüpfung an einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt möglich, gilt gem. Art. 10 III Rom II-VO das Recht am Ort des Bereicherungseintritts. Art. 10 IV Rom II-VO sieht eine Ausweichklausel für Fälle vor, in denen sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass das außervertragliche Schuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Art. 10 I-III Rom II-VO bestimmten Staat aufweist. Mangels Rechtswahl fragt sich in den hier interessierenden Konstellationen, ob die Voraussetzungen einer akzessorischen Anknüpfung gem. Art. 10 I Rom II-VO erfüllt sind. Als Rechtsverhältnis im Sinne der Vorschrift kommen nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut sowohl Verträge als auch unerlaubte Handlungen in Betracht. Eine ausreichende Verknüpfung zwischen dem Rechtsverhältnis und dem Bereicherungsanspruch liegt nach der Erläuterung der EU-Kommission vor, wenn das Schuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung eine so enge Verbindung zu dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis aufweist, dass sämtliche Rechtsfragen besser nach demselben Recht beurteilt werden sollen.47 Aus Sicht des Schrifttums ist dies gegeben, wenn die den konkreten Bereicherungsanspruch auslösende Zuwendung einer zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung zugeordnet werden kann.48 In den hier untersuch44
Vgl. MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 31, 32 Rom II-VO Rn. 7; Wagner, IPRax 2008, S. 1 (17). 45 Das Vereinigte Königreich beteiligt sich an der Annahme und Anwendung der Rom II-VO, vgl. Erwgr. 39 Rom II-VO. 46 MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 10 Rom II-VO Rn. 3. 47 KOM(2003) 427 endgültig, S. 24. 48 MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 10 Rom II-VO Rn. 18.
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ten Fällen erscheint eine Zuordnung des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs zu dem die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltenden Hauptvertrag geboten. Denn es werden regelmäßig Ansprüche aus diesem Vertrag sein, die das ausländische Gericht unter Missachtung der Zuständigkeitsabrede titulieren wird und deren Erfüllung die Leistung auf das auswärtige Urteil bzw. die Vollstreckung aus diesem dienen wird. Dass die Erfüllung des ausländischen Judikats unter dem Druck der Zwangsvollstreckung bzw. im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt ist, dürfte der Annahme einer Verknüpfung zwischen dem Hauptvertrag und dem Bereicherungsanspruch nicht entgegenstehen. Würden solche Gesichtspunkte eine Rolle spielen, wäre die Anwendbarkeit von Art. 10 I Rom II-VO erheblich eingeschränkt. Dies dürfte mit dem Ziel der Rom IIVO, der akzessorischen Anknüpfung im Bereich von Art. 10 möglichst große Bedeutung beizumessen49, jedoch kaum zu vereinbaren sein. Somit ist festzuhalten, dass ein Bereicherungsanspruch gerichtet auf die Rückforderung des auf ein Urteil Geleisteten gem. Art. 10 I Rom II-VO grundsätzlich an das Statut des Hauptvertrags anzuknüpfen sein wird. Dieser Vertrag wird bei Anwendbarkeit der Rom I-VO bzw. des autonomen englischen und deutschen Kollisionsrechts – wie bereits gezeigt50 – regelmäßig dem Recht des prorogierten Gerichts unterliegen. Insgesamt gilt damit: Der Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung des auf ein ausländisches Urteil Geleisteten wird sich gem. Art. 10 I Rom IIVO regelmäßig nach der lex fori prorogati richten.
C. Internationale Zuständigkeit für eine Rückforderungsklage Besteht in den hier verglichenen Rechtsordnungen grundsätzlich die Möglichkeit, das auf das Urteil eines derogierten Gerichts Geleistete zurückzufordern, schließt sich die Frage an, in welchem Forum der bereicherungsrechtliche Ausgleich geltend zu machen ist. Ein Rückgriff auf die im Kapitel 2 der Arbeit erläuterten allgemeinen Zuständigkeitsregeln des englischen, US-amerikanischen und deutschen Rechts 51 kommt nur dann in Betracht, wenn die Prorogation keine Sonderbestimmung hinsichtlich des zur Entscheidung über die Rückzahlungsklage berufenen Gerichts enthält. Es ist somit zu untersuchen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung, die durch die Anrufung des Ursprungsgerichts verletzt wurde, den hier interessierenden bereicherungsrechtlichen Ausgleich erfasst und dem desig49
MünchKomm-BGB/Junker, 5. Aufl. 2010, Art. 10 Rom II-VO Rn. 16. S. oben § 4 A. I. 1. b). 51 S. oben § 3 A. I. 1., § 3 A. II. 1. b), § 3 A. III. 1. Ist der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet, sind die dort vorgesehenen Gerichtsstände zu berücksichtigen, s. zu einem kurzen Überblick oben § 3 B. 50
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nierten Gericht insoweit eine ausschließliche Zuständigkeit einräumt. Eine derartige sachliche Reichweite der Prorogation kann ohne weiteres angenommen werden, wenn sich die Abrede ausdrücklich auch auf Streitigkeiten wegen deren Missachtung erstreckt. 52 Fehlt es jedoch, wie in der Praxis meist der Fall, an einer solchen expliziten Bestimmung, ist die Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung durch Auslegung unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und der Interessen des Parteien zu ermitteln. Gegen die Erstreckung von ausschließlichen Prorogationen auf die hier interessierenden Klagen lässt sich auf den ersten Blick anführen, dass solche Abreden in der Regel lediglich auf Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Hauptvertrag Bezug nehmen, während der bereicherungsrechtliche Ausgleich wegen des Prozessierens vor einem derogierten Gericht eine enge Verknüpfung nur zu der gegenüber dem Hauptvertrag selbständigen Zuständigkeitsvereinbarung aufweist. Des Weiteren wird der hypothetische Parteiwille ins Felde geführt. Dieser sei darauf gerichtet, dass die hier interessierenden Bereicherungsansprüche von der Gerichtsstandsvereinbarung ausgeklammert blieben. Die abredewidrig verklagte Partei habe ein besonderes Interesse daran, dass für die Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs möglichst viele Gerichtsstände zur Verfügung stehen, damit sie Klage in dem Land erheben kann, in welchem die Gegenseite über vollstreckungsfähiges Vermögen verfügt. Die große Auswahl an Fora sei deswegen von erheblicher Bedeutung, da zu befürchten stehe, dass die grenzüberschreitende Anerkennung eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsurteils häufig nicht möglich sein wird.53 Überzeugender erscheint es jedoch, dem prorogierten Gericht auch die ausschließliche Kompetenz zur Entscheidung über bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche nach abredewidriger Klage zuzugestehen. Hierfür spricht zunächst die besondere Nähe zwischen diesem Ausgleich und den von der Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich erfassten Streitigkeiten. Die Entscheidung über den auf Bereicherungsrecht gestützten Rückzahlungsanspruch hängt – wie gezeigt54 – maßgeblich davon ab, ob aus Sicht des über die Rückforderung befindenden Gerichts der vom Ursprungsgericht titulierte Zahlungsanspruch besteht. Dieser Anspruch ist von der Gerichtsstandsvereinbarung erfasst, denn andernfalls könnte die Anerkennung des diesen Anspruch betreffenden Urteils des Ursprungsgerichts nicht unter Hinweis auf die entgegenstehende Zuständigkeitsabrede versagt werden. Steht und fällt die bereicherungsrechtliche Rückforderung mit der Beurteilung einer Frage, die im sachlichen Anwendungsbereich der Gerichtsstandsvereinbarung liegt, erscheint es angemessen, den Rückzahlungsan52
Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (91). Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (93). 54 S. oben § 10 A. II. 2. 53
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spruch ebenfalls als von der Prorogation erfasst zu sehen. Ansonsten könnte das missliche Ergebnis eintreten, dass das im Rückforderungsprozess angerufene Gericht dem dortigen Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung zuspricht, obwohl das prorogierte Gericht – wegen Geltung eines unterschiedlichen materiellen und/oder Prozessrechts – zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass das abredewidrig angerufene Gericht in der Sache, d.h. über den von der Gerichtsstandsabrede erfassten Anspruch, richtig entschieden hat. Auch die Interessen der Parteien sprechen richtigerweise dafür, Prorogationen auf den bereicherungsrechtlichen Ausgleich wegen abredewidriger Klagen zu erstrecken. Eine diesbezügliche ausschließliche Zuständigkeit des designierten Gerichts minimiert zum einen das Risiko, dass die den Rückzahlungsanspruch betreffende Auseinandersetzung gleichzeitig vor mehreren Gerichten ausgefochten und dadurch der Zeit- und Kostenaufwand für die Durchführung der Streitigkeit verdoppelt wird. 55 Sie ist zum anderen geeignet, eine schnellere und kostengünstigere Entscheidung des Rechtsstreits zu gewährleisten, da der Bereicherungsanspruch – wie ausgeführt – in der Regel der lex fori prorogati unterliegt.56 Den Parteien werden somit die mit der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts gewöhnlicherweise verbundenen finanziellen und zeitlichen Nachteile erspart. Der oben dargestellte Einwand, die Erstreckung der Prorogation auf den bereicherungsrechtlichen Ausgleich vermindere seinen wirtschaftlichen Wert, da die Aussichten auf die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung eines entsprechenden Rückzahlungsurteils gering seien, verfängt nicht. Wie gleich noch zu zeigen sein wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Gerichte ausländischen Rückforderungsurteilen Wirkungen beimessen werden. 57 Die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines auswärtigen Rückzahlungsjudikats droht ernsthaft lediglich in dem Land, in dem zuvor der Zahlungsanspruch gegen den abredewidrig Beklagten tituliert wurde. Ist das vollstreckungsfähige Vermögen des ehemaligen dortigen Klägers lediglich in diesem Staat belegen, hätte die Rückzahlung begehrende Partei jedoch keinen Vorteil, wenn die ausschließliche Prorogation den bereicherungsrechtlichen Ausgleich nicht erfassen würde und somit seiner Geltendmachung in einem anderen als dem designierten Forum nicht entgegenstünde. Denn selbst wenn in dem Forum der ursprünglichen abredewidrigen Klage die internationale Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Rückzahlungsanspruch eröffnet wäre, ist 55 Dieses Argument wird von Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (92) ebenfalls erwogen, jedoch i.E. abgelehnt. 56 S. oben § 10 B. II. 57 S. unten § 10 D. I.
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es sehr unwahrscheinlich, dass dieser dort durchgesetzt werden könnte: Es steht zu befürchten, dass dem bereicherungsrechtlichen Ausgleich entweder die Rechtskraft der früheren inländischen Entscheidung entgegen gehalten werden kann oder dass das im Rückzahlungsprozess ersuchte Gericht in der Sache ähnlich wie das ursprünglich abredewidrig angerufene entscheiden wird.58 Aus diesen Gründen erscheint es angemessen, dem prorogierten Gericht die ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über einen bereicherungsrechtlichen Anspruch wegen abredewidriger Klage zuzusprechen.
D. Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils Ein Urteil, durch das die unter Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem anderen Forum zugesprochene Klagesumme zurückgewährt wird, bringt dem Rückforderungskläger in internationalen Rechtsstreitigkeiten häufig nur durch seine Anerkennungsfähigkeit im Ausland einen wirtschaftlichen Vorteil. Da solche Rückforderungsurteile – vereinfacht ausgedrückt – die Umkehrung dessen sind, was zuvor in einem anderen Staat für Recht erkannt wurde, kann ihre Anerkennung im Ausland jedoch problematisch sein. Zum einen wird auswärtigen Judikaten die Anerkennung typischerweise versagt, wenn dies zu einer Kollision mit Richtersprüchen führen würde, die im Inland ergangen oder dort anerkennungsfähig sind. Zum anderen könnte die Rückgängigmachung des Urteils aus einem Land durch die Gerichte eines anderen Staates als ungebührliche Einmischung in fremde Rechtsprechungstätigkeit – ein Staat macht sich zum Richter über einen anderen – und daher als ordre public-widrig empfunden werden. Nachfolgend sind daher die Grenzen der Anerkennungsfähigkeit von Rückforderungsjudikaten im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht (I.) sowie im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ (II.) zu beleuchten.
I. Anerkennungsfähigkeit von Rückforderungstiteln in autonomen Rechten Als Hindernis für die Vollstreckung aus einem einer Rückforderungsklage stattgebenden ausländischen Urteil kommen im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht drei Anerkennungsversagungsgründe in Betracht: die fehlende internationale Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts (1.), die Unvereinbarkeit der Entscheidung mit einem inländischen oder anzuerkennenden ausländischen Urteil (2.) sowie eine Verletzung des ordre public (3.).
58
S. hierzu sogleich unter § 10 D. I.
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1. Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit Wie bereits oben ausführlich dargestellt, sind englische, US-amerikanische und deutsche Gerichte nach autonomem Recht befugt, die Anerkennung eines ausländischen Urteils zu verweigern, wenn das auswärtige Gericht zu der Entscheidung international nicht berufen war: Die deutschen und der überwiegende Teil der US-amerikanischen Gerichte werden die Anerkennungsfähigkeit des Rückforderungsurteils danach beurteilen, ob zugunsten des auswärtigen Gerichts einer der spiegelbildlich für die eigenen Gerichte geltenden Gerichtsstände eröffnet wäre.59 Ein englisches Gericht wird dagegen untersuchen, ob einer der besonderen Anerkennungszuständigkeitsgründe eingreift.60 Stammt das Rückforderungsurteil aus einem in einer Gerichtsstandsvereinbarung designierten Forum, wird das Anerkennungsgericht in allen drei autonomen Rechten prüfen, ob die Prorogation zulässig und wirksam ist, sowie ob sie dem auswärtigen Gericht eine Zuständigkeit für die Entscheidung über den bereicherungsrechtlichen Ausgleich einräumt. Wird dies bejaht, scheidet die Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit aus. Dieser Anerkennungsverweigerungsgrund greift auch dann nicht, wenn das Anerkennungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Prorogation die Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts zwar nicht begründet, die Entscheidungskompetenz des letzteren jedoch aus einem anderen Grund als gegeben ansieht. 2. Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer Entscheidungen Ausländischen Urteilen kann die Anerkennung in England, den USA und Deutschland auch dann verweigert werden, wenn sie mit einem inländischen oder einem anzuerkennenden drittstaatlichen Judikat unvereinbar (irreconcilable) sind. Diese Befugnis ergibt sich in England aus dem common law und wird als Sonderfall des public policy-Vorbehalts angesehen. 61 In Deutschland folgt sie aus dem Anerkennungsversagungsgrund von § 328 I Nr. 3 ZPO, einer selbständigen Bestimmung neben der ordre public-Klausel in § 328 I Nr. 4 ZPO. In beiden Rechtsordnungen wird der Konflikt zwischen mehreren ausländischen Entscheidungen nach dem Prioritätsprinzip gelöst: Einer auswärtigen Entscheidung wird die Anerkennung versagt, wenn sie mit einer anzuerkennenden früher ergangenen ausländischen Entscheidung
59
S. oben § 9 A. II. 1. b), § 9 A. III. S. oben § 9 A. I. 1. b). 61 Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 2.09; Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 567–569; Lippke, Der Status im EuZPR, 2008, S. 55. 60
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unvereinbar ist. 62 Bei Konkurrenz eines inländischen Judikats mit einem anzuerkennenden ausländischen geht dagegen stets ersteres vor, auch wenn es später als die auswärtige Entscheidung erlassen wurde.63 In den USA folgt der Anerkennungsversagungsgrund der Entscheidungsunvereinbarkeit aus dem common law bzw. aus den kodifizierten Regeln über die Anerkennung ausländischer Judikate.64 Zwei wichtige Unterschiede ergeben sich zu der Rechtslage in England und Deutschland. Zum einen können die US-amerikanischen Gerichte bei einem Konflikt zwischen mehreren Urteilen grundsätzlich frei entscheiden, ob sie nach dem Prioritätsprinzip der älteren Entscheidung den Vorrang einräumen oder entsprechend der sog. last in time rule der späteren den Vortritt gewähren, weil sie den auf dem jüngsten Erkenntnisstand beruhenden Richterspruch für vorzugswürdig halten. 65 Zum anderen steht es in den USA – im Gegensatz zu England und Deutschland – im Ermessen der Richter, ob sie einem ausländischen Urteil die Anerkennung verweigern, um einen Widerspruch zu einem anderen in- oder auswärtigen Judikat zu vermeiden.66 Bei der Untersuchung der Problematik, ob der Anerkennungsversagungsgrund der Entscheidungsunvereinbarkeit in den hier interessierenden Fällen eingreift, sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: In der ersten ist der Anerkennungsstaat zugleich der Staat des abredewidrig angerufenen Forums (Konstellation A). Es geht also um den Fall, dass ein deutsches, englisches oder US-amerikanisches Gericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt hat, nachdem es entschieden hatte, dass die geltend gemachte Prorogation zugunsten der Gerichte eines anderen Staates der eigenen Zuständigkeit nicht entgegensteht. In der Auffassung, dass er von einem derogierten Gericht und dazu in der Sache falsch verurteilt wurde, hat der Beklagte sodann vor einem ausländischen Gericht erfolgreich Klage auf Rückzahlung des Geleisteten erhoben. Fraglich ist, ob der Anerkennung des Rückforderungsurteils in dem Heimatland des ursprünglichen 62
England: Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 569. Deutschland: MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 94; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 945. 63 England: Fawcett/Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 568. Deutschland: Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 944; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 95. 64 § 482 comment g. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986) sowie sec. 4 (b) (4) Uniform Recognition Act 1962; sec. 4 (c) (4) Uniform Recognition Act 2005; § 5 (c) (ii) ALI Draft Statute 2005. 65 § 482 comment g. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986); Brand, Foreign Judgments in the USA, 1992, S. 19; Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 202; Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 946. 66 Vgl. § 482 (2) (e) Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986) sowie Wortlaut der oben in Fn. 158 genannten Vorschriften. S. auch Böhm, US-ZPR, 2005, Rn. 20.
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Zahlungsurteils, der Einwand der Entscheidungsunvereinbarkeit entgegengehalten werden kann. Gleichermaßen stellt sich das Problem in der zweiten Konstellation, in der beide Urteile zwar aus verschiedenen Ländern stammen, jedoch – im Gegensatz zu der ersten Konstellation – die ursprüngliche Verurteilung zur Zahlung nicht im Anerkennungsland ergangen ist (Konstellation B). Auch hier könnte letzteres Judikat der grenzüberschreitenden Wirkung des Rückforderungsurteils entgegenstehen. Eine Entscheidungskollision kommt in der Konstellation B jedoch erst dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung des auswärtigen Leistungstitels erfüllt sind. Dies wird bei Judikaten, die aus einem Drittstaat stammen, insbesondere davon abhängen, ob die Anerkennungszuständigkeit des Ursprungsgerichts gegeben ist. 67 Hieran wird es fehlen, wenn das Anerkennungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Entscheidungskompetenz des auswärtigen Forums durch die Gerichtsstandsvereinbarung wirksam derogiert worden war. Maßgeblich für die Lösung der vorliegend untersuchten Konstellationen ist der Begriff der Unvereinbarkeit. Unvereinbar i.S.v. § 328 I Nr. 3 ZPO sind Entscheidungen, welche im Kern dieselbe Frage zum Gegenstand haben, sie jedoch divergent beantworten.68 Diese Erfordernisse sind in den hier interessierenden Fällen erfüllt. Denn das Zahlungsurteil und der Rückforderungstitel weichen in der Beurteilung des für beide Prozesse zentralen Punktes, nämlich ob der ursprüngliche Kläger einen Zahlungsanspruch gegen den damaligen Beklagten hat, diametral voneinander ab. § 328 I Nr. 3 ZPO steht somit der Anerkennung eines ausländischen Rückzahlungstitels entgegen. Dies gilt sowohl in der Konstellation A, in der das ursprüngliche Zahlungsurteil im Anerkennungsforum ergangen ist, als auch in der Konstellation B, in der es sich aus Sicht des Anerkennungsforums um zwei ausländische Entscheidungen handelt. Zu demselben Ergebnis wird man in der Regel auch im englischen und US-amerikanischen Recht gelangen. Eine Entscheidungskollision wird in diesen Rechtsordnungen angenommen, wenn die Judikate nicht miteinander zu vereinbarende Urteilswirkungen aufweisen. Die Frage, welchem Recht die Wirkungen einer ausländischen Entscheidungen zu entnehmen sind, wird dabei teilweise unterschiedlich beantwortet: In England werden auswärtigen Titeln grundsätzlich dieselben Wirkungen wie inländischen beigemessen (sog. Gleichstellungstheorie).69 In den USA ist die Rechtslage 67 Stammt das Leistungsurteil hingegen aus einem EU-Mitgliedstaat, ist eine Prüfung der Anerkennungszuständigkeit grundsätzlich unzulässig, vgl. unten § 10 D. II. 1. 68 Vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 97; OLG Hamm, 30.10.2000 – 1 U 1/00, FamRZ 2001, S. 1015. 69 Vgl. M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, 2012, Rn. 81 sowie Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, 2000, S. 95 m.w.N.
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dagegen gespalten: Manche US-amerikanischen Gerichte greifen auf das Recht des Ursprungsstaates zurück (sog. Wirkungserstreckungstheorie), andere wenden die lex fori an. 70 Unterliegen die Urteilswirkungen dem englischen oder US-amerikanischen Recht, bedeutet dies, dass auch Entscheidungen über Vorfragen umfangreich an der Rechtskraft teilhaben. 71 Ausgehend von dieser Vorfragenbindung kommt es in den hier untersuchten Konstellationen zu kollidierenden Entscheidungen, da sich in dem Zahlungs- und dem Rückforderungsprozess zumindest die Frage nach der Wirksamkeit und Ausschließlichkeit der Gerichtstandsvereinbarung sowie die nach dem Bestand eines Zahlungsanspruchs des ursprünglichen Klägers gegen den ursprünglichen Beklagten stellen und widersprüchlich ausgeurteilt worden sein müssen. Zusammenfassend ist somit festzuhalten: In den hier untersuchten nationalen Rechtsordnungen stellen das Zahlungs- und das Rückforderungsjudikat grundsätzlich unvereinbare Entscheidungen dar. Dem Rückzahlungsurteil, das zwingend erst nach dem Leistungsurteil ergangen sein wird, werden deutsche und englische Gerichte in der Konstellation A daher die Anerkennung verweigern. Ob US-amerikanische Gerichte dem ausländischen Rückforderungsjudikat Wirkungen verleihen werden, ist dagegen in ihr Ermessen gestellt. In der Konstellation B droht die Anerkennungsversagung wegen Entscheidungsunvereinbarkeit hingegen nur dann, wenn das auswärtige Zahlungsurteil anerkennungsfähig ist. 3. Anerkennungsversagung wegen ordre public-Verstoßes Einem ausländischen Rückforderungsurteil könnte die Anerkennung schließlich wegen Verletzung des ordre public zu versagen sein. Dieser Anerkennungsversagungsgrund folgt in England und den USA aus dem common law bzw. den kodifizierten Anerkennungsregeln72, in Deutschland ist er in § 328 I Nr. 4 ZPO verankert. Bei der Untersuchung der Frage, ob der ordre public-Vorbehalt der Anerkennung eines Rückforderungsurteils 70
Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, 2000, S. 136 m.w.N. England: Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 4.01–5.136; M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, 2012, Rn. 194 – 204; Lippke, Der Status im EuZPR, 2008, S. 56–63. USA: Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung, 2000, S. 122–125. 72 England: sec. 9 (2) (f) Administration of Justice Act 1920; sec. 4 (1) (v) Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 14R.141; Fawcett/ Carruthers/North, PIL, 14. Aufl. 2008, S. 556. USA: sec. 4 (b) (3) Uniform Recognition Act 1962; sec. 4 (c) (3) Uniform Recognition Act 2005. Diesen Regelungen zufolge steht die Anerkennungsversagung wegen ordre public-Verstoßes im Ermessen des Gerichts. So auch § 281 comment f. Restatement (Third) Foreign Relations Law (1986). Dagegen führt eine Verletzung der public policy nach § 5 (a) (vi) ALI Draft Statute 2005 zwingend zur Verweigerung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung. 71
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entgegensteht, ist es ebenfalls geboten, zwischen den beiden oben geschilderten Konstellationen zu unterscheiden. In der Konstellation A ist das Zahlungsurteil, welches Anlass für die ausländische Rückforderungsklage bildete, im Anerkennungsstaat ergangen. Aufgrund dieses Umstands ist es sehr wahrscheinlich, dass die Anerkennung des auswärtigen Rückforderungsurteils an der ordre public-Hürde scheitern wird. Es steht zum einen zu befürchten, dass die Titulierung des Rückforderungsanspruchs als Eingriff in die Justizhoheit des Anerkennungsstaates gewertet wird. Dessen Gerichte werden möglicherweise die Position vertreten, dass die Entscheidung darüber, ob ein aus dem Anerkennungsland stammendes Urteil aufgehoben wird, allein Sache der Gerichte dieses Landes ist, und sich das ausländische Gericht durch die „Rückgängigmachung“ des Zahlungsurteils unzulässigerweise zu einer zusätzlichen Appellationsinstanz über die Gerichte im Anerkennungsstaat erhebt. Gegen die Anerkennung des Rückforderungsjudikats könnte zum anderen die grundsätzliche Befriedungsfunktion von Urteilen angeführt werden. Sie wäre konterkariert, würde man es Parteien unbegrenzt ermöglichen, ein Judikat „umzustoßen“. Die Tatsache, dass das Anerkennungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen selbst dazu bereit wäre, einen auswärtigen Richterspruch durch Erlass eines Rückforderungsurteils „zunichtezumachen“, wenn eine Partei ein legitimes Interesse dartut, dürfte kein ausreichendes Argument gegen das Eingreifen des ordre public-Vorbehalts im Rahmen der Konstellation A darstellen. Denn das Anerkennungsgericht wird die Begründung, dass sich das ursprünglich angerufene Gericht zu Unrecht über die ausschließliche Prorogation hinweggesetzt und in der Sache falsch entschieden hat, aufgrund seiner Bindung an die diesbezüglich getroffenen gegenteiligen Feststellungen des Ursprungsgerichts zurückweisen. Es spricht somit einiges dafür, dass in der Konstellation A die Anerkennung eines Rückforderungsurteils wegen Verstoßes gegen den ordre public ausscheiden wird. Die Vereinbarkeit eines Rückforderungsurteils mit dem ordre public könnte in der Konstellation B, in der Rückforderungs- und ursprüngliches Zahlungsjudikat unterschiedlichen ausländischen Staaten entstammen, dagegen anders zu beurteilen sein. Es ist zum einen ungewiss, ob es möglich ist, die Anerkennung des Rückforderungsurteils mit dem Argument zu verweigern, hierdurch würde die Justizhoheit des Ursprungslandes des Zahlungsurteils bzw. das Gebot zwischenstaatlicher Kooperation und Rücksichtnahme auf die Belange anderer Staaten verletzt. Gegen die Berücksichtigung des Grundsatzes der international comity im Rahmen des ordre public-Einwands könnte nämlich vorgebracht werden, dass letzterer lediglich dem Schutz der wesentlichen Grundsätze des nationalen Rechtssys-
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tems dient. 73 Ein anderes Ergebnis im Vergleich zu der Konstellation A könnte zum anderen deswegen geboten sein, weil das Recht des Anerkennungsstaates selbst unter bestimmten Umständen eine Verurteilung zur Rückzahlung des aufgrund eines ausländischen Judikats Geleisteten vorsieht. In der Konstellation B ist das Eingreifen des ordre public-Vorbehalts somit weniger wahrscheinlich.
II. Anerkennungsfähigkeit von Rückforderungstiteln in international vereinheitlichten Rechtssystemen Abschließend sind die Anerkennungsaussichten eines Rückforderungsurteils im Geltungsbereich der EuGVVO (1.) und des HGÜ (2.) zu untersuchen. 1. Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils im Anwendungsbereich der EuGVVO Die Art. 32 ff. EuGVVO gelten für die Anerkennung und Vollstreckung einer in den sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Entscheidung eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat. 74 Auf Rückforderungsurteile sind sie in zwei Konstellationen anwendbar: Die erste betrifft den unwahrscheinlichen Fall, dass ein mitgliedstaatliches Gericht einem Urteil aus einem anderen Mitgliedstaat trotz des grundsätzlichen Verbots der Prüfung der Anerkennungszuständigkeit in Art. 35 III EuGVVO wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung die Anerkennung verweigert und Rückzahlung des aufgrund des erstgerichtlichen Judikats Geleisteten anordnet. Die zweite Konstellation ist praktisch bedeutsamer und erfasst den Fall, dass ein mitgliedstaatliches Gericht einem drittstaatlichen Urteil wegen Verletzung einer Zuständigkeitsabrede die Anerkennung versagt und der Klage des abredewidrig Beklagten auf Rückforderung des zur Erfüllung des erstgerichtlichen Titels Geleisteten stattgibt. Die Anerkennung eines Rückforderungsurteils kann wegen Art. 35 III EuGVVO – im Gegensatz zu den untersuchten autonomen Rechten – grundsätzlich nicht aufgrund fehlender internationaler Zuständigkeit des Ursprungsgerichts verweigert werden. Die Vollstreckung aus einem auswärtigen Rückzahlungsurteil scheidet jedoch aus, wenn dieses mit einer im Anerkennungsstaat oder in einem anderen Mitglieds- bzw. einem Drittstaat ergangenen Entscheidung unvereinbar ist gem. Art. 34 Nr. 3 und 4 EuGVVO (a.) oder die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Anerken73 74
Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (98). S. oben § 9 B.
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nungsstaats offensichtlich widersprechen würde gem. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO (b.). a) Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer Entscheidungen Art. 34 Nr. 3 EuGVVO behandelt die Kollision einer – mitglieds- oder anerkennungsfähigen drittstaatlichen – Entscheidung mit einem Urteil des Anerkennungsstaats und räumt letzterem Judikat den Vorrang ein, unabhängig davon, welcher der Titel zeitlich früher erlassen wurde. Art. 34 Nr. 4 EuGVVO betrifft dagegen Konflikte zwischen Entscheidungen, von denen keine dem Anerkennungsstaat entstammt, und sieht eine Lösung nach dem Prioritätsprinzip vor: Anerkannt wird dasjenige Judikat, das früher ergangen ist. Das Erfordernis der „Unvereinbarkeit“ i.S.v. Art. 34 Nr. 3, 4 EuGVVO ist euroautonom auszulegen und nach Ansicht des EuGH erfüllt, wenn sich die Rechtsfolgen der Entscheidungen gegenseitig ausschließen. 75 Welche Rechtsfolgen einem Richterspruch zukommen, bestimmt sich nach dem nationalen Recht des jeweiligen Ursprungsstaats.76 Das Rückforderungsurteil eines mitgliedstaatlichen Gerichts wird nach diesen Grundsätzen regelmäßig mit dem zeitlich vorausgegangenen Zahlungsurteil des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats unvereinbar sein: Denn der Ausspruch des letzteren Judikats, dass der ursprüngliche Kläger gegen den damaligen Beklagten einen Anspruch auf Zahlung hat, steht im Widerspruch zu dem ersteren Titel, wonach ein entsprechender Zahlungsanspruch nicht besteht.77 Stammt das Zahlungsjudikat hingegen aus einem Drittstaat, wird die grenzüberschreitende Vollstreckung aus dem Rückforderungstitel nur dann 75 EuGH, 04.02.1988 – Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, 645, Rn. 22; EuGH, 06.06.2002 – Rs. C-80/00, Italian Leather SpA ./. WECO Polstermöbel GmbH & Co., Slg. 2002, I-4995, Rn. 44. Die Abweichungen im Wortlaut von Art. 34 Nr. 3 und Nr. 4 EuGVVO – erstere Norm setzt voraus, dass die Entscheidungen „zwischen denselben Parteien“ ergangen sind, während letztere zusätzlich erfordert, dass die Entscheidungen „wegen desselben Anspruchs“ erlassen wurden – rechtfertigen es nach überwiegender Ansicht nicht, an das Tatbestandsmerkmal der „Unvereinbarkeit“ unterschiedliche Anforderungen zu stellen: Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 34 EuGVVO Rn. 49; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, Art. 34 EuGVVO Rn. 14. 76 Rauscher-EuZPR/Leible, Neubearb. 2011, Art. 34 EuGVVO Rn. 45; M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, 2012, Rn. 275; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, Art. 34 EuGVVO Rn. 13. 77 Stammt das Zahlungsurteil nicht vom Anerkennungsstaat, sondern von einem anderen EU-Mitglieds- bzw. einem Drittstaat, wird dessen Unvereinbarkeit mit dem Rückforderungsurteil nur dann die Versagung der Anerkennung des letzteren zur Folge haben, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Anerkennung des Zahlungsurteils vorliegen. Handelt es sich bei diesem um ein drittstaatliches Urteil, wird das Anerkennungsgericht insbesondere prüfen, ob die internationale Zuständigkeit des drittstaatlichen Gerichts nicht wirksam derogiert wurde.
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wegen Entscheidungsunvereinbarkeit zu versagen sein, wenn das Zahlungsurteil die Anerkennungsvoraussetzungen des autonomen Rechts des Mitgliedstaats erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird. Dabei wird – wie bereits oben ausgeführt78 – insbesondere die Frage von Bedeutung sein, ob die internationale Zuständigkeit des Zahlungsgerichts durch die auf ein anderes Forum lautende Abrede wirksam derogiert wurde. b) Anerkennungsversagung wegen ordre public-Verstoßes Der Inhalt des ordre public richtet sich in der EuGVVO nach dem nationalen Recht des Anerkennungsstaats. Dabei sind auch die durch den EuGH und die grundlegenden Prinzipien des Gemeinschaftsrechts gesetzten Grenzen zu berücksichtigen.79 Aufgrund letzterer Besonderheit ist bei der Beurteilung der Frage, ob der ordre public-Vorbehalt gem. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO der Anerkennung eines Rückforderungsurteils entgegensteht, danach zu unterscheiden, ob dieses die Rückzahlung des auf einen mitgliedstaatlichen oder einen drittstaatlichen Titel Geleisteten vorsieht. „Betrifft“ das Rückforderungsurteil ein mitgliedstaatliches Judikat, wird seine Anerkennung stets wegen ordre public-Verstoßes zu verneinen sein. Denn diese Entscheidung ist unter Missachtung des die EuGVVO prägenden Grundsatzes von Art. 35 III ergangen, wonach mitgliedstaatliche Urteile ohne Überprüfung der internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts anzuerkennen sind. Richtet sich die anzuerkennende Entscheidung dagegen auf die „Rückgängigmachung“ eines drittstaatlichen Judikats, wird das Eingreifen von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO lediglich von dem ordre public-Gehalt des jeweiligen nationalen Rechts des Anerkennungsstaats abhängig sein, da die Verordnung mit Bezug auf Urteile aus Drittstaaten keine Pflicht zur Anerkennung ohne Prüfung der Anerkennungszuständigkeit statuiert. Geht es um die Anerkennung eines drittstaatlichen Rückforderungsurteils in England und Deutschland, gelten somit die oben in den Ländergutachten enthaltenen Ausführungen.80 2. Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils im Anwendungsbereich des HGÜ Das HGÜ regelt, wie dessen Art. 8 I zeigt, lediglich die Anerkennung von Urteilen, die von dem in einer Zuständigkeitsabrede benannten Gericht eines Vertragsstaats erlassen wurden.81 Die Anerkennung eines Rückforde78
S. oben § 10 D. I. 1. S. oben § 8 B. I. 1. c). 80 S. oben § 10 D. I. 3. 81 S. dazu oben § 8 B. II. 2. 79
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rungsurteils wird somit den HGÜ-Regeln unterliegen, wenn es vom designierten Gericht stammt. Ob dieses Gericht seine Zuständigkeit für die bereicherungsrechtliche Rückzahlungsklage tatsächlich auf die ausschließliche Prorogation gestützt hat, ist hingegen für die Anwendung von Art. 8 f. HGÜ unerheblich. 82 Wurde das Urteil dagegen von einem nicht vereinbarten Gericht erlassen, richtet sich die Anerkennung nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften im Anerkennungsstaat. Die Versagung der Anerkennung eines Rückforderungstitels wegen Ungültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gem. Art. 9 lit. a HGÜ wird nicht möglich sein, da dieses Anerkennungshindernis lediglich in Fällen gilt, in denen das Ursprungsgericht über die Gültigkeit der Zuständigkeitsabrede keine Entscheidung getroffen hat. Eine solche wird in den hier untersuchten Fällen jedoch stets vorliegen, da ein Rückforderungsjudikat – wie bereits oben erörtert 83 – nur dann ergehen wird, wenn zuvor festgestellt worden ist, dass die ursprüngliche Verurteilung zur Zahlung einem wirksam derogierten Gericht entstammt. Gemäß Art. 9 lit. f und lit. g HGÜ kann die Anerkennung wegen Entscheidungsunvereinbarkeit versagt werden. Art. 9 lit. f HGÜ betrifft die Kollision mit einem Urteil aus dem Anerkennungsstaat und räumt letzterem stets Vorrang ein, unabhängig davon, welche der beiden Entscheidungen zeitlich früher ergangen ist. Art. 9 lit. g HGÜ behandelt dagegen Konflikte zwischen Judikaten aus unterschiedlichen Staaten, von denen keines im Anerkennungsstaat erlassen wurde, und erklärt – wie Art. 34 Nr. 4 EuGVVO – das Prioritätsprinzip für maßgeblich. Wann das Erfordernis der Unvereinbarkeit erfüllt ist, lässt sich dem Übereinkommen nicht entnehmen. Im Schrifttum wird der im Anerkennungsstaat diesbezüglich geltende Maßstab als entscheidend angesehen. 84 Insoweit kann auf die obigen Ergebnisse der nationalen Ländergutachten verwiesen werden.85 Die Anerkennung eines Rückforderungsurteils kann schließlich auch im Geltungsbereich des HGÜ an dem ordre public-Vorbehalt in Art. 9 lit. e scheitern. Der Inhalt des ordre public bestimmt sich nach den Vorstellungen im jeweiligen Anerkennungsstaat, so dass auch hier auf die Ausführungen im Rahmen der Länderberichte verwiesen werden kann.86 82 Hartley/Dogauchi, HGÜ-Erläuternder Bericht, Rn. 164; Wagner, RabelsZ 73 (2009), S. 100 (124); Bläsi, HGÜ, 2010, S. 193 f. Dies kommt auch in Nr. 5 des von der Haager Konferenz für IPR ausgearbeiteten Formblatts für den Antrag auf Anerkennung eines Urteils zum Ausdruck, in dem lediglich abgefragt wird, ob das Ursprungsgericht in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 3 HGÜ benannt worden ist, vgl. Haager Konferenz für IPR, HGÜ-Final Act, S. 19. 83 S. oben § 10 A. II. 84 Brand/Herrup, HGÜ, 2008, S. 120. 85 S. oben § 10 D. I. 2. 86 S. oben § 10 D. I. 3.
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E. Bereicherungsrechtlicher Ausgleich bei Erfüllung eines im abredewidrigen Forum erlassenen Urteils – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO Alle hier verglichenen autonomen Rechte gestatten bei Erfüllung des Urteils eines derogierten Gerichts grundsätzlich eine bereicherungsrechtliche Rückforderungsklage (I.). Nach einer Erörterung der Rolle dieses Rechtsinstruments im Anwendungsbereich der vereinheitlichten Rechtssysteme (II.) ist dessen ökonomische Effizienz zu untersuchen und zu thematisieren, ob die Zulassung von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsklagen eine gangbare Option zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen bei der Reform der EuGVVO wäre (III.).
I. Die bereicherungsrechtliche Rückforderungsklage in den autonomen Rechten Übereinstimmend gestatten das autonome englische, US-amerikanische und deutsche Recht einer Partei, die auf das Urteil eines abredewidrig angerufenen ausländischen Gerichts gezahlt hat, das Geleistete über die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzufordern. Diese Möglichkeit hat auch derjenige, der das auswärtige Judikat nicht von sich aus erfüllt hat, gegen den aber die Zwangsvollstreckung erfolgreich betrieben wurde. In allen untersuchten Rechtsordnungen kann eine solche Rückgewähr nur dann geltend gemacht werden, wenn das Urteil des derogierten Gerichts vor Ort nicht anerkennungsfähig ist. Erst dann ist den Gerichten im Zweitland gestattet, den Bestand des im Erstland titulierten Anspruchs zu überprüfen. Kommen sie zu dem Ergebnis, dass dieser nicht besteht, ist die Erfüllung des auswärtigen Urteils rechtsgrundlos erfolgt, so dass die Vermögensverschiebung rückgängig zu machen ist. International zuständig für die Entscheidung über den bereicherungsrechtlichen Ausgleich wegen abredewidriger Klage ist nach der hier vertretenen Auffassung das designierte Gericht. Sowohl nach den autonomen Kollisionsrechten als auch nach den Regeln der Rom II-VO richtet sich die Rückforderung in der Regel nach dem Recht des prorogierten Forums. Dies ergibt sich daraus, dass der bereicherungsrechtliche Anspruch dem Statut des die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltenden Hauptvertrags unterliegt, auf den wiederum in den meisten Fällen die lex fori prorogati Anwendung findet. In den deutschen, englischen und US-amerikanischen autonomen Rechten sind ausländische Rückforderungsurteile wegen abredewidriger Klagen grundsätzlich anerkennungsfähig. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn Anerkennung in dem Staat erstrebt wird, dessen Gerichte zuvor unter
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Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung angerufen worden sind. Der Anerkennung kann in solchen Fällen die fehlende internationale Zuständigkeit des den Rückforderungsanspruch titulierten Gerichts bzw. die Kollision des Judikats dieses Gerichts mit dem inländischen Zahlungsurteil entgegenstehen. Es kann darüber hinaus als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung verstanden werden, dass ein auswärtiges Gericht die Entscheidung eines inländischen im Ergebnis rückgängig macht.
II. Die bereicherungsrechtliche Rückforderungsklage im Anwendungsbereich von EuGVVO und HGÜ Das HGÜ hat keine Auswirkung auf die Frage, ob das Urteil eines derogierten Forums in anderen Vertragsstaaten im Wege einer bereicherungsrechtlichen Rückforderungsklage revidiert werden kann. Ob dieses Rechtsinstrument statthaft ist, bleibt im Geltungsbereich des Übereinkommens somit dem jeweiligen nationalen Recht überlassen. Die Regeln des HGÜ sind nach der hier vertretenen Auffassung jedoch für die grenzüberschreitende Anerkennung eines Rückzahlungsurteils des designierten Gerichts von Bedeutung. Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs wegen abredewidriger Klage nur eingeschränkt möglich. Nachdem die Urteile mitgliedstaatlicher Gerichte gemeinschaftsweit anerkannt werden, ohne dass die Zuständigkeit des Ausgangsgerichts überprüft wird, lösen auch die Urteile aus derogierten mitgliedstaatlichen Fora eine EU-weite Rechtskraftbindung aus. Diese führt zwar nicht notwendig zur Unzulässigkeit einer Rückforderungsklage im Zweitforum. Gleichwohl bindet sie dortige Gerichte hinsichtlich der Vorfrage, ob ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen vorliegt. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten kann das Rechtsinstrument der Rückforderungsklage somit nicht erfolgreich eingesetzt werden. Da die in der EuGVVO enthaltenen Regeln zur Urteilsanerkennung nicht für Judikate aus Drittstaaten gelten, ist die Anerkennung solcher Richtersprüche nach den autonomen Rechten zu beurteilen, die in aller Regel den Anerkennungsversagungsgrund der fehlenden internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts kennen. Somit steht Klagen vor mitgliedstaatlichen Gerichten auf Rückforderung des in einem derogierten drittstaatlichen Forum Geleisteten die Rechtskraft der ausländischen Entscheidung nicht entgegen. Erlässt in einem solchen Fall ein mitgliedstaatliches Gericht ein Rückzahlungsurteil, ist dieses seinerseits grundsätzlich in den anderen EU-Staaten anerkennungsfähig. Grenzen können sich aber aus den einzelstaatlichen ordre public-Vorbehalten gegenüber einer Revision von Urteilen durch Gerichte anderer Staaten ergeben.
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III. Effizienzbetrachtung der untersuchten Rechtssysteme und Schlussfolgerungen für die Reform der EuGVVO Schließlich bleibt zu klären, ob das Rechtsinstrument der Rückforderungsklage unter Effizienzgesichtspunkten zu befürworten ist. Positiv zu bewerten ist, dass durch sie die Entscheidung im falschen Forum insoweit rückgängig gemacht werden kann, als dass die beim abredewidrig Klagenden zu Unrecht vorhandenen Vermögensvorteile abgeschöpft werden. Da die Abschöpfung nur insoweit stattfindet, wie nach dem Recht des prorogierten Gerichts die Urteilssumme zu Unrecht zugesprochen wurde, wird der Gerichtsstandsvereinbarung – wenn auch zu einem späten Zeitpunkt – letztlich zur Wirkung verholfen. Das Risiko einer solchen nachträglichen Durchsetzung kann bereits vor Klageerhebung eine sinnvolle Verhaltenssteuerung bewirken. Derjenige, der weiß, dass er im falschen Forum keinen kondiktionsfesten Ertrag erlangen wird, wird ein solches Forum möglicherweise gar nicht erst aufsuchen. Problematisch an der Rückforderungsklage ist aber, dass sie ein recht spätes Heilmittel gegen die Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen ist. Hat der abredewidrig Verklagte das Urteil des derogierten Gerichts erfüllt, muss er zu dessen Rückgängigmachung nicht nur den erheblichen Zeit- und Kostenaufwand für die Durchfechtung der Rückforderungsklage in Kauf nehmen. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese trägt er auch das Insolvenzrisiko des abredewidrigen Klägers. Ökonomisch bedenklich ist außerdem, dass in zwei Jurisdiktionen die Gerichte ggf. in mehreren Instanzen beschäftigt werden müssen, um letztlich ein und dieselbe Streitsache auszutragen. Die Rückforderungsklage kann somit zur Verschwendung von Rechtsprechungsressourcen beitragen. Nicht nur die vorangehend dargestellten Bedenken hinsichtlich der Effizienz von Rückforderungsklagen sprechen gegen ihre Einführung innerhalb der EuGVVO. Sie wären auch mit dem europäischen Anerkennungsrecht inkompatibel. Denn sie setzen voraus, dass der Anerkennungsversagungsgrund der fehlenden internationalen Zuständigkeit des Ursprungsgerichts wieder eingeführt würde, was – wie bereits oben dargestellt wurde87 – keine wünschenswerte Option wäre. Darüber hinaus steht die Rückforderungsklage im diametralen Gegensatz zu dem europäischen Grundgedanken des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtsprechungstätigkeit anderer Mitgliedstaaten.
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S. oben § 9 C. III.
§ 11 Schadensersatz wegen Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen Wird eine Partei in einem anderen als dem prorogierten Forum verklagt, können ihr hierdurch Schäden entstehen. Zu denken ist in erster Linie an die für die Rechtsverteidigung vor dem derogierten Gericht aufgewendeten Prozess- und Anwaltskosten. Diese können in manchen Ländern selbst bei geringer Verfahrensdauer eine immense Höhe erreichen und fallen nach vielen Prozessrechtsordnungen der beklagten Partei auch dann ganz oder teilweise zur Last, wenn sie in der Zuständigkeitsfrage obsiegt, und das derogierte Gericht die Prorogationsabrede letztlich durch Aussetzung oder Abweisung der Klage durchsetzt. 1 Weitere Einbußen können entstehen, wenn sich das abredewidrig angerufene Gericht für zuständig befunden und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Denkbar ist etwa, dass die verklagte Partei zu einer Leistung verurteilt wurde, die in dem prorogierten Forum – wegen Geltung anderen Prozess- oder materiellen Rechts – nicht oder nicht in derselben Höhe tituliert worden wäre. Ob und inwieweit diese und andere Schäden von der abredewidrig verklagten Partei im Nachhinein ersetzt verlangt werden können, ist im Folgenden zu untersuchen. Hierbei werden zunächst das autonome englische, US-amerikanische und deutsche Recht in den Blick genommen (A.). Sodann wird die Rechtslage im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ beleuchtet (B.). Anschließend sind die Lösungsmodelle der verglichenen Rechtssysteme auf ihre ökonomische Effizienz zu überprüfen und Reformvorschläge für die EuGVVO zu diskutieren (C.).
A. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in autonomen Rechten Zunächst sind die Anforderungen zu erläutern, die das englische, US-amerikanische und deutsche Recht an die Schadensersatzhaftung einer abredewidrig klagenden Partei stellen (I.). In einem weiteren Schritt wird der prozessrechtlichen Frage nachgegangen, ob und inwiefern der Gewähr von Schadensersatz wegen Missachtung einer Zuständigkeitsvereinbarung die 1
So etwa die Rechtslage in den USA und England, s. ausführlich dazu oben § 6 A. I. 1., § 6 A. II. 1.
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Rechtskraft des Judikats des abredewidrig angerufenen Gerichts entgegensteht (II.). Sodann ist die Rechtsfolgenseite einer Schadensersatzhaftung zu beleuchten (III.). Als nächstes wird untersucht, welches Gericht für die Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch wegen abredewidriger Klage international zuständig ist (IV.). Abschließend gilt es zu erörtern, welche Aussichten ein Schadensersatzurteil auf Anerkennung im Ausland hat (V.).
I. Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs in den autonomen Rechten Als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen abredewidriger Klage kommen in den hier untersuchten Rechtsordnungen zum einen Vertrag (1.) und Delikt (2.) in Betracht. In England und den USA ist zum anderen an die Möglichkeit einer auf equity-Grundsätzen basierenden Schadensersatzhaftung zu denken (3.). 1. Schadensersatzhaftung aus Vertrag In England, den USA und Deutschland werden sowohl die Frage nach dem auf eine vertragliche Schadensersatzhaftung wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung anwendbaren Recht (a.) als auch die Voraussetzungen einer solchen Haftung (b–d.) teilweise unterschiedlich beurteilt. a) Das auf eine vertragliche Schadensersatzhaftung anwendbare Recht Ob ein vertraglicher Schadensersatzanspruch wegen abredewidriger Klage begründet ist, beurteilen die US-amerikanischen Gerichte überwiegend nach der lex fori: Die state courts wenden dabei das (Richter)Recht in dem jeweiligen Einzelstaat an, die federal courts die Rechtsgrundsätze des Bundesstaates, in dem sie ihren Sitz haben. 2 In Entscheidungen aus der jüngeren Zeit wird dagegen das Recht herangezogen, dem der Vertrag unterliegt, in welchem die Gerichtsstandsvereinbarung enthalten ist.3 2
Vgl. etwa New York Supreme Court Appelate Divison, 17.04.2003 – Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank, 304 A.D.2d 429; Ohio Supreme Court, 21.04.2003 – Masiongale Electrical-Mechanical Inc. v. Construction One Inc., 102 Ohio St. 3d 1; US District Court (S.D. New York), 03.02.1998 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd., 992 F.Supp. 278, 285 f.; US District Court (N. D. Illinois), 20.05.1997 – Laboratory Corp. of America Inc. v. Upstate Testing Laboratory Inc., 967 F.Supp. 295, 299. 3 US District Court (D. Delaware), 22.01.2004 – RGC International Investors LDC v. Ari Network Services Inc., 2004 U.S. Dist. LEXIS 1161: Die Verfügbarkeit eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung wurde nach dem Recht von Wisconsin beurteilt, da der Hauptvertrag, dessen Bestandteil die Zustän-
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In England und Deutschland ist die Frage nach dem anwendbaren Recht unter Rückgriff auf das jeweilige autonome IPR zu beantworten. Die Kollisionsregeln der Rom I -VO spielen insoweit aufgrund des Ausschlusses von Zuständigkeitsabreden aus dem sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (Art. 1 II lit. e Rom I-VO) unmittelbar keine Rolle. Indirekt kommt ihnen jedoch nach der Rechtsprechung der englischen Gerichte Bedeutung zu. Diese beurteilen die Verfügbarkeit von vertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nämlich nach dem Recht des Vertrags, der die Zuständigkeitsabrede beinhaltet.4 Fällt dieser Vertrag in den Geltungsbereich der Rom I-VO, ist nach deren Kollisionsregeln auch das auf den Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung maßgebliche Recht zu bestimmen. In Deutschland ist die Frage nach dem anwendbaren Recht hingegen unter (analoger) Anwendung der Art. 27 ff. EGBGB zu beantworten.5 Wie Art. 32 I Nr. 3 EGBGB zu entnehmen ist, richten sich die Folgen der Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht. Nach einhelliger Auffassung sind entgegen dem etwas missverständlichen Wortlaut der Norm diesem Statut nicht nur die Folgen, sondern auch die Voraussetzungen für Ansprüche aus Vertragsverletzungen zu entnehmen.6 Es ist somit fraglich, welches Recht als Vertragsstatut einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 32 I Nr. 3 EGBGB anzusehen ist. Aufgrund der Sonderstellung von Zuständigkeitsabreden an der Schnittstelle zwischen Prozessrecht und materiellem Recht kommen insoweit unterschiedliche Rechte in Betracht. Zu denken ist zum einen an das materielle Prorogationsstatut, welches über das wirksame Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung bestimmt.7 Möglich ist außerdem das Abstellen auf die lex fori, nach der sich die prozessualen Wirkungen von Zuständigkeitsabreden richten. 8 In Betracht kommt schließlich die lex fori prorogati, die nach der in Deutschdigkeitsabrede war, eine Rechtswahl zugunsten dieses Rechts enthielt. Vgl. dazu auch Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (85). 4 Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.142, 12.090; Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (85). 5 Für Abreden, die vor dem 17.12.2009 abgeschlossen wurden, ist die Geltung der Art. 27–37 EGBGB unproblematisch. Bzgl. später zustande gekommener Gerichtsstandsvereinbarungen besteht hingegen eine Gesetzeslücke: Die Art. 27 f. EGBGB wurden im Hinblick auf die Rom I-VO aufgehoben, die Rom I-VO erfasst jedoch ausdrücklich nicht Zuständigkeitsabreden. Zur Schließung der Lücke erscheint die analoge Heranziehung der Art. 27–37 EGBGB angemessen. Vgl. hierzu auch oben § 4 A. I. 1. b). 6 OLG Köln, 08.01.1993 – 19 U 123/92, RIW 1993, S. 414 (415). 7 S. dazu oben § 4 A. I. 1. b). 8 S. oben § 3 A. I.
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
land überwiegenden Auffassung auch darüber entscheidet, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung die Pflicht der Parteien begründet, in keinem anderen als dem designierten Forum zu klagen. 9 Letztere Alternative erscheint mit dem Sinn und Zweck von Art. 32 I Nr. 3 EGBGB am besten vereinbar. Die Norm soll sicherstellen, dass das Bestehen einer vertraglichen Pflicht und die Folgen deren Nichteinhaltung einheitlich angeknüpft werden. Ist über die Existenz der verpflichtenden Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung unter Rückgriff auf die lex fori prorogati zu entscheiden, erscheint es daher angemessen, nach diesem Recht auch über das Bestehen von vertraglichen Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der aus der Abrede resultierenden Pflicht zur Unterlassung der Anrufung eines anderen als des gewählten Gerichts zu entscheiden.10 b) Vertragliche Schadensersatzhaftung nach englischem Recht Die Voraussetzungen einer vertraglichen Schadensersatzhaftung ergeben sich aus dem common law. Erforderlich ist danach ein breach of contract, also die Verletzung einer Pflicht aus einem vertraglichen Schuldverhältnis. 11 Ein Verschulden des Vertragspartners ist dagegen prinzipiell nicht notwendig (sog. strict liability). Aus Sicht des common law stellt jeder Vertrag nämlich eine Art Garantieversprechen dar: Die Vertragsparteien garantieren sich gegenseitig die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Pflichten mit der Folge, dass beim vollständigen oder teilweisen Ausbleiben des geschuldeten Erfolgs verschuldensunabhängig Schadensersatz zu leisten ist.12 Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung eine gewöhnliche vertragliche Abrede darstellt, die Pflichten der Parteien begründet, welche im Falle der Verletzung durch die Zuerkennung von Schadensersatz durchgesetzt werden können, wird im englischen Recht kontrovers diskutiert: Von einem Teil des englischen Schrifttums wird dies verneint. 13 Den Anhängern 9
S. oben § 8 A. III. 1. a) So i.E. auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 97 f.; Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (28). Zu der Anwendbarkeit der lex fori prorogati wird man in der Regel auch dann gelangen, wenn man das Prorogationsstatut für maßgeblich erachtet. Denn letzteres entspricht nach der in Deutschland überwiegenden Auffassung regelmäßig der lex fori prorogati. Etwas anderes gilt nur in den praktisch wohl seltenen Fällen, dass die Parteien bzgl. der Gerichtsstandsvereinbarung oder des diese beinhaltenden Hauptvertrags eine Rechtswahl zugunsten eines anderen als des Rechts des prorogierten Gerichts getroffen haben. S. ausführlich dazu oben § 4 A. I. 1. b). 11 Tan/Yeo, LMCLQ 2003, S. 435 (435); Henrich/Huber, Englisches Privatrecht, 3. Aufl. 2003, S. 69. 12 Henrich/Huber, Englisches Privatrecht, 3. Aufl. 2003, S. 69; Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (70). 13 Ho, ICLQ 52 (2003), S. 697 (707–709); Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (47–56); Knight, J. Priv. Int. L. 4 (2008), S. 501 (507 f.). 10
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dieser Auffassung zufolge unterscheidet sich eine Gerichtsstandsvereinbarung bereits deswegen erheblich von einem herkömmlichen vertraglichen Versprechen, da die Parteien mit ihr auf die internationale Zuständigkeit und somit auf eine Frage Einfluss zu nehmen versuchen, die nicht privat-, sondern öffentlich-rechtlicher Natur ist. Außerdem begründe eine Zuständigkeitsabrede nicht die Pflicht der Parteien, in keinem anderen als dem prorogierten Forum zu klagen. Sie bringe lediglich den gemeinsamen Willen der Vertragspartner zum Ausdruck, ihre Streitigkeiten am vereinbarten Gerichtsstand auszutragen. Diesem Willen könne ein englisches Gericht nur dadurch Rechnung tragen, dass es im Falle einer Derogation der englischen Zuständigkeit die Entscheidung über eine bei ihm anhängig gemachte Klage abweist und im Falle einer Prorogation zugunsten Englands seine internationale Zuständigkeit annimmt bzw. bei abredewidriger Anrufung nichtenglischer Gerichte eine anti-suit injunction gegen den Auslandskläger erlässt.14 Die ganz überwiegenden Stimmen in Rechtsprechung und Literatur erblicken in ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen dagegen gewöhnliche vertragliche Abmachungen, die nach den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts zu behandeln sind. Solche Abreden begründen nach dieser Auffassung die Verpflichtung der Parteien, vor keinem anderen als dem designierten Gericht zu klagen. Klagt eine Partei abredewidrig, bricht sie den Vertrag und setzt sich damit einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch aus.15 c) Vertragliche Schadensersatzhaftung nach US-amerikanischem Recht Die Voraussetzungen einer vertraglichen Schadensersatzhaftung sind nicht US-weit einheitlich geregelt, sondern unterliegen grundsätzlich den
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Ho, ICLQ 52 (2003), S. 697 (707 f.); Knight, J. Priv. Int. L. 4 (2008), S. 501 (507 f.). 15 Court of Appeal, 21.11.2001 – Union Discount Co. v. Zoller, [2001] EWCA Civ 1755; House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425, para. 48 (obiter); High Court, 15.04.2003 – A/S D/S Svendborg v. Akar, [2003] EWHC 797, para. 37; High Court, 23.01.2007 – A v. B (No. 2), [2007] EWHC 54 (Comm), para. 9 (obiter); Court of Appeal, 24.08.2007 – Sunrock Aircraft Corp. Ltd. v. Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden, [2007] EWCA Civ 883, para. 37 (obiter); Tan/Yeo, LMCLQ 2003, S. 435 (437 f.); Yeo/Tan, in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law, 2003, S. 403 (404–408); Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.05–8.14, 8.48–8.53; Collins/Morse/McClean/u.a., Dicey, Morris & Collins on the Conflict of Laws, Bd. I, 14. Aufl. 2006, Rn. 12.143 f.; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 14.02; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 14.02 f.; Peel, LMCLQ 1998, S. 182 (224–226); Males, LMCLQ 1998, S. 543 (550).
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common law-Regeln der einzelnen Bundesstaaten. 16 Diesen zufolge setzt ein Schadensersatzanspruch die Verletzung einer vertraglichen Pflicht voraus. 17 Ein Verschulden der vertragsbrüchigen Partei ist hierfür wie im englischen Recht nicht notwendig.18 Die Frage, ob eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung eine Verpflichtung der Parteien begründet, nur im vereinbarten Forum zu klagen, die im Fall der Verletzung durch Schadensersatz durchgesetzt werden kann, wird von den unterschiedlichen US-amerikanischen Gerichten abweichend beantwortet. Der US Court of Appeals (4th Cir.) und der US District Court (D. Delaware) haben sich in Urteilen aus der jüngeren Zeit gegen eine vertragliche Schadensersatzhaftung wegen Missachtung einer Zuständigkeitsabrede ausgesprochen. Diese Entscheidungen wurden jedoch nicht mit Sachüberlegungen, sondern lediglich mit dem Fehlen entsprechender Präjudizien begründet.19 Die überwiegende Anzahl der US-amerikanischen Gerichte sowie Teile des Schrifttums sehen Gerichtsstandsvereinbarungen dagegen als schuldrechtliche Versprechen der Parteien an, lediglich in dem prorogierten Forum zu prozessieren und bejahen im Falle der Anrufung eines anderen als des designierten Gerichts grundsätzlich die Möglichkeit einer vertraglichen Schadensersatzhaftung der abredewidrig klagenden Partei.20
16 Vgl. Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 284. Für bestimmte Vertragstypen sind die Schadensersatzanforderungen in den einzelstaatlichen Gesetzen zur Umsetzung des von der NCCUSL als Modellgesetz erlassenen Uniform Commercial Code (UCC) enthalten. Da sich der UCC auf Gerichtsstandsvereinbarungen jedoch nicht erstreckt, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die common law-Grundsätze. 17 Tan, Va. J. Int’l L. 45 (2005), S. 283 (632, 637). 18 Vgl. Chapter 11 Introductory Note Restatement (Second) Contracts (1981): „Contract liability is strict liability.“ Ausführlich zu der Rechtfertigung des Grundsatzes der verschuldensunabhängigen Haftung aus Vertrag im US-amerikanischen Recht Scott, Mich. L. Rev. 107 (2009), S. 1381. 19 US Court of Appeals (4th Cir.), 05.10.1990 – Wells v. Entre Computer Centers Inc., 1990 U.S. App.LEXIS 17682, 8; US District Court (D. Delaware), 22.01.2004 – RGC International Investors LDC v. Ari Network Services Inc., 2004 U.S. Dist. LEXIS 1161, 18 f. 20 US Court of Appeals (7th Cir.), 27.06.1994 – Omron Healthcare Inc. v. Maclaren Exports Ltd., 28 F.3d 600, 604 (obiter); US District Court (S.D. New York), 12.05.1997 – Caribbean Wholesales & Service Corp. v. US JVC Corp., 963 F.Supp. 1342, 1360 (obiter); US District Court (S.D. New York), 03.02.1998 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd., 992 F.Supp. 278, 285 f.; US District Court (N. D. Illinois), 20.05.1997 – Laboratory Corp. of America Inc. v. Upstate Testing Laboratory Inc., 967 F.Supp. 295, 299; New York Supreme Court Appelate Divison, 17.04.2003 – Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank, 304 A.D.2d 429; Ohio Supreme Court, 21.04.2003 – Masiongale Electrical-Mechanical Inc. v. Construction One Inc., 102 Ohio St. 3d 1; US District Court (S.D. Indiana), 05.09.2006 –
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d) Vertragliche Schadensersatzhaftung nach deutschem Recht? Als Anspruchsgrundlage für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Klage unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kommt im deutschen Recht § 280 I BGB in Betracht. Ein Schadensersatzanspruch nach dieser Norm setzt die Verletzung einer vertraglichen Pflicht (aa.), die Rechtswidrigkeit des Pflichtverstoßes (bb.) sowie Vertretenmüssen des Schuldners voraus (cc.). aa) Vorliegen einer Pflichtverletzung Wie bereits im Rahmen der Frage erörtert wurde, ob einer unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung klagenden Partei das Prozessieren im abredewidrigen Forum gerichtlich untersagt werden kann, herrscht in Deutschland Uneinigkeit darüber, ob eine ausschließliche Prorogation die Pflicht der Parteien begründet, kein anderes als das designierte Gericht anzurufen. Ein Teil der Literatur spricht Zuständigkeitsabreden eine verpflichtende Wirkung grundsätzlich ab, mit der Folge, dass der Erlass eines Prozessführungsverbots und die Gewährung von Schadensersatz wegen Verfahrenseinleitung in einem abredewidrigen Forum ausscheiden. Nach anderer Auffassung im Schrifttum und hier vertretener Ansicht begründet eine auf deutsche Gerichte lautende ausschließliche Prorogation dagegen grundsätzlich die Pflicht der Parteien, lediglich vor inländischen Gerichten zu klagen. 21 Gegen diese vertragliche Pflicht verstößt die Partei, die einen Prozess im Ausland einleitet und ist gem. § 280 I S. 1 BGB der Gegenseite zum Ersatz der dieser durch die Klage im abredewidrigen Forum entstandenen Einbußen verpflichtet, soweit die sonstigen Voraussetzungen einer vertraglichen Schadensersatzhaftung erfüllt sind. bb) Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gem. § 280 I BGB scheidet aus, wenn die Pflichtverletzung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. 22 In der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung hat sich der Grundsatz etabliert, dass derjenige, der ein gesetzlich vorgesehenes, staatliches Gerichtsverfahren initiiert, prinzipiell rechtmäßig handelt und für Einbußen, die dem Prozessgegner durch die Einleitung und Durchführung des Verfahrens Ball v. Versar Inc., 454 F.Supp.2d 783, 808 f. (obiter); Shantar, B.U.L. Rev. 82 (2002), S. 1063 (1066); Tan, Va. J. Int’l L. 45 (2005), S. 283 (637). 21 S. hierzu oben § 8 A. III. 1. a). 22 Zeiss, NJW 1967, S. 703 (703); Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 87; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 225; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 163; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 556.
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erwachsen, nicht nach den materiellrechtlichen Schadensersatzvorschriften in Anspruch genommen werden kann.23 Nach einer Erläuterung des Hintergrunds und der Reichweite des Rechtfertigungsgrunds des Gebrauchmachens von einem gesetzlich angebotenen Verfahren (1), ist zu fragen, ob und welche Folgen sich hieraus für die Behandlung von Fällen ergeben, in denen der Einleitung des Prozesses vor einem Gericht eine auf ein anderes Forum lautende Zuständigkeitsabrede entgegensteht (2). (1) Grundsätzliches über den Rechtfertigungsgrund der Inanspruchnahme eines gesetzlich geregelten Verfahrens Der Rechtfertigungsgrund des Gebrauchmachens von einem gesetzlich angebotenen Verfahren hat sich bisher nur im Zusammenhang mit inländischen Prozessen etabliert (a). Stimmen in Rechtsprechung und Literatur befürworten jedoch seine Erstreckung auch auf Verfahren vor ausländischen Gerichten (b). (a) Prinzipielle Rechtmäßigkeit der Einleitung eines Verfahrens vor inländischen Gerichten Die prinzipielle Rechtmäßigkeit des Gebrauchmachens von einem staatlichen Verfahren wird zum einen mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) begründet: Dieses gebiete es, dem Bürger als Kompensation für das Selbsthilfeverbot einen effizienten und nicht zu risikoreichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen. 24 Die Prozessparteien seien sowieso mit dem Risiko des Prozessverlustes und den damit verbundenen Kosten belastet. Würde man sie zusätzlich der Gefahr aussetzen, sich durch die prozessuale Geltendmachung oder Verteidigung ihrer Rechte schadensersatzpflichtig zu machen, stehe zu befürchen, dass sie auf die Rechtsverfolgung vor Gericht von vornherein verzichteten, und der Rechtsschutz verkümmere. 25 23 BGH, 03.10.1961 – VI ZR 242/60, NJW 1961, S. 2254; BGH, 13.03.1979 – VI ZR 117/77, NJW 1979, S. 1351 (1352 f.); BGH, 12.05.1992 – VI ZR 257/81, NJW 1992, S. 2014 (2015 f.); BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934 (1935); BGH, 28.01.2003 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, S. 1147; BGH, 16.01.2009 – V ZR 133/08, NJW 2009, S. 1262. Vgl. auch OLG Köln, 31.05.1995 – 2 U 182/94, NJW 1996, S. 1290 (1291); OLG Celle, 27.02.1998 – 4 U 130/97, (juris), Rn. 28. Die Anerkennung des Rechtfertigungsgrunds der Inanspruchnahme eines staatlichen Verfahrens ist im Schrifttum teilweise auf heftige Kritik gestoßen: vgl. etwa Henckel, Prozessrecht und materielles Recht, 1970, S. 292–306; Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 236–242. 24 BVerfG, 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74, 257 (261 f.); BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934 (1935). 25 BGH, 13.03.1979 – VI ZR 117/77, NJW 1979, S. 1351 (1352); BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934 (1935); BGH, 28.01.2003 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, S. 1147; BGH, 16.01.2009 – V ZR 133/08, NJW 2009, S. 1262 (1263). Vgl. auch Kaiser, NJW 2008, S. 1709 (1710).
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Angeführt wird zum anderen die dem Prozess obliegende Aufgabe, durch den gerichtlichen Schutz subjektiver Rechte zur Wahrung des Rechtsfriedens beizutragen: Dieser sei gefährdet, wenn nach Verfahrensende gleich ein neuer Rechtsstreit wegen des gerade beendeten Prozesses drohe.26 Ein weiteres Argument für die Anerkennung des Rechtfertigungsgrunds geht dahin, dass der Schutz des Verfahrensgegners durch das Verfahren selbst nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung übernommen wird: Der Schutz des Beklagten wird gewährleistet durch die Möglichkeit, sich im Prozess selbst zu verteidigen und auf eine Klageabweisung hinzuwirken, durch die Prüfung der Rechtslage durchs Gericht sowie durch die im Prozessrecht vorgesehenen Sanktionen für erfolgloses Prozessieren.27 Die Einleitung eines staatlichen Verfahrens sei ausnahmsweise dann als rechtswidrig zu qualifizieren, wenn es zur Schädigung der Gegenpartei missbraucht wird. Das setzt voraus, dass die den Gerichtsprozess einleitende Person die fehlende Berechtigung ihres Begehrens kennt. Erforderlich ist außerdem das Vorliegen besonderer Umstände, die sich aus der Art und Weise der Prozesseinleitung und -durchführung ergeben und das Vorgehen als sittenwidrig prägen.28 Der Rechtfertigungsgrund des Gebrauchmachens von einem staatlichen Verfahren wurde ursprünglich für das Deliktsrecht entwickelt.29 Der BGH hat ihn später jedoch ausdrücklich auf Sonderbeziehungen erstreckt und dabei klargestellt, dass die Parteien eines Vertrags grundsätzlich nicht dazu angehalten sind, vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens die Rechtslage sorgfältig zu überprüfen und die eigenen Interessen gegen die des Vertragspartners und Verfahrensgegners abzuwägen. 30
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Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 90. BGH, 03.10.1961 – VI ZR 242/60, NJW 1961, S. 2254; BGH, 13.03.1979 – VI ZR 117/77, NJW 1979, S. 1351 (1352); BGH, 12.05.1992, NJW 1992, S. 2014 (2015); BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934 (1935); BGH, 28.01.2003 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, S. 1147; BGH, 16.01.2009 – V ZR 133/08, NJW 2009, S. 1262 (1263). 28 BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934 (1935 f.). Eine weitere Ausnahme von der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Einleitung eines staatlich geregelten Verfahrens ist in Fällen anerkannt, in denen durch das Verfahren in Rechte Dritter eingegriffen wird, die am Verfahren nicht beteiligt sind und sich daher gegen die gerichtliche Inanspruchnahme im Prozess nicht hinreichend wehren können. Letzteres ist insbesondere bei Übergriffen der Zwangsvollstreckung in Rechte Dritter von Bedeutung, vgl. etwa BGH, 12.05.1992, NJW 1992, S. 2014 (2015). 29 Vgl. die Fälle in Fn. 208. 30 BGH, 12.11.2004 – V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315 (316). Vgl. auch BGH, 07.03.1956 – V ZR 106/54, NJW 1956, S. 787. 27
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(b) Grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens im Ausland? In der – soweit ersichtlich – einzigen gerichtlichen Entscheidung zu der Frage, ob auch die Einleitung eines gesetzlich geregelten Verfahrens im Ausland grundsätzlich als rechtmäßig anzusehen ist, hat das OLG Nürnberg ausgeführt, dass einem an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichteten auswärtigen Prozess prinzipiell rechtfertigende Wirkung beizumessen ist.31 Diese Auffassung wird im Schrifttum zu Recht überwiegend geteilt.32 Zum einen lassen sich einige der oben dargestellten Argumente für den Rechtfertigungsgrund der Inanspruchnahme eines inländischen Verfahrens auch für die Annahme der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Einleitung eines ausländischen Prozesses anführen: Große Haftungsrisiken für den Initiator eines auswärtigen Verfahrens können den freien Zugang zu den Gerichten erheblich beschränken und zu einer Verkümmerung des Rechtsschutzes führen. Es wäre außerdem der rechtsfriedenstiftenden Funktion von Prozessen abträglich, wäre nach dem Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens im Ausland die Anrufung deutscher Gerichte wegen des auswärtigen Prozesses gestattet. Zu Recht wird außerdem darauf hingewiesen, der Grundsatz der Gleichwertigkeit der nationalen Prozessrechte lege die Vermutung nahe, dass der Prozessgegner im auswärtigen Verfahren eine ausreichende Möglichkeit hat, sich gegen die gerichtliche Inanspruchnahme zu wehren bzw. nach dem dort anwendbaren Prozessrecht angemessen vor Nachteilen aus der Verfahrensdurchführung geschützt wird.33 Die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens im Ausland ist somit grundsätzlich als rechtmäßig anzusehen mit der Folge, dass den Initiator eines solchen Verfahrens prinzipiell keine Schadensersatzhaftung nach materiellem Recht trifft. (2) Eingreifen des Rechtfertigungsgrunds der Inanspruchnahme eines gesetzlich geregelten Verfahrens bei Klage im abredewidrigen Forum? Gilt der Rechtfertigungsgrund des Gebrauchmachens von einem gerichtlichen Verfahren grundsätzlich unabhängig davon, ob Klage im In- oder Ausland angestrengt wird, bleibt zu klären, ob auch solche Klagen gerechtfertigt sein können, die unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung erhoben werden. Das Meinungsbild im Schrifttum ist in diesem Punkt stark gespalten. 31
OLG Nürnberg, 10.03.1992 – 1 U 2754/91, RIW 1993, S. 412. Hau, Positive Kompetenzkonflikte, 1996, S. 204–206; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 90 f.; Spickhoff, in: FS Deutsch, 1999, S. 327 (338); Schröder, in: FS Kegel, 1987, S. 523 (540). 33 Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 90. 32
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Ein Teil der Autoren hält die Klage im falschen Forum grundsätzlich für gerechtfertigt.34 Wann eine Ausnahme hiervon bestehen soll, beurteilen die Vertreter dieser Auffassung jedoch unterschiedlich. Köster möchte der Einleitung eines abredewidrigen Verfahrens dann eine rechtfertigende Wirkung versagen, wenn sie eine unzulässige Rechtsausübung i.S.v. § 242 BGB darstellt. Von einer solchen sei auszugehen, wenn der Kläger eine nach ausländischem Prozessrecht bestehende Rechtslage missbräuchlich ausnutzt und der Beklagte sich in dem auswärtigen Prozess nicht dagegen wehren kann. Die Voraussetzungen von § 242 BGB sollen etwa erfüllt sein, wenn eine Partei unter Missachtung einer nach deutschem Recht gültigen Zuständigkeitsabrede in den USA klagt und die Versuche des Beklagten, die entgegenstehende Prorogation durchzusetzen, erfolglos bleiben, das Gericht also die Zuständigkeitsrüge zurückgewiesen hat.35 Die Auffassung von Köster ist bereits deswegen abzulehnen, da es nicht einleuchtet, warum die abredewidrige Anrufung eines Gerichts im Ausland deshalb rechtswidrig sein soll, weil dieses sich geweigert hat, die Gerichtsstandsvereinbarung durchzusetzen und die Klage abzuweisen bzw. auszusetzen. Ein Verhalten kann grundsätzlich nur dann als rechtsmissbräuchlich gewertet werden, wenn es dem Handelnden auch subjektiv vorwerfbar war.36 Bei der Beurteilung der subjektiven Vorwerfbarkeit ist auf die Person des Handelnden und deren Kenntnisstand ex ante abzustellen. Nach Kösters Herangehensweise ist über die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Handlung dagegen unter Berücksichtigung ihres Resultats, d.h. aus ex post-Sicht zu befinden. Eine derartige Betrachtung ist der Partei, die unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Ausland klagt, jedoch nicht zumutbar, da diese im Vorfeld ihrer Klage regelmäßig nicht sicher einschätzen kann, ob das angerufene Gericht der Zuständigkeitsabrede Beachtung schenken wird. Zum einen ist es in Ländern wie den USA, in denen die Gerichte bei der Entscheidung über die Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung erheblichen Ermessensspielraum haben, häufig nicht absehbar, wie das Gericht über die Zuständigkeitsabrede befinden wird. Zum anderen hängt die diesbezügliche Entscheidung immer von dem prozessualen Verhalten des Beklagten ab, etwa davon, ob er die Unzuständigkeitseinrede rechtzeitig erhebt und den notwendigen Beweis über Existenz und Reichweite der behaupteten Gerichtsstandsvereinbarung erbringen kann. Folgte man Köster, könnte also die Partei einer Gerichtsstandsvereinbarung, die aus Sicht des deutschen Rechts zu Unrecht von der Unwirksam34 Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 90–94; Sandrock, RIW 2004, S. 809 (815 f.); Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 225. 35 Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 92 f. 36 MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 207.
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keit der Abrede ausgeht, nicht abschätzen, in welchen Ländern sie Klage erheben kann, ohne Gefahr zu laufen, dass ihr Vorgehen nachträglich als rechtsmissbräuchlich eingestuft wird. Dies würde auch dem aus dem Gebot der Rechtssicherheit folgenden Grundsatz widersprechen, dass jeder Rechtsteilnehmer vorhersehen können muss, welche Folgen sein Handeln nach sich ziehen wird. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Klage im Ausland unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kann somit nicht davon abhängig gemacht werden, wie das auswärtige Gericht über die Durchsetzung der Zuständigkeitsabrede entscheidet. Sandrock stellt hingegen darauf ab, ob die Wirksamkeit der Prorogation nach dem im derogierten Forum maßgeblichen Recht außer Zweifel stand. Könne dies angenommen werden, sei das Vertrauen des abredewidrigen Klägers darauf, dass er die Gerichtsstandsklausel von einem anderen als dem vereinbarten Gericht auf ihre Gültigkeit überprüfen lassen kann, nicht schutzwürdig, so dass der Gegenseite Schadensersatz wegen Missachtung der Zuständigkeitsvereinbarung zuzusprechen sei. 37 Dieser Auffassung kann ebenfalls nicht zugestimmt werden. Denn sie führt letztlich dazu, dass der abredewidrige Kläger es in der Hand hat, darüber zu bestimmen, ob sein Verhalten Schadensersatzansprüche nach sich zieht oder nicht: Klagt er abredewidrig in einem Forum, wo Gerichtsstandsvereinbarungen überhaupt nicht oder nur unter sehr engen Bedingungen anerkannt werden, scheidet eine Schadensersatzhaftung stets aus, da gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Wirksamkeit der Zuständigkeitsabrede nach dem Recht des angerufenen Gerichts außer Frage stand. Dasselbe gilt, wenn abredewidrig Verfahren vor einem Gericht eingeleitet wird, dem bei der Durchsetzung von Pro- und Derogationen ein weites Ermessen zusteht. In solchen Fällen lässt sich praktisch nie zweifellos feststellen, ob die Gerichtsstandsabrede Bestand haben wird. 38 Es ist kein Grund ersichtlich, wieso ein abredewidriger Kläger in solchen Konstellationen, in denen die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung am ungewissesten ist, einer Schadensersatzhaftung entkommen und somit besser gestellt werden soll, als wenn er abredewidrig in einem Forum klagt, dessen Recht klare Kriterien für die Beurteilung der Gültigkeit einer Zuständigkeitsabrede aufstellt. Im Ergebnis überzeugender erscheint es, die Anrufung eines Gerichts unter Missachtung einer auf ein anderes Forum lautenden ausschließlichen Prorogation stets als rechtswidrig anzusehen.39 Dafür spricht ein Vergleich der hier interessierenden Konstellationen mit den Fällen, in denen das Eingreifen des Rechtfertigungsgrunds der Inanspruchnahme eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens anerkannt ist. Haben Parteien einen grenz37
Sandrock, RIW 2004, S. 809 (815 f.). So auch Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln, 2007, S. 225. 39 So Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (26). 38
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überschreitenden Kaufvertrag abgeschlossen, ohne eine Gerichtswahlabrede zu treffen, und will eine Seite vertragliche Ansprüche gerichtlich durchsetzen, bleibt dieser nichts anderes übrig, als das Gericht anzurufen, welches sie für zuständig hält. Verneint dieses Gericht seine internationale Entscheidungskompetenz, ist der Einleitung dieses Verfahrens zu Recht rechtfertigende Wirkung beizumessen. Würde man der klagewilligen Partei nämlich das Risiko der Falschbeurteilung der Zuständigkeitsfrage auferlegen, hätte dies zur Folge, dass sie keine Möglichkeit hätte, ihren (vermeintlichen) Anspruch aus dem Kaufvertrag geltend zu machen, ohne sich zugleich der Gefahr einer Schadensersatzhaftung auszusetzen. Ohne das Eingreifen des Rechtfertigungsgrunds der Inanspruchnahme eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens wäre tatsächlich zu befürchten, dass Parteien von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte Abstand nehmen und somit der Rechtsschutz insgesamt verkümmert – ein Ergebnis, das mit dem in Art. 20 III GG verkörperten Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbaren wäre. Wandelt man den Beispielsfall dahingehend ab, dass die Parteien in ihren Kaufvertrag eine ausschließliche Prorogation aufgenommen haben, sieht die Interessenlage anders aus. Möchte eine Seite eine Frage aus dem Vertrag gerichtlich geklärt wissen, existiert nun eine Abrede, die Vorgaben über das für die Austragung der Streitigkeit zuständige Gericht trifft. Anders als bei Fehlen einer Gerichtsstandsvereinbarung steht der klagewilligen Partei somit jedenfalls ein Forum offen, in dem sie eine Entscheidung über das für ihre Klage zuständige Gericht erlangen kann, ohne das Risiko einzugehen, dass sie sich hierdurch schadensersatzpflichtig macht. Dies ist das designierte Gericht: Bejaht dieses aufgrund der Prorogation seine internationale Zuständigkeit, scheidet eine Schadensersatzhaftung mangels abredewidriger Klage aus. Kommt das Gericht hingegen zu dem Ergebnis, dass die Prorogation ungültig ist oder die Streitigkeit nicht erfasst, entfällt die Gerichtsstandsabrede als wirksame Grundlage für vertragliche Schadensersatzansprüche von vornherein. In den hier interessierenden Konstellationen ist somit stets ein Forum gegeben, in dem die Vertragspartner ihre Rechte geltend machen können, ohne eine Schadensersatzhaftung befürchten zu müssen. Diese Besonderheit stellt einen entscheidenden Unterschied zu dem oben erläuterten Grundfall dar, in dem eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht existiert, und entzieht dem wichtigsten Argument für das Eingreifen des Rechtfertigungsgrunds der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Verfahrens den Boden: Steht den Parteien einer Zuständigkeitsabrede eine „risikolose“ Möglichkeit zur gerichtlichen Durchsetzung ihrer Interessen zur Verfügung, stellt die Gefahr einer Schadensersatzhaftung in Fällen, in denen eine Vertragsseite einen anderen Weg zur Geltendmachung ihrer Rechte
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
einschlägt, keine mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Einschränkung dar. Aus diesem Grund ist die Erhebung einer Klage in einem anderen als dem designierten Gericht stets als rechtswidrig anzusehen. cc) Vertretenmüssen des Schuldners Liegt eine rechtswidrige Pflichtverletzung vor, stellt sich als nächstes die Frage, ob der abredewidrig Klagende den Pflichtverstoß zu vertreten hat. In Betracht kommt ein Vertretenmüssen wegen Verschuldens nach § 276 I S. 1 BGB. Gemäß § 280 I S. 2 BGB gilt insoweit eine Beweislastumkehr, so dass es Sache des Klägers ist, nachzuweisen, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. Im Folgenden soll kurz erläutert werden, unter welchen Umständen dem abredewidrig Klagenden der Beweis fehlenden Verschuldens voraussichtlich gelingen wird. Gemäß § 276 I S. 1 BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Vorsatz erfordert das Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands.40 In den hier interessierenden Konstellationen setzt die Annahme vorsätzlichen Handelns somit u.a. die Kenntnis des abredewidrig Klagenden voraus, dass er mit seinem Vorgehen gegen eine aus einer Gerichtsstandsvereinbarung resultierende Pflicht verstößt. In den meisten Fällen wird es wohl bereits an diesem Erfordernis scheitern, denn ursächlich für die Erhebung einer Klage in einem anderen als dem in einer ausschließlichen Prorogation gewählten Forum ist üblicherweise die Fehlvorstellung des Klägers, dass er an die Zuständigkeitsabrede – jedenfalls für die gerichtliche Geltendmachung der konkreten Streitigkeit – nicht gebunden ist. Dem abredewidrig Klagenden wird darüber hinaus regelmäßig das für den Vorsatz erforderliche Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seines Vorgehens nach deutschem Recht fehlen. Dem Kläger steht nämlich die Begründung offen, dass er sich lediglich Gedanken darüber gemacht hat, ob seine Klage den Anforderungen des ausländischen Zivilprozessrechts genügt, und keine Überlegungen hinsichtlich der Frage angestellt hat, ob die Verfahrenseinleitung aus Sicht des deutschen Haftungsrechts rechtmäßig ist.41 Ein vorsätzliches Verschulden der abredewidrig klagenden Partei wird somit meistens ausscheiden. Die Annahme fahrlässigen Verschuldens setzt voraus, dass die Tatbestandsverwirklichung für den Schuldner bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt erkennbar und vermeidbar war.42 Im deutschen Zivilrecht gilt ein objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab: Das Maß der erforderlichen 40
BGH, 08.02.1965 – III ZR 170/63, NJW 1965, S. 962 (963); MünchKommBGB/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 276 Rn. 154. 41 Vgl. Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 94 f.; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 171. 42 MünchKomm-BGB/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 276 Rn. 52.
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Sorgfalt orientiert sich nicht an den individuellen Fähigkeiten des konkreten Schuldners, sondern an denen eines durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises. 43 In den hier untersuchten Konstellationen lautet die entscheidende Frage somit, welcher Personengruppe ein abredewidriger Kläger im Ausland angehören muss, damit davon ausgegangen werden kann, dass für ihn die Pflicht- und Rechtswidrigkeit der Einleitung des auswärtigen Verfahrens nach deutschem Recht erkennbar war. Im Schrifttum wird dies zu Recht bei Personen angenommen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben bzw. bei Kaufleuten, die in Deutschland Handel betreiben: Aufgrund der in solchen Fällen bestehenden Verbindung des abredewidrigen Auslandsklägers zu der deutschen Rechtsordnung kann erwartet werden, dass er Kenntnis vom deutschen Recht hat bzw. entsprechenden Rechtsrat einholt und sein Prozessverhalten im Ausland auch am deutschen Recht ausrichtet. Verfügt der Auslandskläger nach den oben genannten Kriterien dagegen nicht über einen ausreichenden Bezug zur deutschen Rechtsordnung, wird der Fahrlässigkeitsvorwurf in der Regel nicht begründet sein.44 2. Schadensersatzhaftung aus Delikt Die Frage nach einer deliktischen Schadensersatzhaftung des unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung Klagenden ist in England (a.), den USA (b.) und Deutschland (c.) bislang kaum behandelt worden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf eine knappe Darstellung der kollisions- und sachrechtlichen Facetten der Problematik. a) Deliktische Schadensersatzhaftung nach englischem Recht Dass die Möglichkeit einer deliktischen Haftung der abredewidrig klagenden Partei im englischen Recht kaum diskutiert wird, hat seinen Grund sicherlich darin, dass in dem aus Sicht der englischen Rechtspraxis wohl wichtigsten Fall der Klage entgegen einer ausschließlichen Prorogation zugunsten englischer Gerichte ein vertraglicher Schadensersatzanspruch der abredewidrig beklagten Partei bejaht wird.45 Ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist somit insbesondere in Konstellationen von Bedeutung, in denen die ausschließliche Zuständigkeit nichtenglischer Gerichte verein43 BGH, 20.10.1987 – VI ZR 280/86, NJW 1988, S. 909; BGH, 31.05.1994 – VI ZR 233/93, NJW 1994, S. 2232 (2233); MünchKomm-BGB/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 276 Rn. 55. 44 Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 95 f.; Grunwald, Forum Shopping, 2008, S. 171 f. 45 S. oben § 11 A. I. 1. b).
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bart wurde, und eine Partei abredewidrig in England oder einem anderen als dem designierten auswärtigen Forum geklagt hat. Im englischen Deliktsrecht, das sich größtenteils als ein aus einer Vielzahl von Fällen herausgebildetes Richterrecht darstellt, gibt es keine deliktische Generalklausel, sondern eine Reihe von Tatbeständen (sog. torts), genauer gesagt: deliktischen Klagen (claims) mit jeweils besonderen Voraussetzungen.46 Die Klage unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung könnte den tort of malicious prosecution, den tort of abuse of civil process oder den tort of unlawful interference with trade or business erfüllen.47 Bevor die Voraussetzungen dieser Deliktstatbestände näher erläutert werden (bb.–dd.), ist vorab generell zu klären, wie nach englischem Kollisionsrecht das maßgebliche Deliktsstatut zu bestimmen ist (aa.). aa) Bestimmung des Deliktsstatuts nach englischem Kollisionsrecht In Fällen, in denen die abredewidrige Klage vor dem 11.01.2009 erhoben wurde, sind zur Bestimmung des anwendbaren Deliktsrechts die Regeln des Private International Law (Miscellaneous Provisions) Act 1995 heranzuziehen. Für Verfahren, die an oder nach diesem Tag unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung eingeleitet wurden, sind dagegen gem. Art. 31 f. Rom II-VO die Vorschriften der Verordnung zu beachten. Gemäß sec. 11 Private International Law (Miscellaneous Provisions) Act 1995 richten sich deliktische Ansprüche grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem sich das schadensbegründende Ereignis zugetragen hat. In den hier untersuchten Konstellationen ist somit entscheidend, in welchem Land die abredewidrige Klage erhoben wurde.48 Demgegenüber erklärt Art. 4 I S. 1 Rom II-VO für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen grundsätzlich das Recht des Staates für maßgeblich, in dem der Schaden eingetreten ist. Die Einleitung eines Verfahrens in einem abredewidrigen Forum hat typischerweise insbesondere Vermögensschäden des Beklagten zur Folge. In solchen Fällen liegt der Ort des Schadenseintritts i.S.v. Art. 4 I S. 1 Rom II-VO regelmäßig dort, wo sich der betroffene Vermögenswert befindet, hilfsweise am Ort der Belegenheit des Hauptvermögens der abredewidrig beklagten Partei. Im Falle der Verfahrenseinleitung unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung ist somit darauf abzustellen, wo der infolge der abredewidrigen Klage entstandene Schaden eingetreten ist. Eine abweichende Anknüpfung des Deliktsstatuts an das Statut der missachteten Zuständigkeitsabrede nach Art. 4 III S. 2 Rom II-VO kommt nach der hier vertretenen Auffassung nur 46
Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 12. Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (60–65). 48 Vgl. auch Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 14.15, 14.18. 47
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dann in Betracht, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem maßgeblichen Recht die Pflicht der Parteien begründet, in keinem anderen als dem designierten Forum zu klagen. Lediglich in den Fällen, in denen die Erhebung der abredewidrigen Klage zugleich eine Verletzung der Prorogation darstellt, erscheint die Herstellung eines Gleichlaufs von Deliktsstatut und Prorogationsstatut unter Rückgriff auf Art. 4 III S. 2 Rom II-VO erforderlich.49 bb) Der tort of malicious prosecution Der claim for malicious prosecution erfasst an sich Fälle, in denen gegen jemanden zu Unrecht ein Strafverfahren in die Wege geleitet wird. Der claim hat mehrere Voraussetzungen 50 : Gegen den Schadensersatzkläger muss ein Strafverfahren eingeleitet worden sein, in dem sich ergeben hat, dass die erhobenen Anschuldigungen unberechtigt waren. Der Schadensersatzbeklagte muss seine unberechtigte Beschuldigung ohne vernünftige Verdachtsgründe vorgebracht haben. Er muss außerdem maliciously, d.h. böswillig gehandelt haben oder zumindest nicht ausschließlich aus dem Motiv heraus, den Angeschuldigten einer gerechten Strafe zuzuführen. Aufgrund der unberechtigten Anschuldigung muss dem Schadensersatzkläger ein Schaden entstanden sein. Tham befürwortet die entsprechende Heranziehung der Voraussetzungen des tort of malicious prosecution bei Einleitung eines Zivilprozesses unter Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Er sieht eine Schadensersatzhaftung jedenfalls dann als möglich an, wenn an der Wirksamkeit der missachteten Prorogation keinerlei Zweifel bestanden, und das abredewidrig angerufene Gericht die vor ihm anhängig gemachte Klage wegen der entgegenstehenden Zuständigkeitsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt hat. In solchen Fällen stehe hinter der Verfahrenseinleitung häufig das unlautere Motiv des Klägers, vor dem abredewidrig angerufenen Gericht eine günstigere Entscheidung als im prorogierten Forum zu erreichen.51 Die Erweiterung des tort of malicious prosecution auf grundlos und böswillig erhobene Zivilklagen wird auch von anderen Teilen des englischen Schrifttums gefordert. Zur Begründung wird angeführt, dass der unberechtigt in einem Zivilprozess Inanspruchgenommene zahlreiche materielle und immaterielle Einbußen erleiden kann, für deren Wiedergutmachung regelmäßig weder ein abweisendes Urteil in der Sache noch ein 49
S. ausführlich hierzu oben § 8 A. III. 1. b) aa). Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 29; Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (61). Vgl. ausführlich zu dem tort for malicious prosecution Dugdale/Jones/Simpson, Clerk & Lindsell on Torts, 19. Aufl. 2006, Rn. 16.01–16.41; Rogers, Winfield and Jolowicz on Tort, 17. Aufl. 2006, Rn. 19.11–19.10; Fleming, The Law of Torts, 8. Aufl. 1992, S. 609–622. 51 Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (61). 50
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Ersatz der Prozesskosten nach den CPR-Kostenerstattungsregeln ausreichend ist. 52 Eine Ausweitung des tort sei jedenfalls dann geboten, wenn grundlos vor einem ausländischen Gericht geklagt wurde, das nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht nicht dazu befugt ist, die Klägerin zum Ersatz der Prozesskosten zu verurteilen, die der Gegenseite für ihre Verteidigung entstanden sind.53 Ungeachtet der genannten Argumente steht die englische Rechtsprechung der Anerkennung eines tort of malicious civil proceedings grundsätzlich ablehnend gegenüber.54 Eine Schadensersatzhaftung für die Einleitung eines Zivilverfahrens wird bisher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen, zu denen etwa die böswillige Vollstreckung in das Eigentum des Schadensersatzklägers, der böswillige Arrest eines Schiffs, die böswillige Einleitung von Konkursverfahren sowie das böswillige Stellen von Abwicklungsanträgen gegenüber Gesellschaften gehören. 55 Es ist daher ungewiss, ob der unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung Verklagte in dem vom Tham gebildeten Beispielsfall einen Anspruch auf Ersatz der ihm durch die abredewidrige Klage entstandenen Kosten auf eine entsprechende Anwendung des tort of malicious prosecution erfolgreich stützen werden kann. cc) Der tort of abuse of civil process Der tort of abuse of civil process ist von Bedeutung in Fällen, in denen ein Zivilverfahren zu prozessfremden Zwecken missbraucht wird. 56 Dieser Deliktstatbestand hat hohe Anforderungen. An einen Missbrauch im Sinne des tort of abuse of civil process ist etwa dann zu denken, wenn ein Zivilprozess allein mit dem Ziel eingeleitet wird, den Prozessgegner zu erpressen. 57 Ausreichend ist nach überwiegender Auffassung nicht, dass eine Partei Klage erhebt, obwohl ihr die fehlende Berechtigung ihres sachlichen 52
Vgl. etwa Rogers, Winfield and Jolowicz on Tort, 17. Aufl. 2006, Rn. 19.12. Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (80). 54 Vgl. etwa House of Lords, 27.01.2000 – Gregory v. Portsmouth, [2007] 1 A.C. 419, 427 f.; Court of Appeal, 18.04.1883 – The Quartz Hill Consolidated Gold Mining Company v. Eyre, (1882-83) 11 Q.B. 674, 684; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 14.17. 55 Andrews, Civil Procedure, 2003, Rn. 16.38–16.44; Dugdale/Jones/Simpson, Clerk & Lindsell on Torts, 19. Aufl. 2006, Rn. 16.43 f.; Fleming, The Law of Torts, 8. Aufl. 1992, S. 622; Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 48. 56 Andrews, Civil Procedure, 2003, Rn. 16.47–16.60; Dugdale/Jones/ Simpson, Clerk & Lindsell on Torts, 19. Aufl. 2006, Rn. 16.45 f.; Rogers, Winfield and Jolowicz on Tort, 17. Aufl. 2006, Rn. 19.13; Zuckerman, Civil Procedure, 2. Aufl. 2006, Rn. 10.205– 10.215. 57 Fleming, The Law of Torts, 8. Aufl. 1992, S. 622; Andrews, Civil Procedure, 2003, Rn. 16.55. 53
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Begehrens bekannt ist.58 Leitet eine Partei ein Verfahren vor einem abredewidrig angerufenen Gericht ein, wird ein Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen des tort of abuse of civil process folglich selbst dann abzulehnen sein, wenn dem Kläger die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung bewusst war. dd) Der tort of unlawful interference with trade or business Wahrscheinlicher erscheint dagegen eine Haftung des abredewidrig Klagenden aufgrund des tort of unlawful interference with trade or business. Ein darauf gestützter claim setzt voraus, dass der Schadensersatzbeklagte absichtlich und auf rechtswidrige Weise dem trade oder business des Schadensersatzklägers Schaden zugefügt hat.59 Die Begriffe trade und business werden weit ausgelegt: Eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen des Schadensersatzklägers gilt als ausreichend. 60 Nach Auffassung von Tham schädigt derjenige, der in einem abredewidrigen Forum klagt, wegen der damit üblicherweise verbundenen höheren finanziellen Belastung für den Prozessgegner regelmäßig die wirtschaftlichen Interessen des Letzteren, die in dem die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltenden Vertrag verkörpert sind.61 Fraglich ist, wann die Voraussetzung der rechtswidrigen Schadenszufügung erfüllt ist. Über die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals herrscht im Einzelnen noch Unklarheit. In der Literatur und Rechtsprechung ist man sich jedenfalls einig, dass eine Schadenszufügung dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn sie infolge der Verletzung eines Vertrags erfolgte. 62 Demzufolge dürfte das Rechtswidrigkeitserfordernis bei einer Klage unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung regelmäßig keine Schwierigkeiten bereiten.63 Problematisch ist jedoch, wann von einer absichtlichen Schädigung im Sinne des tort of unlawful inteference with trade or business auszugehen ist. Einer Ansicht nach soll es bereits genügen, dass der Schadensersatzbeklagte hätte vorhersehen können, sein Handeln würde zwangsläufig bzw. 58
Rogers, Winfield and Jolowicz on Tort, 17. Aufl. 2006, Rn. 19.13. High Court, 01.01.1987 – Barretts & Baird (Wholesale) Ltd. v. Institution of Professional Civil Servants, [1987] I.R.L.R. 3, 6; Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (62); sowie ausführlich Carty, Economic Torts, 2001, S. 104–130; Dugdale/Jones/Simpson, Clerk & Lindsell on Torts, 19. Aufl. 2006, Rn. 25.88–25.115. 60 Dugdale/Jones/Simpson, Clerk & Lindsell on Torts, 19. Aufl. 2006, Rn. 25.88, wo von einem tort of unlawful interference with economic and other interests die Rede ist. Vgl. auch Carty, Economic Torts, 2001, S. 118 m.w.N. 61 Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (63). 62 House of Lords, 21.01.1964 – Rookes v. Barnard (No. 1), [1964] A.C. 1129; Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (63 f.); Carty, Economic Torts, 2001, S. 111 m.w.N. 63 Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (61 f.). 59
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wahrscheinlich zur Schädigung wirtschaftlicher Interessen des Schadensersatzklägers führen.64 Schließt man sich dieser Meinung an, wird die Absicht eines abredewidrig Klagenden wohl meistens zu bejahen sein. Für diesen ist es regelmäßig absehbar, dass die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung die wirtschaftlichen Interessen der Gegenseite beeinträchtigen wird. 65 Die wohl überwiegende Auffassung verlangt dagegen, dass der Schadensersatzbeklagte es darauf abgesehen hat, die wirtschaftlichen Interessen des Schadensersatzklägers zu schädigen. 66 Nach Tham zielt die Einleitung eines abredewidrigen Prozesses jedenfalls dann auf eine Beeinträchtigung der Belange des Beklagten ab, wenn an der Wirksamkeit der übergangenen Gerichtsstandsvereinbarung kein Zweifel besteht und die Klage wegen der entgegenstehenden Zuständigkeitsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt wurde. Zur Begründung bringt Tham lediglich vor, der abredewidrig Beklagte sei die einzige Partei, deren Interessen durch die Klage unter Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung geschädigt werden könnten. 67 Ob allein aus dieser Tatsache darauf geschlossen werden kann, dass der abredewidrige Kläger die Absicht hatte, die wirtschaftlichen Interessen des Beklagten zu beeinträchtigen, erscheint jedoch zweifelhaft. Es ist somit ungewiss, ob ein Schadensersatzanspruch gegen den unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung Klagenden auf den tort of unlawful inteference with trade or business gestützt werden kann. b) Deliktische Schadensersatzhaftung nach US-amerikanischem Recht Bei der Behandlung der US-amerikanischen Rechtslage ist zunächst auf das Sachrecht einzugehen (aa.), da sich die Frage nach dem auf eine deliktische Haftung anwendbaren Recht (bb.) nur mit Blick auf die genauen Anspruchsgrundlagen klären lässt. aa) Der tort of abuse of civil process und der tort of wrongful civil proceedings Das Deliktsrecht in den USA ist state law und trotz zahlreicher Kodifizierungen in Einzelbereichen wesentlich vom Fallrecht geprägt. Es besteht – ähnlich wie in England – aus einer Vielzahl einzelner Deliktstatbestände 64
Court of Appeal, 02.03.1989 – Lonrho Plc. v. Fayed, [1990] 2 Q.B. 479, 494; Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (63). 65 Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (63). 66 House of Lords, 14.12.1897 – Allen v. Flood, [1898] A.C. 1, 91; Court of Appeal, 18.12.1907 – National Phonograph Company, Ltd. v. Edison-Bell Consolidated Company Ltd., [1908] 1 Ch. 335; Carty, Economic Torts, 2001, S. 106. 67 Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (63).
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(torts). 68 Die Einleitung und Durchführung gerichtlicher Zivilverfahren kann insbesondere nach dem tort of abuse of civil process und dem tort of wrongful civil proceedings eine Schadensersatzhaftung auslösen. Der auch in den USA anerkannte tort of interference with economic expectation spielt dagegen jedenfalls für die Erhebung einer Klage unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung keine Rolle. Denn dieser Deliktstatbestand ist im US-amerikanischen Recht nur auf Fälle anwendbar, in denen die in einem Vertrag verkörperten wirtschaftlichen Interessen einer der Vertragsparteien infolge des Handelns eines nicht am Vertrag beteiligten Dritten absichtlich und rechtswidrig geschädigt wurden.69 An die Bejahung einer Haftung aufgrund des tort of abuse of civil process werden ähnlich hohe Anforderungen gestellt wie im englischen Recht.70 Der Schadensersatzbeklagte muss das Zivilverfahren zu prozessfremden Zwecken missbraucht haben, wofür allein die Erhebung einer Klage unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht ausreicht. Bei dem tort of wrongful civil proceedings offenbaren sich dagegen einige entscheidende Unterschiede zu der englischen Rechtslage. Im Gegensatz zu England, wo die Einleitung eines Zivilverfahrens nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Schadensersatzhaftung des Verfahrensinitiators zur Folge haben kann71, herrscht in den USA weitgehend Einigkeit darüber, dass grundsätzlich jede böswillige, grundlose Erhebung einer Zivilklage deliktische Schadensersatzansprüche auslösen kann72. Der claim for wrongful civil proceedings ist in Anlehnung an den auch in den USA anerkannten claim for malicious prosecution entwickelt worden, so dass die Haftungsvoraussetzungen der ersteren weitgehend denjenigen der zweiteren entsprechen73, auf die bereits bei der Darstellung der englischen Rechtslage kurz eingegangen wurde. Erforderlich ist zunächst, dass der Schadensersatzschuldner eine Zivilklage erhoben hat. Diese muss im Vorprozess abgewiesen worden sein.74 Eine Schadensersatzhaftung wegen Einleitung eines Prozesses unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn das abredewidrig angerufene Gericht die entgegenstehende Prorogation mittels Aussetzung oder Abweisung der bei ihm anhängigen Klage durchgesetzt hat. Notwendig ist des Weiteren, dass die Klage grund68
Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 353; Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 12. Vgl. etwa Texas Court of Appeals (1st District), 12.02.1987 – Texaco Inc. v. Pennzoil Co., 729 S.W.2d 768. 70 Vgl. § 682 Restatement (Second) Torts (1977). 71 S. oben § 11 A. I. 2. a) bb). 72 § 674 Restatement (Second) Torts (1977); Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 48 m.w.N. 73 Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 51 f. 74 § 674 Restatement (Second) Torts (1977); Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 52 f. m.w.N. 69
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los war. Dies ist dann erfüllt, wenn ein „vernünftiger Kläger“ die Klage nicht erhoben hätte.75 In den hier interessierenden Konstellationen ist somit entscheidend, ob ein „vernünftiger Kläger“ die konkrete Streitigkeit unter den gegebenen Umständen vor ein anderes als das in einer Zuständigkeitsvereinbarung designierte Gericht gebracht hätte. Diese Frage dürfte wohl zu bejahen sein, wenn nachvollziehbare Zweifel an der Wirksamkeit und/oder der Reichweite der fraglichen Gerichtsstandsvereinbarung bestehen. Das Erfordernis der Grundlosigkeit wäre demzufolge nur in den eher seltenen Fällen erfüllt, in denen Gültigkeit, Ausschließlichkeit und Erstreckung der Zuständigkeitsabrede auf die konkrete Streitigkeit außer Frage stehen. Ein Schadensersatzanspruch aufgrund des tort of wrongful civil proceedings setzt des Weiteren voraus, dass die Klageerhebung aus unlauteren Motiven erfolgt ist. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Kläger selbst nicht im Geringsten an sein Recht glaubte. 76 Überträgt man dies auf die hier interessierenden Konstellationen, ist eine Schadensersatzhaftung des abredewidrig Klagenden folglich zu bejahen, wenn diesem bewusst war, dass die Anrufung des Gerichts unter Missachtung der Zuständigkeitsabrede erfolgte. Dieses Erfordernis dürfte jedoch in den wenigsten Fällen erfüllt sein bzw. nachgewiesen werden können. Derjenige, der in Abweichung von einer Gerichtsstandsvereinbarung Klage erhebt, wird sein Vorgehen regelmäßig damit rechtfertigen können, er sei davon ausgegangen, dass er an die Zuständigkeitsabrede nicht gebunden ist, weil er diese etwa für unwirksam, nicht ausschließlich oder die konkrete Streitigkeit nicht erfassend hält. Eine Schadensersatzhaftung aufgrund des tort of wrongful civil proceedings setzt schließlich voraus, dass dem Schadensersatzkläger ein Schaden entstanden ist.77 bb) Bestimmung des Deliktsstatuts nach US-amerikanischem Kollisionsrecht Fraglich ist, wann US-amerikanisches Deliktsrecht zur Anwendung berufen ist. Das Restatement (Second) Conflict of Laws (1971) sieht in § 145 eine Anknüpfung an das Recht des Staates mit der engsten Verbindung vor und zählt unterschiedliche Anhaltspunkte für deren auf. Dazu gehören u.a. der Ort des Verletzungserfolgs, der der Verletzungshandlung, der, an dem die Parteien jeweils ihr Domizil haben, und in Fällen, in denen zwischen den Parteien eine Beziehung tatsächlicher oder rechtlicher Art besteht, der 75 Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 53 f. m.w.N.; § 675 Restatement (Second) Torts (1977). 76 § 676 Restatement (Second) Torts (1977); Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 54. 77 Hopt, Schadensersatz, 1968, S. 54 f.
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Ort an dem diese Beziehung ihren Schwerpunkt hat. Welches Gewicht den unterschiedlichen Gesichtspunkten beizumessen ist, hängt von dem jeweils einschlägigen Deliktstatbestand ab. Geht es um die Bestimmung des anwendbaren Rechts in Fällen von malicious prosecution und abuse of process, ist nach dem Restatement (Second) Conflict of Laws (1971) der Ort des Verletzungseintritts von maßgeblicher Bedeutung. 78 Sollte dies auch für Fälle von wrongful civil proceedings gelten – was aufgrund der besonderen Ähnlichkeit der drei Delikte naheliegt – würde die deliktische Haftung dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Verletzungserfolg eingetreten ist. c) Deliktische Schadensersatzhaftung nach deutschem Recht Die Erfordernisse einer deliktischen Haftung wurden bereits oben im Zusammenhang mit der Frage beleuchtet, ob zum Schutz gegen die Missachtung einer Gerichtsstandsabrede ein Prozessführungsverbot erlassen werden kann. Eine Haftung des abredewidrig Klagenden nach §§ 823, 826 BGB wurde dabei – von Einzelfällen abgesehen – grundsätzlich verneint. 79 3. Schadensersatzhaftung aus equity Eine weitere Anspruchsgrundlage für Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsabrede bietet in England und den USA das equityRecht.80 In England ermächtigt sec. 50 Supreme Court Act 1981 englische Gerichte dazu, Schadensersatz anstelle oder in Ergänzung zu der Anordnung einer anti-suit injunction zuzusprechen.81 Die Befugnis zur Anordnung von Schadensersatz entsteht, sobald die Voraussetzungen für die Anordnung einer anti-suit injunction erfüllt sind und besteht so lange, wie die englischen Gerichte ermächtigt sind, ein Prozessführungsverbot zu erlassen. Nach Abschluss des Verfahrens im abredewidrig angerufenen Gericht kommt die Gewähr von Schadensersatz nach sec. 50 Supreme Court Act 1981 folglich nicht mehr in Betracht.82 Es ist vermutlich auf diese Besonderheit zurückzuführen, dass die equity-Grundlage für Anordnung von 78
§ 145 comment f. Restatement (Second) Conflict of Laws (1971). S. oben § 11 A. I. 2. c). 80 England: Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (67 f.); Ambrose, ICLQ 52 (2003), S. 401 (416); differenzierend Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 14.21. USA: Tan, Tex. Int'l L. J. 40 (2005), S. 623 (646). 81 Die Vorschrift geht zurück auf sec. 2 Chancery Amendment Act 1858 (Lord Cairn’s Act) – eine Norm, die sich nur an die equity-Gerichte richtete, seit der Zusammenführung der common law- und equity-Gerichtsbarkeit jedoch für alle englischen Gerichte gilt. Vgl. Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 14.21. 82 Vgl. Tham, LMCLQ 2004, S. 46 (67 f.). 79
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Schadensersatz in der Rechtspraxis in den hier interessierenden Konstellationen bisher keine Rolle gespielt hat. In den USA fehlt es zwar an einer vergleichbaren gesetzlichen Regelung. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass US-amerikanische Richter aufgrund der ihnen zustehenden equitable power befugt sind, anstelle oder in Ergänzung zu der Anordnung einer injunction Schadensersatz zuzusprechen. 83 Die Option eines Schadensersatzes aus equity ist jedoch wie in England nur solange eröffnet, wie die Voraussetzungen für den Erlass einer anti-suit injunction durch US-amerikanische Gerichte gegen die abredewidrig klagende Partei vorliegen.84
II. Fehlende Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs wegen Rechtskraft der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts Hat die unter Missachtung einer Zuständigkeitsabrede verklagte Partei einen Anspruch auf Ersatz der ihr durch die Prozessführung vor dem derogierten Gericht entstandenen Schäden und hat letzteres über die abredewidrig erhobene Klage bereits entschieden, stellt sich die Frage, ob die Rechtskraft dieser Entscheidung der Zuerkennung von Schadensersatz wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung entgegensteht. Bei der Untersuchung dieser Problematik sind zwei Grundkonstellationen auseinanderzuhalten: Die erste betrifft den Fall, dass das abredewidrig angerufene Gericht die Klage wegen der entgegenstehenden Prorogation abgewiesen bzw. ausgesetzt hat (1.). Die zweite erfasst dagegen diejenigen Fälle, in denen das an sich derogierte Gericht die Durchsetzung der Zuständigkeitsvereinbarung verweigert und in der Sache entschieden hat (2.). 1. Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Klage unter Hinweis auf die Gerichtsstandsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt Hat das unter Missachtung einer Zuständigkeitsabrede angerufene Gericht die Klage wegen der Prorogation ausgesetzt 85 bzw. abgewiesen und daraufhin über die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits entschieden, fragt sich, ob die Rechtskraft dieses Urteils eine abweichende Verteilung der Kosten durch Zuerkennung von Schadensersatz ausschließt. Welche Auswirkungen der Kostenausspruch des abredewidrig angerufenen Gerichts hat, hängt wiederum davon ab, ob der Schadensersatzanspruch vor dem ab83 Vgl. etwa New York Court of Appeals, 11.06.1956 – Doyle v. Allstate Insurance Co., 1 N.Y.2d 439. 84 Tan, Tex. Int'l L. J. 40 (2005), S. 623 (646). 85 Eine Klageaussetzung wegen entgegenstehender Gerichtsstandsabrede kommt insbesondere in England (s. oben § 6 A. I. 1.) sowie unter Umständen in den USA (s. oben § 6 A. II. 2.) in Betracht.
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redewidrig angerufenen Gericht (a.) oder vor einem Gericht eines anderen Staates geltend gemacht wird (b.). a) Konstellation 1.1: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs vor dem abredewidrig angerufenen Gericht Die Konstellation 1.1 betrifft den Fall, dass abredewidrig vor einem englischen, US-amerikanischen oder deutschen Gericht geklagt wurde und dieses Gericht nach Klageabweisung oder -aussetzung von der ursprünglich beklagten Partei um die Zuerkennung von Schadensersatz wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung ersucht wird. Trifft ein abredewidrig angerufenes englisches Gericht nach Klageabweisung bzw. -aussetzung eine Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten nach den entsprechenden CPR-Regeln86, stellt der Kostenausspruch nach der in England überwiegenden Auffassung eine abschließende Beurteilung der Frage dar, wer welche Kosten zu tragen hat. Eine Umverteilung der Kosten durch nachträgliche Zuerkennung von Schadensersatz scheidet daher aus. 87 Die weitgehende res judicata-Wirkung des Kostenausspruchs wird mit dem Ermessen der englischen Richter bei der Entscheidung über die Kostenerstattung nach den CPR-Regeln begründet, das es ihnen erlaubt, Fehlverhalten der Parteien bei der Einleitung oder Durchführung des Verfahrens im Rahmen der Verteilung der Prozesskosten zu berücksichtigen. Hat das Gericht entschieden, dass ein Fehlverhalten einer der Parteien für die Kostenentscheidung unerheblich ist oder dass die Kosten der hierdurch betroffenen Partei nur zu einem bestimmten Teil von dem Verfahrensgegner zu ersetzen sind, habe dies seinen guten Grund und dürfe daher nicht durch die Zuerkennung von Schadensersatz nach materiellrechtlichen Vorschriften umgangen werden.88 Spricht ein abredewidrig angerufenes englisches Gericht nach Klageabweisung bzw. -aussetzung der beklagten Partei lediglich einen teilweisen Ersatz der ihr entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu, kann diese die Erstattung der restlichen Prozesskosten somit nicht erfolgreich vor englischen Gerichten einklagen. 86
S. ausführlich dazu oben § 6 A. II. 2. Court of Appeal, 18.04.1883 – The Quartz Hill Consolidated Gold Mining Company v. Eyre, (1882-83) 11 Q.B. 674; High Court, 23.01.2007 – A v. B (No. 2), [2007] EWHC 54 (Comm), para. 9; Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 14.03; Yeo/Tan, in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law, 2003, S. 403 (413 f.); Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (72 f.). 88 Court of Appeal, 18.04.1883 – The Quartz Hill Consolidated Gold Mining Company v. Eyre, (1882-83) 11 Q.B. 674, 690 (Bowen LJ): „…the successful defendant will have been already compensated, so far as the law chooses to compensate him. If the judge refuses to give him costs, it is because he does not deserve them; if he deserves them, he will get them in the original action; if he does not deserve them, he ought not to get them in a subsequent action.“ 87
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Etwas anders gestaltet sich die Rechtslage in den USA. Setzt ein abredewidrig angerufenes US-amerikanisches Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung durch Abweisung bzw. Aussetzung der Klage durch, wird es die Kosten, die der Beklagte zur Rechtsverteidigung aufgewendet hat, in der Regel nicht dem unterlegenen Kläger auferlegen. Denn nach der American rule of costs hat jede Partei ihre Rechtsverfolgungskosten grundsätzlich selbst zu tragen. 89 Die Rechtskraft der Kostenentscheidung auf der Grundlage der American rule of costs schließt jedoch – wie Urteile aus der jüngeren Zeit zeigen – nicht aus, dass die Rechtsverteidigungskosten der unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung verklagten Partei dem abredewidrig Klagenden durch ein US-amerikanisches Gericht später als Schadensersatz auferlegt werden können.90 In der deutschen Rechtsprechung und Literatur herrscht ebenfalls Einigkeit darüber, dass die Kostenentscheidung nach §§ 91 ff. ZPO einer abweichenden Verteilung der Prozesskosten nach materiellem Schadensersatzrecht prinzipiell nicht entgegensteht. 91 Begründet wird dies mit den wesentlichen Unterschieden zwischen prozessualen Kostenentscheidungen einerseits und materiellrechtlichen Schadensersatzansprüchen andererseits. Ersteren liegt das sog. Veranlasserprinzip zugrunde: Die Prozesskosten sind regelmäßig vom unterlegenen Teil zu tragen, denn wer unterliegt, hat die Vermutung gegen sich, ohne Grund Anlass zum Streit gegeben zu haben. 92 Auf Verschuldensgesichtspunkte, wie sie meist einem materiellen Schadensersatzanspruch zugrunde liegen, kommt es im Rahmen der §§ 91 ff. ZPO dagegen nicht an.93 Dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch fehlt außerdem die durch den Schadensersatzanspruch beabsichtigte Sanktions- und Abschreckungswirkung. 94 Sind der abredewidrig in Deutschland verklagten Partei Prozesskosten entstanden, die nach §§ 91 ff. ZPO nicht ersatzfähig sind, kann sie diese folglich im Rahmen eines materiellrechtlichen Schadensersatzanspruchs geltend machen.
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S. ausführlich zu der American rule of costs oben § 6 A. II. 2. Ohio Supreme Court, 21.04.2003 – Masiongale Electrical-Mechanical Inc. v. Construction One Inc., 102 Ohio St. 3d 1, 2; US District Court (S.D. Indiana), 05.09.2006 – Ball v. Versar Inc., 454 F.Supp.2d 783, 809. 91 BGH, 06.11.1979 – VI ZR 254/77, NJW 1980, S. 119 (120); BGH, 24.04.1990 – VI ZR 110/89, NJW 1990, S. 2060; BGH, 22.11.2001 – VII ZR 405/00, NJW 2002, S. 680; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl. 2012, vor § 91 Rn. 14–17; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, vor § 91 Rn. 11; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, vor § 91 Rn. 16 f.; Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung, 1985, S. 92 f.; Schlosser, in: FS Lindacher, 2007, S. 111 (121); Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (32). 92 BGH, 30.05.2006 – VI ZB 64/05, NJW 2006, S. 2490 (2491). 93 MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl. 2008, Vorbem. zu §§ 91ff. Rn. 24. 94 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (32). 90
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b) Konstellation 1.2: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs in einem anderen als dem abredewidrigen Forum Die Konstellation 1.2 betrifft den Fall, dass vor einem englischen, USamerikanischen oder deutschen Gericht Schadensersatz wegen Missachtung einer Zuständigkeitsvereinbarung geltend gemacht wird, nachdem ein im Ausland abredewidrig angerufenes Gericht die Gerichtsstandsabrede mittels Klageabweisung bzw. -aussetzung durchgesetzt hat. Hat dieses Gericht eine rechtskräftige Kostenentscheidung getroffen, ist fraglich, ob hierdurch eine abweichende Kostenverteilung durch die Zuerkennung von Schadensersatz ausgeschlossen ist. Im Gegensatz zu der Konstellation 1.1 ist der Kostenausspruch von dem englischen bzw. US-amerikanischen bzw. deutschen Gericht hier nicht automatisch zu beachten, sondern nur wenn er die jeweils geltenden Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt. Die Entscheidung über die Kostenerstattungspflicht einer Partei ist nach deutschem Recht anerkennungsfähig. 95 Das gilt auch dann, wenn sie Teil eines abweisenden Prozessurteils ist, dessen Feststellungen im Übrigen gem. § 328 ZPO keine Wirkung beigemessen wird. Der ausschließlich prozessuale Gehalt eines auswärtigen Judikats steht im englischen und US-amerikanischen Recht hingegen grundsätzlich der Anerkennung nicht entgegen, solange der Richterspruch Feststellungen über Tatsachen beinhaltet, die im ausländischen Verfahren so eingehend diskutiert wurden, dass es nicht angemessen erscheint, diese im Inland nochmals zu überprüfen.96 Vor diesem Hintergrund ist es durchaus wahrscheinlich, dass englische und US-amerikanische Gerichte einen ausländischen Richterspruch, der Beurteilungen bzgl. Zulässigkeit, Wirksamkeit und Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung trifft, und die ihn begleitende Kostenentscheidung anerkennen werden. Ob der Kostenausspruch der Zuerkennung von Schadensersatz wegen abredewidriger Klage entgegensteht, ist unter Heranziehung der Grundsätze zu beantworten, die für inländische Kostenjudikate gilt: In Deutschland wird eine auswärtige Kostenentscheidung der Gewähr vom Schadensersatz wegen abredewidriger Klage nicht entgegenstehen. Ein ausländischer Kostenausspruch wird in England nur dann res judicata hinsichtlich der Verteilung der Prozesskosten im auswärtigen Forum entfalten, wenn das abredewidrig angerufene Gericht bei der Kostenentscheidung der Tatsache Rechnung getragen hat, dass die Klage unter Missachtung einer Zuständigkeitsabrede erhoben wurde. Ob ein US-amerikanisches Gericht 95
Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 328 Rn. 73. England: House of Lords, 21.03.1985 – The Sennar No. 2, [1985] 1 Lloyd’s Rep. 521; Barnett, Res judicata, 2001, Rn. 2.45 f.; M. Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung, 2012, Rn. 197; USA: Hay, in: Assmann/Bungert (Hrsg.), US-Wirtschaftsrecht I, 2001, Kap. 8 Rn. 286. 96
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diesem Weg folgen oder die Kostenentscheidung – wie bei inländischen Urteilen – keine der Zuerkennung von Schadensersatz hindernde Wirkung zusprechen wird, ist dagegen unklar.97 2. Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden In der Konstellation 2 hat das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung abgelehnt und eine Entscheidung in der Sache sowie eine Kostenentscheidung getroffen. Es fragt sich, ob die Rechtskraft dieses Urteils einen Hinderungsgrund dafür darstellt, dass vor dem abredewidrig angerufenen Gericht (a.) oder vor dem Gericht eines anderen Staates (b.) nachträglich im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs über die Verteilung der Prozesskosten bzw. in der Sache abweichend entschieden wird. a) Konstellation 2.1: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs vor dem abredewidrig angerufenen Gericht In der Konstellation 2.1 hat das abredewidrig angerufene englische bzw. US-amerikanische bzw. deutsche Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung abgelehnt und wird, nachdem es in der Sache entschieden hat, von der beklagten Partei um die Zuerkennung von Schadensersatz ersucht. Die Auswirkungen des Urteils auf eine spätere Entscheidung über den Schadensersatzanspruch hängen davon ab, aus welchem Grund sich das Gericht geweigert hat, der Zuständigkeitsabrede zur Wirkung zu verhelfen. Meistens wird die Nichtdurchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung darauf zurückzuführen sein, dass diese nach Auffassung des abredewidrig angerufenen Gerichts unwirksam oder nicht ausschließlich ist bzw. die fragliche Streitigkeit nicht erfasst. Solange das Gericht im nachfolgenden Schadensersatzprozess seine Auffassung nicht ändert, ist daher eine Zuerkennung von Schadensersatz faktisch ausgeschlossen. 98 Die Geltendmachung von Schadensersatz vor dem abredewidrig angerufenen Gericht könnte dagegen dann Erfolg haben, wenn nach dessen Ansicht die dortige Klageerhebung zwar unter Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung erfolgt ist, jedoch gewichtige Gründe vorliegen, die die Nichtdurchsetzung der Zuständigkeitsabrede durch Klageabweisung bzw. -aussetzung gebieten. Solche Fälle können lediglich bei der abredewidrigen Anrufung eines englischen oder US-amerikanischen Gerichts vorkommen. Denn diese genießen – im Gegensatz zu deutschen Gerichten – bei der Entscheidung 97 98
Vgl. zum Ganzen oben § 11 A. II. 1. a). Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (73).
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über die Befolgung einer auf ein anderes Forum lautenden Prorogation Ermessen, das es ihnen erlaubt, unter bestimmten Umständen auch über Klagen zu urteilen, die unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung erhoben worden sind. 99 Es erscheint daher grundsätzlich möglich, dass ein abredewidrig angerufenes englisches oder US-amerikanisches Gericht Schadensersatz wegen der Verletzung der Prorogation zuspricht, obwohl es zuvor in der Hauptsache deren Durchsetzung verweigert hat. Inwieweit die Rechtskraft des vorausgegangenen Urteils der Zuerkennung von Schadensersatz entgegensteht, ergibt sich aus den oben erläuterten Grundsätzen. Diesen zufolge schließt die res judicata-Wirkung des Kostenausspruchs eines (abredewidrig angerufenen) englischen Gerichts nach den CPR-Regeln aus, dass im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs über die Verteilung der Prozesskosten abweichend entschieden wird. Die Rechtskraft der Kostenentscheidung eines abredewidrig angerufenen USamerikanischen Gerichts nach der American rule of costs stellt dagegen keinen Hinderungsgrund für eine Umverteilung der Prozesskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs dar. b) Konstellation 2.2: Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs in einem anderen als dem abredewidrigen Forum Die zuletzt zu untersuchende Konstellation 2.2 betrifft den Fall, dass vor einem englischen, US-amerikanischen oder deutschen Gericht Schadensersatz wegen Missachtung einer Zuständigkeitsvereinbarung geltend gemacht wird, nachdem ein im Ausland abredewidrig angerufenes Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Ähnlich wie in der Konstellation 1.2 ist hier zunächst zu prüfen, ob das auswärtige Urteil in England bzw. den USA bzw. Deutschland anerkennungsfähig ist. Dagegen könnte man anführen, dass das auswärtige Gericht unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung angerufen worden ist. Das Eingreifen dieses Anerkennungsversagungsgrunds setzt jedoch in allen drei Rechtsordnungen voraus, dass sich die im Ausland beklagte Partei nicht rügelos auf das Verfahren vor dem auswärtigen Gericht eingelassen hat. Eine rügelose Einlassung scheidet unproblematisch aus, wenn die im abredewidrigen Forum verklagte Partei die internationale Zuständigkeit des Gerichts unter Hinweis auf die entgegenstehende Gerichtsstandsvereinbarung gerügt hatte und nach Abweisung der Rüge durchs Gericht der Verhandlung in der Hauptsache ferngeblieben ist. An einer rügelosen Einlassung fehlt es auch, wenn die im abredewidrigen Forum verklagte Partei unter dem Vorbehalt der Zuständigkeitsrüge zur Hauptsache 99
S. ausführlich oben § 3 A. I. 2. b), § 3 A. II. 2. a) aa) (b).
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verhandelt hat, und das abredewidrig angerufene Gericht erst am Ende des Verfahrens über Zuständigkeit und Begründetheit der Klage entschieden hat.100 Unterschiedlich beurteilt werden dagegen die Fälle, in denen das abredewidrig angerufene Gericht die Zuständigkeitsrüge im Rahmen eines Zwischenurteils abgewiesen hat, und der Beklagte sodann unter Aufrechterhaltung der Rüge zur Hauptsache verhandelt hat: Im Gegensatz zu Deutschland wird ein solches Verhalten in England und den USA als rügelose Einlassung gewertet mit der Folge, dass das Urteil des ausländischen Gerichts anzuerkennen ist.101 Entfaltet das Judikat des abredewidrig angerufenen Gerichts in England und den USA res judicata-Wirkung, wird es der unter Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung verklagten Partei verwehrt sein, durch die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs vor einem englischen oder US-amerikanischen Gericht eine abweichende Entscheidung über die Verteilung der Prozesskosten oder in der Sache zu erreichen.
III. Rechtsfolgen eines Schadensersatzanspruchs Liegen die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung vor, stellt sich die Frage, welche der dem abredewidrig Verklagten entstandenen Einbußen ersatzfähig sind (1.), und wann eine Kürzung des Anspruchs wegen Mitverschuldens des Gläubigers in Betracht kommt (2.). Bei der Erörterung dieser Aspekte steht die vertragliche Schadensersatzhaftung im Vordergrund, da in den hier untersuchten Rechtsordnungen – wie oben gezeigt102 – allein die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel keinen deliktischen Schadensersatzanspruch begründet. 1. Ermittlung und Zurechnung des ersatzfähigen Schadens Die unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung verklagte Partei kann im Rahmen der vertraglichen Schadensersatzhaftung verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stehen würde, wenn der abredewidrige Kläger sich an die Vereinbarung gehalten und die Streitigkeit vor das designierte Gericht gebracht hätte. 103 Bei der Schadensermittlung und -zurechnung sind zwei Konstellationen auseinanderzuhalten: Die erste betrifft den Fall, dass das abredewidrig angerufene Gericht die vor ihm anhängig gemachte 100
S. oben § 9 A. S. oben § 9 A. 102 S. oben § 11 A. I. 2. 103 Jegher, Abwehrmaßnahmen, 2003, S. 201; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 14.04; Tan, Tex. Int’l L. J. 40 (2005), S. 623 (658). 101
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Klage wegen der Zuständigkeitsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt hat (a.). In der zweiten hat das derogierte Gericht dagegen die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und eine Entscheidung in der Sache getroffen (b.). a) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Klage unter Hinweis auf die Gerichtsstandsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt Steht in dem Fall, dass das abredewidrig angerufene Gericht der Zuständigkeitsabrede durch Klageabweisung bzw. -aussetzung zur Geltung verholfen hat, der verklagten Partei ein Schadensersatzanspruch zu, bereiten die Ermittlung und Zurechnung des zu ersetzenden Schadens regelmäßig keine Schwierigkeiten. Zu den ersatzfähigen Schadenspositionen gehören in erster Linie die Kosten, die dem Beklagten für die Geltendmachung der Gerichtsstandsvereinbarung in dem derogierten Forum angefallen sind, d.h. die für anwaltliche Vertretung, eigene Anreise und Beauftragung von Korrespondenzanwälten entstandenen Aufwendungen.104 Wurde der beklagten Partei im derogierten Forum ein Teil dieser Kosten bereits zugesprochen, sind sie insoweit als Abzugsposten bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen.105 Ersatzfähig sind grundsätzlich auch die Kosten, die für die Erwirkung eines Prozessführungsverbots gegen den abredewidrigen Kläger entstanden sind.106 Als auszugleichende Schadensposition kommen des Weiteren Zinsschäden in Betracht, wenn der Beklagte seine Rechtsverfolgung im falschen Forum vorfinanzieren musste.107 Fraglich ist, ob sich der abredewidrige Kläger im Schadensersatzprozess auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen könnte. Denkbar wäre etwa der Einwand, bei Klage im designierten Forum wären ebenfalls Kosten für die Entscheidung über die Gerichtsstandsvereinbarung angefallen. Gegen diese Argumentation lässt sich zweierlei anführen. Es ist zum einen unklar, 104
Vgl. Court of Appeal, 21.11.2001 – Union Discount Co. v. Zoller, [2001] EWCA Civ 1755; High Court, 11.05.2007 – National Westminster Bank Plc v. Rabobank Nederland, [2007] EWHC 1056 (Comm), para. 439; US District Court (S.D. New York), 03.02.1998 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd., 992 F.Supp. 278, 281; New York Supreme Court Appelate Divison, 17.04.2003 – Indosuez International Finance, B.V. v. National Reserve Bank, 304 A.D.2d 429, 431; Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (84); Raphael, Anti-Suit Injunction, 2008, Rn. 14.05 f.; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 14.04; Köster, Haftung wegen Forum Shopping, 2001, S. 96. 105 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 14.05, 14.07; Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.18; Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (84). Ablehnend gegenüber der Berücksichtigung einer im forum derogatum zugesprochenen Kostenerstattung im Rahmen des Schadensersatzanspruchs dagegen Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (29). 106 Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (84). 107 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (29).
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ob es bei Klage im forum prorogatum überhaupt zu einer Streitigkeit über die Zuständigkeitsabrede gekommen wäre. Denn es ist unwahrscheinlich, dass ein Kläger am designierten Gerichtsstand klagt und zugleich die Unwirksamkeit der Zuständigkeitsabrede geltend macht. Dass der Schadensersatzkläger einen solchen Einwand erhoben hätte, kann nach seinem aktuellen Verhalten ebenfalls nicht angenommen werden. Es spricht somit viel dafür, dass bei Klage am designierten Gerichtsstand keinerlei Kosten im Zusammenhang mit der Prorogation entstanden wären. Zum anderen könnten eventuell angefallene solche Kosten nur dann schadensmindernd berücksichtigt werden, wenn sie im designierten Forum dem Schadensersatzkläger trotz seines Obsiegens in der Zuständigkeitsfrage auferlegt worden wären. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens wird somit bei der Berechnung des ersatzfähigen Schadens in der Konstellation 1 wohl kaum eine Rolle spielen.108 Problematisch ist des Weiteren, ob der abredewidrige Kläger gegen die Ersatzfähigkeit der Kosten, die der Beklagte für die Prozessführung im derogierten Forum aufgewendet hat, den Grundsatz der international comity vorbringen kann. Es ließe sich etwa argumentieren, dass die Entscheidung darüber, wie die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens zu verteilen sind, Sache des Staates ist, vor dessen Gerichten der Prozess stattfindet. Da hinter jeder Kostenregelung bestimmte rechtspolitische Gesichtspunkte stehen, könnte man annehmen, diese Erwägungen sollten aus Gründen der international comity auch durch das Gericht eines anderen Staates berücksichtigt werden, wenn vor diesem der Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Prozesskosten geltend gemacht wird, die das Erstgericht aufgrund der dort geltenden Kostenerstattungsregeln der beklagten Partei nicht zugesprochen hat.109 In der Literatur und Rechtsprechung wird eine Verletzung des Gebots zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer Staaten durch die Zuerken-
108 Court of Appeal, 21.11.2001 – Union Discount Co. v. Zoller, [2001] EWCA Civ 1755: Anordnung vollständigen Ersatzes der bei der abredewidrigen Anrufung US-amerikanischer Gerichte dem Beklagten entstandenen Prozesskosten, obwohl dieser bei einem Verfahren vor dem prorogierten englischen Gericht möglicherweise einen Teil seiner Kosten selbst zu tragen gehabt hätte; US Court of Appeals (7th Cir.), 09.11.1993 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Bull Data Systems Inc., 10 F.3d 425, 286: Anordnung vollständigen Ersatzes der bei der abredewidrigen Anrufung englischer Gerichte dem Beklagten entstandenen Rechtsverteidigungskosten, obwohl diese bei Klage vor dem designierten US-amerikanischen Gericht von der Partei selbst zu tragen gewesen wären. 109 So die Argumentation der auf Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung in Anspruch genommenen Partei in Court of Appeal, 21.11.2001 – Union Discount Co. v. Zoller, [2001] EWCA Civ 1755, para. 21.
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nung von Schadensersatz jedoch zu Recht überwiegend verneint. 110 Dies lässt sich zum einen damit begründen, dass zwischen dem abredewidrig angerufenen und dem zur Entscheidung über den Schadensersatz ersuchten Gericht Einigkeit darüber besteht, dass die Zuständigkeitsvereinbarung im konkreten Fall durchzusetzen ist. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass viele nationale Gerichte ausländische Urteile auch dann anerkennen, wenn die prozessuale Kostenentscheidung des Ursprungsgerichts erheblich von dem Kostenausspruch abweicht, den das Anerkennungsgericht unter den gegebenen Umständen getroffen hätte. 111 Das ist ein starkes Indiz dafür, dass es mit dem Grundsatz der international comity durchaus vereinbar ist, wenn die Gerichte unterschiedlicher Staaten die Frage, wie die Kosten eines abredewidrig eingeleiteten Prozesses zwischen den Parteien zu verteilen sind, abweichend beantworten. b) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden Problematischer gestalten sich die Schadensermittlung und -zurechnung, wenn das derogierte Gericht seine internationale Zuständigkeit bejaht und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Im Rahmen der Konstellation 2 ist danach zu unterscheiden, ob das abredewidrig angerufene Gericht in der Sache zugunsten (aa.) oder zulasten der abredewidrig verklagten Partei (bb.) entschieden hat. aa) Entscheidung in der Sache zugunsten des im abredewidrigen Forum Beklagten Hat das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Zuständigkeitsvereinbarung verweigert und die Klage als unbegründet abgewiesen, bilden die Kosten des Beklagten für die Rechtsverteidigung vor dem nicht vereinbarten Gericht den wohl wichtigsten Schadensposten. Die Prozesskosten des Beklagten dürften in den hier untersuchten Fällen erheblich höher sein als in der Konstellation 1, da das abredewidrig angerufene Gericht nicht nur über die Zulässigkeit der Klage und insbesondere seine internationale Zuständigkeit, sondern auch in der Sache zu entscheiden hatte. 110
Court of Appeal, 21.11.2001 – Union Discount Co. v. Zoller, [2001] EWCA Civ 1755, para. 22; Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (79). 111 Vgl. etwa US Court of Appeals (3rd Cir.), 20.12.1971 – Somportex Ltd. v. Philadelphia Chewing Gum Corp., 453 F.2d 435: Anerkennung eines englischen Urteils, obwohl dieses der unterlegenen Partei – anders als nach der American rule of costs – die Kosten des Rechtsstreits auferlegt; BGH, 04.06.1992 – IX ZR 149/91, NJW 1992, S. 3096: Anerkennung eines US-amerikanischen Urteils, obwohl dieses – anders als nach den §§ 91ff. ZPO - keine Kostenerstattung zugunsten der obsiegenden Partei vorsieht; Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (79) m.w.N.
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Im englischen und US-amerikanischen Verfahrensrecht hängt die Höhe der Verfahrenskosten entscheidend davon ab, ob eine Begründetheitsprüfung durchgeführt wurde, denn zur Kostenminimierung wird dort über die internationale Zuständigkeit stets im Rahmen eines Vorverfahrens entschieden.112 Auch bei einem Verfahren in Deutschland werden in der Konstellation 2 regelmäßig höhere Kosten anfallen als in der Konstellation 1. Zwar gibt es hier kein obligatorisches Vorverfahren, jedoch haben die deutschen Gerichte die Möglichkeit, die Parteien zunächst zu der Frage der Zuständigkeit anzuhören und Beweisaufnahmen über die Begründetheit erst anzustellen, wenn Klarheit in der Zuständigkeitsfrage erlangt ist. 113 Als ersatzfähige Schadenspositionen kommen auch hier die im Rahmen der Konstellation 1 erwähnten sonstigen Kosten des Beklagten in Betracht, wie etwa die Aufwendungen für die Erwirkung eines Prozessführungsverbots. Wurde dem Beklagten im derogierten Forum ein Teil der Prozesskosten bereits zugesprochen, sind diese – ähnlich wie in der Konstellation 1 – abzuziehen.114 Auch im Rahmen der Konstellation 2 stellt sich die Frage, ob der abredewidrige Kläger den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erheben kann. Er könnte etwa vorbringen, dass der abredewidrig Beklagte bei Austragung der Streitigkeit im prorogierten Forum für den Fall seines Obsiegens die ihm für seine Rechtsverteidigung in der Sache entstandenen Prozesskosten selbst zu tragen gehabt hätte, und ihm diese Kosten durch das Urteil des abredewidrig angerufenen Gerichts erspart geblieben sind. Der abredewidrige Kläger könnten sich zum anderen darauf berufen, dass das prorogierte Gericht in der Sache zu Lasten des dort Beklagten befunden hätte und er daher die mit einer solchen Entscheidung einhergehenden erheblichen Kosten zu tragen gehabt hätte. Im Gegensatz zu der Konstellation 1 erscheint die Berücksichtigung des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens hier unter bestimmten Umständen angemessen. In dem ersten der oben genannten Fälle ist erforderlich, dass der abredewidrige Kläger im Schadensersatzprozess nachweist, der ursprüngliche Beklagte hätte bei einem Obsiegen in der Sache im designierten Gericht nach dem dort geltenden Verfahrensrecht seine Prozesskosten ganz oder teilweise selbst zu tragen gehabt. 115 Gelingt ihm dies, sind die Kosten als Abzugsposten zu berücksichtigen, da der Beklagte ansonsten durch den Schadensersatzanspruch wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung besser gestellt worden wäre, als er bei Einhaltung der Abrede stehen würde.
112
S. oben § 6 A. I. 1., § 6 A. II. 1. S. oben § 6 A. III. 1. 114 Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (85). 115 So auch Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (85). 113
§ 11: Schadensersatz wegen Klage im forum derogatum
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In dem zweiten oben geschilderten Fall hat der abredewidrige Kläger im Schadensersatzprozess zusätzlich darzutun, dass das prorogierte Gericht in der Sache zulasten des abredewidrig Beklagten entschieden hätte.116 Es ist jedoch fraglich, wie das um Schadensersatz ersuchte Gericht bestimmen soll, welchen Ausgang die Streitigkeit im designierten Forum genommen hätte. Schlosser schlägt für das deutsche Recht folgende Lösung vor: Das im Schadensersatzprozess angerufene Gericht brauche sich nicht auf hypothetische Erwägungen einzulassen, wie das designierte Gericht die Streitigkeit entschieden hätte. Es sei vielmehr maßgebend, wie das angerufene Gericht den Fall entscheiden würde. Dies folge aus einer entsprechenden Heranziehung der Grundsätze, die gelten, wenn es im Rahmen von Schadensersatzansprüchen – wie etwa bei der Anwaltshaftung – darauf ankomme, wie das um die Zuerkennung von Schadensersatz konkret ersuchte Gericht ohne den haftungsauslösenden Fehler entschieden hätte. 117 Dagegen führt Mankowski zu Recht an, dass das Ausweichen auf Maßstäbe der lex fori zwar pragmatisch ist, sich jedoch systematisch und dogmatisch kaum begründen lässt.118 Vorzugswürdiger erscheint der Vorschlag von Takahashi, Tan und Yeo: Diesem zufolge hat das Gericht im Schadensersatzprozess zwar zu beurteilen, wie das prorogierte Gericht die Streitigkeit entschieden hätte. Ein aufwendiges nochmaliges Aufrollen des gesamten Prozessstoffs wird jedoch dadurch verhindert, dass das Gericht im Schadensersatzprozess seiner Beurteilung grundsätzlich die im abredewidrigen Forum festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen hat. Es obliegt sodann dem abredewidrigen Kläger nachzuweisen, dass das prorogierte Gericht unter Zugrundelegung der festgestellten Tatsachen zu keinem anderen Ergebnis als das abredewidrig angerufene gelangt wäre. Dass das designierte Gericht in der Sache abweichend entschieden hätte, kann nach Auffassung von Takahashi, Tan und Yeo nur unter bestimmten Umständen angenommen werden: Zum einen dann, wenn zwischen den in den beiden Fora anwendbaren Kollisionsregeln oder zwischen dem zwingenden Recht bzw. dem Gehalt des ordre public Unterschiede bestehen, zum anderen in den Fällen, in denen die jeweils geltenden Beweisregeln voneinander abweichen.119 Gelingt dem abredewidrigen Kläger anhand dieser Grundsätze der Nachweis, dass das prorogierte Gericht in der Sache anders als das derogierte entschieden hätte, ist die Summe, zu der der abredewidrig Beklagte in der Sache verurteilt worden wäre, von dem Schadensersatzanspruch des Letzteren abzuziehen. 116
Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (85). Schlosser, in: FS Lindacher, 2007, S. 111 (120 f.). 118 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (29). 119 Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (85); Yeo/Tan, in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law, 2003, S. 403 (417 f.). 117
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Als zusätzlicher Abzugsposten kommen in diesem Fall die Prozesskosten in Betracht, die der Beklagte im Falle des Unterliegens im prorogierten Forum zu tragen gehabt hätte, wenn der abredewidrige Kläger die Höhe dieser Kosten im Schadensersatzprozess nachweisen kann. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass in der Konstellation 2 eine Schadenskürzung wegen des Einwands rechtmäßigen Alternativverhaltens grundsätzlich möglich ist. Stellt sich im Schadensersatzprozess heraus, dass die Klage auch im designierten Forum abgewiesen worden wäre, können lediglich die Verfahrenskosten angerechnet werden, die dem abredewidrig Beklagte für einen Prozess im designierten Gericht angefallen wären. Zum Vergleich ist dann die Kostenverteilung heranzuziehen, die im designierten Forum bei gleichem Ergebnis gelten würde. Hätte der abredewidrig Beklagte bei Klage im prorogierten Gericht keine Kosten zu tragen gehabt, scheidet eine Schadenskürzung somit aus. Wären ihm andersherum auch im prorogierten Forum Kosten entstanden, kann er lediglich die darüber hinausgehenden Aufwendungen für das Verfahren im derogierten Forum ersetzt verlangen. Kommt das im Schadensersatzprozess angerufene Gericht dagegen zu dem Ergebnis, dass der abredewidrig Beklagte im designierten Forum unterlegen wäre, entspricht der anzurechnende Vorteil der Höhe der Klageforderung, der er dadurch entgangen ist, dass über die Streitigkeit im derogierten Forum zu seinen Gunsten entschieden wurde. Es ist somit der Wert des Anspruchs in Abzug zu bringen, den der abredewidrige Kläger im prorogierten Forum tituliert bekommen hätte. Zusätzlich sind die Verfahrenskosten zu berücksichtigen, die ihm bei einer Verurteilung im designierten Forum entstanden wären. Das heißt, dass der Kläger nur dann Schadensersatz verlangen kann, wenn die Verfahrenskosten im derogierten Forum die Klagebelastung im prorogierten Forum zuzüglich der Verfahrenskosten, die dort entstanden wären, überschreiten. bb) Entscheidung in der Sache zulasten des im abredewidrigen Forum Beklagten Hat das abredewidrig angerufene Gericht nach Verweigerung der Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung die beklagte Partei in der Sache verurteilt, erweitert sich das Spektrum an Schadensposten. Zu den Kosten des Beklagten für die Rechtsverteidigung im derogierten Forum treten die ihm eventuell auferlegten Kosten des abredewidrigen Verfahrens sowie die Summe hinzu, zu deren Zahlung er vom derogierten Gericht verurteilt wurde.120 Fraglich ist, ob der abredewidrig Beklagte Ersatz der genannten Schadenspositionen mit dem Argument verlangen kann, dass das Urteil des pro120
Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (85); Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (29).
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rogierten Gerichts in der Sache und betreffend die Prozesskosten zu seinen Gunsten bzw. für ihn günstiger als das Urteil des derogierten Gerichts ausgefallen wäre. Dagegen ließe sich möglicherweise der Grundsatz der international comity vorbringen mit dem Argument, dass es dem Gebot zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer Staaten zuwiderläuft, wenn das Gericht eines Staates durch die Zuerkennung von Schadensersatz die Entscheidung eines auswärtigen Gerichts im Kostenpunkt und in der Sache negiert. Im Schrifttum wird das Gefahrpotential einer so weitreichenden Schadensersatzhaftung durchaus erkannt. Ihre Vereinbarkeit mit der international comity wird dennoch zu Recht bejaht mit der Begründung, dass den Interessen eines Staates keine Rücksichtnahme geschuldet ist, wenn dessen Gerichte es billigen, dass eine Partei dort entgegen einer auf ein anderes Forum lautenden Prorogation prozessiert.121 Im Gegensatz zu dem oben behandelten Fall, in dem der abredewidrige Kläger im Schadensersatzprozess geltend macht, dass das prorogierte Gericht in der Sache anders als das derogierte entschieden hätte, ist es hier der abredewidrig Beklagte, der dieses Argument zu seinem Vorteil ins Spiel bringt. Es obliegt ihm – entsprechend den zuvor genannten Grundsätzen122 – vor dem Schadensersatzgericht darzutun, dass das vereinbarte Gericht in der Sache und bezüglich der Prozesskosten ein für ihn günstigeres Urteil als das abredewidrig angerufene Gericht erlassen hätte.123 Diese Situation entspricht im Ergebnis derjenigen, die der bereits oben erläuterten bereicherungsrechtlichen Rückforderungsklage zugrunde liegt 124: Auch dort ist es Sache des abredewidrig Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass das derogierte Gericht in der Sache falsch entschieden hat. Zwar kommt es bei Beurteilung dieser Frage nicht auf die Sicht des prorogierten, sondern auf die des im Rückforderungsprozess angerufenen Gerichts an. Dies begründet jedoch im Ergebnis keinen Unterschied, da nach der hier vertretenen Auffassung das designierte Gericht für die Entscheidung über die bereicherungsrechtliche Rückzahlungsklage ausschließlich zuständig ist.125 Gelingt dem abredewidrig Beklagten der Nachweis, hat er einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Anspruchswert, der ihm im prorogierten Gericht zugesprochen worden wäre, und dem Wert des Anspruchs, zu dem er im derogierten Forum verurteilt wurde. Hinsichtlich der Prozesskosten gilt dementsprechend, dass der abredewidrig 121
Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (81). S. oben § 6 A. III. 1. 123 Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (85); Yeo/Tan, in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law, 2003, S. 403 (416–418). 124 S. oben § 10 A. II. 125 S. oben § 10 C. 122
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Beklagte einerseits diejenigen Kosten ersetzt verlangen kann, die ihm durch das Verfahren im derogierten Forum entstanden sind.126 Andererseits muss er sich diejenigen Kosten anrechnen lassen, die er dadurch gespart hat, dass er im prorogierten Forum einen Prozess nicht durchführen musste. 2. Kürzung des Schadensersatzanspruchs wegen Mitverschuldens Steht dem im abredewidrigen Forum Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der durch die Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung entstandenen Schäden zu, ist zu prüfen, ob und unter welchen Umständen im deutschen Recht eine Kürzung des Anspruchs wegen Mitverschuldens des Beklagten nach § 254 I BGB bzw. im englischen und US-amerikanischen Recht wegen Verletzung der dem Beklagten obliegenden Schadensminderungspflicht (duty to mitigate loss) vorzunehmen ist. Der Schadensersatzanspruch könnte zu kürzen sein, wenn der abredewidrig Beklagte es unterlassen hat, das prorogierte oder ein anderes Gericht um den Erlass eines Prozessführungsverbots gegen den abredewidrigen Kläger zu ersuchen. Dafür ließe sich anführen, der Beklagte hätte auf diese Weise den Kläger von einer Fortführung des Verfahrens im derogierten Forum abhalten und so verhindern können, dass für die dortige Prozessführung Kosten aufgewendet werden bzw. das abredewidrig angerufene Gericht eine für den Beklagten nachteilige Sachentscheidung trifft. Im Schrifttum wird allerdings zu Recht vorgebracht, dass die Nichtbeantragung einer anti-suit injunction der abredewidrig verklagten Partei nur dann angelastet werden kann, wenn im konkreten Fall eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Prozessführungsverbot erlassen worden wäre und der Kläger dieses befolgt hätte.127 An letzterem Erfordernis wird es insbesondere dann fehlen, wenn der Kläger in dem Forum, in dem eine anti-suit injunction erwirkt werden kann, über kein Vermögen verfügt, in das die Zwangsvollstreckung hätte betrieben werden können. Denn eine grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung des Prozessführungsverbots ist – wie bereits oben gezeigt wurde – sehr unwahrscheinlich.128 Ist das abredewidrig angerufene Gericht zur Überprüfung seiner internationalen Zuständigkeit von Amts wegen verpflichtet, könnte eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs des Weiteren darauf gestützt werden, der Beklagte habe unnötig Kosten für die Geltendmachung der Gerichtsstandsvereinbarung aufgewendet. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht, da die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichtsstandsvereinbarung durchgesetzt 126
Kann der abredewidrig Beklagte die tutulierte Forderung nur anteilig ersetzt verlangen, weil er im prorogierten Forum nur teilweise obsiegt hätte, sind ihm auch die Verfahrenskosten, die im derogierten Forum entstanden sind, nur teilweise zu ersetzen. 127 Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (86). 128 S. oben § 8 A. I. 4. a), § 8 A. II. 4. a), § 8 A. III. 4.
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wird, höher ist, wenn der Beklagte die Zuständigkeit des Gerichts rügt und selbst auf die entgegenstehende Prorogation hinweist.129 Hat das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und ist die beklagte Partei der darauf folgenden Verhandlung in der Hauptsache ferngeblieben, könnte eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs mit der Begründung vorzunehmen sein, die Partei hätte erscheinen und versuchen müssen, eine für sie günstige Entscheidung in der Sache zu erreichen. Gegen eine Kürzung aus diesem Grund lässt sich jedoch zweierlei anführen: Es kann von dem Beklagten nicht erwartet werden, sich vor einem Gericht zu verteidigen, wenn er überzeugt ist, dass die internationale Zuständigkeit eines anderen Gerichts vereinbart worden ist.130 Das Erscheinen und Verhandeln zur Hauptsache kann dem Beklagten auch nicht zugemutet werden, da ein solches Verhalten in vielen Rechtsordnungen als rügelose Einlassung angesehen wird, die einer späteren Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung entgegensteht.131 Eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs könnte schließlich darauf gestützt werden, die beklagte Partei hätte den Schadensersatzanspruch wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung vor dem abredewidrig angerufenen Gericht einklagen sollen, um zu verhindern, dass Zeit und Kosten für die Durchführung eines Prozesses in einem anderen Forum aufgewendet werden. Eine Kürzung aus diesem Grund kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn das abredewidrig angerufene Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung mittels Klageabweisung bzw. -aussetzung durchgesetzt hat. Selbst in diesen Fällen kann vom Beklagten jedoch nicht ohne weiteres erwartet werden, dass er seinen Schadensersatzanspruch im derogierten Gericht geltend macht. Denn die Rechtskraft der Kostenentscheidung eines Gerichts steht – wie oben bereits gezeigt 132 – in manchen Rechtsordnungen einer Umverteilung der Kosten durch die Zuerkennung von Schadensersatz entgegen.133
129
Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (86); so auch Court of Appeal, 21.11.2001 – Union Discount Co. v. Zoller, [2001] EWCA Civ 1755, para. 33. 130 Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (86); Yeo/Tan, in: Worthington (Hrsg.), Commercial Law, 2003, S. 403 (425). 131 Das gilt etwa für England (s. oben § 9 A. I. 2.) und die USA (s. oben § 9 A. II. 2.). 132 Das gilt etwa für England, s. oben § 11 A. II. 1. a). 133 Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (87).
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IV. Internationale Zuständigkeit für Entscheidung über Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung Wie bei der auf Bereicherungsrecht gestützten Rückforderungsklage 134 stellt sich auch bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Missachtung einer Zuständigkeitsabrede die Frage nach dem hierfür international zuständigen Gericht. Richtig erscheint es, insoweit grundsätzlich dem prorogierten Forum die ausschließliche Entscheidungskompetenz einzuräumen.135 Für eine derartige Auslegung lässt sich häufig bereits der Wortlaut der Gerichtsstandsvereinbarung anführen. Enthält diese die übliche weite Formulierung, wonach am designierten Gerichtsstand sämtliche Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Hautpvertrag geltend zu machen sind, erscheint es richtig, auch Streitigkeiten betreffend die im Vertragswerk enthaltene Zuständigkeitsabrede als von dieser erfasst anzusehen.136 Die Erstreckung einer Prorogation auf Schadensersatzansprüche wegen abredewidriger Klage entspricht in der Regel auch dem mutmaßlichen Interesse der Parteien, da sie eine kosten- und zeiteffiziente Austragung ihrer Streitigkeiten fördert. Wie bereits oben gezeigt, kann es im Schadensersatzprozess häufig darauf ankommen, wie das prorogierte Gericht eine bestimmte Frage beurteilt hätte. Entscheidet dieses über die Schadensersatzhaftung wegen abredewidriger Klage von vornherein, werden den Parteien die Mühen für die Einholung von Gutachten über die Rechtslage im prorogierten Forum sowie langwierige Auseinandersetzungen über die Richtigkeit der vorgelegten Gutachten erspart. Gegen die hier befürwortete Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen lässt sich nicht überzeugend einwenden, dies stünde im Widerspruch zu dem Interesse der Parteien, aus einem Schadensersatzurteil gegen den abredewidrigen Kläger auch außerhalb des prorogierten Forums zu vollstrecken.137 Wie gleich noch zu zeigen sein wird, bestehen nämlich gute Aussichten darauf, dass ein Schadensersatzjudikat auch grenzüberschreitend Wirkung entfalten wird. Zu Recht wird außerdem vorgebracht, dass es den Parteien einer Gerichtsstandsvereinbarung offen steht, für die
134
S. oben § 10 C. So auch Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34) sowie Teile des spanischen Schrifttums, vgl. González, IPRax 2009, S. 529 (531) m.w.N. A.A. Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (92 f.). Eine Ausnahme von der hier favorisierten Lösung gilt selbstverständlich in Fällen, in denen die Parteien ausdrücklich ein anderes als das prorogierte Forum für zuständig bestimmt haben. 136 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). 137 So aber Takahashi, YPIL 11 (2009), S. 73 (93). 135
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hier interessierenden Fälle zusätzlich zu dem ausschließlich prorogierten Forum weitere Gerichtsstände vorzusehen.138
V. Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Schadensersatzurteils Abschließend ist zu untersuchen, welche Aussichten eine auswärtige Verurteilung zur Schadensersatzzahlung wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf Anerkennung und Vollstreckung in den hier interessierenden autonomen Rechtssystemen hat. Insbesondere drei Anerkennungsversagungsgründe kommen im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht in Betracht – fehlende Anerkennungszuständigkeit (1.), Vorliegen unvereinbarer Entscheidungen (2.) und Verstoß gegen den ordre public (3.). Im Rahmen der folgenden Darstellung wird zum einen danach unterschieden, ob das derogierte Gericht die vor ihm anhängig gemachte Klage wegen der Gerichtsstandsvereinbarung abgewiesen bzw. ausgesetzt (Konstellation 1) oder die Durchsetzung der Zuständigkeitsabrede verweigert und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat (Konstellation 2). Differenziert wird zum anderen danach, ob das ursprüngliche Judikat des nicht designierten Gerichts im Anerkennungsstaat erlassen wurde, oder – wie das Schadensersatzurteil – von einem ausländischen Gericht stammt. 1. Anerkennungsversagung wegen fehlender Anerkennungszuständigkeit Einem ausländischen Schadensersatzurteil wird in den hier verglichenen autonomen Rechten eine grenzüberschreitende Wirkung zu versagen sein, wenn das auswärtige Gericht aus Sicht des Anerkennungsstaats zur Entscheidung der Streitigkeit international nicht berufen war. Insoweit gelten die bereits oben im Zusammenhang mit der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Rückforderungsurteile dargestellten Grundsätze.139 Folgt das Anerkennungsgericht der hier vertretenen Auffassung, wonach eine Prorogation sich grundsätzlich auch auf Schadensersatzansprüche wegen abredewidriger Klage erstreckt 140 , wird die Beurteilung der Anerkennungszuständigkeit davon abhängen, ob das Gericht die konkrete Gerichtsstandsvereinbarung für zulässig und wirksam hält. Ist dieses Gericht hingegen der Ansicht, dass eine Prorogation die Entscheidungskompetenz des designierten Gerichts für Ansprüche wegen abredewidriger Klage prinzipiell nicht begründen kann, wird es ein ausländisches Schadensersatzurteil nur dann anerkennen, wenn sich die internationale Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts auf einen anderen Grund stützen lässt. 138
Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). S. oben § 10 D. I. 1. 140 S. oben § 11 A. IV. 139
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2. Anerkennungsversagung wegen unvereinbarer Entscheidungen Dem auswärtigen Schadensersatzurteil könnte die Anerkennung auch deshalb zu verweigern sein, weil es mit dem Titel des zunächst angerufenen nicht designierten Gerichts unvereinbar ist. Ob Unvereinbarkeit vorliegt, hängt – wie bereits oben erläutert – von den Urteilswirkungen der beiden Entscheidungen ab. Welche Effekte ein ausländisches Judikat im Inland auslöst, beurteilen deutsche und ein Teil der US-amerikanischen Gerichte unter Berücksichtigung des Rechts im Ursprungsstaat des Judikats, während andere US-amerikanische sowie die englischen Gerichte insoweit das Recht des Anerkennungsstaats für maßgeblich erachten.141 a) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Klage unter Hinweis auf die Gerichtsstandsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt Fraglich ist zunächst das Eingreifen des Anerkennungsversagungsgrunds der Entscheidungsunvereinbarkeit in der Konstellation 1: In dieser hat das ursprünglich angerufene Gericht die vor ihm anhängig gemachte Klage unter Hinweis auf die wirksame und ausschließliche Prorogation zugunsten eines anderen Forums abgewiesen bzw. ausgesetzt, der beklagten Partei jedoch keinen bzw. nur teilweisen Ersatz der ihr entstandenen Prozesskosten zugesprochen. In dem darauf folgenden Schadensersatzprozess hat der ursprüngliche Beklagte Ersatz der für seine Verteidigung vor dem Erstgericht aufgewendeten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten erwirkt. In der Konstellation 1 sind die Voraussetzungen für die Anerkennungsversagung gem. § 328 I Nr. 3 ZPO wohl nicht gegeben. Die Judikate weisen keine konträre Beurteilung von Aspekten auf, welchen den Kernpunkt der Rechtsstreitigkeiten bilden: Die Frage der Wirksamkeit und Reichweite der Zuständigkeitsabrede haben beide Gerichte einheitlich beantwortet, so dass eine Kollision insoweit von vornherein ausscheidet. Die unterschiedliche Verteilung der Prozesskosten vor dem abredewidrig angerufenen Gericht dürfte bereits deswegen unschädlich sein, da sie jedenfalls nicht im Mittelpunkt des Prozesses im forum derogatum steht. Gegenstand dieses Verfahrens sind vielmehr Rechte und Pflichten der Parteien im Zusammenhang mit dem Hauptvertrag, in dem die Gerichtsstandsvereinbarung enthalten ist. Im englischen und US-amerikanischen Recht wird der Anerkennungsversagungsgrund wegen Entscheidungsunvereinbarkeit in der Regel ebenfalls nicht eingreifen. Zwar gilt in diesen Rechtsordnungen eine Vorfragenbindung mit der Folge, dass die jeweiligen gerichtlichen Ausführungen über Wirksamkeit und Reichweite der Zuständigkeitsabrede in Rechtskraft erwachsen werden. Da beide Gerichte diese Aspekte gleich beurteilt haben, 141
S. oben § 10 D. I. 2.
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scheidet eine Unvereinbarkeit insoweit jedoch aus. Eine Rechtskraftkollision droht lediglich dann, wenn – wie in England – die Entscheidung über die Verteilung der Prozesskosten im ursprünglich angerufenen nicht designierten Gericht in res judicata erwächst und einer nachträglichen Umverteilung der Kosten im Wege eines Schadensersatzanspruchs entgegensteht. 142 Richtet sich die Rechtskraft dagegen nach US-amerikanischem Recht, scheidet eine Kollision aus, denn das Judikat des ursprünglich angerufenen Gerichts enthält keine abschließende Beurteilung darüber, wie die in dem dortigen Verfahren angefallenen Prozesskosten zu verteilen sind.143 b) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden Bei der Behandlung der Frage, ob in der Konstellation 2 der Anerkennungsversagungsgrund der Entscheidungsunvereinbarkeit greift, ist danach zu unterscheiden, ob das ursprünglich angerufene nicht designierte Gericht in der Sache zugunsten (aa.) oder zulasten (bb.) der dort beklagten Partei entschieden hat. aa) Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts in der Sache zugunsten der dort beklagten Partei In der hier interessierenden Unterkonstellation hat das ursprünglich angerufene Gericht die Durchsetzung der auf ein anderes Forum lautenden Zuständigkeitsabrede verweigert, die vor ihm anhängig gemachte Klage jedoch als unbegründet abgewiesen und der beklagten Partei keinen oder nur teilweisen Ersatz der ihr entstandenen Prozesskosten zugesprochen. In dem darauf folgenden Schadensersatzprozess hat der ursprünglich Beklagte Ersatz der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten erwirkt, die er für die Verteidigung vor dem Erstgericht aufgewendet hat. Lässt man mit der in Deutschland wohl überwiegenden Auffassung für das Vorliegen unvereinbarer Judikate i.S.v. § 328 Nr. 3 ZPO einen Widerspruch präjudizieller Feststellungen ausreichen 144, ist in der hier interessierenden Unterkonstellation eine Entscheidungskollision anzunehmen. Diese liegt darin begründet, dass das Gericht im forum derogatum der Zuständigkeitsabrede die Geltung abgesprochen hat, das später angerufene Gericht hingegen wegen Nichteinhaltung der Prorogation den ursprünglichen Kläger zum Schadensersatz verurteilt hat. Zu demselben Ergebnis gelangt man im englischen und US-amerikanischen Recht, wonach auch 142
S. oben § 11 A. II. 1. a). S. oben § 11 A. II. 1. a). 144 MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 97; Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 328 Rn. 20. 143
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Vorfragenbeurteilungen und somit die Entscheidung über Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung an der Rechtskraft teilhaben. Wegen der abweichenden Beurteilung dieser Fragen durch das ursprünglich angerufene Gericht und das Schadensersatzgericht ist eine Rechtskraftkollision anzunehmen. Welche Folgen die Entscheidungskollision hat, hängt davon ab, in welchem Staat das Urteil des ursprünglich angerufenen Gerichts ergangen ist. Wurde dieses im Anerkennungsstaat erlassen, werden englische und deutsche Gerichte dem Schadensersatzurteil stets die Anerkennung versagen; in den USA steht die Auflösung der Entscheidungskollision dagegen im richterlichen Ermessen. Entstammen weder das Urteil des ursprünglichen Gerichts noch das Schadensersatzurteil dem Anerkennungsland, wird letzterem Judikat die Anerkennung in England und Deutschland nur dann zu versagen sein, wenn das zeitlich früher ergangene Urteil des ursprünglich angerufenen Gerichts die sonstigen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt.145 Wurde letztere Entscheidung von einem drittstaatlichen Gericht erlassen, wird das Anerkennungsgericht insbesondere die Anerkennungszuständigkeit und somit auch die Frage prüfen, ob die auf ein anderes Forum lautende Prorogation der Entscheidung durch dieses Gericht entgegenstand. Kommt das Anerkennungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Zuständigkeit des ursprünglich befassten Gerichts wirksam derogiert war, wird es dem Judikat dieses Gerichts keinerlei Wirkung beimessen. Der Anerkennung des Schadensersatzurteils wird der Verweigerungsgrund wegen Entscheidungsunvereinbarkeit daher nicht entgegenstehen. bb) Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts in der Sache zulasten der dort beklagten Partei In der zweiten zu untersuchenden Unterkonstellation hat das ursprünglich angerufene Gericht die Durchsetzung der auf ein anderes Forum lautenden Zuständigkeitsabrede verweigert und die beklagte Partei in der Sache verurteilt. In dem sich anschließenden Prozess hat der ursprüngliche Beklagte Schadensersatz in Höhe der von dem Erstgericht titulierten Hauptforderung sowie der im dortigen Verfahren entstandenen Prozesskosten erwirkt. Unter diesen Umständen liegen die Voraussetzungen der Anerkennungsversagung wegen Entscheidungsunvereinbarkeit gem. § 328 Nr. 3 ZPO vor. In beiden Rechtsstreitigkeiten geht es im Kern darum, ob der ursprüngliche Kläger gegen den ehemaligen Beklagten einen Zahlungsanspruch im Zusammenhang mit dem Hauptvertrag hat, in welchem die Gerichtsstandsvereinbarung enthalten ist. Diese in beiden Prozessen zentrale 145
S. oben § 10 D. I. 2.
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Frage haben die Gerichte divergent beurteilt. Der Anerkennungsverweigerungsgrund der Entscheidungsunvereinbarkeit greift auch im englischen und US-amerikanischen Recht ein, wo Entscheidungen über Vorfragen prinzipiell in Rechtskraft erwachsen. Denn beide Titel enthalten widersprüchliche Beurteilungen sowohl betreffend die Frage nach Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung als auch in Bezug auf das Bestehen der Hauptforderung des früheren Klägers gegen den damaligen Beklagten. Die Folgen der Rechtskraftkollision hängen davon ab, ob das Urteil des ursprünglich angerufenen Gerichts dem Anerkennungsland entstammt. Ist das der Fall, werden englische und deutsche Gerichte die Anerkennung des Schadensersatzurteils stets wegen Entscheidungsunvereinbarkeit versagen. Die diesbezügliche Entscheidung der US-amerikanischen Gerichte ist dagegen in ihr Ermessen gestellt. Entstammt keines der Urteile dem Anerkennungsstaat, wird die Anerkennung des Schadensersatzjudikats in England und Deutschland lediglich dann zu versagen sein, wenn das Urteil des ursprünglich angerufenen Gerichts die sonstigen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllt. Englische und deutsche Gerichte werden – soweit das Urteil aus einem Drittstaat stammt – insbesondere prüfen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung der internationalen Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen Gerichts entgegensteht.146 Zusammenfassend ist somit festzuhalten: In der Konstellation 1 droht dem Schadensersatzurteil die Anerkennungsversagung wegen Entscheidungsunvereinbarkeit nur in seltenen Ausnahmefällen. In der Konstellation 2 sind die Anerkennungsaussichten des Schadensersatzjudikats in den Fällen als gering einzuschätzen, in denen der Anerkennungsstaat zugleich der Staat des derogierten Gerichts ist. Stammen hingegen aus Sicht des Anerkennungsgerichts beide Urteile aus dem Ausland, wird dem auswärtigen Schadensersatzurteil nur dann keine Wirkung beizumessen sein, wenn das Judikat des ursprünglich angerufenen, derogierten Gerichts anerkennungsfähig ist. 3. Anerkennungsversagung wegen ordre public-Verstoßes Die Verweigerung der Anerkennung des Schadensersatzurteils wegen Verletzung des ordre public ist in der Konstellation 1 unwahrscheinlich. Das Judikat kann nicht als Eingriff in die Justizhoheit des Staates angesehen werden, dem das ursprüngliche Urteil entstammt. Denn die Frage nach Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung wird in beiden Urteilen einheitlich beurteilt. Dass das Schadensersatzurteil eine abweichende Entscheidung über die Verteilung der Prozesskosten in dem 146
Vgl. zum Ganzen oben § 10 D. I. 2.
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ursprünglich angerufenen Gericht enthält, dürfte für das Eingreifen des ordre public-Vorbehalts unzureichend sein. Wie bereits oben ausgeführt, werden in den hier untersuchten Rechtsordnungen ausländische Urteile nämlich auch dann anerkannt, wenn die prozessuale Kostenentscheidung des Ursprungsgerichts erheblich von dem Kostenausspruch abweicht, den das Anerkennungsgericht unter den gegebenen Umständen getroffen hätte.147 In der Konstellation 2 droht dem Schadensersatzjudikat die Versagung der Anerkennung wegen ordre public-Verletzung jedenfalls dann, wenn das ursprüngliche Urteil dem Anerkennungsstaat entstammt, und das Schadensersatzurteil dem früheren Beklagten Ersatz der von dem Erstgericht titulierten Hauptforderung zuspricht. Die Situation in diesem Fall entspricht der oben untersuchten, in der sich die Entscheidung des ursprünglichen Gerichts in der Sache und ein später erlassenes Urteil entgegenstehen, in dem – gestützt auf bereicherungsrechtlichen Grundsätzen – die Rückzahlung des aufgrund des Ersturteils Geleisteten angeordnet wird. Es steht daher zu befürchten, dass das Anerkennungsgericht das Schadensersatzurteil als Eingriff in die eigene Justizhoheit ansieht und diesem die Anerkennung versagt. 148 Entstammt das ursprüngliche Urteil dagegen nicht dem Anerkennungsstaat, ist das Eingreifen des ordre public-Vorbehalts dagegen aufgrund der im Zusammenhang mit der bereicherungsrechtlichen Rückforderungsklage erläuterten Argumente149 weniger wahrscheinlich.
B. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in international vereinheitlichten Rechtssystemen Im Folgenden wird erörtert, ob eine unter Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung verklagte Partei im Anwendungsbereich der EuGVVO (I.) und des HGÜ (II.) die Möglichkeit hat, gegen den abredewidrigen Kläger Schadensersatz zu erlangen.
I. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage im Anwendungsbereich der EuGVVO Bei der Untersuchung der Vereinbarkeit der Zuerkennung von Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung mit der EuGVVO gilt es, danach zu unterscheiden, ob dem Schadensersatzprozess die abredewidrige Anrufung des Gerichts eines EU-Mitgliedstaats (1.) oder eines Drittstaats (2.) vorausgegangen ist. 147
S. oben § 11 A. III. 1. a) S. oben § 10 D. I. 3. 149 S. oben § 10 D. I. 3. 148
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1. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage vor den Gerichten eines EU-Mitgliedstaats Wurde abredewidrig vor einem mitgliedstaatlichen Gericht Klage erhoben, stellen sich im Zusammenhang mit der hier interessierenden Problematik insbesondere zwei Fragen, die im Folgenden getrennt behandelt werden. Es geht zum einen darum, ob die EuGVVO der Verurteilung des abredewidrigen Klägers zur Zahlung von Schadensersatz durch die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats entgegensteht (a.). Hält man eine solche Verurteilung – unter bestimmten Umständen – für zulässig, ist zum anderen zu klären, ob ein mitgliedstaatliches Schadensersatzjudikat im EU-Ausland anerkannt werden kann (b.). a) Vereinbarkeit der Zuerkennung von Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in einem EU-Mitgliedstaat mit der EuGVVO Ob die Zuerkennung von Schadensersatz durch die Gerichte eines EU-Mitgliedstaats wegen abredewidriger Klage in einem anderen EU-Mitgliedstaat mit der EuGVVO vereinbar ist150, wurde bisher – soweit ersichtlich – weder durch ein mitgliedstaatliches Gericht noch durch den EuGH entschieden. Im Schrifttum wird die Frage kontrovers diskutiert. Die unterschiedlichen Auffassungen und die jeweils vorgebrachten Argumente werden im Folgenden dargestellt (aa.) und kritisch gewürdigt (bb.). aa) Beurteilung der Problematik im Schrifttum In der Behandlung der hier zu untersuchenden Problematik haben sich im Schrifttum drei Lager herausgebildet: Während einige Autoren Schadensersatzansprüche wegen abredewidriger Klage grundsätzlich für unvereinbar mit dem System der EuGVVO halten (1), sprechen sich andere für die uneingeschränkte Zulässigkeit derartiger Ansprüche aus (2). Wiederum andere Stimmen in der Literatur befürworten eine differenzierende Betrachtung (3). (1) Literaturstimmen gegen die Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen Das deutsche sowie Teile des englischen Schrifttums sind der Auffassung, dass die Zuerkennung von Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in
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Für die Zuerkennung von Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in einem EU-Mitgliedstaat durch die Gerichte desselben Staats spielt die EuGVVO keine Rolle, da es sich insoweit es um eine rein innerstaatliche Problematik handelt.
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einem EU-Mitgliedstaat mit der EuGVVO unvereinbar ist. 151 Mit einem entsprechenden Schadensersatzurteil sei „ein Verdikt über die Unzuständigkeit des abredewidrig angerufenen Gerichts verbunden“ 152 , was im Widerspruch zu dem grundlegenden Prinzip der EuGVVO stehe, wonach jedes Gericht über seine eigene Zuständigkeit ausschließlich selbst und alle anderen Gerichte verdrängend entscheidet.153 Die Verurteilung zum Schadensersatz verletze außerdem das in der EuGH-Entscheidung Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. anerkannte Recht der Partei einer Gerichtsstandsvereinbarung, die Wirksamkeit der Abrede durch ein anderes als das designierte Gericht überprüfen zu lassen.154 Gegen die Zuerkennung von Schadensersatz wird außerdem vorgebracht, hierdurch würden die gleichen Zwecke verfolgt wie mit dem Erlass eines Prozessführungsverbots zur Durchsetzung einer Gerichtsstandsvereinbarung. Aufgrund der „Nähe“ beider Rechtsinstrumente sei davon auszugehen, dass der Schadensersatz wegen abredewidriger Klage im europäischen System dasselbe Schicksal teile wie eine anti-suit injunction, mit der einer Partei die Fortführung eines eingeleiteten Verfahrens untersagt wird. Da solche Prozessführungsverbote mit der EuGVVO unvereinbar sind155, sei auch die Zuerkennung von Schadensersatz innerhalb der EuGVVO unstatthaft.156 Mankowski argumentiert des Weiteren, der Gewährung von Schadensersatz und dem Erlass einer anti-suit injunction liege derselbe Primäranspruch zugrunde. Dieser bestehe darin, Klagen an einem anderen als dem vereinbarten Gerichtsstand zu unterlassen. Er sei daher „ebenso ‚infiziert’ wie die anti-suit injunction“. Aus der Unstatthaftigkeit des Primäranspruchs folge daher auch die Unstatthaftigkeit eines aus dessen Nichteinhaltung resultierenden Schadensersatzanspruchs. Es bedürfe jedenfalls „einer sehr guten Begründung, weshalb im europäischen System der Se-
151
Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (43– 45); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 863; Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (29 f.); Schlosser, in: FS Lindacher, 2007, S. 111 (120). Die Aussage von Schlosser bezieht sich jedoch lediglich auf die Zulässigkeit der Zuerkennung von Schadensersatz in Fällen, in denen das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und in der Sache zulasten der beklagten Partei entschieden hat. Ob Schlosser damit auch Schadensersatz in anderen Konstellationen für mit dem europäischen System unvereinbar hält, ist daher unklar. 152 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (29). 153 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (29); Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 863. 154 Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (45). 155 S. dazu ausführlich oben § 8 B. I. 1. 156 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (30); so auch die Schlussfolgerung von Schack, IZVR, 5. Aufl. 2010, Rn. 863.
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kundäranspruch ein anderes, günstigeres Schicksal haben sollte als der von ihm sanktionierte Primäranspruch.“157 (2) Die eine uneingeschränkte Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen befürwortende Auffassung Die Gegenauffassung findet sich im englischen Schrifttum. So etwa spricht sich Merrett für die uneingeschränkte Zulässigkeit von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich der EuGVVO aus. 158 Dem Wortlaut der Verordnung lasse sich kein entgegenstehendes Verbot entnehmen.159 Eine Unvereinbarkeit mit der EuGVVO ergebe sich auch nicht aus dem Grundsatz, dass jedes Gericht ausschließlich selbst über seine eigene Zuständigkeit zu urteilen hat. Denn die Zuerkennung von Schadensersatz berühre nicht die Befugnis des abredewidrig angerufenen Gerichts zur Zuständigkeitsentscheidung, sondern betreffe lediglich die durch die Gerichtsstandsvereinbarung begründeten „private rights“ der Parteien.160 (3) Differenzierende Ansichten Andere, wie Briggs, Joseph und Břiza, befürworten dagegen eine differenzierende Behandlung der Problematik. 161 Joseph und Břiza unterscheiden danach, ob das abredewidrig angerufene Gericht die Klage unter Hinweis auf die Zuständigkeitsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt oder die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. Im ersteren Fall sei kein Grund ersichtlich, den Gerichten eines anderen EU-Mitgliedstaats die Zuerkennung von Schadensersatz wegen Missachtung der Zuständigkeitsabrede zu verwehren. Im letzteren Fall dagegen sei Schadensersatz wegen abredewidriger Klage mit der EuGVVO nicht vereinbar, da die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts, die Gerichtsstandsabrede nicht durchzusetzen von dem im Schadensersatzprozess ersuchten Gericht zwingend zu respektieren sei.162 Briggs differenziert hingegen zwischen hauptsächlich drei Konstellationen: Die erste betrifft den Fall, dass die im forum derogatum erhobene Klage wegen entgegentstehender Zuständigkeitsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt wurde. In der zweiten hat das abredewidrig angerufene Gericht 157
Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (30). Merrett, ICLQ 55 (2006), S. 315 (332). 159 Merrett, ICLQ 55 (2006), S. 315 (332). 160 Merrett, ICLQ 55 (2006), S. 315 (332 f.). 161 Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.63–8.76; Joseph, Agreements, 2005, Rn. 14.13 f.; Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (549–551). 162 Joseph, Agreements, 2005, Rn. 14.14; Břiza, J. Priv. Int. L. 5 (2009), S. 537 (549– 551). 158
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die Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede dagegen verweigert, in der Sache jedoch zugunsten des Beklagten und späteren Schadensersatzklägers entschieden. In dem letzten Fall hat das abredewidrig angerufene Gericht der Zuständigkeitsabrede nicht zur Wirkung verholfen und in der Sache zulasten der beklagten Partei entschieden.163 In der ersten Konstellation bestehen aus Sicht von Briggs keine Bedenken gegen die Zuerkennung von Schadensersatz. 164 Einschränkungen könnten sich lediglich daraus ergeben, dass das Schadensersatzgericht nach Art. 33 f. EuGVVO prinzipiell verpflichtet ist, das Urteil des abredewidrig angerufenen Gerichts und eine dort enthaltene Kostenentscheidung anzuerkennen sowie dem Judikat die Wirkungen beizumessen, die ihm im Ursprungsstaat zukommen 165 . Beinhalte die auswärtige Kostenentscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats eine abschließende Beurteilung der Frage, wie die Prozesskosten zwischen den Parteien zu verteilen sind – wie dies etwa in England der Fall ist –, müsse dies das im Schadensersatzprozess angerufene Gericht berücksichtigen. Eine Klage auf Ersatz der im abredewidrigen Forum nicht zugesprochenen Prozesskosten hätte demnach keinen Erfolg.166 In der zweiten Konstellation ist nach der Auffassung von Briggs danach zu differenzieren, aus welchem Grund das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Zuständigkeitsvereinbarung verweigert hat. Ging es davon aus, dass zwischen den Parteien eine Abrede über die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts nicht existiert, sei es den Gerichten anderer EU-Mitgliedstaaten verwehrt, Schadensersatz wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung zuzusprechen. 167 Gelangte das abredewidrig angerufene Gericht dagegen zu dem Ergebnis, dass die Abrede den formellen Anforderungen von Art. 23 I, II EuGVVO nicht genügt oder den Art. 13, 17, 21, 22 EuGVVO zuwiderläuft, sei die Zuerkennung von Schadensersatz wegen Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung mit dem System der EuGVVO grundsätzlich vereinbar. Aus Sicht von Briggs sind nämlich zwei Fragen stets auseinanderzuhalten: Zum einen, ob zwischen den Parteien eine bindende Abrede über die ausschließliche internationale Zuständigkeit existiert. Zum anderen, ob diese Abrede auch geeignet ist, die Zuständigkeit des designierten Gerichts zu begründen und die aller anderen Gerichte auszuschließen. Entfalte eine Gerichtsstandsvereinbarung aus einem bestimmten Grund keine Derogationswirkung, be163
Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.65. Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.67. 165 S. zu der grundsätzlichen Geltung der Wirkungserstreckungstheorie im Anwendungsbereich der EuGVVO oben § 10 D. II. 1. a). 166 Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.68. 167 Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.70. 164
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deute dies daher nicht, dass aus dieser Abrede keine bindenden Verpflichtungen für die Parteien resultieren können. Die Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts, dass seine internationale Zuständigkeit nicht wirksam abbedungen wurde, werde daher durch die nachträgliche Zuerkennung von Schadensersatz wegen Verletzung der aus der Gerichtsstandsabrede resultierenden Pflicht, kein anderes als das designierte Gericht anzurufen, nicht konterkariert.168 In der dritten Konstellation, in der das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und in der Sache zulasten der dort beklagten Partei entschieden hat, verneint Briggs hingegen die Vereinbarkeit von Schadensersatzansprüchen mit dem System der EuGVVO. In diesen Fällen wird der Kläger im Schadensersatzprozess üblicherweise geltend machen, dass das prorogierte Gericht in der Sache anders als das abredewidrig angerufene entschieden hätte, und der titulierte Anspruch dem abredewidrigen Kläger nicht oder nicht in der zugesprochenen Höhe zusteht. Die im Rahmen des Schadensersatzprozesses zu beurteilende Frage, ob das prorogierte Gericht in der Sache zu einem anderen Ergebnis als das abredewidrig angerufene gelangt wäre, erfordert aus Sicht von Briggs eine Nachprüfung der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts. Eine solche ist im europäischen System jedoch gem. Art. 36 EuGVVO unzulässig, so dass auch die Zuerkennung von Schadensersatz, die mit einer solchen Nachprüfung einhergeht, mit der Verordnung nicht zu vereinbaren sei.169 bb) Kritische Würdigung der Auffassungen im Schrifttum Bei der Beurteilung der Frage, ob die Zuerkennung von Schadensersatz durch die Gerichte eines EU-Mitgliedstaats wegen abredewidriger Klage in einem anderen EU-Mitgliedstaat in der EuGVVO zulässig ist, erscheint es angemessen – wie von Joseph und Břiza vorgeschlagen – zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden. Die erste betrifft den Fall, dass das abredewidrig angerufene Gericht der Zuständigkeitsvereinbarung durch Abweisung bzw. Aussetzung der vor ihm anhängig gemachten Klage zur Wirkung verholfen hat (Konstellation 1). In der zweiten Konstellation wurde im forum derogatum die Durchsetzung der Abrede verweigert und eine Entscheidung in der Sache getroffen (Konstellation 2). Während sich in letzterer Konstellation die Zuerkennung von Schadensersatz mit dem System der EuGVVO nicht vereinbaren lässt (1.), stehen der Verurteilung von Schadensersatz durch ein mitgliedstaatliches Gericht in der ersten Konstellation keine zwingenden Gründe entgegen (2.). 168 169
Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.70 f. Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.73–8.75.
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(1) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes Gericht eines EU-Mitgliedstaats hat Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert und in der Sache entschieden Hinsichtlich der Behandlung von Fällen, in denen das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede abgelehnt hat, ist der im deutschen und in Teilen des englischen Schrifttums vertretenen Auffassung zuzustimmen, wonach Schadensersatzansprüche wegen Missachtung der Zuständigkeitsabrede mit der EuGVVO unvereinbar sind170. Hierfür spricht zum einen das der EuGVVO zugrunde liegende Prinzip, wonach die Mitgliedstaaten gegenseitig ihren Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen Vertrauen entgegenzubringen haben 171 . Ein wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens ist, dass im Anwendungsbereich der EuGVVO dessen Zuständigkeitsregeln, die allen Gerichten der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, von jedem der mitgliedstaatlichen Gerichte mit gleicher Sachkenntnis ausgelegt und angewandt werden können. 172 Jedes mitgliedstaatliche Gericht entscheidet selbst über seine Zuständigkeit, weil die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nicht besser in der Lage sind, über die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts zu befinden. 173 Eine Überprüfung des Zuständigkeitsentscheids im Zweitland erscheint daher unangebracht. Genau hierzu kommt es jedoch, wenn ein mitgliedstaatliches Gericht Schadensersatz wegen abredewidriger Anrufung der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats zuspricht, obwohl letztere Gerichte die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verweigert haben. Denn die Zuerkennung von Schadensersatz erfordert stets die Feststellung, dass die Entscheidungskompetenz des Erstgerichts entgegen seiner Auffassung nicht gegeben war. Der Einwand von Merrett, der Schadensersatz habe nicht die Zuständigkeitsbeurteilung des abredewidrig angerufenen Gerichts zum Gegenstand, sondern betreffe lediglich die aus der Gerichtsstandsvereinbarung resultierenden „private rights“ der Parteien174, sowie das Argument von Briggs, im Schadensersatzprozess gehe es nicht um die vom Erstgericht beurteilte Frage, ob die Zuständigkeitsabrede Pro- und Derogationswirkung entfaltet, sondern ausschließlich um die aus der Abrede erwachsende Verpflichtung
170
Vgl. oben § 11 B. I. 1. a) aa) (1). Vgl. zuletzt EuGH, 10.02.2009 – C-185/07, Allianz SpA ./. Westtankers Inc., Slg. 2009, I-663, Rn. 30. 172 EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565, Rn. 25. Ausführlich zu dieser Entscheidung oben § 8 B. I. 1. 173 EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I14693, Rn. 48. Ausführlich zu dieser Entscheidung oben § 7 B. I. 1. e) aa). 174 S. oben § 11 B. I. 1. a) aa) (2). 171
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der Parteien, vor keinem anderen als dem designierten Gericht zu klagen175, sind zurückzuweisen. Die vorgeschlagene Unterscheidung zwischen vertraglicher und zuständigkeitsrechtlicher Ebene von Gerichtsstandsvereinbarungen überzeugt nicht, weil diese Ebenen im Anwendungsbereich der EuGVVO sehr eng miteinander verknüpft sind. Anders als in England, wo eine wirksam abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung nicht automatisch pro- bzw. derogierende Wirkung hat, sondern es im Ermessen der Gerichte steht, der Abrede eine solche Wirkung zu verleihen176, hat eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 EuGVVO unmittelbar die Begründung der internationalen Zuständigkeit des designierten Gerichts und den Ausschluss der Zuständigkeit aller anderen Gerichte zur Folge.177 Erforderlich ist lediglich, dass die ausschließliche Prorogation im Prozess entsprechend geltend gemacht wird. Aufgrund dieser Verzahnung der vertraglichen und zuständigkeitsrechtlichen Dimension von Gerichtsstandsvereinbarungen im Geltungsbereich der EuGVVO erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass der EuGH einer Differenzierung dieser Ebenen zustimmen und die Zuerkennung von Schadensersatz in der hier interessierenden Konstellation für zulässig erklären wird. Hinzu kommt, dass der EuGH in der Entscheidung Turner ./. Grovit einer ähnlichen Argumentation wie der von Briggs und Merrett bereits eine Absage erteilt hat. Das House of Lords hatte als Vorlagegericht vorgebracht, eine anti-suit injunction, mit der ein mitgliedstaatliches Gericht einer Partei verbietet, ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats fortzuführen, habe nicht die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts zum Gegenstand. Sie richte sich lediglich gegen den ausländischen Kläger und berücksichtige auch nur, ob dieser die Klage mit dem Ziel erhoben hat, ein bei anderen mitgliedstaatlichen Gerichten anhängiges Verfahren zu behindern.178 Der EuGH wies dieses Argument zurück: Die Würdigung der Treuwidrigkeit des Klageverhaltens beinhalte eine Beurteilung der Angemessenheit der Klagerhebung vor einem anderen Gericht. Die Vornahme einer derartigen Bewertung verstoße jedoch gegen den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der es einem mitgliedstaatlichen Gericht grundsätzlich untersagt, die Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats zu prüfen.179 Überträgt man diese Ausführungen auf die hier interessierenden Fälle, bedeutet dies: Wird im Schadensersatzprozess beanstandet, dass die dort beklagte Partei durch die vorhergehende 175
S. oben § 11 B. I. 1. a) aa) (3). S. oben § 3 A. I. 2. b). 177 S. oben § 3 B. I. 2. 178 Vgl. House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an EuGH), paras. 23 f. 179 EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565, Rn. 28. 176
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Klageerhebung in einem EU-Staat ihre aus einer Prorogation resultierende Verpflichtung verletzt hat, beinhaltet die Würdigung des Verhaltens dieser Partei eine mit dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens unvereinbare Beurteilung der Angemessenheit der Anrufung eines mitgliedstaatlichen Gerichts. Dass der EuGH, wenn er über die hier untersuchte Konstellation zu befinden hätte, auf seine Argumentation aus Turner ./. Grovit zurückgreifen wird, erscheint entgegen Briggs180, der geltend macht, dass in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall zwischen den Beteiligten keine Gerichtsstandsvereinbarung existierte, nicht unwahrscheinlich. Denn seit dem Urteil in der Sache Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., in dem der Gerichtshof klarstellte, dass der strenge Prioritätsgrundsatz von Art. 27 I EuGVVO auch zugunsten eines abredewidrig eingeleiteten mitgliedstaatlichen Gerichtsverfahrens greift 181, und der Entscheidung Allianz SpA ./. Westtankers Inc., in der anti-suit injunctions zur Durchsetzung einer Schiedsvereinbarung im Anwendungsbereich der EuGVVO für unzulässig erklärt wurden182, steht fest, dass das Vorliegen einer Zuständigkeitsabrede grundsätzlich keine Ausnahmen rechtfertigt vom Prinzip des gegenseitigen Vertrauens und dem daraus folgenden Verbot, die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats zu überprüfen. Die Zuerkennung von Schadensersatz in der Konstellation 2 ist auch deswegen abzulehnen, weil ansonsten unter Umständen ein Verstoß gegen die Pflicht mitgliedstaatlicher Gerichte zur Anerkennung von Urteilen aus anderen Mitgliedstaaten droht. Die Entscheidung des abredewidrig angerufenen mitgliedstaatlichen Gerichts hat das im Schadensersatzprozess angerufene Gericht eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 33 f. EuGVVO prinzipiell anzuerkennen. Die Anerkennung kann gem. Art. 35 III EuGVVO – von den Ausnahmefällen in Art. 35 I EuGVVO abgesehen – insbesondere nicht unter Hinweis auf die entgegenstehende Gerichtsstandsabrede verweigert werden. Die Anerkennungspflicht hat zur Folge, dass das Schadensersatzgericht dem Judikat des abredewidrig angerufenen Gerichts die Urteilswirkungen beimessen muss, die dem Titel nach dem Recht des Ursprungsstaats zukommen. 183 Folgt das Recht dieses Staates einem weiten Rechtskraftverständnis – wie etwa in England, wo auch Vorfragen von der
180
Briggs, Agreements, 2008, Rn. 8.72. EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I14693. S. ausführlich zu der Entscheidung oben § 7 B. I. 1. e) aa). 182 EuGH, 10.02.2009 – C-185/07, Allianz SpA ./. Westtankers Inc., Slg. 2009, I-663. S. zu dieser Entscheidung oben § 8 B. I. 1. b). 183 S. zu der Geltung der Wirkungserstreckungstheorie in der EuGVVO oben § 10 D. II. 1. a). 181
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res judicata erfasst sind 184 – sind die Feststellungen des derogierten Gerichts bzgl. Wirksamkeit und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung sowie die Beurteilung der dort geltend gemachten Hauptforderung für das Schadensersatzgericht bindend. Letzterem ist es daher verwehrt, im Wege der Zuerkennung von Schadensersatz über Existenz und Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung sowie über Bestehen und Höhe der Hauptforderung eine Entscheidung zu treffen, die von der des abredewidrig angerufenen Gerichts abweicht. Steht im Einzelfall nicht bereits die Rechtskraft der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts der Zuerkennung von Schadensersatz entgegen, lässt sich gegen die Zulässigkeit einer Schadensersatzhaftung in der Konstellation 2 schließlich auch das in Art. 36 EuGVVO verankerte Verbot der révision au fond führen, wonach anzuerkennende ausländische Entscheidungen keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden dürfen. Dem Schadensersatzgericht ist es danach verwehrt, das anzuerkennende Judikat des abredewidrig angerufenen Gerichts in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht zu kontrollieren.185 Genau dies geschieht jedoch, wenn im Schadensersatzprozess geltend gemacht wird, das prorogierte Gericht hätte in der Sache anders als das abredewidrig angerufene entschieden: Bei der Beurteilung des Schadensersatzbegehrens prüft das Gericht – wie bereits oben ausgeführt186 –, ob unter Zugrundelegung des im prorogierten Forum geltenden Prozess- und materiellen Rechts die Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts in der Sache aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen anders ausfiele. Eine solche Prüfung hat das Schadensersatzgericht nicht nur dann vorzunehmen, wenn der ursprüngliche Beklagte und Schadensersatzkläger vor dem abredewidrig angerufenen Gericht in der Sache unterlegen war, sondern unter Umständen auch, wenn er obsiegt hat. Denn in letzterem Fall steht dem ursprünglichen Kläger und Schadensersatzbeklagten im Schadensersatzprozess – wie oben dargestellt – der Einwand offen, dass das prorogierte Gericht in der Sache zu seinen Gunsten entschieden hätte.187 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass in der Konstellation 2 die Zuerkennung von Schadensersatz durch ein mitgliedstaatliches Gericht wegen abredewidriger Klage in einem anderen EU-Staat mit der EuGVVO unvereinbar ist.
184
S. oben § 10 D. I. 2. Vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, Art. 36 EuGVVO Rn. 1; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 36 EuGVVO Rn. 2. 186 S. oben § 11 A. III. 1. b). 187 S. oben § 11 A. III. 1. b) aa). 185
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(2) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes Gericht eines EU-Mitgliedstaats hat wegen der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung die Klage abgewiesen bzw. ausgesetzt In Fällen, in denen das abredewidrig angerufene Gericht die vor ihm anhängig gemachte Klage wegen der auf ein anderes Forum lautenden Prorogation abgewiesen bzw. ausgesetzt hat, ist dagegen der Auffassung beizupflichten, wonach die Verurteilung zum Schadensersatz wegen Missachtung der Zuständigkeitsabrede zulässig ist188. Das Schadensersatzgericht setzt sich mit der Feststellung, dass die Gerichtsstandsvereinbarung der Klage im auswärtigen Forum entgegensteht – anders in der Konstellation 2 – nicht im Widerspruch zu der Beurteilung des derogierten Gerichts, sondern bestätigt vielmehr die vom letzteren getroffene Entscheidung über die internationale Zuständigkeit. Dem Rechtssystem und den Rechtspflegeorganen des Mitgliedstaats des derogierten Gerichts wird durch das Schadensersatzgericht somit das europarechtlich gebotene Vertrauen entgegengebracht. Die Kompetenz des abredewidrig angerufenen Gerichts, die Zuständigkeitsregeln der EuGVVO – in diesem Fall Art. 23 – mit Sachkenntnis auszulegen und anzuwenden, wird nicht in Zweifel gezogen, sondern gerade bekräftigt. Die Zuerkennung von Schadensersatz in der Konstellation 1 steht auch nicht im Widerspruch zu den in der EuGH-Entscheidung Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. etablierten Grundsätzen. 189 Dieses Urteil besagt lediglich, dass es ausschließlich Sache des zuerst angerufenen Gerichts ist, über seine internationale Zuständigkeit zu befinden, selbst wenn eine Prorogation zugunsten eines anderen Gerichts vorliegt. Hieraus lässt sich allerdings nicht folgern, dass eine Partei von Kostenrisiken verschont bleiben soll, wenn sie vor das derogierte Gericht zieht. Der EuGH hat nur die Befugnis des erstangerufenen Gerichts zur prioritären Entscheidung über die Zuständigkeit bestätigt, nicht aber die Frage behandelt, wer die Kosten zu tragen hat, wenn sich dieses Gericht letztlich für unzuständig erklärt. Die Zuerkennung von Schadensersatz in der Konstellation 1 führt auch nicht zu einer Verletzung der aus Art. 33 f. EuGVVO resultierenden grundsätzlichen Pflicht des Schadensersatzgerichts, das Urteil des derogierten Gerichts anzuerkennen. Mangels Identität des Streitgegenstands beider Verfahren wird die Rechtskraft des letzteren Judikats der Erhebung der Schadensersatzklage nicht entgegenstehen: Gegenstand des Prozesses vor dem abredewidrig angerufenen Gericht war eine Streitigkeit aus dem Hauptvertrag, in dem die Zuständigkeitsabrede enthalten ist. Das Verfah188
S. oben § 11 B. I. 1. a) aa) (3). So aber Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (45). 189
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ren vor dem Schadensersatzgericht betrifft dagegen die Ersatzfähigkeit der Prozesskosten, die die abredewidrig verklagte Partei für die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung aufgewendet hat. Erwächst nach dem Recht des Staates des derogierten Gerichts seine Entscheidung über die Vorfrage bzgl. Wirksamkeit und Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung in Rechtskraft, lässt sich daraus ebenfalls kein Argument gegen die Statthaftigkeit der Zuerkennung von Schadensersatz ableiten. Eine derartige Reichweite der Rechtskraft hat lediglich zur Folge, dass das Schadensersatzgericht an die betreffenden Beurteilungen des abredewidrig angerufenen Gerichts gebunden ist. Sie hindert ersteres Gericht jedoch nicht daran, unter Zugrundelegung dieser Beurteilungen den abredewidrigen Kläger zum Schadensersatz zu verurteilen. Dasselbe gilt in Fällen, in denen die Kostenentscheidung des derogierten Gerichts in Rechtskraft erwächst und eine bindende Beurteilung über die Verteilung der Prozesskosten in dem vor diesem Gericht durchgeführten Verfahren enthält. Das Schadensersatzgericht hat dies entsprechend zu berücksichtigen und kann der abredewidrig verklagten Partei die in der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts nicht zuerkannten Prozesskosten nicht zusprechen. Die Zuerkennung von Schadensersatz in der Konstellation 1 widerspricht somit nicht dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens. Steht dieses Prinzip, welches das Hauptargument gegen die Zulässigkeit von anti-suit injunctions gegen im EU-Ausland Klagende darstellt190, der Gewährung von Schadensersatz nicht entgegen, liegt folglich – um mit den Worten von Mankowski zu sprechen – ein gewichtiger Grund vor, weshalb im europäischen System der Schadensersatzanspruch wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung als Sekundäranspruch ein günstigeres Schicksal haben sollte als der von ihm sanktionierte Primäranspruch, gerichtet auf Unterlassung abredewidriger Klagen. Gegen die Statthaftigkeit von Schadensersatz in der Konstellation 1 greifen schließlich auch nicht die Bedenken durch, die Generalanwalt Colomer in den Schlussanträgen in der Sache Turner ./. Grovit gegen antisuit injunctions geäußert hat, nämlich dass durch die Zulassung solcher Anordnungen ein Ungleichgewicht zu entsteht droht, da nur die Rechtsordnungen der common law-Tradition Prozessführungsverbote kennen191. Wie ein Urteil des höchsten spanischen Gerichts aus der jüngeren Zeit zeigt, kann die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung durchaus auch in
190
S. oben § 8 B. I. 1. b). Generalanwalt Colomer, Schlussanträge v. 20.11.2003 (Rs. C-159/02 – Turner ./. Grovit), Slg. 2004, I-3565, Rn. 33. 191
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civil law-Rechtssystemen Schadensersatzansprüche zur Folge haben. 192 Auch wenn in Deutschland vergleichbare Urteile noch fehlen, ist es aufgrund der immer weiter wachsenden Anzahl von Befürwortern einer Schadensersatzhaftung bei abredewidriger Klage193 nicht unwahrscheinlich, dass deutsche Gerichte in Zukunft Parteien, die unter Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung verklagt wurden, ebenfalls Schadensersatzansprüche zuerkennen werden. Zusammenfassend gilt somit, dass in der Konstellation 1 die Verurteilung zum Schadensersatz wegen abredewidriger Klage mit dem System der EuGVVO vereinbar ist. b) Anerkennung eines mitgliedstaatlichen Schadensersatzurteils im EU-Ausland Hat ein mitgliedstaatliches Gericht die Partei einer Gerichtsstandsvereinbarung wegen abredewidriger Klage vor den Gerichten eines anderen EUMitgliedstaats zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, fragt sich, ob dieses Judikat im EU-Ausland anerkannt werden kann. Bei der Behandlung der Problematik ist zwischen den beiden oben genannten Konstellationen zu unterscheiden. aa) Konstellation 2: Abredewidrig angerufenes mitgliedstaatliches Gericht hat Durchsetzung der Gerichtsstandsabrede verweigert und in der Sache entschieden In der Konstellation 2 ist die EU-weite Anerkennung eines Schadensersatzurteils unwahrscheinlich. Sie wird häufig bereits wegen Unvereinbarkeit des Judikats mit dem Richterspruch des abredewidrig angerufenen Gerichts gem. Art. 34 Nr. 3, 4 EuGVVO zu verneinen sein. Unvereinbar sind Entscheidungen im Sinne dieser Norm, wie bereits oben ausgeführt, wenn sie Rechtsfolgen haben, die sich gegenseitig ausschließen. 194 Gegenteilige Rechtsfolgen werden das Judikat des abredewidrig angerufenen Gerichts und das des Schadensersatzgerichts dann aufweisen, wenn der Kläger bzw. der Beklagte im Schadensersatzprozess mit dem Einwand durchdringt, das prorogierte Gericht hätte in der Sache anders als das abredewidrig angerufene befunden. Das Eingreifen von Art. 34 Nr. 3, 4 EuGVVO kommt dementsprechend etwa dann in Betracht, wenn das abredewidrig angerufene Gericht zu dem Ergebnis gelangt war, dass der dortige Kläger gegen den dortigen Beklagten einen Anspruch auf Zahlung hat, während das im Scha
192 S. ausführlich dazu González, IPRax 2009, S. 529 sowie Requejo, Value of Choice of Forum Clauses in Spain. 193 S. oben § 8 A. III. 1. a). 194 S. oben § 10 D. II. 1. a).
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densersatzprozess ersuchte Gericht die Existenz dieses Anspruchs verneint hat. Die EU-weite Anerkennung eines Schadensersatzurteils in der Konstellation 2 dürfte darüber hinaus wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung gem. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO ausscheiden. Der Inhalt des ordre public-Vorbehalts im Sinne dieser Norm ist – wie bereits oben ausgeführt – nicht nur nach dem nationalen Recht des Anerkennungsstaats, sondern auch unter Berücksichtigung der grundlegenden Prinzipien des Gemeinschaftsrechts zu bestimmen.195 Folgt man der hier vertretenen Ansicht, wonach der Verurteilung zum Schadensersatz in der Konstellation 2 der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die Rechtssysteme und Rechtspflegeorgane der EU-Mitgliedstaaten entgegensteht 196 , erscheint es geboten, der Bedeutung dieses Prinzips im europäischen System durch Versagung der Anerkennung eines Schadensersatzurteils im EU-Ausland Rechnung zu tragen. bb) Konstellation 1: Abredewidrig angerufenes mitgliedstaatliches Gericht hat wegen der Zuständigkeitsabrede die Klage abgewiesen bzw. ausgesetzt Bessere Anerkennungsaussichten hat ein Schadensersatzjudikat dagegen in der Konstellation 1. In dieser werden die Versagungsgründe von Art. 34 Nr. 3, 4 EuGVVO regelmäßig nicht greifen. Denn die Rechtsfolge des Urteils aus dem abredewidrigen Forum, nämlich Klageabweisung bzw. -aussetzung sowie unter Umständen Verpflichtung der unterlegenen Partei zur teilweisen Tragung der Prozesskosten, wird grundsätzlich nicht im Widerspruch stehen zu der Rechtsfolge des Judikats des Schadensersatzgerichts, nämlich Verpflichtung des abredewidrigen Klägers, die Kosten des Verfahrens vor dem derogierten Gericht zu tragen. Entscheidungsunvereinbarkeit droht lediglich in Fällen, in denen die Kostenentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts nach dem Recht des Ursprungsstaats in Rechtskraft erwächst und eine abschließende Beurteilung der Frage enthält, wie die im dortigen Prozess angefallenen Verfahrenskosten zwischen den Parteien zu verteilen sind.197 Schließt man sich der hier vertretenen Auffassung an, wonach die Zuerkennung von Schadensersatz in der Konstellation 1 mit dem europäischen System vereinbar ist198, kann die Anerkennung eines Schadensersatzurteils auch nicht wegen Verstoßes gegen grundlegende Prinzipien des Gemeinschaftsrechts nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO verweigert werden. Einem mit195
S. oben § 8 B. I. 1. c). S. oben § 11 B. I. 1. a) bb). 197 Dies ist etwa nach englischem Recht der Fall, s. oben § 11 A. II. 1. a). 198 S. oben § 11 B. I. 1. a) bb) (2). 196
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gliedstaatlichen Gericht wird dadurch jedoch nicht verwehrt, die Durchsetzung eines ausländischen Schadensersatzjudikats unter Hinweis auf den ordre public-Vorbehalt wegen drohender Verletzung von wesentlichen Grundsätzen des nationalen Rechts im Anerkennungsstaat zu verweigern. 2. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage vor einem drittstaatlichen Gericht Die oben dargestellten Argumente für eine lediglich eingeschränkte Befugnis mitgliedstaatlicher Gerichte, Schadensersatz wegen abredewidriger Klage vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats zuzusprechen199, beanspruchen im Verhältnis zu den Gerichten eines Drittstaats keine Geltung. Die EuGVVO verfolgt nicht das Regelungsziel, über den Kreis der Mitgliedstaaten hinaus einen international geordneten Rechtsverkehr sicherzustellen, so dass die Verordnung auch keine Pflicht mitgliedstaatlicher Gerichte stipuliert, drittstaatlichen Gerichten Vertrauen in dem Maß entgegenzubringen, welches sie den Gerichten anderer Mitgliedstaaten schulden. Aus der EuGVVO ergeben sich daher für die Zuerkennung von Schadensersatz wegen abredewidriger Anrufung eines drittstaatlichen Gerichts keine Begrenzungen. Insoweit besteht eine Parallele zu der Drittstaatenproblematik im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit der Untersagung des abredewidrigen Prozessierens vor einem drittstaatlichen Gericht.200 Hat ein mitgliedstaatliches Gericht die Partei einer Gerichtsstandsvereinbarung wegen abredewidriger Klage in einem Drittstaat zum Schadensersatz verurteilt, wird die Durchsetzung dieses Judikats im EU-Ausland regelmäßig bereits deswegen nicht an Art. 34 Nr. 4 EuGVVO wegen Unvereinbarkeit mit dem Titel aus dem drittstaatlichen Forum scheitern, da viele Mitgliedstaaten letzteres Judikat nach autonomem Recht aufgrund der entgegenstehenden Zuständigkeitsabrede nicht anerkennen werden. Ob der Anerkennung des mitgliedstaatlichen Schadensersatzurteils der ordre public-Vorbehalt von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO entgegenstehen wird, wird sich nach dem jeweiligen nationalen Recht des Anerkennungsstaats richten.
II. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage im Anwendungsbereich des HGÜ Abschließend ist zu erläutern, ob die Zuerkennung von Schadensersatz wegen Missachtung einer Gerichtsstandsabrede mit den Regelungen des HGÜ vereinbar ist und ob in dessen Anwendungsbereich das Schadenser199 200
S. oben § 11 B. I. 1. a) bb) (1). S. oben § 8 B. I. 2.
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satzurteil eines vertragsstaatlichen Gerichts in einem anderen Vertragsstaat anerkannt werden könnte. Das Übereinkommen enthält keine ausdrückliche Regelung zu der Frage, ob die Verurteilung zur Zahlung vom Schadensersatz wegen abredewidriger Anrufung eines vertragsstaatlichen Gerichts zulässig ist. Umgekehrt lässt sich den HGÜ-Vorschriften – im Gegensatz zu den EuGVVO-Normen – jedenfalls keinerlei Anhaltspunkt für die Unstatthaftigkeit einer derartigen Schadensersatzklage entnehmen. Die Anerkennung eines Schadensersatzurteils wird sich nur dann nach den Regeln des HGÜ richten, wenn man der hier vertretenen Auffassung folgt, wonach das prorogierte Gericht für die Entscheidung über Schadensersatzansprüche wegen abredewidriger Klage ausschließlich zuständig ist.201 Denn Art. 8 f. HGÜ gelten nur für Urteile, die aus dem designierten Forum stammen. Als Gründe für die Versagung der Anerkennung eines Schadensersatzjudikats kommen die in Art. 9 lit. e-g HGÜ aufgezählten in Betracht. Ob die Anerkennung wegen Unvereinbarkeit mit dem Titel des abredewidrig angerufenen Gerichts nach Art. 9 lit. f, g HGÜ zu verweigern ist, bestimmt sich – wie bereits oben dargestellt 202 – nach dem insoweit geltenden Recht des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaats. Unter Berücksichtigung des Rechts dieses Staats ist auch zu beurteilen, ob der Anerkennung der ordre public-Vorbehalt gem. Art. 9 lit. e HGÜ entgegensteht. Für die insoweit im autonomen englischen, US-amerikanischen und deutschen Recht geltenden Besonderheiten wird auf die obigen Ländergutachten verwiesen.203
C. Schadensersatz wegen Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Reformvorschläge für die EuGVVO Grundlegend unterschiedlich ist in den untersuchten autonomen Rechten die Haltung zur Schadensersatzhaftung wegen abredewidriger Klage (I.). Abweichungen bestehen auch zwischen EuGVVO und HGÜ, so dass zu klären ist, wie deren Vorgaben mit nationalen Rechten zusammenwirken (II.). Sodann ist die Schadensersatzhaftung wegen Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarung unter dem Gesichtspunkt der ökonomischen Effizienz zu würdigen (III.), um hieraus Reformvorschläge für die EuGVVO zu entwickeln (IV.).
201
S. oben § 11 A. IV. S. oben § 10 D. II. 2. 203 S. oben § 11 A. V. 202
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I. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in den autonomen Rechten In den betrachteten autonomen Rechten kommt dem Schadensersatz als Schutzinstrument gegen abredewidrige Klagen unterschiedliche Bedeutung zu: Während er sich in der englischen Rechtspraxis der letzten Jahre fest etabliert hat, zeigt sich in den USA nur ein Teil der Gerichte bereit, im derogierten Forum verklagten Parteien Schadensersatz zu gewähren. In Deutschland hat – soweit ersichtlich – noch kein Gericht Schadensersatz wegen Missachtung einer Zuständigkeitsabrede zugesprochen; die Problematik wird hier bislang lediglich im Schrifttum diskutiert. Unterschiede bestehen bei der Gewährung vertraglicher Schadensersatzansprüche: Schon die Frage, welchem Recht Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines solchen Anspruchs zu entnehmen sind, wird abweichend beurteilt. In England wird das Statut des Hauptvertrags für maßgeblich gehalten. US-amerikanische Gerichte wenden überwiegend die lex fori an. In Deutschland wird dagegen die Heranziehung des Rechts des prorogierten Gerichts befürwortet. Different ausgestaltet sind auch die materiellrechtlichen Haftungsvoraussetzungen. Nach englischem und US-amerikanischem Recht ist die vertragliche Haftung verschuldensunabhängig mit der Folge, dass allein die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung ausreichend ist für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch der abredewidrig verklagten Partei. Im deutschen Recht scheidet ein vertraglicher Schadensersatzanspruch dagegen aus, wenn der abredewidrig Klagende nachweisen kann, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat. Auch die außervertragliche Schadensersatzhaftung ist unterschiedlich ausgestaltet: Zwar reicht in allen drei Rechtsordnungen für einen deliktischen Ersatzanspruch allein die Missachtung der Gerichtsstandsabrede nicht aus. Es müssen vielmehr weitere objektive und subjektive Faktoren hinzutreten. In England und den USA kann eine Schadensersatzhaftung jedoch auf equity-Grundsätze gestützt werden, die es einem Gericht erlauben, anstelle oder in Ergänzung zu der Anordnung eines Prozessführungsverbots Schadensersatz zuzusprechen. Diese auf equity-Recht ruhende Ermächtigung besteht jedoch nur so lange, wie auch eine anti-suit injunction erlassen werden kann mit der Folge, dass die Verurteilung zum Schadensersatz nach Abschluss des Prozesses im abredewidrigen Forum nicht mehr möglich ist. Unterschiedlich beurteilt wird des Weiteren die Frage, ob eine Entscheidung aus dem derogierten Forum dem Erlass eines Schadensersatzurteils entgegensteht. Wurde ein englisches Gericht abredewidrig angerufen und hat dieses die Klage unter Hinweis auf die Zuständigkeitsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt und dem Kläger die Prozesskosten des Beklagten teilweise auferlegt, ist es letzterem aufgrund der Rechtskraft des Kostenspruchs verwehrt, im Wege einer Schadensersatzklage in England die noch
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nicht erstatteten Ausgaben für das Verfahren im forum derogatum geltend zu machen. In den USA hingegen hindert die Kostenentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts die beklagte Partei nicht daran, die ihr für die Verteidigung vor diesem Gericht entstandenen Aufwendungen im Rahmen einer Schadensersatzklage vor diesem oder einem anderen US-amerikanischen Gericht geltend zu machen. In Deutschland herrscht ebenfalls Einigkeit darüber, dass der Kostenausspruch eines derogierten Gerichts nicht ausschließt, dass dieses oder ein anderes deutsches Gericht dem abredewidrigen Kläger im Rahmen eines materiellrechtlichen Schadensersatzanspruchs die Prozesskosten der abredewidrig verklagten Partei auferlegt, auch wenn sie nach §§ 91 ff. ZPO nicht ersatzfähig wären. Wurde jedoch abredewidrig Klage im Ausland erhoben und hat das dortige Gericht die Zuständigkeitsabrede durch Klageabweisung bzw. -aussetzung durchgesetzt, steht die Kostenentscheidung dieses Gerichts einer abweichenden Verteilung der angefallenen Prozesskosten im Wege einer Schadensersatzklage in England, USA bzw. Deutschland in der Regel nicht entgegen. Hat das ausländische Gericht die Durchsetzung der Zuständigkeitsabrede dagegen verweigert und eine Entscheidung in der Sache getroffen, kann dieses Urteil in England und den USA unter Umständen einer abweichenden Entscheidung in der Sache und/oder über die Verteilung der Prozesskosten im Wege einer Schadensersatzklage entgegenstehen: Hat die im abredewidrigen Forum verklagte Partei nach der Weigerung des auswärtigen Gerichts, die entgegenstehende Gerichtsstandsvereinbarung durchzusetzen, zur Sache verhandelt, kann ihr Verhalten nämlich als rügelose Einlassung auf das auswärtige Verfahren gewertet werden. Die Annahme einer rügelosen Einlassung unter solchen Umständen scheidet in Deutschland dagegen aus, so dass das auswärtige Urteil kein Hindernis für die Erhebung einer Schadensersatzklage im Inland darstellt. Über die Rechtsfolgenseite eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung herrscht in den hier untersuchten Rechtsordnungen noch teilweise Unklarheit. Hat das abredewidrig angerufene Gericht die Klage wegen der engegenstehenden Zuständigkeitsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt, kann die beklagte Partei nach der hier vertretenen Auffassung die Kosten ersetzt verlangen, die ihr für die Verteidigung vor dem derogierten Gericht entstanden sind. Möglich ist auch der Ersatz der Kosten für die Erwirkung eines Prozessführungsverbots gegen den abredewidrigen Kläger. Hat das derogierte Gericht die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung verneint, die Klage jedoch als unbegründet abgewiesen, kann der abredewidrig Beklagte grundsätzlich ebenfalls Ersatz der ihm im Verfahren vor dem derogierten Gericht entstandenen Prozesskosten verlangen. Kann der ursprüngliche Kläger und jetzige Beklagte im Schadensersatzprozess jedoch nachweisen, dass der
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Schadensersatzkläger auch im prorogierten Forum Prozesskosten zu tragen gehabt hätte, sind diese Kosten in Abzug zu bringen. Dem Beklagten im Schadensersatzprozess steht nach der hier vertretenen Auffassung darüber hinaus der Einwand offen, dass der Schadensersatzkläger bei Einhaltung der Gerichtsstandsvereinbarung und Klage im forum prorogatum in der Sache unterlegen wäre und auch die Kosten des Verfahrens zu tragen gehabt hätte. Gelingt ihm dieser Nachweis, sind von dem Schadensersatzanspruch des abredewidrig Beklagten zum einen der Wert des Anspruchs, den der abredewidrige Kläger von dem designierten Gericht tituliert bekommen hätte, und zum anderen die Prozesskosten abzuziehen, die von diesem Gericht dem Schadensersatzkläger auferlegt worden wären. Hat das abredewidrig angerufene Gericht dagegen in der Sache zulasten des Beklagten entschieden, kann dieser im Rahmen der Schadensersatzklage geltend machen, dass er im forum prorogatum in der Sache obsiegt hätte und seine Prozesskosten der Gegenseite auferlegt worden wären. Gelingt ihm der entsprechende Nachweis, kann er im Schadensersatzprozess Erstattung des Werts des vom abredewidrig angerufenen Gericht titulierten Anspruchs sowie Ersatz der ihm in dem Verfahren vor diesem Gericht entstandenen Prozesskosten verlangen. Die Frage, ob sich eine Gerichtsstandsvereinbarung auf Schadensersatzansprüche wegen deren Missachtung erstreckt, ist in den verglichenen Rechtsordnungen bisher kaum diskutiert worden. Nach der hier favorisierten Lösung ist das prorogierte Gericht für die Entscheidung über solche Ansprüche ausschließlich international zuständig. Ob ein ausländisches Schadensersatzurteil in England, den USA und Deutschland anerkannt und vollstreckt werden kann, hängt stark von den Einzelfallumständen ab. Insbesondere Unvereinbarkeit des Schadensersatzjudikats mit dem Richterspruch des ursprünglich angerufenen nicht designierten Gerichts sowie der zweitstaatliche ordre public können der Anerkennung entgegenstehen.
II. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage im Anwendungsbereich von EuGVVO und HGÜ Die Frage nach der Statthaftigkeit von Schadensersatzansprüchen wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung wird im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ unterschiedlich beantwortet. Ob und in welchen Fällen eine Schadensersatzhaftung wegen abredewidriger Klage vor einem mitgliedstaatlichen Gericht mit der EuGVVO vereinbar ist, ist im Schrifttum umstritten. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Problematik differenziert zu behandeln: Hat das unter Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung angerufene Gericht die Klage wegen der Abrede abgewiesen bzw. ausgesetzt (Konstellation 1), ist es den
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Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nicht verwehrt, der im falschen Forum verklagten Partei Schadensersatz zuzusprechen. Hat das abredewidrig angerufene mitgliedstaatliche Gericht dagegen die Durchsetzung der Zuständigkeitsabrede verweigert und eine Entscheidung in der Sache getroffen (Konstellation 2), ist die Zuerkennung von Schadensersatz durch die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats dagegen mit der EuGVVO nicht zu vereinbaren. Aus der Verordnung ergeben sich keine Einschränkungen, wenn ein drittstaatliches Gericht abredewidrig angerufen wurde. Diese Unterscheidung ist auch für die Frage der Anerkennungsfähigkeit eines Schadensersatzurteils im EU-Ausland von Bedeutung. Einem in der Konstellation 2 erlassenen Schadensersatzjudikat wird nach der hier vertretenen Auffassung die Anerkennung in anderen Mitgliedstaaten wegen ordre public-Verstoßes nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO zu versagen sein. In der Konstellation 1 hat ein Schadensersatzurteil dagegen bessere Aussichten auf Anerkennung im Gemeinschaftsgebiet. Geht es um die Zuerkennung von Schadensersatz wegen abredewidriger Klage in einem Drittstaat, steht die EuGVVO nicht entgegen. Im Anwendungsbereich des HGÜ sind der Schadensersatzverurteilung wegen Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung keine Grenzen gesetzt. Das Übereinkommen ist jedoch für die Anerkennung eines Schadensersatzjudikats von Bedeutung, jedenfalls wenn man mit der hier vertretenen Ansicht davon ausgeht, dass Gerichtsstandsvereinbarungen auch Schadensersatzansprüche aus ihrer Verletzung erfassen.
III. Effizienzbewertung der untersuchten Rechtssysteme Es ist zu untersuchen, ob die Schadensersatzhaftung für abredewidrige Klagen ein ökonomisch sinnvolles Rechtsinstrument zum Schutz gegen die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen bietet. Bei der Bewertung dieses Schutzmechanismus fällt negativ ins Gewicht, dass er Parteien von dem Abschluss von Zuständigkeitsabreden abschrecken könnte. Die Zuerkennung von Schadensersatz droht damit über das Ziel hinauszuschießen. Es sind schließlich viele Fälle vorstellbar, in denen nicht eindeutig ist, ob die konkrete Streitigkeit von der Zuständigkeitsabrede erfasst ist bzw. ob diese überhaupt wirksam ist. Wenn Parteien in solchen Konstellationen durch die Anrufung eines falschen Gerichts das Risiko eingehen, in das Messer der Schadensersatzhaftung zu laufen, könnten sie in Zukunft gänzlich davon Abstand nehmen, Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen. Des Weiteren wird geltend gemacht, Schadensersatzansprüche könnten nur eingeschränkt die Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung kompensieren. Denn das, was die Parteien mit dem Abschluss der Abrede eigentlich bezweckt haben – eine schnelle Sachentscheidung
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durch das vereinbarte Gericht –, könne die Zuerkennung von Schadensersatz ihnen nicht gewähren.204 Dennoch sind Schadensersatzansprüche wegen Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen ökonomisch sinnvoll. Zum einen sind sie entgegen der teilweise geäußerten Bedenken nicht völlig ungeeignet, die Nachteile von Klagen im falschen Forum auszugleichen: Die abredewidrig verklagte Partei kann nicht nur eine zu Unrecht erfolgte Erfüllung des Urteils eines derogierten Gerichts rückgängig machen, sondern auch die Kosten für das Verfahren im abredewidrigen Forum sowie sonstige Aufwendungen für die Durchsetzung der Gerichtsstandsvereinbarung ersetzt bekommen, wenn diese bei Austragung der Streitigkeit im prorogierten Forum nicht angefallen wären. Die Beeinträchtigung der Rechts- und Planungssicherheit durch die abredewidrige Klage kann somit teilweise kompensiert werden. Zum anderen sind Schadensersatzansprüche wegen ihrer verhaltenssteuernden Wirkung sinnvoll: Das Haftungsrecht kann aufgrund seines Abschreckungseffekts bereits im Vorfeld eine Disziplinierung hin zu einer Einhaltung der Zuständigkeitsabrede bewirken und somit letztlich den Parteien genau das geben, was sie verabredet haben. Schließlich lässt sich gegen die Zuerkennung von Schadensersatz auch nicht anführen, das hiermit verbundene Haftungsrisiko könne Parteien vom Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen abhalten. Denn dieser Gefahr lässt sich wirkungsvoll begegnen, indem durch anderweitige Schutzmechanismen das Risiko reduziert wird, dass ein derogiertes Gericht eine Entscheidung erlässt, an die Haftungsfolgen geknüpft wären. Damit ist die Schadensersatzhaftung als alleiniges Instrument freilich nicht geeignet, den Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen zu verbessern. Jedoch kann sie im Verbund mit anderen Schutzmechanismen ihr Effizientpotential entfalten.
IV. Verbesserungsvorschläge für die EuGVVO Aus den vorangehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Schadensersatzhaftung als Rechtsinstrument im Anwendungsbereich der EuGVVO wünschenswert wäre, solange gleichzeitig andere Mechanismen eingeführt werden, die der Gefahr einer haftungsauslösenden Entscheidung durch das derogierte Gericht entgegenwirken. Vorangehend wurde dafür plädiert, dem prorogierten Gericht grundsätzlich die Kompetenz einzuräumen, als erstes über Zulässigkeit, Wirksamkeit und Auslegung der Zuständigkeitsabrede zu entscheiden. Dieser Verbesserungsvorschlag für die EuGVVO gewährleistet, dass der Weg zum derogierten Forum zunächst versperrt bleibt und vermindert somit das Risiko, dass die Partei einer Zuständig204
Fentiman, in: de Vareilles-Sommières (Hrsg.), Forum Shopping, 2007, S. 27 (45).
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keitsabrede ohne weiteres in das Messer einer Schadensersatzhaftung hineinläuft. Hierdurch wird das gefürchtete Abschreckungspotential von Schadensersatzansprüchen erheblich abgemildert. Dennoch ergeben sich für die Einführung einer Schadensersatzhaftung im Anwendungsbereich der EuGVVO aus dem europäischen Vertrauensprinzip Grenzen. Mit diesem ist eine Schadensersatzhaftung – wie sich gezeigt hat – lediglich in einer Konstellation vereinbar, nämlich wenn das abredewidrig angerufene Gericht die vor ihm anhängig gemachte Klage wegen der entgegenstehenden Gerichtsstandsabrede abgewiesen bzw. ausgesetzt hat. Dann verletzt die Zuerkennung von Schadensersatz durch ein zweitangerufenes Gericht nicht den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, weil sie im Einklang mit dem Judikat des Erstgerichts steht.205 Es bietet sich somit an, eine Regelung in die EuGVVO aufzunehmen, die die Gewähr von Schadensersatz wegen Verletzung einer Gerichtsstandsvereinbarung unter den oben beschriebenen Einschränkungen zulässt.
205
S. oben § 11 B. I. 1. a) bb) (2).
§ 12 Möglichkeiten zur vertraglichen Absicherung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen Im letzten Teil zu den indirekten Schutzmechanismen gegen die Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen wird untersucht, welche vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten Parteien in den autonomen (A.) und den international vereinheitlichten Rechten (B.) haben, um sich gegen abredewidrige Klagen abzusichern. Nach einer Effizienzbewertung der verglichenen Rechtssysteme sind Reformvorschläge für die EuGVVO zu diskutieren (C.).
A. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen in autonomen Rechten Möchten die Parteien vertragliche Vorkehrungen für den Fall einer abredewidrigen Klage treffen, kommen unterschiedliche Optionen in Betracht: Denkbar wäre es zum einen, im Vertrag ausdrücklich eine Pflicht zur Unterlassung der Anrufung eines anderen als des designierten Gerichts zu vereinbaren (I.). Alternativ oder in Ergänzung hierzu könnten sich die Parteien auf eine Kostenerstattungs- oder Schadensersatzpflicht (II.) bzw. eine Vertragsstrafe (III.) bei Missachtung der Gerichtsstandsabrede einigen.
I. Vereinbarung der Pflicht zur Unterlassung abredewidriger Klage Den Parteien einer ausschließlichen Prorogation ist es in jeder der drei hier verglichenen autonomen Rechtsordnungen ohne weiteres möglich, ihre Vereinbarung mit der ausdrücklichen Verpflichtung zu ergänzen, das Prozessieren in einem nicht designierten Forum zu unterlassen.1 Dringend zu empfehlen ist eine derartige Zusatzabrede, wenn das materielle Statut der Gerichtsstandsvereinbarung deutsches Recht ist. Da die Frage, ob Zuständigkeitsabreden eine verpflichtende Wirkung entfalten, von der Rechtsprechung noch nicht entschieden ist, und der überwiegende Teil des deutschen Schrifttums dies – anders als hier vertreten – verneint 2 , kann allein die explizit formulierte Unterlassungspflicht Gewähr dafür bieten, dass 1
Briggs, Agreements, 2008, Rn. 5.17; Fentiman, Litigation, 2010, Rn. 2.102; Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (27); Sandrock, RIW 2004, S. 809 (814). 2 S. ausführlich dazu oben § 8 A. III. 1.
§ 12: Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen
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deutsche Gerichte eine auf sie lautende Vereinbarung durch Erlass eines Prozessführungsverbots bzw. die Zuerkennung von Schadensersatz durchsetzen werden. Die Aufnahme einer ausdrücklichen Pflicht, nur im designierten Forum zu klagen, erscheint jedoch auch bei englischem und US-amerikanischem Prorogationsstatut sinnvoll. Eine derartig eindeutige Übereinkunft der Parteien kann die Legitimationsgrundlage für die Anordnung von anti-suit injunctions und die Gewährung von Schadensersatz zum Schutz gegen abredewidrige Klagen stärken und Zweifel an der Vereinbarkeit solcher Maßnahmen mit der international comity mindern. Denn dann handelt das Gericht nicht zum Schutz eigener Zuständigkeitsinteressen, sondern vorrangig aufgrund des expliziten Willens der Parteien.
II. Vereinbarung von Kosten- bzw. Schadensersatzpflichten für den Fall abredewidriger Klagen Differenzierter zu beurteilen ist die Zulässigkeit von vertraglichen Bestimmungen, die eine Kosten- bzw. Schadensersatzpflicht bei abredewidriger Klage vorsehen (1.). Vorgelagert ist die Frage, welchem Recht derartige Vereinbarungen unterliegen und vor welchem Gericht die aus ihnen resultierenden Zahlungspflichten geltend zu machen sind (2.). Schließlich ist zu problematisieren, ob ihrer Durchsetzbarkeit die Rechtskraft der Entscheidung des derogierten Gerichts entgegensteht und ob sie grenzüberschreitend vollstreckt werden können (3.). 1. Zulässigkeit der Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzpflichten Welche Grenzen für die Festlegung von Kosten- bzw. Schadensersatzpflichten bei abredewidriger Klage gelten, hängt davon ab, ob eine individualvertragliche (a.) oder eine formularmäßige Vereinbarung (b.) vorliegt. a) Kosten- und Schadensersatzpflichten in invidualvertraglichen Vereinbarungen Im englischen und deutschen Recht herrscht Einigkeit darüber, dass Parteien die Möglichkeit zusteht, ausschließliche Prorogationen durch die Festlegung abzusichern, dass die abredewidrig verklagte Partei Anspruch auf Erstattung der aus der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung resultierenden Kosten bzw. Schäden hat. Individualvertraglich kann auch vereinbart werden, dass Ersatzpflichten selbst für den Fall bestehen sollen, dass das derogierte Gericht das Eingreifen der entgegenstehenden Ge-
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richtsstandsvereinbarung verneint und der abredewidrige Kläger dort somit jedenfalls in der Zuständigkeitsfrage obsiegt.3 Derartige Abmachungen, die im englischen Recht als indemnity clauses bezeichnet werden, bieten zwei wichtige Vorteile: Zum einen muss im Kosten- bzw. Schadensersatzprozess nicht mehr beurteilt werden, ob die Klage im abredewidrigen Forum unter Verletzung einer aus der Gerichtsstandsabrede resultierenden Unterlassungspflicht erhoben wurde. Denn die Anrufung des derogierten Gerichts löst allein aufgrund der vertraglichen Absicherung eine eigenständige materielle Erstattungspflicht aus. 4 Zum anderen erscheint die Gewähr von Kosten- bzw. Schadensersatz bei entsprechender ausdrücklicher Abrede mit dem Gedanken der international comity besser vereinbar: Das Gericht, vor dem Ansprüche aus der vertraglichen Absicherung geltend gemacht werden, überprüft nicht die Entscheidung des derogierten Gerichts über die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung, sondern setzt eine hiervon zu unterscheidende Zusatzabrede durch.5 Die Möglichkeit der Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzpflichten für den Fall einer abredewidrigen Klage ist in der US-amerikanischen Literatur und Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch nicht diskutiert worden. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass Abreden, die eine Pflicht zur Erstattung der Anwaltskosten zugunsten der obsiegenden Partei vorsehen, zulässig sind.6 Dies spricht dafür, dass Kosten- und möglicherweise auch Schadensersatzpflichten bei abredewidriger Klage jedenfalls für den Fall wirksam vereinbart werden können, dass der unter Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung Verklagte den Rechtsstreit im derogierten Forum gewinnt.
3 England: Briggs, Agreements, 2008, Rn. 5.17, 5.51; Fentiman, Litigation, 2010, Rn. 2.102 f. Zu der Zulässigkeit solcher Abreden zur Absicherung von Schiedsvereinbarungen vgl. Byford/Sarwar, Int. A.L.R. 12 (2009), S. 29 (30). Deutschland: Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (80, 83 f.); Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (32 f.). S. zu der Behandlung derartiger Abreden im japanischen Recht Takahashi, YPIL 10 (2008), S. 57 (87 f.). 4 Fentiman, Litigation, 2010, Rn. 2.103; Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (32); ähnlich auch Briggs, Agreements, 2008, Rn. 5.51. 5 Fentiman, Litigation, 2010, Rn. 2.107. 6 US Court of Appeals (10th Cir.), 22.08.1957 – North Drive-in Theatre Co. v. Parkin Theatre, 248 F.2d 232, 238 f.; US Court of Appeals (11th Cir.), 14.05.1992 – Tang How v. Edward J. Gerrits, Inc., 961 F.2d 174, 180; US Court of Appeals (8th Cir.), 27.08.1993 – Northwest Airlines, Inc. v. Flight Trails, 3 F.3rd 292, 297; US Court of Appeals (7th Cir.), 31.05.1995 – Mayer v. Spanel International Ltd., 51 F.3d 670, 677; New York Court of Appeals, 16.12.2004 – U.S. Underwriters Insurance Company v. City Club Hotel, LLC, 3 N.Y.3d 592, 597. S. dazu auch Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (84) und Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 118.
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b) Kosten- und Schadensersatzpflichten in AGB Zu untersuchen ist, ob für die wirksame Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzpflichten in AGB besondere Anforderungen gelten. Solche finden sich in den Rechten einiger US-amerikanischer Einzelstaaten für formularmäßige Kostenerstattungsklauseln in Verbraucherverträgen: Dort können vertragliche Zahlungspflichten nur dann durch AGB vereinbart werden, wenn hierdurch beide Parteien gleichermaßen begünstigt werden.7 Die Festlegung einer einseitigen Ersatzpflicht des Verbrauchers für den Fall seines Unterliegens im derogierten Forum wäre somit unwirksam. Im autonomen deutschen und englischen Recht erscheint es grundsätzlich denkbar, formularmäßige Kosten- und Schadensersatzabreden in Verbraucherverträgen einer Inhaltskontrolle nach den Umsetzungsvorschriften zur EG-Klausel-RL zu unterziehen. 8 In der Praxis werden jedoch kaum Fälle auftreten, in denen eine solche Kontrolle notwendig sein wird: Wie bereits oben gezeigt, sind Abreden über die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts an einem anderen Ort als dem Wohnsitz des Verbrauchers nach dem Maßstab der Richtlinie grundsätzlich missbräuchlich und unwirksam, so dass vertragliche Absicherungen solcher Abreden ebenfalls keine Geltung entfalten werden. Lautet die Prorogation hingegen (zulässigerweise) auf die Gerichte am Wohnsitz des Verbrauchers, ist sehr unwahrscheinlich, dass dieser abredewidrig vor ein anderes Gericht ziehen wird. Vertragliche Absicherungen für den Fall der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung durch den Verbraucher werden daher keine Rolle spielen. Fraglich bleibt somit, ob und welche Einschränkungen im autonomen englischen und deutschen Recht für die Wirksamkeit von formularmäßigen Kosten- und Schadensersatzabreden im Unternehmerverkehr gelten. Die im englischen Act 1977 kodifizierte Inhaltskontrolle dürfte insoweit keine Rolle spielen, da sie lediglich auf Klauseln Anwendung findet, die haftungsausschließend oder -beschränkend sind 9 , nicht hingegen auf AGBAbreden, die – wie hier – haftungsbegründend wirken. Im deutschen Recht sind Kosten- und Schadensersatzabreden an §§ 307, 310 I BGB zu messen, wonach eine AGB-Bestimmung unwirksam ist, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt. Dies ist gem. § 307 II Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn die Abrede mit Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren ist. 7 8
Breyer, Zivilprozesssteuerung, 2007, S. 118. S. zu der Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der EG-Klausel-RL oben § 4 A. I. 3. a)
cc). 9
S. oben § 4 A. I. 3. a) aa).
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Als gesetzliche Regeln, mit denen Kosten- und Schadensersatzabreden kollidieren könnten, kommen insbesondere die Vorschriften über die prozessuale Kostenerstattung in Betracht.10 In internationalen Fällen ist jedoch fraglich, welches Recht den Maßstab für die Inhaltskontrolle nach § 307 II Nr. 1 BGB bilden soll. Ein Teil des Schrifttums stellt insoweit auf das Prozessrecht des designierten Gerichts ab. 11 Lautet die Prorogation also auf deutsche Gerichte, wäre im Rahmen von § 307 II Nr. 1 BGB der Grundgedanke von §§ 91 f. ZPO maßgeblich. Hierfür spricht, dass diese Regeln gelten würden, wenn der Streit im designierten Forum ausgefochten worden wäre. Andere befürworten zu Recht die zusätzliche Heranziehung des Verfahrensrechts des derogierten auswärtigen Gerichts. Denn die Regeln dieses Forums sind für die Behandlung der von der Kostenerstattungsabrede betroffenen Frage maßgeblich, wie die Prozesskosten im derogierten Forum zu verteilen sind.12 Die unterschiedlichen Auffassungen führen zu demselben Ergebnis, wenn die Parteien einer auf deutsche Gerichte lautenden Prorogation eine Kosten- bzw. Schadensersatzpflicht des abredewidrigen Klägers für den Fall seines Unterliegens im derogierten Forum vereinbart haben. Stellt man im Rahmen der Inhaltskontrolle einer solchen Bestimmung auf §§ 91f. ZPO ab, weicht die vertragliche Vereinbarung schon nicht von einer gesetzlichen Regelung i.S.v. § 307 II Nr. 1 BGB ab. Denn die Verpflichtung der unterliegenden Partei zur Übernahme der Prozesskosten der obsiegenden Seite entspricht dem Grundsatz der Kostenerstattungsregeln der ZPO. 13 Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen in vielen ausländischen Verfahrensrechten, so dass die Vereinbarung eines erfolgsabhängigen Kostenerstattungsanspruchs in der Regel auch dem Verfahrensrecht des derogierten ausländischen Gerichts entsprechen würde. Etwas anderes gilt zwar in Ländern wie den USA, nach deren Prozessrecht jede Partei prinzipiell selbst ihre Prozesskosten zu tragen hat.14 Wie bereits ausgeführt, steht es den Parteien jedoch auch in solchen Rechtsordnungen frei, dem im Verfahren Unterlegenen durch vertragliche Bestimmung vollständig die Prozesskostenlast aufzuerlegen.15 Die Vereinbarung eines erfolgsabhängigen Kostenerstattungsanspruchs steht somit nicht im Widerspruch zu dem Grundgedanken der verfahrensrechtlichen Kostenregeln.16 10
Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (85 f.); Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). 12 Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (85 f.). 13 S. zu den prozessualen Kostenerstattungsregeln des deutschen Rechts oben § 6 A. III. 2. 14 S. zu der American rule of costs oben § 6 A. II. 2. 15 S. oben § 12 A. II. 1. a). 16 Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (87). 11
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Nicht so eindeutig ist hingegen die Beurteilung von Kosten- und Schadensersatzabreden, die unabhängig vom Ausgang des Verfahrens im derogierten ausländischen Forum greifen, also eine Erstattungspflicht auch für den Fall vorsehen, dass der abredewidrige Kläger im derogierten Forum obsiegt. Aus Sicht des deutschen Schrifttums steht eine derartige Vereinbarung im Widerspruch zu den §§ 91f. ZPO und ist daher stets unwirksam gem. § 307 I, II Nr. 1 BGB.17 Diese Auffassung überzeugt nicht, führt man sich den Gedanken vor Augen, der den deutschen Kostenerstattungsregeln zugrunde liegt. Die Verteilung der Kostenlast nach §§ 91f. ZPO folgt dem Veranlasserprinzip, wonach derjenige, der durch unberechtigtes Verhalten Anlass zum Einschreiten der Gerichte gegeben hat, die dem Gegner dadurch entstandenen Prozesskosten tragen muss.18 Nimmt man, wie hier vertreten an, dass eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung nach deutschem Recht die Pflicht der Parteien begründet19, in keinem anderen als dem designierten Forum zu klagen, folgt hieraus, dass der abredewidrige Kläger aus Sicht der prorogierten deutschen Gerichte stets unberechtigt handelt, ohne dass es darauf ankommt, ob er im auswärtigen Prozess obsiegt oder unterliegt. Eine Kostenerstattungspflicht, die unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem derogierten Gericht greift, ist somit durchaus mit dem in §§ 91f. ZPO verkörperten Veranlasserprinzip zu vereinbaren. Eine derartige vertragliche Absicherung kann dennoch wegen § 307 I, II Nr. 1 BGB unwirksam sein, wenn sie im Widerspruch zu den Grundsätzen der prozessualen Kostenerstattung des derogierten Forums steht. Dies wird maßgeblich davon abhängen, ob nach dortigem Recht erfolgsunabhängige Kostenerstattungspflichten zugunsten der abredewidrig verklagten Partei wirksam vereinbart werden können. Im englischen Recht scheinen derartige Abreden durchaus möglich zu sein. Im USamerikanischen Recht ist deren Wirksamkeit hingegen ungewiss.20 2. Anwendbares Recht und international zuständiges Gericht für Ansprüche aus Kosten- und Schadensersatzabreden Die Frage nach dem maßgeblichen Recht für die Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzansprüchen und dem für ihre Durchsetzung zuständigen Gericht, wird – soweit ersichtlich – lediglich im deutschen Schrifttum diskutiert. Zu Recht wird befürwortet, die Abrede dem materiellen Statut der Gerichtsstandsvereinbarung zu unterstellen. Die Kostenbzw. Schadensersatzbestimmung dient der Absicherung der ausschließli17
Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (87 f.); Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). BGH, 04.06.1992 – IX ZR 149/91, NJW 1992, S. 3096 (3099). 19 S. oben § 8 A. III. 1. 20 Vgl. zum Ganzen oben § 12 A. II. 1. a) 18
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chen Prorogation, so dass es angemessen ist, sie demselben Recht zu unterwerfen.21 Es erscheint außerdem richtig, dem designierten Gericht grundsätzlich die ausschließliche Entscheidungskompetenz für Ansprüche aus Kostenund Schadensersatzabreden zuzusprechen.22 Dies gilt jedenfalls, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung weit gefasst ist und sich auf Ansprüche aus oder im Zusammenhang mit dem Vertragswerk erstreckt. Die hier diskutierten vertraglichen Absicherungen betreffen nämlich unmittelbar die Zuständigkeitsabrede und weisen somit eine enge Verknüpfung mit einem Bestandteil des Vertragswerks auf. Diese gebietet es, über Kosten- und Schadensersatzbestimmungen wegen Missachtung der Prorogation im designierten Forum zu entscheiden. 3. Durchsetzbarkeit von Kosten- und Schadensersatzabreden: Rechtskrafteinwand und grenzüberschreitende Vollstreckung Die Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzpflichten erscheint nur dann sinnvoll, wenn gewährleistet ist, dass die abredewidrig verklagte Partei die Zahlungspflichten mit Erfolg gerichtlich geltend machen kann. Die Effektivität der Durchsetzung hängt insbesondere von zwei Aspekten ab. Entscheidend ist zum einen, ob der Gewähr von Kosten- bzw. Schadensersatz die Rechtskraft der Entscheidung des derogierten Gerichts entgegensteht. Diese Frage wird – wie bereits oben im Zusammenhang mit den gesetzlichen Schadensersatzansprüchen erörtert wurde – in den hier verglichenen autonomen Rechten teilweise abweichend beurteilt. Hat sich das abredewidrig angerufene Gericht für unzuständig erklärt, dem unterlegenen Kläger die Prozesskosten jedoch nicht oder nur teilweise auferlegt, hindert dies nach deutschem und US-amerikanischem Recht ein prorogiertes Gericht nicht daran, der im falschen Forum verklagten Partei die übrigen Kosten zuzusprechen. Nach englischem Recht steht die Rechtskraft des Kostenausspruchs des derogierten Gerichts der Gewähr weitergehender Kosten ausnahmsweise entgegen, wenn das abredewidrig angerufene Gericht die Verletzung der Gerichtsstandsvereinbarung bei der Kostenverteilung berücksichtigt hat. 23 Hat dieses Gericht hingegen seine Entscheidungskompetenz bejaht und ein Urteil in der Sache gefällt, steht dies in den autonomen Rechten der Durchsetzung einer Kosten- bzw. Schadensersatzabrede durch das designierte Gericht grundsätzlich nicht im Wege. Dem auswärtigen Titel wird nämlich in der Regel wegen fehlender interna21
Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (33); so wohl auch Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (81–83). S. zu der Bestimmung des materiellen Statuts von Gerichtsstandsvereinbarungen in Deutschland, England und den USA oben § 4 A. I. 1. 22 So Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). 23 S. oben § 11 A. II. 1.
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tionaler Zuständigkeit des derogierten Gerichts die Anerkennung im forum prorogatum zu versagen sein. 24 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Urteil eines derogierten Gerichts in den autonomen Rechten grundsätzlich kein Hindernis für die Durchsetzung einer Kosten- bzw. Schadensersatzabrede im forum prorogatum darstellt. Die erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen aus einer vertraglichen Absicherung könnte zum anderen dann gefährdet sein, wenn der abredewidrige Kläger im prorogierten Forum über keinerlei vollstreckungsfähiges Vermögen verfügt. Geht man – wie hier vertreten – davon aus, dass das designierte Gericht für die Entscheidung über derartige Ansprüche in der Regel ausschließlich zuständig ist, hängt die effektive Durchsetzung einer Kosten- bzw. Schadensersatzabrede oft davon ab, ob eine hierauf gestützte Verurteilung des abredewidrigen Klägers zur Zahlung einer bestimmten Summe im Ausland anerkannt und vollstreckt werden kann. Bei der Beurteilung dieser Frage ist – wie bereits oben erläutert – danach zu unterscheiden, ob die Anerkennung und Vollstreckung im derogierten oder in einem anderen auswärtigen Forum angestrebt wird.25 Im ersteren Fall kommt es darauf an, wie das abredewidrig angerufene Gericht über die entgegenstehende Zuständigkeitsabrede entschieden hat. Hat es diese im Wege der Klageabweisung bzw. -aussetzung durchgesetzt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Kosten- bzw. Schadensersatzurteil des prorogierten Gerichts im derogierten Forum anerkannt werden wird. Hat das abredewidrig angerufene Gericht seine internationale Zuständigkeit bejaht und in der Sache entschieden, sind die Aussichten, dass einem ausländischen Kosten- bzw. Schadensersatzjudikat im forum derogatum Bedeutung beigemessen wird, hingegen relativ gering. Je nach Einzelfall könnte die Anerkennung wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit des auswärtigen Gerichts, aufgrund Unvereinbarkeit dessen Urteils mit einer inländischen Entscheidung oder wegen ordre public-Verstoßes zu verweigern sein. Verfügt der abredewidrige Kläger in einem anderen als dem derogierten Forum über vollstreckungsfähiges Vermögen, wird die Anerkennung eines Kosten- bzw. Schadensersatzurteils des prorogierten Gerichts in diesem Forum maßgeblich davon abhängen, wie das Anerkennungsgericht über Zulässigkeit, Wirksamkeit und Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung entscheidet. Kommt es zu dem Ergebnis, dass die Prorogation wirksam ist und die Ansprüche aus der vertraglichen Absicherung der Zuständigkeitsabrede erfasst, wird es dem Urteil des designierten Gerichts regelmäßig Wirkung verleihen und die Vollstreckung aus diesem Judikat zulassen. Als Fazit bleibt somit festzuhalten, dass in Fällen, in denen der abredewidrige 24 25
S. oben § 11 A. II. 2. b). S. oben § 11 A. V.
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Kläger im forum prorogatum über keinerlei Vermögen verfügt, die Durchsetzung von Kosten- und Schadensersatzabreden zwar nicht ausgeschlossen, jedoch durchaus ungewiss ist.
III. Vereinbarung von Vertragsstrafen bei abredewidriger Klage Zu untersuchen ist schließlich, ob und innerhalb welcher Grenzen die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei abredewidriger Klage möglich ist. Eine derartige Absicherung der Prorogation hätte den Vorteil, dass Parteien einen konkreten Schaden durch die Klage im abredewidrigen Forum nicht nachweisen müssten und bereits bei Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung sicher vorhersehen könnten, in welcher Höhe sie Verluste aus deren Verletzung erstattet bekommen würden.26 Im englischen und US-amerikanischen Recht sind Vertragsstrafen nur unter engen Bedingungen zulässig. Es wird zwischen penalty und liquidated damages clauses unterschieden. 27 Penalty clauses zeichnen sich dadurch aus, dass die festgelegte Summe weit über den Schaden hinausgeht, der infolge der Verletzung der Vereinbarung zu erwarten war. Solche Abreden sind stets unwirksam.28 Liquidated damages clauses sind hingegen zulässig und liegen dann vor, wenn die Interpretation der Abrede ergibt, dass die vereinbarte Summe aus einer Schätzung des bei Verletzung der Vereinbarung möglichen Schadens resultiert. 29 Aufgrund der häufig schwierigen Abgrenzung zwischen penalty und liquidated damages clauses wird zu Recht angenommen, dass die Möglichkeit, Gerichtsstandsvereinbarungen durch Vertragsstrafen abzusichern „zum rechtlichen Minenfeld 26 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (33). S. auch Byford/Sarwar, Int. A.L.R. 12 (2009), S. 29 (30), deren Ausführungen in Bezug auf Vertragsstrafen für die Verletzung von Schiedsvereinbarungen ohne weiteres für entsprechende vertragliche Absicherungen von Gerichtsstandsvereinbarungen herangezogen werden können. 27 England: Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 26.125; McGregor, Damages, 17. Aufl. 2003, Rn. 13.002; Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 82. USA: Perillo, Contracts, 5. Aufl. 2007, S. 611 f.; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 338. 28 England: House of Lords, 24.03.1983 – Export Credit Guarantee Department v. Universal Oil Products Co., [1983] 1 W.L.R. 399; Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 26.125–26.127; McGregor, Damages, 17. Aufl. 2003, Rn. 13.019, 13.024 f. USA: US Supreme Court, 13.01.1902 – Sun Printing and Publishing Association v. Moore, 183 U.S. 642, 673 f.; US Supreme Court, 06.01.1930 – Kothe v. R.C. Taylor Trust, 280 U.S. 224, 226; Perillo, Contracts, 5. Aufl. 2007, S. 611–615; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 338. 29 England: Chitty/Beale, Chitty on Contracts I, 13. Aufl. 2008, Rn. 26.128 f.; McGregor, Damages, 17. Aufl. 2003, Rn. 13.009–13.018; Graf v. Bernstorff, Englisches Recht, 4. Aufl. 2011, S. 82. USA: Perillo, Contracts, 5. Aufl. 2007, S. 611–615; Hay, US-Recht, 5. Aufl. 2011, Rn. 338.
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werden“ kann. 30 Den Parteien wird im englischen Schrifttum empfohlen, bei Abschluss von Zuständigkeitsvereinbarungen stets zu überschlagen, welche Kosten im Falle einer abredewidrigen Klage auf sie zukommen können, und auf dieser Grundlage die pauschal zu ersetzende Summe festzulegen.31 Im deutschen Recht sind Vertragsstrafen – wie die §§ 338–345 BGB zeigen – grundsätzlich möglich. Sie erfüllen nicht nur den Zweck, dem Gläubiger den Nachweis des ihm tatsächlich entstandenen Schadens zu ersparen, sondern dienen auch als Druckmittel zur Einhaltung der vereinbarten Pflicht.32 Deswegen ist man sich einig, dass die Strafsumme bewusst höher als der zu erwartende Schaden festgelegt werden und der Vertragsstrafe somit neben dem kompensatorischen auch pönaler Charakter zukommen kann.33 Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine vom wahrscheinlichen Schaden völlig losgelöste Strafhöhe wirksam vereinbart werden kann. Erforderlich ist vielmehr stets, dass zwischen der verletzten Pflicht, dem zu erwartenden Schaden und der Vertragsstrafe ein angemessenes Verhältnis besteht.34 Die Inhaltskontrolle von Abreden in AGB richtet sich – mit Ausnahme der Sonderregel in § 309 Nr. 6 BGB, die für Vertragsstrafen zur Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen keine Rolle spielt35 – nach § 307 I, II BGB. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer formularmäßigen Vertragsstrafe ist neben der angemessenen Relation zwischen verletzter Pflicht, Schaden und Strafhöhe, dass der AGB-Verwender ein berechtigtes Interesse an der Vertragsstrafe hat. 36 Ein derartiges Interesse wird bei Vertragsstrafen zur Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Rechtsverkehr zu Recht angenommen.37 Aufgrund der erheblichen Unterschiede zwischen den nationalen Rechten in der Frage der Wirksamkeit von Vertragsstrafeversprechen kann es bedeutsam sein, welchem Recht ein solches Versprechen zum Schutz gegen abredewidrige Klagen unterliegt. Im deutschen Schrifttum wird die 30
Ingenhoven, Rechtsschutz, 2001, S. 300. Byford/Sarwar, Int. A.L.R. 12 (2009), S. 29 (30). 32 BGH, 30.06.1987 – KZR 7/86, NJW-RR 1988, S. 39 (41); BGH, 20.01.2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, S. 2106 (2107); Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 27. Aufl. 2010, Teil Vertragsrecht – 38), Rn. 1. 33 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (33). 34 Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 27. Aufl. 2010, Teil Vertragsrecht – 38), Rn. 1. 35 § 309 Nr. 6 BGB erfasst nur Vertragsstrafen zugunsten des AGB-Verwenders für den Fall, dass sein Vertragspartner eine Leistungspflicht verletzt bzw. sich einseitig vom Vertrag löst. 36 Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 27. Aufl. 2010, Teil Vertragsrecht - 38), Rn. 14. 37 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (33). 31
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Anwendung des Rechts des Hauptvertrags befürwortet. 38 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, soweit sich die Vertragsstrafe nicht nur auf die Gerichtsstandsvereinbarung, sondern auch auf weitere Klauseln des Vertragswerks bezieht. Ist die Vertragsstrafe hingegen lediglich für die Verletzung der ausschließlichen Prorogation vorgesehen, erscheint es aufgrund der engen Verknüpfung beider Abreden angemessener, sie einheitlich dem materiellen Statut der Zuständigkeitsvereinbarung zu unterstellen. Dies wird in der Praxis kaum zu einem abweichenden Ergebnis führen, da das Prorogationsstatut in der Regel akzessorisch an die lex causae des Hauptvertrags angeknüpft wird. Es erscheint außerdem angemessen, das prorogierte Gericht mit der oben genannten Begründung39 in der Regel als ausschließlich zuständig für die Durchsetzung einer Vertragsstrafe wegen abredewidriger Klage anzusehen.40 Schließlich ist der Frage nachzugehen, wie die Aussichten auf erfolgreiche gerichtliche Geltendmachung eines Vertragsstrafeversprechens einzuschätzen sind. Der Durchsetzung der Vereinbarung im Zweitland könnte die Rechtskraft der Entscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts entgegenstehen. Hat das derogierte Gericht der Zuständigkeitsvereinbarung durch Klageabweisung bzw. -aussetzung zur Wirkung verholfen, dem Kläger die Prozesskosten der Gegenseite jedoch nicht oder nur unvollständig auferlegt, kollidiert der Kostenausspruch dieses Gerichts nicht mit der Verurteilung des abredewidrig Klagenden zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Denn prozessuale Kostenerstattung und Vertragsstrafe stellen „zwei von Ansatz und Konzept her verschiedene Kategorien“ dar.41 Dies ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber der vertraglichen Absicherung gegen abredewidrige Klagen durch Kosten- und Schadensersatzabreden. Hat das derogierte Gericht die Zuständigkeitsvereinbarung für unwirksam erachtet und ein Urteil in der Sache gefällt, wird sein Judikat ebenfalls kein Hindernis für die Durchsetzung des Vertragsstrafeversprechens sein. Denn dem Richterspruch aus dem forum derogatum wird in der Regel wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit des Gerichts die Anerkennung im designierten Forum zu versagen sein. Zu klären bleibt somit, ob eine Verurteilung des abredewidrigen Klägers zur Zahlung der Vertragsstrafe außerhalb des prorogierten Forums anerkannt und vollstreckt werden kann. Insoweit gelten im Grundsatz die obigen Ausführungen zu Entscheidungen, die eine Kosten- bzw. Schadensersatzabrede durchsetzen.42 Die Anerkennung des Vertragsstrafejudikats im 38
Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (33). S. oben § 12 A. II. 3. 40 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). 41 Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). 42 S. oben § 12 A. I. 39
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derogierten Forum ist sehr wahrscheinlich, wenn das abredewidrig angerufene Gericht die Zuständigkeitsabrede als wirksam anerkannt und durch Klageabweisung bzw. -aussetzung durchgesetzt hat. Hat das derogierte Gericht seine Zuständigkeit trotz der entgegenstehenden Gerichtsstandsvereinbarung bejaht und ein Sachurteil gefällt, sind die Aussichten auf Anerkennung einer Verurteilung zur Zahlung von Vertragsstrafe wegen abredewidriger Klage hingegen gering. Ob die Gerichte außerhalb des derogierten Forums einem ausländischen Vertragsstrafejudikat Wirkung beimessen werden, wird maßgeblich davon abhängen, wie sie über Zulässigkeit, Wirksamkeit und Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden. Kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Abrede dem designierten Gericht eine ausschließliche Entscheidungskompetenz für die Streitigkeiten vor dem prorogierten und dem derogierten Gericht zuweist, werden sie die Anerkennung und Vollstreckung aus dem Vertragsstrafeurteil zulassen.
B. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen in international vereinheitlichten Rechten Abschließend bleibt zu klären, ob und innerhalb welcher Grenzen es im Anwendungsbereich der EuGVVO und des HGÜ möglich ist, ausschließliche Prorogationen durch die Vereinbarung einer Pflicht der Parteien, in keinem anderen als dem designierten Forum zu klagen (I.), den Abschluss einer Kosten- bzw. Schadensersatzabrede (II.) oder die Aufnahme eines Vertragsstrafeversprechens (III.) absichern.
I. Vereinbarung der Pflicht zur Unterlassung abredewidriger Klagen Die ausdrückliche Vereinbarung der Pflicht der Parteien, abredewidrige Klagen zu unterlassen, erscheint sowohl im Geltungsbereich der EuGVVO als auch in dem des HGÜ möglich. Art. 23 EuGVVO regelt die Anforderungen an die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen sowie die Verpflichtung der mitgliedstaatlichen Gerichte, wirksamen Pro- und Derogationen zur Wirkung zu verhelfen. Die Frage, ob Zuständigkeitsabreden zusätzlich auch Pflichten der Parteien begründen, behandelt die Norm hingegen nicht, so dass insoweit grundsätzlich die Bestimmungen des anwendbaren einzelstaatlichen Rechts maßgeblich sind. Lässt dieses Recht – wie das etwa in Deutschland und England der Fall ist 43 – zu, dass Parteien in ihrem Vertrag ausdrücklich eine Pflicht zur Unterlassung abredewidriger Klagen festhalten, entfaltet diese Pflicht somit auch im Anwendungsbereich von Art. 23 EuGVVO Geltung. Art. 5 und 6 HGÜ normieren ebenfalls lediglich Pflichten des ve43
S. oben § 12 A. I.
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reinbarten Gerichts bzw. der nicht designierten Fora, ohne eine Aussage über eventuelle Pflichten der Parteien einer Gerichtsstandsabrede zu treffen. Die Wirksamkeit einer Verpflichtung zur Unterlassung abredewidriger Klagen hängt somit auch im Geltungsbereich des HGÜ davon ab, ob sie nach dem jeweils maßgeblichen nationalen Recht möglich ist.
II. Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzpflichten bei abredewidriger Klage Nicht so eindeutig ist hingegen die Frage zu beurteilen, ob Vereinbarungen von Kosten- bzw. Schadensersatzansprüchen für den Fall einer abredewidrigen Klage im Anwendungsbereich der EuGVVO Geltung entfalten können. Insoweit sind hier – ähnlich wie bei der oben erörterten Problematik gesetzlicher Schadensersatzansprüche44 – zwei Fälle auseinanderzuhalten. In dem ersten geht es um Kosten- bzw. Schadensersatz wegen der Anrufung eines drittstaatlichen Gerichts unter Missachtung einer von Art. 23 EuGVVO erfassten Zuständigkeitsabrede. Für die Behandlung solcher Konstellationen ergeben sich aus der EuGVVO keinerlei Beschränkungen, so dass sich die Zulässigkeit einer vertraglichen Absicherung ausschließlich nach dem anwendbaren einzelstaatlichen Recht richtet.45 Zweifelhafter sind hingegen Fälle, in denen aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung Kosten- bzw. Schadensersatz gegen eine Partei angeordnet werden soll, die abredewidrig in einem mitgliedstaatlichen Gericht geklagt hat. Die Durchsetzung einer vertraglichen Absicherung der Prorogation in derartigen Konstellationen könnte – ähnlich wie die Verurteilung zum Schadensersatz auf gesetzlicher Grundlage – möglicherweise im Widerspruch zu dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens und den Rechtshängigkeits- sowie Anerkennungsvorschriften der EuGVVO stehen. Ob und wann ein Verstoß gegen die Grundprinzipien der EuGVVO droht, ist unter Rückgriff auf die Erwägungen zu beantworten, die bei der Zulässigkeit der Anordnung von Schadensersatz aufgrund gesetzlicher Regeln erörtert wurden.46 Nach der hier vertretenen Auffassung ist danach zu differenzieren, wie das abredewidrig angerufene Gericht über die Gerichtsstandsvereinbarung entschieden hat: Hat es sich entgegen der Abrede für zuständig befunden und ein Urteil in der Sache gefällt, ist die Verurteilung zum Kosten- und Schadensersatz mit der EuGVVO nicht zu vereinbaren.47 Hat das derogierte Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen im 44
S. oben § 11 B. I. Insoweit greifen die Ausführungen zum Schadensersatzanspruch auf gesetzlicher Grundlage, s. oben § 11 B. I. 2. 46 S. oben § 11 B. I. 1. a). 47 So auch Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (81 f.); Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (33). 45
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Wege der Abweisung bzw. Aussetzung der vor ihm anhängig gemachten Klage durchgesetzt, stehen die Grundprinzipien und Regeln der EuGVVO der Anordnung von Kosten- bzw. Schadensersatz aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Abrede nicht entgegen. 48 In den zuletzt behandelten Fällen wird das Judikat des derogierten Gerichts der Verurteilung zum Kosten- bzw. Schadensersatz regelmäßig nicht entgegenstehen. Es wird nur dann eine Sperrwirkung auslösen, wenn die Kostenentscheidung nach dem Recht des derogierten Gerichts in Rechtskraft erwächst und eine bindende Beurteilung der Frage enthält, wie die Kosten des dortigen Prozesses zwischen den Parteien zu verteilen sind.49 Im EU-Ausland wird eine zulässige Verurteilung zum Kosten- bzw. Schadensersatz nach Art. 33 f. EuGVVO grundsätzlich anzuerkennen sein. Die prinzipielle Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung trifft auch das derogierte Forum, so dass die Durchsetzung der Rechte aus der vertraglichen Absicherung auch dort gewährleistet sein wird. Im Anwendungsbereich des HGÜ sind die Möglichkeiten von Parteien, ihre ausschließliche Prorogation durch die Vereinbarung von Kosten- bzw. Schadensersatzpflichten gegen abredewidrige Klagen abzusichern, hingegen nicht beschränkt. Für die Judikate, mit denen solche Zahlungspflichten gewährt werden, gelten außerdem günstige Anerkennungsvoraussetzungen: Erlässt das designierte Gericht, das nach der hier vertretenen Auffassung für die Durchsetzung solcher Verpflichtungen ausschließlich zuständig ist, ein entsprechendes Kosten- bzw. Schadensersatzurteil, sind die anderen Vertragsstaaten des Übereinkommens gem. Art. 8 f. HGÜ grundsätzlich zur Anerkennung und Vollstreckung verpflichtet. Einem auswärtigen Gericht ist es gem. Art. 9 lit. a HGÜ insbesondere verwehrt, die Anerkennung wegen Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu verweigern. Dieser Einwand greift nicht, wenn das prorogierte Gericht bei der Durchsetzung der vertraglichen Absicherung festgestellt hat, dass die Zuständigkeitsabrede wirksam ist. Eine solche Feststellung wird stets vorliegen: Denn die Durchsetzung der Kosten- bzw. Schadensersatzabrede setzt zwingend voraus, dass die durch diese Vereinbarung abgesicherte Prorogation wirksam abgeschlossen wurde und zulässig ist.
III. Vereinbarung von Vertragsstrafen bei abredewidriger Klage Ob es möglich ist, Vertragsstrafen für den Fall einer abredewidrigen Klage zu vereinbaren, ist im Anwendungsbereich des HGÜ eindeutig im positiven Sinne zu beantworten. Denn die Durchsetzung eines derartigen Ver48
So auch Pfeiffer, in: FS Lindacher, 2007, S. 77 (82, 88). A.A. Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (33). 49 S. dazu oben § 11 B. I. 1. a) bb) (2).
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sprechens kollidiert nicht mit den Regelungsvorgaben des Übereinkommens. Nicht so eindeutig ist die Frage im Anwendungsbereich der EuGVVO zu beurteilen. Mankowski ist der Auffassung, dass die Durchsetzung von Vertragsstrafen mit den Grundsätzen der Verordnung vereinbar sei, obwohl er Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Gerichtsstandsabreden für nicht EuGVVO-kompatibel hält.50 Die abweichende Behandlung beider Schutzmechanismen begründet er mit ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur: Schadensersatzansprüche wiesen als Sekundäransprüche eine besondere Nähe zu dem primären Anspruch auf Unterlassung abredewidriger Klagen auf. Da letzterer aus Gründen des gegenseitigen Vertrauens im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht durchgesetzt werden dürfe, müsse selbiges für den Sekundäranspruch gelten.51 Anders verhalte es sich mit einem Vertragsstrafeversprechen. Gegenüber dem Primäranspruch sei dieses selbständig, so dass die fehlende Durchsetzbarkeit des ersteren die Realisierung des zweiteren nicht ausschließe. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob derartige dogmatische Unterscheidungen geeignet sind, die Bedenken gegen die Durchsetzbarkeit von Vertragsstrafeversprechen auszuräumen. Denn im Ergebnis wirken sie genauso wie entsprechende Schadensersatzansprüche. In beiden Fällen setzt die gerichtliche Durchsetzung nämlich voraus, dass ein mitgliedstaatliches Gericht die Zuständigkeitsentscheidung des abredewidrig angerufenen Gerichts überprüft. Wird die Zuständigkeitsfrage durch die unterschiedlichen Gerichte abweichend beurteilt, ist der im europäischen Recht verankerte Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens verletzt. Dieser verbietet es, dass sich ein mitgliedstaatliches Gericht eine höhere Kompetenz bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen anmaßt als das Gericht eines anderen Mitgliedstaats. Somit sind Vertragsstrafeversprechen nur in solchen Konstellationen mit der EuGVVO kompatibel, in denen prorogiertes und derogiertes Gericht Zulässigkeit, Wirksamkeit und Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung einheitlich beurteilen. Wird entgegen einer auf deutsche Gerichte lautenden Prorogation in England geklagt und erklären sich die dortigen Gerichte für unzuständig, kann der abredewidrig Beklagte sich somit anschließend an deutsche Gerichte wenden und die Durchsetzung der Vertragsstrafe geltend machen. Das deutsche Gericht setzt sich mit der Gewährung von Strafzahlungen nicht im Widerspruch zu der auswärtigen Entscheidung, vielmehr bestätigt es diese.
50 51
Mankowski, IPRax 2009, S. 23 (34). S. ausführlich zu dieser Argumentation oben § 11 B. I. 1. a) aa) (1).
§ 12: Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen
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C. Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen – rechtsvergleichende Zusammenschau, Effizienzbewertung und Vorschläge zur Verbesserung der EuGVVO Die vorausgegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass Parteien in den hier verglichenen Rechtsordnungen eine unterschiedlich große Freiheit genießen, ihre Gerichtsstandsvereinbarungen durch vertragliche Abreden abzusichern (I.). Somit stellt sich die Frage, ob es aus ökonomischer Sicht vorzugswürdig erscheint, derartige Abreden großzügig oder eher zurückhaltend zu gestatten (II.). Im letzten Schritt ist nach Schlussfolgerungen für Vorschläge zur Reform der EuGVVO zu fragen (III.).
I. Rechtsvergleichende Zusammenfassung Einheitlich ist in allen autonomen Rechten den Parteien gestattet, in ihrem Vertrag die Pflicht zur Unterlassung abredewidriger Klagen festzulegen. Eine derartige Abrede ist sowohl im Anwendungsbereich der EuGVVO als auch unter dem HGÜ zulässig. Im autonomen englischen und deutschen Recht ist es den Parteien darüber hinaus möglich, Kosten- und Schadensersatzansprüche bei Missachtung der Prorogation zu vereinbaren. Zahlungspflichten können selbst für den Fall festgelegt werden, dass das derogierte Gericht sich für zuständig erklärt und der abredewidrige Kläger in diesem Forum somit in der Zuständigkeitsfrage obsiegt. Im US-amerikanischen Recht ist die Lage hingegen unklar. Vieles spricht dafür, dass Kosten- und Schadensersatzabreden hier jedenfalls in der Konstellation wirksam sind, dass es dem abredewidrig Verklagten gelingt, die Gerichtsstandsvereinbarung im forum derogatum durchzusetzen. Aus dem HGÜ ergeben sich keine Beschränkungen der Freiheit, ausschließliche Prorogationen durch Kosten- und Schadensersatzansprüche abzusichern. Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist hingegen danach zu unterscheiden, ob entgegen einer von Art. 23 EuGVVO erfassten Zuständigkeitsabrede vor einem drittstaatlichen oder einem mitgliedstaatlichen Gericht geklagt wurde. Ersterenfalls folgen aus dem europäischen Recht keine Begrenzungen für die Zulässigkeit von Kosten- und Schadensersatzabreden. Bei Klage vor einem derogierten mitgliedstaatlichen Gericht sperrt die EuGVVO dagegen die Durchsetzung von Zahlungspflichten, wenn das abredewidrig angerufene Gericht sich entgegen der Vereinbarung für zuständig erklärt hatte. Hinsichtlich der Zulässigkeit von Vertragsstrafen geht das autonome deutsche Recht am weitesten. Hier kann die Höhe von Strafzahlungen weitgehend unabhängig von den aufgrund des sanktionierten Verhaltens tatsächlich drohenden Schäden festgelegt werden. Im englischen und USamerikanischen Recht sind derartige Vertragsstrafen stets unzulässig. Die
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
Parteien können sich lediglich auf eine Schadenssumme einigen, die der Höhe nach einer pauschalen Berechnung des zu erwartenden Schadens entspricht. Im Anwendungsbereich des HGÜ unterliegen Vertragsstrafeversprechen keinen Beschränkungen. Im Geltungsbereich der EuGVVO greifen hingegen die für Kosten- und Schadensersatzabreden geltenden Begrenzungen. Auf die Ansprüche aus vertraglichen Absicherungen ist grundsätzlich das materielle Statut der Gerichtsstandsvereinbarung anzuwenden. Für die Durchsetzung solcher Abreden besteht eine internationale Zuständigkeit nach der hier vertretenen Ansicht lediglich im prorogierten Forum.
II. Effizienzbewertung der untersuchten Rechtssysteme Zu untersuchen ist, ob vertragliche Absicherungen gegen abredewidrige Klagen dazu beitragen können, Gerichtsstandsvereinbarungen zu stärken. Soweit dies der Fall ist, wären rechtliche Rahmenbedingungen, durch die die Anerkennung und Durchsetzung solcher Abreden sichergestellt wird, ökonomisch wünschenswert. Gegen die ökonomische Effizienz derartiger vertraglicher Absicherungen könnte sprechen, dass sie in bestimmten Fällen eine Verschwendung gerichtlicher Ressourcen zur Folge haben können. Hat das abredewidrig angerufene Gericht seine Zuständigkeit bejaht und eine Entscheidung in der Sache gefällt, würde die Zuerkennung von Kosten- und Schadensersatz im prorogierten Forum dazu führen, dass dort ein weiteres Gericht den gesamten Rechtsstreit erneut aufrollen müsste. Nur dadurch ließe sich feststellen, wie die Streitigkeit bei Einhaltung der Zuständigkeitsabrede ausgegangen wäre. Das wäre Vorfrage für die Entscheidung über Grund und Umfang der Kosten- bzw. Schadensersatzhaftung. Im Ergebnis bedeutete dies, dass wegen ein- und derselben Sache zwei Prozesse in verschiedenen Ländern mit der Folge doppelter Inanspruchnahme von Gerichtsressourcen und doppelter Kostenbelastung für die Parteien geführt werden müssten. Gegen eine großzügige Zulassung von vertraglichen Absicherungen ließe sich des Weiteren anführen, dass es zweifelhaft ist, inwieweit sie geeignet sind, die Einhaltung von Gerichtsstandsvereinbarungen zu verbessern. Jüngere empirische Studien zeigen, dass insbesondere bei der Vereinbarung von Vertragsstrafen Parteien eher dazu neigen, ihre vertraglichen Pflichten zu missachten, als wenn solche Strafen vertraglich nicht festgehalten worden wären. 52 Dieser Befund wird damit erklärt, dass aufgrund der Festsetzung von Vertragsstrafen die Nichteinhaltung von Verträgen von vornherein als gangbare Option ins Kalkül einbezogen wird.53 Ob eine 52 53
Wilkinson-Ryan, Mich. L. Rev. 108 (2010), S. 633. Wilkinson-Ryan, Mich. L. Rev. 108 (2010), S. 633 (646).
§ 12: Vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen
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Partei sich an ihren Vertrag halten wird oder nicht, macht sie dann nur davon abhängig, welche Alternative ihr aus finanzieller Sicht vorteilhafter erscheint. Diese Kalkulation wird gerade durch die Festlegung der genauen Strafsumme möglich, weil hiermit die Konsequenzen der Nichteinhaltung abschätzbar gemacht werden. Durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen verlieren Parteien damit insgesamt die psychologisch-moralischen Hemmungen, ihre vertraglichen Versprechen zu brechen.54 Nichtsdestotrotz sind vertragliche Absicherungen von Gerichtsstandsvereinbarungen ein wünschenswertes Mittel, um diese zu stärken. Zumindest Kosten- und Schadensersatzabreden können Parteien von einem Prozessieren im falschen Forum abhalten. Anders als Vertragsstrafen machen derlei Vereinbarungen die Risiken einer abredewidrigen Klage nicht genau abschätzbar, schaffen aber dennoch die abschreckende Gewissheit einer Haftung. Auch die befürchtete Verdoppelung von Prozessen und Aufwendungen droht nicht in jedem Falle. Für den in der Praxis wohl häufigeren Fall, dass die Gerichtsstandsvereinbarung im derogierten Forum anerkannt und die dortige Klage abgewiesen wird, bedeutet die Durchsetzung der vertraglichen Absicherung im prorogierten Forum keine erneute Durchführung des ursprünglichen Prozesses, da das Gericht in diesem gar nicht in die Begründetheitsprüfung eingetreten war. Auch wenn die verhaltenssteuernde Funktion von Vertragsstrafen nicht überbewertet werden darf, sind solche Abreden ebenfalls ökonomisch vorteilhaft. Da die vereinbarte Strafsumme unabhängig von dem konkret eingetretenen Schaden zugesprochen wird, machen es Vertragsstrafen für Parteien möglich, bereits bei Abschluss ihres Vertrags sicher abzuschätzen, in welcher Höhe sie jedenfalls ihre Schäden und Aufwendungen im Fall einer abredewidrigen Klage erstattet bekommen werden. Die Transaktionskosten sind somit leichter kalkulierbar. Außerdem stellen Vertragsstrafen sicher, dass Parteien auch dann einen Teil der durch eine abredewidrige Klage entstandenen Verluste ersetzt bekommen, wenn es ihnen misslingt, die genaue Höhe ihrer Schäden bzw. Aufwendungen nachzuweisen. Hierdurch werden Gerichtsstandsvereinbarungen insgesamt gestärkt. Vertragliche Absicherungen stellen im Ergebnis ökonomisch effiziente Mechanismen zur Durchsetzung von Zuständigkeitsabreden dar.
III. Vorschläge zur Verbesserung der EuGVVO Aufgrund der zuvor genannten Erwägungen erscheint es grundsätzlich wünschenswert, in der EuGVVO für die Anerkennung von vertraglichen Absicherungen günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierbei sind jedoch die Grundsätze des europäischen Zivilverfahrensrechts, insbeson54
Wilkinson-Ryan, Mich. L. Rev. 108 (2010), S. 633 (655, 664).
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4. Kapitel: Indirekter Schutz gegen abredewidrige Klagen
dere das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zu beachten. Dieses verbietet es, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats sich die Kompetenz anmaßen, die Zuständigkeit eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts besser beurteilen zu können als dieses Gericht selbst. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn Kosten- bzw. Schadensersatzabreden und Vertragsstrafen durchgesetzt werden, da hierbei inzident die Zuständigkeitsfrage zu klären ist. Daher können derartige vertragliche Absicherungen dann nicht durchgesetzt werden, wenn sich das abredewidrig angerufene Gericht trotz entgegenstehender Gerichtsstandsabrede für zuständig erklärt hat. In allen anderen Fällen ist es europarechtlich unbedenklich und ökonomisch sinnvoll, vertragliche Absicherungen zuzulassen und vor Gerichten eines Mitgliedstaats durchzusetzen. Konkret könnte in der EuGVVO eine Regelung aufgenommen werden, die klarstellt, dass vertragliche Abreden zur Haftung wegen Verletzung von Gerichtsstandsvereinbarungen vor mitgliedstaatlichen Gerichten durchgesetzt werden können, wenn ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats abredewidrig angerufen wurde und sich rechtskräftig für unzuständig erklärt hat.
Kapitel 5
Revision der EuGVVO – Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen Es schließt sich der Kreis: Nachdem die vorangegangenen Untersuchungen diverse Optionen zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsstandsvereinbarungen zu Tage gebracht haben, gilt es abschließend, diese in einem einheitlichen Lösungsmodell zusammenzuführen. Ausgangspunkt hierfür soll eine Betrachtung der gegenwärtigen Rechtslage im Anwendungsbereich der EuGVVO und ihrer Schwächen sein (A.). Die Erkenntnisse hieraus sind den Reformvorschlägen zugrunde zu legen (B.).
A. Ausgangspunkt: Die Gefahren für Gerichtsstandsabreden nach der lex lata Unter Zugrundelegung des ökonomischen Verhaltensmodells erweist sich die gegenwärtige Rechtslage unter der EuGVVO in mehrfacher Hinsicht als ungeeignet, die Parteien zur Einhaltung von Gerichtsstandsvereinbarungen anzuhalten. Zur Rekapitulation: Ein rationaler Kläger entscheidet sich für ein Gerichtsverfahren, wenn der erhoffte Gewinn höher ist als der befürchtete Verlust. Der Gewinn aus einem Prozess umfasst nicht nur den Wert eines möglichen Urteils, sondern auch die Aussichten auf einen günstigen Vergleich. Diese sind abzuwägen mit dem klägerischen Zeit- und Kostenaufwand. Nach dieser Bilanz wird ein Kläger dann in ein derogiertes Forum ziehen, wenn der Gewinn, den er sich hierdurch verspricht, die Nachteile aus der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung übersteigt. Unter der gegenwärtigen Rechtslage ist eine abredewidrige Klage aus mehreren Gründen gewinnversprechend, während sie nur in geringem Maße nachteilbehaftet ist: Die Anrufung eines derogierten Gerichts kann in erster Linie wegen der Verzögerung der Rechtsdurchsetzung und des dadurch für die Gegenseite aufgebauten Vergleichsdrucks attraktiv erscheinen. Dies wird insbesondere durch die Rechtshängigkeitsregel von Art. 27 EuGVVO befördert. Nach dieser kann eine Partei einer gegen sie gerichteten Leistungsklage dadurch zuvorkommen, dass sie prorogationswidrig in einem für seine lange Verfahrensdauer berüchtigten Forum Klage erhebt. Wegen der strikten Prioritätsregel und des weiten europarecht-
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5. Kapitel: Revision der EuGVVO
lichen Streitgegenstandsbegriffs ist dann der Weg zum an sich designierten Gericht so lange versperrt, bis das Verfahren im abredewidrigen Forum rechtskräftig (!) abgeschlossen wurde. Demnach kann das vereinbarte Gericht erst angerufen werden, nachdem sich das falsche Gericht nach langwierigem Verfahren endlich für unzuständig erklärt hat. Während dieser Zeit ist die Rechtsdurchsetzung des ursprünglich Klagewilligen versperrt. Dringt der abredewidrig Beklagte mit seiner Zuständigkeitsrüge im forum derogatum letztlich nicht durch, droht sogar eine Sachentscheidung, deren Rechtskraft – sofern anerkennungsfähig – dauerhaft die Anrufung des designierten Gerichts ausschließt. Der Kläger kann dann eine Entscheidung des gewünschten Gerichts nach dem dort geltenden rechtlichen Rahmen gar nicht mehr erlangen. Diese Risiken für die verklagte Partei erhöhen aus Sicht des Klägers die Chance, dass er die Gegenseite in einen für sie ungünstigen Vergleich drängen kann. Demgegenüber drohen dem Initiator einer Klage unter Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung häufig eher geringfügige Nachteile. Befindet sich das abredewidrig angerufene Gericht für unzuständig, kommt auf den Kläger möglicherweise zwar eine Kostenlast zu. Dieser kann er sich jedoch entweder dadurch entziehen, dass er die Klage in einem Forum anstrengt, in dem jede Partei unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits ihre Kosten selbst zu tragen hat. Oder er kann an einem Gerichtsstand klagen, wo der unterlegenen Partei grundsätzlich nur ein Teil der Kosten des Obsiegenden auferlegt werden, und dadurch die drohenden Kostennachteile reduzieren. Selbst wenn dem abredewidrigen Kläger die Kosten des Gegners auferlegt werden, hat dieser Nachteil zumindest dann nur geringfügiges Abschreckungspotential, wenn für ihn der Wert des dem Beklagten abgenötigten Vergleichs deutlich höher ist. Der vertragsbrüchige Kläger hat darüber hinaus auch nicht zu befürchten, dass ihm die Fortführung des Verfahrens im nicht vereinbarten Forum mittels sanktionsbewährten Prozessführungsverbots durch das prorogierte oder ein anderes europäisches Gericht untersagt wird. Denn solche gerichtlichen Anordnungen zum Schutz von Gerichtsstandsvereinbarungen sind im Anwendungsbereich der EuGVVO unzulässig. Von einer prorogationswidrigen Klage wird sich der Kläger meist auch nicht durch die Gefahr einer späteren Schadensersatzhaftung wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung abschrecken lassen. Denn eine solche ist in den meisten europäischen Rechtssystemen noch nicht etabliert und ihre Vereinbarkeit mit der EuGVVO nicht höchstrichterlich geklärt. Der erhoffte Gewinn durch die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung verspricht somit nicht selten höher zu sein als der Nachteil, der durch eine letztlich erfolglose Klage am derogierten Gerichtsstand droht. Eine wirtschaftlich denkende Partei wird somit nach der gegenwärtigen
Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen
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Rechtslage im europäischen Zivilverfahrensrecht voraussichtlich jedenfalls dann eine Gerichtsstandsvereinbarung brechen, wenn sie sich geringe Erfolgsaussichten in dem prorogierten Forum ausrechnet und sie daher anstrebt, die Gegenseite in einen ungünstigen Vergleich zu treiben. Vorteile durch die Missachtung einer Gerichtsstandsvereinbarung kann sich der Kläger des Weiteren daraus versprechen, dass er ein Gericht aufsucht, in dem die entgegenstehende Prorogation nicht anerkannt und die Zuständigkeitsrüge des Beklagten daher ins Leere gehen wird. Dies ist vor dem Hintergrund möglich, dass Art. 23 EuGVVO nur wenige Aspekte des wirksamen Abschlusses und der Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen regelt. Entscheidende Fragen wie etwa die des Zustandekommens oder der Bestimmung der objektiven Reichweite von Zuständigkeitsabreden sind dem einzelstaatlichen Recht überlassen, welches jedes europäische Gericht unter Zugrundelegung seines autonomen IPR bestimmt. Der Kläger kann sich also durch das gezielte Aufsuchen eines bestimmten Forums einer Gerichtsstandsvereinbarung entziehen, auch wenn diese vor dem designierten Gericht Bestand gehabt hätte. Diesen Weg wird der vernünftig denkende Kläger nur dann einschlagen, wenn das im abredewidrigen Forum geltende Prozess- und Kollisionsrecht versprechen, dass die Entscheidung in der Sache für ihn günstiger ausgeht als im prorogierten Forum. Angesichts der konkurrierenden internationalen Zuständigkeiten in der EuGVVO werden die Wahlmöglichkeiten zur Klage unter Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen erhöht. Hat der Kläger auf diese Weise eine ihm günstige Sachentscheidung erlangt, hat er auch nicht zu befürchten, dass diese vor den Gerichten eines anderen Staates revidiert werden wird. Denn zur Anerkennung dieses Judikats sind grundsätzlich alle Gerichte in der EU, d.h. auch das prorogierte Gericht, verpflichtet. Die Anerkennung kann insbesondere nicht unter Hinweis auf die entgegenstehende Gerichtsstandsvereinbarung verweigert werden. Das hat zur Folge, dass EU-weit auf Bereicherungsrecht gestützten Rückforderungsklagen der Erfolg versagt ist. Darüber hinaus scheiden wegen des der EuGVVO zugrunde liegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens auch auf Schadensersatz gerichtete Klagen wegen Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung aus, soweit das abredewidrig angerufene Gericht die Durchsetzung der Prorogationsabrede verweigert und in der Sache entschieden hat. Die ökonomische Analyse der gegenwärtigen Rechtslage der EuGVVO ergibt somit, dass der Gewinn, den die Klage im abredewidrigen Forum verspricht, häufig höher ausfällt als die drohenden Nachteile infolge der Missachtung der Gerichtsstandsvereinbarung. Die aktuelle Rechtslage begünstigt demnach in vielen Konstellationen ein gerichtsstandsabredewidriges Klageverhalten.
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5. Kapitel: Revision der EuGVVO
Das europäische Recht erweist sich schließlich auch deswegen als wenig effizient, weil viele Gerichtsstandsvereinbarungen nicht von Art. 23 EuGVVO erfasst sind. Nachteilig ist, dass die Norm dann nicht greift, wenn zwar ein mitgliedstaatliches Gericht prorogiert wurde, die an der Abrede beteiligten Parteien jedoch außerhalb der EU ansässig sind. Die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen richtet sich stets nach einzelstaatlichem Recht, welches die Durchsetzung von Gerichtsstandsabreden häufig an höhere Hürden knüpft als Art. 23 EuGVVO es tut.
B. Ausblick: Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsabreden de lege ferenda Zur Umsetzung der diversen Einzelergebnisse aus den Kapiteln 2–4 dieser Arbeit, werden zur Verstärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen folgende Neuformulierungen für die Art. 23, 27 und Art. 29 EuGVVO vorgeschlagen1:
I. Neufassung von Art. 23 I EuGVVO (1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem gemäß Abs. 6 anwendbaren Recht unwirksam oder erfasst nach diesem Recht nicht die konkrete Streitigkeit. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, b) in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. (2) Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, sind der Schriftform gleichgestellt.
1
Hierbei verkörpern unterstrichene Abschnitte hinzuzufügende Passagen, während durchgestrichene aus der bestehenden Fassung der EuGVVO zu streichen sind.
Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen
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(3) Wenn eine solche Vereinbarung von Parteien geschlossen wurde, die beide ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, so können die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten nicht entscheiden, es sei denn, das vereinbarte Gericht oder die vereinbarten Gerichte haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. (4) Ist in schriftlich niedergelegten trust-Bedingungen bestimmt, dass über Klagen gegen einen Begründer, trustee oder Begünstigten eines trust ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats entscheiden sollen, so ist dieses Gericht oder sind diese Gerichte ausschließlich zuständig, wenn es sich um Beziehungen zwischen diesen Personen oder ihre Rechte oder Pflichten im Rahmen des trust handelt. (5) Gerichtsstandsvereinbarungen und entsprechende Bestimmungen in trust-Bedingungen haben keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften der Artikel 13, 17 und 21 zuwiderlaufen oder wenn die Gerichte, deren Zuständigkeit abbedungen wird, aufgrund des Artikels 22 ausschließlich zuständig sind.
II. Hinzufügen von Absatz 6 und 7 in Art. 23 EuGVVO (6) Das wirksame Zustandekommen und die sachliche Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen richten sich nach dem: a) ausdrücklich für die Gerichtsstandsabrede gewählten Recht, b) bei Fehlen einer Rechtswahl, nach dem Recht, welches auf den die Gerichtsstandsvereinbarung beinhaltenden Hauptvertrag Anwendung findet, c) falls die Gerichtsstandsabrede nicht Teil eines anderen Vertrags ist, nach dem Recht des vereinbarten Gerichts. (7) Den Parteien ist es gestattet, Gerichtsstandsvereinbarungen durch vertragliche Abreden abzusichern. Sie können insbesondere vereinbaren, dass bei abredewidriger Klage: a. Vertragsstrafen zu zahlen sind. b. eine Schadensersatz- oder Kostenerstattungspflicht besteht.
III. Neufassung von Art. 27 EuGVVO (1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht unbeschadet des Artikels 29 Absatz 2 das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. (2) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.
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5. Kapitel: Revision der EuGVVO
IV. Hinzufügen von Absatz 2 in Art. 29 EuGVVO (1) Ist für die Klagen die ausschließliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte gegeben, so hat sich das zuletzt angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. (2) Ist in einer Vereinbarung gemäß Artikel 23 die ausschließliche Zuständigkeit eines oder aller Gerichte eines Mitgliedstaats vorgesehen, so setzen die Gerichte anderer Mitgliedstaaten das Verfahren von Amts wegen aus, wenn innerhalb von sechs Monaten nach Anrufung eines dieser Gerichte Klage vor einem in der Vereinbarung bezeichneten Gericht erhoben wird. Sobald die Zuständigkeit des in der Vereinbarung bezeichneten Gerichts feststeht, hat sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig zu erklären. Macht der Beklagte vor dem in der Vereinbarung bezeichneten Gericht geltend, dass die Gerichtsstandsvereinbarung gefälscht sei, so hat dieses Gericht spätestens innerhalb von sechs Monaten nach seiner Anrufung über den Fälschungseinwand zu entscheiden. Ergeht eine Entscheidung nicht innerhalb dieser Frist, kann das zuerst angerufene Gericht das Verfahren wieder aufnehmen. Dieser Absatz gilt nicht für Vereinbarungen im Sinne der Abschnitte 3, 4 und 5 dieses Kapitels.
Verzeichnis der zitierten Rechtstexte A. Gemeinschaftsrecht Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957 (BGBl. II 1957 S. 766) i.d.F. des Vertrages von Nizza vom 26.02.2001 (BGB l. II 2001 S. 1667) zitiert als: EGV Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992 (ABl. 1992 Nr. C 191 S. 1), geändert durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997 (ABl. 1997 Nr. C 340), den Vertrag von Nizza vom 26.02.2001 (ABl. 2001 Nr. C 80) und den Vertrag von Lissabon vom 17.12.2007 (ABl. 2007 Nr. C 306) zitiert als: EUV Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 05.04.1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993 Nr. L 95 S. 29), zuletzt geändert durc h Art. 32 ÄndRL 2011/83/EU vom 25.10.2011 (ABl. 2011 Nr. L 304 S. 64) zitiert als: EG-Klausel-RL Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22.11.1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (ABl. 1996 Nr. L 309 S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 807/2003 vom 14.4.2003 (ABl. 2003 Nr. L 122, S. 36, 61) zitiert als: EG-Verordnung zum Schutz vor Drittland-Rechtsakten Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 18.12.2000 i.d.F. vom 14.12.2007 (ABl. 2007 Nr. C 303 S. 1) zitiert als: EU-Grundrechtecharta Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001 Nr. L 12 S. 1) zitiert als: EuGVVO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. 2007 Nr. L 199 S. 40) zitiert als: Rom II-VO Vertrag von Lissabon vom 17.12.2007 zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2007 Nr. C 306) zitiert als: EUV n.F.
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Rechtstexteverzeichnis
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.Bek. vom 09.05.2008 (ABl. 2008 Nr. C 115 S. 47) zitiert als: AEUV Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Euro päischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. 2008 Nr. L 177 S. 6) zitiert als: Rom I-VO
B. Konventionen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (BGBl. II 1952 S. 686, 953), neugefasst durch Bek. vom 17.05.2002 (BGBl. II 2002 S. 1055) zitiert als: EMRK Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr vom 19.05.1956 (BGBl. II 1961 S. 1120), zuletzt geändert durch Protokoll vom 05.07.1978 (BGBl. II 1980 S. 733) zitiert als: CMR New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (BGBl. II 1961 S. 122) zitiert als: NYÜ Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 05.10.1961 (BGBl. II 1965 S. 1145) zitiert als: TestformÜ Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 05.10. 1961 (BGBl. II 1971 S. 217) zitiert als: MSA Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.09.1968 (BGBl. II 1972 S. 774) i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens vom 29.11.1996 (BGBl. II 1998 S. 1412) zitiert als: EuGVÜ Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.04.1980 (BGBl. II 1989 S. 586) zitiert als: CISG Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.06.1980 (ABl. 1980 Nr. L 226 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 2 Übereinkommen vom 29.11.1996 (ABl. 1997 Nr. C 15 S. 10) zitiert als: EVÜ Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (BGBl. II 1994 S. 2660), geändert durch Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft, Dänemark, Island, Norwegen und der Schweiz in Lugano vom 30.10.2007 (ABl. EU 2007 Nr. L-339 S. 3) zitiert als: LugÜ
Rechtstexteverzeichnis
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Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28.05.1999 (BGBl. II 2004 S. 458), zuletzt geändert durch G. vom 14.12. 2009 (BGBl. II 2009 S. 1258) zitiert als: MA Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.06.2005 (noch nicht in Kraft) zitiert als: HGÜ
C. Innerstaatliches Recht Deutschland Handelsgesetzbuch vom 10.05.1897 (RGBl. 1897 S. 219), zuletzt geändert durch G. vom 22.12.2011 (BGBl. I 2011 S. 3044) zitiert als: HGB Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 (BGBl. 1949 S. 1), zuletzt geändert durch G. vom 11.07.2012 (BGBl. I 2012 S. 1478) zitiert als: GG
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch neugefasst durch Bek. vom 21.09.1994 (BGBl. I 1994 S. 2494), zuletzt geändert durch G. vom 27.07.2011 (BGBl. I 2011 S. 1600) zitiert als: EGBGB Bürgerliches Gesetzbuch, neugefasst durch Bek. vom 02.01.2002 (BGBl. I 2002 S. 42, 2909; BGBl. I 2003 S. 738), zuletzt geändert durch G. vom 10.05.2012 (BGBl. I 2012 S. 1084) zitiert als: BGB Gerichtskostengesetz vom 05.05.2004 (BGBl. I 2004 S. 718), zuletzt geändert durch G. vom 17.08.2012 (BGBl. I 2004 S. 1726) zitiert als: GKG
Zivilprozessordnung, neugefasst durch Bek. vom 15.12.2005 (BGBl. I 2005 S. 3202), zuletzt geändert durch G. vom 21.07.2012 (BGBl. I 2012 S. 1577) zitiert als: ZPO Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (BGBl. I 2008 S. 2586), zuletzt geändert durch G. vom 21.07.2012 (BGBl. I 2012 S. 1577) zitiert als: FamFG
D. Innerstaatliches Recht England Administration of Justice Act 1920 c. 81 vom 23.12.1920 zitiert als: Administration of Justice Act 1920 Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 c. 13 vom 13.04.1933 zitiert als: Foreign Judgments (Reciprocal Enforcement) Act 1933 Unfair Contract Terms Act 1977 c. 50 vom 26.10.1977 zitiert als: Act 1977 Protection of Trading Interests Act c. 11 vom 20.03.1980 zitiert als: Protection of Trading Interests Act 1980
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Rechtstexteverzeichnis
Supreme Court Act 1981 c. 54 vom 28.07.1981 zitiert als: Supreme Court Act 1981 Civil Jurisdiction and Judgements Act 1982 c. 27 vom 13.07.1982 zitiert als: Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982 County Courts Act 1984 c. 28 vom 26.06.1984 zitiert als: County Courts Act 1984 Insolvency Act 1986 c. 45 vom 25.07.1986 zitiert als: Insolvency Act 1986 The Civil Procedure Rules 1998 (Sl 1998/3132) vom 10.12.1998, i.d.F. vom 28.07.2009 zitiert als: CPR The Unfair Terms in Consumer Contract Regulations 1999 vom 22.07.1999 zitiert als: Regulations 1999 Constitutional Reform Act c. 4 vom 24.03.2005 zitiert als: Constitutional Reform Act 2005
E. Innerstaatliches Recht USA I. Bundesrecht The Constitution of the United States of America vom 17.09.1787 zitiert als: US-Bundesverfassung The Anti-Injunction Act vom 02.03.1793 zitiert als: Anti-Injunction Act Federal Rules of Civil Procedure von 1938 i.d.F. vom 01.12.2007 zitiert als: Fed.R.Civ.P. The Clean Air Act vom 17.12.1963 zitiert als: Clean Air Act The Clean Water Act vom 18.10.1972 zitiert als: Clean Water Act The Endangered Species Act vom 28.12.1973 zitiert als: Endangered Species Act United States Code, Stand: 01.09.2012 zitiert als: U.S.C.
II. Einzelstaatliches Recht Alaska Rules of Civil Procedure vom 09.10.1959 i.d.F. vom 16.04.2012 zitiert als: Alaska Civ.R. Revised Code of Washington, Stand: 28.09.2011 zitiert als: Wash. Rev. Code New York Civil Practice Law and Rules, Stand: 01.09.2012 zitiert als: NY CPLR California Code of Civil Procedure von 1872 zitiert als: CA CCP
Rechtstexteverzeichnis Louisiana Code of Civil Procedure, Stand: 01.09.2012 zitiert als: LA CCP
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Rechtsprechungsverzeichnis A. EGMR EGMR, 21.02.1975 – 4451/70, Golder ./. Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1975, S. 91. EGMR, 09.10.1979 – 6289/73, Airey ./. Irland, EuGRZ 1979, S. 623. EGMR, 27.02.1980 – Deweer ./. Belgien, EuGRZ 1980, S. 667. EGMR, 25.03.1999 – 25444-94, Pélissier ./. Sassi-Frankreich, NJW 1999, S. 3545. EGMR, 28.07.1999 – 25803/94, Selmouni ./. Frankreich, NJW 2001, S. 56.
B. EuGH EuGH, 14.12.1976 – Rs. 24/76, Colzani ./. Rüwa, NJW 1977, S. 494. EuGH, 14.12.1976 – Rs. 25/76, Segoura ./. Bonakdarian, NJW 1977, S. 495. EuGH, 09.11.1978 – Rs. 23/78, Meeth ./. Glacetal, Slg. 1978, 2133. EuGH, 13.11.1979 – Rs. 25-79, Sanicentral GmbH ./. Collin, Slg. 1979, 3423. EuGH, 17.01.1980 – Rs. C-56/79, Zelger ./. Salinitri, Slg. 1980, 89. EuGH, 24.06.1981 – Rs. 150/80, Elefanten Schuh GmbH ./. Jacqmain, Slg. 1981, 1671. EuGH, 07.03.1985 – C-48/84, Spitzley ./. Sommer, Slg. 1985, 787. EuGH, 08.12.1987 – Rs. C-144/86, Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo, Slg. 1987, 4861. EuGH, 04.02.1988 – Rs. C-145/86, Hoffmann ./. Krieg, Slg. 1988, 645. EuGH, 27.06.1991 – Rs. C-351/89, Overseas Union Insurance Ltd. ./. New Hampshire Insurance Co., Slg. 1991, I-3317. EuGH, 10.03.1992 – Rs. C-214/89, Powell Duffryn Plc ./. Wolfgang Petereit, Slg. 1992, I-1745. EuGH, 06.12.1994 – Rs. C-406/92, „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“, Slg. 1994, I-5439. EuGH, 20.02.1997 – Rs. C-106/95, MSG Mainschiffahrts-Genossenschaft eG ./. Les Gravières Rhénanes SARL, NJW 1997, S. 1431. EuGH, 03.07.1997 – Rs. C-269/95, Benincasa ./. Dentalkit Srl., Slg. 1997, I-3767. EuGH, 09.10.1997 – Rs. 163/95, von Horn ./. Cinnamond, Slg. 1997, I-5451. EuGH, 19.05.1998 – Rs. C-351/96, Drouot assurances SA ./. CMI, Slg. 1994, I-3075. EuGH, 16.03.1999 – Rs. C-159/97, Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA, Slg. 1999, I-1597. EuGH, 27.06.2000 – C-240/98, C-244/98, Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero, Slg. 2000, I-4941. EuGH, 13.07.2000 – Rs. C-412/98, Group Josi Reinsurance Company SA ./. Universal General Insurance Company [UGIC], Slg. 2000, I-5925. EuGH, 09.11.2000 – Rs. C-387/98, Coreck Maritime GmbH ./. Handelsveem BV, Slg. 2000, I-9337. EuGH, 06.06.2002 – Rs. C-80/00, Italian Leather SpA ./. WECO Polstermöbel GmbH & Co., Slg. 2002, I-4995.
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Rechtsprechungsverzeichnis
EuGH, 09.12.2003 – C-116/02, Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl., Slg. 2003, I-14693. EuGH, 27.04.2004 – Rs. C-159/02, Turner ./. Grovit, Slg. 2004, I-3565. EuGH, 14.10.2004 – Rs. C-39/02, Mærsk Olie & Gas A/S ./. Firma M. de Haan en W. de Boer, Slg. 2004, I-9657. EuGH, 01.03.2005 – Rs. C-281/02, Owusu ./. Jackson, Slg. 2005, I-1383. EuGH, 10.02.2009 – C-185/07, Allianz SpA ./. Westtankers Inc., Slg. 2009, I-663. EuGH, 04.06.2009 – C-243/08, Panon GSM Zrt. ./. Györfi, Slg. 2009, I-4713. EuGH, 06.10.2009 – C-40/08, Asturcom Telecomunicaciones SL ./. Nogueira, Slg. 2009, I-9579.
C. Deutschland I. Bundesverfassungsgericht BVerfG, 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74, 257.
II. Bundesgerichtshof BGH, 10.05.1951 – IV ZB 26/51, BGHZ 2, 112. BGH, 26.10.1951 – I ZR 8/51, NJW 1952, S. 660. BGH, 10.10.1952 – V ZR 159/51, NJW 1952, S. 1375. BGH, 07.03.1956 – V ZR 106/54, NJW 1956, S. 787. BGH, 10.03.1956 – IV ZR 336/55, BGHZ 20, 198. BGH, 14.02.1958 – I ZR 151/56, NJW 1958, S. 827. BGH, 25.06.1958 – IV ZR 75/58, BGHZ 28, 45. BGH, 09.12.1958 – VI ZR 199/57, NJW 1959, S. 479. BGH, 30.01.1961 – VII ZR 180/60, NJW 1961, S. 1061. BGH, 19.09.1961 – VI ZR 259/60, NJW 1961, S. 2059. BGH, 03.10.1961 – VI ZR 242/60, NJW 1961, S. 2254. BGH, 28.11.1961 – I ZR 127/60, GRUR 1962, S. 360. BGH, 05.11.1962 – I ZR 39/61, NJW 1963, S. 531. BGH, 22.11.1962 – VII ZR 264/61, BGHZ 38, 254. BGH, 10.07.1963 – I b 214/62, NJW 1964, S. 29. BGH, 18.12.1963 – IV ZR 263/63, BGHZ 41, 3. BGH, 04.02.1964 – VI ZR 25/63, NJW 1964, S. 720. BGH, 08.02.1965 – III ZR 170/63, NJW 1965, S. 962. BGH, 14.06.1965 – GSZ 1/65, NJW 1965, S. 1665. BGH, 13.12.1967 – VIII ZR 203/65, NJW 1968, S. 356. BGH, 08.02.1968 – II ZR 82/67, WM 1968, S. 369. BGH, 29.02.1968 – VII ZR 102/65, NJW 1968, S. 1233. BGH, 26.03.1969 – VIII ZR 194/68, NJW 1969, S. 1536. BGH, 15.04.1970 – VIII ZR 87/69, NJW 1971, S. 323. BGH, 21.12.1970 – II ZR 39/70, NJW 1971, S. 325. BGH, 21.12.1970 – II ZR 133/68, NJW 1971, S. 886. BGH, 08.02.1971 – II ZR 93/70, NJW 1971, S. 985. BGH, 17.05.1972 – VIII ZR 76/71, NJW 1972, S. 1622. BGH, 05.07.1972 – VIII ZR 118/71, NJW 1972, S. 1671. BGH, 03.12.1973 – II ZR 91/72, WM 1974, S. 242. BGH, 16.06.1977 – III ZR 179/75, NJW 1977, S. 1875. BGH, 26.01.1979 – V ZR 75/76, NJW 1979, 1104. BGH, 13.03.1979 – VI ZR 117/77, NJW 1979, S. 1351.
Rechtsprechungsverzeichnis BGH, 06.11.1979 – VI ZR 254/77, NJW 1980, S. 119. BGH, 20.01.1981 – VI ZR 163/79, NJW 1981, S. 1366. BGH, 24.11.1981 – X ZR 7/80, NJW 1982, S. 1154. BGH, 30.05.1983 – II ZR 135/82, NJW 1983, S. 2772. BGH, 13.07.1983 – VIII ZR 246/82, NJW 1983, S. 2147. BGH, 14.11.1983 – IVb ZR 1/82, NJW 1984, S. 805. BGH, 12.03.1984 – II ZR 10/83, NJW 1984, S. 2037. BGH, 03.04.1985 – I ZR 101/83, NJW-RR 1987, S. 227. BGH, 18.04.1985 – VII ZR 359/83, NJW 1985, S. 2090. BGH, 10.10.1985 – I ZR 1/83, NJW 1986, S. 2195. BGH, 20.01.1986 – II ZR 56/85, NJW 1986, S. 1438. BGH, 24.09.1986 – VIII ZR 320/85, NJW 1987, S. 592. BGH, 03.12.1986 – IVb ZR 80/85, BGHZ 99, 143. BGH, 15.12.1986 – II ZR 34/86, NJW 1987, S. 1145. BGH, 22.01.1987 – I ZR 230/85, NJW 1987, S. 2680. BGH, 18.03.1987 – IVb ZR 24/86, NJW 1987, S. 3083. BGH, 30.06.1987 – KZR 7/86, NJW-RR 1988, S. 39. BGH, 20.10.1987 – VI ZR 280/86, NJW 1988, S. 909. BGH, 24.11.1988 – III ZR 150/87, NJW 1989, S. 1431. BGH, 20.01.1989 – V ZR 173/87, NJW 1989, S. 2064. BGH, 09.03.1989 – I ZR 189/86, NJW 1990, S. 52. BGH, 26.10.1989 – VII ZR 153/88, NJW-RR 1990, S. 183. BGH, 31.10.1989 – VIII ZR 330/88, IPRax 1991, S. 326. BGH, 21.12.1989 – IX ZR 234/88, NJW-RR 1990, S. 1532. BGH, 24.04.1990 – VI ZR 110/89, NJW 1990, S. 2060. BGH, 29.11.1990 – IX ZR 265/89, NJW 1991, S. 1061. BGH, 04.02.1991 – II ZR 52/90, NJW 1991, S. 1420. BGH, 02.07.1991 – XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092. BGH, 14.11.1991 – IX ZR 250/90, NJW 1993, S. 1070. BGH, 19.12.1991 – IX ZR 96/91, NJW 1992, S. 1172. BGH, 12.02.1992 – XIII ZR 25/91, NJW-RR 1992, S. 642. BGH, 12.05.1992 – VI ZR 257/91, NJW 1992, S. 2014. BGH, 04.06.1992 – IX ZR 149/91, NJW 1992, S. 3096. BGH, 31.05.1994 – VI ZR 233/93, NJW 1994, S. 2232. BGH, 07.07.1994 – I ZR 30/92, NJW 1994, S. 3107. BGH, 10.11.1994 – I ZR 216/92, NJW-RR 1995, S. 301. BGH, 23.02.1995 – I ZR 15/93, NJW-RR 1995, S. 810. BGH, 28.03.1996 – III ZR 95/95, NJW 1996, S. 1819. BGH, 21.11.1996 – IX ZR 264/95, NJW 1997, S. 397. BGH, 18.03.1997 – XI ZR 34/96, NJW 1997, S. 2885. BGH, 21.04.1998 – XI ZR 377-97, NJW 1998, S. 2358. BGH, 25.02.1999 – VII ZR 408-97, NJW 1999, S. 2442. BGH, 29.04.1999 – IX ZR 263-97, NJW 1999, S. 3198. BGH, 06.05.1999 – IX ZR 250–98, NJW 1999, S. 2118. BGH, 20.01.2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, S. 2106. BGH, 24.10.2000 – XI ZR 300/99, NJW 2001, S. 524. BGH, 22.02.2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, S. 1731. BGH, 17.05.2001 – IX ZR 256/99, NJW 2001, S. 3713. BGH, 22.11.2001 – VII ZR 405/00, NJW 2002, S. 680. BGH, 07.03.2002 – III ZR 73/01, NJW 2002, S. 1503.
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Rechtsprechungsverzeichnis
BGH, 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426. BGH, 25.03.2003 – VI ZR 175/02, NJW 2003, S. 1934. BGH, 11.11.2003 – VI ZR 371/02, NJW 2004, S. 446. BGH, 16.12.2003 – XI ZR 474/02, NJW 2004, 1456. BGH, 06.07.2004 – X ZR 171/02, NJW-RR 2005, S. 150. BGH, 12.08.2004 – I ZR 98/02, GRUR 2004, S. 958. BGH, 12.11.2004 – V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315. BGH, 08.03.2005 – VIII ZB 55/04, NJW 2005, S. 1373. BGH, 21.12.2005 – X ZR 72/04, GRUR 2006, S. 219. BGH, 30.05.2006 – VI ZB 64/05, NJW 2006, S. 2490. BGH, 28.01.2003 – VIII ZR 246/06, NJW 2008, S. 1147. BGH, 16.01.2009 – V ZR 133/08, NJW 2009, S. 1262.
III. Bundesarbeitsgericht BAG, 29.06.1978 – 2 BAG, 27.01.1984 – 2 BAG, 09.07.1986 – 5 BAG, 24.09.2009 – 8
AZR 973/77, NJW 1979, S. 1119. AzR 188/81, NJW 1984, S. 1320. AZR 563/84, unveröff. Entscheidung (juris). AZR 306/08, RIW 2010, S. 232.
IV. Reichsgericht RG, 01.06.1921 – V 82/21, RGZ 102, 217. RG, 20.12.1928 – VIII 240/28, RGZ 123, 84. RG, 03.03.1938 – IV 224/37, RGZ 157, 136. RG, 06.02.1939 – IV 220/38, RGZ 159, 186.
V. Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLG, 21.08.1975 – 1 Z 41/75, NJW 1976, S. 1037. BayObLG, 07.02.2001 – 3Z BR 117/00, FamRZ 2001, S. 1622.
VI. Oberlandesgerichte KG Berlin, 27.09.1907, OLGE 1909, 55. KG Berlin, 19.01.1971 – 1 W 10246/70, JurBüro 1971, S. 624. KG Berlin, 28.09.1982 – 5 U 3213/82, BB 1983, S. 213. OLG Bamberg, 22.09.1988 – 1 U 302/87, NJW-RR 1989, S. 371. OLG Bamberg, 05.11.1999 – 2 WF 192/99, FamRZ 2000, S. 1289. OLG Bremen, 18.07.1985 – 2 U 29/85, RIW 1985, S. 894. OLG Celle, 01.11.1995 – 2 U 145/92, IPRax 1997, S. 417. OLG Celle, 27.02.1998 – 4 U 130/97, (juris). OLG Celle, 24.09.2003 – 3 U 90/03, NJW-RR 2004, S. 575. OLG Düsseldorf, 06.01.1989 – 16 U 77/88, NJW-RR 1989, S. 1330. OLG Düsseldorf, 14.12.1989 – 10 U 93/89, RIW 1990, S. 220. OLG Düsseldorf, 10.01.1996 – 3 VA 11/95, ZIP 1996, S. 294. OLG Düsseldorf, 16.03.2000 – 6 U 90/99, RIW 2001, S. 63. OLG Düsseldorf, 25.03.2004 – 2 U 151/02, (juris). OLG Düsseldorf, 07.12.2007 – I-7 U 228/05, IPRax 2009, S. 517. OLG Frankfurt a.M., 09.04.1975 – 19 U 113/74, IPRspr. 1975 Nr. 156. OLG Frankfurt a.M., 19.10.1976 – 20 W 744/76, AnwBl 1977, S. 28. OLG Frankfurt a.M., 21.10.1980 – 5 W 24/80, RIW 1980, S. 875.
Rechtsprechungsverzeichnis OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG OLG
Frankfurt a.M., 19.06.2000 – 22 W 5/00216, NJW-RR 2001, S. 215. Frankfurt a.M., 05.03.2001 – 13 W 18/98, IPRax 2002, S. 515. Frankfurt a.M., 20.04.2005 – 4 U 233/04, NJW-RR 2005, S. 935. Frankfurt a.M., 12.11.1985 – 5 W 25/85, NJW 1986, S. 1443. Frankfurt a.M., 17.10.1995 – 5 U 176/94, IPRax 1998, S. 35. Frankfurt a.M., 25.07.1996 – 16 U 157/95, NJW-RR 1997, 1202. Hamburg, 04.02.1982 – 3 U 136/81, RIW 1983, S. 124. Hamburg, 28.02.1997 – 1 U 167/95, IPRspr. 1997 Nr. 76. Hamburg, 26.03.1999 – 1 U 162-98, NJW-RR 1999, S. 1506. Hamburg, 14.04.2004 – 13 U 76/03, NJW 2004, S. 3126. Hamburg, 25.05.1978 – 6 U 181/77, RIW 1979, S. 495. Hamm, 25.03.1987 – 20 U 171/86, NJW 1988, S. 653. Hamm, 08.11.1993 – 8 U 37/93, NJW-RR 1995, S. 510. Hamm, 14.01.1994 – 12 U 128/93, NJW 1995, S. 2499. Hamm, 28.06.1994 – 19 U 179/93, NJW-RR 1995, S. 188. Hamm, 18.09.1997 – 5 U 89/97, IPRax 1999, S. 244. Hamm, 30.10.2000 – 1 U 1/00, FamRZ 2001, S. 1015. Hamm, 20.09.2005 – 19 U 40/05, IPRax 2007, S. 125. Hamm, 06.12.2005 – 19 U 120/05, OLGR Hamm 2006, S. 327. Karlsruhe, 30.12.1981 – 14 U 4/81, NJW 1982, S. 1950. Karlsruhe, 09.10.1992 – 15 U 67/92, NJW-RR 1993, S. 567. Karlsruhe, 22.04.1993 – 2 WF 131/92, FamRZ 1994, S. 47. Karlsruhe, 22.03.1996 – 10 U 249/95, NJW 1996, S. 2041. Karlsruhe, 15.03.2001 – 19 U 48/00, RIW 2001, S. 621. Karlsruhe, 28.05.2002 – 8 U 158/01, IPRspr. 2002, Nr. 131b. Koblenz, 08.02.1996 – 5 U 999/95, NJW-RR 1997, S. 638. Koblenz, 08.03.2000 – 2 U 1788/99, IPRax 2001, S. 334. Koblenz, 24.06.2004 – 5 U 1353/02, IPRax 2006, S. 469. Köln, 04.04.1973 – 2 U 173/72, VersR 1973, S. 1065. Köln, 21.11.1991 – 18 U 113/91, NJW-RR 1992, S. 571. Köln, 08.01.1993 – 19 U 123/92, RIW 1993, S. 414. Köln, 31.05.1995 – 2 U 182/94, NJW 1996, S. 1290. München, 08.08.1984 – 7 U 1880/84, IPRax 1095, S. 341. München, 13.02.1985 – 7 U 3867/84, IPRspr. 1985 Nr. 133 A. München, 31.03.1987 – 6 W 788/87, NJW 1987, S. 2166. München, 25.02.1988 – 29 U 2759/86, IPRax 1989, S. 42. München, 08.03.1989 – 15 U 5989/88, RIW 1989, S. 901. München, 28.09.1989 – 24 U 391/87, IPRax 1991, S. 46. München, 20.07.1994 – 3 U 2861/94, OLGR München 1995, S. 117. München, 29.05.1998 – 11 W 1338-98, NJW-RR 1998, S. 1692. München, 28.07.1999 – 7 U 1708/99, OLGR München 1999, S. 342. München, 01.03.2000 – 7 U 5080/99, IPRspr. 2000 Nr. 143. München, 15.07.2009 – 31 AR 341/09, NJW-RR 2010, S. 139. München, 17.05.2006 – 7 U 1781/06, IPRax 2007, S. 322. Nürnberg, 10.03.1992 – 1 U 2754/91, RIW 1993, S. 412. Oldenburg, 20.12.2007 – 8 U 138/07, IHR 2008, S. 112. Rostock, 27.11.1996 – 6 U 113/96, RIW 1997, S. 1042. Saarbrücken, 21.09.1988 – 5 U 8/88, NJW-RR 1989, 828. Saarbrücken, 02.10.1991 – 5 U 21/91, NJW 1992, S. 987. Saarbrücken, 02.07.1997 – 1 U 847/96 - 139, RIW 1999, S. 64.
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OLG Saarbrücken, 13.10.1999 – 1 U 190/99-37, NJW 2000, S. 670. OLG Schleswig, 15.02.2007 – 5 U 59/06, OLGR 2007, 305. OLG Stuttgart, 09.11.1990 – 2 U 16/90, EuZW 1991, S. 125. OLG Stuttgart, 19.12.2000 – 6 W 58/00, RIW 2001, S. 228. OLG Köln, 28.04.1975 – 10 U 195/74, VersR 1976, S. 537. OLG Köln, 20.06.1989 – 24 U 44/89, ZIP 1989, S. 1068. OGHBrZ Köln, 11.03.1950 – I AR 8/50, NJW 1950, S. 385.
VII. Landgerichte LAG Frankfurt, 10.06.1981 – 7 Sa 1247/80, RIW 1982, S. 524. LG Bonn, 27.07.1995 – 13 O 370/93, IPRax 1997, S. 267. LG Braunschweig, 28.02.1974 – 9 a O 115/73, RIW/AWD 1974, S. 346. LG Darmstadt, 02.12.1993 – 13 O 438/92, NJW-RR 1994, S. 684. LG Essen, 12.12.1999 – 41 O 122/89, RIW 1992, S. 227. LG Frankfurt a.M., 09.05.1986 – 3/11 O 138/85, IPRspr. 1986 Nr. 133. LG Hamburg, 24.03.1976 – 5 O 265/74, IPRspr. 1976 Nr. 160. LG Hamburg, 01.10.1980 – 24 O 9/80, IPRspr. 1980 Nr. 23. LG Kiel, 18.01.1984 – 15 O 415/82, RIW 1985, S. 409. LG Kiel, 30.01.2008 – 14 O 90/05, IPRax 2009, S. 164. LG Landshut, 12.06.2008 – 43 O 1748/07, BeckRS 2010, 17807. LG Mainz, 13.09.2005 – 12 HK 0 112/04, WM 2005, 2319. LG Bonn, 26.06.2003 – 7 O 22/02, IPRspr. 2003 Nr. 170.
D. England I. House of Lords House of Lords, 1837 – Don v. Lippmann, 7 E.R. 303. House of Lords, 14.12.1897 – Allen v. Flood, [1898] A.C. 1. House of Lords, 02.06.1916 – Russell & Co., Ltd. v. Cayzer, Irvine & Co., Ltd., [19161917] All ER 630. House of Lords, 21.01.1964 – Rookes v. Barnard (No. 1), [1964] A.C. 1129. House of Lords, 25.06.1969 – Boys v. Chaplin, [1971] A.C. 356. House of Lords, 22.02.1973 – The Atlantic Star, [1973] 2 Lloyd’s Rep. 197. House of Lords, 25.11.1982 – The Hollandia, [1982] 3 W.L.R. 1111. House of Lords, 24.03.1983 – Export Credit Guarantee Department v. Universal Oil Products Co., [1983] 1 W.L.R. 399. House of Lords, 26.01.1984 – The Abidin Daver, [1984] AC 398. House of Lords, 19.07.1984 – British Airways Board v. Laker Airways Ltd., [1985] A.C. 58. House of Lords, 21.03.1985 – The Sennar No. 2, [1985] 1 Lloyd’s Rep. 521. House of Lords, 29.07.1986 – South Carolina Insurance Co. v. Assurantie Maatchappij „De Zeven Provincien N.V.“, [1987] 1 A.C. 24. House of Lords, 19.11.1986 – Spiliada Maritime Corporation v. Cansulex Ltd., [1987] AC 460. House of Lords, 02.04.1987 – de Dampierre v. de Dampierre, [1988] 1 A.C. 92. House of Lords, 16.10.1997 – Republic of India v. India Steamship Co. Ltd., [1997] 4 All E.R. 380. House of Lords, 02.04.1998 – Airbus Industrie GIE v. Patel, [1999] I.L.Pr. 238. House of Lords, 27.01.2000 – Gregory v. Portsmouth, [2007] 1 A.C. 419.
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House of Lords, 22.07.2000 – Lubbe v. Cape Plc., [2000] 1 W.L.R. 1545. House of Lords, 13.12.2001 – Donohue v. Armco Inc., [2002] 1 Lloyd’s Rep. 425. House of Lords, 13.12.2001 – Turner v. Grovit, [2002] 1 W.L.R. 107 (Vorlage an EuGH).
II. Judicial Committee of the Privy Council Privy Council, 14.05.1987 – SNI Aerospatiale v. Lee Kui Jak, [1987] A.C. 871. Privy Council, 21.03.1994 – The Pioneer Container, [1994] 2 AC 324. Privy Council, 22.04.1996 – The Mahkutai, [1996] AC 650.
III. Court of Appeal Court of Appeal, 16.02.1883 – Peruvian Guano Co. v. Bockwoldt, [1881-1885] All ER 715. Court of Appeal, 18.04.1883 – The Quartz Hill Consolidated Gold Mining Company v. Eyre, (1882-83) 11 Q.B. 674. Court of Appeal, 19.01.1903 – Austrian Lloyd Steamship Co. v. Gresham Life Assurance Society Ltd., [1903] 1 KB 249. Court of Appeal, 14.11.1907 – Emanuel v. Symon, [1908] 1 K.B. 302. Court of Appeal, 18.12.1907 – National Phonograph Company, Ltd. v. Edison-Bell Consolidated Company Ltd., [1908] 1 Ch. 335. Court of Appeal, 30.05.1913 – The Cap Blanco, [1913] P. 130. Court of Appeal, 20.12.1935 – St. Pierre v. South American Stores (Garth & Chaves) Ltd., [1936] 1 K.B. 382. Court of Appeal, 10.05.1951 – Re Dulles' Settlement Trusts, [1951] Ch. 842. Court of Appeal, 17.12.1957 – The Fehmarn, [1958] 1 W.L.R. 159. Court of Appeal, 18.10.1966 – Mackender v. Feldia A.G., [1967] 2 Q.B. 590. Court of Appeal, 25.03.1976 – The Adolf Warski, [1976] 2 Lloyd’s Rep. 241. Court of Appeal, 09.03.1972 – Maharanee of Baroda v. Wildenstein, [1972] 2 Q.B. 283. Court of Appeal, 20.12.1972 – Evans Marshall & Co. Ltd. v. Bertola S.A., [1973] 1 Lloyd’s Rep. 453. Court of Appeal, 25.03.1976 – The Makefjell, [1976] 2 Lloyd’s Rep. 29. Court of Appeal, 04.07.1977 – SA Consortium General Textiles v. Sun & Sand Agencies, [1978] Q.B. 279. Court of Appeal, 14.06.1979 – Carvalho v. Hull, Blyth (Angola) Ltd., [1979] 1 W.L.R. 1228. Court of Appeal, 22.04.1980 – Castanho v. Brown & Root (UK) Ltd., [1980] Lloyd’s Rep. 423. Court of Appeal, 30.07.1980 – The Lisboa, [1980] 2 Lloyd’s Rep. 546. Court of Appeal, 26.03.1981 – The Hida Maru, [1981] 2 Lloyd’s Rep. 510. Court of Appeal, 15.05.1981 – The El Amria, [1981] 2 Lloyd’s Rep. 119. Court of Appeal, 13.05.1982 – Smith Kline & French Laboratories Ltd. v. Bloch, [1983] 1 W.L.R. 730. Court of Appeal, 05.10.1983 – The Varenna, [1983] 2 Lloyd’s Rep. 592. Court of Appeal, 24.05.1984 – Bank of Tokyo Ltd. v. Karoon, [1987] A.C. 45. Court of Appeal, 30.07.1985 – Midland Bank Plc. v. Laker Airways Ltd., [1986] Q.B. 689. Court of Appeal, 03.07.1986 – Muduroglu Ltd. v. T.C. Ziraat Bankasi, [1986] Q.B. 1225. Court of Appeal, 21.07.1987 – EI Du Pont de Nemours & Co. v. Agnew No. 1, [1987] 2 Lloyd’s Rep. 585. Court of Appeal, 25.05.1988 – The Volvox Hollandia, [1988] 2 Lloyd’s Rep. 361.
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Court of Appeal, 14.07.1988 – Sohio Supply Co. v. Gatoil (USA) Inc., [1989] 1 Lloyd’s Rep. 588. Court of Appeal, 21.12.1988 – Attock Cement Co. Ltd. v. Romanian Bank for Foreign Trade, [1989] 1 W.L.R. 1147. Court of Appeal, 02.03.1989 – Lonrho Plc. v. Fayed, [1990] 2 Q.B. 479. Court of Appeal, 24.05.1989 – Adams v. Cape Industries Plc, [1990] Ch. 433 (CA). Court of Appeal, 19.07.1989 – First National Bank of Boston v. Union Bank of Switzerland, [1990] 1 Lloyd’s Rep. 32. Court of Appeal, 13.03.1991 – Re Harrods (Buenos Aires) Ltd. No. 2, [1992] Ch. 72. Court of Appeal, 19.12.1991 – Marc Rich & Co. AG v. Societa Italiana Impianti pA (The Atlantic Emperor) No. 2, [1992] 1 Lloyd’s Rep. 624. Court of Appeal, 10.11.1993 – Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588. Court of Appeal, 26.11.1993 – The Nile Rhapsody No. 2, [1994] 1 Lloyd's Rep. 382. Court of Appeal, 28.12.1993 – Harbour Assurance Co. (UK) Ltd. v. Kansa General International Insurance Co. Ltd., [1993] 1 Lloyd’s Rep. 455. Court of Appeal, 17.05.1994 – Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A. (The Angelic Grace), [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87. Court of Appeal, 18.08.1995 – Conelly v. RTZ Corp. Plc. No. 1, [1996] Q.B. 361. Court of Appeal, 12.07.1996 – Philip Alexander Securities & Future Ltd. v. Bamberger, [1996] C.L.C. 1757. Court of Appeal, 16.04.1997 – A/S D/S Svendborg v. Wansa, [1997] 2 Lloyd's Rep. 183. Court of Appeal, 16.05.1997 – New Hampshire Insurance Co. Ltd. v. Philips Electronics North America Corp. No. 1, [1998] I.L.Pr. 256. Court of Appeal, 03.10.1997 – BMG Trading Ltd. v. AS McKay, [1998] I.L.Pr. 691. Court of Appeal, 11.12.1997 – Baghlaf Al Zafer v. Pakistan National Shipping Co., [1998] 2 Lloyd’s Rep. 229. Court of Appeal, 24.07.1998 – Bouygues Offshore S.A. v. Caspian Shipping Co., [1998] 2 Lloyd’s Rep. 461. Court of Appeal, 09.03.1999 – Eli Lilly & Co. v. Novo Nordisk A/S, [2000] I.L.Pr. 73. Court of Appeal, 21.02.2000 – Messier-Dowty Ltd. v. Sabena SA, [2000] EWCA Civ 48. Court of Appeal, 21.11.2001 – Union Discount Co. v. Zoller, [2001] EWCA Civ 1755. Court of Appeal, 21.03.2002 – Home Office v. Lownds, [2002] EWCA Civ 365. Court of Appeal, 18.04.2002 – Glencore International AG v. Metro Trading Internationl Inc. No. 3, [2002] C.L.C. 1090. Court of Appeal, 12.06.2002 – Excelsior Commercial & Industrial Holdings Ltd. v. Salisbury Hammer Aspden & Johnson, [2002] EWCA Civ 879. Court of Appeal, 14.11.2002 – Sabah Shipyard (Pakistan) Ltd. v. Islamic Republic of Pakistan, [2002] EWCA Civ 1643. Court of Appeal, 01.07.2004 – Al-Bassam v. Al-Bassam, [2004] EWCA Civ 857. Court of Appeal, 10.09.2004 – DSM Anti-Infectives BV v. Smithkline Beecham PLC, [2004] EWCA Civ 1199. Court of Appeal, 27.05.2005 – Carvill America Inc. v. Camperdown UK Ltd., [2005] EWCA Civ 645. Court of Appeal, 13.06.2005 – OT Africa Line Ltd. v. Magic Sportswear Corp., [2005] EWCA Civ 710. Court of Appeal, 10.04.2006 – Dornoch Ltd. v. The Mauritius Union Ltd., [2006] EWCA Civ 389. Court of Appeal, 24.01.2007 – Fiona Trust & Holding Corp. v. Privalov, [2006] EWHC 2583 (Comm).
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Court of Appeal, 24.08.2007 – Sunrock Aircraft Corp. Ltd. v. Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden, [2007] EWCA Civ 883. Court of Appeal, 06.06.2008 – Masri v. Consolidated Contractors International Co. SAL, [2008] 2 Lloyd's Rep. 301.
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V. Sonstige Court of Chancery, 1818 – Kennedy v. Cassilis, 36 E.R. 635. Court of Common Pleas, 10.02.1796 – Gienar v. Meyer, 126 E.R. 728.
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US Court of Appeals (9th Cir.), 15.02.1991 – Spradlin v. Lear Siegler Management Company, Inc., 926 F.2d 865. US Court of Appeals (9th Cir.), 19.02.1991 – Neuchatel Swiss General Insurance Co. v. Lufthansa Airlines, 925 F.2d 1193. US Court of Appeals (9th Cir.), 27.07.1994 – Chan v. Society Expeditions Inc., 39 F.3d 1398. US Court of Appeals (9th Cir.), 05.05.2003 – Chateau des Charmes Wines Ltd. v. Sabate USA Inc., 328 F.3d 528. US Court of Appeals (9th Cir.), 01.05.2006 – E. & J. Gallo Winery v. Andina Licores S.A., 446 F.3d 984. US Court of Appeals (9th Cir.), 22.08.2007 – Dependable Highway Express, Inc. v. US District Court (C.D. California), 498 F.3d 1059. US Court of Appeals (9th Cir.), 03.11.2009 – Applied Medical Distribution Co. v. The Surgical Company BV, 2009 U.S. App. LEXIS 24117. US Court of Appeals (10th Cir.), 22.08.1957 – North Drive-in Theatre Co. v. Park-in Theatre, 248 F.2d 232. US Court of Appeals (10th Cir.), 17.08.1992 – Riley v. Kingsley Underwriting Agencies, Ltd., 969 F.2d 953. US Court of Appeals (10th Cir.), 23.12.2002 – K & V Scientific Co., Inc. v. BMW AG, 314 F.3d 494. US Court of Appeals (10th Cir.), 10.09.2003 – King v. PA Consulting Group, Inc., 2003 U.S. App. LEXIS 18783. US Court of Appeals (10th Cir.), 20.09.2006 – Orhan Yavuz v. 61MM, Ltd., 465 F.3d 418. US Court of Appeals (11th Cir.), 21.05.1985 – Citro Florida Inc. v. Citrovale S.A., 760 F.2d 1231. US Court of Appeals (11th Cir.), 28.09.1989 – Cabalceta v. Standard Fruit Company, 883 F.2d 1553. US Court of Appeals (11th Cir.), 14.05.1992 – Tang How v. Edward J. Gerrits, Inc., 961 F.2d 174. US Court of Appeals (11th Cir.), 29.06.1994 – Turner Entertainment Co. v. Degeto GmbH, 25 F.3d 1512. US Court of Appeals (11th Cir.), 05.08.1998 – Lipcon v. Underwriters at Lloyd’s London, 148 F.3d 1285. US Court of Appeals (11th Cir.), 25.06.1999 – Posner v. Essex Insurance Co., Ltd., 178 F.3d 1209. US Court of Appeals (11th Cir.), 15.09.2000 – Velazquez v. U.S. Sogo, Inc., 234 F.3d 33. US Court of Appeals (11th Cir.), 19.08.2009 – Krenkel v. Kerzner International Hotels Ltd., 579 F.3d 1279. US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.03.1984 – Laker Airways Ltd. v. Sabena Belgian World Airlines, 731 F.2d 909. US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 06.02.1996 – El-Fadl v. Central Bank of Jordan, 75 F.3d 668. US Court of Appeals (D. Columbia Cir.), 14.02.1989 – Commerce Consultants International, Inc. v. Vetrerie Ruinite, S.p.A., 867 F.2d 697.
III. District Courts US District Court (C.D. California), 28.06.2005 – Mujica v. Occidental Petroleum Corp., 381 F.Supp.2d 1134.
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US District Court (C.D. Illinois), 17.09.1979 – Hoes of America, Inc. v. Hoes, 493 F.Supp.1205. US District Court (D. Columbia), 02.12.1982 – Brinco Mining Ltd. v. Federal Insurance Company, 552 F.Supp.1233. US District Court (D. Columbia), 28.07.1998 – Overseas Partners, Inc. v. Progen Musavirlik ve Yonetim Hizmetleri, Ltd., 15 F.Supp.2d 47. US District Court (D. Delaware), 23.06.1982 – Process and Storage Vessels, Inc. v. Tank Service, Inc., 541 F.Supp. 725. US District Court (D. Delaware), 22.01.2004 – RGC International Investors LDC v. Ari Network Services Inc., 2004 U.S. Dist. LEXIS 1161. US District Court (D. Kansas), 17.02.2006 – TH Agriculture & Nutrition, L.L.C. v. ACE European Group Ltd., 416 F.Supp.2d 1054. US District Court (D. Maryland), 12.02.2004 – Davis Media Group, Inc. v. Best Western International, Inc., 302 F.Supp.2d 464. US District Court (D. Maryland), 30.06.2005 – The Johns Hopkins Health Systems Corp. v. Al Reem General Trading, 374 F.Supp.2d 465. US District Court (D. Massachusetts), 31.03.1970 – Gigliello v. Sovereign Construction Company, Ltd., 311 F.Supp. 371. US District Court (D. Minnesota), 05.02.1982 – Cargill Inc. v. Hartford Accident and Indemnity Co., 531 F.Supp. 710. US District Court (D. New Jersey), 10.07.1990 – American Cyanamid Co. v. PicasoAnstalt, 741 F.Supp. 1150. US District Court (D. New Jersey), 02.08.2001 – Intermetals Corp. v. Hanover International AG für Industrieversicherungen, 188 F.Supp.2d 454. US District Court (D. New Mexico), 31.08.2005 – Knight Oil Tools, Inc. v. Unit Petroleum Co., 2005 U.S. Dist. LEXIS 21929. US District Court (D. North Dakota), 25.11.2009 – Bank of Oklahoma, N.A. v. Tharaldson Motels II, Inc., 2009 U.S. Dist. LEXIS 110600. US District Court (D. Puerto Rico), 13.03.1993 – Caribe BMW, Inc. v. BMW AG, 821 F.Supp. 802. US District Court (D. Puerto Rico), 10.08.2005 – Heck-Dance v. Inversiones Isleta Marina, Inc., 381 F.Supp.2d 50. US District Court (D. Puerto Rico), 27.02.2006 – Morales v. Royal Caribbean Cruises, Ltd., 419 F.Supp.2d 97. US District Court (D. Rhode Island), 04.09.1987 – Moretti & Perlow Law Offices v. Aleet Associates, 668 F.Supp. 103. US District Court (D. Utah), 12.09.2005 – Hugger-Mugger, L.L.C. v. Netsuite, Inc., 2005 U.S. Dist. LEXIS 33003. US District Court (E.D. Arkansas), 16.02.1959 – Grace v. MacArthur, 170 F.Supp. 442. US District Court (E.D. Kentucky), 06.06.2007 – Oldcastle Precast, Inc. v. Sunesis Construction Co., 2007 U.S. Dist. LEXIS 41064. US District Court (E.D. Michigan), 26.11.1996 – General Motors Corp. v. Lopez de Arriortua, 984 F.Supp. 656. US District Court (E.D. Missouri), 28.03.1980 – Dick Proctor Imports, Inc. v. Sumitomo Corp. of America, 486 F.Supp. 815. US District Court (E.D. Missouri), 26.04.2006 – BP Chemicals Ltd. v. Jiangsu Sopo Corp. (Group) Ltd., 429 F. Supp 2d 1179. US District Court (E.D. New York), 14.09.1990 – Nippon Emo-Trans Co., Ltd. v. EmoTrans, Inc., 744 F.Supp. 1215.
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US District Court (E.D. New York), 14.10.2005 – Hongkong and Shanghai Banking Corporation Ltd. v. Suveyke, 392 F.Supp.2d 489. US District Court (E.D. Pennsylvania), 21.09.1981 – I.J.A. Inc. v. Marine Holdings, Ltd., 524 F.Supp. 197. US District Court (E.D. Pennsylvania), 10.12.1975 – In re Lidoriki Maritime Co., 404 F.Supp. 1402. US District Court (E.D. Pennsylvania), 29.04.2005 – Hay Acqusition Company, Inc. v. Bernd Schneider, 2005 U.S. Dist. LEXIS 24490. US District Court (E.D. Pennsylvania), 31.03.2006 – Select Medical Corp. v. Hardaway, 2006 U.S. Dist. LEXIS 15326. US District Court (E.D. Texas), 13.10.1999 – Sudduth v. Occidental Peruana, Inc., 70 F.Supp.2d 691. US District Court (E.D. Virginia), 23.01.2003 – Graduate Management Admission Council v. Raju, 241 F.Supp.2d 589. US District Court (M.D. Alabama), 24.08.1990 – American Performance, Inc. v. Sanford, 749 F.Supp. 1094. US District Court (M.D. Alabama), 13.10.1992 – Mutual Services Casualty Insurance Co. v. Frit Industries, Inc., 805 F.Supp. 919. US District Court (Middle D. Florida), 09.07.2009 – Van Zyl v. Aviatour, Inc., 2009 U.S. Dist. LEXIS 63390. US District Court (N. D. Illinois), 20.05.1997 – Laboratory Corp. of America Inc. v. Upstate Testing Laboratory Inc., 967 F.Supp. 295. US District Court (N. D. Illinois), 25.04.2005 – Faur v. Sirius International Insurance Corp., 391 F.Supp.2d 650. US District Court (N.D. California), 14.06.2001 – Starlight Company, Inc. v. Arlington Plastics Machinery, Inc., 2001 U.S. Dist. LEXIS 7997. US District Court (N.D. California), 12.03.2002 – Chateau des Charmes Wines Ltd. v. Sabate USA, Inc., 2002 U.S. Dist. LEXIS 4406. US District Court (N.D. California), 30.01.2001 – Supermicro Computer Inc. v. Digitechnic, S.A., 145 F.Supp.2d 1147. US District Court (N.D. Illinois), 21.03.1984 – Clinton v. Janger, 583 F.Supp. 284. US District Court (N.D. Illinois), 15.10.1984 – ECC Computer Centers, Inc. v. Entre Computer Centers, Inc., 597 F.Supp. 1182. US District Court (N.D. Illinois), 06.05.1993 – Heuft Systemtechnik GmbH v. Videojet Systems International, Inc., 1993 U.S. Dist. LEXIS 6014. US District Court (N.D. Illinois), 14.11.1994 – Frediani & Delgreco, S.p.A. v. Gina Imports, Ltd., 870 F.Supp. 217. US District Court (N.D. Illinois), 04.08.1999 – Hull 753 Corp. v. Elbe Flugzeugwerke GmbH, 58 F.Supp.2d 925. US District Court (N.D. Illinois), 31.07.2003 – Apotex Corp. v. Istituto Biologico Chemioterapico S.p.a., 2003 U.S. Dist. LEXIS 13303. US District Court (N.D. Illinois), 25.11.2003 – Truserv Corp. v. Flegles Inc., 2003 U.S. Dist. LEXIS 21366. US District Court (N.D. Illinois), 22.03.2010 – Ehrenpreis v. Google, 2010 U.S. Dist. LEXIS 29167. US District Court (N.D. Iowa), 12.09.1997 – Gunderson v. ADM Investor Services, Inc., 976 F.Supp. 818. US District Court (N.D. Texas), 13.06.1979 – Taylor v. Titan Midwest Construction Corp., 474 F.Supp. 145.
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US District Court (N.D. Texas), 23.06.1980 – Hunt v. BP Exploration Company (Libya) Ltd., 492 F.Supp. 885. US District Court (N.D. Texas), 25.05.2005 – Abramson v. America Online, Inc., 393 F.Supp.2d 438. US District Court (S.D. California), 08.05.2001 – Meridian Seafood Products, Inc. v. Fianzas Monterrey, S.A., 149 F.Supp.2d 1234. US District Court (S.D. Florida), 27.03.1978 – Western Electric Co. v. Milgo Electronic Corp., 450 F.Supp. 835. US District Court (S.D. Florida), 20.10.1986 – Consolidated Bathurst, Ltd. v. Rederiaktiebolaget Gustaf Erikson, 645 F.Supp. 884. US District Court (S.D. Florida), 10.12.2001 – Bank Miami v. Sun International Hotels Ltd., 184 F.Supp.2d 1246. US District Court (S.D. Florida), 30.09.2005 – Marco Forwarding Co. v. Continental Casualty Co., 430 F.Supp.2d 1289. US District Court (S.D. Florida), 17.06.1999 – Velazquez and Mars Entertainment, Inc. v. USA Sogo, Inc., 1999 U.S. Dist. LEXIS 12348. US District Court (S.D. Florida), 28.07.2004 – Pelican Ventures LLC v. Azimut S.p.A., 2004 U.S. Dist. LEXIS 26764. US District Court (S.D. Indiana), 05.09.2006 – Ball v. Versar Inc., 454 F.Supp.2d 783. US District Court (S.D. New York), 15.06.1994 – Caribbean Wholesales & Service Corp. v. US JVC Corp., 855 F.Supp. 627. US District Court (S.D. New York), 04.03.1976 – Sanko Steamship Co. v. Newfoundland Refining Co., Ltd., 411 F.Supp. 285. US District Court (S.D. New York), 19.07.1982 – Continental Time Corp. v. Swiss Credit Bank, 543 F.Supp. 408. US District Court (S.D. New York), 12.12.1984 – Continental Grain Export Corp. v. Ministry of War-Etka Co. Ltd., 603 F.Supp. 724. US District Court (S.D. New York), 09.02.1990 – Medoil Corp. v. Citicorp., 729 F.Supp. 1456. US District Court (S.D. New York), 01.08.1991 – Caspian Investments, Ltd. v. Vicom Holdings, Ltd., 770 F.Supp. 880. US District Court (S.D. New York), 10.01.1994 – Cambridge Nutrition A.G. v. Fotheringham, 840 F.Supp. 299. US District Court (S.D. New York), 07.09.1994 – Advantage International Management, Inc. v. Martinez, 1994 U.S. Dist. LEXIS 12535. US District Court (S.D. New York), 14.01.1997 – Dragon Capital Partners L.P. v. Merrill Lynch Capital Services Inc., 949 F.Supp. 1123. US District Court (S.D. New York), 12.05.1997 – Caribbean Wholesales & Service Corp. v. US JVC Corp., 963 F.Supp. 1342. US District Court (S.D. New York), 03.02.1998 – Allendale Mutual Insurance Co. v. Excess Insurance Co. Ltd., 992 F.Supp. 278. US District Court (S.D. New York), 17.02.1998 – Design Strategy Corp. v. Nghiem, 14 F.Supp.2d 298. US District Court (S.D. New York), 23.04.1998 – Mobil Sales and Supply Corp. v. Republic of Lithuania, 1998 U.S. Dist. LEXIS 5693. US District Court (S.D. New York), 12.03.1999 – S.C. Chimexim S.A. v. Velco Enterprises Ltd., 36 F.Supp.2d 206. US District Court (S.D. New York), 11.01.2000 – Poddar v. State Bank of India, 79 F.Supp.2d 391.
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IV. State Courts Alabama Supreme Court, 15.05.1930 – Hall v. Mulligan, 221 Ala. 233. California Court of Appeal, 12.04.1973 – Pentz v. Kuppinger, 31 Cal. App. 2d 590. Connecticut Appellate Court, 10.02.1998 – Phoenix Leasing, Inc. v. Kosinski, 47 Conn. App. 650. Connecticut Superior Court, 09.09.1999 – IDV North America, Inc. v. Illva Saronno, S.p.A., 1999 Conn. Super. LEXIS 2540. Florida Court of Appeal, 08.03.2000 – Fendi S.r.l. v. Condotti Shops, Inc., 2000 Fla. App. LEXIS 4197. Florida Supreme Court, 09.07.1987 – McRae v. J.D./M.D., Inc., 511 So. 2d 540. Illinois Appelate Court, 06.12.1937 – Taylor v. The Atchison, 292 Ill. App. 457. Illinois Appelate Court, 24.05.1951 – Kleinschmidt v. Kleinschmidt, 343 Ill. App. 539. Illinois Appelate Court, 04.06.1999 – Yamada Corp. v. Yasuda Fire and Marine Insurance Company, Ltd., 305 Ill. App. 3d 362. Illinois Court of Appeals, 02.12.1925 – Allen v. Chicago Great Western Railroad Co., 239 Ill. App. 38. Illinois Supreme Court, 18.09.1958 – James v. Grand Trunk Western Railway Co., 14 Ill. 2d 356. Indiana Court of Appeals, 27.03.1978 – Abney v. Abney, 176 Ind. App. 22. Kansas Supreme Court, 22.05.1992 – Vanier v. Ponsoldt, 833 P.2d 949. Massachusetts Supreme Judicial Court, 14.02.1916 – Nashua River Paper Co. v. Hammermill Paper Co., 223 Mass. 8. Massachusetts Supreme Judicial Court, März 1856 – Nute v. Hamilton Mutual Insurance Co., 72 Mass. 174. Minnesota Supreme Court, 02.08.1918 – State ex rel. Bossung v. District Court of Hennepin County, 140 Minn. 494. Minnesota Supreme Court, 27.04.1923 – Union Pacific Railroad Co. v. Rule, 155 Minn. 302. Minnesota Supreme Court, 02.11.1923 – Frye v. Chicago, Rock Island & Pacific Railway Co., 157 Minn. 52. Mississippi Supreme Court, 27.02.1939 – Equitable Life Assurance Soc. of US v. Gex' Estate, 184 Miss. 577. Mississippi Supreme Court, Oktober 1916 – Fisher v. Pacific Mutual Life Ins. Co., 112 Miss. 30. Missouri Court of Appeals, 21.05.1934 – Alford v. Wabash Railway Co., 229 Mo. App. 102.
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Register action/claim in personam – englisches Recht 18 f. – US-amerikanisches Recht 39 f. action/claim in rem – englisches Recht 18 f. – US-amerikanisches Recht 39 f. action on the foreign judgment 376 ff. action quasi in rem 39 f. AGB-Gerichtsstandsklauseln, siehe auch Zustandekommen von Gerichtsstandsvereinbarungen – deutsches Recht 131 ff. – EG-Klausel-RL 133 ff., 155 ff. – englisches Recht 128 ff. – EuGVVO 151 ff. – HGÜ 163 f. – US-amerikanisches Recht 137 ff. Airbus Industrie GIE v. Patel (House of Lords) 302 ALI Draft Statute 2005 325, 329 ff., 387 ff., siehe auch Anerkennungsverweigerung ggü. Urteil aus einem forum derogatum – USamerikanisches Recht Allianz SpA ./. West Tankers Inc. (EuGH) 264, 360 f., 482 Allokationseffizienz 5 f., 12 f., 56 f. American rule of costs 201 f., 212, 335, 454, 457 Anerkennung ausländischer Entscheidungen – deutsches Recht 393 ff. – Effizienzbewertung 398 f. – englisches Recht 376 ff. – EuGVVO 396 – HGÜ 396 – US-amerikanisches Recht 385 ff. Anerkennungsverweigerung ggü. Urteil aus einem forum derogatum 375 ff. – deutsches Recht 393 ff.
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englisches Recht 376 ff. EuGVVO 396 f. HGÜ 396 rechtsvergleichende Zusammenschau 396 ff. – US-amerikanisches Recht 385 ff. Anti-Injunction Act 311 f., 315 anti-suit injunction, siehe Prozessführungsverbot – englisches und USamerikanisches Recht Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen 172 ff. – Auslegungsstatut 172 ff., 183 ff. – deutsches Recht 177 f. – Effizienzbewertung 187 f. – englisches Recht 174 f., 178 – EuGVVO 183 ff. – HGÜ 185 – Reformvorschlag-EuGVVO 188 – rechtsvergleichende Zusammenschau 186 ff. – US-amerikanisches Recht 175 ff., 178 Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – deutsches Recht 177 f. – englisches Recht 174 f. – Effizienzbewertung 187 f. – EuGVVO 183 – HGÜ 185 – US-amerikanisches Recht 175 ff. Benincasa ./. Dentalkit Srl. (EuGH) 147, siehe auch Missbrauch von Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO Bereicherungsrechtlicher Ausgleich nach Erfüllung eines Urteils aus dem forum derogatum 400 ff. – Anerkennungsfähigkeit eines Rückforderungsurteils 416 ff.
578 – anwendbares Recht auf den Rückforderungsanspruch 408 ff. – deutsches Recht 404 ff. – Effizienzbewertung 428 – englisches Recht 401 f. – EuGVVO 400, 422 ff. – HGÜ 400, 424 f. – internationale Zuständigkeit für Rückforderungsklage 413 ff. – rechtsvergleichende Zusammenschau 426 ff. – US-amerikanisches Recht 401 f. Bremen v. Zapata Off-Shore Co. (US Supreme Court) 51 ff., 318, siehe auch Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – USamerikanisches Recht Carnival Cruise Lines Inc. v. Shute (US Supreme Court) 51 ff., 121, 137 f., siehe auch Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – USamerikanisches Recht claim in personam, siehe action in personam claim in rem, siehe action in rem claim for a negative declaration 223 f., siehe auch Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht – englisches Recht Colorado River Water Conservation District v. United States (US Supreme Court) 226 f., siehe auch Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht – US-amerikanisches Recht comity, siehe international comity common law – injunction 285 – und equity 285 f. consideration 127 contempt of court 306 f., 322 Court of Chancery 285 f., 311 Derogation, siehe Gerichtsstandsvereinbarung Derogationsverbote, siehe Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen diversity jurisdiction, siehe Gerichtsaufbau in den USA
Register due process-Gebot 38 ff., 91, 389 ff., siehe auch internationale Zuständigkeit – US-amerikanisches Recht EG-Klausel-RL 133 ff., 153 ff., 166 f., 499 Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit, siehe Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens 460 ff. El Amria-Test 28, 57, 110, 130, 167, 191, 221 ff., 291 ff., siehe auch Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – englisches Recht, Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht – englisches Recht sowie Prozessführungsverbot – englisches Recht EMRK 259 f., 269, 295, 342, 352 ff., 364 equity 284 ff., 291 ff., 309, 451 ff. Erich Gasser GmbH ./. MISAT Srl. (EuGH) 253 ff., 360 f., 476, 482 ff. Erie-Doktrin 57 ff., 310, 325, siehe auch Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – USamerikanisches Recht EU-Grundrechtecharta 259 f., 269 EuGVVO – Revision 2, 103, 517 ff. – Vorschläge zur Stärkung von Gerichtsstandsvereinbarungen 117 f., 170 f.,188, 214 ff., 272 ff., 372 f., 398 f., 428, 494 f., 513 f., 518 ff. federal courts, siehe Gerichtsaufbau in den USA federal transfer 37, 66 ff., 107, 200 f., siehe auch Rüge der internationalen Zuständigkeit wegen abredewidriger Klage – US-amerikanisches Recht floating forum selection clause 64 Formanforderungen für Gerichtsstandsvereinbarungen 139 ff. – deutsches Recht 139 f. – englisches Recht 139 f. – EuGVVO 145 f. – HGÜ 161 f. – US-amerikanisches Recht 139 f.
Register forum choice agreement/forum selection agreement 9, siehe auch Gerichtsstandsvereinbarung forum non conveniens-Doktrin – deutsches Recht 69 – englisches Recht 21 ff., 220 ff., 302 – EuGVVO 88 – HGÜ 106 ff. – US-amerikanisches Recht 44 ff., 61 ff., 91, 197 ff., 230 forum shopping 8, 59, 91, 197 ff., 230, 235 f., 288 ff., 337, 345 full faith and credit-clause 323 ff., 386 f. Gerichtsaufbau in den USA – diversity jurisdiction 34 ff., 57 – federal courts/Bundesgerichte 33 f., 58 f., 121, 200, 226 f., 310 ff., 382, 420 – federal question jurisdiction 34 ff., 48 ff. – jury 37, 46 – removal 36 f., 59 f., 107, siehe auch federal transfer – state courts/einzelstaatliche Gerichte 33 f., 38, 58 ff., 120, 226, 310 ff., 430 – subject matter jurisdiction 34, 52, 67, 220 Gerichtsstandsvereinbarung – asymmetrische 9, 102 – Auslegung, siehe Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen – ausschließliche/fakultative 9 f., siehe auch Ausschließlichkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – Derogation 9 – hinkende 170 – internationale 9 – Motive für den Abschluss 12 ff. – Motive für die Missachtung – Prorogation 15 f. – verfügende Wirkung 53, 117, 330 ff. – verpflichtende Wirkung 290, 300, 330 ff., 369, 435, 496 – wirksamer Abschluss, siehe wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen – Zulässigkeit, siehe Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen
579 Group Josi Reinsurance Company SA ./. UGIC (EuGH) 208 Gubisch Maschinenfabrik KG ./. Palumbo (EuGH) 246 f. Haag Visby-Regeln 27, 54, 73 Helms-Burton-Gesetz 402 HGÜ – Anwendbarkeit 94 ff. – Entstehungsgeschichte 89 ff. – Verhältnis zu der EuGVVO 103 ff. Hilton v. Guyot (US Supreme Court) 326 f. homo oeconomicus 4 ff. indemnity costs 193 f., siehe auch Rüge der internationalen Zuständigkeit wegen abredewidriger Klage – englisches Recht injunction, siehe Prozessführungsverbot – englisches und USamerikanisches Recht international abstention-Lehre 227 ff., siehe auch Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht – USamerikanisches Recht international comity 228, 233, 294 ff., 312 ff., 352, 369 f., 421, 460 ff., 497 f. internationale Zuständigkeit, Regeln über die Eröffnung – deutsches Recht 68 f. – englisches Recht 18 ff. – US-amerikanisches Recht 37 ff. International Shoe (US Supreme Court), 41 f., siehe auch internationale Zuständigkeit – US-amerikanisches Recht internationales Transaktionsdilemma 14 issue estoppel 308 judgment in personam 379 judgment in rem 379 jurisdiction, siehe internationale Zuständigkeit jurisdiction agreement 9, siehe auch Gerichtsstandsvereinbarung jury, siehe Gerichtsaufbau in den USA
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Register
Kernpunkttheorie (EuGH) 246 ff., siehe auch Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht – EuGVVO Kostenerstattungsanspruch – materiellrechtlicher, siehe Schadensersatzanspruch wegen abredewidriger Klage – prozessualer 193 f., 201 ff., 205 f., siehe auch Rüge der internationalen Zuständigkeit wegen abredewidriger Klage Laker Airways Ltd.-Verfahren 300 ff., 326 ff. Landis v. North American Co. (US Supreme Court) 228 f., siehe auch Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht – USamerikanisches Recht lex prorogatio 124 ff. liquidated damages clause 504 lis pendens-Einwand, siehe Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht long-arm statutes 38 ff., siehe auch internationale Zuständigkeit – USamerikanisches Recht Mediationsvereinbarung 7 f. Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO 146 ff., siehe auch wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen – EuGVVO motion 197 f., siehe auch Rüge der internationalen Zuständigkeit wegen abredewidriger Klage – USamerikanisches Recht natural forum 22 f. National Equipment Rental, Ltd. v. Szukhent (US Supreme Court), 50 negative Feststellungsklage 16 – anderweitige Rechtshängigkeit 223 ff., 234 ff., 240 f., 247 f., 270, 274, siehe auch Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht non-ouster-Lehre 49 ff., siehe auch Zulässigkeit von Gerichtsstandsve-
reinbarungen – US-amerikanisches Recht Océano Grupo Editorial SA ./. Quintero (EuGH) 133 f., 155 ff., 527, 558 ökonomische Analyse des Rechts 4 ff. – Behavioral Law and Economics 7 – Grundlagen 4 ff. – Motive für Abschluss und Missachtung von Gerichtsstandsvereinbarungen 12 f. – Pareto-Kriterium 5 – Kaldo-Hicks-Kriterium 5 – Wohlfahrtsökonomik 11 Overseas Union Insurance Ltd. ./. New Hampshire Insurance Co. (EuGH) 254 f. Owusu ./. Jackson (EuGH) 86, 153 Panon GSM Zrt. ./. Györfi (EuGH) 134 ff., 155 ff. Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht 219 ff. – deutsches Recht 236 ff. – Effizienzbewertung 271 ff. – englisches Recht 219 ff. – EuGVVO 242 ff. – HGÜ 267 f. – rechtsvergleichende Zusammenschau 268 ff. – Reformvorschlag EuGVVO 272 ff. – US-amerikanisches Recht 225 ff. party undertaking 32, 304 penalty clause 504 personal jurisdiction, siehe internationale Zuständigkeit – USamerikanisches Recht Powell Duffryn Plc. ./. Wolfgang Petereit (EuGH) 142 Prioritätsgrundsatz 237 f., siehe Parallelverfahren vor dem prorogierten Gericht – deutsches Recht und EuGVVO Prorogation, siehe Gerichtsstandsvereinbarung Prorogationsverbote, siehe Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen Protection of Trading Interests Act 401 ff. Prozessführungsverbot 284 ff.
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Register – Anerkennung von ausländischem ~ 307 ff., 323 ff., 353 ff., 362, 367 f. – Art. 6 I EMRK 354 – contempt of court 306 f., 322 – deutsches Recht 330 ff. – Effizienzbewertung 371 f. – englisches Recht 284 ff. – equity 284 ff., 292 ff. – EuGVVO 355 ff. – HGÜ 365 ff. – international comity-Erwägungen 294 ff., 327 – rechtsvergleichende Zusammenschau 368 ff. – US-amerikanisches Recht 310 ff. – Vollstreckung 306 f., 322, 351 – völkerrechtliche Bedenken 351 ff.
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Effizienzbewertung 213 ff., 493 ff. englisches Recht 190 ff. EuGVVO 206 ff. HGÜ 209 ff. rechtsvergleichende Zusammenschau 210 ff. – Reformvorschlag EuGVVO 214 ff. – US-amerikanisches Recht 195 ff. rügelose Einlassung bei abredewidriger Klage – deutsches Recht 204 f. – englisches Recht 192 – EuGVVO 207 – HGÜ 209 – rechtsvergleichende Zusammenschau 211 f. – US-amerikanisches Recht 196 f.
reasonable communicativeness-Test 137 f., siehe auch AGBGerichtsstandsklauseln – USamerikanisches Recht reasonableness-Test 51 ff., 138 f., siehe auch Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen – USamerikanisches Recht Rechtfertigungsgrund des Gebrauchmachens von einem gesetzlich geregelten Verfahren 436 ff., siehe auch Schadensersatz wegen abredewidriger Klage – deutsches Recht Rechtsvergleichung 3 f. Reichweite von Gerichtsstandsvereinbarungen 178 ff., siehe auch Auslegung von Gerichtsstandsvereinbarungen – persönliche 182 – sachliche 178 ff. removal, siehe Gerichtsaufbau in den USA res judicata 209, 273, 308, 383, 390 ff., 453 ff., 471 ff. révision au fond 483 right not to be sued abroad, siehe Gerichtsstandsvereinbarung – verpflichtende Wirkung Rüge der internationalen Zuständigkeit wegen abredewidriger Klage 189 ff. – deutsches Recht 203 ff.
Sanicentral GmbH ./. Collin (EuGH) 78 ff. Schadensersatz wegen abredewidriger Klage 429 ff. – Anerkennungsfähigkeit eines Schadensersatzurteils 469 ff., 486 ff. – anwendbares Recht 420 ff., 444 ff. – deliktische Schadensersatzhaftung 443 ff. – deutsches Recht 430 ff. – englisches Recht 430 ff. – equity-Schadensersatzhaftung 451 f. – entgegenstehende Rechtskraft des Urteils aus einem forum derogatum 452 ff. – EuGVVO 474 ff. – HGÜ 488 f. – internationale Zuständigkeit für Schadensersatzklage 468 f. – Reformvorschlag EuGVVO 494 f. – Rechtsfolgenseite einer Schadensersatzhaftung 458 ff. – rechtsvergleichende Zusammenschau 490 ff. – US-amerikanisches Recht 430 ff. – vertragliche Schadensersatzhaftung 430 ff. Schiedsvereinbarung 7, 49 Schutzmechanismen gegen abredewidrige Klagen – direkte 10, 189 ff. – indirekte 10 f., 375 ff.
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separability-Doktrin 126 f., 140 f. Spiliada-Test 21, 29 ff., siehe auch forum non conveniens-Doktrin – englisches Recht state courts, siehe Gerichtsaufbau in den USA Stewart Organization, Inc. v. Ricoh Corp.-Entscheidung 67 Streitgegenstand – deutsches Recht 237 ff. – EuGVVO 246 f. subject matter jurisdiction 34, siehe Gerichtsaufbau in den USA tag/transient jurisdiction 40 f., siehe auch internationale Zuständigkeit – US-amerikanisches Recht „Tatry“ ./. „Maciej Rataj“ (EuGH) 245 ff. „Torpedoklagen“ 214, 245 ff., 257, 271, 273 ff. tort of abuse of civil process 446 f., 448 ff. tort of malicious prosecution 445 f. tort of unlawful interference with trade or business 447 f. tort of wrongful civil proceedings 448 ff. traditional rules of jurisdiction 18, siehe auch internationale Zuständigkeit – englisches Recht Transaktionskosten 13, 114, 283, 513 Trasporti Castelletti Spedizioni Internazionali SpA ./. Trumpy SpA (EuGH) 147, 153, 158 f., siehe auch Missbrauch von Gerichtsstandsvereinbarungen in der EuGVVO Turner ./. Grovit (EuGH) 356 ff., 481 f., 485 f. Unfair Contract Terms Act 1977 129 f., siehe auch AGB-Gerichtsstandsklauseln – englisches Recht vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen 496 ff. – deutsches Recht 496 ff. – Effizienzbewertung 512 f. – englisches Recht 496 ff. – EuGVVO 507 ff.
– HGÜ 507 ff. – rechtsvergleichende Zusammenschau 511 ff. – Reformvorschlag EuGVVO 513 ff. – US-amerikanisches Recht 496 ff. – Vereinbarung der Pflicht zur Unterlassung abredewidriger Klagen 496 ff. – Vereinbarung von Kosten- und Schadensersatzpflichten bei abredewidriger Klage 497 ff. – Vereinbarung von Vertragsstrafen 504 ff. wirksamer Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen 119 ff. – Abschlussstatut 119 ff., 141 ff., 159 f. – AGB-Gerichtsstandsklauseln 127 ff. – deutsches Recht 126 ff. – Effizienzbewertung 169 ff. – englisches Recht 126 ff. – EuGVVO 140 ff. – HGÜ 159 ff. – rechtsvergleichende Zusammenschau 164 ff. – Reformvorschlag EuGVVO 170 f. – US-amerikanisches Recht 126 ff. Wohlfahrtsökonomik, siehe ökonomische Analyse des Rechts Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen 17 ff. – Begriff 17 – Derogationsverbote 26 f., 48 f., 72 ff., 107 f. – deutsches Recht 69 ff. – Effizienzbewertung 104 ff. – englisches Recht 26 ff. – EuGVVO 76 ff. – HGÜ 105 ff. – Prorogationsverbote 26 f., 64 ff., 71 f., 106 f. – rechtsvergleichende Zusammenschau 109 ff. – Reformvorschlag-EuGVVO 117 f. – US-amerikanisches Recht 48 ff. Zuständigkeitsrüge wegen abredewidriger Klage, siehe Rüge der internationalen Zuständigkeit wegen abredewidriger Klage